Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt und die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.] 9783428544134, 9783428144136

Das UNESCO-Welterbeübereinkommen ist sowohl hinsichtlich der Anzahl seiner Vertragsparteien als auch seiner Bekanntheit

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German Pages 373 Year 2016

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Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt und die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.]
 9783428544134, 9783428144136

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Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel

Band 193

Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt und die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland Von

Philip Seifert

Duncker & Humblot · Berlin

Philip Seifert

Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kulturund Naturerbes der Welt und die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel In der Nachfolge von Jost Delbrück herausgegeben von Andreas von Arnauld, Nele Matz-Lück und K e r s t i n O d e n d a h l Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht

193

Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Christine Chinkin London School of Economics James Crawford International Court of Justice, The Hague Lori F. Damrosch Columbia University, New York Vera Gowlland-Debbas Graduate Institute of International Studies, Geneva Rainer Hofmann Johann Wolfgang GoetheUniversität, Frankfurt a.M. Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis

Eibe H. Riedel Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights Law Allan Rosas Court of Justice of the European Union, Luxemburg Bruno Simma Iran International States Claims Tribunal, The Hague Daniel Thürer Universität Zürich Christian Tomuschat Humboldt-Universität, Berlin Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Stiftung für Internationalen Frieden und Rechtsstaatlichkeit, Heidelberg

Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt und die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland

Von

Philip Seifert

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 978-3-428-14413-6 (Print) ISBN 978-3-428-54413-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84413-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2013 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Ergänzungen und Aktualisierungen konnten im Folgenden nur noch punktuell vorgenommen werden. Mein Dank gilt zuvörderst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Thomas Giegerich für die jahrelange Treue, Sicherheit und Freiheit, die er mir während meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl am Walther-SchückingInstitut für Internationales Recht gewährte. Sie hat das Entstehen dieser Arbeit möglich gemacht. Danken möchte ich auch Frau Prof. Dr. Kerstin Odendahl für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie ihre Diskussionsbereitschaft und Toleranz für meine eigene Vorgehensweise. Herr Prof. Dr. Andreas von Arnauld hat sich freundlicherweise sehr spontan für die Disputation zur Verfügung gestellt. Prof. Dr. Andreas Zimmermann hat durch seine begeisternden Veranstaltungen mein Interesse für das Völkerrecht entfacht und mich auch persönlich für die Verfassung einer Dissertation motiviert. Letzteres gilt in besonderer Weise auch für meine beiden Freunde Manuel Knebelsberger und Amir Makee Mosa, die mich in all den Jahren immer wieder antrieben, in vielerlei Formen unterstützen und Ansporn boten, an die Vollendung dieses Projektes zu glauben und daran zu arbeiten und mir dadurch eine sehr große Hilfe waren. Mein Dank gilt auch den vielen netten Kolleginnen und Kollegen, die mich in meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht begleitet haben. Er schließt das gesamte Team von den Bibliothekarinnen, unserem Buchbinder, den Hiwis und den vielen anderen Wissenschaftlichen Mitarbeitern ein, die über meine aktive Zeit, aber auch noch darüber hinaus, zusammen gekommen sind. Hervorheben möchte ich dabei Uschi Heinz, Andrea Neisius und Carmen Thies, die stets – insbesondere in persönlich schwierigen Situationen – ein offenes Ohr und einen guten Rat für mich hatten und die Erstellung der Arbeit mit Zuspruch begleitet haben. Dank sagen möchte ich aber auch weiteren ehemaligen Kolleginnen aus dem Institut oder dessen Dunstkreis, mit denen ich seit dieser Zeit in Freundschaft verbunden bin. Dazu zählen insbesondere Sara Jötten und Felix Machts, Kerstin Güssow, Monika Krivickaite und Carl-Sebastian Zoellner. Sie alle haben mir vielfältige Anregungen und vor allem persönliche Unterstützung angedeihen und beizeiten auch

6

Vorwort

Nachsicht walten lassen, ohne die die Fertigstellung dieser Arbeit schlicht nicht möglich gewesen wäre. Dies gilt auch für meine ehemalige Partnerin Lena Wilmes. Zu guter Letzt danke ich meinen Eltern Ria und Hans-Henning Seifert, die an mich geglaubt und dadurch immer wieder motiviert sowie in der Endphase auch finanziell stark unterstützt haben. Kiel, im Oktober 2015

Philip Seifert

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

1. Teil Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kulturund Naturerbes der Welt

25

1. Kapitel Die Entwicklung des internationalen Schutzes von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive 25 A. Die Geschichte des Kulturerbe- und Denkmalschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Nationaler Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Staatlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Kirchlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Internationaler Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Die Geschichte des Schutzes der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Nationaler Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Internationaler Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 C. Zusammenführung der beiden Ideen in den Vorarbeiten zum Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Vorarbeiten auf Ebene der UNESCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Vorarbeiten auf Ebene der United Nations Conference on Human Environment 48 III. Zusammenführung der Entwürfe unter der Ägide der UNESCO . . . . . . . . . . . . 48

2. Kapitel Die Organe des Übereinkommens

51

A. Vertragsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Welterbekomitee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. UNESCO-Generalkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 III. UNESCO-Generaldirektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

8

Inhaltsverzeichnis IV. Generalkonferenz der Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 V. Exkurs: Nationale UNESCO-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 B. Beratende Internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. ICCROM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. ICOMOS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 III. IUCN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 IV. Sonstige Unterstützung des Welterbekomitees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

3. Kapitel Der Gegenstand des Übereinkommens 59 A. Inhalt der Schutzverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Nationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Inhalt der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Echte Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4. Verpflichtungsgrad: Erfüllungs- oder Bemühensverpflichtung? . . . . . . . . . . 64 5. Art der Bemühensverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Internationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 B. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten für das „Kultur- und Naturerbe der Welt“ im Rahmen des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Definition „Kulturerbe“ in Artikel 1 WKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Definition „Naturerbe“ in Artikel 2 WKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Mischformen des im Übereinkommen definierten Erbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Gemischtes Kultur- und Naturerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Kulturlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Kultur- oder Naturerbe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Keine Anknüpfung an die Erfassung und Bestimmung durch die jeweilige Vertragspartei gemäß Artikel 3 WKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 V. Das vom Welterbekomitee in die Listen gemäß Artikel 11 Absätze 2 und 4 WKÜ eingetragene Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 VI. Weitere Bezeichnungen des Erbes im Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 VII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 C. Der Schutzgegenstand des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 III. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 IV. Spätere Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 V. Travaux préparatoires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Inhaltsverzeichnis

9

VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 D. Vertragliche Mechanismen zur Unterstützung der Vertragsparteien bei der Verfolgung der Ziele des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 I. Internationale Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II. Fonds für das Erbe der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 III. Information und Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

4. Kapitel Die Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

94

A. Nationales Meldeverfahren der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Nationale Vorschlagsliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Generelle Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Die Erstellung der nationalen Vorschlagsliste am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 III. Reformen für eine bessere Repräsentativität der Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 B. Weiteres Verfahren zur Erstellung der „Liste des Erbes der Welt“ auf der Ebene des UNESCO-Welterbekomitees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Prüfung durch das Komitee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Außergewöhnlicher universeller Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Der Begriff des „außergewöhnlichen universellen Wertes“ in den Richtlinien (operational guidelines) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Bedeutung des außergewöhnlichen universellen Wertes für das Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Auslegung des Begriffs „außergewöhnlicher universeller Wert“ . . . . . . . . 104 d) Bedeutung der Auslegung für die Welterbeliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Weitere Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Unversehrtheit und/oder Echtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Echtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Schutz- und Verwaltungsplan sowie Pufferzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Entscheidung des Komitees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Handlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 III. Rechtsfolge einer Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Bisherige Charakterisierung des Schutzsystems des Übereinkommens . . . . . 117 2. Kein reines Listen- und kein reines Tatbestandssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

10

Inhaltsverzeichnis 3. Unechtes Tatbestandssystem als Teilsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

C. Erstellung der „Liste des gefährdeten Erbes der Welt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Tatbestand der Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Verfahren der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Initiativrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Beschränkung auf Welterbelistengüter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Zustimmungsbedürftigkeit der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 III. Charakter der Eintragung auf der Roten Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 IV. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 D. Streichung von den Listen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Rechtliche Möglichkeit der Streichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Zustimmungsbedürftigkeit der Streichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 III. Charakter der Streichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Normativer Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) „Dresdner Elbtal“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) „Arab Oryx Sanctuary“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

5. Kapitel Die Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus 142 A. Rechtliche Analyse des UNESCO-Welterberegimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 I. Entscheidungs- und Rechtssetzungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Geschäftsordnung des Welterbekomitees (rules of procedure) . . . . . . . . . . . . 143 2. Die Richtlinien zur Durchführung des Übereinkommens (operational guidelines) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Aufstellung der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Verbindlichkeit der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Im Rahmen der Regelungskompetenz des Komitees . . . . . . . . . . 147 (2) Außerhalb der Regelungskompetenz des Komitees . . . . . . . . . . . 148 (3) Möglichkeit der Einbeziehung bei der Auslegung des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Listenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Gewährung internationaler Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Inhaltsverzeichnis

11

II. Überwachungskompetenzen und Erfüllungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Berichtspflichten der Vertragsstaaten gegenüber dem Komitee . . . . . . . . . . . 153 a) Regelmäßige Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Reaktive Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Sanktionsmöglichkeiten des Komitees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Rechtschutzmöglichkeiten gegen Entscheidungen des Welterbekomitees . . . 156 B. Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Internationale Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Regime sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

2. Teil Das UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland

162

1. Kapitel Verfassungsmäßigkeit des Abschlusses des UNESCO-Welterbeübereinkommens

163

A. Das Verfahren zum Abschluss des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 B. Völkerrechtliche Verträge in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Der Abschluss von Verträgen über Gegenstände in ausschließlichen Zuständigkeiten der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Die historischen Auffassungen zur Abschluss- und Umsetzungskompetenz . 165 2. Die praktische Lösung des Konflikts durch die Lindauer Vereinbarung vom 14. 11. 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Die Welterbekonvention als Gesetzgebungsvertrag oder Verwaltungsabkommen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Gesetzgebungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Verwaltungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Zur Notwendigkeit eines formellen Gesetzes zur Durchführung des Welterbeübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Grundrechtswesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Haushaltswirksamkeit von Art. 16 WKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5. Die Gegenauffassung vom Gesetzgebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 6. Verwaltungsabkommen als Auffangtatbestand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

12

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel

Die Einbeziehung in die deutsche Rechtsordnung 180 A. Das Verhältnis von Völkerrecht und nationalem Recht nach dem Grundgesetz . . . . 180 I. Die gemäßigt dualistische Vorstellung des Verhältnisses von völkerrechtlichen Verträgen und der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Klassische Modelle der Einbeziehung völkerrechtlicher Verträge in die deutsche Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 II. Neuerer Ansatz der Offenen Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 B. Das Welterbeübereinkommen im Geflecht von Völker- und nationalem Recht . . . . 185 I. Einbeziehung des Welterbeübereinkommens als Verwaltungsabkommen . . . . . 185 1. Grundsätzliche Einbeziehung von Verwaltungsabkommen in den deutschen Rechtsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Einbeziehung des Übereinkommens durch nachträgliche Umsetzungsgesetze 187 3. Einbeziehung des Übereinkommens durch Rechtsakte unterhalb Gesetzesranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Zustimmung der Ständigen Vertragskommission der Länder . . . . . . . . . . 188 b) Kabinettsbeschluss der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 C. Einbeziehung trotz Föderalklausel gemäß Art. 34 WKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Allgemeine Einordnung von Bundesstaatsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 II. Die Bundesstaatsklausel des Welterbeübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 III. Auslegung der Bundesstaatsklausel des Art. 34 WKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 IV. Keine Erfassung der Bundesrepublik durch die Föderalklausel des Art. 34 WKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Verpflichtung zur Durchführung aufgrund des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Verpflichtung zur Durchführung aufgrund des Grundsatzes des bundesfreundlichen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

3. Kapitel Berücksichtigung des Übereinkommens im Wege der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes 200 A. Völkerrechtsfreundlichkeit und „Offene Staatlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 B. Die dogmatische Verortung der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes . . . . 204 C. Die Anwendbarkeit der völkerrechtsfreundlichen Auslegung auf Verwaltungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Inhaltsverzeichnis

13

D. Reichweite der Berücksichtigungspflicht für das UNESCO-Welterbeübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

4. Kapitel Die exemplarische Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention im Rahmen der bestehenden Denkmalschutzgesetze der Länder

211

A. Die Gegenstände des UNESCO-Übereinkommens in den Landesdenkmalschutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Denkmäler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Ensembles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Stätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 B. Unterschutzstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 I. Regelungen der Landesdenkmalschutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Bedeutung für das UNESCO-Welterbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 C. Reichweite des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

3. Teil Das UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis der Bundesrepublik Deutschland

228

1. Kapitel Die Berücksichtigung des Übereinkommens in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

228

A. Dessau-Wörlitzer Gartenreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 III. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 B. Altes Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 C. Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 D. Dresdner Elbtal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Historischer und politischer Rahmen der Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 II. Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Verwaltungsgericht Dresden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 aa) Rechtmäßigkeit der Aussetzung der Vergabeentscheidung . . . . . . . . . 244

14

Inhaltsverzeichnis bb) Ermessensfehlerhaftigkeit wegen Ermessensausfalls . . . . . . . . . . . . . 244 2. Oberverwaltungsgericht Bautzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Keine eindeutige Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der aufsichtsrechtlichen Bescheide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Keine erneute Rückstellungsmöglichkeit der Vergabeentscheidung wegen weiterer Gespräche zwischen Stadt und UNESCO . . . . . . . . . 245 bb) Keine Ermessensfehlerhaftigkeit der Bescheide . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (1) Keine unmittelbare Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (2) Keine mittelbare Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Güterabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Güterabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Rechtswidrigkeit der aufsichtsrechtlichen Bescheide . . . . . . . . . . . . . . . . 253 aa) Rechtswidrigkeit von Bürgerentscheiden in Sachsen . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Rechtswidrigkeit des Bürgerentscheides über den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Ermessenfehlerhaftigkeit der aufsichtsrechtlichen Bescheide . . . . . . . 258 III. Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Sächsischer Verfassungsgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

E. Siedlungen der Berliner Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 F. Oberes Mittelrheintal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 G. Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 H. Zeche Zollverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 I. Wartburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II. Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 III. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 J. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

2. Kapitel Die Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis 277 A. Die Berücksichtigung der Welterbekonvention im Konflikt um den Bau der Waldschlösschenbrücke im Dresdner Elbtal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 B. Die Behördenkooperation bei den Planungen für eine Brücke im Oberen Mittelrheintal bei St. Goar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 C. Ergebnisse anderer Konfliktanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 I. Konflikt um den Bau von Hochhäusern in Sichtweite des „Kölner Domes“ . . . 287 II. Konflikte um weitere Welterbestätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

Inhaltsverzeichnis

15

3. Kapitel Vorschläge und Ansätze für eine zukünftige adäquate Berücksichtigung der Welterbekonvention 292 A. Politische Forderungen und rechtliche Entwicklung nach dem Dresdner Brückenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 I. Gutachten der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 II. Stellungnahme der Kultusministerkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 III. Forderungen der Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ . . . . . . . . . . . . 293 B. Erste gesetzgeberische Ansätze zu einer besseren Berücksichtigung des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Auf Ebene des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 1. Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Erlass eines Umsetzungsgesetzes auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 a) Auffassung der befassten Ausschüsse des Deutschen Bundestages . . . . . . 294 b) Ablehnung eines Bundesgesetzes durch den Deutschen Bundestag . . . . . 294 2. Aufnahme des Welterbeschutzes im Bundesnaturschutzgesetz . . . . . . . . . . . 295 II. Auf Ebene der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Denkmalschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Denkmalschutzgesetz des Freistaats Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 3. Denkmalschutzgesetz des Landes Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4. Denkmalschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 a) Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 aa) Pufferzonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 bb) Genehmigungspflichtigkeit von Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 cc) Managementpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 dd) Ausschließliche Anwendung auf eingetragene Welterbestätten . . . . . 311 ee) Weitere Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 ff) Einordnung der im Gesetzgebungsverfahren vorgebrachten Kritik . . 314 5. Denkmalschutzgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg . . . . . . . . . . . . . . 316 6. Denkmalschutzgesetze der übrigen Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

4. Kapitel Abschließende Würdigung

318

A. Zusammenfassende Problemanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 B. Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I. Änderungsvorschläge und Forderungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 II. Beurteilung der bisherigen Vorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

16

Inhaltsverzeichnis III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 1. Umsetzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 a) Auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 b) Auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Weitere Verbesserung des Vollzugs des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . 334 a) Präferenz für eine Verbesserung des Vollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 b) Gründung eines Ständigen Büros für das UNESCO-Welterbe in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 c) Rechtlicher Rahmen für die Schaffung einer zentralen Stelle . . . . . . . . . . 339

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Anhang: Beschluss zur Streichung der Welterbestätte „Dresdner Elbtal“ von der Welterbeliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

Abkürzungsverzeichnis a.A. AAFU Abs. a.F. AFDI AJIL Alt. Anm. AöR ArchNBl. ARhD Aufl. AUILR AUR AustLJ AVR AYIL BauR BauW BayVBl. BBauBl. BerDGfV BGBl. BGH BMVBS BNatSchG BT-Drucks. BuS BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BYIL CDI CILJS CJIELP CMAS COP ders. d. h. dies.

andere(r) Auffassung Association des anciens fonctionnaires de l‘UNESCO Absatz alte Fassung Annuaire Français de Droit International The American Journal of International Law Alternative Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Archäologische Nachrichtenblätter Arbeitshefte der Rheinischen Denkmalpflege Auflage American University International Law Review Agrar- und Umweltrecht The Australian Law Journal Archiv des Völkerrechts Australian Year Book of International Law Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Bauwelt Bayerische Verwaltungsblätter Bundesbaublatt Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Bundesnaturschutzgesetz Bundestagsdrucksache Burgen und Schlösser Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts British Yearbook of International Law Caiete de Drept International The Comparative and International Law Journal of Southern Africa Colorado Journal of International Environmental Law and Policy Conservation and Management of Archaeological Sites Conference of the Parties derselbe das heißt dieselbe(n)

18 DJILP DÖV DPfl DPfliR DS DSchGBrb DSchGBW DSchGBY DSchGHB DSchGHH DSchGMV DSchGNds DSchGNRW DSchGÖ DSchGRP DSchGSA DSchGSaarl DSchGSH DSchGSN DSchGTH DSI DUK DVBl. EAP ebd. EJIL ELJ EPLJ EU EuGRZ EuR EurUP EvStL f./ff. FAO FAZ Fn. FR GeoLJ GeorJICL GFH GG GJIL GLJ GR GtbgJ GVBl. GWF

Abkürzungsverzeichnis Denver Journal of International Law and Policy Die Öffentliche Verwaltung Die Denkmalpflege Denkmalpflege im Rheinland Der Sachverständige Denkmalschutzgesetz des Landes Brandenburg Denkmalschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg Denkmalschutzgesetz des Freistaates Bayern Denkmalschutzgesetz der Hansestadt Bremen Denkmalschutzgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg Denkmalschutzgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern Denkmalschutzgesetz des Landes Niedersachsen Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Österreichisches Denkmalschutzgesetz Denkmalschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt Denkmalschutzgesetz des Saarlandes Denkmalschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein Denkmalschutzgesetz des Freistaats Sachsen Denkmalschutzgesetz des Freistaats Thüringen Denkmalschutzinformationen Deutsche UNESCO-Kommission Deutsches Verwaltungsblatt Economic Analysis & Policy ebenda European Journal of International Law Earth Law Journal Environmental and Planning Law Journal Europäische Union Europäische Grundrechte Zeitschrift Europarecht Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht Evangelisches Staatslexikon folgende/fortfolgende Food and Agriculture Organization of the United Nations Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote Frankfurter Rundschau Georgetown Law Journal Georgia Journal of International and Comparative Law Grenzfriedenshefte Grundgesetz Georgetown Journal of International Law German Law Journal Geographische Rundschau Gutenberg-Jahrbuch Gesetzes- und Verordnungsblatt The George Wright Forum

Abkürzungsverzeichnis GYIL HAZ HdbStKirchR HmbGVOBl. Hrsg. HStR HumVR ICCROM ICJ ICLQ ICOMOS ICON i. d. F. i. E. IJCP ILM ILR IPbürgR IPwskR i.S.d. IStR IUCN i.V.m. IWGC JA JAIL JIR JöR JuS JZ KM lit. LKV LR LVerfBW LVerfHB LVerfMV LVerfRP LVerfSaarl LVerfSN MJIL MPUNYB Ms. m.w.N. NatSchGBrb NatSchGNds NatSchGSH

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German Yearbook of International Law Hannoversche Allgemeine Zeitung Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Hamburgisches Gesetzes- und Verordnungsblatt Herausgeber Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property International Court of Justice International and Comparative Law Quarterly International Council on Monuments and Sites International Journal of Constitutional Law in der Fassung im Ergebnis International Journal of Cultural Property International Legal Materials International Law Reports Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Sinne des/der Internationales Steuerrecht International Union for Conservation of Nature in Verbindung mit Intergouvernmental Working Group on Conservation Juristische Arbeitsblätter Japanese Annual of International Law Jahrbuch für Internationales Recht Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Schulung Juristenzeitung Kulturpolitische Mitteilungen littera Landes- und Kommunalverwaltung Landscape Research Verfassung des Landes Baden-Württemberg Verfassung der Hansestadt Bremen Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz Verfassung des Saarlandes Verfassung des Freistaats Sachsen Michigan Journal of International Law Max Planck Yearbook of United Nations Law Manuskript mit weiteren Nachweisen Naturschutzgesetz des Landes Brandenburg Landesnaturschutzgesetz des Landes Niedersachsen Landesnaturschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein

20 Nds. GVOBl. Nds. LT-Drucks. Nds. LT-Umdruck n.F. NJ NJW Nr. NuL NuR NVwZ NWVBl. NYIL NYUJILP NZWehrr OER operational guidelines OSZE PACT PELR PILR PYIL RdC RGDIP RHDI RIAA RICR RJE Rn. RuP S. SächsVerf SächsVerfGH SA GVOBl. SCILJ SH LT-Drucks. SH LT-Umdruck Sp. StGB SZIER u. a. UNESCO UNESCO Doc. UNTS VG vgl. ViS

Abkürzungsverzeichnis Niedersächsisches Gesetzes- und Verordnungsblatt Niedersächsische Landtagsdrucksache Niedersächsischer Landtag Umdruck neue Fassung Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nummer Natur und Landschaft Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Netherlands Yearbook of International Law New York University Journal of International Law and Politics Neue Zeitschrift für Wehrrecht Osteuropa-Recht operational guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Partnerships for Conservation Pace Environmental Law Review Pace International Law Review Polish Yearbook of Interantional Law Recueil des Cours Revue Générale de Droit International Public Revue hellénique de droit international Reports of International Arbitral Awards Revue Internationale de la Croix-Rouge Revue Juridique de l’Environnement Randnummer(n) Recht und Politik Seite Verfassung des Freistaates Sachsen Sächsischer Verfassungsgerichtshof Sachsen-Anhaltinisches Gesetzes- und Verordnungsblatt Southern California Interdisciplinary Law Journal Schleswig-Holsteinisches Gesetzes- und Verordnungsblatt Schleswig-Holsteinische Landtagsdrucksache Schleswig-Holsteinischer Landtag Umdruck Spalte Strafgesetzbuch Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht unter anderem United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization Dokumente der UNESCO United Nations Treaty Series Verwaltungsgericht vergleiche Volkskunde in Sachsen

Abkürzungsverzeichnis VN Vol. VR VUWLR VVDStRL VwVfG WKÜ WRV WVRK ZaöRV ZAU ZfBR ZfV z. T. ZUR

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Vereinte Nationen Volume Verwaltungsrundschau Victoria University Wellington Law Review Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz UNESCO-Übereinkommen über den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt Weimarer Reichsverfassung Wiener Konvention über das Recht der Verträge von 1969 Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für angewandte Umweltforschung Zeitschrit für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Völkerrecht zum Teil Zeitschrift für Umweltrecht

Einleitung Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt1 (WKÜ) schreibt eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Seit fast 40 Jahren in Kraft ist es mit 191 Ratifikationen eines der meistverbreiteten Abkommen der Erde. Das Weltkultur- und Naturerbe findet als Marke global aber auch in Deutschland, das Vertragspartei der ersten Stunde ist, immer größere Beachtung. Die Bundesrepublik ist mittlerweile mit 40 Stätten auf der Welterbeliste vertreten. Der rechtliche Schutz, der von diesem Übereinkommen ausgehen sollte, schien in der Praxis über Jahrzehnte keine Probleme aufzuwerfen und wurde wohl deshalb im juristischen Schrifttum kaum thematisiert. Entsprechend schwierig muss die Situation für die deutschen Gerichte gewesen sein, die sich ab dem Jahre 2006 mit den Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich des Baus der so genannten Waldschlösschenbrücke im Bereich des auf der UNESCO-Welterbeliste verzeichneten „Dresdner Elbtals“ zu beschäftigen hatten. Schwierig war die Situation insbesondere deshalb, weil es sich bei der juristischen Problemstellung um einen klassischen Mehrebenenkonflikt handelte, wie er in zunehmendem Maße in die deutsche Rechtspraxis Einzug hält. Im konkreten Fall stießen die in einem Akt der direkten Demokratie artikulierten Interessen der Bürger der Stadt Dresden, gestützt von den Kommunalaufsichtsbehörden, und das Bestreben des UNESCO-Welterbekomitees, als Vertragsorgan des Übereinkommens, aufeinander. Die Beteiligten sahen sich nicht in der Lage, ihre unterschiedlichen Interessen zu einem Ausgleich zu bringen. Als Resultat zahlreicher gerichtlicher Auseinandersetzungen gab es am Ende nur Verlierer zu beklagen: die Dresdner Kulturlandschaft, in deren Herzen eine charakterlose Verkehrsverbindung gebaut wurde, die Stadt Dresden, die den Titel des Welterbes verlor, die UNESCO, deren Kompetenz und Durchsetzungskraft auf dem Gebiet des Kulturgüterschutzes in Frage gestellt und sogar beschädigt wurde, und zu guter Letzt auch die Bundesrepublik, die als gegenüber den anderen Vertragsparteien Verpflichtete nicht im Stande war, eine Verletzung des Vertrages durch ihre untergeordneten Ebenen zu verhindern, und die es daher hinnehmen musste, dass ihr als erstem europäischem und weltweit erst zweitem Staat ein Welterbetitel aberkannt wurde. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, das Verhältnis zwischen der UNESCOKonvention und der deutschen Rechtsordnung unter unterschiedlichen Aspekten zu 1 Convention for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, 1037 UNTS 151; auf der Homepage der UNESCO firmierend als: Convention Concerning the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/archive/convention-en.pdf (Hervorhebungen sind solche des Verfassers).

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Einleitung

beleuchten, um Rückschlüsse für die Einhaltung der Konvention in der Zukunft ziehen zu können. Eine besondere Bedeutung wird hierbei der im Dresdner Brückenstreit zutage getretenen Tatsache des Fehlens eines nationalen Zustimmungsgesetzes beizumessen sein. Es wird in diesem Kontext insbesondere der Frage nachzugehen sein, ob und – im positiven Fall – wie es möglich ist, dem Vertrag gleichwohl im Rahmen des nationalen Rechts hinreichende Beachtung zu schenken. Dazu soll in einem ersten Teil der Untersuchung zunächst das Vertragsregime des UNESCO-Übereinkommens und damit die völkerrechtliche Ebene des Welterbeschutzes analysiert werden. Dabei wird insbesondere auf den Schutzmechnismus der Übereinkommens sowie die konkreten Schutzverpflichtungen einzugehen sein, da sie die wesentlichen Parameter darstellen, auf die sich das deutsche Rechts- und Verwaltungssystem einzustellen hat. Im zweiten Teil wird sodann der Frage nachgegangen werden, welche rechtliche Bedeutung das Übereinkommen im föderalen Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unter dem Aspekt des fehlenden Vertragsgesetzes, de lege lata entfaltet. Hierbei ist es von besonderem Interesse festzustellen, ob es sich um einen den Vorschriften des Grundgesetzes entsprechenden Vertragsschluss sowie eine solche Durchführung gehandelt hat und welche Verpflichtungen der viel beschworenen Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes in Bezug auf das UNESCO-Welterbeübereinkommen zu entnehmen sind. Im abschließenden dritten Teil soll untersucht werden, welche Rolle die Rechtsund Verwaltungspraxis in der Bundesrepublik dem Übereinkommen in der Vergangenheit beigemessen hat. Dabei wird diese Praxis einer kritischen Würdigung im Lichte der bisherigen Untersuchungsergebnisse unterzogen werden. Es gilt zu betrachten, ob es – und wenn ja, in welchen Bereichen – im Spannungsfeld zwischen völkerrechtlichen Verpflichtungen und verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, die Aufgabe einer Nachjustierung des Welterbeschutzes de lege ferenda in der Bundesrepublik Deutschland gibt.

1. Teil

Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt Im ersten Teil dieser Arbeit soll das Vertragsregime des UNESCO-Übereinkommens vorgestellt werden. Hierbei wird zunächst im ersten Kapitel die historische Entwicklung des Kultur- und Naturgüterschutzes bis zur Entstehung dieses Übereinkommens nachgezeichnet werden. Nach der Vorstellung der Vertragsorgane im zweiten Kapitel, soll im sich daran anschließenden dritten Kapitel der Schutzgegenstand des Übereinkommens einer genaueren Analyse zugeführt werden. Dieses ist insofern von besonderem Interesse, als das öffentliche und wissenschaftliche Augenmerk regelmäßig auf die berühmten Listen des Welterbes gerichtet ist, deren Aufstellung im Anschluss daran im vierten Kapitel dargestellt werden soll. Abschließend soll im fünften Kapitel der Vertragsmechanismus unter besonderer Berücksichtigung der dominierenden Rolle des Welterbekomitees und dabei insbesondere die Verzahnung mit den Schutzsystemen der Vertragsparteien untersucht werden, um sodann eine Einordnung in eine der bekannten völkerrechtlichen Kategorien der unterschiedlichen Vertragsregime vornehmen zu können. 1. Kapitel

Die Entwicklung des internationalen Schutzes von Kulturund Naturgütern aus historischer Perspektive Eine historische Einleitung zum Vertragsgegenstand des „Kultur- und Naturerbes“ bedingt, diesen zunächst einmal zu kennen. Es ergeben sich bereits beim ersten Gegenstand des Übereinkommens, dem „Kulturerbe“, weit reichende Fragen nach seinem genauen Inhalt. Man stellt nach kurzer Betrachtung dieses Vertragsgegenstandes fest, dass der Begriff des „Kulturerbes“1 kaum einheitlich definierbar ist. 1 Vgl. allein die 60 verschiedenen nationalen und internationalen Definitionen des Begriffs, die Jokilehto für die ICCROM Working Group „Heritage and Society“ zusammengestellt hat, ICCROM Working Group „Heritage and Society“, Definition of Cultural Heritage, S. 4 ff.; Odendahl, Kulturgüterrecht, S. 389 ff., stellt fest, dass der Begriff des Kulturerbes insbesondere im internationalen Recht gebräuchlich ist. Dieses unterstreicht Hönes, Das kulturelle Erbe, NuR 2009, 19 (19 ff.), der darauf hinweist, dass es mangels Existenz dieses Begriffs im deutschen Recht zu Umsetzungsschwierigkeiten komme. Die besondere Reichweite und die entspre-

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Gleiches kann für den Oberbegriff der Kultur als allgemein bekannt vorausgesetzt werden und ist bereits hinlänglich festgestellt worden.2 Daraus resultiert naheliegenderweise auch eine Unsicherheit bei der Definition der Unterkategorie „Kulturgüterschutz“3. Bei diesem Begriff ist bereits der Gegenstand umstritten.4 Dabei wird bereits diskutiert, ob der Gegenstand des „Kulturgüterschutzes“ nur körperlicher oder auch unkörperlicher Natur sein kann. Während in der europäischen oder von westlichen Vorstellungen geprägten Literatur ganz überwiegend die erste Auffassung vertreten wird,5 setzt sich die UNESCO für ein breites Verständnis ein.6 Sie entspricht damit ihrer Aufgabe als Weltkulturorganisation auch insbesondere deshalb, weil in anderen Kulturkreisen – beispielweise in Japan – ein weites Begriffsverständnis vorherrscht, wonach Kulturgüter auch immaterieller Art sein können.7 Aber selbst wenn man den Begriff des „Kulturgüterschutzes“ auf denjenigen körperlicher Gegenstände reduzierte,8 bliebe er wegen unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Rechtsordnungen der Staaten sowie der unterschiedlichen Verwendung in den einzelnen völkerrechtlichen Verträgen kaum fassbar.9 Schwierigkeiten mit der Definition gibt es auch für die mit „Kultur“ und „Kulturgüterschutz“ in enger Verbindung stehenden Begriffe „Kulturerbe der Menschheit“10 und „Kulturgut“11. Wohl auch daher sind sie bereits zum Thema unterchenden Entwicklungsmöglichkeiten des Begriffs betont auch Loulanski, Revising the Concept for Cultural Heritage: The Argument for a Functional Approach, IJCP 13 (2006), 207 (208 ff.). 2 Statt vieler nur Dolzer, Wirtschaft und Kultur, in: Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Abschnitt, Rn. 136. 3 Vgl. allgemein zur Begriffsproblematik Boguslavsky, Der Begriff des Kulturguts und seine rechtliche Relevanz, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 3 ff. 4 Eine weitere Streitfrage stellen die Schutzdimensionen des Kulturgüterschutzes dar. Dazu Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 399 ff. 5 O’Keefe/Prott, Cultural Property, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL Vol.1 (1992), S. 890. 6 Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, S. 110 f. 7 Dazu Hammer, Das Schutzsystem der deutschen Denkmalschutzgesetze, JuS 1997, 971 (972) m.w.N. 8 Meinem Verständnis nach soll der Kulturgüterschutz der allumfassende Oberbegriff für sämtliche Schutzdimensionen und Gegenstände, damit also sowohl für körperliche als auch unkörperliche Kulturgüter sein. Das Kultur- und Naturerbe, also das Thema der vorliegenden Arbeit, behandelt nur einen kleinen Teilaspekts dieses Rechtsbereichs. Wann immer dieser Begriff in diesem Kapitel verwendet wird, so soll er – sofern nicht besonders gekennzeichnet – nicht als Einengung auf die Gegenstände des Kultur- und Naturerbes im Sinne des Übereinkommens verstanden werden. 9 Vgl. dazu Fechner, Prinzipien des Kulturgüterschutzes, in: ders./Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes S. 16 ff.; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 6 und S. 355 ff. 10 Eine umfangreiche Auflistung an vertraglichen und wissenschaftlichen Definitionsversuchen des „Kulturerbes der Menschheit“ bietet Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit im völkerrechtlichen Kulturgüterschutz, S. 17 ff.; Przyborowska-Klim-

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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schiedlicher, umfassender Untersuchungen und Abhandlungen von Definitionsversuchen12 geworden. Im Ergebnis muss sogar das Verhältnis der vorgenannten Begriffe zueinander als unklar bezeichnet werden.13 Eines weiteren Versuches einer abstrakten Begriffsklärung bedarf es im Zusammenhang mit dem Gegenstand dieser Arbeit nicht, da das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt sowie dessen Durchführungsvorschriften die Begriffe des Kultur- sowie des Naturerbes selbst definieren.14 Dieses kann wiederum freilich nicht bedeuten, dass sich damit keinerlei Probleme hinsichtlich dieser Begrifflichkeiten ergeben.15 czak, Les notions des „biens culturels“ et du „patrimoine culturel mondial“ dans le droit international, PYIL 18 (1989 – 90), 47 (72) schließt ihre Untersuchung zur Entwicklung des Begriffs und zum Gebrauch in unterschiedlichen völkerrechtlichen Verträgen mit der wenig befriedigenden Feststellung „il constitue la somme des patrimoines nationaux“. Ferner zu diesem Thema Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, S. 116 ff.; Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum „common heritage of mankind“, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 13 ff. 11 Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, S. 10: „Der Überblick zeigt, daß es keinen einheitlichen Kulturgutbegriff gibt.“; v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 82, kommt zu dem Ergebnis, dass es keine Definition des Begriffs gebe, sondern nur einzelne Strukturelemente, die von den einzelnen Definitionen aufgewiesen würden. Ebenso Fechner, Prinzipien des Kulturgüterschutzes, in: ders./Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 11: „ Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Kulturgut gibt es nicht“. Fast wortgleich Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz – rechtliche und kulturpolitische Aspekte, S. 12. 12 Vgl. zu Definitionsversuchen in jüngerer Zeit insbesondere die Arbeit von Odendahl, Kulturgüterschutz, die den Kulturgüterschutz als „(…) der präventiv, wiedergutmachend und repressiv ansetzende Schutz von Kulturgütern vor Verletzung ihrer Substanz und ihrer kulturellen Bindungen sowie vor nicht kulturell bedingten Minderungen ihres kulturellen Wertes“ definiert, S. 403. Anschaulich auch der knappe Überblick über die Kernelemente des Begriffs „Kulturgüterschutz“ bei Fechner, Prinzipien des Kulturgüterschutzes, in: ders./Oppermann/ Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 11 ff., der im Folgenden unter anderem eine Eingrenzung dessen auf internationale Sachverhalte ablehnt und ihn im hier verstandenen Sinne zum Überbegriff erklärt, S. 12. Einen sehr ungenauen Definitionsversuch unternimmt Stumpf, Kulturgüterschutz im internationalen Recht, S. 34, nach der Kulturgut „fast alles vom Menschen Geschaffene“ ist. Zu Definitionsversuchen auch Haag, Kulturgüterschutz, JöR N.F. 54 (2006), 95 (95 ff.); Hönes, Zum Kulturgutbegriff der Haager Konventionen von 1899 bis heute, DÖV 1998, 985 (985 ff.) mit einer entsprechenden Übersicht über die Entwicklung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen. 13 Für eine Deckungsgleichheit der Begriffe des Kulturguts und des Kulturerbes plädiert Boguslavsky, Der Begriff des Kulturguts und seine rechtliche Relevanz, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 6. Ebenso offenbar Martin, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 4, während Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 391, und Prott/O’Keefe, Cultural Heritage or Cultural Property?, IJCP 1 (1992), 307 (319), den Begriff des Kulturerbes für umfassender halten. 14 Art. 1 und 2 WKÜ sowie UNESCO operational guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention (2012), UNESCO Doc. WHC. 12/01 vom Juli 2012; Im Folgenden abgekürzt: UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 45 ff. Die Richtlinien werden in englischer und französischer Sprache veröffentlicht. Sie sind abrufbar auf der Internetseite des UNESCO World Heritage Center unter: http://whc.unesco.org/en/guidelines/ (zuletzt aufge-

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Um den späteren detaillierten Untersuchungen nicht vorgreifen zu müssen, jedoch eine geschichtliche Einleitung auf die Vertragsgegenstände zuschneiden zu können, soll daher an dieser Stelle die noch sehr rudimentäre Information genügen, dass es sich beim Kulturerbe im Sinne des zu untersuchenden Übereinkommens um unbewegliche Gegenstände handelt,16 die im nationalen deutschen Recht im Wesentlichen mittels des Denkmalschutzes17 erfasst werden können. Im Fokus steht dabei insbesondere die Unterkategorie der Baudenkmale, jedoch werden auch Bodendenkmale, also archäologische Stätten, von dem Übereinkommen behandelt. Beim Naturerbe handelt es sich im Schwerpunkt um flächenbezogenen Naturschutz. Daneben gibt es selbstverständlich noch Schnittmengen dieser beiden Kategorien,18 wie beispielsweise die Kulturlandschaften, sowie diverse Spezifika, die an gegebener Stelle erörtert werden. rufen: 15. 10. 2015). Eine deutsche Übersetzung der inhaltlich nahezu deckungsgleichen Fassung des Jahres 2008 vom Sprachendienst des Auswärtigen Amtes ist abgedruckt in: Deutsche, Österreichische, Schweizerische und Luxemburgische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 191 ff. Auch diese ist online verfügbar, unter: http://www.unesco.de/fileadmin/ medien/Dokumente/Bibliothek/Welterbe-Manual_DUK_2009/Welterbe-Manual_2_Aufl_191-2 82.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 15 Siehe dazu unten unter 1. Teil, 3. Kapitel, B., III., 2. sowie 2. Teil, 4. Kapitel und 3. Teil, 1. Kapitel, A. 16 Zur grundsätzlichen Möglichkeit der Einbeziehung von beweglichen Gegenständen, die unverzichtbar für den Wert der geschützten Immobilie sind, Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 33. Abzuwarten bleibt ferner, wie sich die 2004 gestartete Initiative „Astronomy and World Heritage“, UNESCO WHC-04/28.COM/26, Decision 28COM 9, entwickeln wird. Das Welterbekomitee hat 2011 eine thematische Studie von ICOMOS (Hrsg.), Heritage Sites of Astronomy and Archaeoastronomy in the context of the UNESCO World Heritage Convention, als Grundlage für weitere Nominierungen empfohlen, UNESCO WHC-11/35.COM/20, Decision 35COM 9C. In diesem Zusammenhang hat der österreichische Ort Großmugl beschlossen, sich um eine Aufnahme auf die Welterbeliste wegen seines einzigartigen Blickes in den Nachthimmel zu bewerben, so Bandar, „In Sternen ertrinken“, FR vom 05. 05. 2010, S. 38. 17 Auch der Begriff des Denkmalschutzes wird nicht einheitlich aufgefasst. Hier soll der Begriff in seiner breitest möglichen Ausdehnung als Oberbegriff bzw. Summe der Denkmale deutschen Landesdenkmalschutzgesetze verstanden werden. Denn der Denkmal- bzw. Kulturgutbegriff dieser Gesetze ist ebenfalls teilweise sehr unterschiedlich so Hammer, Die geschützten Denkmale der Landesdenkmalschutzgesetze, DÖV 1995, 358 ff. In Österreich beispielsweise werden die Begriffe des Denkmals und des Kulturguts gemäß § 1 Abs. 11 DSchGÖ ausdrücklich synonym verstanden. In Deutschland hingegen wird der zweite Begriff als weiter interpretiert. Als Beispiel für eine derartige Abgrenzung Hammer, Zur Geschichte des rechtlichen Kultur- und Denkmalschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 47 f.; ders., Der Denkmal- und Kulturgutschutz in den Verfassungen der Gegenwart, DÖV 1999, 1037, (1039); Bacher, Denkmalschutz und Kulturgüterschutz, in: Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, S. 111, bezeichnet den Kulturgüterschutz als „Denkmalschutz in größtmöglichem Umfang“. Siehe auch die interessante Herleitung, warum der umgangssprachliche Denkmalbegriff im Gegensatz zum juristischen nur unbewegliche (Bau-)Denkmäler umfasst, Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 395 f. 18 Vgl. nur die Einbeziehung von Naturgütern in den Denkmalbegriff, v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 51 ff. Zur Trennung in Deutschland durch das Reichsnaturschutzgesetz von 1935 und die erneute spätere Zusammenführung, Hönes, Naturdenkmäler und nationale Naturmonumente, NuR 2009, 741 (743).

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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Letztendlich kann es als unstreitig gelten, dass es sich bei all diesen Disziplinen um Unterkategorien des Kulturgüter- sowie des Naturschutzes handelt, weshalb deren Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der soeben genannten Teildisziplinen im Folgenden auf ihre historischen Ursprünge hin untersucht werden soll.

A. Die Geschichte des Kulturerbe- und Denkmalschutzes In einem „alten“ Rechtsgebiet wie dem des Kulturgüterschutzes stellt sich automatisch die Frage nach der Erforderlichkeit einer historischen Einführung in die Thematik. Dies gilt umso mehr als Krayer in seiner juristischen Dissertation zum Denkmalschutz, die bereits vor über achtzig Jahren in der Zwischenkriegszeit erschien, schrieb: „Es wird immer häufiger geltend gemacht, solche geschichtlichen Ueberblicke seien nutzlos und überlebte Krämerei“.19

Glücklicherweise wusste Krayer nicht nur Probleme aufzuwerfen, sondern auch einer adäquaten Lösung zuzuführen, und so beantwortete er die implizit aufgeworfene Frage nach dem Sinn einer historischen Einleitung mit nachfolgender Erläuterung: „Aber gerade auf unserem Gebiet zeigt sich die Engstirnigkeit solcher Auffassung, da sich Gewordenes nie verstehen läßt, wenn man sein Werden nicht kennt.“20

Die Geschichte des Kulturerbe- und insbesondere des Denkmalschutzes soll in dieser Arbeit auf drei Ebenen betrachtet werden. Zunächst soll die Entstehung auf der nationalen Ebene, also in einzelnen Staaten mit einem besonderen Augenmerk auf das Gebiet, auf dem sich heute die Bundesrepublik Deutschland befindet, untersucht werden. Anschließend soll eine kurze Betrachtung des Schutzes auf kirchlicher Ebene erfolgen und abschließend die ersten Ansätze eines internationalen Kulturgüterschutzes dargestellt werden. I. Nationaler Schutz 1. Staatlicher Schutz Die Idee des Kulturgüterschutzes ist bereits vor über zwei Jahrtausenden entstanden, sie diente jedoch in der Antike vor allem der Erhaltung von Stätten sakraler oder kultischer Bedeutung.21 Es wird vermutet, dass künstlerische und konservato19

Krayer, Denkmalschutz, S. 101. Krayer, Denkmalschutz, S. 101. 21 Krayer, Denkmalschutz, S. 101, mit Verweis auf eine Äußerung Ciceros, nach der es überall „Heiligtümer“ gebe, deren Zerstörung unter Strafe stehe; Buchert, Denkmalpflege im antiken Griechenland, S. 276, bilanzierten den organisierten und von einer primitiven Ver20

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

rische Aspekte die Restaurierung bzw. den teilweisen Wiederaufbau des Erechtheion-Tempels auf der Akropolis im 1. Jahrhundert n. Chr. begleitet haben und dementsprechend den ästhetischen oder künstlerischen Wert als Motiv in den Kulturgüterschutz eingeführt haben.22 Zu dieser Zeit könnte man auch die Anfänge der Denkmalpflege verorten, die allerdings insbesondere noch für Fälle des Wiederaufbaus nach Katastrophen gedacht war.23 Im Mittelalter trat neben die bisher bekannten und bis heute gültigen Motivationen für die Erhaltung von Kulturgut und Denkmalen zunächst die der Wirtschaftlichkeit.24 Der Weg zum heutigen Verständnis des Kulturgüterschutzes in Form des Respekts und der Achtung eigener und fremder Kultur unter gleichzeitiger Anerkennung eines gemeinsamen Erbes sollte noch lang sein. Verstärkte Bemühungen einer Kodifizierung des Schutzes von Kulturgütern sind erst viele Jahrhunderte später zu verzeichnen, als im Zeitalter der Renaissance die Auseinandersetzung mit den Werken der Antike begann.25 Die historische Dimension26 eines Objekts und der damit waltung begleiteten Schutz folgendermaßen: „Eine wesentliche Schlußfolgerung ist weiterhin, daß die Denkmalpflege im antiken Griechenland auf Kultbauten beschränkt blieb“. Ebenso Haas, Wandlungen in der Denkmalpflege, DAS 1988, 41 (42); Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 8. Infolge der unterschiedlichen Definitionen des Begriffes wird vielfach die dargestellte Art des Schutzes nicht unter den Begriff des Kulturgüterschutzes subsummiert oder differenziert, vgl. statt vieler Hammer, Zur Geschichte des rechtlichen Kultur- und Denkmalschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 47 f., der diesen Schutz nicht zum Kulturgüterschutz im strengen Sinne zählt, den er mit dem Denkmalschutz gleichsetzt, und dementsprechend an die historische Bedeutung des Objekts anknüpft. 22 Jokilehto, A History of Architectural Conservation, S. 3 m.w.N.; Krayer, Denkmalschutz, S. 102, sieht griechische Inschriften aus dem 2. Jahrhundert vor Christus bereits als schriftlichen Beleg eine Schutzes aufgrund ästhetischer Vorstellungen an; Krause, Denkmalschutz im Altertum, DAS 1986, 267 (277 f.), Haas, Wandlungen in der Denkmalpflege, DAS 1988, 41 (42) sowie Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 8, jeweils mit weiteren Nachweisen, verorten hingegen den Beginn erst mit dem Ende der Republik in Rom. Kennzeichnend für diese Zeit dürfte zudem weniger der Schutzgedanke als vielmehr der Einsatz von Kulturgut als Kriegswaffe gewesen sein. So wurde die Vernichtung sakraler und kultischer Wert des Gegners gezielt als Mittel der Kriegsführung eingesetzt, um diesen moralisch zu schädigen, Stumpf, Kulturgüterschutz im internationalen Recht unter besonderer Berücksichtigung der deutschrussischen Beziehungen, S. 40; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 8; Engstler, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, S. 78; zu ersten Gegenbewegungen, insbesondere islamischen Verboten zur Zerstörung christlicher und jüdischer Stätten Bugnion, La genèse de la protection juridique des biens culturels en cas de conflit armé, RICR 86 (2004), 313 (315). 23 Jokilehto, A History of Architectural Conservation, S. 2 f. 24 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 9; Kiesow, Denkmalpflege in Deutschland, S. 10, der diese Aussage jedoch vornehmlich auf kirchliche Bauten bezieht. 25 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 11; Haas, Wandlungen in der Denkmalpflege, DAS 1988, 41 (42). 26 Haas, Wandlungen in der Denkmalpflege, DAS 1988, 41 (43); Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 12 präzisiert zu recht, dass es sich hierbei noch nicht um einen Schutz aus historischen Erwägungen nach dem heutigen Verständnis handelte, sondern dass dieser noch beschränkt war, auf die Erhaltung des für die jeweilige Zeit und deren ästhetischen, philosophisch-moralischen

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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einhergehende Wert, die den Kulturgüterschutz bis heute dominieren, wurde in dieser Zeit erstmals erkannt und von verschiedenen europäischen Staaten als ein wesentlicher Aspekt des Schutzes anerkannt.27 In Deutschland hingegen setzte sich dieser Ansatz erst mit einiger Verzögerung durch.28 Im 18. Jahrhundert begann man den Wert eines Denkmals für die Gesellschaft zu erkennen.29 Einen wirklichen Meilenstein in dieser Entwicklung bildete die Entwicklung unmittelbar nach der Französischen Revolution.30 Nach den anfänglichen Zerstörungen besann man sich des Wertes der gemeinsamen Kultur und Geschichte, die insbesondere in Werken und Gütern verkörpert war, für die man den bis in die heutige Zeit gebräuchlichen Schlüsselbegriff des „patrimoine national“ ersann.31 Man begann alsbald mit der Erstellung erster Denkmalverzeichnisse. Doch insbesondere die Gründung der ersten Denkmalschutzbehörden, der „Inspection Générale“ sowie der „Commission des Monuments Historiques“, in den 1830er Jahren zeugen von der besonderen Rolle Frankreichs im Bereich des Denkmal- und Kulturgüterschutzes.32 Ein Denkmalschutzgesetz, welches das „Classement-System“ der Unterschutzstellung begründete, das im heutigen Denkmalschutzrecht noch eine große Rolle spielt, wurde 1887 erlassen.33 Aber auch andere europäische und im oder politischen Vorstellungen historisch interessanten Guts; ähnlich kritisch zu den Motiven der Sammlungen der damaligen Fürsten auf dem Gebiet des Deutschen Reiches Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, S. 26. 27 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 12 f., mit einer Zusammenstellung verschiedener Staaten; Forrest, International Law and the Protection of Cultural Heritage, S. 224 ff. mit Verweis auf verschiedene zumeist königliche Initiativen; Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalschutzrechts in Deutschland, S. 29 m.w.N. zur Lage in England; Gustafsson, Stadtsanierung und Denkmalschutz in Schweden, DAS 1989, 213 (213) zu den Anfängen des Denkmalschutzes in Schweden auf Anweisung von König Gustav Adolf II. in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts; Haas, Wandlungen in der Denkmalpflege, DAS 1988, 41 (43) zum Schutz der antiken Reste durch die Päpste in Rom. 28 Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 13 f.; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 12. Zu den vereinzelten vorsichtigen Ansätzen vor Beginn der Aufklärung Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, S. 14 ff., und zu den Gründen des Zurückbleibens, S. 29 ff. 29 Jokilehto, A History of Architectural Conservation, S. 1. 30 Krayer, Denkmalschutz, S. 106; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 17. 31 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 17. Kurz zuvor hatte mit Jean-Jacques Rousseau ebenfalls ein Franzose als erster die Forderung der Unterscheidung zwischen militärischen und privaten Zielen in das sich entwickelnde Kulturgüterrecht als Untergruppe des Kriegsrechts eingebracht. Dazu Bugnion, La genèse de la protection juridique des biens culturels en cas de conflit armé, RICR 86 (2004), 313 (317) m.w.N. 32 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 17 und 26; Hammer, Zur Geschichte des rechtlichen Kultur- und Denkmalschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 58 m.w.N.; Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 13 m.w.N. 33 Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 13; ders., Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, S. 50. Kritisch zu den wenigen Sanktionsmöglichkeiten in diesem Gesetz Jokilehto, A History of Architectural Conservation, S. 245 f.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Mittelmeerraum liegende Staaten standen dieser Entwicklung keinesfalls so sehr nach wie die Staaten im Deutschen Reich.34 Zwar wurden die Vorstellungen des Denkmalschutzes seit Beginn des 19. Jahrhunderts diskutiert,35 bis zur Gründung des Reiches im Jahre 1871 hatten sich entsprechende rechtliche Schutzmechanismen – von vereinzelten Ausnahmen abgesehen36 – jedoch noch nicht herausgebildet.37 Bei der Reichsgründung ist den Ländern die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Kultur zugefallen, und zur Jahrhundertwende begannen einzelne Länder mit dem Erlass entsprechender Denkmalschutzgesetze.38 Eine wesentliche Neuerung in der Entwicklung des Kulturgüterschutzrechts in Deutschland brachte die Weimarer Reichsverfassung (WRV), deren Art. 150 Abs. 1

34 Hammer, Geschichte der Denkmalpflege sowie des rechtlichen Denkmal- und Kulturgüterschutzes, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 9 f.; Kiesow, Denkmalpflege in Deutschland, S. 27 f.; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 26, die Preußen mit einem Gesetz aus dem Jahre 1823 als Ausnahme erwähnt. Zu dieser Ausnahme auch Forrest, International Law and the Protection of Cultural Heritage, S. 225. 35 Krayer, Denkmalschutz, S. 106 f., der die Auswirkungen der Entwicklung in Frankreich sowie die Vorstellungen der Romantik als Ursprung sieht. 36 Insbesondere die Einsetzung von teilweise nebenamtlich tätigen Konservatoren in Bayern und Preußen, dazu: Kiesow, Denkmalpflege in Deutschland, S. 19 f.; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 24 ff. nennt darüber hinaus noch Baden und Württemberg; Heckel, Staat – Kirche – Kunst, S. 26, nennt dementsprechend das im Deutsch-Französischen Krieg annektierte Elsaß-Lothringen als ersten Bundesstaat mit förmlicher Denkmalschutzkodifikation, die freilich noch aus französischer Zeit stammte. 37 Hammer, Geschichte der Denkmalpflege sowie des rechtlichen Denkmal- und Kulturgüterschutzes, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 9 f. 38 Hessen-Darmstadt erließ 1902 ein erstes Gesetz. Es folgten Oldenburg (1911) und Lübeck (1915) sowie der Schutz archäologischer Stätten in weiteren Ländern. Vgl. dazu die Übersichten bei Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, S. 151 ff.; ders., Geschichte der Denkmalpflege sowie des rechtlichen Denkmal- und Kulturgüterschutzes, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 17 f.; ders., Zur Geschichte des rechtlichen Kultur- und Denkmalschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 60; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 45 ff.; Kiesow, Denkmalpflege in Deutschland, S. 22 ff. und 30; Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, S. 47 ff.; Hönes, Zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene, NuR 2008, 319 (324) m.w.N.; Heckel, Staat – Kirche – Kunst, S. 27 ff. Zur verstärkten Einfügung denkmalschützender Vorschriften in das Strafrecht sowie das Baurecht Hönes, Zur Entwicklung des russischen und deutschen Denkmal- und Kulturgüterschutzes von 1899 bis 2008, OER 2007, 386 (394); Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 49 f.; Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, S. 164 und 180 ff. Zur weiteren Entwicklung im Strafrecht in der jüngeren Zeit Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 12; ders., Zum Schutz öffentlicher Denkmäler und Naturdenkmäler nach § 304 StGB, NuR 2006, 750 ff.; Heckel, Staat – Kirche – Kunst, S. 30 ff.

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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den Schutz und die Pflege der „Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie der Landschaft“39 zum Staatsziel erklärte.40 Die Diktatur der Nationalsozialisten brachte auch im Bereich des Kulturgüterschutzes im Wesentlichen nachteilige Wirkungen. Zwar gab es bedeutende Unternehmungen auf dem Gebiet der archäologischen Forschung, doch diente diese einzig und allein dem Zweck der Legitimation des Herrschaftsanspruchs über die osteuropäischen Gebiete.41 Rechtliche Schutzinstrumente wurden diesbezüglich nicht geschaffen bzw. waren lediglich Ergebnis der Vorarbeiten in der Weimarer Republik.42 Eine wesentliche Veränderung für den Kulturgüterschutz mit bis in die Gegenwart reichenden Folgen brachte jedoch das Reichnaturschutzgesetz von 1935, wonach Naturdenkmäler nun nicht mehr wie zuvor den Kulturdenkmälern zu- bzw. untergeordnet werden konnten.43 Anders als der Bereich des Naturschutzes verblieb der Denkmalschutz nach dem Zweiten Weltkrieg in der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder.44 Er spielte in der Zeit des Wiederaufbaus jedoch nur eine sehr untergeordnete Rolle, und so dauerte es bis in die 1970er Jahre, bis die Länder sukzessive Denkmalschutzgesetze erließen.45 Der Bund verabschiedete im Jahre 1980 ein Gesetz zur Berücksichtigung der Belange des Denkmalschutzes im Bundesrecht. Im Rahmen dieses Gesetzes wurde mit den Kulturlandschaften auch der letzte Gegenstand des UNESCO-Übereinkommens, der bislang noch keine Erwähnung gefunden hatte, in das Bundesnaturschutzgesetz eingefügt.46 Kulturlandschaften genießen eine Zwitterstellung zwischen Kultur- und Naturgut und wurden möglicherweise wegen ihrer schwierigen rechtlichen Handhabung in Deutschland lange unbeachtet gelassen bzw. als Naturschutz mit kulturellen Bezügen aufgefasst.47 Der 39 Art. 150 Abs. 1 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. 08. 1919, RGBl. 1919, S. 1383. 40 Hipp, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, S. 36; Hammer, Geschichte der Denkmalpflege sowie des rechtlichen Denkmal- und Kulturgüterschutzes, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 12; Kiesow, Denkmalpflege in Deutschland, S. 32; Krayer, Denkmalschutz, S. 108 ff. 41 Hammer, Zur Geschichte des rechtlichen Kultur- und Denkmalschutzes, in: Fechner/ Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 61. 42 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 71. 43 Hönes, Naturdenkmäler und nationale Naturmonumente, NuR 2009, 741 (743). 44 Kritisch zur Streichung des Denkmalschutzes aus dem ausdrücklichen Kompetenzkatalog bzw. der späteren Nichtaufnahme in Art. 20aGG Hönes, Zur Entwicklung des russischen und deutschen Denkmal- und Kulturgüterschutzes von 1899 bis 2008, OER 2007, 386 (396 f.). 45 Hammer, Geschichte der Denkmalpflege sowie des rechtlichen Denkmal- und Kulturgüterschutzes, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 19; ders., Das Schutzsystem der deutschen Denkmalschutzgesetze, JuS 1997, 971 (971). 46 Hönes, Zur Schutzkategorie „historische Kulturlandschaft“, NuL 1992, 87 (87). 47 Zu den kulturellen Bezügen und zu den frühen rechtlichen Anknüpfungspunkten Hönes, Rechtliche Aspekte zum europäischen und deutschen Kulturlandschaftsschutz, in: Bauerochse/

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

praktische Grund dieser späten rechtlichen Berücksichtigung mag auch darin gelegen haben, dass sich die Gefahren für Kulturlandschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Intensivierung der Landwirtschaft auf der einen Seite und der Aufgabe kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe sowie einer Landflucht auf der anderen Seite erst entstanden sind bzw. eine rasche Beschleunigung erfahren haben.48 2. Kirchlicher Schutz Ein Großteil der ältesten Bauwerke, die die Zeit überdauert haben, sind Kirchen und Klöster. Die hohe Bedeutung der Kirchen in der Zeitgeschichte unter gleichzeitiger Betrachtung der Tatsache, dass sich einige Nationalstaaten – wie beispielsweise auch die Bundesrepublik Deutschland – erst relativ spät gebildet haben, lassen die Frage nach der Rolle der Kirchen in der Entwicklung des Kulturgüterschutzrechts aufkommen. Dieses in einem eigenen kurzen Abschnitt zu tun,49 rechtfertigt sich dadurch, dass das Denkmalrecht sowohl in historischer Perspektive, als auch sogar in einem modernen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland der Gegenwart unter anderem auch durch kirchliche Regelungen gesteuert wird.50 Die Normierung des Schutzes auf Ebene des früheren Kirchenstaats nahm bereits fast ein halbes Jahrtausend, bevor dies die Staaten in ihrem Herrschaftsbereich bzw. untereinander begannen, ihren Anfang.51 Der Kulturgüterschutz der Kirchen hatte Haßmann/Ickerodt (Hrsg.), Kulturlandschaft, S. 32 ff. Zu Schutzansätzen in anderen Staaten, die jedoch auf den Aspekt des Naturschutzes fokussieren und deshalb sogleich unter dem nächsten Bearbeitungspunkt erwähnt werden sollen, Mitchell/Rössler/Tricaud, World Heritage Cultural Landscapes, S. 17. 48 Insofern sind die Beispiele für einen beginnenden staatlichen Schutz in anderen Staaten, die Forrest, International Law and the Protection of Cultural Heritage, S. 225, für die Entwicklung des Kulturlandschaftsschutzes nennt, nur für einen Teil der Problematik zutreffend. 49 Diese Trennung vollzieht ebenso Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 31 ff., deren Ausführungen zugleich wesentliche Grundlage dieses Abschnitts sind. Anders hingegen Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, der die kirchlichen Regeln als Unterpunkt der staatlichen behandelt, S. 177 ff. und 220 ff., und Krayer, Denkmalschutz, S. 93, der den Kirchenstaat unter die weltlichen Staaten fasst. 50 Vgl. Albrecht, Kirchliche Denkmalpflege, in: Friesenhahn/Scheuner (Hrsg.), HdbStKirchR, Band II, § 23, S. 219 ff.; Loschelder, Staatliche und Kirchliche Kulturverantwortung auf dem Gebiet des Denkmalschutzes, in: Schwab u. a. (Hrsg.), Staat, Kirche Wissenschaft in einer pluralisischen Gesellschaft, S. 611 ff.; Bregger, Kirchliche Denkmalpflege im Spannungsfeld zwischen staatlicher und kirchlicher Normsetzung, in: Hense (Hrsg.), Denkmalrecht unter Denkmalschutz?, S. 53 ff.; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 30 spricht deshalb von einer „Doppelrolle“ der kirchlichen Denkmäler; vgl. Heckel, Staat – Kirche – Kunst, S. 25. Als plastisches Beispiel lässt sich die Novellierung des schleswig-holsteinischen Denkmalschutzgesetzes im Jahre 2012 anführen, welches in § 29 den staatlichen Schutz kirchlicher Denkmale ausdrücklich unter den Vorbehalt der Staatskirchenverträge sowie eines Vertrages zwischen dem Land und der evangelischen Landeskirche stellt. 51 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 105. Da es sich um Rechtsetzung der katholischen Kirche für alle Gliedkirchen in allen Teilen der Welt handelte, sieht Krayer, Denkmalschutz, S. 93 ff., dieses als Geburtsstunde des Internationalen Denkmalschutzes an.

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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zunächst und sogar bis in die Gegenwart hinein unter anderem52 immer auch das Ziel der Erhaltung sakraler53 Werte und verfolgte dementsprechend andere Zwecke als der staatliche Schutz heute.54 Allerdings scheint auch der wirtschaftliche Aspekt insbesondere bei der Entstehung von kirchenrechtlichen Vorschriften im späten Mittelalter nicht von der Hand zu weisen sein, denn der Abriss und die Neuerrichtung von Bauwerken waren teuer und wurden zu einer ernstzunehmenden Belastung für die Kirchen.55 Bereits im 15. Jahrhundert wurde durch eine päpstliche Bulle die Zerstörung öffentlicher Gebäude verboten.56 In den folgenden Jahrhunderten wurde diese Denkmalschutzgesetzgebung ausgebaut sowie eine Art Behördenstruktur geschaffen.57 Die Bemühungen um den Erhalt der kirchlichen Bausubstanz gipfelten in der Zusammenstellung der so genannten „Lex Pacca“, einer Kodifikation sämtlicher kirchenstaatlicher Denkmalschutzvorschriften im Jahre 1820.58 Sie prägte viele nachfolgende nationale Denkmalschutzgesetze in Europa.59 Im neu gegründeten Deutschen Reich regelte die katholische Kirche den Denkmalschutz durch sog. Diözesanvorschriften, also Einzelerlasse, wie sie für den Denkmalschutz der evangelischen Kirche seit dem 19. Jahrhundert kennzeichnend waren.60 52

Die Existenz weiterer Motive betonend Hammer, Zur Geschichte des rechtlichen Kulturund Denkmalschutzes, in: Fechner/Oppermann/Prott (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes, S. 58. 53 Wegen dieses Schutzzweckes wird der kirchliche Schutz auch nicht unter viele der im Übrigen recht unterschiedlichen Definitionen des Begriffs „Kulturgüterschutz“ gefasst. Vgl. die Nachweise bei Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalschutzrechts in Deutschland, S. 9; a.A. Albrecht, Kirchliche Denkmalpflege, in: Friesenhahn/Scheuner (Hrsg.), HdbStKirchR, Band II, § 23, S. 206. Im Ergebnis dürfte ein solcher Ausschluss jedoch nur theoretischer Natur sein, da auch von den Kirchen aus sakralen Zwecken geschützte Denkmäler in der Regel zugleich auch Objekte der staatlichen Denkmalpflege aus historischen oder künstlerischen Gründen sind. 54 Bregger, Kirchliche Denkmalpflege im Spannungsfeld zwischen staatlicher und kirchlicher Normsetzung, in: Hense (Hrsg.), Denkmalrecht unter Denkmalschutz?, S. 52; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 31, die jedoch zurecht darauf hinweist, dass den erhaltenen Gütern heute zusätzlich eine Rolle als allgemein anerkanntes Kulturerbe zukommt und dementsprechend in die weltlichen Denkmalschutzgesetze miteinbezogen werden, S. 30. 55 Kiesow, Denkmalpflege in Deutschland, S. 10. 56 Krayer, Denkmalschutz, S. 104, der darauf hinweist, dass bereits zu Zeiten der frühen päpstlichen Denkmalschutzgesetzgebung nicht lediglich der Schutz sakraler, sondern bei einzelnen Päpsten auch künstlerische Interessen eine Rolle gespielt hätten. Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 36; vgl. Wolf, Kirche und Denkmalschutz, S. 88. 57 Wolf, Kirche und Denkmalschutz, S. 88 f.; Krayer, Denkmalschutz, S. 105. 58 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 37 m.w.N.; Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 13. 59 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 37. 60 Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, S. 97 ff.; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 38 ff. und 54.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Diese Einzelregelungen sowohl der katholischen als auch der evangelischen Kirche blieben in der Weimarer Republik trotz der eingeführten Trennung von Staat und Kirche bestehen, da man das nunmehr hinfällige Kirchenaufsichtsrecht des Staates faktisch nicht antastete und ein Fortgelten der kirchlichen Vorschriften tolerierte.61 Sie stellten damit praktisch einen parallelen Schutz dar. Seit Bestehen der Bundesrepublik gibt es das verfassungsrechtlich gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützte Selbstverwaltungsrecht der Kirchen, welches den Fortbestand des kirchlichen Denkmalschutzes garantiert und dafür sorgt, dass das Denkmalrecht der Kirchen über den Bereich der Religionsfreiheit hinaus staatlicherseits zu berücksichtigen ist.62 II. Internationaler Schutz Neben den oben geschilderten nationalen Bestrebungen, sowohl eigene als auch Kulturgüter anderer Nationen zu schützen, hat sich die Staatengemeinschaft im 19. Jahrhundert dieses Bestreben auch zu ihrer gemeinsamen Aufgabe gemacht.63 Die ersten Ansätze dienten freilich weniger den künstlerischen oder historischen Motiven, die unser heutiges Denkmalschutzverständnis prägen, sondern zuvörderst der internationalen Ächtung der Zerstörung oder Entfernung fremder Kulturgüter in Kriegen. Noch heute unterscheidet man demnach den Internationalen Kulturgüterschutz zu Kriegs- und denjenigen zu Friedenszeiten, welcher sich erst wesentlich später entwickelt hat.64 Den ersten Ansatz zur Entwicklung eines solchen Internationalen Kulturgüterschutzrechts zu Kriegszeiten bildete die Aufhebung des Kriegsbeuterechts auf dem Wiener Kongress von 1814/15.65 Daran anknüpfend wurde die Problematik des Schutzes von Kulturgut in Kriegen im so genannten Entwurf von Brüssel im Jahre 187466 kodifiziert.67 Auch wenn der Entwurf letztendlich keine völkerrechtliche 61

Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 66 f. Dort auch zum rechtlichen Konstrukt und Nachweisen zu Erklärungsmodellen. 62 Bregger, Kirchliche Denkmalpflege im Spannungsfeld zwischen staatlicher und kirchlicher Normsetzung, in: Hense (Hrsg.), Denkmalrecht unter Denkmalschutz?, S. 58 f.; vgl. Heckel, Staat – Kirche – Kunst, S. 188 ff. und 224 ff. Zu den Details in den einzelnen Ländern Wasmuth, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 506 ff. 63 Dieses Verständnis eines Kulturgüterschutzes zwischen unterschiedlichen Staaten, liegt der hier gebräuchlichen Bezeichnung Internationaler (Kulturgüter-)Schutz zugrunde; anders jedoch Krayer, Denkmalschutz, S. 93, der bereits die Regelungen der katholischen Kirche in Rom als „Internationalen Denkmalschutz“ bezeichnet. 64 Siehe zu dieser Unterscheidung statt vieler nur Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 105 ff. 65 Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 168; Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 11; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 107. 66 Project of an International Declaration Concerning the Laws and Customs of War, angenommen von der Konferenz von Brüssel am 27. 08. 1874, abgedruckt in: AJIL 1 Supp. (1907),

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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Wirksamkeit erlangte, so stellte doch zumindest die in ihm verankerte Gleichstellung von bedeutendem Kulturgut mit Privateigentum als nicht-militärisches Ziel eine wesentliche Neuerung dar, die für die weitere Entwicklung des völkerrechtlichen Kulturgüterschutzes prägend sein sollte.68 In diese Zeit – in der sich der Internationale Denkmalschutz noch fast ausschließlich mit möglichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Kriegsrechts befasste – fielen als Ausnahmen auch erste zumindest bilaterale Verträge zum Schutz archäologischer Stätten in Friedenszeiten.69 Die ersten wirksam gewordenen Verträge, die zwar nicht zum primären Zweck des Kulturgüterschutzes geschlossen, diesen jedoch immerhin aufnahmen,70 waren die Haager Konventionen von 189971 und 190772 sowie deren Anlage, die Haager Landkriegsordnung (HLKO)73. Zentrale Vorschrift in diesem Zusammenhang ist Art. 27 HLKO74: S. 96 ff.; Art. 17 des Entwurfes gebot beim Beschuss von Städten alle Maßnahmen zu ergreifen, um Kulturgüter zu schützen. Dazu Verri, The condition of cultural property in armed conflicts, RICR 25 (1985), 127 (129 f.); ferner Bugnion, La genèse de la protection juridique des biens culturels en cas de conflit armé, RICR 86 (2004), 313 (319). Dazu auch PrzyborowskaKlimczak, Les notions des „biens culturels“ et du „patrimoine culturel mondial“ dans le droit international, PYIL 18 (1989 – 90), 47 (50). 67 Hönes, Zum Kulturgutbegriff der Haager Konventionen von 1899 bis heute, DÖV 1998, 985 (985); v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 262. 68 Verri, The condition of cultural property in armed conflicts, RICR 25 (1985), 127 (129): „As no government represented at the Conference was willing to be bound by the Declaration, it was never ratified and remained a draft.“; Fiedler, Zur Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts im Bereich des internationalen Kulturgüterschutzes, in: Hailbronner/Ress/Stein (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung, Festschrift Doehring, S. 206 ff.; v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 262; Rudolf, Über den internationalen Schutz von Kulturgütern, in: Hailbronner/Ress/Stein (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung, Festschrift Doehring, S. 858; vgl. auch Hönes, Denkmalschutz als internationales Problem – 100 Jahre Haager Konventionen, BuS 1999, 147 (147). 69 Krayer, Denkmalschutz, S. 96. 70 Krayer, Denkmalschutz, S. 95, zum entsprechenden Verdienst des Deutschen Architekten- und Ingenieurvereins. 71 Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 29. 07. 1899 (II. Haager Abkommen), RGBl. 1901, S. 423 ff. 72 Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. 10. 1907 (IV. Haager Abkommen), RGBl. 1910, S. 107 ff. 73 Bestimmungen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, RGBl. 1901, S. 436 ff. 74 Diese Vorschrift beruhte auf Art. 34 des so genannten „Manuel d’Oxford“, einer vom Institut de Droit International in Auftrag gegebenen Zusammenstellung der im Kriege anwendbaren Vorschriften verschiedener Staaten. Sie lautete dort: „En cas de bombardement, toutes les mesures nécessaires doivent être prises pour épargner, si faire se peut, les édifices consacrés aux cultes, aux arts, aux sciences et à la bienfaisance, les hôpitaux et les lieux de ressemblement de malades et de blessés (…)“, abgedruckt bei v. d. Heydte, Die Auswirkungen der Resolutionen des Institut de Droit International im Bereich des Kriegsrechts auf die Fortentwicklung des Kriegsvölkerrechts in: Wengler (Hrsg.), Justitia et Pace, S. 41. Dazu auch

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes „Bei Belagerungen und Beschießungen sollen alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um die dem Gottesdienste, der Kunst, der Wissenschaft und der Wohltätigkeit gewidmeten Gebäude, die geschichtlichen Denkmäler, die Hospitäler und Sammelplätze für Kranke und Verwundete so viel wie möglich zu schonen (…)“.

Die Norm enthält darüber hinaus in Satz 2 bereits eine Kennzeichnungspflicht der zu schonenden Denkmäler. Diese konnte jedoch der Kriegsführungspraxis des Ersten Weltkriegs nicht standhalten, weshalb Zitelmann noch während des Krieges einen Vertrag für die Gründung eines „Internationale[n] Bureau für Denkmalschutz im Kriege“ anregte,75 der die Auflistung und Kennzeichnung der im Kriegsfall zu schützenden Denkmäler bereits zu Friedenszeiten voraussetzte.76 Diesen präventiven Ansatz unterstützte der niederländische Entwurf von 1918/1977 und verfolgte auch der Roerich-Pakt von 1935, der als einziger dieser Entwürfe völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangte, welche allerdings lediglich für die ausschließlich auf dem amerikanischen Kontinent liegenden Vertragsparteien bestand.78 Die fehlende Verbesserung der völkerrechtlichen Regelungen, die bereits Zerstörungen wertvoller Denkmäler während des ersten Weltkrieges nicht verhindern konnte, hatte zur Konsequenz, dass infolge der Weiterentwicklung der Möglichkeiten des Luftkrieges viele europäische Städte und mit ihnen ihrer Denkmäler in den Bombardements des Zweiten Weltkrieges untergingen. Kurz nach dem Ende dieses Krieges kam es am 16. November 1945 zur Gründung der „United Nations Education Science and Cultural Organisation“ (UNESCO), deren Aufgabe es laut Art. I Ziff. 1 ihrer Verfassung ist, die Zusammenarbeit zwischen den Völkern in Wissenschaft, Bildung und Kultur zu fördern. Hinsichtlich der Erreichung dieses Zieles bestimmt Art. I Ziff. 2 lit. c), dass die Organisation dieses unter anderem „durch Erhaltung und Schutz des Welterbes an Büchern, Kunstwerken Verri, The condition of cultural property in armed conflicts, RICR 25 (1985), 127 (130); v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 263. 75 Neu an diesem Vorschlag, der Art. 1 Abs. 1 eines von Zitelmann vorgeschlagenen Abkommens bildete, war lediglich, dass es sich hierbei um ein Ständiges Büro handeln sollte. Er berief sich bei seinem Vorschlag auf die unterschiedlichen Vorschläge zu einer ad hoc- Einrichtung während des Ersten Weltkrieges aufgrund des Art. 27 HLKO, Zitelmann, Der Krieg und die Denkmalpflege, ZfV 10 (1917 – 18), 1 (3 f. und 18); vgl. Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 189. 76 Zitelmann, Der Krieg und die Denkmalpflege, ZfV 10 (1917 – 18), 1 (18 f.). Siehe dazu Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 189. 77 Dazu v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 267 f.; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 112 f.; Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit im völkerrechtlichen Kulturgüterschutz, S. 190 f. 78 v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 269 f.; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 115 f.; Hönes, Anforderungen von UNESCO und Europäischem Rat zu wirtschaftlicher Nutzung denkmalgeschützter Objekte, DSI 2007, 79 (80); ders., Denkmalschutz als internationales Problem – 100 Jahre Haager Konventionen, BuS 1999, 147 (149). Zur „clause de neutralité“ für Kulturgüter im Roerich-Pakt Przyborowska-Klimczak: Les notions des „biens culturels“ et du „patrimoine culturel mondial“ dans le droit international, PYIL 18 (1989 – 90), 47 (51).

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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und Denkmälern der Geschichte und Wissenschaft sowie durch Empfehlung der dazu erforderlichen internationalen Vereinbarungen an die jeweils betroffenen Staaten“ befördern soll. Entsprechend dieser Verpflichtung ist die UNESCO seit ihrer Gründung die maßgebliche Triebfeder des Internationalen Kulturgüterschutzes. Bereits neun Jahre nach Kriegsende brachte sie ein erstes sehr effektives Ergebnis hervor, die UNESCOKonvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954.79 Zeigten die enormen Zerstörungen in den relativ wenigen Kriegsjahren von 1939 bis 1945 zuvörderst, wie wichtig ein effektiver Schutz von Kulturgut zu Zeiten eines Krieges, insbesondere vor dem Hintergrund neuzeitlicher Kriegsführung war, so ist verständlich, warum das erste maßgebliche Übereinkommen noch ausschließlich ein kriegsvölkerrechtliches Instrument ist.80 Bereits ein Jahrzehnt später wurde jedoch deutlich, dass wirtschaftliche Entwicklung und technologischer Fortschritt neue ernsthafte Gefahren für Kulturgüter darstellten, welche sich eben auch zu Friedenszeiten realisieren konnten. Hierauf reagierte die UNESCO mit der Ausarbeitung und Verabschiedung einer Fülle verschiedener Konventionen für Friedenszeiten, die auf die unterschiedlichsten kulturellen Schutzgüter abzielen.81 Neben dem hier im Fokus stehenden unbeweglichen Erbe mit dem Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes von 1972 sind vor allem noch der Schutz des beweglichen Erbes mit der Konvention gegen den illegalen Handel mit Kulturgut82 von 1970 sowie die damit in Verbindung stehende UNIDROIT-Konvention (1995) für den privatrechtlichen Bereich,83 die Konvention zum Schutz des Unterwassererbes aus dem Jahre 2001,84 der Schutz des immateri-

79 UNESCO Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. 05. 1954, BGBl. II 1967, S. 1235. Sie erhielt die etwas euphorische Bezeichnung „Croix-Rouge des Monuments“. Vgl. Wilhelm, La „Croix-Rouge des Monuments“ RICR 36 (1954), 793 ff., der sie im Text selbst wie der ursprüngliche Schöpfer „Croix-Rouge des biens culturels“ nennt, S. 796; vgl. hierzu auch v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 276 f. Zur fälschlichen Zuschreibung der Bezeichnung an Wilhelm selbst sowie zur Bedeutung der Konvention ganz allgemein, Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 118 m.w.N. 80 Hönes, Der völkerrechtliche Kulturgüter- und Welterbeschutz, VR 2007, 293 (296); vgl. auch ders., Zum Kulturgutbegriff der Haager Konventionen von 1899 bis heute, DÖV 1998, 985 (987). 81 Vgl. Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 130 ff. 82 UNESCO Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Cultural Property, ILM 10 (1971), 289 ff. Deutschland hat diese Konvention im Jahre 2007 ratifiziert: Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970, BGBl. II 2007, S. 626. 83 UNIDROIT Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects, ILM 34 (1995), 1330 ff. 84 UNESCO Convention on the Protection of the Underwater Cultural Heritage, ILM 41 (2002), 40 ff.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

ellen Erbes mit der Konvention von 200385 sowie der Schutz der Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen mit dem Übereinkommen aus dem Jahre 200586 zu nennen. Daneben hat die UNESCO unterschiedliche Programme zum Schutz weiteres besonderer Formen von Kulturgütern aufgelegt, wie zum Beispiel das Programm „Memory of the World“, das eine Sammlung und Konservierung der für die Menschheitsgeschichte bedeutsamen Dokumente anstrebt.87 Diese Programme sollen jedoch nicht in Form eines völkerrechtlichen Vertrages verbindlich werden. Bereits im Jahre 1962 verabschiedete die UNESCO Generalversammlung mit der „Empfehlung für den Schutz von Schönheit und Charakter von Landschaften“88 eines der ersten, wenn auch weitgehend unbeachtet gebliebenen, Dokumente zum Internationalen Schutz der Kulturlandschaften.89 Deren Schutz sieht sich auch die auf Ebene des Europarates im Jahre 2000 in Florenz geschlossene Europäische Landschaftskonvention verpflichtet.90 Der Europarat ist auf der regionalen Ebene ein wichtiger Akteur auf dem Gebiet des Kulturgüter- und insbesondere Denkmalschutzes. So entstanden unter seiner Federführung das Abkommen von Granada zum

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UNESCO Convention for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage, UNTS I42671. Deutschland hat am 10. 04. 2013 die Ratifikationsurkunde bei der UNESCO hinterlegt, so dass das Übereinkommen gemäß seines Art. 34 drei Monate später für die Bundesrepublik in Kraft trat. Siehe dazu die Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes vom 11. 04. 2013, abrufbar unter: www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2013/130411-UNESCO. html (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 86 UNESCO Convention on the Protection and the Promotion of the Diversity of Cultural Expressions, UNTS I-43977. Die Bundesrepublik ratifizierte das Übereinkommen vom 20. 10. 2005 durch Gesetz vom 01. 03. 2007, so dass es zum 12. 06. 2007 für sie in Kraft trat. Siehe dazu: Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, BGBl. II 2007, S. 234 f. 87 Dazu Leonhard, Das Weltdokumentenerbe. Das UNESCO-Programm „Memory of the World“, GtbgJ 2000, S. 367 ff.; Metze-Mangold, Memory Of the World – Das Gedächtnis der Menschheit. Zur Entstehung des deutschen Nationalkomitees, in: Knüppel u. a. (Hrsg.), Wege und Spuren, S. 471 ff. 88 UNESCO Recommendation Concerning the Safeguarding of the Beauty and Character of Landscapes and Sites, UNESCO Records of the General Conference, 12th Session, Paris 1962, B.III. 89 Lediglich kurz erwähnt bei Rössler, Neue Perspektiven für den Schutz von Kulturlandschaften, GR 1995, 343 (343); Mitchell/Rössler/Tricaud, World Cultural Landscapes, S. 18. 90 Die Bundesrepublik Deutschland hat diese allerdings bislang nicht gezeichnet. Dazu Czybulka, Die Europäische Landschaftskonvention, EurUP 3 (2007), 250 ff.; Hönes, Das Europäische Landschaftsabkommen vom 20. Oktober 2000, DÖV 2007, 141 ff. Die European Landscape Convention ist abrufbar unter www.conventions.coe.int/Treaty/EN/Treaties/Html/1 76.htm (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015).

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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Schutz des architektonischen Erbes (1985)91 sowie die Konvention zum Schutz des archäologischen Erbes von La Valletta (1992)92.

B. Die Geschichte des Schutzes der Natur Auch wenn in der öffentlichen Wahrnehmung, sowie in den Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit, der Inhalt des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes des Welt schwerpunktmäßig auf der Kultur und den Kulturerbestätten liegt, ist das Naturerbe gleichberechtigter Schutzgegenstand des Übereinkommens. In einigen Titeln wissenschaftlicher Veröffentlichungen wird – möglicherweise der weit überwiegenden Zahl an auf der Welterbeliste eingetragenen Kulturgütern geschuldet93 – auf die Nennung des Naturerbes gänzlich verzichtet.94 Der Begriff des Naturerbes wird vom Vertrag, wie noch zu sehen sein wird, recht weit definiert.95 Auf eine Begriffsklärung und Abgrenzung zu den übergeordneten Themen Naturschutz96 sowie Umweltschutz97 soll dementsprechend hier verzichtet werden. Es sei an dieser Stelle nur bemerkt, dass das, was heute mehrheitlich als Naturschutzrecht bezeichnet wird, seine Ursprünge zu einer Zeit hatte, in der Umweltschutz mit all seinen Teildisziplinen und -rechten noch nicht existierte.

91 BGBl. II 1987, S. 624. Dieser Vertrag wurde im Übrigen wie das hier zu behandelnde UNESCO-Welterbeübereinkommen von der Bundesrepublik ratifiziert, ohne entsprechende Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen. 92 BGBl. II 2002, S. 2709. Dieser Vertrag blieb nach seiner Ratifikation ebenfalls lange Zeit ohne innerstaatliche Umsetzung. Siehe hierzu die Bemerkungen und Nachweise unter 2. Teil, 1. Kapitel, B., III., 2., a). 93 Zu dieser Problematik Plachter, Schutz von Naturgebieten in der Welterbekonvention, GR 1995, 348 (349). 94 So überschreibt Pfeifle seine rechtswissenschaftliche Dissertation lediglich mit dem Titel „UNESCO-Weltkulturerbe“ (Hervorhebung des Verfassers); vgl. auch die Aufsatztitel v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Weltkulturerbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 ff. und Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1018) (Hervorhebungen des Verfassers). Ginge es den Autoren nur um die Knappheit bzw. Griffigkeit des Titels, so hätten sie allgemein auf Welterbe oder Welterbekonvention abstellen können. 95 Art. 2 des Übereinkommens; vgl. unten unter 1. Teil, 1. Kapitel, B. 96 Vgl. zur Problematik einer Definition Knapp, Internationaler Naturschutz. Phantom oder Notwendigkeit? in: Erdmann (Hrsg.), Internationaler Naturschutz, S. 14 m.w.N. 97 Vgl. allein zur Abgrenzungsproblematik im deutschen Umweltrecht Kloepfer, Umweltrecht, § 1 Rn. 14 ff.; Helberg, Allgemeines Umweltverwaltungsrecht, in: Koch (Hrsg.), Umweltrecht, S. 77 f. Zur internationalen Ebene Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 1 ff.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

I. Nationaler Schutz Ähnlich der Geschichte des Kulturgüterschutzes entsprangen die Vorläufer des heutigen Naturschutzes zunächst Bestrebungen, die primär anderen Zwecken als denen des gegenwärtigen Naturschutzes dienten. So wird berichtet, dass Dschingis Khan bereits 1210 wilde Tiere zu bestimmten Zeiten des Jahres schützen ließ, nicht etwa weil es sich bei ihm um einen frühen Artenschützer handelte, sondern vielmehr weil er den Fortbestand einer Nahrungsquelle absichern wollte.98 Die europäische Begründung der Teildisziplin des Naturdenkmalschutzes99 wird Alexander von Humboldt zugeschrieben und auf die Zeit um 1800 datiert. von Humboldt berichtete, dass Indianer in Venezuela alte (Mimosen-)Bäume verehrten und deren Beschädigung unter Strafe stand.100 Der wesentliche Pfeiler des Naturerbeschutzes des Übereinkommens jedoch, der gebietsbezogene Schutz von Flora und Fauna,101 findet seine Ursprünge im Nordamerika der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.102 1864 wird ein weitausgedehntes Gebiet um das Yosemite Tal gesetzlich geschützt, das 1890 zum Nationalpark erklärt wird.103 1872 und damit genau hundert Jahre vor Abschluss des Welterbeübereinkommens wurde mit dem Yellowstone-Park der erste Nationalpark der USA eingerichtet.104

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Erdmann, Naturschutz hat Geschichte, NuL 2006, 1 (1). Der Schutz von Naturdenkmalen unterfiel jedoch zunächst über einen längeren Zeitraum noch dem Denkmalschutzrecht, Hönes, Naturdenkmäler und nationale Naturmonumente, NuR 2009, 741 (743). 100 Schmoll, Schönheit, Vielfalt, Eigenart. Die Formierung des Naturschutzes um 1900, seine Leitbilder du ihre Geschichte, in: Frohn/Schmoll (Hrsg.), Natur und Staat. Staatlicher Naturschutz in Deutschland 1906 – 2006, S. 13 m.w.N. 101 Für den Artenschutz gibt es u. a. mit dem Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten (CITES) von 1973, ILM 12 (1973), S. 1055 ff. oder dem Bonner Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten von 1979, ILM 19 (1980), S. 15 ff., speziellere internationale Abkommen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Schutz einzelner Arten durch das Übereinkommen ein nicht ebenfalls zu berücksichtigender Aspekt ist. Dies belegt in beispielhafterweise der Schutz der Arax Antilope in einem speziell für deren Schutz eingerichteten Schutzgebiet im Oman, welches aufgrund dessen zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Siehe dazu 1. Teil, 4. Kapitel, D., III., 2., b). 102 Gillespie, Protected Areas and International Environmental Law, S. 8 m.w.N.; dort auch zu den ersten Ansätzen in vorangegangen Zeiten. 103 Ott/Potthast/Gorke/Nevers, Über die Anfänge des Naturschutzgedankens in Deutschland und den USA im 19. Jahrhundert, in: Heyen (Hrsg.), Naturnutzung und Naturschutz in der europäischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte, S. 36. 104 Ott/Potthast/Gorke/Nevers, Über die Anfänge des Naturschutzgedankens in Deutschland und den USA im 19. Jahrhundert, in: Heyen (Hrsg.), Naturnutzung und Naturschutz in der europäischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte, S. 36; Knapp, Internationaler Naturschutz. Phantom oder Notwendigkeit? in: Erdmann (Hrsg.), Internationaler Naturschutz, S. 15. Knaut, Zurück zur Natur! Die Wurzeln der Ökologiebewegung, S. 351. 99

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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Viele Staaten adaptierten diese Entwicklung. In Europa waren dies zuvörderst Schweden und die Schweiz,105 die erste Nationalparke bereits vor dem Ersten Weltkrieg eingerichteten, jedoch anders als in den USA, einen abgeschlossenen Schutzraum vor den Menschen schufen.106 In Bezug auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik wird der Drachenfels bei Bonn gemeinhin als das erste Naturschutzgebiet Deutschlands angesehen.107 Genau betrachtet, wurde das Gebiet erst durch eine Verordnung aus dem Jahre 1902 zum Naturschutzgebiet,108 da der Kauf des Felsens durch den preußischen Staat im Jahre 1836 nur de facto seine Zerstörung verhinderte und die anschließende Polizeiverordnung nicht primär dem Schutze der Natur, sondern der kulturellen Bedeutung der Gegend diente. Die rechtliche Kategorie des Naturschutzgebietes wurde erst später geschaffen und das den Drachenfels umgebende Siebengebirge im Jahre 1922 diesem Schutz unterstellt.109 Es dauerte noch bis zum Erlass des Reichsnaturschutzgesetzes im Jahre 1935,110 bis ein einigermaßen einheitlicher Schutz der Naturschutzgebiete hergestellt werden konnte.

105 Dänemark hatte bereits 1844 ein Schutzgebiet ausgewiesen, das jedoch ausschließlich wissenschaftlicher Forschung dienen sollte, so Knaut, Zurück zur Natur! Die Wurzeln der Ökologiebewegung, S. 351. 106 Knapp, Internationaler Naturschutz. Phantom oder Notwendigkeit? in: Erdmann (Hrsg.), Internationaler Naturschutz, S. 15. 107 Erdmann, Naturschutz hat Geschichte, NuL 2006, 1 (1); Schmoll, Schönheit, Vielfalt, Eigenart. Die Formierung des Naturschutzes um 1900, seine Leitbilder du ihre Geschichte, in: Frohn/Schmoll (Hrsg.), Natur und Staat. Staatlicher Naturschutz in Deutschland 1906 – 2006, S. 14 m.w.N.; „faktisch erste Einrichtung“, so Blab, Schutzgebiete in Deutschland – Entwicklung mit historischer Perspektive, NuL 2006, 8 (8). A.A. Roth, Der Drachenfels: Von der Polizeiverordnung 1836 bis zum Naturparks Siebengebirge, in: Stiftung Naturschutzgeschichte (Hrsg.), Natur im Sinn, S. 139, der Wert auf die Feststellung legt, dass nicht der Drachenfels im Jahre 1836, sondern (auch) das umliegende Siebengebirge im Jahre 1922 zum Naturschutzgebiet erklärt wurden. A.A. auch Knaut, Zurück zur Natur! Die Wurzeln der Ökologiebewegung, S. 352, der ohne die Kategorie des Naturschutzgebietes zu nennen, den Schutz eines Haines der Stadt Bamberg im Jahre 1824 als ersten Akt dieser Art in Deutschland ansieht. 108 Roth, Der Drachenfels: Von der Polizeiverordnung 1836 bis zum Naturparks Siebengebirge, in: Stiftung Naturschutzgeschichte (Hrsg.), Natur im Sinn, S. 141. 109 Roth, Der Drachenfels: Von der Polizeiverordnung 1836 bis zum Naturparks Siebengebirge, in: Stiftung Naturschutzgeschichte (Hrsg.), Natur im Sinn, S. 141. Zur Ernennung des Naturschutzes zur staatlichen Aufgabe durch die Weimarer Reichsverfassung Burmeister, Der Schutz von Natur und Landschaft vor Zerstörung, S. 7. Zur Institutionalisierung des Naturschutzes und ersten Gesetzesvorschlägen, Frohn, Naturschutz macht Staat – Staat macht Naturschutz, in: Frohn/Schmoll (Hrsg.), Natur und Staat. Staatlicher Naturschutz in Deutschland 1906 – 2006, S. 85 ff. und insbesondere 100 ff. 110 Erz, Rückblicke und Einblicke in die Naturschutz-Geschichte, NuL 1990, 103 (104 f.); Roth, Der Drachenfels: Von der Polizeiverordnung 1836 bis zum Naturparks Siebengebirge, in: Stiftung Naturschutzgeschichte (Hrsg.), Natur im Sinn, S. 140 f. Sehr kritisch hierzu und die Effektivität der bereits existierenden Regelungen betonend Hönes, Naturdenkmäler und nationale Naturmonumente, NuR 2009, 741 (743).

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Damit war allerdings noch keine Schutzgebietskategorie entsprechend der europäischen Vorbilder geschaffen worden, die zu einem absoluten Schutz der Pflanzen und Tiere vor den Menschen führte. Der Kampf der Naturschutzbewegung sollte erst über 130 Jahre nach dem Schutz des Drachenfels zum Erfolg führen.111 Seit 1970 gibt es in Deutschland die Schutzgebietskategorie der Nationalparke.112 Diese können der Natur – als absolute Schutzreservate für Fauna und Flora – nach der hiesigen Rechtslage einen besseren Schutz bieten als ihre amerikanischen Pendants und die bis dato höchste Schutzkategorie in Deutschland – die Naturschutzgebiete. II. Internationaler Schutz Auch wenn zur Zeit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Europa erste bilaterale und multilaterale Verträge zum Schutz bestimmter Elemente der Natur geschlossen wurden, kann man dieses – wegen der primären Zielrichtung des Schutzes der damit verbundenen wirtschaftlichen Ressourcen – wohl noch nicht als Geburtsstunde des Internationalen Naturschutzes im Sinne des Welterbeübereinkommens verstehen.113 Einen ersten Ansatz zur Verankerung eines „Weltnaturschutzes“ entwickelte Sarasin mit seinem Vorschlag der Gründung einer entsprechenden Kommission im Jahre 1910.114 Diese „Weltnaturschutzkommission“ konstituierte sich auf der ersten weltweiten Naturschutzkonferenz, die 1913 in Bern stattfand.115 Hier wurde die Gründung einer Naturschutzkommission mit weltweitem Mandat beschlossen,116 die jedoch wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges im Folgejahr seine Arbeit nicht 111 Sperber, Entstehungsgeschichte eines ersten deutschen Nationalparks im Bayerischen Wald, in: Stiftung Naturschutzgeschichte (Hrsg.), Natur im Sinn, S. 63 ff. 112 Gründung des Nationalparks Bayerischer Wald durch Gesetz vom 11. Juni 1969 und Eröffnung am 7. Oktober 1970. Zu einzelnen Aspekten der Entstehungsgeschichte Sperber, Entstehungsgeschichte eines ersten deutschen Nationalparks im Bayerischen Wald, in: Stiftung Naturschutzgeschichte (Hrsg.), Natur im Sinn, S. 63 ff. 113 Wöbse, Naturschutz global – oder Hilfe von außen, in: Frohn/Schmoll (Hrsg.), Natur und Staat, S. 627 f.; Aus der Zeit heraus betrachtet, muss jedoch festgestellt werden, dass diese Art des Schutzes dem damaligen Verständnis eines Internationalen Naturschutzes entsprach, vgl. Krayer, Denkmalschutz, S. 98 ff. 114 Sarasin, Ueber die Aufgaben des Weltnaturschutzes, S. 3. Konzeptionelle Vorschläge zur Organisation der Kommission wurden von ihm allerdings nicht gemacht, sondern sollten der Delegiertenkonferenz 1913 überlassen bleiben. Sarasin selbst nannte in seiner Schrift nur die globalen Aufgaben in Bezug auf die einzelnen Spezies und stellte die jeweiligen bisher unternommenen nationalen Schutzansätze zusammen, S. 6 ff. Dazu auch Krayer, Denkmalschutz, S. 97 m.w.N. 115 Sarasin, Ueber die Aufgaben des Weltnaturschutzes, S. 3 f.; Hedden-Dunkhorst/Jelden, Hundert Jahre Internationaler Naturschutz, NuL 2006, 22 (22); Wöbse, Naturschutz global – oder Hilfe von außen, in: Frohn/Schmoll (Hrsg.), Natur und Staat, S. 635. 116 Hedden-Dunkhorst/Jelden, Hundert Jahre Internationaler Naturschutz, NuL 2006, 22 (22). Insbesondere zur Position des Deutschen Reiches, siehe Wöbse, Naturschutz global – oder Hilfe von außen, in: Frohn/Schmoll (Hrsg.), Natur und Staat, S. 638.

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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aufnehmen konnte und deren Integration in die Arbeit des nach dem Krieg gegründeten Völkerbundes scheiterte.117 In den 1930er und 40er Jahren entstanden zwar die ersten gebietsbezogenen Übereinkommen, diese waren jedoch noch nicht globaler, sondern lediglich regionaler Art.118 In den folgenden Jahrzehnten stagnierte die Entwicklung völkerrechtlicher Verträge trotz der Gründung der International Union for Conservation of Nature (IUCN) im Jahre 1948.119 Die 1970er Jahre werden allgemeinhin als Gründungsjahrzent des Internationalen Umweltschutzes dargestellt. Im Jahr 1972 fand in Stockholm die erste von den meisten Staaten besuchte globale Umweltkonferenz statt, welche zwanzig Jahre vor der Konferenz in Rio de Janiero den ersten Meilenstein in der Entwicklung hin zu einem Internationalen Umweltrecht darstellte.120 Diese Jahre sollten jedoch auch für den Internationalen Naturschutz einen großen Stellenwert erlangen.121 In dieser Zeit wurden viele naturschutzrechtliche Abkommen unterzeichnet.122 Eines der ersten war das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt.123 117

(22).

Hedden-Dunkhorst/Jelden, Hundert Jahre Internationaler Naturschutz, NuL 2006, 22

118 Vgl. z. B. die „London Convention on Preservation of Flora and Fauna in Their Natural State von 1933“. An der Bezeichnung ihrer Vorgängerkonvention „Convention for the Preservation of Wild Animals, Birds and Fish in Africa“ wird deutlich, dass ihr Anwendungsbereich auf den afrikanischen Kontinent beschränkt ist. Die in ihr enthaltene Ausweisung von Schutzgebieten war im internationalen Kontext eine wesentliche Neuerung. Die Konvention wurde nach der Unabhängigkeit der meisten afrikanischen Staaten wiederum abgelöst von der African Convention on the Conservation of Nature and Natural Resources. Vgl. zu diesen drei Konventionen Lyster, International Wildlife Law, S. 112 ff. Eine ebenfalls bedeutsame regionale Übereinkunft dieser Zeit, die die Schaffung von Schutzgebieten zum Inhalt hatte, war die „Convention on Nature Protection and Wild Life Preservation in the Western Hemisphere“ vom 12. Oktober 1940, so Brown Weiss, International Environmental Law. Contemporary Issues and the Emergence of a New World Order, GeoLJ 81 (1993), 675 (676); Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 6. 119 Siehe zu deren späterer Rolle als advisory body im Rahmen der UNESCO-Welterbekonvention unten unter 1. Teil, 2. Kapitel, B., III. 120 Vgl. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 2. 121 Siehe als Beleg die Übersicht bei Brown Weiss, Global environmental change and international law, in: Brown Weiss (Hrsg.), Environmental Change and International Law, S. 8 ff. Zurückhaltender in seiner Bewertung der Bedeutung Knapp, Internationaler Naturschutz. Phantom oder Notwendigkeit? in: Erdmann (Hrsg.), Internationaler Naturschutz, S. 18. Zum schwierigen Verhältnis der beiden Rechtsgebiete zueinander in dieser Zeit auch Müller, Die Beziehung von Umwelt- und Naturschutz in den 1970er Jahren, in: Stiftung Naturschutzgeschichte (Hrsg.), Natur im Sinn, S. 31 ff. 122 So die bereits erwähnten Verträge CITES, das Berner- sowie das Bonner Abkommen, jedoch auch die Ramsar-Konvention von 1971 (Übereinkommen zum Schutz von Feuchtgebieten, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von internationaler Bedeutung, ILM 11 (1972), 963 oder Helcom, das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes, ILM 13 (1974), 352, das 1974 geschlossen und 1992 neu gefasst wurde.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

C. Zusammenführung der beiden Ideen in den Vorarbeiten zum Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt Der entscheidende Anstoß, ein Übereinkommen zum Schutze des universellen Kulturerbes auf den Weg zu bringen, war die drohende Zerstörung der Abu Simbel Tempel durch die von der ägyptischen Regierung beabsichtigte Flutung des AssuanTals im Jahre 1960, was die UNESCO durch die Organisation einer beispielhaften Rettungsaktion zu verhindern wusste.124 Es wurde deutlich, dass im Zuge des technischen Fortschritts, Kriegszustände – für die man die Konvention von 1954 geschaffen hatte – nicht mehr die einzigen Gefahren für die Erhaltung besonderer Kulturgüter waren. Sechs Jahre später wurden die Städte Venedig und Florenz von einer Flutkatastrophe heimgesucht125 Noch im selben Jahr beauftragte die Generalkonferenz der UNESCO ihren Generaldirektor, nach (unter anderem) rechtlichen Möglichkeiten zu suchen, ein Schutzsystem für solche Kulturgüter zu etablieren, die zum Erbe der Menschheit zu zählen sind.126 123 Die UNESCO hatte im Naturschutzbereich schon zwei Jahre zuvor ein Programm aufgestellt. Aufgrund des Programms „Man and the Biosphere“ (MAB) wurden auch in Deutschland viele Biosphärenreservate ausgewiesen. Zweck des Programms ist es, im Gegensatz zur eher konservatorischen Tendenz der Welterbekonvention, einen weltweiten Verbund großflächiger Kultur- und Naturräume zu schaffen, in dem eine harmonische Interaktion zwischen Mensch und Natur ermöglicht werden soll, Hofmeister/Mölders, Wilde Natur – gezähmte Wirtschaft. Biosphärenreservate: Modelle für eine nachhaltige Regionalentwicklung?, ZAU 2007, 191 (192); Walter/Precht/Preyer, in: Deutsches MAB-Nationalkomitee (Hrsg.), Voller Leben, UNESCO-Biosphärenreservate – Modellregionen für eine nachhaltige Entwicklung –, S. 15 sprechen deshalb richtigerweise von einem konservierenden Aspekt der Welterbekonvention, der denjenigen der Repräsentativität und der Entwicklung des MABProgramms gegenüber stünden; vgl. dazu Ministerium für Raumordnung und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt (Hrsg.), Biosphärenreservate im Vergleich zu anderen Schutzgebieten, S. 5 ff.; Ständige Arbeitsgruppe der Biosphärenreservate in Deutschland (Hrsg.), Biosphärenreservate in Deutschland, S. 1 ff. Zur Durchführung des Programms insbesondere in Deutschland und besonderen sich aus der föderalistischen Struktur ergebenden Problemen, siehe Weidmann, Förderung des Naturschutzes durch Neuordnung der Zuständigkeiten für Nationalparke und Biosphärenreservate zwischen Bund und Ländern, VR 2009, 253 ff. Allgemein zur Arbeit der UNESCO auf dem Gebiet des Naturschutzes, Schaaf, Der Beitrag der UNESCO zur Förderung des Internationalen Naturschutzes, in: Erdmann (Hrsg.), Internationaler Naturschutz, S. 47. 124 Roucounas, Aspects juridiques de la protection du „patrimoine mondial, culturel et naturel“, RHDI 25 (1972), 42 (44 f.); Francioni, Preamble, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 12 f.; Streinz, Handbuch des Museumsrechts 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, S. 72; Fischer, Weltkulturerbe. Eine Gefahr für die gegenwärtige Denkmalpflegepolitik, BBauBl. 1998, 28 (28); Zacharias, The International Regime for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, S. 6 f. 125 Roucounas, Aspects juridiques de la protection du „patrimoine mondial, culturel et naturel“, RHDI 25 (1972), 42 (44 f.); Francioni, Preamble, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 13. 126 Vgl. zum weiteren Ablauf der hierdurch ausgelösten Vorarbeiten die detaillierten Ausarbeitungen von insbesondere Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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I. Vorarbeiten auf Ebene der UNESCO Im Februar/März 1968 und im Juli 1969 fanden zwei Expertentreffen verschiedener Internationaler Organisationen in Paris statt.127 Als Ergebnis ihrer Beratungen wurde der UNESCO empfohlen, den Schutz der Kulturgüter in zwei unterschiedlichen Regelungswerken zu verankern.128 Zum einen sollte eine unverbindliche Empfehlung erlassen werden, die den Staaten nahe legen sollte, wie sie ihr nationales Erbe zu schützen haben. Zum anderen sollte ein internationales Vertragswerk beschlossen werden, das die Regelung des internationalen Schutzes für die gesamte Menschheit bedeutsamer Kulturgüter zum Inhalt haben sollte.129 Der Generaldirektor übermittelte die Ergebnisse der Expertengruppe der Generalkonferenz der UNESCO, welche ihn wiederum ermächtigte, einen Vorschlag für eine solche Empfehlung bzw. ein Übereinkommen zur 17. Generalkonferenz im November 1972 vorzubereiten und hierzu entsprechende Staatenvertreter zur Ausarbeitung einzuladen.130 Bereits im Folgejahr, am 30. Juni 1971, konnte eine erste „Preliminary Draft Convention Concerning the Protection of Monuments, Groups and Buildings and Sites of Universal Value“ vorgelegt werden.131 Diese sowie die ebenfalls vorgelegte Empfehlung beinhalteten bereits die von den Mitgliedstaaten der Organisation eingereichten schriftlichen Anmerkungen und sollte von den Staatenvertretern auf einem Treffen am 4. – 22. April 1972 zur endgültigen Textform gebracht werden.132 Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 186 ff., sowie Meyer, Travaux préparatoires for the World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), S. 45 ff., die die wesentliche Grundlage dieses Abschnitts bilden. 127 Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 187. 128 Ergebnisbericht des ersten Treffens vom 26. Februar bis zum 2. März 1968, UNESCO Doc. SHC/CS/27/8; Ergebnisbericht des zweiten Treffens vom 21. bis 25. Juli 1969, UNESCO Doc. SHC/MD/4. 129 Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 187. Zu den Ursprüngen der Idee des Schutzes eines gemeinsamen Menschheitserbes schon 1889 die Abschlusserklärung des „Congrès Officiel International pour la Protection des Œvres d’Art et des Monuments“, zitiert bei Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 29, sowie bei Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 188. 130 Resolution 3.412, UNESCO Records of the General Conference, 16th Session Paris 1970, Vol I: Resolutions, S. 55; Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 187. 131 UNESCO Doc. SHC/MD/17. Annex II; Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 187. 132 Roucounas, Aspects juridiques de la protection du „patrimoine mondial, culturel et naturel“, RHDI 25 (1972), 42 (44 f.); Meyer, Travaux préparatoires for the World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (47); Goy, The international protection of cultural and natural heritage, NYIL 4 (1973), 117 (127).

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

II. Vorarbeiten auf Ebene der United Nations Conference on Human Environment Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hatte im Jahre 1968 beschlossen, die weltweit erste Umweltkonferenz im Juni 1972 in Stockholm zu veranstalten.133 Die Arbeitsgruppe, „Intergovernmental Working Group on Conservation“ (IWGC), die diese Konferenz vorbereiten sollte, überarbeitete einen Konventionsentwurf des IUCN für eine „Convention for the Conservation of the World’s Heritage“, der lediglich auf das Naturerbe fokussiert war,134 ohne jedoch eine Einbeziehung des kulturellen Erbes von vorneherein auszuschließen.135 Die IWGC nahm auch Kenntnis von den Vorarbeiten der UNESCO zum Schutz des kulturellen Welterbes, sah sich jedoch als nicht beauftragt an, diese zu inkorporieren.136 Nichtsdestotrotz empfahl sie dem Sekretariat der Stockholmer Konferenz, die UNESCO von den eigenen Vorarbeiten in Kenntnis zu setzen.137 III. Zusammenführung der Entwürfe unter der Ägide der UNESCO Die UNESCO hätte es der IWGC gleichtun können und den Entwurf der Arbeitsgruppe lediglich zur Kenntnis nehmen können. Insbesondere der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Entwurfes der IWGC, am 11. Oktober 1971, nachdem der erste eigene Vorentwurf bereits verfasst worden war und die Staatenvertreter zur Beratung der Feinarbeiten nur wenige Monate später eingeladen worden waren, hätte eine bloße Kenntnisnahme erwarten lassen.138 Auch wenn die UNESCO bereits (zusammen mit der FAO und dem Sekretariat der Stockholmer Konferenz) von Februar bis April 1971 in die Überarbeitung der ersten Ausarbeitung des IUCN involviert war,139 so steuerte sie zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Erarbeitung einer ge133 Francioni, Preamble, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 13. 134 UN Doc. A/Conf.48/IWGC.I/13; Meyer, Travaux préparatoires for the World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (47); Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 188. 135 Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 188. 136 UN Doc. A /Conf.48//IWGC.I/11, Zif. 7; Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 188; Francioni, Preamble, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 14. 137 Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 188. 138 Vgl. Meyer, Travaux préparatoires for the World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (47). 139 Meyer, Travaux préparatoires for the World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (47). Ferner war die Idee des Einschlusses des Naturerbes bereits auf den Expertentreffen der UNESCO in den Jahren 1968 und 69 diskutiert worden, Batisse, Nature et Culture: Souvenir

1. Kap.: Schutz von Kultur- und Naturgütern aus historischer Perspektive

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meinsamen Konvention hin und trieb auch die Vorarbeiten an der eigenen Konvention und Empfehlung zu diesem Zeitpunkt noch ohne Rücksicht auf das Vorhaben der Umweltkonferenz voran. Hinzu kommt, dass nicht nur die IWGC keine Kompetenz zur Ausarbeitung einer Konvention über Kulturgüterfragen hatte, sondern dass im Gegenzug die UNESCO auch keine ausdrückliche Kompetenz zur Regelung von Fragen im Bereich des Naturschutzes besaß.140 Denn laut Art. I Ziff. 1 ihrer Verfassung ist die Aufgabe der UNESCO, die Zusammenarbeit zwischen den Völkern in Wissenschaft, Bildung und Kultur zu fördern. Der Natur- oder auch nur der Umweltschutz im Allgemeinen werden weder an dieser noch an einer anderen Stelle der Verfassung erwähnt und zählen mithin nicht zu den Aufgaben der UNESCO.141 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass zur Kultur und den Kulturgütern aus juristischer Sicht auch eine kleine Gruppe der Naturgüter, die Naturdenkmäler,142 gezählt werden. Auch die Betonung des wissenschaftlichen Aspekts durch die Welterbekonvention,143 wenn sie das Naturd’un mariage … de convention(s), in: AAFU (Hrsg.), L’invention du „patrimoine mondial“, S. 17. 140 Vgl. Bolla, Péripéties d’une gestation laborieuse, in: AAFU (Hrsg.), L’invention du „patrimoine mondial“, S. 73; Kono/Wrbka: General Report, in: Kono (Hrsg.), The Impact of Uniform Laws, S. 44 f. 141 Entsprechend wurden andere Initiativen auf dem Gebiet des Umweltschutzes, wie beispielsweise das zwei Jahre vor der Verabschiedung des Welterbeübereinkommens beschlossene Programm „Man and the Biosphere“ auf die Kompetenz zur Befassung mit wissenschaftlichen Frage gestützt. Der offizielle Auftrag des Programms war demnach ursprünglich die Schaffung einer Grundlage für den Schutz und die Nutzung der Biosphäre, vgl. dazu die Gründungsresolution, UNESCO Resolution 2.313. Ferner Walter/Precht/Preyer, in: Deutsches MAB-Nationalkomitee (Hrsg.), Voller Leben, UNESCO-Biosphärenreservate – Modellregionen für eine nachhaltige Entwicklung –, S. 10. Die Erhaltung der Biosphäre an sich – und damit ein primärer Umweltschutzgesichtspunkt – wurde erst durch die Sevilla-Strategie 1995 in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt. Siehe dazu UNESCO, 28th General Conference, 28 C/Resolution 2.4, in der sowohl die Sevilla-Strategie als auch die Internationalen Leitlinien für das Weltnetz der Biosphärenreservate verabschiedet wurden. Die beiden Letzteren sind abrufbar unter: http://unesdoc.unesco.org/images/0010/001038/103849Eb.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015); Walter/Precht/Preyer, in: Deutsches MAB-Nationalkomitee (Hrsg.), Voller Leben, UNESCO-Biosphärenreservate – Modellregionen für eine nachhaltige Entwicklung –, S. 11 f. 142 Vgl. beispielsweise die Rechtslage in Deutschland, wo Naturdenkmale erst seit dem Reichnaturschutzgesetz von 1935 nicht mehr zu den Kulturgütern gezählt werden, Hammer, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 6. Hierzu in der Sache sehr kritisch Hönes, Naturdenkmäler und nationale Naturmonumente, NuR 2009, 741 (743). Ebenso kritisch in Bezug auf die fachlichen Konsequenzen dieser Trennung Zwanzig, Erlebter Naturschutz I (1955 – 1972/I), in: Stiftung Naturschutzgeschichte (Hrsg.), Natur im Sinn, S. 146, der sogar der Ansicht ist, dass nur durch eine Zusammenlegung der Behörden für Natur- und Denkmalschutz auf nationaler Ebene „langfristig eine Sicherung des Weltnatur- und Kulturerbes gewährleistet“ sei. 143 Das UNESCO-Welterbeübereinkommen definiert in Art. 1 und 2 des Vertragstextes das Kultur- und Naturerbe, siehe hierzu unten unter 1. Teil, 3. Kapitel, B. Dabei verweist es darauf,

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

erbe in Art. 2 WKÜ definiert,144 können nicht darüber hinweg täuschen, dass letzterer Aspekt in der Vertragspraxis des Übereinkommens bislang, soweit dies zu erkennen ist, keine Rolle gespielt hat. Umso erstaunlicher sowohl bei Betrachtung des zeitlichen als auch des kompetentiellen Aspektes ist, dass die UNESCO die Vorarbeiten der IWCG für die Stockholmer Konferenz doch noch in den eigenen Konventions- sowie den Empfehlungsentwurf miteinbezogen hat. Auch wenn die Idee des vereinigten Schutzes des Kultur- und Naturerbes nicht neu war und auf verschiedene Vorschläge zur Errichtung eines „World Heritage Trust“ auf einer Konferenz des Weißen Hauses über Internationale Kooperation im Jahre 1965 verwiesen werden kann,145 ist die Arbeit der Staatenvertreter auf der Sitzung im April 1972 kaum hoch genug anzuerkennen.146 Es gelang den von den Mitgliedstaaten der UNESCO entsandten Experten auf der (etwas verlängerten) Konferenz im April, sich auf einen einheitlichen147 Vertragsentwurf sowie eine Empfehlung (zum Schutz auf nationaler Ebene)148 zu einigen, die eine Gleichrangigkeit des Schutzes von Kultur- und Naturerbe vorsahen. Diese wurde noch geringfügig durch die 5. Kommission der UNESCO geändert149 und der endgültige Text des Übereinkommens und der dass der schützenswerte außergewöhnliche universelle Wert sich auch aus der wissenschaftlichen Bedeutung des Erbes ergeben könne. 144 Der Auftrag zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft ist Geltungsgrund für die diversen Tätigkeiten der UNESCO auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Ziel dieser Programme ist es in der Regel, die wissenschaftlichen Grundlagen der Umwelt zu erforschen. Diesem Zweck wird die UNESCO allerdings insbesondere außerhalb des Welterbeübereinkommens wie z. B. im Programm „Der Mensch und die Biosphäre“, dazu unten unter, wesentlich eher gerecht. Zur Tätigkeit der UNESCO auf dem Gebiet der Umwelt, Schaaf, Der Beitrag der UNESCO zur Förderung des internationalen Naturschutzes, in: Erdmann (Hrsg.), Internationaler Naturschutz, S. 47 ff. 145 Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 188; Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit im völkerrechtlichen Kulturgüterschutz, S. 303; Meyer, Travaux préparatoires for the World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (47); Redgwell, Protecting Natural Heritage and Its Transmission to Future Generations, in: Yusuf (Hrsg.), Standard-Setting in UNESCO, S. 268 f. 146 Das übersieht Slayter, The origin and development of the World Heritage Convention, Monumentum 1984, 3 (5), der die Entstehungsgeschichte als Ergebnis einer Kooperation zwischen UNESCO und Komitee der United Nations Conference on Human Environment darstellt. 147 Auf der Konferenz war höchst umstritten, den Vertragsgegenstand in bis zu drei unterschiedliche Konventionen aufzuteilen, UNESCO Doc. 17 C/18, Annex, Nr. 2. 148 Hierbei regelte der verbindliche Vertrag das „Ob“ des Schutzes auf nationaler Ebene und die unverbindliche Empfehlung das „Wie“, mithin die Frage der konkreten Ausgestaltung eines nationalen Schutzmechanismus für das zu schützende Kultur- und Naturerbe. Zum genauen Inhalt der später tatsächlich auch verabschiedeten Empfehlung Hönes, Anmerkungen zur UNESCO-Empfehlung zum Kultur- und Naturerbe von 1972, DSI 2007, 113 ff. 149 Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 188. Siehe hierzu auch Francioni,

2. Kap.: Die Organe des Übereinkommens

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Empfehlung am 16. November 1972 schließlich von der 17. Generalkonferenz verabschiedet150 und den Mitgliedern zur Annahme empfohlen.151 2. Kapitel

Die Organe des Übereinkommens Die Organe des Welterbeübereinkommens lassen sich in zwei Gruppen aufteilen. Zunächst gibt es die im Vertragstext genannten Vertragsorgane, die entsprechend auch zunächst vorgestellt werden sollen (A.). Daneben gibt es eine zweite Gruppe von Organen, die ebenfalls im Übereinkommen genannt werden, denen allerdings lediglich die Funktion eines beratenden Gremiums zukommt. Entsprechend ihrer Funktion sollen letztere Organe zusammen mit weiteren Gremien, die insbesondere die Arbeit des Welterbekomitees unterstützen, Erwähnung finden (B.).

A. Vertragsorgane Der Vertragstext zählt mit dem Welterbekomitee, der UNESCO-Generalkonferenz, dem UNESCO-Generaldirektor sowie der Generalkonferenz der Vertragsstaaten (des Welterbeübereinkommens) vier Organe auf, deren Tätigkeit im Rahmen des Welterbeübereinkommens von Bedeutung ist. I. Welterbekomitee Das zentrale Organ des Übereinkommens ist das „Komitee für das Erbe der Welt“, kurz Welterbekomitee (World Heritage Committee, WHC).152 1. Zusammensetzung Es setzt sich aus mittlerweile 21 Staatenvertretern zusammen, seit die in Art. 8 Abs. 1 S. 3 WKÜ vorgesehene Schwelle von 40 Staaten, für die das Übereinkommen in Kraft getreten sein musste, überschritten wurde. Bei der Zusammensetzung ist eine ausgewogene Vertretung der verschiedenen Regionen und Kulturen der Welt zu Preamble, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 15 m.w.N. Zu den Änderungen selbst siehe UNESCO Doc. 17 C/99. 150 Bei einer Gegenstimme und 17 Enthaltungen, UNESCO Doc. 17 C/106; Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 189. 151 Meyer, Travaux préparatoires for the World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (48). 152 Art. 8 Abs. 1 S. 1 WKÜ.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

gewährleisten.153 Diese Vorgabe wird durch die Vertragsstaatenkonferenz, die die Mitglieder des Komitees bestimmt, in vorbildlicher Weise eingehalten. So gelang es durch Abspaltung der arabischen und karibischen Staaten sowie der Zusammenlegung von Nordamerika mit Europa nicht nur, eine repräsentative regionale Verteilung zu erreichen, wie sie sich in vielen Internationalen Organisationen finden lässt, sondern die gerade auch vom Welterbeübereinkommen aufgrund seiner Thematik geforderte Berücksichtigung der kulturellen Besonderheiten der einzelnen Regionen der Erde zu verwirklichen.154 Grundsätzlich beträgt die Amtszeit der Mitglieder des Komitees sechs Jahre.155 Aufgrund des Ziels einer ausgewogenen Vertretung hat die Vertragsstaatenkonferenz die Mitglieder des Komitees jedoch aufgefordert, ihre Amtszeit freiwillig auf 4 Jahre zu reduzieren.156 Dieser Aufforderung kommt das Komitee regelmäßig nach.157 Das Komitee hat mindestens eine Sitzung pro Jahr.158 Es wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und fünf Stellvertreter sowie einen Berichterstatter, die die folgende Sitzung vorzubereiten und zu leiten haben.159 Dieser engere Kreis firmiert unter der Bezeichnung „Welterbebüro“. Wie in vielen anderen internationalen Vertragsgremien üblich, bleiben die Mitglieder nach ihrer Wahl Staatenvertreter und sind nicht persönliche Mitglieder des Komitees, anders als beispielsweise die auf Vorschlag der Mitgliedstaaten ernannten Mitglieder des Human Rights Committee nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR).160 Der entscheidende Unterschied zu einer persönlichen Mitgliedschaft ist die Weisungsabhängigkeit der Komiteemitglieder als Staatenvertreter. So können die Komiteemitglieder jedwede Statements und Entscheidungen (nur) im Namen ihrer jeweiligen Vertragspartei treffen und bei Missfallen bzw. aus sonstigen politischen Gründen von dem jeweiligen Entsendestaat abberufen werden, was jedoch bisher noch nicht vorgekommen ist.

153

Art. 8 Abs. 2 WKÜ. Scovazzi, Articles 8 – 11, World Heritage Committee and World Heritage List, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 151. 155 Art. 9 Abs. 1 WKÜ. 156 Resolution der 13. Generalkonferenz der Vertragsstaaten, WHC-2001/CONF.206/8 Rev, die insofern weiter geht als die Resolution der 9. Generalkonferenz, CC-89/CONF.013/6, die die Mitgliedstaaten lediglich ersuchte, sich nicht unmittelbar nach Ablauf einer Amtszeit um eine neue zu bewerben; vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 21. 157 Vgl. den Beschluss der 2005 gewählten Mitglieder, dem sich trotz zunächst gegenteiliger Auffassung in der zweiten Sitzung der 15. Generalkonferenz der Vertragsstaaten auch Bahrain anschloss, UNESCO Doc. WHC-05/15.GA/10, S. 5 und 15. 158 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 19. 159 Regel 12.1 der rules of procedure (2015) (Geschäftsordnung des Komitees). Die Geschäftsordnung ist in der aktuellen sowie früheren Versionen veröffentlicht unter http://whc. unesco.org/en/committee/ (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 160 Vgl. Art. 28 Abs. 3 IPbürgR. 154

2. Kap.: Die Organe des Übereinkommens

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2. Aufgaben Die wohl wichtigste Aufgabe161 des Komitees besteht in der Aufstellung der „Liste des Erbes der Welt“ (Welterbeliste) sowie der „Liste des gefährdeten Erbes der Welt“ (Rote Liste).162 Die für die Aufnahme in die Listen geltenden Maßstäbe hat das Komitee festzulegen.163 Zu diesem Zwecke und um die Durchführung des Übereinkommens insgesamt zu verbessern, hat es 1977 erstmals Richtlinien zur Durchführung des UNESCO-Welterbeübereinkommens, die „operational guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention“(kurz: operational guidelines), beschlossen164 und veröffentlicht.165 Zuletzt wurden sie im Jahr 2012 überarbeitet.166 Ferner bestimmt das Welterbekomitee die Ausgabe der Mittel des „Fonds für das Erbe der Welt“ (Welterbefonds), mithilfe dessen das Kultur- und Naturerbe der Welt von außergewöhnlichem Wert geschützt werde soll.167 Des Weiteren koordiniert es die internationale Hilfe, die einen der Schwerpunkte des Übereinkommens zum Schutz des Welterbes darstellt.168 II. UNESCO-Generalkonferenz Die UNESCO-Generalkonferenz ist die Versammlung der Vertreter aller Vertragsstaaten der UNESCO. Sie war wesentlicher Impulsgeber für die Ausarbeitung des Übereinkommens und verabschiedete 1972 dessen Entwurf in der heutigen Fassung und empfahl seinen Mitgliedern die Annahme. Heute fungiert die UNESCO-Generalkonferenz noch als Anlass für die Treffen der Vertragsstaatenkonferenz nach dem Übereinkommen. Letztere tritt während der ordentlichen Tagungen der UNESCO-Generalkonferenz zu ihrer Hauptversammlung zusammen.169 Die UNESCO-Generalkonferenz hat also keine administrativen Aufgaben, sondern 161

Die Hauptaufgaben sind in den Richtlinien zusammengefasst, vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 24. 162 Art. 11 Abs. 2 und 4 WKÜ. Zum Umfang der einzelnen Kompetenzen in diesem Zusammenhang siehe unten unter 1. Teil, 4. Kapitel, B.–D. sowie 1. Teil, 5. Kapitel, A., I., 3. 163 Art. 11 Abs. 5 WKÜ. 164 Die ersten operational guidelines wurden vom Komitee auf seiner ersten Sitzung am 30. Juni 1977 beschlossen, vgl. UNESCO Doc. CC-77/CONF.001/08. 165 Zur Kompetenz zum Erlass und zur rechtlichen Verbindlichkeit der operational guidelines siehe unten unter 1. Teil, 5. Kapitel, A., I., 2. 166 UNESCO operational guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention (2012), WHC. 12/01 vom Juli 2012. Eine deutsche Übersetzung der nahezu identischen operational guidelines (2008), WHC. 01/08 vom Januar 2008, ist abgedruckt in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 191 ff. 167 Art. 15 Abs. 1 und Abs. 4 WKÜ. 168 Art. 19 und 21 WKÜ. 169 Vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 2, Abs. 3; Art. 16 Abs. 1 S. 1 WKÜ.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

empfängt gemäß Art. 29 Abs. 3 WKÜ lediglich den Tätigkeitsbericht des Welterbekomitees, fordert nach Art. 32 Abs. 1 WKÜ Nichtmitglieder der Organisation zum Beitritt zum Übereinkommen auf und kann ferner nach Art. 37 Abs. 1 ein Revisionsabkommen ausarbeiten. Darüber hinaus gibt es jedoch noch eine in diesem Zusammenhang eher untypische Aufgabe. Sie empfängt gemäß Art. 29 Abs. 1 WKÜ die Staatenberichte der Vertragsparteien über die erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Diese Dokumentationspflicht der Vertragsparteien besteht also gegenüber der UNESCOGeneralkonferenz und nicht etwa gegenüber der Vertragsstaatenkonferenz oder dem Welterbekomitee. Letzterem sind sie nur zur Kenntnis zu bringen.170 Dieses ist bemerkenswert, da das Welterbekomitee das sowohl mit der Durchführung des Übereinkommens betraute als auch und im Übrigen für Kontrolltätigkeiten zuständige Organ ist.171 Diese Besonderheit wird allerdings offenbar als selbstverständlich zur Kenntnis genommen,172 was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass eine Berichtspflicht gegenüber außervertraglichen Akteuren auch anderen völkerrechtlichen Verträgen nicht fremd ist.173 III. UNESCO-Generaldirektor Der UNESCO-Generaldirektor übt im Rahmen des Übereinkommens, anders als die UNESCO-Generalkonferenz, einige bedeutende Funktionen aus. Er bestellt gemäß Art. 14 Abs. 1 WKÜ ein Sekretariat für das Welterbekomitee. Die Aufgaben des Sekretariats werden vom 1992 gegründeten Welterbezentrum wahrgenommen, das seinen Sitz in Paris hat.174 Die Aufgabe des Generaldirektors ist außerdem die Vorbereitung der Dokumentation und der Tagesordnung der Sitzungen des Welterbekomitees und die Durchführung seiner Beschlüsse.175 In der Praxis wird diese Aufgabe vom Sekretariat in Paris wahrgenommen. In den operational guidelines des Welterbekomitees werden sie auch als Hauptaufgaben des Sekretariats aufgezählt.176 Das ist deshalb bemerkenswert, weil das Sekretariat gemäß Art. 14 Abs. 1 WKÜ eigentlich dem 170

Art. 29 Abs. 2 WKÜ. Dazu unten unter 1. Teil, 5. Kapitel, A., II. 172 Noch nicht einmal Boer, Art. 29, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 335 ff. macht in seiner Kommentierung darauf in besonderer Weise aufmerksam; ebenso wenig Zacharias, The International Regime for the Protection oft he World Cultural and Natural Heritage, S. 19 f. 173 Vgl. nur die Berichtspflicht der Vertragsstaaten des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen (Art. 16 Abs. 2a IPwskR). 174 Rundschreiben DG/4.1/16/03 des UNESCO-Generaldirektors vom 21.10.03, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/circs/circ03-16e.pdf (zuletzt aufgerufen am: 15. 10. 2015). 175 Art. 14 Abs. 2 WKÜ. 176 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 28 a) und b). 171

2. Kap.: Die Organe des Übereinkommens

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Welterbekomitee und nicht dem UNESCO-Generaldirektor bei der Aufgabenerfüllung zur Seite stehen soll. Auch kann man im Rundschreiben des Generaldirektors an das Welterbekomitee177, welches die Einsetzung des Sekretariats offiziell bekannt gibt, keine Delegation der Aufgaben erkennen, für welche er aus dem Übereinkommen (auch) keine Kompetenz besäße. IV. Generalkonferenz der Vertragsstaaten Die Vertragsstaatenkonferenz kommt auf jeder ordentlichen Sitzung der UNESCO-Generalversammlung, also alle zwei Jahre, zusammen.178 Ihre Aufgaben in Bezug auf das Welterbeübereinkommen sind sehr begrenzt. Ihre wesentliche Aufgabe ist die Wahl der Mitglieder des Welterbekomitees.179 Zur Erzielung einer ausgewogenen Vertretung der verschiedenen Regionen und Kulturen hat sie nicht nur in mehreren Resolutionen Forderungen hinsichtlich freiwilliger Selbstverpflichtungen an die Komiteemitglieder gestellt,180 sondern in Regel 14 der eigenen Geschäftsordnung sich auch selbst konkrete Vorgaben zur Erreichung dieses Zieles gemacht. V. Exkurs: Nationale UNESCO-Kommissionen Abschließend sind in diesem Zusammenhang noch die nationalen UNESCOKommissionen zu erwähnen. Sie sind keine Organe des Übereinkommens. Ihre primäre Aufgabe ist es auch nicht – im Gegensatz zu den sogleich zu erörternden advisory bodies –, das Welterbekomitee bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen.181 Sie dienen ausweislich der Verfassung der UNESCO insbesondere dazu,182 die Regierungen der Vertragsparteien in den die UNESCO betreffenden Fragen zu beraten, und fungieren daher als Mittler zwischen beiden.183

177

Rundschreiben DG/4.1/16/03 des UNESCO-Generaldirektors vom 21.10.03, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/circs/circ03-16e.pdf (zuletzt aufgerufen am: 15. 10. 2015). 178 Art. 8 Abs. 1 WKÜ iVm Art. 4 Ziff. 9 (a) S. 1 Verfassung der UNESCO. 179 Art. 8 Abs. 2 WKÜ. 180 Vgl. oben unter 1. Teil, 2. Kapitel, A., I., 1. 181 Vielmehr wurden sie von den Vertragsparteien der UNESCO gemäß Art. VII Abs. 1 der UNESCO-Verfassung gegründet und dienen der Zusammenarbeit zwischen der UNESCO und den Mitgliedstaaten in den die Organisation betreffenden Fragen. Die Charta der UNESCONationalkommissionen ist abgedruckt bei: Hüfner/Reuther (Hrsg.), UNESCO-Handbuch, S. 410 ff. 182 Art. 7 Abs. 2 UNESCO-Verfassung. 183 So war die Deutsche UNESCO-Kommission auch regelmäßig an den Konsultationen der unterschiedlichen Parteien im Streit um den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden beteiligt. Als offizielle Mediatorin, die im Verfahren vor dem OVG Bautzen zwischen den Streitparteien vermitteln sollte, wurde allerdings die Vertreterin der Ständigen Konferenz der

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Zum einen muss dabei die organisationsrechtliche Trennung von der UNESCO betont werden,184 zum anderen ist beispielsweise die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) mit Sitz in Bonn auch keine Behörde des Bundes.185 Sie ist ein eingetragener Verein des bürgerlichen Rechts.186 Allerdings stellt sie als Teil der „auswärtigen Kulturpolitik“ eine Mittlerorganisation im Bereich der Kulturverwaltung des Bundes dar.187 Als solche erfährt sie finanzielle Förderung von Seiten des Bundes für die eigenständige Erledigung der entsprechenden Aufgaben.188

B. Beratende Internationale Organisationen Neben den Vertragsorganen bzw. von diesen gegründeten Untergliederungen gibt es nicht unter dem Dach der UNESCO stehende, selbstständige Internationale – staatliche und nichtstaatliche – Organisationen, auf die das Übereinkommen teilweise ausdrücklich Bezug nimmt. Ausdrücklich trifft das insbesondere auf die Internationale Studienzentrale für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (ICCROM)189, den Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS)190 und die Kultusminister für das UNESCO-Welterbe bestimmt. Vgl. v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention, GYIL 51 (2008), 321 (346 und 351). 184 Trommer, Die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik, S. 43, nennt das fehlende Weisungsrecht als wichtige Folge. 185 Sie wird vielmehr verwaltungsrechtlich als „Beliehene“ zu bezeichnen sein, Rudolf, Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturverwaltung, in: Delbrück/Ipsen/Rauschning (Hrsg.), Recht im Dienst des Friedens. Festschrift Menzel, S. 146. 186 Hüfner, Unabhängigkeit und Partnerschaft: Ein Portrait der Deutschen UNESCOKommission, in: Deutsche UNESCO-Kommission (Hrsg.), Lernziel Weltoffenheit. Fünfzig Jahre deutsche Mitarbeit in der UNESCO, S. 46. Entsprechende organisatorische Einflussrechte hat sich der Bund jedoch gesichert, dazu Trommer, Die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik, S. 43. Vgl. auch die Besetzung der Kommission mit jeweils drei Vertretern des Bundes unter: http://www.unesco.de/vorstand.html (zuletzt auf gerufen: 31. 05. 2013). 187 Vgl. Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, S. 182; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Abs. 1 GG Rn. 23; Trommer, Die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik, S. 44, präzisiert, dass sie sich durch ihre Aufgabenwahrnehmung „im Sinne der UNESCO“ von den übrigen Mittlerorganisationen unterscheidet, die allein der Bundesrepublik verpflichtet sind. Zu entsprechenden Kompetenzen des Bundes in diesem Bereich siehe unten unter 3. Teil, 4. Kapitel, B., III., 2., b). 188 Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, S. 182; Trommer, Die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik, S. 43. Zur Finanzierung der Mittlerorganisationen als „auswärtigen Kulturpolitik“ allgemein auch Rudolf, Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturverwaltung, in: Delbrück/Ipsen/Rauschning (Hrsg.), Recht im Dienst des Friedens. Festschrift Menzel, S. 143 ff. 189 International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property. 190 International Council on Monuments and Sites.

2. Kap.: Die Organe des Übereinkommens

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Internationale Union zur Erhaltung der Natur (IUCN)191 zu, deren jeweilige Fachkompetenz nicht nur vom Welterbekomitee bei der Durchführung des Übereinkommens in Anspruch genommen werden kann,192 sondern die sogar das Recht haben, den Sitzungen des Komitees beizuwohnen.193 Darüber hinaus kommt diesen so genannten advisory bodies die Aufgabe zu, den Erhaltungszustand der Welterbegüter zu überwachen und Anträge auf internationale Unterstützung zu prüfen. Die operational guidelines sehen Art. 14 Abs. 2 WKÜ als Grundlage für diese Rolle an.194 Dieses erscheint schwer nachvollziehbar, zumal Art. 14 Abs. 2 WKÜ seinem eindeutigen Wortlaut nach nur auf die Unterstützung der Internationalen Organisationen bei der Dokumentation und Vorbereitung der Sitzungen sowie der späteren Durchführung der Beschlüsse abzielt. Naheliegender ist es, diese Rolle von ICCROM, ICOMOS und IUCN in Art. 13 Abs. 7 WKÜ zu verorten, da Art. 13 WKÜ die Regelungen für die internationale Unterstützung enthält und Absatz 7 statuiert, dass das Komitee zur Durchführung seiner Vorhaben die Hilfe der Organisationen in Anspruch nehmen kann. I. ICCROM Die Internationale Studienzentrale195 ist eine 1956 von der UNESCO initiierte internationale zwischenstaatliche Organisation, deren Aufgabe darin besteht, durch Forschung zur Verbesserung der Restaurierungstechnik und Schulungen in deren Anwendung sowie praktische technische Unterstützung zur einer besseren Konservierung von Kulturgut beizutragen.196 Ferner liegt eine wesentliche Tätigkeit darin, Programme durchzuführen, mithilfe derer das Bewusstsein für die Erhaltung von Kulturgut gestärkt werden soll.197

191 International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources. Zwischenzeitlich seit den 1990er Jahren „The World Conservation Union“. Diese Bezeichnung wird von der Organisation jedoch seit März 2008 selbst nicht mehr verwendet. Siehe dazu: http://www. iucn.org/about/index.cfm (zuletzt aufgerufen: 31. 05. 2013). 192 Art. 13 Abs. 7 WKÜ. 193 Art. 8 Abs. 3 WKÜ. 194 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 31 lit. d). 195 In der deutschen Übersetzung des Welterbeübereinkommens im Bundesgesetzblatt (BGBl. II 1977, S. 213 ff.) wird sie als „Römische Zentrale“ bezeichnet. 196 Ihre Mitgliedstaaten sind nicht deckungsgleich mit den Vertragsparteien des Welterbeübereinkommens. Ihr liegt eine Satzung vom 05. 12. 1956 zugrunde, die in Deutschland durch Verordnung am 30. 10. 1964 in Kraft getreten ist (BGBl. 1965 II, S. 101). 197 Vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 32, sowie: http://www.iccrom.org/ eng/00about_en/00_00whats_en.shtml (zuletzt aufgerufen: 31. 05. 2013).

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

II. ICOMOS Der Internationale Rat für Denkmalpflege ist im Gegensatz zum ICCROM eine nichtstaatliche Internationale Organisation, die den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit weniger in der Forschung als vielmehr in der Verbreitung der praktischen Anwendung von Restaurierungstechniken sieht.198 Seine Experten arbeiten in der Regel die Gutachten zur Beurteilung des Wertes der von den einzelnen Staaten angemeldeten Güter aus. Sie überwachen ferner den Erhaltungszustand der bereits eingetragenen Güter.199 III. IUCN Die IUCN schließlich ist eine nichtstaatliche Internationale Organisation, deren Mitglieder wiederum sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Organisationen sowie Einzelpersonen sind. Sie wurde 1948 als globale Umweltorganisation gegründet mit dem Ziel, eine Plattform für den Austausch von Wissen und Ideen zur Erhaltung der Natur zu bilden.200 Im Rahmen des UNESCO-Übereinkommens bildet sie das Pendant zu ICOMOS und begutachtet die angemeldeten Naturerbestätten und überwacht ihren Erhaltungszustand nach deren Aufnahme in die Welterbeliste.201 IV. Sonstige Unterstützung des Welterbekomitees Das Welterbezentrum in Paris nimmt, wie bereits erläutert,202 die Aufgaben des Sekretariats für das Welterbekomitee – im Übrigen aber auch für die Vertragsstaatenkonferenz – wahr, wobei der Direktor des Zentrums jeweils die Funktion des Sekretärs übernimmt.203 Die Hauptaufgaben sind sowohl die Vorbereitung der Sitzungen der Vertragsstaatenkonferenz als auch die Durchführung der dort getroffenen Beschlüsse.204 Dazu gehört unter anderem auch die Durchführung verschiedener Programme, wie beispielsweise das „World Heritage Cities Programme“, das „World 198 Siehe zu den ICOMOS guidelines Feilden, Multi-disciplinary professional collaboration in architectural conservation, in: Briat/Feedberg (Hrsg.), Legal Aspects of International Trade in Law, S. 268 ff. 199 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 35. 200 Vgl. http://www.iucn.org/about/index.cfm (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015) sowie UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 36. 201 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 37. 202 Vgl. oben unter 1. Teil, 2. Kapitel, A., III. 203 Rundschreiben DG/4.1/16/03 des UNESCO-Generaldirektors vom 21.10.03, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/circs/circ03-16e.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 204 Vgl. die Zusammenfassung der Hauptaufgaben in UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 28; Zacharias, The International Regime for the Protection oft he World Cultural and Natural Heritage, S. 17. Sie erwähnt ferner noch die Rolle als Bindeglied zwischen der UNESCO und dem Welterbekomitee.

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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Heritage Marine Programme“ sowie die „Central Africa World Heritage Forest Initiative“, die allesamt der internationalen Kooperation sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors bei der Erforschung, der Sicherung sowie der Bekanntmachung und damit letztendlich des Schutzes des Welterbes dienen sollen.205 Das Welterbekomitee hat sich insbesondere seit der vergangenen Dekade in intensiverer Form der „Einrichtung eines Systems internationaler Zusammenarbeit und Hilfe“206 verschrieben. Zu diesem Zweck wurde vom Komitee im Jahre 2002 die „World Heritage Partnerships Initiative“ ins Leben gerufen.207 Das Projekt firmiert mittlerweile unter dem wohl greifbareren Namen PACT (Partnerships for Conservation).208 Auch wenn die Initiative recht breit angelegt ist, zielt sie doch in erster Linie darauf ab, Partner in der Wirtschaft zu gewinnen, die durch ihr finanzielles Engagement helfen, das Welterbe dauerhaft erhalten zu können.209 Darüber hinaus ist dem Welterbekomitee im Übereinkommen ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt worden, sich bei der Durchführung seiner Programme und Vorhaben – neben den advisory bodies – durch weitere Einrichtungen des öffentlichen und privaten Rechts sowie von Einzelpersonen beraten zu lassen.210 Davon hat es jedoch bisher, soweit ersichtlich, keinen Gebrauch gemacht.211 3. Kapitel

Der Gegenstand des Übereinkommens Das „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ gibt bereits in seinem Titel Aufschlüsse hinsichtlich seines Vertragsgegenstandes. Die zudem in den ersten Artikeln des Übereinkommens definierten Begriffe des „Kulturerbes“ sowie des „Naturerbes“ sind jedoch nicht die einzigen in diesem Vertrag verwendeten Begrifflichkeiten, die einen möglichen Vertragsgegenstand ausmachen können. Nach einer Darstellung der Schutzverpflichtungen des Übereinkommens (A.) soll die gesamte Bandbreite der erwähnten potentiellen Vertragsgegenstände aufgeführt (B.) und sodann durch deren Auslegung der konkrete Schutzgegenstand 205

Siehe zum Überblick über die Programme und Initiativen unter http://whc.unesco.org/en/ activities (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 206 Art. 7 WKÜ. 207 UNESCO Doc. WHC-02./CONF.202/25, Decision 26COM 17.3. 208 Die Projektbeschreibung ist abrufbar unter: http://whc.unesco.org/en/partnerships/ (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 209 Vgl. UNESCO Regulatory Framework for the World Heritage PACT. In der ursprünglichen sowie der überarbeiteten Version abrufbar unter: http://whc.unesco.org/en/partner ships/ (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 210 Art. 13 Abs. 7 WKÜ. 211 So auch Vrdoljak, Art. 13, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 240 f.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

des Welterbevertrages kondensiert werden (C.). Abschließend soll in diesem Kapitel noch auf die unterschiedlichen vertraglichen Mechanismen eingegangen werden, die die Vertragsparteien bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zum Schutz Vertragsgegenstandes unterstützen sollen (D.). Die Auslegung der jeweils zu untersuchenden Vertragsbestimmungen hat regelmäßig nach dem in Art. 31 der Wiener Konvention über das Recht der Verträge (WVRK) kodifizierten Völkergewohnheitsrecht zu erfolgen.212 Eine direkte Anwendbarkeit der WVRK scheitert an ihrem zeitlichen Anwendungsbereich.213 Maßgeblich sind dabei die authentischen Sprachfassungen des Übereinkommens, welches in seinem arabischen, englischen, französischen, russischen und spanischen Wortlaut verbindlich ist.214 Sofern die einzelnen Begrifflichkeiten nicht streitig sind, soll jedoch zur Wahrung einer einheitlichen Sprachfassung dieser Arbeit auf die im Bundesgesetzblatt wiedergegebene deutsche Übersetzung zurückgegriffen werden.215

A. Inhalt der Schutzverpflichtungen I. Nationale Ebene Die Regelungen zum Schutz des Erbes auf der nationalen Ebene jeder Vertragspartei sind in den Artikeln 4 und 5 WKÜ niedergelegt. Während Art. 4 WKÜ zunächst eine generelle Schutzverpflichtung der Vertragsparteien stipuliert, konkretisiert Art. 5 WKÜ diese Verpflichtung durch die Enumeration einzelner Maßnahmen, die diesem Ziel dienen. 1. Regelungen Artikel 4 WKÜ lautet: „Jeder Vertragsstaat erkennt an, daß es in erster Linie seine eigene Aufgabe ist, Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen, in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes sowie seine Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen. Er wird hierfür alles in seinen Kräften Stehende tun, unter vollem Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel und gegebenenfalls unter Nutzung jeder ihm

212 Vgl. zur Qualifizierung des Art. 31 WVRK als Völkergewohnheitsrecht Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/3, S. 634; Schmalenbach, in: Dörr/Schmalenbach (Hrsg.), Vienna Convention on the Law of the Treaties. A Commentary, Art. 4 Rn. 6. 213 Vgl. zur Rückwirkungsverbotsklausel des Art. 4 WVRK Schmalenbach, in: Dörr/ Schmalenbach (Hrsg.), Vienna Convention on the Law of the Treaties. A Commentary, Art. 4 Rn. 1. 214 Art. 30 WKÜ. 215 BGBl. II 1977, S. 213, 215 ff.

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erreichbaren internationalen Unterstützung und Zusammenarbeit, insbesondere auf finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet.“

Artikel 5 WKÜ lautet: „Um zu gewährleisten, daß wirksame und tatkräftige Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kultur- und Naturerbes getroffen werden, wird sich jeder Vertragsstaat bemühen, nach Möglichkeit und im Rahmen der Gegebenheiten seines Landes a) eine allgemeine Politik zu verfolgen, die darauf gerichtet ist, dem Kultur- und Naturerbe eine Funktion im öffentlichen Leben zu geben und den Schutz dieses Erbes in erschöpfende Planungen einzubeziehen; b) in seinem Hoheitsgebiet, sofern Dienststellen für den Schutz und die Erhaltung des Kultur- und Naturerbes in Bestand und Wertigkeit nicht vorhanden sind, eine oder mehrere derartige Dienststellen einzurichten, die über geeignetes und die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel verfügen c) wissenschaftliche und technische Untersuchungen und Forschungen durchzuführen und Arbeitsmethoden zu entwickeln, die es ihm ermöglichen die seinem Kultur- und Naturerbe drohenden Gefahren zu bekämpfen; d) geeignete rechtliche, wissenschaftliche, technische, Verwaltungs- und Finanzmaßnahmen zu treffen, die Erfassung, Schutz Erhaltung in Bestand und Wertigkeit sowie Revitalisierung dieses Erbes erforderlich sind, und e) die Errichtung oder den Ausbau nationaler oder regionaler Zentren zur Ausbildung auf dem Gebiet des Schutzes und der Erhaltung des Kultur- und Naturerbes in Bestand und Wertigkeit zu fördern und die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich zu unterstützen.“

2. Inhalt der Regelung Es handelt sich bei der Schutzverpflichtung der Art. 4 und 5 WKÜ um klassische Substanzschutzvorschriften.216 Bei genauerer Betrachtung der Vorschrift wird deutlich, dass sich die Verpflichtung nicht nur auf den Schutz der Substanz im engeren Sinne bezieht. Dieses ergibt sich daraus, dass neben dem Schutz des Erbes dessen Erhaltung sowie dessen Erfassung gesondert als Pflichten aufgeführt werden. Hinsichtlich der Erfassung kommt der Vorschrift kein weitergehender Gehalt zu, da diese bereits gemäß Art. 3 WKÜ217 von jeder Vertragspartei gesondert verlangt wird. Anders ist dies bei der Erhaltung. Wäre nur die Erhaltung an sich gefordert, so würde man diese wohl als schon vom Begriff des Schutzes mitumfasst ansehen müssen. Die Regelung spezifiziert allerdings weiter, dass die Erhaltung „in Bestand und Wer216 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 500 und 604 f.; Krieger, Die Herrschaft der Fremden, AöR 133 (2008), 315 (340); implizit Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 107. 217 Art. 3 WKÜ lautet: „Es ist Sache jedes Vertragsstaats, die in seinem Hoheitsgebiet befindlichen, in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten verschiedenen Güter zu erfassen und zu bestimmen.“

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

tigkeit“ zu erfolgen hat. Unter Wertigkeit dürfte dabei nicht nur der außergewöhnliche universelle Wert zu verstehen sein, sondern auch die Bedingungen der Unversehrtheit und/oder Echtheit.218 Die darin enthaltene Pflicht ist nicht zu unterschätzen, verlangt sie doch mehr als beispielsweise ein Gebäude nur vor dem Einsturz zu retten, sondern vielmehr bereits im Vorfeld eine Degradation des Zustandes und damit auch des Wertes zu verhindern. In dieser speziellen Schutzanforderung ist auch die rechtliche Grundlage für die vom Welterbekomitee für die Stätten von den entsprechenden Vertragsparteien geforderten Managementpläne219 und den Umgebungsschutz220 zu verorten. Bei einer Überprüfung des gefundenen Ergebnisses anhand der authentischen Sprachfassungen wird jedoch deutlich, dass die unverbindliche deutsche Fassung zumindest im Vergleich zur verbindlichen englischen eine bestimmte Verpflichtung unterschlägt.221 Im englischen Vertragstext heißt es nämlich zusätzlich zu Erfassung, Schutz und Erhaltung („identification, protection, conservation“) noch „presentation“. Damit ist ein Zugänglichmachen des Objektes für die Öffentlichkeit sowie möglicherweise auch die Verbreitung von Informationen über das Gut in der Öffentlichkeit gemeint.222 Der spanische Wortlaut spricht von „identificar, proteger, conservar, rehabilitar y transmitir a las generaciones futuras“. Er erwähnt mithin die Verpflichtung, ein Gut zu sanieren und es an die künftigen Generationen weiterzugeben, wobei die Weitergabe keine eigenständige Verpflichtung, sondern vielmehr die faktische Folge der Einhaltung der übrigen Verpflichtungen darstellt. Einen Hinweis auf eine Öffnung des Erbes für die Öffentlichkeit wie in der englischen Fassung enthält der spanische Wortlaut jedoch nicht. Die französische Fassung verwendet die Formulierung „l’identification, la protection, la conservation, la mise en valeur“. Der Begriff „la mise en valeur“ ließe sich am besten mit Inwertsetzen übersetzen. Eine Inwertsetzung des Erbes kann durchaus seine Präsentation in der Öffentlichkeit einschließen, setzt sie jedoch wohl nicht zwingend voraus und kann daher auch nicht als ausdrückliche Verpflichtung nach der 218

Vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 96. Vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 108 ff. 220 Vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 103 ff. 221 Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes in der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 194, geht allerdings nur von einer unsauberen Übersetzung aus, weil er den Zusatz „in Bestand und Wertigkeit“ für die Pflicht der Erhaltung („conservation“) als die teilweise Entsprechung für „presentation“ ansieht, während meiner Ansicht nach diese beiden Verpflichtungen völlig unabhängig von einander zu betrachten sind. Siehe hierzu auch Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 108, der eine Entscheidung wegen der gegenseitigen Überschneidungen der Verpflichtungen dahin stehen lässt. 222 Die Öffnung des Objekts für die Öffentlichkeit bejahend Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 290; Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes in der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 194. 219

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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französischen Sprachfassung verstanden werden. Es liegt mithin eine Abweichung im Vertragstext mehrerer authentischer Sprachfassungen vor.223 Mangels Festlegung auf einen in einem solchen Fall vorrangigen Vertragstext im Übereinkommen gelten mithin alle Fassungen nach Art. 33 Satz 1 der Wiener Konvention über das Recht der Verträge (WVRK) bzw. dem dahinter stehenden Satz des Völkergewohnheitsrechts in derselben Art und Weise. Dementsprechend sind die Vertragsparteien unter Verweis auf bestimmte Vertragstexte zu mehr als der bloßen „conservation“ verpflichtet. Die unverbindliche deutsche Sprachfassung löst diesen Spagat zwischen beiden Sprachfassungen durch die bereits erwähnte Verpflichtung auf eine „Erhaltung in Bestand und Wertigkeit“. Vereinzelt wird in der Tatsache, dass für die Übersetzung nicht das ebenfalls im Denkmalschutz gebräuchliche deutsche Wort der Konservierung gewählt wurde, gefolgert, dass die Formulierung „Erhaltung in Bestand und Wertigkeit“ den Begriff der „presentation“ teilweise mitumfassen soll.224 Die Anordnung der „conservation“ hat neben der des Schutzes nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn sie mehr als Schutz, also die bloße Sicherung der materiellen Existenz des Guts, meint. Da von einer solchen eigenen zusätzlichen Bedeutung ausgegangen werden kann, muss „conservation“ also als mehr denn als Sicherung der materiellen Existenz, mithin mehr als die Erhaltung des Bestandes verstanden werden. Insofern ist die deutsche Sprachfassung, die dies mit dem Begriff der Wertigkeit tut, wohl recht weit, jedoch der Sache schon sehr nahe. Dieses belegt auch der allgemeine Sprachgebrauch. Das der „conservation“ entsprechende deutsche Wort „Konservierung“ meint nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht nur die Erhaltung eines Gutes an sich, sondern die eines bestimmten Zustandes.225 Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Begriff der „presentation“ keinen hinreichenden Niederschlag gefunden hat und nach zumindest einer authentischen Sprachfassung von der Bundesrepublik und jeder anderen Vertragspartei gefordert werden kann.226 223 Dieses Problems, dass es keinen passgenauen englischen Begriff für das französische „mise en valeur“ gibt, was eben mehr als die bloße Erhaltung, sondern auch ein in der besten Art und Weise darstellen bedeutet, war man sich bei den travaux préparatoires durchaus bewusst. Im Vorentwurf vom 30. 06. 1971, UNESCO Doc. SHC/MD/17, Annex 2, S. 2, hatte man sowohl im Vorgängerartikel zum späteren Art. 4 als auch zum späteren Art. 5 noch von „development“ gesprochen. Dieser Begriff war jedoch auf den Einwand des Vereinigten Königreiches hin, dass man unter einem „active development“ wie im Vorgänger von Art. 5 ausdrücklich erwähnt, eine Verpflichtung zur Rekonstruktion von Gütern verstehen könne, UNESCO Doc. SHC/MD/18, Annex II, S. 3, wieder gestrichen und durch „presentation“ ersetzt worden. 224 Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes in der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 194; wie hier allerdings: GeniusDevime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 290. 225 Meyers Lexikon Online, abrufbar unter: http://lexikon.Meyers.de/wissen/Konservie rung+%28Sachartikel%29+Kunstgeschichte (nicht mehr abrufbar, zuletzt aufgerufen: 31. 05. 2013). 226 Anders Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes in der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 194, der den Zusatz „in Bestand und Wertigkeit“ als im englischen Begriff der „presentation“ enthalten ansieht.

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3. Echte Verpflichtung Es handelt sich bei Art. 4 WKÜ auch um eine echte Verpflichtung. Bezweifeln könnte man dies aufgrund des Wortlautes der deutschen Übersetzung, der den Vertragsparteien die „Aufgabe“ zu Erfassung, Schutz und Erhaltung des Erbes überträgt. „Aufgabe“ könnte auch auf einen bloßen Programmsatz hindeuten oder eine Befugnis bzw. Kompetenz zum Schutz des in der Präambel so bezeichneten „Welterbes der ganzen Menschheit“227 zuweisen. Verstärkt wird dieser unverbindliche Charakter durch den Kontext mit der Formulierung, dass der Schutz nur „in erster Linie“ durch die Vertragspartei zu erfolgen habe. Die Betrachtung des Wortlautes in den authentischen Sprachfassungen, im englischen Text heißt es „duty“, im französischen „obligation“, im spanischen „obligación“, verdeutlicht aber, dass es sich um eine echte rechtliche Verpflichtung handelt.228 4. Verpflichtungsgrad: Erfüllungs- oder Bemühensverpflichtung? Damit ist allerdings noch keine Aussage darüber getroffen, welchen Verpflichtungsgrad diese Bestimmung enthält. Der Substanzschutz könnte der Vertragspartei sowohl als Erfüllungsverpflichtung als auch als Bemühensverpflichtung aufgegeben worden sein. Hierzu muss die Vorschrift entsprechend ausgelegt werden. Der Grad bzw. die Tiefe dieser Verpflichtung lässt sich mangels entsprechender Hinweise in Art. 4 S. 1 WKÜ erst im Wege einer systematischen Interpretation ermitteln. Satz 2 desselben Artikels bestimmt nämlich, dass die Vertragsparteien „alles in ihren Kräften Stehende tun“ werden, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Diese Verpflichtung klingt sehr weitreichend.229 Dieses verdeutlicht auch der Nachsatz, in dem präzisiert wird, dass eigene Hilfsmittel zunächst vollständig ein-

227

6. Erwägung der Präambel des WKÜ. Im Ergebnis ebenso Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 106; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 137 und 605; Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 291; Kilian, Die Weltkulturerbeliste der UNESCO aus völkerrechtlicher und nationalstaatlicher Sicht, in: Fischer-Czermak/Kletecˇka/Schauer/Zanker (Hrsg.), Festschrift Rudolf Welser, 457 (471), erkennt in den Vorschriften unter Verweis auf den fehlenden Sanktionsmechanismus reine Selbstverpflichtungen. Abgesehen von der Tatsache, dass auch Selbstverpflichtungen Verpflichtungen sind, kann allein die Sanktionsmöglichkeit keinen Aufschluss darüber geben, ob es sich um eine echte Verpflichtung handelt. So kann aufgrund der teilweise eingeschränkten Handlungsfähigkeit des Weltsicherheitsrates nicht darauf geschlossen werden, dass bestimmte Charta-Verletzungen keine Verbindlichkeit hätten. 229 Vgl. zur ähnlich formulierten Beistandsklausel in Art. 42 Abs. 7 EUV („alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“) die ganz herrschende Auffassung zum Wortlaut im Sinne einer umfassenden Beistandspflicht bei Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV-Kommentar, Art. 42 EUV Rn. 16. Vgl. aber auch Hummer, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Art. 42 EUV Rn. 24, der auf die Minderansicht 228

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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zusetzen sind und erst subsidiär die Verpflichtung durch internationale Hilfe erreicht werden darf. Die eigenen Hilfsmittel, die unbedingt ausgeschöpft werden müssen, werden dabei nicht gesondert aufgeführt. Die Tatsache, dass im Falle der Ausschöpfung der Mittel internationale Unterstützung insbesondere auf finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem, und technischem Gebiet einzuholen ist, verdeutlicht, dass der Begriff der eigenen Hilfsmittel sehr weit zu verstehen ist und sowohl die Finanzierung als auch den praktischen Schutz durch technisches Knowhow umfasst.230 Diese finanziellen und technischen Möglichkeiten sind in den Industriestaaten naturgemäß in größerem Umfang vorhanden als in den Entwicklungsländern. Das heißt: Selbst wenn die Norm zu unpräzise ist, um aus ihr etwa eine finanzielle Obergrenze für die Rettung eines Gutes abzuleiten,231 so dürfte doch feststehen, dass die Belastungen, die die Industriestaaten zum Schutz des Erbes tragen müssen verhältnismäßig höher als die der Entwicklungsländer sein müssen.232 Allerdings wird die Vermutung, dass mit der eindeutig klingenden Formulierung eine Erfüllungsverpflichtung begründet werden sollte, bereits dadurch erschüttert, dass in systematischer Hinsicht gemäß Art. 6 Abs. 1 WKÜ die „Achtung der Souveränität der Staaten“ unter Berücksichtigung „der durch das innerstaatliche Recht gewährten Eigentumsrechte“ festgeschrieben wird. Würde das Übereinkommen in Art. 4 WKÜ die Vertragsparteien tatsächlich verpflichten wollen, alle staatlichen Möglichkeiten zum Schutz des Welterbes zu ergreifen, so wäre es widersinnig, mit dem rechtlichen Schutz des Eigentums beispielsweise Enteignungen als einen besonders effektiven Ansatzpunkt aus dieser Verpflichtung auszuklammern. Das deutet darauf hin, dass die Verpflichtung zumindest auf rechtlicher Ebene nicht so weit gemeint sein kann. Das belegt auch der systematische Vergleich mit Art. 5 WKÜ. Diese mit „um zu gewährleisten“ eingeleitete Vorschrift nennt in abschließender Aufzählung Maßnahmen, mithilfe derer sich die Vertragsparteien bemühen müssen, das zuvor in Art. 4 WKÜ genannte Ziel, den Schutz des Erbes in Bestand und Wertigkeit, zu erreichen. Art. 5 WKÜ benennt Maßnahmen, die als eine Art Mindeststandard die Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 4 WKÜ erleichtern und zu einer Effektivierung

verweist, die sich zur Begründung ihrer Auffassung von einer bloß politischen Bemühensverpflichtung auf systematische Argumente stützt. 230 Boer/Wiffen, Heritage Law in Australia, S. 82 f., verstehen diese Formulierung sogar so weit, dass sie ein Unterlassen aufgrund finanzieller Belastungen für nicht zu rechtfertigen erachten. 231 Insoweit nachvollziehbar die Feststellung der Wagheit der Bestimmung von GeniusDevime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 290. 232 In diesem Sinne wohl auch Carducci, Art. 4 – 7, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 116; Meyer, Travaux Preparatoires for the UNESCO World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (51); Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Anwendbarkeit des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, S. 8.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

von Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit führen sollen.233 Dieses setzt er wie bereits oben dargelegt und aus dem Wortlaut erkennbar, in Form einer reinen Bemühensverpflichtung um.234 Das Bemühen des Vertragsstaates erstreckt sich auch nicht etwa wie bei Art. 4 WKÜ auf den „volle[n] Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel“, sondern er muss sich dabei lediglich an den „Möglichkeiten und Gegebenheiten seines Landes“ orientieren. Darunter fällt mangels Einschränkung und wegen eines systematischen Vergleichs mit den in Art. 5 WKÜ aufgeführten Einzelmaßnahmen, jedweder Sachgegenstand, seien es politische oder rechtliche, finanzielle, künstlerische oder technische Möglichkeiten. Insbesondere die Einschränkung der Verpflichtung auf das, was politisch möglich ist, was zudem auch noch von der jeweiligen Vertragspartei bestimmt wird, schwächt die Verpflichtung aus dieser Norm. Anforderungen an ein Bemühen werden ebenfalls nicht gestellt, so dass diese Norm, was ihre rechtliche Ausformung anbetrifft, insgesamt sehr schwach ist.235 Die enge Verknüpfung der beiden Vorschriften macht deutlich, dass die Verpflichtung des Art. 4 WKÜ im Regelfall bereits dann erreicht ist, wenn sich die entsprechende Vertragspartei bemüht hat, die in Art. 5 WKÜ genannten Maßnahmen zu treffen.236 Sinn und Zweck des Übereinkommens ist fraglos der Schutz des Welterbes. Doch hilft die teleologische Auslegung bei der Beantwortung der in diesem Abschnitt gestellten Frage nach der Reichweite des vom Übereinkommen verlangten Schutzes nicht weiter. Die Reichweite des Schutzes bestimmt sich nach den Bestimmungen über die Schutzverpflichtungen. Aber deren Inhalt ist vorliegend gerade unklar. Es erscheint zumindest nicht überzeugend, dem gesamten Übereinkommen aufgrund der Formulierung „alles in seiner Macht Stehende“ pauschal den Zweck eines möglichst effektiven Schutzes unterstellen zu wollen. Dieser Zweck kommt insbesondere an den vielen soeben bereits genannten Stellen nicht zum Ausdruck. Ferner widerspricht dem Zweck eines besonders effektiven Schutzes auch der schwach ausgeprägte Überwachungsmechnismus sowie die praktisch fehlenden Sanktions233

Carducci, Art. 4 – 7, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 117. 234 Ähnlich wie hier sieht Carducci, Art. 4 – 7, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 114, Inhalt und Reichweite der nationalen Schutzverpflichtung allein in Art. 5 WKÜ verankert. 235 So auch Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 291, die auf die ergänzende Wirkung der parallel zum Übereinkommen verabschiedeten Empfehlung, die allerdings selbstverständlich nur unverbindlich ist, verweist. 236 Vgl. auch Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Anwendbarkeit des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, S. 8. Wohl ebenfalls im hier vertretenen Sinne Kilian, Die Brücke über die Elbe: völkerrechtliche Wirkungen des Welterbe-Übereinkommens der UNESCO, LKV 2008, 248 (252), der allerdings in missverständlicher Weise von „rechtlichen Schwächen in der Verbindlichkeit“ des Übereinkommens spricht; anders Boer/Wiffen, Heritage Law in Australia, S. 82 ff., die Art. 4 WKÜ als Zielverpflichtung begreifen und Art. 5 WKÜ als Vorschrift verstehen, die den Vertragsparteien Möglichkeiten aufzeigt und Ermessen zur Erreichung dieses Zieles einräumt.

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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möglichkeiten.237 Aus teleologischen Gründen ist mithin der Schluss auf eine Erfüllungsverpflichtung ebenfalls nicht geboten. Die Feststellung, in den Art. 4 und 5 WKÜ insgesamt nur Bemühensverpflichtungen zu erkennen, wird durch die aufgrund des uneindeutigen Wortlautes nachrangig zu berücksichtigende Entstehungsgeschichte238 und in diesem Zusammenhang insbesondere in der parallel zum Übereinkommen ebenfalls von der UNESCOGeneralkonferenz verabschiedeten Empfehlung zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene bestätigt. Bis ins Jahr der Verabschiedung der Konvention war nicht klar, ob sie überhaupt rechtliche Verpflichtungen zum Schutz des Erbes auf nationaler Ebene zum Inhalt haben sollte.239 Im Ergebnis der Diskussion in den Vorarbeiten kam man den Bedenken insbesondere Italiens, Australiens und Österreichs entgegen, welche entweder generell gegen verbindliche Verpflichtungen waren, die detaillierten Umsetzungsverpflichtungen nur als unverbindliche Empfehlungen hinnehmen wollten oder einen geringeren Verpflichtungsgrad wünschten, und schwächte die ursprüngliche Formulierung des Art. 5 WKÜ („undertake in particular“240) zu einer bloßen Bemühensverpflichtung ab („shall endeavour“).241 5. Art der Bemühensverpflichtung Auch wenn das Übereinkommen nicht die Erfüllung eines bestimmten Ziels, sondern nur das Bemühen, dieses Ziel zu erreichen, verlangt, so ist immer noch zu fragen, ob sich das geforderte Bemühen nicht näher eingrenzen lässt. Forrest, Lenzerini und Fastenrath stellen an das geforderte Bemühen geringe Anforderungen und sehen die Bemühensverpflichtung des Übereinkommens lediglich als eine Art Frustrationsverbot.242 Fastenrath ist der Auffassung, dass sie den Staaten verbiete, positive Maßnahmen zu treffen, die den Schutz des Erbes kon-

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Siehe dazu unten unter 5. Kapitel, A., II. Vgl. den in Art. 32 lit. b) WVRK wiedergegebenen Satz des Völkergewohnheitsrechts. 239 Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 289 m.w.N. 240 UNESCO Doc. SHC/MD/17, Annex II, S. 2. 241 UNESCO Doc. SHC/MD/18, Annex II, S. 11; Goy, The International Protection of the Cultural and Natural Heritage, NYIL 4 (1973), 117 (136); Meyer, Travaux Preparatoires for the UNESCO World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (51). Dieses übersieht offenbar Hönes, Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, S. 55, der in Art 5 eine beispielhafte Festschreibung der in Art. 4 eingegangenen Pflichten erkennt, die nur mit Rücksicht auf die Entwicklungsländer nach den jeweiligen Gegebenheiten ihres Landes einzuschränken sei. Ebenso ders., Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (58). Für eine Erfüllungsverpflichtung sogar Boer/Wiffen, Heritage Law in Australia, S. 86, die jedwede Beeinträchtigung der Integrität oder Echtheit einer Stätte als dem Zweck des Übereinkommens widersprechend ansehen. 242 Forrest, International Law and the Protection of Cultural Heritage, S. 244; Lenzerini, Art. 12, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 206 f.; Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1021). 238

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

terkarieren.243 Eine Verpflichtung, bestimmte positive Maßnahmen vorzunehmen, solange durch deren Unterlassen nicht ein Welterbe „ohne zwingende Notwendigkeit“ zerstört werde, enthalte das Übereinkommen hingegen nicht.244 Pfeifle hingegen sieht in der Bemühensverpflichtung ein Optimierungsgebot.245 Er stellt einen Vergleich zu der nationalen Bauleitplanung her und kommt zu dem Fazit, dass die völkerrechtliche Verpflichtung am Ehesten einem solchen Gebot entspricht.246 Entsprechend sei bei nationalen Planungs- und insbesondere Abwägungsentscheidungen das Welterbe möglichst zu bevorzugen.247 Zunächst ist festzustellen, dass Fastenrath mit seiner Auffassung nur einen völkerrechtlichen Grundsatz formuliert, der auf sämtliche Verträge Anwendung findet. Die Ziele eines Vertrages, dessen Vertragspartei ein Staat ist, nicht zu torpedieren, ist als Ausprägung des völkerrechtlichen Frustrationsverbotes – was bereits zwischen Unterzeichnung und Inkrafttreten eines Vertrages greift248 – selbstverständlich nicht zu bestreiten und bildet daher nur einen Mindeststandard für das Verständnis der entsprechenden Schutzverpflichtung.249 Allerdings erscheint auf der anderen Seite die Annahme eines Optimierungsgebotes als zu weitgehend. Insbesondere die Vorstellung, eine so verstandene Verpflichtung sei als Optimierungsgebot von den Vertragsparteien in das nationale (Fachplanungs-)Recht umzusetzen,250 erscheint im Falle des Welterbeübereinkommens nicht gegeben zu sein. Der Auffassung ist zunächst zuzugeben, dass der Wortlaut des Art. 4 S. 2 WKÜ („alles in seinen Kräften Stehende tun“) auf den ersten Blick darauf hindeutet, dass dem Kultur- und Naturerbe ein weitest gehender Schutz zukommen soll und es daher bei Abwägungsentscheidungen möglichst zu bevorzugen ist. Hinzu kommt, dass der Gesamtkontext des Übereinkommens durch die Feststellung eines Erbes, welches der gesamten Menschheit gehört, für eine hohe Bedeutung des Welterbes spricht. Allerdings weisen die konkreten Schutzbestimmungen bei genauerer Betrachtung nicht darauf hin, dass die Staaten sich verpflichten wollten, dieses gemeinsam als besonders wichtig erkannte Ziel, auch in jeder Einzelfallabwägung gegenüber anderen staatlichen Zielen zu bevorzugen. Insbesondere die stärker formulierte Schutzverpflichtung in Art. 4 S. 2 WKÜ, nach der sich die Vertragsparteien verpflichten, „alles in ihren Kräften Stehende“ zu tun, nennt konkrete Bezugsobjekte für diese Verpflichtung, zu denen die „rechtlichen Möglichkeiten“ gerade nicht gehören. Ausdrücklich genannt wird lediglich der staatliche Einsatz auf „finanziellem, 243 244 245 246 247 248 249 250

Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1021). Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1020 f.). Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 113. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 112 f. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 113. Vgl. Art. 18 WVRK. Dazu Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 88. Vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/3, S. 602. Vgl. zu dieser Konsequenz Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 235.

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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künstlerischem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet“, und zwar bei der Erlangung internationaler Unterstützung. Diese detaillierte Formulierung gestattet mithin gerade einen Umkehrschluss aus der fehlenden ausdrücklichen Festschreibung der (vorherigen) Ausnutzung der eigenen rechtlichen Möglichkeiten im hier verstandenen Sinne. Dieses Auslegung rechtfertigt sich insbesondere auch daher, dass die bei der Formulierung des Übereinkommenstextes bereits vorliegende Regelung in Art. 2 Abs. 1 IPwskR in sehr ähnlicher Form übernommen wurde mit Ausnahme der Passage, die sich auf die eigenen Möglichkeiten der Vertragspartei und namentlich die gesetzgeberischen und damit rechtlichen Möglichkeiten bezieht.251 Des Weiteren handelt es sich bei der Aufzählung der Hilfsmittel in Art. 4 S. 2 WKÜ zwar um eine nicht abschließende Aufzählung in Form eines Regelbeispiels. Allerdings wird der rechtliche Schutz bei der nachfolgenden, wesentlich schwächer formulierten Verpflichtung in Art. 5 lit. d) WKÜ wieder mit einbezogen, so dass der Auslassung zuvor in Art. 4 S. 2 WKÜ durchaus indizielle Bedeutung beizumessen ist. Eine weitergehende Verpflichtung wollten die Vertragsparteien mithin offenbar nur hinsichtlich konkreter tatsächlicher Schutzmaßnahmen in Bezug auf das Welterbe treffen, nicht jedoch hinsichtlich des rechtlichen Schutzes. Dieses belegt ferner, dass nur hinsichtlich tatsächlicher Handlungen der durch Art. 4 S. 2 WKÜ statuierte Schutz auch sinnvoll sein kann. Rechtlichen Schutz auf nationaler Ebene durch die (sekundäre) Zuhilfenahme anderer Staaten zu erreichen, ist nicht vorstellbar, was die These stützt, dass die stärker formulierte Verpflichtung des Art. 4 S. 2 WKÜ nicht (primär) auf den rechtlichen Schutz abzielt und der Staat sich um diesen nur gemäß Art. 5 lit. d) WKÜ zu bemühen hat. Bestätigt wird dieses Ergebnis noch durch die geschilderte Entstehungsgeschichte des Übereinkommens, wonach es nach der internationalen Rettung der Tempel von Abu Simbel um eine Perpetuierung eines derartigen faktischen Schutzmechanismus ging252 und die Vertragsparteien, wie soeben bereits erwähnt, den Grad der Verpflichtungen in den travaux préparatoires abgemildert haben. Es ist mithin kein Optimierungsgebot feststellbar, welches in das nationale Recht umgesetzt werden müsste. Die Anforderungen an die nationale Rechtsetzung sind mithin gering und erschöpfen sich in der Schaffung von Kulturgüter- und Naturschutzvorschriften, die einen generellen Schutz des Erbes ermöglichen. Damit lässt sich die Verpflichtung des Art. 5 lit. d) WKÜ „geeignete rechtliche (…) [M]aßnahmen zu treffen, die für Erfassung, Schutz, Erhaltung (…) dieses Erbes erfor251 Art. 2 Abs. 1 IPwskR lautet: „Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, einzeln und durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit, insbesondere wirtschaftlicher und technischer Art, unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen.“ (Hervorhebungen sind solche des Verfassers). 252 Siehe oben unter 1. Teil, 1. Kapitel, C.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

derlich sind“ hinreichend umsetzen.253 Dies bedeutet allerdings nicht, dass durch bestimmte Maßnahmen der Vertragsparteien nicht weitere Verpflichtungen ausgelöst werden könnten.254 Wenn also die Bestimmungen über die Schutzverpflichtungen des Übereinkommens den Vertragsparteien nicht die Verankerung eines Optimierungsgebotes im nationalen Recht auferlegen, so sind sie in ihren praktischen Auswirkungen nichtsdestotrotz weitreichend und kommen Optimierungsgeboten zumindest sehr nahe. Wenn nämlich die Verpflichtung des Art. 4 S. 2 WKÜ, auf tatsächlicher Handlungsebene – also insbesondere auf technischem und künstlerischem Gebiet – alles Notwendige zum Schutz des Erbes zu tun, nicht leer laufen soll, so muss das Welterbe auf rechtlicher Ebene möglichst weite Berücksichtigung finden. Ein rein tatsächlicher Schutz des Erbes dürfte zumindest in den reichen Industriestaaten in den meisten Fällen möglich sein, da sie über großes technisches Wissen verfügen. Dieser praktische Schutz ließe sich jedoch durch schwache rechtliche Standards weit zurückdrängen. Da der rechtliche Mindeststandard nur einen grundsätzlichen rechtlichen Schutz des Erbes verlangt, muss zumindest in den rechtlich nicht abschließend geregelten Fällen wie insbesondere in Abwägungsentscheidungen – und hier kommt das Frustrationsverbot zum Tragen – um Sinn und Zweck des Vertrages nicht auszuhöhlen, zwingend eine Abwägung zugunsten des Welterbes ausfallen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schutzverpflichtungen des Übereinkommens für die nationale Ebene nur die Einführung rechtlicher Mindeststandards für den Schutz des Erbes verlangen, dass sie allerdings in nicht abschließend geregelten Fällen ein qualifiziertes Bemühen aller staatlichen Stellen für den Erhalt des Welterbes fordern, welches nur in besonders begründeten Ausnahmefällen zuungunsten des Welterbes ausfallen darf.255

253 Insofern dürfte die Auffassung der am Ratifizierungsprozess beteiligten Organe des Bundes und der Länder der Bundesrepublik Deutschland korrekt gewesen sein, die damalige Rechtslage habe die Anforderungen des Übereinkommens bereits erfüllt. Dazu unten unter 2. Teil, 1. Kapitel, A. 254 Siehe zu den mit der Nominierung einer potentiellen Welterbestätte verbundenen Verpflichtungen wie z. B. dem Erstellen von Managementplänen, unten unter 1. Teil, 4. Kapitel, B., I., 2., b). 255 Ähnlich im Ergebnis Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes in der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 194, der die Verpflichtungen als sehr weit reichend und daher mehr als ein bloßes Bemühen fordernd qualifiziert. Anders jedoch Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1020), der ihnen jedoch nichts desto trotz rechtliche Bindungswirkung zuspricht. Ebenfalls anders Schöbener, Gutachterliche Stellungnahme, S. 8.

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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II. Internationale Ebene Die in Art. 6 und 7 des Übereinkommens normierten Verpflichtungen hinsichtlich des Schutzes auf internationaler Ebene256 sind weitaus weniger konkret als diejenigen auf nationaler Ebene.257 Art. 6 Abs. 1 WKÜ kommt im Rahmen des Übereinkommens zwar eine gewisse hervorzuhebende Bedeutung zu, da dort verankert wurde, dass es sich beim Welterbesystem keinesfalls um ein Treuhandsystem handelt,258 sondern dass die Staaten die volle Souveränität über das auf ihrem Hoheitsgebiet befindliche Erbe behalten.259 Hierin kommt die Achtung der kulturellen Selbstbestimmung der Völker zum Ausdruck. Alle Staaten werden durch die Norm zur Zusammenarbeit zum Schutz dieses Erbes aufgefordert. Neben dem feststellenden Charakter über die Art des Schutzsystems kommt diesem Absatz letztlich aber nur die Qualität eines Programmsatzes zu. Art. 6 Abs. 2 und 3 WKÜ statuieren eine Pflicht zum Schutz des Welterbes anderer Staaten. Absatz 2 begründet dabei eine Pflicht für den Fall, dass ein anderer Vertragsstaat, um Hilfe beim Schutz des auf seinem Hoheitsgebiet befindlichen Erbes aufruft.260 Diese Verpflichtung zur internationalen Unterstützung ist die zentrale Verpflichtung in diesem Abschnitt. Sie gilt allerdings nicht für sämtliches von den Staaten bestimmtes Erbe,261 sondern nur für solches, das auch auf einer der in Art. 11 Abs. 2 und 4 WKÜ genannten Listen aufgeführt ist. Vom Grundsatz her weiter ist die Verpflichtung in Art. 6 Abs. 3 WKÜ. Sie beinhaltet ein Schädigungsverbot für solches Erbe, welches sich auf dem Staatsgebiet einer anderen Vertragspartei befindet. Dieses Verbot wird sich im Einzelfall allerdings bereits regelmäßig aus allgemeinem bzw. Umweltvölkerrecht ergeben.262 Eine über die bloße Klarstellung des völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Schädi-

256

Art. 6 und 7 WKÜ. Ebenso Forrest, International Law and the Protection of Cultural Heritage, S. 245. 258 Siehe zu diesem bereits vor den Vorarbeiten zum Übereinkommen diskutierten Vorschlag der Gründung eines „World Heritage Trust“ bereits oben unter 1. Teil, 1. Kapitel, C., III. 259 Vgl. Carducci, Art. 4 – 7, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 121. 260 Vgl. Forrest, International Law and the Protection of Cultural Heritage, S. 245. 261 Siehe zur Differenzierung des vom Übereinkommen umfassten Erbes sogleich unter 1. Teil, 3. Kapitel, B. 262 Vgl. das Gewaltverbot oder die im Umweltvölkerrecht über die unmittelbare Gewalteinwirkung hinaus seit dem Trail Smelter-Schiedsspruch vom 11. 03. 1941, RIAA 3 (1949), S. 1903 ff., entwickelten Grundsätze. Siehe zu letzteren Beyerlin, Umweltvölkerrecht, § 8, Rn. 105 ff. 257

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

gungsverbots hinausgehende Verpflichtung kann in der Norm kaum gesehen werden.263 Art. 7 WKÜ müsste systematisch eigentlich zumindest den Vorschriften bezüglich des internationalen Schutzes voran gestellt werden.264 Er beschreibt die „Einrichtung eines Systems internationaler Zusammenarbeit und Hilfe“, welches das Welterbeübereinkommen zum Gegenstand hat. Er ist allerdings wie bereits Art. 6 Abs. 1 WKÜ lediglich als Programmsatz ohne konkrete rechtliche Verpflichtung ausgestaltet.

B. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten für das „Kultur- und Naturerbe der Welt“ im Rahmen des Übereinkommens Da somit die Verpflichtungen des Übereinkommens für die nationale und die internationale Ebene zumindest kursorisch bestimmt sind, soll im Folgenden untersucht werden, auf welchen Schutzgegenstand sich die jeweiligen Schutzverpflichtungen beziehen. Den ersten Ansatzpunkt hierzu liefern die vom Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes eingeführten Begrifflichkeiten selbst. I. Definition „Kulturerbe“ in Artikel 1 WKÜ Der Übereinkommenstext definiert in Art. 1 und 2 WKÜ, was es unter Kulturbzw. unter Naturerbe versteht. In Artikel 1 wird zunächst das Kulturerbe für das Übereinkommen definiert. Dieses wird in drei Gruppen unterteilt: Denkmäler, Ensembles und Stätten. Denkmäler im Sinne des Übereinkommens sind „Werke der Architektur, Großplastik, und Monumentalmalerei, Objekte oder Überreste archäologischer Art, Inschriften, Höhlen und Verbindungen solcher Erscheinungsformen, die aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind“.265 Ensembles definiert der Vertrag als „Gruppen einzelner oder miteinander verbundener Gebäude, die wegen ihrer Architektur, ihrer Geschlossenheit oder ihrer

263 Forrest, International Law and the Protection of Cultural Heritage, S. 246, betont jedoch zurecht, dass nicht alle denkbaren schädigenden Einflüsse einen Staat über die Regeln der internationalen Staatenverantwortlichkeit auch zurechenbar sind. 264 Vgl. Carducci, Art. 4 – 7, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 131. 265 Art. 1 WKÜ.

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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Stellung in der Landschaft aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind“.266 Stätten267 sind „Werke von Menschenhand oder gemeinsame Werke von Natur und Mensch sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten, die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropologischen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind“.268 II. Definition „Naturerbe“ in Artikel 2 WKÜ Naturerbe im Sinne des Übereinkommens sind gemäß Art. 2 WKÜ: „Naturgebilde, die aus physikalischen und biologischen Erscheinungsformen oder -gruppen bestehen, welche aus ästhetischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind; geologische und physiographische Erscheinungsformen und genau abgegrenzte Gebiete, die den Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten bilden, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellen Wert sind; Naturstätten oder genau abgegrenzte Naturgebiete, die aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung oder natürlichen Schönheit wegen von außergewöhnlichen universellen Wert sind.“

III. Mischformen des im Übereinkommen definierten Erbes Das Übereinkommen definiert in Art. 1 und 2 WKÜ nur jeweils das Kultur- und Naturerbe wie es im Rahmen des Vertrages verstanden werden soll. Diese Definition kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass es auch Mischformen von Kulturund Naturgütern gibt, die auf der bekannten Welterbeliste verzeichnet sind und die damit offensichtlich zum Gegenstand des Übereinkommens gehören. Zu den Mischformen von Gütern gehört zunächst diejenige Gruppe von Gütern, die sowohl den für das Kultur- als auch das Naturerbe aufgestellten Kriterien entsprechen (1.). Daneben gibt es mit den Kulturlandschaften eine Mischform, die ursprünglich nicht beide Kriterien erfüllte, jedoch in der Praxis des Komitees der vergangenen zwanzig Jahre besondere Beachtung fand und wegen seiner Sonderstellung hier ebenfalls erwähnt werden soll (2.).

266

Art. 1 WKÜ. Wenn im Folgenden von Stätten oder Welterbestätten die Rede sein wird, so stellt dieses, wenn nicht ausdrücklich anders bezeichnet, einen vom Autor gebrauchten Oberbegriff für das gesamte auf der Liste gemäß Art. 11 WKÜ aufgeführte Erbe der Welt dar, der sämtliche Erscheinungsformen umfassen soll und nicht auf den legal definierten Begriff der Stätte i.S.d. Art. 1 bzw. Art. 2 verengt werden darf. 268 Art. 1 WKÜ. 267

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

1. Gemischtes Kultur- und Naturerbe Heute erscheint es bereits aufgrund formeller Änderungen leichter erkennbar zu sein, dass es sich beim auf der Liste einzutragenden Welterbe neben Kultur- und Naturerbe auch um solches Erbe handelt kann, welches sowohl Kultur- als auch Naturerbe darstellt. Vorgesehen ist diese Mischform jedoch im Vertragstext nicht. Die operational guidelines sahen bis zu einer Änderung im Jahre 2005 auch keine einheitlichen bzw. gemeinsamen Kriterien für den außergewöhnlichen universellen Wert des einzutragenden Erbes der Welt vor, sondern unterschieden zwischen Kriterien für das Kulturerbe auf der einen und das Naturerbe auf der anderen Seite.269 Nichtsdestotrotz war es bereits vor dieser Reform Vertragspraxis, dass es neben denjenigen Gütern, die durch die menschliche Prägung der Natur entstanden sind (und auf die sogleich unter dem nächsten Gliederungspunkt noch einzugehen sein wird), solche Güter gab, die sowohl die Merkmale des außergewöhnlichen universellen Wertes an ein Kulturerbe erfüllten, als auch solche, die den strengen Anforderungen an ein Naturerbe nachkommen konnten. Diesem tragen die operational guidelines mittlerweile ausdrücklich Rechnung.270 Allerdings gibt es nur sehr wenige Güter, die diese Voraussetzungen in der Vergangenheit erfüllen konnten.271 Mit der Zusammenlegung der Kriterien für den außergewöhnlichen universellen Wert eines Kultur- sowie eines Naturerbes zu einer einheitlichen Liste ist diese Kategorie eigentlich überflüssig geworden, da formell zwischen den einzelnen Anforderungen an Kultur- und Naturerbe nicht mehr unterschieden wird. Nichtsdestotrotz halten die operational guidelines nach wie vor an dieser Kategorie fest.272 2. Kulturlandschaft a) Kultur- oder Naturerbe? Eine sehr umstrittene Kategorie des Welterbes, die ebenfalls eine Mischform zwischen Kultur- und Naturerbe darstellt, ist die Kulturlandschaft. Die Kulturlandschaft wird im Übereinkommen weder als eigene Gattung neben dem Kultur- und

269 Siehe zuletzt Nr. 24 (a) (i)–(vi) und Nr. 44 (a) (i)–(iv) der UNESCO operational guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention (2002), WHC 02.2, vom Juli 2007, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/archive/opguide02.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 270 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 46. 271 Vgl. zu den ursprünglichen Voraussetzungen die UNESCO operational guidelines (2002), Nr. 23 ff. für das Kulturerbe und Nr. 43 ff. für das Naturerbe sowie die Liste des Welterbes, auf der das gemischte Erbe besonders gekennzeichnet ist, abrufbar unter: http://whc. unesco.org/en/list/ (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 272 UNESCO operational guidelines (2012), Annex 3, Nr. 13.

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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Naturerbe aufgeführt273 noch als Untergruppe derer in Art. 1 oder 2 des Übereinkommens definiert, noch setzt sie sich wie das zuvor erwähnte Mischerbe aus Bestandteilen der Definition sowohl des Kultur- als auch des Naturerbes zusammen. Die Diskussion um die Kulturlandschaften beschäftigt das Welterbekomitee und die Vertragsparteien des Übereinkommens allerdings schon seit den achtziger Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts. Zunächst noch unter dem Begriff der „rural landscapes“, also der Agrarlandschaften, wurde die Problematik der Anwendbarkeit der Konvention auf diese Kategorie thematisiert.274 Es erschien zunächst naheliegend, sie unter dem damaligen Kriterium Nr. 10 (iii) unter eine „außergewöhnliche Verbindung natürlicher und kultureller Elemente“ zu subsummieren und als Naturerbe miteinzubeziehen.275 Andererseits war das Verständnis von Naturerbe im Wesentlichen von der Vorstellung geprägt, dass es sich wie in der Definition in Art. 2 WKÜ angelegt um ein Erbe handelt, welches ohne grundlegende zivilisatorische Einflüsse entstanden sein müsse.276 Man befürchtete daher, dass eine Identifizierung und Meldung von Kulturlandschaften unter diesem unscharfen Kriterium in nicht hinreichender Weise durch die Vertragsparteien vorgenommen würde und setzte eine Task Force ein, die sich mit der Gemengelage auseinandersetzen sollte.277 Als Ergebnis eines langwierigen Prozesses beschloss das Welterbekomitee im Jahre 1992 in seinen neuen operational guidelines eigene Kriterien für die Aufnahme von Kulturlandschaften auf die Welterbeliste zu formulieren und diese als Untergruppe des Kulturerbes zu verstehen.278 Das Welterbekomitee setzte sich damit über die Vorschläge der Task Force, die die Kulturlandschaften dem Naturerbe zuordnen wollte,279 hinweg, da es eine stärke Anbindung an die Kriterien der Definitionen in Art. 1 und 2 des Vertrages erreichen wollte.280 Fortan wurde für die Nominierung von

273 Die Richtlinien sehen sogar ausdrücklich eine Differenzierung vor, UNESCO operational guidelines (2012), Annex 3, Nr. 13. 274 UNESCO Doc. SC/84/CONF.004/9, Nr. 21 ff. 275 UNESCO operational guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention (1977), UNESCO Doc. CC-77/CONF.001/8 Rev., Nr. 10. So auch Whitby-Last, Art. 1, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 53. Entsprechend wurde die erste Kulturlandschaft 1993 auch als Naturerbe auf der Liste eingetragen, Dailoo/Pannekoek, Nature and Culture: A New World Heritage Context, IJCP 15 (2008), 25 (31). 276 Phillips, The Nature of Cultural Landscapes, Landscape Research 1998, 21 (28 f.); so auch im Ergebnis die zur Untersuchung dieser Fragestellung vom Welterbekomitee eingesetzte Task Force, UNESCO Doc. SC/CONF.008/3, Nr. 2.3. 277 Whitby-Last, Art. 1, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 53. 278 UNESCO Doc. WHC-92/CONF.002/12, S. 55. 279 Siehe dazu und zum gesamten Prozess der Entwicklung des Konzeptes der Kulturlandschaft Whitby-Last, Art. 1, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 52 ff. 280 UNESCO WHC-92/CONF.002/10, Nr. 8.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Kulturlandschaften an das Merkmal der „gemeinsame[n] Werke von Natur und Mensch“ in Art. 1 des Übereinkommens angeknüpft. Die recht kontrovers geführte Debatte um den Begriff der Kulturlandschaft lösen die operational guidelines zum Welterbeübereinkommen wie folgt: b) Definition Zunächst wird eine allgemeine Definition der Kulturlandschaften gegeben, in der die Forderung des Welterbekomitees, dass Kulturlandschaften als gemeinsame Werke von Natur und Mensch ein Kulturerbe im Sinne des Art. 1 WKÜ darstellen, ihren Ausdruck finden.281 Im Folgenden heißt es: „(…) Sie sind beispielhaft für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und Ansiedlung im Verlauf der Zeit unter dem Einfluss der physischen Beschränkungen und/oder der Möglichkeiten, die ihre natürliche Umwelt aufweist, sowie der von außen und innen einwirkenden aufeinander folgenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte.“282

Da diese Definition alleine noch keine hinreichende Aussagekraft besitzt, hat das Komitee zur besseren Bestimmbarkeit von Kulturlandschaften sowie verschiedener anderer Arten von Gütern Leitlinien für deren bessere Kategorisierung erarbeitet und in Annex 3 zu den operational guidelines veröffentlicht.283 Kulturlandschaften werden dort in drei Unterkategorien eingeordnet: zunächst die vom Menschen absichtlich gestaltete und geschaffene Landschaft, dann die Landschaft, die sich organisch entwickelt hat sowie letztendlich die assoziative Kulturlandschaft, die sich nicht durch materielle Spuren, sondern durch die künstlerischen, religiösen oder kulturellen Bezüge des Naturbestandteils auszeichnet.284 Diese drei Typen von Kulturlandschaften werden in der Anlage 3 noch näher beschrieben. Kulturlandschaften können mithilfe dieser Definition leichter bestimmt und damit auch vermehrt erfasst werden.

281

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 47. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 47. 283 UNESCO operational guidelines (2012), Annex 3, Nr. 6 ff. 284 UNESCO operational guidelines (2012), Annex 3, Nr. 10. Insbesondere die Aufnahme der assoziativen Kulturlandschaften soll indigenen Völkern den Schutz ihres Kulturraumes ermöglichen, Rössler, Kulturlandschaften im Rahmen der UNESCO-Welterbekonvention, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 116. 282

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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IV. Keine Anknüpfung an die Erfassung und Bestimmung durch die jeweilige Vertragspartei gemäß Artikel 3 WKÜ Das im Übereinkommenstext in Art. 1 und 2 WKÜ definierte Erbe muss von den Vertragsparteien, auf deren Hoheitsgebiet es sich befindet, gemäß Art. 3 WKÜ erfasst und bestimmt werden. Im Gegensatz zu dem „in Art. 1 und 2 WKÜ bezeichneten“ Erbe findet sich im Übereinkommen allerdings keine Vorschrift, die an das „von den Vertragsparteien gemäß Art. 3 WKÜ erfasste und bestimmte Erbe“ anknüpft. Insofern bleibt bei Betrachtung lediglich dieser Vorschriften noch unklar, ob sich das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt auf solches Erbe bezieht, das bereits unter die Definitionen der Art. 1 und 2 WKÜ zu subsumieren ist, oder ob zusätzlich die jeweilige Vertragspartei das entsprechende Erbe noch in einer festgelegten Form bestimmen muss. V. Das vom Welterbekomitee in die Listen gemäß Artikel 11 Absätze 2 und 4 WKÜ eingetragene Erbe Beim in den Art. 11 Abs. 2 und 4 WKÜ bezeichneten Erbe handelt es sich um das Erbe, das vom Welterbekomitee in die von ihm geführten Listen eingetragen wird. Dazu zählt zunächst die in Art. 11 Abs. 2 WKÜ eingeführte „Liste des Erbes der Welt“. Das Welterbekomitee soll in dieser Liste die zum „Kultur- und Naturerbe im Sinne der Artikel 1 und 2 gehörenden Güter, die nach seiner Auffassung nach den von ihm festgelegten Maßstäben von außergewöhnlichem universellen Wert sind“, aufführen.285 Darüber hinaus führt das Welterbekomitee noch nach Art. 11 Abs. 4 WKÜ eine „Liste des gefährdeten Erbes der Welt“, in die dasjenige Gut aus der Liste des Erbes der Welt eingetragen werden soll, „zu dessen Erhaltung umfangreiche Maßnahmen erforderlich sind und für das auf Grund dieses Übereinkommens Unterstützung angefordert wurde“286. VI. Weitere Bezeichnungen des Erbes im Übereinkommen Daneben nennt das Übereinkommen noch den Begriff des „Welterbes“.287 Dieses soll nach der entsprechenden Vorschrift deckungsgleich mit dem in Art. 1 und 2 WKÜ bezeichneten Erbe sein.

285 286 287

Art. 11 Abs. 2 WKÜ. Art. 11 Abs. 4 WKÜ. Art. 6 Abs. 1 WKÜ.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Daneben wird der Begriff des „Welterbes der ganzen Menschheit“ geprägt, welcher als Teil des Kultur- und Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung zu erhalten sei.288 VII. Zwischenergebnis Bereits dieser recht kurze Überblick macht deutlich, dass trotz einer dem Vertragstext vorangestellten Definition des Begriffes des Kultur- und Naturerbes nicht von einer Einheitlichkeit des Begriffes gesprochen werden kann. Das Übereinkommen kennt das „in Art. 1 und 2 definierte“, das „von den Vertragsparteien bestimmte“, das „in die Listen eingetragene“ Erbe, aber eben auch zwei Formen des „Welterbes“. Somit bedarf es einer genaueren Betrachtung, welche dieser Begriffe gegebenenfalls Synonyme darstellen und auf welchen Schutz das Übereinkommen abzielt.

C. Der Schutzgegenstand des Übereinkommens Das Übereinkommen statuiert verschiedenartige Pflichten, von denen die bereits vorgestellten Pflichten zum nationalen Schutz289 sowie zum internationalen Schutz290 die vordringlichsten sind.291 In der Literatur ist sehr häufig die Auffassung vertreten worden, die genannten Kernverpflichtungen des Übereinkommens zielten nur auf das in den Listen eingetragene Erbe ab.292 Demgemäß dürften die Schutzverpflichtungen nicht alles den allgemeinen Definitionen in Art. 1 und 2 WKÜ unterfallende Kultur- und Naturerbe miteinbeziehen, sondern müssten ausschließlich auf das Erbe abzielen, welches das Welterbekomitee in die Listen eingetragen hat. Ob der Eintritt dieser Verpflichtungen allerdings tatsächlich an die Eintragung einer Stätte auf der Welterbeliste zu knüpfen ist, diese also notwendige Voraussetzung für den Eintritt der Schutzwirkung des Übereinkommens ist, soll hier genauer untersucht werden.

288

5. Erwägungsgrund der Präambel des Übereinkommens. Art. 4 und 5 WKÜ. 290 Art. 6 und 7 WKÜ. 291 Vgl. zu den hier so bezeichneten „sekundären“ Pflichten im Zusammenhang mit der internationalen Unterstützung (Art. 13 i.V.m. 19 ff. WKÜ), der Bereitstellung eines Fonds für das Erbe der Welt (Art. 15 WKÜ) sowie zu Fragen der Information und Erziehung (Art. 27 und 28 WKÜ) unten unter 1. Teil, 3. Kapitel, D. 292 Vgl. nur Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 519 f.; wie hier aber Carducci, Art. 4 – 7, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 109 und 113; Wolf, Weltkulturvölkerrecht und nationalstaatliche Umsetzung, NuR 2008, 311 (313). 289

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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I. Wortlaut In den Artikeln 4 bis 7 WKÜ befinden sich die Verpflichtungen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler und internationaler Ebene, mithin die Kernverpflichtungen des Übereinkommens. Art. 4 WKÜ bezieht sich auf Erfassung, Schutz und Erhaltung des „in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes“. Art. 5 nimmt Bezug auf das im „Hoheitsgebiet [des Vertragsstaats] befindliche Kultur- und Naturerbe“ ohne weitere Referenz auf eine Vorschrift des Abkommens. Die erste Verpflichtung zum Schutz auf internationaler Ebene in Art. 6 Abs. 1 WKÜ nimmt die Einschränkung des „in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kulturund Naturerbe[s]“ wieder auf. Im deutlichen Gegensatz dazu umfasst die Verpflichtung zur Hilfeleistung in Art. 6 Abs. 2 WKÜ nur „Erfassung, Schutz und Erhaltung des in Art. 11 Absätze 2 und 4 bezeichneten Kultur- und Naturerbes“, also desjenigen Erbes, das in eine der beiden Listen des Welterbekomitees eingetragen wurde. Art. 6 Abs. 3 WKÜ spricht wie die übrigen Vorschriften wieder von einer Verpflichtung in Bezug auf das „in den Artikeln 1 und 2 bezeichnete […] Kultur- und Naturerbe“. Der Befund nach der Betrachtung des Wortlauts des Abkommens ist mithin derjenige, dass das Abkommen zwischen Pflichten hinsichtlich des Kultur- und Naturerbes, welches auf einer der Listen eingetragen ist, und demjenigen, welches in Artikel 1 und 2 definiert wurde, unterscheidet. II. Systematik Bei systematischer Betrachtung der Vorschriften belegt Art. 11 Abs. 5 WKÜ, dass das Übereinkommen nicht nur auf den Schutz der auf der Welterbeliste eingetragenen Güter abzielt. Da der Schutz in Art. 4 WKÜ „dem Schutz des in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes“ dienen soll, Art. 11 Abs. 5 WKÜ jedoch bestimmt, dass „ein zum Kultur- und Naturerbe gehörendes Gut in eine in den Absätzen 2 und 4 bezeichneten Listen aufgenommen werden kann“, muss der Schutz des Erbes unabhängig von der Eintragung sein, da die Begrifflichkeit des „Kulturund Naturerbes“ im Übereinkommen offenbar losgelöst von ihrer Listung, durch die Definition in Art. 1 und 2 WKÜ, bestimmt wird. Auch die Verpflichtung zur Zulassung internationaler Zusammenarbeit zum Schutz des von der jeweiligen Vertragspartei gemeldeten Erbes,293 die sich auf das „in den Artikeln 1 und 2 bezeichnete Kultur- und Naturerbe“ bezieht und bereits dieses zum „Welterbe“ erklärt, verlangt anders als der zweite Absatz derselben Vorschrift keine Listenaufnahme für die Statuierung der Pflicht.

293

Art. 6 Abs. 2 WKÜ.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Es muss jedoch festgestellt werden, dass die in die Vorschlagslisten294 aufgenommenen Güter vor ihrer Anmeldung zur Aufnahme auf die Liste von den Vertragsstaaten im Sinne des Art. 3 WKÜ bestimmt und erfasst worden sind,295 da sie die Kriterien der Definition des Kulturerbes in Artikel 1 WKÜ und/oder des Naturerbes in Artikel 2 WKÜ erfüllten. Für sie gelten mithin zusätzlich zu denjenigen staatlichen Verpflichtungen, die sich auf das in „Artikel 11 Absätze 2 und 4 bezeichneten Kultur- und Naturerbe“ beziehen, auch diejenigen, die für das „in den Artikeln 1 und 2 bezeichnete Kultur- und Naturerbe“, also all diejenigen Güter gelten, die zwar von den Vertragsstaaten bestimmt und erfasst wurden, jedoch (noch) keine Aufnahme auf einer der Listen gefunden haben. Andersherum betrachtet gelten jedoch die Verpflichtungen hinsichtlich des in die Listen eingetragenen Erbes nicht auch für das in den Artikeln 1 und 2 bezeichnete Erbe insgesamt. Wenn man dieses Ergebnis näher analysiert, so wird deutlich, dass der wesentliche Kern der Verpflichtungen, der in den Artikel 4 bis 6 WKÜ aufgeführt ist, fast vollständig für alle erfassten Güter gilt, unabhängig von einer etwaigen Aufnahme auf einer Liste.296 Wie soeben gezeigt, gibt es jedoch nur einen relativ kleinen Teil des Übereinkommens, der sich mit Verpflichtungen beschäftigt, die ausschließlich den Listengütern vorbehalten sind. Dieses betrifft neben der bereits erwähnten Verpflichtung gemäß Art. 6 Abs. 2 WKÜ, bei Bedrohung eines Listengutes auf Bitten des Staates, auf dessen Territorium es sich befindet, Hilfe zu leisten, die Einrichtung eines internationalen Schutzsystems (Art. 7 WKÜ), in dessen Rahmen das Welterbekomitee gemäß Art. 13 Abs. 1 WKÜ Listengütern auf Antrag der jeweiligen Vertragspartei internationale Unterstützung zukommen lassen kann.297

294 Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen unter 1. Teil, 4. Kapitel, A., I. sowie 1. Teil, 3. Kapitel, C., VI. 295 Vgl. Art. 11 Abs. 3 WKÜ. 296 Wie hier O’Keefe, The Protection of Cultural Property in Armed Conflict, S. 312; ferner High Court of Australia, Queensland and Another v. Commenwealth of Australia and Another, ILR 90 (1992), S. 115 ff., insb. die Mehrheitsentscheidung der Richter Mason CJ, Brennan, Deane, Toohey, Gaudron und McHugh JJ, S. 130 und die Entscheidung des Richters Dawson J, S. 134. Im Ergebnis ebenso Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 291; Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1019). Zur weit verbreiteten Gegenauffassung siehe sogleich die Nachweise unter 1. Teil, 3. Kapitel, C., III. 297 Jedoch bietet die Eintragung in den vom Welterbekomitee geführten Listen weitere rechtliche – wie die Möglichkeit der Inanspruchnahme internationaler, technischer und finanzieller, Unterstützung gemäß Art. 20 WKÜ – aber auch wirtschaftliche Vorteile, wie eine einfachere touristische Vermarktung, die mit dem prestigeträchtigen Titel verbunden ist; vgl. zu letzterem Ringbeck/Caspary in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 67.

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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III. Sinn und Zweck Vielfach ist jedoch trotz dieser Eindeutigkeit des Wortlauts und der Systematik behauptet worden, das Welterbeübereinkommen schütze nur solche Güter, die auf einer der vom Welterbekomitee geführten Listen eingetragen seien.298 Als Begründung dafür wird in der Literatur auf das generelle Konzept der Konvention sowie teilweise auch auf den Wortlaut des Art. 12 WKÜ verwiesen.299 Dieser besagt, dass eine Nichtaufnahme auf eine der Listen nicht bedeute, dass ein Gut nicht für andere als die sich aus der Aufnahme in die Listen ergebenden Zwecke von außergewöhnlichem universellem Wert ist. Als relativ eindeutig lässt sich zumindest feststellen, dass die Vorschrift festlegt, dass vom Übereinkommen erfasste Güter, die nicht auf der Liste verzeichnet sind, ebenfalls einen außergewöhnlichen universellen Wert besitzen können.300 Da die Wendung des „außergewöhnlichen universellen Wertes“ in diesem Abkommen mehrfach so wiederholt wird, ist davon auszugehen, dass sie in jedem Artikel des Abkommens in derselben Weise verstanden werden soll. Eine entsprechende Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs erfolgt durch die operational guidelines. In diesen Richtlinien hat das Welterbekomitee den Begriff objektiviert. Da Güter, die der Definition entsprechen, nicht automatisch Aufnahme auf die Listen finden, sondern in einem langwierigen Prozess vom Komitee auf die Liste gesetzt werden müssen, gibt es mithin Güter, die dieser Definition entsprechen und die auf den Listen verzeichnet sind, und solche, die ihr ebenfalls entsprechen, die jedoch (noch) keine Aufnahme gefunden haben. Dass letztere durch die mangelnde Verzeichnung auf der Liste nicht plötzlich ihren außergewöhnlichen, universellen Charakter verlieren – wenn ihr Zustand weiterhin der Definition entspricht – ist eigentlich selbstredend, da der außergewöhnliche, universelle Charakter nicht von 298 Haigh, World Heritage – Principle and Pratice: a Case for Change, EPLJ 17 (2000), 199 (204 ff.); Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (58); Zacharias, The International Regime for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, S. 33 ff.; v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Weltkulturerbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (527); Ringbeck/Caspary in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 66; widersprüchlich Redgwell, Protecting Natural Heritage and Its Transmission to Future Generations, in: Yusuf (Hrsg.), Standard-setting in UNESCO, 267 (270 f.). 299 So früher teilweise sogar (noch) das Welterbekomitee selbst, UNESCO Doc. WHC-92/ CONF.002/3, 16. 300 Anders jedoch offenbar Scovazzi, La notion de patrimoine culturel de l’humanité dans les instruments internationaux, in: Nafziger/Scovazzi (Hrsg.), Le patrimoine culturel de l’humanité, S. 39: „La partie la plus caractéristique de la Convention du patrimoine mondial concerne le régime des biens qui, ayant „une valeur exceptionnelle“, peuvent alors figurer sur la „Liste du patrimoine mondial“. Er scheint zu bestreiten, dass der außergewöhnliche universelle Wert diejenige Eigenschaft ist, die sämtlichen Gütern, die von den Vertragsparteien bestimmt wurden, ob sie Aufnahme auf eine Liste gefunden haben oder nicht, anhaften muss, sondern nennt diesen Wert lediglich als Voraussetzung für eine Aufnahme auf die Liste. Wie hier wohl O’Keefe, The Protection of Cultural Property in Armed Conflict, S. 312.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

der Listenaufnahme abhängt (vgl. Art. 11 II, 1, 2 WKÜ), sondern dem Objekt dauerhaft anhaftet. Es wäre immerhin möglich, dass Art. 12 WKÜ diese an sich selbstverständliche Folgerung noch einmal besonders feststellen soll und rein deklaratorischer Natur ist. Doch der Wortlaut des Art. 12 WKÜ spricht genau betrachtet davon, dass der außergewöhnliche universelle Wert „nicht für andere als die sich aus der Aufnahme auf die Listen ergebenden Zwecke“ in Frage gestellt werden soll. Das heißt, dass der Schlüssel zur Klärung des Inhalts in der Beantwortung der Frage liegt, welchen Zweck die Listen erfüllen. Diese Frage wird von Vertretern der Gegenauffassung dahingehend beantwortet, dass der Zweck der Auflistung bestimmter Güter in den Welterbelisten deren internationaler Schutz ist,301 der sich insbesondere in der Zugänglichmachung für internationale Unterstützung im Sinne von Art. 13 WKÜ verwirklicht. Diesem ist zwar im Grundsatz zuzustimmen. Der Schlussfolgerung, dass für andere Zwecke, die nicht mit der Auflistung verbunden sind, der außergewöhnliche universelle Charakter nicht in Frage gestellt werden soll, wie es Art. 12 WKÜ vorsieht, wird allerdings nicht konsequent nachvollzogen. Zwar wird vereinzelt zugegeben, dass als Folge von Art. 12 WKÜ selbst bei Nichtaufnahme auf die Welterbeliste eine Schutzwürdigkeit eines Guts bei Erfüllung des objektivierten Kriteriums des außergewöhnlichen universellen Wertes nach nationalem Recht gegeben sei,302 doch wird daraus nicht das sich aufdrängende Fazit gezogen, dass aufgrund der Verpflichtung zu Schutz und Erhaltung des Erbes, welches einen außergewöhnlichen universellen Wert aufweist, nach Art. 4 und 5 WKÜ aus dem Übereinkommen selbst eine Pflicht für die Vertragspartei besteht, dieses Erbe zu schützen, und nicht eine bloße Indizwirkung zu sehen ist, die eine Schutzwürdigkeit für das nationale Recht der Vertragspartei nahe legt. Diese Auslegung des Art. 12 WKÜ wird systematisch durch Art. 6 Abs. 2 WKÜ gestützt, der für jede Vertragspartei eine Verpflichtung stipuliert, anderen Vertragsparteien bei Erfassung, Schutz und Erhaltung des auf ihrem Hoheitsgebiet befindlichen „in Artikel 11 Absätze 2 und 4 bezeichnete Kulturund Naturerbe“ Hilfe zu leisten.303 Diese Formulierung kontrastiert eindeutig mit der Verpflichtung der Vertragsparteien hinsichtlich des auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet „in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes“. Die sich aus Art. 4 WKÜ ergebenden Verpflichtungen hinsichtlich des auf dem eigenen Territorium befindlichen Erbes beziehen sich mithin auf sämtliches den Definitionen des Übereinkommens und der operational guidelines entsprechendes Erbe. Sie beziehen sich nicht nur auf das in einer der Listen aufgeführte Erbe, welches, wie gerade Art. 6 301 Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage as Prototype of an Autonomy-Gaining International Institution, GLJ 9 (2008), 1833 (1851); Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (58). 302 Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage as Prototype of an Autonomy-Gaining International Institution, GLJ 9 (2008), 1833 (1851). 303 Vgl. Hönes, Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, S. 57.

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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Abs. 2 WKÜ deutlich macht, dort zu Zwecken des internationalen Schutzes hervorgehobene Erwähnung findet.304 Zuletzt wird diese Auslegung auch noch von der Praxis des Komitees bestätigt. So sieht das Gremium den nationalen Schutz bzw. die Verpflichtung dazu nicht als Folge einer von ihm vorgenommenen Eintragung, sondern verlangt ein relativ hohes Maß an nationalem Schutz, schon bevor es überhaupt eine Eintragung in Erwägung zieht.305 IV. Spätere Übung Einer in der Literatur vertretenen Ansicht nach sollen die operational guidelines nachfolgende Praxis darstellen können.306 Als solche müssten die Richtlinien nach Art. 31 Abs. 3 lit. b) WVRK bei der Auslegung des Vertrages in gleicher Weise wie der Zusammenhang berücksichtigt und dementsprechend zur Ermittlung des Schutzgegenstandes herangezogen werden. Ungeachtet der tatsächlichen Qualifizierung der operational guidelines307 soll dieses zunächst hypothetisch angenommen werden. Die vom Welterbekomitee aufgestellten operational guidelines scheinen in ihrer aktuellen Fassung für einen Schutz ausschließlich des eingetragenen Welterbes zu sprechen. Dort heißt es: „The Convention is not intended to ensure the protection of all properties of great interest, importance or value, but only for a select list of the most outstanding of these from an international viewpoint. It is not to be assumed that a property of national and/or regional importance will automatically be inscribed on the World Heritage List.“308

Der Schutz durch das Übereinkommen scheint hiernach eindeutig an die Eintragung auf einer der Listen geknüpft zu sein. Diese Eindeutigkeit jedoch schwindet 304 So im Ergebnis auch Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 291. 305 Mayerhofer, Internationaler Kulturgüterschutz durch die Welterbekonvention der UNESCO von 1972, DPfl 1996, 35 (37); Hönes, Das UNESCO-Welterbeübereinkommen von 1972 und die Folgen, VR 2008, 145 (149), behauptet die Eintragung Heidelbergs sei im Juni 2007 unter anderem deshalb verschoben worden, da über die Wirkung des Übereinkommens (und damit auch seinen Verpflichtungen) Unklarheit bestünde. Einen Beleg in der offiziellen Entscheidung des Komitees findet sich dafür allerdings nicht, UNESCO Doc. WHC-07/ 31.COM/24, Decision 31COM 8B.50. Hingegen belegen die veröffentlichten Dokumente im Fall der Eintragung Regensburgs (im Vorjahr des Streits über die geplante Waldschlösschenbrücke), dass eine Aufschiebung des Antrags von den advisory bodies empfohlen wurde, UNESCO WHC Draft Decision 30COM 8B.45 sowie ICOMOS Evaluation Book, Mai 2006, S. 101, jedoch mit der Begründung, dass der Welterbebereich und seine Pufferzone zu knapp bemessen seien. Die Altstadt wurde jedoch trotzdem im Juni 2006 auf der 30. Sitzung des Komitees in Vilnius eingetragen, UNESCO WHC Decision 30COM 8B.45. 306 Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 189. 307 Dazu unten unter 1. Teil, 5. Kapitel, A., I., 2., b). 308 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 52.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

bei Betrachtung der Tatsache, dass es in den ersten vom Welterbekomitee veröffentlichten Richtlinien im Jahre 1977 noch hieß: „The Convention provides a vehicle for the protection of those cultural or natural properties or areas deemed to be of outstanding universal value. It is not intended to provide for the protection of all properties and areas of great interest, importance or value, but only for a select list of the most outstanding of these from an international viewpoint.“309

Diese Formulierung lässt vor dem Hintergrund der Vorarbeiten310 des Übereinkommens erkennen, was eigentlich Kern des Schutzgedankens der Konvention sein soll. Diejenigen Güter, denen ein außergewöhnlicher universeller Wert zukommt, sollen geschützt werden, wie dies Satz 1 der Richtlinie von 1977 noch deutlich zum Ausdruck bringt. In Satz 2 wird klargestellt, was in den Vorarbeiten äußerst umstritten war, nämlich ob die Konvention sämtliches Erbe, auch das mit lediglich nationaler oder regionaler Bedeutung schützen sollte, wie dies beispielsweise die bedeutende UNESCO-Konvention zum Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten von 1954 unternimmt, oder ob man, wie dann tatsächlich entschieden, eine Konvention für den Schutz der weltweit bedeutendsten Güter und eine Empfehlung für den Schutz lediglich national oder regional bedeutsamer Güter verabschieden sollte. Zum Abgrenzungskriterium der beiden Texte wurde der „outstanding universal value“. Jedes Gut, welches diesen aufweist, sollte in den Genuss des Schutzes der Konvention kommen. Dieses geht aus den Richtlinien des Jahres 1977 noch eindeutig hervor. In den Folgejahren jedoch hielt sich das Komitee bei seiner Aufnahmepraxis nicht an diese Vorgaben und nahm eine sehr hohe Anzahl an Objekten auf die „Liste des Erbes der Welt“ auf, wobei bezweifelt werden darf, dass diese tatsächlich eine solche über den „außergewöhnlichen universellen Wert“ hinausgehende internationale Bedeutung gehabt haben, der die Listeneintragung zu rechtfertigen vermochte. Vielmehr dürften es andere Faktoren gewesen sein, wie die Erhöhung der Akzeptanz der Konvention in Staaten, die möglicherweise nicht mit derartigem Erbe gesegnet sind, die zum einen Strategien, wie diejenige zur besseren Repräsentativität (aus dem Jahre 1992) sowie zum anderen die aus der überbordenden Anzahl von Eintragungen notwendige Restriktivität bei weiteren Eintragungen, die zu der missverständlichen Formulierung der guidelines im Jahre 2005 geführt haben.311 Eine dahin gehende Übung, nur die universell außergewöhnlichsten Stätten unter den Schutz des Übereinkommens zu stellen, ist mithin weder aufgrund der operational guidelines noch aufgrund der tatsächlichen Praxis festzustellen.

309

UNESCO operational guidelines (1977), Nr. 5 ii). Siehe dazu sogleich noch unter 1. Teil, 3. Kapitel, C., V. 311 Während der Wortlaut der Bestimmung über fast dreißig Jahre unverändert blieb, findet sich die heute gültige Formulierung im Jahre 2005 zum ersten Mal in den Richtlinien wieder, UNESCO operational guidelines (2005) Nr. 52. Zu einem Zeitpunkt, in dem bereits über 800 Stätten weltweit in die Welterbeliste eingetragen waren. 310

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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V. Travaux préparatoires Das gefundene Ergebnis, dass es Zweck der Welterbeliste ist, internationale Beachtung für einige wenige Welterbestätten auszulösen und diese internationaler Unterstützung zuzuführen, im Übrigen aber den Schutz des nicht eingetragenen Erbes von außergewöhnlichem universellem Wert durch die Vertragsparteien nach nationalem Recht zu gewährleisten, wird auch durch die Entstehungsgeschichte des Übereinkommens gestützt. Danach waren sich die Vertragsparteien einig, dass aufgrund der Erfahrungen des der Verabschiedung des Übereinkommens vorangegangenen Jahrzehnts ein weltweites Schutzsystem für die Erhaltung bedeutenden Kultur- und Naturerbes geschaffen werden müsse. Bereits bei den allerersten vorbereitenden Gesprächen in den Jahren 1968 und 1969 waren sich die Experten einig, dass man mit einer Inventarisierung der Güter durch eine Liste niemals sämtliche bedeutenden Kulturgüter würde schützen können.312 Dieser Befund mischte sich mit der Befürchtung einzelner Staaten, mittels eines Schutzes einzelner ausgewählter und auf einer Liste verzeichneter Güter könnte ein Eingriff in innere Angelegenheiten der jeweiligen Vertragspartei, auf dessen Hoheitsgebiet sich das Gut befindet, verbunden sein.313 Dieses führte dazu, dass es bis ins Jahr der Verabschiedung des Übereinkommens umstritten blieb, ob man überhaupt Vorschriften und Verpflichtungen hinsichtlich des nationalen Schutzes von Kulturgütern in das Übereinkommen aufnehmen sollte, was von der Expertenkonferenz im Jahre 1969 offenbar noch abgelehnt wurde,314 weil man dort eine Aufspaltung des Schutzes in internationalen Schutz durch ein Übereinkommen und eine unverbindliche Erklärung bezüglich des Schutzes auf nationaler Ebene für vorzugswürdig hielt.315 Letztendlich kam es zwar zur Verabschiedung einer Empfehlung der UNESCO zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene.316 Diese gibt allerdings nur ergänzend zum Welterbeübereinkommen Empfehlungen, wie der Schutz von so genanntem Erbe „of special value“ als ausdrücklichem Gegenstück zum Erbe „of outstanding universal value“ auf nationaler Ebene zu organisieren und durchzu-

312

UNESCO Doc. SHC/CS/27/8, S. 19, Nr. 68. Siehe nur die Position des Vereinigten Königreichs zu einem Zeitpunkt, als bereits Konsens darüber bestand, dass ohne die zumindest nachträgliche Zustimmung der entsprechenden Vertragspartei kein Gut auf die Welterbeliste gesetzt werden könnte, UNESCO Doc. SHC/MD/18, Annex II, S. 12, Nr. 61. 314 UNESCO Doc. SHC/MD/4, S. 27, Nr. 113 f. 315 So interpretiert zumindest Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.) Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 187 die abschließenden Feststellungen des Expertenkomitees. 316 UNESCO Recommendation concerning the Protection, at National Level, of the Cultural and Natural Heritage, UNESCO Doc. 17 C/18, Rn. 30. Dazu auch Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 149 ff. 313

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

führen ist.317 Statt einer Ausgliederung des nationalen Schutzes hat die UNESCO Generalkonferenz aber gerade beschlossen, die Vorschriften über den Schutz auf nationaler Ebene trotz vielerlei Kritik in das Übereinkommen selbst mitaufzunehmen.318 Das macht das Übereinkommen ja gerade in seiner Kernverpflichtung deutlich.319 Durch den Bezug auf den nationalen Schutz der zum selben Zeitpunkt verabschiedeten Empfehlung und des Übereinkommens wird betont, dass es den Vertragsparteien nicht darum ging, eine internationale Schutzverpflichtung nur für auf die Welterbeliste aufgenommenen Güter zu erreichen und nicht aufgenommene Güter im Wege der unverbindlichen Empfehlung einem ungewissen nationalen Schutz zu überlassen. Wesentliches Abgrenzungskriterium sollte der vom Welterbekomitee noch zu bestimmende außergewöhnliche universelle Wert eines Gutes sein. Keinesfalls sollte allerdings eine Verpflichtung hinsichtlich des Schutzes eines Gutes dieses Wertes für eine Vertragspartei wegfallen, wenn das entsprechende Gut keine Aufnahme auf die Liste findet. Dieses festzustellen hätte es möglicherweise gar nicht des Artikels 12 WKÜ bedurft, da eine Anknüpfung bei Art. 4 und 5 WKÜ ausweislich des Wortlautes ja nicht an die Listung erfolgt.320 Er hat mithin wohl nur klarstellenden, deklaratorischen Charakter.321 Auch die historischen Ausarbeitungen zur Konzeption des Übereinkommens belegen, dass der Zweck der Listen die Erzielung einer öffentlichen Wahrnehmung sein sollte und rechtlich lediglich die Auslösung einer internationalen Hilfe gemäß der übrigen Bestimmungen des Übereinkommens ermöglicht werden sollten.322 317 In diesem Sinne auch Carducci, Art. 4 – 7, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 118; vgl. dazu Meyer, Travaux Preparatoires for the UNESCO World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (51); vgl. zu dieser Frage bereits die Hinweise zur Entstehungsgeschichte oben unter 1. Teil, 1. Kapitel, C., III., die Aufschluss darauf gibt, dass das Übereinkommen das „Ob“ und die Empfehlung die konkrete Ausgestaltung, also das „Wie“ des Schutzes auf nationaler Ebene regeln soll(t)en. 318 Meyer, Travaux Preparatoires for the UNESCO World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (51) auch mit Nachweisen zur vorgebrachten Kritik, 319 Art. 4 S. 1 WKÜ: „Jeder Vertragsstaat erkennt an, daß es in erster Linie seine eigene Aufgabe ist, Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen, in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes (…) sicherzustellen.“ (Hervorhebungen sind solche des Verfassers). 320 So wohl auch Carducci, Art. 4 – 7, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 109. 321 Vgl. zu dieser Diskussion Lenzerini, Art. 12, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 216 ff. m.w.N. Auch mit dem interessanten Hinweis darauf, dass eine dem Art. 12 WKÜ vergleichbare Norm bei den Vorarbeiten für das 2003 verabschiedete UNESCO Übereinkommen zum Schutz des immateriellen Erbes noch mit dem ausdrücklichen Hinweis ergänzt wurde, dass eine fehlende Listung eines immateriellen Erbes in der dort geführten Liste keinesfalls dazu führe, dass die Vertragsparteien von der Verpflichtung entbunden seien, ihr immaterielles Erbe zu schützen. 322 Roucounas, Aspects juridiques de la protection du „patrimoine mondial, culturel et naturel“, RHDI 25 (1972), 42 (74).

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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VI. Ergebnis Der Schutzgegenstand des Übereinkommens ist sämtliches Erbe, wie es in Art. 1 und 2 WKÜ definiert wurde. Einer Bestimmung durch die jeweilige Vertragspartei – z. B. durch Aufnahme in die nationale Vorschlagsliste – bedarf es hierfür ebenso wenig wie der Aufnahme in die „Liste des Erbes der Welt“.323 Die beiden genannten Listen sind aufgrund dieser Feststellung hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Schutzgegenstand allerdings keinesfalls funktionslos. Durch die Aufnahme einer Stätte auf die nationale, dem Komitee gemäß Art. 11 Abs. 1 WKÜ zu meldende, Vorschlagsliste einer Vertragspartei erfolgt eine Konkretisierung der Schutzverpflichtung für die eingetragene Stätte. Da der Zweck der nationalen Vorschlagsliste die spätere Aufnahme auf die „Liste des Erbes der Welt“ ist und auf diese nur Güter mit außergewöhnlichen universellem Welt aufgenommen werden, erkennt eine Vertragspartei zumindest durch die entsprechende Aufnahme auf die Vorschlagsliste konkludent diesen Wert und die damit verbundene Schutzverpflichtung an. Mit der Eintragung in die Welterbeliste wiederum ist das Vorliegen der Kriterien der Art. 1 und 2 WKÜ und damit das Eintreten der Schutzwirkung objektiviert und damit – insbesondere im Hinblick auf die internationalen Rechte und Pflichten, die aus dem Übereinkommen erwachsen – nicht mehr gesondert zu belegen.324

D. Vertragliche Mechanismen zur Unterstützung der Vertragsparteien bei der Verfolgung der Ziele des Übereinkommens I. Internationale Unterstützung Eine wichtige Verpflichtung des Übereinkommens ist diejenige zu einer gegenseitigen Unterstützung der Vertragsparteien zum Schutz des Welterbes.325 Darüber hinaus wurde im Übereinkommen jedoch ein allgemeiner Mechanismus festgelegt, mit Hilfe dessen Staaten bei Erfassung und Schutz ihres Erbes eine internationale Unterstützung zukommen soll. Dieses System ist in den Art. 13 i.V.m. 19 ff WKÜ

323 So wohl auch Lenzerini, Art. 12, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 211. Zu den anderen Auffassungen vgl. die Nachweise unter 1. Teil, 3. Kapitel, C., II. und III. Zu den Gründen, weshalb Vertragsparteien das von der Definition der Art. 1 und 2 WKÜ umfasste Erbe nicht zur Eintragung auf die Welterbeliste anmelden siehe Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 100. 324 Nur scheinbar ebenso Zacharias, The International Regime for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, S. 35, die allerdings den ersten Teil des gefundenen Ergebnisses, also eine Erstreckung auf das lediglich der Definition unterfallende, aber noch nicht in die Welterbeliste eingetragene Erbe, ausdrücklich nicht teilt, S. 33 f. Sie hält die Eintragung ferner für konstitutiv. Siehe dazu unten unter 1. Teil, 4. Kapitel, III. 325 Art. 6 Abs. 2 WKÜ.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

aufgeführt und soll sogleich in seinem Verfahren und seinen Gegenständen dargestellt werden. Ein Verfahren zur internationalen Unterstützung wird auf Initiative desjenigen Staates eingeleitet, auf dessen Hoheitsgebiet sich das betreffende Gut befindet.326 Voraussetzung für eine internationale Hilfeleistung im Sinne des Übereinkommens ist, dass das Gut entweder in der Welterbeliste oder der Liste des gefährdeten Erbes verzeichnet ist oder für eine derartige Aufnahme geeignet erscheint.327 Darüber hinaus kann eine derartige Unterstützung auch Gütern zukommen, die weder auf den genannten Listen vertreten, noch für eine Eintragung geeignet sind, die jedoch das Potential besitzen, als Kultur- und Naturerbe im Sinne der Art. 1 und 2 WKÜ erfasst zu werden.328 Damit kann praktisch jedes Gut, dessen Bedeutung für das Erbe der Welt nicht bereits offensichtlich abzulehnen ist, Gegenstand der internationalen Unterstützung des Übereinkommens werden.329 Dieses belegt einmal mehr, dass das Übereinkommen hinsichtlich der Schutzgegenstände des Listenerbes und des sonstigen Erbes im Sinne der Art. 1 und 2 WKÜ sowie solchen Erbes mit lediglich regionaler oder nationaler Bedeutung differenziert. Trotzdem dürfte die Erlangung internationaler Unterstützung für bereits in einer der Listen eingetragene Welterbestätten einfacher zu erlangen sein, weil die Gefährdungssituation aufgrund der regelmäßigen Berichte dem Komitee bekannt ist und damit insbesondere im Blick auf notwendige Voruntersuchungen (vgl. Art. 24 WKÜ) nicht derselbe Aufwand wie bei (noch) nicht eigetragenen Gütern zu betreiben ist. Das Welterbekomitee entscheidet allein über die Gewährung der beantragten Hilfe. Dazu legt es eine Reihenfolge der durchzuführenden Unterstützungsmaßnahmen fest.330 Das Ermessen des Komitees ist hierbei nicht völlig frei, sondern muss sich an einem im Übereinkommen festgelegten Kriterienkatalog orientieren.331 Dabei geht es insbesondere um die Bedeutung des Gutes und die Dringlichkeit der Hilfeleistung. Für unerwartet auftretende besonders dringliche Fälle, wie bspw. Naturkatastrophen, soll darüber hinaus allerdings ein entsprechender Notfallfonds eingerichtet werden.332

326

Art. 13 Abs. 1 und 2 i.V.m. 3 WKÜ. Art. 13 Abs. 1 WKÜ. 328 Art. 13 Abs. 2 WKÜ. 329 Vgl. dazu auch Art. 20 WKÜ. So auch Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1857); anders offenbar High Court of Australia, Queensland and Another v Commonwealth of Australia and Another, ILR 90 (1992), 116 (134). Unklar Streinz, Handbuch des Museumsrechts 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, S. 75 und 77. 330 Art. 13 Abs. 4 S. 1 WKÜ. 331 Art. 13 Abs. 4 S. 2 WKÜ. 332 Art. 21 Abs. 2 WKÜ. 327

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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Darüber hinaus hat das Welterbekomitee in den operational guidelines seine Prioritäten bekannt gegeben,333 die die Vergabe der Mittel transparenter machen.334 Missverständlich, möglicherweise sogar problematisch könnte die Priorisierung ärmerer Länder im Falle der Mittelknappheit sein.335 Man könnte die Bestimmung so verstehen, dass die Priorisierung der ärmsten Länder den anderen in der Richtlinienvorschrift aufgezählten Kriterien (wie bspw. der Dringlichkeit und des Kosten/ Nutzen-Verhältnisses) automatisch vorzuziehen ist, wenn die Mittel nicht zur Bewilligung aller Anträge ausreichen sollten. Unzweifelhaft ist die Vorschrift gerade für diesen zuletzt genannten Fall, der fehlenden Verfügbarkeit der Mittel zur Bewilligung sämtlicher Anträge, geschaffen worden, da im Falle ausreichender Mittel sich die Frage der Priorisierung überhaupt nicht stellen würde. Allerdings müssten als praktische Konsequenz dieser Auslegungshypothese wegen generell knapper finanzieller Mittel336 des Fonds wohl immer die ärmsten Staaten bevorzugt werden. Doch diese Art der Priorisierung wäre wohl trotz des weiten Ermessensspielraums des Komitees nicht von der Konvention gedeckt, da letztere die Finanzkraft eines Staates nur als eines von mehreren Kriterien genügen lässt.337 Soweit allerdings ersichtlich ist, hat diese Überlegung in der Praxis noch zu keinen Auseinandersetzungen zwischen den Staaten geführt.338 Die Formen der Unterstützung sind in Art. 22 WKÜ aufgelistet. Sie werden durch den World Heritage Fund finanziert.339 Sie umfassen allerdings keine direkten Zuschüsse finanzieller Art, sondern sind rein praktischer Natur.340 Im Wesentlichen geht es darum, den Vertragsparteien das notwendige Knowhow für die sorgfältige Erhaltung des Erbes zur Verfügung zu stellen. Dieses geschieht zum einen durch die Überlassung von Personal, insbesondere der Experten der advisory bodies zu Ausbildungszwecken des Personals der Vertragspartei oder zur Sachverständigentätigkeit, zum anderen durch entsprechende Sachmittel oder die Vergabe von zinsgünstigen Darlehen. Zur Durchführung eines solchen Vorhabens wird zwischen dem Komitee und dem betreffenden Staat eine Vereinbarung geschlossen, die sowohl die Leistungen des 333

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 236 ff. Zur Steigerung der Transparenz soll auch die Pflicht zur Veröffentlichung derjenigen Güter beitragen, für die internationale Unterstützung gewährt wird. Sie soll gemäß Art. 13 Abs. 5 WKÜ vom Komitee auf dem aktuellen Stand gehalten werden. 335 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 239 lit. b). 336 Vrdoljak, Art. 13, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 232. 337 Vgl. Art. 13 Abs. 4 WKÜ. 338 Zu anderen Gründen für potentielle Konflikte und zur Vergabe der Mittel nach dem Zeitpunkt des Antrages, welche vor der letzten Reform der Vergabe die Praxis darstellte Vrdoljak, Art. 13, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 234. 339 Vrdoljak, Art. 13, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 238; UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 234. 340 Hierzu gibt es in Art. 22 lit. f) lediglich einen Ausnahmetatbestand: „(…) in Ausnahmefällen und aus besonderen Gründen Gewährung verlorener Zuschüsse“. 334

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Komitees als auch die Eigenbemühungen sowie eine Erhaltungsstrategie der Vertragspartei beinhaltet.341 Die Eigenbemühungen der Vertragsparteien müssen dabei grundsätzlich den wesentlichen Teil der Kosten decken.342 Dieses ist Ausfluss der grundsätzlichen Subsidiarität des internationalen Schutzes, wie sie bereits in Art. 4 WKÜ angedeutet wird.343 II. Fonds für das Erbe der Welt Durch das Übereinkommen wird zugleich ein Fonds errichtet,344 dessen Einnahmen und Aufgaben sowie sein rechtlicher Charakter im Folgenden beschrieben werden sollen. Der Fonds wird im Wesentlichen durch Beiträge der Vertragsparteien gespeist. Diese lassen sich in obligatorische und freiwillige Beiträge (der Vertragsparteien) sowie sonstige Einnahmen aufteilen.345 Der Schlüssel für die Bemessung der Pflichtbeiträge wird alle zwei Jahre von der Konferenz der Vertragsstaaten festgelegt, wobei er nach oben gedeckelt ist.346 Diese Verpflichtung zur Leistung finanzieller Beiträge hat, wohl aus innerstaatlichen Motiven, zu einer Ergänzung des ursprünglich vorgesehenen Vertragstextes im Wege der Ausarbeitungen des endgültigen Vertragstextes geführt.347 So wurde in Art. 16 Abs. 2 WKÜ ausdrücklich erwähnt, dass bei der Ratifikation eine Erklärung hinterlegt werden kann, mit dem Inhalt, sich nicht an die finanziellen Verpflichtungen des Übereinkommens binden zu wollen. Die ausdrückliche Erwähnung dieser Ausschlussmöglichkeit hat die Anbringung eines derartigen Vorbehalts erheblich erleichtert.348 Sie dürfte es einigen Staaten, darunter Deutschland, das eine Zustimmungspflicht des Parlaments bei haushaltswirksamen Verträgen kennt,349 er341

Vgl. Art. 13 Abs. 3 sowie Art. 26 WKÜ. Art. 25 WKÜ. 343 Gemäß Art. 4 S. 1 WKÜ erkennt jeder Vertragsstaat an, dass es „in erster Linie seine eigene Aufgabe ist (…)“ einen entsprechenden Schutz des Welterbes auf seinem Hoheitsgebiet zu gewährleisten. Art. 4 S. 2 WKÜ besagt, dass der jeweilige Staat „unter vollem Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel und gegebenenfalls unter Nutzung jeder ihm erreichbaren Unterstützung (…)“ zu agieren hat. (Hervorhebungen sind solche des Verfassers). 344 Art. 15 Abs. 1 WKÜ. 345 Vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 1 WKÜ. 346 Art. 16 Abs. 1 S. 3 WKÜ: „Der Pflichtbeitrag darf 1 v. H. des Beitrags zum ordentlichen Haushalt der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur nicht überschreiten.“. 347 Goy, The International Protection of the Cultural and Natural Heritage, NYIL 4 (1973), S. 133 ff. 348 Vgl. allgemein zu Vorbehalten in Multilateralen Verträgen Giegerich, Reservations to Multilateral Treaties, in: Wolfrum (Hrsg.), EPIL, insbesondere Rn. 27 zu Vorbehalten bei Verträgen ohne entsprechende ausdrückliche Klausel. 349 Siehe dazu unten unter 2. Teil, 1. Kapitel, B., II., 4., b). 342

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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leichtert haben, den Vertrag zu ratifizieren. Von der Vorbehaltsmöglichkeit haben mehrere Staaten, darunter Deutschland, Gebrauch gemacht.350 Neben den obligatorischen gibt es freiwillige Beiträge der Vertragsparteien. Um eine finanzielle Planungssicherheit herzustellen, sollen entsprechende Beiträge mindestens alle zwei Jahre erfolgen.351 Auffällig jedoch ist insbesondere die Forderung in Art. 16 Abs. 4 WKÜ, nach der die freiwilligen Beiträge nicht niedriger sein sollen, als die Zahlungsverpflichtung nach Art. 16 Abs. 1 WKÜ reichen würde. Diese Forderung, freiwillige Beiträge nicht allgemein gut zu heißen, sondern in einer bestimmten Höhe zu fordern, lässt sich folgendermaßen erklären: Während der Vorarbeiten für das Welterbeübereinkommen hatten einzelne Staaten betont, dass sie obligatorische finanzielle Verpflichtungen ablehnten.352 Als Grund hierfür ist zu vermuten, dass die Bereitschaft einiger Parlamente zur Zustimmung zum Übereinkommen und damit die Ratifikation und allgemeine Akzeptanz des Vertrages als gefährdet angesehen wurde.353 Da es sich bei den gegen eine obligatorische Zahlung opponierenden Staaten um Industrieländer handelte, bestand durch die Einräumung der Vorbehaltsmöglichkeit in Art. 16 Abs. 2 WKÜ neben den Gefahren des Ausbleibens und der Instabilität der Einkünfte noch die Bedrohung durch eine Unausgewogenheit der Zahlungen. So hätten beispielsweise Entwicklungsländer, die keine Erklärung nach Art. 16 Abs. 2 WKÜ abgegeben haben, unter Umständen höhere Zahlungen leisten müssen als Industriestaaten, die aufgrund eines Vorbehalts nur freiwillige Zahlungen in einer geringen Höhe geleistet hätten. Insgesamt stellte sich die Diskussion über die finanzielle Ausstattung des Welterbefonds als besonders umstrittener Teil der Verhandlungen über das Übereinkommen dar.354 Das Ergebnis, feste Einnahmequellen nicht nur durch die Pflichtbeiträge zu erzielen, sondern zudem durch die Obliegenheit, freiwillige Zahlungen ebenfalls dauerhaft und auf

350 Neben Deutschland haben Bulgarien, Frankreich und die USA als erste eine entsprechende Erklärung abgegeben, 1037 UNTS 209. 351 Art. 16 Abs. 4 WKÜ. 352 Insbesondere das Vereinigte Königreich, Schweden, Frankreich und wohl auch Italien, UNESCO Doc. SHC/MD/18, Annex II, Ziff. 63; Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 202. 353 So auch Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 202, der allerdings sogar einen Beleg in den entsprechenden Vorarbeiten zu erkennen vermag, siehe UNESCO Doc. SHC/MD/18, Annex II, Ziff. 63. 354 Vgl. die wechselvolle Geschichte der travaux préparatoires und die entsprechenden Nachweise dazu bei Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 202 ff. Ebenso Lenzerini, Art. 15 – 16, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 271 ff.; Roucounas, Aspects juridiques de la protection du „patrimoine mondial, culturel et naturel“, RHDI 25 (1972), 42 (66 f.), weist darauf hin, dass zu Beginn der Verhandlungen sogar noch umstritten war, ob jeweils ein Fonds für das Kulturerbe und ein separater Fonds für das Naturerbe geschaffen werden sollte.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

einem der Wirtschaftsleistung entsprechenden Niveau leisten zu müssen, darf als erfolgreicher Kompromiss der unterschiedlichen Positionen gewertet werden.355 Die sonstigen Quellen des Fonds sind in Art. 15 Abs. 3 WKÜ aufgeführt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Zuwendungen von Drittstaaten, Internationalen Organisationen, Privaten sowie durch Veranstaltungen oder Sammlungen erzielte Einnahmen.356 Eine Einflussnahme wird insofern versucht zu begrenzen, als dass die zusätzlichen Einnahmen nur für die durch das Komitee festgelegten Zwecke verwendet werden dürfen.357 Nichtsdestotrotz hat das Welterbekomitee in den vergangenen Jahren zum Zwecke des Fundraising versucht, Partner in der Wirtschaft zu akquirieren, was sicherlich die Gefahr erhöht, dass Projekte nicht nach ihrer wissenschaftlichen Bedeutung bzw. sich aus dem Gefährdungszustand ergebenden Priorität gefördert werden, sondern Prestige in der Zukunft ein neuer Aspekt der Förderung werden könnte.358 In der näheren Vergangenheit jedoch ist der finanzielle Beitrag durch die sonstigen Quellen nur marginal für die Einnahmen des Fonds gewesen.359 Das Welterbekomitee, das den Fonds verwaltet, entscheidet allein über die Zwecke, zu denen die Mittel des Fonds verwendet werden dürfen.360 Es verfügt dabei zudem über einen sehr weiteren Ermessensspielraum bei der Festlegung der Zwecke. Die eigentlich auf die potentiellen Geber zielende Verpflichtung, Zuwendungen an den Fonds nicht an politische Bedingungen zu knüpfen,361 gilt umgekehrt selbstverständlich auch für das Komitee und stellt insofern eine Beschränkung seines Ermessens dar. Zur Verwaltung des Fonds wurden so genannte „Financial Regulations for the World Heriage Fund“ aufgestellt.362

355 Ähnlich Goy, The International Protection of the Cultural and Natural Heritage, NYIL 4 (1973), S. 135. 356 Daneben gibt das Übereinkommen den Vertragsstaaten in Art. 17 und 18 WKÜ noch auf, durch die Gründung nationaler Stiftungen oder Veranstaltungen unter der Schirmherrschaft der UNESCO Mittel zu akquirieren, auf die hier allerdings nicht näher eingegangen werden soll. Detailliert zu dieser Thematik Patchett, Art. 17 – 18, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 289 ff. 357 Art. 15 Abs. 4 S. 1 WKÜ. 358 Vgl. zu den Projekten, insbesondere der Partnerships for Conservation Initiative (PACT), http://whc.unesco.org/en/partnerships/ (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 359 Lenzerini, Art. 15 – 16, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 281, listet auf, dass im Haushalt der Jahre 2006/2007 nur knapp 3000 US$ durch sonstige Einnahmen zustande kamen bei einem gleichzeitigen Beitrag von knapp 4000000 US$ durch die Vertragsparteien. 360 Art. 13 Abs. 6 i.V.m. Art. 15 Abs. 4 S. 1 WKÜ. 361 Vgl. schon die Bezeichnung des Fonds in Art. 15 Abs. 4 S. 3 WKÜ. Wie hier auch Lenzerini, Art. 15 – 16, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 271. 362 Die „Financial Regulations for the World Heritage Fund“ sind abrufbar unter: http://whc. unesco.org/en/financialregulations/ (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015).

3. Kap.: Der Gegenstand des Übereinkommens

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Obwohl dies nicht ausdrücklich aus dem Vertrag hervorgeht, ist die allgemeine Aufgabe des Fonds in der Unterstützung der Vertragsstaaten zu sehen, ihre Verpflichtungen aufgrund des Vertrages erfüllen zu können.363 Bemerkenswerterweise erfolgt die internationale Unterstützung, der eine zentrale Bedeutung im Rahmen dieses Übereinkommens beigemessen werden muss, nicht durch direkte finanzielle Zuweisungen unmittelbar aus dem Fonds.364 Vielmehr kann der Fonds die durch praktische Hilfestellung gekennzeichneten internationalen Unterstützungsmaßnahmen nach Art. 22 WKÜ nur finanzieren. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die zu Beginn der travaux préparatoires recht kontrovers behandelte Frage, ob ein eigenständiger Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit geschaffen werden soll oder ein Treuhandvermögen innerhalb der UNESCO, das von dieser auch verwaltet werden kann,365 wohl im Sinne des Welterbes entschieden wurde. Die ausdrückliche Option des UNESCO-Übereinkommens für die zweite Variante366 hat sicherlich mit zur hohen Glaubwürdigkeit und breiten Akzeptanz des UNESCO-Regimes sowohl in entwickelten als auch in Entwicklungsländern beigetragen. Andere Umweltübereinkommen sind teilweise den ersten Weg gegangen und sehen sich nun einiger Kritik hinsichtlich der Legitimität der Verwaltung ausgesetzt.367 III. Information und Erziehung Der Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt steht eindeutig im Mittelpunkt des UNESCO-Übereinkommens. Ein besonderer Aspekt dieses Schutzes hat im VI. Abschnitt des Übereinkommens368 jedoch eine seiner eigentlichen Bedeutung nicht ganz angemessene exponierte Stellung erhalten. Der Grund für diese besondere Erwähnung der Erziehungsprogramme liegt fraglos in der Ausarbeitung dieser Konvention unter der Ägide der UNESCO. Als Wissenschaftsorganisation, die ausdrücklich „Erziehung/Education“ im Namen trägt, hat sie sich zur Aufgabe gemacht, die „die Volksbildung und [die] Verbreitung von Kultur“369 sowie allgemein,

363 364

D., I.

Vgl. Art. 15 Abs. 1 WKÜ. Dazu sowie zum einzigen Ausnahmetatbestand schon oben unter 1. Teil, 3. Kapitel,

365 Preliminary Study on the Legal and Technical Aspects of a Possible International Instrument for the Protection of Monuments and Sites of Universal Value, UNESCO Doc. 16 C/19 Annex, Nr. 72 ff. 366 Art. 15 Abs. 2 WKÜ. 367 Dazu insbesondere Hey, Exercising Delegated Public Powers. Multilateral Environmental Agreements and Multilateral Funds, in: Wolfrum/Röben (Hrsg.), Developments in International Law in Treaty Making, S. 437 ff. und vor allem S. 454 ff. 368 Art. 27 und 28 WKÜ. 369 UNESCO-Verfassung Art. 1 Abs. 2 lit. b).

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Wissen zu bewahren und zu verbreiten.370 Dieses musste sicher demgemäß auch im Welterbeübereinkommen seinen Niederschlag finden. Darüber hinaus erfüllen Erziehung und Information selbstverständlich auch einen wesentlichen Vertragszweck. Denn diejenigen, die Wissen über das Erbe der Welt besitzen, werden eher in der Lage sein und den Willen aufbringen, dieses Erbe entsprechend zu schützen. Die konkreten Verpflichtungen der Konvention hinsichtlich Information und Erziehung sind übersichtlich. Die Vertragsparteien haben durch Erziehungsprogramme das Bewusstsein ihrer Völker für das Erbe zu stärken, welches der Legaldefinition des Übereinkommens unterfällt, und über die potentiellen oder konkreten Gefährdungen aufzuklären.371 In diesem Rahmen sollen auch Maßnahmen der internationalen Unterstützung bekanntgemacht werden.372 Die operational guidelines machen in diesem Bereich grundsätzlich keine weiter gehenden Ausführungen zur Durchführung dieser beiden Vorschriften über Erziehung und Information. Sie enthalten lediglich einen Verweis auf die vom Welterbekomitee im Jahre 2001 angenommene Globale Ausbildungsstrategie für das Weltkultur- und Weltnaturerbe.373 Ziel der Initiative ist es insbesondere, Experten für eine Verbesserung der Durchführung des Übereinkommens zu schulen.374 4. Kapitel

Die Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee Die Erstellung der „Liste des Erbes der Welt“ (Welterbeliste) gemäß Art. 11 Abs. 2 WKÜ erfolgt in einem mehrphasigen Verfahren, das auf zwei unterschiedlichen Ebenen, der nationalen, in Form einer Anmeldung durch die jeweilige Vertragspartei (A.), und der internationalen, im Wege der Entscheidung durch das Welterbekomitee (B.), durchgeführt wird.

370 371 372 373

24.

UNESCO-Verfassung Art. 1 Abs. 2 lit. c). Art. 27 Abs. 1 und 2 WKÜ. Art. 28 WKÜ. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 213; UNESCO Doc. WHC-01/CONF.208/

374 Zum Forum UNESCO-University and Heritage Network eingehend Vujicic-Lugassy/ Richon, Art. 27 – 28, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 330 ff.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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A. Nationales Meldeverfahren der Vertragsparteien Das nationale Meldeverfahren wiederum lässt sich ebenfalls in zwei Phasen einteilen. Die erste endet mit der Erstellung der Vorschlagsliste, der so genannten tentative list, auf der diejenigen Stätten verzeichnet sind, die zu einem späteren Zeitpunkt als Erbe der Welt gemeldet werden sollen (I.) und die zweite stellt die tatsächliche Anmeldung bei der UNESCO dar (II.). Die Anmeldungen, die von den Vertragsparteien durchgeführt werden, sehen sich seit einigen Jahren Steuerungsversuchen verschiedener Vertragsgremien im Wege der Initiative für eine repräsentativere Welterbeliste ausgesetzt (III.). I. Nationale Vorschlagsliste 1. Generelle Regelungen Für die erste Phase, der Aufstellung der jeweiligen nationalen Vorschlagsliste enthält das Übereinkommen keine generelle Bestimmung, der Schlussfolgerungen für das Meldeverfahren der jeweiligen Vertragspartei zu entnehmen sind. Art. 11 Abs. 1 WKÜ bestimmt lediglich, dass dem Komitee durch die Vertragsstaaten Verzeichnisse von Gütern vorzulegen sind, die für eine Eintragung in die Welterbeliste gemäß Art. 11 Abs. 2 WKÜ geeignet sind.375 Auch die operational guidelines haben lediglich formelle und inhaltliche Anforderungen für die das nationale Meldeverfahren abschließende Anmeldung formuliert, jedoch keinerlei allgemeingültige Bestimmungen aufgestellt, wie die Vertragsparteien das Verfahren zur Aufstellung einer derartigen Liste zu organisieren haben.376 Lediglich die Notwendigkeit der Eintragung einer Stätte auf einer nationalen Vorschlagsliste vor einer Befassung des Welterbekomitees mit einer solchen Anmeldung kann als zwingende Voraussetzung festgestellt werden.377

375

Dieser Aufforderung sind derzeit 179 von 190 Vertragsparteien nachgekommen. Siehe unter http://whc.unesco.org/en/tentativelists/ (Zuletzt aufgerufen am: 15. 10. 2015). 376 Sie fordern die Vertragsstaaten lediglich auf, möglichst viele unterschiedliche Akteure bei der Ausarbeitung der Vorschlagsliste zu beteiligen, UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 64. 377 So bestimmt Art. 11 Abs. 2 WKÜ: „Das Komitee wird auf Grund der von den Staaten nach Abs. 1 vorgelegten Verzeichnisse unter der Bezeichnung „Liste des Erbes der Welt“ eine Liste (…) aufstellen (…).“ (Hervorbungen des Verfassers). Dies wird mittlerweile von den operational guidelines bestätigt und verstärkt. Dort heißt es: „Anmeldungen für die Liste des Erbes der Welt werden nur geprüft, wenn das angemeldete Gut bereits in die Vorschlagsliste des Vertragsstaats aufgenommen worden ist.“, UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 63 m.w.N. Anders jedoch wohl vor der Reform für eine bessere Repräsentativität der Welterbeliste als die Abgabe von tentative lists lediglich für Kulturerbe gefordert wurde, Strasser, „Putting Reform Into Action“ – Thirty Years of the World Heritage Convention, IJCP 11 (2002), 215 (233).

96

1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Daher soll an dieser Stelle exemplarisch kurz das Verfahren darstellt werden, anhand dessen die Aufstellung der nationalen Vorschlagsliste in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen wird. 2. Die Erstellung der nationalen Vorschlagsliste am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland Aufgrund ihrer Zuständigkeit für den Denkmalschutz, der den Hauptgegenstand des Übereinkommens bildet, benennen die Länder diejenigen Stätten, die Aufnahme auf die Welterbeliste finden sollen.378 Entsprechendes gilt trotz der Kompetenzen des Bundes auf dem Gebiet des Naturschutzes für die Meldung von Naturerbestätten.379 In der Praxis hatte sich herausgebildet, dass jedes Land zumindest eine und maximal zwei Stätten auswählte, die sich ausschließlich auf seinem Territorium befinden und die seiner Meinung nach die Anforderungen des Welterbeübereinkommens an das Welterbe erfüllten. Darüber hinaus wurden Stätten, die sich auf dem Gebiet mehrerer Bundesländer befinden, von diesen benannt und anschließend im Rahmen der Kultusministerkonferenz zu einer gemeinsamen Vorschlagsliste zusammengeführt.380 Die Initiative ging hierzu von den Kommunen aus, die zunächst innerhalb des jeweiligen Landes um die Meldung für die nationale Vorschlagsliste konkurrieren.381 Am 23. 10. 1998 verabschiedete die Kultusministerkonferenz eine Liste, die in den UNESCO Regularien als so genannte tentative list firmiert und die diejenigen Güter umfasst, die im Zeitraum 2000 – 2010 von der Bundesrepublik zur Aufnahme auf die UNESCO-Welterbeliste gemeldet werden sollten.382 Nach der sogleich noch zu erörternden Reform für eine bessere Repräsentativität der Welterbeliste, die kurz nach Verabschiedung der deutschen tentative list von 1998 initiiert wurde, sollte sich die Realisierung der in der Vorschlagsliste beabsichtigten Neueintragungen jedoch 378 Vgl. Ringbeck/Caspary, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 66. 379 Siehe zu den Gesetzgebungskompetenzen für die unterschiedlichen Materien unten unter 2. Teil, 1. Kapitel, B., I. Wegen des deutlichen Schwerpunktes im Kulturbereich wird eine entsprechende Auswahl der zu meldenden Gebiete auch nach der Föderalismusreform – nach der dem Bund im Bereich des Naturschutzes statt einer bloßen Rahmenkompetenz nunmehr sogar die Kompetenz zur Schaffung von Vollregelungen zusteht – allein von den Ländern bzw. der Kultusministerkonferenz vorgenommen. 380 Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1019). 381 Vgl. Brincks-Murmann, Das Aufnahmeverfahren, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 74 f. 382 Vorläufige Liste der Kultur- und Naturgüter, die in den Jahren 2000 – 2010 von der Bundesrepublik Deutschland zur Aufnahme in die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes angemeldet werden sollen, veröffentlicht vom Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Seit Veröffentlichung der aktualisierten Liste mit Stand 2011 nicht mehr online abrufbar, jedoch noch abgedruckt bei Ringbeck, Deutsche Welterbestätten im Wartestand, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 142 ff.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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schnell als unrealistisch erweisen. Ziel der Reform war es, Anmeldungen unterrepräsentierter Arten von Gütern sowie solche unterrepräsentierter Vertragsparteien zu bevorzugen und die Eintragung europäischer historischer Stadtkerne und damit eines Großteils der deutschen tentative list zu verlangsamen.383 Darauf reagierte die Kultusministerkonferenz und passte ihre Liste entsprechend an.384 In der Folge setzte die Kultusministerkonferenz ferner einen Fachbeirat zur Fortschreibung der nationalen Vorschlagsliste ein, der im April 2014 einen umfassenden Abschlussbericht vorlegte.385 Dieser bezweckt nunmehr die Evaluation von potiellen Welterbestätten anhand einer verstärkten Ausrichtung der Vorschlagsliste an den Reformzielen des UNESCO-Welterbekomitees.386 Die am 1. August 2015 von der Kultusministerkonferenz vorgelegte Fortschreibung der Liste hat sich hieran orientiert.387 II. Anmeldung Das Übereinkommen sieht in Art. 11 Abs. 2 WKÜ vor, dass nach Abgabe der nationalen tentative list, das Welterbekomitee eine Liste mit denjenigen Gütern erstellt, die den von ihm aufgestellten Maßstäben eines Guts von außergewöhnlichem universellen Wert entspricht. Diese Vorschrift könnte man derart interpretieren, dass es nach Abgabe einer nationalen Vorschlagsliste allein dem Welterbekomitee obliegt, ob eine der auf der nationalen Vorschlagsliste befindlichen Stätten Aufnahme auf die Welterbeliste findet. Das Abkommen hat jedoch eine an verschiedenen Stellen deutlich werdende Tendenz, die Souveränität der Mitgliedstaaten in besonderer Art und Weise zu achten. Und so verwundert es nicht, dass in Absatz 3 des383 Vgl. die Resolution der Vertragsparteien des Übereinkommens aus dem Jahre 1999, UNESCO Doc. WHC-99/CONF.206/7 Annex 2. 384 Bei der Überarbeitung der Vorschlagliste für den Zeitraum 2000 – 2010 wurde die stringente Reihung nach Länderproporz und Zeitpunkt des vom entsprechenden Land kundgetanen Willens einer Meldung aufgegeben. Vielmehr wurde nun eine gesonderte Rubrik derjenigen Stätten eröffnet, die ohne Belastung des nationalen Kontingentes zur Eintragung bei der UNESCO angemeldet werden konnten. Diese Liste ist abgedruckt bei Ringbeck, Deutsche Welterbestätten im Wartestand, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 142 ff. 385 Fachbeirat der Kultusministerkonferenz zur Fortschreibung der deutschen Tentativliste für das UNESCO-Welterbe (Hrsg.), Abschlussbericht, S. 1 ff., abrufbar unter: http://www.kmk. org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2014/Abschlussbericht_Fachbeirat.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 386 Fachbeirat der Kultusministerkonferenz zur Fortschreibung der deutschen Tentativliste für das UNESCO-Welterbe (Hrsg.), Abschlussbericht, S. 7, abrufbar unter: http://www.kmk. org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2014/Abschlussbericht_Fachbeirat.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 387 Siehe die aktuelle Liste vom 01. 08. 2015, abrufbar unter: http://www.kmk.org/fileadmin/ pdf/Kultur/Germany-Tentativelist-150801_01.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). Zum bis zum Jahr 2010 geltenden Verfahren, in dem durch die Vorschlagsliste eine fest Reihenfolge vorgegeben war Ringbeck, Deutsche Welterbestätten im Wartestand, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), WelterbeManual, S. 144.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

selben Artikels die Aufnahme auf die Welterbeliste unter den Vorbehalt der Zustimmung des betreffenden Staates gestellt wird.388 Der in dieser Vorschrift beschriebene Ablauf ist jedoch aufgrund der hohen Anzahl von Vertragsparteien und der entsprechenden Masse an Vorschlagslisten nicht mehr durchführbar. Die Praxis hat sich vielmehr dahingehend entwickelt, dass jede Vertragspartei selbst entscheidet, wann sie welches Gut, das sich auf ihrer tentative list befindet, dem Welterbekomitee zur Aufnahme auf die Liste vorschlägt. Erst dann prüft das Komitee, ob seine Kriterien für ein Gut von außergewöhnlichem universellem Wert sowie seit einigen Jahren auch, ob weitere Kriterien389 erfüllt sind. Aus der nachträglichen Zustimmung ist mithin ein „Initiativrecht“ geworden.390 III. Reformen für eine bessere Repräsentativität der Liste Die Ausübung dieses Initiativrechts der Vertragsparteien ist jedoch im Laufe der Jahre sowohl qualitativ als auch quantitativ begrenzt worden.391 Ausgangspunkt der Reformen war der Beschluss der so genannten „Global Strategy“ durch das Welterbekomitee auf seiner 18. Sitzung in Pukhet/Thailand.392 Im Jahre 1999 begann eine Reihe verschiedener Umsetzungsbemühungen der Strategie durch unterschiedliche Gremien, die sich zum Ziel gesetzt hatten, unter anderem eine flächendeckende Vorlage von tentative lists mit dem weitergehenden Ziel einer besseren Gewichtung der Welterbeliste sowohl im Hinblick auf die Kategorien des Erbes als auch auf deren geographische Verteilung zu erreichen.393 388 Die Souveränität wird in diesem Zusammenhang auch als Argument dafür verwendet, dass eine Streichung von der Liste und eine Schutzverpflichtung durch eine bloße Aufnahme auf die tentative list nicht notwendig sei. 389 So z. B. die Existenz von Schutz- und Verwaltungsplänen sowie von Pufferzonen. Siehe dazu unten unter 1. Teil, 4. Kapitel, B., 2., b). Aber bereits das Initiativrecht selbst ist in quantitativer Hinsicht limitiert. Siehe hierzu sogleich unter 1. Teil, 4. Kapitel, A., III. 390 Caspary, Die Aufnahme in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt – Auszeichnung oder Verpflichtung, in: Hoffmann/Keller/Thomas (Hrsg.), Unser Weltkulturerbe, S. 9. 391 Diese Entwicklung ist von Francioni/Lenzerini, The future of the World Heritage Convention, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 409, zu Recht als gegen Sinn und Zweck des Übereinkommens verstoßend angesehen worden, da es dem Übereinkommen nachweislich des eindeutigen Wortlautes um den Schutz der wertvollsten Schätze der Menschheit geht und ein Regionalproporz danach außer Betracht zu bleiben hat. 392 UNESCO Doc. WHC-94/CONF.003/16, Decision 18COM X.10; Schlünkes, Die Globale Strategie für eine ausgewogene Welterbeliste, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 104. 393 Strasser, „Putting Reform Into Action“ – Thirty Years of the World Heritage Convention, IJCP 11 (2002), 215 (233). Zu den übrigen Zielen der Strategie vgl. nur Schlünkes, Die Globale Strategie für eine ausgewogene Welterbeliste, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 104 ff.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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Der erste wesentliche Punkt in der Umsetzung des Komiteebeschlusses war die von der XII. Generalversammlung der Vertragsstaaten des Übereinkommens beschlossene Resolution für eine bessere Repräsentativität der Welterbeliste.394 Sie formulierte die bereits angesprochenen Grobziele in Form eines Appells an die Vertragsparteien. Im Jahre 2000 beschloss das UNESCO-Welterbekomitee, das gemäß Art. 11 Abs. 2 WKÜ über die Aufnahme einer Stätte auf die Welterbeliste zu entscheiden hat, auf seiner jährlichen Sitzung, die in diesem Jahr im australischen Cairns stattfand, eine Neuausrichtung seiner Auswahlstrategie und konkretisierte damit besagte Resolution der Generalversammlung.395 Die wesentlichen Punkte der KomiteeEntscheidung von Cairns in Bezug auf das Anmeldeverfahren396 war die Begrenzung der zu prüfenden nationalen Nominierungen auf 30 neue Nominierungen pro Jahr, wobei jeder Vertragsstaat mit Ausnahme der noch überhaupt nicht repräsentierten Staaten nur ein Gut melden durfte.397 Dieses bedeutete eine drastische Einschränkung der möglichen Nominierungen vor dem Hintergrund, dass auf der Sitzung von Cairns selbst noch über die Aufnahme von 72 nominierten Stätten beraten wurde.398 Diese Beschränkung hat sich allerdings nicht durchsetzen können und wurde durch die Beschlüsse des Welterbekomitees in den folgenden Jahren immer weiter aufgeweicht.399 Diese Änderungen, mit denen gleichzeitig auch die operational guidelines geändert wurden, brachten nach der 31. Sitzung in Christchurch (2007) folgenden Stand.400

394

UNESCO Doc. WHC-99/CONF.206/7 Annex 2. UNESCO Doc. WHC-2000/CONF.204/21, VI. 2. ff. 396 Vgl. auch Strasser, „Putting Reform Into Action“ – Thirty Years of the World Heritage Convention, IJCP 11 (2002), 215 (243 ff.) zur ausgewogeneren Repräsentation des Welterbekomitee sowie zu weiteren Bereichen der Reform sehr ausführlich Braun, Globales Erbe und regionales Ungleichgewicht: Die Repräsentativitätsprobleme der UNESCO-Welterbeliste, S. 290 ff. 397 Die Bevorzugung der noch überhaupt nicht repräsentierten Staaten und damit insbesondere auch der Neumitglieder kam auch in der Budapester Erklärung des Komitees vom 28. 06. 2002 zum Ausdruck, UNESCO Doc. WHC-02/CONF.202/05. 398 UNESCO Doc. WHC-2000/CONF.204/21, X. A. (eigene Zählung). Vgl. zur Reduzierung auch Francioni/Lenzerini, The future of the World Heritage Convention, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 408 m.w.N. 399 Schon im darauf folgenden Jahr wurden ganz pauschal grenzüberschreitende Güter im Sinne der Nr. 134 der operational guidelines sowie Sammelgüter im Sinne von Nr. 137 der operational guidelines aus der Beschränkung der Gesamtzahl an möglichen Nominierungen herausgenommen; vgl. UNESCO Doc. WHC-01/CONF.208/24, abrufbar unter: http://whc. unesco.org/archive/repcom01.htm#sec2b (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 400 Vgl. zu den ersten Ergebnissen der Reform aus dem Jahre 2002 in Bezug auf die operational guidelines, die mittlerweile überarbeitet wurden, Strasser, „Putting Reform Into Action“ – Thirty Years of the World Heritage Convention, IJCP 11 (2002), 215 (247 ff.). 395

100

1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

In einer Übergangsphase wird es den Staaten zugestanden, maximal zwei Neuanmeldungen im Lichte der von der XII. Vertragsstaatenkonferenz vorgegebenen Ziele zu tätigen.401 Die Anzahl der weltweiten Anmeldungen wird auf 45 pro Jahr begrenzt.402 Bei einer Überschreitung dieser Zahl sollen aufgrund eines Prioritätenkataloges die zu evaluierenden Anmeldungen ermittelt werden. Dieser privilegiert zunächst auf der Welterbeliste unterrepräsentierte Vertragsparteien und im Anschluss unterrepräsentiere Kategorien des Erbes wie insbesondere das Naturerbe und gemischtes Erbe.403 Eine Sonderrolle kommt fortan grenzüberschreitenden und transnationalen Gütern zu, die als gemeinsames Projekt mehrerer Vertragsparteien angemeldet werden. Ihre Anmeldung wird nur auf das Kontingent des – beliebig zu bestimmenden – anmeldenden Vertragsstaates angerechnet.404 Diese Form der gemeinsamen Anmeldung grenzüberschreitender Güter bzw. deren Vorbereitung kann seitdem verstärkt beobachtet werden.405

B. Weiteres Verfahren zur Erstellung der „Liste des Erbes der Welt“ auf der Ebene des UNESCO-Welterbekomitees Das Welterbekomitee prüft, wie soeben festgestellt, inzwischen nur noch auf entsprechenden Vorschlag der Vertragspartei, ob ein vorgeschlagenes Gut die Voraussetzungen für die begehrte Aufnahme auf die Welterbeliste erfüllt. Hierbei sollen zunächst in einem ersten Schritt die materiellen Erwägungen, die das Komitee seiner Prüfung zugrunde legt, untersucht werden (I.), um sodann auf die dem Komitee zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten nach Abschluss der Prüfung einzugehen (II.). I. Prüfung durch das Komitee Obwohl die Evaluierung der angemeldeten Stätten nicht ausdrücklich in der Konvention erwähnt wird, ist es gängige Praxis des Welterbesystems, dass die drei

401

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 61 lit. a). UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 61 lit. b). 403 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 61 lit. c) i – iii und iv – v. 404 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 61 lit. d). 405 Vgl. nur die Eintragung des Struve-Meridianbogens als gemeinsame Stätte Weißrusslands, Estlands, Finnlands, Lettlands, Litauens, Moldawiens, Norwegens, Russlands, Schwedens sowie der Ukraine, UNESCO Doc. WHC-05/29.COM/8B, Decision 29.COM/8B.35, oder die unter deutscher, dänischer und norwegischer Beteiligung sowie isländischer Federführung geplante Anmeldung der europäischen Wikingerstätten, die sich seit 2011 unter der Bezeichnung „Viking Monuments and Sites“ auf der der UNESCO gemeldeten nationalen Vorschlagsliste der jeweiligen Staaten befinden. 402

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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Hilfsorgane die erste Prüfung der Anträge vornehmen.406 Sie unternehmen unter anderem auch eine Ortsbesichtigung und bereiten mittels ihrer Evaluierungsberichte die spätere Prüfung und Entscheidung des Komitees vor. Dabei ist ICOMOS für die Evaluierung des Kulturerbes und der IUCN für die Evaluierung des Naturerbes zuständig. Mischformen werden von beiden Organisationen begutachtet. Ihr Prüfungsbericht enthält die Ergebnisse der Untersuchung und gibt dem Welterbekomitee eine Empfehlung hinsichtlich der beantragten Eintragung.407 Diese Empfehlung beinhaltet entweder eine Empfehlung zur Eintragung, zu ihrer Versagung oder aber eine Aufschiebung bzw. Zurückverweisung.408 Gegenstand dieser Untersuchung der advisory bodies und nach dem Übereinkommen die einzige Voraussetzung für die Eintragung in die Welterbeliste ist der „außergewöhnliche universelle Wert“ einer Stätte (1.). Darüber hinaus hat das Welterbekomitee jedoch weitere Kriterien für einen Aufnahme auf die Liste aufgestellt, die zwar formell nach Auffassung des Komitees lediglich Untergliederungen des „außergewöhnlichen universellen Wertes darstellen“,409 inhaltlich jedoch teilweise vom „außergewöhnlichen universellen Wert“ zu trennen sind, weil sie zusätzliche410 Voraussetzungen an eine gemeldete Stätte formulieren und daher als vom außergewöhnlichen universellen Wert getrennte Kriterien im Rahmen dieser Arbeit betrachtet werden sollen (2.). 1. Außergewöhnlicher universeller Wert a) Der Begriff des „außergewöhnlichen universellen Wertes“ in den Richtlinien (operational guidelines) Der Begriff des „außergewöhnlichen universellen Wertes“ ist einer der Schlüsselbegriffe des Übereinkommens. Die Definitionen des Kultur- und Naturerbes in Art. 1 und 2 WKÜ enthalten ihn als gemeinsames kennzeichnendes Merkmal. Ferner 406 Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1853); dies., The International Regime for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, S. 29. 407 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 143 ff. 408 Brincks-Murmann, Das Aufnahmeverfahren, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 78. 409 Vgl. dazu UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 78: „To be deemed of Outstanding Universal Value, a property must also meet the conditions of integrity and/or authenticity and must have an adequate protection and management system to ensure its safeguarding.“ 410 Vgl. zur diesbezüglichen Widersprüchlichkeit der Richtlinien UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 92: „Properties proposed under criterion (vii) should be of Outstanding Universal Value and include areas that are essential for maintaining the beauty of the property.“ Ferner UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 91: „In addition, for properties nominated under criteria (vii) to (x), a corresponding condition of integrity has been defined for each criterion.“ (Hervorhebungen sind solche des Verfassers).

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

wird er schon in der Präambel erwähnt.411 Schließlich soll das Welterbekomitee Maßstäbe für diesen Wert festlegen und anhand derer eine „Liste des Erbes der Welt“ erstellen.412 Das Welterbekomitee hat den Begriff entsprechend in den ersten operational guidelines definiert und seitdem ständig fortentwickelt. Die letzte große Änderung resultierte in der Zusammenlegung der Kriterien anhand derer sowohl Kultur- als auch Naturerbestätten ein außergewöhnlicher universeller Wert beigemessen werden kann.413 Sie war der Erkenntnis geschuldet, dass der Schutz von Kombinationen aus Kultur- und Naturerbe, insbesondere den Kulturlandschaften, wünschenswert erschien. Nach der vorangestellten allgemeinen Definition bezeichnet der außergewöhnliche universelle Wert „eine kulturelle und/oder natürliche Bedeutung, die so außergewöhnlich ist, dass sie die nationalen Grenzen durchdringt und sowohl für gegenwärtige als auch für künftige Generationen der gesamten Menschheit von Bedeutung ist.“414 Dazu treten dann spezielle Merkmale (i – x), die darlegen, welche Eigenschaften ein solcher Wert aufweisen soll.415 411

Erwägungsgründe Nr. 7 und 8 der Präambel. Art. 11 Abs. 2 WKÜ. 413 Beschlossen auf der 6. außerordentlichen Sitzung des Komitees 2003 in Paris, UNESCO WHC Decision 6EXT.COM5.1, und erstmalig aufgeführt in den im Jahre 2005 veröffentlichten operational guidelines. 414 Zitiert nach Nr. 47 der deutschen Übersetzung der operational guidelines (2008), WHC. 01/08 vom Januar 2008, abgedruckt in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 191 ff. Das Kriterium ist unverändert in den aktuellen UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 47. 415 Danach soll eine Stätte gemäß UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 77, zitiert nach der deutschen Übersetzung der in diesem Fall textgleichen operational guidelines (2008): „i) ein Meisterwerk der Menschlichen Schöpferkraft darstellen; ii) für einen Zeitraum oder in einem Kulturgebiet der Erde einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf die Entwicklung der Architektur oder Technik, der Großplastik, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung aufzeigen; iii) ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen; iv) ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen; v) ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Siedlungsform, Bodenoder Meeresnutzung darstellen, die für eine oder mehrere bestimmte Kulturen typisch ist, oder in der Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt, insbesondere wenn diese unter dem Druck unaufhaltsamen Wandels vom Untergang bedroht wird; vi) in unmittelbarer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder überlieferten Lebensformen, mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen oder mit künstlerischen oder literarischen Werken von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft sein (…); vii) überragende Naturerscheinungen oder Gebiete von außergewöhnlicher Naturschönheit und ästhetischer Bedeutung aufweisen; 412

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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b) Bedeutung des außergewöhnlichen universellen Wertes für das Übereinkommen Das Kriterium des „außergewöhnlichen universellen Wertes“ ist das entscheidende Abgrenzungskriterium für das zu schützende Erbe im Rahmen dieses Übereinkommens. Es dient zum einen den Vertragsparteien als entscheidende Richtschnur bei der Bestimmung desjenigen Erbes, welches sie gemäß der Verpflichtungen des Vertrages zu bestimmen (Art. 3 WKÜ) und zu schützen (insbesondere Art. 4 und 5 WKÜ) haben.416 Ihm kommt allerdings, wie bereits erwähnt, eine weitere Funktion – mithin eine etwas verwirrende Doppelrolle – zu. Der Nachweis des außergewöhnlichen universellen Wertes einer von einem Mitgliedstaat ausgewählten und angemeldeten Stätte ist insbesondere auch für deren Eintragung in die Welterbeliste notwendig. Man könnte zunächst meinen, dass das Vorhandensein eines außergewöhnlichen universellen Wertes bei einer Stätte automatisch zu deren Eintragung in die Welterbeliste führen müsste. Diese Interpretation scheint beispielsweise Art. 11 Abs. 2 WKÜ auch zu stützen, der bestimmt, dass das Welterbekomitee die Welterbeliste für solche Güter aufstellen soll, „die nach seiner Auffassung nach den von ihm festgelegten Maßstäben von außergewöhnlichem universellen Wert sind“. Daraus könnte man schließen, dass das Vorhandensein des vom Welterbekomitee definierten außergewöhnlichen universellen Wertes einer Stätte, das Welterbkomitee zu seiner Eintragung verpflichtet. Auch der in der Präambel des Übereinkommens zum Ausdruck kommende Duktus des Übereinkommens besonders herausragende, im Interesse der gesamten Menschheit stehende Güter schützen zu müssen geht in diese Richtung.417 Doch zum einen spricht die Bestimmung des Art. 12 WKÜ eindeutig gegen diese Interpretation, da die Norm bestimmt, dass es Erbe von „außergewöhnlichem universellem Wert“ geben soll, welches nicht auf der Welterbeliste eingetragen ist, da es nicht den mit den Listen verfolgten Zweck erfüllt. Gegen die Vorstellung eines viii) außergewöhnliche Beispiele der Hauptstufen der Erdgeschichte darstellen, darunter der Entwicklung des Lebens, wesentlicher im Gang befindlicher geologischer Prozesse bei der Entwicklung von Landschaftsformen oder wesentlicher geomorphologischer oder physiographischer Merkmale; ix) außergewöhnliche Beispiele bedeutender im Gang befindlicher ökologischer und biologischer Prozesse in der Evolution und Entwicklung von Land-, Süßwasser-, Küsten-, und Meeres-Ökosystemen sowie Pflanzen- und Tiergemeinschaften darstellen; x) die für die In-situ-Erhaltung der biologischen Vielfalt bedeutendsten und typischsten natürlichen Lebensräume, einschließlich solcher, die bedrohte Arten enthalten, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.“ 416 Art. 3 WKÜ. 417 Erwägungsgrund Nr. 6 der Präambel: „in der Erwägung das Teile des Kultur- und Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung sind und daher als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten werden müssen“.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

besonders herausragenden Erbes, welchem eben dieser „außergewöhnliche universelle Wert“ zukommt, spricht zum anderen der Befund einer Strategie zur besseren Repräsentativität der Welterbeliste, die eine Anmeldung durch bestimmte Staaten oder von bestimmten Arten von Stätten verhindert und damit die Auslese des weltweit Erlesensten konterkarieren muss. Und ebenso darf gefragt werden, ob tatsächlich jede der zahlreichen in die Liste eingetragenen europäischen Altstädte über einen so außergewöhnlichen, für die gesamte Menschheit herausragenden Wert verfügen, dass sie tatsächlich zur „ausgewählte[n] Anzahl der vom internationalen Standpunkt hervorragendsten Güter“418 gehören,419 die das Übereinkommen nach Auffassung des Komitees und offenbar auch der vertragschließenden Staaten durch Eintragung in die Welterbeliste einem herausgehobenen Schutz verleihen wollen. Diese noch recht oberflächlichen Überlegungen legen bereits nahe, dass der „außergewöhnliche universelle Wert“ kein objektivierbares Kriterium für das herausragendste Erbe der Welt ist, sondern dem Welterbekomitee vielmehr als flexibles Instrument einer von ihm bestimmten Welterbestrategie zur Rettung bedeutenden Kultur- und Naturerbes mittels der weltweit beachteten Welterbeliste dient. Diese These soll im Folgenden nun näher untersucht werden. c) Auslegung des Begriffs „außergewöhnlicher universeller Wert“ Der außergewöhnliche universelle Wert eines Erbes wird, wie erwähnt, vom Übereinkommen bereits zweimal in der Präambel genannt420 und dann zum integralen Bestandteil des in Art. 1 und 2 WKÜ definierten Kultur- und Naturerbes erklärt. Das auf ihrem Hoheitsgebiet befindliche Erbe müssen die Vertragsparteien bestimmen.421 Doch nicht nur sie haben daraus folgend ein Interesse an einer Auslegung des Begriffs, sondern auch das Welterbekomitee, da sich unter anderem nach der Erfüllung dieses Kriteriums – jedoch nicht ausschließlich danach422 – die Aufnahme auf die Welterbeliste bemisst und das Komitee die Aufgabe hat, die Kriterien für eine Aufnahme auf die Liste festzulegen.423 Der in der authentischen englischen Sprachfassung verwendete Begriff „outstanding“ bedeutet „that stands out of the rest; noteworthy. Also: remarkable, exceptionally good“424. Die deutsche Übersetzung des Ausdrucks ist damit schon sehr 418 419

(236). 420

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 52. Vgl. Titchen, On the construction of „outstanding universal value“, CMAS 1 (1996), 235

Erwägungsgründe Nr. 7 und 8 der Präambel. Art. 3 WKÜ. 422 Art. 11 Abs. 5 („aufgenommen werden kann“) und Art. 12 WKÜ („für andere als die sich aus der Aufnahme in diese Listen ergebenden Zwecke“). 423 Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 WKÜ. 424 Oxford English Dictionary, Onlineausgabe, abrufbar unter: www.oed.com (Stand: 31. 05. 2013). 421

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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präzise, weil etwas gemeint ist, was eine positive über den Bereich des Normalen reichende Ausstrahlung besitzt, mithin positiv und deutlich auffällt. Der Begriff „universal“ wird durch „extending over or including the whole of something specified or implied, especially the whole of a particular group or the whole world; comprehensive, complete; widely occurring or existing, prevalent over all“425 erklärt. Er kann damit mindestens zwei leicht unterschiedliche Bedeutungen haben. Zum einen kann er eine Ausdehnung über alles andere, so etwas wie ein Oberbegriff oder etwas Allgemeingültiges, für alles passende bzw. von allen Akzeptierte meinen, zum anderen aber auch überall vorkommend. Letztere Auslegung scheint möglicherweise ausschließlich auf Naturerbestätten anwendbar zu sein.426 Denn diese Kombination, zwischen etwas Herausragendem, was gleichzeitig überall vorkommt, ist kennzeichnend für viele Aspekte von Natur. Insgesamt scheint die Kombination der Begrifflichkeiten jedoch eher etwas Herausragendes zu meinen, was allgemeine Akzeptanz findet, etwas, das überall anerkannt ist. Diese Auslegung spräche für den Eindruck, dass nur die bedeutsamsten Stücke der Kultur und Natur zum Gegenstand des Übereinkommens und den geführten Listen gehören sollten. Eine Interpretation, die den Schutz der besonderen Kulturund Naturschätze einer Nation, Ethnie oder Region zur repräsentativen Abbildung des Erbes der gesamten Menschheit zum Gegenstand des Übereinkommens machen möchte, kann durch den Wortlaut keine Bestätigung finden. Die Bestimmung des Zwecks der Listen ist jedoch ausweislich des bereits zitierten Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 WKÜ ausdrücklich dem Welterbekomitee überantwortet. Dieses wünscht zumindest mittlerweile die Repräsentation aller Kulturen durch Stätten auf der Welterbeliste. Die travaux préparatoires lassen keinen Aufschluss darüber zu, was der „außergewöhnliche universelle Wert“ genau zum Gegenstand haben sollen. Bereits während der Aushandlung des Übereinkommens kam es zum Aufeinandertreffen der beiden darstellten, unterschiedlichen Positionen. Auf der einen Seite diejenige, die nur wenige herausragende Objekte einem internationalen Schutz zuführen wollte, und auf der anderen Seite diejenige, die für eine repräsentative Auswahl des Erbes aller Völker plädierte.427 Die Veränderung der in den ursprünglichen Vorarbeiten veränderten Begrifflichkeiten lässt allerdings keinen Schluss darüber zu, welche Position sich letztendlich durchsetzen konnte.428

425 Oxford English Dictionary, Onlineausgabe, abrufbar unter: www.oed.com (Stand: 31. 05. 2013). 426 Anders Francioni, Preamble, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, A Commentary, S. 20, der dort den Aspekt der Repräsentativität hineinliest. 427 UNESCO Doc. SHC/MD/18 Annex II, 11. Dazu auch Meyer, Travaux Préparatoires for the UNESCO World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (49). 428 Meyer, Travaux Préparatoires for the UNESCO World Heritage Convention, ELJ 2 (1976), 45 (49).

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Doch die nachfolgende Praxis, welche bei der Auslegung der Norm gemäß des Völkergewohnheitsrecht verkörpernden Art. 31 Abs. 3 lit. b) WVRK noch vor der Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen ist, zeichnet ein deutlicheres Bild. In den ersten zwanzig Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens meldeten die Vertragsparteien – teilweise möglicherweise mit Blick auf etwaige touristische Gewinne429 – eine enorme Anzahl von Stätten beim Welterbekomitee zur Eintragung in die Welterbeliste an. Diesen Anträgen wurde durch das Komitee zudem auch großzügig entsprochen, was dazu führte, dass der „außergewöhnliche universelle Wert“ im Regelfall auch lediglich national oder regional bedeutsamen Gütern zugebilligt wurde.430 Den Weg zu dieser Praxis ebneten die ersten operational guidelines vom 30. Juni 1977, in denen sich das Welterbekomitee über die Vorstellungen der Entscheidung der vertragsschließenden Staaten hinweggesetzt hat und feststellte: „The definition of ,universal‘ in the phrase ,outstanding universal value‘ requires comment. Some properties may not be recognized by all people, everywhere, to be of great importance and significance. Opinions may vary from one culture or period to another and the term ,universal‘ must therefore be interpreted as referring to a property which is highly representative of the culture of which it forms part.“431

Diese Praxis stieß bereits relativ früh auf Kritik, wie ein 1979 vom Welterbekomitee in Auftrag gegebener Bericht deutlich macht.432 Zwar wurde diese Formulierung in den 1980 veröffentlichten Richtlinien nicht übernommen, was jedoch nichts an der Praxis des Komitees zu ändern vermochte. Es darf daher als allgemein anerkannt gelten, dass der „außergewöhnliche universelle Wert“, wie er für die Eintragung auf die Welterbeliste vorliegen muss, in der nachfolgenden Praxis so extensiv interpretiert wurde, dass er auch lediglich regional bedeutsame Güter umfasste, um die Welterbeliste nach und nach einer besseren regionalen und kulturellen Repräsentation zuzuführen.433

429

Zu diesem Aspekt einer Meldung beispielhaft Jackenkroll, I-Tüpfelchen UNESCOWelterbe?, ViS 2008, 171 (180 f.); Ringbeck/Caspary in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 67. Die touristischen Gewinne belegen für australische Welterbestätten Tisdell/Wilson, World Heritage Listing of Australian Natural Sites: Tourism Stimulus and its Economic Value, EAP 32 (2002), 27 ff. Diese fallen für die untersuchten Gebiete allerdings geringer als erwartet aus. 430 Titchen, On the construction of „outstanding universal value“, CMAS 1 (1996), 235 (236). 431 UNESCO operational guidelines (1977), CC-77/CONF.001/8, Nr. 6. 432 ICOMOS (Hrsg.), What is OUV? Defining the Outstanding Universal Value of Cultural World Heritage Properties, S. 13; Bericht von Parent, abgedruckt ebd. Annex II. 433 Braun, Globales Erbe und regionales Ungleichgewicht: Die Repräsentationsprobleme der UNESCO-Welterbeliste, S. 111; Francioni, Preamble, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, A Commentary, S. 20; Titchen, On the construction of „outstanding universal value“, CMAS 1 (1996), 235 (236).

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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d) Bedeutung der Auslegung für die Welterbeliste Anfang der 1990er Jahre erkannte das Welterbekomitee ein Überborden der Welterbeliste mit nur bedingt bedeutsamen Gütern und beschloss im Folgenden eine neue Strategie.434 Eine von ICOMOS durchgeführte Studie war zu dem Ergebnis eines großen Ungleichgewichts bei der Repräsentation einzelner Weltregionen und Arten des Welterbes gekommen, so dass, wie bereits beschrieben,435 die Ausarbeitung einer neuen Strategie zur besseren Repräsentativität der Liste ausgearbeitet wurde.436 Die so genannte „Global Strategy“ sieht vor, unterrepräsentierte Güter und Staaten bei der Eintragung besonders zu fördern und beinhaltete teilweise sogar kurzzeitig einen völligen Aufnahmestopp für bestimmtes Erbe.437 Die festgestellte Entwicklung der Praxis der Welterbeliste, nicht die Auswahl der herausragendsten Orte zu repräsentieren,438 wurde durch diese neue Strategie damit nicht etwa korrigiert, sondern die bereits eingeschlagene Richtung zur Repräsentation des regional Besten bestärkt. Dies geschah allerdings, ohne dabei die vom Begriff des außergewöhnlichen universellen Erbes abzuweichen oder ihn in seiner Definition in den operational guidelines zu verändern. Vielmehr wird dort weiterhin betont, dass das Übereinkommen „nur eine ausgewählte Anzahl der vom internationalen Standpunkt hervorragendsten Güter“ schützen will.439 Die Lösung dieses Widerspruchs ist in der Änderung des Listenzwecks zu suchen. Formal versucht das Komitee zwar den erhabenen Charakter der Liste aufrecht zu erhalten, de facto jedoch ist die neue „Global Strategy“ ein Paradigmenwechsel nicht nur für die Definition des außergewöhnlichen universellen Erbes, sondern auch der Welterbeliste.440 Diese soll nunmehr lediglich noch einen Querschnitt des Besten der unterschiedlichen Erdteile, Kulturen und Nationen abbilden. Anders als bei der Auslegung des Begriffs „außergewöhnlicher universeller Wert“ besitzt das Komitee für diese Umwidmung des Listenzwecks auch eine Kompetenzgrundlage, die in Art. 11 Abs. 5 WKÜ i.V.m. Art. 12 WKÜ zu finden ist. Dort wird bestimmt, dass eine 434 Titchen, On the construction of „outstanding universal value“, CMAS 1 (1996), 235 (236 f.); vgl. auch Francioni, Preamble, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, A Commentary, S. 20. 435 Siehe oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, A., III. 436 UNESCO Doc. WHC-94/CONF.003/INF.6. 437 Siehe auch die Bestätigung durch die Budapester Erklärung von 2002, UNESCO Doc. WHC-02/CONF.202/25, Decision 26COM9: „strengthen the Credibility of the World Heritage List, as a representative and geographically balanced testimony of cultural and natural outstanding universal value.“ 438 Braun, Globales Erbe und regionales Ungleichgewicht: Die Repräsentationsprobleme der UNESCO-Welterbeliste, S. 111. 439 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 52. 440 Vgl. auch Musitelli, World Heritage, between Universalism and Globalisation, IJCP 11 (2002), 323 (328 f.).

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Nichtaufnahme in die Listen nicht bedeutet, „dass dieses Gut nicht für andere als die sich aus der Aufnahme in diese Listen ergebenden Zwecke von außergewöhnlichem universellen Wert ist.“441 Damit steht zunächst nur fest, dass nicht jedes Gut mit außergewöhnlichem universellem Wert auch in die Welterbeliste einzutragen ist, insbesondere dann nicht, wenn es nicht dem Zweck der Liste entspricht. Daneben heißt es dann im Übereinkommenstext, dass die Maßstäbe durch das Komitee bestimmt werden, „nach denen ein zum Kultur- oder Naturerbe gehörendes Gut in eine der in den Absätzen 2 und 4 bezeichneten Listen aufgenommen werden kann.“442 Somit bestimmt allein das Komitee den Listenzweck. Die Entwicklung der Welterbeliste, zunächst nur einige wenige prominente Güter aufzuführen und sie mit der hervorgehobenen Stellung für eine internationale Zusammenarbeit zugunsten ihres Schutzes zu empfehlen, zu ihrer heutigen Bedeutung als Repräsentationsplattform musealen Charakters für Kultur und Natur aller Regionen der Erde mit einer auf nicht viel mehr als den Tourismus begrenzten Bedeutung, ist dementsprechend vom Welterbekomitee in Konformität mit seinen Befugnissen geschehen. Das eben Gesagte hat jedoch lediglich Aussagekraft für die Welterbeliste sowie die Auslegung des „außergewöhnlichen universellen Charakters“ und muss von den rechtlichen Wirkungen, wie noch zu sehen sein wird, scharf abgegrenzt werden. e) Zwischenergebnis Der außergewöhnliche universelle Wert eines Kultur- oder Naturerbes muss so ausgelegt werden, dass er bereits möglicherweise lediglich national oder regional bedeutsamen Gütern anhaftet, die den vom Welterbekomitee recht allgemein formulierten Bedingungen entsprechen.443 Das Vorliegen eines außergewöhnlichen universellen Wertes muss nicht zwangsläufig zur Aufnahme des Gutes, welches ihn aufweist, auf die Welterbeliste führen. Hierfür wurde dem Welterbekomitee von den Vertragsparteien ein recht weiter Ermessensspielraum zugebilligt. Allerdings muss auch betont werden, dass aufgrund der Doppelnatur des Kriteriums des „außergewöhnlichen universellen Wertes“ durch die recht weite Definition des Begriffes in den guidelines zugleich eine Verbreiterung des Schutzgegenstandes des Übereinkommens erreicht wurde, da der außergewöhnliche universelle Wert nunmehr nicht mehr nur den absolut herausragendsten Stätten anhaftet und dementsprechend mehr Güter von den Definitionen der Art. 1 und 2 WKÜ erfasst werden, die das Kriterium des außergewöhnlichen universellen Wertes ebenfalls beinhalten. Die Herabsetzung dieser Schwelle ist auch nachvollziehbar, da hierdurch die Basis für die Bestimmung und Meldung von Stätten verbreitert wird, so dass das Welterbekomitee ein größeres Reservoir für die Erstellung der Welterbeliste nach den von ihm vorgegebenen Zwecken hat. 441 442 443

Art. 12 WKÜ. Art. 11 Abs. 5 WKÜ. Siehe dazu schon oben unter 1. Teil, 2. Kapitel, B., II.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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2. Weitere Kriterien Neben zumindest einem in den Richtlinien aufgelisteten allgemeinen Merkmal, welches den außergewöhnlichen universellen Wert maßgeblich ausmachen soll bzw. nach hiesigem Verständnis zu diesem Wert hinzutreten müssen, müssen noch weitere, besondere Kriterien hinzukommen, damit die Voraussetzungen zur Listenaufnahme erfüllt werden. Hierzu hat das Welterbekomitee weitere Kategorien von Merkmalen benannt. Dieses sind die Unversehrtheit und/oder Echtheit einer Stätte, sowie die Existenz eines Schutz- oder Verwaltungsplanes.444 a) Unversehrtheit und/oder Echtheit Die seltsame Bezeichnung des Kriteriums „Unversehrtheit und/oder Echtheit“ resultiert daher, dass bis zur erwähnten Zusammenlegung der Kriterien für außergewöhnliches universelles Kultur- und Naturerbe das Echtheitskriterium lediglich von der Teilgruppe der Kulturgüter erfüllt werden musste, während beiden Gruppe (zudem) dem Unversehrtheitsprüfstein standhalten mussten. aa) Unversehrtheit Im Mittelpunkt der unter dem Aspekt der Unversehrtheit vorzunehmenden Prüfung untersuchen die advisory bodies, ob ein angemeldetes Gut die Aspekte der Vollständigkeit, der hinreichenden Größe und der Intaktheit aufweist, die für eine Eintragung notwendig sind.445 Dazu führen die Richtlinien einzelne, besonders zu beachtende Aspekte für jedes der oben aufgeführten Merkmale (i – xii) des außergewöhnlichen universellen Wertes auf. Dabei fällt auf, dass Anforderungen an die Echtheit von Naturgütern wesentlich detaillierter beschrieben werden.446 Im Prinzip handelt es sich bei der Unversehrtheit um eine weitere Spezifizierung der einzelnen Aspekte des außergewöhnlichen universellen Wertes, die lediglich sämtlich unter dem Kriterium der Intaktheit beleuchtet werden. bb) Echtheit Die Bestimmung des Kriteriums der Echtheit bemisst sich nach den im so genannten Nara-Dokument zur Echtheit aufgestellten Grundsätzen.447 Das Nara-Dokument ist Ergebnis einer internationalen Konferenz von Staatenvertretern und internationalen Experten im Jahre 1994 in Nara, Japan. Es verfügt über keine völkerrechtliche Bindung, wurde jedoch vom Welterbekomitee auf seiner 18. Sitzung in

444 445 446 447

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 78. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 88. Vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 91 – 95 im Vergleich zu Nr. 89. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 79.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Phuket geprüft448 und hat Aufnahme in die operational guidelines gefunden.449 Bei der Frage der Echtheit kultureller Güter geht es im Kern darum, wie glaubwürdig Informationsquellen diesen Wert belegen können.450 Nur am Rande betrifft diese Thematik daher die sich aufdrängende Frage nach der Ursprünglichkeit einer Stätte. Viele europäische Städte wurden im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe teils schwer oder sogar völlig zerstört, einzelne nach dem Krieg nach den alten Plänen wiedererrichtet. Die sich in diesem Zusammenhang stellende Frage nach der Echtheit einer solchen „historischen“ Stätte und damit der Fähigkeit, außergewöhnlichen universellen Charakter zu haben, beantworten die operational guidelines ebenfalls mit dem des Nara-Dokuments innewohnenden Kern, der (Gegen-)Frage nach der Glaubhaftigkeit der Quellen auf Grundlage derer die Rekonstruktion stattgefunden hat.451 Sofern dargelegt werden kann, dass sich der Wiederaufbau auf die originellen Pläne gestützt hat, ist die grundsätzlich zu verneinende Echtheit einer Rekonstruktion im Ausnahmefall doch zu begründen.452 Im Wesentlichen geht es allerdings um die Schwierigkeit anderer (außereuropäischer) Kulturen, den historischen Wert einer Stätte nachzuweisen.453 Die Bedeutung historischer Stätten wird in anderen Kulturkreisen als der westlichen Welt häufig nicht in schriftlicher Weise, sondern in einer anderen Kulturform überliefert.454 Deshalb bestimmen die Richtlinien ausdrücklich, dass die Echtheit von Gütern als belegt anerkannt werden kann, „wenn ihr kultureller Wert (…) wahrheitsgemäß und glaubwürdig durch eine Vielzahl von Merkmalen zum Ausdruck gebracht wird, darunter – Form und Gestaltung, – Material und Substanz, – Gebrauch und Funktion, – Traditionen, Techniken und Verwaltungssysteme, – Lage und Gesamtzusammenhang, – Sprache und andere Formen des immateriellen Erbes, 448

UNESCO Doc. WHC-94/CONF.003/16. Vgl. die Bezüge in UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 79 und Nr. 80 – 86 sowie des vollständigen Dokuments in Annex 4 zu den operational guidelines (2012). 450 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 80. 451 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 86. 452 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 86. 453 Die Zwecke des künstlerischen sowie des wissenschaftlichen Wertes sind in der Regel leichter nachzuweisen und werden daher vom Nara-Dokument auch außer Betracht gelassen. 454 Diese Besonderheit bezieht sich nicht ausschließlich auf Objekte, sondern macht auch vor Gesetzen nicht halt. Man denke dabei nur an die Charta von Mandén, die als eines der ersten Menschenrechtsdokumente gilt und als solches vom Zwischenstaatlichen Komitee des UNESCO-Übereinkommens zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes in die Liste des repräsentativen immateriellen Kulturerbes eingetragen wurde, UNESCO Doc. 4.COM 13.59. 449

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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– Geist und Gefühl, – andere interne und externe Faktoren“.455

b) Schutz- und Verwaltungsplan sowie Pufferzonen Bereits die ersten operational guidelines enthielten einen Hinweis auf die Notwendigkeit von Managementplänen.456 Ein solcher wurde als Teil der Anmeldung gefordert. Dieses steht jedoch in keinem Verhältnis zu den Anforderungen, die das Welterbekomitee heute an Schutz- und Verwaltungspläne stellt, die bereits bei der Anmeldung einer Stätte vorliegen müssen.457 Im Rahmen dieser Forderungen hat man sich auch eines sehr wichtigen Instrumentes zum Schutz des Erbes bedient, welches das Übereinkommen selbst noch gar nicht vorsah. Das Komitee verlangt von den antragenden Staaten, dass die angemeldete Stätte in ihren in der Anmeldung definierten Grenzen als eine Art Kernzone bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung durch das nationale Recht hinreichend geschützt ist,458 und darüber hinaus, dass auch hinreichend große Pufferzonen ausgewiesen wurden, die eine Erhaltung des Gutes sicherstellen.459 Pufferzonen sollen „das unmittelbare Umfeld des angemeldeten Gutes, wesentliche Sichtachsen und andere Gebiete und Merkmale erfassen, die eine wichtige praktische Rolle spielen, um das Gut und seinen Schutz zu unterstützen.“460 Die Ausweisung und Berücksichtigung dieser Pufferzonen sollten sich als häufiger Streitfall, insbesondere im Falle ihrer fehlenden Ausweisung zum Zeitpunkt der Eintragung, erweisen.461 Leider erwies sich das Welterbekomitee bei der Kontrolle dieses Aufnahmekriteriums als nachlässig, so dass mittlerweile viele Welterbestätten in der Welterbeliste verzeichnet sind, jedoch keinerlei Pufferzone ausgewiesen oder deren fehlende Notwendigkeit angezeigt haben.462 Denn grundsätzlich hat sich die Pufferzone als ein sehr wirksames Instrument bei der Durchführung des Übereinkommens erweisen. Noch weitaus weniger streng verfährt das Komitee mit der Forderung nach einem Verwaltungsplan. Dieser kann allerdings bereits gemäß den operational guidelines noch nach der Anmeldung beschlossen werden. Ein Verwaltungsplan hat zum Ziel, 455 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 82, zitiert nach der inhaltsgleichen deutschen Übersetzung von 2008. 456 UNESCO operational guidelines (1977), Nr. 14 iv). 457 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 96 – 119. 458 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 98. 459 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 103. 460 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. 461 Vgl. z. B. unten unter 3. Teil, 2. Kapitel, C., I. 462 Affolder, Mining and the World Heritage Convention: Democratic Legitimacy and Treaty Compliance, PELR 24 (2007), 35 (58); vgl. zu dieser Problematik auch die daraus entstandenen Kontroversen bei den Planungen von Hochhäusern in der Nähe des Kölner Domes unten unter 3. Teil, 2. Kapitel, C., I.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

eine dauerhafte Erhaltung des Erbes sicher zu stellen. Die Inhalte eines solchen aufzustellenden Planes sind ebenfalls detailliert in den operational guidelines niedergelegt.463 3. Beurteilungsspielraum Auch wenn die Unterscheidung zwischen dem auf Tatbestandsebene eingeräumten Spielraum, dem Beurteilungsspielraum, sowie demjenigen auf Rechtsfolgenseite, dem Ermessen, in der Völkerrechtslehre nicht nachvollzogen wird und anstatt dessen ausschließlich von Ermessen gesprochen wird,464 soll auf Grund der hier untersuchten Verzahnung des Völkerrechts mit dem nationalen Recht diese Differenzierung aufrecht erhalten bleiben. Auf der Tatbestandsseite ist der Spielraum bei der Festlegung der Voraussetzungen für eine Listeneintragung sehr weit. Dem Komitee ist gemäß Art. 11 Abs. 5 WKÜ die Aufgabe übertragen worden, die Maßstäbe für eine Eintragung in die Listen selbst zu bestimmen. Ausweislich Art. 11 Abs. 2 WKÜ legt es auch die Maßstäbe für den außergewöhnlichen universellen Wert fest, den das einzutragende Erbe verkörpern soll. Über eine vorherige Festlegung dieser Maßstäbe oder gar deren Veröffentlichung – wie sie regelmäßig in Form der operational guidelines geschieht – schweigt das Übereinkommen jedoch. Damit weist es dem Komitee größtmöglichen Beurteilungsspielraum zu. II. Entscheidung des Komitees 1. Handlungsmöglichkeiten Dem Welterbekomitee stehen bei seiner Beratung über einen Antrag, entsprechend den vier unterschiedlichen Empfehlungen der advisory bodies, vier verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten zu Verfügung: Die Eintragung der angemeldeten Stätte oder deren Ablehnung, aber auch die Zurückverweisung sowie die Aufschiebung der Entscheidung sind mögliche Handlungsszenarien.465 Die Eintragung einer Stätte ist der Regelfall. Untersuchungen von ICOMOS haben ergeben, dass bis zum Jahre 2007 zwei Drittel der bis zu diesem Zeitpunkt angemeldeten Güter auch tatsächlich in die Welterbeliste eingetragen worden sind.466 463

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 111. Herdegen, Der Sicherheitsrat und die autoritative Konkretisierung des VII. Kapitels der UN-Charta, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann (Hrsg.), Recht zwischen Bewahrung und Umbruch, Festschrift Bernhardt, S. 108. 465 Brincks-Murmann, Das Aufnahmeverfahren, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 78; vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 153 – 160. 466 ICOMOS (Hrsg.), What is OUV? Defining the Outstanding Universal Value of Cultural World Heritage Properties, S. 45. Leider gibt die Auswertung keinen Aufschluss darüber, wie 464

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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Diese Eintragungen müssen allerdings nicht unbedingt bei der ersten Beratung durch das Komitee erfolgt sein. Die Forderung nach Nachbesserungen der Anträge seitens des Komitees kommt häufig vor.467 Dafür steht ihm insbesondere das Mittel der Aufschiebung einer Anmeldung zur Verfügung. Im Zuge der Aufschiebung kann sich das Komitee weitere Informationen des anmeldenden Staates zu der entsprechenden Stätte erbitten.468 Diese können dem Sekretariat des Komitees bis zum 1. Februar des Folgejahres zugesandt werden, woraufhin sich das Komitee noch im selben Jahr mit dem Antrag erneut befasst.469 Dieses Handlungsinstrument birgt für den antragenden Staat zwar den Vorteil der schnellen Neubefassung des Komitees. Es bedeutet jedoch nichtsdestotrotz eine zeitliche Verzögerung der geplanten Antragspraxis, da auch die Einreichung der Überarbeitungen der Unterlagen einer Stätte, deren Eintragung aufgeschoben wurde, das Meldekontingent einer Vertragspartei belastet. Somit ist in einem solchen Falle nur maximal eine weitere Meldung im selben Jahr möglich.470 Wesentlich länger dauert eine Neubefassung des Komitees mit einer Anmeldung, wenn das Komitee den Erstantrag zurückverwiesen hat. Denn dann ist eine gründlichere Überarbeitung durch den Antragsstaat sowie eine neuerliche Evaluierung durch die beratenden Organe erforderlich, was zeitlich gesehen einer Neuanmeldung gleichkommt.471 Eine solche Neuanmeldung ist bei der Entscheidung der Nichteintragung einer Stätte durch das Komitee hingegen grundsätzlich ausgeschlossen.472 Nur unter besonderen Umständen wie beispielsweise neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist eine Neuanmeldung möglich.473 2. Ermessen Das Welterbekomitee verfügt nicht nur über den festgestellten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der Kriterien, nach denen sich die Listeneintragung richten soll, sondern darüber hinaus auf der Rechtsfolgenseite nochmals über weites Ermessen. viele nominierte Stätten gleich beim ersten Versuch eingetragen werden bzw. wie lange es durchschnittlich dauert, bis eine Stätte tatsächlich auf der Liste eingetragen wird. 467 Zu den Gründen dafür ICOMOS (Hrsg.), What is OUV? Defining the Outstanding Universal Value of Cultural World Heritage Properties, S. 46. 468 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 159. 469 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 159. 470 Brincks-Murmann, Das Aufnahmeverfahren, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 78. 471 Brincks-Murmann, Das Aufnahmeverfahren, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 78; vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 160. 472 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 158. 473 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 158.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Das Übereinkommen besagt ausdrücklich, dass es die Maßstäbe bestimmt, „nach denen eine Eintragung erfolgen kann“.474 Es ist damit bei seiner Entscheidung über eine Eintragung keinesfalls an die Empfehlungen der advisory bodies, der Fachorganisationen, die die angemeldeten Stätten für das Komitee evaluieren, gebunden. 3. Würdigung Auch wenn in rechtlicher Hinsicht dem Komitee ein weiter Beurteilungsspielraum sowie auf der Rechtsfolgenseite nochmals Ermessen zugebilligt wird, so verträgt es sich nicht mit dem Ansehen eines internationalen Vertragsorgans, wenn dieses in fachlich nicht nachvollziehbarer Weise davon gebraucht macht. Die Tatsache der Verwässerung der Welterbeliste, die nicht mehr das weltweit Hervorragendste abbilden, sondern nur noch eine repräsentative Auswahl des Kultur- und Naturerbes dieser Welt, und die damit viel von der Strahlkraft verloren hat, die sich die UNESCO und ihre an der Aushandlung des Übereinkommens beteiligten Mitgliedstaaten zu Beginn der 1970er Jahre, zur effektiven Rettung des bedeutendsten Schätze der Erde, erhofft hatten, wurde bereits beschrieben. Ob dieses jedoch an der beschriebenen, rechtlich zulässigen Änderung der Aufnahmekriterien liegt oder ein Ermessensmissbrauch dafür verantwortlich ist, ist damit noch nicht gesagt und wird sogleich noch zu erörtern sein. Bevor auf diese Gründe für eine Verwässerung der Welterbeliste eingegangen werden kann, soll zur Überprüfung der These von fachlich fragwürdigen Entscheidungen des Welterbekomitees ein empirischer Befund zu Rate gezogen werden. Das Welterbekomitee prüft die von den Hilfsorganen IUCN und ICOMOS zu den jährlichen Sitzungen vorbereiteten Evaluierungen der angemeldeten Stätten. Da es sich bei diesen advisory bodies um Fachorganisationen mit weltweit geachteter Kompetenz handelt, ist ihren Berichten besonders hohe Beachtung beizumessen. Nichtsdestotrotz entscheidet das aus Staatenvertretern zusammengesetzte Welterbekomitee475 nicht selten anders als es ihm die Empfehlungen der advisory bodies nahe legen. Eine Untersuchung von ICOMOS für den Zeitraum 2003 – 2007 ergab, dass statt der 53 % der Anmeldungen, die für eine Eintragung in die Welterbeliste von den Fachgremien empfohlenen wurden, tatsächlich 64 % Eingang in die Liste gefunden haben.476 Damit lässt sich empirisch belegen, dass das Komitee auf eine gewisse eigene Entscheidungsmacht besteht und die fachlichen Ausarbeitungen der Hilfsorgane nicht den alleinigen Anteil an einer Entscheidung haben. Es kommen mithin offenbar auch externe Faktoren zum Tragen.

474

Art. 11 Abs. 5 WKÜ. Die allerdings soweit ersichtlich in der Regel auch über zumindest eine gewisse Expertise auf dem Gebiet des Kulturgüter- oder Naturschutzes verfügen. 476 ICOMOS (Hrsg.), What is OUV? Defining the Outstanding Universal Value of Cultural World Heritage Properties, S. 45. 475

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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Externe Faktoren und damit die Gründe dieser Entscheidungen können vielfältiger Natur sein. Teilweise wurde vermutet, dass das Welterbekomitee das Instrument der Listeneintragung bzw. insbesondere die Versagung einer Eintragung als zusätzlichen Sanktionsmechanismus gebraucht.477 So soll beispielsweise eine deutsche Anmeldung im Jahre 2007 nicht berücksichtigt worden seien, da zu diesem Zeitpunkt die innerstaatliche Wirkung des UNESCO-Übereinkommens anhand des Dresdner Brückenstreits in Frage gestellt worden war.478 Für diese Behauptung ließen sich allerdings im konkreten Fall keine Belege finden,479 was allerdings nicht heißen soll, dass diese Erwägungen im Hintergrund der Entscheidung keine Rolle gespielt haben. Mit Sicherheit lässt sich jedoch feststellen, dass das Komitee von Zeit zu Zeit bei der Listenerstellung zumindest dem eigenen Bekunden nach im Sinne des Welterbes von den Vorgaben des Übereinkommens abweicht, so zum Beispiel bei der Eintragung Jerusalems. 1981 wurden auf Antrag Jordaniens Teile Jerusalems auf die Liste des gefährdeten Erbes der Welt gesetzt.480 Für die Eintragung auf die sog. Rote Liste bedarf es allerdings ebenso wie für die Eintragung in die Welterbeliste neben dem Vorhandensein des außergewöhnlichen universellen Wertes die Zustimmung des Staates, auf dessen Territorium sich die Stätte befindet.481 Auf eine Bitte um Zustimmung seitens der möglicherweise beteiligten Parteien wurde jedoch auf einer außerordentlichen Sitzung des Komitees verzichtet.482 Abgesehen von der Tatsache, dass weder Israel noch Palästina zum Zeitpunkt der Eintragung Vertragspartei des Übereinkommens war, hat das Komitee offenbar kein Zutrauen in die Feststellung des Übereinkommens, nach der sich die Aufnahme eines Gutes, über das von mehr 477 Hönes, Das UNESCO-Welterbeübereinkommen von 1972 und die Folgen., VR 2008, 145 (149). 478 Hönes, Das UNESCO-Welterbeübereinkommen von 1972 und die Folgen., VR 2008, 145 (149). 479 UNESCO Doc. WHC-07/31.COM/24, Decision 31COM 8B.50. 480 UNESCO Doc. CLT-82/CH/CONF.015/8, Nr. 15. 481 Art. 11 Abs. 3 S. 2 WKÜ. Auch die so genannte Notkompetenz gemäß Art. 11 Abs. 4 S. 4 WKÜ entbindet nach richtiger Auffassung einer Zustimmung durch den Belegenheitsstaat nicht. Siehe dazu noch unten unter: 1. Teil, 4. Kapitel, B., II., 3. Mithilfe dieser sogenannten Notkompetenz wurde im Jahr 2012, die erst kurz zuvor von Seiten Palästinas angemeldete Aufnahme der Geburtskirche Jesu in Bethlehem begründet. Dazu Bernau, Macht des Welterbes, FR vom 05. 07. 2012, S. 11; Wallerstein, Who Can Apply to Add Sites Situated in Disputed territory on the World Heritage List?, abrufbar unter: http://www.ejiltalk.org/who-can-apply-toadd-sites-situated-in-disputed-territory-to-the-world-heritage-list/ (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015) betont zurecht, dass bei Stätten, die auf einem Gebiet liegen, für welches mehr als ein Staat Souveränität oder Hoheitsgewalt beansprucht (Art. 11 Abs. 3 WKÜ) das Welterbekomitee grundsätzlich die effektive Kontrolle über die Stätte von dem anmeldenden Staat verlangt. Insofern charakterisiert er die israelischen Stätten als Ausnahme. Zimmermann weist in einem Kommentar zu diesem Beitrag auf eine mögliche weitere Ausnahme durch die Anmeldung kosovarischer Stätten durch Serbien hin. 482 UNESCO WHC, Extraordinary Session 30th September 1981, Doc. CC-81/CONF.008/ 2Rev.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

als einem Staat Souveränitätsansprüche geltend gemacht werden, nicht die Rechte der Streitparteien berührt würden. Dem Komitee politisch motivierte Entscheidungen zu unterstellen, wäre also wie das eben genannte Beispiel belegt, nicht korrekt,483 sondern es kommt vielmehr zum Ausdruck, dass das Komitee den Schutz des bedeutendsten Erbes trotz rechtlicher Beschränkungen zu möglichst großer Beachtung und damit verbundener Effektivität verhelfen möchte.484 In diese Richtung dürfte trotz einiger Widersprüchlichkeiten auch die Aufnahme der Geburtskirche Jesu in Bethlehem im Jahre 2012 zu deuten sein.485 III. Rechtsfolge einer Eintragung Die Rechtsfolge der Eintragung in die Welterbeliste bestimmt unter anderem, in welcher Weise das rechtliche Schutzsystem der Welterbekonvention zu qualifizieren ist. Wie bereits in der historischen Einleitung angedeutet, stehen sich im Wesentlichen zwei unterschiedliche Schutzsysteme gegenüber.486 Zum einen existiert das 483

So aber unter anderem Bernau, Macht des Welterbes, FR vom 05. 07. 2012, S. 11 mit mehreren Beispielen. 484 Dass derartige Bestrebungen durch eine Listeneintragung leider auch ins Gegenteil umschlagen können, zeigt der Fall des Tempels Preah Vihear. Obwohl der Status des Tempels seit der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes im Jahre 1962 (ICJ, Case Concerning the Temple of Preah Vihear, ICJ Reports 1962, S. 6 ff.) als im Sinne Kambodschas geklärt anzusehen war und seine Eintragung mit dem den Tempel umgebenden ebenfalls sehr wertvollen Anlagen auf thailändischem Staatsgebiet von Thailand anfänglich unterstützt wurde (dazu Mißling/Watermann, Die doppelte Verantwortung der UNESCO, VN 2009 249 [251]), entzündeten sich mit der Aufnahme des Tempels auf die Welterbeliste erneut Konflikte in der Grenzregion, die zu Toten und Verletzten führten und 2011 zur Beschädigung des Tempels durch militärische Auseinandersetzungen, Germund, Weltkulturerbe unter Beschuss, FR vom 08. 02. 2011, S. 9; vgl. zu diesem und weiteren Konflikten bezüglich der Eintragung in die Welterbeliste auch Galis, UNESCO Documents and Procedure: The Need To Account for Political Conflict When Designating World Heritage Sites, GeorJICL 38 (2009), 205 (213 ff.), der als Fazit seiner Betrachtung unter anderem eine Schiedsstelle für derartige Konflikte bei der UNESCO fordert. 485 Bernau, Macht des Welterbes, FR vom 05. 07. 2012, S. 11, kritisiert, dass die (beschleunigte) Aufnahme zur gleichzeitigen Eintragung in die Rote Liste mit der Begründung beantragt wurde, dass die Kirche seit einem halben Jahrhundert nicht renoviert worden sei, was seiner Meinung nach ein Fakt sei, aufgrund dessen man bereits früher hätte eine Eintragung betreiben müssen und eine Eilbedürftigkeit nur vorgeschoben sein könne. Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass Palästina erst seit November 2011 Vertragspartei des Übereinkommens ist und eine Eintragung weder in die Welterbe- noch in die Rote Liste von Seiten Palästinas hätte zuvor beantragt werden können. Zu den politischen Spannungen im Vorfeld der Eintragung Günter, Geburtskirche Jesu soll Weltkulturerbe werden, FR vom 29. 06. 2012, S. 7. 486 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 437 nennt des Weiteren noch das Rechtsaktsystem, bei dem die Rechtsfolge durch einen Rechtsakt bewirkt wird, anschließend jedoch noch eine deklaratorische Eintragung erfolgt, sowie das Entscheidungssystem, bei dem die die Rechtsfolge bewirkende Entscheidung allerdings keine Außenwirkung erzielt. Eine Charakterisierung des Schutzmechanismus des Welterbeübereinkommens als ein solches System wurde jedoch bis-

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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französische Classement- oder Eintragungssystem,487 bei dem die zu erzielende Rechtsfolge an die Eintragung in eine entsprechende Liste geknüpft wird. Zum anderen gibt es das aus dem preußischen Recht stammende Tatbestandssystem, bei dem die Rechtsfolge bereits bei Erfüllung des abstrakt formulierten Tatbestandes eintritt und eine Eintragung in eine Liste lediglich deklaratorischer Natur ist, weshalb dieses System auch als deklaratorisches bezeichnet wird.488 In der Praxis gibt es jedoch auch Mischformen der beschriebenen Kategorien.489 1. Bisherige Charakterisierung des Schutzsystems des Übereinkommens Im bisherigen Schrifttum zur Charakterisierung des Schutzsystems der Welterbekonvention wurde bislang mehrheitlich davon ausgegangen, dass es sich um ein Listensystem handele, das eine Rechtsfolge für eine Vertragspartei erst mit Eintragung einer Stätte in der Welterbeliste eintreten lasse.490 Erst in jüngerer Vergangenheit sind Stimmen laut geworden,491 die die Liste weder als konstitutiv noch als lang nicht vertreten und ist auch abzulehnen, da auf der einen Seite mit der Listeneintragung eindeutig Rechtswirkungen verbunden sind und auf der anderen Seite alle Entscheidungen Außenwirkungen haben und das Entscheidungssystem von daher nicht passt. 487 Hönes, Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, S. 50; ders., Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes von 1972, DÖV 2008, 54 (58). Im Denkmalschutzrecht der deutschen Bundesländer spricht man häufiger vom konstitutiven System, vgl. Franzmeyer-Werbe, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des nachrichtlichen Listensystems im Denkmalschutzrecht, DÖV 1996, 950 (950); Lund, Anforderungen an Denkmalschutzobjekte – Bestand und Perspektive, NordÖR 2008, 293 (293) m.w.N. Zu synonymen Begrifflichkeiten Viebrock, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 157. 488 Auch die Begriffe des ipso-iure-Systems bzw. des materiellen Systems sind gebräuchlich. Zu weiteren Begriffen vgl. Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 436; Viebrock, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 157. 489 Vgl. zum Beispiel das Mischsystem in Baden-Württemberg, wo unbewegliche Kulturdenkmäler per Tatbestandssystem geschützt werden (§§ 2, 8, 12 DSchGBW), ihnen jedoch bei Feststellung einer besonderen Bedeutung durch Eintragung in ein Denkmalbuch konstitutiv ein besonderer Schutz zuteil wird (§§ 12 Abs. 1 DSchGBW). 490 Odendahl, Der Schutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit, in: Weller/Kemle/ Lynen (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 25; dies., Kulturgüterschutz, S. 500; Caspary, Die Aufnahme in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt – Auszeichnung oder Verpflichtung, in: Hoffmann/Keller/Thomas (Hrsg.), Unser Weltkulturerbe, S. 8 und 12; Hönes, Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, S. 50; ders., Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes von 1972, DÖV 2008, 54 (58). Mittlerweile etwas zurückhaltender, ders., Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 136: „ Daher wird man trotz einiger Merkmale eines ,Mischsystems‘ (…) von einem Eintragungs- oder Listensystem sprechen können; Nicht ganz eindeutig, aber wohl auch in diesem Sinne Zacharias, The International Regime for the Protection of World Cultural and Natural Heritage, S. 33 f. 491 Bereits im Jahre 1989 stellte der High Court of Australia, Queensland and Another v Commonwealth of Australia and Another, ILR 90 (1992), 116 (134), fest: „The obligation of a state party to protect, conserve, present and transmit to future generations the cultural and

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

deklaratorisch ansehen,492 oder das vom Welterbeübereinkommen gewählte System ausdrücklich als Mischung zwischen Tatbestands- und Classementsystem charakterisieren.493 2. Kein reines Listen- und kein reines Tatbestandssystem Gegen eine Charakterisierung des Systems als reines Listensystem spricht schon, wie bereits bei den Erläuterungen zum Schutzgegenstand der Konvention erwähnt, der Wortlaut der Bestimmungen. So beziehen sich die Verpflichtungen zum nationalen Schutz in Art. 4 WKÜ auf das „in den Artikeln 1 und 2 bezeichnete Kultur- und Naturerbe (…)“ und nicht etwa auf das in der Liste gemäß Art. 11 Abs. 2 WKÜ eingetragene Erbe.494 Auch das entscheidende systematische Argument ist bereits genannt worden. Da Art. 12 WKÜ den nicht in die Listen gemäß Art. 11 Abs. 2 und 4 WKÜ eingetragenen Stätten gerade nicht ihren außergewöhnlichen universellen Wert absprechen möchte, ist zu folgern, dass die Konvention Güter mit außergewöhnlichem universellem Wert kennt, die in die Listen eingetragen sind, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist.495 Die Eintragung geschieht gemäß Art. 12 WKÜ aus besonderen, vom Komitee vorgegebenen Zwecken, nicht jedoch, um eine Schutzverpflichtung auszulösen, die bereits besteht, wenn der außergewöhnliche universelle Wert einer Stätte vorliegt und damit die tatbestandliche Definition gemäß Art. 1 oder 2 WKÜ erfüllt ist. Ein reines Listensystem ist mithin nicht gegeben. Jedoch ist auch ein reines Tatbestandssystem auszuschließen. Dieses Ergebnis drängt sich auf, wenn man sich mit dem teleologischen Argument der Befürworter eines Listensystems auseinandersetzt. Sie behaupten, das Übereinkommen solle nur den Teil besonders herausragender Güter mit einer Bedeutung für die gesamte

natural heritage situated on its territory does not flow from any listing upon the World Heritage List.“ Er machte darüber hinaus jedoch keine konkreten Angaben zur Charakterisierung des Systems. 492 Prieur, Les conséquences juridiques de l’inscription d’un site sur la liste du patrimoine mondial de l’UNESCO, RJE 2007, Numéro spécial, 101 (103 f.); Wolf, Weltkulturvölkerrecht und nationalstaatliche Umsetzung, NuR 2008, 311 (313) und v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (365), verneinen zumindest, dass die Schutzwirkungen ausschließlich durch die Eintragung entstehen, ohne jedoch zu versuchen, das System zu charakterisieren. 493 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 96 ff.; Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (702); ders., Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1019). 494 Siehe schon oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, C., I.; so auch Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 96; a.A. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. 12. 2006, Az.: 2 A 2/05, LKV 2007, S. 470. 495 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 96.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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Menschheit schützen,496 weshalb nur die vom Welterbekomitee auserwählten und in einer Liste eingetragenen und nicht sämtliche, einen abstrakten Tatbestand erfüllenden Güter geschützt werden. Der Auffassung ist zuzugeben, dass Sinn und Zweck der Konvention durchaus der Schutz der bedeutendsten Kultur- und Naturgüter der Welt ist. Das heißt jedoch im Umkehrschluss nicht, dass die Konvention nicht sämtliche einen außergewöhnlichen weltweit bemerkenswerten Charakter besitzende Güter schützen darf bzw. kann, die (bisher) keine Eintragung in die Liste des Erbes der Welt gefunden haben. Vielmehr wird durch die Konvention allen Gütern, die dem in Art. 1 und 2 WKÜ aufgeführten Tatbestand entsprechen, ein Mindeststandard an Schutz gewährt. Die Staaten, auf deren Hoheitsgebiet sich dem Tatbestand entsprechende Güter befinden, müssen die Verpflichtungen zum Schutz auf nationaler Ebene einhalten.497 Daneben tritt noch die Verpflichtung zur Zusammenarbeit zum Schutz dieses der Definition entsprechenden Erbes498 sowie das Schädigungsverbot hinsichtlich solcher Güter auf dem Hoheitsgebiet anderer Vertragsparteien.499 Allerdings wird bei Gütern, die in die Welterbeliste eingetragen worden sind, von der Konvention ein zusätzlicher Schutz gewährt. Zum einen greift bei diesen Gütern die Beistandsklausel, nach der sich die Vertragsparteien zur Erhaltung in die Liste eingetragener Hilfe leisten müssen.500 Dieses entspricht auch der historischen Gründungsidee des Übereinkommens, die in der internationalen Hilfeleistung bei der Rettung der Tempel des Abu Simbel lag.501 Zum anderen ist das vom Übereinkommen errichtete System internationaler Unterstützung für in die Listen eingetragene Stätten auch leichter zugänglich. Formell knüpft das System zur internationalen Unterstützung des Übereinkommens zunächst zwar an die Eintragung in die Liste an, erweitert die potentiell unterstützungsfähigen Güter allerdings sogleich – was häufig ignoriert wird – um alle Güter, die „möglicherweise für eine Aufnahme geeignet“ sind.502 Eine Prüfung erfolgt durch das Welterbekomitee, das über den 496

Caspary, Die Aufnahme in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt – Auszeichnung oder Verpflichtung, in: Hoffmann/Keller/Thomas (Hrsg.), Unser Weltkulturerbe, S. 8. 497 Art. 4 und 5 WKÜ. 498 Art. 6 Abs. 1 WKÜ. Ähnlich, sich jedoch auf die internationale Unterstützung gem. Art. 20 des Übereinkommen beziehend, Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1019); ders., Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (702). 499 Art. 6 Abs. 3 WKÜ. 500 Art. 6 Abs. 2 WKÜ. 501 Roucounas, Aspects juridiques de la protection du „patrimoine mondial, culturel et naturel“, RHDI 25 (1972), 42 (44 f.); Streinz, Handbuch des Museumsrechts 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, S. 72. 502 Art. 13 Abs. 1 WKÜ. Der implizierte Verweis in Art. 20 WKÜ auf diese Vorschrift, wird häufig übersehen: „Vorbehaltlich des Artikels 13 Absatz 2, des Artikels 22 Buchstabe c und des Artikels 23 kann die in diesem Übereinkommen vorgesehene internationale Unterstützung nur für solches zum Kultur- und Naturerbe gehörendes Gut gewährt werden, dessen Aufnahme in

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Zustand und die entsprechenden Hintergründe bei bereits evaluierten und eingetragenen Gütern selbstverständlich besser informiert ist, als bei solchen, für das noch keine Eintragung beantragt wurde. Deshalb dürfte es einfacher sein, für Listengüter internationale Unterstützung zu erlangen, obwohl diese vom formellen Standpunkt her nicht auf diese beschränkt ist. Die beiden genannten rechtlichen Folgen der Eintragung machen deutlich, dass die Aufnahme auf der Welterbeliste einen zusätzlichen Schutzstandard503 mit sich bringt, der über den Mindeststandard der Konvention für sämtliche den Tatbeständen in Art. 1 und 2 WKÜ entsprechende Güter hinaus geht.504 Diese Kombination von Schutzstandards existiert auch im Haager Übereinkommen zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954,505 ist dort allerdings ausdrücklich als Doppelstandard festgeschrieben.506 Dass sich diese zusätzliche Rechtsfolge aus der Eintragung ergibt, kann auch aus dem weiten Beurteilungsspielraum des Komitees geschlossen werden.507 Ihm wird eine der in Artikel 11 Absätze 2 und 4 bezeichneten Listen vom Komitee für das Erbe der Welt beschlossen wurde oder künftig beschlossen wird.“ (Hervorhebung ist solche des Verfassers). Der Verweis auf zukünftige Aufnahmen macht gerade deutlich, dass eine vorherige Eintragung in der Liste zur Gewährung internationaler Unterstützung nicht notwendig ist. Dieses übersehen Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 97 und Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (702), sowie High Court of Australia, The State of Queensland an Another versus The Commonwealth of Australia and Another, ILR 90 (1992), 116 (134), die die internationale Unterstützung als (besondere) Rechtsfolge der Listeneintragung einordnen. Auch entstehen keine Vorrechte bei der Aufstellung der Prioritätenlisten zur Gewährung des Internationalen Schutzes für Welterbelistengüter gegenüber nicht eingetragenen Gütern, vgl. Art. 21 WKÜ. 503 Neben den rechtlichen Folgen der Eintragung in die Welterbeliste, sind vor allem die tatsächlichen beachtlich. Zu nennen ist an erster Stelle die Verbesserung der Möglichkeiten der touristischen Vermarktung einer Stätte. Diese kann schwerlich als Rechtsfolge einer Eintragung in die Liste verstanden werden, entbehrt jedoch nicht jeglichen rechtlichen Argumentes. Denn zusätzliche Einnahmen aus dem Tourismus das Problem der fehlenden Finanzmittel, die für einen effektiven Schutz einzelner Stätten dringend notwendig sind und insofern, vergleichbar mit fehlendem rechtlichen Schutz in den Industriestaaten eine reelle Gefahr für das Erbe darstellen. Eine Verbesserung des Schutzes durch besser Vermarktungsmöglichkeiten und höhere Tourismuseinnahmen würde damit sogar dem primären Schutzzweck der Konvention entsprechen. Sollte das Welterbekomitee diese Realität einmal anerkennen und – da es gemäß Art. 11 Abs. 5 i.V.m. 12 WKÜ bei der Bestimmung des Zwecks der Listen weites Ermessen hat – die touristische Vermarktbarkeit als Listenzweck anerkennen, könnte es dadurch einen zumindest langfristig wirkenden zusätzlichen Schutzmechanismus entwickeln. 504 Ebenfalls ausdrücklich für das Eintreten unterschiedlicher Rechtsfolgen (wie z. B. eine generelle Schutzverpflichtung gem. Art. 4 WKÜ) ohne (bzw. vor einer) Eintragung in die Welterbeliste High Court of Australia, Queensland and Another v Commonwealth of Australia and Another, ILR 90 (1992), 116 (134). 505 Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. 05. 1954, BGBl. II 1967, S. 1235. 506 Vgl. Art. 2 zum einfachen Schutz sowie Art. 8 zum Sonderschutz. Zum Ganzen Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 501. 507 Siehe dazu schon oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, B., I., 3.

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ausdrücklich zugestanden, selbst die Zwecke für die Listenaufnahme zu bestimmen,508 und das Komitee ist selbst bei Erfüllung dieser Kriterien nicht verpflichtet, eine Eintragung vorzunehmen.509 Die Erfüllung des Tatbestandes an sich löst mithin eindeutig nicht die entsprechende Rechtsfolge aus. Somit wurde bislang festgestellt, dass es sich beim Schutzsystem der Welterbekonvention weder um ein reines Listensystem noch um ein reines Tatbestandssystem handelt. 3. Unechtes Tatbestandssystem als Teilsystem Die Bestimmung des einschlägigen Schutzsystems gewinnt jedoch noch durch die Tatsache an Komplexität, dass an der Unterschutzstellung nicht nur das Welterbekomitee, sondern in verschiedener Weise auch noch die jeweiligen Vertragsparteien beteiligt sind. Sie treffen nicht nur die Entscheidung, welches Gut sie zur Eintragung beim Welterbekomitee anmelden und sind damit in die Listeneintragung eingebunden, sondern sollen das durch die Tatbestände der Art. 1 und 2 WKÜ definierte Erbe auch noch gemäß Art. 3 WKÜ erfassen und bestimmen. Fraglich hierbei ist, ob nicht die Erfüllung des im Übereinkommen festgelegten Tatbestandes, sondern erst diese Erfassung Rechtsfolgen entstehen lässt und der Schutz des Übereinkommens möglicherweise dementsprechend erst dann eintritt, wenn die Bestimmung eines Gutes durch die Vertragspartei erfolgt ist. Ein solches Schutzsystem wird als unechtes Tatbestandssystem bezeichnet.510 Die sich der Bestimmung häufig anschließende Aufnahme in eine Liste ist – wenn sie erfolgt – rein deklaratorischer Natur, jedoch nicht in allen unechten Tatbestandssystemen üblich.511 Trotz der abstrakten Definition des Kultur- und Naturerbes in Form einer dem Übereinkommen vorangestellten Generalklausel spricht bereits der souveränitätsschonenende Gesamtcharakter des Übereinkommens gegen eine Einbeziehung dieses Kultur- und Naturerbes im Wege eines Tatbestandssystems.512 Letzteres hätte 508

Art. 11 Abs. 5 i.V.m. 12 WKÜ. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 96. 510 Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 438. Im nationalen Recht scheint diese Sonderform am ehesten mit dem Rechtsaktsystem vergleichbar zu sein, weil bei beiden Systemen die Rechtsfolge erst durch eine konkrete Rechtshandlung entsteht. Bei dem Rechtsaktsystem steht allerdings der förmliche Verwaltungsakt im Mittelpunkt, vgl. §§ 8, 10 I 2 DSchGRP, weshalb diese Begrifflichkeit mangels vergleichbaren Hoheitsakts für völkerrechtliche Schutzmechanismen offenbar nicht gebraucht wird. 511 Vgl. dazu Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 438 und 500 f. 512 Die Frage der Einschränkung der staatlichen Souveränität durch die Konvention ist umstritten. Mit der hier vertretenen Ansicht sprechen sich für eine weitest gehende Schonung der Souveränität aus Streinz, Handbuch des Museumsrechts 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, S. 75 und 78 ff.; ähnlich Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes in der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 194 f.; Francioni, World Cultural Heritage List and National Sovereignty, HumVR 1993, 195 (195 f.) betont hingegen, dass es insbesondere bei Listengütern doch gewichtige Begrenzungen 509

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

zur Folge, dass sämtliche Vertragsparteien das auf ihrem Hoheitsgebiet befindliche Erbe bereits zum Zeitpunkt der Ratifikation des Übereinkommens den Verpflichtungen der Konvention unterworfen hätten. Dagegen spricht jedoch, dass eine Vorschrift wie Art. 3 WKÜ, die die Vertragsparteien mit der Erfassung und Bestimmung dieses definierten Erbes beauftragt, als überflüssig zu bezeichnen wäre. Der einzige Sinn einer späteren Bestimmung durch die jeweilige Vertragspartei könnte dann noch in der Sichtbarmachung des zu schützenden Erbes bestehen, ohne dass damit eine Rechtsfolge verbunden wäre. Dass der Erfüllung des Auftrages durch Art. 3 WKÜ vielmehr eine Rechtsfolge nachgeordnet sein wird, ergibt sich aber aus der Zusammenschau von Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 11 Abs. 3 sowie Art. 13 Abs. 1 WKÜ, die alle die besondere Schonung der Souveränität durch das Übereinkommen betonen. Art. 6 Abs. 1 WKÜ betont ausdrücklich, dass das der Generalklausel in Art. 1 und 2 WKÜ unterfallende Erbe ein Welterbe darstelle, welches unter „voller Achtung der Souveränität der Staaten zu schützen sei“. Sogar die internationale Verpflichtung zur Hilfeleistung wird erst ausgelöst, wenn der Belegenheitsstaat darum ersucht513 bzw. diese Hilfe beantragt.514 Diese beiden Regelungen zeigen deutlich, dass Automatismen dem Regelungswerk des Übereinkommens fremd sind. Selbst bei von den Staaten gemeldeten Gütern, die bereits unter ihrer ausdrücklichen Zustimmung in die Listen eingetragen sind,515 greift kein automatischer Mechanismus einer Hilfeleistung. Dieser wird erst durch den Antrag des jeweiligen Staates unter vollständiger Wahrung seiner Souveränität ausgelöst.516 Das entscheidende systematische Argument dürfte jedoch sein, dass die Pflicht zur Erfassung und Bestimmung der Vertragspartei nach Art. 3 WKÜ zwar der Generalklausel in Art. 1 und 2 WKÜ nachgestellt ist, jedoch vor den Verpflichtungen zum nationalen517 und internationalen518 Schutz steht. Auch aus teleologischer Sicht kann dieses Auslegungsergebnis untermauert werden. Das Übereinkommen will nur dasjenige Erbe schützen, welches einen außergewöhnlichen universellen Wert besitzt. Einen entsprechenden Überblick über ihr Erbe haben jedoch nur die Staaten selbst. Sie sollen die entsprechende Auswahl und Unterscheidung treffen, wofür sie sich an den operational guidelines orientieren können. Diese Auswahl stellt die Bestimmung im Sinne von Art. 3 WKÜ dar. Ohne eine derartige Auswahl bzw. Bestimmung können keine Rechtsfolgen entstehen. der Souveränität gebe. Ebenso einen deutlichen Eingriff in die Souveränität machen Atherton/ Atherton, The Power and the Glory: National Sovereignty and the World Heritage Convention, AustLJ 69 (1995), 631 (631), aus. 513 Art. 6 Abs. 2 WKÜ. 514 Art. 13 Abs. 1 WKÜ. 515 Art. 11 Abs. 3 WKÜ. 516 A.A. Atherton/Atherton, The Power and the Glory: National Sovereignty and the World Heritage Convention, AustLJ 69 (1995), 631 (631). 517 Art. 4 und 5 WKÜ. 518 Art. 6 und 7 WKÜ.

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Dieser Gesamtschau ist zu entnehmen, dass das Übereinkommen die Verpflichtungen nicht bereits bei Erfüllung des Tatbestandes, sondern erst bei einer konkretisierenden Handlung der souveränen Vertragsparteien vornehmen möchte. Dieses Ergebnis kann zwar nicht ausdrücklich durch die travaux préparatoires belegt werden. Letzteren kommt allerdings ohnehin nur ergänzende Funktion bei der Auslegung einer völkervertraglichen Norm zu.519 Andererseits widersprechen die Vorarbeiten den Ergebnissen auch nicht und deuten vielmehr sogar durch ihren Duktus an, dass das gefundene Ergebnis in ihrem Geiste liegt. Während der Vertragsverhandlungen wurden nämlich die sehr souveränitätsbeschränkenden Vorschläge der Expertenrunden von den Verhandlungsparteien immer stärker zurückgeschnitten520 und die Aufrechterhaltung der vollen Souveränität in den Vordergrund gestellt.521 Offen ist nun lediglich noch, welche konkretisierende Handlung die Rechtsfolge nach sich ziehen soll. Erfolgt die Erfassung und Bestimmung im Sinne von Art. 3 WKÜ bereits mit der Unterschutzstellung nach dem nationalen Recht der entsprechenden Vertragspartei oder erst, wenn sie nach außen gegenüber der UNESCO eine entsprechende Auswahl bekanntgibt? Diese Bekanntmachung wiederum könnte sowohl in der Vorschlagsliste als auch in der Anmeldung zur Eintragung in die Welterbeliste zu sehen sein. Eine im nationalen Recht vorgenommene Unterschutzstellung kann keine Erfassung im Sinne von Art. 3 WKÜ darstellen. Wie soeben dargelegt, dient die Erfassung gerade dazu, das Erbe von lediglich national oder regional besonderem Wert von demjenigen universellen Wertes, das das Welterbekomitee grundsätzlich für eine Listeneintragung befähigt ansieht, zu trennen. Ein Schutz nach dem nationalen Recht einer Vertragspartei besitzt demgemäß keine Aussagekraft darüber, ob das entsprechende Gut nur national oder möglicherweise auch international im Sinne des Übereinkommens schützenswert ist. Die Aussage kann demgemäß nur in einem nach außen gerichteten Akt gegenüber der UNESCO gesehen werden. Es bleibt also nur noch zwischen der Übergabe der Vorschlagsliste oder der späteren Anmeldung für die Eintragung auf die Welterbeliste als möglicher konkretisierender Handlung auszuwählen. Mit der Anmeldung hingegen ist bereits eine 519

Vgl. Art. 32 WVRK. Man beachte nur die Umkehrung des Inhaltes, die Art. 6 Abs. 1 WKÜ erfahren hat, der heute ausdrücklich von der vollen Wahrung der Souveränität der Vertragsparteien spricht und des weiteren Beachtung der innerstaatlich gewährten Eigentumsrechte ausdrücklich festschreibt. Das erste Expertentreffen am 26. Februar bis 2. März 1968, UNESCO Doc. SHC/CS/ 27/8, S. 29, hatte noch folgenden Vorschlag veröffentlicht: „Les biens culturels devraient, en raison de leur grande importance, être l’objet de mesures de protection décidées par l’auotorité publique, en cas de carence des propriétaires. Au nombre de ces mesures, il conviendrait de prévoir: l’exécution d’office des travaux de conservation et, s’il y a lieu, l’expropriation du bien culturel menacé.“ 521 Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit im völkerrechtlichen Kulturgüterschutz, S. 283 f. m.w.N. 520

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

andere Rechtsfolge verknüpft. Sie überantwortet nämlich dem Welterbekomitee das Recht zur Eintragung in die Welterbeliste mit den daraus folgenden und oben beschriebenen Rechtsfolgen. Die Veröffentlichung der Vorschlagsliste mit den zur Eintragung vorgesehenen Gütern hingegen ist bereits hinreichend konkret, um eine Rechtsfolge zu bewirken. Ihr ist ein nationaler Auswahl- und Entscheidungsprozess vorausgegangen, als dessen Ergebnis, zumindest subjektiv nach Vorstellung der jeweiligen Vertragspartei, die Feststellung eines außergewöhnlichen universellen Wertes des jeweiligen Gutes stand.522 Wann die tatsächliche Anmeldung erfolgt, hängt häufig von externen Faktoren ab, die nicht in der Qualität des Gutes liegen (z. B. die Ausschöpfung des nationalen Meldekontingentes).523 Damit hat die Vertragspartei bereits mit der Veröffentlichung der nationalen Vorschlagsliste alles Erforderliche getan, um eine Erfassung und Bestimmung im Sinne von Art. 3 WKÜ herbeizuführen und eine Rechtsfolge auszulösen.524 4. Ergebnis Beim System der Unterschutzstellung des Welterbeübereinkommens handelt es sich nicht wie häufig behauptet um ein reines Listensystem. Vielmehr erfasst es die oben ausgemachten unterschiedlichen Schutzgegenstände durch zwei unterschiedliche Systeme. Dass es zusätzlich Elemente eines Tatbestandssystems aufweist, ist in der neuesten Literatur bereits festgestellt worden. Dabei wurde allerdings noch nicht präzisiert, dass es sich um kein gewöhnliches Mischsystem handelt, wie es in einzelnen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland vorkommt.525 Das Tatbestandssystem entpuppt sich vielmehr bei näherer Betrachtung als unechtes Tatbestandssystems, da die bloße Erfüllung des Tatbestandes nicht ausreicht, sondern eine Auswahlentscheidung in Form der Bestimmung der Stätte erfolgen muss. Die Auswahlentscheidung gestaltet sich hier als eine Art Freigabe für die Schutzwirkungen der Welterbekonvention. Maßgeblich ist dabei allerdings die Erfüllung des Tatbestands, so dass in die Vorschlagsliste aufgenommene Güter ohne außergewöhnlichen universellen Wert keinen Schutz durch die Welterbekonvention genie-

522 Die Tatsache, dass die Vorlage einer tentative list vom Übereinkommen selbst gar nicht gefordert wurde, widerspricht diesem Argument nicht. Ebenso wenig, dass Naturgüter und Kulturlandschaften über viele Jahre auch nach den operational guidelines nicht auf den Vorschlagslisten verzeichnet sein mussten. Zu letzterem Aspekt Whitby-Last, Art. 1 Cultural Landscapes, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 57. 523 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 100, hält auch interne Gründe für vorstellbar und schlägt vor, dass Vertragsparteien, die ein Welterbegut nicht in der Welterbeliste eintragen möchten und dementsprechend es auch nicht auf der Vorschlagsliste führen, den Status durch förmliche Bekanntmachung gegenüber den anderen Vertragsparteien kennzeichnen könnten. 524 Im Ergebnis ebenso Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 99; Boer, Art. 3, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 91. 525 Siehe das bereits genannte Beispiel des Denkmalrechts in Baden-Württemberg, §§ 2, 8, 12 DSchGBW.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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ßen, was den Gegensatz der beiden Unterschutzstellungssysteme der Welterbekonvention sehr gut deutlich macht. Die Kombination des Listensystems für den Schutz des eingetragenen Welterbes und des unechten Tatbestandssystems für das gewöhnliche Welterbe kann durchaus ebenso als Unterschutzstellungssystem sui generis bezeichnet werden.

C. Erstellung der „Liste des gefährdeten Erbes der Welt“ Das Welterbekomitee führt neben der Welterbeliste auch die „Liste des gefährdeten Erbes der Welt“, die so genannte Rote Liste, gemäß Art. 11 Abs. 4 WKÜ. Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, wie der Tatbestand der Gefährdung des Gutes vom Übereinkommen verstanden wird (I.). Sodann wird das Verfahren der Eintragung dargestellt (II.). Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen werden, welche Rolle die entsprechende Vertragspartei im Rahmen dieser Listung spielt und ob deren Zustimmung zur Eintragung erforderlich ist (III.). Unter anderem mithilfe der daraus gewonnenen Erkenntnisse werden im Anschluss Rückschlüsse auf den Charakter der Eintragung gezogen werden (III.). Abschließend werden die Rechtsfolgen einer erfolgten Listung dargestellt (IV.). I. Tatbestand der Gefährdung Zunächst stellt sich die Frage, welche materiellen Anforderungen an den Begriff der Gefährdung im Sinne des Übereinkommens zu stellen sind, um eine Eintragung in die Rote Liste zu rechtfertigen. Der Vertragstext besagt, dass in die entsprechende Liste jedes Gut einzutragen ist, „zu dessen Erhaltung umfangreiche Maßnahmen erforderlich sind“.526 Des Weiteren nennt die Norm noch Beispiele für „ernste und spezifische Gefahren“, die den Gütern drohen und eine Eintragung rechtfertigen.527 Dabei wird deutlich, dass eine Gefahr nicht erst dann zu bejahen ist, wenn die komplette Substanz eines Gutes verloren zu gehen droht, sondern bereits bei wesentlich kleineren Minderungen des Wertes.528 Auch wenn die Anzahl sowie die Detailliertheit der im Vertragstext genannten Gefahren den Großteil der denkbaren Bedrohungen des Kultur- und Naturerbes 526

Art. 11 Abs. 4 S. 1 WKÜ. Art. 11 Abs. 4 S. 3 WKÜ: „(…) Gefahr des Untergangs durch beschleunigten Verfall, öffentliche oder private Großvorhaben oder rasch vorangetriebene städtebauliche oder touristische Entwicklungsvorhaben; Zerstörung durch einen Wechsel in der Nutzung des Grundbesitzes oder im Eigentum daran; größere Veränderungen aufgrund unbekannter Ursachen; Preisgabe aus irgendwelchen Gründen; Ausbruch oder Gefahr eines bewaffneten Konflikts; Natur- und sonstige Katastrophen; Feuersbrünste, Erdbeben, Erdrutsche; Vulkanausbrüche; Veränderungen des Wasserspiegels, Überschwemmungen und Sturmfluten.“ 528 Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1020). 527

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

bereits abdecken, ist diese Aufzählung aufgrund ihrer Beispielhaftigkeit nicht abschließend. Dem Welterbekomitee steht es mithin frei, andere Bedrohungen als Gefahren für das Welterbe anzuerkennen. Auch beim der Festlegung der Intensität bzw. des Grades der Gefährdung ist das Komitee frei und kann dementsprechend noch weit von der Realisierung entfernte Bedrohungen als Gefahr im Sinne des Art. 11 Abs. 4 S. 1 WKÜ anerkennen. II. Verfahren der Eintragung 1. Initiativrecht Zunächst stellt sich die Frage, wie das Verfahren zur Eintragung einer Stätte auf der Liste des gefährdeten Erbes einzuleiten ist. Das Übereinkommen begründet in Art. 11 Abs. 4 S. 1 WKÜ eindeutig ein Initiativrecht der Vertragspartei, auf dessen Hoheitsgebiet sich dieses Gut befindet, da es ein Tätigwerden des Welterbekomitees für dasjenige Gut anordnet, „für das auf Grund dieses Übereinkommens Unterstützung angefordert wurde“. Ob die Anforderung der Unterstützung mit einem Antrag auf internationale Unterstützung im Sinne der Art. 13 und 19 ff. WKÜ gleichzusetzen ist und jeder solche Antrag auf internationale Unterstützung somit einem Antrag auf Eintragung in der Roten Liste gleichkäme, ist umstritten.529 Letztendlich ist dieses jedoch abzulehnen, da internationale Unterstützung gemäß Art. 13 i.V.m. 20 WKÜ auch Gütern gegenüber gewährt werden kann, die nicht auf der Roten Liste eingetragen sind und ein anderes Verständnis wohl die Gefahr mit sich brächte, dass auf solche Anträge für nicht bereits zuvor auf der Roten Liste eingetragene Stätten verzichtet würde. Ein als Antrag auf Eintragung in die Rote Liste verstandener Antrag auf internationale Unterstützung würde nämlich zu den üblichen, als negativ von den Vertragsparteien empfundenen, Konsequenzen der Roten Liste führen, namentlich der Prangerwirkung530 oder der verstärkten Beobachtung531 durch das Komitee.532 Fraglich ist jedoch auch, ob das Welterbekomitee auch auf eigene Initiative hin ein solches Verfahren einleiten kann, wenn es die oben genannten Gefahren erkannt hat. Dafür spräche, dass dieses Initiativrecht bzgl. der Einleitung, anders als die spätere Eintragung in die Rote Liste selbst, noch zu keiner Beeinträchtigung der Position der Vertragspartei führt und es die Aufgabe des Komitees ist, die Liste zu erstellen und zu aktualisieren und damit letztendlich auch, auf drohende Veränderungen aufmerksam 529 Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 180 ff. m.w.N. 530 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (59), spricht von „Stigmatisierung“. 531 Siehe Art. 11 Abs. 7 WKÜ. 532 Ähnlich Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 181; a.A. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 164.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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zu machen.533 Ferner hat es das Recht, die Maßstäbe für die Eintragung in die Listen aufzustellen534 und daher auch die Kompetenz, sich ein solches Initiativrecht – wie geschehen535 – selbst zu geben. In der Praxis hat das Komitee in den Richtlinien einen Katalog an Kriterien herausgearbeitet, anhand derer das Bestehen einer Gefahr festgestellt werden soll.536 Dabei wird zwischen „festgestellten“ und „möglichen“ Gefahren differenziert. Bei ersteren ist das Gut bereits einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt und bei letzteren könnte eine Beeinträchtigung des besonderen Charakters des Gutes eintreten.537 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Verfahren zur Untersuchung von Gefährdungen für das Welterbe sowohl von der Vertragspartei als auch vom Welterbekomitee initiiert werden kann und in jedem Fall mit einer Entscheidung des Komitees endet. Ob dieses bei der Feststellung des Bestehens einer Gefahr zwangsläufig eine Eintragung in die Rote Liste sein muss, darauf wird später noch genauer einzugehen sein.538 2. Beschränkung auf Welterbelistengüter? Das Übereinkommen verfolgt den Zweck, Erbe mit außergewöhnlichem universellem Wert weltweit zu schützen. Dabei wurde bereits festgestellt, dass nicht alles Erbe, das zum Schutzgegenstand gehört, auch in die Welterbeliste eingetragen ist. Von Interesse ist daher, ob nur solches auch zuvor auf der Welterbeliste gemäß Art. 11 Abs. 2 WKÜ eingetragenes Erbe oder sämtliches der Generalklausel der Konvention unterfallendes Erbe vom Welterbekomitee in die Rote Liste eingetragen werden darf.539 Obwohl die Möglichkeit einer Eintragung des (noch) nicht in die Welterbeliste eingetragenen Erbes zu einer Effektivierung des Übereinkommens beitragen könnte und gerade solches Erbe, welches noch nicht im Lichte eines Welterbetitels glänzt, besonderer Gefahr ausgesetzt sein könnte, Beeinträchtigungen zu erfahren, wurde diese Frage, soweit ersichtlich, bislang noch nicht diskutiert.540 Dabei böte schon 533

Art. 11 Abs. 4 S. 1 WKÜ. Art. 11 Abs. 6 WKÜ. 535 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 183 i.V.m. Nr. 177 lit. d). 536 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 178 ff. 537 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 179 und 180. 538 Siehe dazu unten unter 1. Teil, 4. Kapitel, C., II., 3. 539 Eine Eintragung solches Erbes, welches sich nicht auf dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei befindet, kann schon aufgrund der pacta-tertiis-Regel nicht eingetragen werden, vgl. Art 34 WVRK. 540 Die herrschende Auffassung geht ohne eine tatsächliche Prüfung dieser Frage davon aus, dass die Eintragung auf der sog. Roten Liste lediglich den bereits eingetragenen Welterbelistengütern vorbehalten ist. Vgl. Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 137. Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem 534

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

allein die missverständliche Formulierung in den operational guidelines einen formellen Ansatzpunkt, diese Frage zu diskutieren. Dort heißt es: „Ein Welterbegut im Sinne der Artikel 1 und 2 des Übereinkommens kann vom Komitee in die Liste des gefährdeten Erbes des Welt eingetragen werden (…).“541 An dieser Stelle wird ausdrücklich nicht von einem „Welterbegut im Sinne des Artikels 11 Abs. 2“ gesprochen. Hierbei scheint es sich jedoch lediglich um eine redaktionelle Unachtsamkeit zu handeln. Der Wortlaut zumindest des Übereinkommenstextes scheint eindeutig zu sein. Danach wird dem Komitee die Aufgabe zuteil, „unter der Bezeichnung ,Liste des gefährdeten Erbes der Welt‘ nach Bedarf eine Liste des in der Liste des Erbes der Welt aufgeführten Gutes“ zu erstellen.542 Dieses dürfte dazu geführt haben, dass trotz der weitergehenden Formulierung in den operational guidelines die Eintragung in die Welterbeliste als Voraussetzung für eine Aufnahme in die Rote Liste vom Schrifttum akzeptiert ist.543 Auch das Komitee hält sich letztendlich in seiner Praxis daran. Allerdings bleibt in diesem Kontext im Schrifttum unerwähnt, dass dem Komitee durch Art. 11 Abs. 4 S. 4 WKÜ eine Notkompetenz zugestanden wird. Danach kann es „wenn dies dringend notwendig ist, jederzeit eine neue Eintragung in die Liste des gefährdeten Erbes der Welt vornehmen und diese Eintragung sofort bekannt machen“. Fraglich ist, ob der Begriff „jederzeit“ in dieser Vorschrift auf seine, dem Wortsinn entsprechende, zeitliche Komponente zu reduzieren ist, oder ob er unter Beachtung des Sinns und Zwecks einer Notkompetenz möglicherweise auch in sachlicher Hinsicht andere Voraussetzungen für das Handeln des Komitees in einer Notsituation aufstellen soll. Denkbar wäre es, das Kriterium der vorherigen Eintragung auf der Welterbeliste gerade verzichtbar zu machen, um allgemein anerkannten, der Definition der Art. 1 und 2 WKÜ entsprechenden Gütern einen Schutz vor unmittelbarer Bedrohung zukommen zu lassen. Allerdings lassen sich keine weiteren normativen Ansatzpunkte zur Stützung dieser These finden. Jedenfalls aber ließe sich vor dem dargelegten Hintergrund des souveränitätsschonenden Duktus des Recht, CDI 11 (2006), 11 (12), schließt im sogleich darzustellenden Fall der Zerstörung der Buddha-Statuen im afghanischen Bamiyan-Tal aus der Tatsache, dass die Statuen weder auf der Welterbeliste eingetragen waren, noch ein entsprechender Antrag gestellt worden war, dass „die Instrumente der Welterbekonvention nicht zur Anwendung gelangen“ konnten. Eine sofortige Eintragung auf der Roten Liste als Not- oder Sanktionsmechnismus zieht sie damit, wie es (erst) im Ergebnis auch hier vertreten wird, von vornherein nicht in Betracht. 541 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 178, zitiert aus der deutschen Übersetzung der inhaltsgleichen UNESCO operational guidelines (2008), WHC. 01/08 vom Januar 2008, abgedruckt in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCOKommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 191 ff. Zur Änderungsgeschichte der Richtlinien, in der das Zustimmungserfordernis aufgegeben wurde, und die daher als Ursache für diese Missverständlichkeit anzusehen sein dürfte, Strasser, „Putting Reform into Action“ – Thirty Years of the World Heritage Convention, IJCP 11 (2002), 215 (252 ff.). 542 Art. 11 Abs. 4 S. 1 WKÜ. 543 Vgl. nur Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 137.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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Übereinkommens nicht begründen, dass eine Eintragung ohne jedwede vorherige Zustimmung der Vertragspartei – weder zur Eintragung in die Welterbeliste nach Art. 11 Abs. 2 WKÜ, noch zur Eintragung in die Liste des gefährdeten Erbes nach Art. 11 Abs. 4 WKÜ – erfolgen kann. Daher erscheint die Frage der Notwendigkeit der vorherigen Eintragung rein theoretischer Natur zu sein: Entweder die Vertragspartei stimmt einer Noteintragung des Komitees nach Art. 11 Abs. 4 S. 4 WKÜ zu, dann dürfte man diese Zustimmung als gleichzeitige Zustimmung zur Eintragung auf die Welterbeliste auslegen (die dann zumindest für eine juristische Sekunde erfolgt). Im umgekehrten Fall der Verweigerung der Zustimmung zur Eintragung gemäß Art. 11 Abs. 4 S. 4 WKÜ, ist wiederum eine Eintragung in die Rote Liste unmöglich, so dass sich die Frage der Notwendigkeit der vorherigen Eintragung auf der Welterbeliste nicht stellt.544 Als Beispiel für die Handhabung der Eintragung einer Stätte in die sog. Rote Liste ohne vorherige Verzeichnung auf der Welterbeliste kann die Praxis des Komitees im Fall der später zerstörten Buddha-Statuen im afghanischen Bamiyan-Tal verwiesen werden. Bereits vier Jahre bevor das Taliban-Regime die Statuen im März 2001 vorsätzlich zerstörte, erlangte das Welterbekomitee von dieser Bedrohung Kenntnis.545 Die Statuen standen zu diesem Zeitpunkt nicht auf der Welterbeliste. Es lag auch kein Aufnahmeantrag Afghanistans vor, das seit 1979 Vertragspartei des Übereinkommens war.546 Der außerordentliche Wert der Stätte war jedoch unstreitig gegeben.547 Das Welterbekomitee erließ daraufhin eine Resolution, in der unter anderem die afghanischen Behörden zum Schutz der Statuen aufgefordert wurden.548 Eine Eintragung in die Rote Liste, die eine besondere Aussagekraft gehabt hätte, wurde jedoch nicht vorgenommen. Selbstverständlich darf bezweifelt werden, dass eine derartige Eintragung die Taliban von ihrem Vorhaben abgebracht hätte.549 Doch der 544 Hiervon zu trennen ist die Frage, ob eine Eintragung in die Rote Liste selbst dann noch zustimmungsbedürftig ist, wenn die entsprechende Stätte zuvor bereits auf der Welterbeliste gemäß Art. 11 Abs. 2 WKÜ eingetragen war. 545 Francioni/Lenzerini, The Destruction of the Buddhas of Bamiyan and International Law, EJIL 14 (2003), 619 (625). 546 Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht, CDI 11 (2006), 11 (12). 547 Francioni/Lenzerini, The Destruction of the Buddhas of Bamiyan and International Law, EJIL 14 (2003), 619 (632) m.w.N.; Dupuy, The Impact of Legal Instruments adopted by UNESCO on General Interantional Law, in Yusuf (Hrsg.), Standard-Setting in UNESCO, 351 (360); v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dreden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51(2008), 321 (364). 548 UNESCO WHC-97/CONF.208/17, VII.58, Punkt 3. 549 Das darf insofern sehr stark bezweifelt werden, als auch die radikalen Islamisten, die Mitte 2012 die seit 1988 auf der Welterbeliste verzeichneten muslimischen Stätten in Timbuktu zerstörten, sich nicht von der nur wenige Tage zuvor erfolgten Eintragung der Stätten auf der Roten Liste haben beeindruckten lassen. Siehe dazu Schimmeck, Den Tuareg entgleitet die Kontrolle, FR vom 02. 07. 2012, S. 7.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Verzicht auf das öffentlichkeitswirksamste Mittel der UNESCO550 und des Welterbekomitees bei all den verschiedenen Bemühungen in der Folgezeit551 wird nur dann verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass das Welterbekomitee hierzu kompetentiell (ohne Zustimmung der Vertragspartei bei fehlender vorheriger Verzeichnung auf der Welterbeliste552) nicht in der Lage war.553 Rückschlüsse auf die oben aufgeworfene Frage der vorherigen Notwendigkeit der Eintragung auf der Welterbeliste lassen sich allerdings aus diesem Beispiel nicht ziehen. Ein entsprechender Antrag zur Aufnahme wurde erst nach der Zerstörung der Statuen gestellt und im Jahre 2003 auf der 23. Sitzung des Komitees in Paris das gesamte Bamiyan-Tal als Kulturlandschaft sowohl in die Welterbeliste als auch in die Rote Liste eingetragen.554 3. Zustimmungsbedürftigkeit der Eintragung Eine umstrittene Frage im Kontext der Erstellung der Roten Liste ist jedoch zuletzt noch, ob das Komitee eine bereits zuvor auf der Welterbeliste eingetragene Stätte auch dann in die Rote Liste eintragen kann, wenn der Belegenheitsstaat beispielsweise aus Gründen des Prestiges keine Eintragung in die Rote Liste wünscht und dementsprechend keine Zustimmung zur Eintragung erteilt hat. Vorstellbar ist dies insbesondere dann, wenn der entsprechende Vertragsstaat nur eine Unterstützung im Sinne der Art. 13 i.V.m. 19 ff. WKÜ beantragen wollte oder das Komitee selbst hinsichtlich einer Eintragung in die Rote Liste aktiv geworden ist. Eine deutliche Mehrheit im Schrifttum geht davon aus, dass eine solche Zustimmung erlässlich ist.555 Der Wortlaut der Vorschrift ist uneindeutig, und der 550 Zu den unterschiedlichen Bemühungen der UNESCO, wie die der Entsendung des Sondergesandten LaFranche, vgl. Francioni/Lenzerini, The Obligation to Prevent and Avoid Destruction of Cultural Heritage: From Bamiyan to Iraq, in: Hoffmann (Hrsg.), Art and Cultural Heritage, S. 28 ff. 551 UNESCO WHC-2001/CONF.205/10, I.4 ff. Zu den Bemühungen der Staatengemeinschaft insgesamt Francioni/Lenzerini, The Destruction of the Buddhas of Bamiyan and International Law, EJIL 14 (2003), 619 (621 ff.). Insbesondere zu den später auf Seiten der UNESCO gezogenen Konsequenzen Lenzerini, The UNESCO Declaration Concerning the Intentional Destruction of Cultural Heritage, IYIL 13 (2003), 131 ff. 552 Ein entsprechender Antrag Afghanistans zur Aufnahme wurde erst nach der Zerstörung der Statuen gestellt und im Jahre 2003 auf der 23. Sitzung des Komitees in Paris das gesamte Bamiyan-Tal als Kulturlandschaft sowohl in die Welterbeliste als auch in die Rote Liste eingetragen. Siehe dazu UNESCO WHC-03/27.COM/24, Beschluss 27 COM 8C.43. 553 Ebenso im Ergebnis Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völkerund nationalem Recht, CDI 11 (2006), 11 (12), die jedoch zur Begründung, wie bereits erwähnt, allein auf die fehlende Eintragung der Statuen auf der Welterbeliste verweist und daraus die mangelnde Anwendbarkeit des Übereinkommens folgert. 554 UNESCO WHC-03/27.COM/24, Beschluss 27 COM 8C.43. 555 Ferchichi, La Convention de l’UNESCO concernant la protection du patrimoine mondial culturel et naturel, in: Nafziger/Scovazzi (Hrsg.), Le patrimoine culturel de l’humanité, S. 478;

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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systematische Vergleich fällt unterschiedlich aus, je nachdem, ob man das Fehlen des ausdrücklichen Zustimmungserfordernisses betont, anders als bei der Eintragung in die Welterbeliste gemäß Art. 11 Abs. 3 WKÜ,556 oder die Tatsache, dass Art. 11 Abs. 6 WKÜ von Anträgen auf Aufnahme auf beide Listen spricht. So konnte man bislang mit Verweis auf die ergänzend zu berücksichtigenden Vorarbeiten, in denen eine Zustimmung ausdrücklich gefordert wurde, durchaus deren Notwendigkeit bejahen.557 Doch Zacharias hat überzeugend dargelegt,558 dass in den Reihen des Komitees ein Bewusstseinswandel stattgefunden hat und in zwei Schritten, 1992 und 2000, eine neue Praxis eingeführt wurde, die Eingang in die operational guidelines gefunden hat und eine Zustimmung der Vertragspartei nunmehr nicht mehr erfordert.559 Diese Praxis ist verzugswürdig, weil mit ihr Sinn und Zweck des Übereinkommens durch eine Effektivierung des Vertragsmechanismus besser erreicht werden kann. 560 Die Eintragung in die sog. Rote Liste bedarf im Falle der vorherigen Eintragung der Stätte auf der Welterbeliste mithin nicht der Zustimmung der jeweiligen Vertragspartei.

Litton, The World Heritage „in Danger“ Listing as a Taking, NYUJILP 44 (2011), 219 (248); Kilian, Die Weltkulturerbeliste der UNESCO aus völkerrechtlicher und nationalstaatlicher Sicht, in: Fischer-Czermak/Kletecˇka/Schauer/Zanker (Hrsg.), Festschrift Rudolf Welser, S. 472; Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 164 f.; Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (702); Zacharias, The International Regime for the Protection of World Cultural and Natural Heritage, S. 39 ff. 556 Vgl. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 165, der das Argument jedoch dafür verwendet, zu begründen, dass zumindest in Eilfällen keine Zustimmung erforderlich ist. 557 Litton, The World Heritage „in Danger“ Listing as a Taking, NYUJILP 44 (2011), 219 (248); Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und die deutsche Frage, S. 200. 558 Zacharias, The International Regime for the Protection of World Cultural and Natural Heritage, S. 39 ff. Dazu auch Strasser, „Putting Reform into Action“ – Thirty Years of the World Heritage Convention, IJCP 11 (2002), 215 (252 ff.); Anders offenbar noch Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 137: „Damit kann entgegen Fastenrath (DÖV 2008, S. 702) nach Art. 11 Abs. 4 WEK ein Gut unabhängig vom betroffenen Vertragsstaat direkt gegen seinen Willen in die ,Rote Liste‘ aufgenommen werden. Ein Parallelverfahren bei gleichzeitiger Aufnahme in beide Listen ist dagegen möglich.“ Diese Aussage kann nur so gedeutet werden, dass ein Redaktionsversehen vorliegt und es „kein Gut“ hätte heißen sollen. Das Wort „dagegen“ im zweiten Satz des Zitats ist nur bei dieser Lesart sinnvoll und Fastenrath hat sich zudem eindeutig und unmissverständlich gegen eine Zustimmungsbedürftigkeit ausgesprochen. 559 Jetzt etwas verklausuliert UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 177 lit. d). Zu den ersten Fällen, in denen sich Staaten einer Eintragung entgegengestellt haben, insbesondere der Eintragung des als Präzedenzfall bekannt gewordenen Kakadu Nationalparks in Nepal, Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 193 f. 560 Zacharias, The International Regime for the Protection of World Cultural and Natural Heritage, S. 27.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

III. Charakter der Eintragung auf der Roten Liste Die historische Entwicklung der Auffassung des Komitees sowie damit verbunden die Auffassungen in der Literatur zur Frage der Zustimmungsbedürftigkeit der Eintragung in die Rote Liste indizieren eine mögliche parallele Entwicklung bei der Frage des rechtlichen Charakters dieser Eintragung. Wurde die Eintragung in den ersten 25 Jahren des Konvention als zustimmungsbedürftig interpretiert, so konnte sie schwerlich den Charakter einer Sanktion besitzen, da Sanktionen schon ihrer Zweckrichtung nach nur gegen den Willen des Sanktionierten möglich sind und eine Listung gegen den Willen der Vertragspartei zunächst nicht möglich war. Die Änderung der operational guidelines, die Zustimmungsbedürftigkeit der Listung aufzugeben, lässt den Einsatz der Eintragung auf der Roten Liste als Mittel der Sanktion einer Vertragspartei jedoch zumindest als möglich erscheinen. Die im deutschen Schrifttum teilweise vertretene Einstufung der Listung als Sanktion561 kann im Wesentlichen der Tatsache zugeschrieben werden, dass auf der Roten Liste so gut wie keine Güter aus (reichen) Industriestaaten vertreten sind562 und die Liste eine weltweite Beachtung findet.563 Für Güter aus solchen reichen Staaten findet mithin objektiv eine negative Ausgrenzung statt, da bei der Betrachtung mitschwingt, dass diese Teile der Welt grundsätzlich in der Lage sind, entsprechende Gefahren eigenständig abzuwenden. Eine Listung einer solchen Stätte eines reichen Landes bedeutet mithin in der Regel,564 dass vorsätzlich eine Gefahrabwendung unterblieben ist. Dagegen muss allerdings eingewendet werden, dass ein so gerichteter Einsatz vom Geist der operational guidelines her nicht intendiert ist. Diese streben vielmehr eine Kooperation und Einbindung der betroffenen Vertragspartei an.565 Auch der ausdrückliche Katalog von Voraussetzungen zur Feststellung einer Gefahr für ein auf der Welterbeliste eingetragenes Gut reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass eine Eintragung als Sanktionsmittel verwendet werden kann.566

561 Offenhäußer, Die „Liste des gefährdeten Welterbes“, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 93. 562 Nach der 34. Sitzung des Welterbekomitees in Brasilia befanden sich 34 Stätten auf der Roten Liste, davon nur eine in Europa (Kosovo) und eine in Nordamerika, vgl. UNESCO WHC10/34.COM/20, Punkt 8C. 563 Zur Einstufung als Sanktionscharakter im Internationalen Schrifttum vgl. Litton, The World Heritage „in Danger“ Listing as a Taking, NYUJILP 44 (2011), 219 (229 ff.). 564 Ausnahmen bilden insbesondere die durch Naturkatastrophen verursachten Folgen. 565 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 184: „Zur Erarbeitung des unter Nummer 183 genannten Programms ersucht das Komitee das Sekretariat, so weit wie möglich in Zusammenarbeit mit dem betreffenden Vertragsstaat den derzeitigen Zustand des Gutes, die ihm drohenden Gefahren und die Durchführbarkeit von Abhilfemaßnahmen festzustellen (…)“. 566 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 179 und 180 sowie 182.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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Auch wenn es nunmehr zu Eintragungen ohne entsprechende Beantragung der jeweiligen Vertragspartei kommt,567 kann von einem Gebrauch als Sanktionsmittel bislang nicht gesprochen werden.568 Die Eintragung auf der Roten Liste ist mithin kein Sanktionsmechanismus des Welterberegimes.569 IV. Rechtsfolge Eine allgemeinhin als positiv einzustufende Rechtsfolge einer Eintragung in die Rote Liste ist zunächst die Eignung einer solchen Stätte als Objekt internationaler Unterstützung im Sinne von Art. 13 i.V.m. 19 ff. WKÜ.570 Ihr kann das Komitee nunmehr Hilfe in vielseitiger Form angedeihen lassen. Bestimmte Formen der Hilfe, insbesondere Expertenunterstützung, sind dabei auch für reichere Industriestaaten von großem Interesse.571 Seit der bereits beschriebenen Umstellung der operational guidelines wohnt der Listung jedoch neben der Warn- und Appellfunktion auch eine konkrete Rechtsfolge inne. Das Welterbekomitee hat in den Richtlinien das Verfahren des „reactive monitoring“ eingeführt. Danach hat ein Staat, auf dessen Hoheitsgebiet sich eine in die Rote Liste eingetragene Stätte befindet, nicht nur die im Listungsbeschluss ausge-

567

Zur Praxis der Beantragung der Eintragung in die Rote Liste durch die Vertragspartei bis zur Änderung der operational guidelines, Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 164. Diese ist jedoch auch heute noch durchaus gebräuchlich, vgl. dazu beispielsweise die Eintragung des Everglades National Parks nach Antrag der USA auf der 35. Sitzung des Komitees in Brasilia im Jahre 2010, UNESCO WHC-10/34.COM/20, Decision 34 COM 7B.29. 568 Am deutlichsten in diese Richtung ging die Listung des Dresdner Elbtals. UNESCO WHC-06/30.COM/19, Decision 30 COM 7B.77, Punkt 8: „Decides to inscribe the property on the List of World Heritage in Danger, with a view to considering delisting the property from the World Heritage List at its 31st session in 2007, if the plans are carried out“. Die Androhung der Streichung kann allerdings noch nicht als Sanktion gedeutet werden, sondern unterstreicht vielmehr die Besorgnis des Komitees in Bezug auf die drohenden Gefahren in Verbindung mit dem Verlust des außergewöhnlichen universellen Wertes. 569 Ebenso Strasser, „Putting Reform into Action“ – Thirty Years of the World Heritage Convention, IJCP 11 (2002), 215 (254); Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 166; a.A. Offenhäußer, Die „Liste des gefährdeten Welterbes“, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 93; bei Betrachtung des tatsächllichen Gebrauchs ebenso anders Litton, The World Heritage „in Danger“ Listing as a Taking, NYUJILP 44 (2011), 219 (229 ff.). 570 Odendahl, Der Schutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit, in: Weller/Kemle/ Lynen (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 27, spricht sogar von einer vorrangigen Berücksichtigung gegenüber anderen Anträgen auf internationale Unterstützung. 571 So dürfte der im Zuge der Eintragung auf der Roten Liste gefasste Beschluss, eine „World Heritage Centre/IUCN reactive monitoring mission“ zu entsenden, eine der Intentionen des Antrags der Vereinigten Staaten auf Eintragung des Everglades National Parks in die Liste gewesen sein, UNESCO WHC-10/34.COM/20, Decision 34 COM 7B.29, Punkt 8.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

sprochenen Forderungen des Komitees zu erfüllen, sondern muss sich zudem einer jährlichen Überprüfung des Zustandes durch ein Expertengremium unterwerfen.572

D. Streichung von den Listen I. Rechtliche Möglichkeit der Streichung Die Streichung einer Welterbestätte von einer der beiden Listen wird im Übereinkommen selbst nicht erwähnt. Sie ist in der fast vierzigjährigen Geschichte des Übereinkommens auch erst zweimal durchgeführt worden.573 Anders als bei der Erstellung der Roten Liste sehen die operational guidelines für die Streichung von der Welterbeliste allerdings zumindest ein entsprechend geregeltes Verfahren vor.574 Doch ob die Vertragsorgane und insbesondere das Welterbekomitee eine entsprechende Kompetenz tatsächlich besitzen, ist damit selbstverständlich noch nicht geklärt. Zunächst könnte man im Sinne des Bestehens einer derartigen Kompetenz argumentieren, dass das Komitee ausweislich Art. 11 Abs. 5 WKÜ die Maßstäbe bestimmen darf und muss, nach denen ein Gut in eine der beiden Liste aufgenommen werden kann und dementsprechend allein über die Kriterien wacht, die erfüllt sein müssen, um eine Eintragung zu rechtfertigen. Wenn nun allerdings die bei der Eintragung der Stätte (noch) vorliegenden Kriterien später wegfallen, entfällt gleichermaßen die Rechtfertigung für die Eintragung. Die Liste ist als ein beidseitig bewegliches System zu verstehen, bei dem sowohl auf die Veränderungen des Erhaltungszustandes der Stätten infolge menschlicher und natürlicher Einflüsse als auch die Aufnahmekriterien aufgrund strategischer Erwägungen insbesondere zur Erzielung einer besseren Repräsentativität reagiert werden können muss. Eine Versagung der Kompetenz zur Streichung würde in besonderen Fällen wie der Zerstörung der Stätte gar zu einem nicht im Sinn dieses Übereinkommens liegenden Ergebnis führen.575 Dieses erste Argument könnte man als eine Kompetenz zur Streichung kraft der Natur der Sache bezeichnen.

572

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 190. Zunächst im Jahre 2007 die sich im Oman befindliche Stätte „Arabian Oryx Sanctuary“, UNESCO Doc. WHC -07/31.COM/24, Beschluss 31COM 7B.11, und im Jahre 2009 das sich in der Bundesrepublik Deutschland befindliche „Dresdner Elbtal“ UNESCO Doc. WHC-09/ 33.COM/20, Beschluss 33 COM 7 A.26. 574 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 192 – 198. 575 Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 197. In begründeten Ausnahmefällen könnte man allerdings durch die weitere Listung eine konkludente Verpflichtung begründet sehen, die zerstörte Stätte wieder aufzubauen. Die bereits erwähnte, nachträgliche Listung des Bamiyan-Tals stellt allerdings keinen Präzedenzfall dar, der diese These bestätigen würde. Es wurden gerade nicht ausschließlich die zerstörten, besonders wertvollen Buddha-Statuen als solche gelistet, sondern das gesamte die Statuen um573

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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Das zweite Argument für eine Kompetenz des Komitees zur Streichung ergibt sich daraus, dass das Komitee gemäß Art. 11 Abs. 2 WKÜ verpflichtet ist, eine aktuelle Welterbeliste aufzustellen und mindestens alle zwei Jahre zu veröffentlichen. Schon begrifflich legt eine Aktualisierung bzw. ein auf dem neuesten Stand Halten nahe, dass es nicht um eine bloße Ergänzung oder Aufstockung der Liste mit weiteren Stätten geht, sondern dass es sich dabei um ein offenes, flexibles System handelt, bei dem die Streichung einer Stätte von der Liste ebenso möglich ist wie deren Aufnahme.576 Das Komitee wird nicht nur ermächtigt, die Maßstäbe für die Listeneinschreibung zu bestimmen, sondern erhält darüber hinaus noch die Kompetenz, über die Erfüllung der in dieser Weise aufgestellten Kriterien durch eine von einer Vertragspartei angemeldeten Stätte selbst zu entscheiden. Wenn es also einen Beurteilungsspielraum bei der Eintragung hat und nach Aufstellung der Maßstäbe im Wege der Richtlinien durch eine Anmeldung kein Automatismus ausgelöst wird, so spricht viel dafür, diesem Spielraum des Welterbekomitees hinsichtlich der Aufstellung ein entsprechendes Äquivalent bei der Aktualisierung der Liste zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren könnte man jedoch auch eine Kompetenz zur Streichung im Wege der actus-contrarius-Theorie begründen.577 Dementsprechend müsste der Kompetenz zur Eintragung in eine der Listen auch eine entsprechende Befugnis zu ihrer Rücknahme, also der Streichung, innewohnen.578 Auch dieser Ansatz ließe sich durch die oben gemachten Erwägungen über den Sinn und Zweck der Konvention untermauern. Teilweise wird mit Blick auf letztere erwogen, keine bloße Befugnis zur Streichung ableiten zu können, sondern darüberhinausgehend sogar eine Verpflichtung des Komitees zur Streichung, sofern es zur Zerstörung einer Stätte gekommen ist.579 Dieses ist jedoch abzulehnen, da das Übereinkommen dem Welterbekomitee einen sehr weiten Beurteilungsspielraum bei der Eintragung und damit zwangsläufig auch der Streichung zubilligt. Das gilt insbesondere, wenn letztere als actus contrarius gebende Bamiyan-Tal als Kulturlandschaft. Ferner ist der Wert einer Wiederherstellung aus fachlichen Gründen als kritisch zu betrachten. 576 So auch Mißling/Watermann, Die doppelte Verantwortung der UNESCO, VN 2009, 249 (254); Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 196 f.; v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (386 f.). 577 Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 308; v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 138; dies., Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (387). 578 Mißling/Watermann, Die doppelte Verantwortung der UNESCO, VN 2009, 249 (254). 579 Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 198; ähnlich v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (388).

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

verstanden wird. Das Komitee hat keine Pflicht zur Eintragung einer Stätte, die von einer Vertragspartei zur Eintragung in die Welterbeliste angemeldet wird. Viele Anträge sind Zweifelfälle, und das Welterbekomitee ist nicht an die (Rechts-)Auffassung der Vertragspartei gebunden, wonach die in den Richtlinien aufgestellten Kriterien an ein Welterbegut erfüllt sind. Dementsprechend muss das Komitee auch bei einer Streichung die Nichterfüllung der eigenen Kriterien selbst überprüfen können, ohne dass es zu einem konkreten Ergebnis verpflichtet werden könnte.580 Eine Streichung einer Welterbestätte ist mithin möglich und fällt in die Kompetenz des Welterbekomitees. Gleiches muss auch für die Streichung einer Stätte aus der Roten Liste gelten, da der Eintragung in die Rote Liste von ohnehin nur ein vorübergehender Charakter beigemessen werden kann.581 Eine Eintragung in die Rote Liste vor Durchführung der Streichung von der Welterbeliste wird in der Regel erfolgen, ist jedoch im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Vertrages bei plötzlichem, vollständigem Substanzverlust nicht notwendig.582 II. Zustimmungsbedürftigkeit der Streichung Wenn man die rechtliche Möglichkeit der Streichung einer Stätte von der Welterbeliste bejaht, so ist damit jedoch noch nicht geklärt, ob die Streichungshandlung vom Welterbekomitee auch ohne die Zustimmung der entsprechenden Vertragspartei vorgenommen werden darf. Diese beiden Fragen werden teilweise in unzulässigerweise vermengt.583 Die Erwägung eines Zustimmungserfordernisses erscheint auf den ersten Blick auch paradox, ist gerade in den beiden bisherigen Fällen der Streichung diese eher als eine Art der Sanktion584 oder Feststellung eines Vertragsverstoßes zu verstehen gewesen und hat insbesondere die Bundesrepublik bei der Streichung des Dresdner Elbtals keinerlei Bestrebungen gehabt, die Stätte (freiwillig) streichen zu lassen. Doch gerade die Begründung der Streichung unter Berufung auf den actus-contrarius-Grundsatz oder ein „legal principle of parallelism of forms“585 lassen die 580 Siehe zum verbleibenden Ermessensspielraum selbst bei einer vollständigen Zerstörung der Stätte das Beispiel der Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal. Die Welterbestätte wurde nach der Zerstörung durch die Taliban unter anderen Kriterien auf der Welterbeliste belassen. 581 Ohne Begründung jedoch im Ergebnis ebenso Ferchichi, La Convention de l’UNESCO concernant la protection du patrimoine mondial culturel et naturel, in: Nafziger/Scovazzi (Hrsg.), Le patrimoine culturel de l’humanité, S. 473. 582 So auch Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 198 f. 583 Vgl. die Schlussfolgerung bei Mißling/Watermann, Die doppelte Verantwortung der UNESCO, VN 2009, 249 (254). 584 Im Unterschied zur Eintragung in die Rote Liste, die im Wesentlichen eine Warnfunktion erfüllt. Zum Charakter der Streichung sogleich unten unter 1. Teil, 4. Kapitel, D., III. 585 Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 197.

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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Notwendigkeit eines staatlichen Einverständnisses zumindest überdenkenswert erscheinen. Eine wirkliche Parallelität der Handlungsformen würde nämlich bedeuten, dass unter Umständen die betroffene Vertragspartei beim Welterbekomitee die Streichung beantragen müsste, wie dies auch bei der Eintragung der Fall ist.586 Daran dürften die Vertragsparteien jedoch regelmäßig kein Interesse haben. Eine Zustimmung der Vertragspartei zur Streichung zu verlangen, hieße mithin Streichungen unmöglich zu machen. Denn abgesehen vom Ansehensverlust, den eine Streichung mit sich bringt, birgt dieses Übereinkommen nämlich nicht nur Verpflichtungen, von denen ein Staat unter anderem mit der Streichung einer seiner Stätten befreit werden könnte, sondern auch Vorteile, wie einen Prestigegewinn, der beispielsweise im Fall der Bundesrepublik bei der Vermarktung Dresdens als Touristenattraktion geholfen haben könnte. Ferner bedeutet die Aufrechterhaltung der Eintragung bessere Möglichkeiten bei der Erlangung internationaler Hilfe zur Erhaltung der Stätte durch den World Heritage Fund. Auf diese Vorzüge müsste ein Staat, der möglicherweise sogar lange für die Aufnahme auf die Liste gekämpft hat, freiwillig verzichten. Insofern ist die Frage nach dem Zustimmungserfordernis nicht nur ein theoretisches Problem, sondern hat überaus praktische Relevanz. Im Ergebnis wird jedoch die Feststellung der Rechtmäßigkeit der bisherigen Praxis des Welterbekomitees, eine solche Zustimmung nicht zu verlangen, als einzig richtige Schlussfolgerung stehen. Abgesehen vom Charakter einer solchen Streichung, der an gesonderter Stelle untersucht werden soll,587 gibt die Analyse des Übereinkommens die Antwort eindeutig vor. Denn das Übereinkommen knüpft einen Souveränitätsvorbehalt ausdrücklich nur an die Aufnahme einer Stätte auf dem Staatsgebiet eines jeweiligen Staates. Die Aktualisierung der Liste unterliegt diesem Vorbehalt nicht. Ferner überantwortet das Übereinkommen dem Welterbekomitee die alleinige Verantwortung bei der Ausarbeitung der Kriterien für die Welterbeliste. Weder bei diesen noch bei der Auflistung der angemeldeten Güter kann das Welterbekomitee an seinen Entscheidungen durch die betroffenen Vertragsparteien gehindert oder dabei überstimmt werden. Die fachliche Entscheidung trifft somit einzig und allein das Komitee. Dementsprechend entscheidet es auch allein über die mit der Eintragung in die Liste verbundene Gewährung der Vorteile, die diese mit sich bringt. Da der Aufnahmeantrag dieses nicht beeinflussen kann, soll es ein – noch nicht einmal im Übereinkommen vorgesehener – Streichungsantrag erst recht nicht können.588 Ein Zustimmungserfordernis der betroffenen Vertragspartei ist also nicht erforderlich.589 586 Art. 11 Abs. 3 WKÜ. So auch v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (387). 587 Siehe unten unter 1. Teil, 4. Kapitel, D., III. 588 Im Ergebnis ebenso v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (387). Sie begründet dies allerdings unter anderem damit, dass die UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 196 nur eine Konsultation des Belegenheitsstaates fordern.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

III. Charakter der Streichung Letztlich stellt sich im Zusammenhang mit der Streichung von Stätten aus der „Liste des Erbes der Welt“ noch die Frage, ob diese eine Sanktionsmöglichkeit des Überwachungsmechanismus darstellt. Daneben bestünde die Möglichkeit, dass sie einen rein feststellenden Charakter hat und zum Ausdruck bringt, dass eine vormals eingetragene Stätte nun nicht mehr den Anforderungen genügt, den das Welterbekomitee an ein Erbe der Welt formuliert hat. 1. Normativer Befund In der Literatur wird insbesondere die letztere Auffassung vertreten. Dort heißt es zum Beispiel, „the World Heritage Committee has rightly pointed out in statements that it is not allowed to use the instruments laid down in the World Heritage Convention as a punishment of, or sanction against, a State Party“.590 Ein Beleg dafür kann jedoch weder den Aussagen bzw. Entscheidungen des Komitees noch den operational guidelines entnommen werden. Vielmehr ist als Beleg dieser Interpretation lediglich eine Aussage auf der Homepage des Welterbezentrums angeführt, wonach „[t]he listing of a site as World Heritage in Danger should in any case not be considered as a sanction“.591 Diese Aussage bezieht sich somit nur auf die Eintragung des Welterbes in die Rote Liste. Daraus zu schließen, dass alle Instrumente der Konvention nicht als Sanktionen verwendet werden dürfen, geht fehl. Denn insbesondere im Verfahren, das die operational guidelines für eine mögliche Streichung von Gütern aus der Welterbliste vorsehen, ist festgelegt, dass wenn ein Vertragsstaat die „vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen nicht […] durchführt, so zieht das Komitee die Streichung des Gutes aus der Liste nach Maßgabe des von ihm beschlossenen Verfahrens in Betracht“.592 Das macht deutlich, dass der Streichung sehr wohl ein Sanktionscharakter für die Nichtbefolgung der vereinbarten Abhilfemaßnahmen zur Erhaltung einer Welterbestätte innewohnen kann.593 Diese Begründung ist insofern problematisch als es sich bei den operational guidelines nur um vom Welterbekomitee selbst gesetztes Sekundärrecht handelt, welches eine entsprechende Bedingung der Zustimmung nicht wirksam aberkennen könnte. 589 So im Ergebnis einheitlich auch Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 198; Mißling/Watermann, Die doppelte Verantwortung der UNESCO, VN 2009, 249 (254). 590 Zacharias, The International Regime for the Protection of World Cultural and Natural Heritage, S. 12 f. Ebenso v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (388). 591 UNESCO World Heritage Center, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/en/158 (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 592 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 116 i.V.m. 192 lit. b). 593 Ohne Begründung ebenso Offenhäußer, Die „Liste des gefährdeten Welterbes“, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 93. Den faktischen Sanktionscharakter betont Odendahl, Der

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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2. Praxis Dieses belegt auch die – wenngleich mangels einer signifikanten Anzahl von Streichungen bisher noch nicht sehr aussagekräftige – Praxis des Komitees. a) „Dresdner Elbtal“ Besonders deutlich wurde dies im Fall der Streichung des „Dresdner Elbtals“ aus der „Liste des Erbes der Welt“.594 Der Streichungsbeschluss wurde im Juni 2009 auf der 33. Sitzung des Welterbekomitees in Sevilla gefasst.595 Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die geplante Brücke, die das Elbtal optisch zerschneiden und damit dessen einzigartigen, welterbewürdigen Charakter zerstören würde, noch gar nicht errichtet worden war.596 Zwar hatten zuvor verschiedene Vermittlungsgespräche stattgefunden, die sämtlich erfolglos geblieben waren.597 Insofern musste das Welterbekomitee davon ausgehen, dass die konkreten Planungen tatsächlichem umgesetzt werden würden. Doch anstatt sich bloß auf ein Gutachten über die zu erwartenden visuellen Auswirkungen des Brückenbaus und eine Ortsbegehung zu stützen,598 hätte das Welterbekomitee den Bau der Querung abwarten und die advisory bodies zu einer erneuten Inspektion der Stätte aussenden können. Das allein deutet bereits darauf hin, dass der fehlende politische Wille der Bundesrepublik hinsichtlich einer planerischen Umgestaltung nach den Vorgaben des Welterbekomitees bzw. seiner advisory bodies sanktioniert werden sollte. Ferner vermochte es das Welterbekomitee in der Vergangenheit sogar bei einer vollständigen Zerstörung von Welterbestätten, wie der Zerstörung der Buddha-Figuren im Bamiyan-Tal in Afghanistan, durch eine Neubewertung bzw. Gewichtung der Kriterien die Stätte überhaupt erst in die Welterbeliste aufzunehmen.599 Es hätte mithin bei einem entSchutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit, in: Weller/Kemle/Lynen (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 26 f.; Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (703); Kilian, Die Weltkulturerbeliste der UNESCO aus völkerrechtlicher und nationalstaatlicher Sicht, in: Fischer-Czermak/Kletecˇka/Schauer/Zanker (Hrsg.), Festschrift Rudolf Welser, 457 (471). 594 Eine vorherige Eintragung auf der sog. Roten Liste war im Jahre 2006 erfolgt. Siehe dazu den Eintragungsbeschluss UNESCO Doc. WHC-06/30.COM/19, Decision 30COM 8C.1. 595 UNESCO Doc. WHC-09/33.COM/20, Decision 33 COM 7 A.26. 596 Zum gesamten tatsächlichen und rechtlichen Verfahren siehe unten unter 3. Teil, 1. Kapitel, D. 597 Siehe nur die vom Oberverwaltungsgericht angeordnete Mediation, OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (140). 598 RWTH Aachen, Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung, Gutachten zu den visuellen Auswirkungen des ,Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke‘ auf das UNESCOWeltkulturerbe ,Elbtal Dresden‘, S. 109 und 111; vgl hierzu auch Punkt 3 des Beschlusses 33 COM 7 A.26. 599 Siehe dazu bereits oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, C., II., 2. Das Handeln des Welterbekomitees nicht als Sanktion, sondern eher eine Art Aufrüttelung der Bundesrepublik aufzufassen, ist zwar möglich, jedoch meines Erachtens weniger plausibel. Durch die Streichung

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

sprechenden Willen nahe gelegen, den Brückenbau abzuwarten und dann zu überlegen, ob eine Verschiebung des Schwerpunkts der Eintragung (als Kulturlandschaft) auf den kulturhistorischen Wert der Stadt, insbesondere den Wiederaufbau nach den Zerstörungen in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945, die Erhaltung auf der Liste rechtfertigen könnte.600 Einen Prestigegewinn durch den Titel als Welterbestätte konnte das Dresdner Elbtal fortan nicht mehr vorweisen. Die vorzeitige Streichung kann mithin nur als Sanktion der Kompromisslosigkeit der verantwortlichen staatlichen Stellen601 verstanden werden. b) „Arab Oryx Sanctuary“ Die zweite bisher durchgeführte Streichung stellt in weniger eindeutiger Weise als der vorgenannte Fall eine Sanktion dar. Sie ist jedoch sehr wohl auch in diese Richtung zu deuten. Das „Arab Oryx Sanctuary“ im Oman, eine Naturerbestätte, in der eine bestimmte Antilopenart nach ihrem Aussterben in der freien Wildbahn wieder erfolgreich ausgewildert worden war, wurde vom Welterbekomitee auf seiner 31. Sitzung in Christchurch aus der Welterbeliste gestrichen.602 Dem vorausgegangen war eine neunzig prozentige Verkleinerung des Schutzgebietes im Laufe der Jahre zu Gunsten der Ausweitung des Abbaus von Bodenschätzen.603 Der Bestand der zu schützenden Tierart war zwar bereits vor der zuletzt beschlossenen Verkleinerung des Schutzgebiets auf 65 von zuvor 450 Paaren zurückgegangen,604 was die IUCN dazu verhat das Welterbekomitee bereits seine schärfste Waffe gezogen und sich damit sämtlichen weiteren Drohpotential erledigt. Sicherlich hätte es in der Vergangenheit auch andere Fälle gegeben, um Vertragsstaaten durch eine Streichung sozusagen noch rechtzeitig auf den Weg zur Rettung der jeweiligen Stätte zurückzuführen. Das Komitee hatte von diesem Mittel jedoch bislang (mit einer weiteren noch zu erläuternden Ausnahme) keinen Gebrauch gemacht. Die Erklärung für die Verwendung in diesem Fall liegt meiner Meinung nach darin, dass das Welterbekomitee keine Chance für erfolgreiche Verhandlungen sah und der Weiterbau der Brücke nicht mehr zu verhinden schien. Der Deutung der Streichung als Aufrüttelung würde ferner zuwiderlaufen, dass das Elbtal zudem noch von der Roten Liste gestrichen wurde. Vgl. dazu UNESCO Doc. WHC-09/33.COM/20, Decision 33 COM 8C.3 neben UNESCO Doc. WHC-09/33.COM/20, Decision 33 COM 7 A.26. 600 Grundsätzlich wird diese Möglichkeit auch anerkannt, Punkt 11 des Beschlusses 33 COM 7 A.26. 601 In diese Richtung deutet insbesondere Punkt 8 des Beschlusses 33 COM 7 A.26 hin: „Also regrets the fact that the authorities have not halted the project, detrimental to the Outstanding Universal Value of the property and that the damage already caused has not been reversed“. 602 UNESCO Doc. WHC-07/31.COM/24, Beschluss 31COM 7B.11. 603 UNESCO World Heritage Center, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/en/list/654 (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015); UNESCO Doc. WHC-06/30.COM/19, Beschluss 30 COM 7B.10. 604 UNESCO World Heritage Centre, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/en/list/654 (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015).

4. Kap.: Erstellung der Listen durch das Welterbekomitee

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anlasste festzustellen, dass der außergewöhnliche universelle Charakter des Gebiets verloren sei.605 Doch gerade im Bereich des Artenschutzes erscheint die Aufrechterhaltung einer Schutzkategorie noch viel mehr als im Bereich des Kulturerbeschutzes als nicht nur möglich, sondern vielmehr als notwendig, um das Überleben der Art noch zu ermöglichen. Auch wenn der Oman das Prestige im Verhältnis zu den genehmigten Erkundungen für vernachlässigenswert hält und somit die Frage, ob die Streichung von Seiten des Oman überhaupt als Sanktion verstanden wird, aufgeworfen werden kann, muss der Beschluss des Komitees letztendlich als Sanktion bewertet werden. Dafür spricht insbesondere die deutliche Betonung der Verletzung der operational guidelines durch eine einseitige Verkleinerung des Gebietes606 sowie der Nichtbefolgung der Beschlüsse und Empfehlungen aus den Vorjahren,607 anstatt den Verlust der Einzigartigkeit des Schutzgebiets zu betonen und damit auf rein objektive Kriterien abzustellen. Die Sanktion soll ferner eine gewisse Abschreckungswirkung haben. 3. Ergebnis Die Streichung von Stätten aus der Welterbeliste sowie der Roten Liste ist trotz des Mangels einer ausdrücklichen Erwähnung im Text des Übereinkommens möglich. Diese kann einseitig und ohne Zustimmung der betroffenen Vertragspartei vom Welterbekomitee durchgeführt werden. Die Streichung aus der Welterbeliste hat des Weiteren Sanktionscharakter. Ob eine Streichung darüber hinaus gleichbedeutend mit der Feststellung eines Völkerrechtsbruchs – resultierend aus der Nichtbefolgung des Übereinkommens durch die jeweilige Vertragspartei – ist, hängt vom entsprechenden Einzelfall ab. Die bisherigen Streichungen sind wegen eines Vertragsbruchs vorgenommen worden bzw. haben den Verstoß ausdrücklich festgestellt.608 Es sind jedoch auch potentielle Streichungen denkbar, in denen die Vertragspartei keinen Vertrags- und damit Völkerrechtsverstoß begangen hat, insbesondere wenn Fälle von höherer Gewalt zur Zerstörung von eingetragenen Gütern führen sollten.

605

Punkt 12, Beschluss 31COM 7B.11. Punkt 9, Beschluss 31COM 7B.11. 607 Punkt 7, Beschluss 31COM 7B.11 mit Verweis auf Beschluss 30 COM 7B.10, der wiederum weiter auf Beschluss 29 COM 7B.6 verweist. 608 UNESCO WHC Beschluss 31COM 7B.11, 8. Erwägungsgrund; UNESCO WHC Beschluss 33 COM 7.A.26, abgeschwächt im 6. Erwägungsgrund. 606

142

1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

5. Kapitel

Die Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus Wie die vorangegangenen Ausführungen dargelegt haben, stellt das UNESCOWelterbeübereinkommen keinen gewöhnlichen völkerrechtlichen Vertrag dar. Es wurden vielmehr verschiedene Organe geschaffen, von denen insbesondere das Welterbekomitee als zentrales Organ installiert und mit einer Fülle von Aufgaben und Kompetenzen bedacht wurde. Diese Kompetenzen gipfeln in Entscheidungen, die das Komitee gegenüber den Vertragsparteien zu treffen hat.609 Es erscheint daher notwendig, die Reichweite der Kompetenzen sowohl in ihrer inhaltlichen Vielfalt als auch in ihrer Dimension gegenüber den Vertragsparteien näher zu beleuchten (A.), um sodann Rückschlüsse auf den vom Übereinkommen geschaffenen Vertragsmechanismus ziehen zu können (B.).

A. Rechtliche Analyse des UNESCO-Welterberegimes Die Analyse des Vertragsmechanismus soll mit den Entscheidungs- und Rechtsetzungskompetenzen beginnen (I.). Anschließend soll die Überwachungs- und Erfüllungskontrolle in den Fokus rücken (II.). I. Entscheidungs- und Rechtssetzungskompetenzen Das Übereinkommen räumt den Vertragsorganen verschiedene Rechtsetzungskompetenzen ein. Deren Wirkung betrifft sowohl den Innen- als auch den Außenbereich des Vertragssystems. Das Welterbekomitee fasst verschiedene Arten von Beschlüssen. Diese tragen zwar sämtlich den Titel „decision“,610 unterscheiden sich allerdings in ihrer Verbindlichkeit. Zum einen gibt es verbindliche, zum anderen unverbindliche „decisions“. Die sprachliche Vereinheitlichung ist insofern nachvollziehbar, als sowohl die ausdrücklich in den rules of procedure aufgeführten Instrumente der „decisions“ als auch die ebenfalls ausdrücklich genannten „recommendations“ unter der Regel 34 der rules of procedure mit dem Titel „decisions“ zu finden sind.

609

Vgl. z. B. zur Listenerstellung oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, B., II. oder zur Streichung oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, D. 610 Vgl. nur die Ergebnisse der 35. Tagung des Welterbekomitees im Jahre 2011 in Paris, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/document/107150 (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015).

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

143

1. Geschäftsordnung des Welterbekomitees (rules of procedure) Im Bereich der Rechtsakte mit Innenwirkung ist zunächst die ausdrückliche Befugnis des Welterbekomitees zu nennen,611 sich eine Geschäftsordnung zu geben. Die sog. rules of procedure wurden vom Welterbekomitee auf seiner ersten Sitzung im Jahre 1977 angenommen und seitdem mehrfach geändert.612 In den rules of procedure haben die Vertragsparteien festgelegt, dass am Ende jeder ordentlichen Sitzung des Welterbekomitees ein Büro gebildet werden soll.613 Dieses ist anders als das Sekretariat des Komitees nicht im Übereinkommen genannt. Es besteht aus dem Vorsitzenden, fünf Stellvertretern sowie einem Berichterstatter.614 Diese Personen sind als das Büro mit der Organisation der folgenden Sitzung des Komitees, insbesondere der Festsetzung der Tagesordnung betraut.615 Besonders auffällig an den rules of procedure ist, dass sich das Komitee selbst ermächtigt, all solche Entscheidungen zu treffen und Empfehlungen auszusprechen, die es für angemessen hält.616 Auch die für völkerrechtliche Vertragsgremien typische Einstimmigkeit wird für keinen der dort erwähnten Rechtsakte gefordert. Vielmehr verlangen die Regeln eine Zweidrittelmehrheit der Komiteemitglieder für Entscheidungen auf Gebieten, die vom Übereinkommen gedeckt sind617 und rezipieren damit die ausdrückliche Festschreibung des Zweidrittelquorums für Entscheidungen des Komitees aus dem Übereinkommen.618 Darüber hinaus wird allerdings sowohl für die Frage, ob eine Entscheidung vom Text der Konvention gedeckt ist, als auch für alle übrigen Entscheidungen, die kein spezifisches Quorum durch die Geschäftsordnung erfahren haben, lediglich eine einfache Mehrheit gefordert.619 2. Die Richtlinien zur Durchführung des Übereinkommens (operational guidelines) Die Richtlinien zur Durchführung des Übereinkommens, die sog. operational guidelines, sind das praktisch bedeutsamste Instrument, welches der Konkretisierung des Schutzauftrags der Konvention dient.

611 612

2015). 613 614 615 616 617 618 619

Art. 10 Abs. 1 WKÜ. Abrufbar unter: http://whc.unesco.org/en/committee/ (zuletzt aufgerufen am: 15. 10. Regel 13.1 der rules of procedure (2015). Regel 12.1 der rules of procedure (2015). Regel 12.1 der rules of procedure (2015). Regel 34.1 der rules of procedure (2015). Regel 37 der rules of procedure (2015). Art. 13 Abs. 8 WKÜ. Regel 38.1 und 38.2 der rules of procedure (2015).

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Sie sind in erster Linie an die Vertragsparteien adressiert.620 Darüber hinaus enthalten sie allerdings auch Bestimmungen, die für den Binnenbereich des Komitees und seiner Hilfsgremien maßgeblich sind.621 Konkret formulieren die Richtlinien in Nr. 1 der operational guidelines in ihrer aktuellen Fassung622 das Ziel, die Durchführung des Übereinkommens zu erleichtern, indem sie die Regeln bzw. das Verfahren festlegen für „a) die Eintragung von Gütern in die Liste des Erbes der Welt und die Liste des gefährdeten Erbes der Welt; b) den Schutz und die Erhaltung von Welterbegütern; c) die Gewährung internationaler Unterstützung im Rahmen des Fonds für das Erbe der Welt; d) die Mobilisierung innerstaatlicher und internationaler Unterstützung für das Übereinkommen“.

a) Aufstellung der Richtlinien Die Richtlinien wurden erstmalig im Jahre 1977 durch das Komitee auf seiner ersten Sitzung aufgestellt und veröffentlicht. Sie wurden seitdem in unregelmäßigen Abständen verändert und in der jeweils neuen Fassung veröffentlicht.623 Die Kompetenz zur Aufstellung der Richtlinien ist unmittelbar der Konvention zu entnehmen. Dort heißt es, dass das Komitee die Maßstäbe bestimme, nach denen ein Gut in eine der vom Komitee geführten Listen aufgenommen werden könne.624 Letztendlich sind auch Bereiche der Richtlinien, die auf den ersten Blick nicht unter die Aufnahme eine der Liste fallen, wie beispielsweise das Monitoringverfahren, das eigentlich den Erhalt eines Gutes und damit den Verbleib auf der Welterbeliste absichern helfen soll, als durch die Ermächtigungsnorm gedeckt anzusehen.625 Die Aufstellung erfolgt

620 Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1850). Sie vergleicht die Richtlinien mit deutschen Verwaltungsvorschriften, die einer Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis dienen sollen. 621 Ausdrücklich UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 3; vgl. als Beispiel für Adressaten innerhalb der Vertragsorgane selbst nur Anlage 6 zu den UNESCO operational guidelines (2012) zum Verfahren zur Beurteilung von Anmeldungen durch die beratenden Gremien. 622 UNESCO operational guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention (2012), WHC. 12/01 von Juli 2012. 623 Die Änderungsgeschichte mit früheren Fassungen der Richtlinien ist abrufbar unter: http://whc.unesco.org/en/guidelines (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 624 Art. 11 Abs. 5 WKÜ. 625 Auch wenn dies in der Literatur nur unkritisch vorausgesetzt wird. Vgl. Scovazzi, Art. 8 – 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 173, der in seiner Kommentierung dazu schweigt.

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

145

durch einen Beschluss des Welterbekomitees, für den eine Zweidrittelmehrheit ausreichend ist.626 b) Verbindlichkeit der Richtlinien Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Adressaten der Richtlinien muss die Verbindlichkeit getrennt nach diesen untersucht werden. aa) Innenverhältnis Die Frage nach der Bindung der Richtlinien im Innenverhältnis betrifft die eigene Bindung des Komitees an die von ihm aufgestellten Regeln. Wie sie zu beantworten ist, wurde anlässlich eines Streites auf der 20. Sitzung des Komitees im Jahre 1996 in Merida von den Mitgliedern unterschiedlich beurteilt.627 Dabei hatte das Komitee unter anderem die Regel verletzt, dass vom Welterbezentrum zurückgewiesene Meldungen nicht im selben Jahr vom Komitee erneut zur Prüfung angenommen werden dürfen und dass Staatenvertreter sich während der Sitzungen nicht für die von ihnen selbst angemeldeten Güter einsetzen dürfen.628 Deutschland, unterstützt durch Italien, vertrat dabei die Auffassung, dass ein solches Vorgehen zwar möglich sei, jedoch nur, wenn man gleichzeitig die Richtlinien ändere.629 Die Vereinigten Staaten hingegen hielten eine solche Abweichung von den Richtlinien durch das Komitee selbst in einzelnen Fällen für zulässig, ohne dass dieses gleich eine Änderung der Richtlinien nach sich ziehen müsse, jedenfalls so lange das Komitee sich nicht dadurch seiner wesentlichen Aufgaben entziehe und keine Staaten benachteiligt würden.630 Letztendlich wird die Möglichkeit der Abweichung von den Richtlinien durch das Komitee selbst zu recht kaum bestritten.631 Es ist vielmehr eine Glaubwürdigkeitsund damit politische Frage, ob das Komitee von den Bestimmungen in Einzelfällen abweichen sollte. Formell betrachtet kann das Komitee durch eine Zweidrittelmehrheit, wie sie Regel 37 der rules of procedure vorsieht, von den Vorgaben wieder abweichen. Diese sind jedoch, auch wenn sie als Teil einer „decision“ eine Ein626

Regel 37 der rules of procedure (2015). Nach dieser Sitzung konnten keine weiteren Verstöße des Komitees mehr festgestellt werden, so auch Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1849 f.). 628 Vgl. die detaillierteren Ausführungen bei Strasser, „Putting Reform Into Action“ – Thirty Years of the World Heritage Convention, IJCP 11 (2002), 215 (246). 629 UNESCO Doc. WHC-96/CONF.201/21, Annex IX.1 und IX.3. 630 UNESCO Doc. WHC-96/CONF.201/21, Annex IX.2. Ähnlich die Voritzende des Welterbekomitees, UNESCO Doc. WHC-96/CONF.201/21, Annex IX.4. Darüber hinaus stellten die USA jedoch einen großen Glaubwürdigkeitsverlust durch derartiges Handeln fest. Diesen vermochte die Vorsitzende allerdings nicht nachzuvollziehen. 631 Unklar insofern Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1850). 627

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

zelfallentscheidung darstellen, de facto eine Änderung der Richtlinien. Dem steht nicht entgegen, dass das Komitee keine neue entsprechend geänderte Fassung der Richtlinien veröffentlicht. Wie Nr. 2 der Richtlinien selbst bestimmt, werden sie in regelmäßigen Abständen in Umsetzung der Beschlüsse des Komitees überarbeitet.632 Das bedeutet, dass Überarbeitung und dementsprechend auch die Veröffentlichung den materiellen Entscheidungen des Komitees nachfolgt und dementsprechend das Organ nicht binden können.633 bb) Außenverhältnis Von den Richtlinien sind jedoch insbesondere die Vertragsparteien betroffen. Eine Verbindlichkeit im Außenverhältnis zu diesen Staaten könnte aus verschiedenen Gründen erwogen werden. Soweit die Verbindlichkeit der operational guidelines bislang überhaupt untersucht wurde, wurde sie lediglich für die Richtlinien in ihrer Gesamtheit in Erwägung gezogen.634 Die „Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ bezwecken zwar ausweislich ihres Titels die einheitliche Umsetzung sowie auch eine bessere Einhaltung der in der Konvention statuierten Verpflichtungen, die Kompetenzen, die die Konvention ihrem Autoren, dem Welterbekomitee erteilt hat, sind jedoch begrenzt. Die Vertragsparteien haben das Komitee im Übereinkommen eben nicht pauschal mit Kompetenzen ausgestattet, die sich auf alle Bereiche der Konvention, von der Interpretation der Vorschriften635 632 Die UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 2 sprechen zwar von „regelmäßigen“ Abständen. Dieses wurde jedoch durch die Praxis widerlegt. 633 Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1850), geht auf diese Problematik trotz der Erwähnung des Meinungsstreits nicht ein, sondern stellt nur fest: „The Committee has bound itself by abstract norms (…). Thus, the Operational Guidelines guarantee more transparent, foreseeable and calculable decisions on the international level (…).“ 634 Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1850 f.); Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 44 ff. Ohne ausführliche Herleitung zu diesem Thema noch v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Weltkulturerbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (527) und Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1018). Eine Beachtung der operational guidelines sei geboten, da sie „relevant elements of subsequent practice“ darstellten, so Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 188 ff.; Hönes, Rechtliche Aspekte zum deutschen und europäischen Kulturlandschaftsschutz, in: Bauerochse/ Haßmann/Ickerodt (Hrsg.), Kulturlandschaft, S. 40, ist der Auffassung, die Richtlinien seien als „Anlage“ nach Art. 31 Abs. 2 WVRK zu beachten. 635 Insofern erscheint es höchst zweifelhaft, bei den operational guidelines insgesamt und allgemein von einer „autoritative[n] Interpretation“ zu sprechen, wie von Pfeifle, UNESCOWeltkulturerbe, S. 49, vorgeschlagen. Die autoritative Interpretation kann sich vielmehr nur auf diejenigen Bereiche erstrecken, in denen dem Komitee entsprechende Kompetenzen zur Regelung und damit möglicherweise implizit zur Auslegung zugewiesen worden sind. Genauer

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

147

bis zur Erfüllungskontrolle, erstrecken. Insofern muss bei der Betrachtung der Verbindlichkeit der Richtlinien danach differenziert werden, ob die jeweiligen Bestimmungen ausdrücklich der Regelungskompetenz des Welterbekomitees unterworfen wurden.636 (1) Im Rahmen der Regelungskompetenz des Komitees Zunächst soll die Verbindlichkeit der Richtlinienbestimmungen, die sich im Rahmen der Kompetenz des Komitees bewegen, untersucht werden. Wenn auch nicht ausschließlich, so handelt es sich dabei doch im Wesentlichen um denjenigen sehr weiten Bereich, der im Zusammenhang mit der Listenführung steht (Art. 11 Abs. 2 und 4 WKÜ). Hierzu hat das Übereinkommen dem Komitee einen ausdrücklichen Auftrag erteilt.637 Der bislang pauschal für die gesamten operational guidelines angewandte Vergleich mit deutschen Verwaltungsvorschriften638 kann nur in diesem Kontext erwogen werden. Der Vergleich mutet zunächst fernliegend an, da Verwaltungsvorschriften im Regelfall gerade nicht auf eine Außenwirkung abzielen.639 Solange sich die entsprechenden Bestimmungen der operational guidelines also nur an die advisory bodies bzw. sonstige Vertragsorgane richten (wie beispielsweise die Beauftragung der Hilfsorgane mit der Evaluierung der angemeldeten Güter,640 kann dieser Vergleich vom formellen Standpunkt her als sinnvoll erachtet werden. Doch auch eine Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften – wie hier gegenüber den Vertragsstaaten – ist im deutschen Verwaltungsrecht durchaus möglich.641 Dies gilt insbesondere für Fälle der so genannten gesetzesvertretenden Verwaltungsvorschriften, die ein durch das ermächtigende Gesetz der Behörde zugesprochene Ermessen konkretisieren.642 Auch inhaltlich gibt es gewisse Parallelen wie beispielsweise die Zielrichtung der Erreichung einer einheitlichen Praxis.643 insofern Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1018), der den Begriff im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Listeneintragung erwähnt. 636 Kunig, Deutsches Verwaltungshandeln und Empfehlungen internationaler Organisationen, in: Hailbronner/Ress/Stein (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung, Festschrift Doehring, S. 532; vgl. auch Lauterpacht, The Legal Effect of Illegal Acts of International Organisations, in: Cambridge Essays of International Law, S. 88 ff. Wohl auch deshalb spricht Goodwin, The World Heritage Convention, the Environment, and Compliance, CJILP 20 (2009), 157 (190), nur von einer „de facto authority to impose substantial and onerous obligations upon the state parties“. 637 Art. 11 Abs. 5 WKÜ. 638 Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1850 f.); Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 47. 639 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 27. 640 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 143. 641 Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Außenwirkung Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 27 ff. 642 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 31. Dort auch Rn. 29 zum Fall der Einräumung eines Beurteilungsspielraums.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Auf der anderen Seite handelt es sich bei den Richtlinien nicht um Anordnungen an rangniedrigere Behörden, wie die Definition der Verwaltungsvorschrift ebenfalls voraussetzt,644 sondern um ein Handeln gegenüber souveränen Staaten, die keinerlei Hoheitsrechte durch das Übereinkommen übertragen haben.645 Die Vertragsstaaten haben mit dem Übereinkommen lediglich einige wenige Kompetenzen übertragen. Nur im engen Rahmen der Ausübung dieser Kompetenzen kann man von einem Subordinationsverhältnis sprechen.646 Im Ergebnis ist dieser Vergleich insgesamt betrachtet als nicht zielführend zu bezeichnen. Im Kontext der Aufstellung von Kriterien für die Listeneintragung muss festgestellt werden, dass das Welterbekomitee die ihm durch das Übereinkommen eingeräumte Kompetenz ausübt. Soweit sich die operational guidelines also auf diese Kriterien beziehen, kommt ihnen ganz eindeutig eine Verbindlichkeit gegenüber den Vertragsparteien zu. (2) Außerhalb der Regelungskompetenz des Komitees Davon zu trennen ist die Frage nach der Verbindlichkeit der Bestimmungen, die nicht der Regelungskompetenz des Komitees unterfallen. So hat das Komitee beispielsweise nur die Kompetenz, den Begriff des außergewöhnlichen Wertes oder anderer Vertragsbestimmungen im Rahmen seiner Kompetenz für die Festlegung der Maßstäbe für die Listenerstellung (Art. 11 Abs. 5 WKÜ) gegenüber den Vertragsparteien zu bestimmen, nicht hingegen den Übereinkommenstext selbst (z. B. „außergewöhnlicher universeller Wert“ in Art. 1 und 2 WKÜ) unmittelbar verbindlich auszulegen. Dieses ist zwar nicht praktisch (materiell), jedoch zumindest theoretisch (formell) von Bedeutung und zwar insbesondere für die Bestimmung dessen, was zum Schutzgegenstand des Übereinkommens gehört. Dessen Bestimmung steht wegen der fehlenden Kompetenz des Komitees zur Auslegung der Begriffe u. a. in Art. 1 und 2 WKÜ diesem nicht zu. In praktischer Hinsicht bestimmt es allerdings mit der (ihr wegen Art. 11 Abs. 5 WKÜ zustehenden) Definition des notwendigen außergewöhnlichen universellen Wertes für die Aufnahme auf die Welterbeliste ganz wesentlich die Auslegung des Begriffes in Art. 1 und 2 WKÜ und damit den Schutzgegenstand mit.

643 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 29 ff.; Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1850). 644 Maurer, Allgemeins Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 1 und 18. 645 Ähnlich im Ergebnis aber die Vergleichbarkeit bejahend Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1850). Wie hier die Unterschiede betonend Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 47. 646 A.A. Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1850), die trotz der Betonung der Vergleichbarkeit mit Verwaltungsvorschriften, den Begriff des Subordinationsverhältnisses mit Blick auf die fehlende Unterordnung der vertragsstaatlichen Behörden ablehnt.

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

149

Bislang hat sich das Komitee nur sehr zurückhaltend zur Konkretisierung der Verpflichtungen geäußert. Eingang in die operational guidelines haben derartige Interpretationen bislang nicht gefunden. Möglicherweise erklärt diese Tatsache, dass die Wirkung der Richtlinien im Schrifttum bislang recht undifferenziert beschrieben wurde.647 Eine Verbindlichkeit von Regelungen in den guidelines außerhalb der durch das Übereinkommen verliehenen Aufgaben des Komitees ist grundsätzlich abzulehnen. (3) Möglichkeit der Einbeziehung bei der Auslegung des Übereinkommens Nichts desto trotz könnten derartige Richtlinienbestimmungen im Außenverhältnis auf andere Weise Verbindlichkeit erlangen. Da sie verschiedene Fragen, zu denen das Übereinkommen selbst schweigt oder unklar ist, präzisieren und festschreiben, könnte ihnen zumindest partiell an diesen Stellen eine Funktion als Auslegungsmittel des Vertrages gemäß Art. 31 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVRK)648 zukommen.649 In Betracht zu ziehen wäre, sie entweder als spätere Übereinkunft gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. a) WVRK oder als spätere Übung gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. b) WVRK zu qualifizieren.650 Gegen eine Qualifizierung als Übereinkunft spricht jedoch, dass sie nicht von der Vertragsstaatenkonferenz verabschiedet werden, sondern vom Komitee, in welchem nur 21 Staaten repräsentiert sind, weshalb sie keine Übereinkunft der Vertragsstaaten – außerhalb des ausdrücklich geregelten Vertragsänderungsverfahrens651 – darstellen können. Gegen das Verständnis als Festschreibung der gesamten operational guidelines als einer gemeinsamen Übung könnte sprechen, dass die Richtlinien wie beschrieben eben nur Beschlüsse des Komitees rezipieren und insofern nicht dem Willen652 der 647

49.

Vgl. nur die bereits zitierte Aussage von Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 44 ff. und

648 Welcher zumindest hinsichtlich der genannten Bestimmung des Art. 31 WVRK zugleich als Regel des Völkergewohnheitsrechts anzuwenden ist. 649 A.A. Hönes, Rechtliche Aspekte zum deutschen und europäischen Kulturlandschaftsschutz, in: Bauerochse/Haßmann/Ickerodt (Hrsg.), Kulturlandschaft, S. 40, der die guidelines als „Anlagen“ neben Wortlaut und Präambel gemäß Absatz 2 des Art. 31 WVRK für beachtlich hält. 650 Mit der Erwägung dieser beiden Möglichkeiten, ohne eine Festlegung auf lit. a) oder b) begnügen sich Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 188 ff. 651 Art. 37 WKÜ. 652 Gardiner, Treaty Interpertation, S. 226 f. m.w.N.; vom Willen der Vertragsparteien spricht Sorel, Art. 31, in: Corten/Klein (Hrsg.), Les Conventions de Vienne sur le Droit des Traités, Band II, S. 1320; Willenskonsens nennt es Karl, Vertrag und spätere Praxis im Völkerrecht, S. 145; Villinger, Commentary on the 1969 Vienna Convention on the Law of Treaties, S. 431, betont „(…) subsequent practice must establish the agreement of the parties regarding its interpretation.“

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Vertragsstaaten entsprechen müssen.653 Daneben wird von den Vertragsstaaten gegen diverse sich aus den Richtlinien ergebende Verpflichtungen regelmäßig verstoßen,654 weshalb das Komitee auf seinen jährlichen Sitzungen auf deren Einhaltung drängen muss.655 Von einer späteren einheitlichen (gemeinsamen) Übung der Parteien kann insofern ganz allgemein für die Richtlinien in ihrer Gesamtheit und damit auch hinsichtlich kompetenzwidriger Passagen nicht gesprochen werden.656 Erzeuger einer späteren Übung sind jedoch nicht nur die Vertragsparteien, sondern „wer immer berufen ist, sich zur vertraglichen Rechtslage und Anwendung zu äußern“657 Entsprechend dieser Definition hat sich die Rechtsfigur der „autoritativen Interpretation“ als Unterfall der späteren Übung etabliert.658 Eine autoritative Interpretation liegt vor, „(…) wenn nicht die Vertragsparteien selbst, sondern ein beauftragtes Organ die Auslegung vornimmt“659. Insofern ist es aufgrund der in diesem Kapitel beschriebenen Rolle des Welterbekomitees zwar richtig, wenn die bisherige Forschung zu den von ihm aufgestellten operational guidelines feststellt, dass diese eine „autoritative Interpretation völ653

A.A. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 48 f. Die Dauerhaftigkeit und Konsistenz der Praxis betont unter anderem Aust, Modern Treaty Law and Practice, S. 241. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, warum Buzzini/Condorelli, Art. 11, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 189, feststellen, die guidelines seien „not substantially contradicted by the States Parties“ und daher nachfolgende Praxis darstellen können (Hervorhebung des Verfassers). 655 Vgl. nur die Aufforderungen an die Vertragsparteien zur Einhaltung der Informationsverpflichtung bei erheblichen Wiederherstellungs- oder Neubaumaßnahmen gemäß Nr. 172 der UNESCO operational guidelines (2008) auf der 33. Sitzung des Komitees in Sevilla, WHC09/33.COM/20, beispielhaft u. a. 33 COM 7B.94, 33 COM 7B.113, 33 COM 7B.120, 33 COM 7B.123, 33 COM 7B.133. 656 Dass sich die Vertragsparteien an einzelne Bestimmungen durchaus halten, widerspricht dem zuvor Gesagten nicht. Es ist unbestritten, dass die Richtlinien allgemein breite Akzeptanz und auch grundsätzlich Befolgung finden. Doch spricht die konsequente Einhaltung beispielsweise des in den guidelines genannten Aufnahmeverfahrens noch nicht für das Vorliegen einer späteren Übung, die diesem zu einer Verbindlichkeit verhülfe. Vielmehr versprechen sich die Staaten auch Vorteile von der Eintragung in die Liste. Insofern ist es nachvollziehbar, dass sie die in den Richtlinien aufgeführten formellen und materiellen Voraussetzungen, wie Anmeldungsfristen oder Managementpläne, erfüllen. Dies ist jedoch nur mit der Machtposition des Komitees zu erklären, das relativ frei über die Anträge entscheiden kann bzw. gegen dessen Entscheidungen es keinen Rechtsweg gibt. Insofern unterwerfen sich die Staaten freiwillig diesen Richtlinien. Dieses verleiht letzteren jedoch nur faktische Wirkung und vermag nicht eine für die Konstatierung einer späteren Übung erforderliche Rechtsüberzeugung zu begründen. 657 Karl, Vertrag und spätere Praxis im Völkerrecht, S. 115. 658 Chayes/Chayes, The New Sovereignty, S. 209 ff.; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 194 ff.; Karl, Vertrag und spätere Praxis im Völkerrecht, S. 172 ff.; ders., Vertragsauslegung – Vertragsänderung, in: Schreuer (Hrsg.), Autorität und Internationale Ordnung, S. 26 ff. Noch zurückhaltend für den Bereich der Entscheidungen Internationaler Organisationen Miehsler, Autorität von Beschlüssen Internationaler Organisationen, in: Schreuer (Hrsg.), Autorität und Internationale Ordnung, S. 35 ff. 659 Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 195. 654

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

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kervertraglicher Begriffe durch ein vertraglich dazu ermächtigtes Gremium“660 darstellen. Es fehlt jedoch ein Hinweis darauf, dass dem Welterbekomitee keine umfassende Kompetenz zur Bestimmung jedwedes Vertragsbestandteiles und damit der Auslegung des Übereinkommens in Gänze übertragen wurde. So kann es, wie bereits gesagt, nicht den „außergewöhnlichen universellen Wert“ in Art. 1 und 2 WKÜ verbindlich für die Vertragsparteien auslegen. Allerdings ist ihm die Kompetenz zur Festlegung der Maßstäbe für die Listeneintragung und der Listenführung selbst übertragen worden, so dass es in diesem Rahmen auch eine Kompetenz zur Aufstellung und Auslegung der Voraussetzungen und damit unter anderem auch des „außergewöhnlichen universellen Wertes“ in diesem Kontext besitzt.661 Die Sachkunde und Stellung des Komitees allein, kann dem Komitee jedoch keine hinreichende Autorität verleihen, auch in anderen Fällen, eine verbindliche Auslegung vorzunehmen, wenn diese Kompetenz gerade ausdrücklich auf bestimmte Bereiche beschränkt wurde.662 So bleibt beispielsweise die durch Eintragung auf der nationalen Vorschlagsliste erfolgende Bestimmung der Güter, die dem „außergewöhnlichen universellen Wert“ im Sinne der Art. 1 und 2 WKÜ entsprechen und damit auch die Auslegung des Begriffs Sache der Vertragsparteien. Es steht ihnen frei, durch eine besonders weite Auslegung, besonders viele Güter der Selbstverpflichtung zum Schutz des Erbes gemäß der Art. 4 ff. WKÜ zu unterwerfen. Die Interpretation des „außergewöhnlichen universellen Wertes“ den das Welterbekomitee für die Erstellung der Welterbeliste (in den operational guidelines) definiert, stellt hingegen eine autoritative Interpretation dar, weil das Welterbekomitee für die Erstellung der Liste (und der die Aufnahmebedingungen formulierenden guidelines) eine ausdrückliche Ermächtigung in Art. 11 Abs. 5 WKÜ besitzt. Dass die jeweils eigenständige Interpretation desselben Begriffs durch Vertragsparteien und Welterbekomitee nebeneinander stehen, belegt zudem auch Art. 12 WKÜ, nach dem die Nichtaufnahme eines Gutes in die Welterbeliste nicht bedeutet, dass „dieses Gut nicht für andere als die sich aus der Aufnahme in die Listen ergebenden Zwecke von außergewöhnlichem universellen Wert ist“. Somit kann festgestellt werden, dass die operational guidelines zwar durchaus verbindliche Verpflichtungen statuieren können, die auch über die vom Übereinkommen vorgegebenen Verpflichtungen hinausgehen können.663 Diese finden jedoch 660 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 49 mit Verweis auf Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1018), der diese Aussage allerdings ausdrücklich auf die rechtliche Basis in Art. 11 Abs. 2 und 5 WKÜ bezieht. 661 Art. 11 Abs. 5 WKÜ. Insofern trotz der ausdrücklichen Nennung von Art. 11 Abs. 2 und 5 WKÜ als Basis der autoritativen Auslegung unklar bezüglich der Grenzen Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1018). 662 Karl, Vertrag und spätere Praxis, S. 175, hält dieses bei der Praxis Internationaler Organisationen hingegen für grundsätzlich möglich. 663 Zuzustimmen ist insofern ausdrücklich Odendahl, Der Schutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit, in: Weller/Kemle/Lynen (Hrsg.) Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 25, die Forderung nach einer vorherigen Einbindung des Komitees in eine beabsichtigte Baumaßnahme im Bereich einer Welterbestätte, sei eine Pflicht, die mit der Eintragung des

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

ihre Grenze, wo die dem Komitee übertragene Kompetenz endet. Da das Übereinkommen im Übrigen dem Komitee nicht pauschal die Aufgabe der Durchführungskontrolle überträgt,664 sondern sich jene Rolle im Zusammenhang mit der Listenaufstellung und Aktualisierung erschöpft, ist die Bezeichnung als „Richtlinien zur Durchführung des Übereinkommens (…)“ bzw. „operational guidelines for the implementation (…)“ auch missverständlich. 3. Listenführung Das Welterbekomitee ist sowohl bei der Listenerstellung der Welterbeliste als auch der sog. Roten Liste das entscheidende Vertragsorgan. Es ist zwar nicht befugt, ohne die Zustimmung der jeweiligen Vertragspartei, auf dessen Staatsgebiet sich eine entsprechende Stätte befindet, diese in die Liste aufzunehmen, entscheidet jedoch bei einem entsprechend gestellten Antrag unabhängig und aufgrund eigener, selbst gesetzter Kriterien über die Aufnahme.665 Diese Entscheidung stellt demnach einen verbindlichen Beschluss dar, der die Rechtsfolge der besonderen Schutz- und Hilfeverpflichtung für die entsprechende Vertragspartei sowie alle übrigen Parteien des Übereinkommens hat.666 Es besteht jedoch eine alleinige Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Aufnahme in die Rote Liste sowie der Streichung einer Stätte aus einer der beiden Listen, ohne dass es insoweit der Zustimmung der betroffenen Vertragspartei bedürfte.667 4. Gewährung internationaler Unterstützung Das Welterbekomitee besitzt auch die alleinige Kompetenz, über die Gewährung internationaler Unterstützung für eine Stätte zu entscheiden.668 Es ist mithin alleinverantwortlich für eines der Kernelemente des UNESCO-Übereinkommens, den internationalen Schutz in Form von dessen Koordinierung und Finanzierung. Letztere erfolgt im Wesentlichen durch den Fonds für das Erbe der Welt, den das Komitee verwaltet.669 Die praktische tägliche Verwaltungstätigkeit wird zwar vom Sekretariat ausgeübt, jedoch obliegt dem Komitee die wesentlich wichtigere Entscheidungsbefugnis über die Ausgaben.670 Gutes in die Welterbeliste entstehe. Derartige Konsultationspflichten sind nämlich dem Übereinkommen in diesem Zusammenhang unbekannt. 664 Vgl. dagegen z. B. die Aufgabe des Implementation Committees im Rahmen des Montrealer Protokolls, dazu Yoshida, Soft Enforcement of Treaties, CJILP 10 (1999), 95 (114 ff.). 665 Art. 11 Abs. 5 WKÜ. Siehe auch oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, B. 666 Art. 4, 5 sowie 6 Abs. 2 und 3 WKÜ. 667 Siehe oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, C. und D. 668 Art. 13 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 3 WKÜ. 669 Art. 13 Abs. 6 WKÜ. 670 Art. 13 Abs. 6 WKÜ.

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

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II. Überwachungskompetenzen und Erfüllungskontrolle Auch im Bereich der Durchführung und Erfüllungskontrolle ist das Welterbekomitee das wesentliche Vertragsgremium. Die von ihm beschlossenen operational guidelines spielen auch im Bereich der Durchführung des Übereinkommens eine wesentliche Rolle. Sie liefern Definitionen und regeln viele Verfahren im Detail, die zum Teil auch ausweislich des Übereinkommens ausdrücklich der Regelungsbefugnis des Komitees unterstellt wurden.671 1. Berichtspflichten der Vertragsstaaten gegenüber dem Komitee a) Regelmäßige Berichte Nach dem Übereinkommen sind die regelmäßigen Berichte der Vertragsstaaten über die von ihnen erlassenen Rechts- und Verwaltungsmaßnahmen und sonstigen Maßnahmen, die sie zur Durchführung des Übereinkommens getroffen haben, dem Welterbekomitee lediglich zur Kenntnis zu bringen.672 Der Bericht selbst sollte ursprünglich gemäß dem Vertragstext gegenüber der UNESCO-Generalkonferenz erfolgen. Diese hat jedoch zur Effektivierung der Durchführung dieses Übereinkommens durch eine Resolution auf der 29. Sitzung der Generalkonferenz auf einstimmigen Vorschlag der Vertragsstaatenkonferenz des Welterbeübereinkommens673 das Welterbekomitee gebeten, die Berichte in Empfang zu nehmen und die Periodizität der Berichte sowie deren Form und Inhalt zu bestimmen und in seinen Tätigkeitsbericht (Art. 29 Abs. 3 WKÜ) den Stand der Durchführung des Übereinkommens in den entsprechenden Vertragsstaaten aufzunehmen.674 Es handelt sich hierbei mithin nicht um eine verbindliche Aufgabendelegation mit der das Übereinkommen derogiert würde, sondern eine faktische Aufgabenwahrnehmung im Wege durch das Komitee im Einverständnis der beteiligten Parteien, also eine Art modus vivendi um eine Vertragsänderungsprozedur zu umgehen. b) Reaktive Überwachung Das Welterbekomitee nimmt auch im Bereich der reaktiven Überwachung eine Aufgabe wahr, die in dieser Form allerdings nicht im Vertragstext vorgesehen war. Reaktive Überwachung bedeutet nach den operational guidelines die Berichterstattung gegenüber dem Komitee hinsichtlich des Erhaltungszustandes bedrohter 671

Art. 13 Abs. 5 WKÜ. Art. 29 Abs. 2 WKÜ. 673 11. Generalkonferenz der Vertragsparteien, WHC-97/CONF.205/7, S. 4. 674 UNESCO-Generalkonferenz, 29. Sitzung, 1997, 29C/24, abrufbar unter: http://unesdoc. unesco.org/images/0011/001102/110220e.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). Dieses übersieht offenbar Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 176, bei seiner Feststellung, dass diese Form der Berichterstattung bislang erst einmal durchgeführt wurde. 672

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Güter, mithin solcher, die bereits auf der Roten Liste verzeichnet sind oder dort eingetragen werden sollen, oder deren Streichung von der Welterbeliste angedroht wurde.675 Diese Berichte haben die Vertragsparteien mindestens einmal jährlich zu einem festgelegten Datum zu übermitteln.676 Daraufhin fordert das Welterbekomitee nach entsprechender Berichterstattung durch den Vertragsstaat (oder aber auch bei entsprechenden Hinweisen Dritter)677 die Vertragspartei zur Abgabe einer Stellungnahme hinsichtlich der Planungen zur Überwindung der Bedrohungssituation für die Stätte auf.678 Es beschließt im Rahmen dieser Entscheidung auch über die Einsetzung der beratenden Gremien zur Abgabe einer fachlichen Stellungnahme.679 Dem Komitee wurde, wie gesagt, im Übereinkommen selbst keine ausdrückliche Kompetenz zur Einrichtung eines derartigen Überwachungsmechanismus eingeräumt. Die Vertragsparteien können daher nicht gezwungen sein, sich an diese Maßnahmen zu halten. Man kann allerdings auch der Rechtsauffassung sein, dass diese Art der Kontrolle ein Komplementär ihrer Kompetenz zur Festlegung der Maßstäbe für die Eintragung in die beiden Listen sei und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten in Art. 4 WKÜ hinsichtlich der Erhaltung des Kultur- und Naturerbes in Bestand und Wertigkeit die Inanspruchnahme des Mechanismus zwingend nach sich ziehe, da dieser Artikel die Möglichkeit verschiedener Hilfestellung zur Erhaltung der Güter bietet, die einen effektiven Schutz sicherzustellen vermögen.680 Für die Existenz einer entsprechenden Kompetenz spricht auch, dass die Vertragsstaaten die entsprechend zu überwachende Stätte zuvor freiwillig zur Eintragung in die Liste angemeldet haben. Hiermit willigen die Staaten in die entsprechende Kontrolle durch das Welterbekomitee ein, welches nur auf diesem Wege seiner vertraglichen Aufgabe der Aktualisierung der Welterbeliste gerecht werden kann.681 2. Sanktionsmöglichkeiten des Komitees Neben den Schwächen bei der Kompetenzgrundlage für die Überwachung der Durchführung des Übereinkommens fallen vor allem die fehlenden effektiven

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UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 169. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 169. 677 Ringbeck, Die Monitoring-Instrumente der Welterbekonvention, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), WelterbeManual, S. 86. 678 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 174. 679 Ringbeck, Die Monitoring-Instrumente der Welterbekonvention, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), WelterbeManual, S. 86. 680 Dahin könnte auch der Verweis deuten, den das Welterbekomitee in die Fußnote zu Nr. 170 der UNESCO operational guidelines (2012) aufgenommen hat. 681 Vgl. Art. 11 Abs. 2 WKÜ. 676

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

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Möglichkeiten der Sanktionierung für eine Nichtbefolgung der Verpflichtungen oder eine Nichteinhaltung des in den Richtlinien vorgesehenen Verfahrens auf.682 Wie oben festgestellt, stellt die Streichung, im Gegensatz zur Eintragung in die Rote Liste, eine solche Sanktion dar.683 Diese ist jedoch als ultima ratio zu sehen.684 Insbesondere geht mit ihrem Gebrauch die Gefahr der Erzielung einer kontraproduktiven Wirkung hervor. Solange eine Stätte auf einer der Listen verzeichnet ist, ist ihr und der zuständigen Vertragspartei eine gewisse Aufmerksamkeit sowohl seitens der UNESCO als auch der Weltgemeinschaft sicher. Mit dem mit der Streichung verbundenen Verlust an Aufmerksamkeit dürfte zumindest an Orten, die keine besondere touristische Bedeutung haben, eine weitere Degradierung des Zustandes der jeweiligen Stätte zu befürchten sein, da nunmehr schließlich politisch keine schlimmere Wirkung mehr eintreten könnte. Die einzige im Regelfall effektive Sanktionierungsmaßnahme bei der Verletzung von Vertragspflichten, sei es auch nur der Berichtspflicht, besteht in auf den Einzelfall bezogenen Aufforderungen an den jeweiligen Belegenheitsstaat, die vom Welterbekomitee im Rahmen ihrer Beschlüsse (decisions) auf der jährlichen Tagung verabschiedet werden.685 Die Versagung der Mitgliedschaft im Welterbekomitee ist als klassische Sanktion sogar ausdrücklich im Übereinkommen vorgesehen.686 Allerdings kann sie nur verhängt werden, wenn ein Staat seinen (obligatorischen oder freiwilligen) finanziellen Verpflichtungen aus dem Übereinkommen nicht nachgekommen ist. Diese Maßnahme ist als Sanktion für sonstige Verstöße gegen das Übereinkommen bislang auch konsequenterweise nicht gebräuchlich. So wurde die Bundesrepublik Deutschland trotz des Baus der Waldschlösschenbrücke gegen den Widerstand der UNESCO und der damit verbundenen Streichung des Dresdner Elbtals von der Welterbeliste im Jahre 2009 bereits im Jahre 2011 in das Hauptvertragsorgan (wieder-)gewählt.687 682 Keinerlei Sanktionsmöglichkeiten sieht Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, in: v. Bogdandy u. a. (Hrsg.), The Exercise of Public Authority by International Institutions, 301 (327). Offenhäußer, Die „Liste des gefährdeten Welterbes“, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 93, sieht sowohl die Streichung als auch die Eintragung auf der Roten Liste als Sanktion an; Kilian, Die Welterbeliste der UNESCO aus völkerrechtlicher und nationalstaatlicher Sicht, in: Fischer-Czermak/Kletecˇka/Schauer/Zanker (Hrsg.), Festschrift Welser, S. 471, zählt ferner noch die Anforderung von Berichten gemäß Art. 29 WKÜ sowie die Entsendung von Beobachtermissionen als Sanktion. 683 Siehe oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, C., III. und D., III. 684 Kilian, Die Welterbeliste der UNESCO aus völkerrechtlicher und nationalstaatlicher Sicht, in: Fischer-Czermak/Kletecˇka/Schauer/Zanker (Hrsg.), Festschrift Welser, S. 471. 685 Vgl. nur die vorausgegangenen Beschlüsse des Welterbekomitees, die dieses in seiner Entscheidung, das „Dresdner Elbtal“ zu streichen, zitiert, UNESCO Doc. WHC-09/33.COM/ 20, Decision 33 COM 7A.26. 686 Art. 16 Abs. 5 WKÜ. 687 UNESCO WHC-11/18.GA/12, Resolution 18 GA 3.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

3. Rechtschutzmöglichkeiten gegen Entscheidungen des Welterbekomitees Die Rechtschutzmöglichkeiten der Vertragsparteien sind entsprechend der geringen Sanktionsmöglichkeiten ebenfalls sehr begrenzt. Als Möglichkeit wurde im Schrifttum zum einen genannt, dass die entsprechende Vertragspartei die UNESCO zur Einholung einer Advisory Opinion des Internationalen Gerichtshofes bewegen könne.688 Zum anderen komme als ultima ratio eine Kündigung des Übereinkommens gemäß Art. 35 WKÜ in Betracht.689 Die Verwendung dieser Mittel erscheint jedoch aufgrund des weichen Charakters des Übereinkommens unwahrscheinlich. Darüber hinaus dürfte es zwar nicht ausgeschlossen, aber für eine einzelne Vertragspartei sehr schwer sein, die UNESCO zur Einholung einer Advisory Opinion zu bewegen. Dementsprechend wurden beide genannten Rechtschutzmöglichkeiten auch bislang in der Praxis des Übereinkommens noch nicht relevant.690

B. Kategorisierung Bei einem derart institutionalisierten, mit Rechtssetzungs- und Überwachungskompetenzen ausgestalteten Vertragsmechanismus handelt es sich wie bereits einleitend erwähnt, um keinen gewöhnlichen völkerrechtlichen Vertrag. Als Abschluss dieses ersten Teils der Arbeit soll daher eine Einordnung in die verschiedenen Arten von völkerrechtlichen Verträgen vorgenommen werden. I. Internationale Organisation Die erste Möglichkeit ist die Begründung einer Internationalen Organisation durch das UNESCO-Welterbeübereinkommen, welche im Folgenden mittels der durch das Übereinkommen eingesetzten Organe Recht setzt. Diese hiermit gemeinte Internationale Organisation ist nicht die UNESCO, deren Generalkonferenz das Welterbeübereinkommen zwar verabschiedet hat, dieses jedoch als eigenständigen völkerrechtlichen Vertrag, der eigenen Organe zur Bewältigung der vorgegebenen Aufgaben vorsieht. 688 Offenhäußer, Die „Liste des gefährdeten Welterbes“, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 92. Er nennt darüber hinaus den Widerspruch und den formellen Protest gegen eine Entscheidung als erste Eskalationsstufe. Diese wird hier jedoch nicht aufgeführt, da es sich um ein politisches, jederzeit mögliches Mittel handelt, das rechtlich nicht verankert ist. Es entsteht dadurch keine erneute Befassungspflicht für das Welterbekomitee und stellt damit keine Rechtschutzmöglichkeit (im engeren Sinne) dar. 689 Offenhäußer, Die „Liste des gefährdeten Welterbes“, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 92. 690 Offenhäußer, Die „Liste des gefährdeten Welterbes“, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 92.

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

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Was jedoch eine Internationale Organisation ist, ist bis heute nicht vollständig geklärt.691 Eine sehr weit gehende Definition verlangt lediglich eine auf Grundlage des Völkerrechts geschlossene Form der Kooperation auf Grundlage eines (völkerrechtlichen) Vertrages, der mindestens ein Organ mit eigenständigem Willen begründet.692 Diese Kriterien würden vorliegend erfüllt, da mit dem Welterbekomitee ein Organ mit selbstständigen Willen zu einer gemeinsamen Kooperation mit den Vertragsstaaten auf dem Gebiet des Kultur- und Naturerbeschutzes begründet wurde und dieses auf Grundlage eines Vertrages, nämlich des UNESCO-Übereinkommens, geschah. Denn obwohl das Welterbekomitee gemäß Art. 8 Abs. 1 WKÜ „innerhalb“ der UNESCO gebildet wird, kann dieses nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Komitee nur von Vertragsparteien besetzt wird (Art. 8 Abs. 1 WKÜ), die ausweislich Art. 32 WKÜ nicht gleichzeitig Mitglieder der UNESCO sein müssen, und dass ihm durch das Übereinkommen Aufgaben zugewiesen werden, die es in völliger Unabhängigkeit von der UNESCO und den Vertragsparteien zu erfüllen hat (vgl. Art. 11 Abs. 2 und 13 Abs. 1 WKÜ).693 Gesichert scheint zudem, dass eine Internationale Organisation nur durch Staaten begründet werden kann.694 Doch auch dieses Kriterium wird im vorliegenden Fall erfüllt. Auch hilft ein pauschaler Verweis nicht weiter, wonach Vertragsregime im Menschenrechtsschutz sowie im Umweltvölkerrecht zwar organisatorisch hoch verdichtet sind, „aber noch nicht in der Gründung internationaler Organisationen gipfeln […]“.695 So konnten auch bloße Nebenorgane der Vereinten Nationen, wie das Beispiel der United Nations Industrial Development Organisation (UNIDO) zeigt, durch den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages zu Internationalen Organisationen weiterentwickelt werden.696 Spätestens dann jedoch müsste man verlangen können, dass sich die Intention der Gründung einer Internationalen Organisation in irgendeiner Weise im Wortlaut des Vertragsdokumentes manifestiert.697 691

Klabbers, An Introduction to International Institutional Law, S. 6; Churchill/Ulfstein, Autonomous Institutional Arrangements in Multilateral Environmental Agreements, AJIL 94 (2000), 623 (632). 692 Schermers/Blokker, International Institutional Law, S. 26, § 33. 693 Zacharias, The International Regime for the Protection of World Cultural and Natural Heritage, S. 17, leitet aus der gemäß Art. 13 Abs. 3 WKÜ dem Welterbekomitee übertragenen Kompetenz, Unterstützungsvereinbarungen mit den jeweiligen Staaten im eigenen Namen abzuschließen, dass das Welterbekomitee Rechtspersönlichkeit habe und infolge dessen als Unterorganisation der UNESCO bezeichnet werden könne. 694 Klabbers, An Introduction to International Institutional Law, S. 7 f. 695 Ruffert/Walter, Internationalisiertes Völkerrecht, S. 5 Rn. 15. 696 Ruffert/Walter, Internationalisiertes Völkerrecht, S. 4 Rn. 10. 697 Vgl. den Streit zur früheren KSZE Schweisfurth, Zur Frage der Rechtsnatur, Verbindlichkeit und völkerrechtlichen Relevanz der KSZE-Schlussakte, ZaöRV 36 (1976), 681 (684 ff.); Giegerich, Menschenrechtsschutz im Rahmen der OSZE, in: Merten/Papier (Hrsg.), HGrR, Band VI/1 (Europa I), § 149 Rn. 5 m.w.N. zur neueren Entwicklung. Zur Frage, ob durch die Umbenennung in Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

Dieses ist beim Welterbeübereinkommen in keiner Passage des Vertragstextes der Fall.698 Aber selbst wenn man dieses bloß formelle Kriterium außer Acht lässt, so lassen sich doch bereits beim Blick auf die Strukturmerkmale Internationaler Organisationen einige Unterschiede zur oben darstellten Organstruktur des Welterbeübereinkommens erkennen. Internationale Organisationen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine organisatorische Stabilität, Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit aufweisen.699 Dieses ist bei den Organen des Welterbekomitees kaum gegeben. Die Generalkonferenz der Vertragsstaaten tagt lediglich alle zwei Jahre und das Welterbekomitee tagt einmal pro Jahr an einem jedes Jahr neu festgelegten Ort. Lediglich das Sekretariat und der Generalsekretär arbeiten dauerhaft am Sitz der UNESCO. Ihnen kommt jedoch bei der Durchführung des Übereinkommens eine deutlich untergeordnete Rolle zu, so dass dieser Aspekt zu vernachlässigen ist. Auch wenn dieses alles gegen das Vorliegen einer Internationalen Organisation spricht, so ist das Welterbekomitee dennoch als „Internationale Organisation im Kleinen“ bezeichnet worden.700 Dieses muss aufgrund des zuvor Gesagten abgelehnt werden. Der Hinweis des entsprechenden Autors, dass das Welterbekomitee „keine eigene Völkerrechtssubjektivität“ besitze,701 genügt allerdings nicht als Argument gegen die Existenz einer gewöhnlichen Internationalen Organisation. Denn die Völkerrechtssubjektivität ist nicht Voraussetzung einer Internationalen Organisation, sondern vielmehr die der entsprechend der Definition konstituierten und mit entsprechenden Funktionen und Rechten ausgestatteten Organisation durch die Vertragsstaaten eingeräumte und das Völkerrecht anerkannte Eigenschaft und damit Rechtsfolge.702 Als Zwischenfazit kann somit festgestellt werden, dass das Übereinkommen keine Internationale Organisation in Gestalt des Welterbekomitees geschaffen hat.

tatsächlich eine Internationale Organisation im Rechtssinne entstanden ist Ruffert/Walter, Internationalisiertes Völkerrecht, S. 3 Rn. 10. 698 Nichtsdestotrotz bezeichnen v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Weltkulturerbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (527), die UNESCO operational guidelines als „internes Recht einer Internationalen Organisation“. 699 Churchill/Ulfstein, Autonomous Institutional Arrangements in Multilateral Environmental Agreements, AJIL 94 (2000), 623 (632). 700 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 132, unter Verweis auf Beyerlin, Umweltvölkerrecht, Rn. 51 und 165 f., der jedoch das Welterbekomitee oder das Welterbeübereinkommen nicht ausdrücklich erwähnt. 701 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 132. 702 Vgl. IGH, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, Gutachten vom 11. 04. 1949, ICJ Reports 1949, S. 174 ff.

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

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II. Regime sui generis Der herausragende Charakter des Vertragssystems des UNESCO-Welterbeübereinkommens ist als erstes von Zacharias umfassend untersucht und gewürdigt worden.703 Sie betont im Ergebnis die besondere Autonomie, die dem Welterbekomitee als Hauptakteur eingeräumt wird.704 Als das System besonders kennzeichnend stellt sie unter anderem die Möglichkeit heraus, verbindliche Beschlüsse zu fassen, den dafür gültigen Entscheidungsmechanismus, der Mehrheitsentscheidungen zulässt, sowie die Möglichkeit, Experten außerhalb des Vertrages mit wichtigen Beurteilungen zu betrauen.705 Diesem Ergebnis ist zuzustimmen, auch wenn wie oben dargelegt, nach hier vertretener Auffassung die Bindungswirkung der Beschlüsse des Komitees auf die ihm zugewiesenen Materien zu begrenzen ist. Insofern wird der aus der vorstehenden Analyse zu gewinnende Eindruck einer Internationalen Kultur- und Naturerbebehörde doch abzumildern sein. Die Kompetenzen beschränken sich insbesondere auf die Aufstellung und Aktualisierung der Listen. Im Rahmen der Erfüllungskontrolle sind sie hingegen sehr schwach ausgeprägt, auch wenn sich das Komitee durch die Ausweitung der operational guidelines in diesem Bereich de facto eine größere Rolle zugeschrieben hat. Die vom Übereinkommen relativ schwach ausgestaltete Erfüllungskontrolle sowie die Möglichkeit, durch das Welterbekomitee – und nicht durch die Vertragsstaatenkonferenz – verbindliche Beschlüsse zu treffen, grenzen das Vertragswerk zu anderen umweltvölkerrechtlichen Verträgen ab und rechtfertigen es, das geschaffene Regime als ein Vertragsregime sui generis zu bezeichnen.706 Viele 703 Siehe zunächst Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers – World Cultural Heritage Protection as Archetype of a Multilevel System, MPUNYB 10 (2006), 273 ff. und sodann die jeweils im Wesentlichen wortgleiche Analyse, abgedruckt als Zacharias, The International Regime for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage und dies., The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 ff. sowie dies., The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, in: v. Bogdandy u. a. (Hrsg.), The Exercise of Public Authority by International Institutions, S. 301 ff. 704 Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, in: v. Bogdandy u. a. (Hrsg.), The Exercise of Public Authority by International Institutions, S. 303; dies., The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1834); dies., The International Regime for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, S. 6; ähnlich in der Beurteilung aber auch Goodwin, The World Heritage Convention, the Environment, and Compliance, CJILP 20 (2009), 157 (173). 705 Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, in: v. Bogdandy u. a. (Hrsg.), The Exercise of Public Authority by International Institutions, S. 303; dies., The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1834); dies., The International Regime for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, S. 6. 706 Im Ergebnis sehr ähnlich, ohne jedoch diesen Begriff zu verwenden, Zacharias, The UNESCO Regime for the Protection of World Heritage, in: v. Bogdandy u. a. (Hrsg.), The Exercise of Public Authority by International Institutions, S. 303; dies., The UNESCO Regime for the Protection of the World Heritage, GLJ 9 (2008), 1833 (1834); dies., The International Regime for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, S. 6.

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1. Teil: UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes

insbesondere in den 1970er und 1990er Jahren geschaffene umweltvölkerrechtliche Vertragswerke übertragen ebenfalls Kompetenzen zur Fassung verbindlicher Beschlüsse, wie beispielsweise zur Vertragsinterpretation, oder die Erfüllungskontrolle auf die Vertragsgremien selbst.707 Die so geschaffenen Regime sind auch als „autonomous institutional arrangements“ bezeichnet worden.708 Allerdings vereint diese Vertragswerke, dass die verbindlichen Beschlüsse lediglich von den Vertragsstaatenkonferenzen (conference of the parties/COP) getroffen werden können.709 Auch die Erfüllungskontrolle ist – einmal abgesehen von der Frage der vertraglichen Ermächtigung im Falle des Welterbekomitees – regelmäßig anders ausgestaltet. So haben die durch die einzelnen Verträge eingerichteten Untersuchungskomitees nur die Aufgabe, die tatsächliche Einhaltung des Vertrages zu überwachen. Etwaige Sanktionen, wie im Welterbesystem die Streichung von der Liste, können anders als im Welterbesystem nur von Gremien verabschiedet werden, in der die Gesamtheit der Vertragsparteien vertreten sind.710 Diese Gremien können keinen von den Vertragsparteien unabhängigen Willen bilden. Insbesondere aufgrund der zuletzt genannten herausgehobenen Kompetenz, allein über Sanktionen zu entscheiden, ist dem Welterbekomitee eine besonders starke Rolle im Vergleich zu anderen Vertragsgremien zugeschrieben worden.711 Das Bild des „Sicherheitsrates“, das Pfeifle712 und Ringbeck713 zeichnen, trifft allerdings nichtsdestotrotz kaum auf das Welterbekomitee zu. Solche Vergleiche zeichnen bereits im Regelfall ein schiefes Bild. Bei der vorliegenden Frage nach der Macht und damit den Handlungsmöglichkeiten des Welterbekomitees muss doch bei aller Euphorie für die de facto starke Position des Welterbekomitees deutlich gemacht werden, dass dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – mag er auch tatsächlich aufgrund der Vetomacht seiner ständigen Mitglieder häufig handlungsunfähig sein – im Gegensatz zum Welterbekomitee ein umfassendes Handlungsspektrum zur 707 Siehe allein die Aufzählung bei Churchill/Ulfstein, Autonomous Institutional Arrangements in Multilateral Environmental Agreements, AJIL 94 (2000), 623 (623 f.). 708 Der Begriff geht offenbar auf Churchill/Ulfstein, Autonomous Institutional Arrangements in Multilateral Environmental Agreements, AJIL 94 (2000), 623 ff. zurück. 709 Churchill/Ulfstein, Autonomous Institutional Arrangements in Multilateral Environmental Agreements, AJIL 94 (2000), 623 (641); Wiersema, The New International LawMakers? Conferences of the Parties to Multilateral Environmental Agreements, MJIL 31 (2009), 231 (232 ff.). Siehe zur Frage der Rechtsetzung durch COP’s und andere Vertragsgremien ebenfalls Handl, International „Lawmaking“ by Conferences of the Parties and Other Politically Mandated Bodies, in: v. Bogdandy u. a. (Hrsg.), The Exercise of Public Authority by International Institutions, S. 127 ff. 710 Goodwin, The World Heritage Convention, the Environment, and Compliance, CJILP 20 (2009), 157 (181 ff.). 711 Goodwin, The World Heritage Convention, the Environment, and Compliance, CJILP 20 (2009), 157 (186). 712 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 132. 713 Ringbeck, Die Welterbekonvention. Rechtliche Rahmenbedingungen und Verpflichtungen, in: Schädler-Saub (Hrsg.), Weltkulturerbe Deutschland, S. 26.

5. Kap.: Rolle des Welterbekomitees im Vertragsmechanismus

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Verfügung steht, das über Maßnahmen nach Kapitel VII sogar Ausnahmen von so weit reichenden völkerrechtlichen Grundsätzen wie dem Gewaltverbot zulässt. Das Welterbekomitee hingegen kennzeichnet sich in Konfliktsituationen nicht durch Uneinigkeit, sondern durch das relativ schwache – um im Bilde zu bleiben – Arsenal an Waffen aus, welches ihm die Welterbekonvention zur Verfügung stellt.

2. Teil

Das UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland Die Eigenschaft der Bundesrepublik als Vertragspartei des Welterbeübereinkommens weist eine Besonderheit auf, die erst anlässlich des Streits um den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden – und damit 30 Jahre nach seiner Ratifikation durch die Bundesrepublik – zur Kenntnis genommen wurde. Es handelt sich bei dem Übereinkommen um einen völkerrechtlichen Vertrag, der ohne ein vorheriges Vertragsgesetz ratifiziert wurde.1 Diese Feststellung wirft mehrere wichtige Fragen zur rechtlichen Stellung des Übereinkommens im nationalen Rechtsraum auf, denen im Rahmen dieses Teils nachgegangen werden soll. Zunächst soll im ersten Kapitel die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Vertragsschlusses nach den Vorschriften des deutschen Grundgesetzes beantwortet werden. Sodann soll im zweiten Kapitel untersucht werden, ob und wie das völkerrechtlich verbindliche Übereinkommen auch ohne Vertragsgesetz in die deutsche Rechtsordnung einbezogen wurde. Im daran anschließenden dritten Kapitel wird der Frage nachgegangen werden, welche Berücksichtigung dem Übereinkommen aufgrund des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes geschenkt werden muss, bevor im abschließenden vierten Kapitel exemplarisch gezeigt werden soll, wie sich eine entsprechende Berücksichtigungspflicht im Bereich der Denkmalschutzgesetze der Länder auswirkt.

1 Dieses wurde lange Zeit in der Literatur übersehen: Vgl. nur Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 163; Odendahl, Kulturgüterschutz, S. 244 und 641; Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, S. 97; Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalschutzrechts, S. 347; Ringbeck/Caspary, Welterbe, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 63 ff. Noch im Jahr 2006, Hönes, Zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Flurbereinigungsgesetz, AUR 2006, 126 (127): „In Deutschland wurde die Konvention nach der Ratifizierung nach Art. 59 Abs. 2 GG Bundesrecht.“. Als erste erkannte diesen Mangel Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers, MPUNYB 10 (2006), 273 (322 ff.).

1. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des UNESCO-Welterbeübereinkommens

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1. Kapitel

Verfassungsmäßigkeit des Abschlusses des UNESCO-Welterbeübereinkommens A. Das Verfahren zum Abschluss des Übereinkommens Die Gründe, die den Bund dazu bewogen haben, das Übereinkommen, anders als in der Staatspraxis üblich, ohne ein vorheriges Zustimmungs-, Ratifikations- oder Vertragsgesetz zu erlassen, konnten nicht vollständig aufgeklärt werden. Gesichert erscheint, dass der Bund entgegen der zuvor geäußerten Auffassungen der beteiligten Bundesministerien im Jahre 1976 davon ausging, dass durch das Übereinkommen Gegenstände der Gesetzgebung im Sinne des Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG nicht betroffen seien und daher auf ein Zustimmungsgesetz verzichtet werden könne.2 Da allerdings wegen des Bereichs der Kultur als Vertragsgegenstand Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder betroffen waren, leitete man den Vertrag mit jener Information an die Ständige Vertragskommission der Länder weiter, die die Beteiligung der Länder am Abschluss völkerrechtlicher Verträge nach der Lindauer Vereinbarung absichert.3 Offenbar ließen sich sowohl die Bundesregierung als auch die Regierungen der Länder von dem Gedanken leiten, dass sich das Übereinkommen ohne gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen des bestehenden Rechts durchführen ließe.4 Dementsprechend erteilten die Länder über die Ständige Vertragskommission ihre Zustimmungserklärungen gegenüber dem Auswärtigen Amt, das die Federführung im Ratifikationsprozess hatte.5 Am 8. Juli 1976 erging dann der Kabinettsbeschluss der Bundesregierung, auf dessen Grundlage die nachfolgende Ratifikation durch den 2 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, DÖV 2008, 54 (57) m.w.N. Die (ursprüngliche) Auffassung von der Notwendigkeit eines Vertragsgesetzes wurde sogar dem Deutschen Bundestag noch am 20.02.76 vom zuständigen Staatsminister Moersch mitgeteilt, so Sierck, Umsetzung der UNESCO-Konvention, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3-112/07, S. 4 m.w.N.; v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Welterbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (529), nennen unter Verweis auf eine Quelle aus dem Auswärtigen Amt als Grund, dass man davon ausgegangen sei, dass die Verwirklichung der Verpflichtungen des Übereinkommens mit dem zur Zeit des Abschlusses bestehenden materiellen Recht möglich gewesen sei. Siehe zum damit angesprochenen Problemkreis des Parallelabkommens unten unter 2. Teil, 1. Kapitel, B., II., 4., c). 3 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, DÖV 2008, 54 (57) m.w.N. 4 Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers, MPUNYB 10 (2006), 273 (327). Zu der hinter dieser Idee stehenden Figur des Parallelabkommens, siehe unten unter 2. Teil, 1. Kapitel, B., II., 4., c). 5 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, DÖV 2008, 54 (57) m.w.N.; v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Welterbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (529); Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens, S. 5.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Bundespräsidenten erfolgte.6 Die Ratifikationsurkunde wurde am 23. August 1976 beim Generaldirektor der UNESCO hinterlegt, so dass das Übereinkommen – drei Monate später7 – am 23. November 1976 für die Bundesrepublik in Kraft trat.8

B. Völkerrechtliche Verträge in der Bundesrepublik Deutschland Mit der Ratifikation des Übereinkommens war die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich, also im Außenverhältnis, an den Vertrag gebunden, da jedenfalls keine offenkundige Verletzung der innerstaatlichen Bestimmungen zum Abschluss des Übereinkommens vorlag.9 Damit ist jedoch noch nicht die hier interessierende Frage der innerstaatlichen Rechtswirkung des Übereinkommens beantwortet. Die innerstaatliche Bindung der Bundesrepublik wird zumindest dann erreicht, wenn der Abschluss des Vertrages im Einklang mit den Bestimmungen des Grundgesetzes erfolgte. I. Der Abschluss von Verträgen über Gegenstände in ausschließlichen Zuständigkeiten der Länder Bereits seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ist die Behandlung völkerrechtlicher Verträge über Gegenstände in ausschließlichen Zuständigkeiten der Länder insbesondere bezüglich der Verbandskompetenz von Bund und Ländern höchst umstritten. In den Fokus der Diskussion ist dabei die Frage gerückt, wie mit denjenigen Verträgen verfahren werden muss, welche im Schwerpunkt, wie das Welterbeübereinkommen,10 ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder betreffen. 6 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, DÖV 2008, 54 (57) m.w.N.; v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Welterbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (529); Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCOÜbereinkommens, S. 5. 7 Art. 33 S. 2 WKÜ. 8 BGBl. II 1977, S. 213. 9 Vgl. Art. 46 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. 05. 1969 (BGBl. II 1985, S. 927), die Völkergewohnheitsrecht widergeben. Vgl. zu den Wirkungen der Ratifikation auch Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, § 10 Rn. 18 ff. 10 Hauptsächlicher Regelungsgegenstand des Übereinkommens sind der Denkmalschutz einschließlich der Archäologie, die gemäß Art. 70 ff. i.V.m. 30 GG zur Gesetzgebungszuständigkeit der Länder gehören. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ist im Bereich des Naturschutzes inklusive der Naturdenkmäler gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG gegeben, wo den Ländern nach der Föderalismusreform im Jahre 2006 die Abweichungsgesetzgebung zusteht, Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG. Gleiches gilt für die Raumordnung, Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 und Art. 72 Abs. 3 Nr. 4 GG. Außerdem besitzt der Bund die konkurrierende Gesetzgebung für den Bereich des Bauplanungsrechts gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Bodenrecht), Art. 72 Abs. 1 GG. Zur

1. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des UNESCO-Welterbeübereinkommens

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Die zentrale Norm, an der sich dieser Streit im Wesentlichen entzündet hat, ist Art. 32 GG. Sie weist in ihrem ersten Absatz die Pflege der auswärtigen Beziehungen dem Bund zu. Im dritten Absatz bestimmt sie, dass, soweit die Länder zur Gesetzgebung zuständig sind, diese mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen können. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG bestimmt wiederum, dass hochpolitische Verträge und Verträge über die Gegenstände der Bundesgesetzgebung gegebenenfalls der Zustimmung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes bedürfen. 1. Die historischen Auffassungen zur Abschlussund Umsetzungskompetenz Im Schrifttum werden drei Ansichten hinsichtlich der Abschluss- und Umsetzungskompetenz zitiert, die zentralistische, die föderalistische sowie die vermittelnde Lösung. Die zentralistische Auffassung wurde vom Bund11 und dem Land Berlin12 vertreten und deshalb auch Berliner Lösung genannt. Danach kann der Bund völkerrechtliche Verträge über Gegenstände der ausschließlichen Landesgesetzgebungskompetenz sowohl abschließen als auch transformieren. Den Gegensatz zur vorgenannten Auffassung bildete die föderalistische These. Diese wurde von den südlichen Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen sowie Nordrhein-Westfalen vertreten und aufgrund dessen auch süddeutsche Lösung genannt.13 Rheinland-Pfalz schloss sich dieser Meinung ebenfalls grundsätzlich an.14 Die Länder sollten die alleinige Abschluss- und Transformationskompetenz für diejenigen Verträge besitzen, deren Gegenstand (innerstaatlich) in ihre ausschließliche Gesetzgebungskompetenz fällt. Eine vermittelnde These vertraten die Länder Bremen15, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.16 Nach dieser norddeutschen Lösung sollte der Bund zwar für den Abschluss solcher Verträge die notwendige Kompetenz besitzen, deren

denkbaren Berührung weiterer Bundeskompetenzen vgl. Hönes, Zur Förderung national bedeutsamer Denkmäler durch den Bund, NuR 2000, 426 ff. 11 Schreiben des Auswärtigen Amtes an den Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Bundesrates vom 28. September 1955 (Az: 500-170-07-3353/55 V-); wiedergegeben bei Hirsch, Kulturhoheit, S. 70 f. 12 Das Land Berlin schloss sich der vom Auswärtigen Amt vorgebrachten Auffassung an, so Hirsch, Kulturhoheit, S. 76; Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, S. 10. 13 Vgl. Hirsch, Kulturhoheit, S. 76; Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, S. 10. 14 Vgl. Hirsch, Kulturhoheit, ebd. und S. 66. 15 Mit Vorbehalten hinsichtlich der Transformationskompetenz; vgl. Hirsch, Kulturhoheit, S. 76. 16 Vgl. Hirsch, Kulturhoheit, S. 76; Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, S. 10.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Transformation in innerstaatliches Recht (nach der damals herrschenden Transformationslehre) hingegen Sache der Länder sein. 2. Die praktische Lösung des Konflikts durch die Lindauer Vereinbarung vom 14. 11. 1957 Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen17 des Bundes und der einzelnen Länder machten eine Einigung über eine gemeinsame Vorgehensweise notwendig. Sicherlich wäre auch ein Alleingang des Bundes und eine nachfolgende Organklage oder ein Bund-Länder-Streit denkbar gewesen, aufgrund derer dann das Bundesverfassungsgericht die Streitigkeit hätte entscheiden müssen. Doch die Vertreter von Bund und den Ländern einigten sich in einem längeren Prozess schlussendlich auf die als Lindauer Abkommen bekannt gewordene Einigungsformel, nach der man sich gemäß Ziffer 1 weiterhin uneinig über die Abschluss- und Transformationskompetenz bei völkerrechtlichen Verträgen sei, jedoch in den Ziffern 2 – 5 eine Übereinkunft über ein gemeinsames Vorgehen festschrieb. In dem für diese Arbeit relevanten Teil heißt es in Ziffer 3: „Beim Abschluß von Staatsverträgen, die nach Auffassung der Länder deren ausschließliche Kompetenzen berühren und nicht nach Ziff. 2 durch die Bundeskompetenz gedeckt sind, insbesondere also bei Kulturabkommen, wird wie folgt verfahren: Soweit völkerrechtliche Verträge auf Gebieten der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder eine Verpflichtung des Bundes oder der Länder begründen sollen, soll das Einverständnis der Länder herbeigeführt werden. Dieses Einverständnis soll vorliegen, bevor die Verpflichtung völkerrechtlich verbindlich wird. (…).“18

17 Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen hatten sich im Übrigen erst in den Beratungen des durch Beschluss vom 06. 10. 1954 eingesetzten Unterausschusses „Verwaltungsabkommen“ des Innenausschusses des Deutschen Bundestages herausgebildet. Bei den zuvor seit Inkrafttreten des Grundgesetzes geschlossenen Verträgen, die die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder berührten, hatte der Bundesrat seine Zustimmung erteilt, ohne den Rechtsausschuss des Bundesrates anzurufen. Nur einzelne Länder hatten die Praxis des Bundes dabei kritisiert; dazu Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, S. 6 ff. m.w.N.; Fassbender, Der offene Bundesstaat, S. 332 f. sieht als Grund, wenn auch nicht für die vorherige Zurückhaltung der Länder, so doch für die Zuspitzung des Konfliktes Mitte der fünfziger Jahre, dass die Frage der Ausprägung starker föderaler Strukturen, wie sie die Alliierten zunächst gefordert hatten, nun zugunsten der Einordnung in das westliche Bündnis aufgegeben wurde und durch Inkrafttreten des Generalvertrages am 05. 05. 1955 die Bundesrepublik die innere und äußere Souveränität (unter dem Vorbehalt der Viermächterechte und -verantwortlichkeiten) erhalten hatte, welches beides der Bund zur Durchsetzung seiner Position ausnutzen wollte. 18 Die Vereinbarung ist abgedruckt unter anderem bei Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Rn. 72; Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, S. 277 f. (Anhang II) sowie Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, S. 27.

1. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des UNESCO-Welterbeübereinkommens

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Die damit in der Vereinbarung aufgenommene (wegen des Zustimmungserfordernisses wohl als modifiziert zu bezeichnende)19 norddeutsche Lösung hat die Staatspraxis der Bundesrepublik seit nunmehr über fünfzig Jahren geprägt. Auch wenn längst noch nicht alle Fragen, die sich um das Lindauer Abkommen ranken, als abschließend geklärt bezeichnet werden können, so soll doch im Rahmen dieser Arbeit mit der herrschenden Auffassung sowie der deutschen Staatspraxis davon ausgegangen werden, dass das Übereinkommen in keinem Gegensatz zu der grundgesetzlichen Verteilung der auswärtigen Gewalt steht und vielmehr nur einen vielbeschworenen modus vivendi20 für die Fragen des Abschlusses von völkerrechtlichen Verträgen unter anderem in ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder schafft.21 19 Bereits Mosler, Kulturabkommen des Bundesstaats, ZaöRV 16 (1955/56), 1 (23), vertrat eine leicht modifizierte Auffassung. Er war der Meinung, dass der Bund aufgrund seiner Generalkompetenz in auswärtigen Angelegenheiten einen Vertrag jeden Inhalts schließen könne, es sei denn, dass zu dessen Erfüllung eine Maßnahme eines Landes erforderlich ist. Er sieht mithin wie die zentralistische und die vermittelnde norddeutsche und anders als die spätere föderalistische Lösung ein generelles Abschlussrecht des Bundes, welches jedoch wiederum im Sinne der späteren föderalistischen und im Gegensatz zu den anderen beiden Auffassungen seine materielle Grenze in den Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten der Länder findet. Der dogmatische Unterschied zu den anderen Thesen ist deutlich, da sie die Vertragsschlusskompetenz nicht wie die spätere föderalistische Auffassung generell den Ländern zuordnet, andererseits auch nicht wie die anderen beiden Auffassungen vollumfänglich dem Bund. Fassbender, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), BonnKGG, Art. 32 Rn. 102 ff. und 134 vertritt die Auffassung, dass sich diese modifizierte und nicht die klassische vermittelnde Auffassung im Text der Lindauer Vereinbarung durchgesetzt habe. So auch Papier, Abschluß völkerrechtlicher Verträge und Föderalismus, DÖV 2003, 265 (269) und Trüe, Die Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, JuS 1997, 1092 (1094). Diese Auffassung wird auch von Geiger, Völkerrecht und Grundgesetz, S. 112, vertreten: „Im Hinblick auf das noch verbleibende Bedürfnis eines Ausgleichs der bundesstaatlichen Antinomie muß es zulässig sein, daß die Länder den Bund im konkreten Fall bevollmächtigen, in ihrem Namen einen Vertrag zu schließen (…).“. Zur anderen Interpretation der norddeutschen Auffassung vgl. nur Zuleeg, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 59, Rn. 27 und die übrigen Autoren der folgenden Fußnote. 20 So die gerne verwendete Bezeichnung. Vgl. nur Fastenrath/Groh, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKGG, Art. 32 Rn. 64; Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Rn. 49; Geiger, Völkerrecht und Grundgesetz, S. 113; Hillgruber, Dispositives Verfassungsrecht, zwingendes Völkerrecht: Verkehrte juristische Welt?, JÖR N.F. 54 (2006), 57 (70); Stern, Auswärtige Gewalt und Lindauer Abkommen, in: Ipsen/Rengeling/Mössner/Weber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 265; anders Pietzcker, Zuständigkeitsordnung und Kollisionsrecht im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band VI, 3. Auflage 2008, § 134 Rn. 35: „modus procedendi“. 21 Fastenrath/Groh, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKGG, Art. 32 Rn. 65; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Rn. 13; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Rn. 55, „Berliner Lösung in ihrer norddeutschen Ausprägung“; Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Rn. 71; Zuleeg, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 32 Rn. 5 und 20; Papier, Abschluß völkerrechtlicher Verträge und Föderalismus, DÖV 2003, 265 (269), präzisiert zurecht, dass wenn man von einer Verfassungsgemäßheit der norddeutschen Lösung ausgeht, man eine gleichzeitige Verfassungsgemäßheit des Lindauer Abkommens nur erkennen könne, wenn man

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Die Bandbreite der Fragen, die sich bezüglich des Lindauer Abkommens stellen, ist zwar sehr groß. Es ist bereits streitig, ob es sich dabei um eine rechtsverbindliche oder bloß politische Vereinbarung handelt.22 Ferner wird in regelmäßigen Abständen, die Verfassungsmäßigkeit ihres Inhalts und damit der Staatspraxis bestritten.23 Die verfassungsrechtlichen Probleme, die sich mit dem Abkommen stellen, könnten ferner auch als obsolet bezeichnet werden, wenn man davon ausginge, dass das Abkommen Verfassungsgewohnheitsrecht darstelle,24 was seinerseits die generellen Fragen nach Existenz von Verfassungsgewohnheitsrecht25 sowie der Möglichkeit

die in Ziff. 3 geforderte Zustimmung der Länder nicht als konstitutiv erachtet. Andernfalls würde die Zustimmungserteilung nach dem Lindauer Abkommen eine zusätzliche Voraussetzung für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge darstellen, die von Art. 32 GG tatsächlich nicht gewollt ist. 22 Vgl. zu den unterschiedlichen Auffasungen nur die Nachweise bei Stern, Auswärtige Gewalt und Lindauer Abkommen, in: Ipsen/Rengeling/Mössner/Weber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 259. Auf die Einstufung als bloß politisch verbindliche Vereinbarung deutet auch die gebräuchliche Bezeichnung „Lindauer Absprache“ hin. Das Bundesverfassungsgericht verwendet zwar die Bezeichnung „Lindauer Abkommen“ bezeichnet dieses jedoch als „Absprache“, BVerfGE 92, 203 (232). In die Richtung eines bloß politischen Charakters deutet auch die ganz herrschende Auffasung im Schrifttum, vgl. Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 73; Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Rn. 53. Auf die fehlenden Unterschriften als ein Indiz für die Unverbindlichkeit hat Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, S. 18, hingewiesen. 23 Siehe dazu aus dem jüngeren Schrifttum nur die Habilitation von Fassbender, Der offene Bundesstaat, in der dieser die föderalistische Auffassung vertritt, wonach die Länder in ihren ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten eine ausschließliche Abschlussbefugnis hätten. Er belegt dieses im Wesentlichen mit einem historischen Vergleich zu den Vorgängerverfassungen der Weimarer Republik sowie des Kaiserreiches von 1871. In knapperer Form dazu ders., in: Dolzer u. a. (Hrsg.), BonnKGG, Art. 32 Rn. 95 ff. und 146. Aus historischer Perspektive sprachen sich Bernhardt, Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge im Bundesstaat, S. 154 und Busch, Die Lindauer Vereinbarung und die Ständige Vertragskommission der Länder, S. 47, für die föderalistische Auffassung aus. Zur Diskussion im früheren Schrifttum insgesamt vgl. auch die Nachweise bei Stern, Auswärtige Gewalt und Lindauer Abkommen, in: Ipsen/Rengeling/Mössner/Weber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 265, der sich mit der Mehrheit mangels Änderung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung für eine Verfassungsmäßigkeit der Vereinbarung ausspricht. Auch in der jüngeren Rechtsprechung wird zumindest implizit die Möglichkeit der Verfasssungswidrigkeit angesprochen, vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142). 24 Eindeutig ablehnend die herrschende Auffassung. Siehe nur Fassbender, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), BonnKGG, Art. 32 Rn. 144; Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 73; Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Rn. 54. Vgl. dort auch jeweils die Nachweise zur Gegenauffassung. 25 Generell gegen die Möglichkeit des Bestehens von Verfassungsgewohnheitsrecht Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 144; Badura, Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band VII, 1. Auflage 1992, § 160, Rn. 10; Pietzcker, Zuständigkeitsordnung und Kollisionsrecht im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band VI, 3. Auflage 2008, § 134 Rn. 34 f.; Hillgruber, Dispositives Verfassungsrecht, zwingendes Völkerrecht: Verkehrte juristische Welt?, JÖR N.F. 54 (2006), S. 70: „Verfassungsgewohnheitsrecht wirkt nicht derogierend“.

1. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des UNESCO-Welterbeübereinkommens

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von verfassungswidrigem Verfassungsgewohnheitsrecht26 aufwerfen würde. Je nach vertretener Position ergeben sich hieraus erhebliche Konsequenzen für die gesamte auswärtige Gewalt der Bundesrepublik. Es erscheint allerdings nur sehr schwer vorstellbar, dass das eher für seine pragmatischen Lösungen bekannte Bundesverfassungsgericht, als einzig hierzu berufene Instanz, die im Lindauer Abkommen geregelte Vorgehensweise als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklären könnte,27 weshalb sie im Folgenden auch als verfassungsgemäß unterstellt werden soll. II. Die Welterbekonvention als Gesetzgebungsvertrag oder Verwaltungsabkommen? Wenn man also davon ausgeht, dass das Lindauer Abkommen und damit dessen Praxis verfassungsmäßig sind, und damit der Bund aufgrund der Zustimmung der Länder grundsätzlich befugt war, das Übereinkommen abzuschließen, bleibt die Frage nach der Einhaltung der grundgesetzlichen Modalitäten dieses Abschlusses. Diese richten sich nach der Art des völkerrechtlichen Vertrages. Das Grundgesetz kennt in Art. 59 Abs. 2 GG drei unterschiedliche Arten von völkerrechtlichen Verträgen. Zunächst gibt es den politischen Vertrag.28 Dieser Begriff wird jedoch einheitlich sehr eng ausgelegt.29 Danach muss durch einen solchen Vertrag „die Existenz des Staates, seine territoriale Integrität, seine Unabhängigkeit, seine Stellung oder

26 Dieses verneint Fassbender, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), BonnKGG, Art. 32 Rn. 144, konkret für den Fall der Lindauer Vereinbarung, da diese nicht von einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung getragen sei; a.A. möglicherweise Hofmann, Auswärtige Gewalt, in: Heun/Honecker/ Morlok/Wieland (Hrsg.), EvStL, Sp. 152 (155), der betont, dass sich die Vereinbarung mittlerweile zu Verfassungsgewohnheitsrecht verdichtet habe, ohne dabei gleichsam die Möglichkeit der Verfassungswidrigkeit der Vereinbarung in Betracht gezogen zu haben. 27 Rauschning, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), BonnKGG, Art. 59 Rn. 73. Das Bundesverfassungsgericht scheint allerdings dahin zu tendieren, die Verfassungsmäßigkeit der Vereinbarung durch Verneinung ihres rechtlichen Charakters nicht infrage stellen zu wollen. Vgl. hierzu nur die Entscheidung bezüglich der EG-Fernsehrichtline, BVerfGE 92, 203 (231 f.): „(…) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind und Art. 32 Abs. 3 GG ihnen deswegen eine Vertragsschlußkompetenz einräumt, war von Anfang an streitig, ob diese Landeszuständigkeit eine ausschließliche ist oder dem Bund eine konkurrierende Vertragsschlußkompetenz zusteht (…). Ungeachtet dessen haben Bund und Länder im sog. ,Lindauer Abkommen‘ (…) eine Absprache getroffen, nach der vor Abschluß eines Vertrages auf Gebieten der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder ,das Einverständnis der Länder herbeigeführt werden‘ soll, bevor die Verpflichtung völkerrechtlich verbindlich wird (…)“. 28 Art. 59 Abs. 2 S. 1, Var. 1 GG. 29 Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 86; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 29 f.; Zuleeg, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 59, Rn. 24; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum GG, Art. 59, Rn. 63 f.; BVerfGE 1, 372 ff.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

sein maßgebliches Gewicht in der Staatengemeinschaft (…) berührt werden“30, was beim Welterbeübereinkommen zweifelsfrei nicht der Fall ist. Damit handelt es sich bei dem Welterbeübereinkommen entweder um einen Gesetzgebungsvertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 2 S. 1, Var. 2 GG oder um ein Verwaltungsabkommen im Sinne von Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG. 1. Gesetzgebungsverträge Das Zustimmungs- oder Mitwirkungserfordernis der in Art. 59 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. GG genannten Körperschaften erstreckt sich auch auf Verträge, die sich auf die Bundesgesetzgebung beziehen. Der Begriff der „Bundesgesetzgebung“ wird heute einheitlich dahingehend verstanden, dass er sich nicht auf die Unterscheidung zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung bezieht, sondern vielmehr eine Differenzierung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung bezwecken soll.31 Mit anderen Worten soll nur derjenige Vertrag einer durch die Vorschrift angeordneten Zustimmung durch die dort benannten Körperschaften bedürfen, der innerstaatlich ausschließlich durch formelles Gesetz und nicht durch bloßen Verwaltungsvollzug zur Anwendung gebracht werden könnte. Die Begründung für diese Auslegung wird der teleologischen Interpretation der Vorschrift entnommen, wonach die Exekutive beim Vertragsschluss einer Rückkopplung an die Legislative bedürfen soll, um diese nicht mit völkerrechtlichen Verpflichtungen konfrontieren zu können, die letztere dann innerstaatlich umsetzen müsste, um der Bundesrepublik deren Einhaltung zu ermöglichen.32 2. Verwaltungsabkommen Verwaltungsabkommen werden häufig negativ33 definiert als Verträge, die weder die politischen Beziehungen noch die Gesetzgebung des Bundes betreffen,34 oder 30

BVerfGE 1, 372 (381). Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 66; Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 167; Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 90; Fastenrath/Groh, in: Friauf/Höfling, BerlKGG, Art. 59, Rn. 60. 32 So schon BVerfGE 1, 372 (380). In der Literatur: Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 37 und 65; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 31; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 220. 33 Einen Überblick zum Meinungsstand hinsichtlich einer negativen oder positiven Definition des Begriffs des Verwaltungsabkommens in den frühen Jahren des Grundgesetzes liefert Reichel, Die auswärtige Gewalt, 135 ff. 34 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 122; Reichel, Die auswärtige Gewalt, S. 136; Fastenrath/Groh, in: BerlKGG, Art. 59, Rn. 86. 31

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noch knapper als Verträge, die nicht unter Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG fallen.35 Doch erscheint diese pauschale Ausweisung als Auffangtatbestand bereits aufgrund des eindeutigen Bezugs auf die Bundesverwaltung fragwürdig. Vielmehr liegt es bei der Bestimmung des Begriffes nahe, sich an der Gegensätzlichkeit des Begriffspaars der Bundesverwaltung in Satz 2 und der Bundesgesetzgebung in Satz 1 sowie den in Satz 1 genannten politischen Verträgen und solchen über die (Bundes-)Gesetzgebung zu orientieren. Es erscheint in diesem Zusammenhang eindeutig, dass die Gegenstände der Verträge in Satz 1 sich von den Verwaltungsabkommen des Satzes 2 zumindest dadurch unterscheiden, dass es sich bei ersteren um solche der Gesetzgebung und bei letzteren um solche der Verwaltung handelt.36 Da auch Gegenstände der Verwaltung hochpolitischer Art sein können,37 (hoch-)politische Verträge jedoch, selbst wenn sie nicht Gegenstände der Gesetzgebung behandeln, ausweislich Satz 1 mit Gesetzgebungsverträgen gleichzusetzen sind und eine parlamentarische Beteiligung erfordern, ist eine zweite Einschränkung dahingehend zu machen, dass Verwaltungsabkommen im Sinne des Satzes 2 des Weiteren nicht politischer Natur im Sinne des Satzes 1 sein können.38 Die Definition ist daher insofern zu präzisieren und positiv zu formulieren, dass Verwaltungsabkommen diejenigen Gegenstände behandeln, die mit Mitteln der Verwaltung vollzogen werden können und nicht politischer Art im Sinne des Satzes 1 sind.39 Es besteht im Übrigen Einigkeit, dass die Lindauer Vereinbarung auch für den Bereich der Verwaltungsabkommen gilt.40 3. Abgrenzung Die Unterscheidung von Gesetzgebungsverträgen und Verwaltungsabkommen ist folglich danach zu treffen, wie dem Inhalt eines Vertrages innerstaatliche Wirkung 35 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 49; Kempen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 102. 36 Vgl. Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band III, 1. Auflage 1992, § 77, Rn. 67. 37 Jasper, Die Behandlung von Verwaltungsabkommen im innerstaatlichen Recht, S. 66 ff.; Reichel, Die auswärtige Gewalt, S. 136. 38 Siehe beispielhaft das Transitabkommen zwischen der Bundesrepublik und der ehemaligen DDR vom 17. 12. 1971, welches trotz seines hochpolitischen Charakters als Verwaltungsabkommen geschlossen wurde und dementsprechend zu recht als Verfassungsverstoß bezeichnet wurde, Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 83; Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band III, 1. Auflage 1992, § 77, Rn. 67; ders., Verwaltungsabkommen, AöR 77 (1951/52), S. 370 ff. Anders Röben, Außenverfassungsrecht, S. 94: „(…) so handelt es sich um ein Verwaltungsabkommen, unbeschadet der politischen Bedeutung des Vertrags“. 39 Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 129; ähnlich gut differenzierend: Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band IV, 3. Auflage 2006, § 83, Rn. 29. 40 Statt vieler nur Rauschning, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), BonnKGG, Art. 59 Rn. 74 und 160.

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gegeben werden kann. Gesetzgebungsverträge bedürfen eines formellen Gesetzes, Verwaltungsabkommen hingegen können von der Verwaltung ohne ein solches durchgeführt werden. Die Abgrenzung zwischen denjenigen Verträgen, die eines formellen Gesetzes bedürfen und denen, die die Verwaltung unmittelbar vollziehen kann, erfolgt wie bei einem nationalen Gesetz.41 Es ist also zu überprüfen, ob der Inhalt des Vertrages, wenn er ein rein nationales Vorhaben darstellen würde, der Gesetzesform bedürfte.42 Entsprechend ist die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts anzuwenden.43 Die Theorie vom Parallelvertrag, die im Zusammenhang mit dem Übereinkommen wieder in Erinnerung gerufen wurde,44 muss hingegen verworfen werden. Parallelverträge sind solche Verträge, deren völkerrechtliche Verpflichtungen bereits mit der innerstaatlichen materiellen Rechtslage in Einklang stehen.45 Der Theorie nach muss der Bundestag bei Abschluss derartiger Verträge, ungeachtet dessen ob es sich um bloße Verwaltungsabkommen oder gar um Gesetzgebungsverträge handelt, in keinem Falle beteiligt werden. Diese Auffassung untergräbt die Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers, bestimmte durch Gesetz getroffene Entscheidungen wieder zurückzunehmen, indem sie zulässt, ihn an völkerrechtiche Verträge zu binden, an deren Abschluss er überhaupt nicht beteiligt wurde.46 Des Weiteren kann 41 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 32. Butzer/Haas, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 91. 42 Ausführlich hierzu Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags vom Verwaltungsvertrag, DÖV 2008, 697 (698). 43 Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band IV, 3. Auflage 2006, § 83, Rn. 28. 44 Siehe v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Welterbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (529), unter Bezugnahme auf eine Überlegung einer ungenannten Person im Auswärtigen Amt. 45 Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 93; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 35; Härle, Die völkerrechtlichen Verwaltungsabkommen der Bundesrepublik, JIR 12 (1965), 93 (107); Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 173. 46 Ablehnend hinsichtlich der Theorie vom Parallelvertrag auch die eindeutige Mehrheit im Schrifttum: Jasper, Die Behandlung von Verwaltungsabkommen im innerstaatlichen Recht, S. 134; Streinz, in: Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 35; Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, S. 218; Callies, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.) HStR IV, 3. Auflage, 2004, § 83 Rn. 28; Rojahn, in: v. Münch (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 62; Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 174; Zuleeg, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 59 Rn. 29; Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 93 unter Verweis auf sowohl die Vollzugssicherungsfunktion als auch den Schutz des Gesetzgebers in seiner gesetzgeberischen Freiheit; auch ebenso allerdings unter Verweis darauf, dass Sinn und Zweck der Regelung des Art. 59 Abs. 2 S. 1, Var. 2 GG nur sein könne, den Vollzug des Vertrages zu sichern, nicht hingegen, den Gesetzgeber vor jedweder Einschränkung bei seiner Gesetzgebungstätigkeit zu schützen Rauschning, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), BonnKGG, Art. 59 Rn. 76 und Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags vom Verwaltungsvertrag, DÖV 2008, 697 (698). Generell gegen die Notwendigkeit eines Zustimmungsgesetzes bei Parallelverträgen nur Teile des älteren Schrifttums Boehmer, Der völker-

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die Legislative in diesen Fällen ihrer verfassungsrechtlichen Kontrollfunktion beim Abschluss des Vertrages durch die Exekutive nicht nachkommen.47 4. Zur Notwendigkeit eines formellen Gesetzes zur Durchführung des Welterbeübereinkommens Die Notwendigkeit eines formellen Gesetzes zur Durchführung des Übereinkommens48 besteht nach der genannten Wesentlichkeits-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer dann, wenn der Inhalt einer zu beschließenden Regelung Grundrechtswesentlichkeit besitzt.49 a) Grundrechtswesentlichkeit Die Frage der Grundrechtswesentlichkeit des Übereinkommens wird entgegen der zunächst eindeutig anmutenden Formulierung des Art. 6 WKÜ durch diesen nicht beantwortet. Die darin verankerte Achtung der „durch das innerstaatliche Recht gewährten Eigentumsrechte“ bedeutet nicht etwa, dass ausdrücklich ein Eingriff in das in Art. 14 GG verkörperte Eigentumsgrundrecht ausgeschlossen sein soll und damit ein nationales Umsetzungsgesetz mangels Grundrechtswesentlichkeit entfallen könnte. Die Formulierung lässt sich nur durch die travaux préparatoires des Übereinkommens verstehen. Bei der ersten Expertenrunde im Februar/März 1968 war vorgeschlagen worden, die Mitgliedstaaten zu Enteignungen zu verpflichten, falls Eigentümer von Welterbestätten ihren Erhaltungspflichten nicht nachkommen würden.50 Die Frage von Enteignungen anzusprechen, war heikel und galt als Gefahr rechtliche Vertrag im deutschen Recht, S. 6 f.; Meyer-Lindenberg, Zum Begriff der Verträge, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen., in: Cartens/Peters (Hrsg.), Festschrift Hermann Jahrreiss, S. 277 ff. 47 Vgl. zu den einzelnen Funktionen des Zustimmungsgesetzes nur Rojahn, in: v. Münch/ Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, Art. 59 Rn. 30 ff. 48 Die Begriffe Vertragsgesetz, Durchführungsgesetz, Umsetzungsgesetz, Transformationsgesetz sollen in diesem Zusammenhang wegen ihrer gleichen Funktion synonym mit dem Zustimmungsgesetz i.S.d. Art. 59 Abs. 2 S. 1, Alt. 2 GG zu verstehen sein. 49 Vgl. nur BVerfGE 33, 125 (158 f.); 33, 303 (333 ff.); Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 120. Ausnahmen bei der Transformation von grundrechtsrelevanten Staatsverträgen der Länder werden von BVerwGE 74, 139 (140 f.) und Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 20 Rn. 53 zugestanden, hingegen von Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.) (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 122 abgelehnt. Zu Einschränkungen des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes auch bei Art. 59 Abs. 2 S. 1 siehe BVerfGE 77, 170 (231) und Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 121. 50 Das Expertentreffen am 26. Februar bis 2. März 1968, hatte noch folgenden Vorschlag veröffentlicht: „Les biens culturels devraient, en raison de leur grande importance, être l’objet de mesures de protection décidées par l’autorité publique, en cas de carence des propriétaires. Au nombre de ces mesures, il conviendrait de prévoir: l’exécution d’office des travaux de conservation et, s’il y a lieu, l’expropriation du bien culturel menacé.“ UNESCO Doc. SHC/CS/ 27/8, S. 29, zitiert aus: Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 283 f.

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für das Übereinkommen, weshalb die oben genannte Formulierung der Wahrung der Eigentumsrechte in ihrer Deutlichkeit schon früh in die vorläufigen Vertragstexte aufgenommen wurde.51 Die Frage der Grundrechtswesentlichkeit ist demnach nur durch die Analyse der Verpflichtungen in Art. 4 und 5 WKÜ zu beantworten. Denn nicht erst Enteignungen vermögen einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht zu besorgen. Vielmehr sind die unterschiedlichen Schutz- und Erhaltungspflichten des Denkmalschutzrechts ebenfalls Belastungen der Eigentumsfreiheit, die von Verfassungs wegen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Allerdings statuiert die Konvention anders als die deutschen Landesdenkmalschutzgesetze keine absolute Erhaltenspflicht. Art. 4 S. 2 WKÜ verpflichtet die Vertragsparteien, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um das in der Vorschrift näher bezeichnete Erbe zu schützen. Es ist als qualifizierte Bemühensverpflichtung ausgestaltet.52 Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Norm selbst keine Eingriffsqualität aufweist bzw. einen Eingriff in Grundrechte verlangen würde. Es ist zwar eher der Regel- als ein Ausnahmefall, dass natur- und denkmalschützende Vorschriften das Eigentumsgrundrecht einzelner Immobilieneigentümer aus Art. 14 GG beschränken, wenn beispielsweise gewisse Bautätigkeiten in einem Gebäude eines zum Welterbe gehörenden Altstadtkerns unterbleiben müssen. Allerdings gibt die Konvention gerade kein bestimmtes Mittel vor, mithilfe dessen dieses Ziel erreicht werden muss. Neben reglementierend-eingreifenden Lösungen über gesetzliche Regelungen sind auch positiv-fördernde Maßnahmen zur Erreichung des Zieles des Übereinkommens denkbar. So könnte gerade bei der begrenzten Zahl an Welterbestätten auch über Steuervergünstigungen oder staatliche Zuschüsse die von der UNESCO geforderte Art der Sanierung erreicht werden. Ferner könnten bestimmte Nutzungsarten bezuschusst werden. Im Regelfall wird es aus haushaltspolitischen Gründen insbesondere bei großflächigen Stätten zwar im Wesentlichen auf eine reglementierende Politik zur Umsetzung der Konvention hinauslaufen. Diese und die damit zu besorgenden Grundrechtseingriffe werden jedoch nicht in letzter Konsequenz gefordert. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass Art. 4 S. 2 WKÜ von der jeweiligen Vertragspartei bei der Nutzung ihrer Kräfte eine Zusammenarbeit „insbesondere auf finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet“ fordert. Die Norm scheint mithin auf die Bemühung des tatsächlichen Erhalts einer Stätte abzuzielen und rechtliche Maßnahmen zumindest primär nicht anzustreben.53 51 UNESCO Doc. SHC/MD/17, S. 22; Genius-Devime, Bedeutung und Grenzen des Erbes der Menschheit, S. 283 f. m.w.N. 52 Siehe oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, A., I., 4. und 5. Zur bloßen Bemühensverpflichtung auch eingehend Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens, S. 7 f. 53 Ähnlich Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens, S. 8.

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Diese Interpretation des Art. 4 WKÜ belegt auch der systematische Vergleich mit Art. 5 WKÜ. Art. 5 WKÜ gibt exemplarisch Wege vor, mit denen die in Art. 4 WKÜ genannte Verpflichtung zu erreichen ist. Er formuliert diese Mittel sogar ausdrücklich als Bemühensverpflichtung54, die ausweislich des Wortlautes unter dem Vorbehalt der Möglichkeiten und Gegebenheiten des jeweiligen Landes zu erfüllen ist.55 Darunter wird in Art. 5 lit. d) WKÜ auch die Schaffung geeigneter rechtlicher Maßnahmen genannt, die für einen Schutz erforderlich sind. Auch hiermit werden wiederum nicht ausdrücklich reglementierende Maßnahmen gefordert. Sie müssen lediglich „geeignet“ sein. Positive, also fördernde, Maßnahmen erfüllen diese Voraussetzung, ohne dass es hierfür bestimmter Grundrechtseingriffe bedürfte. Auch aus Art. 5 lit. a) WKÜ ergibt sich nichts anderes. Dort wird die Bundesrepublik als Vertragspartei lediglich aufgefordert, „eine allgemeine Politik“ zum Schutz des Erbes zu betreiben und das Erbe „in erschöpfende Planungen einzubeziehen“. Der erste Teil dieser Verpflichtung ist ohnehin nicht gesetzlich umsetzbar. Die Einbeziehung in Planungen erfolgt selbstverständlich besonders effektiv durch gesetzliche Maßnahmen, wie zum Beispiel die Berücksichtigung in Raumordnungsplänen oder Bebauungsplänen oder etwa durch die Ausweisung spezieller Schutzzonen, die allesamt Eingriffscharakter aufweisen würden. Eine Verpflichtung zu dieser Art und Weise der Einbeziehung ergibt sich jedoch ebenfalls aus dem Übereinkommen nicht. Die Verpflichtung wird schon dadurch erfüllt werden können, dass bei entsprechenden Planungen die Denkmalfachbehörden als „Träger öffentlicher Belange“ zu hören sind. Die Notwendigkeit der Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage zum Eingriff in Art. 14 GG ist mithin durch die Verpflichtungen des Übereinkommens nicht gegeben.56 Dementsprechend musste zumindest aus Gründen der Grundrechtswesentlichkeit kein Gesetz zur Umsetzung des Übereinkommens ergehen.

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Siehe oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, A., I., 4. A.A. offenbar Hönes, Das UNESCO-Welterbeübereinkommen von 1972 und die Folgen, VR 2008, 145 (147). 56 Vgl. dazu bereits Seifert, Motion to Initiate Legislation for the Belated Implementation of the UNESCO World Heritage Convention, GYIL 52 (2009), 708 (712). Ebenso im Ergebnis das Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCOÜbereinkommens, S. 7 ff., das ferner die Verpflichtung zur Schaffung von Dienststellen gemäß Art. 5 lit. b) WKÜ als problematisch ansieht. Es geht offenbar davon aus, die Schaffung dieser Dienststellen insofern ein Zustimmungsgesetz erfordert, als der Gesetzgeber durch die Vorschrift gezwungen sein könnte, zumindest seine bereits bestehenden Dienststellen aufrecht zu erhalten. Mit dieser Argumentation müsste man freilich generell ein Zustimmungsgesetz fordern, da das Übereinkommen stets Rückschritte im Schutz des Welterbes zu verhindern sucht. Bei der Frage der Notwendigkeit eines Zustimmungsgesetzes kommt es allerdings ausschließlich auf Grundrechtsrelevanz oder Haushaltswirksamkeit an. Im Falle der Schaffung von Dienststellen könnte lediglich letztere einschlägig sein. Ein Zustimmungsgesetz ist jedoch trotzdem zu verneinen – wie auch das Gutachten, S. 8, feststellt –, da Dienststellen nach dem Übereinkommenstext nicht zwangsläufig mit öffentlichen Mitteln ausgestattet werden müssten. 55

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b) Haushaltswirksamkeit von Art. 16 WKÜ Die Pflicht zur Verabschiedung eines Vollzugsgesetzes wird im Übrigen auch bei haushaltswirksamen Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen ausgelöst.57 Darunter sind diejenigen vertraglichen Bestimmungen zu verstehen, welche finanzielle Belastungen für den Haushalt bewirken, die nicht mehr im Rahmen des aufgestellten Haushaltsplanes ausgeglichen werden können.58 Art. 16 Abs. 1 WKÜ bestimmt zwar, dass die Vertragsparteien regelmäßige Zahlungen an den Welterbefonds zu leisten haben. In das Übereinkommen wurde jedoch aus ausdrücklich aufgenommen, dass Vertragsparteien bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde erklären können, an diese Vorschrift nicht gebunden zu sein.59 Einen entsprechenden Vorbehalt hat die Bundesrepublik bei der Ratifikation des Übereinkommens eingelegt.60 Eine Pflicht zur Verabschiedung eines Vollzugsgesetzes bestand mithin auch nicht aufgrund der Haushaltswirksamkeit des Übereinkommens.61 c) Zwischenergebnis Ein Zustimmungs-, Umsetzungs- bzw. Vollzugsgesetz ist nach dem Inhalt des Übereinkommens rechtlich nicht geboten.62 Weder besitzt der Vertrag eine zwingende Grundrechtsrelevanz noch eine Haushaltswirksamkeit. Er kann mithin mit Mitteln der Verwaltung im nationalen Recht durchgeführt werden und stellt daher ein Verwaltungsabkommen dar.63 57 Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 26; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 36. Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 92; Fastenrath/Groh, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKGG, Art. 59, Rn. 62. 58 Ausdrücklich Fastenrath/Groh, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKGG, Art. 59, Rn. 62; implizit Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 26. 59 Art. 16 Abs. 2 WKÜ. 60 BGBl. II 1977, S. 213. 61 Vgl. dazu bereits Seifert, Motion to Initiate Legislation for the Belated Implementation of the UNESCO World Heritage Convention, GYIL 52 (2009), 708 (712). 62 A.A. Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht – Toter Buchstabe oder wirksamer Schutz? Dargestellt am Beispiel des Kölner Doms, CDI 11 (2006), 11 (125); a.A. auch Hönes, Zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene, NuR 2008, 319 (320); ebenfalls a.A. Müller, Direkte Demokratie und Völkerrecht, NJ 2007, 252 (253). 63 Im Ergebnis ebenso Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens, S. 9. Etwas anders Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrags vom Verwaltungsvertrag, DÖV 2008, 697 (699), der das Welterbeübereinkommen zu „einer nicht im Grundgesetz geregelten Kategorie eines Gesetzgebungsvertrages“ hält. Es habe jedoch trotzdem als „Verwaltungsabkommen“ abgeschlossen werden können, S. 705.

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5. Die Gegenauffassung vom Gesetzgebungsvertrag Anders als in dieser Arbeit vertreten, wird das UNESCO-Übereinkommen im Schrifttum allerdings auch als Gesetzgebungsvertrag qualifiziert.64 Ungenannt bleiben dabei jedoch die Konsequenzen einer derartigen Charakterisierung. Stellte das Übereinkommen nämlich tatsächlich einen Gesetzgebungsvertrag dar, der nur mithilfe formeller Gesetze zur Anwendbarkeit gebracht werden könnte, so wäre das Übereinkommen innerstaatlich überhaupt nicht wirksam.65 Denn dann hätte man den Vertrag in verfassungswidriger Weise geschlossen. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG verlangt für Verträge, welche die Gesetzgebung des Bundes betreffen, zumindest die Zustimmung des Bundestages.66 Dieser war jedoch am Vertragsschluss überhaupt nicht beteiligt. Die dieser Vorschrift innewohnenden Funktionen67 der Vollzugssicherung sowie der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive können auch nicht durch ein nachträgliches Vertragsgesetz erfüllt und der Verfassungsverstoß damit nicht geheilt 64

Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht – Toter Buchstabe oder wirksamer Schutz? Dargestellt am Beispiel des Kölner Doms, CDI 11 (2006), 11 (125), die die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Regelungen des Übereinkommens in den Landesdenkmalschutzgesetzen feststellt und daraus folgert: „ Demnach hätte es einer innerstaatlichen Zustimmung in Form eines Bundesgesetzes bedurft.“; Hönes, Zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene, NuR 2008, 319 (320); Müller, Direkte Demokratie und Völkerrecht, NJ 2007, 252 (253). Ohne klare Aussage insofern Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 191, der feststellt, dass man „gesetzgeberische Akte (…) für nicht erforderlich“ hielt und ergänzte: „Jedenfalls hinsichtlich der tatsächlichen Anwendungspraxis ist diese Einschätzung inzwischen zweifelhaft geworden“. Schlussendlich fordert er jedoch, wie die vorliegende Arbeit, lediglich gesetzliche Regelung zur Klar- und Sicherstellung der Berücksichtigung der Belange des Übereinkommens, S. 202 und 207. 65 Vgl. hierzu Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit, Ms S. 54: „Diese Frage wurde, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht behandelt.“. Die ersten beiden Ansätze im Schrifttum, auf die Proelß in Fußnote 183 verweist, behandeln ungünstigerweise tatsächlich nicht völkerrechtliche Verträge im Sinne von Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG, sondern mit dem UNESCO-Welterbeübereinkommen ein Verwaltungsabkommen, bei denen nach Proelß eigener Einschätzung eine Berücksichtigungspflicht im Wege der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes unproblematisch anzunehmen ist, Ms. S. 54 und 57; vgl. die Ansätze von Schorkopf, Völkerrechtsfreundlichkeit und Völkerrechtsskepsis in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 156 f. und Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (487 f.), die eine Differenzierung zwischen Verträgen im Sinne von Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG und solchen des Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG allerdings gar nicht vornehmen. 66 Butzer/Haas, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 99, die die Notwendigkeit einer zusätzliche Beteiligung des Bundesrates am Vertragsgesetz verneinen. Anders aber unter anderem Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum GG, Art. 59, Rn. 70. 67 Vgl. Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, Art. 59 Rn. 30 ff. Insbesondere auch zum Aspekt der Beschränkung der Entschließungsfreiheit des Gesetzgebers als zu berücksichtigender Aspekt im Rahmen der Gewaltenteilung Kokott, Art. 59 Abs. 2 und einseitige völkerrechtliche Akte, in: Hailbronner/Ress/Stein (Hrsg.), Festschrift für Karl Doehring, 503 (511); Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 215.

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werden.68 Aufgrund der fehlenden Offensichtlichkeit des Mangels im Sinne des Art. 46 WVRK bliebe die Bundesrepublik im Außenverhältnis auch noch an den Vertrag gebunden. An der Folgerung des verfassungswidrigen Abschlusses des Übereinkommens vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass es sich im Schwerpunkt um Vertragsgegenstände handelt, die der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfallen. Hier müssten zwar primär die Länder durch eigene Gesetze die innerstaatliche Anwendbarkeit im Rahmen ihres jeweiligen Landesrechts herstellen.69 Abgesehen davon, dass es wohl weiterhin einer Zustimmung des Bundestages zum Zwecke der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive bedürfte,70 weist das konkrete Übereinkommen aber eben auch Inhalte auf, die der Gesetzgebungszuständigkeit der Bundes unterfallen, weshalb im Fall des UNESCO-Übereinkommens dann ohnehin ein (zusätzliches) Zustimmungsgesetz des Bundes erforderlich gewesen wäre, um die entsprechenden Gegenstände im Bundesrecht anwendbar zu machen. So führt Hönes aus, dass zur Durchführung des Übereinkommens die gesetzliche Schaffung von Schutzkategorien wie Naturschutzgebieten oder Kultur68 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum GG, Art. 59, Rn. 78; vgl. dort auch die Nachweise zur Gegenauffassung aus dem älteren Schrifttum; Streinz, in: Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 53, hält die Möglichkeit der Heilung für „verfassungsrechtlich bedenklich“. 69 Rauschning, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), BonnKGG, Art. 59 Rn. 75, weist darauf hin, dass „in der Praxis“ bei der Betroffenheit von ausschließlichen Landesgesetzgebungskompetenzen kein Vertragsgesetz des Bundes ergeht. Als Gegenbeispiel kann allerdings auf das Europäischen Übereinkommen zum Schutz des Archäologischen Erbes vom 16. Januar 1992 (Konvention von La Valletta) verwiesen werden. Dieses regelt Fragen der Ärchäologie und damit des Denkmalschutzes und liegt folglich in der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder. Trotzdem wurde vom Bundestag ein Vertragsgesetz erlassen, BGBl. II 2002, S. 2709. Die Bundesregierung hat sogar in ihrem Gesetzentwurf für das Vertragsgesetz ausdrücklich erwähnt, dass „die sich aus dem Übereinkommen ergebenden Verpflichtungen schon jetzt zum Aufgabenbereich der archäologischen Denkmalpflege in den Ländern und Gemeinden gehören“, BT-Drucks. 14/8710, S. 6. Nichtsdestotrotz ist die Konvention nach der Ratifikation und dem damit verbundenen Eintritt der völkerrechtlichen Bindung ein Jahrzehnt ohne entsprechende Umsetzung durch die Länder geblieben. So musste erst eine höchstrichterliche Entscheidung, BVerwG, Beschluss vom 13. 12. 2010, NVwZ 2011, 752 ff., den Bundesländern deutlich machen, dass das Zustimmungsgesetz des Bundes eine innerstaatliche Anwendbarkeit mangels entsprechender Gesetzgebungszuständigkeit nicht herstellen könne. Entsprechend war auch kein Gesetzesvorbehalt für die Auferlegung entsprechender Grabungskosten an Private gegeben, a.A. hierzu Göhner, Wann sind Regelungen internationaler Übereinkommen bei der Anwendung nationalen Rechts zu beachten?, DSI 2007, 65 (67). Als Reaktion auf die genannte Entscheidung begannen die Bundesländer eine Umsetzung in den jeweiligen Landesdenkmalschutzgesetzen. Zu ersten Bemühungen einer entsprechenden Umsetzung vgl. den Gesetzentwurf der schleswig-holsteinischen Landesregierung aus dem Jahre 2008, SH LTDrucks. 16/2248, S. 2, der jedoch erst im Jahre 2012 in deutlich veränderter Form in Kraft trat; Zur uneinheitlichen Handhabung bei der Verabschiedung von Gesetzen durch die Länder bereits Völkerrechtliche Verträge über Gegenstände der Landesgesetzgebung bereits Rudolf, in: Burkei/Polter (Hrsg.), Rechtsfragen im Spektrum des Öffentlichen, S. 68. 70 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum GG, Art. 59, Rn. 76.

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landschaften notwendig sei.71 Der Naturschutz befand sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes.72 Daher hätte in der Konsequenz jener im Rahmen dieser Arbeit nicht vertretenen Auffassung auch im konkreten Fall wegen Art. 59 Abs. 2 S. 1, Var. 2 GG ein Zustimmungsgesetz des Bundestages ergehen müssten und lag wegen dessen Fehlen ein Verfassungsverstoß mit der Folge der innerstaatlichen Unwirksamkeit des Vertrages vor. 6. Verwaltungsabkommen als Auffangtatbestand? Abschließend soll noch betont werden, dass der Begriff des „Verwaltungsabkommens“ in Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG keinesfalls als Auffangtatbestand zu all denjenigen völkerrechtlichen Verträgen zu verstehen ist, zu denen kein Zustimmungsgesetz ergangen ist.73 Dieses ergibt sich bereits aus der oben genannten Definition des Verwaltungsabkommens. Es soll an dieser Stelle jedoch besondere Erwähnung finden, weil insbesondere im Zusammenhang mit dem Welterbeübereinkommen häufig vertreten wurde, dass das Übereinkommen wegen des nicht ergangenen Zustimmungsgesetzes zwangsläufig ein Verwaltungsabkommen sein müsse.74 Diese 71

(320).

Hönes, Zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene, NuR 2008, 319

72 Gemäß Art. 75 Nr. 3 GG a.F. unterfielt der Naturschutz zur damaligen Zeit der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes. Noch deutlicher als bei den erst 1980 in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommenen Kulturlandschaften wird die Bundeskompetenz im Bereich der Naturdenkmäler, die seit dem Reichsnaturschutzgesetz unter die Regelungsgewalt der Naturschutzgesetze fallen. Siehe dazu schon oben die Nachweise unter 1. Teil, 1. Kapitel, B., I., und C., III. 73 Zur Gegenauffassung vgl. bereits die Nachweise oben unter 2. Teil, 1. Kapitel, B., II., 2. 74 Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens, S. 9; Sierck, Umsetzung der UNESCOKonvention, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3-112/07, S. 5; wohl ebenso zum hier einschlägigen Fall des UNESCO-Welterbeübereinkommens Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (530), der die fehlende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Denkmalschutz feststellt und daraus schließt: „Dies konvergiert im Ergebnis mit der Ansicht, das WEK sei lediglich ein Verwaltungsabkommen, das im Rahmen bestehender Gesetz(e) anzuwenden ist“; siehe auch Kilian, Die Brücke über die Elbe: völkerrechtliche Wirkungen des Welterbe-Übereinkommens der UNESCO, LKV 2008, 248 (250): Es stellte sich „dann erst bei der Kontroverse um den Bau einer Straßenbrücke über die Elbe in Dresden (der Waldschlösschenbrücke) so recht heraus, dass das WKE-Übereinkommen keineswegs durch Vertragsgesetz des Bundes nach Art. 59 II1 GG in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Vielmehr konnte das Übereinkommen allenfalls in Form einer (bloßen) Verwaltungsvereinbarung gem. Art. 59 II 2 GG geschlossen (…) worden sein“. Unklar Fastenrath/Groh, in: Friauf/ Höfling (Hrsg.), BerlKGG, Art. 59 Rn. 86. Sie sind – ohne Angabe einer Begründung – der Ansicht, dass selbst wenn der Begriff der „Bundesgesetzgebung“ in Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG in der hier vertretenen Weise ausgelegt wird – mit der Folge, dass Verträge über Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder nicht unter Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG fallen – diese Verträge sehr wohl als Verwaltungsabkommen zu bezeichnen sind. An anderer Stelle präzisiert Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (699), diese Aussage und scheint eher der hier vertretenen Auffassung zu sein. Dort heißt es,

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Auffassung ist zurückzuweisen. Sie führt zu einer Umgehung der zwingenden Beteiligungsvorschriften des Grundgesetzes.75 Wie soeben dargestellt, sind entsprechende Verträge auf verfassungswidrige Weise zustande gekommen. Keinesfalls jedoch können sie bei einem Inhalt, der nur im Wege von formellen Gesetzen durchzuführen ist, als Verwaltungsabkommen umgedeutet werden. 7. Ergebnis Beim UNESCO-Welterbeübereinkommen handelt es sich um ein Verwaltungsabkommen, was in verfassungsmäßiger Art und Weise abgeschlossen wurde. 2. Kapitel

Die Einbeziehung in die deutsche Rechtsordnung Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt festgestellt wurde, ist zu dem UNESCO-Welterbeübereinkommen kein nationales Vertragsgesetz i.S.d. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG ergangen. Es soll daher in diesem Abschnitt untersucht werden, ob und wenn ja in welcher Weise das Übereinkommen in die deutsche Rechtsordnung einbezogen wurde bzw. werden muss. Hierzu soll zunächst das generelle Verhältnis zwischen Völkerrecht und innerstaatlichem Recht in der Bundesrepublik dargestellt werden (A.). Sodann soll aufgezeigt werden, wie sich das UNESCO-Übereinkommen in dieses Geflecht integrieren lässt (B.), um sodann zum Abschluss dieses Kapitels klarzustellen, dass eine entsprechende Einbeziehung auch notwendig ist, da Deutschland trotz der im Übereinkommen integrierten Föderalklausel verpflichtet ist, die Bestimmungen des Übereinkommens entsprechend in nationales Recht umzusetzen (C.).

A. Das Verhältnis von Völkerrecht und nationalem Recht nach dem Grundgesetz Die Beziehung zwischen dem Völkerrecht und der nationalen Rechtsordnung der Staaten ist ein klassischer Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion, der bislang keiner eindeutigen Lösung zugeführt werden konnte. Neben den Grundmodellen des dass Verträge des Bundes in Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder Verwaltungsabkommen zu sein scheinen, aber „(r)ichtigerweise (…) haben wir es mit einer nicht im Grundgesetz geregelten Kategorie eines Gesetzgebungsvertrages zu tun“. 75 So auch Proelß, Der Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG, in: Rensen/Brink (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 561 f., unter Verweis auf die Frankenbesoldungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, Beschluss vom 22. 12. 2006, NVwZ-RR2007, 266 (268).

2. Kap.: Einbeziehung in die deutsche Rechtsordnung

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Monismus und Dualismus haben sich verschiedenste Untergruppen herausgebildet, die die staatsrechtliche Wirklichkeit der verschiedenen Staaten mehr oder minder eindeutig bestimmen.76 I. Die gemäßigt dualistische Vorstellung des Verhältnisses von völkerrechtlichen Verträgen und der deutschen Rechtsordnung Die Grundnorm, die das Verhältnis von völkerrechtlichen Verträgen und nationalem Recht für das Staatsrecht der Bundesrepublik bestimmt, ist Art. 59 Abs. 2 GG. In der Staatslehre und Praxis der Bundesrepublik geht die nach wie vor ganz überwiegende Auffassung davon aus, dass diese Norm einem (gemäßigt) dualistischen Verständnis hinsichtlich der Einbeziehung völkerrechtlicher Verträge folgt.77 Dieses Verständnis bestreitet nicht, dass es Schnittmengen zwischen den grundsätzlich verschiedenen Rechtsordnungen des Völkerrechts sowie des nationalen Rechts gibt.78 Es geht vielmehr ebenfalls im Gegensatz zu der radikalen dualistischen Theorie davon aus, dass es zumindest innerhalb einer der beiden Rechtsordnungen Normen gibt, die Konflikte zwischen ihnen vermeiden bzw. lösen zu versuchen.79 Als eine solche kann Art. 59 Abs. 2 GG betrachtet werden. 1. Klassische Modelle der Einbeziehung völkerrechtlicher Verträge in die deutsche Rechtsordnung Zur Beantwortung der Frage, in welcher Form sich das nationale Recht dem Völkerrecht öffnet, wurden von der Rechtswissenschaft verschiedene Erklärungsmodelle entwickelt, die diese Verbindung der beiden Rechtskreise zu beschreiben versuchen. Namentlich sind es die nachstehend erläuterte Adoptions-, die Transformations- sowie die Vollzugstheorie, die die unterschiedlichen Typen einer solchen Einbeziehung darstellen.

76 Siehe hierzu bereits umfänglich Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, S. 128 ff. Aus dem neueren Schrifttum umfänglich zu diesen Fragen Amrhein-Hofmann, Monismus und Dualismus, S. 79 ff. 77 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 15; Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 38 ff. mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte sowie die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts; dazu auch Hobe, Zur Öffnung der innerstaatlichen Rechtsordnung für das Völkerrecht, in: Berger, (Hrsg.), Zivil- und Wirtschaftsrecht im europäischen und globalen Kontext, 425 (436). 78 Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 33. 79 Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 33.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Nach der Adoptionstheorie80 wird durch eine nationale Norm die Geltung des Völkerrechts im nationalen Rechtsraum angeordnet, ohne dass dieses dabei den Charakter als Völkerrecht einbüßt.81 Die Vollzugstheorie belässt einer völkerrechtlichen Norm ebenfalls ihren völkerrechtlichen Charakter. Nach ihr wird durch das nationale Recht lediglich ein Anwendungsbefehl für das Völkerrecht erteilt, um dieses im innerstaatlichen Bereich vollziehen zu können.82 Die Transformationstheorie verlangt, wie ihre Bezeichnung bereits nahe legt, dass eine völkerrechtliche Norm in innerstaatliches Recht umgewandelt, also transformiert wird. Sie wird, wie im Übrigen auch die anderen Lehren, in verschiedenen Ausprägungen vertreten.83 Das Grundgesetz hat für keine der genannten Theorien eindeutig optiert. Im Schrifttum werden sie nach wie vor vertreten, wenngleich vorzugsweise die Transformations- und die Vollzugstheorie, wobei letztere in jüngerer Vergangenheit mehr Anhänger findet.84 Es ist mithin zwar ungeklärt, welche der Theorien ein gültiges Erklärungsmuster für die Durchführung völkerrechtlicher Verträge im deutschen Rechtsraum bieten, allerdings hat die Nivellierung der Konsequenzen der Anwendung der unterschiedlichen Theorien für den Rechtsanwender durch die

80 Diese Theorie wird vorwiegend im älteren Schrifttum auch als Absorptions- oder Inkorporationslehre bezeichnet, Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/2, S. 105 und 107 m.w.N. 81 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/2, S. 105 f.; Amrhein-Hofmann, Monismus und Dualismus, S. 306 ff.; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 89; Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 420 f.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 140 m.w.N., der dort auch auf den Ursprung bei Blackstone hinweist. Die Vorteile dieser Lösung betont Sommermann, Offene Staatlichkeit: Deutschland, in: v. Bogdandy/Cruz Villalon/Huber (Hrsg.), HIEP, § 14 Rn. 52. 82 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/2, S. 106; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 89; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 140; Partsch, Die Anwendung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht, BerDGfV, 6 (1964), S. 19 ff. wird die detaillierte Ausarbeitung dieser durch Anzilotti begründeten Theorie allgemein zugeschrieben. Hierzu wie zu deren Entwicklung vgl. Amrhein-Hofmann, Monismus und Dualismus, S. 302 ff. 83 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/2, S. 105; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 89; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 140; Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, S. 173 ff., vertrat als erster eine strenge Transformationslehre. Dazu sowie zu weiteren Ausprägungen der Transformationstheorie Amrhein-Hofmann, Monismus und Dualismus, S. 300 ff. Zur Begründung der heute zumindest in Deutschland stärker vertretenen gemäßigten Transformationstheorie Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 432 ff. 84 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 89; Sauer, Staatsrecht III, Rn. 11.

2. Kap.: Einbeziehung in die deutsche Rechtsordnung

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gemäßigte Transformationstheorie85 dazu geführt, dass eine Option für eine der Theorien überflüssig erscheint.86 Auch das Bundesverfassungsgericht scheint sich nicht eindeutig für eine der beiden Theorien aussprechen zu wollen.87 Während in frühen Entscheidungen eine leichte Tendenz zur Transformationstheorie88 zu erkennen war, deuteten spätere Urteile auf die Anwendung der Vollzugstheorie89 hin.90 Im Görgülü-Beschluss aus dem Jahre 2004 schließlich hieß es: „Der Bundesgesetzgeber hat den genannten Übereinkommen jeweils mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt (…) Damit hat er sie in das deutsche Recht transformiert und einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl erteilt.“91

Das Gericht versucht darin augenscheinlich, beide Theorien vereinen zu wollen.92 Dieses muss jedoch als missglückt bezeichnet werden, da die beiden Theorien, wie oben beschrieben, Unterschiede hinsichtlich der Geltung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht aufweisen und damit zu praktischen Differenzen wie beispielsweise bei Fragen der Auslegung von Verträgen kommen.93 2. Zwischenergebnis Das klassische Verständnis des Verhältnisses von Völkerrecht und nationalem Recht verlangt demnach, unabhängig davon, ob im Sinne der Vollzugstheorie lediglich ein Anwendungsbefehl oder im Sinne der Transformationstheorie eine Umsetzung des gesamten Vertrages zu fordern ist, jedenfalls einen Durchfüh85 Dazu Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 432 ff. mit Hinweis auf die bei Anwendung der strengen Transformationstheorie bestehenden Schwierigkeiten bzw. Unterschiede hinsichtlich des Inkrafttretens, der Interpretation und der Beendigung der Verträge. Wegen dieser Schwierigkeiten plädiert Sommermann, Offene Staatlichkeit: Deutschland, in: v. Bogdandy/ Cruz Villalon/Huber (Hrsg.), HIEP, § 14 Rn. 52, für die Lösung nach der Adoptionstheorie. 86 Kritisch hinsichtlich der Rechtsklarheit und -sicherheit der gemäßigten Transformationstheorie allerdings Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 435a. 87 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 90; Richter, Völkerrechtsfreundlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 161. 88 BVerfGE 1, 396 (411); 6, 309 (363). So heute noch das Bundesverwaltungsgericht, vgl. BVerwGE 111, 200 (211). Dazu auch Rojahn, Diskussionsbeiträge, in: Geiger (Hrsg.), Völkerrechtlicher Vertrag und staatliches Recht, S. 141. 89 BVerfGE 46, 342 (363); 73, 339 (367); 75, 223 (244); 90, 286 (364). 90 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 90; Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 36. 91 BVerfGE 111, 307 (316 f.). 92 Richter, Völkerrechtsfreundlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 161. 93 Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 36.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

rungsakt, der den Vollzug des völkerrechtlichen Vertrages in der deutschen Rechtsordnung anordnet bzw. dessen Transformation in letztere bewirkt. II. Neuerer Ansatz der Offenen Staatlichkeit Ungeachtet des vorstehend beschriebenen vorherrschenden dualistischen Verständnisses vom Verhältnis zwischen nationalem Recht und Völkerrecht wird insbesondere in jüngerer Vergangenheit auch eine monistische Deutung dieses Verhältnisses vorgenommen. Verwiesen wird dabei auf den Begriff der „offenen Staatlichkeit“, den Vogel in seiner berühmten Antrittsvorlesung prägte.94 Sie reichen damit bereits bis in die sechziger Jahre hinein. Der mit diesem Begriff Vogels95 verbundene Grundgedanke ist seitdem verschiedentlich weiterentwickelt worden und wird in Ausprägung der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes auch noch im Rahmen dieser Arbeit näher beleuchtet werden.96 Während der Gedanke der Völkerrechtsfreundlichkeit – wenn auch in sehr unterschiedlichen Ausprägungen – weit reichende Anerkennung erfahren hat, so gilt dieses zumindest bislang noch nicht für die ebenfalls dem Grundsatz der „offenen Staatlichkeit“ entlehnte monistische Deutung der internationalen Bezüge des Grundgesetzes.97 Fastenrath hat unter Verweis auf die bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen im Fall Görgülü98 sowie diejenigen über die Rechtmäßigkeit der Enteignungen in der damaligen sowjetischen Besatzungszone99 ausgeführt, dass die staatlichen Stellen stets und so lange an völkerrechtliche Verträge gebunden seien, 94 Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, S. 10 ff. 95 Es darf in diesem Zusammenhang selbstverständlich nicht verschwiegen werden, dass Vogel lediglich die Begrifflichkeit prägte. Selbstverständlich wiesen sowohl das Grundgesetz als auch in geringerem Umfange bereits die Weimarer Reichverfassung (bzw. in noch größerer Weise die Staatspraxis der Republik) bereits vor dieser Begriffsprägung eine Öffnung für das Völkerrecht auf. Vgl. Giegerich, Die Zähmung des Leviathan – Deutschlands unvollendeter Weg vom nationalen Machtstaat zum offenen und europäischen Verfassungsstaat, in: ders. (Hrsg.) Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 14. Umfassend dazu Röben, Die Genese des „offenen Verfassungsstaats“ – Rückblick auf 1919 und 1871 –, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 59 ff. (insb. 64 ff.) und Rensmann, Die Genese des „offenen Verfassungsstaats“ 1948/49, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 37 ff. (insb. 44 ff.). 96 Siehe unten unter 2. Teil, 3. Kapitel. 97 Vgl. dazu bereits Bleckmann, Die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1979, 309 (312 f.), der nicht einen entsprechenden Transformationsakt, sondern nur die völkerrechtliche Bindung als Voraussetzung der innerstaatlichen Bindungswirkung nennt. 98 BVerfG 111, 307 (317 ff.). 99 In BVerfGE 112, 1 (26) heißt es: „Erstens sind die deutschen Staatsorgane verpflichtet, die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen.“

2. Kap.: Einbeziehung in die deutsche Rechtsordnung

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wie durch die Erfüllung des völkerrechtlichen Vertrages Rechtspositionen des einzelnen Bürgers nicht betroffen seien.100 Erst der Eingriff in diese Rechte bedürfe aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes von Verfassungs wegen einer gesetzlichen Rechtfertigung.101 So lange derartige Eingriffe allerdings nicht erfolgten, verlange das Grundgesetz zum Vollzug eines Vertrages keine entsprechende Anordnung oder Transformation durch den Gesetzgeber.102

B. Das Welterbeübereinkommen im Geflecht von Völker- und nationalem Recht Vor dem soeben dargelegten Hintergrund einer nach wie vor vorherrschend vertretenen gemäßigt dualistischen Ausprägung des Verhältnisses von Völkerrecht und nationalem Recht soll der Frage nachgegangen werden, ob das Welterbeübereinkommen entsprechend dieser traditionellen Auffassung in die deutsche Rechtsordnung eingeführt wurde. Es steht bereits fest, dass dieses nicht auf dem traditionellen Weg eines Zustimmungsgesetzes geschehen ist. Nichtsdestotrotz ist zu beachten, dass es sich bei dem Welterbeübereinkommen um ein Verwaltungsabkommen handelt, für dessen Einbeziehung in die nationale Rechtsordnung grundsätzlich andere Handlungsformen und Maßstäbe zu wählen sind. I. Einbeziehung des Welterbeübereinkommens als Verwaltungsabkommen 1. Grundsätzliche Einbeziehung von Verwaltungsabkommen in den deutschen Rechtsraum Auch wenn feststeht, dass Verwaltungsabkommen nicht durch ein formelles Zustimmungsgesetz transformiert werden bzw. ein entsprechender Anwendungsbefehl erteilt wird, so besteht mehrheitlich nach wie vor die Auffassung, dass Verwaltungsabkommen ungeachtet der fehlenden Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zu ihrer Umsetzung durch einen bestimmten Rechtsakt in das nationale

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Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1023). Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1023). 102 Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1023). Ohne die dualistische Grundhaltung des Grundgesetzes zu erwähnen oder gar in Frage zu stellen, aber im Ergebnis doch in die Richtung der weiteren Öffnung des Grundgesetzes für das Völkerrecht Giegerich, Die Zähmung des Leviathan, in: ders., Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 29: „Die nationale Selbstbestimmung und Verfassungsautonomie endet deshalb aus Sicht des Grundgesetzes an den bindenden Normen des internationalen (…) Rechts“. 101

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Recht einzuführen sind.103 Auch hinsichtlich der Zuständigkeit und der Form der Einführung herrschte bislang weitest gehende Einigkeit. a) Zuständigkeit Wie bereits oben festgestellt, berechtigt Art. 32 Abs. 1 GG den Bund zwar zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen im Bereich der Länderkompetenzen, nicht aber zugleich zu deren Durchführung.104 Die Durchführung richtet sich mithin nach der entsprechenden Zuständigkeitsverteilung durch das Grundgesetz. Bei Verwaltungsabkommen ist demnach für die Durchführung derjenige Verband zuständig, der für die jeweilige Materie die Verwaltung regelt.105 b) Form Die Form der Durchführung von Verwaltungsabkommen ergibt sich im Grundsatz bei Bundeszuständigkeit aus dem Grundgesetz und bei Länderzuständigkeit aus der jeweiligen Landesverfassung. Da es sich um die Durchführung von Verwaltungsangelegenheiten handelt, erfolgt die Durchführung regelmäßig durch Rechtsverordnung, Verwaltungsvorschriften oder innerdienstliche Weisungen.106 Die Form der Ausführung und damit die Auswahl des transformierenden bzw. vollziehenden Rechtsaktes richtet sich in der Praxis regelmäßig nach der Frage, wie der jeweilige Vertragsinhalt im entsprechenden nationalen Recht implementiert werden muss, da der transformierende bzw. vollziehende Rechtsakt anschließend den innerstaatlichen

103 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 90; Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 86; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 160 f.; Niedobietek, Das Recht der grenzüberschreitenden Verträge, S. 154 ff.; Jasper, Die Behandlung von Verwaltungsabkommen im innerstaatlichen Recht, S. 165.; a.A. Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1023 f.). 104 Siehe oben unter 2. Teil, 1. Kapitel, B., I., 2. 105 vgl. Fastenrath/Groh, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlGG, Art. 59 Rn. 90. 106 Streinz, in: Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 81; Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 86; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 177; Kadelbach/Guntermann, Vertragsgewalt und Parlamentsvorbehalt, AöR 126 (2001), 563 (577); Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 51, der zwar die Zuständigkeit der Länder zur Durchführung von Abkommen, deren Inhalt Sache der Verwaltung oder der Gesetzgebung der Länder ist, nicht ausdrücklich erwähnt, aber Art. 84 II, 85 II GG zitiert und außerdem schon die Durchführungszuständigkeit bei völkerrechtlichen Verträgen in Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder als Ländersache ansah, Art. 59 Rn. 34. Ebenso jedoch auf die besondere Problematik bei der Umsetzung durch Ausnutzung vorheriger gesetzlicher Ermächtigungen im Wege von Rechtsverordnungen beschränkt Trevenarius, Inkraftsetzen völkerrechtlicher Vereinbarungen durch Rechtsverordnungen, NJW 1983, 1948 (1950); a.A. Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1024), der innerdienstlichen Weisungen die Fähigkeit zur Transformation abspricht.

2. Kap.: Einbeziehung in die deutsche Rechtsordnung

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Rang des Vertrages bestimmt.107 Eine bestimmte Form ist jedoch mangels verfassungsrechtlicher Regelung auf Ebene des Bundes und der Länder nicht vorgeschrieben.108 Daher ist es auf der einen Seite nicht ausgeschlossen, eine entsprechende Ausführung auch durch ein formelles Gesetz zu besorgen, um die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung sicher zu stellen. Andererseits ist jeder Rechtsakt als Mittel der Transformation (bzw. der Setzung des Rechtsanwendungsbefehls) denkbar, der nach Sinn und Zweck diese beabsichtigte Wirkung in verfassungsmäßiger Weise herzustellen vermag. 2. Einbeziehung des Übereinkommens durch nachträgliche Umsetzungsgesetze Die Geltung des Übereinkommens im nationalen Rechtsraum könnte in Ermangelung eines Zustimmungsgesetzes beim Vertragsschluss nach dem zuvor Gesagten durch nachträgliche Umsetzungsgesetze erfolgt sein. Ein Umsetzungsgesetz soll im Rahmen dieser Arbeit als ein Gesetz verstanden werden, welches die Verpflichtungen eines völkerrechtlichen Vertrages im nationalen Recht rezipiert und zusätzlich spezifische Verpflichtungen in das nationale Recht integriert. Es ist daher kein Gesetz wie das Zustimmungsgesetz, dass lediglich den Vertrag in seinem eigentlichen Wortlaut selbst transformiert bzw. einen entsprechenden Anwendungsbefehl für den Vertrag gibt. Eine gesetzliche Umsetzung eines Teils des Übereinkommens hat es bis zum Rechtsstreit um den Bau der Waldschlösschenbrücke im „Dresdner Elbtal“ lediglich in einem Bundesland gegeben. Das Land Sachsen-Anhalt hat aufgrund eines Rechtsstreits, auf den im Folgenden noch einzugehen sein wird,109 durch Änderungsgesetz vom 16. Juli 2003 folgende Ergänzung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 seines Landesdenkmalschutzgesetzes vorgenommen: „(…) Denkmalbereiche können historische Kulturlandschaften, die in der Liste des Erbes der Welt der UNESCO gemäß Artikel 11 Abs. 2 Satz 1 des Übereinkommens vom 23. November 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Bekanntmachung vom 2. Februar 1977, BGBl. II S. 213) aufgeführt sind, (…) sein (…).“

Dieses war bis zum Jahre 2008 die einzige gesetzliche Rezeption des Welterbeübereinkommens. Seit dem Streit im die frühere Welterbestätte „Dresdner Elbtal“ ist allerdings das Bewusstsein für den Welterbeschutz gestiegen, und so haben weitere Bundesländer mehr oder weniger weitreichende Umsetzungsgesetze erlassen.110 Auch der Bund hat mit der Aufnahme einer Klausel in das Bundesnatur107

Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 461; Streinz, in: Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 81; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 21. 108 Ebenso Schirmer, Die klassischen Kulturabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit auswärtigen Staaten, S. 197. 109 Siehe unten unter 3. Teil, 1. Kapitel, A. 110 Siehe dazu unten unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., II.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

schutzgesetz die Verpflichtungen der Konvention nunmehr ausdrücklich für seine Zuständigkeiten in Gesetzesform anerkannt.111 Allerdings lassen diese neuerlichen partiellen Inbezugnahmen des Übereinkommens keinen Aufschluss darüber zu, ob bereits zuvor eine Einbeziehung des Vertrages in die deutsche Rechtsordnung erfolgt ist und wie die Einbeziehung in denjenigen Ländern erfolgt, die (noch) keine Änderung ihrer Landesdenkmalschutzoder anderer von der Vertragsmaterie betroffenen Gesetze vorgenommen haben. 3. Einbeziehung des Übereinkommens durch Rechtsakte unterhalb Gesetzesranges Eine Transformation bzw. Anordnung des Vollzuges des Übereinkommens könnte allerdings wegen des Charakters als Verwaltungsabkommen eben nicht nur durch Gesetz, sondern durch die oben erwähnten, weiteren Akte der Einbeziehung in Form von Verwaltungshandeln erfolgt sein. Die klassischen Handlungsformen, wie die Rechtsverordnung oder aber auch die Verwaltungsvorschrift, sind hierfür nicht gewählt worden. Zu erwägen ist allerdings, ob die Aufnahme des Vertrages im deutschen Recht nicht durch andere Rechtsakte erfolgt ist. In Betracht zu ziehen sind der damalige Beschluss der Ständigen Vertragskommission der Länder, den Vollzug des Übereinkommens zuzusichern und mit ihrer Zustimmung die Ratifikation zu ermöglichen,112 zum anderen aber auch der Kabinettsbeschluss der Bundesregierung, der auf den Beschluss der Vertragskommission hin dann die Grundlage für die Ratifikation des Übereinkommens durch den Bundespräsidenten bildete. a) Zustimmung der Ständigen Vertragskommission der Länder Die im Wege der Lindauer Vereinbarung gebildete Ständige Vertragskommission der Länder ist als Beratungsgremium der Landesregierungen für Fragen des Abschlusses von Kulturabkommen etabliert worden.113 Am Ende des internen Beratungsprozesses steht die Verweigerung oder die Erteilung einer Zustimmung im Wege einer verbindlichen Stellungnahme.114 Diese Stellungnahme ist, wie bereits erwähnt, auch im Fall des UNESCO-Welterbeübereinkommens zugunsten des 111

Siehe insbesondere zur rechtlichen Bedeutung der entsprechenden Klauseln unten unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., I., 2. und II., 1. 112 Von der Möglichkeit, auch in der jeweiligen Nominierung einer Stätte bei der UNESCO durch den entsprechenden Antrag des Bundes auf Beschluss der Kultusministerkonferenz hin eine Transformation bzw. einen Rechtsanwendungsbefehl zu erkennen, soll Abstand genommen werden, da ein solcher Akt – wie noch zu sehen sein wird – nur eine bereits bestehende Einbeziehung bestätigen könnte. 113 Busch, Die Lindauer Vereinbarung und die Ständige Vertragskommission der Länder, S. 94 ff. 114 Busch, Die Lindauer Vereinbarung und die Ständige Vertragskommission der Länder, S. 94 ff.

2. Kap.: Einbeziehung in die deutsche Rechtsordnung

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Vertragsschlusses durch den Bund ausgefallen.115 In dieser zustimmenden Stellungnahme durch die Länder könnte die Transformation bzw. der Anwendungsbefehl erblickt werden.116 b) Kabinettsbeschluss der Bundesregierung Ebenso könnte die Transformation bzw. der Anwendungsbefehl in der Form des Kabinettsbeschlusses der Bundesregierung zur Unterzeichnung des Übereinkommens durch den Bundespräsidenten zu sehen sein.117 Dieser wurde am 08. 07. 1976 gefasst.118 Mit diesem Beschluss verfolgte die Bundesregierung zwar primär das Ziel, den Bundespräsidenten zur Ratifikation des Übereinkommens zu ermächtigen, um die Bundesrepublik vom Unterzeichnerstaat zur Vertragspartei des zu jenem Zeitpunkt bereits in Kraft getretenen Vertrages zu machen.119 Nichtsdestotrotz ist ähnlich dem Zustimmungsgesetz bei Verträgen, die nicht bloße Verwaltungsabkommen sind, auch in jenem Bereich ein Transformationsakt bzw. Rechtsanwendungsbefehl mit Doppelwirkung zumindest zunächst einmal vorstellbar. c) Würdigung Richtigerweise wird man diese beiden vorgenannten, bereits in der Literatur vertretenen Ansätze miteinander verbinden müssen und die Transformation bzw. den Rechtsanwendungsbefehl in beiden Akten gemeinsam erkennen.120 Diese Wirkung müssen sowohl der Bund als auch die Länder für ihre jeweiligen Rechtsbereiche erzielen. Das Abstellen allein auf den Kabinettsbeschluss der Bundesregierung dürfte für die zu erzielende Wirkung nicht ausreichen. Denn auch die Länder trifft diesbezüglich eine entsprechende Verpflichtung. Für den Bereich der völkerrechtlichen Verträge im engeren Sinne dürfte allgemein anerkannt sein, dass die Zustimmung der Länder im Rahmen der Ständigen Vertragskommission keine Übertragung der Durchführungskompetenz der Länder bedeutet.121 Für den Bereich der 115

Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, DÖV 2008, 54 (57); ders., Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 143. 116 Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 143; Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 457a. 117 So bereits v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Weltkulturerbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (529 f.). 118 Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens, S. 5. 119 So Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers, MPUNYB 10 (2006), 273 (327). 120 A.A. Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1024 ff.), der eine Transformation bzw. einen Rechtsanwendungsbefehl im konkreten Fall der Welterbekonvention ablehnt; ebenso implizit ablehnend Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (489). 121 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 138 f.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Verwaltungsabkommen kann insoweit nichts anderes gelten. Ebenso verhält es sich für den Bereich der Einbeziehung in die Rechtsordnung. Abgesehen von der Frage der Verbandkompetenz sind jedoch auch die beiden jeweiligen Beschlüsse in Bezug auf ihre Qualität als Rechtsakt geeignet, die jeweilige Einbeziehung herzustellen. Denn das im Vergleich mit einem formellen Zustimmungsgesetz zur innerstaatlichen Einbeziehung von völkerrechtlichen Verträgen im engeren Sinne sehr informelle Mittel des Kabinettsbeschlusses bzw. des Beschlusses der Ständigen Vertragskonferenz der Länder fügt sich nahtlos in die Reihe der bislang bereits anerkannten Mittel der Einbeziehung von Verwaltungsabkommen ein. Einen solchen weitgehend anerkannten Fall der Transformation (bzw. der Setzung eines Anwendungsbefehls) eines Verwaltungsabkommens stellt beispielsweise, wie bereits ausgeführt,122 eine Verwaltungsvorschrift dar.123 Unter einer Verwaltungsvorschrift werden sämtliche abstrakt-generellen Anweisungen der Verwaltung gegenüber nachgeordneten Behörden verstanden, die nicht in eine der Kategorien Gesetz, Verordnung oder Satzung eingeordnet werden können.124 Wesensmerkmal ist darüber hinaus die Qualifikation als Binnenrecht der Verwaltung sowie zumindest bei ermessenslenkenden Vorschriften, die Zielrichtung der Vereinheitlichung des Verwaltungshandelns.125 Rechtsgrundlage der Verwaltungsvorschriften ist die Organisations- und Weisungsbefugnis ihres Urhebers mit der Folge der Bindung der nachgeordneten Behörde(n).126 Als Mittel der Einbeziehung stünde somit sowohl den im Kabinett vereinigten Bundesministern, als auch den Landesministern und -regierungen, aufgrund deren Einschätzung die entsprechenden Beschlüsse gefasst wurden, der Erlass einer besagten Verwaltungsvorschrift zur Verfügung. Sie sind die Spitzen der jeweiligen Bundes- und Landesbehörden und genießen das Weisungsrecht, das ihnen die entsprechende Kompetenz zum Erlass der Verwaltungsvorschriften verleiht. Sie sind auch sämtlich Leiter (bzw. Leiterinnen) der Obersten Bundes- bzw. Landesbehörden, was bedeutet, dass ihre Verwaltungsvorschriften alle übrigen (untergeordneten) Behörden binden. Auch Verwaltungsvorschriften sind, wie die hier vorliegenden Beschlüsse, bloßes Binnenrecht und bedürfen darüber hinaus keiner besonderen Form der Publikation. Sie müssen den entsprechenden Behörden nur zur Kenntnis gebracht werden. Die Beschlüsse des Kabinetts sowie der Ständigen Vertragskommission werden den 122

Siehe oben unter 2. Teil, 2. Kapitel, B., I., 1., b). Siehe zur weitgehend anerkannten Transformation bzw. Setzung eines Anwendungsbefehls bei unverbindlichen internationalen Vorschriften Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, S. 624 ff. 124 Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 32 f.; ähnlich Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 1. 125 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 10 und 16. 126 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 18. 123

2. Kap.: Einbeziehung in die deutsche Rechtsordnung

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entsprechenden Behörden möglicherweise zwar nicht selbst bekannt gegeben,127 allerdings wird das von ihnen bezweckte Ziel, die Bindung der Verwaltung an das UNESCO-Übereinkommen durch Publikation des Vertrages im Bundesgesetzblatt zur Kenntnis gebracht.128 Zur Klarstellung soll an dieser Stelle betont werden, dass die beiden Beschlüsse keine Verwaltungsvorschriften darstellen.129 Das ergibt sich aus der Tatsache, dass die hier in Erwägung zu ziehende Kategorie der lenkenden Verwaltungsvorschriften regelmäßig norminterpretierend, normkonkretisierend bzw. vereinfachend oder ermessenslenkend sind und dabei stets zu einem konkreten bestehenden Gesetz ergehen.130 In diesem Fall jedoch sind durch das Übereinkommen mehrere Gesetze betroffen, in denen Belange des Kultur- und Naturerbeschutzes berücksichtigt werden sollen, so dass allein mehrere Verwaltungsvorschriften hätten ergehen müssen. Auch wurden die Beschlüsse anders als Verwaltungsvorschriften nicht selbst veröffentlicht. Der hier angestellte Vergleich sollte lediglich verdeutlichen, dass anstelle der Beschlüsse auch Verwaltungsvorschriften hätten ergehen können, deren transformierende (bzw. den Rechtsanwendungsbefehl erzeugende) Wirkung anerkannt ist.131 Die hier vorliegenden Beschlüsse sind im Wesen den genannten Verwaltungsvorschriften zwar nicht gleich, aber immerhin sehr ähnlich, so dass auch ihnen eine 127 Schirmer, Die klassischen Kulturabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit auswärtigen Staaten, S. 197, beschreibt jedoch die Mitteilung der Ständigen Vertragskommission an die Landesregierungen sowie deren Kulturverwaltungen als den üblichen Weg der Publikation von Verwaltungsabkommen im Bereich der Kultur. 128 Vgl. Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1024), der die Veröffentlichung des Übereinkommens im Bundesgesetzblatt allerdings ausreichen lässt und keinen transformierenden bzw. den Rechtsanwendungsbefehl erzeugenden Rechtsakt fordert. Da nicht der jeweilige Beschluss selbst, sondern nur das Verpflichtungsziel in Form des völkerrechtlichen Vertrages veröffentlicht wird, bedarf es auch keiner Publikation der Zustimmung der Ländervertreter in den jeweiligen Gesetz- und Verordnungsblättern der Länder. Das Bundesverwaltungsgericht geht sogar noch einen Schritt weiter, indem es nicht entsprechend veröffentlichte Regierungsabkommen, die nach hiesiger Auffassung nicht transformiert bzw. mit einem Anwendungsbefehl versehen wurden, als „allgemeinkundige Tatsachen“ im Sinne von § 291 ZPO ansieht und entsprechende Erläuterungen zur innerstaatlichen Geltung damit ausblendet. Siehe dazu Rojahn, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge in der Entscheidungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts, in: Geiger (Hrsg.), Völkerrechtlicher Vertrag und staatliches Recht, S. 125; Schirmer, Die klassischen Kulturabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit auswärtigen Staaten, S. 197, hingegen hält die Publikation im Bundesgesetzblatt für überflüssig und rein „deklaratorisch“, da er die Kenntniserlangung auf dem innerbehördlichen Weg der Verbreitung eines Kulturverwaltungsabkommens für maßgeblich erachtet. 129 Vgl. Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 193. 130 Ossenbühl, Rechtsquellen und Rechtsbindungen in der Verwaltung, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 34 ff. Schon gegen diese begriffliche Differenzierung v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 458. 131 Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, S. 624 ff. m.w.N. Bezüglich dieser Möglichkeit noch unentschlossen, Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 24 Rn. 35.

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entsprechende Wirkung beizumessen ist. Für den Bereich der Verwaltungsabkommen gibt es anders als für den Bereich der völkerrechtlichen Verträge im engeren Sinne (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) keinen vom Grundgesetz (oder den Landesverfassungen) festgelegten Kanon an Rechtsakten, die die Einbeziehung in den innerstaatlichen Rechtsraum erwirken können.132 Daher kann und muss auch in den hier vorliegenden Akten eine entsprechende Rechtsfolge der Transformation bzw. Setzung eines Rechtsanwendungsbefehls erkannt werden, zumal sie den Sinn und Zweck einer derartigen Rechtsfolge, einen völkerrechtlichen Vertrag im nationalen Recht als verbindlich anzuerkennen, noch deutlicher zum Ausdruck bringen als eine bloße Verwaltungsvorschrift. Demgemäß gilt der Wunsch der leitenden Bundes- und Landesexekutive, das Übereinkommen im nationalen Recht durchzuführen, eben auch anders als bei einer bloßen Verwaltungsvorschrift für alle staatlichen Organe.133 Zwar zielen die beiden hier zu untersuchenden Arten von Beschlüssen primär auf die Erteilung der Erlaubnis zur Ratifikation des Übereinkommens an den Bundespräsidenten hin, allerdings ist auch die Doppelnatur der Zustimmungsgesetze als Ermächtigung zur Ratifikation sowie als gleichzeitiger Transformationsakt bzw. Rechtsanwendungsbefehl anerkannt. Daher ist es nahe liegend, auch den beiden hier zugrunde liegenden Ermächtigungen an den Bundespräsidenten eine Doppelnatur zuzubilligen. Sie sollen vergleichbar mit den Zustimmungsgesetzen zugleich die Einbeziehung in die Rechtsordnung und den späteren Vollzug sichern. Nach den allgemeinen Grundsätzen teilt der völkerrechtliche Vertrag im nationalen Recht den Rang seines transformierenden bzw. den Rechtsanwendungsbefehl setzenden Rechtsaktes.134 Dementsprechend stand das Welterbeübereinkommen vor seiner ausdrücklichen Aufnahme in einzelne Landesdenkmalschutzgesetze bzw. das Bundesnaturschutzgesetz auf einem Rang mit dem Kabinettsbeschluss und dem Beschluss der Ständigen Vertragskonferenz und damit eindeutig unterhalb der Ge132 Im Fall der völkerrechtlichen Verträge gibt es mit dem formellen Zustimmungsgesetz gem. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG genau einen Rechtsakt zur Einbeziehung. So wie hier Schirmer, Die klassischen Kulturabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit auswärtigen Staaten, S. 197. 133 Für die Wirkungen des Kabinettsbeschlusses teilen zumindest das hiesige Ergebnis v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Weltkulturerbekonvention im deutschen Rechtsraum, 527 (529 f.); Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers, MPUNYB 10 (2006), 273 (327); a.A. im Ergebnis Fastenrath/Groh, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKGG, Art. 59 Rn. 101, die zwar eine Beachtungsverpflichtung qua Veröffentlichung des ratifizierten Abkommens die Exekutive anerkennen, jedoch den Kabinettsbeschluss nicht als Durchführungsakt anerkennen und daher offenbar auch das Übereinkommen nicht als Teil der nationalen Rechtsordnung ansehen. Dieses nochmals ausdrücklich bestätigend Fastenrath, Souveräne Grundgesetzinterpretation – zum Staatsbild des Bundesverfassungsgerichts, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, 295 (318): „(…) eine Transformation in nationales Recht weit und breit nicht erkennbar ist (…)“. Ebenso ablehnend Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (489). 134 Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 93 und 97.

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setze.135 Doch diese Erkenntnis vermag es nicht, den vorgenannten Akten ihre einbeziehende Wirkung abzusprechen. Es ist vielmehr Aufgabe des Rechtssystems, diese unbefriedigende Feststellung zu korrigieren und dem Übereinkommen bestmöglichen Vollzug zu zusichern. Dieses ist Ziel und Aufgabe der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, die im nachstehenden Kapitel beleuchtet werden soll.

C. Einbeziehung trotz Föderalklausel gemäß Art. 34 WKÜ Die Pflicht zur Umsetzung und Durchführung des Übereinkommens im nationalen Recht ist teilweise auch unter Verweis auf die Föderalklausel des Vertrages bestritten worden.136 Dieses erscheint vom Grundsatz her auch möglich, da durch die erfolgte Ratifikation zwar eine Bindung Deutschlands im Außenverhältnis erreicht wird. Die Reichweite dieser Bindung bestimmt jedoch der Inhalt jedes völkerrechtlichen Vertrages selbst. Ein im Völkerrecht gebräuchliches Instrument, föderal organisierte Vertragsstaaten zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge zu bewegen, sind so genannte Föderal- oder Bundesstaatsklauseln. I. Allgemeine Einordnung von Bundesstaatsklauseln Inhalt dieser Klauseln ist es, die (vollständige) Anwendung des Vertrages durch die jeweilige Vertragspartei, insbesondere mit seinen Verpflichtungen im Außenverhältnis, von der Bedingung einer späteren innerstaatlichen Durchführbarkeit des Vertrages abhängig zu machen. Diese Regelung zielt auf föderal gegliederten Staaten ab, bei denen der Gesamtstaat zwar häufig die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge besitzt, diese jedoch innerstaatlich nicht durchführen kann.137 Hierfür besitzen teilweise die Gliedstaaten die alleinige Kompetenz. Ein Vertrags135

Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 193. Schöbener, Gutachterliche Stellungnahme, S. 10; Peine, Rechtsgutachten zur Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Stadtrats der Landeshauptstadt Dresden vom 20. Juli 2006, S. 14; Streinz, Handbuch des Museumsrechts 4: Internationaler Schutz von Museumsgut, S. 80. Müller, Direkte Demokratie und Völkerrecht, JZ 2007, 252 (254), hält die Föderalklausel zwar für einschlägig und geht auch von einer fehlenden Annahme im Sinne des Art. 34 lit. b) WKÜ aus, befürwortet jedoch trotzdem eine „mittelbare Wirkung“ des Übereinkommens; wie letzterer Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (531), der sein Ergebnis ebenfalls ausdrücklich mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit begründet. Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (699 und 704), ist der Auffassung, dass sich entsprechende Pflichten zwar aufgrund der Föderalklausel verneinen ließen, jedoch eine Verpflichtung der Länder durch die Meldung der jeweiligen Stätten begründet wurde. 137 Wolfrum, Federal States, in: ders. (Hrsg.), EPIL, Rn. 30; Looper, Federal State Clauses in Multilateral Instruments, BYIL 32 (1955/56), 162 (162 f.). 136

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

schluss durch den Gesamtstaat könnte somit zur Folge haben, dass dieser im Anschluss im nationalen Recht nicht umgesetzt bzw. durchgeführt wird und der Staat sich entsprechend völkerrechtlich verantwortlich macht.138 Um den entsprechend gegliederten Staaten trotzdem eine risikolose Beteiligung am völkerrechtlichen Vertragswesen zu ermöglichen, werden die genannten Föderalklauseln integriert. Diese machen die vollständige Anwendbarkeit des Vertrages für und gegen die jeweilige Vertragspartei, auf die diese Klausel zutrifft, regelmäßig von der Annahme und Durchführung des Vertrages durch die jeweiligen Gliedstaaten abhängig.139 Die Föderalklausel des Vertrages ist in Art. 34 WKÜ formuliert. Im Folgenden soll nun dargelegt werden, warum diese Klausel nicht auf die Bundesrepublik anwendbar ist und damit richtigerweise die Pflicht zur Einbeziehung des Übereinkommens in das deutsche Recht nicht unter Verweis auf die Klausel versagt werden kann. II. Die Bundesstaatsklausel des Welterbeübereinkommens Art. 34 WKÜ lautet: „Folgende Bestimmungen gelten für die Vertragsstaaten, die ein bundesstaatliches oder nicht einheitsstaatliches Verfassungssystem haben: a) Hinsichtlich derjenigen Bestimmungen dieses Übereinkommens, deren Durchführung in die Zuständigkeit des Bundes- oder Zentral-Gesetzgebungsorgans fällt, sind die Verpflichtungen der Bundes- oder Zentralregierung dieselben wie für diejenigen Vertragsstaaten, die nicht Bundesstaaten sind; b) hinsichtlich derjenigen Bestimmungen dieses Übereinkommens, deren Durchführung in die Zuständigkeit eines einzelnen Gliedstaats, eines Landes, einer Provinz oder eines Kantons fällt, die nicht durch das Verfassungssystem des Bundes verpflichtet sind, gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen, unterrichtet die Bundesregierung die zuständigen Stellen dieser Staaten, Länder, Provinzen oder Kantone von den genannten Bestimmungen und empfiehlt ihnen ihre Annahme.“

138

Vgl. die Regelung in Art. 46 Abs. 1 WVRK, wonach sich ein Staat grundsätzlich nicht auf innerstaatliches Recht berufen darf, wenn er die Bindung eines Vertrages bestreiten möchte. Dazu müsste die Verletzung des innerstaatlichen Rechts beim Vertragsschluss offenkundig sein, was bei schwierigen innerföderalen Beziehungen regelmäßig nicht der Fall sein dürfte. Zur Vermeidung dieser völkerrechtlichen Verantwortlichkeit hat der High Court des ebenfalls föderal strukturierten Australiens entschieden, dass Australien sich nicht auf derartige Föderalklauseln berufen dürfe und den Gesamtstaat daher im konkreten Fall des Welterbeübereinkommens eine Umsetzungsverpflichtung treffe, Burmester, Federal Clauses: An Australian Perspective, ICLQ 34 (1985), 522 (528 ff.). Auch die USA haben intern festgelegt, sich nicht auf die Bundesstaatsklausel berufen zu wollen, so Boer, Art. 34, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 357 m.w.N. 139 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/3, S. 608. Zellweger, Völkerrecht und Bundesstaat, S. 150 ff. und 168, spricht daher von sog. Vorbehaltsklauseln für den Typ der hier im Welterbeübereinkommen vorliegenden Klausel.

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III. Auslegung der Bundesstaatsklausel des Art. 34 WKÜ Die Föderalklausel unterscheidet bei der Zuweisung der Bindungswirkung des Übereinkommens nach außen sowohl in lit. a) als auch in lit. b) zunächst danach, ob die „Durchführung“ einer Bestimmung des Übereinkommens innerstaatlich im jeweiligen Vertragsstaat in die Zuständigkeit des Bundes- oder des Landesgesetzgebers fällt.140 Der Begriff der „Durchführung“ scheint sich dabei allgemein auf die Ergreifung jedweder (Umsetzungs-)Maßnahmen wie beispielsweise gesetzlicher Schutzvorschriften zu beziehen und nicht ausschließlich auf die tatsächliche Durchführung, also den Verwaltungsvollzug, der jeweiligen Bestimmung. Beim Bezugsobjekt der Durchführung spricht der Wortlaut von „Gesetzgebungsorgan“ und in den authentischen Sprachfassungen von „legislative power“ bzw. „l’action législative“. Letztlich überlässt ein völkerrechtlicher Vertrag jedoch seinen Vertragsparteien die Wahl der Mittel seiner Durchführung.141 Sollten nach dem nationalen Recht also Verwaltungen auf der Grundlage von nicht formellen Gesetzen die Durchführung des Übereinkommens besorgen, so fiele diese Entscheidung in den internen Bereich des jeweiligen souveränen Staates. Eine Anordnung, dass dieses per Gesetz zu geschehen habe, kann es nicht geben, zumal das Völkerrecht hinsichtlich der innerstaatlichen Abgrenzung zwischen Legislativ- und Administrativakten indifferent ist. Die Rechtssysteme der einzelnen Staaten sind viel zu unterschiedlich bei der Bestimmung, welche Regelungen jeweils durch formelle Gesetze ergehen müssen. Mithin ist entgegen dem Wortlaut davon auszugehen, dass sie der Begriff der Durchführung im Sinne dieser Vorschrift auf jedwede staatliche Maßnahme zur Umsetzung des Übereinkommens bezieht. Gleiches gilt für die Regelung in Art. 34 lit. b), wo der Text von „gesetzgeberische [n] Maßnahmen“, „legislative measures“ bzw. „mesures législatives“ in Bezug auf die Länder spricht. Dass das Übereinkommen hiermit nicht nur den Bereich der Gesetzgebung der Länder meinen kann, macht auch ein beispielhafter Blick in das deutsche Verfassungsrecht deutlich. Denn schließlich sind nicht nur die Gesetzgebungs-, sondern auch die Verwaltungskompetenzen der Länder dem Bund ver-

140 A.A. Kilian, Die Brücke über die Elbe: völkerrechtliche Wirkungen des Welterbeübereinkommens der UNESCO, LKV 2008, 248 (251), der selbst als Folge der Anwendbarkeit von Art. 34 lit. b) WKÜ eine unmittelbare Verpflichtung des Bundes sieht. Dieser könne „nur darauf drängen (…), dass dem Übereinkommen durch Länder und Gemeinden genüge getan wird“. Dieses kann jedoch meines Erachtens keine Folge des Art. 34 WKÜ sein, sondern bestimmt sich allein nach dem deutschen Verfassungsrecht. Vielmehr wird die Föderalklausel durch diese Auslegung ihres Sinn und Zwecks beraubt. Dass der Bund, seine Gliedstaaten nicht verpflichten kann, ist ja gerade Prämisse des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts (und nicht etwa Folge der völkerrechtlichen Regelung), weshalb diese und andere Bundesstaatsklauseln aufgenommen werden, um gerade eine entsprechende völkerrechtliche Bindung des Bundes in derartigen Fällen zu vermeiden. 141 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/1, S. 101.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

schlossen.142 Würde das Übereinkommen in der Bundesrepublik innerstaatlich die Verwaltungskompetenz der Länder betreffen, so könnte der Vertrag vom Bund ebenso wenig durchgeführt werden wie bei der Tangierung der Gesetzgebungskompetenz. Da sich ein universeller völkerrechtlicher Vertrag, wie bereits gesagt, regelmäßig nicht für das nationale Recht interessiert, ist daher auch bei dieser Wortwahl davon auszugehen, dass unter der Formulierung jedwede Maßnahme gemeint ist, zu der der Bund die Länder nicht verpflichten kann.143 Zumindest im Bereich der Kultur, insbesondere des Denkmalschutzes, liegt die Gesetzgebungs- sowie die Verwaltungskompetenz bei den Ländern (Art. 70 ff. und 83 ff. i.V.m. 30 GG). Diese haben somit auf jeden Fall in diesem Sachbereich für die Umsetzung des Vertrages Sorge zu tragen und führen damit die vertraglichen Bestimmungen in diesem Bereich im Sinne der Vorschrift durch. Zum anderen differenzieren die beiden Varianten des Art. 34 WKÜ jedoch nicht nur nach der jeweiligen Zuständigkeit der Bundes oder Landes für die Durchführung der Bestimmungen, sondern enthält Art. 34 lit. b) WKÜ noch den Zusatz, dass im Falle der Zuständigkeit eines Gliedstaats dieser „nicht durch das Verfassungssystem des Bundes verpflichtet“ ist, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Entsprechend ist bei der Frage, welcher Sonderbestimmung für Bundesstaaten des Art. 34 WKÜ die Bundesrepublik unterliegt, die Bedeutung dieser zusätzlichen Voraussetzung in Art. 34 lit. b) WKÜ zu untersuchen. IV. Keine Erfassung der Bundesrepublik durch die Föderalklausel des Art. 34 WKÜ Zunächst könnte nämlich bei der Betrachtung des Wortlautes aufgrund des Zusatzes „nicht durch das Verfassungssystem des Bundes verpflichtet sein“ die Antwort lauten, dass die Bundesrepublik überhaupt nicht der Föderalklausel unterfällt, weil weder lit. a) noch lit. b) den Fall des Verfassungssystems der Bundesrepublik überhaupt erfassen. Aufgrund der bereits getätigten Feststellung, dass die Durchführung zumindest der den Denkmalschutz betreffenden Vorschriften den Ländern obliegt, schiede lit. a) insoweit als Anwendungsfall für die Bundesrepublik aus. Allerdings könnte gleichermaßen auch lit. b) eine Situation beschreiben, die die Verfassungslage der Bundesrepublik nicht widerspiegelt. Das wäre dann der Fall, 142

Vgl. Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 609; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 486. A. A. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 200, der Art. 34 lit. b) WKÜ so auslegt, dass die Bundesregierung die Landesparlamente zu informieren habe, die wiederum über die Annahme zu entscheiden hätten. Da auf die (Landes-)Exekutive in der Vorschrift nicht Bezug genommen werde, müsse diese das Übereinkommen sowieso vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an anwenden. Siehe auch ders., Besprechung von Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, AVR 47 (2009), 138 (141), der das Fehlen dieser Feststellung kritisiert bei: Boer, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, Art. 34. 143

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wenn die Länder aufgrund des deutschen Verfassungssystems verpflichtet wären, für die Durchführung des Übereinkommens zu sorgen. 1. Verpflichtung zur Durchführung aufgrund des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Eine Verpflichtung der Länder zur Umsetzung eines vom Bund geschlossenen völkerrechtlichen Vertrages könnte sich zunächst aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ergeben.144 Im Falle eines Vertragsschlusses durch den Bund droht in den Sachbereichen, für die innerstaatlich die Länder die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz innehaben, die Gefahr eines Völkerrechtsverstoßes, falls diese sich einer Umsetzung widersetzen.145 Der Bund könnte sich – von den recht seltenen Fällen der Bundesstaatsklauseln abgesehen – im Außenverhältnis auch nicht auf einen etwaigen innerstaatlichen Kompetenzmangel berufen, da andernfalls wegen der Bindung im Außenverhältnis die Bundesrepublik in die Gefahr eines Völkerrechtsverstoßes geriete.146 Eine Verpflichtung, bereits diese Gefahr zu vermeiden, ergibt sich aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes. Doch kann dieser Grundsatz allein, so bereits das Bundesverfassungsgericht im Konkordatsurteil,147 keine Kompetenz zur Abweichung von der grundgesetzlich festgelegten Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern begründen.148 Insofern genügt der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit für sich genommen nicht,149 um eine Durchführungspflicht der Länder zu begründen.150 144

pitel.

Zur näheren Bedeutung dieses Grundsatzes, siehe sogleich unten unter 2. Teil, 3. Ka-

145 Wohl auch deshalb für eine Vollzugsverpflichtung der Länder – wenn auch wegen des Grundsatzes der Bundestreue – plädierend: Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32, Rn. 42. 146 Art. 27 und 46 WVRK. 147 BVerfGE 6, 309 (362 f.): „Dem gefundenen Ergebnis kann nicht entgegengehalten werden, es sei mit der in Art. 25 GG zum Ausdruck gebrachten Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren. Eine solche Auffassung würde verkennen, daß das Grundgesetz in seiner Völkerrechtsfreundlichkeit nicht so weit geht, die Einhaltung bestehender völkerrechtlicher Verträge durch eine Bindung des Gesetzgebers an das ihnen entsprechende Recht zu sichern. Weder zugunsten von Verträgen, deren Gegenstand der Bundesgesetzgebung unterliegt, noch zugunsten von Landesverträgen, deren Gegenstand nach dem Grundgesetz der Landesgesetzgebung unterliegt, erachtet das Grundgesetz eine verfassungsrechtliche Bindung der Gesetzgebung an das Vertragsrecht für erforderlich.“. 148 Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32, Rn. 44. 149 Zu einer anderen Auffassung könnte man wohl nur gelangen, wenn man wie Payandeh, Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 464 (482 ff.), die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip auffassen würden, welches dann mit anderen möglicherweise beim Vertragsschluss verletzten Prinzipien abgewogen werden könnte. 150 Unverständlich, da dem Sinn und Zweck einer Bundesstaatsklausel widersprechend, sind in diesem Zusammenhang die Auffassungen von Müller, Direkte Demokratie und Völ-

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2. Verpflichtung zur Durchführung aufgrund des Grundsatzes des bundesfreundlichen Verhaltens Gleiches hat das Bundesverfassungsgericht im besagten Urteil auch zur Begründung einer Durchführungsverpflichtung der Länder mittels des Grundsatzes des bundesfreundlichen Verhaltens151 (Bundestreue)152 gesagt.153 Während im Sachverhalt, der dem Konkordatsurteil zugrunde lag, die Länder wegen des Ermächtigungsgesetzes vom 24. 03. 1933 überhaupt nicht am Vertragsschluss mit dem Heiligen Stuhl beteiligt waren, den fortgeltenden Vertrag jedoch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes der Bundesrepublik umsetzen sollten,154 hat durch die Vertreter der Länder in deren Ständiger Vertragskommission eine bestimmte Form der Beteiligung der Länder beim Abschluss des Welterbeübereinkommens stattgefunden, weshalb dieser Vertragsschluss anders zu beurteilen ist und eine Durchführungsverpflichtung der Länder begründet werden kann. Bezüglich des Grundsatzes der Bundestreue ist zunächst festzustellen, dass eine Konkretisierung dessen nicht nur in der Begründung von Pflichten, sondern auch in der Beschränkung von Rechten zu sehen ist.155 Diese geschieht zum einen in einem Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung sowie zum anderen in einem Verbot widersprüchlichen Verhaltens.156 Während das Verbot der missbräuchlichen Rechtsausübung schon begrifflich ein Tun voraussetzt, welches dem Gliedstaat oder dem Bund verboten wird, so geht es im Fall einer Durchführungsverpflichtung eines völkerrechtlichen Vertrages durch ein Land um das Verbot eines Unterlassens. Insofern erscheint in diesem Zusammenhang nur ein Verbot widersprüchlichen Verhaltens einschlägig sein zu können. Der Widerspruch könnte im Zusammenhang einer Durchführungsverpflichtung allerdings nur darin zu erkennen sein, dass ein Land durch seine Zustimmung vor kerrecht, JZ 2007, 252 (254), Wolf, Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (531) und Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (699). Sie halten Art. 34 lit. b) WKÜ für einschlägig und stellen eine fehlende Annahme fest. Die Rechtsfolge müsste daher sein, dass den Bund nur die Verpflichtung trifft, den Ländern die Annahme zu empfehlen. Bis zu dieser Annahme könnten aber gerade keine Verpflichtungen für den Bund und seine Untergliederungen entstehen. Die nichtsdestotrotz festgestellten (mittelbaren) Wirkungen begründet Müller, S. 253, allerdings damit, dass die Länder zuvor ihre Zustimmung zum Abschluss erteilt hätten und daher „hinsichtlich der Ausführung dieser Verträge durch den Grundsatz der Bundestreue in die Pflicht genommen“ werden könnten. Dann jedoch wäre eben Art. 34 lit. b) WKÜ, wie hier vertreten, gar nicht anwendbar. 151 Zur verfassungsrechtlichen Verortung des Grundsatzes statt vieler: Bauer, Die Bundestreue, S. 218 ff. m.w.N. 152 Zu dieser Terminologie mit der Feststellung, dass beide Begriffe synonym zu verwenden sind: Bauer, Die Bundestreue, S. 2 ff. 153 BVerfGE 6, 309 (362). 154 BVerfGE 6, 309 (330 ff.). 155 BVerfGE 34, 216 (232); BVerwGE 50, 137 (148). 156 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 20, Rn. 43.

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Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages durch den Bund dessen spätere Durchführung signalisiert hatte und nach dessen Abschluss diese nicht mehr vorzunehmen gedenkt. In der Praxis werden die Länder über derartige Verträge, die einer späteren Umsetzung bzw. Invollzugsetzung durch die Länder bedürfen, im Wege der Lindauer Vereinbarung informiert. Insbesondere im Bereich von Kulturabkommen, wie im Fall des Welterbeübereinkommens, soll gemäß Ziffer 3 der Vereinbarung deren Zustimmung zum Abschluss durch den Bund eingeholt werden. Wie bereits geschildert, kann die Lindauer Vereinbarung die Kompetenzverteilung nach dem Grundgesetz nicht derogieren.157 Die Zustimmung der Länder nach der Vereinbarung kann entsprechend auch keinen Rechtsverzicht auf das grundgesetzlich gewährte Recht der Länder auf die Rechtsetzung im Kulturbereich bedeuten. Aber sie schafft einen modus vivendi, der ein Vertrauensverhältnis begründet, das darin besteht, dass die Länder dem Bund signalisieren, durch Ratifikation eine Verpflichtung eingehen zu können, deren Nichteinhaltung ihm im Außenverhältnis wegen des Prinzips der Einheit des Staates zugerechnet würde,158 und mithin den eigenen Anteil daran zu leisten, damit eine solche Pflichtverletzung nicht durch die bloße Blockade der Durchführung durch die Länder entstehen kann. Auch wenn also in der Zustimmung der Länder auf Grundlage der Lindauer Vereinbarung kein Rechtsverzicht zu sehen sein kann – der jeder Kompetenz als negative Seite inhärent ist –, so doch die Zusicherung, den Bund nicht vertragsbrüchig werden zu lassen. Dieses führt auch zu keinem Verfassungskonflikt, weil die Rechte der Länder nach dem Grundgesetz nicht einfach abbedungen werden, sondern die Länder vorab erklären, dass sie auf das Recht der Nichtumsetzung des Vertrages verzichten. Mithin würde eine Weigerung der Umsetzung bzw. in Vollzugsetzung eines Vertrages nach zuvor erfolgter Zustimmung zum Vertragsschluss des Bundes im Wege des Verfahrens nach der Lindauer Vereinbarung einen Verstoß gegen das Verbot widersprüchliches Verhalten und damit den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens darstellen. Positiv ausgedrückt, besteht damit eine entsprechende Pflicht der Länder, den Vertrag nach der erfolgten Zustimmung im Wege der Lindauer Vereinbarung auch umzusetzen bzw. in Vollzug zu bringen.159 V. Zwischenergebnis Das UNESCO-Welterbeübereinkommen muss mithin in der Bundesrepublik angewendet werden. Die Föderalklausel des Art. 34 WKÜ ist auf die Bundesrepublik 157

Siehe oben unter 2. Teil, 1. Kapitel, B., I., 2. Vgl. Art. 46 WVRK. 159 Im Ergebnis ebenso v. Bogdandy/Zacharias, Zum Status der Welterbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (530 f.); Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers – World Cultural Heritage Protection as Archetype of a Multilevel System, MPUNYB 10 (2006), 273 (330 f.); Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 144 f.; vgl. Boer, Art. 34, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention, S. 360. 158

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

nicht anwendbar, da aufgrund der vorherigen Zustimmungserteilung der Länder zum Vertragsschluss eine Verpflichtung zur späteren Umsetzung bzw. in Vollzugsetzung durch den Grundsatz der Bundestreue ausgelöst wurde. Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht dem oben geschilderten Sinn und Zweck von Bundesstaatsklauseln. Sie sollen föderal organisierten Staaten einen Vertragsschluss erleichtern, indem sie die Verbindlichkeit von der Annahme oder Durchführung der innerstaatlich hierfür zuständigen Stellen abhängig machen.160 Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass Staaten von dieser vertraglichen Ausnahme zum völkerrechtlichen Grundsatz der Einheit des Staates auch Gebrauch machen müssen.161 Vielmehr hat die Bundesrepublik, insbesondere auch, um so genannte „hinkende Verträge“ zu vermeiden162 – bei denen der Bund nur für einen Teil des Vertragsinhaltes auch die Durchführungsbefugnis hat – den Mechanismus der Lindauer Vereinbarung geschaffen. Nicht etwa die Vereinbarung selbst, sondern die auf ihrer Grundlage gemachten Zustimmungen lösen seitdem Durchführungsverpflichtungen der Bundesländer zu internationalen Verträgen aus. So ist es nicht verwunderlich, dass es auch nicht Deutschland war, sondern Österreich, das bei den Verhandlungen des Übereinkommens auf die Einführung der Bundesstaatsklausel gedrungen hatte.163 3. Kapitel

Berücksichtigung des Übereinkommens im Wege der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Das Übereinkommen über das Kultur- und Naturerbe der Welt ist, wie dargelegt, nicht nur von der Bundesrepublik ratifiziert, sondern auch per Kabinettsbeschluss in Bundesrecht und durch die Zustimmung der Länder in Ständigen Vertragskommission in Landesrecht transformiert bzw. mit einem Rechtsanwendungsbefehl versehen worden. Dort steht es jedoch jeweils lediglich im Range internen Rechts und damit auch unterhalb der Gesetze. 160

Siehe oben unter 2. Teil, 2. Kapitel, C., I. Vgl. zum Beispiel Australien. Zur Bindung dieses föderalen Staates siehe die Entscheidung des High Court of Australia, Queensland and Another v. Commenwealth of Australia and Another, ILR 90 (1992), S. 115 ff. 162 So bereits von Stralenheim, Die Zuständigkeit des Bundes und der Länder zum Abschluss von Kulturabkommen mit auswärtigen Staaten, BayVBl. 1955, 6 (7 ff.). Heute unter anderem Hönes, Internationaler Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz, S. 143. 163 Deutschland, welches seine Positionen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Länder vertrat, machte lediglich inhaltliche Anmerkungen zu den Vorarbeiten, siehe UNESCO Doc. SHC/MD/18 Add. 2, S. 2 sowie UNESCO Doc. SHC/MD/18 Add. 3, S. 2, während Österreich seine Position, mit Rücksicht auf seine Landesverfassung und die Zuständigkeiten der Länder zumindest Vorbehaltsklauseln aufzunehmen, in die Vorarbeiten einbrachte. Siehe hierzu UNESCO Doc. SHC/MD/18 Annex II, S. 4 und 14. 161

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Die Anwendung der entsprechenden Bestimmungen durch die Exekutive sowie deren Kontrolle durch die Judikative birgt die Gefahr, dass aufgrund des lex superiorGrundsatzes, nachdem die höherrangige der untergeordneten Norm vorgeht, eine effektive Durchführung der Inhalte und Ziele des Übereinkommens erschwert wird, da entgegenstehende Gesetze den vertraglichen Inhalten und Zielen vorgezogen werden müssen. In diesem Zusammenhang gilt es allerdings, die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes entsprechend in Wert zu setzen, um eine solche Vernachlässigung des Übereinkommens und damit verbundene etwaige Völkerrechtsverletzungen durch die Bundesrepublik zu verhindern.

A. Völkerrechtsfreundlichkeit und „Offene Staatlichkeit“ Die Völkerrechtsfreundlichkeit erfährt im aktuellen Schrifttum recht unterschiedliche Beschreibungen. So ist teilweise vom „Gebot der Völkerrechtsfreundlichkeit“164, vielfach aber vom „Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit“165, einer „völkerrechtsfreundlichen Grundhaltung“166, einer „verfassungsrechtliche[n] Leitlinie“167, einer „Leitmaxime“168, einem „Verfassungsgrundsatz der internationalen Offenheit“169, dem „Entscheidungsprinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes“170 oder auch vom „Verfassungsprinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit“171 die Rede.172 Teilweise verwenden einzelne Autoren diese Begriffe auch synonym.173 164

Epping, Die Aussenwirtschaftsfreiheit, S. 213. Siehe bereits Bleckmann, Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1996, 137 (137 ff.). 166 Proelß, Der Grundsatz der völkerrechtlichen Auslegung im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG, in: Rensen/Brink (Hrsg.), 553 (555); Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit, S. 246 mit einigen Nachweisen hinsichtlich des Sprachgebrauchs in der Rechtsprechung. 167 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 14 I 2. 168 Tomuschat, Die staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band VII, 1992, § 172, Rn. 8. 169 Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 457. 170 Röben Außenverfassungsrecht, S. 207. 171 Payandeh, Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 464 (482 ff.), der jedoch das Prinzip als normativen Teilaspekt des „Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit“ versteht. 172 Zur Bedeutung und Abgrenzung der einzelnen verwenden Begrifflichkeiten siehe umfassend Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 58 ff. 173 Tomuschat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, § 172, Rn. 24 „Grundsatz“, Rn. 26 „Prinzip“, Rn. 27 „Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung“; Bleckmann, Die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1979, 165

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Der Begriff der „Offenen Staatlichkeit“ wurde von Vogel in seiner Antrittsvorlesung, die später unter dem Titel „Die Verfassungsentscheidung für eine internationale Offenheit“ veröffentlicht wurde, geprägt.174 Es folgten eine ganze Reihe Veröffentlichungen verschiedener Autoren, die sich dieses Themas unter diversen ähnlichen Titeln annahmen.175 Bei einer Gesamtschau der unterschiedlichen Veröffentlichungen zu den Themen der Völkerrechtsfreundlichkeit und der offenen Staatlichkeit wird deutlich, dass zwischen ihnen ein enger inhaltlicher Zusammenhang besteht.176 Beide Begriffe werden häufig aus denselben Normen des Grundgesetzes abgeleitet. Dieses sind (zumindest nach heutigem Stand) die Möglichkeit der Auslieferung Deutscher an das Ausland (Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG), die europäischen Integration (Art. 23 GG) und die Festlegung auf eine internationale Zusammenarbeit (Art. 24 GG) jeweils mit der Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten, die Vorrangregelung für die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 25 S. 2 GG), die Anordnung der Gewaltenteilung im Bereich der völkerrechtlichen Verträge (Art. 59 Abs. 2 GG), die Einordnung in Systeme kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG), den Auftrag zur friedlichen Streitbeilegung (Art. 24 Abs. 3 GG), das Verbots eines Angriffskrieges (Art. 26 GG), das Verbot von Vereinigungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten (Art. 9 Abs. 2 GG) und die Einordnung in eine dem Frieden dienende Völkerrechtsordnung, wie es in der Präambel heißt. Bei genauerer Betrachtung jedoch fällt auf, dass die „offene Staatlichkeit“ wie schon ihr Wortlaut verrät, eigentlich nur die Öffnung der deutschen Rechtsordnung für das Völkerrecht beschreibt.177 Die Wege, auf denen diese Öffnung erreicht wird, 309 (309) sowohl „Grundsatz“ als auch „Prinzip“; aber anders ders., Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1996, 137 ff., wo einheitlich vom „Grundsatz“ gesprochen wird; Richter, Völkerrechtsfreundlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 159 ff., die sowohl vom „Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit“, S. 162, vom „Verfassungsprinzip […] der Völkerrechtsfreundlichkeit“, S. 165, vom „Grundsatz des völkerrechtsfreundlichen Verhaltens“, S. 176, sowie vom „Verfassungsgrundsatz des völkerrechtsfreundlichen Verhaltens“, S. 177, spricht. 174 Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, S. 10 ff. 175 Insbesondere Häberle, Der kooperative Verfassungsstaat, in: Kaulbach/Krawietz (Hrsg.), Recht und Gesellschaft, Festschrift Schelsky, S. 147 ff., prägte in diesem Zusammenhang eine eigene Begrifflichkeit, den „Kooperativen Verfassungsstaat“. Er beschrieb insofern auch einen eigenen Weg der Öffnung sowohl des nationalen als auch des Völkerrechts, bei dem ein gemeinsames „Kooperationsrecht“ entstehen sollte, S. 172 f. 176 Den grundsätzlichen Unterschied betont allerdings ebenso ausdrücklich Tomuschat, Die staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, HStR Band VII, 1. Auflage 1992, § 172, Rn. 8; Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 457 f., möchte sie auf eine Stufe stellen und unter dem Oberbegriff „internationale Offenheit“ einordnen, da sie jeweils Teilbereiche derer abdeckten. 177 Vgl. Kunig, Völkerrecht und staatliches Recht, in: Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Abschnitt, Rn. 19; Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit,

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sind vielfältig. Zum einen waren sie, wie die Rezeptionsnormen für die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 25 GG) oder völkerrechtliche Verträge (Art. 59 Abs. 2 GG), schon aus Vorgängerverfassungen bekannt. Zum anderen birgen sie durch die Möglichkeit der Eingliederung in Internationale Organisationen einschließlich – und das ist das Besondere – der Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen (Art. 24 Abs. 1 GG) bzw. seit einigen Jahren auch auf die Europäische Union (Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG), und damit die Möglichkeit einer weitergehende Öffnung des souveränen Staates nach außen. Bildlich wird von einem Souveränitätspanzer gesprochen, der mittels dieser Normen aufgeknackt wurde.178 Allerdings muss dabei beachtet werden, dass das Grundgesetz nicht die größtmögliche Öffnung der deutschen Rechtsordnung für das Völkerrecht gewählt hat.179 Dieses wird insbesondere bei der Frage des Verhältnisses des Völkervertragsrechts zum deutschen Recht deutlich, welches sowohl vom überwiegenden Schrifttum als auch von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als dualistisch betrachtet wird.180 Während die Idee der „offenen Staatlichkeit“ also ein Leitbild der Verfassung als Öffnung nach außen ist, beschäftigt sich die Völkerrechtsfreundlichkeit hingegen mit anderen, teilweise wesentlich konkreteren Fragen und kann als deren Ausfluss verstanden werden.181 Wie bereits der Wortsinn vermuten lässt, geht es bei der Frage der Völkerrechtsfreundlichkeit insbesondere auch um die konkreten Ausgestaltungen des Verhältnisses vom nationalen Recht zum Völkerrecht. Als bloße „Freundlichkeit“ gegenüber dem Völkerrecht besitzt sie jedoch wenig Aussagekraft. Ihre konkrete Ausgestaltung interessiert umso mehr, als, wie eben gesehen, das Grundgesetz bei seiner Öffnung nach außen nicht den weitest möglichen Weg gegangen ist, was zu der Konsequenz führt, dass mangels einer direkten Wirkung des Völkervertragsrechts in den Binnenbereich der deutschen Rechtsordnung nicht sämtliches Völkervertragsrecht – und auf Grundlage des Vertrages entstehendes Völkerrecht wie Sekundärrecht oder gerichtliche Entscheidungen – dorthin eindringt und somit (zusätzlicher) Raum für Völkerrechtsverstöße durch die Bundesrepublik entsteht. Ms. S. 17, plädiert unter Verweis hierauf, „anstelle von der Verfassungsentscheidung für die offene Staatlichkeit von einer völkerrechtsfreundlichen Grundhaltung des deutschen Staates“ zu sprechen. 178 Bleckmann, Zur Funktion des Art. 24 Grundgesetz, in: Hailbronner/Ress/Stein (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung, Festschrift für Doehring, S. 77 ff.; Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes für Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1022). 179 BVerfGE 111, 307 (318); vgl. auch Proelß, Der Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG, in: Rensen/Brink (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 558 und Payandeh, Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (481). 180 Siehe dazu bereits oben unter 2. Teil, 2. Kapitel, A., I. 181 Epping, Die Aussenwirtschaftsfreiheit, S. 213; Tomuschat, Die staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band VII, 1. Auflage 1992, § 172 Rn. 9, nennt das Bild der offenen Staatlichkeit daher eine „akademische Kategorienbildung“.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Diesen Raum sucht die völkerrechtsfreundliche Auslegung nationalen Rechts als Ausprägung Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes zu minimieren. Diese Funktion macht deutlich, dass es sich bei der Völkerrechtsfreundlichkeit um eine Ausprägung der „offenen Staatlichkeit“ handelt,182 deren Ziel es ist, die durch die Öffnung bewirkten Lücken und Unebenheiten auszugleichen und dem Ziel einer Integration der Bundesrepublik in die Völkerrechtsordnung in möglichst beispielhafter Weise gerecht zu werden. Es stellt sich im Folgenden mithin die Frage ihrer konkreten Ausgestaltung, also ihres Gegenstandes sowie ihrer Rechtsnatur. Des Weiteren müsste ihre Reichweite näher bestimmt werden.

B. Die dogmatische Verortung der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Zur dogmatischen Bedeutung der Völkerrechtsfreundlichkeit werden sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die Bandbreite reicht hierbei von der Konstituierung eines Verfassungsprinzips bis hin zu bloßen Programmsätzen, die den Umgang des Grundgesetzes mit dem Völkerrecht beschreiben. Diese dogmatischen Konzepte sollen zunächst vorgestellt werden. Die Vertreter der These der Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip leiten ihre Auffassung – wie die Vertreter der anderen Thesen auch183 – unmittelbar aus den die Öffnung des Staates begründenden Vorschriften des Grundgesetzes ab.184 Sie sind der Auffassung, dass der hinter diesen Vorschriften stehende internationale Wertekanon inklusive der völkerrechtlichen Bindungen nur dann verwirklicht werden und ein Verstoß gegen entsprechende Normen verhindert werden könne, wenn die grundgesetzlichen Normen im Zweifel im Sinne des Völkerrechts auszulegen seien, was nur bei einem entsprechenden Verständnis als Verfassungsprinzip möglich sei, da völkerrechtliche Verträge regelmäßig nur auf Stufe des einfachen Rechts stünden.185 Ganz ähnlich dieser These – allerdings ohne den Begriff des Verfassungsprinzips ausdrücklich anzusprechen – wurde vorgeschlagen, nicht nur die Bindung an das 182 Hobe, Zur Öffnung der innerstaatlichen Rechtsordnung für das Völkerrecht, in: Berger, (Hrsg.), Zivil- und Wirtschaftsrecht im europäischen und globalen Kontext, 425 (436). 183 Vgl. statt vieler nur Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit, Ms. S. 47. 184 Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (467 ff.); Bleckmann, Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1996, 137 (140 f.). 185 Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (483 f.); Bleckmann, Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1996, 137 (141).

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Völkerrecht – als Bindung an Recht und Gesetz im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG –, sondern die Völkerrechtsfreundlichkeit selbst als Teil des Rechtsstaatsprinzips in die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes hineinzulesen.186 Ohne damit die streitige dogmatische Verortung angesprochen zu haben, zielt diese Auffassung eindeutig in die Richtung der Annahme eines Verfassungsprinzips.187 Ihr liegt die Überzeugung zugrunde, dass die vom Grundgesetz angesprochene Integration in eine dem Frieden dienende Weltordnung188 nur dann gelingen könne, wenn die verfassungsrechtlichen Belange des Nationalstaats diese internationale Ordnung als ihre Grenze erkenne.189 Entsprechend seien die völkerrechtlichen Bindungen die Grenze jeder grundgesetzlichen Wertvorstellung.190 Über diesen Weg sei jedwede Wertvorstellung des Grundgesetzes (Art. 79 Abs. 3 GG) im Lichte des Völkerrechts interpretierbar und bedürfe es keines nationalen Souveränitätsvorbehaltes.191 Die sehr weit verbreitete Gegenauffassung, die das traditionelle dualistische und souveränitätswahrende Verständnis des Grundgesetzes zugrunde legt, sieht die Völkerrechtsfreundlichkeit vielmehr als allgemeine Deskription des Umgangs, den das Grundgesetz für die verschiedenen Arten völkerrechtlicher Rechtssätze vorsieht.192 So wird insbesondere die Begründung für die Statuierung des Prinzips 186

Giegerich, Die Zähmung des Leviathan, in: ders., Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 28. 187 Ebenso in diese Richtung Richter, Völkerrechtsfreundlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 176, die der Völkerrechtsfreundlichkeit ausdrücklich eine „Wirkung weit über […] einer bloßen Methoden- oder Kollisionsregel“ beimisst; wohl ebenso Röben, Außenverfassungsrecht, S. 207. 188 Vgl. die Präambel des Grundgesetzes. 189 Giegerich, Die Zähmung des Leviathan, in: ders., Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 28 f.; in diesem Sinne auch Richter, Völkerrechtsfreundlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 176. 190 Giegerich, Die Zähmung des Leviathan, in: ders., Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 29; ebenso Richter, Völkerrechtsfreundlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 176. 191 Giegerich, Die Zähmung des Leviathan, in: ders., Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 29, sowie bereits auf Seite 23 ausdrücklich gegen die vom Bundesverfassungsgericht behauptete „kontrollierte Bindung“. 192 Tomuschat, Die staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band VII, 1992, § 172, Rn. 8; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 14 I 2; Schorkopf, Völkerrechtsfreundlichkeit und Völkerrechtsskepsis in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 156 f.; Hillgruber, Die Integration des Völkerrechts und des Rechts der Europäischen Union in die deutsche Verfassungsordnung, in: Dörr u. a. (Hrsg.), Die Macht des Geistes, S, 98 f. und 111; ders., Der Nationalstaat in überstaatlicher Verflechtung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band II, 2004, § 32 Rn. 125; Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit, Ms. S. 49, dort auch insbesondere sehr kritisch hinsichtlich der Annahme eines Verfassungsprinzips; ebenso Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 457, der dem Grundsatz unscharfe Be-

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kritisiert, nur auf diesem Wege eine Beachtung völkerrechtlicher Verpflichtungen garantieren zu können. Um dieses zu gewährleisten, müsse der Völkerrechtsfreundlichkeit auch einen Vorrang gegenüber anderen Verfassungsgrundsätzen eingeräumt werden, was „vor dem Hintergrund von Art. 79 Abs. 3 GG unvertretbar“ erscheine.193 Allen diesen Auffassungen ist jedoch gemein, dass sie ungeachtet der dogmatischen Verortung der Völkerrechtsfreundlichkeit die völkerrechtsfreundliche Auslegung als eine ihrer wesentlichen Ausprägungen anerkennen.194

C. Die Anwendbarkeit der völkerrechtsfreundlichen Auslegung auf Verwaltungsabkommen Auch wenn eine grundsätzliche Einigkeit hinsichtlich der Existenz eines anzuwendenden Grundsatzes der völkerrechtsfreundlichen Auslegung als Ausfluss der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes besteht, so wird das Wesen dieser Auslegung entsprechend des unterschiedlichen dogmatischen Verständnisses vom Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit differenziert betrachtet. Dieses wird in besonderer Weise bei der Frage der Anwendung der völkerrechtsfreundlichen Auslegung auf Verwaltungsabkommen deutlich. Die Völkerrechtsfreundlichkeit in Ausprägung des Grundsatzes der völkerrechtsfreundlichen Auslegung nationalen Rechts gewinnt insbesondere bei Verwaltungsabkommen erhöhte Bedeutung. Bei dieser Kategorie eines völkerrechtlichen Vertrages besteht in besonderem Maße das grundlegende Problem einer adäquaten innerstaatlichen Beachtung, da Verwaltungsabkommen regelmäßig durch untergesetzliche Rechtsakte wie Rechtsverordnungen, Satzungen oder Verwaltungsvorschriften ins nationale Recht eingeführt werden. Dieser transformierende bzw. den Rechtsanwendungsbefehl setzende Akt bestimmt jedoch zugleich den Rang einer völkerrechtlichen Norm im innerstaatlichen deutschen Recht.195 Damit genießen Verwaltungsabkommen, wie das vorliegend zu untersuchende UNESCOÜbereinkommen, einen Rang unterhalb der einfachen Gesetze, weshalb eine Missachtung dieser Abkommen bereits vorprogrammiert erscheint.

deutung für die Rechtsauslegung zumisst; wohl auch Badura, Arten der Verfassungsrechtsätze, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band VII, 1. Auflage 1992, § 159 Rn. 38, der den Grundsatz im Rahmen seiner Typologie als „verfassungsgestaltende Grundentscheidung“ einordnet. 193 Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit, Ms. S. 49. 194 Vgl. bereits die Analyse aus der „Außenperspektive“ von Lovric, A Constitution Friendly to International Law: Germany and its Völkerrechtsfreundlichkeit, AYIL 25 (2006), 75 (82 f.). 195 Streinz, in: Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 81; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59, Rn. 21.

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Darüber hinaus bereitet die allgemein anerkannte Pflicht zur völkerrechtskonformen196 Auslegung des nationalen Rechts bei Verwaltungsabkommen dogmatische Schwierigkeiten. Denn zumindest grundsätzlich wird eine Konformauslegung nur greifen können, wenn eine rangniedere Norm nach Maßgabe einer ranghöheren Norm auszulegen ist.197 Da Verwaltungsabkommen, wie das vorliegende UNESCOÜbereinkommen aufgrund ihres Transformationsaktes (bzw. Rechtsanwendungsbefehls) regelmäßig noch unterhalb der Gesetze stehen, wäre die vorgeschlagene Konformauslegung in deren Lichte allerdings nie möglich.198 Wenn man hingegen mit den Vertretern der These vom Verfassungsprinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit ein derartiges Verfassungsprinzip anerkennt,199 so ist es jedoch möglich, zumindest alle einfachgesetzlichen und im Range darunter befindlichen Normen im Lichte dieses Prinzips auszulegen.200 Damit ließe sich der vom Bundesverfassungsgericht geprägte Satz, dass nationales Recht im Lichte völkerrechtlicher Verträge auszulegen sei, so dass ein Verstoß gegen letztere „nach Möglichkeit“ vermieden werde,201 gut vereinbaren. Ein Zurückdrängen einer Lösung, die im Sinne des völkerrechtlichen Vertrages liegt, wäre vor dem Hintergrund dieser Auffassung nur möglich, wenn bei einer Abwägung mit anderen Verfassungsprinzipien derjenige der Völkerrechtsfreundlichkeit ausnahmsweise zurücktreten müsste. Dieses wiederum verträgt sich ebenfalls mit der Rechtsprechung des Gerichts, nach der eine Nichtbeachtung von Völkervertragsrecht nur dann hinzu196

Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit, Ms. S. 51, hält den allgemeinen Gebrauch des Begriffs der Konformauslegung für unkritisch. 197 Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 357; Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit, Ms. S. 51; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band II, S. 130; anders aber Steinberger, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band VII, 1992, § 173 Rn. 63; Sauer, Jurisdiktionskonflikte im Mehrebenensystem, S. 382 f.; Röben, Außenverfassungsrecht, S. 207. Das Bundesverfassungsgericht begründet die rangdurchbrechende Wirkung und damit die Möglichkeit der Konformauslegung (zumindest im Bereich von Menschenrechtsschutzverträgen) mit der Vermutung, dass der Gesetzgeber stets in Einklang mit völkerrechtlichen Verpflichtungen handeln wolle und daher das von ihm erlassene Recht grundsätzlich in Einklang mit diesen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu lesen sei, BVerfGE 74, 358 (370). Zur Bedeutung für die Berücksichtigung von Entscheidungen im Rahmen von Menschenrechtsschutzverträgen, die wegen Art. 1 Abs. 2 GG eine besondere Rolle genießen, Ruffert, Die Europäische Menschenrechtskonvention und innerstaatliches Recht, EuGRZ 2007, 245 (247). 198 Es sei denn, man versteht, wie sogleich dargestellt wird, in Adaption von Bleckmann, Die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1979, 309 (312), das gesamte für die Bundesrepublik verbindliche Völkerrecht als lex specialis zum nationalen Recht. 199 Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (485). 200 Vgl. Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (485); Bleckmann, Die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1979, 309 (312), versteht aufgrund dieses Prinzips das gesamte für die Bundesrepublik verbindliche Völkerrecht als lex specialis zum nationalen Recht, das nur lex generalis sei. 201 Siehe dazu nur die Entscheidung zur Frankenbesoldung, BVerfG, Beschluss vom 22. 12. 2006, 2 BvR 1526/04, NVwZ-RR 2007, 266 (267).

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nehmen sei, wenn „nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden“ sei.202 Die für eine weiter gehende Öffnung des Grundgesetzes und daher eher in Richtung eines monistischen Verhältnisses tendierenden Autoren hingegen begründen ihr noch weiter reichendes Ergebnis damit, dass die Privilegierung der völkerrechtskonformen Lösung das Ergebnis einer systematischen Auslegung ist.203 Da sie eine derart weite Öffnung des Grundgesetzes befürworten, dass Völkerrecht und nationales Recht als Teil einer einheitlichen Sphäre bzw. einheitlichen Systems koexistieren, kann dem Völkerrecht im Wege einer lex specialis-Lösung der Vorrang eingeräumt werden.204 Bei einer dualistisch geprägten Interpretation des Verhältnisses von Völkerrecht und nationalem Recht scheidet diese Lösung entsprechend aus, solange nicht eine Rechtsordnung selbst ihre Unterwerfung unter die andere anordnet. Auch wird ein durch die anderen Ansätze zum Ausdruck kommender Vorrang des Völkerrechts vielfach abgelehnt.205 Die völkerrechtsfreundliche Auslegung wird von den jeweiligen Autoren dieser Blickrichtung zwar auch als Unterfall der systematischen Auslegung erkannt,206 der allerdings erst dann eingreifen solle, wenn die vorher erfolgte systematische Auslegung des nationalen Rechts kein eindeutiges Ergebnis erbracht hat.207 Sie wird daher auch als lediglich als „Konfliktvermeidungsregel“208 bezeichnet.

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BVerfGE 111, 307 (319). Vgl. Fastenrath, Souveräne Grundgesetzinterpretation, in: Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 319; ders., Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1023 f.); Bleckmann, Die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1979, 309 (312). 204 Bleckmann, Die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1979, 309 (312). 205 Hillgruber, Die Integration des Völkerrechts und des Rechts der Europäischen Union in die deutsche Verfassungsordnung, in: Dörr u. a. (Hrsg.), Die Macht des Geistes, S. 98 f.; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band II, 2004, § 32 Rn. 127; Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit, Ms. S. 51; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Auflage 2002, S. 190. Diese fehlende Anordnung eines generellen Vorrangs wird allerdings auch von der Gegenauffassung anerkannt, Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (483). 206 A.A. Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 357, Fn. 1127, der darin einen Widerspruch erkennt. 207 Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit, Ms. S. 50 f. Ähnlich Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 356 f. 208 Proelß, Bundesverfassungsgericht und internationale Gerichtsbarkeit, Ms. S. 50; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 357; Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GGKommentar, Art. 24 Rn. 3. 203

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D. Reichweite der Berücksichtigungspflicht für das UNESCO-Welterbeübereinkommen Aus dem Vorstehenden kann gefolgert werden, dass das UNESCO-Welterbeübereinkommen, als transformierter bzw. mit Anwendungsbefehl versehener völkerrechtlicher Vertrag, nach allen vertretenen Auffassungen im Wege der völkerrechtfreundlichen Auslegung des deutschen Rechts berücksichtigt werden muss. Freilich führen die unterschiedlichen dogmatischen Verortungen zu einer differenzierten Reichweite der Beachtungspflicht. Doch selbst von Vertretern der These von der Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip wird einschränkend dargelegt, dass diese „keine vollumfängliche Bindung, sondern nur eine grundsätzliche Berücksichtigung der völkervertraglichen Verpflichtungen“ verlange.209 Eine „Berücksichtigung“ der völkerrechtlichen Verträge verlangt auch das dem traditionellen dualistischen Verhältnis und damit wohl auch der Konfliktvermeidungsregel zugeneigte Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung,210 ohne dass damit klar wäre, wie weit diese jeweils im konkreten Fall gehen muss.211 In der konkreten Rechtspraxis dürften diese dogmatischen Unterschiede damit zumindest kaum zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Denn es ist festgestellt worden, dass für die sich jeweils stellenden Problematiken regelmäßig adäquate Lösungen gefunden wurden.212 „In pauschaler Weise eine ,Berücksichtigungspflicht‘ zu postulieren, ist in diesem Zusammenhang wenig sinnvoll“.213 Auch wenn der Verfasser dieser Arbeit einem offeneren Verständnis des Grundgesetzes zum Völkerrecht zugeneigt ist, weil im Ergebnis so diejenigen Friktionen vermieden werden können, die die Väter und Mütter des Grundgesetzes bei der Einordnung der Bundesrepublik in die dem Frieden dienende Weltordnung nicht aufkommen lassen wollten, so gibt doch bereits die von der traditionellen

209 Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (490). 210 Siehe dazu die vom Bundesverfassungsgericht in der Görgülü-Entscheidung gegebene Definition, BVerfGE 111, 307 (329), die jedoch in Bezug auf die Rechtsprechung des EGMR zur EMRK erging, die wegen des Charakters als Menschenrechtsschutzvertrag im Hinblick auf Art. 1 Abs. 2 GG eine besondere nicht unmittelbar vergleichbare Position einnimmt. Vgl. hierzu Grupp/Stelkens, Zur Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention bei der Auslegung deutschen Rechts, DVBl. 2005, 133 (135 ff.); Cremer, Zur Bindungswirkung von EMRK-Urteilen, EuGRZ 2004, 683 (696 ff.). Vgl. auch zur Berücksichtigung der Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs, Payandeh, Die verfassungsrechtliche Stärkung der internationalen Gerichtsbarkeit, AVR 45 (2007), 244 (254 f.). 211 Eingehend dazu unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung internationaler Gerichtsentscheidungen Richter, Does International Jurisprudence Matter in Germany?, GYIL 49 (2006), 51 (60 und 70 ff.). 212 Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 196. 213 Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 59 Rn. 196.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

dualistischen Sichtweise geprägte Interpretation der völkerrechtsfreundlichen214 Auslegung recht weit reichende Möglichkeiten der Berücksichtigung des Übereinkommens. In Anwendung der oben beschriebenen Grundsätze wird man daher sagen können, dass eine Beachtung des Übereinkommens durch alle staatlichen Stellen zu erfolgen hat. Es besteht auch ein dahingehender Konsens, dass zumindest Generalklauseln215 und unbestimmte Rechtsbegriffe im Lichte des völkerrechtlichen Vertrages ausgelegt werden müssen.216 Auch auf der Rechtsfolgenseite ist bei der Ausübung des Ermessens eine völkerrechtliche Verpflichtung entsprechend zu beachten und die im Sinne dieser Verpflichtung liegende Entscheidung zu wählen.217 Dementsprechend werden konsequenterweise auch Abwägungsentscheidungen grundsätzlich zugunsten des Welterbeschutzes ausfallen müssen. Selbst wenn dem bauplanerischen Abwägungsgebot „[e]in vorab geregelter strikter Vorrang einzelner Belange (…) fremd“ ist,218 so muss dieser lediglich einfachgesetzlich ausgeprägte Grundsatz im Lichte der Völkerrechtsfreundlichkeit und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelesen werden, wonach grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber von völkerrechtlichen Vorgaben abweichen wollte, wenn er dies nicht deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Demgemäß bedarf eine Entscheidung zu Lasten des Welterbeschutzes einer tiefgreifenden Rechtfertigung.219 Hierfür allerdings in Anwendung der These der Völkerrechtfreundlichkeit als Verfassungsprinzip in jedem Fall einen entgegenstehenden Verfassungswert zu fordern, würde die Ausgestaltung der Konventionsverpflichtungen als bloß qualifizierte Bemühensverpflichtungen verkennen.220

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Wegen der dogmatischen Schwierigkeiten des sehr gebräuchlichen Begriffs der völkerrechtskonformen Auslegung, soll im Rahmen dieser Arbeit im Folgenden der dogmatisch neutralere Begriff der völkerrechtsfreundlichen Auslegung verwendet werden. Er soll damit nicht in dem von Sauer, Jurisdiktionskonflikte im Mehrebenensystem, S. 382 f. verwendeten Sinne verstanden werden, nach dem die völkerrechtsfreundliche Auslegung diejenige unter verschiedenen mit dem Völkerrecht vereinbaren Auslegungsmöglichkeiten ist, die gewählt wird, weil sie der völkerrechtlichen Regelung am weitesten entgegenkommt. 215 Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 440c. 216 Vgl. Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 164. 217 Payandeh, Die Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JÖR N.F. 57 (2009), 465 (488), Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 440c; vgl. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 113. 218 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 222. 219 Im Ergebnis aber wohl so wie hier Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 222. Ebenso Kilian, Die Brücke über die Elbe: völkerrechtliche Wirkungen des Welterbeübereinkommens der UNESCO, LKV 2008, 248 (253), der „ganz besondere Gründe“ für eine Abwägungsentscheidung gegen das Welterbe verlangt. v. Bogdandy/Zacharias, Zum Schutz der Weltkulturerbekonvention im deutschen Rechtsraum, NVwZ 2007, 527 (531), erkennen nur die Berücksichtigungspflicht an, ohne entsprechende Einflüsse auf die Abwägungsentscheidung zu folgern. 220 Siehe dazu oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, A., I., 5.

4. Kap.: Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention

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Die bereits durch diese Sichtweise begründete und ausgestaltete Berücksichtigungspflicht des Übereinkommens öffnet eine leicht zu unterschätzende Bandbreite von Einflussmöglichkeiten auf die nationale Rechtsordnung, die im folgenden Kapitel exemplarisch am Beispiel des Denkmalschutzrechts der Länder dargestellt werden soll. Für all diejenigen dann theoretisch noch denkbaren Konfliktfälle, in denen die Völkerrechtsfreundlichkeit nicht unmittelbar herangezogen werden kann,221 müssen deren mittelbare Wirkungen im nationalen Recht beachtet werden. Denn aufgrund der verfassungsrechtlich gewollten Integration in eine dem Frieden dienende Weltordnung werden, wie Giegerich feststellte, „die deutschen Verfassungswerte durchweg völker- und europarechtskonform interpretiert werden können“.222 4. Kapitel

Die exemplarische Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention im Rahmen der bestehenden Denkmalschutzgesetze der Länder Das Welterbeübereinkommen wurde nicht mittels eines Zustimmungsgesetzes auf Bundes- oder Landesebene in das nationale Recht einbezogen. Bislang sind nur partiell auf den entsprechenden Ebenen Umsetzungsgesetze erlassen worden, die eine Beachtung der Konvention ausdrücklich verlangen.223 Im vergangenen Kapitel ist festgestellt worden, dass die Belange der Welterbekonvention allerdings aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes berücksichtigt werden müssen. Da eine pauschale Umschreibung dieser Berücksichtigungspflicht, wie bereits beschrieben, nicht zielführend ist, soll in diesem Kapitel exemplarisch für den Schwerpunktbereich des Übereinkommens, das Kulturerbe, aufgezeigt werden, wie eine entsprechende Integration der Belange in den Denkmalschutzgesetzen der Länder zu erfolgen hat. Die Denkmalschutzgesetze der Länder sind der wesentliche Teil der Gesetzgebung, mithilfe dessen ein Schutz des Welterbes erreicht werden könnte. Sie enthalten eine Fülle unbestimmter (und damit auslegungsbedürftiger und -fähiger) Rechtsbegriffe, die einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung im Sinne des UNESCOÜbereinkommens offen stehen. Die klassischen Baudenkmale, deren Schutz sich auch die UNESCO-Konvention verschrieben hat, werden als „Bauwerke“ oder unter den jeweiligen Oberbegriffen 221

So z. B. die fehlende Auslegungsfähigkeit des Wortlautes einer Norm. Giegerich, Die Zähmung des Leviathan, in: ders., Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 29. 223 Siehe unten unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., I., 2. und II. 222

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

„Denkmal“ oder „Kulturdenkmal“ von den Landesdenkmalschutzgesetzen geschützt.224 Neben dem Schutz einzelner Baudenkmale, sehen die Landesdenkmalschutzgesetze auch einen flächenbezogenen Schutz vor.225 Dieser erweitert im Regelfall das einzelne Kulturdenkmal – je nach Bundesland sprachlich und inhaltlich unterschiedlich – auf eine Sachgesamtheit226, eine Gesamtanlage227, ein Denkmalbereich228, eine Denkmalzone229, ein Denkmalschutzgebiet230, ein Ensemble231 oder vereinzelt auch die Umgebung232 eines Denkmals. Da wegen der föderalen Struktur der Bundesrepublik sechzehn unterschiedliche Landesdenkmalschutzgesetze existieren, soll eine vereinfachte schematische Betrachtung angestellt werden, auf deren Basis die Beurteilung erfolgen wird, ob die bestehenden Denkmalschutzgesetze der Länder prinzipiell geeignet sind, den Schutz des Welterbes zu gewährleisten. Hierzu werden sogleich die Gegenstände des Kulturerbes der UNESCO-Welterbekonvention – Denkmäler, Stätten und Ensembles – den (Kultur-)Denkmaldefinitionen der Landesdenkmalschutzgesetze zugeordnet (A.), sodann wird untersucht, ob eine Einbeziehung ohne weitere rechtliche Schritte möglich ist (B.), um in einem letzten Schritt zu überprüfen, ob das Schutzniveau der Landesdenkmalschutzgesetze den Anforderungen des UNESCO-Übereinkommens genügt (C.).

A. Die Gegenstände des UNESCO-Übereinkommens in den Landesdenkmalschutzgesetzen In Folgenden soll nun untersucht werden, ob per definitionem die Schutzgestände des Kulturerbebegriffs des UNESCO-Übereinkommens (Art. 1 WKÜ) durch die Landesdenkmalschutzgesetze geschützt werden können. Der Begriff der Legaldefinition des Art. 1 WKÜ umfasst Denkmäler, Ensembles und Stätten. I. Denkmäler Denkmäler sind nach dem Vertragstext „Werke der Architektur, Großplastik und Monumentalmalerei, Objekte oder Überreste archäologischer Art, Inschriften, 224 Martin, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 90. 225 Hönes, Zum flächenbezogenen Denkmalschutz. Anmerkungen zu Denkmalbereichen, Ensembles, Stätten und Kulturlandschaften, NuR 2004, 27 ff. 226 §§ 3 Abs. 4 und 5 DSchGNds. 227 §§ 2 Abs. 1, 19 DSchGBW. 228 § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGBrb. 229 §§ 4 Abs. 1, 5 DSchGRP. 230 §§ 2 Abs. 3, 21 DSchGSN. 231 Art. 1 Abs. 2 DSchGBY. 232 § 2 Abs. S. 2 DSchGHB.

4. Kap.: Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention

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Höhlen und Verbindungen solcher Erscheinungsformen“ die aus nachfolgend mit den Zielen des nationalen Denkmalschutzes in Übereinstimmung stehenden Gründen233 erhaltenswert sind. Werke der Architektur sind die klassischen Baudenkmale und als solche durch die Landesdenkmalschutzgesetze geschützt. Ein Schutz von Objekten oder Überresten archäologischer Art wird durch die Einbeziehung der Bodendenkmäler in die Landesdenkmalschutzgesetze gewährleistet, wo ihnen teilweise eigene Abschnitte gewidmet werden.234 Lediglich die Großplastiken sowie die Monumentalmalerei bedürfen genauerer Betrachtung hinsichtlich der Möglichkeit ihres Schutzes mittels der Landesdenkmalschutzgesetze. Dem Charakter und Sinn und Zweck des Übereinkommens nach, muss es sich bei jenen beiden Formen des Erbes um unbewegliche Gegenstände handeln.235 Dies wird durch die operational guidelines bestätigt. Diese beschreiben den Charakter der zu untersuchenden Gegenstände zwar nicht näher, belegen allerdings, dass eine Anmeldung solcher unbeweglichen Güter nicht gewünscht ist, die sich in der Zukunft wahrscheinlich zu beweglichen Gütern verändern werden.236 Erst recht kann daher auch kein von vornherein bewegliches Gut den Schutz des Übereinkommens genießen.237 Aufgrund des wesentlich weiteren Denkmalbegriffs der Denkmalschutzgesetze der Länder, die teilweise sämtliche Gegenstände, an denen (aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen) ein öffentliches Interesse an der Erhaltung besteht, für denkmalwürdig erachten,238 besteht hinsichtlich der Einbeziehung der Großplastiken sowie der Monumentalmalerei kein Hindernis. Gleiches gilt für die Inschriften in Höhlen. Die Höhle selbst könnte in einzelnen Ländern als Zeugnis der Entwicklungsgeschichte der Erde239 über die 233

Die (heimat-)geschichtlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Gründe, die für den Welterbeschutz maßgeblich sind, sind auch Grundlage sämtlicher Landesdenkmalschutzgesetze, vgl. die Synopse bei Viebrock/Martin, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 142. 234 Vgl. z. B. 3. Abschnitt – § 19 ff. – des Denkmalschutzgesetzes des Landes Hessen. Zur Sonderstellung vgl. auch Martin, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 90. Die Sonderstellung der Bodendenkmäler in den Landesdenkmalschutzgesetzen korreliert mit der Existenz von gesonderten Landesdenkmalämtern für Archäologie als Landesfachbehörden neben den Landesämtern für Denkmalpflege. Vgl. nur das Archäologische Landesamt in Schleswig-Holstein mit Sitz in Schleswig, das kein Teil des Landesamtes für Denkmalpflege in Kiel ist. 235 Siehe dazu oben unter 1. Teil, 1. Kapitel. 236 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 48: „Nominations of immovable heritage which are likely to become movable will not be considered“. 237 Offenbar anders Yusuf, Art. 1, in: Francioni (Hrsg.), The 1972 World Heritage Convention. A Commentary, S. 30, der feststellt, dass das Übereinkommen „were meant to deal mainly with the physical, non-movable dimensions of cultural heritage“ (Hervorhebung des Verfassers). 238 § 2 Abs. 1 DSchGBW; § 1 Abs. 1 DSchGBY. 239 Vgl. § 3 Abs. 2 DSchGRP.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Denkmalschutzgesetze oder aber als Naturschöpfung als Naturdenkmal und damit über die Naturschutzgesetze240 zu schützen sein. II. Ensembles Ensembles definiert das Übereinkommen als „Gruppen einzelner oder miteinander verbundener Gebäude, die wegen ihrer Architektur, ihrer Geschlossenheit oder ihrer Stellung in der Landschaft“ schützenswert sind. Der Begriff des Ensembles wird auch in einigen Landesdenkmalschutzgesetzen aufgegriffen.241 Andere verwenden diesen nicht, schützen die dahinter stehende Denkmalart jedoch trotzdem. Ensembles sind im nationalen Denkmalrecht Gruppen baulicher Anlagen242, die aus denselben Gründen wie Baudenkmäler schützenswert sind. Sie werden auch als Sachgesamtheiten243 von Baudenkmälern, als Denkmalbereich244, Denkmalzone245 oder Gesamtanlage246 in den entsprechenden Gesetzen bezeichnet. Die unterschiedliche Terminologie rührt lediglich daher, dass sich der denkmalpflegerische Fachterminus nicht in sämtlichen Gesetzen hat durchsetzen können.247 Der Schutz eines Ensembles im Sinne der Welterbekonvention ist jedoch nach sämtlichen Denkmalschutzgesetzen der Länder grundsätzlich möglich. Teilweise wird zwar die Auffassung vertreten, der Ensembleschutz sei lückenhaft, da die Erstreckung der Denkmaleigenschaft auf Lücken oder störende Gebäude nicht mit der Sozialbindung des Eigentums vereinbar sei.248 Dies ist jedoch abzulehnen, da der Ensembleschutz gerade einer Gesamtheit von Gebäuden dient, also einen Gesamteindruck schützt, und dieses auch rechtstechnisch dadurch erreicht wird, dass der Schutz sich nicht auf jedes einzelne Gebäude, sondern auf das gesamte Ensemble

240 Siehe dazu bereits oben unter 1. Teil, 1. Kapitel, C., III.; vgl. z. B. § 27 Abs. 1 NatSchGNds. 241 Z. B. § 1 Abs. 3 DSchGBY. 242 Diesen auch für den Laien klareren Begriff übernimmt das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz in § 3 Abs. 3. 243 § 2 Abs. 1 DSchGSN, wobei das sächsische Denkmalschutzgesetz jedoch auch noch zusätzlich in § 2 Abs. 4 u. a. Straßen und Ortsansichten von besonderer städtebaulicher oder volkskundlicher Bedeutung sowie nach § 21 bestimmte gesondert ausgewiesene Denkmalbereiche schützt und insofern unklar ist, ob der Begriff der Sachgesamtheit mit dem des Ensembles deckungsgleich sein kann. Für eine grundsätzliche Deckungsgleichheit Martin, in: Martin/ Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 145. 244 § 2 Abs. 3 DSchGNRW; § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGBrb. 245 §§ 4 Abs. 1, 5 DSchGRP. 246 Vgl. §§ 2 Abs. 1, 19 DSchGBW. 247 Martin, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 144. 248 Wurster, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des Öffentlichen Baurechts, D. Rn. 103.

4. Kap.: Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention

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bezieht,249 da andernfalls auch eine Vielzahl von Gebäuden eingetragen werden könnte und das Institut des Ensembleschutzes überflüssig wäre. Die Sozialbindung des Eigentums besteht daher auch in den genannten Fällen, da zum Beispiel auch der Schutz einer Lücke in einem Ensemble dem übergeordneten Ganzen dient. III. Stätten Stätten sind gemäß Art. 1 der Welterbekonvention „Werke von Menschenhand oder gemeinsame Werke von Natur und Mensch sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten, die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropologischen Gründen“ einen Wert darstellen, der nach der Konvention für erhaltenswert erachtet wird. Die aufgeführten Gründe, die für den Schutz der entsprechenden Gegenstände ausschlaggebend sind, weichen von denen bei Denkmälern und Ensembles ab. Einzig der Schutz aus geschichtlichen Gründen ist bei allen drei Denkmalarten gleich. Statt der künstlerischen und wissenschaftlichen Gründe müssen jedoch ästhetische, ethnologische oder anthropologische Gründe vorliegen. Diese stellen allerdings einen Teilbereich von Kunst und Wissenschaft dar und sind demnach unproblematisch in den Schutz der Landesdenkmalgesetze miteinzubeziehen, die diese Disziplinen als Triebfeder ihres Schutzes nennen. Stätten sind im Gegensatz zu den Ensembles und Denkmälern des Art. 1 WKÜ keine Fachtermini der Landesdenkmalschutzgesetze. Sie werden vielmehr umgangssprachlich als Oberbegriff für verschiedene Denkmalarten und -orte, so insbesondere auch solche, die sich auf der Welterbeliste befinden, gebraucht.250 Zwei Merkmale des Begriffs der Stätte stellen offenbar nur Spezifikationen der bereits zuvor eingeführten Begriffe des Denkmals und des Ensembles dar. Dabei handelt es sich um die Werke von Menschenhand sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten. Letztere sind, insofern es sich nicht um archäologische Stätten handelt, flächenbezogene Denkmalschutzbereiche, also Ensembles, und daher wie solche geschützt. Archäologische Stätten sind als Bodendenkmäler und daher, wie bereits geschildert, ebenfalls über die Landesdenkmalschutzgesetze geschützt. Bei den Werken von Menschenhand kann es sich in diesem Kontext nur um unbewegliche Werke handeln, die nicht architektonischer oder künstlerischer Art sind, da sie ansonsten den Denkmälern des Art. 1 WKÜ unterfallen würden. Vielmehr ergibt der systematische Vergleich, dass es sich bei diesen Werken um eine singuläre durch den Menschen geschaffene archäologische Begebenheit handeln muss (bspw. ein Hinkelstein), da eine in Abgrenzung zu den Gebieten archäologischer Funde sowie einzelner durch die Natur geschaffener Werke (Naturdenkmal) vorzunehmen ist. Der 249

So auch Bülow, Rechtsfragen flächen- und bodenbezogenen Denkmalschutzes, S. 253; Martin, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 92. 250 Vgl. nur die Verwendung im offiziellen Welterbe-Manual der Deutschen, Österreichischen, Schweizerischen und Luxemburgischen UNESCO-Kommission (Hrsg.), S. 16 ff.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

nationale Schutz eines solchen Werkes kann demnach über die Denkmalschutzgesetze erfolgen, die mit ihrem weiten (Kultur-)Denkmalbegriff über den Begriff der „Denkmäler“ im Sinne der UNESCO-Konvention (Art. 1) hinausgehen. Dieses belegt § 1 Abs. 1 DSchGBY eindrucksvoll, in dem er Denkmäler definiert als „von Menschen geschaffene Sachen oder Teile davon aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt“ und damit den hier zur Definition der Stätte verwendeten Terminus Werke von Menschenhand fast wörtlich wiedergibt. Anders als die bisher behandelten Aspekte der Stätte im Sinne von Art. 1 WKÜ, die unproblematisch unter den Denkmalbereich der Landesdenkmalschutzgesetze der Länder fallen und dementsprechend von diesen geschützt werden können, sind die „Werke von Natur und Mensch“ keinen bestimmten Schutznormen der Länder zuzuordnen. Unter den Werken von Natur und Mensch versteht die Konvention wie bereits oben erläutert, insbesondere die Kulturlandschaften.251 Beim Schutz von Kulturlandschaften sind verschiedene Gesetzgebungsmaterien betroffen, wie insbesondere der Naturschutz und die Landschaftspflege, für die die Abweichungsgesetzgebung gilt,252 sowie der Denkmalschutz, für den die Länder zuständig sind. Ein spezielles auf Kulturlandschaften zugeschnittenes Gesetz gibt es weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Entsprechend hat sich trotz der Rezeption des Begriffs in einigen Gesetzen noch keine einheitliche Definition im deutschen Rechtsraum herausgebildet.253 Kulturlandschaften werden in Deutschland in der Regel in den Naturschutzgesetzen254 und bis auf sehr wenige Ausnahmen nicht in den Landesdenkmalschutzgesetzen erwähnt.255 Aufgrund der andersgearteten Zielsetzung des Naturschutzes ist es jedoch von besonderer Bedeutung auch den kulturellen Aspekt, den das UNESCO-Übereinkommen nicht nur mitberücksichtigt, sondern offenbar auf-

251

Siehe oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, B., III., 2. Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG. 253 Hierzu sowie zur Definition in der Europäischen Landschaftskonvention, die Deutschland bisher weder ratifiziert noch unterschrieben hat, Hönes, Rechtliche Aspekte zum europäischen und deutschen Kulturlandschaftsschutz, in: Bauerochse/Haßmann/Ickerodt (Hrsg.), Kulturlandschaft, S. 66. 254 Der Kulturlandschaftsschutz unterfällt der Gesetzgebungszuständigkeit für den „Schutz der Natur und der Landschaftspflege“, die seit der Föderalismusreform keine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes mehr ist, sondern zur Abweichungsgesetzgebung zählt. Die Grundregelung des Bundes zum Schutz der Kulturlandschaften befindet sich in § 1 Abs. 4 BNatSchG n.F. Zur ausdrücklichen Einbeziehung des UNESCO-Übereinkommens durch ein die neuere Gesetzgebung des Bundes siehe unten unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., I., 2. 255 Eine Ausnahme bildet seit dem Jahre 2003 § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 DSchGSA. § 1 Abs. 2 und 3 DSchGSH a.F. erwähnten zwar den Begriff der Kulturlandschaft, schützten sie jedoch nicht selbst, sondern lediglich Sachen, die für die Kulturlandschaft prägend sind; ähnlich verfährt heute noch § 1 Abs. 1 DSchGBrb. 252

4. Kap.: Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention

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grund der Verortung als Kulturerbe in Art. 1 WKÜ statt als Naturerbe in Art. 2 WKÜ stärker gewichtet, auch im Rahmen der Denkmalschutzgesetze zu schützen. Es wird daher gefordert, Kulturlandschaften zu Denkmalbereichen, -zonen und -landschaften sowie zu Ensembles zu erklären.256 Doch der einzige ausdrückliche Ausnahmefall der Einbeziehung einer Kulturlandschaft als Denkmalbereich in den Schutz eines Landesdenkmalschutzgesetzes belegt indirekt, dass dieses ein umstrittener Weg ist. Ein Verwaltungsgericht hatte nämlich zuvor genau diese vorgeschlagene Einbeziehung abgelehnt,257 was dazu führte, dass der entsprechende Landesgesetzgeber sich veranlasst sah, eine Gesetzesänderung vorzunehmen, die die Ergänzung des Denkmalschutzes um die Belange des Kulturlandschaftsschutzes ausdrücklich festschrieb.258 Nichtsdestotrotz erscheint es richtig, Denkmalbereiche als einen Anknüpfungspunkt für den Schutz von Kulturlandschaften anzuerkennen, insbesondere da neue Denkmalschutzgesetze den Ausgangspunkt eines Denkmalbereichs nicht mehr ausschließlich in den baulichen Anlagen sehen,259 sondern auch Grün-, Frei- und Wasser- neben Wirtschaftsflächen dazu vorsehen.260 Konkret bedeutet dies, dass Kulturlandschaften zumindest dann (auch) über die Landesdenkmalschutzgesetze geschützt werden können und müssen, wo dies der Wortlaut zulässt. Da es nicht nur verschiedene Formulierungen in den Landesdenkmalschutzgesetzen gibt, sondern auch verschiedene Arten von Kulturlandschaften,261 muss eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden. Einen prominenten Fall einer auf der UNESCO-Liste verzeichneten Kulturlandschaft liefert das Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Dieses war nach richtiger Auffassung unter Einbeziehung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes bereits in seiner Eigenschaft als Gartenanlage – wenn auch besonderen Ausmaßes – von § 2 Abs. 2 Nr. 1 DSchGSA geschützt, der ausdrücklich „auch Garten-, Park- und Friedhofsanlagen“ zu (schützenswerten) baulichen Anlagen erklärt.262 Nach Negierung dieser Möglichkeit durch das zuständige Verwaltungsge-

256 Hönes, Rechtsfragen zur Erhaltung von Kulturlandschaft, in: Bund Heimat und Umwelt in Deutschland (Hrsg.), Erhaltung der Natur- und Kulturlandschaft, S. 80. 257 VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, abgedruckt in: LKV 2002, 478 ff. Die Möglichkeit der Einbeziehung als Denkmalzone bejahend jedoch kritisch zur Möglichkeit der Einbeziehung als „Garten- [oder] Parkanlage“ im Sinne des Gesetzes Hönes, Baudenkmal und Denkmalbereich am Beispiel des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs, LKV 2001, 438 ff. 258 Vgl. Ergänzung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGSA, SA GVOBl. 2003, S. 333. 259 So noch § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGSA. 260 § 2 Abs. 6 DSchGSaarl; dazu auch Hönes, Gesetzliche Regelungen zum Schutz von Flächendenkmalen, BuS 2007, 66 (70). 261 Siehe bereits allein die von den UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 47 aufgezählten Arten. Vgl. dazu oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, B., III., 2., b). 262 Siehe dazu ausführlich unten unter 3. Teil, 1. Kapitel, A.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

richt hat der Landesgesetzgeber den Schutz von Kulturlandschaften in § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGSA ausdrücklich festgeschrieben.263 Einen weiteren Fall, der ebenfalls rechtliche Bedeutung erlangen sollte, stellt die Kulturlandschaft „Dresdner Elbtal“ dar. Diese war bis zu ihrer Streichung im Jahre 2009 ebenfalls auf der Liste des UNESCO-Welterbes eingetragen. Das Landesdenkmalgesetz des Freistaates Sachsen schützt Kulturlandschaften nicht explizit, sieht jedoch die Möglichkeit der Ausweisung von Denkmalbereichen vor.264 Eine solche Ausweisung ist jedoch nicht erfolgt. Demnach konnten nur die einzelnen Baudenkmale und ihre Umgebung eine Schutzwirkung für die Kulturlandschaft entfalten. Derartige Belange wurden jedoch im Planfeststellungsverfahren seitens der zuständigen Behörden nicht geltend gemacht265 und auch die Verwaltungsgerichte haben sie nicht berücksichtigt.266 Vielmehr wurde die Wirkung, die die Welterbekonvention über den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes auch auf die Auslegung des Begriffs „Kulturdenkmal“ im Sinne des sächsischen Landesdenkmalschutzgesetzes hat, verkannt.267 Im Jahre 2002 hat die UNESCO das Obere Mittelrheintal in Rheinland-Pfalz in die Liste des Welterbes eingetragen.268 Das Land Rheinland-Pfalz lässt Kulturlandschaften in seinem Landesdenkmalschutzgesetz zwar ebenfalls keinen ausdrücklichen Schutz zukommen. Bei der Novellierung des Gesetzes am 26. 11. 2008 wurde jedoch eine neue Verpflichtung aufgenommen, wonach „das Land, der Bund, die Gemeinden und Gemeindeverbände und alle Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (…) bei ihren Maßnahmen und Planungen, insbesondere bei der Bauleitplanung, die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die Verpflichtung zur Bewahrung des Kulturerbes gemäß dem UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November zu berücksichtigen“ haben.269 Diese Formulierung ist die weitest gehende und war neben der sachsen-anhaltinischen Bestimmung überhaupt erst die zweite in einem Landesdenkmalschutzgesetz, die einen ausdrücklichen Verweis auf

263

Zu diesem Rechtsstreit, vgl. unten unter 3. Teil, 1. Kapitel, A. §§ 2 Abs. 3 Nr. 2, 21 Abs. 1 DSchGSN. 265 Landesamt für Denkmalpflege, Stellungnahme vom 08. 04. 2003, zitiert in: OVG Bautzen, Beschluss vom 09. 03. 2007, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). Siehe des Weiteren unten unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., I. 266 Wegen der Präklusionswirkung des Planfeststellungsbeschlusses, der selbst nicht angegriffen wurde, ging es in dem Rechtsstreit nicht unmittelbar um die Einbeziehung der „Kulturlandschaft“ in das sächsische Denkmalschutzgesetz, sondern um die Frage, ob die Vollziehung des durchgeführten Bürgerentscheides unter Inkaufnahme des Verstoßes gegen die Welterbekonvention rechtmäßig war. Siehe dazu ausführlich unten unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., II. 267 Vgl. dazu unten unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., 3. 268 Abrufbar unter: http://www.unesco.de/319.html (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 269 § 2 Abs. 3 DSchGRP. 264

4. Kap.: Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention

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das Übereinkommen vorsah und darüber hinaus noch Verpflichtungen konzediert.270 Nicht zuletzt deshalb ist es – anders als in Dresden – auch gelungen, die Planungen für eine Brückenquerung derart zu gestalten, dass es in Absprache mit dem Welterbekomitee zu einer welterbeverträglichen Lösung gekommen ist.271 Der Muskauer Park ist die dritte von der UNESCO gelistete Kulturlandschaft auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Genauer gesagt wurde er im Jahre 2004 als grenzüberschreitendes Welterbe auf Antrag Polens und der Bundesrepublik auf der Liste eingetragen, da er sich sowohl auf dem Gebiet des Landes Brandenburg als auch auf polnischem Territorium befindet.272 Das Denkmalschutzgesetz des Landes Brandenburg verfügt anders als das der Länder Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz (und neuerdings auch Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg) über keine ausdrückliche Inbezugnahme der Welterbekonvention. Eine Berücksichtigung ist mithin im Rahmen der Denkmalschutzgesetzgebung nur als „gärtnerische Anlage oder sonstige von Menschen gestaltete[r] Teil […] von Landschaften mit ihren Pflanzen, Frei- und Wasserflächen (Gartendenkmal)“ nach der hier vertretenen Auffassung möglich und sogar geboten. Etwas differenzierter muss die Lage bei den industriellen Kulturlandlandschaften betrachtet werden. Dabei soll zunächst einmal herausgestellt werden, dass die Zeche Zollverein in Essen, trotz ihrer Eigenschaft als Teil der industriellen Kulturlandschaft Ruhrgebiet,273 nicht als Kulturlandschaft in die UNESCO-Welterbelandschaft eingetragen wurde.274 Das Welterbekomitee sah auf Vorschlag der advisory bodies vielmehr nur die Kriterien ii und iii275 für gewöhnliches Kulturerbe erfüllt.276 Es betonte mit dieser Eintragung mithin nur das bauhistorische Erbe des Zechengeländes und und nicht die Prägung der Landschaft durch den Menschen und verbannte darüber hinaus die die Zeche umgebenden Siedlungen in die Pufferzone.277 Nichtsdestotrotz ist diesem Erbe jedoch ein größtmögliches Schutzniveau zu gewähren. Das heißt, dass Aspekte der Landschaft, soweit das Landesdenkmalschutz 270

Zur zwischenzeitlich erfolgten, weiteren Aufnahme des Welterbeschutzes in Denkmalschutzgesetzen der Länder siehe unten unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., II. 271 Holl, Endlich visuell akzeptabel, FAZ vom 31. 07. 2010, S. 4. 272 Abrufbar unter http://www.unesco.de/321.html (zuletzt aufgerufen:15. 10. 2015). 273 Ringbeck, Industrielles Erbe als Basis der Kulturlandschaft, KM II/1999, 17 (17); dies., Welterbe Zollverein – Wozu verpflichtet die UNESCO-Konvention? DPfliR 2005, 104 (104). 274 Die Eintragung erfolgte im Jahre 2001, UNESCO WHC-01/CONF.208/24, Decision 25COM X.A. 275 Vgl. zu den hinter den Abkürzungen stehenden Kriterien die Nachweise oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, B., I., 1., a). 276 Ringbeck, Welterbe Zollverein – Wozu verpflichtet die UNESCO-Konvention? DPfliR 2005, 104 (104). 277 Ringbeck, Welterbe Zollverein – Wozu verpflichtet die UNESCO-Konvention? DPfliR 2005, 104 (104); Machat, Die Siedlungen des „Welterbes Zollverein“, DPfliR 2005, 107 (110), sieht als Grund für die Verdrängung der Siedlungen in die Pufferzone vielmehr deren „städtebaulichen Verdichtungen“.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

sie erfasst, durchaus über dieses zu schützen sind, obwohl eine Eintragung als (Kultur-)Landschaft gar nicht erfolgt ist, da die Welterbekonvention nicht vorgibt, bestimmte Kriterien, aufgrund derer ein Gut gelistet ist, zu schützen, sondern das Gut an sich. Und ein umfassender Schutz erfasst auch Aspekte der (industriellen) Landschaft. Das Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, das für den Bereich der Zeche Zollverein gilt, bezieht als landesrechtliche Besonderheit auch „die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse“278 als Begründung eines öffentlichen Interesses für die Erhaltung der dort definierten Denkmäler ein.279 Damit präzisiert es jedoch nur den geschichtlichen Schutzzweck der Denkmalschutzgesetze anderer Länder. Ein darüber hinaus gehender Schutz wird nicht erreicht. Auch einen Flächenbezug liefert die Vorschrift nur in dem durch die Denkmalschutzgesetze üblichen Maße. Dieses ist jedoch hinreichend für den Schutz eines Industriedenkmals. Ein Schutz als Landschaft,280 ist wegen des Umgebungsschutzes des Denkmalrechts überflüssig und erscheint für das konkrete als Kernzone eingetragene Zechengelände wegen seiner vergleichsweise geringen Ausdehnung (verglichen mit den Park- und Gartenlandschaften) auch unsachgemäß.281 Ein hinreichender Schutz der in der Pufferzone befindlichen Siedlungen wird ferne darüber erreicht, dass diese jeweils zusätzlich als Einzeldenkmale nach dem Landesdenkmalrecht geschützt werden.282 Etwas anderes gilt für die übrigen industriellen Kulturlandschaften, die die Bundesrepublik hat auf der Welterbeliste eintragen lassen. Der Rammelsberg283 in Verbindung mit der Altstadt von Goslar sowie dem Harzer Wasserregal werden mittlerweile ausdrücklich als Welterbe über das novellierte niedersächsische Denkmalschutzgesetz geschützt.284

278

§ 2 Abs. 1 S. 2 DSchGNRW. Ringbeck, Industrielles Erbe als Basis der Kulturlandschaft, KM II/1999, 17 (17). 280 Wie er, losgelöst von den tatsächlichen Verpflichtungen der Welterbekonvention von Ringbeck, Industrielles Erbe als Basis der Kulturlandschaft, KM II/1999, 17 ff., verlangt wird. 281 Vielmehr erscheint eine Einordnung als Denkmalbereich als mit den landesrechtlichen Vorgaben von vornherein besser vereinbar. Vom Grundsatz wohl anders im Ergebnis jedoch wie hier Machat, Die Siedlungen des „Welterbes Zollverein“, DPfliR 2005, 107 (111), der bei einer Versagung des Schutzes als integrativer Industrielandschaft mangels bekundeten Interesses der UNESCO zumindest die prägenden Siedlungen in der Umgebung der Zeche, die die Pufferzone des Welterbes bilden, als Denkmalbereich schützen lassen möchte. Ebenso Walgern, Die industrielle Kulturlandschaft Zollverein – Pufferzone der Welterbestätte, DPfliR 2005, 112 (113). 282 Ringbeck, Welterbe Zollverein – Wozu verpflichtet die UNESCO-Konvention? DPfliR 2005, 104 (106). 283 Als erster Teil der heutigen Welterbestätte 1992 zusummen mit der Goslarer Altstadt in die Welterbeliste eingetragen, UNESCO WHC-92/CONF.002/12, Decision 16COM X.A. 284 Siehe zu den Neuerungen für das Welterbe durch die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes des Landes Niedersachsen unten unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., II., 3. 279

4. Kap.: Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention

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Die Völklinger Hütte, die seit 1994 in der Welterbeliste verzeichnet ist,285 verfügt bislang noch nicht über einen derartigen ausdrücklichen Schutz als Welterbe mittels des anzuwendenden saarländischen Denkmalschutzgesetzes. Sie besitzt auch eine gewisse Flächigkeit, so sind sechs Hektar als Kernzone eingetragen, und ist damit prinzipiell mit den oben erwähnten Parklandschaften vergleichbar. Eine Subsumierung unter die „Garten-, Park- und Friedhofsanlagen“ des § 2 Abs. 2 Nr. 3 DSchGSaarl würde freilich dessen Wortlaut überdehnen, da bei diesen Anlagen eindeutig die kultivierte Natur im Vordergrund steht. Das Gesetz lässt jedoch einen Schutz als Denkmalbereich gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 3 DSchGSaarl zu, da hierzu auch „Wirtschaftsflächen und -anlagen“ zählen.286 Einige der übrigen Denkmalschutzgesetze in Ländern, in denen bislang noch keine Kulturlandschaft in die Welterbeliste eingetragen wurde, schützen „vom Menschen gestaltete Landschaftsteile“ bzw. „Teile von Landschaften“.287 Diese Formulierung, die nahezu deckungsgleich mit derjenigen des UNESCO-Übereinkommens ist, mithilfe derer die Kulturlandschaften (ohne ihre ausdrückliche Erwähnung) in den Schutzbereich des Übereinkommens einbezogen werden, bietet sich ebenfalls zu einer völkerrechtskonformen Interpretation dahingehend an, dass der Begriff des Landschaftsteils so weit zu verstehen ist, dass er so groß werden kann, dass man ganze (Kultur-)Landschaften darunter verstehen muss.

B. Unterschutzstellung Zu erörtern ist jedoch noch, ob den Schutzgütern der Welterbeliste oder solchen, die auf der nationalen Vorschlageliste verzeichnet sind, per se ein Schutz über die Denkmalschutzgesetze zukommt, oder ob es dazu noch eines weiteren Aktes der Gesetzgebung oder Verwaltung bedarf. I. Regelungen der Landesdenkmalschutzgesetze Dabei ist zunächst das unterschiedliche Verfahren der Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern in den einzelnen Bundesländern bedeutsam. Was die unterschiedlichen Denkmalarten, also Bau-, Boden- oder sonstige und dabei insbesondere bewegliche Denkmäler betrifft, so kombinieren die Länder sogar die beiden exis-

285

UNESCO WHC-94/CONF.003/16, Decision 18COM.XI. Hingegen möchte Föhl, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 156, einen entsprechenden Schutz der Stätte offenbar über die Einordnung der Hütte als Baudenkmal und einen dazugehörigen Umgebungsschutz erreichen. 287 Unter anderem § 1 Abs. 2 S. 2 DSchGSH, § 2 Abs. 2 DSchGBrb. Weitere Beispiele zitiert Hönes, Die historische Kulturlandschaft in der Gesetzeslandschaft, DSI 2003, 62 (69). 286

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

tierenden Modelle.288 Diese Untersuchung soll sich jedoch auf den Hauptanwendungsfall für die UNESCO-Konvention, die Baudenkmäler konzentrieren.289 Beim ersten Verfahren, das in den meisten Bundesländern gilt,290 gewähren die Denkmalschutzgesetze den Denkmälern in ihrem Anwendungsbereich durch eine Generalklausel bereits einen Schutz, wenn lediglich objektiv die Denkmaleigenschaften des jeweiligen Gesetzes erfüllt werden.291 Eine bloß bestätigende Feststellung der Denkmaleigenschaft erfolgt in diesen Ländern nachrichtlich durch eine Mitteilung der jeweils zuständigen Behörde (oder die Eintragung des Denkmals in ein Denkmalbuch),292 weshalb auch von einem sog. nachrichtlichen (oder ipso-iure-) Verfahren gesprochen wird.293 Im Gegensatz dazu ist die Mitteilung (in Form eines Verwaltungsaktes) oder entsprechende Eintragung in das Denkmalbuch in einigen Ländern konstitutiv für die Gewährung des mit der Denkmaleigenschaft verbundenen Schutzes (sog. Eintragungsprinzip/Classement-System).294 In letzterem Fall haftet die Denkmalfähigkeit selbst der Sache zwar ebenfalls schon aufgrund einer Generalklausel im jeweiligen Denkmalschutzgesetz an.295 Zur 288

Vgl. die Nachweise bei Viebrock, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 157. 289 Anzumerken ist, dass die einzig bedeutsame Abweichung beim System der Unterschutzstellung der Bau- und Bodendenkmäler innerhalb des jeweiligen Landesdenkmalschutzgesetzes in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen ist, in dem Bodendenkmäler trotz des grundsätzlichen Eintragungsprinzips schon qua Generalklausel geschützt werden. 290 Faber du Faur, Der Begriff des öffentlichen Erhaltungsinteresses im Denkmalschutzrecht, S. 2; Franzmeyer-Werbe, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des nachrichtlichen Listensystems im Denkmalschutzrecht, DÖV 1996, 950 (950); Viebrock, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 157; Otting, Wann ist ein Bauwerk ein Denkmal?, DS 2004, 132 (133); Moench/Otting, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts (Teil 1), NVwZ 2000, 146 (153); anders als noch vor gut 25 Jahren, dazu Hönes, Zur Zweistufigkeit des Denkmalschutzverfahrens, NVwZ 1986, 190 (190). 291 Hammer, Verfassungsrechtliche Grenzen des Denkmalschutzes, NVwZ 2000, 46 (46). 292 Siehe nur § 5 DSchGNds; Art. 2 DSchGBY; jetzt auch § 3 DSchGBrb. Siehe dazu Buchholz/Koch, Das neue Brandenburgische Denkmalschutzgesetz, LKV 2005, 394 (395). Ebenso ist Thüringen zum deklaratorischen System übergegangen (§ 4 DSchGTh); dazu Peter, Das neue Thüringer Denkmalschutzgesetz und seine wesentlichen Neuerungen, LKV 2006, 449 (449 f.). 293 Zur Verfassungsmäßigkeit des nachrichtlichen Systems insbesondere im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und die Rechtsschutzgarantie, kritisch: Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, S. 150 ff. und S. 269; Niebaum/Eschenbach, Von der Angst, ein Denkmal zu besitzen, DÖV 1994, 12 (22); bejahend: Franzmeyer-Werbe, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des nachrichtlichen Listensystems im Denkmalschutzrecht, DÖV 1996, 950 (955); Wurster, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des Öffentlichen Baurechts, D. Rn. 129a; Hammer, Das Schutzsystem der deutschen Denkmalschutzgesetze, JuS 1997, 971 (974); BVerwG LKV 1998, 150 (151); OVG Berlin, LKV 1998, 152 ff. 294 Vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 DSchGNRW, § 6 Abs. 3 DSchGHH. 295 Lund, Anforderungen an Denkmalschutzobjekte, NordÖR 2008, 293 (293); Wurster, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des Öffentlichen Baurechts, D. Rn. 121. Für die Rechtmäßigkeit des Wechsels des Hessischen Schutzsystem zum ipso-iure-system Steinberg,

4. Kap.: Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention

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Erzielung einer höheren Rechtssicherheit verlangen die Gesetze zur Zurverfügungstellung eines entsprechenden Schutzes jedoch zusätzlich die Feststellung der Denkmaleigenschaft, das heißt der Fähigkeit und Würdigkeit,296 durch einen förmlichen Akt297, der publiziert wird.298 In einem einzelnen Bundesland wird hingegen auch eine Kombination dieser beiden Modelle bei einer einzigen Denkmalart verwendet.299 Hier werden unbewegliche Kulturdenkmale zwar grundsätzlich per Gesetz schon geschützt (nachrichtliches System), können jedoch bei Feststellung der besonderen Bedeutung durch Eintragung in das Denkmalbuch einen erweiterten Schutz erlangen (konstitutives System).300 II. Bedeutung für das UNESCO-Welterbe Nunmehr soll der im Regelfall akademischen Frage nachgegangen werden, wie ein landesdenkmalrechtlicher Schutz erreicht werden kann, wenn eine bestimmte Stätte zwar auf der nationalen Vorschlagsliste oder gar auf der Welterbeliste eingetragen ist, eine landesdenkmalrechtliche (deklaratorische oder konstitutive) Eintragung jedoch unterblieben ist. In denjenigen Ländern, die das nachrichtliche System anwenden, können und müssen die auf der Welterbe- oder der Vorschlagsliste verzeichneten Denkmäler unter die Denkmaldefinition des jeweiligen Gesetzes subsumiert und damit ein entsprechenden Schutz begründet werden.301 In denjenigen Ländern, die das Eintragungsprinzip anwenden, ist die Situation schwieriger zu beurteilen, sollte eine solche Eintragung nicht erfolgt sein. Inhaltlich dürften am Vorliegen der Denkmaleigenschaft nach dem Landesrecht keine Zweifel bestehen, wenn – wie in der Praxis üblich – die Stätte auf eigenes Verfassungsfragen des ipso-iure-Systems im Hessischen Denkmalschutzgesetz, NVwZ 1992, 14 ff. 296 Zu diesen Voraussetzungen Hammer, Die geschützten Denkmale der Landesdenkmalschutzgesetze, DÖV 1995, 358 ff. 297 Der stellt bei Denkmalbereichen in der Regel kein Verwaltungsakt, sondern eine Satzungen der Gemeinde, vgl. § 3 Abs. 1 S. DSchGNRW, oder Rechtsverordnung des zuständigen Landesministeriums dar, vgl. § 5 Abs. 4 S. 1 DSchGSH a.F. und nunmehr ebenso in § 19 Abs. 1 DSchGSH n.F. 298 Hönes, Zur Zweistufigkeit des Denkmalschutzverfahrens, NVwZ 1986, 190 (190); vgl. auch Wurster, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des Öffentlichen Baurechts, D. Rn. 127. 299 §§ 2, 8, 12 DSchGBW. 300 § 12 Abs. 1 DSchGBW. 301 Bei der Beurteilung der Denkmaleigenschaft steht der Behörde nach keinem Verfahren ein Einschätzungsspielraum zur Verfügung, Moench/Otting, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts (Teil 1), NVwZ 2000, 146 (147); Viebrock, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 158.

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Betreiben des Landes hin auf die Vorschlagsliste aufgenommen wurde. Das gilt erst recht, wenn nachfolgend bereits eine Eintragung in die Welterbeliste erfolgt ist, da die Denkmalfähigkeit als Minus zum außergewöhnlichen universellen (Denkmal-) Wert dann sogar von einer Internationalen Organisation mit weltweiter Kompetenz und Expertise anerkannt wurde. Verfahrenstechnisch erfolgt eine Meldung einer solchen Stätte bei der UNESCO stets durch die/den zuständige/n Landesminister/in über die Kultusministerkonferenz, das heißt durch die Obersten Landesbehörde, die die Fach- und Rechtsaufsicht für den Denkmalschutz ausübt. Auch formell erfolgt eine Eintragung in eine Liste. Der einzige augenscheinliche Unterschied zum in den Denkmalgesetzen festgeschriebenen Unterschutzstellungsverfahren ist der Ort der Eintragung. Es ist nicht das Denkmalbuch bzw. die Liste der jeweiligen Kommune oder des Landes,302 sondern die UNESCO-Welterbeliste. Dass dieses für einen Schutz einer eingetragenen oder vorgeschlagenen Stätte nach dem jeweiligen Landesdenkmalschutzgesetz nicht ausreichen soll, ist nicht nachzuvollziehen. Denn der Sinn und Zweck des landesrechtlichen Listensystems ist insbesondere die erhöhte Publizität der Denkmaleigenschaft sowie die Rechtssicherheit der Eintragung für Bürger und Verwaltung.303 Diese beiden Ziele werden jedoch auch mit der Eintragung in die UNESCO-Welterbeliste erreicht. Die Liste ist ein sogar weltweit anerkanntes Instrumentarium zum Schutz von Kulturgütern. Abgesehen von der örtlichen Werbung insbesondere des Fremdenverkehrs mit dieser als Auszeichnung verstandenen Eintragung kann sie jederzeit im Internet nachvollzogen werden. Die Publizitätswirkung dieser Art der Eintragung ist damit sogar noch größer als diejenige der Eintragung in ein Denkmalbuch. Auch die damit verbundene Rechtssicherheit kann als größer bezeichnet werden, da zur Aufnahme auf die Welterbeliste der UNESCO sich jede Stätte einer aufwendigen Evaluierung renommierter Experten einer nicht nur nationalen, sondern sogar internationalen Fachorganisation (ICOMOS, IUCN) unterziehen muss und es schlicht nicht vorstellbar ist, dass ein von einer solchen Organisation entsprechend als mit einem außergewöhnlichen universellen Wert evaluiertes Denkmal, den Anforderungen eines Landesgesetzes in einem gerichtlichen Verfahren nicht Stand halten könnte.304 Bei Gütern, die erst auf der nationalen Vorschlagsliste verzeichnet sind, muss das eben Gesagte entsprechend gelten. Es ist widersinnig anzunehmen, dass eine Oberste Landesbehörde einen Vorschlag in einem Gremium gegenüber weiteren Obersten Landesbehörden durchsetzt, welcher landesrechtlich nicht den gesetzlichen Denk-

302 Oder bei Denkmalbereichen die veröffentliche Satzung einer Gemeinde oder das Gesetzund Verordnungsblatt eines Landes insofern die Festsetzung per Rechtsverordnung erfolgt. 303 Wurster, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des Öffentlichen Baurechts, D. Rn. 127. 304 Zum Rechtsschutz gegen die Unterschutzstellung eines Denkmals Wurster, in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des Öffentlichen Baurechts, D. Rn. 140 ff.

4. Kap.: Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention

225

malcharakter aufweist. Auch die Vorschlagsliste der Kultusministerkonferenz ist im Internet abrufbar und entsprechend hinlänglich publiziert.305

C. Reichweite des Schutzes Die Rechtsfolgen der Unterschutzstellung von Kulturdenkmalen nach den einzelnen Landesdenkmalschutzgesetzen sind unterschiedlich. Als Kernbereich des Schutzes lassen sich jedoch die Erhaltungs- und Instandsetzungspflicht sowie die Genehmigungspflicht für geplante Veränderungen (Erlaubnispflicht) für den jeweiligen Eigentümer eines Denkmals ausmachen.306 Diese versetzen die Denkmalschutzbehörden im Rahmen der gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Grenzen in die Lage, für den Substanzschutz des eingetragenen Erbes Sorge zu tragen.307 Neben diesem Substanzschutz, also dem „Schutz und der Erhaltung in Bestand und Wertigkeit“308 des jeweiligen Erbes, hat das Welterbekomitee in seinen operational guidelines jedoch auch Vorschriften für die Grenzen309 einer Welterbestätte sowie für Pufferzonen310 zum Schutz der Wirkung einer Stätte in ihrer Umgebung festgelegt.311 Diesen Schutz der Umgebung eines Denkmals müssten auch die nationalen Denkmalschutzgesetze gewährleisten können. Der Terminus „Umgebung“ kommt in den meisten Landesdenkmalschutzgesetzen vor.312 Umgebung im Sinne dieser Gesetze meint zuvörderst einen unbedingt zu schützenden Raum im Nähebereich eines Denkmals, obwohl dieser häufig selbst an sich keinen Denkmalwert verkörpert.313 305 Vorschlagsliste der Kultusministerkonferenz, abrufbar auf den Seiten der UNESCO unter: http://whc.unesco.org/en/tentativelists/state=de (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015) und auf den Seiten der Kultusministerkonferenz mit deutscher Übersetzung unter http://www.unesco. de/tentativliste.html (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 306 Moench/Otting, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts (Teil 2), NVwZ 2000, 515 (516 ff.); Martin, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 85; Hammer, Das Schutzsystem der deutschen Denkmalschutzgesetze, JuS 1997, 971 (974). 307 Zu den Grenzen Hammer, Das Schutzsystem der deutschen Denkmalschutzgesetze, JuS 1997, 971 (975). 308 Art. 4 WKÜ. 309 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 99 bis 102. 310 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 103 bis 107. 311 Zu den Gründen, weshalb die Festlegung nicht schon im Übereinkommenstext selbst erfolgte, Machat, in: Weltkulturerbe und Umgebungsschutz, in: Schädler-Saub (Hrsg.), Weltkulturerbe Deutschland, S. 148. 312 Hönes, Der Schutz der Umgebung an Beispielen aus der Rechtsprechung zum Denkmalrecht, DSI 2001, 43 (43). 313 Hönes, Der Schutz der Umgebung an Beispielen aus der Rechtsprechung zum Denkmalrecht, DSI 2001, 43 (44).

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2. Teil: UNESCO-Welterbeübereinkommen als völkerrechtlicher Vertrag

Teilweise bestimmen die Denkmalschutzgesetze abstrakt, dass Bereiche um Denkmale Umgebungsschutz genießen.314 Teilweise wird die Umgebung selbst zum Teil des Denkmals erklärt315 und entsprechend eingetragen. Ferner besteht die Möglichkeit nach einigen Gesetzen, die Umgebung als Denkmalbereich einzutragen und zu schützen.316 Eine Quantifizierung des Schutzes in einer Maßeinheit ist pauschal selbstredend nicht möglich, da die Umgebung von Art und Größe des zu schützenden Denkmals selbst abhängig ist.317 Ein grundsätzlicher Schutz der Umgebung der geschützten Denkmale ist mithin in allen Ländern gegeben.318 Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob dieser nationale Umgebungsschutz auch den „Grenzen“ sowie der „Pufferzone“ entspricht, die die operational guidelines zum Schutz der Stätten nach internationalem Recht fordern. Die Frage ist mithin, wie weit der Schutz der Umgebung nach den Landesdenkmalschutzgesetzen reicht und ob dieser zunächst mit den „Grenzen“ im Sinne der operational guidelines319 identisch ist. Nach Nr. 99 der guidelines ist jedoch unter „Grenzen“ nur derjenige Bereich als umfasst gemeint, der „den außergewöhnlichen, universellen Wert des Gutes unmittelbar physisch zum Ausdruck bringt“.320 Er deckt sich damit mit dem allgemeinen Wortsinn der „Grenze“, die jedoch regelmäßig wegen des Bestimmtheitsgebotes des Grundgesetzes bei der Festlegung dessen, was das Denkmal selbst darstellt, anzugeben ist. Es handelt sich dabei somit nur um die Forderung nach der Festlegung des konkreten (Schutz-)Raumes des Denkmals an sich und nicht um den Umgebungsschutz nach deutschem Recht. Somit bleibt lediglich zu klären, ob der deutsche Umgebungsschutz den Anforderungen der guidelines an Pufferzonen genügen kann. Dies scheint auf den ersten Blick problematisch, da die deutschen Gesetz teilweise, wie gezeigt, Umgebung als Teil des Denkmals selbst sehen und der im deutschen Denkmalschutzrecht ungebräuchliche Begriff der Pufferzone nach allgemeinem Sprachgebrauch nahelegt, ein Gebiet zu meinen, dass gerade kein Teil des Denkmals selbst mehr sein kann, sondern vielmehr einen (Schutz-)Abstand dazu schafft. Jedoch sollen gemäß den guidelines Pufferzonen das „unmittelbare Umfeld des angemeldeten Gutes, wesentliche Sichtachsen, und andere Gebiete oder Merkmale umfassen, die eine wichtige praktische Rolle spielen, um das Gut und seinen Schutz zu unterstützen“.321 Das 314

§ 2 Abs. 3 DSchGBrg. § 2 Abs. S. 2 DSchGHB; § 2 Abs. 3 Nr. 1 DSchGBW. 316 § 2 Abs. 3 DSchGNRW. 317 Weber, Instrumente und Grenzen des Umgebungsschutzes bei Baudenkmälern, S. 72 f. Dort auch zu den einzelnen Begrifflichkeiten bei der Eingrenzung der Umgebung. 318 Auf die Vielzahl der unterschiedlichen Schutzmöglichkeiten weist hin: Martin, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 92; Hönes, Der Schutz der Umgebung an Beispielen aus der Rechtsprechung zum Denkmalrecht, DSI 2001, 43 (44). 319 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 99 bis 100. 320 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 100. 321 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. 315

4. Kap.: Berücksichtigung des Kulturerbes der Welterbekonvention

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jedoch ist genau die Funktion, die im deutschen Recht der Umgebungsschutz einnimmt, der zwar je nach Bundesland über unterschiedliche Instrumente erreicht wird, jedoch auch diesem Ziel dienen kann.322 Entsprechend wird man den auslegungsfähigen, unbestimmten Rechtsbegriff der „Umgebung“ entgegen der im nationalen Recht gebräuchlichen Auslegungspraxis zumindest aufgrund des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit so weit interpretieren müssen, dass er auch die weitere Umgebung im Sinne einer Pufferzone des UNESCO-Welterbeschutzes umfasst. Hierbei darf nicht verschwiegen werden, dass eine extensive Auslegung nicht unproblematisch ist. Es soll daher an dieser Stelle betont werden, dass ein entsprechender Schutz über eine völkerrechtsfreundliche Interpretation der „Umgebung“ bei bestehenden Welterbestätten (für die bislang keine gesonderte Pufferzone durch Einzelfallregelungen geschaffen wurde) de lege lata erreicht werden kann.323 Dieses ist im Sinne einer frühzeitigen Vermeidung potentieller Konflikte durch rechtzeitige Schaffung spezieller Schutzzonen (beispielsweise durch das Planungsrecht324) nur eine mögliche, wegen der Weite und damit schwierigen Bestimmbarkeit des völkerrechtlichen Begriffs allerdings generell keine wünschenswerte Lösung. Es ist daher vielmehr zu verlangen, dass das Welterbekomitee seine eigenen guidelines zukünftig ernster nimmt und die spezifische Ausweisung einer Pufferzone tatsächlich auch als Voraussetzung einer entsprechenden Aufnahme eines Gutes auf die Welterbeliste erachtet.

322 Vgl. Martin, in: Martin/Krautzberger (Hrsg.), Denkmalschutz und Denkmalpflege, S. 92; Weber, Instrumente und Grenzen des Umgebungsschutzes bei Baudenkmälern, S. 74 ff. 323 Dies offenbar ablehnend Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 64 und 244. 324 Ringbeck, in: Deutsche UNESCO-Kommission (Hrsg.), Managementpläne für Welterbestätten, S. 30, verweist auf Satzungen und Bebauungspläne; Machat, Weltkulturerbe und Umgebungsschutz, Ausweisung von Pufferzonen, in: Schädler-Saub (Hrsg.), Weltkulturerbe Deutschland, S. 148 f., verlangt die Einbeziehung der Puffer in gesondert einzurichtende Denkmalzonen bzw. -bereiche.

3. Teil

Das UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis der Bundesrepublik Deutschland In diesem Teil soll die praktische Handhabung des Welterbeübereinkommens in der Bundesrepublik untersucht werden. Es soll dabei der Leitfrage nachgegangen werden, ob Rechtsprechung und Verwaltung in Deutschland tatsächlich sowohl den im ersten Teil der Arbeit ermittelten Schutz bieten, den die Konvention verlangt, als auch ob der im zweiten Teil dargelegte Schutzstandard, den der nationale Rechtsrahmen gewährt, hierfür ausreicht und welche Schlussfolgerungen daraus für die zukünftige Entwicklung des Welterbeschutzes in der Bundesrepublik zu ziehen sind. Dazu wird im ersten Kapitel dieses dritten Teiles die Rechtsprechung der deutschen Gerichte zum Welterbe anhand der verfügbaren Fallbeispiele analysiert werden. Im folgenden zweiten Kapitel wird die Praxis der Verwaltung mittels konkreter Beispiele betrachtet werden. Im dritten Kapitel sollen dann sowohl Vorschläge für eine Verbesserung des Welterbeschutzes auf nationaler Ebene dargestellt als auch erste legislative Ansätze untersucht werden. Im abschließenden vierten Kapitel wird nach einer Analyse der bereits im Schrifttum publizierten Vorschläge und Lösungsansätze im Lichte der in den ersten beiden Kapiteln ermittelten Untersuchungsergebnisse ein eigener Lösungsansatz zu einer zukünftigen adäquaten Berücksichtigung des Übereinkommens entwickelt werden. 1. Kapitel

Die Berücksichtigung des Übereinkommens in der Rechtsprechung deutscher Gerichte Zunächst soll die Berücksichtung der Welterbekonvention in der Rechtsprechung deutscher Gerichte untersucht werden. Dazu werden im Folgenden die verfügbaren Urteile analysiert werden,1 in denen Welterbestätten2 des Welterbeübereinkommens 1

Dabei werden die ab dem Jahre 2000 verfügbaren Urteile berücksichtigt und im Folgenden grundsätzlich chronologisch aufgeführt. 2 Beziehungsweise zur Klärung der Frage von Vorwirkungen auch eine Stätte, deren Nominierung noch gar nicht beschlossen wurde. Siehe dazu unten unter 3. Teil, 1. Kapitel, B.

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Gegenstand des jeweiligen Verfahrens waren.3 Diese Analysen werden am Ende des Kapitels in einer Gesamtbetrachtung in Form eines Zwischenergebnisses zusammengeführt werden.

A. Dessau-Wörlitzer Gartenreich Die Welterbestätte Dessau-Wörlitzer Gartenreich, welche seit 2000 auf der Liste des UNESCO-Welterbes eingetragen ist,4 wurde Gegenstand zweier Verfahren, die in den Jahren 2001 und 2002 jeweils vor dem Verwaltungsgericht Dessau endeten.5 Da das Gericht in seinem Urteil aus dem Jahre 2002 im Wesentlichen auf seine Argumentation in dem vorangegangenen ersten Verfahren verweist, soll an dieser Stelle auch nur dieses in ausführlicher Form dargestellt werden. I. Sachverhalt In jenem Verfahren ging es unter anderem um den im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Aspekt der Denkmaleigenschaft des Welterbes Dessau-Wörlitzer Gartenreich nach sachsen-anhaltinischem Landesdenkmalschutzgesetz. Der Kläger begehrte die Zulassung eines Rahmenbetriebsplanes durch Planfeststellungsbeschluss zur Erweiterung eines Kiesabbaus in unmittelbarer Nähe zum Welterbe. Das beklagte Bergamt hatte den vom Kläger bei ihr gestellten Antrag zuvor mit Verweis auf die überwiegenden Interessen am Schutz des Kulturdenkmals Dessau-Wörlitzer Gartenreich negativ beschieden.6

3 Berücksichtigt werden allerdings nur solche Urteile, in denen es um öffentlich-rechtliche, insbesondere denkmalrechtliche Belange geht. Zivilrechtliche Entscheidungen, bei denen die Wirkungen des Übereinkommens regelmäßig nicht untersucht werden und das Welterbe eher zufällig tangiert wird, bleiben außer Betracht. Vgl. für diese Kategorie, BGH, Urteil vom 17. 12. 2010, Az.: V ZR 45/10, JZ 2011, 371 ff. (mit Anmerkung Schack, 375 f.), in der es um die Verwertungsrechte an Fotografien von bestimmten UNESCO-Welterbestätten ging. Die konkrete Entscheidung im Sinne der Notwendigkeit einer Verwertungserlaubnis wird von Schack unter anderem mit Blick auf die Gemeinfreiheit kritisiert. 4 UNESCO Doc. WHC-2000/CONF.204/21, Decision 24.COM X.C.1. 5 VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 ff. und VG Dessau, Urteil vom 16. 10. 2002, Az.: 1 A 1008/01, NuR 2004, 59 ff. 6 VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 (478). Im zweiten Fall ging es um die versagte Baugenehmigung zur Errichtung eines Anbaus an ein Einfamilienhaus im Welterbegebiet, vgl. VG Dessau, Urteil vom 16. 10. 2002, Az.: 1 A 1008/ 01, NuR 2004, 59 ff.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

II. Urteil Das Verwaltungsgericht Dessau befand, dass die Entscheidung des Bergamtes unter anderem mangels Kulturdenkmaleigenschaft des Gartenreiches rechtswidrig gewesen sei, und verpflichtete es, den Antrag des Klägers neu zu bescheiden.7 Zur Begründung führte es aus, dass die Eigenschaft als Denkmalbereich nach dem Landesdenkmalschutzgesetz in der damaligen Fassung nur „(…) Stadtgrundrisse, Stadt- und Ortbilder sowie -silhouetten, Stadtteile und -viertel, Siedlungen, Gehöftgruppen, Straßenzüge bauliche Gesamtanlagen und Einzelbauten, einschließlich deren Umgebung, wenn das Bauwerk zu ihr in einer besonderen historischen, funktionalen oder ästhetischen Beziehung steht“8 aufweisen könnten. Dieses sei bei einer ganzen Landschaft und damit auch konkret beim Gartenreich nicht der Fall.9 Auch aus dem UNESCO-Welterbeübereinkommen könne keine Pflicht zum Schutz des Gartenreichs gefolgert werden, da das Übereinkommen mit seinem weiten Schutzbereich zwar Kulturlandschaften als Stätten schützen wolle, dies allerdings über den engeren Schutzbereich des Landesdenkmalschutzgesetzes hinaus gehe, das Gebiete von der Größe ganzer Landschaften unberücksichtigt lasse.10 Einen weitergehenden Schutz könne das Übereinkommen nicht vermitteln, da es „keine Rechtspflichten“ begründe.11 Sollte die Berücksichtigung des Übereinkommens politisch gewünscht sein, müsse der Gesetzgeber tätig werden.12 III. Würdigung Die Behauptung des Gerichts, das Übereinkommen löse keine Rechtspflichten aus, ist bereits oben widerlegt worden.13 Des Weiteren hätte das Übereinkommen aufgrund des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes zur Auslegung nationalen Rechts herangezogen werden müssen. Die fehlende Erwähnung der Kulturlandschaft in der Definition des Kulturdenkmals gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 DSchGSA a.F. hätte entgegen der Auffassung des Gerichts eine Berücksichtigung der Schutzbestimmungen des UNESCO-Übereinkommens in Form der völkerrechtsfreundlichen Auslegung der genannten Norm sogar erfordert, da unter anderem auch nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts nicht davon auszugehen ist, dass sich die Bundesrepublik (in diesem Fall vertreten durch seinen Gliedstaat, das Land Sachsen-Anhalt) mit der Aufstellung einer konkreten Rechts7

VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 (478). § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGSA in der damaligen Fassung, zitiert aus VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 (479). 9 VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478(479). 10 VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 (479). 11 VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 (479). 12 VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 (479). 13 Siehe oben unter 2. Teil, 3. Kapitel. 8

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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norm (hier: § 2 Abs. 2 S. 2 DSchGSA a.F.) den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Gesamtstaates widersetzen möchte.14 Der vorliegende Fall hätte, anders als das Gericht dies formuliert hat, ein Beispiel für die Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm im Sinne der UNESCO-Konvention in Ausübung der Verpflichtung zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung durch die Judikative sein können. Das Gericht ist dieser Verpflichtung leider nicht nachgekommen. Zum einen hätte es die Norm zielorientiert auslegen können. Der Schutzbereich des Denkmalschutzgesetzes ist zwar enger als der von Art. 1 des Welterbeübereinkommens, nichtsdestotrotz ließe sich ein Schutz der Kulturlandschaft Gartenreich auch über § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGSA in der damaligen Fassung erreichen, wenn man nicht nur versucht hätte, die Landschaft unter die Norm zu subsumieren, sondern von den nach Landesrecht anerkannten Kulturdenkmalen der „Schlösser“15 oder des ebenfalls streitgegenständlichen und als Kulturdenkmal geschützten „Deichwärterhauses“16 (den Ort) als Zentrum ausgegangen wäre, um welches sich die Gärten gruppieren. Denn Gebäude erhielten durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGSA (in der alten Fassung) einen Umgebungsschutz, wenn diese Umgebung zum Bauwerk in einer besonderen historischen, funktionalen oder ästhetischen Beziehung steht, was hier im Fall des Gartenreiches unproblematisch der Fall ist. Dass „Umgebung“ im Sinne des Gesetzes unter Zuhilfenahme der Welterbekonvention so weit verstanden werden kann, dass diese auch Areale wie das Gartenreich mit einer Größe von 140 Quadratkilometern17 einschließt, wäre ebenfalls eine noch mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbare Auslegung,18 zumal der Begriff der „Umgebung“ im allgemeinen Sprachgebrauch nur einen relativen Nähebegriff beinhaltet. Mit anderen Worten kann der Begriff der „Umgebung“ je nach Kontext, in dem er gebraucht wird, für einen engen oder weiten Kreis um einen bestimmten Punkt stehen. Insbesondere bei Orten in größerer Entfernung vom derzeitigen Aufenthaltsort wird die Umgebung einen entsprechend größeren Radius aufweisen. Eine Grenze wird erst dann überschritten werden, wenn der optische oder thematische Bezug der angrenzenden Landschaft nicht mehr besteht. Dieses war ausweislich der Geschichte des Gartenreiches hier aber nicht der Fall.19 14

BVerfGE 74, 358 (370); BVerwGE 111, 200 (211). Zu den historischen Bauwerken im Gartenreich: http://www.unesco.de/316.html (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 16 Vgl. VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 ff. 17 So VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 (479). 18 A.A. Hönes, Zum Schutz des Kultur-und Naturerbes auf nationaler Ebene, NuR 2008, 319 (320); a.A. wohl auch Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 244, der wie Hönes den Umgebungsschutz nur im Sinne einer sozusagen unmittelbar nachbarschaftlichen Nähebeziehung auslegen möchte. 19 Siehe hierzu die Nominierung durch die Bundesrepublik aus dem Jahre 1999, WHC Nomination Documentation, File Name: 534Rev., abrufbar unter: http://www.whc.unesco.org/ uploads/nominations/534rev.pdf (zuletzt aufgerufen am: 15. 10. 2015). 15

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Zum anderen, und das ist der Weg, der eindeutig vorzugswürdig gewesen wäre,20 hätte man eine zu schützende Kulturdenkmaleigenschaft des Gartenreichs über § 2 Abs. 2 Nr. 1 DSchGSA (in der alten Fassung) herleiten können. Danach gehörten zu den geschützten Baudenkmalen „(…) auch Garten-, Park- und Friedhofsanlagen, [und] andere von Menschen gestaltete Landschaftsteile (…)“. Diese rechtliche Gleichsetzung, die den Rechtsanwender zwingt, bei der Beurteilung, ob ein Bauwerk bzw. eine bauliche Anlage vorliegt, von der Legaldefinition der Landesbauordnung abzuweichen, ist kritisiert worden,21 andererseits wird dieses in einzelnen Landesdenkmalschutzgesetzen auch ausdrücklich angeordnet.22 Nichtsdestotrotz bewirkt sie den völlig gleichrangigen Schutz einer Garten- oder Parkanlage oder eines von Menschen gestalteten Landschaftsteils, unter den das Gartenreich trotz seiner besonderen Größe subsumiert werden kann und wegen der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Hinblick auf die Beachtung der Welterbekonvention auch subsumiert werden muss.23 Dem steht nicht entgegen, dass das Gartenreich nicht bloß Teil einer Landschaft sein könnte, sondern aufgrund seiner exorbitanten Größe selbst eine vollständige, abgeschlossene Landschaft darstellt. Dies gilt insbesondere deshalb, da der Begriff der Landschaft ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der auslegungsfähig und -bedürftig ist. Er kann auch auf wesentliche größere territoriale Einheiten bezogen werden, von denen wiederum das 140 Quadratkilometer große Gartenreich nur einen Teil darstellt. Und selbst ein Gericht, welches der Auffassung ist, dass durch die Ausdehnung des Begriffes der Parkanlage auf Gebiete einer Größe von 140 Quadratkilometern wie das Dessau-Wörlitzer Gartenreich die Wortlautgrenze der Norm überschritten würde, da faktisch eine ganze (Kultur-)Landschaft geschützt würde, hätte aufgrund der Beispielhaftigkeit der Begrifflichkeiten, die die Norm durch das Wort „auch“ zum Ausdruck bringt, die mangelnde Abgeschlossenheit der Aufzählung erkennen und an dieser Stelle die Völkerrechtsfreundlichkeit in Wert setzen müssen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass auch derartige großflächige Park- bzw. Gartenanlagen wie das Gartenreich vom Schutz der Norm umfasst sind.24 20 A.A. Hönes, Baudenkmal und Denkmalbereich am Beispiel des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs, LKV 2001, 438 (440). 21 Hönes, Baudenkmal und Denkmalbereich am Beispiel des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs, LKV 2001, 438 (439). 22 Vgl. § 3 Abs. 2 DSchGNds: „Baudenkmale sind bauliche Anlagen (§ 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Bauordnung), Teile baulicher Anlagen und Grünanlagen (…)“. 23 Keines der Landesdenkmalgesetzte setzt für den Schutz der Umgebung eine Maximalgröße an und überlässt eine Beurteilung vielmehr der Einzelfallbetrachtung. Vgl. dazu z. B. die Übersicht bei Böhme/Preisler-Holl, Historisches Grün als Aufgabe des Denkmal- und Naturschutzes, S. 62 ff. 24 Ein Schutz mittels des Naturschutzrechts hätte im konkreten Fall erwogen werden können, dürfte regelmäßig jedoch nicht möglich sein, da dieser auf die natürliche Fortentwicklung der Landschaft abzielt, während ein Garten(-denkmal), und damit ein Kulturdenkmal, der regelmäßigen Pflege bedarf. Zu dieser Abgrenzung, Hönes, Zum Verhältnis von Garten-

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Das Verwaltungsgericht Dessau hat demnach verschiedene gesetzliche Möglichkeiten nicht genutzt, das Welterbe der UNESCO-Konvention zu berücksichtigen,25 und damit nicht nur die verfassungsrechtliche Pflicht zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung verletzt, sondern infolgedessen auch dazu beigetragen, dass die Bundesrepublik ihren Pflichten aus Art. 4 WKÜ nicht nachkommen konnte.

B. Altes Land Das Alte Land, eine Kulturlandschaft an der Elbe westlich von Hamburg, ist bislang noch nicht auf der Welterbeliste der UNESCO vertreten. Eine Eintragung auf der nationalen Vorschlagsliste26 in Verbindung mit einer späteren Anmeldung wird allerdings seit Jahren diskutiert.27 Dementsprechend ging es in dem hier zu besprechenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg auch nicht um die Behandlung eines Welterbes im deutschen Recht, sondern um die Vorwirkungen einer beabsichtigten Anmeldung bzw. Eintragung. Gegenstand des Rechtstreits, den das Gericht im Jahre 2005 zu entscheiden hatte, war der in einem Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Trassenverlauf der geplanten Bundesautobahn 26.28 Der festgestellte Plan schützte das Alte Land, indem er unter anderem wegen der schwerwiegenden Folgen für die Kulturlandschaft eine Trassenführung in einem bestimmten Gebiet, die zu deren Zerschneidung geführt hätte, als unzumutbare Alternative ausschloss.29 Dieses wurde auch vom Gericht in seiner Entscheidung bestätigt. Der Kläger, ein Naturschutzverband, hatte zuvor diesen pauschalen Ausschluss als Alternative für eine Trassenführung zu Lasten eines Vogelschutzgebietes angegriffen. Er war der Auffassung, dass stattdessen ein Gebiet als Alternative ausgeschlossen werden denkmalpflege- und Naturschutzrecht, NuR 2003, 257 (263), der in derartigen Konfliktfällen das Landesdenkmalschutzrecht als „lex specialis“ ansieht. 25 Damit soll allerdings nicht gesagt sein, dass das Urteil eine materiell-rechtlich falsche Entscheidung beinhalte. Insbesondere im zweiten Fall kann nicht beurteilt werden, ob die von der Behörde getätigte Abwägung, die zur Versagung der Baugenehmigung für einen relativ kleinen Anbau geführt hat, ermessensfehlerhaft gewesen sein könnte. Das Gericht ging selbst bei einer unterstellten Schutzwirkung des Landesdenkmalschutzgesetzes von einer Beeinträchtigung unterhalb der Eingriffsintensität aus, VG Dessau, Urteil vom 16. 10. 2002, Az.: 1 A 1008/01, NuR 2004, 59 (61). 26 Die aktuelle deutsche Vorschlagsliste vom 01. 08. 2015 ist abrufbar unter: http://www. kmk.org/fileadmin/pdf/Kultur/Germany-Tentativelist-150801_01.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). Bislang ist das Alte Land hier nicht registriert. 27 Kormbaki, Obstbauern mit Titelambitionen, HAZ vom 23. 04. 2011, S. 5. 28 OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. 7 MS 91/05, zitiert in: NuR 2006, 185 ff. 29 OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. 7 MS 91/05, zitiert in: NuR 2006, 185 (189).

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

müsse, das bereits zum damaligen Zeitpunkt als Vogelschutzgebiet ausgewiesen sei.30 Der Kläger wandte daher ein, dass „der Schutzstatus des Alten Landes als – potentielles – Weltkulturerbe nicht gesichert sei, so dass ein Mindestmaß an Verfestigung fehle“ und ein Ausschluss dieser Alternative daher abzulehnen sei.31 Das Gericht stellte fest, dass das Alte Land zwar „einem speziellen gesetzlichen Schutz als (historischer) Kulturlandschaft nicht unterliegt“, dass daraus jedoch nicht gefolgert werden könne, dass dieser Mangel an gesetzlichem Schutz bei einer Güterabwägung gegenüber jedem anderen konkreten gesetzlichen Schutz zurückzuweichen habe.32 Im Ergebnis stellte das Gericht jedoch fest, dass bei der in jenem Falle gebotenen Abwägung verschiedener Belange insbesondere diejenigen des europäischen Naturschutzes nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, weshalb ein Abwägungsmangel vorgelegen habe.33 Das Gericht hat es damit abgelehnt, aus der Tatsache, dass das Alte Land möglicherweise die Kriterien für eine Aufnahme auf die UNESCO-Welterbeliste erfüllt, etwaige Vorwirkungen im nationalen Recht abzuleiten. Diese wird man nach der hier vertretenen Lösung auch erst dann erkennen müssen, wenn die Erfüllung des materiellen Welterbekriteriums des außergewöhnlichen universellen Wertes offenkundig erfüllt ist oder die entsprechende Auffassung vom Belegenheitsstaat durch Aufnahme der Stätte auf seine nationale Vorschlagliste kundgetan wurde.34 Beiden Voraussetzungen waren allerdings in Bezug auf das Alte Land zu jenem Zeitpunkt nicht erfüllt. Positiv zu bewerten ist, dass es dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg, anders als dem Verwaltungsgericht Dessau im vorgenannten Fall, offenbar nicht schwer fiel, die großflächige „Kulturlandschaft Altes Land“ mit einer Fläche von ca. 170 Quadratkilometern35 als Kulturlandschaft im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 1 BNatSchG anzuerkennen und ihr einen entsprechenden Schutz zu verleihen.36 Und dies ist mit Blick 30

(189). 31

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(190). 34

OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. 7 MS 91/05, zitiert in: NuR 2006, 185 OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. 7 MS 91/05, zitiert in: NuR 2006, 185 OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. 7 MS 91/05, zitiert in: NuR 2006, 185 OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. 7 MS 91/05, zitiert in: NuR 2006, 185

Vgl. dazu oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, C., VI., und 1. Teil, 4. Kapitel, B., III., 4. Gemeinde Jork, Welterbe Altes Land, abrufbar unter: https://www.jork.de/rathaus/das-al te-land-auf-dem-weg-zum-welterbe/verein-zur-anerkennung-des-alten-landes-zum-welterbeder-unesco-e-v-/ (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 36 Und zwar unter ausdrücklicher Anerkennung der kulturellen Aspekte, die die naturschutzbezogenen hier sogar in den Hintergrund drängen, obwohl die Schutzwirkung über Naturschutzgesetze erzeugt wird, vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. 7 MS 91/05, zitiert in: NuR 2006, 185 (189). 35

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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auf die zuvor diskutierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dessau umso bemerkenswerter, als es zu dieser Feststellung keines zuvor ausgewiesenen Denkmalbereichs oder Schutzgebiets „Kulturlandschaft Altes Land“ bedurfte. Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung der verschiedenen deutschen Schutzgebietskategorien, aber auch der Denkmalgegenstände, scheint damit nicht nur nach hier vertretener Auffassung, sondern auch derjenigen einzelner Gerichte, durchaus möglich zu sein. Hinsichtlich der weiteren Entwicklung einer möglichen Aufnahme des Alten Landes zunächst auf die nationale Vorschlagsliste, um sodann eine Nominierung für die Welterbeliste zu erreichen, sei noch bemerkt, dass eine Meldung insbesondere als Naturerbe wegen der Bevorzugung von Weltnaturerbestätten durch die neue Strategie der UNESCO zwar grundsätzlich Erfolg versprechend wäre.37 Allerdings wurde bereits gutachterlich bestätigt, dass sich das Alte Land nicht für eine Eintragung als Naturerbe eigne.38 Entsprechend werden zumindest von privater Seite die Erfolg versprechenderen Bemühungen zur Meldung als Kulturlandschaft und damit als Kulturerbe vorangetrieben.39 Vorschläge staatlicherseits sind zumindest bisher nicht weiterverfolgt worden.40

C. Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte zwei Fälle zu entscheiden, die das UNESCO-Welterbe „Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin“ tangierten, das seit 1990 in der Welterbeliste eingetragen ist41 und 1992 sowie 1999 erweitert wurde.42 Der zweite Fall soll aus Gründen der Einhaltung einer chronologischen Ordnung später dargestellt werden.43 37

Vgl. zur neuen Strategie bereits oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, A., III. Plachter/Kruse/Kruckenberg, in: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Screening potentieller deutscher Naturwerte für das UNESCO-Welterbeübereinkommen, S. 86. 39 Vgl. dazu Gemeinde Jork, Welterbe Altes Land, abrufbar unter: https://www.jork.de/rat haus/das-alte-land-auf-dem-weg-zum-welterbe/verein-zur-anerkennung-des-alten-landes-zumwelterbe-der-unesco-e-v-/ (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015); Siehe dazu zum Beispiel den Verein für die Anerkennung des Alten Landes zum Welterebe der UNESCO e.V. mit eigener Internetpräsens, abrufbar unter: www.welterbe-altes-land.de (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 40 Zum Vorschlag des damaligen Hamburger Bausenators Mettbach, das Alte Land als Kulturerbe zu melden, Tageblatt online vom 13. 04. 2002, vormals abrufbar unter: http://www.ta geblatt.de/db/main.cfm?DID=41668 (Stand: 10. 09. 2010). Die hauptsächlich betroffene Kommune Jork bereitet allerdings einen Antrag vor mit dem Ziel, bei einer Neuerstellung der nationalen Vorschlagsliste berücksichtigt zu werden, so Kormbaki, Obstbauern mit Titelambitionen, HAZ vom 23. 04. 2011, S. 5. 41 UNESCO Doc. CLT-90/CONF.004/13, Decision 14 COM VII.A. 42 UNESCO Doc. WHC-92/CONF.002/12, Decision 16 COM X.C; UNESCO Doc. WHC99/CONF.209/22, Decision 23 COM VIII C.2. 38

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Im ersten Fall ging es um die Rechtmäßigkeit einer Satzung über eine Veränderungssperre, mithilfe derer die Umgebung des Babelsberger Parks als Bestandteil des eingetragenen Welterbes geschützt werden sollte.44 Es handelte sich um eine Sperre, die nicht die als Kernzone des Welterbes eingetragenen Bereiche selbst betraf, sondern lediglich die dieses Erbe umgebende Pufferzone, die die Erhaltung der wesentlichen Sichtachsen sicherstellen soll.45 Beim Kläger handelte es sich um einen Grundstückseigentümer, dessen Baurecht durch die Aufstellung der Satzung über die Veränderungssperre entfallen war und der sich hiergegen mit einem Normenkontrollantrag richtete.46 Das Oberverwaltungsgericht konnte jedoch keine Rechtsfehlerhaftigkeit der Satzung über die Veränderungssperre feststellen. Insbesondere war seitens des Klägers eingewendet worden, dass die für die Aufstellung der Satzung entscheidende Abwägung bereits zugunsten des Baurechts ausgefallen sei und dementsprechend bei der späteren Aufstellung des Bebauungsplanes nicht nachträglich anders ausfallen könne.47 Das Gericht stellte diesbezüglich fest, dass die Gemeinde vom Gesetzgeber ein „planerisches Ermessen“ eingeräumt bekommen habe, was es ihr ermögliche, ihre Planungen auch noch nachträglich zu ändern.48 Auf das Vorbringen des Klägers, dass sich abwägungsrelevante Tatsachen nicht aus der von der Stadt Potsdam erlassenen Denkmalbereichssatzung49 ergeben könnten, stellte das Gericht fest, dass „schon die sich unmittelbar aus der Eintragung in die ,Liste des Erbes der Welt‘ nach Art. 11 Abs. 2 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. 11. 1972 (BGBl II 1977, 213) ergebende Schutz- und Erhaltungspflicht (vgl. Art. 4 des Übereinkommens) für die grundsätzliche Zulässigkeit einer hieran ausgerichteten Bauleitplanung“ spreche.50 Diese während des bereits öffentlichkeitswirksam schwelenden Konflikts um die Dresdner Waldschlösschenbrücke ergangene Entscheidung trägt den Verpflichtungen der Bundesrepublik und damit auch der Judikative zur Beachtung der Konvention Rechnung. Sie leitet sogar sehr progressiv unmittelbar aus dem Listungsbeschluss (und nicht etwa der vertraglichen Bindung) die Rechtsfolgen für den 43 44

(468). 45 46

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(469). 48

(469).

Siehe unten unter 3. Teil, 1. Kapitel, G. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. 12. 2006, Az.: 2 A 21/05, LKV 2007, 468 Vgl. hierzu UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. 12. 2006, Az.: 2 A 21/05, LKV 2007, 468 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. 12. 2006, Az.: 2 A 21/05, LKV 2007, 468 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. 12. 2006, Az.: 2 A 21/05, LKV 2007, 468

49 Denkmalbereichssatzung für den Verwaltungsbereich Potsdam vom 30. 10. 1996, abrufbar unter: https://www.potsdam.de/sites/default/files/documents/Ver%C3%B6ffentlichung% 20im%20Amtsblatt%201.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 50 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. 12. 2006, Az.: 2 A 21/05, LKV 2007, 468 (470). (Hervorhebung ist solche des Verfassers).

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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zugrunde liegenden Fall ab. Das Gericht hätte unter dogmatischen Gesichtspunkten sauberer auf die Auswirkungen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit auf die Abwägungsentscheidung abstellen sollen, was allerdings zum selben Ergebnis geführt hätte. Positiv zu erwähnen ist ferner, dass das Gericht in seiner Entscheidung auch implizit das Konzept der Einrichtung der Pufferzonen durch Erlass von Bebauungsplänen (bzw. von vorausgehenden Veränderungssperren) bestätigt hat. Denn der Plan und die Veränderungssperre galten für einen Bereich außerhalb der denkmalgeschützten Welterbezone. Nichtsdestotrotz hat das Gericht den Zweck des Schutzes der benachbarten Welterbezone als Abwägungsbelang für den zumindest landesdenkmalschutzrechtlich nicht betroffenen Bereich akzeptiert.

D. Dresdner Elbtal Die wesentliche Streitigkeit, die die UNESCO-Welterbekonvention nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch beim juristischen Fachpublikum bekannt machen sollte, war die Auseinandersetzung über den Bau der Waldschlösschenbrücke im seit 2004 in der UNESCO-Welterbeliste eingetragenen „Dresdner Elbtal“.51 Diese hat vom Verwaltungsgericht Dresden bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (sogar mehrfach) sowohl die Verwaltungs- als auch die Verfassungsgerichtsbarkeit beschäftigt.52 Die entsprechenden Entscheidungen sollen im Folgenden dargestellt und gewürdigt werden. Zuvor soll jedoch für deren leichtere Einordnung eine Einführung in den politischen Kontext der Entscheidungen aus historischer Perspektive gegeben werden. I. Historischer und politischer Rahmen der Entscheidungen Die Ursprünge des hier gegenständlichen Streits um den Bau der Waldschlösschenbrücke in den vergangenen Jahren umgesetzten Planung datieren vom Anfang der 1990er Jahre. Allgemeine Planungen für einen Brückenbau bestanden sogar schon über hundert Jahre zuvor.53 Im Jahr 1996 beschloss der Rat der sächsischen Landeshauptstadt, die Dresdner Stadtteile Johannstadt und Radeberger Vorstadt in 51

UNESCO Doc. WHC-04/28.COM/26, Decision 28.COM 14B.40. Zum Schutze der „kleinen Hufeisennase“, einer Fledermausart, hatten Umweltschützer zudem ein Verfahren aus naturschutzrechtlichen Gründen angestrebt, auf das hier jedoch nicht eingegangen werden soll. Vgl. den letztinstanzlichen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz, der einen Baustopp zum Schutz der bedrohten Tierart ablehnte und lediglich Auflagen zu deren Schutz verhängte, OVG Bautzen, Beschluss vom 12. 11. 2007, Az.: 5 BS 336/07, ZUR 2008, 45 ff.; Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss waren bereits Ende 2005 letztinstanzlich gescheitert, OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 12. 2005, Az.: 5 BS 300/05, LKV 2006, 373 ff. 53 Honnigfort, Eine Brücke spaltet Dresden. In der sächsischen Landeshauptstadt wird emsig weitergebaut und auf den Welterbetitel gepfiffen, FR vom 05./06. 07. 2008, S. 2; Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (525); Zylla, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Dresden, S. 38. 52

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Höhe des Waldschlösschens durch eine Brücke zu verbinden.54 Entsprechend wurden in der Folge konkrete Planungen eingeleitet und ein Antrag auf Planfeststellung beim zuständigen Regierungspräsidium55 gestellt. Nach Aussetzung des Verfahrens wegen Nichteinhaltung der zulässigen Lärmgrenzen und Einreichung eines überarbeiteten Planes am 18. 02. 2003 wurde dieser am 25. 02. 2004 planfestgestellt.56 Bereits über ein Jahr zuvor, im Januar 2003, hatte die Bundesrepublik bei der UNESCO einen – ausweislich der tentative list aus dem Jahre 199857 – bereits längere Zeit zuvor geplanten Antrag auf Eintragung des Dresdner Elbtals als Weltkulturerbe auf der von der UNESCO geführten Liste des Erbes der Welt gestellt.58 Initiatorin der Anmeldung war die Landeshauptstadt Dresden, die einen entsprechenden Nominierungsantrag Anfang 200359 unter anderem auch dem Regierungspräsidium Dresden zuleitete.60 Diese Tatsache hatte das Landesamt für Denkmalpflege jedoch nicht davon abgehalten, im Anhörungsverfahren der Träger öffentlicher Belange zur beantragten Planfeststellung in seiner Stellungnahme vom 08. 04. 2003 eine rechtliche Bedenkenlosigkeit aus Sicht der Denkmalpflege mitzuteilen.61 Weder der Planfeststellungsbeschluss62 des Regierungspräsidiums Dresden noch der nach Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat am 27. 02. 2005 durch54 Vgl. Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (525); Zylla, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Dresden, S. 38. 55 Die Bezeichnung „Regierungspräsidium“ wird gemäß Art. 1 Nr. 2 lit. b) des Gesetzes zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung (SächsVwNG) vom 29. 01. 2008 mit Inkrafttreten des Gesetzes durch die Bezeichnung „Landesdirektion“ ersetzt. 56 Regierungspräsidium Dresden, Planfeststellung für das Bauvorhaben Neubau des Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke, Az.: 41-0513.27/10-WSB, abrufbar unter: http://www. neue-waldschloesschenbruecke.de/content/bruecke/04_rp_Planfest%20WSB.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015); vgl. auch die dagegen angeregten Klagen beim OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 12. 2005, Az.: 5 BS 300/05, LKV 2006, 373 ff. 57 Vorläufige Liste der Kultur- und Naturgüter, die in den Jahren 2000 – 2010 von der Bundesrepublik Deutschland zur Aufnahme in die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes angemeldet werden sollen, veröffentlicht vom Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, abgedruckt bei Ringbeck, Deutsche Welterbestätten im Wartestand, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 142 ff. 58 Nomination for inclusion on the World Heritage List, „Dresden Elbe Valley“ Cultural Site vom 06. 01. 2003, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/1156.pdf (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 59 Eine solche Anmeldung war bereits zu Zeiten der früheren DDR beantragt, die Eintragung jedoch vom Welterbebüro dem Welterbekomitee nicht empfohlen worden, UNESCO Doc. CC-90/CONF.004/2, S. 3. 60 Vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 09. 03. 2007, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (138). 61 Landesamt für Denkmalpflege, Stellungnahme vom 08. 04. 2003, zitiert in: OVG Bautzen, Beschluss vom 09. 03. 2007, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). 62 Regierungspräsidium Dresden, Planfeststellung für das Bauvorhaben Neubau des Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke, Az.: 41-0513.27/10-WSB, abrufbar unter: http://www. neue-waldschloesschenbruecke.de/content/bruecke/04_rp_Planfest%20WSB.pdf (zuletzt auf-

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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geführte Bürgerentscheid63 enthielten allerdings einen Hinweis auf den beantragten bzw. am 02. 07. 2004 von der UNESCO positiv beschiedenen Antrag auf Eintragung des Elbtals in die Welterbeliste.64 Im Bürgerentscheid über den Bau der Brücke votierten 67,92 % der abstimmenden Bürgerinnen und Bürger für das Vorhaben.65 Die UNESCO reagierte auf den geplanten Bau erst, nachdem sie im Herbst 2005 auf informellem Wege von diesem Vorhaben in Kenntnis gesetzt worden war.66 Zwar hatte die Bundesrepublik in ihrem auch vom Oberbürgermeister der Stadt Dresden unterzeichneten Nominierungsantrag einen ausdrücklichen Verweis auf den Stadtratsbeschluss zum Bau der Waldschlösschenbrücke sowie weiterer vier Brücken aufgenommen,67 doch im Rahmen der für die Aufnahme notwendigen Evaluierung des Dresdner Elbtals durch ICOMOS wurde die Lage des geplanten Projektes als mit fünf Kilometer flussabwärts statt mit zweieinhalb Kilometer flussaufwärts angegeben.68 Die UNESCO äußerte nun Bedenken hinsichtlich des geplanten Baus und forderte die Stadt auf, ein Gutachten über die visuellen Auswirkungen einzuholen.69 Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die Brücke einen „Sonderling“ darstelle, der den Blick über das Elbtal an prominenter Stelle zerschneide.70 Daraufhin setzte das UNESCO-Welterbekomitee bei seiner Sitzung am 11. 07. 2006 in Vilnius das „Dresdner Elbtal“ auf die Liste des gefährdeten Erbes der Welt und forderte die Bundesrepublik auf, den Bau zu stoppen.71 gerufen: 15. 10. 2015). Hier wurden Belange des Denkmalschutzes überhaupt nicht erwähnt. In der Entscheidungsbegründung wird lediglich auf die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes eingegangen, dieses jedoch in der Gesamtabwägung für nachrangig befunden und Ersatzmaßnahme angeordnet, S. 40 f. 63 v. Schorlemer, Das Dresdner Elbtal kein Welterbe: Blamage für Deutschland, VN 2009, 163 (163), spricht sogar davon, dass die Konsequenzen für den Welterbestatus den Bürgern beim Entscheid „verschwiegen“ wurden. Die einer Abbildung vorangehende Frage des Bürgerentscheids lautete: „Sind Sie für den Bau der Waldschlösschenbrücke? – einschließlich des Verkehrszuges entsprechend der abgebildeten Darstellung –“, wiedergegeben bei Zylla, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Dresden, S. 49. 64 UNESCO Doc. Whc-04/28.COM/26, Decision 28COM 14B.40; Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (525). 65 Zylla, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Dresden, S. 53. 66 Zylla, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Dresden, S. 54. 67 Nomination for inclusion on the World Heritage List, „Dresden Elbe Valley“ Cultural Site vom 06. 01. 2003, S. 81, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/1156.pdf (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 68 Siehe v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (374); anders jedoch Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (525): „3,5 km elbaufwärts“. 69 Zylla, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Dresden, S. 54. 70 RWTH Aachen, Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung, Gutachten zu den visuellen Auswirkungen des ,Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke‘ auf das UNESCOWeltkulturerbe ,Elbtal Dresden‘, S. 109 und 111. 71 UNESCO Doc. WHC-06/30.COM/19, Decision 30COM 8C.1.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Mit der möglichen Streichung von der Liste konfrontiert, ordnete der Dresdner Stadtrat einen Stopp der Vergabe der Bauleistungen an.72 Dagegen legte der amtierende Oberbürgermeister Widerspruch ein. Dieser wurde vom Stadtrat zurückgewiesen. Nach erneutem Widerspruch durch den Oberbürgermeister ordnete das Regierungspräsidium Dresden als zuständige Aufsichtsbehörde den Sofortvollzug der Vergabe der Bauleistungen per Ersatzvornahme an.73 Hieran knüpfte der im Folgenden zu analysierende Rechtsstreit an. Während das zunächst mit der Sache befasste Verwaltungsgericht Dresden dem Begehren der Stadt auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums auf Aufhebung des Baustopps nebst Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie die Ersatzvornahme der Vergabeentscheidungen stattgab,74 entsprach das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen widerum dem Antrag des in der ersten Instanz unterlegenen Regierungspräsidiums.75 Es hatte dabei zunächst das Verfahren ruhen lassen und eine Mediation angeordnet, um Wege zu einer Brückenlösung in Übereinstimmung mit Bürgerentscheid und Planfeststellungsbeschluss auszuloten.76 Die eingesetzte Mediatorengruppe kam zu dem Ergebnis, dass die Konstruktion einer Brücke im Rahmen der durch den Planfeststellungsbeschluss genehmigten Planung nicht möglich sei, ohne der Kulturlandschaft des Elbtals einen schweren Schaden zuzufügen.77 Erst nach dem Scheitern der Mediation entschied das Gericht in der besagten Weise. Rechtsbehelfe der Stadt gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beim Sächsischen Verfassungsgerichtshof sowie beim Bundesverfassungsgericht blieben im einstweiligen Rechtsschutz ohne Erfolg.78 Da es ein Hauptsacheverfahren nicht geben wird, haben die Gerichte den Sachverhalt damit abschließend beurteilt.79 Nachdem die Rechtmäßigkeit der kommunalaufsichtlichen Anordnung der Durchführung des Vergabeverfahrens zum Bau der Brücke im einstweiligen Rechtsschutz zuungunsten der Stadt festgestellt wurde, besorgte das Regierungspräsidium Dresden am 14. 06. 2007 die Ersatzvornahme und beauftragte verschiedene Firmen mit der Durchführung unterschiedlicher Gewerke zur Konstruktion der 72 Landeshauptstadt Dresden, Beschluss A0308-SR35-06 vom 20.07.06, wiedergegeben in: VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 6 ff. – zitiert nach Juris. 73 Regierungspräsidium Dresden, Bescheid 21D 22214.30/62/2006-04, wiedergegeben in: VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 14 ff. – zitiert nach Juris. 74 VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, abrufbar bei Juris. 75 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 ff. 76 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (140). 77 Mediationsverfahren Dresdner Waldschlößchenbrücke, Ergebnis Sachverständigengruppe, Niederschrift vom 24. 01. 2007, gez. Ringbeck, abrufbar unter: http://www.neue-wald schloesschenbruecke.de/content/gericht/07_mediat.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 78 SächsVerfGH, Beschluss vom 03.05.07, Az.: Vf. 53, 54-IV-07, LKV 2007, 511 ff.; BVerfG, Beschluss vom 29.05.07, Az.: 2 BvR 695/07, NVwZ 2007, 1176 ff. 79 Fastenrath, Zur Eilentscheidung des OVG Bautzen und zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, EurUP 3 (2007), 142 (149).

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Brücke.80 Hiergegen wandte sich die Stadt Dresden erneut im Wege des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Dresden81 und anschließend vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen,82 der in beiden Fällen ebenfalls erfolglos blieb. Trotz des versagten Schutzes durch die Gerichte und mangelnden Rückhalts von maßgeblichen Stellen der Politik83 beschloss das Welterbekomitee auf seiner Sitzung in Christchurch am 25. 06. 2007, das Dresdner Elbtal nicht von der Welterbeliste zu streichen, sondern der Bundesrepublik als Vertragspartei des Welterbeübereinkommens eine Frist bis zum 01. 10. 2007 zu setzen, um Alternativvorschläge für den geplanten Bau der Brücke vorzulegen, unter denen sich mindestens eine Tunnelvariante befinden sollte.84 Für den Fall der Ausführung in der geplanten Form wurde die Streichung von der Liste ausdrücklich angedroht.85 Anfang 2008 wurde der UNESCO zwar ein veränderter Plan übermittelt, den das Welterbesekretariat jedoch als nicht mit dem Welterbestatus vereinbar ablehnte.86 Auch in Anbetracht der Nichterfüllung dieser eindeutigen Bedingungen strich das Welterbekomitee das Elbtal im Sommer 2008 auf seiner Sitzung in Québec noch nicht von der Liste, sondern setzte der Bundesrepublik eine letzte Frist,87 um ins80

Juris. 81

VG Dresden, Beschluss vom 19. 06. 2007, Az.: 12 K 1139/07, Rn. 1 und 7 – zitiert nach

VG Dresden, Beschluss vom 19. 06. 2007, Az.: 12 K 1139/07, abrufbar bei Juris. OVG Bautzen, Beschluss vom 16. 07. 2007, Az.: 4 BS 243/07, abrufbar bei Juris. 83 Vgl. nur den ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, der vor der Aberkennung des Titels mit den Worten zitiert wurde: „Na und. Dresden ist auch ohne Titel schön.“ in: Honnigfort, Brücke kommt, Titel geht. Die Unesco streicht Dresden von der Liste der Weltkulturerbestätten, FR vom 26. 06. 2009, S. 36. Von einer „Rückendeckung“ der Landesregierung für die Brückenbefürworter spricht auch Fastenrath, Nicht nur eine Frage des Ansehens, FAZ vom 11. 07. 2007, S. 10. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, der sächsische Ministerpräsident Stanislav Tillich sowie die erst 2008 ins Amt gewählte Dresdner Oberbürgermeisterin Helga Orosz sprachen sich für den Bau der Brücke aus, FAZ vom 05. 07. 2008, S. 4. Gegen den Bau der Brücke und für die Einhaltung des Völkerrechts ausgesprochen hat sich unter anderem der damalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, FR vom 05./06. 07. 2008, S. 3. 84 UNESCO Doc. WHC-07/31.COM/24, Decision 31COM 7 A.27. 85 UNESCO Doc. WHC-07/31.COM/24, Decision 31COM 7 A.27, Nr. 7: „Also decides to delete the property from the World Heritage List (…) in the event that the construction of the bridge has an irreversible impact on the outstanding universal value of the property (…)“. 86 v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (360). 87 UNESCO Doc. WHC-08/32.COM/24Rev, Decision 32 COM 7 A.26, Nr. 11: „(…) with the deletion of this property from the World Heritage List at its 33rd session in 2009, if the planned works on the bridge continue and the damage already caused is not reversed“. Allerdings dürfe diese etwas überraschende Entscheidung nicht so sehr als Gnadenfrist, sondern vielmehr als Kalkül des Komitees zu verstehen sein, dass mit dem Verbleib Dresdens auf der Liste sein einziges Druckmittel in den Händen behalten hat. Ähnlich Thomas, Die Hoheit über das Elbtal, FR vom 05./06. 07. 2008, S. 11. 82

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

besondere die alternative Tunneloption erneut zu prüfen.88 Ein daran anknüpfender Antrag auf Zulassung eines Bürgerbegehrens zum Erhalt des Welterbetitels scheiterte am 29. 09. 2008 im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht.89 Nach Verstreichen der gesetzten Frist wurde das Dresdner Elbtal als zweite Stätte überhaupt am 25. 06. 2009 von der Welterbeliste gestrichen.90 II. Verwaltungsgerichtsbarkeit 1. Verwaltungsgericht Dresden a) Sachverhalt Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht versuchte die Stadt Dresden, vertreten durch den Oberbürgermeister, im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen verschiedene Bescheide des Regierungspräsidiums Dresden, welches im Verfahren den Freistaat Sachsen vertrat, wiederherzustellen. Zum einen hatte der Stadtrat am 20. 07. 2006 folgenden Beschluss gefasst: „1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dem Stadtrat eine Vorlage für die Durchführung eines Bürgerentscheides zur Beschlussfassung vorzulegen. Dieser ist so zu gestalten, dass er der Stadt die Möglichkeit eröffnet, den UNESCO-Welterbestatus des Dresdner Elbtals zu erhalten. 2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dem Stadtrat unverzüglich geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, die den Erhalt des Status UNESCO Welterbe Dresdner Elbtal sichern. Insbesondere wird der Oberbürgermeister beauftragt, mit dem Welterbebüro der UNESCO in Gespräche einzutreten, um Vorschläge zur Erfüllung der Forderungen der UNESCO zu erarbeiten. Über den Verlauf und die Ergebnisse der Gespräche ist der Stadtrat zu informieren; die erarbeiteten Vorschläge sind dem Stadtrat zum Beschluss vorzulegen. 3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die weitere Vergabe von Bauleistungen und den Baubeginn der Waldschlösschenbrücke bis zur Aufbereitung und Entscheidung über die Handlungsoptionen weiterhin auszusetzen, und gleichzeitig zu sichern, dass die aus dieser Aussetzung möglicherweise resultierenden finanziellen Entschädigungsverpflichtungen für die Stadt minimiert werden. […]“91

88

UNESCO Doc. WHC-08/32.COM/24Rev, Decision 32 COM 7 A.26, Nr. 8. OVG Bautzen, Beschluss vom 29. 09. 2008, Az.: 4 B 209/08, SächsVBl. 2009, 19 ff. 90 UNESCO Doc. WHC-09/33.COM/20, Decision 33COM 7 A.26; v. Schorlemer, Das Dresdner Elbtal kein Welterbe: Blamage für Deutschland, VN 2009, 163 (163). 91 Beschluss A0308-SR35-06 vom 20.07.06, zitiert aus: VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 6 ff. – zitiert nach Juris. 89

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Dieser Beschluss wurde nach Widerspruch des Oberbürgermeisters, Bekräftigung und Ergänzung92 per Beschluss des Stadtrats am 10. 08. 2006 nach Vorlage durch den Oberbürgermeister vom Regierungspräsidium Dresden als zuständiger Rechtsaufsichtsbehörde am 14. 08. 2006 folgendermaßen beschieden: „1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss Nr. V1368-SR36-06 des Rates der Landeshauptstadt Dresden vom 10. 08. 2006 hinsichtlich seiner Ziffer 3 […] rechtswidrig ist. 2. Der Landeshauptstadt Dresden wird aufgegeben, den Beschluss Nr. V1368-SR36-06 […] bis zum 24. 08. 2006 aufzuheben.[…] 3. Zugleich wird angeordnet, dass die Landeshauptstadt bis zum 24.08.06 folgende Vergabeentscheidungen trifft: […] 4. Kommt die Landeshauptstadt Dresden den in den Nr. 2 und 3 des Tenors verfügten Anordnungen nicht innerhalb der genannten Frist nach, wird das Regierungspräsidium Dresden die Anordnungen an Stelle und auf Kosten der Landeshauptstadt Dresden selbst durchführen […].“93

Diesem Verlangen kam jedoch die Stadt nicht nach, sondern beschloss durch den Rat, dass im Falle einer Verweigerung der Zustimmung zur Verlängerung der Bindefrist der Bieter an ihre Gebote im Vergabeverfahren, dieses aufgehoben werden solle.94 Die Weigerung der Umsetzung seiner Anordnungen hatte zur Folge, dass das Regierungspräsidium am 25. 08. 2006 die sofortige Vollziehung seines Bescheides vom 14.08.06 anordnete.95 Daneben ordnete es den Sofortvollzug für die unter Aussetzung des Stadtratsbeschlusses vorgenommene Vergabeentscheidung im Wege der Ersatzvornahme an.96 Gegen beide Bescheide sowie den Ausgangsbescheid legte die Stadt Widerspruch ein.97 Vor dem Verwaltungsgericht begehrte sie nunmehr im Eilverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche.98 b) Beschluss Das Verwaltungsgericht sah die Beanstandung der Stadtratsbeschlüsse durch das Regierungspräsidium Dresden als rechtswidrig an, weil die Beanstandung zum einen nicht mit der geltenden Rechtslage übereinstimme und zum anderen ermessens92

Beschluss V1368-SR36-06 vom 10.08.06, zitiert aus: VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 13 ff. – zitiert nach Juris. Inhalt der Ergänzung war die Beauftragung zur Einleitung rechtlicher Schritte. 93 Bescheid 21D 22214.30/62/2006-04 zitiert aus VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 14 ff. – zitiert nach Juris. 94 Beschluss Nr. V1376-SR-37-06 Ziffer 1 zitiert nach VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 19 ff. – zitiert nach Juris. 95 VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 34 – zitiert nach Juris. 96 VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 34 – zitiert nach Juris. 97 VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 35 – zitiert nach Juris. 98 VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 37 f. – zitiert nach Juris.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

fehlerhaft sei.99 Aufgrund dessen überwiege das Aussetzungsinteresse der Stadt gegenüber dem Vollzugsinteresse der kommunalaufsichtsrechtlichen Bescheide. aa) Rechtmäßigkeit der Aussetzung der Vergabeentscheidung Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Stadt zwar zur Umsetzung des Bürgerentscheides vom 25. 02. 2005 verpflichtet sei, dieses auch unverzüglich zu geschehen habe, allerdings die Unverzüglichkeit nicht deshalb zu verneinen sei, weil vor der Vergabe der Bauleistungen Verhandlungen über eine Umgestaltung der Brückenplanung in Einklang mit den Vorstellungen des UNESCO-Welterbekomitees durchgeführt würden.100 Dieses gelte zumindest so lange, wie eine entsprechende Gestaltung, die sowohl den Anforderungen des Welterbekomitees genüge, als auch im Rahmen des Bürgerentscheides liege, möglich erscheine.101 Dies sei trotz des eindeutigen Votums des Welterbekomitees auf seiner Sitzung in Christchurch wegen des dieser Entscheidung zugrunde liegenden Gutachtens der RWTH Aachen, das eine welterbeverträgliche Brückenlösung bejahe, ein noch zu realisierendes Ziel.102 bb) Ermessensfehlerhaftigkeit wegen Ermessensausfalls Das Gericht monierte des Weiteren, dass der Beschluss wegen Ermessensausfalls ermessensfehlerhaft sei.103 Es rügte, dass eine Verpflichtung der Stadt aus der Welterbekonvention abgelehnt worden sei, ohne zu prüfen, ob sich eine solche Verpflichtung aus dem Grundsatz der Bundestreue ergeben könne.104 Insbesondere habe dabei miteinbezogen werden müssen, dass die Stadt selbst an der Anmeldung des Elbtals als Welterbe beteiligt gewesen sei und sich insofern widersprüchlich verhielte, wenn sie die sich daraus ergebenden Verpflichtungen verneinte.105 2. Oberverwaltungsgericht Bautzen Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen gab der Beschwerde des Regierungspräsidiums gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts statt. Als Folgeinstanz sah es – anders als noch das Verwaltungsgericht – das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Bescheide des Regierungspräsidiums als höher an als das rivalisierende der Stadt an deren Aussetzung.106 Begründet hat es dies damit, dass die 99

Juris. 100 101 102

Juris. 103 104 105 106

VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 46 ff. – zitiert nach VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 53 – zitiert nach Juris. VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 55 – zitiert nach Juris. VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 53 ff. – zitiert nach VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 57 – zitiert nach Juris. VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 57 – zitiert nach Juris. VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 57 – zitiert nach Juris. OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (140).

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit der zu untersuchenden Bescheide nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden könne und die daraufhin vorzunehmende Güterabwägung zugunsten des Vollzugsinteresses des Regierungspräsidiums ausfalle.107 a) Keine eindeutige Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der aufsichtsrechtlichen Bescheide Die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruches im Hauptsacheverfahren bleibe nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts ergebnisoffen. Die dafür notwendige Kenntnis der innerstaatlichen Wirkung der Welterbekonvention sei in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu erlangen.108 aa) Keine erneute Rückstellungsmöglichkeit der Vergabeentscheidung wegen weiterer Gespräche zwischen Stadt und UNESCO Das Oberverwaltungsgericht bestätigte zunächst die Notwendigkeit der unverzüglichen Umsetzung des Bürgerentscheides. Anders als die Vorinstanz sah es die Voraussetzung eines unverzüglichen Handelns seitens der Stadt jedoch als nicht erfüllt an. Obwohl ein schuldhaftes Zögern zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes noch nicht gegeben gewesen sei – weshalb das Oberverwaltungsgericht das Verfahren für die Durchführung einer Mediation auch zwischenzeitlich ruhen gelassen hatte –, könne nun nach Scheitern der Mediation und mehreren Monaten intensiver Verhandlungen ohne eine Kompromisslösung, die mit Bürgerentscheid und Welterbekonvention vereinbar wäre, das weitere Hinausschieben der Vergabeentscheidung mangels Angemessenheit nicht mehr hingenommen werden.109 bb) Keine Ermessensfehlerhaftigkeit der Bescheide Das Oberverwaltungsgericht vermochte des Weiteren auch keine zur Rechtswidrigkeit der aufsichtsrechtlichen Entscheidung führenden Ermessensfehler erkennen. Insbesondere sei kein Ermessensausfall gegeben. Ein Ermessensausfall hätte darin zu erkennen sein können, dass das Regierungspräsidium bei seiner Aufsichtsentscheidung über den Vollzug des Bürgerentscheides nicht in Erwägung gezogen hatte, dass eine entsprechende Vollziehung aufgrund möglicher Verpflichtungen aus der Welterbekonvention in Frage stand. Einen solchen Ermessensausfall sah das Gericht nicht als gegeben an, „weil sich die ungeklärte Frage der inner107 108 109

OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (141). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (141).

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

staatlichen Bindungswirkung der Welterbekonvention (…) im Eilverfahren nicht abschließend beurteilen lässt“.110 Jedenfalls sah das Gericht keine unmittelbare111 und zweifelte auch stark an einer mittelbaren112 Bindungswirkung des Übereinkommens. Hinsichtlich der möglichen unmittelbaren oder mittelbaren Wirkung des Vertrages machte das Gericht nachfolgende Ausführungen. (1) Keine unmittelbare Wirkung Das Gericht stellte fest, dass die authentischen Sprachen, in denen der Vertrag verfasst wurde, Arabisch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch seien und es sich daher bei der Auslegung des Vertrages nicht auf die deutsche Übersetzung beschränken könne. Gleichwohl solle allerdings eine solche korrekte Auslegung zu umfangreich für ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz sein.113 Die Verpflichtungen der Konvention könnten ferner nur dann eine unmittelbare Bindungswirkung im innerstaatlichen Recht haben, wenn sie in sowohl formell als auch materiell verfassungsmäßiger Weise Eingang in die nationale Rechtsordnung gefunden hätten.114 In Betracht komme eine Einbeziehung durch ein Vertragsgesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG. Dieses sei jedoch nicht erlassen worden. Zur Begründung führte das Gericht aus einem ihm vorliegenden Rechtsgutachten aus, dass der Bund nach Anhörung der Länder die Auffassung vertreten habe, dass keine gesetzgeberischen Maßnahmen notwendig gewesen seien. Daher habe er die Ratifikation auf einen Kabinettsbeschluss gestützt.115 Ungeachtet dessen könne sich im Hauptsacheverfahren die Frage nach der Vertragsschlusskompetenz der Länder in ihren Gesetzgebungszuständigkeiten stellen, die die Staatspraxis durch ein Vorgehen nach dem Lindauer Abkommen wie in diesem Fall zwar gelöst habe, die jedoch nicht der Verfügungsbefugnis der beteiligten Verfassungsorgane unterstellt sei.116 Das Oberverwaltungsgericht verwarf die Position des Verwaltungsgerichtes, wonach innerstaatliche Verpflichtungen aus dem Übereinkommen auch aus dem Grundsatz der Bundestreue entstanden sein könnten.117 Ferner könne eine solche Pflicht auch nicht durch eine vorherige Zustimmung des Freistaats Sachsen zum Übereinkommen erwachsen sein, da eine Überleitung der Verträge der Bundesre-

110 111 112 113 114 115 116 117

OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (141). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (141). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (141). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142).

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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publik auf die neuen Länder in Art. 11 S. 1 des Einigungsvertrages nicht als solche Zustimmung zu verstehen sei.118 Sofern man den Vertrag als bloßes Verwaltungsabkommen im Sinne von Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG verstehe, scheitere eine unmittelbare innerstaatliche Wirkung ebenfalls an einem entsprechend fehlenden Umsetzungsakt.119 (2) Keine mittelbare Wirkung Die Möglichkeit einer mittelbaren Verpflichtung aus Art. 4 und 5 WKÜ aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes hat das Gericht zwar grundsätzlich anerkannt.120 Im konkreten Fall hänge diese jedoch von der Bundesstaatsklausel des UNESCO-Übereinkommens in Art. 34 WKÜ ab.121 Danach könne die Bundesrepublik lediglich verpflichtet sein, den Bundesländern die Annahme des Übereinkommens zu empfehlen. Ob diese Klausel im Falle der Bundesrepublik greife und welche konkreten Pflichten Art. 4 und 5 WKÜ haben könnten, müsse allerdings erst im Hauptsacheverfahren entschieden werden.122 Dieses könne unter Umständen dazu führen, dass eine Berücksichtigung der Verpflichtungen im Rahmen von Abwägungsentscheidungen erfolgen müsse. Keinesfalls könne aus einer derartigen Verpflichtung jedoch ein abwägungsfester Belang erwachsen.123 Aufgrund dessen sei auch weder an der Rechtmäßigkeit des Bürgerentscheides, noch an der des Planfeststellungsbeschlusses zu zweifeln.124 Letzterer sei bereits vor der Eintragung des Elbtals auf die Liste des gefährdeten Erbes ergangen, und die zuständigen Behörden hätten keinerlei Bedenken hinsichtlich der Planung angemeldet.125 b) Güterabwägung Wegen der vielen offenen Rechtsfragen müsse ungeachtet der Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine Güterabwägung erfolgen. Diese habe nach Auffassung des Gerichts zugunsten der sofortigen Vollziehung der Bescheide des Regierungspräsidiums auszufallen, da das dahinter stehende Interesse an der Umsetzung des Bürgerentscheides größer sei, weil Akte der unmittelbaren Demokratie nach Art. 82 Abs. 2 der Sächsischen Landesverfassung besondere Bedeutung hätten, die gerade durch die in der Präambel erwähnten „leidvollen Erfahrungen während der natio118

OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142). 120 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142). 121 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142). 122 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (142 f.). 123 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). 124 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). 125 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). 119

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

nalsozialistischen und kommunistischen Gewaltherrschaft“ besonderes rechtliches Gewicht erlangten.126 3. Würdigung Da die sich an diese beiden Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit anschließenden Verfahren vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht nur noch mit Fragen der Verletzung spezifischer verfassungsmäßiger Rechte befassen konnten, sollen die beiden Sachentscheidungen des Verwaltungsgericht Dresden sowie des Oberverwaltungsgerichts Bautzen an dieser Stelle gesondert gewürdigt werden. a) Güterabwägung Begonnen werden soll mit der vom Obergericht vorgenommenen Güterabwägung, da diese den Kern der Entscheidung mit den Hauptargumenten darstellt. Wenn die im einstweiligen Rechtsschutz lediglich gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache wie häufig ergebnisoffen bleibt, kommt einer Güterabwägung das entscheidende Gewicht zu.127 Dabei sind vom mit der Sache befassten Gericht nicht die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen, was auch vom Oberverwaltungsgerichts Bautzen so anerkannt wird.128 Es sind vielmehr die Interessen von Kläger, Beklagten, aber auch Dritten in Ansatz zu bringen.129 Das Gericht gewichtete im Ergebnis die Interessen der Aufsichtsbehörde an der Aussetzung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Stadt höher. Dies muss mit Blick auf die dahinter stehenden Interessen auf Kritik stoßen. Denn im Rahmen des Eilrechtsschutzes wurde lediglich eine Interessenabwägung vorgenommen und danach gefragt, ob der verbindliche Bürgerentscheid einer sofortigen Umsetzung bedurfte oder zugunsten völkerrechtlicher Verpflichtungen eine Umsetzung aufgeschoben werden konnte. Die Wertung zugunsten der Unverzüglichkeit einer Umsetzung eines derartigen Bürgerentscheids war der entscheidende Fehler, der aufgrund des Instanzenzuges gerichtlich nicht mehr korrigiert werden konnte und der damit seinen Beitrag zum Verstoß der Bundesrepublik gegen das UNESCOÜbereinkommen lieferte. 126

OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). Vgl. Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungsprozessrecht, Rn. 1502. 128 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (523), mit Verweis auf BVerwGE 123, 241 (244). Für den Fall der Ergebnisoffenheit der summarischen Prüfung im Ergebnis ebenso Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, § 80 Rn. 158. 129 Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, § 80 Rn. 153; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungsprozessrecht, Rn. 1502. 127

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Das Gericht legte ein seltsames Verständnis des Föderalismus und insbesondere der Normenhierarchie des Grundgesetzes an den Tag, indem es in einer Abwägung der Belange der Bundesrepublik Deutschland und der Verpflichtungen aus einem völkerrechtlichen Vertrag – und zumindest seine Außenbindung stellt auch das Oberverwaltungsgericht nicht in Frage – die sächsische Gemeindeordnung und einen historischen Bezug in der Präambel der sächsischen Landesverfassung in Stellung brachte und letztere als höherwertig gewichtete.130 Dass letztere Elemente direkter Demokratie zur Geltung bringen, ist dabei zweitrangig und könnte auch im Übrigen nichts an der Fehlvorstellung des Gerichts ändern. Letztendlich ersetzt die Entscheidung des Bürgerbegehrens einen Beschluss eines Stadtrates131 und kann kraft dieser Anordnung in einem einfachen Landesgesetz – wie hier der sächsischen Gemeindeordnung – nicht höher stehen als das anordnende Gesetz selbst.132 Ob eine Unverzüglichkeit der Umsetzung überhaupt nach dieser einfachgesetzlichen nationalen Rechtslage erforderlich ist, soll hier zunächst dahingestellt gestellt bleiben.133 Auch wenn man anders als in dieser Arbeit134 mit dem Gericht davon ausgeht, dass eine Inkorporierung des Übereinkommens in die deutsche Rechtsordnung nicht stattgefunden hat,135 so muss man doch zumindest eine Bindung im Außenverhältnis für die Bundesrepublik akzeptieren und diese in die Abwägung einstellen. Es ist nicht hinnehmbar, eine Mitwirkung des Landes Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden bei der Anmeldung der Welterbestätten Dresdner Elbtal und Muskauer Park, die vom Verwaltungsgericht noch erkannt wurde,136 auszublenden,137 und aufgrund

130 A.A. Müller, Direkte Demokratie und Völkerrecht, NJ 2007, 252 (254), der der Güterabwägung durch das OVG Bautzen ausdrücklich zustimmt. 131 § 24 Abs. 4 SächsGO. 132 Vielmehr ordnet das entsprechende Gesetz, wie soeben dargelegt, ausdrücklich an, dass die Entscheidung einem Gemeinderatsbeschluss gleichsteht. Vgl. zur so genannten Gleichrangigkeit von Volks- und Parlamentsgesetzgebung, Hamburger Verfassungsgericht, Urteil vom 27. 04. 2007, Az.: 4/06, NordÖR 2007, 301; kritisch dazu Jacobsen, Zur Verbindlichkeit der Volksgesetzgebung, DÖV 2007, 949 (949 ff.). 133 Zumindest ergibt sich dieses nicht aus dem Wortlaut der Norm. Lediglich der § 24 Abs. 4 S. 1 SächsGO legt nahe, dass zumindest innerhalb von drei Jahren mit der Umsetzung begonnen werden muss, da der Bürgerentscheid ansonsten durch einen erneuten Stadtratsbeschluss ersetzt werden könnte und damit leer liefe. Ohne eine unverzügliche Umsetzung ausdrücklich zu fordern, ebenfalls offenbar eher für eine zeitnahe Verwirklichung des Bürgerwillens Scheffer, Zur Bindungswirkung kommunaler Bürgerentscheide im Freistaat Sachsen, LKV 2007, 499 (500); Menke/Arens, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Kommentar, § 24 Rn. 10. 134 Siehe oben unter 2. Teil, 2. Kapitel, B., I., 3., c). 135 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (522). 136 VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 57 – zitiert nach Juris. 137 Ebenso Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (531).

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

eines fehlenden förmlichen Annahmeaktes des Ministerpräsidenten138 dann Verpflichtungen für das Land abzustreiten und die Verpflichtungen der Bundesrepublik über die Föderalklausel in Art. 34 lit. b) WKÜ auf eine Annahmeempfehlung an die Bundesländer zu reduzieren. Dieses widersprüchliche Verhalten, ob man es als eine Art (des im Völkerrecht Anwendung findenden) estoppel oder Verstoß gegen Treu und Glauben ansieht, ist bei einem Stand von über 30 Stätten auf der Welterbeliste und diversen Vertretungen Deutschlands im Welterbekomitee nicht hinnehmbar. Eine Bindung im Außenverhältnis an eine Konvention, aus der Deutschland seit bereits über dreißig Jahren139 zumindest touristische Vorteile zieht, kann schlechterdings nicht bestritten werden. Allein diese Außenbindung an einen völkerrechtlichen Vertrag genügt jedoch meiner Ansicht nach schon, um bei der Abwägung mit dem hier im einstweiligen Rechtsschutz in Rede stehenden Belang des (mit einem Gemeinderatsbeschluss normenhierarchisch auf gleicher Stufe stehenden) Bürgerentscheids ersteren höher zu gewichten, wenn man mit dem Gericht die Rechtslage nach summarischer Prüfung für offen erachtet. Der vom Oberverwaltungsgericht gegebene Verweis auf die „leidvollen Erfahrungen während der nationalsozialistischen und kommunistischen Gewaltherrschaft, die den Bürger nicht als demokratisch Regierenden, sondern als autoritär Regierten behandelt hat“140, worauf die Sächsische Verfassung in ihrer Präambel Bezug nimmt,141 und wegen denen direktdemokratischen Elementen besondere Bedeutung zukommen soll, ist sowohl als historisches wie auch als rechtliches Argument zurückzuweisen. Historisch betrachtet haben gerade die genannten Diktaturen dazu geführt, sich der Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu öffnen und sich in ein internationales und insbesondere europäisches Wertesystem einzugliedern, dem bestimmte menschenrechtliche und demokratische Mindeststandards inhärent sind.142 Die Lehre aus der Geschichte ist also gerade, eine internationale Kooperation anzustreben und sich daraus ergebende Pflichten als Grenze nationalstaatlicher Alleingänge zu über138 So ausdrücklich OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (522 f.). 139 1978 wurde mit dem Aachener Dom die erste deutsche Stätte auf der UNESCOWelterbeliste eingetragen. UNESCO Doc. CC-78/CONF.010/10Rev., Decision 02COM VIII.38. 140 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (523 f.). 141 „Anknüpfend an die Geschichte der Mark Meißen, des sächsischen Staates und des niederschlesischen Gebietes, gestützt auf Traditionen der sächsischen Verfassungsgeschichte, ausgehend von den leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer und kommunistischer Gewaltherrschaft, eingedenk eigener Schuld aus seiner Vergangenheit, von dem Willen geleitet, der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Bewahrung der Schöpfung zu dienen, hat sich das Volk im Freistaat Sachsen, dank der friedlichen Revolution des Oktober 1989 diese Verfassung gegeben.“ Präambel der Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27. Mai 1992. 142 Vgl. nur Giegerich, Die Zähmung des Leviathan, in: ders. (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 13 ff.; Krieger, Die Herrschaft der Fremden – Zur demokratietheoretischen Kritik des Völkerrechts, AöR 133 (2008), 315 (341 f.).

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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nehmen. Die vom Oberverwaltungsgericht gewählte Argumentation würde dieses Grundverständnis der jüngeren deutschen Rechtsgeschichte umkehren. Schon der Ansatz, direkte Demokratie als Mittel gegen die Entstehung einer Gewaltherrschaft zu begreifen,143 ist durch die Geschichte widerlegt, da es schließlich (unmittelbare) demokratische Wahlen waren,144 die den Anfang der nationalsozialistischen Diktatur bedeuteten.145 Und die während der angesprochenen Diktaturen durchgeführten Wahlen und Plebiszite waren unter demokratischen Gesichtspunkten äußerst fragwürdig und dienten in erster Linie der Bestätigung der Diktatur und ihrer Entscheidungen unter gleichzeitiger Ausschaltung der Parlamente.146 Daher kann einer Argumentation, nach der die Gewaltherrschaften gerade eine Stärkung der direkten – im Gegensatz zur repräsentativen – Demokratie notwendig gemacht hätten, nicht gefolgt werden. Warum sich indes das Gericht statt der erlebten Gewaltherrschaften nicht auf die Erwähnung der Revolution vom November 1989 in der Präambel der sächsischen Verfassung berufen hat, die als Grund für die Verankerung direktde-

143 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 375, stellt ausdrücklich fest, dass Volksentscheide der Weimarer Republik nicht zur Stabilität der Demokratie beitrugen. 144 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, § 18 Rn. 557; Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte, Rn. 2421; vgl. zum Streit über die Rechtmäßigkeit aufgrund der sich an die Wahlen anschließenden Änderungen der Verfassungsordnung Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 389 m.w.N. 145 Auch wenn die negativen Einflüsse der unmittelbaren Demokratie auf das Ende der parlamentarischen Demokratie nicht mehr einheitlich so beurteilt werden, wurden sie als Entscheidungsinstrumente auf Bundesebene gerade deshalb im Grundgesetz ausgeschlossen, so Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, § 16 Rn. 482; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Art. 20 (Demokratie), Rn. 21, spricht sich dezidiert gegen eine Überbewertung der negativen Folgen der direkten Demokratie für das Ende des Weimarer Verfassungssystems aus, konzediert aber deren Ausschluss für Abstimmungen auf Bundesebene für das derzeit geltende Grundgesetz. Ebenso Bugiel, Volkswille und repräsentative Entscheidung, S. 79 ff. und 210, der als Grund für die negative Bewertung der unmittelbaren Demokratie der Weimarer Zeit die unkritische Übernahme der Mehrheitsmeinung des Parlamentarischen Rates ausmacht. Zur sehr eingeschränkten Zulässigkeit solcher Elemente unter dem Vorbehalt einer Grundgesetzänderung, Sommermann, in: v.Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 20 Abs. 2 Rn. 161 f. m.w.N. Zu den sich aus der grundgesetzlichen Skepsis gegenüber direktdemokratischen Elementen und der daraus folgenden Begrenzung der Durchführung und Wirkung von Bürgerentscheiden auf Landes- und kommunaler Ebene, Huber, Die Vorgaben des Grundgesetzes für kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, AöR 126 (2001), 165 ff. Eine Einzelmeinung sieht hingegen sogar eine Verpflichtung zur Fortentwicklung direktdemokratischer Elemente im Grundgesetz, Geitmann, Volksentscheide auch auf Bundesebene, ZRP 1988, 126 (127). 146 Vgl. Grawert, Die nationalsozialistische Herrschaft, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band I, 3. Auflage 2003, § 6 Rn. 9 f.; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, § 17 Rn. 541; Bugiel, Volkswille und repräsentative Entscheidung, S. 247 und 252 ff. Zur repräsentativen Demokratie, insbesondere auch den Wahlen, in der DDR, Brunner, Das Staatsrecht der Deutschen Demokratischen Republik, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band I, 3. Auflage 2003, § 11 Rn. 24 und 17 ff. Das Motiv der Einheitlichkeit von Volk und Partei durch die Wahlen in der DDR betont Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 476.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

mokratischer Elemente in den ostdeutschen Landesverfassungen gilt,147 bleibt fraglich, hätte indes das Gewicht des Bürgerentscheids auch nicht entscheidend stärken können. In rechtlicher Hinsicht können zwar einfachgesetzliche Normen durch von der Verfassung vorgegebene Wertungen entsprechend aufgeladen werden, doch stellt sich auf Ebene dieser Argumentation bereits die Frage, warum das Oberverwaltungsgericht dieses dann nicht durch die ausdrückliche verfassungsrechtliche Verpflichtung zum Schutz der Kultur in Art. 1 S. 2 VerfSN und dem Interesse an der Erhaltung des kulturellen Erbes getan hat, das in Art. 11 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen unter besonderen verfassungsrechtlichen Schutz gestellt wird.148 Es ist andererseits, wie bereits angedeutet, eine Verkennung der föderalen Struktur der Bundesrepublik, nur die Rechtslage des Freistaates Sachsen oder gar der Stadt Dresden als dessen bloßer kommunaler Untergliederung ins Auge zu nehmen.149 Vielmehr darf und muss in die Abwägung nicht nur das Interesse Sachsens an der Erhaltung der Kulturlandschaft eingestellt werden, sondern das Interesse der Bundesrepublik an einer Einhaltung der von ihr eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, die über den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des deutschen Grundgesetzes auch auf die Situation in Dresden ausstrahlt.150 Es ist bereits von anderer Seite darauf hingewiesen worden, dass selbst in einer Verfassungsordnung wie der schweizerischen, die der direkten Demokratie eine besonders große Bedeutung beimisst, die direkte Demokratie auch nicht schrankenlos ist, sondern ihre Begrenzung durch Völkerrecht mit ius-cogens-Charakter findet.151 Dies gilt umso mehr bei Volksabstimmungen unterhalb der Bundesebene, die ebenfalls am höher stehenden Recht ihre Grenzen finden.152 Dieses Beispiel einer anderen Rechtsordnung kann selbstverständlich nicht unmittelbar als Argument für eine Beschränkung der rechtlichen Möglichkeiten eines Bürgerbegehrens in einem deutschen Bundesland herangezogen werden, da jede Rechtsordnung für sich selbst ihr Verhältnis zum Völkerrecht klären muss. Das 147 Häberle, Die Verfassungsbewegung in den fünf neuen Bundesländern Deutschlands 1991 bis 1992, JÖR N.F. 42 (1994), 149 (166). 148 Art. 11 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27. Mai 1992: „Denkmale und andere Kulturgüter stehen unter dem Schutz und der Pflege des Landes. Für ihr Verbleiben in Sachsen setzt sich das Land ein.“ 149 A.A. Müller, Direkte Demokratie und Völkerrecht, NJ 2007, 252 (254). 150 A.A. Müller, Direkte Demokratie und Völkerrecht, NJ 2007, 252 (254): „Es ist erfreulich, dass das OVG Bautzen dem durch Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Demokratieprinzip auf kommunaler Ebene einen solchen Stellenwert einräumt.“. 151 Giegerich, Die Zähmung des Leviathan, in: ders. (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, S. 32; ebenso Reich, Direkte Demokratie und völkerrechtliche Verpflichtungen im Konflikt, ZaöRV 68 (2008), 979 (985). 152 Nolte, Kann der Souverän rechtswidrig handeln? DÖV 2010, 806 (807) m.w.N. Zur Normbindung allgemein Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 96.

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Verhältnis des deutschen Rechts zum Völkerrecht wird jedoch zuvörderst durch das Grundgesetz bestimmt, welches in der Normenpyramide grundsätzlich an oberster Stelle steht.153 Daher muss eine Argumentation, die sich ausschließlich auf die Rolle der direkten Demokratie in der Sächsischen Landesverfassung sowie einfacher sächsischer Gesetze – unter Auslassung des deutschen Grundgesetzes (!) – stützt, zurückgewiesen werden. Aus demokratietheoretischer Sicht ist gegen die Entscheidung noch zu Recht eingewandt worden, dass im konkreten Fall die Dresdner Bürger nicht als Souverän, sondern als Teil der Exekutive gehandelt haben, da der Bürgerentscheid lediglich einen Stadtratsbeschluss als Teil exekutiven Handels ersetzen konnte.154 Dieses alles hat das Oberverwaltungsgericht bei der Güterabwägung außer Acht gelassen bzw. falsch gewichtet. Wenn man der völkerrechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik ein entsprechendes Gegengewicht im Wege direkter demokratischer Partizipation der Bürger gegenüberstellen möchte, dann dürfte dies, wie Fastenrath zutreffend sagt, kein lokaler Bürgerentscheid, sondern müsste es ein Volksentscheid auf Bundesebene sein,155 den es jedoch bekanntlich nicht gibt. b) Rechtswidrigkeit der aufsichtsrechtlichen Bescheide Richtigerweise hätte sich das Gericht allerdings auf diese überaus angreifbare Güterabwägung überhaupt nicht einlassen müssen. Es hätte seine eilrechtliche Prognoseentscheidung bereits auf die Rechtswidrigkeit der im ersten Prüfungsschritt zu prüfenden, und hier von der Stadt Dresden angegriffenen, aufsichtsrechtlichen Bescheide stützen können. Es lag schließlich wesentlich näher, dass die Stadt bei der Aussetzung der Vergabeentscheidung zur Umsetzung des Bürgerentscheides (dessen Wirkungen bestritten wurden) rechtmäßig handelte. Jedenfalls drängte sich auf der Ermessensseite ein Ermessensausfall hinsichtlich der Berücksichtigung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen auf, der die aufsichtsrechtliche Entscheidung rechtswidrig machte. aa) Rechtswidrigkeit von Bürgerentscheiden in Sachsen Zunächst soll abstrakt untersucht werden, welche Folge die Rechtswidrigkeit eines Bürgerentscheides nach dem sächsischen Landesrecht hat. 153

Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 81 ff. Krieger, Die Herrschaft der Fremden – Zur demokratietheoretischen Kritik des Völkerrechts, AöR 133 (2008), 315 (341). Sie gibt jedoch zu bedenken, dass eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Bürger aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags nur dann eindeutig vorliegt, wenn dieser auch durch ein Gesetz in nationales Recht umgesetzt wurde. 155 Fastenrath, Zur Eilentscheidung des OVG Bautzen und zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, EurUP 3 (2007), 142 (149). Allgemein kritisch hinsichtlich einer hinreichenden demokratischen Legitimation bei Bürgerentscheiden, die über die lokalen Angelegenheiten hinaus Auswirkungen haben, Huber, Die Vorgaben des Grundgesetzes für kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, AöR 126 (2001), 165 (198). 154

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Die Frage des Umgangs mit einem rechtswidrigen Bürgerentscheid setzt zunächst die Anerkennung seiner Rechtswidrigkeit voraus. Das ist eine Möglichkeit, die weder vom Verwaltungsgericht noch vom Oberverwaltungsgericht geprüft156 und im Verfahren seitens der Stadt auch nicht geltend gemacht wurde. Insbesondere die letztgenannte Tatsache scheint auf den ersten Blick für die Abwegigkeit der These einer Rechtswidrigkeit des Bürgerentscheides zu sprechen, dürfte jedoch eher damit zu erklären sein, dass es politisch schlicht nicht opportun war, seitens des Stadtrats mit der Rechtswidrigkeit einer Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger (und damit gleichzeitig der Wähler) zu argumentieren. Zur Rechtswidrigkeit eines Bürgerentscheids verhält sich die sächsische Gemeindeordnung folgendermaßen: Gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 Nr. 8 GOSN sind Anträge unzulässig, die gesetzwidrige Ziele verfolgen. Sollte also das Ziel des Bürgerentscheids gegen Gesetze verstoßen, so wäre bereits die Beantragung eines entsprechenden Entscheids unzulässig. Über die Folgen eines ungeachtet der Verfolgung eines rechtswidrigen Zieles zugelassenen und durchgeführten Bürgerentscheids schweigt sich das Gesetz jedoch aus. Man könnte erwägen, die Rechtswidrigkeit würde durch den nachfolgenden Akt des Bürgerentscheids geheilt. Diesem muss jedoch entgegengehalten werden, dass einem derartigen Entscheid, so basisdemokratisch er auch sein mag, die demokratische Legitimation zur Aushebelung des Rechtsstaatsprinzips und insbesondere des Vorranges des Gesetzes fehlen würde, da die Entscheidung einen Gemeinderatsbeschluss und keinen Legislativakt ersetzt.157 Ein gesetzeswidriger Bürgerentscheid darf daher trotz seiner Herbeiführung nicht von der Verwaltung ausgeführt werden.158 Fraglich bliebe allerdings auch noch, was die sächsische Gemeindeordnung unter „gesetzwidrig“ versteht. Ein Bürgerentscheid, der gegen die UNESCO-Welterbekonvention verstößt, zumindest dem Wortlaut nach möglich sein, da zu dieser kein formelles Umsetzungsgesetz erlassen wurde und ein dagegen gerichteter Bürgerentscheid zwar vertragswidrig, aber entsprechend nicht „gesetzwidrig“ sein könnte. Eines formellen (Landes- oder Bundes-)Gesetzes zum Schutz des UNESCO-Welterbes, wie es im Schrifttum teilweise angeklungen ist,159 bedarf es allerdings keinesfalls. Das Land und über dieses auch die Kommune sind vielmehr aufgrund des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Bundestreue verpflichtet, alles zu unter156

Vgl. deren Ausführungen zum Bürgerentscheid VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 52 – zitiert nach Juris, sowie OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (520 f.). 157 In diesem Sinne auch Scheffer, Zur Bindungswirkung kommunaler Bürgerentscheide im Freistaat Sachsen, LKV 2007, 499 (499). Vgl. Huber, Die Vorgaben des Grundgesetzes für kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, AöR 126 (2001), 165 (198); vgl. auch Krieger, Die Herrschaft der Fremden – Zur demokratietheoretischen Kritik des Völkerrechts, AöR 133 (2008), 315 (341). 158 Scheffer, Zur Bindungswirkung kommunaler Bürgerentscheide im Freistaat Sachsen, LKV 2007, 499 (499), hält ihn dann sogar für nichtig. 159 Müller, Direkte Demokratie und Völkerrecht, NJ 2007, 252 (253).

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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lassen, was zu einem Verstoß gegen völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik führen würde.160 Ein Bürgerentscheid, der auf die Verletzung einer entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtung gerichtet wäre, wäre entsprechend schon deshalb rechtswidrig, weil er gegen das Grundgesetz verstieße, ohne dass es dafür eines formellen Gesetzes bedürfte. Der Begriff „gesetzwidrig“ im Sinne der sächsischen Gemeindeordnung ist dementsprechend weit auszulegen. bb) Rechtswidrigkeit des Bürgerentscheides über den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden Somit bleibt nur noch die Frage zu klären, ob der Bürgerentscheid an sich überhaupt rechtswidrig war, also gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik verstieß. In Betracht kommt hier insbesondere eine Verletzung von Art. 4 S. 2 WKÜ. Danach hat die Bundesrepublik alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um den Schutz und die Erhaltung des Erbes zu gewährleisten. Was jedoch steht in der Kraft eines Staates, der einen Bürgerentscheid, der eine Kulturerbestätte zerstört, strikt umsetzen muss? Die Striktheit der Umsetzungspflicht eines Bürgerentscheids nach sächsischem Landesrechts wird vom Oberverwaltungsgericht nicht bestritten und soll hier zunächst unterstellt werden.161 Und gerade deshalb müsste das Oberverwaltungsgericht und müssten alle anderen Vertreter, die gleichzeitig die Verpflichtung in der UNESCO-Konvention als bloße Bemühensverpflichtung erkennen und mangels Erfolgspflicht schon die Möglichkeit der Verletzung der Konvention durch die Umsetzung des Bürgerbegehrens ablehnen,162 die Widersprüchlichkeit der Argumentation erkennen. Denn unter der Prämisse einer strikten Vollzugspflicht des Bürgerentscheids ist gerade dies eine der wenigen vorstellbaren Konstellationen, in denen die Verletzung einer bloßen Bemühensverpflichtung einmal möglich erscheint. Die Initiierung eines Bürgerbegehrens mit dem Ziel, den Staat zu ver160 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 20 (Bundesstaat), Rn. 40. Zur Verpflichtung eines Landes zum Eingreifen im Wege der Rechtsaufsicht über die Kommunen im Falle der Verletzung von Zuständigkeiten des Bundes vgl. BVerfGE 8, 122 (138); siehe zur Begründung der Verpflichtung aufgrund der Bundestreue oben unter 2. Teil, 2. Kapitel, C., IV., 2. Eine entsprechende Verpflichtung wäre allerdings dann abzulehnen, wenn, wie im Falle des Reichskonkordates, die Länder in keiner Weise am Vertragsschluss beteiligt worden wären, vgl. dazu BVerfGE 6, 309 (330 ff.). 161 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (521). Ebenso Scheffer, Zur Bindungswirkung kommunaler Bürgerentscheide im Freistaat Sachsen, LKV 2007, 499 (500); a.A. VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 53 – zitiert nach Juris, das der Stadt Spielraum für welterbeschonende Verhandlungen einräumen möchte. A.A. Huber, Die Vorgaben des Grundgesetzes für kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, AöR 126 (2001), 165 (189 und 194 ff.), der aufgrund des Vorranges der repräsentativen Demokratie die Korrekturmöglichkeit direktdemokratischer Entscheidungen als verfassungsrechtlich geboten ansieht. 162 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (523); Müller, Direkte Demokratie und Völkerrecht, NJ 2007, 252 (254); Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (529).

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

pflichten, eine Zerschneidung der zu schützenden Kulturlandschaft durch eine Brücke herbeizuführen, ohne dem Staat eine welterbeschonende Alternativlösung anzubieten, und ihn damit aller Kräfte zum Schutz des Erbes zu berauben, so dass er sich gar nicht mehr bemühen kann, führt zu einem Zwang zum Bruch der Konvention.163 Dieses verstößt bereits ganz offenkundig gegen das (Völker-)Recht und ist damit rechtswidrig. Daran kann auch die Behauptung nichts ändern, die UNESCO habe bereits bei Meldung des Dresdner Elbtals zur Eintragung in der Liste von entsprechenden Brückenplanungen gewusst und ICOMOS die Lage der geplanten Brücke falsch in eine Karte eingezeichnet.164 Zum einen gingen die Planungen zum Bau der Waldschlösschenbrücke wie bereits oben dargestellt über hundert Jahre zurück,165 so dass ungewiss war, ob die Brücke tatsächlich jemals zur Realisierung gelangen würde. Zum anderen bedeutet die Meldung einer Stätte keinen Freibrief zur Durchführung der im Vorfeld angestellten Planungsüberlegungen. Vielmehr führt die Eintragung auf der Liste in praktischer Hinsicht eher zu einer erhöhten Verpflichtung zur Achtsamkeit hinsichtlich des Welterbes und rechtlich betrachtet sogar zur Verpflichtung, einen Schutz- und Verwaltungsplan aufzustellen166 und dem Komitee jährlich den Erhaltungszustand des Gutes zu dokumentieren167 und ihm damit die Möglichkeit zu eröffnen, entsprechende Schutzmaßnahmen oder Hilfestellung zum Schutz des Erbes einzuleiten. Schlussendlich wird durch die Beantragung der Eintragung auch hingenommen, dass ein mit entsprechenden Überwachungskompetenzen ausgestattetes Vertragsgremium über die Einhaltung der Verpflichtungen der jeweiligen Vertragspartei entscheidet.168 Die UNESCO hat unmissverständlich klargestellt, dass der Brückenbau gegen die Verpflichtungen der Konvention verstoßen würde und damit ist ein hierauf gerichtetes Bürgerbegehren rechtswidrig gewesen.169 Auch der Einwand des Oberverwaltungsgerichts, derartige Verpflichtungen könnten an der Föderalklausel des Übereinkommens scheitern, wonach den Bun-

163 Vgl. Kotzur, Die Dresdner Waldschlösschenbrücke – rechtlich rundum beleuchtet, in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstag (Hrsg.), Dokumentation 16. Deutscher Verwaltungsgerichtstag, 327 (337). 164 Dazu Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (525). 165 Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., I. 166 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 97 ff. Siehe bereits oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, B., I., 2., b). 167 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 190 f. 168 Siehe dazu schon oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, D., I. und 1. Teil, 5. Kapitel, A., II., 1., b). 169 A.A. Zylla, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Dresden, S. 67, der sich darauf beruft, dass das Vorbringen im Interesse des Welterbeschutzes zu spät gekommen sei und die Sächsische Gemeindeordnung keine Klausel kenne, die die Sperrwirkung bei grundlegender Änderung der Umstände aufhebe.

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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desländern nur die Annahme der Konvention empfohlen werden müsse,170 muss scharf zurückgewiesen werden. Wie bereits oben dargestellt, wäre ein solches Verhalten widersprüchlich.171 Insbesondere scheint das Gericht dabei zu ignorieren, dass beispielsweise Sachsen-Anhalt ohne formelle Annahmeerklärung sehr wohl die Verpflichtungen, die sich aus der Konvention ergeben, erkannt hat.172 Dies ist um so bedeutender, als es sich hierbei ebenfalls um ein ostdeutsches Bundesland handelt, welches wegen der deutschen Teilung noch nicht durch die Ratifikation der Bundesrepublik im Jahre 1976 verpflichtet werden konnte und entsprechende Verpflichtungen, die nach der Ratifikation des Welterbeübereinkommens durch die DDR im Jahre 1989 bestanden,173 erst durch den Einigungsvertrag übernommen wurden.174 Letztlich darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass seitens der UNESCO bzw. ICOMOS Fehler gemacht wurden, indem die von der Bundesrepublik in der Anmeldung des Elbtals angegebene Brückenlösung nicht umgehend näher hinterfragt und zudem noch in einer Karte falsch eingezeichnet wurde. Dementsprechend hat die UNESCO auch aufgrund ihr zurechenbaren Verschuldens spät erkannt, dass die geplante Brücke nicht mit dem Welterbe vereinbar sein würde. Doch diese möglicherweise durch fremdes Verschulden verspätet erlangte Erkenntnis entbindet die Bundesrepublik keinesfalls von ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Und dementsprechend hat der Stadtrat der Stadt Dresden im Einklang mit den völkerrechtlichen und bundesstaatlichen Verpflichtungen gehandelt, als er die Ausführung des Bürgerentscheids sowie der Vergabeentscheidungen aussetzte. Von einer Striktheit der Bindungswirkung ist nämlich selbst bei einer vorherigen Rechtmäßigkeit, die hier, wie oben dargelegt, nicht gegeben war, zumindest dann nicht mehr auszugehen, wenn es zu einer wesentlichen Änderung der Umstände kam, die dem Bürgerentscheid zugrunde lagen.175 Auch wenn derartige Ausnahmetatbestände nicht in die sächsische Gemeindeordnung aufgenommen wurden, so ergibt sich dies zwingend aus dem grundgesetzlich in Art. 28 Abs. 1 S. 1 und 2, 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 28 Abs. 2 GG angeordneten Vorrang der repräsentativen Demokratie gegenüber direktdemokratischen Einzelentscheidungen.176 170 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (522 f.); so auch Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (530). 171 Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., II., 2., b). 172 Vgl. die § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGSA. 173 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (522) m.w.N. 174 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, LKV 2007, 520 (522) m.w.N. 175 Huber, Die Vorgaben des Grundgesetzes für kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, AöR 126 (2001), 165 (189 und 196); Knemeyer, Direkte Demokratie und funktionsfähige kommunale Selbstverwaltung, DVBl. 1998, 113 (115); Scheffer, Zur Bindungswirkung kommunaler Bürgerentscheide im Freistaat Sachsen, LKV 2007, 499 (500) hingegen hält die Rechtslage für offen; a.A. wohl Menke/Arens, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Kommentar, § 24 Rn. 10. 176 Huber, Die Vorgaben des Grundgesetzes für kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, AöR 126 (2001), 165 (189); Knemeyer, Direkte Demokratie und funktionsfähige

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Es bestanden damit Verpflichtungen aus dem UNESCO-Übereinkommen, die mit dem späteren Ergebnis des Bürgerentscheids unvereinbar waren, weshalb dieser nicht vollzogen werden durfte. cc) Ermessenfehlerhaftigkeit der aufsichtsrechtlichen Bescheide Selbst wenn das Regierungspräsidium dieses anders beurteilt und jedwede Verpflichtung aus dem Übereinkommen ausschließt, so bleibt die von ihm getroffene Entscheidung rechtswidrig. Nach §§ 114 Abs. 1 i.V.m. 116 GOSN ist ihm bei der Aufhebung und Ersetzung rechtswidriger kommunaler Beschlüsse Ermessen eingeräumt. Im vorliegenden Fall unterlief dem Regierungspräsidium allerdings ein Ermessensausfall. Es hat aufgrund der eigenen Rechtsposition überhaupt nicht in Erwägung gezogen, dass sich wegen der ungeklärten Rechtslage hinsichtlich der Wirkung der Konvention möglicherweise doch die städtische Entscheidung als rechtmäßig erweisen könnte.177 Die Aufhebung des städtischen Beschlusses ist der Kommunalaufsichtsbehörde aber nur gestattet, wenn der Beschluss rechtswidrig ist.178 Doch selbst wenn er (eindeutig) rechtswidrig ist, so besteht seitens der Aufsichtsbehörde nicht die Verpflichtung zu dessen Aufhebung im Sinne einer gebundenen Entscheidung, sondern ist ihr vielmehr Ermessen eingeräumt. Im Rahmen dieses Ermessens sind dann unter anderem die Folgen der Aufhebung, wie die mögliche Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik, zu berücksichtigen. Wenn allerdings die Aufsichtsbehörde erkennt, wie im vorliegenden Fall das Regierungspräsidium, dass die Voraussetzungen für die kommunalaufsichtsrechtliche Beanstandungsermächtigung noch nicht einmal eindeutig vorliegen, so muss doch erst recht diese Unsicherheit auf Seiten des Ermessens Berücksichtigung finden. Mithin muss sich die Behörde zumindest damit auseinander gesetzt haben, ob der vermeintlich rechtswidrige (Stadtrats-)Beschluss tatsächlich zwingend wegen der vermeintlichen Rechtswidrigkeit aufzuheben ist, oder ob nicht gerade die Rechtsunsicherheit über dessen Rechtmäßigkeit (den Tatbestand) in die Entscheidung über dessen Aufhebung (im Rahmen in einer entsprechenden Folgenabwägung auf der Rechtsfolgenseite) miteinbezogen werden muss. Diese Erwägung, den für rechtswidrig gehaltenen Bescheid wegen der bestehenden Rechtsunsicherheit und den mit einer sich aus der Fehlerhaftigkeit der eigenen Entscheidung ergebenden Folgen aufrechtzuerhalten, hat das Regierungspräsidium nicht getätigt. Dieses ist ein klassischer Ermessensausfall. kommunale Selbstverwaltung, DVBl. 1998, 113 (115); zumindest unschlüssig diesbezüglich Scheffer, Zur Bindungswirkung kommunaler Bürgerentscheide im Freistaat Sachsen, LKV 2007, 499 (500); a.A. wohl Menke/Arens, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Kommentar, § 24 Rn. 10. 177 Vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (141). 178 § 114 Abs. 1 S. 1 GOSN.

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Das Oberverwaltungsgericht hat dessen Nichtvorliegen nun damit begründet, dass jedenfalls keine unmittelbaren Wirkungen von dem Übereinkommen ausgingen und „wenig“ für eine mittelbare Wirkung spreche.179 Eine abschließende Beurteilung sei im Eilverfahren nicht möglich.180 Das Oberverwaltungsgericht muss allerdings auch im Eilverfahren zumindest eine summarische Prüfung der Rechtslage durchführen und damit zu einer vorläufigen Beurteilung kommen. Dieses hat das Gericht auch getan und ist zu der Auffassung gelangt, dass das Ergebnis offen sei, jedoch „wenig“ für eine mittelbare Verpflichtung der Konvention spreche.181 Allerdings bedeutet dieses auch, dass zumindest etwas für eine entsprechende Verpflichtung sprach. Mithin war es nach Auffassung des Gerichts nicht auszuschließen, dass die Welterbkonvention möglicherweise rechtliche Wirkung entfaltet. Entsprechend ist völlig unverständlich, wie das Gericht dann zu der Auffassung gelangen kann, dass das Regierungspräsidium keinem Ermessenausfall unterlegen sein soll, als es gerade diese auch nach Meinung des Gerichts nicht auszuschließende Möglichkeit und dessen Folgen für die Aufhebung des Stadtratsbeschlusses nicht bedacht hat.182 Die Bescheide des Regierungspräsidiums waren somit auch wegen Ermessensausfalls rechtswidrig und hätten vom Gericht aufgehoben werden müssen. Auch wenn freilich unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hinsichtlich der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen in einem Hauptsacheverfahren nur ein Bescheidungsurteil zu erlassen gewesen wäre,183 so hätte bei einer richtigen Abwägung der Belange zumindest der Eilrechtsschutz der Stadt erfolgreich sein müssen. III. Verfassungsgerichtsbarkeit Die im Folgenden angerufenen Verfassungsgerichte, zum einen der Sächsische Verfassungsgerichtshof (1.) und zum anderen das Bundesverfassungsgericht (2.), konnten nur die Verletzung spezifischer verfassungsmäßiger Rechte prüfen. Sie stellen bekanntlich keine Superrevisionsinstanz dar.184

179

OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (141). 181 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). 182 Das Oberverwaltungsgericht spricht sogar als Fazit seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme davon, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs „als offen einzustufen“ seien, OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). 183 Verbunden wäre dieses freilich mit der Folge, dass das Regierungspräsidium unter korrekter Ausübung des Ermessens einen Bescheid mit demselben Inhalt sofort wieder hätte erlassen können. 184 Siehe hierzu die ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 18, 85 (92 f.). 180

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

1. Sächsischer Verfassungsgerichtshof Beim Verfahren vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof handelte es sich um eine Urteilsverfassungsbeschwerde, die sich gegen die letztinstanzliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen vom 9. März 2007 richtete.185 Die Landeshauptstadt Dresden rügte die Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör, des Justizgewähranspruches sowie ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit, die ihr durch die Verfassung des Freistaates Sachsen gewährt würden.186 Der Gerichtshof verwarf die Beschwerde als unzulässig.187 Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nicht gegeben, und ein Justizgewähranspruch, eine Rechtsweggarantie sowie das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit stünden der Stadt im Verhältnis zum Freistaat Sachsen im vorliegenden Fall nicht zu.188 Von Bedeutung für die vorliegende Arbeit ist daher lediglich eine Passage des Beschlusses, in dem der Gerichtshof ein obiter dictum hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der sofortigen Vollziehung des Bürgerentscheids formulierte. Nachdem er bereits festgestellt hatte, dass der Landeshauptstadt gegenüber dem Freistaat kein Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz zustehe, prüfte er nichtsdestotrotz die Begründetheit eines entsprechend fingierten Rechts.189 Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung verfassungsrechtlich nicht angreifbar sei und dass es daher unerheblich sei, zu welchem Ergebnis eine solche Abwägung in einem Hauptsacheverfahren bei vollumfänglicher sachlicher Prüfung führe.190 „Das OVG hat nämlich in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass der Bürgerentscheid einer unverzüglichen Verwirklichung bedürfe und deshalb eine Entscheidung nicht hinausgeschoben werden könne“.191 Demgemäß scheint der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zumindest dahingehend zu teilen, dass es die Verpflichtungen des Übereinkommens im Ergebnis nicht vermochten, eine Aussetzung des Bürgerentscheides zu rechtfertigen, ohne dass freilich daraus abgeleitet werden könnte, ob der

185

SächsVerfGH, Beschluss vom 03.05.07, Az.: Vf. 53, 54-IV-07, LKV 2007, 511 (511). Des Weiteren ging es um einen weiteren Beschluss des OVG Bautzen vom 02.04.07 bezüglich einer Anhörungsrüge der Stadt Dresden. 186 Sie berief sich auf einen Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 78 Abs. 2, einen Justizgewähranspruch gem. Art. 78 Abs. 1 und 2 iVm Art. 84 Abs. 1 S. 1 und die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 15 iVm Art. 37 Abs. 3 SächsVerf. 187 SächsVerfGH, Beschluss vom 03.05.07, Az.: Vf. 53, 54-IV-07, LKV 2007, 511 (511). 188 SächsVerfGH, Beschluss vom 03.05.07, Az.: Vf. 53, 54-IV-07, LKV 2007, 511 (511 ff.). 189 SächsVerfGH, Beschluss vom 03.05.07, Az.: Vf. 53, 54-IV-07, LKV 2007, 511 (512 f.). 190 SächsVerfGH, Beschluss vom 03.05.07, Az.: Vf. 53, 54-IV-07, LKV 2007, 511 (513). 191 SächsVerfGH, Beschluss vom 03.05.07, Az.: Vf. 53, 54-IV-07, LKV 2007, 511 (513), (OVG im Original hervorgehoben).

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Verfassungsgerichtshof dem Übereinkommen überhaupt rechtliche Wirkungen zubilligt. 2. Bundesverfassungsgericht Vor dem Bundesverfassungsgericht berief sich die Stadt Dresden auf die gleichen Rechte wie vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof, allerdings in deren Verkörperung im Grundgesetz.192 Gegenstand dieses Verfahrens war ebenfalls eine Urteilsverfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen vom 09. 03. 2007. Aufgrund des gleichen Sachgegenstandes und einer praktisch gleichen Rechtslage überrascht es nicht, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss eine sehr ähnliche Begründung wie der Sächsische Verfassungsgerichtshof wählte. Lediglich hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG wurde die Beschwerde als zulässig, jedoch offensichtlich unbegründet eingestuft.193 In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht auch die einzigen Bemerkungen gemacht, die für diese Arbeit von Bedeutung sind. Es stellt fest, dass auch im Falle einer sich im Hauptsacheverfahren erweisenden Inkorporation des UNESCO-Übereinkommens kein „absoluter Schutz“ der Kulturlandschaft „Dresdner Elbtal“ bestehe.194 Im Folgenden reiht es Auszüge aus den Verpflichtungen in Art. 4 und 5 WKÜ – ohne diese jedoch auszulegen – aneinander und kommt sodann zu der Schlussfolgerung: „In Anbetracht dieses völkerrechtlichen Rahmens ist es verfassungsrechtlich möglich, dass sich der in einer förmlichen Abstimmung festgestellte Bürgerwille, als authentische Ausdruckform unmittelbarer Demokratie, in einem Konflikt über die planerische Fortentwicklung einer Kulturlandschaft durchsetzt“.195 Leider bleibt unklar, welche Zielrichtung die Aussage des Gerichts hat. Die Feststellung, dass eine Entscheidung, wie sie das Oberverwaltungsgericht Bautzen getroffen hat, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, kann nur als Aussage über die objektiven Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren gedeutet werden, da das Gericht bereits vorher eindeutig klargestellt hatte, dass es seitens der Klägerin keine Verletzung subjektiver Verfassungsrechte erkannt habe. Wenn allerdings diese Aussage damit als Darstellung der objektiven Rechtslage zu verstehen gewesen sein sollte, so ist ihr in mehrfacher Hinsicht Kritik entgegenzusetzen.

192 193 194 195

BVerfG, Beschluss vom 29.05.07, Az.: 2 BvR 695/07, NVwZ 2007, 1176 (1176 ff.). BVerfG, Beschluss vom 29.05.07, Az.: 2 BvR 695/07, NVwZ 2007, 1176 (1177 f.). BVerfG, Beschluss vom 29.05.07, Az.: 2 BvR 695/07, NVwZ 2007, 1176 (1177). BVerfG, Beschluss vom 29.05.07, Az.: 2 BvR 695/07, NVwZ 2007, 1176 (1177).

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Zunächst handelt es sich bei den Schlussfolgerungen des Gerichts um bloße Plausibilitätserwägungen. Die Konvention wird nicht lege artis in den authentischen Sprachfassungen und auch nicht nach den gewohnheitsrechtlichen, in der Wiener Vertragsrechtskonvention niedergelegten, Regeln ausgelegt. Auch wenn im Eilrechtsschutz naturgemäß ein gewisser zeitlicher Druck zu einer Entscheidung zu gelangen besteht, so suspendiert diese Eilbedürftigkeit der Entscheidung aber eben nicht davon, den als Völkergewohnheitsrecht gemäß Art. 25 GG verbindlichen Auslegungskanon anzuwenden. Bei der Aneinanderreihung der Auszüge aus den Verpflichtungen der Art. 4 und 5 WKÜ handelt sich zudem um eine sehr selektive, verkürzt wiedergegebene Auswahl von Bestimmungen des Übereinkommens, denen in dieser Zusammenstellung, ohne eine entsprechende Auslegung, kein Aussagegehalt entnommen werden kann.196 Statt in beispielhafter Form auf die Berücksichtigung des Übereinkommens im Rahmen der bestehenden Normen hinzuweisen, hat das Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit versäumt, der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Gewicht zu verleihen. Vielmehr hat es nur auf die verfassungsrechtliche Möglichkeit der Richtigkeit der Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde und nicht auf die viel offensichtlichere Möglichkeit der Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen höherrangige Normen hingewiesen. Fastenrath hat zu Recht hervorgehoben, dass das Bundesverfassungsgericht damit einen unnötigen und unschönen Beitrag zur zukünftigen Entwicklung der Auslegung des Übereinkommens geliefert habe.197 Er kritisiert auch, dass eine Aussage zur Wirkung des Vertrages mit Blick auf die „weit und breit gar nicht ersichtliche“ Inkorporation des Übereinkommens wünschenswert gewesen wäre.198 Dass eine Aussage des Gerichts zur innerstaatlichen Bedeutung der nicht durch Gesetz inkorporierten Konvention bei Betrachtung der völkerrechtlichen Verpflichtung Deutschlands nach außen und dementsprechender Verpflichtungen zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung nationalen Rechts durch die Behörden und Gerichte hilfreich gewesen wäre, ergibt sich aus der zuvor zu anderen gerichtlichen Entscheidungen geübten Kritik.199 Dies gilt auch für den Fall, dass man, wie in der vorliegenden Arbeit, der Auffassung Fastenraths nicht vollständig folgt und eine Inkorporation mittels der Zustimmung der Ständigen Vertragskommission der

196

Ähnlich Fastenrath, Zur Eilentscheidung des OVG Bautzen und zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, EurUP 3 (2007), 142 (149). 197 Fastenrath, Zur Eilentscheidung des OVG Bautzen und zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, EurUP 3 (2007), 142 (149). In einer anderen Veröffentlichung verkürzt er aber die Aussage des Bundesverfassungsgerichts und erweckt den Eindruck, als würde das Gericht die Konvention nicht als völkerrechtlichen Vertrag (dessen Wirkungen im nationalen Recht unklar sind), sondern lediglich eine „Idee des Kulturgüterschutzes“ anerkennen, ders., Nicht nur eine Frage des Ansehens, FAZ vom 11. 07. 2007, S. 10. 198 Fastenrath, Zur Eilentscheidung des OVG Bautzen und zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, EurUP 3 (2007), 142 (149). 199 Vgl. oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, A., III. und 3. Teil, 1. Kapitel, C.

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Länder im Wege der Lindauer Vereinbarung sowie des Kabinettsbeschlusses der Bundesregierung als tatsächlich erfolgt ansieht.200 Als zu weit gehend muss nach dem bislang Gesagten die Kritik von von Schorlemer an dem Beschluss zurückgewiesen werden. Sie hatte beanstandet, dass sich das Gericht nicht zu den aus der Welterbekonvention erwachsenden Verpflichtungen für die nationalen Rechtsanwender geäußert habe.201 Sicherlich wäre eine Aussage zu diesen Verpflichtungen wünschenswert gewesen. Doch ob das Bundesverfassungsgericht die in dieser Arbeit geäußerte Position sowie diejenige von Schorlemers geteilt hätte,202 ist aufgrund des genannten obiter dictums fragwürdig. Insofern mag es im Sinne einer völkerrechtsfreundlichen Berücksichtigung der Welterbekonvention sogar besser gewesen sein, dass es mangels subjektiver Rechte auf diese Frage nicht eingegangen ist und kein weiteres obiter dictum hinterlassen hat.203

E. Siedlungen der Berliner Moderne Das Verwaltungsgericht Berlin hatte 2007 einen Fall zu entscheiden, der auf den ersten Blick eine klassische denkmalschutzrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand hatte. Es ging um die behördlicherseits zunächst negativ beschiedene Genehmigungsfähigkeit des Einbaus von Kunststofffenstern in ein Gebäude in der denkmalgeschützten Hufeisensiedlung in Berlin. Die Hufeisensiedlung war allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits als Bestandteil der „Siedlungen der Berliner Moderne“ bei der UNESCO zur Eintragung auf der Welterbeliste nominiert worden. Die tatsächliche Eintragung erfolgte im Sommer 2008.204 Die rechtliche Besonderheit im Vergleich zu den übrigen hier analysierten Sachverhalten und Entscheidungen bestand demnach in der Frage der rechtlichen

200

Siehe dazu oben unter 2. Teil, 2. Kapitel, B., I., 3., b) und c). Siehe v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (354 f.). 202 Vgl. v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (339 ff.). 203 Denn auch so schon konnte der Presse entnommen werden, das Bundesverfassungsgericht habe den Bürgerentscheid als nicht durch das Völkerrecht verrückbar eingestuft. Vgl. Honnigfort, Eine Brücke spaltet Dresden. In der sächsischen Landeshauptstadt wird emsig weitergebaut und auf den Welterbetitel gepfiffen, FR vom 05./06. 07. 2008, S. 2. 204 UNESCO Doc. WHC-08/32.COM/24Rev, Decision 32COM 8B.32. 201

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Bedeutung einer Nominierung einer auf der nationalen Vorschlagsliste verzeichneten Stätte für die Eintragung auf die „Liste des Erbes der Welt“.205 Die beklagte Denkmalschutzbehörde argumentierte, dass „auch wegen der UNESCO-Bewerbung“ die Herstellung der traditionellen Fenster verlangt werde und fügte Teile des Nominierungsantrages der Bundesrepublik der Klageerwiderung bei.206 Leider ist nicht eindeutig, ob dieser Aussage auch ein rechtlicher Gehalt beigemessen werden soll. Sie könnte durchaus auch so verstanden werden, dass eine Entscheidung des Gerichts im Sinne des Klägers die Chancen des Antrags der Bundesrepublik hinsichtlich einer Listung bei der UNESCO hätte verschlechtern können, was die Behörde verhindern wollte. Richtigerweise wird man sie allerdings sehr wohl als Aussage mit rechtlicher Relevanz ansehen dürfen und wohl auch müssen, da die Siedlungen zuvor schon auf der Vorschlagsliste verzeichnet und dementsprechend die Schutzpflichten des Übereinkommens bereits auf sie anwendbar waren.207 Ferner hat das Gericht die Frage der rechtlichen Bedeutung des UNESCOWelterbes für seine Entscheidung nicht eindeutig geklärt bzw. klären müssen. Es sagte im Zusammenhang mit der potentiellen Welterbelisten-Eintragung lediglich, dass sich die Denkmaleigenschaft der Siedlung nach den in den Bescheiden angegebenen Tatsachen und dem UNESCO-Nominierungsantrag ergebe.208 Eine Feststellung der rechtlichen Bedeutung oder zumindest bestimmter Vorwirkungen der Meldung können daraus wohl nicht abgeleitet werden, da lediglich auf die „in“ dem Antrag genannten Fakten abgestellt wird und nicht etwa auf eine sich aus der Einreichung des Antrags ergebenden Rechtslage. Dass das Gericht letzteres ausschließen wollte, wird man allerdings seiner Entscheidung ebenso wenig entnehmen können. Vielmehr war aufgrund der Eindeutigkeit der Rechtslage nach dem nationalen Recht im Sinne des Kulturgüterschutzes eine Inbezugnahme des Übereinkommens in der Urteilsbegründung nicht mehr zwingend erforderlich. Entsprechende Schlussfolgerungen für die hier anzustellende Analyse sind dem Urteil demnach nicht zu entnehmen.

F. Oberes Mittelrheintal Das obere Mittelrheintal ist auf einer Länge von 65 km zwischen Bingen/Rüdesheim und Koblenz 2002 von der UNESCO in die Welterbeliste eingetragen

205

Im Gegensatz zur Bedeutung der bloßen Eintragung auf der nationalen Vorschlagsliste. Vgl. dazu den Fall des „Alten Landes“ oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, B. 206 VG Berlin, Urteil vom 06. 09. 2007, Az.: VG 16 A 15.06, Rn. 14 und 19 – zitiert nach Juris. 207 Siehe dazu oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, B., III., 4. 208 VG Berlin, Urteil vom 06. 09. 2007, Az.: VG 16 A 15.06, Rn. 19 – zitiert nach Juris.

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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worden.209 Darüber hinaus haben die beteiligten Länder eine Pufferzone in einer Größe von rund 347 Quadratkilometern zusätzlich zur Kernzone der Welterbestätte ausgewiesen.210 In vielen Bereichen dieses Rheinabschnitts gibt es einen Schutz durch landesrechtliche oder kommunale Regelungen.211 So wurde unter anderem auch die Denkmalzone „Burg und Festung Rheinfels in St. Goar“ ausgewiesen.212 In dieser Zone begehrten die Kläger eines Verfahrens, welches am 3. Juli 2008 vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz letztinstanzlich entschieden wurde, eine Baugenehmigung für die Errichtung von Mehrfamilienhäusern zu erhalten.213 Das Gericht entschied, dass ein Anspruch auf die Genehmigung bestehe, wenn die Beeinträchtigung der Erscheinung des Gesamtbildes als Belange des Denkmalschutzes nicht die Schwelle der Erheblichkeit überschreite.214 In konkreten Fall sah das Gericht diese Schwelle als nicht überschritten an und bejahte mithin einen entsprechenen Genehmigungsanspruch der Kläger.215 Den für die Versagung der denkmalrechtlichen Genehmigung maßgeblichen Erheblichkeitsmaßstab folgerte das Gericht unmittelbar aus dem Eigentumsgrundrecht des Grundstückseigentümers gemäß Art. 14 Abs. 1 GG. Dies begründet es damit, dass es keine speziellen landesrechtlichen Vorgaben für die Genehmigungserteilung gebe. Es sei daher, so das Gericht, eine Abwägung der Belange des Denkmalschutzes und der Eigentümerinteressen notwendig.216 Insbesondere im Falle von Denkmalzonen wolle der Denkmalschutz nur das Erscheinungsbild des 209

UNESCO WHC-02/CONF.202/25, Decision 26COM 23.9. Nomination of properties for inscription on UNESCO’s World Heritage List, The Cultural Landscape of the Middle Rhine Valley from Bingen/Rüdesheim to Koblenz, S. 1 abrufbar unter: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/1066.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 211 Vgl. zum Überblick allein die 45 Denkmalzonen im Rhein-Hunsrück-Kreis unter unter http://www.kreis-sim.de/media/custom/448_147_1.PDF?1147147846. (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 212 Rechtsverordnung zur Unterschutzstellung der Denkmalzone „Burg und Festung Rheinfels in St. Goar“ vom 14. Januar 1993, nachgewiesen bei: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, Rn. 2 – zitiert nach Juris; nur die Existenz, nicht der Wortlaut ist nachgewiesen unter http://www.kreis-sim.de/media/custom/448_147_1.PDF?114 7147846. (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). Insofern unverständlich der Hinweis auf die „Planung“ der Ausweisung der Denkmalzone in den ergänzenden Informationen vom 19. Oktober 2001, Az.: C 1066, S. 3 zum Nominierungsantrag der Bundesrepublik, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/1066.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 213 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, veröffentlicht bei Juris. 214 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, Rn. 33 – zitiert nach Juris. 215 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, Rn. 34 ff. – zitiert nach Juris. 216 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, Rn. 31 – zitiert nach Juris. 210

266

3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

entsprechenden Bereiches schützen.217 Das Grundrecht sei insofern höher zu gewichten, wenn der Gesamteindruck durch das Vorhaben nur unerheblich beeinträchtigt werde.218 Anknüpfungspunkte für eine Würdigung des Urteils sind mithin die Ermittlung der abstrakten Festlegung der Eingriffsintensität sowie die tatsächlichen Schlussfolgerungen. Diese Schlussfolgerungen begegnen schon bei Betrachtung der landesrechtlichen Lage einer vorsichtigen Kritik, da man ihnen folgend an der Sinnhaftigkeit von Denkmalzonen und damit eines hinreichenden Schutzes denkmalrechtlicher Belange schon in genereller Hinsicht zweifeln könnte. Vorhaben zum Bau von Ein- oder kleinen Mehrfamilienhäusern, wie im vorliegenden Fall, vermögen in den seltensten Fällen als Einzelvorhaben sogleich das Gesamtbild der Anlage in erheblicher Weise zu stören. Derartigen Vorhaben sind jedoch, wie zu vermuten ist, in derartigen peripheren Lagen die am häufigsten durchgeführten Bauvorhaben. Demzufolge würde bei einer entsprechenden Rechtsauffassung sehr wohl in Kauf genommen, dass sich das Gesamtbild der Anlage langfristig verändert, wenn auch eben nicht durch ein einzelnes Vorhaben, das aber ebenfalls seinen (kleinen) Beitrag zur Gesamtveränderung leistet. Trotz dieser kritisierbaren Aussage dürfte bei Betrachtung der rein nationalrechtlichen Situation die Auffassung des Gerichtes wegen des besonderen Gewichts des Eigentumsgrundrechtes aus Art. 14 Abs. 1 GG im Einzelfall zu teilen sein. Leider stellt das Gericht in seiner Abwägung nicht den Belang der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und damit verbunden die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Welterbekonvention ein. Das betroffene Gebiet befindet sich im Bereich des in der Welterbeliste geführten Mittelrheintales. Freilich fordert die UNESCO-Konvention für eingetragene Stätten keinen völligen Veränderungsschutz, was auch bei einem Gebiet, das sich über eine Länge von mehr als 50 km erstreckt, kaum durchsetzbar wäre. Darüber hinaus ist das Mittelrheintal auch als Kulturlandschaft eingetragen,219 und derartige Landschaften unterliegen naturgemäß einer permanenten Entwicklung – ein Fakt, dem auch die operational guidelines Rechnung tragen.220 Der hier betroffene Abschnitt mit der Burgruine Rheinfels von St. Goar und deren unmittelbarer Umgebung selbst werden jedoch in einem Bericht von ICOMOS

217

Juris. 218

Juris.

OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, Rn. 33 – zitiert nach OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, Rn. 32 – zitiert nach

219 UNESCO WHC-02/CONF.202/25, Decision 26COM 23.9: „Criterion (iv): The Middle Rhine is an outstanding organic cultural landscape (…)“. Siehe auch schon den Nominierungsantrag der Bundesrepublik, Nomination of properties for inscription on UNESCO’s World Heritage List, The Cultural Landscape of the Middle Rhine Valley from Bingen/Rüdesheim to Koblenz, S. 1 ff. abrufbar unter: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/1066.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 220 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 47.

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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als besonders herausragend hervorgehoben.221 Im Übrigen sieht das Welterbeübereinkommen – wenn auch keine Veränderungssperre – so doch zumindest unterschiedliche Berücksichtigungspflichten vor, die für derartige Flächendenkmäler nicht zurückgenommen werden. Vielmehr hat jede Vertragspartei auch hier die Pflicht, „eine allgemeine Politik zu verfolgen, die darauf gerichtet ist (…), den Schutz dieses Erbes in erschöpfende Planungen mit einzubeziehen“222 und „Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen“223 Erbes zu gewährleisten, was auch durch die Judikative sichergestellt werden muss. Insofern hätte das Oberverwaltungsgericht bei der von ihm vorgenommenen Abwägung zwischen dem Eigentumsgrundrecht und den Denkmalschutzinteressen diesen – im Vergleich zum landesrechtlichen Denkmalschutzinteresse – dogmatisch wesentlich höher zu gewichtenden Belang des Schutzes des Welterbes als Teil einer völkerrechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik mit in das Denkmalschutzinteresse einbeziehen und entsprechend in die Abwägung einstellen müssen. Das besondere Gewicht eines Übereinkommens, das bestimmte Güter als „Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit“ schützen möchte,224 hat über diesen Weg bedeutenden Einfluss auf die Erheblichkeitsschwelle der beeinträchtigten denkmalrechtlichen Belange, die das Gericht angesetzt hat. Dass dieser Einfluss verkannt wurde, ist umso bemerkenswerter, als er sogar vom Antragsgegner in das Verfahren eingebracht wurde.225 Es handelt es sich somit offenbar nicht um eine Unachtsamkeit, sondern eine Verkennung der Rechtslage seitens des Gerichtes. Als weitere Möglichkeit der adäquaten Berücksichtigung böte sich neben dem zuvor bereits Gesagten schließlich noch eine entsprechene Aufladung der Sozialbindung des Eigentums an im konkreten Fall – zumal bei einem Welterbe der gesamten Menschheit – an. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, also der Frage, ob der Gesamteindruck hier im konkreten Fall beeinträchtigt war, macht das Gericht ebenfalls nicht vollständig überzeugende Ausführungen. Zunächst stellt es auf die in diesem Bereich bereits existierenden Bauwerke ab, die den Blick auf das Ensemble um die Festung stören.226 Es spricht dabei ausdrücklich von bereits „eingetretenen Fehlentwicklungen“227 und bestätigt damit die negative Beeinträchtigung. Es verfügt damit offenbar über die gebotene Sensibilität, die Auswirkungen der Bauten einschätzen zu 221

UNESCO, Report on the Advisory Mission to the Upper Middle Rhine Valley (Germany), 11 February 2008, Item 7 of the Provisional Agenda, World Heritage Committee, Thirty-second session, 32 COM, S. 10. 222 Art. 5 lit. a) WKÜ. 223 Art. 4 S. 1 WKÜ. 224 5. Erwägungsgrund der Präambel des UNESCO-Welterbeübereinkommens. 225 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, Rn. 16 – zitiert nach Juris. 226 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, Rn. 34 – zitiert nach Juris. 227 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. 07. 2008, Az.: 1 A 10125/08, Rn. 34 – zitiert nach Juris.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

können. Insofern verwundert die Schlussfolgerung, erneut der geplanten Einzelmaßnahme selbst keine wesentliche Beeinträchtigung beizumessen, statt dieser schleichenden „Fehlentwicklung“ ein Ende zu bereiten. Dieses erstaunt umso mehr als die beratenden Fachorganisationen der UNESCO erst einige Monate vor dem Urteil festgestellt hatten, dass es sich beim Gebiet in St. Goar und St. Goarshausen auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins um den sensibelsten und wertvollsten Bereich der Kulturerbestätte handelt.228 Dieser Einschätzungsprärogative hätte das Gericht bei seiner Beurteilung im Lichte der völkerrechtlichen Verpflichtungen größeres Gewicht schenken dürfen.

G. Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin Die Welterbestätte „Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin“ ist neben der bereits erwähnten Entscheidung229 ein zweites Mal Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Urteils geworden. Da die Urteilsbegründung nur marginalen Bezug auf das Welterbe und die damit verbundenen Rechtswirkungen nimmt, soll es an dieser Stelle nur sehr kurz erwähnt werden.230 In diesem Fall wurde ein Bebauungsplan angegriffen, der es dem Kläger verweigerte, sein Grundstück in der von ihm gewünschten Weise zu bebauen.231 Die den Kläger beschwerenden Festsetzungen des Bebauungsplanes waren unter anderem mit der Begründung des Schutzes des Welterbes ergangen. Ein Rekurs auf den innerstaatlichen Schutzstatus des Welterbes ist im entsprechenden Fall allerdings trotzdem nicht notwendig gewesen, da der Bebauungsplan bereits im Übrigen mit dem nationalen Baurecht vereinbar gewesen ist. Das Gericht stellte daher im Ergebnis fest, dass die Stadt Potsdam in rechtmäßiger Weise das gesetzte Planungsziel des Schutzes der historischen Sichtachsen und des

228 Dazu UNESCO, Report on the Advisory Mission to the Upper Middle Rhine Valley (Germany), 11 February 2008, Item 7 of the Provisional Agenda, World Heritage Committee, Thirty-second session, 32 COM, S. 10. ICOMOS sehr deutlich in Bezug auf die in diesem Bereich geplanten Brückenquerung: „From these characteristics and descriptions it is clear that the section discussed represents the core zone of the Middle Rhine Valley World Heritage property, which needs extraordinarily sensitive conservation without any disturbing interference. This section with its unique cultural landscape and high density of architectural monuments and settlements in general shows a high level of integrity (…)“. 229 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. 12. 2006, Az.: 2 A 21/05, LKV 2007, 468 ff. Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, C. 230 Ein Rekurs auf den innerstaatlichen Schutzstatus des Welterbes ist im entsprechenden Fall nicht notwendig gewesen, weil eine hinreichende Schutzposition schon aufgrund des nationalen Baurechts bestand. 231 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. 09. 2009, Az. 2 A 12/07, BeckRS 2009, 41242.

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Charakters der an den Park grenzenden Umgebung verwirklicht gehabt habe.232 Es machte sodann jedoch ein für diese Arbeit interessantes obiter dictum. Es bemerkte, dass es durch die Festsetzungen gelungen sei, „dem Umgebungsschutz des Parks (…) als UNESCO-Welterbe Rechnung zu tragen“.233 Damit erkannte es implizit die entsprechende Verpflichtung aus der Welterbekonvention an und festigte damit seine welterbefreundliche Rechtsprechung aus dem Jahre 2006, als es bereits unmittelbare Verpflichtungen aus der Konvention bejaht hatte.234

H. Zeche Zollverein Das Industriedenkmal „Zeche Zollverein“ in Essen wurde vom Welterbekomitee im Jahre 2001 in die „Liste des Erbes der Welt“ eingetragen.235 Als solches wurde es zum Gegenstand einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 20. Mai 2010.236 In dem Verfahren ging es um die Rechtmäßigkeit der Versagung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis zur Aufstellung einer Werbeanlage, die unmittelbar an das zudem als Kulturdenkmal eingetragene Zechengelände grenzen sollte.237 Die Rechtmäßigkeit konnte im Ergebnis schon aufgrund der denkmalrechtlichen Schutzwirkung des nach nordrhein-westfälischem Denkmalschutzrecht eingetragenen Kulturdenkmals bejaht werden.238 Das Gericht erhöhte jedoch das Gewicht, das der Zeche als (einfachem) Kulturdenkmal bereits nach dem Landesrecht in der Abwägung mit anderen Belangen zukommen musste, indem es feststellte, dass aufgrund des Weltkulturerbetitels davon auszugehen sei, „dass es sich bei dem Denkmal um ein einzigartiges Industriedenkmal von überragendem Rang handelt“.239 Ferner erhöhe dies „die Sensibilität des Denkmals vor Störungen von außerhalb“.240 Das Gericht las damit in völkerrechtsfreundlicher Weise den Status des Welterbes in denjenigen des landesrechtlichen Denkmals hinein und verlieh ihm in einer 232

41242. 233

41242. 234

(470). 235 236 237

Juris.

OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. 09. 2009, Az. 2 A 12/07, BeckRS 2009, OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. 09. 2009, Az. 2 A 12/07, BeckRS 2009, OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. 12. 2006, Az.: 2 A 21/05, LKV 2007, 468 UNESCO Whc-01/CONF.208/24, Decision 25COM X.A. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. 05. 2010, Az.: 5 K 5679/08, veröffentlicht bei Juris. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. 05. 2010, Az.: 5 K 5679/08, Rn. 1 ff. – zitiert nach

238 VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. 05. 2010, Az.: 5 K 5679/08, insbesondere Rn. 42 ff. – zitiert nach Juris. 239 VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. 05. 2010, Az.: 5 K 5679/08, Rn. 39 – zitiert nach Juris. 240 VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. 05. 2010, Az.: 5 K 5679/08, Rn. 39 – zitiert nach Juris.

270

3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Abwägung mit anderen Belangen ein erhöhtes Gewicht. Damit kam das Gericht dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit in der gebotenen Art und Weise nach.

I. Wartburg Die seit 1999 in der UNESCO-Welterbeliste geführte Welterbestätte „Wartburg“ bei Eisenach241 wurde in zwei Entscheidungen vor dem Verwaltungsgericht Meiningen Gegenstand des Verfahrens. Diesen beiden Entscheidungen lag allerdings derselbe Rechtsstreit zugrunde, weshalb sie hier zusammen dargestellt werden sollen. Zunächst hatte das Gericht im Jahre 2006 über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden.242 Im Jahr 2010 dann erging die Entscheidung im Hauptsacheverfahren.243 I. Sachverhalt Die Klägerin des Hauptsacheverfahrens ersuchte am 20. Januar 2005 die zuständige Baubehörde des Wartburgkreises, ihr eine Baugenehmigung zum Bau von zwei Windkraftanlagen zu erteilen.244 Die Gemeinde Marksuhl, auf deren Gebiet die geplanten Anlagen errichtet werden sollten, verweigerte jedoch das erforderliche gemeindliche Einvernehmen.245 Dieses wurde nach entsprechender Androhung durch die Baubehörde ersetzt und der Klägerin am 12. Mai 2005 die gewünschte Baugenehmigung erteilt.246 Hiergegen legte die Gemeinde Widerspruch ein. Nunmehr kam es zum Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz durch die Gemeinde, die eine Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung angestrebt hatte.247 Diesem Antrag kam das Verwaltungsgericht in seiner ersten Entscheidung vom 25. Januar 2006 nach.248 Der gegen die Entscheidung der Kreisbehörde (Erteilung der beantragten Baugenehmigung) gerichtete Widerspruch der Gemeinde wurde kurz darauf vor dem Thüringer Landesverwaltungsamt ebenfalls im Sinne der Gemeinde beschieden.249 Die Baugenehmigung wurde aufgehoben. Gegen diese Aufhebung wandte sich die 241

UNESCO Doc. WHC-99/CONF.209/11, Decision 23COM VIII.C.1. VG Meiningen, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: 5 E 386/05, NuR 2006, 395 ff. 243 VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 ff. 244 VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (47). 245 VG Meiningen, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: 5 E 386/05, NuR 2006, 395 (396). Siehe dazu auch den vollständig abgedruckten Beschluss BeckRS 2006, 220066, abrufbar unter www.beck-online.beck.de (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 246 VG Meiningen, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: 5 E 386/05, NuR 2006, 395 (396). 247 VG Meiningen, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: 5 E 386/05, NuR 2006, 395 ff. 248 VG Meiningen, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: 5 E 386/05, NuR 2006, 395 ff. 249 VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (47). 242

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

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Klägerin nun im Hauptsacheverfahren, in dem sie wiederum in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Meiningen Erfolg hatte.250 II. Urteil Das Gericht stellte im Hauptsacheverfahren durch Urteil vom 28. Juli 2010 zunächst fest, dass die geplanten Windkraftanlagen in einem Gebiet errichtet werden sollten, das durch einen Regionalen Raumordnungsplan (RROP) aus dem Jahre 1999 als Vorranggebiet für Windkraftanlagen ausgewiesen worden war.251 Die hiernach eingreifende „Abwägungsabschichtungsklausel“ ließe eine Abwägung mit anderen Belangen nur noch in eng umgrenzten Ausnahmefällen zu, insbesondere solchen, die zum Zeitpunkt der Planung noch nicht in diese haben einbezogen werden können.252 Als solche erwog das Gericht auch das Denkmalrecht in Bezug auf das erst zwei Jahre nach Aufstellung des Planes in die UNESCO-Liste eingetragene Kulturdenkmal Wartburg gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 5, Var. 3 BauGB als öffentlichen Belang erneut in die Abwägung mit einzustellen, gewichtete dieses allerdings als nicht stark genug, die Abwägungsentscheidung zu ändern.253 Es führte hierzu aus, dass die Listung durch die UNESCO zwar grundsätzlich geeignet sei, die besagte Änderung der durch den RROP präjudizierten Abwägung vorzunehmen, weil dieses ein Belang sei, der sogar über den Landesdenkmalschutzvorschriften stehe.254 Eine solche Änderung scheide jedoch aus tatsächlichen Gründen in konkreten Einzelfall aus, da die geplanten Anlagen nach Auffassung des Gerichts keine Behinderung der Sichtachsen auf das bzw. von dem Weltkulturerbe darstellten.255 III. Würdigung Auch wenn die tatsächlichen Erwägungen, auf denen die Entscheidung des Gerichtes fußte, von dieser Stelle nicht beurteilt werden können, so bietet das Urteil in seiner detaillierten Form der Auseinandersetzung mit den Wirkungen des UNESCOWelterbeübereinkommens Raum für rechtliche Kritik. So ist zunächst positiv zu vermerken, dass das Gericht die besondere Tragweite der völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Welterbeübereinkommen grundsätzlich erkannt hat, indem es dessen Bedeutung in der Abwägung noch oberhalb des

250 251 252 253 254 255

VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 ff. VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (47). VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (47 f.). VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (48). VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (48). VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (48).

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

übrigen Denkmalschutzrechts ansiedelte.256 Dies ist eine zu begrüßende völkerrechtsfreundliche Auslegung, da sie der Verpflichtung im Rahmen der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten größtmögliches Gewicht beimisst. Diese völkerrechtsfreundliche Sichtweise vermochte das Gericht im Folgenden zu bestätigen. Obwohl es zunächst danach aussah, als würde das Gericht die völkerrechtliche Sachlage verkennen, da es nicht auf die völkerrechtlichen Grundlagen des Schutzes rekurrierte, kam es im Ergebnis zu falsch fundierten, in inhaltlicher Hinsicht aber völlig dem Welterberecht entsprechenden Schlussfolgerungen. Es stellte fest: „Die ,Wartburg‘ verdankt ihren Weltkulturerbe-Status dem Umstand, dass sie und die Stadt in einer wechselseitigen historischen und optischen Beziehung zueinander stehen, d. h. die Burg der Stadt Impulse gab und umgekehrt“.257 Diese Behauptung findet allerdings weder in Aufnahmeentscheidung der UNESCO258, noch im Evaluationsbericht von ICOMOS259, noch im Nominierungsantrag260 der Bundesrepublik selbst ihren Niederschlag. Vielmehr ist die offizielle Begründung der UNESCO für die Eintragung das Vorliegen vom 3. und 6. Kriterium der Nr. 77 der operational guidelines: „Criterion (iii): The Castle of Wartburg is an outstanding monument of the feudal period in Central Europe. Criterion (vi): The Castle of Wartburg is rich in cultural associations, most notably its role as the place of exile of Martin Luther, who composed his translation of the New Testament there. It is also a powerful symbol of German integration and unity.“261

Dementsprechend ist die Schlussfolgerung des Gerichtes, dass die Wartburg ihre Eintragung unter anderem ihrer hier streitgegenständlichen optischen Wirkung verdanke, unrichtig. Nichtsdestotrotz ist die Sichtbeziehung von und zur Wartburg jedoch ein Aspekt, den das Gericht nicht außer Acht lassen durfte. Eine Beachtungspflicht ergibt sich vielmehr aus der Pflicht zur Ausweisung einer Pufferzone: „In allen Fällen, in denen es für die angemessene Erhaltung des Gutes erforderlich ist, sollte eine ausreichende Pufferzone ausgewiesen werden.“262 „Die Pufferzone sollte das unmittelbare Umfeld des angemeldeten Gutes, wesentliche

256 Vgl. VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (48). Das Gericht spricht sogar ausdrücklich von einem „erhöhten Schutzstatus“ durch den Welterbetitel. 257 VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (48). 258 UNESCO Doc. WHC-99/CONF.209/11, Decision 23COM VIII.C.1. 259 ICOMOS, Wartburg (Germany) No. 897, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/archive/ adivisory_body_evaluation/897.pdf (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 260 Fondation Wartburg, Eisenach. Demande d’inscription à l’inventaire du patrimoine mondial de l’UNESCO, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/897.pdf (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 261 UNESCO Doc. WHC-99/CONF.209/11, Decision 23COM VIII.C.1. 262 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 103.

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Sichtachsen und andere Gebiete oder Merkmale umfassen, die eine wichtige praktische Rolle spielen, um das Gut und seinen Schutz zu unterstützen.“263 Eine solche Pufferzone wurde bislang nicht ausgewiesen.264 Auch enthält die Anmeldung der Burg nicht die in jenem Fall notwendige Begründung,265 warum dies ausnahmsweise nicht erforderlich sein sollte.266 Es liegt mithin ein Versäumnis seitens der Bundesrepublik im Außen- bzw. der zuständigen Behörden im Innenverhältnis vor. Das Gericht ersetzte diesen Mangel der Existenz einer Pufferzone allerdings durch eine völkerrechtsfreundliche Betrachtung der Situation. Es bezog die Schutzmerkmale einer Pufferzone in den denkmalschutzrechtlichen Umgebungsschutz ein, indem es die soeben zitierten Maßstäbe für die Ausweisung von Pufferzonen der operational guidelines zugrunde legte und prüfte, ob die geplanten Anlagen in der Umgebung des Gutes liegen und dadurch die „wechselseitigen historischen und optischen Beziehungen“ zerstört werden würden.267 Während es das Gericht im einstweiligen Rechtsschutz dieses in gebotener summarischer Prüfung für möglich erachtete und unter anderem deshalb die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung angeordnet hatte,268 setzte sich das Gericht im Hauptsacheverfahren intensiv mit möglichen Sichtbehinderungen von und auf die Wartburg auseinander und kam daher nach seinen eigenen subjektiven269 Auffassung zu einer Lösung, die auch mit Welterberecht in Einklang steht. Das Gericht hat damit in vorbildlicherweise das UNESCO-Übereinkommen in Wert gesetzt und ein materiell-rechtlich richtiges Ergebnis erzielt. Dieses kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Urteil auch Schwächen im Umgang mit der Konvention aufweist. Bereits die zu Beginn der grundsätzlichen Erwägungen über das gemeindliche Einvernehmen getätigte Aussage des Gerichts, dass es bezweifele, dass eine Gemeinde (bei der Versagung ihres Einvernehmens mit einem Bauvorhaben) die Tangierung einer Welterbestätte geltend machen könne, die sich auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde befindet,270 begegnet Bedenken. Im Kern wurde damit behauptet, dass es sich bei den Einwänden der Gemeinden, auf deren Gebiet die Windkraftanlagen errichtet werden sollen – auf deren Gebiet 263

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. Vgl. zur Notwendigkeit UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 103. 265 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 106. 266 Fondation Wartburg, Eisenach. Demande d’inscription à l’inventaire du patrimoine mondial de l’UNESCO, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/897.pdf (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 267 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. 268 VG Meiningen, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: 5 E 386/05, NuR 2006, 395 (400). 269 VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (48 f.). 270 VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (48 f.). 264

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

sich allerdings das Welterbe nicht befindet – nicht um die Geltendmachung eigener (Rechte und) Pflichten handelt. Folglich wurde damit bezweifelt, ob im konkreten Fall die Gemeinde Marksuhl ihr gemeindliches Einvernehmen mit dem privaten Bauvorhaben unter der Begründung verweigern konnte, der Schutz des UNESCOWelterbes Wartburg sei keine eigene, sondern die alleinige Pflicht der benachbarten Kommune Eisenach. Diese Betrachtung verkennt allerdings die Bedeutung der völkerrechtlichen Verpflichtung der Gemeinden durch das Übereinkommen. Das Übereinkommen bindet die Bundesrepublik in seiner Gesamtheit mit allen Gewalten auf Ebene aller Verbände.271 Eine Reduzierung der Verpflichtung lediglich auf die unterste Verwaltungsebene, auf der sich eine Welterbestätte örtlich befindet, findet gerade nicht statt. Zwar ist das Institut des gemeindlichen Einvernehmens nicht als Mittel zur Kontrolle und Gewährleistung der Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Nachbargemeinde erschaffen worden. Aber gerade bei Vorhaben, wie dem hier vorliegenden, die Auswirkungen auf die Nachbargemeinde haben, ist nicht nachvollziehbar, weshalb nicht auch völkerrechtliche Belange in die Prüfungsentscheidung der Nachbargemeinde, die ein Einverständnis zu erteilen hat, mit eingestellt werden sollten bzw. sogar müssten. Es können vielmehr nur durch die Versagung dieses Einvernehmens Auswirkungen auf das benachbarte Welterbe wirksam gestoppt werden, da die Belegenheitskommune an der baurechtlichen Entscheidung überhaupt nicht beteiligt ist. Insofern trifft hier die Gemeinde tatsächlich die Pflicht, ihr Einvernehmen zu verweigern. Die Zweifel des Gerichts an der rechtmäßigen Geltendmachung von welterbeschützenden Positionen durch die Nachbargemeinde müssen daher zurückgewiesen werden. Darüber hinaus begründete das Gericht die Welterbeverträglichkeit der Errichtung der Anlagen unter anderem auch mit dem Argument, dass von keiner Seite eine Gefährdung des Welterbestatus oder zumindest dessen Prüfung bei Durchführung des Projektes angekündigt worden sei.272 Dieses kann jedoch nur als faktisches Argument dahin gehend anerkannt werden, dass die UNESCO, mangels von ihr geäußerter Einwände gegen das Projekt, offenbar selbst – so der Umkehrschluss – von einer Welterbeverträglichkeit ausgeht. In rechtlicher Hinsicht ist dies zurückzuweisen und zwar mit folgenden zwei Argumenten: Zum einen gelten die Schutzverpflichtungen des Übereinkommens273 unabhängig von der Eintragung in die Welterbeliste für jedes der Definition in Art. 1 und 2 WKÜ entsprechende Gut, also zumindest jede auf der Welterbeliste oder einer nationalen Vorschlagsliste eingetragenen Stätte.274 Dieses hatte bereits das Gericht im einstweiligen Rechtsschutz erkannt und festgestellt, dass „die Wartburg als Weltkulturerbe der UNESCO – unabhängig von der Frage, ob eine Aberkennung dieses Status 271

Vgl. 2. Teil, 2. Kapitel, C., IV. VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (49). 273 Insbesondere Art. 4 und 5 WKÜ. 274 Siehe dazu oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, B., III., 4. Falls eine entsprechende Eintragung noch nicht stattgefunden hat, gilt zumindest die Erfassungspflicht gemäß Art. 3 WKÜ. 272

1. Kap.: Übereinkommen in der Rechtsprechung deutscher Gerichte

275

wegen der Windkraftanlagen tatsächlich zu besorgen wäre – besonders schutzwürdig“ sei.275 Zum anderen werden die Schutzverpflichtungen nicht erst durch eine Überprüfung des Listenstatus seitens der UNESCO aktiviert und sind daher einzuhalten, auch ohne dass die entsprechende Vertragspartei durch das Einleiten eines bestimmten Sanktionierungsverfahrens unter Druck gesetzt und ein Verstoß gegen das Übereinkommen indiziert wird. Jeder einzelne Konventionsstaat hat gerade anerkannt, „daß es in erster Linie seine eigene Aufgabe ist, (…) Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen, in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes“ zu gewährleisten.276 Ferner hat das Verwaltungsgericht eine weitere Aussage getätigt, die – wenn sie auch nicht die tragenden Säulen der Argumentation beschädigt – vom Gesichtspunkt des Welterberechts nicht haltbar ist. Das Gericht argumentierte, dass bei Ausweitung der Pufferzone der Wartburg auf das in 7,5 km Entfernung zu dieser befindliche Gebiet, in dem die Windkraftanlagen errichtet werden sollen, aufgrund der Großräumigkeit der Zone eine Abgrenzbarkeit zwischen Weltkultur- und Naturerbe unmöglich gemacht werde.277 Abgesehen von der Tatsache, dass eine solche Unterscheidung keine Auswirkungen auf die völkerrechtliche Schutzintensität hätte,278 ist sie auch von der Konvention in der vom Gericht aufgeführten Art und Weise gar nicht angelegt. Die Fortentwicklung des vom Verwaltungsgericht angeregten Gedankens würde bedeuten, dass Kulturerbestätten nur eine kleine räumliche Ausdehnung erfahren dürften, Naturerbestätten hingegen eine große Ausdehnung vorweisen müssten. Dieses ist eine Vorstellung, die bereits dem nationalen Recht fremd ist. Dieses kennt Naturdenkmale in Form einzelner Bäume und verlangte dementsprechend nicht zwingend einen Raumbezug für das Naturerbe.279 Das Welterberecht rechnet sogar die Kulturlandschaften, die im deutschen Recht unter den Naturschutzbegriff fallen,280 dem Kulturerbe zu,281 weshalb eine flächenmäßige Ausdehnung keinesfalls ein Abgrenzungskriterium zwischen Kultur- und Naturerbe darstellen kann. Letztlich wäre es wünschenswert gewesen, wenn das Gericht nicht seine eigene Einschätzung hinsichtlich möglicher Sichtbehinderungen für maßgeblich erklärt hätte, sondern nach dem Amtsermittlungsgrundsatz die UNESCO bzw. das Welt275

VG Meiningen, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: 5 E 386/05, NuR 2006, 395 (398). Art. 4 S. 1 WKÜ. 277 VG Meiningen, Urteil vom 28. 07. 2010, Az.: 5 K 670/06, ZUR 2011, 46 (49). 278 Vgl. die fehlende Differenzierung der Schutzverpflichtungen in Art. 4 und 5 WKÜ in Bezug auf Art. 1 (Kulturerbe) und Art. 2 (Naturerbe) des Übereinkommens. 279 § 28 Abs. 1 BNatSchG. Den „Einzelschöpfungen“ sind seit 2002 allerdings auch Flächennaturdenkmale mit bis zu 5 ha Fläche gleichgestellt, siehe dazu Hönes, Schutz von Naturdenkmalen, NordÖR 2003, 429 (434 f.). 280 Vgl. § 1 Abs. 4 Nr. 1 BNatSchG. 281 Siehe oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, B., III., 2., a). 276

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

erbekomitee und seine Hilfsorgane um ihre entsprechende Einschätzung gebeten hätte.282 In diesem Punkt hatte selbst das hinsichtlich der Wirkungen der Konvention sehr kritische Oberverwaltungsgericht in Bautzen (im Fall des Baus der Waldschlösschenbrücke im Dresdner Elbtal) das Verfahren zwischenzeitlich ausgesetzt, um den Parteien eine Einigung unter der Vermittlung der deutschen UNESCOKommission zu ermöglichen.283

J. Zwischenergebnis Die Fallanalysen zur Behandlung des UNESCO-Übereinkommens durch die deutsche Rechtspraxis kommen zu dem Ergebnis, dass die Konvention nach einer recht restriktiven Handhabung, insbesondere in den Verfahren um den Bau der Dresdner Waldschlösschenbrücke, in zunehmendem Maße Berücksichtigung findet und entsprechend ihre Verpflichtungen eingehalten werden. Die Rechtsstreitigkeiten um das Dresdner Elbtal haben, soweit dies bislang festgestellt werden kann, eine Zäsur in der Berücksichtigung des Überkommens durch die Judikative bewirkt.284 Während vor dem Dresdner Fall einzelne Gerichte den Vertrag nicht nur unberücksichtigt ließen, sondern ihm seinem Inhalt nach sogar jede Rechtswirkung absprachen,285 ist eine generelle Abkehr von dieser nicht haltbaren Rechtsauffassung zu beobachten. Sicherlich diente der Fall des Dresdner Elbtals nicht nur als Negativbeispiel eines Mangels an Berücksichtigung im Wege der verfassungsrechtlich gebotenen völkerrechtsfreundlichen Auslegung nationalen Rechts, sondern auch aufgrund der dadurch ausgelösten Folge, der Streichung des Elbtals von der Welterbeliste mit der damit verbundenen internationalen Ächtung der deutschen Kulturpolitik, als eine Art Alarmsignal, der Konvention zukünftig eine höhere Beachtung zukommen zu lassen.

282

Hierzu zählt insbesondere die Frage, ob man bei der Wartburg, die sich in 7,5 km Entfernung zu den geplanten Anlagen befindet, noch von einem „unmittelbaren Umfeld“ im Sinne der operational guidelines sprechen kann. 283 OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (140). 284 Die Entscheidung über den Bau des Mehrfamilienhauses im Oberen Mittelrheintal, in dem eine Beeinträchtigung des Welterbes und der Konvention nicht erwogen wurde, kann das Bild dieser Grundtendenz nur wenig trüben. Nach Auffassung des Gerichtes war bereits der Schutz der Denkmalzone nicht einschlägig. Und diese bietet im Vergleich zur Kulturlandschaft, als welche das Obere Mittelrheintal auf der Welterbeliste eingetragen ist, einen wesentlich kleinteiligeren Schutz. Die adäquate Berücksichtigung einer Kulturlandschaft ist in Deutschland generell problematisch. Wohl auch deshalb ist das Europäische Landschaftsabkommen von Deutschland nicht gezeichnet worden. Zu weiteren Gründen Marschall/Werk, Die Europäische Landschaftskonvention, NuR 2007, 719 ff. Eine Verbesserung der Berücksichtigung von Kulturlandschaften in Deutschland in den vergangenen Jahren stellt hingegen Hönes, Das Europäische Landschaftsübereinkommen vom 20. Oktober 2000, DÖV 2007, 141 (149), fest. 285 VG Dessau, Urteil vom 06. 04. 2001, Az.: 2 A 424/98 DE, LKV 2002, 478 (479).

2. Kap.: Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis

277

Diese Beachtung haben, wie dargelegt, einzelne Gerichte dem Übereinkommen gegenüber schon vor dem Dresdner Fall in vorbildlicher Weise gezollt. Erwähnt werden muss dabei in besonderer Weise die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zum Alten Land, die sich sogar mit den Vorwirkungen einer ins Auge gefassten Eintragung auf der Welterbeliste beschäftigte und damit einer Tatsache, die bislang sogar akademisch nicht diskutiert worden war.286 Die Schlusspunkte dieser nach dem Waldschlösschenbrücken-Fiasko erfreulichen Entwicklung in der deutschen Rechtsprechung bilden die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen und insbesondere des Verwaltungsgerichts Meiningen, die das Gebot zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung vorbildlich anwenden, indem sie im nationalen Recht verankerte Rechtsbegriffe im Lichte des Völkerrechts auslegen und damit das nationale Denkmalrecht für den Welterbeschutz handhabbar machen.287 Insbesondere hat das Verwaltungsgericht Meiningen als erstes Gericht zumindest implizit auf die operational guidelines abgestellt, die wie oben dargelegt, eine bedeutende Rolle für die Auslegung des Übereinkommens spielen. So hat es die Merkmale einer Pufferzone – mangels Existenz im konkreten Fall – in den denkmalrechtlichen Umgebungsschutz hineingelesen. Um den Gerichten derartige Interpretationen zur Inwertsetzung des Völkerrechts zu ersparen, müssen die Kommunen gehalten werden, entsprechende Pufferzonen in den Bebauungsplänen auszuweisen. Ein Umsetzungsgesetz würde diese Situation für die Gerichte hingegen nicht einfacher machen. Aufgrund der positiven Entwicklung der völkerrechtfreundlichen Rechtsprechung in den vergangenen Jahren – nach dem Waldschlösschenbrückenfall 2007 – scheint diese auch in den anderen Konstellationen nicht mehr notwendig zu sein. 2. Kapitel

Die Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis Zielkonflikte bei Planungen, die auch das Welterbe berührt haben, hat es bereits in einer sehr hohen Anzahl gegeben. Die Verwaltungspraxis in jenen Fällen ist daher in der Vergangenheit schon verschiedentlich Gegenstand von Problemanalysen unterschiedlicher wissenschaftlicher Spektren geworden. In dieser Arbeit soll daher zunächst der problematischste Fall beleuchtet werden, die Brückenplanungen im 286 Als erste haben diese Thematik soweit ersichtlich indirekt Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1019), und ausdrücklich Pfeifle, UNESCOWeltkulturerbe, S. 99, erst nach dem Urteil aus dem Jahre 2005 behandelt. 287 Vgl. zu dieser Verpflichtung aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit oben unter 2. Teil, 3. Kapitel, D.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

„Dresdner Elbtal“ (A.). Sodann soll überprüft werden, ob und wie die Behörden auf die Schwierigkeiten des Dresdner Falles reagiert und daraus Konsequenzen gezogen haben. Dieses soll exemplarisch am langjährigen Streit über den Bau einer Rheinquerung im Welterbe „Oberer Mittelrhein“ geschehen (B.). Im Anschluss sollen die Ergebnisse anderer Konfliktanalysen vorgestellt werden (C.), um in einem abschließenden Abschnitt mit den Ergebnissen der hiesigen Analysen zu einem zusammenfassenden Gesamtbild der Berücksichtigung des Welterbe in der Verwaltungspraxis der deutschen Behörden zusammengesetzt zu werden (D.).

A. Die Berücksichtigung der Welterbekonvention im Konflikt um den Bau der Waldschlösschenbrücke im Dresdner Elbtal Der Sachverhalt zum Streit über den Bau der Waldschlösschenbrücke ist oben ausführlich dargestellt worden.288 Einen ersten wesentlichen Fehler, der in letzter Konsequenz zur Aberkennung des Welterbetitels geführt hat, haben die Behörden – namentlich das Landesamt für Denkmalpflege – begangen, als sie die Belange des Welterbeschutzes trotz der langen Vorbereitung und der bereits erfolgten Anmeldung bei der UNESCO nicht im Planfeststellungsverfahren eingebracht haben.289 Über die Gründe der mangelnden Einbringung der Belange des Welterbeschutzes kann mangels verfügbarer Hintergrundinformationen nur spekuliert werden. Da nichts dafür spricht, dass die zuständige Denkmalschutzbehörde sie nicht berücksichtigen wollte, müssen sie übersehen worden sein. Dazu mag beigetragen haben, dass das Welterbe aufgrund der gerade erfolgten Anmeldung zur Eintragung auf der Liste290 noch eine sehr neue Materie im Kompetenzbereich der Denkmalschutzbehörde war. So scheint es auch denkbar, dass die Behörden vor dem Hintergrund des landesrechtlichen Denkmalschutzverständnisses nur die unmittelbare, also nähere Umgebung geschützter Denkmale für vom Welterbeschutz umfasst angesehen haben.291 Der Bau der Brücke wurde jedoch in deutlicher Entfernung zum historischen und – aus Sicht der nationalen Denkmalschutzbehörden – allein schützenswerten Stadtzentrum mit seinen Kulturdenkmalen geplant.292 Dass jedoch der Welterbeschutz 288

Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., I. Fastenrath, Zur Eilentscheidung des OVG Bautzen und zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, EurUP 3 (2007), 142 (147 f.). 290 Im Januar 2003 war der Nominierungsantrag bei der UNESCO eingereicht worden. Im Februar wurde der festzustellende Plan über den Bau der Brücke vorgelegt und die Träger öffentlicher Belange um Stellungnahme gebeten. Im April teilte das Landesamt für Denkmalpflege mit, dass seinerseits keine Bedenken hinsichtlich der Planung bestehen. Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., I. 291 Vgl. Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (528); vgl. zum Umgebungsschutz im sächsischen Denkmalschutzrecht § 2 Abs. 3 Nr. 1 DSchGSN. 292 So v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (374); Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (525). 289

2. Kap.: Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis

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auch die weitere Umgebung eines Kulturdenkmals mit umfasst, insbesondere wesentliche Sichtachsen durch auszuweisende Pufferzonen,293 ist der Behörde jedoch offenbar verborgen geblieben. Das überrascht insofern, als die Anmeldung über Jahre vorbereitet und kurz vor der Stellungnahme zur Brückenplanung bei der UNESCO eingereicht wurde. Gegenstand eines solchen Nominierungsantrags sollen nach den Durchführungsrichtlinien schließlich auch die Details über die auszuweisende Pufferzone sein.294 Trotz dieser offensichtlichen Tangierung des zum Welterbe nominierten Elbtales meldete die Behörde keine Beeinträchtigung der Belange des Denkmalschutzes.295 Hinsichtlich der Folgen dieses Fehlers ist festzustellen, dass das Denkmalrecht in der Planfeststellung zwar keinen abwägungsfesten Belang darstellt, sondern lediglich mit in die Abwägung einbezogen werden muss, in der es indes häufig gegenüber anderen Belangen zurücktritt.296 Allerdings sind bei einer Verneinung der Beeinträchtigung der Belange des Denkmalschutzes durch die beteiligten Fachbehörden297 aufgrund der Präklusionswirkung des Planfeststellungsbeschlusses rechtliche Schritte wegen etwaiger beachtlicher Abwägungsmängel zu Lasten des Denkmalschutzrechts und damit des Welterbes von vornherein wohl zum Scheitern verurteilt.298 Aufgrund der beschriebenen abgeschwächten Schutzwirkung unterhalb eines Gesetzes hätte man trotz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes keine Möglichkeit gehabt, den Planfeststellungsbeschluss nachträglich aufgrund der Verletzung der Welterbekonvention wieder aufzuheben. Sinn und Zweck eines solchen Verfahrens ist es ja gerade, auch unter Inkaufnahme der späteren Undurchsetzbarkeit rechtlich schutzwürdiger Interessen, Planungssicherheit zu schaffen. Die völkerrechtliche Verpflichtung kann wegen der bereits beschriebenen rechtlichen Bedeutung des UNESCO-Übereinkommens, als Vertrag ohne Vertragsgesetz und damit unterhalb Gesetzesranges stehend, keine Ausnahme zu diesem wichtigen Rechtsinstrument des Planungsrechts bilden. Allerdings berechtigt ein Planfeststellungsbeschluss lediglich zum Bau des planfestgestellten Objekts, so auch der fehlerhafte im Fall der Waldschlösschenbrücke. Eine Verpflichtung zum Bau ergab sich aus dem Beschluss selbst für die Stadt 293

UNESCO operational guidelines (2012) Nr. 104. UNESCO operational guidelines (2012) Nr. 104. 295 Landesamt für Denkmalpflege, Stellungnahme vom 08. 04. 2003, zitiert in: OVG Bautzen, Beschluss vom 09. 03. 2007, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). 296 Spannowsky, Planfeststellung und Denkmalschutz, ZfBR 2000, 239 (243). 297 Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., I. 298 Vgl. § 73 IV3 VwVfG. Dazu auch Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, S. 14; a.A. wohl Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 230, der allerdings die Feststellungen der Umweltverträglichkeitsprüfung hinsichtlich der Veränderungen der Sichtbeziehungen der Elbufer zueinander als hinreichende Einbringung der welterberelevanten Bereiche ansieht; ebenso kritisch Kotzur, Die Dresdner Waldschlösschenbrücke – rechtlich rundum beleuchtet, in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstag (Hrsg.), Dokumentation 16. Deutscher Verwaltungsgerichtstag, 327 (334 und 337). 294

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

jedoch nicht.299 An dieser Stelle jedoch geschah nun der zweite Fehler. Da inzwischen das Dresdner Elbtal offiziell in die Liste des Welterbes eingetragen worden war, hätte man die Pläne mit der UNESCO abstimmen müssen. Denn nach erfolgter Eintragung in der Welterbeliste sind selbst Veränderungen an der Pufferzone der UNESCO zu melden und von ihr zu genehmigen,300 ohne dass damit zwangläufig Bautätigkeiten verbunden sein müssten.301 Ein weiterer behördlicher Fehler bestand im Folgenden darin, dass der Stadtrat (und wegen des Versagens ebenso die Aufsichtsbehörden) den im Wege eines Bürgerbegehrens geforderten Bürgerentscheid nicht stoppten.302 Dieser war unzulässig, da Bürgerbegehren, die auf rechtswidrige Entscheidungen abzielen, selbst rechtswidrig sind,303 was sich im vorliegenden Fall daraus ergab, dass ein positiver Bürgerentscheid unter Verstoß gegen Art. 4 und 5 WKÜ zu einer Verpflichtung zum Bau der Brücke führen konnte (und bekanntlich im Ergebnis auch geführt hat). Art. 5 lit. a) WKÜ bestimmt ausdrücklich, dass das Erbe in „erschöpfende Planungen einzubeziehen“ ist. Diese Verpflichtung bestand zwar schon vor der Eintragung des Elbtals in die Welterbeliste, wurde durch diese jedoch manifest und hätte von den Behörden erkannt werden müssen. Als nach erfolgtem Bürgerentscheid und Protesten der UNESCO die Stadt den drohenden Verstoß gegen die UNESCO-Konvention erkannte und die Durchführung der Bauplanungen und damit des Bürgerentscheides mithilfe des oben wiedergegebenen Beschlusses aufschieben wollte, um mit der UNESCO eine einvernehmliche Lösung zu erzielen,304 verkannte das Regierungspräsidium als Kommunalaufsichtsbehörde die völkerrechtlichen Verpflichtungen und verpflichtete die Stadt zur Vergabe der Bauaufträge und besorgte diese nach erfolgreichen gerichtlichen Eilverfahren selbst im Wege der Ersatzvornahme.305 Möglicherweise hervorgerufen durch die bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung erwuchs beim Regierungspräsidium Dresden die Auffassung, dass die Durchführung des Bauvorhabens gegen 299 Vgl. § 75 Abs. 1 S. 1 iVm Abs. 4 VwVfG; Fastenrath, Zur Eilentscheidung des OVG Bautzen und zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, EurUP 3 (2007), 142 (146 f.). 300 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 107. 301 Insbesondere da es mittlerweile eine neue politische Mehrheit im Stadtrat der Stadt Dresden gab, die sich gegen den Bau der Brücke aussprach, wäre eine solche Handlung auch politisch durchsetzbar gewesen. 302 Vgl. § 25 Abs. 3 S. 1 GOSN: „Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet der Gemeinderat“. 303 Vgl. § 24 Abs. 2 S. 2 Nr. 8 GOSN: „Ein Bürgerentscheid findet nicht statt über (…) Anträge, die gesetzwidrige Ziele verfolgen“. 304 Beschluss A0308-SR35-06 vom 20.07.06 zitiert aus VG Dresden, Beschluss vom 30. 08. 2006, Az.: 12 K 1768/06, Rn. 6 ff. – zitiert nach Juris. Siehe schon oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., I. 305 Vgl. Kotzur, Die Dresdner Waldschlösschenbrücke – rechtlich rundum beleuchtet, in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstag (Hrsg.), Dokumentation 16. Deutscher Verwaltungsgerichtstag, 327 (337).

2. Kap.: Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis

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die UNESCO-Konvention Ausdruck staatlicher Souveränität sei,306 und es verkannte, dass es infolge des Vertragsschlusses in deren Ausübung eingeschränkt war. In Anbetracht der bereits geschlossenen Verträge, der getätigten Investitionen und der durch den Baubeginn zugefügten Schäden an der Natur in der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal erscheint es des Weiteren zwar aus politischer, nicht allerdings aus rechtlicher Perspektive nachvollziehbar, dass wiederum die Stadt sich nach Ende der dreijährigen Bindungswirkung des Bürgerentscheids nicht über diesen hinweggesetzt hat.307 Dieses war aus rechtlicher Sicht die letzte Chance, zu einer welterbeverträglichen Lösung zu kommen. Aber nicht nur die fehlende rechtliche Berücksichtigung des UNESCO-Übereinkommens durch die Verwaltung hat die späteren juristischen Streitigkeiten provoziert. Auch die mangelhafte Kommunikation mit der UNESCO dürfte ihr Übriges dazu beigetragen haben, dass ein Konflikt entstand,308 aus dem eine der beiden Seiten, die Bundesrepublik oder die UNESCO, als Verlierer hervorgehen würde.309 Im Nominierungsantrag vom 6. Januar 2003 wurde zwar bereits ausdrücklich auf konkrete Planungen zum Bau der Waldschlösschenbrücke hingewiesen, darüber hinaus jedoch offenbar keine Informationen über die weiteren Planungsschritte der UNESCO zugeleitet.310 Anders als es teilweise in der Literatur angedeutet wurde,311 kann es meines Erachtens nach keine Bedeutung haben, wer für die falsche Einzeichnung der geplanten Brücke im Evaluationsbericht von ICOMOS,312 der Grundlage der späteren Eintragung wurde, verantwortlich ist.313 Auch die fälschlich eingezeichnete Lage der geplanten Brücke befand sich innerhalb des Welterbebe306

Fastenrath, Nicht nur eine Frage des Ansehens, FAZ vom 11. 07. 2007, S. 10. Burger, Ein endloser Streit. Soll in Dresden statt der Waldschlösschenbrücke ein Elbtunnel gebaut werden? FAZ vom 26. 03. 2008, S. 10 hingegen fürchtete die durch die Schadensersatzleistungen drohenden finanziellen Schäden. Diese wurden im Sommer 2008 auf ca. 15 Millionen Euro taxiert, so Burger, Weltkulturerbe in Gefahr, FAZ vom 05. 07. 2008, S. 1. 308 Ebenso v. Schorlemer, Compliance with the World Heritage Convention, GYIL 51 (2008), 321 (388 f.). 309 Nicht besonders hilfreich dürfte auch der fehlende Respekt der Behördenspitze der Landeshauptstadt, der Oberbürgermeisterin Helma Orosz, vor der Fachkompetenz der UNESCO gewesen sein: „Diese Brücke beeinträchtigt das Welterbe Dresdner Elbtal nicht.“ Zitiert in: Honnigfort, Eine Brücke spaltet Dresden. In der sächsischen Landeshauptstadt wird emsig weitergebaut und auf den Welterbetitel gepfiffen, FR vom 05./06. 07. 2008, S. 2. 310 Nomination for inclusion on the World Heritage List, „Dresden Elbe Valley“ Cultural Site vom 06. 01. 2003, S. 81, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/1156. pdf (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 311 Siehe v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (376) sieht zumindest eine eindeutige Verpflichtung Deutschlands zur Korrektur des Fehlers. 312 Vgl. aber v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention: Reflections on the Elbe Valley and the Dresden Waldschlösschen Bridge, GYIL 51 (2008), 321 (372 ff.); Wolf, Die Waldschlösschenbrücke, ZUR 2007, 525 (525). 313 Ganz abgesehen davon lassen sich die tatsächlichen Umstände nicht mehr klären, so schon 3. Teil, 1. Kapitel, D., I. 307

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

reichs, und somit hat die UNESCO zu Recht erwarten dürfen, über den fortschreitenden Stand der Planungen durch die Stadt unterrichtet zu werden, so wie dies die operational guidelines vorsehen.314 Trotz der durch die Anmeldung kurz zuvor erfolgten Bestätigung der Anerkennung des Übereinkommens sowie seiner Durchführungsrichtlinien, anhand derer man seine komplette Bewerbung schließlich ausgerichtet hatte, unterrichtete die Stadt die UNESCO nicht vom am 25. Februar 2004 erfolgten Planfeststellungsbeschluss. Noch im Frühjahr 2005, ein gutes halbes Jahr nach der erfolgten Eintragung ließ man die Bürger der Stadt über einen von der Stadt vorgelegten Plan abstimmen, der ohne entsprechende Rücksprache mit der UNESCO den Brückenbau in diesem sensiblen Gebiet vorsah. Dass dieses für letztere wie ein Affront gewirkt haben muss, als es durch einen Dritten ein weiteres halbes Jahr später von den bereits geschaffenen Tatsachen erfuhr, ist für jeden verständigen Dritten offensichtlich. Die Verhandlungen mit der UNESCO standen mithin von vornherein unter einem schlechten Stern, weil nach nationalem Recht zu diesem Zeitpunkt bereits Tatsachen geschaffen worden waren, die – anders als nach der hier vertretenen Auffassung – für die Gerichte eine Verpflichtung zum Bau der Brücke nach den bisherigen Planungen begründet hatten. Diese Konfliktlage hätte sich nur bei einer rechtzeitigen Einbeziehung der UNESCO in die Planungen vermeiden lassen.315 Das Visualisierungsgutachten, welches im April 2006 verfasst wurde, hätte zwingend in den früheren Planungsprozess miteinbezogen werden müssen. Als Fazit lassen sich die aufgezeigten Fehler sowohl auf eine fehlende Vertrautheit mit den Instrumentarien insbesondere der Reichweite des Welterbeschutzes und damit auf einen mangelhaften Vollzug des Übereinkommens als auch auf eine insgesamt zu geringe Kooperationsbereitschaft mit der UNESCO sowie eine generelle Infragestellung der Rechtswirkungen des Übereinkommens reduzieren.

B. Die Behördenkooperation bei den Planungen für eine Brücke im Oberen Mittelrheintal bei St. Goar Der Planungsstand hinsichtlich der beabsichtigten potentiellen Rheinquerungen im Gebiet des heutigen Welterbes „Oberes Mittelrheintal“ wurde der UNESCO bereits im Annex des Nominierungsantrags am 19. September 2001 seitens des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Wirtschaft, Transport, Landwirtschaft und

314

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 172. Vgl. Kotzur, Die Dresdner Waldschlösschenbrücke – rechtlich rundum beleuchtet, in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstag (Hrsg.), Dokumentation 16. Deutscher Verwaltungsgerichtstag, 327 (339). 315

2. Kap.: Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis

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Weinbau detailliert geschildert.316 Doch mit dieser Information ließ es die Behörde, anders als die sächsischen Kollegen im Fall der etwa zeitgleichen Planungen der Waldschlösschenbrücke, nicht bewenden. Bevor man vollendete Tatsachen schuf, lud man in Herbst 2007 – sicherlich allerdings auch unter dem Eindruck der Ereignisse in Dresden – UNESCO und ICOMOS zu einer Ortsbesichtigung zwecks detaillierter Erörterung der ausgearbeiteten Pläne ein.317 Dieser Termin brachte interessante Ergebnisse hervor, die belegen, wie wichtig nicht nur denkmalfachlicher Sachverstand in den nationalen Behörden, sondern die Kooperation mit der UNESCO ist. Es sollte sich nämlich zeigen, dass ICOMOS, die internationale Fachorganisation für Denkmalpflege, zu einer anderen Beurteilung der Planungen als die UNESCO kommen sollte. Man konnte sich noch nicht einmal im Ergebnisbericht zu einem gemeinsamen Standpunkt durchringen.318 Obwohl von den fünf von einem Consulting-Unternehmen im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz untersuchten Varianten drei bereits politisch ausgeschlossen worden waren und nur noch die Tunnellösung sowie die nun tatsächlich geplante Querung bei zu Fellen in der Nähe von St. Goar und Wellmich bei St. Goarshausen übrig geblieben waren, hat sich die UNESCO auf diese Varianten eingelassen und anders als ICOMOS nicht auf die Beibehaltung der Fähren statt einer festen Querung gedrängt.319 Möglicherweise wurde damit das Entgegenkommen der Landesbehörden honoriert, die zwei Optionen einer Querung unmittelbar auf Höhe der vorgenannten Hauptorte eliminiert hatten,320 da sie offensichtlich nicht mit den Welterbe verträglich waren.321 ICOMOS hingegen beharrte auf dem Standpunkt, dass im von 316 Nomination of properties for inscription on UNESCO’s World Heritage List, The Cultural Landscape of the Middle Rhine Valley from Bingen/Rüdesheim to Koblenz, Az.: C 1066, Annex 7, S. 1 f. abrufbar unter: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/1066.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 317 UNESCO, Report on the Advisory Mission to the Upper Middle Rhine Valley (Germany), 11 February 2008, Item 7 of the Provisional Agenda, World Heritage Committee, Thirty-second session, 32 COM, S. 2. Ein Link zum Bericht findet sich unter http://whc.unesco. org/en/list/1066/documents (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 318 UNESCO, Report on the Advisory Mission to the Upper Middle Rhine Valley (Germany), 11 February 2008, Item 7 of the Provisional Agenda, World Heritage Committee, Thirty-second session, 32 COM, S. 7 ff. Ein Link zum Bericht findet sich unter http://whc. unesco.org/en/list/1066/documents (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 319 UNESCO, Report on the Advisory Mission to the Upper Middle Rhine Valley (Germany), 11 February 2008, Item 7 of the Provisional Agenda, World Heritage Committee, Thirty-second session, 32 COM, S. 11 f. Ein Link zum Bericht findet sich unter http://whc. unesco.org/en/list/1066/documents (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 320 So unter anderem die lange bevorzugte unmittelbare Verbindung zwischen St. Goar und St. Goarshausen, Thomas, Wie man’s nimmt. Weltkulturerbe Brückenbaukunst: Im oberen Mittelrheintal, in der Nähe von Loreley, haben sie mit einer Querung viel vor, FR vom 27./ 28. 06. 2009, S. 36. 321 UNESCO, Report on the Advisory Mission to the Upper Middle Rhine Valley (Germany), 11 February 2008, Item 7 of the Provisional Agenda, World Heritage Committee,

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

der Planung betroffenen Bereich aufgrund seiner Bedeutung für die gesamte Welterbestätte keine Brückenlösung möglich sei und die Fährverbindungen als klassische Form des Transports ausgebaut werden sollten.322 Aufgrund der uneinheitlichen Position der beiden Internationalen Organisationen wurde im Ergebnisbericht lediglich empfohlen, die Brückenlösung genauer zu untersuchen und eine Umweltverträglichkeitsstudie durchzuführen.323 Das Welterbekomitee als Hauptentscheidungsorgan des Übereinkommens nahm die Forderung nach einer derartigen Studie in seiner jährlichen Sitzung 2008 in Québec auf, schloss sich der Empfehlung des gemeinsamen Berichts unter ausdrücklichem Lob bezüglich der Kooperation der Bundesrepublik an und forderte sie auf, detailliertere Studien für mögliche Brückenlösungen einzuholen, die den außergewöhnlichen universellen Charakter des Mittelrheintals erhalten würden.324 Diese Entscheidung wurde von einem Teil der rheinland-pfälzischen Vertreter euphorisch begrüßt. „Eine feste Rheinquerung steht nicht mehr infrage“,325 so der für die Planung zuständige Wirtschafts- und Verkehrsminister. Das war eine etwas unvorsichtige und verfrühte Aussage, da die UNESCO dem Land lediglich zunächst einmal entgegen kommen und die von ihm gewünschte Lösung ergebnisoffen prüfen lassen wollte.326 Im Folgenden wurden ein Verkehrsgutachten sowie die Umweltverträglichkeitsstudie in Auftrag gegeben, um den Forderungen des Welterbekomitees Folge zu leisten. Die Behörden konnten allerdings zum vereinbarten Termin lediglich eine Thirty-second session, 32 COM, S. 11. Ein Link zum Bericht findet sich unter http://whc. unesco.org/en/list/1066/documents (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 322 UNESCO, Report on the Advisory Mission to the Upper Middle Rhine Valley (Germany), 11 February 2008, Item 7 of the Provisional Agenda, World Heritage Committee, Thirty-second session, 32 COM. Ein Link zum Bericht findet sich unter http://whc.unesco.org/ en/list/1066/documents (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). ICOMOS auf S. 10: „From these characteristics and descriptions it is clear that the section discussed represents the core zone of the Middle Rhine Valley World Heritage property, which needs extraordinarily sensitive conservation without any disturbing interference. This section with its unique cultural landscape and high density of architectural monuments and settlements in general shows a high level of integrity (…)“. 323 UNESCO, Report on the Advisory Mission to the Upper Middle Rhine Valley (Germany), 11 February 2008, Item 7 of the Provisional Agenda, World Heritage Committee, Thirty-second session, 32 COM, S. 12. Ein Link zum Bericht findet sich unter http://whc. unesco.org/en/list/1066/documents (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 324 UNESCO Doc. WHC-08/32.COM/24Rev, Decision 32COM 7B.93. 325 Wirtschaftsminister Hendrik Hering, FR vom 08. 07. 2008, S. 40. 326 Diese Auffassung hat im Wesentlichen auch die Sprecherin des Ministeriums gegenüber der Presse vertreten, FR vom 07. 07. 2008, S. 20; anders offenbar Odendahl, Der Schutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit: aktuelle völkerrechtliche Entwicklungen, in: Weller/ Kemle/Lynen (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 37, die die Feststellung der Vereinbarkeit seitens des Komitees betont und die geforderten Gutachten wohl nicht mehr als bedeutsame Hindernisse sieht.

2. Kap.: Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis

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Übersicht über die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsstudie vorlegen, weshalb das Welterbekomitee eine Entscheidung auf die Sitzung im Jahr 2010 in Brasilia verschob.327 Die von ICOMOS in der Vorbereitung der Entscheidung des Welterbekomitees geübte Kritik, die Umweltverträglichkeitsstudie lasse wesentliche kulturelle Aspekte der Kulturlandschaft außer Betracht und die Simulation der Sichtachsenbeziehungen sei nicht wissenschaftlich fundiert,328 nahm das Land auf und gab im Oktober 2009 eine weitere Studie in Auftrag. Das wie im Fall der Dresdner Waldschlösschenbrücke bei der RWTH Aachen angeforderte Visualisierungsgutachten kam dabei hinsichtlich der präferierten Brückenquerung bei zu Fellen und Wellmich zu der Schlussfolgerung, dass „die Authentizität, die visuelle Integrität und der ,Outstanding Universal Value‘ der Welterbestätte ,Oberes Mittelrheintal‘ durch die geplante Rheinbrücke nicht beeinträchtigt werden“.329 Nach Vorlage aller Gutachten entschied das Welterbekomitee 2010 in Brasilia, dass die von der Landesregierung präferierte Variante die wirtschaftlich günstigste sei und keine größeren Eingriffe in die Kulturlandschaft als die anderen geprüften Varianten besorge.330 Darüber hinaus habe das Visualisierungsgutachten ergeben, dass unter der Hypothese, dass die Bedeutung der Kulturlandschaft an anderer Stelle einen erheblich höheren Wert für die Welterbestätte „Oberes Mittelrheintal“ aufweise, „(…) then the bridge could be considered acceptable in visual terms“.331 Die Reaktion in den rheinland-pfälzischen Landesbehörden auf diese Entscheidung war erneut überschwänglich. Der Kulturstaatssekretär wird mit dem Satz „Wir haben bei der UNESCO gewonnen“ zitiert.332 Das zuständige Ministerium wertete die Entscheidung ebenfalls als grünes Licht für den Bau einer Brücke am gewünschten Ort und kündigte an, das Raumordnungs- sowie das Planfeststellungsverfahren einzuleiten.333 327 UNESCO Doc. WHC-09/33.COM/20, Decision 33COM 7B.104; Pfeifle, UNESCOWeltkulturerbe, S. 71. 328 UNESCO Doc. WHC-09/33.COM/7B.Add, S. 121. Die Opposition im Landtag nahm allerdings die vor allem am Verkehrkonzept geübte Kritik auf, UNESCO vertagt Beschluss zum Mittelrheintal, FR vom 29. 06. 2009, S. 20. 329 Institut für Städtebau an der RWTH Aachen (Hrsg.), Gutachten zur Beurteilung der visuellen Auswirkungen der geplanten Rheinbrücke zwischen Wellmich und zu Fellen auf die Integrität des Welterbes „Oberes Mittelrheintal“, S. 180. 330 UNESCO Doc. WHC-10/34.COM/20, Decision 34COM 7B.87, Nr. 4 a) und b). Die Landesregierung hatte im Vorfeld offenbar verlautbaren lassen, dass im Zweifel auch die um 70 Mio. Euro und somit deutlich teurere Tunnelvariante akzeptiert werden würde, so Odendahl, Der Schutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit: aktuelle völkerrechtliche Entwicklungen, in: Weller/Kemle/Lynen (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 37. 331 UNESCO Doc. WHC-10/34.COM/20, Decision 34COM 7B.87, Nr. 4 c). 332 Holl, Endlich visuell akzeptabel. Die UNESCO erlöst Rheinland-Pfalz, FAZ vom 31. 07. 2010, S. 4. 333 Holl, Endlich visuell akzeptabel. Die UNESCO erlöst Rheinland-Pfalz, FAZ vom 31. 07. 2010, S. 4.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Diese Auffassung wurde jedoch später vom früheren Präsidenten von ICOMOS zurückgewiesen. Dieser erkannte in der Entscheidung kein Votum für die geplante Feste Querung, vielmehr sah er „lediglich den vorgeschlagenen Weg zur Suche nach Alternativen“ als bestätigt an.334 Diese restriktive Interpretation des Komiteebeschlusses ist allerdings von ihrem Wortlaut gedeckt. Vielmehr kommt darin die eigene Auffassung von ICOMOS hinsichtlich der Planungen zum Ausdruck. Wie oben bereits beschrieben, hat sich ICOMOS bei der gemeinsamen Mission mit der UNESCO anders als deren Vertreterin klar gegen eine Brücke positioniert. Das UNESCO-Welterbekomitee ist bei seinem Votum im Jahre 2010 jedoch wie bereits 2008 nicht der Auffassung seines Hilfsorgans ICOMOS gefolgt. Während es allerdings 2008, wie ICOMOS nunmehr behauptet, tatsächlich nur den eingeschlagenen Weg einer Suche nach Alternativen bestätigte, weist der Beschluss eine derartige Einschränkung nicht mehr auf. Es herrscht insofern Planungssicherheit für die rheinland-pfälzischen Behörden. Es sieht jedoch derzeit so aus, als würde das Land auf absehbare Zeit von dieser welterberechtlichen Planungssicherheit keinen Gebrauch machen, da die Koalitionsverhandlungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Mai 2011 zu dem Ergebnis gekommen sind, Planungen für den Bau der Brücke in der folgenden Legislaturperiode nicht weiterzuverfolgen.335 Insgesamt muss die Kooperation der rheinland-pfälzischen Behörden mit der UNESCO als vorbildlich bezeichnet werden.336 Sie war so vorbildlich, dass sie selbst von Seiten des Welterbekomitees ausdrücklich gewürdigt wurde.337 Insbesondere ist zu begrüßen, dass Rheinland-Pfalz – anders als im Dresdner Fall – trotz fehlender gesetzlicher Verpflichtung338 die UNESCO jeweils auf dem aktuellen Stand der Planung hielt und jedwedem Wunsch, insbesondere denjenigen nach der Anfertigung verschiedenster Gutachten umgehend Folge leistete.339 Dies konnte freilich nur so reibungslos verlaufen, weil Rheinland-Pfalz, anders als die Behörden im Fall der Waldschlösschenbrücke, auf die vorzeitige Einleitung des Planfeststellungsverfahrens verzichtet hatte. Erst nach intensivem Austausch und der ausdrücklichen

334 Bernau, Hoffnung für Welterbe Rheintal. Der neue Bericht der Icomos-Denkmalpfleger, FR vom 19. 04. 2011, S. 32. 335 Wille, Koalition baut Moselbrücke. Grüne können in Rheinland-Pfalz das umstrittene Projekt der SPD nicht stoppen, FR vom 03. 05. 2011, S. 11. 336 So auch Odendahl, Der Schutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit: aktuelle völkerrechtliche Entwicklungen, in: Weller/Kemle/Lynen (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 37. 337 UNESCO Doc. WHC-10/34.COM/20, Decision 34COM 7B.87, Nr. 6. 338 Die Abhängigkeit der Kooperation von dem guten Willen der betroffenen Behörden kritisiert zu Recht Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 71. 339 Odendahl, Der Schutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit: aktuelle völkerrechtliche Entwicklungen, in: Weller/Kemle/Lynen (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 37, lobt die „Flexibilität“ sowie die „frühzeitige Kontaktaufnahme“.

2. Kap.: Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis

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Feststellung der Welterbeverträglichkeit wurde beschlossen, eine entsprechende konkrete Brückenplanung planfeststellen zu lassen. Sicherlich kam in diesem Falle noch begünstigend hinzu, dass ein Landesministerium die Planungen koordinierte und nicht lediglich ein Regierungspräsidium wie im Falle Dresdens zunächst für die Planfeststellung zuständig war, die anschließend von einer einzelnen Kommune (der Stadt Dresden) durchgeführt wurde. So konnte der große Rahmen, den die Planungen einhalten mussten – in diesem Fall mit dem Welterbeübereinkommen ein besonders großer –, auch tatsächlich berücksichtigt werden. Einer Landesbehörde dürfte es sicherlich in der Regel leichter fallen, internationale Verpflichtungen und Konfliktpotentiale im Blick zu halten, als einer Kommunalverwaltung, die sich mit den Interessen der Bürger vor Ort im Übrigen viel unmittelbarer konfrontiert sieht.

C. Ergebnisse anderer Konfliktanalysen Wie bereits geschildert, ist die Verwaltungspraxis bei der Berücksichtigung der UNESCO-Welterbekonvention, anders als die Rechtspraxis340, bereits Gegenstand vereinzelter Untersuchungen geworden. I. Konflikt um den Bau von Hochhäusern in Sichtweite des „Kölner Domes“ Insbesondere die Debatte um den Bau von Hochhäusern in Sichtweite des seit 1996 auf der Welterbeliste verzeichneten „Kölner Domes“341 hat zu ersten umfangreichen Analysen der Behördenarbeit bei der Berücksichtigung des Welterbeübereinkommens geführt. Als Ursache dieses ersten deutschen Konflikts mit der UNESCO, der zu einer Eintragung auf die Rote Liste führte,342 wurde eine mangelnde rechtliche Vernetzung der unterschiedlichen Ebenen als Hauptursache für die Entstehung der Auseinandersetzung ausgemacht.343 Es wurde insbesondere festgestellt, dass der gegenüber der UNESCO sowie den übrigen Vertragsparteien verpflichtete Bund lediglich ein bestimmtes Treueverhalten von der direkt untergeordneten für den Denkmalschutz 340

Diese berücksichtigt nun Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 58 ff., allerdings zumindest teilweise in seiner Konfliktanalyse. 341 UNESCO WHC-96/CONF.201/09, Decision 20COM VIII.C. 342 UNESCO WHC-04/28.COM/26, Decision 28COM 15C.1. 343 Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht – Toter Buchstabe oder wirksamer Schutz? Dargestellt am Beispiel des Kölner Doms, CDI 11 (2006), 11 (124 f.); Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers – World Cultural Heritage Protection as Archetype of a Multilevel System, MPUNYB 10 (2006), 273 (331 ff. und 365).

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

zuständigen Ebene des Landes verlangen könne.344 Des Weiteren seien die welterbeunverträglichen Entscheidungen über die Erteilungen der Baugenehmigungen oder die Aufstellung von Bebauungsplänen von den kommunalen Behörden getroffen worden, die zwar in Ausführung eines Bundesgesetzes, des Baugesetzbuchs (BauGB), und unter Abwägung denkmalschutzrechtlicher Belange aus dem Landesdenkmalgesetz gehandelt hätten, für die jedoch ebenfalls keine Weisungsgebundenheit oder auch nur eine ausdrückliche Kooperationsverpflichtung für den übergeordneten Belang des Welterbeschutzes bestanden habe.345 Im Hinblick auf präventive Maßnahmen hätte darüber hinaus jedoch eine frühere Einbindung der UNESCO sowie der Welterbeinteressen in die entsprechenden Planungen auf kommunaler Ebene stattfinden müssen, um den Konflikt gar nicht erst entstehen zu lassen.346 Die verstärkte Ausweisung von Pufferzonen, die ohnehin Teil der Verpflichtungen der Durchführungsrichtlinien ist,347 vermag allerdings kein generelles Allheilmittel im Hinblick auf die Vermeidung zukünftiger Konflikte zu sein. Denn eine Ausweisung einer Pufferzone nach den Vorstellungen der UNESCO bzw. ICOMOS, hätte zumindest im Fall des Kölner Domes wohl nicht ausgereicht, den Konflikt zu verhindern. Die geplanten Hochhäuser hätten nämlich sogar außerhalb der von den beiden Organisationen gewünschten Pufferzone errichtet werden sollen.348 Glücklicherweise sind die Pläne nach intensiven Diskussionen verworfen worden. II. Konflikte um weitere Welterbestätten Neben dieser Auseinandersetzung mit dem Kölner Dom haben noch zwei weitere Autoren bislang eine Problemanalyse unterschiedlicher Konfliktfälle deutscher Welterbestätten mit der UNESCO durchgeführt. Hotz hat in ihrer Untersuchung den Umgang der Verwaltung mit den Welterbestätten „Lübecker Altstadt“, „Schlösser und Gärten in Potsdam und Berlin“, „Altstadt Bamberg“ sowie „Altstadt von Quedlinburg mit Schlossberg und Stiftskirche“ 344

Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers – World Cultural Heritage Protection as Archetype of a Multilevel System, MPUNYB 10 (2006), 273 (341). 345 Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht – Toter Buchstabe oder wirksamer Schutz? Dargestellt am Beispiel des Kölner Doms, CDI 11 (2006), 11 (124 f.); Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers – World Cultural Heritage Protection as Archetype of a Multilevel System, MPUNYB 10 (2006), 273 (346 ff.). 346 Schweitzer, UNESCO-Weltkulturerbe. Motor oder Bremse der Stadtentwicklung in Köln?, S. 125, sowie zu den sich schon früh abzeichnenden Ursachen in den fehlenden Ausweisung einer Pufferzone, S. 62, und dem Beginn der städtebaulichen Planung durch die lokalen politischen Gremien und Behörden, S. 63 ff. Die UNESCO wurde wie im Fall des Dresdner Elbtals offenbar erst durch die Presse auf die Pläne aufmerksam, so Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht – Toter Buchstabe oder wirksamer Schutz? Dargestellt am Beispiel des Kölner Doms, CDI 11 (2006), 11 (15). 347 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. 348 Ringbeck, Welterbe Kölner Dom – Chronologie eines Streites, DPfliR 2006, 62 (65).

2. Kap.: Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis

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bis zum Jahr 2003 analysiert.349 Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der denkmalrechtliche Rahmen der Unterschutzstellungsmöglichkeiten bei Welterbestätten zwar ausgeschöpft werde,350 die Belange des Welterbeschutzes jedoch als Teil des gewöhnlichen Denkmalschutzes bei Abwägungsentscheidungen zurückgedrängt würden.351 Als ein von der Verwaltung höher gewichteter Belang werden wirtschaftliche Interessen der betroffenen Kommunen angeführt.352 In diesem Zusammenhang wird kritisiert, dass die fachlichen Entscheidungen häufig auf Ebenen getroffen würden, die Fragen des globalen Kulturerbeschutzes keine entsprechende Bedeutung zuteil werden ließen.353 Der weite Umgebungsschutz, welcher ein den welterberechtlichen Schutz charakterisierendes Element darstellt,354 werde zudem häufig gar nicht als denkmalrechtliches Problem identifiziert und dadurch bei Planungen auch nicht berücksichtigt.355 Im Ergebnis macht Hotz weniger die gesetzlichen Möglichkeiten als die Rechtsanwendung der Behörden für auftretende Konflikte verantwortlich.356 Pfeifle hat in seiner Untersuchung ebenfalls Konflikte im Bereich mehrerer Welterbestätten aus den 1990er Jahren bis ins Jahr 2009 untersucht.357 Er macht im Ergebnis in etwas widersprüchlich anmutender Weise zunächst pauschal ein „Vollzugsdefizit“ aus,358 hält jedoch sodann in einer Gesamtbetrachtung die fehlenden gesetzlichen Möglichkeiten der adäquaten Berücksichtigung des Erbes für die Quelle der entstehenden Konflikte.359 Er bezweifelt, dass den Behörden genügend rechtlicher Spielraum bleibe, den Belangen auf der Grundlage der bestehenden Gesetzeslage gerecht zu werden.360 In diesem Zusammenhang bestätigt er insbesondere die bereits von Hotz kritisierte Außerachtlassung des (weiten) welterbespezifischen Umgebungsschutzes, präzisiert allerdings, dass es weniger die mangelnde Sensibilität der Behörden als vielmehr der enge durch die Landesdenkmal349

Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 75 ff. Als Ausnahme nennt sie ausdrücklich die Lübecker Altstadt, die leider bis heute noch nicht mithilfe einer Denkmalbereichssatzung als solcher nach § 19 DSchGSH geschützt ist. Siehe dazu die Auflistung der vier bislang geschützten Denkmalbereiche in Schleswig-Holstein unter: http://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/LD/Kulturdenkmale/Denkmalbe reiche/_documents/Denkmalbereiche.html (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). Die in Januar 2012 in Kraft getretene Novellierung des schleswig-holsteinischen Denkmalschutzgesetzes verpflichtet nun allerdings gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 DSchGSH die oberste Denkmalschutzbehörde zu einer solchen Ausweisung im Wege einer Rechtsverordnung. 351 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 181 f. 352 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 189. 353 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 190. 354 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 99 ff. sowie insbesondere 103 ff. 355 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 191. 356 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 200. 357 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 58 ff. 358 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 84. 359 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 257 f. 360 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 257 f. 350

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

schutzgesetze vorgegebene Rahmen sei, der eine bessere Berücksichtigung verhindere.361

D. Zusammenfassung Die unterschiedlichen Einzelfallanalysen zur Handhabung des Welterbeübereinkommens in der Verwaltungspraxis kommen zu dem Ergebnis, dass das Übereinkommen in mehreren Fällen nicht in hinreichender Weise gewürdigt wurde und es infolgedessen zu unterschiedlichen Konflikten mit der UNESCO gekommen ist. Als Fehlerquelle dieser Entwicklung konnten eine ganze Reihe unterschiedlicher Faktoren ausgemacht werden. Zunächst wurde die mangelnde Vernetzung der unterschiedlichen Entscheidungsebenen festgestellt. Insbesondere die lokalen Behörden beachten bei ihren Planungen in unzureichender Weise die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Bundes und dabei insbesondere die Konsultationspflicht mit der UNESCO.362 Dass es sich bei dieser Form der Nichtberücksichtigung nicht um einzelne Fehler der betroffenen Behörden handelt, sondern um ein strukturelles Problem, welches aufgrund der fehlenden Verbindung bzw. Zusammenarbeit der unterschiedlichen Ebenen als Mehrebenenproblem zu charakterisieren ist,363 belegt die Tatsache, dass es sich bei einigen Behörden nicht um einmalige Versehen, sondern sich wiederholende Abläufe handelt.364 Den Spezifika des Welterbeschutzes mit einem weit verstandenen Umgebungsschutz und der Einrichtung von Pufferzonen wird nicht hinreichend Rechnung getragen.365 In Abwägungsentscheidungen wird häufig der – wegen der völkerrechtlichen Verpflichtung – besonders schwerwiegende Belang des Welter361

Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 244. Vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 172. 363 Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht – Toter Buchstabe oder wirksamer Schutz? Dargestellt am Beispiel des Kölner Doms, CDI 11 (2006), 11 (124 f.); Zacharias, Cologne Cathedral versus Skyscrapers – World Cultural Heritage Protection as Archetype of a Multilevel System, MPUNYB 10 (2006), 273 (365); Pfeifle, Schutz des UNESCO-Welterbes – Völkerrecht als Schranke lokaler Bau- und Planungsaktivitäten, in: Kühling (Hrsg.) Mehrebenenkonflikte im Öffentlichen Immobilien- und Infrastrukturrecht, S. 53 ff. Siehe dazu auch oben unter 3. Teil, 2. Kapitel, A. 364 Vgl. bspw. die Untersuchung von Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 111 ff., die allein für die Welterbestätte „Schlösser und Gärten von Potsdam und Berlin“ eine ganze Reihe von Konflikten aufzählt. Ebenso Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 65 und 71 ff. Aber auch die Stadt Dresden hat während des Streits um die Waldschlösschenbrücke, aber noch vor Aberkennung des Welterbetitels, einen Bebauungsplan in der Kernzone des Welterbes geändert, um den Bau eines großen Hotelkomplexes zu ermöglichen, Richter, Das ist die Höhe, Dresdens Elbhang gehört zum Weltkulturerbe – noch. Nach der Waldschlösschenbrücke sorgt jetzt ein geplanter Hotelkomplex für Ärger, FAZ vom 27. 06. 2008, S. 43. 365 Vgl. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 244; Hotz, Deutsche Städte und UNESCOWelterbe, S. 181 f. 362

2. Kap.: Berücksichtigung des Welterbes in der Verwaltungspraxis

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beschutzes nicht höher gewichtet als ein gewöhnlicher Denkmalschutzbelang.366 Zusätzlich wurde bei den Planungen der Waldschlösschenbrücke noch eine Missachtung der Bindungswirkung des Übereinkommens offensichtlich.367 Nach der medialen Berichterstattung über die Streitigkeiten hinsichtlich des Baus der Waldschlösschenbrücke (noch vor der tatsächlichen Streichung des „Dresdner Elbtals“ von der Welterbeliste) ist (zumindest) außerhalb der Grenzen Sachsens ein Bewusstseinswandel in den zuständigen Behörden zu beobachten gewesen.368 So haben insbesondere die rheinland-pfälzischen Behörden bei ihrer Planung einer Rheinquerung im Welterbe „Oberes Mittelrheintal“ gezeigt, dass deutsche Behörden willens und in der Lage sind, die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik zu erfüllen. In Übereinstimmung mit Art. 5 lit. a) WKÜ wurde das Welterbe früh in die Planungen mit eingebunden und die UNESCO in Ausübung der Konsultationspflicht der operational guidelines369 rechtzeitig in Kenntnis gesetzt. Ein nationales Planfeststellungsverfahren wurde erst eingeleitet, als eine definitive Zustimmung der UNESCO zu dem begehrten Projekt vorlag. Aber auch thüringische Behörden scheinen durch den Streit um die Waldschlösschenbrücke auf die sich aus dem Welterbeübereinkommen ergebenden Verpflichtungen aufmerksam geworden zu sein. Erneut stand die Welterbestätte „Wartburg“ bei Eisenach in einem neueren Fall Ende 2010 im Zentrum des Geschehens. Bei der betroffenen Kommune war die Genehmigung für den Bau einer Seilbahn beantragt worden.370 Anders als noch im oben dargestellten Fall, der zu einem Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht führte,371 hatte die betroffene Kommune nunmehr die UNESCO über den geplanten Bau informiert und nach negativem Votum durch ICOMOS das Vorhaben negativ beschieden.372 Ob es sich dabei um Vorsichtsmaßnahmen in Bezug auf eine Sicherung der touristischen Entwicklung oder die Anerkennung einer Rechtspflicht handelt, die auch in anderen betroffenen Kommunen umgreift, muss die Zukunft zeigen.

366

Vgl. zumindest im Ansatz Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 181 f. Siehe dazu oben unter 3. Teil, 2. Kapitel, A. 368 Zu den neuesten Erfolgen zum Schutzes des Welterbes, die ICOMOS gegenüber kommunalen Planungen in Deutschland errungen hat, siehe Bernau, Notanker der Denkmalpflege, FR vom 19. 04. 2012, S. 34. Eine generell höhere Beachtung für die Belange des Welterbes aufgrund des Dresdner Brückenstreits prognostiziert auch Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 235. 369 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 172. 370 FR vom 29. 10. 2010, S. 30. 371 Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, I. 372 FR vom 29. 10. 2010, S. 30. 367

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

3. Kapitel

Vorschläge und Ansätze für eine zukünftige adäquate Berücksichtigung der Welterbekonvention Im letzten Kapitel dieser Arbeit sollen nun Vorschläge zu einer besseren Berücksichtigung des Welterbeübereinkommens mit Blick auf die durchgeführte Problemanalyse der Rechts- und Verwaltungspraxis dargestellt und beurteilt werden.

A. Politische Forderungen und rechtliche Entwicklung nach dem Dresdner Brückenkonflikt Insbesondere im politischen Spektrum haben die – aufgrund der Urteile des Oberverwaltungsgerichts Bautzen sowie des Bundesverfassungsgerichts zutage getretenen – Unsicherheiten hinsichtlich der Bindungswirkung der UNESCOWelterbekonvention im deutschen Rechtsraum einige Agitationen hervorgerufen. I. Gutachten der Bundesregierung Zunächst hat die Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder die Bundesregierung um eine Klärung der aufgeworfenen Frage der Bindungswirkung des Übereinkommens gebeten.373 Als Ergebnis präsentierte die Bundesregierung ein entsprechendes Gutachten. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass eine Bindung der Bundesrepublik und der Länder im Innen- und Außenverhältnis bestehe.374 Eine unmittelbare Anwendbarkeit sei mangels konkreter Durchführungsbestimmungen allerdings noch nicht gegeben.375 II. Stellungnahme der Kultusministerkonferenz Neben der Veröffentlichung des Gutachtens der Bundesregierung gab auch die Konferenz der Kultusminister der Länder, in deren Zuständigkeit der wesentliche 373 Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Natur- und Kulturerbes der Welt, S. 1. 374 Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Natur- und Kulturerbes der Welt, S. 10 und 13. 375 Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Natur- und Kulturerbes der Welt, S. 12.

3. Kap.: Vorschläge für adäquate Berücksichtigung der Welterbekonvention

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Teil der Durchführung des Übereinkommens fällt, eine kurze Stellungnahme ab.376 Darin bekennen sich die Ministerinnen und Minister zu den Verpflichtungen aus der Konvention, kündigen jedoch an, trotz ihrer (beibehaltenen) Rechtsauffassung, „vorsorglich den Erlass eines Vertragsgesetzes zur Umsetzung des Übereinkommens“ im Wege einer Bundesratsinitiative auf den Weg bringen zu wollen, um Rechtsunsicherheiten für die Zukunft zu vermeiden.377 Eine derartige Initiative hat es bislang jedoch nicht gegeben.378 III. Forderungen der Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ Der Mangel eines Bundesgesetzes sowie landesgesetzlicher Regelungen wurde von der Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages379 in ihrem Schlussbericht vom 11. 12. 2007 beklagt.380 Als Konsequenz daraus wird in dem Bericht als erste von zwölf Maßnahmen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die durch ein Oberverwaltungsgericht infrage gestellte innerstaatliche Bindungswirkung des Übereinkommens die Vorlage eines Vertragsgesetzes von der Bundesregierung gefordert.381 Des Weiteren richtet die Kommission eine Empfehlung an die Bundesregierung, Kompetenzen des Bundes im Bereich des Welterbeschutzes beim Bundesbeauftragten für Kultur- und Medien zu konzentrieren, und appelliert an die Welterbekommunen, UNESCO-„Koordinatoren“ zu benennen.382

376

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.), Stellungnahme der Kultusministerkonferenz zur Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, S. 1 f. 377 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.), Stellungnahme der Kultusministerkonferenz zur Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, S. 1 f. 378 Offenbar beschlossen die Regierungschefs der Länder im Folgenden, das Übereinkommens doch weiterhin im Rahmen der bereits bestehenden Gesetze durchzuführen, zitiert bei Hönes, Das UNESCO-Welterbeübereinkommen von 1972 und die Folgen, VR 2008, 145 (152). Einen entsprechenden Beschluss vom März 2008 zitiert ohne weitere Angaben Ringbeck, Anforderungen und Verpflichtungen der Welterbekonvention aus Sicht der Denkmalpflege in Deutschland, in: Deutsche, Luxemburgische, Österreichische und Schweizerische UNESCOKommission (Hrsg.), Welterbe-Manual, S. 67. 379 Einsetzungsbeschluss vom 15. 12. 2005, BT-Drucks. 16/196. 380 Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“, Schlussbericht vom 11. 12. 2007, BTDrucks. 16/7000, S. 206. 381 Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“, Schlussbericht vom 11. 12. 2007, BTDrucks. 16/7000, S. 208. 382 Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“, Schlussbericht vom 11. 12. 2007, BTDrucks. 16/7000, S. 208.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

B. Erste gesetzgeberische Ansätze zu einer besseren Berücksichtigung des Übereinkommens I. Auf Ebene des Bundes 1. Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Erlass eines Umsetzungsgesetzes auf Bundesebene Die Forderung nach einem Umsetzungsgesetz auf Bundesebene wurde von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag aufgenommen und als Antrag der Fraktion sowie einzelner Abgeordneter zur Beschlussfassung in den Bundestag am 27. 05. 2009 eingebracht.383 Begründet wurde der Antrag damit, dass die Welterbekonvention keine unmittelbare Wirkung entfalte und die völkerrechtlichen Verpflichtungen so nicht hinreichend umgesetzt werden könnten.384 a) Auffassung der befassten Ausschüsse des Deutschen Bundestages Die mitberatenden Ausschüsse haben mit den Stimmen der Regierungsfraktionen der Großen Koalition den Antrag jeweils zur Ablehnung empfohlen.385 Zu diesem Ergebnis kam auch der federführende Ausschuss Kultur und Medien in seiner Sitzung am 17. 06. 2009.386 Die Fraktion von CDU/CSU im Ausschuss begründete ihre Haltung mit der Normierung von Bemühenspflichten, die ein Vertragsgesetz nicht erforderten. Ferner sei ohne die Notwendigkeit eines Vertragsgesetzes auch ein Ausführungsgesetz überflüssig.387 Die SPD-Fraktion erklärte, ein Umsetzungsgesetz wegen der Unklarheit der innerstaatlichen Bindungswirkung in der folgenden Legislaturperiode prüfen zu lassen.388 b) Ablehnung eines Bundesgesetzes durch den Deutschen Bundestag Kurz nach der Streichung389 des Dresdner Elbtals von der Liste des UNESCOWelterbes kam es am 02. 07. 2009 zur Debatte und Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Der Antrag wurde entsprechend der Beschlussempfehlung der Ausschüsse abgelehnt.390 In der Debatte 383

BT-Drucks. 16/13176, S. 1 ff. Siehe dazu auch Seifert, Motion to Initiate Legislation for the Belated Implementation of the UNESCO World Heritage Convention in German Federal Parliament, GYIL 52 (2009), 708 ff. 384 BT-Drucks. 16/13176, S. 2. 385 BT-Drucks. 16/13581, S. 1. 386 BT-Drucks. 16/13581, S. 1. 387 BT-Drucks. 16/13581, S. 1. 388 BT-Drucks. 16/13581, S. 2. 389 Die Streichung erfolgt auf der 33. Sitzung des Welterbekomitees in Sevilla am 25. 06. 2009, UNESCO Doc. WHC-09/33.COM/20, Decision 33 COM 7 A.26. 390 Plenarprotokoll 16/230, S. 26005.

3. Kap.: Vorschläge für adäquate Berücksichtigung der Welterbekonvention

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wurde gegen die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes vorgebracht, dass eine wirksame Umsetzung in Bundes- und Landesrecht gegeben sei, und als Beleg das oben zitierte Gutachten der Bundesregierung391 angeführt,392 welches eine hinreichende Inkorporation mittels Kabinettsbeschlusses der Bundesregierung darlegte und bestritt, dass das Übereinkommen Verpflichtungen enthalte, die nicht im Rahmen der bestehenden Gesetze durchführbar seien. 2. Aufnahme des Welterbeschutzes im Bundesnaturschutzgesetz Das UNESCO-Welterbeeinkommen wurde damit zwar nicht durch ein allgemeines Umsetzungsgesetz des Bundes vom Bundestag angenommen. Es fand jedoch Aufnahme in das 2009 novellierte und am 1. März 2010 in Kraft getretene Bundesnaturschutzgesetz.393 Es wurden allerdings keine Definitionen des Vertragstextes oder der operational guidelines wie etwa zu Fragen des Naturdenkmal- oder Kulturlandschaftsschutzes in den Gesetzestext eingepflegt. Die Umsetzung erfolgte lediglich durch Bezugnahme auf das Übereinkommen unter den Zielbestimmungen als Teil der anerkannten internationalen Bemühungen. § 2 Abs. 5 S. 2 BNatSchG lautet nunmehr: „Die internationalen Bemühungen auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden insbesondere durch den Schutz des Kultur- und Naturerbes im Sinne des Übereinkommens vom 16. November 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (BGBl. 1977 II S. 213, 215) unterstützt.“

Konkrete Berücksichtigungspflichten oder Verfahrensfragen wurden in das Gesetz jedoch nicht eingebunden. Nichtsdestotrotz stellt das Gesetz zumindest die Beachtenspflicht des Übereinkommens nunmehr klar. Es gilt wegen der nunmehr gemäß Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GG eingeführten Abweichungskompetenz der Länder auf den Gebieten des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch im Bereich der Länder, solange diese keine abweichenden Gesetze erlassen. Mithin gilt die Schutzverpflichtung für die beachtliche Anzahl deutscher Kulturlandschaften auf der Welterbeliste. II. Auf Ebene der Länder Die gerichtlichen Entscheidungen in Verbindung mit der Aberkennung des Welterbetitels in Dresden haben auch in den einzelnen Ländern eine Debatte über die Aufnahme des Welterbeschutzes in die entsprechenden Landesdenkmalschutzge-

391

Bundesregierung (Hrsg.), Gutachten der Bundesregierung betreffend die innerstaatliche Bindungswirkung des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Natur- und Kulturerbes der Welt, S. 1 ff. 392 Plenarprotokoll 16/230, S. 26000. 393 BGBl. I 2009, S. 2542.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

setze initiiert und in den vergangenen Jahren zu verschiedenen Gesetzesänderungen geführt.394 1. Denkmalschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz war das erste Bundesland, das im Jahre 2008 auf den Rechtsstreit um die Waldschlösschenbrücke reagierte. Der Landtag erließ das Änderungsgesetz vom 26. 11. 2008, durch welches ein ausdrücklicher Bezug auf das Welterbe in das Denkmalschutzgesetz aufgenommen wurde.395 Dort heißt es nun in § 2 Abs. 3 S. 1: „Das Land, der Bund, die Gemeinden und Gemeindeverbände und alle Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts haben bei ihren Maßnahmen und Planungen, insbesondere bei der Bauleitplanung, die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die Verpflichtung zur Bewahrung des Kulturerbes gemäß dem UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972 zu berücksichtigen.“ Die Regelung nimmt damit insbesondere auf den Bereich öffentlicher Großplanungen Bezug, die, wie im Fall der Dresdner Brücke, eine Gefahr für das Welterbe darstellen können. Es schreibt eine frühzeitige Beteiligung der kompetenten Stellen vor, um die Zuspitzung eines Konfliktes wie in Dresden oder aber auch schon bei den Planungen für die Hochhäuser in Köln zu vermeiden. Dass die entsprechende Vorschrift den Bestimmungen über einzelnen Denkmalarten vorausgestellt und nicht in diese integriert wurde und damit auch tatsächlich eine Umsetzung erreicht wurde, mag man bedauern.396 Andererseits macht es jedoch deutlich, dass sämtliche Denkmalkategorien und der damit verknüpfte Schutz im Lichte der Begrifflichkeiten des UNESCO-Übereinkommens ausgelegt werden müssen. An anderer Stelle wurde bereits kritisiert, dass neben dem Manko einer tatsächlichen Umsetzung der einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens in das Landesgesetz letzteres nur im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder verpflichten könne.397 So könne das Land die Kommunen insbesondere nicht im Bereich der Bauleitplanung als Teil der Bundesgesetzgebung verpflichten, das Übereinkommen zu berücksichtigen.398 394

Wenn die sogleich darzustellenden Landesdenkmalschutzgesetze auf unterschiedliche Daten im Hinblick auf das Entstehungsdatum des UNESCO-Übereinkommens rekurrieren, so liegt der Grund hierfür in der Entstehungsgeschichte des Übereinkommens. Dieses wurde am 16. November 1972 von der 17. Generalkonferenz der UNESCO beschlossen, vgl. hierzu oben unter 1. Teil, 1. Kapitel, C., III., jedoch erst am 23. November 1972 die beiden Urschriften vom Präsidenten der Generalkonferenz sowie dem Generaldirektor der UNESCO unterzeichnet. 395 § 2 Abs. 3 S. 1 DSchGRP. 396 So Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 246. 397 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 246. 398 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 246.

3. Kap.: Vorschläge für adäquate Berücksichtigung der Welterbekonvention

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Dieser Kritik ist grundsätzlich Recht zu geben. Es muss allerdings entgegnet werden, dass es nicht Anliegen des Landesgesetzes sein konnte, die Rechtslage in Bezug auf das Übereinkommen abschließend zu regeln. Zur Vermeidung der beschriebenen Problematik bedürfte es wegen der unterschiedlichen Gesetzgebungszuständigkeiten vielmehr tatsächlich eines Bundesgesetzes zur Berücksichtigung der Belange des Welterbeschutzes in Anlehnung an das 1980 vom Bund erlassene Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes in der Bundesgesetzgebung. Eine entsprechende Verpflichtung im Gesetzeswege kann sich der Bund nur selbst erteilen. Diese stünde dann neben der – ohnehin nach der hier vertretenen Auffassung bereits aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit bestehenden – verfassungsrechtlichen Verpflichtung. Sie böte allerdings den Vorteil der Beseitigung von Zweifeln hinsichtlich der Anwendung des Übereinkommens. Eine Verpflichtung der unteren Denkmalschutzbehörden, bei der Betroffenheit des Welterbes die jeweils obere oder oberste Denkmalschutzbehörde einschalten zu müssen, um eine Koordinierung des Umgangs und gegebenenfalls eine rechtzeitige Einschaltung der UNESCO zu erreichen, wurde allerdings bedauerlicherweise nicht eingefügt. 2. Denkmalschutzgesetz des Freistaats Sachsen Von besonderem Interesse ist sicherlich, die Entwicklung des rechtlichen Schutzes des Welterbes in demjenigen Bundesland zu verfolgen, das die Problematik der hinreichenden Berücksichtigung des Übereinkommens im Fall der Waldschlösschenbrücke offenbarte. Einen ersten Ansatz zu einer Verbesserung des rechtlichen Schutzes bot ein Antrag einer Oppositionsfraktion zur Änderung des sächsischen Denkmalschutzgesetzes im Jahre 2008.399 Dieser Vorschlag wurde jedoch vom sächsischen Landtag abgelehnt.400 Doch auch die Regierung des Freistaates blieb in dieser Angelegenheit nicht untätig und wollte sich einer besseren Berücksichtigung des UNESCO-Welterbes offenbar nicht verwehren. Im März 2010 wurde ein Arbeitsentwurf zu einer Änderung des Landesdenkmalschutzgesetzes fertig gestellt.401 Dort heißt es in § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der zu beschließenden Fassung des neuen Denkmalschutzgesetzes: „Die untere Denkmalschutzbehörde entscheidet bei Kulturdenkmalen von herausragender Bedeutung im Einvernehmen mit der zuständigen Fachbehörde. Kulturdenkmale von herausragender Bedeutung sind Kulturdenkmale, die 399

Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 245. Dazu Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 245. 401 Vgl. Punkt 4 des Arbeitsentwurfes für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen, Stand: 03/2010, abrufbar unter: http:// www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Gesetzentwuerfe/SaechsDenkmal schutzgesetz_Entwurf_Maerz_2010.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 400

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

1. in der Liste des Erbes der Welt der UNESCO gemäß Artikel 11 Absatz 2 Satz 1 des Übereinkommens vom 23. November 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Bekanntmachung vom 2. Februar 1977, BGBl. II S. 213) aufgeführt sind, 2. aufgrund internationaler Empfehlung zu schützen sind …“.

Es ist zunächst positiv zu bemerken, dass in der Formulierung in Nr. 1 der Schutz der in der Welterbeliste aufgeführten Stätten durch das Denkmalschutzgesetz ausdrücklich festgestellt wird. Darüber hinaus macht die vage Formulierung der Kategorie der Denkmale, die „aufgrund internationaler Empfehlung zu schützen sind“402 in Nr. 2 eine Einbeziehung bereits derjenigen Stätten mit außergewöhnlichem Schutz möglich, die (noch) nicht auf der Welterbeliste eingetragen sind. Das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS kritisiert allerdings, dass die flächenmäßige Erstreckung von Denkmalen, wie sie die Welterbekonvention kennt, im Gesetzesentwurf bei der Definition der Denkmalarten nicht berücksichtigt würde.403 Diese Kritik muss mit Blick auf die Probleme sowohl der Behörden als auch der Rechtsprechung bei der Berücksichtigung der Kulturlandschaft des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs nach der früheren ähnlichen Formulierung des Denkmalschutzgesetzes in Sachsen-Anhalt geteilt werden.404 Ferner muss ergänzend festgestellt werden, dass gerade diese unterschiedlichen Begrifflichkeiten der Konvention und des Landesgesetzes eine frühe Einbeziehung des Welterbes bei den Planungen für die Waldschlösschenbrücke verhindert hatten. Auch wenn in dieser Arbeit festgestellt wurde, dass aus rechtlichen Gründen ein gesondertes Umsetzungsgesetz nicht notwendigerweise zu erlassen ist und die Durchführung des Übereinkommens im Rahmen der bestehenden Regelungen – wie einer entsprechenden weiten Auslegung des Begriffs der Kulturdenkmale – möglich ist, so wäre gerade im Falle Sachsens eine gesetzliche Klarstellung aufgrund der tragischen Vorgeschichte wünschenswert gewesen. Zu bemängeln ist in diesem Zusammenhang auch, dass es in diesem Entwurf nicht gelungen ist, eine rechtzeitige Berücksichtigung des Welterbes für alle staatlichen Planungen festzuschreiben, wie dies im rheinland-pfälzischen Gesetz in beispielhafter Weise geschehen ist. Somit wird der Welterbeschutz nach wie vor erst in einem Stadium relevant werden, in dem bereits hinreichend konkrete Planungen bestehen und in einem Planungsverfahren die Denkmalschutzbehörden als Träger öffentlicher Belange angehört werden. Die Möglichkeiten, die Belange des Welterbeschutzes durchzusetzen, werden dadurch gemindert. Im Vergleich zu jenem Gesetz in Rheinland-Pfalz statuiert der Entwurf hingegen eine ausdrückliche Konsultationspflicht für die untere Denkmalschutzbehörde, was 402

§ 5 Abs. 2 Nr. 2 in der Fassung des Arbeitsentwurfes. Offener Brief des Präsidenten des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS an den sächsischen Ministerpräsidenten vom 31. Mai 2010, abrufbar unter: https://www.kunsthistori ker.org/fileadmin/redaktion/pdf/sachsen/2010_05_31_ICOMOS_Sachsen_MP-Tillich.pdf (zuletzt aufgerufen am 15. 10. 2015). 404 Siehe dazu oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, A., II. 403

3. Kap.: Vorschläge für adäquate Berücksichtigung der Welterbekonvention

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eine einheitliche und fachkompetente Einbringung der Belange des Welterbes ermöglichen sollte. Im Übrigen ist der Arbeitsentwurf der sächsischen Landesregierung in Bezug auf die sonstigen Änderungen bezüglich des Schutzstandards für die gewöhnlichen Kulturdenkmale auf allgemeine Kritik bei der politischen Opposition,405 insbesondere aber im Bereich der Denkmalpflege gestoßen.406 Das für den Denkmalschutz zuständige Ministerium des Innern hat durch seinen Minister daraufhin verkünden lassen, zunächst eine Konsultationsphase durchzuführen.407 Ergebnisse dieser Konsultation wurden bislang nicht veröffentlicht, so dass sich die Neuregelung nach wie vor im Entwurfsstadium befindet. 3. Denkmalschutzgesetz des Landes Niedersachsen Vor dem Hintergrund der beabsichtigten Nominierung einer Stätte für die UNESCO-Welterbeliste brachte die niedersächsische Landesregierung am 11. Januar 2011 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesdenkmalschutzgesetzes in den Landtag ein. Im Jahre 2011 sollte auf der Sitzung des Welterbekomitees in Paris über die Eintragung der Fagus Werke in die Welterbeliste abgestimmt werden.408 Diese Anmeldung wollte man in Niedersachsen nicht gefährden, wie ausdrücklich von der Regierung anlässlich der Gesetzesänderung verkündet.409 § 2 Abs. 3 DSchGNds lautet seitdem:410 405 Vgl. die kritischen Stellungnahmen der Abgeordneten der Grünen, der SPD, der Linksfraktion sowie der NPD, Plenarprotokoll des Sächsischen Landtags 5/20 vom 02. 09. 2010, S. 1761 ff. 406 Siehe hierzu die kritische Stellungnahme des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz in einem Offenen Brief vom 31. 05. 2010 mit Nachweisen anderer kritischer Stimmen, abrufbar unter: http://www.dnk.de/archiv_suche/n2413?node_id=2399&from_node=243 8&beitrag_id=465; Offener Brief der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland vom 1. Juni 2010 an den sächsischen Ministerpräsidenten Tillich, abrufbar unter: http://www.dnk.de/_uploads/media/757_Vereinigung-Landesdenkmalpfleger_Ge setz_Sachsen_01062010-2.pdf (alle zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 407 Plenarprotokoll des Sächsischen Landtags 5/20 vom 02. 09. 2010, S. 1769. Siehe ferner die Pressemittelung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 03. 08. 2010, Denkmalland Sachsen. Start der Konsultationsphase zur Weiterentwicklung des Denkmalschutzes, vormals abrufbar unter: http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/157131 (zuletzt aufgerufen am: 31. 05. 2013). 408 Die Aufnahme erfolgte während der 35. Sitzung des Komitees, die vom 19. – 29. Juni 2011 in Paris stattfand, UNESCO Doc. WHC-11/35.COM/20, Decision 35COM 8B.31. 409 So ausdrücklich die Niedersächsische Staatskanzlei in einer Presseinformation vom 11. 01. 2011, abrufbar unter: http://stk.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=1130&arti cle_id=93344&_psmand=6 (Stand: 23. 04. 2012). Die offizielle Begründung des Gesetzentwurfes nennt zur Begründung jedoch lediglich den Wunsch nach einem besseren Schutz des Welterbes. Vgl. Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes, Nds. LT-Drucks. 16/3208, S. 6. 410 Die Änderungen wurden beschlossen durch das Gesetz vom 26. 05. 2011, Nds GVOBl. 2011, S. 135.

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„In öffentlichen Planungen und bei öffentlichen Baumaßnahmen sind die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die Anforderungen des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972 (BGBl. 1977 II S. 213) rechtzeitig und so zu berücksichtigen, dass die Kulturdenkmale und das Kulturerbe im Sinne des Übereinkommens erhalten werden und ihre Umgebung angemessen gestaltet wird, soweit nicht andere öffentliche Belange überwiegen.“

Der ebenfalls geänderte § 21 Abs. 2 DSchGNds lautet nunmehr: „Die unteren Denkmalschutzbehörden stellen bei allen Maßnahmen, die für das Kulturerbe im Sinne des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von nicht nur unerheblicher Bedeutung sind, das Benehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege her.“

Auch diese Gesetzesänderungen unterlassen es, wie im Falle der Regelungen in Rheinland-Pfalz und in Sachsen, die einzelnen Denkmalkategorien im Sinne der Begrifflichkeiten der Konvention zu erweitern. Auch hier müsste dieses nach wie vor durch Auslegung erfolgen. Zu begrüßen ist die Konsultationspflicht für die unteren Denkmalschutzbehörden, durch die ähnlich dem Arbeitsentwurf in Sachsen eine fachkompetente Beurteilung sichergestellt werden könnte. Der weitere Bezug auf die Konvention selbst ist zwiespältig. Zum einen fordert die Vorschrift, eine rechtzeitige Berücksichtigung des Übereinkommens „in öffentlichen Planungen und bei öffentlichen Baumaßnahmen“ und bezieht dabei ausdrücklich die Umgebung der Welterbestätten mit ein.411 Besser wäre es allerdings gewesen, die „Umgebung“ gleich im Sinne der Konvention zu beschreiben, da ansonsten die Gefahr besteht, dass der Umgebungsbegriff mit dem aus § 10 Abs. 1 Nr. 4 DSchGNds gleichgesetzt wird, der aber, wie bereits gesagt, im Sinne der Konvention weiter verstanden werden muss. Die Behörden müssen erkennen, wie bereits mehrfach beschrieben,412 dass das Übereinkommen unter Umgebung – insbesondere im Hinblick auf die in den operational guidelines genannten Pufferzonen – etwas anderes versteht als die nationalen Landesdenkmalschutzgesetze. Die Landesregierung hat dieses ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 2 DSchGNds erkannt. Sie definiert die Maßnahmen, die für das Erbe „von nicht nur unerheblicher Bedeutung sind“ als „Maßnahmen, die sich auf die Substanz und Umgebung der Welterbestätten auswirken“.413 Allerdings muss sich der Gesetzgeber nun darauf verlassen, dass die die Vorschrift anwendenden unteren Denkmalschutzbehörden die hinter der Formulierung des Art. 21 Abs. 2 DSchGNds verborgene Motivlage des Gesetzgebers kennen. Andernfalls werden sie eine Beeinträchtigung dessen, was sie nach alt hergebrachter Weise als „Umgebung“ verstanden haben, keinesfalls als von erheblicher Bedeutung betrachten, eine Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege nicht einholen und mit diesem dementsprechend auch nicht das 411 Art. 1 Nr. 1 des Entwurfs für ein Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes, Nds. LT-Drucks. 16/3208, S. 2. 412 Vgl. insbesondere oben unter 2. Teil, 4. Kapitel, C. 413 Nds. LT-Drucks. 16/3208, S. 8.

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gesetzlich geforderte Benehmen herstellen. Auch eine systematische Interpretation des Begriffs „Umgebung“ in § 2 Abs. 3 DSchGNds würde ihr dann verborgen bleiben und letztendlich das Übereinkommen nicht in der vom Vertragstext und den Durchführungsrichtlinien beabsichtigten Weise durchgeführt werden. Insofern wäre der erkennbar geäußerte Wille der Landesregierung in der Tat effektiver durch eine konkrete Aufnahme und Definition der Umgebung und Pufferzonen im Sinne des Welterbes umzusetzen gewesen.414 Zum anderen enthält die Regelung in § 2 Abs. 3 DSchGNds eine Öffnungsklausel, nach der die Berücksichtigungspflicht nur gilt, „soweit nicht andere öffentliche Belange überwiegen“. Dadurch können die Belange des Welterbeschutzes in der gleichen Weise in der Abwägung zurückgestellt werden wie gewöhnliche Denkmalschutzinteressen. Dieses wird der Bedeutung des Welterbes nicht gerecht und öffnet die Tür für Völkerrechtsverstöße. Es ist zwar richtig, dass sonstige Belange das Interesse am Schutz des Welterbes überwiegen können, da Art. 4 und 5 WKÜ keinen Erfolg fordern. Allerdings ist aufgrund der qualifizierten Bemühenspflicht in Art. 4 WKÜ dieses Ergebnis nur unter einigem Begründungsaufwand und nur, wenn wesentliche Belange dem Welterbeschutz gegenüber stehen, als rechtmäßig zu bezeichnen. Die vorgeschlagene Formulierung müsste immer noch völkerrechtsfreundlich in diese Richtung ausgelegt werden. Es ist zu begrüßen, dass das Gesetz eine allgemeine Berücksichtigungspflicht für sämtliche Vorhaben statuiert. Die Belange des Welterbes sind mithin von allen Adressaten des Gesetzes zu berücksichtigen und nicht erst, wie in § 5 Abs. 2 Nr. 1 des sächsischen Entwurfes, von den Denkmalschutzbehörden als Träger öffentlicher Belange einzubringen. Eine frühzeitige Einbeziehung der Belange wurde von der niedersächsischen Landesregierung als Kernproblem ausgemacht und soll durch diese Regelung bezweckt werden.415 Ob sie allerdings tatsächlich hinreichende Beachtung finden wird, wird die Praxis noch zeigen müssen. Jedenfalls dürfte sie zur weiteren Sensibilisierung der an den Planungsprozessen beteiligten Behörden sowie der interessierten Öffentlichkeit beitragen. 4. Denkmalschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein Die bislang mit Abstand am weitesten gehenden Regelungen zur Einbeziehung des Übereinkommens in das Landesrecht ist in Schleswig-Holstein im Jahre 2012 in Kraft getreten. Diese wurde wiederum durch Inkrafttreten des novellierten Denkmalschutzgesetzes 2015 obsolet,416 soll hier jedoch wegen seiner weitreichenden Bestimmungen über den Welterbeschutz in seiner alten Fassung einer Untersuchung

414

Vgl. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 103 ff. Nds. LT-Drucks. 16/3208, S. 8. 416 Gesetz zum Schutz der Denkmale (Denkmalschutzgesetz) vom 30. 12. 2014, SH GVOBl. 2015, S. 2. 415

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

unterzogen werden. Für die seit 2015 geltende Regelung gelten im Wesentlichen die weiter unten zum Hamburger Denkmalschutzgesetz gemachten Feststellungen.417 a) Gesetzgebungsverfahren Ein Gesetzentwurf der seinerzeit regierenden Großen Koalition zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes in Schleswig-Holstein418 scheiterte zunächst an der Auflösung des Landtages im Jahre 2009.419 Am 2. Dezember 2009 brachte die SPDFraktion nunmehr als Opposition einen stark an jenen unter Federführung der CDU entstandenen Gesetzentwurf angelehnten Antrag in der neuen Legislaturperiode in den Landtag ein.420 Die neue Landesregierung aus CDU und FDP beabsichtigte jedoch nunmehr, im Jahre 2010 eine eigene Novellierung auf den Weg zu bringen.421 Hintergrund beider Bemühungen war es neben einer Straffung des Gesetzes und einer Reduzierung auf die Kernaufgaben insbesondere, die Belange des Welterbeschutzes in den Gesetzestext einzubringen.422 Die Landesregierung sorgte sich mit Blick auf die Diskussion um den Bau der Waldschlösschenbrücke und die damit verbundene Streichung des Elbtals von der Welterbeliste ausdrücklich um die angestrebte Meldung einer neuen Stätte (Stätten der Wikingerzeit – Danewerk und Haithabu).423 Im Jahre 2010 wurde allerdings kein entsprechender Vorschlag von der Landesregierung auf den Weg der Gesetzgebung gebracht. In der Antwort auf eine kleine Anfrage sagte die Landesregierung im Landtag, dass ein Meinungswechsel stattgefunden habe, allerdings ohne eine Begründung hierfür zu nennen.424 Am 11. Juni 2011 legte dann jedoch die aus CDU und FDP zusammengesetzte Regierung einen Entwurf zur Neufassung des schleswig-holsteinischen Denkmalschutzgesetzes vor.425 Das auf dieser Grundlage426 erneuerte Landesdenkmalschutzgesetz wurde am 14. Dezember 2011 beschlossen427 und trat am 27. Januar 2012 in Kraft.428

417

Siehe unten unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., II., 5. SH LT-Drucks. 16/2248. 419 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 247. 420 SH LT-Drucks. 17/88. 421 SH LT-Drucks. 17/166, S. 5. 422 SH LT-Drucks. 17/166, S. 5; vgl. SH LT-Drucks. 17/88. 423 SH LT-Drucks. 17/166, S. 5. 424 SH LT-Drucks. 17/1236, S. 1. 425 SH LT-Drucks. 17/1617(neu). 426 Hinzu kamen geringfügige Änderungen durch die SH LT-Drucks. 17/2089 und SH LTDrucks. 17/2112. 427 SH Plenarprotokoll 17/65, S. 5616. 428 SH GVOBl. 2012, S. 83. 418

3. Kap.: Vorschläge für adäquate Berücksichtigung der Welterbekonvention

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b) Regelungen Das novellierte Gesetz enthält mehrere detaillierte Regelungen, die das Übereinkommen allgemein und die konkrete Ausgestaltung des Schutzes der einzelnen Stätten betreffen.429 Die erste Regelung definiert Welterbestätten als neben den Kulturdenkmalen und Denkmalbereichen zum Gesetzesgegenstand gehörig. § 1 Abs. 4 DSchGSH lautet: „Welterbestätten im Sinne dieses Gesetzes sind die gemäß Artikel 11 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 1972, BGBl. II 1977 S. 213, in der „Liste des Erbes der Welt“ eingetragenen Stätten, soweit sie dort nicht als Naturerbe eingetragen sind. Pufferzonen sind definierte Gebiete um eine Welterbestätte zum Schutz ihres unmittelbaren Umfeldes, wesentlicher Sichtachsen und weiterer wertbestimmender Merkmale.“

Die zweite Regelung stellt fest, dass Welterbestätten als Denkmalbereiche zu schützen sind. § 19 Abs. 2 DSchGSH lautet: „Welterbestätten werden entsprechend Absatz 1 als Denkmalbereiche ausgewiesen. In die Verordnung sind neben dem Schutzgegenstand Pufferzonen zum Schutz ihres unmittelbaren Umfeldes, wesentlicher Sichtachsen und weiterer wertbestimmender Merkmale aufzunehmen.“

§ 21 DSchGSH widmet sich ausschließlich den Welterbestätten: „(1) Die Träger der Welterbestätten haben integrierte Planungs- und Handlungskonzepte in Form von Managementplänen aufzustellen und fortzuschreiben. (2) Die Managementpläne erhalten die Ziele und Maßnahmen, mit denen der Schutz, die Pflege und Nutzung der Welterbestätten verwirklicht werden sollen. Sie benennen 1. die Schutzmaßnahmen durch Gesetze, sonstige Vorschriften und Verträge, 2. die Festlegung von Grenzen für wirksamen Schutz der Welterbestätten, 3. die Grenzen und Festsetzungen der Pufferzone, 4. die Organisation der Welterbestätte und deren Einbindung in das Verwaltungssystem sowie 5. das Konzept für nachhaltige Nutzung. (3) Managementpläne werden von der obersten Denkmalschutzbehörde an das Welterbezentrum weitergeleitet. (4) Kommt der Träger einer Welterbestätte seiner Verpflichtung zur Aufstellung oder Fortschreibung des Managementplans auch nach einer von der oberen Denkmalschutzbehörde gesetzten angemessenen Frist nicht nach, wird der Managementplan ersatzweise von der oberen Denkmalschutzbehörde erstellt oder fortgeschrieben. (5) In öffentlichen Planungen und bei öffentlichen Baumaßnahmen sind die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die Anforderungen des Übereinkommens 429 Diese waren – von wenigen Änderungen im Detail abgesehen – bereits Gegenstand des Gesetzentwurfes der alten Landesregierung aus dem Jahre 2009, vgl. die § 1 Abs. 4, § 19 Abs. 2, § 20 Abs. 7 des alten Entwurfs, SH LT-Drucks. 16/2248.

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zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 1972, BGBl. II 1977 S. 213, rechtzeitig und so zu berücksichtigen, dass die Kulturdenkmale und das Kulturerbe im Sinne des Übereinkommens erhalten werden und ihre Pufferzone angemessen gestaltet wird, soweit nicht andere öffentliche Belange überwiegen.“

c) Würdigung aa) Pufferzonen Zunächst ist in besonders positiver Weise zu betonen, dass durch die Aufnahme und Definition der dem deutschen Denkmalrecht fremden „Pufferzonen“ in § 1 Abs. 4 DSchGSH ein wichtiger Schritt in Richtung einer tatsächlichen Verbesserung des Welterbeschutzes gegangen wurde. Die bisherige Einbeziehung dieses Aspekts über die völkerrechtsfreundliche Auslegung des Umgebungsschutzes, der auf nationaler Ebene ursprünglich enger verstanden wurde, ist dadurch in allgemein verständlicherweise manifestiert worden. Dadurch hat die Reichweite des Welterbeschutzes für den Rechtsanwender (vermeintlich) an Klarheit gewonnen. Die Begrifflichkeiten „wesentliche […] Sichtachsen“ und „weitere wertbestimmende […] Merkmale“ in der Definition der Pufferzone sind auslegungsbedürftig, vermitteln jedoch bereits im Zusammenspiel mit den übrigen Merkmalen ein hinreichend deutliches Bild dessen, was eine solche Zone im Sinne des Übereinkommens und seiner Durchführungsrichtlinien bedeutet. Auf eine konkrete Bezugnahme auf die operational guidelines, die die Pufferzonen für die Vertragsparteien definieren,430 wurde anders als beim Entwurf der alten Landesregierung verzichtet.431 Diese hatte noch ausdrücklich auf die „§§ 104 und 105 der Richtlinien zur Durchführung der Welterbekonvention in ihrer Fassung vom 2. Februar 2005“ Bezug genommen.432 Dieser Bezug ist sinnvollerweise aufgehoben worden, da die Richtlinien in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden433 und dementsprechend nicht ausgeschlossen ist, dass sich – wie tatsächlich geschehen – Nummerierungen ändern oder gar inhaltliche Veränderungen vorgenommen werden, die das Gesetz in diesem Fall dann nicht mehr rezipieren würde.434 Es wurde richtigerweise auch auf eine dynamische Verweisung wie bspw. „die Richtlinien in ihrer jeweils geltenden Fassung“ verzichtet. Die Formulierung wäre im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarheit435 zumindest nicht unproblematisch gewesen. Im Übrigen besteht durch viele Verweise und eine hinreichende Publizität der operational 430

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 103 – 107. Vgl. § 1 Abs. 4 und § 20 Abs. 7 des Gesetzentwurfes der Landesregierung zur Neufassung eines Denkmalschutzgesetzes (2009), SH LT-Drucks. 16/2248. 432 § 1 Abs. 4 und § 20 Abs. 7 des Gesetzentwurfes der Landesregierung zur Neufassung eines Denkmalschutzgesetzes (2009), SH LT-Drucks. 16/2248. 433 Vgl. 11 Abs. 5 WKÜ; UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 2. 434 Dies übersieht die Stellungnahme des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck 17/2850, S. 3. 435 BVerfGE 83, 130 (145); 86, 288 (311); 108, 52 (75); 110, 33 (57). 431

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guidelines keine absolute Notwendigkeit, einen konkreten Hinweis auf sie in das Gesetz aufzunehmen. So positiv es zu bewerten ist, dass sich Schleswig-Holstein als erstes Bundesland der Problematik stellt, dass der Kulturerbeschutz der UNESCO mit den „Pufferzonen“ ein Instrument kennt, dass dem deutschen Denkmalschutzrecht bislang fremd war, so lückenhaft ist die vorgenommene Umsetzung jedoch bei genauer Betrachtung. Die rechtliche Wirkung dieser Pufferzonen bleibt bei der vorgenommenen Definition schlichtweg unklar.436 Zwar kann der Rechtsanwender durch Auslegung ermitteln, dass das Schutzniveau nicht so hoch wie beim eigentlichen Kulturdenkmal und höher als in der weiteren (nicht mehr unmittelbaren)437 Umgebung liegen soll. Welche konkreten Rechtsfolgen mit dem Schutzstatus „Pufferzone“ verbunden sind, bleibt jedoch offen.438 Sinnvoller wäre es daher gewesen, die Träger der Welterbestätten oder die obersten Denkmalschutzbehörden anzuweisen, die Pufferzonen mittels im Bundes-, Landes- oder kommunalen Rechts bekannter Regelungsmechanismen zu schützen.439 Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Länder die Kommunen wegen ihrer fehlenden Gesetzgebungszuständigkeit für den Bereich des Bodenrechts (z. B. BauGB) nicht anweisen können, beispielsweise Bebauungspläne zum Schutz von Welterbestätten zu erlassen.440 Allerdings könnten die Kommunen etwa ausdrücklich verpflichtet werden, geeignete Maßnahmen zur Umsetzung des Konzepts der Pufferzonen zu ergreifen. Eine derart weiche Formulierung würde man wohl auch noch in einem Landesdenkmalschutzgesetz verankern können. Eine gesetzliche Anweisung zu einer solchen Umsetzung mithilfe von Bebauungsplänen kann jedoch nur der Bundesgesetzgeber treffen, der hierbei jedoch die Grenze des Art. 28 Abs. 2 GG zu beachten hat. Andererseits ergeben sich Verpflichtungen der Kommunen zu einer Berücksichtigung des Übereinkommens bei der Bauleitplanung bereits aufgrund des Grundsatzes der Bundestreue. Nach dem zuvor Gesagten wären entsprechende Bestimmungen in Denkmalschutzgesetzen der Länder, die eine Berücksichtigungsverpflichtung des Übereinkommens für die Kommunen im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes, wie beispielsweise der Bauleitplanung, festschrieben, als lediglich deklaratorisch anzusehen und hätten klarstellende Wirkung. Ferner hätte man allerdings im konkreten Fall des schleswig-holsteinischen Gesetzes einen vom Übereinkommen gewünschten Schutz durch Pufferzonen zu436 Im Ergebnis ebenso das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck 17/2850, S. 5. 437 Vgl. den Wortlaut in § 1 Abs. 4 und § 19 Abs. 2 S. 2 DSchGSH. 438 Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck 17/2850, S. 5. 439 Kommunen könnten beispielsweise im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie dazu motiviert werden, Bebauungspläne auszuweisen oder besondere Satzungen zum Schutz der Umgebung einer Welterbestätte innerhalb der Pufferzone zu erlassen. 440 Vgl. dazu bereits oben unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., II., 1.

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mindest zur Bedingung künftiger Meldungen durch das Land machen müssen. Für die bereits gemeldeten Welterbestätten wird man nunmehr versuchen müssen, Pufferzonen, so weit es geht, mittels der Kompetenzen des Landes herzustellen. Bei fehlender Ausweisung durch die Kommunen muss daher das Land in seiner Kompetenz für den Denkmalschutz beispielsweise großflächige Denkmalbereiche um die jeweilige Welterbestätte ausweisen, die zugleich zumindest die wesentlichen Teile der Funktion einer Pufferzone übernimmt. Auch wenn § 19 Abs. 2 DSchGSH zwischen dem Schutzgegenstand der Denkmalzone (dem eigentlichen Kulturdenkmal) und der Pufferzone differenziert, können Teile dieser Pufferzonen selbst mit zum Schutzgegenstand der Denkmalbereiche erklärt werden (z. B. wesentliche Sichtachsen). Dieses erscheint für den Fall der Weigerung der Kommunen bei der Ausweisung von Pufferzonen (mittels Bebauungsplänen oder kommunalen Schutzbereichssatzungen) der einzig mögliche Weg, die Verpflichtungen erfüllen zu können. Die problematische Grenze, bei der der für den Denkmalschutz zuständige Landesgesetzgeber die kommunale Planungshoheit verletzt, ist in diesen Fällen völkerrechtsfreundlich – zumal bei der allseitigen Verpflichtung zur Berücksichtigung des Übereinkommens – in Richtung des Welterbeschutzes zu verschieben.441 bb) Genehmigungspflichtigkeit von Maßnahmen Im Rahmen der Anhörung zum Gesetzgebungsvorhaben ist vom Landesamt für Archäologie vorgebracht worden, dass eine Genehmigungspflicht für Maßnahmen innerhalb der Pufferzone einer Welterbestätte nicht geregelt worden sei.442 § 7 Abs. 1 S. 1 DSchGSH, der die Genehmigungspflicht regelt,443 lautet: „Der Genehmigung der unteren Denkmalschutzbehörde bedürfen (…) 3. die Errichtung von Anlagen in der unmittelbaren Umgebung, innerhalb wesentlicher Sichtachsen und in der unmittelbaren Umgebung weiterer wertbestimmender Merkmale eines eingetragenen Kulturdenkmales, die eine Gefahr für den Denkmalwert bedeuten.“ Eine bessere Lösung habe der von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Gesetzentwurf in diesem

441

Vgl. zur problematischen Einschränkung der Planungshoheit der Gemeinden: Positiv hinsichtlich der hier beschriebenen Möglichkeit Werres, Kommunale Selbstverwaltung und denkmalrechtliche Anordnungen, DÖV 2005, 18 (21); grundsätzlich sehr kritisch hinsichtlich dieser Einschränkung der Bauleitplanung Stüer, Denkmalschutz vor Bauleitplanung?, BauR 1989, 251 (254). 442 SH LT-Umdruck 17/2963, S. 3 ff. 443 Nach § 19 Abs. 2 DSchGSH wird die oberste Denkmalschutzbehörde ermächtigt, „Art und Umfang der genehmigungsbedürftigen Arbeiten“ in der Denkmalbereichsverordnung zum Schutz einer Welterbestätte und deren Pufferzone zu bestimmen. Hier setzt die Kritik der Ständigen Konferenz der Kultusminister an, SH LT-Umdruck 17/2850, S. 9. Sie plädiert für die ausdrückliche Festschreibung einer grundsätzlichen Genehmigungspflicht jedweder Maßnahme in den Denkmalbereichen. Dieses wäre aus Gründen der Klarstellung in der Tat zu begrüßen. Wie sogleich zu zeigen sein wird, wird allerdings annähernd dasselbe Ergebnis (mit Ausnahme marginaler Eingriffe) über die generelle Genehmigungspflicht in § 7 Abs. 1 S. 1 DSchGSH erreicht.

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Punkt bereitgehalten.444 Dieser bestimmt ausdrücklich, dass „Veränderungen in der festgelegten Pufferzone einer Welterbestätte, wenn sie geeignet sind, das unmittelbare Umfeld, wesentliche Sichtachsen und weitere wertbestimmende Merkmale der Welterbestätte wesentlich zu beeinträchtigen“ der Genehmigung der unteren Denkmalschutzbehörde bedürfen.445 Das Landesamt schließt aus dem Fehlen dieser Konkretisierung, die sich im Übrigen schon im Entwurf der Großen Koalition befunden hatte,446 dass die Notwendigkeit einer Genehmigungspflicht für Vorhaben im Bereich von Pufferzone zweifelhaft sei und infolge dessen Welterbestätten gefährdet würden.447 Diese Befürchtung ist allerdings nicht zu teilen. Der Auffassung ist zuzugeben, dass die Entwürfe von SPD und Großer Koalition von größerer Klarheit hinsichtlich der Genehmigungspflicht gekennzeichnet waren. Eine systematische Auslegung der beschlossenen Gesetzesregelung macht jedoch deutlich, dass eine Genehmigungspflicht für Maßnahmen zumindest in ausdrücklich in der Denkmalbereichsverordnung gekennzeichneten Pufferzonen (auch ohne weitere kommunale Schutzmaßnahme wie einen Bebauungsplan) besteht. Zwar spricht der Wortlaut der Vorschrift von „Kulturdenkmalen“, für die eine Genehmigungspflicht statuiert wird, und Kulturdenkmale werden in § 1 DSchGSH in Abgrenzung zu Welterbestätten definiert. Daraus könnte das Denkmalamt gefolgert haben, dass Welterbestätten und deren Pufferzonen entsprechend nicht von der Genehmigungspflicht betroffen sein sollen. Das Gesetz spricht allerdings genau genommen von „eingetragenen Kulturdenkmalen“. „Eingetragene Kulturdenkmale“ sind allerdings nicht in § 1 DSchGSH definiert und müssen daher keinen Gegensatz zu Welterbestätten und ihren Pufferzonen bilden. Vielmehr handelt es sich bei „eingetragenen Kulturdenkmalen“ um einen Oberbegriff für sämtliche in § 1 definierten Gegenstände des Denkmalschutzgesetzes, die erfasst und in das Denkmalbuch448 eingetragen wurden. So sind auch Welterbestätten ausdrücklich als Denkmalbereiche auszuweisen und mit der Pufferzone im Wege der Rechtsverordnung festzusetzen.449 Gemäß § 19 Abs. 6 DSchGSH ist diese Festlegung ausdrücklich „nachträglich im Denkmalbuch zu vermerken“. Dadurch wird deutlich, dass sich die Genehmigungspflicht für „eingetragene Kulturdenkmale“ auch auf Welterbestätten nebst ihren Pufferzonen bezieht. Dieses Ergebnis wird zusätzlich noch durch die Wortwahl bestätigt, mit der die Genehmigungspflicht ausgedrückt wird. Die Vorschrift rezipiert ausdrücklich die Gesetzesdefinition der Pufferzone, die gleichzeitig deren Sinn und Zweck hinsichtlich der jeweiligen Welterbestätte verdeutlicht, der im „Schutz ihres unmittelbaren Umfeldes, wesentlicher Sichtachsen und weiterer wertbestimmender Merk444 445 446 447 448 449

SH LT-Umdruck 17/2963, S. 3 ff. § 7 Abs. 1 Nr. 5 Hs. 1 des Entwurfes, SH LT-Drucks. 17/88. SH LT-Drucks. 16/2248. SH LT-Umdruck 17/2963, S. 3 ff. § 5 DSchGSH. § 19 Abs. 2 DSchGSH.

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male“450 besteht. Insofern können die Bedenken des Landesamtes eindeutig zurückgewiesen werden.451 Das Landesamt für Archäologie macht noch auf einen anderen wichtigen Problembereich aufmerksam. Es weist darauf hin, dass die Genehmigung durch die unteren Denkmalschutzbehörden zu erteilen ist, denen regelmäßig entsprechend kompetentes Personal fehlen dürfte.452 Es wurde in dieser Arbeit bereits mehrfach angesprochen, dass die Koordination durch eine übergeordnete fachkundige Behörde in allen den Welterbeschutz betreffenden Belangen wünschenswert wäre und wie gezeigt in anderen Bundesländern bereits umgesetzt wurde.453 Allerdings ist das Land Schleswig-Holstein entgegen der Auffassung des Landesamtes diesem Weg im Prinzip gefolgt. Es schreibt zwar keine automatische Beteiligungspflicht einer zentralen Behörde fest. Die oberen Denkmalschutzbehörden müssen jedoch „bei Maßnahmen von überregionaler Bedeutung“454 beteiligt, und es muss sogar deren Zustimmung eingeholt werden. Was unter „Maßnahmen von überregionaler Bedeutung“ zu verstehen sein sollte, geht weder aus der Begründung des Antrags der Regierungsfraktionen455 noch aus dem Bericht und der Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses hervor,456 aufgrund derer diese Bestimmung überhaupt erst Eingang in das Gesetz gefunden hatte. Es lässt sich mithin nur vermuten, dass der Gesetzgeber im Wesentlichen die Qualität des Vorhabens meinte, das über einen bestimmten abgrenzbaren Raum hinaus Bedeutung erlangen müsse, um eine entsprechende Zustimmungspflicht auszulösen. Die Vorschrift kann aber auch dahin gedeutet werden, dass die Konsequenz des geplanten Vorhabens eine überregionale Bedeutung erlangen müsse. Da sämtliche Vorhaben, die eine Stätte des Erbes der Menschheit (oder dessen Pufferzone) tangieren,457 ungeachtet der eigenen Tragweite per se eine besondere (überregionale) Bedeutung haben, wird in diesen Fällen au450

§ 1 Abs. 4 S. 2 DSchGSH. Das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck 17/2850, S. 5, hat kritisiert, dass die Trennung von Umgebungsschutz und Pufferzone verwässert werde. Für eine strikte Trennung besteht jedoch kein Bedürfnis. Vielmehr wird man den Umgebungsschutz in Bezug auf Welterbebelange so verstehen müssen, dass er auch Pufferzonen mit einbeziehen kann. Vgl. dazu bereits oben unter 2. Teil, 4. Kapitel, C. Die Kritik des Sekretariats, dass der Bürger mangels entsprechender Bestimmtheit der Begriffe in rechtlich bedenklicher Weise über seine Pflichten im Unklaren gelassen wird, wird insofern nicht nachvollzogen. Allerdings ist die Kritik an der zu kurz bemessenen Frist zum Tätigwerden bis zur Fiktion einer Genehmigung (sowohl nach § 7 Abs. 2 S. 2 als auch nach § 19 Abs. 4 S. 3 DSchGSH) zu teilen. Letzteres kritisiert unter Verweis auf den hohen zeitlichen Aufwand einer Abstimmung mit ICOMOS auch die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck, 17/2761, S. 8. 452 SH LT-Umdruck 17/2963, S. 3 ff. 453 Siehe oben unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., II., 1. 454 § 7 Abs. 1 S. 3 DSchGSH. 455 SH LT-Drucks. 17/1617 (neu), S. 22 f. 456 SH LT-Drucks. 17/2089, S. 8 f. 457 Vgl. Erwägung Nr. 6 der Präambel der WKÜ. 451

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tomatisch die Einholung einer Zustimmung der oberen Denkmalschutzbehörde notwendig. Die zweite der beiden möglichen Interpretationen ist bereits aus Gründen einer gebotenen völkerrechtsfreundlichen Auslegung der Bestimmung vorzuziehen. Daher ist festzuhalten, dass bei richtiger Anwendung des Gesetzes die geforderte Koordination durch eine kompetente Fachbehörde gewährleistet ist. cc) Managementpläne Die Kernregelung des § 21 DSchGSH zu den Welterbestätten ist deutlich erkennbar an die operational guidelines des Welterbekomitees angelehnt. Insbesondere die Erstellung und der Inhalt der Managementpläne in § 21 Abs. 2 DSchGSH stellt eine – wenn auch stark verknappte – Umsetzung der Verpflichtungen über den Schutz und die Verwaltung der Welterbestätten in Nr. 96 bis 119 der operational guidelines dar. Zwar werden im Wesentlichen nur die einzelnen Überschriften rezipiert. Da der Gesetzgeber in § 21 Abs. 1 DSchGSH jedoch die Träger der Welterbestätten anweist, Managementpläne mit den in Abs. 2 niedergelegten Inhalten aufzustellen, können die Verpflichteten für die nähere Ausgestaltung die operational guidelines konsultieren. Auch an dieser Stelle war im Text des alten Gesetzesentwurfs eine ausdrückliche Verweisung auf die guidelines vorgesehen.458 Aus den bereits genannten Gründen ist die Streichung auch in dieser Vorschrift sinnvoll. Die Bezugnahme auf die Richtlinien zur Durchführung des Übereinkommens ergibt sich im Übrigen aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschrift. Die Einfügung der Vorschrift des § 21 Abs. 2 DSchGSH zur Umsetzung der Konvention ist gelungen und überaus begrüßenswert.459 Hierdurch werden die entsprechenden Träger der Stätte vor Ort zu präventiven Schutzkonzepten gezwungen. Wie oben in der Problemanalyse dargestellt,460 sind diverse Konflikte mit dem Schutzregime erst entstanden, als entsprechende Planungen im Welterbebereich bereits sehr weit fortgeschritten waren. Entsprechend schwierig war es, Kompromisse zu finden, ohne den Welterbestatus zu gefährden. Das in § 21 Abs. 2 DSchGSH umgesetzte Konzept mit seinem präventiven Ansatz zwingt die Träger, aktiv zu werden und im Vorfeld bereits hinreichende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die bestimmte das Welterbe gefährdende Planungen von vornherein unmöglich machen.461

458

§ 20 Abs. 7 des Gesetzesentwurfes der Landesregierung zur Neufassung eines Denkmalschutzgesetzes (2009), SH LT-Drucks. 16/2248. 459 Ebenfalls grundsätzlich positiv bewertet die Neuregelung Lund, Was lange währt, wird endlich gut? – Zur geplanten Neuregelung des Denkmalschutzes in Schleswig-Holstein, NordÖR 2011, 383 (385). 460 3. Teil, 2. Kapitel, A., und 3. Teil, 2. Kapitel, C., I. 461 Sehr weit gehend insofern die Kritik von Lund, Was lange währt, wird endlich gut? – Zur geplanten Neuregelung des Denkmalschutzes in Schleswig-Holstein, NordÖR 2011, 383 (385), wonach versäumt wurde, eine Umsetzungspflicht für die Managementpläne festzuschreiben.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Für den Fall der Untätigkeit der Träger einer Welterbestätte sieht Art. 21 Abs. 4 DSchGSH die Möglichkeit vor, entsprechende Pläne von der oberen Denkmalschutzbehörde ersatzweise erstellen zu lassen. Diese Regelung ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Es sind verschiedenste Gründe vorstellbar, aufgrund derer ein Träger einer Welterbestätte untätig ist, entsprechende Pläne zu erstellen. Auch wenn die Meldung einer Stätte nur auf Initiative und in enger Koordination mit dem Träger erfolgen kann,462 so bedeutet dieses gleichsam nicht, dass der Träger auch immer bereit sein muss, die Einschränkungen und Aufgaben, die mit dem Welterbetitel verbunden sind, hinzunehmen bzw. auszuführen. Im Übrigen sind auch Kommunen Träger der Welterbestätten. Insbesondere in deren Gremien sind Konflikte über Nutzung und Entwicklung einer Welterbestätte vorstellbar, die eine entsprechende Aufstellung der Managementpläne wegen der damit verbundenen Beschränkungen verhindern könnten. Nicht zuletzt die obige Analyse hat gezeigt, dass wechselnde Stadtratsmehrheiten, wie im Falle Dresdens,463 den Welterbeschutz höher oder niedriger gewichten können und sich insofern die Gefahr realisieren könnte, dass entsprechende Pläne nicht aufgestellt werden. Insofern ist die Möglichkeit der Ersetzung eines kommunalen Planes durch die obere Denkmalschutzbehörde eine gute und adäquate Lösung im Sinne des Welterbeschutzes. Es darf allerdings an der praktischen Wirksamkeit der Ersatzregelung in § 21 Abs. 4 DSchGSH gezweifelt werden. Die ersatzweise Erstellung der Pläne wird nach der gesetzlichen Vorschrift nicht der obersten Denkmalschutzbehörde464 – (derzeit) dem Ministerium für Justiz, Kultur und Europa –, sondern nur der oberen Denkmalschutzbehörde465 – also dem Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein oder dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein – zugewiesen. Die bislang einzige Kulturerbestätte des Landes Schleswig-Holstein ist die Lübecker Altstadt. Die Hansestadt Lübeck müsste als Trägerin der Welterbestätte also einen entsprechenden Managementplan aufstellen. Das Landesamt für Denkmalschutz müsste grundsätzlich im Falle der Untätigkeit der Stadt eine Ersetzung vornehmen können. Für Lübeck, das erst 1937 aufgrund des Groß-Hamburg-Gesetzes Teil SchleswigHolsteins wurde,466 gibt es aufgrund dieser historischen Besonderheit jedoch verschiedene landesrechtliche Sonderregelungen. Eine solche ist auch im Bereich des Denkmalschutzes zu verzeichnen. So werden ausweislich des Gesetzes die Aufgaben der oberen Denkmalschutzbehörde im Bereich der Hansestadt Lübeck von dem Bürgermeister wahrgenommen.467 Der Bürgermeister ist hier somit sowohl untere 462

Siehe oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, A., I., 2. Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., I. 464 § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 DSchGSH. 465 § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 DSchGSH. 466 § 6 Abs. 1 des Gesetzes über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen vom 26. 01.1937, RGBl. I 1937, S. 91. 467 § 2 Abs. 2 S. 2 DSchGSH. 463

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Denkmalschutzbehörde,468 obere Denkmalschutzbehörde als auch gesetzlicher Vertreter der Stadt,469 so dass die Ersetzungsbefugnis des § 21 Abs. 4 DSchGSH im einzigen (derzeitigen) Anwendungsfall leer läuft. dd) Ausschließliche Anwendung auf eingetragene Welterbestätten Ferner muss festgestellt werden, dass die Umsetzung der Konvention eine weitere wichtige Lücke aufweist. Der Schutz des Gesetzes bezieht sich ausschließlich auf bereits eingetragene Welterbestätten.470 Nach hier vertretener Auffassung,471 die zumindest implizit auch von deutschen Obergerichten472 sowie explizit vom Sekretariat der Kultusministerkonferenz473 getragen wird, begründet schon die Eintragung einer Kultur- oder Naturerbestätte auf der nationalen Vorschlagsliste eine rechtliche Vorwirkung hinsichtlich des durch die Eintragung auf der Welterbeliste zu erwartenden Schutzes. Diese Schutzwirkung wird vom Gesetz ausgeblendet.474 Dieses ist insofern unverständlich, als mit der Eintragung auf der Vorschlagsliste die konkreten Vorbereitungen eines Antrages bei der UNESCO begonnen werden. Die Willensbildung sowohl auf Ebene der betroffenen Kommune als auch des entsprechenden Landes hinsichtlich einer Eintragung ist mithin abgeschlossen. Der einzige hindernde Faktor vor einer die Nominierung abschließenden Evaluierung durch das Welterbekomitee und seine Hilfsorgane ist der Zeitablauf.475 Wie bereits dargestellt,476 sind die Wartezeiten für eine Nominierung innerhalb der Bundesrepublik recht lang. Es wäre jedoch sowohl im Sinne einer günstigen Beurteilung durch die UNESCO als auch im eigenen durch die Eintragung auf der nationalen Vorschlagliste dokumentierten Interesse, der einzutragenden Stätte bereits vor der Eintragung auf der Welterbeliste entsprechend weit gehenden rechtlichen Schutz zukommen zu lassen. Gerade im Hinblick auf Planungen, die mit dem (nach der späteren Eintragung in die Welterbeliste verbundenen) zukünftigen Schutzstatus nicht mehr vereinbaren wären, droht die Gefahr, dass diese gerade deshalb noch im Vorwege der Listung auf der Welterbeliste realisert werden. Hiergegen bestünde nach den innerstaatlichen Gesetzen keine rechtliche Handhabe, solange eine Stätte nur auf der nationalen Vorschlagsliste verzeichnet ist. Solange mangels besonderen Schutzstatus 468

§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 DSchGSH. § 64 Abs. 1 GOSH. 470 Vgl. den ausdrücklichen Wortlaut von § 1 Abs. 4 S. 1 DSchGSH. 471 Siehe oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, B., III. 472 Vgl. zumindest andeutungsweise OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. 7 MS 91/05, zitiert in: NuR 2006, 185 (189). 473 SH LT-Umdruck, 17/2850, S. 8 f. 474 Der SPD-Entwurf, SH LT-Drucks. 17/88, enthielt in § 19 Abs. 2 des zu beschließenden Gesetzes eine entsprechende Gleichsetzung zwischen „Welterbestätten sowie Stätten, die auf der nationalen Tentativliste an das World Heritage Committee der UNESCO gemeldet sind“. 475 So auch das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck, 17/2850, S. 9. 476 Siehe oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, A., I., 2. 469

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als auf der UNESCO-Liste eingetragener Welterbestätte wird der Schutz eines Gutes nämlich durch das innerstaatliche Denkmalschutzgesetz (dem Buchstaben nach) noch nicht gewährt. Das Sekretariat der Kultusministerkonferenz teilt diese Auffassung zwar grundsätzlich, schlägt jedoch einen Schutz durch (einfache) Denkmalbereichsverordnungen ohne Einbeziehungen von Pufferzonen vor und ohne freilich damit eine Gleichsetzung zwischen Welterbestätten und Stätten auf der nationalen Vorschlagsliste vorzunehmen.477 Es begründet dies damit, dass bei Pufferzonen als Teil des Welterbetitels die Sozialbindung gegenüber den Eigentümerinteressen überwiegen würde. Dieses sei infrage gestellt, solange eine Stätte lediglich auf der Vorschlagsliste stehe, mithin noch nicht mit dem Welterbetitel versehen sei.478 Insbesondere sei dies im Falle einer Ablehnung der Eintragung durch das Welterbekomitee problematisch.479 Dem ist allerdings zunächst entgegenzuhalten, dass die operational guidelines – wie auch die Kultusministerkonferenz bemerkt – bereits ausdrücklich einen wirksamen Schutz der lediglich „angemeldeten Güter“ fordert.480 Darüber hinaus bestimmt die Konvention selbst, dass eine Ablehnung der Aufnahme auf die Welterbeliste nicht bedeutet, dass ein Gut nicht von außergewöhnlichem universellem Wert ist.481 Vielmehr haben die Vertragsparteien die Pflicht, alles in der Konvention definierte Kultur- und Naturerbe zu schützen und zu erhalten.482 Was hierunter zu zählen ist, bestimmt eben nicht das Welterbekomitee mit der Aufstellung der „Liste des Erbes der Welt“, sondern jeder Vertragsstaat selbst.483 Und die Aufnahme einer Stätte auf die nationale Vorschlagsliste bedeutet eine hinreichende Konkretisierung in diesem Sinne. Sie vermag des Weiteren auch, eine die Sozialbindung des Eigentums konkretisierende Festlegung zu sein. Insofern ist sie grundsätzlich geeignet, in Fällen einer Abwägung mit dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG die Sozialbindung in Folge der Erfüllung der entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen aufzuladen und gegebenenfalls überwiegen zu lassen. Eine Gleichsetzung der Welterbestätten mit lediglich auf der nationalen Vorschlagsliste befindlichen Stätten im Gesetzestext484 wäre mithin nicht nur wünschenswert und verfassungsrechtlich möglich, sondern im Sinne einer lückenlosen Umsetzung der Konvention rechtlich geboten gewesen. 477 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck, 17/2850, S. 9. 478 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck, 17/2850, S. 9. 479 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck, 17/2850, S. 9. 480 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. 481 Art. 12 WKÜ. 482 Art. 4 S. 1 WKÜ. 483 Art. 3 WKÜ. 484 Insbesondere in § 19 Abs. 2 DSchGSH. Vgl. dazu den entsprechenden SPD-Entwurf, SH LT-Drucks. 17/88.

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ee) Weitere Besonderheiten Die Detailliertheit der Regelungen zum Schutz des Welterbes stellt sich besonders im Vergleich zu den übrigen landesgesetzlichen Regelungen als deutliche Verbesserung für den faktischen Schutz des Welterbes im Land Schleswig-Holstein dar. In besonderer Weise muss in diesem Zusammenhang § 19 Abs. 2 S. 1 DSchGSH betont werden, durch den erstmalig eine gesetzliche Verpflichtung zur Ausweisung von Welterbestätten in Form von Denkmalbereichen geschaffen wurde.485 Diese wird die Handhabung des Übereinkommens für die zuständigen Behörden mithilfe des ausdrücklichen Schutzes im Wege des durch die nationalen Regelungen bekannten Mechanismus vereinfachen. Auch wenn die Einzigartigkeit dieser Regelung nicht geschmälert oder die Qualität herabgesetzt werden kann, dürfen nichtsdestotrotz kleinere Ungenauigkeiten in diesen Details erwähnt werden. So trennt § 21 Abs. 5 zwischen „Kulturdenkmalen und Kulturerbe im Sinne des Übereinkommens“, ohne dass deutlich wird, wo diese Unterscheidung herrührt. Aus dem Text des Übereinkommens ist sie jedenfalls nicht entlehnt. Dort definiert Art. 1 ganz allgemein das „Kulturerbe“ für das Übereinkommen. Eine Unterkategorie stellen „Denkmäler“ dar. Der Begriff der Kulturdenkmale wird jedoch weder in der deutschen Übersetzung noch in den authentischen Sprachfassungen des Vertragstextes erwähnt. Er entstammt vielmehr § 1 Abs. 1 DSchGSH. Die Erwähnung des Begriffs, der lediglich den Eindruck zu erwecken vermag, dass zwischen beiden Begrifflichkeiten ein Unterschied bestehe, was tatsächlich nicht gewollt sein kann, ist demnach ohne inhaltliche Bedeutung und dürfte daher ein Redaktionsversehen sein. Ebenso unbeachtlich ist die sprachliche Einschränkung in § 21 Abs. 5 DSchGSH, wonach das Übereinkommen nur soweit zu berücksichtigen ist, wie nicht andere öffentliche Belange überwiegen. Die Notwendigkeit einer Abwägung mit anderen Belangen ergibt sich aus den unterschiedlichen Planungsgesetzen.486 Dass andere öffentliche Belange in der jeweils durchzuführenden Abwägung im Einzelfall überwiegen können, schließt das Übereinkommen nicht aus.487 Einer entsprechenden Erwähnung hätte es mithin nicht bedurft.488 Es fällt des Weiteren auf, dass die gesetzliche Neuregelung Naturerbestätten ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausschließt.489 Dies erscheint auf den ersten Blick nicht weiter verwunderlich, da es sich um ein Denkmalschutzgesetz handelt, das vordergründig keine Belange des Naturschutzes regelt. 485 Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck 17/2850, S. 7. 486 Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland, SH LTUmdruck 17/2761, S. 8. 487 Vgl. Art. 4 und 5 WKÜ. 488 Ebenso Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck 17/2761, S. 8. 489 Vgl. § 1 Abs. 4 S. 1 DSchGSH.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Dabei ist zunächst jedoch zu bedenken, dass Schleswig-Holstein bislang zwei eingetragene Welterbestätten besitzt. Nur eine davon (die Lübecker Altstadt) ist auch Kulturerbe. Das Wattenmeer als Naturerbestätte ist mithin vom Schutz des Gesetzes nicht umfasst. Das bedeutet, dass zwar eine weit reichende und sehr begrüßenswerte Regelung geschaffen wurde, dass hierdurch jedoch erst die Hälfte der eingetragenen Stätten geschützt werden kann. Ein vergleichbarer ausdrücklicher Schutz durch das Landesnaturschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein existiert nicht. Auch ist nicht ersichtlich, dass eine entsprechende Gesetzesänderung herbeigeführt werden soll. Es besteht mithin eine faktische Schutzlücke.490 Der Landesgesetzgeber hält diese Lücke offenbar zugunsten einer klaren fachlichen Abgrenzbarkeit der Regelungsbereiche (bislang) für hinnehmbar. Das Problem allerdings ist, dass sich die Belange des Kulturerbe- sowie des Naturerbeschutzes nicht so trennscharf voneinander abgrenzen lassen. Ein rechtliches Problem stellt diese vermeintlich einleuchtende Regelung im Landesdenkmalschutzgesetz insbesondere für die Berücksichtigung der Belange des Kulturlandschaftsschutzes dar. Kulturlandschaftsschutz ist im deutschen Recht eine Materie, die primär als Naturschutzaufgabe verstanden wird und wegen der entsprechenden Kompetenzverteilung von den Naturschutzgesetzen geregelt wird.491 Nach den Definitionen der UNESCO bzw. des Welterbekomitees unterfallen Kulturlandschaften hingegen dem Kulturerbe.492 Sollte Schleswig-Holstein einmal eine Kulturlandschaft bei der UNESCO anmelden, so würde diese de lege lata schutzlos sein. Sie stellt kein Naturerbe im Sinne des Übereinkommens dar und unterfällt daher prinzipiell dem Regelungsgegenstand des Denkmalschutzgesetzes, der jedoch wegen der abweichenden innerstaatlichen Zuordnung keine Regelungen für Kulturlandschaften aufweist. Die entstehende Schutzlücke müsste mithin durch entsprechende Ergänzungen der Landesnaturschutzgesetzes geschlossen werden, so dass zukünftig beide Gesetze auf Kulturlandschaften anwendbar wären. ff) Einordnung der im Gesetzgebungsverfahren vorgebrachten Kritik Das neue Landesdenkmalschutzgesetz wurde in vielen Detailfragen, insbesondere in Bezug auf die für die gewöhnlichen Denkmale anwendbaren Neuerungen, von den mit den Belangen des Denkmalschutzes vertrauten Verbänden und Behörden scharf kritisiert.493 Kommentierungen hinsichtlich des nunmehr ausdrücklich fest490 Wobei auch an dieser Stelle erneut betont werden muss, dass diese aus der entscheidenden formal-juristischen Perspektive nicht besteht. Siehe dazu oben unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., I., 2. und § 2 Abs. 5 BNatSchG. 491 Vgl. § 2 Abs. 5 S. 2 BNatSchG und Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG. 492 Siehe oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, B., III., 2. 493 Vgl. Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz, SH LT-Umdruck 17/2716 sowie 17/26/34; Landesamt für Denkmalpflege des Landes Schleswig-Holstein, SH LT-Umdruck 17/ 2963, S. 7 ff.; Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein, SH LT-Umdruck 17/2963, S. 3 ff.; Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck, 17/2850; Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der

3. Kap.: Vorschläge für adäquate Berücksichtigung der Welterbekonvention

315

geschriebenen Welterbeschutzes im novellierten Gesetz wurden allerdings bislang im Wesentlichen nur vom Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister in der Bundesrepublik Deutschland und in weitaus geringerem Umfang auch vom Landesamt für Archäologie substantiiert vorgebracht. Die übrigen sehr knappen Stellungnahmen zur Umsetzung der Welterbekonvention in dem Gesetzestext sind durchweg als positiv und unkritisch aufgefallen.494 Insbesondere das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS als Hilfsorgan des Welterbekomitees lobt den Gesetzentwurf als „positiven Beitrag“ und fordert lediglich, eine Verbesserung des Schutzes auch für diejenigen Kulturdenkmale zu veranlassen, die nicht auf der Welterbeliste verzeichnet sind.495 Eine kritische Auseinandersetzung mit der konkreten Art und Weise der Umsetzung findet nicht statt. Darüber hinaus verstrickt sich ICOMOS in Widersprüche. In einem Offenen Brief vom 27. Juni 2011 wird der Umgebungsschutz bei der Frage der Auslösung einer Genehmigungspflicht für ein geplantes Vorhaben als „zu eng gefasst“ beurteilt.496 In der im Rahmen der Anhörung zum Gesetzesvorhaben eingegangenen schriftlichen Stellungnahme vom 21. September 2011 heißt es dann, dass die „klare Darlegung der genehmigungspflichtigen Maßnahmen“ sogar „hilfreich“ sei.497 In der mündlichen Anhörung des Bildungsausschusses wiederum erklärt der Vertreter des Nationalkomitees von ICOMOS, dass bei der Genehmigungsverpflichtung „unbestimmte (…), schwierig zu definierende (…) Begriffe“ eingeführt seien und dass daher der Umgebungsschutz ausgehöhlt zu werden drohe.498 Die koordinierte Stellungnahme eines Hilfsorgans der UNESCO – wenn auch nur dessen deutschen Nationalkomitees – lies freilich anderes wünschen. Das Handeln ist insofern bedauerlich, als es bereits im Falle des Streites um die Waldschlösschenbrücke ICO-

Bundesrepublik Deutschland, SH LT-Umdruck 17/2761; ICOMOS, Deutsches Nationalkomitee, SH LT-Umdruck 17/2779; Deutsche Stiftung Denkmalschutz, SH LT-Umdruck 17/2834; Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, SH LT-Umdruck 17/2834; Denkmalrat SchleswigHolstein, SH LT-Drucks. 17/2739. Eine positivere Bewertung der Novellierung hingegen erfolgte von Haus & Grund, Verband Schleswig-Holsteinischer Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, SH LT-Drucks. 17/2753, vom Industrie- und Handelskammertag Schleswig-Holstein, SH LT-Drucks. 17/2754, sowie von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, SH LT-Drucks. 17/2747. 494 So schreibt das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz bei dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien lediglich, dass es positiv zu bewerten sei, dass das nunmehr in Kraft getretene Gesetz „die Umsetzung der UNESCO Welterbekonvention (1972) berücksichtigt“, SH LT-Drucks. 17/2716, S. 2. Der mit freilich wesentlich geringeren finanziellen und personellen Mitteln ausgestattete Schleswig-Holsteinische Heimatbund begrüßt ebenso knapp den „Einbezug der Welterbestätten in das Gesetz“, SH LT-Umdruck 17/2834, S. 4. 495 SH LT-Umdruck 17/2779, S. 5. 496 SH LT-Umdruck 17/2779, S. 5. 497 SH LT-Umdruck 17/2779, S. 2. 498 SH LT, Ausschussprotokoll BIL 17/31 vom 03. 11. 2011, S. 9.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

MOS war, dem vorgeworfen wurde, die geplante Brücke in den Karten falsch eingezeichnet zu haben.499 Doch leider hat es ICOMOS noch nicht bei diesem bereits aufgezeigten inkonsistenten Handeln belassen. In der mündlichen Anhörung kritisierte der Vertreter vielmehr, dass die Formulierung „die Errichtung von Anlagen in der unmittelbaren Umgebung wesentlicher Sichtachsen und weiterer wertbestimmender Merkmale eines eingetragenen Kulturdenkmals“ unbestimmte Rechtsbegriffe und damit Konfliktpotential in das Gesetz einfließen lasse.500 Außerdem fänden Welterbekonflikte „nicht zwingend in der unmittelbaren Umgebung von Welterbestätten statt“.501 Beide Aussagen sind zwar inhaltlich völlig korrekt, entbehren allerdings nicht einer gewissen Ambivalenz, da die kritisierten Gesetzespassagen fast wörtlich die Bestimmungen der operational guidelines zu den Pufferzonen aufnehmen, die danach „das unmittelbare Umfeld des angemeldeten Gutes, wesentliche Sichtachsen und andere Gebiete oder Merkmale umfassen (…)“.502 Es dürfte somit vielmehr zu begrüßen sein, dass der Gesetzgeber als erster Landesgesetzgeber in Deutschland eine detaillierte und sogar am Wortlaut der Durchführungsrichtlinien des Welterbekomitees orientierte Umsetzung beschlossen hat. Dass hierdurch nicht jedwedes Bauvorhaben um eine Welterbestätte verhindert werden kann, ist richtig, dieses wird jedoch nicht von der Konvention verlangt. Eine hinreichende Berücksichtigung ist vielmehr durch eine weite und völkerrechtsfreundliche Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „unmittelbare Umgebung“ und „wesentliche Sichtachsen“ möglich. Striktere Formulierungen sind weder von der Konvention noch von den operational guidelines gefordert. Die durch die Vorschrift notwendige Befassung der oberen Denkmalschutzbehörden, die aufgrund der Weiterleitung der Managementpläne in Austausch mit dem Welterbezentrum stehen,503 sollte in der Praxis eine rechtzeitige Einbringung der Belange des Welterbeschutzes garantieren. 5. Denkmalschutzgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg Die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt hat mit Gesetz vom 5. April 2013 eine Novellierung des hamburgischen Denkmalschutzgesetzes beschlossen.504 Trotz erheblicher Veränderungen im Vergleich zur vorherigen Fassung, wie dem Übergang vom Listen- zum Tatbestandssystem, wurde lediglich ein neuer Absatz mit Bezug auf

499 500 501 502 503 504

Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., I. SH LT, Ausschussprotokoll BIL 17/31 vom 03. 11. 2011, S. 9. SH LT, Ausschussprotokoll BIL 17/31 vom 03. 11. 2011, S. 9. UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. § 21 Abs. 3 DSchGSH. HmbGVOBl. 2013, S. 142. In Kraft getreten am 01. 05. 2013.

3. Kap.: Vorschläge für adäquate Berücksichtigung der Welterbekonvention

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das Welterbeübereinkommen aufgenommen.505 In § 7 Abs. 8 DSchGHH in seiner neuen Fassung heißt es: „Bei Maßnahmen und Planungen ist die Verpflichtung zur Bewahrung des Kulturerbes gemäß dem Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972 (BGBl. 1977 II S. 215) zu berücksichtigen.“

Mit dieser Regelung ist Hamburg, anders als die beiden zuvor von Niedersachsen und Schleswig-Holstein beschlossenen Regelungen, den einfachsten Weg gegangen. Es wird nur deklaratorisch auf die Bindungswirkung des Übereinkommens verwiesen. Das mag auf den ersten Blick verständlich erscheinen, wenn man bedenkt, dass Hamburg zum Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch keine Kulturerbestätte auf der Welterbeliste verzeichnet hatte. Allerdings hatte die Stadt zu dieser Zeit bereits mehrere Stätten auf der deutschen Vorschlagsliste eingetragen.506 Und zum anderen standen die Bemühungen um die Stellung eines Antrags zur Aufnahme der „Speicherstadt mit Kontorhausviertel und Chilehaus“ als erster Hamburger Kulturerbestätte in die Welterbeliste kurz vor dem Abschluss. Nur wenige Wochen nach Verabschiedung des neuen Denkmalschutzgesetzes beschloss der Senat dann tatsächlich, die Stätte im Folgejahr bei der UNESCO anzumelden.507 Die Speicherstadt mit Kontorhausviertel und Chilehaus wurde auf der 39. Sitzung des Welterbekomitees 2015 in Bonn auf die Welterbeliste aufgenommen.508 Diese Entscheidung könnte man im Hinblick auf den rein deklaratorischen Verweis im Denkmalschutzgesetz hinsichtlich der Berücksichtigung der UNESCO-Welterbekonvention so interpretieren, dass dem Welterbekomitee selbst ein solcher Schritt bereits als Vertrauensbeweis für einen entsprechenden Welterbeschutz ausreicht. 6. Denkmalschutzgesetze der übrigen Länder Die übrigen Länder der Bundesrepublik Deutschland haben in der Phase seit dem Rechtsstreit um den Bau der Waldschlösschenbrücke und der darin aufgeworfenen Frage nach Geltung und Umsetzung des Übereinkommens im Landesrecht verschiedentlich ihre Denkmalschutzgesetze geändert, ohne dabei einen Bezug auf die Welterbekonvention oder gar eine Umsetzung aufzunehmen. Brandenburg und Nordrhein-Westfalen haben in diesem Zeitraum allerdings überhaupt keine Ände505 Zu den Änderungen umfassend Mittelstein/Jötten, Die Neufassung des Denkmalschutzgesetzes in Hamburg, NordÖR 2013, 451 ff. 506 Vgl. die längerfristige Planung der Denkmalschutzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg zum UNESCO-Welterbe, vormals abrufbar unter: http://www.hamburg.de/kulturbeho erde/denkmalschutzamt/2772398/unesco-weltkulturerbe.html (zuletzt aufgerufen: 31. 05. 2013). 507 Pressemitteilung der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 28. 05. 2013, abrufbar unter: http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/nofl/3987774/2013-05-28-kbunesco-welterbe.html (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 508 UNESCO WHC-15/39.COM/19 Decision 39COM 8B.25.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

rungsgesetze erlassen. Sachsen-Anhalt hatte, wie oben dargelegt,509 als einziges Bundesland zumindest eine Schutzverpflichtung für Kulturlandschaften, die auf der Welterbeliste eingetragen sind, in seinem Landesdenkmalschutzgesetz verankert.510 Man wird aus der fehlenden Aufnahme eines Welterbebezugs in den acht Bundesländern (zuzüglich Sachsen), die in jüngerer Zeit Änderungen an den Denkmalschutzgesetzen vorgenommen haben, allerdings nicht den Umkehrschluss ziehen können, dass sie keine zukünftigen gesetzlichen Maßnahmen für geboten halten. Vielmehr sind die Einfügungen des Welterbeschutzes in den Landesdenkmalschutzgesetzen der Länder (mit Ausnahme des nur partiellen Bezugs in SachsenAnhalt) stets im Zuge vollständiger Novellierungen der Gesetze erfolgt. Eine weitergehende ausdrückliche Aufnahme der Welterbeschutzverpflichtung oder gar eine richtige Umsetzung wie im Falle Schleswig-Holsteins könnte mithin in den folgenden Jahren mit entsprechenden Novellierungen einhergehen. 4. Kapitel

Abschließende Würdigung A. Zusammenfassende Problemanalyse Die Untersuchung der Rechtsprechung zum Welterbeübereinkommen im ersten Kapitel dieses dritten Teils der Arbeit hat gezeigt, dass es trotz eines fehlenden Umsetzungsgesetzes gut um den Schutz des Welterbes bestellt ist. Die Gerichte nutzen grundsätzlich die Möglichkeiten, dem völkerrechtlichen Vertrag im Rahmen des bestehenden nationalen Rechts Geltung zu verschaffen.511 Diese Praxis deckt sich mit der im zweiten Teil der Arbeit aufgestellten These, dass eine Berücksichtigung des Übereinkommens insbesondere in auslegungsbedürftigen, unbestimmten Rechtsbegriffen, aber auch durch eine Aufwertung der durch das Denkmalschutzrecht einfachrechtlich geschützten Welterbebelange bei Abwägungsentscheidungen aufgrund des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes nicht nur möglich, sondern sogar geboten ist.512 Dieses Gebot wird mithin in der gerichtlichen Praxis grundsätzlich befolgt. Ein Mangel an abweichenden Entscheidungen spricht ferner auch für die Welterbeverträglichkeit des bestehenden Rechts. Die einzige von dieser generellen Praxis abweichende Gerichtsentscheidung des Oberverwaltungsgericht Bautzen im für die Verfassung dieser Arbeit anlassgebenden Streit um die Waldschlösschenbrücke in Dresden vermag zwar eine Ausnahme zu diesem Grundsatz darzustellen, allerdings eine solche, die es nicht rechtfertigt, das 509 510 511 512

Siehe oben unter 2. Teil, 2. Kapitel, B., I., 2. § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchGSA. Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, J. Siehe oben unter 2. Teil, 3. Kapitel.

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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Ergebnis der Problemanalyse grundsätzlich in Frage zu stellen. Dafür sprechen gleich mehrere Argumente: Zunächst handelte es sich um eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz. Diese Tatsache rechtfertigt zwar das falsche Ergebnis nicht. Das Gericht hat jedoch selbst darauf hingewiesen, dass die Verpflichtungen des Übereinkommens ein anderes als das eigene Ergebnis zutage bringen könnten.513 Für die Ermittlung der Konsequenzen aus dem Übereinkommen hat es jedoch dann auf die Hauptsacheentscheidung verwiesen, zu der es niemals gekommen ist. Nach den diversen Veröffentlichungen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum dürften die Gerichte nunmehr im Stande sein, etwaige Konsequenzen bereits im Eilrechtsschutz berücksichtigen zu können. Hierzu war darüber hinaus die erste Instanz, das Verwaltungsgericht Dresden, bereits zuvor in der Lage.514 Darüber hinaus wurde auch in den Folgejahren eindrucksvoll bewiesen, dass die deutschen Gerichte diese Verpflichtungen ganz allgemein erkennen und sogar progressiv Verpflichtungen unmittelbar aus der Konvention herleiten. Dies alles spricht dafür, der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts einen Ausnahmecharakter beizumessen, der die Regel der adäquaten Berücksichtigung durch die deutschen Gerichte nicht brechen zu vermag. Wenn jedoch eine Berücksichtigung des Übereinkommens im bestehenden Recht ohne Umsetzungsgesetz möglich ist, so bestätigt der Befund des zweiten Kapitels dieses dritten Teils, dass das Übereinkommen in der Verwaltungspraxis der deutschen Behörden keine hinreichende Beachtung findet, also das bereits von anderer Seite515 festgestellte Vollzugsdefizit. Dementsprechend soll es Aufgabe der abschließenden Problemlösung sein, aufzuzeigen wie diesem Vollzugsdefizit zu begegnen ist, um eine adäquate Berücksichtigung des UNESCO-Welterbeübereinkommens in der Zukunft sicher zu stellen.

B. Problemlösung Vor der Darstellung eigener Lösungsvorschläge sollen zunächst die bisher in der Literatur veröffentlichten Verbesserungsvorschläge dargestellt und im Hinblick auf das hier erzielte Analyseergebnis auf ihre Geeignetheit hin überprüft werden. I. Änderungsvorschläge und Forderungen in der Literatur Eine Verbesserung des Welterbeschutzes wurde teilweise bereits anlässlich der Kölner Hochhausplanungen, insbesondere aber im Zuge des Streites um die Waldschlösschenbrücke auch im juristischen Schrifttum diskutiert.

513 514 515

OVG Bautzen, Beschluss vom 09.03.07, Az.: 4 BS 216/06, SächsVBl. 2007, 137 (143). Siehe oben unter 1. Teil, 1. Kapitel, D., II., 1. Vgl. insbesondere Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 84.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Mehrheitlich wird im Sinne der Nachholung eines Umsetzungsgesetzes im Lichte der Erfahrungen des genannten Konfliktes argumentiert.516 Ob sich diese Forderung in Anlehnung an den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen517 bzw. die Stellungnahme der Kultusministerkonferenz518 auf ein nachträgliches Zustimmungsgesetz auf Bundesebene bezieht oder auf die einzelgesetzliche Umsetzung des Bundes und der Länder in ihren jeweiligen Gesetzgebungskompetenzen abzielen soll, wird dabei teilweise offen gelassen.519 Neben der pauschalen Forderung nach einem (einzelnen) Umsetzungsgesetz wurden im Schrifttum jedoch noch verschiedene einzelgesetzliche Maßnahmen vorgeschlagen, um den Welterbeschutz in den bestehenden gesetzlichen Regelungen des Bundes und der Länder zu stärken. Hinsichtlich einer Änderung der einzelnen Landesdenkmalschutzgesetze wurde vorgeschlagen, den Kulturdenkmalbegriff um das auf der Welterbeliste eingetragene Kulturerbe zu erweitern,520 die Pufferzonen zum Gegenstand des Denkmalschutzes zu erklären,521 Welterbestätten und ihre Pufferzonen in das denkmalrechtliche Genehmigungsverfahren mit einzubeziehen522, die Hürden für eine Beeinträchtigung im Verhältnis zu sonstigen Denkmälern stark zu erhöhen523 und bei erheblichen Eingriffen eine Zustimmungspflicht der

516 Hönes, Zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene, NuR 2008, 319 (320), der jedoch die gesetzlichen Lücken insbesondere beim Flächendenkmal- und Kulturlandschaftsschutz ausmacht; Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 258; implizit Müller, Direkte Demokratie und Völkerrecht, NJ 2007, 252 (253). Mangels Notwendigkeit offenbar gegen eine Nachholung eines Gesetzes Fastenrath, Der Schutz des Weltkulturerbes in Deutschland, DÖV 2006, 1017 (1027). 517 Siehe oben unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., I., 1. 518 Siehe oben unter 3. Teil, 3. Kapitel, A., II. 519 Kotzur, Die Dresdner Waldschlösschenbrücke – rechtlich rundum beleuchtet, in: Verein Deutscher Verwaltungsgerichtstag (Hrsg.), Dokumentation 16. Deutscher Verwaltungsgerichtstag, 327 (344) plädiert für ein Transformationsgesetz, das einen „bundesrechtlichen Rahmen“ vorgibt; Hönes, Zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene, NuR 2008, 319 (320), stellt die beiden Möglichkeiten ausdrücklich alternativ nebeneinander. An anderer Stelle formuliert ders., Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60), allerdings Mindestforderungen hinsichtlich zu ändernder Denkmalschutzgesetze der Länder. 520 Statt vieler vgl. nur Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60 f.). 521 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60 f.); Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 250. 522 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60 f.); Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 250, plädiert dafür, die Pufferzonen zu „Gebieten eingeschränkter Nutzung“ zu erklären. Historische Sichtachsen könnten in ein Kataster aufgenommen werden. 523 Pfeifle, UNESCO-Welterbe, S. 247 und 251, schlägt vor ein grundsätzliches Beeinträchtigungsverbot zu statuieren, das Ausnahmen nur zulassen solle, wenn diese aufgrund „überwiegender Gründe des Allgemeinwohls“ gerechtfertigt seien.

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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Denkmalfachbehörde zu statuieren524 sowie eine Verpflichtung zur Aufstellung von Managementplänen525 zu integrieren. Ferner wurde verlangt, bereits im Sinne von Art. 3 WKÜ bestimmte,526 zumindest jedoch auf den Vorschlagslisten verzeichnete Güter mit in den Schutz einzubeziehen.527 Die Verpflichtungen der Art. 4 und 5 WKÜ sollen in der Weise umgesetzt werden, dass die Behörden alles in ihrer Kraft Stehende unternehmen müssen, um die Belange des Welterbes zu schützen.528 Des Weiteren wurde die gesetzliche Schaffung einer besonderen Denkmalkategorie unter der Bezeichnung „Denkmal von internationaler Bedeutung“ befürwortet.529 Dasselbe Ergebnis, ohne allerdings formal eine gesonderte Kategorie von Denkmalen zu schaffen, soll nach einem anderen Vorschlag über die Verschärfung der Genehmigungspflichten für Veränderungen im Bereich von Welterbestätten erreicht werden.530 Diese Forderung wurde noch dadurch ergänzt, dass diese Kategorie eine „abwägungsresistente Stoppfunktion für konkurrierende Vorhaben“ erhalten solle.531 Derselbe Autor hat auch gefordert, „Konsultationspflichten der zuständigen Behörden mit den internationalen Gremien vor und nach der Aufnahme in die Welterbeliste“ einzuführen.532

524

Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60 f.). 525 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60 f.); Wolf, Weltkulturvölkerrecht und nationalstaatliche Umsetzung, NuR 2008, 311 (319) und v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention, GYIL 51 (2008), 321 (389); Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 251. 526 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 250. 527 Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (706). 528 Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (706); v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention, GYIL 51 (2008), 321 (389). 529 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 182; ähnlich Odendahl, Der Schutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit: aktuelle völkerrechtliche Entwicklungen, in: Weller/Kemle/Lynen (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 35, die – anders als nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung – den Sinn und Zweck des Übereinkommens unter anderem darin erkennt, Welterbestätten einen besonderen Schutz im Verhältnis zu sonstigem Kulturgut zu verleihen und dementsprechend eine besondere Schutzkategorie für diese Stätten fordert. 530 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 247 f., der im Ergebnis jedoch ebenfalls eher zu einer gesonderten Schutzkategorie tendiert. 531 Wolf, Weltkulturvölkerrecht und nationalstaatliche Umsetzung, NuR 2008, 311 (319). 532 Wolf, Weltkulturvölkerrecht und nationalstaatliche Umsetzung, NuR 2008, 311 (319); ähnlich Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (706), der die Konsultationspflicht jedoch auf Maßnahmen mit erheblichen potentiellen Auswirkungen auf das Welterbe beschränken möchte.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Einen weiteren Vorschlag hinsichtlich konkreter einzelgesetzlicher Regelungen stellt die Forderung nach einem Optimierungsgebot zugunsten des Welterbes in Raumordnungsplänen sowie im Fachplanungsrecht dar.533 Außerdem, so eine vereinzelte Auffassung, könnten die offiziellen Hilfsorgane des Übereinkommens (ICOMOS, IUCN, ICCROM) als „Träger öffentlicher Belange“ im Planungsrecht Berücksichtigung finden und an entsprechenden Vorhaben im Vorfeld beteiligt werden.534 Ferner wurde jedoch auch die Schaffung eines Verbandsklagerechts in die Debatte eingebracht, im Folgenden allerdings als zu weit gehend ablehnt.535 Letztendlich wurde relativ allgemein gefordert, die Regelungen der jeweils unteren Ebene an die der höheren anzupassen, um dergestalt eine bessere Koordinierung erreichen zu können.536 Mittel unterhalb des Gesetzesranges, mit denen sich die Ziele des Übereinkommens verwirklichen ließen, sind beispielsweise bestimmte kommunale Satzungen. Diese „Gestaltungs-“ oder „Denkmalbereichssatzungen“, die in einigen Städten mit Welterbestatus bereits erlassen wurden, bieten etwa die Möglichkeit, sehr konkret die äußere Gestaltung der Gebäude im Rahmen der jeweiligen Welterbestätten zu regeln.537 Im Bereich derjenigen Maßnahmen, die auch ohne eine gesetzliche Neuregelung eine Verbesserung des Welterbeschutzes bewirken könnten, wurde auf die Erfahrungen in einigen deutschen Welterbestätten hingewiesen. Teilweise haben die Kommunen interdisziplinäre Gremien geschaffen, die eine rechtzeitige Berücksichtigung der Welterbebelange bei lokalen Planungsvorhaben ermöglicht haben.538 In eine ähnliche Richtung geht die Empfehlung, dezentrale „Koordinationsstellen“ zu schaffen, die in den jeweiligen Kommunen, in denen sich Welterbestätten be533

Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 235; ders., Schutz des UNESCO-Welterbes – Völkerrecht als Schranke lokaler Bau- und Planungsaktivitäten, in: Kühling (Hrsg.) Mehrebenenkonflikte im Öffentlichen Immobilien- und Infrastrukturrecht, S. 74; Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60), verlangt lediglich eine „Berücksichtigung“ des Welterbes in der Raumordnung sowie den Fachplanungsgesetzen. 534 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 226 f.; ders., Schutz des UNESCO-Welterbes – Völkerrecht als Schranke lokaler Bau- und Planungsaktivitäten, in: Kühling (Hrsg.) Mehrebenenkonflikte im Öffentlichen Immobilien- und Infrastrukturrecht, S. 76, der dieser Einbeziehung den Titel der „Welterbeverträglichkeitsprüfung“ gibt. 535 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 258 f. 536 Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht – Toter Buchstabe oder wirksamer Schutz? Dargestellt am Beispiel des Kölner Doms, CDI 11 (2006), 11 (125). 537 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 181 f.; Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 237 ff. 538 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 187, nennt dabei insbesondere den Stadtplanungsbeirat in Bamberg sowie eine Arbeitsgruppe in Potsdam, die eine entsprechende „Leitplanung“ ausgearbeitet hat. Schweitzer, UNESCO-Weltkulturerbe – Motor oder Bremse der Stadtentwicklung in Köln?, S. 127, empfiehlt dezentrale „Koordinierungsstellen“, die in den jeweiligen Kommunen, in denen sich Welterbestätten befinden angesiedelt werden sollten.

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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finden, angesiedelt sein sollen, jedoch außerhalb der Verwaltungsstrukturen bestehen können.539 Diese Stellen sollen sowohl für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sein, als auch als Kompetenzzentrum für diejenigen Planungen dienen, die einen potentiellen Bezug zum Welterbe aufweisen.540 Die Deutsche UNESCO-Kommission hat sich dafür ausgesprochen, lokale Koordinatoren für die jeweilige Welterbestätte zu benennen, die als Bindeglied zwischen allen betroffenen Ebenen fungieren sollen.541 Ferner solle neben der Errichtung von Pufferzonen eine zusätzliche nationale Schutzkategorie zum Schutz von wesentlichen Sichtachsen geschaffen werden, da die existierenden Schutzmechanismen sich insbesondere bei Hochhausplanungen als unzureichend erwiesen hätten.542 II. Beurteilung der bisherigen Vorschläge Die soeben dargestellten sollen im Folgenden im Hinblick auf das Ergebnis der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Problemanalyse auf ihre Eignung zur Behebung der aufgedeckten Schwachstellen des Welterbeschutzes in Deutschland untersucht werden. Dabei soll insbesondere der Versuch unternommen werden, die Balance zwischen den für den Welterbeschutz wünschenswerten, jedoch gar nicht vom Übereinkommen geforderten rechtlichen (Neu-)Regelungen zu finden. Denn es ist offenkundig, dass je detaillierter und je höher im Normengefüge angesiedelt eine Regelung zum Schutz des Welterbes ist, desto wahrscheinlicher auch die Verbesserung des Schutzes wird und damit verbunden die Minderung der Gefahr einer Verletzung des Übereinkommens. Wie sogleich darzustellen sein wird, gehen einige der bereits gemachten und soeben dargestellten Vorschläge über die vom Übereinkommen formulierten Verpflichtungen hinaus. Anspruch dieser Arbeit, insbesondere bei den später darzustellen eigenen Vorschlägen soll es aber sein, effiziente Vorschläge für die Verbesserung des Welterbeschutzes zu unterbreiten. Das heißt, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die nicht nur geeignet sind, die festgestellten Probleme zu beseitigen, sondern auf der anderen Seite im Hinblick auf die inhaltlichen Verpflichtungen des Übereinkommens von diesem auch geboten sind. Die Problemanalyse hat insbesondere deutlich gemacht, dass der Grund für die mangelnde Beachtung der Welterbekonvention ein Vollzugsdefizit ist. Gesetzliche Maßnahmen erscheinen daher prinzipiell nicht notwendig zu sein, um das Defizit zu 539 Schweitzer, UNESCO-Weltkulturerbe – Motor oder Bremse der Stadtentwicklung in Köln?, S. 127, als Ergebnis seiner Befragungen. 540 Schweitzer, UNESCO-Weltkulturerbe – Motor oder Bremse der Stadtentwicklung in Köln?, S. 127. 541 Deutsche UNESCO-Kommission, Resolution der 66. Hauptversammlung am 28. und 29. Juni 2006 in Hildesheim, Nr. 7g, abrufbar unter: www.unesco.de/reshv66.html (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). Dieser Forderung schließt sich v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention, GYIL 51 (2008), 321 (389), an. 542 Ringbeck, in: Deutsche UNESCO-Kommission (Hrsg.), Managementpläne für Welterbestätten, S. 30 ff.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

beheben. Nichtsdestotrotz bedeutet dies nicht, dass die Forderung nach einem Umsetzungsgesetz543 gleichermaßen ungeeignet sein müsste, das begehrte Ziel zu erreichen. Auch wenn eine gesetzliche Umsetzung aus rechtlichen Gründen nicht notwendig erscheint, so könnte sie dennoch aus praktischen Gründen zur Verhinderung künftiger Völkerrechtsverstöße geboten sein,544 wenn die Besonderheit des konkreten Falles dies erfordert. Dieses könnte bei der Causa UNESCO-Welterbeübereinkommen zutreffend sein, da es sich hierbei um einen besonders seltenen Fall eines Vertrages handelt, der nicht durch ein (Bundes-)Zustimmungsgesetz ins nationale Recht eingeführt worden ist. Insofern darf berücksichtigt werden, dass diese Ausnahmesituation es den an Gesetz und Recht gebundenen545 Verwaltungen möglicherweise (insbesondere vor dem Dresdner Brückenstreit) erschwert haben könnte, die Konvention entsprechend durchzuführen. Doch auch nach dem Brückenstreit, infolge dessen die Berücksichtigungspflicht des Übereinkommens auch den juristischen Laien in den Fachbehörden deutlich geworden sein dürfte,546 ist nach wie vor eine teilweise juristisch komplizierte Auslegung der Regeln des nationalen Rechts notwendig, die selbst Juristen im Einzelfall schwer fällt, wie das Oberverwaltungsgericht Bautzen in besagtem Fall unter Beweis gestellt hat. Ein Umsetzungsgesetz, welches für die Behörden die Beachtung des Übereinkommens dezidiert anordnet, erscheint insofern – zwar nicht aus rechtlichen – so doch aus praktischen Gründen geeignet und notwendig, eine adäquate Berücksichtigung herzustellen. Auf welcher Ebene und mit welchem Inhalt ein solches Umsetzungsgesetz ergehen sollte, wird sogleich in den Schlussfolgerungen für eigene Lösungsvorschläge dargestellt werden, wobei dem Gesichtspunkt der Effektivität in besonderer Weise Rechnung getragen werden wird. Was die vorgeschlagene Umsetzung mittels einer Änderung der Landesdenkmalschutzgesetze betrifft,547 so ist die Forderung nach der Erweiterung des Denkmalbegriffs auf Welterbestätten, der Einbeziehung der Pufferzonen, der Genehmigungsbedürftigkeit von Maßnahmen im Bereich der Welterbestätte sowie ihrer Pufferzone unter Einbeziehung der Zustimmungspflicht der Denkmalfachbehörde sowie der Verpflichtung zur Festschreibung eines Managementplanes ausdrücklich zu begrüßen.548 Ebenso müssen die Güter, die bereits auf der nationalen Vor543 Siehe dazu statt vieler nur Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht – Toter Buchstabe oder wirksamer Schutz? Dargestellt am Beispiel des Kölner Doms, CDI 11 (2006), 11 (125) oder Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“, Schlussbericht vom 11. 12. 2007, BT-Drucks. 16/7000, S. 208. 544 Vgl. Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (706). 545 Vgl. Art. 20 Abs. 3 GG. 546 Ebenso Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 235. 547 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60 f.). 548 Dieses kommt auch der Forderung von Odendahl, Kulturgüterschutz im Schnittpunkt zwischen Völker- und nationalem Recht – Toter Buchstabe oder wirksamer Schutz? Dargestellt

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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schlagsliste verzeichnet sind, sowie diejenigen, die die Anforderungen der UNESCO an den außergewöhnlichen universellen Wert im Sinne der operational guidelines verkörpern, mit in den Schutz einbezogen werden.549 Dem vom selben Autor unterbreiteten Vorschlag, über eine entsprechende Festschreibung in den Landesdenkmalschutzgesetzen die Berücksichtigung der Belange des Welterbeschutzes in der Fachplanung zu erreichen,550 fehlt es hingegen an Durchschlagskraft. Diese Berücksichtigung kann nur in den Fachgesetzen selbst angeordnet werden. Diese nehmen Bezug auf den Schutz von Kulturgütern. Da im Denkmalschutzgesetz die Welterbestätten mit den sonstigen Kulturgütern gleichgestellt werden, fehlt es somit schlicht an der Notwendigkeit der vorgeschlagenen Festschreibung. Mit ähnlicher Begründung muss auch der Vorschlag nach einer fast wortgetreuen Wiedergabe der Verpflichtung aus Art. 4 WKÜ zurückgewiesen werden.551 Die Problemanalyse hat gerade deutlich gemacht, dass die Durchführung des Vertrages defizitär ist. Die entsprechende Regelung wurde mithin von den zuständigen Behörden nicht in hinreichender Weise beachtet. Daher soll sie nun in die bestehenden Gesetze integriert werden. Eine Gleichstellung mit den nationalen Kulturgütern und dem daraus folgenden Schutz erscheint mithin ausreichend und zielführender. Die besondere Verpflichtung der Behörden „alles in ihren Kräften Stehende zu tun“, soll ja gerade im Wege der Umsetzung konkretisiert werden und dieses kann in Denkmalschutzgesetzen konkret insbesondere durch erhöhte Genehmigungserfordernisse und Konsultationspflichten mit der UNESCO sowie einem besonderen Gewicht in der Einzelfallabwägung aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes erreicht werden. Zudem wurde der Vorschlag unterbreitet, eine Kategorie „Denkmal von internationaler Bedeutung“ in den Landesdenkmalschutzgesetzen zu verankern.552 Allein durch die Schaffung einer neuen eigenen Kategorie für Welterbestätten würde freilich auf materiell-rechtlicher Ebene noch kein höherer Schutz durch ein größeres Gewicht in der Abwägung mit anderen Belangen erreicht. Denn die entsprechende Regelung des Fachgesetzes, das die Berücksichtigung einzelner Belange in der Abwägung vorschreibt (z. B. § 1 Abs. 6 BauGB), würde dadurch nicht geändert. Demnach erhielte ein internationales Denkmal nur den Rang eines gewöhnlichen denkmalrechtlichen Belanges (z. B. § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB) und genösse aufgrund am Beispiel des Kölner Doms, CDI 11 (2006), 11 (125), nach einer besseren Verzahnung der Ebenen entgegen. 549 Siehe dazu schon oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, C., VI. 550 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60 f.). 551 Siehe zu diesem Vorschlag Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (706); v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention, GYIL 51 (2008), 321 (389). 552 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 182.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

dessen allein noch keinen höheren Rang als die anderen gemäß der Norm zu berücksichtigenden Belange. Die erhöhte Schutzintensität ist vielmehr im Wege der völkerrechtsfreundlichen Auslegung herzustellen. Dazu bedarf es der vorgeschlagenen Regelung nicht. Etwas anderes gilt selbstverständlich, wenn man – anders als in dieser Arbeit – die Schutzvorschriften des Übereinkommens so interpretiert, dass im nationalen Recht generell ein anderer Schutzstandard zwischen Welterbestätten und einfachen Kulturgütern herzustellen ist.553 Dann wäre die Schaffung einer derartigen Kategorie durchaus sinnvoll. Das materiell-rechtlich höhere Schutzniveau ließe sich dann über die Verschärfung der Anforderungen an Genehmigungen für Vorhaben in den betroffenen (und dadurch eben besonderes geschützten) Gebieten erreichen.554 Man könnte sich als Modell beispielsweise das Denkmalschutzgesetz des Landes BadenWürttemberg vorstellen. Dort bedarf die besonders prägende Veränderung eines gewöhnlichen Kulturdenkmals einer Genehmigung durch die zuständige Behörde.555 Besonders geschützte und dementsprechend eingetragene Kulturdenkmale, so genannte „Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung“556 genießen darüber hinaus einen Schutz vor weiteren Veränderungen, die einer Genehmigung bedürfen.557 Teilweise ist darüber hinaus in letzteren Fällen eine Genehmigung durch die höhere Behörde notwendig.558 Auch wenn wie bereits gesagt nach hier vertretener Auffassung von Seiten des Übereinkommens nicht die Notwendigkeit zu einer derart abgestuften Regelung besteht, ist diese ein praktikabler Weg, dem Welterbeschutz eine höhere Bedeutung zukommen zu lassen. Der Vorschlag, ein Optimierungsgebot in das Fachplanungsrecht einzuführen, ist ein sehr weitgehender Vorschlag. Wie im ersten Teil dieser Arbeit beschrieben,559 wird Art. 4 WKÜ teilweise auch durchaus dahin gehend verstanden,560 dass er ein entsprechendes Optimierungsgebot durch das nationale Recht der Vertragsparteien sogar fordert. Allerdings hat die Analyse gezeigt, dass in Abwägungsentscheidungen sowohl in der Verwaltungspraxis als auch von der Rechtsprechung (mit Ausnahme des Dresdner Falles) eine Abwägung stets zugunsten des Welterbes ausgefallen ist. Es gibt mithin nicht die unbedingte praktische Notwendigkeit einer derartigen Regelung, wenn diese sicherlich aus Gründen der Klarstellung, insbesondere bei dem 553 Odendahl, Der Schutz der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit: aktuelle völkerrechtliche Entwicklungen, in: Weller/Kemle/Lynen (Hrsg.), Kulturgüterschutz – Künstlerschutz, S. 35. Trotz der grundsätzlichen Befürwortung des Vorschlags unterschiedlicher Schutzgebietskategorien wohl eher im Sinne der hier vertretenen Auffassung einer fehlenden Notwendigkeit von Seiten des Übereinkommens, Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 247 f. 554 Vgl. den Ansatz von Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 247. 555 § 8 DSchGBW. 556 § 12 Abs. 1 DSchGBW. 557 § 15 DSchGBW. 558 § 15 Abs. 2 DSchGBW. 559 Siehe oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, A., I., 4. 560 Siehe nur Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 235.

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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Völkerrecht nicht so zugeneigten Behörden oder Gerichten, wünschenswert wäre. Da die rechtliche Wirkung ohnehin über den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit zu erreichen ist, dürfte dieser im Sinne eines möglichst weitreichenden Welterbeschutzes zwar zu begrüßende Vorschlag politisch wohl schwer zu realisieren sein und daher jedenfalls kaum Realität werden können. Der noch weiter reichende Vorschlag, das Welterbe sogar zum abwägungsfesten Belang zu erklären,561 ist nicht nur rechtspolitisch überaus fragwürdig, sondern vom Übereinkommen auch keinesfalls geboten562 und dementsprechend abzulehnen. Die Forderung nach der Berücksichtigung des Welterbes in Raumordnungsplänen563 verspricht hingegen nur auf den ersten Blick, die als gefahrenträchtig ausgemachte Mehrebenenproblematik zu avisieren. Zwar ist zuzugeben, dass von Raumordnungsplänen gleich mehrere staatliche Ebenen betroffen und gebunden sind. Die Berücksichtigung des Welterbes in den Plänen böte allerdings gar nicht die notwendige Effektivität für einen zu erzielenden Schutz. Die Gefahren für das Welterbe gehen wie die obigen Analysen gezeigt haben, von den konkreten (Fach-) Planungen aus, die sich in der Regel – insbesondere bei großen Welterbestätten wie Kulturlandschaften – gar nicht im Wege von Raumordnungsplänen verhindern ließen.564 Die gesetzliche Festschreibung einer Konsultationspflicht565 mit der UNESCO würde zwar grundsätzlich dem in der Analyse aufgedeckten Kommunikationsdefizit begegnen. Der von Wolf unterbreitete Vorschlag ist allerdings zu unkonkret. Es bleibt offen, wie gesetzestechnisch erreicht werden soll, dass den „zuständigen“ Behörden eine entsprechende Verpflichtung vermittelt werden soll. Belange des Welterbeschutzes sind schließlich in den unterschiedlichsten Bereichen und daher auch von den unterschiedlichsten Behörden zu berücksichtigen. Darüber hinaus erscheint eine so weit gehende Verpflichtung auch ineffizient. Eine Konsultationspflicht „vor“ einer Eintragung festzuschreiben, erscheint erlässlich, da sie die Praxis eines derartigen Bewerbungsverfahrens verkennt, in dem stets mehrere Beteiligten der unterschiedlichen Ebenen in einem permanenten Austausch zueinander stehen. Letztlich muss eine Konsultationspflicht auch anlassbezogen sein und könnte auch nicht sinnvollerweise pauschal oder in bestimmten Rhythmen angeordnet werden. Letzteres konkretisiert der Vorschlag Fastenraths auf Planungen, „die erhebliche

561

Wolf, Weltkulturvölkerrecht und nationalstaatliche Umsetzung, NuR 2008, 311 (319). Vgl. die Bemühensverpflichtung in Art. 4 WKÜ. Siehe auch oben unter 1. Teil, 3. Kapitel, A., I., 4. 563 Hönes, Zur Transformation des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, DÖV 2008, 54 (60). 564 Vgl. Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 218. 565 Wolf, Weltkulturvölkerrecht und nationalstaatliche Umsetzung, NuR 2008, 311 (319); Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (706). 562

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Auswirkungen auf Bestand und Erscheinungsbild eines Welterbes haben können“.566 Diese Formulierung setzt zwar relativ wortgetreu die entsprechende Verpflichtung im Rahmen des reactive monitoring um, das die operational guidelines anordnen.567 Bei dem vorgeschlagenen Wortlaut allerdings wäre eine Konsultationspflicht überflüssig, da jeder Behörde selbst klar wäre, dass entsprechende (weitreichende) Planungen mit erheblichen Auswirkungen auf das Welterbe nicht mit dem Welterbeschutz vereinbar wären. Und wenn Welterbebelange generell übersehen werden, dann nützt wiederum auch eine Konsultationspflicht nichts. Für das festgestellte Problem der verspäteten Konsultation ergäben sich mithin keine Verbesserungen. Die Konsultationspflicht muss daher zum einen zwar anlassbezogen sein, zum anderen aber schon bei vermeintlich geringen Eingriffen einsetzen. Um das Welterbezentrum nicht mit Bagatellanfragen zu überhäufen, sollte eine zentrale Stelle eingerichtet werden, die die an das Welterbezentrum weiterzuleitenden Fragen filtern könnte.568 Die Hilfsorgane als „Träger öffentlicher Belange“ zu begreifen und bei Planungen entsprechend zu beteiligen,569 dürfte zwar den festgestellten Missständen, einer mangelnden Einbindung der UNESCO und ihrer Hilfsorgane bei öffentlichen oder privaten Planungen sowie der Mehrebenenproblematik begegnen, da über die einzelnen Ebenen hinweg die internationalen Gremien direkt an der Entscheidungsfindung beteiligt würden. Diese Forderung begegnet allerdings zwei entscheidenden Gegenargumenten aus praktischer Sicht. Zum einen werden als Träger öffentlicher Belange regelmäßig nur die nationalen Verbände Internationaler Organisationen beteiligt.570 Eine Beteiligung des Nationalkomitees von ICOMOS würde hingegen eine Abstimmung mit dem Dachverband notwendig machen, wofür sowohl Personal als auch Gelder fehlen dürften. Es würde mithin die Verpflichtung der Bundesrepublik, die sich mit der Ratifikation des UNESCO-Übereinkommens eingegangen ist, auf einen privaten Verein abwälzen. Es ist vielmehr der Staat, der sicher zu stellen hat, dass eine hinreichende Berücksichtigung des Welterbes bei entsprechenden Planungen erfolgt. Die Hilfsorgane mögen den notwendigen Fachverstand haben, um bestimmte Pläne beurteilen zu können. Eine Einbringung der Belange des Welterbeschutzes in den Planungsprozessen muss allerdings zwingenderweise von deutschen Behörden erfolgen. Ein Verbandsklagerecht ist ebenfalls vorgeschlagen worden.571 Allerdings greift das Verbandsklagerecht erst, wenn eine behördliche Entscheidung die Belange des 566 Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (706). 567 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 172. 568 Siehe dazu noch unter 3. Teil, 4. Kapitel, III., 1., b) und 2., a). 569 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 226 f. 570 Vgl. zur generellen Frage der Beteiligung Privater als Träger öffentlicher Belange BVerwGE 104, 367 (370 ff.). 571 Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 258 f.

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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Welterbes aus Sicht des entsprechend mit einem Klagerecht ausgestatteten Verbandes missachtet hat. Es würde mithin im Nachhinein eine zusätzliche gerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidung bieten. Allerdings würde dieses ebenfalls die Kontrolle der Einhaltung der Konvention auf Private übertragen. Dieses wird von der Konvention nicht verlangt, bietet aber dennoch selbstverständlich eine zusätzliche Möglichkeit, die Einhaltung der Schutzstandards zu gewährleisten. Es ist daher ein durchaus denkbarer Weg, der allerdings nur subsidiär zu berücksichtigen ist, da das Ziel nach der Problemanalyse sein muss, der Verwaltung eine bessere Handhabung des Übereinkommens zu ermöglichen bzw. aufzuerlegen, was hierdurch nicht erreicht würde. Die angeregten kommunalen Gestaltungssatzungen572 vermögen es lediglich, den Gesamteindruck einer Welterbestätte geringen Ausmaßes zu verbessern. Derartige Satzungen können das in der Problemanalyse aufgezeigte besonders konfliktträchte Problem der Umgebungsbebauung, aber auch der Planungsvorhaben in großen Kulturlandschaften nicht lösen. Sie können nur helfen, einzelne Gebäude in einem eng umgrenzten Gebiet in ihrer äußeren Erscheinung zu erhalten. Dazu jedoch wird man die Gemeinden im Regelfall nicht per Gesetz anweisen müssen.573 Denn häufig dürften die einzelnen Kommunen bereits aus touristischen Motiven ein vitales Interesse daran haben, ein harmonisches Gesamtbild ihrer entsprechend geschützten Altstädte präsentieren zu können, und daher entsprechende Satzungen aus eigenem Bestreben erlassen.574 Von den beiden ohne gesetzliche Regelungen zu realisierenden Neuerungen erscheint die Schaffung interdisziplinärer Gremien575 in den Kommunen Erfolg versprechend. Sie leidet allerdings wie auch die Forderung nach dezentralen Koordinierungsstellen576 außerhalb der Verwaltung an dem Manko, dass an den vielen einzelnen Welterbestätten in Deutschland nicht jeweils so hoher Sachverstand vorhanden sein dürfte, um den Forderungen der Konvention sowie von ICOMOS in jedem Einzelfall nachzukommen. Es bedürfte zwar durchaus interdisziplinärer Gremien vor Ort an den einzelnen Welterbestätten, um die Grundgedanken des Welterbeschutzes mit in diejenigen Bereiche zu tragen, die ansonsten keinerlei Kontakt zu den Vorstellungen des Denkmalschutzes haben. Man müsste ihnen allerdings eine zentrale Stelle zur Einholung fachkundiger Beratung im Umgang mit 572 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 181 f.; Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 239 f. 573 Zu rechtlichen Problemen in diesem Zusammenhang sowie der Frage der Regelung der Belange über den städtebaulichen Denkmalschutz Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 223 f. und 240. 574 Vgl. dazu die entsprechenden Satzungen in Quedlinburg, Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 181, sowie in Regensburg die Regensburger Altstadtschutzsatzung, Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 239 f. 575 Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 187. 576 Schweitzer, UNESCO-Weltkulturerbe. Motor oder Bremse der Stadtentwicklung in Köln?, S. 127.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

einzelnen Projekten und Begehren zur Verfügung stellen, wozu sogleich noch ein konkreter Vorschlag gemacht werden wird. Der Vorschlag der deutschen UNESCO-Kommission, die Aufstellung einer zusätzlichen Schutzkategorie577 sowie eine Berücksichtigung in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen über den Umgebungsschutz von Welterbestätten hinaus,578 übersteigt jedoch selbst diejenigen Schutzverpflichtungen, die die operational guidelines des Welterbekomitees vorsehen. Diese beziehen den Schutz von Sichtachsen lediglich im Rahmen der Pufferzonen in ihre Verpflichtungen ein.579 Darüber hinausgehende Verpflichtungen sind mithin weder von der Konvention noch von den guidelines gedeckt und müssen daher nicht vom nationalen Recht erfüllt werden. Es muss daher die Aufgabe sein, den durch die jeweilige Ausgestaltung der Pufferzone gegebenen Schutz möglichst effektiv zu gestalten, wobei die im Falle des Kölner Domes geforderte Ausgestaltung des Schutzmechanismus sicherlich an die Grenze dessen ging, was von den Vertragsstaaten und dem durch sie gesetzten Recht verlangt werden kann.580 III. Schlussfolgerungen Wie bereits erläutert, sollen im Folgenden die zuvor als sinnvoll erachteten Verbesserungsvorschläge aus der Literatur auf ihre Effizienz hin überprüft und daraus entsprechende Schlussfolgerungen für zu beschließende Umsetzungsgesetze entwickelt werden (1.). Sodann soll abschließend ein eigener Vorschlag zur Bekämpfung des Vollzugsdefizites außerhalb der gesetzlichen Regelungen unterbreitet werden (2.). 1. Umsetzungsgesetz Wenn auch soeben festgestellt wurde, dass zu einer besseren Berücksichtigung des Übereinkommens durch die Verwaltung im Interesse der Vermeidung zukünftiger Konflikte mit der Welterbekonvention ein Umsetzungsgesetz angezeigt sein könnte, so ist hiermit noch nicht gesagt, auf welcher Ebene und mit welchem Inhalt dieses ergehen sollte.

577

Ringbeck, in: Deutsche UNESCO-Kommission (Hrsg.), Managementpläne für Welterbestätten, S. 31. 578 Ringbeck, in: Deutsche UNESCO-Kommission (Hrsg.), Managementpläne für Welterbestätten, S. 32. 579 UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. 580 Vgl. dazu oben unter 3. Teil, 2. Kapitel, C., I.

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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a) Auf Bundesebene Von den diversen Bereichen der Bundesgesetzgebung, die das Übereinkommen berührt,581 hat die Problemanalyse den Naturschutz als bislang nicht konfliktträchtigen Gesetzgebungsgegenstand hervorgebracht. Begünstigt wird diese positive Bilanz allerdings durch die Tatsache, dass mit dem „Wattenmeer“582 sowie den „Alten Buchenwäldern Deutschlands“583 erst kürzlich – in den Jahren 2009 und 2011 – die zweite und dritte Naturerbestätte der Bundesrepublik in der Welterbeliste eingetragen wurde. Die über viele Jahre hinweg einzige Naturerbestätte, die Grube Messel in Hessen,584 ist insbesondere aufgrund der geringen Größe mit anderen Naturerbestätten überhaupt nicht vergleichbar, birgt daher wesentlich weniger Konfliktpotential und ist als archäologische Stätte zudem über das Landesdenkmalrecht geschützt. Ungeachtet des Umstandes, dass bislang keine Konflikte zu verzeichnen sind,585 hat der Bund im Jahre 2009 das Bundesnaturschutzgesetz um eine Formulierung zum Schutz des Welterbes ergänzt.586 Es lässt sich jedoch schwer abschätzen, ob diese Formulierung ausreichen wird, im Falle zukünftiger Konflikte eine adäquate Berücksichtigung zu gewährleisten. Dagegen spricht zwar auf den ersten Blick, dass es sich bei der Vorschrift um einen bloßen Verweis auf die UNESCO-Konvention handelt, mit dem keine detaillierten Rechtspflichten ins Gesetz umgesetzt werden. Andererseits ist der Naturschutz – anders als der Denkmalschutz – Einflüsse internationalen, vornehmlich – aber nicht ausschließlich – europäischen Rechts gewöhnt. Zum Schutz der UNESCO-Biosphärenreservate in Deutschland existieren sogar schon gefestigte Strukturen,587 die eine bessere Berücksichtigung des Übereinkommens sowie eine frühzeitigere Einbindung der UNESCO anders als bei den Denkmalschutzbelangen erwarten lassen und daher auch aus praktischer Sicht keine Notwendigkeit für weitere gesetzlich Umsetzungen erkennen lassen. Regelmäßig gegenläufig ist die Bilanz im Bereich des Planungsrechts, für das der Bund jeweils zuständig ist. Insbesondere die Bauleitplanung und – mit deutlichen Abstrichen – die Raumordnung haben sich als Materien erwiesen, die mit den Denkmalschutzbelangen des Übereinkommens in Konflikt geraten sind. Hier könnten Optimierungsgebote integriert werden, die jedoch aus oben genannten Gründen nicht zwingend geboten sind.588 Pragmatischer erscheint es, die entspre581

Siehe oben 2. Teil, 1. Kapitel, B., I., 1. UNESCO WHC-09/33.COM/20, Decision 33COM 8B.4. 583 UNESCO WHC-11/35.COM/20, Decision 35COM 8B.13. 584 UNESCO WHC-95/CONF.203/16, Decision 19COM VIII.A.1. 585 Ein Rechtsstreit um die Grube Messel wurde schon deutlich vor deren Eintragung auf der Welterbeliste im Jahre 1995 abgeschlossen. Siehe dazu Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 78 ff. 586 § 2 Abs. 5 S. 2 BNatSchG. 587 Vgl. die Nachweise oben unter 1. Teil, 1. Kapitel, B., II. 588 Vgl. oben unter 3. Teil, 4. Kapitel, B., II. und 1. Teil, 3. Kapitel, A., I., 4. 582

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

chenden Gesetze um eine Formel hinsichtlich der Beachtung der Verpflichtungen aus dem Welterbeübereinkommen zu ergänzen. Diese hätte ebenso eine klarstellende Funktion. Sie böte allerdings den entscheidenden Vorteil, die Behörden nicht zu der vom Übereinkommen nicht geforderten Form des uneingeschränkten Schutzes zu verpflichten, sondern erhielte den heute schon in der Praxis genutzten Spielraum zu Verhandlungen mit dem Welterbekomitee bzw. seinen advisory bodies. Durch die Schaffung einer am Ende dieser Arbeit vorgeschlagenen nationalen Koordinierungsstelle könnten die Kommunen in die Lage versetzt werden, entsprechende Kompromisse mit den Vertragsgremien zu finden, ohne in jedem Planungsfall vor das Problem des – zudem schwer definierbaren – optimalen Schutzes des Welterbes gestellt zu werden. Auch hinsichtlich Planungen des Bundes nach Bundesrecht, hinter denen entgegenstehendes Landesrecht im Konfliktfall zurücktreten muss,589 wäre zur Vermeidung potentieller Konfliktfälle eine klarstellende gesetzliche Festschreibung der Beachtung der Belange des Welterbes bzw. der Einhaltung der Verpflichtungen des Welterbeübereinkommens vorstellbar.590 Das analysierte Mehrebenenproblem stellt sich zumindest an dieser Stelle nicht, da der Bund sowohl planender als auch unmittelbar Verpflichteter des Übereinkommens ist. b) Auf Länderebene Die entscheidenden Fortschritte auf dem Wege zu einer besseren Berücksichtigung des Welterbeübereinkommens und zur Lösung der aufgedeckten Probleme lassen sich neben der Klarstellung im Planungsrecht des Bundes über Ergänzungen der Landesdenkmalschutzgesetze der Länder erreichen. Dabei dürfte sich die bloße Aufnahme einer Vorschrift, die auf die Verpflichtungen des Übereinkommens verweist, wie es die Gesetzesänderung in RheinlandPfalz sowie die Regelung im Arbeitsentwurf für ein neues Denkmalschutzgesetz in Sachsen vorsehen, allerdings nicht eignen, die aufgezeigten Probleme effektiv zu bekämpfen. Im Denkmalschutzrecht wird man vielmehr über eine bloße Klarstellung der Schutzverpflichtung für das Welterbe hinausgehen müssen und den Behörden die tatsächliche Anwendung des Übereinkommens erleichtern. Denn die in der Problemanalyse festgestellten Schwierigkeiten der Mehrebenenbeteiligung und der fehlenden rechtzeitigen Einbeziehung der Gremien des Übereinkommens vermögen genannten beiden Regelungen nicht zu lösen. Ebenso wenig führen sie die Schutzinstrumente der Konvention ins nationale Recht ein. Es bedarf daher vielmehr einer echten Umsetzung, wie sie im Denkmalschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein als erstem Landesgesetz nunmehr vorge589

Art. 31 GG. Vgl. die Forderung von Hönes, Zum Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene, NuR 2008, 319 (320) m.w.N., unter Verweis auf einen Vorschlag des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz. 590

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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nommen wurde. Diesem Gesetz dürfte mithin eine Art Pilotfunktion für zukünftige Gesetze zukommen. In Anbetracht der soeben benannten besonderen Schwierigkeiten bei der bisherigen Berücksichtigung der Konvention bedarf es allerdings einiger Ergänzungen, auf die bereits bei der Analyse des Gesetzes hingewiesen wurde.591 An dieser Stelle sollen daher nur die beiden entscheidenden Schwachstellen des Gesetzes, die einer Verbesserung bedürfen, hervorgehoben werden. Hierzu sind zunächst die Pufferzonen zu zählen. Da sie dem System des deutschen Denkmalrechts fremd sind, muss in zukünftige Landesdenkmalschutzgesetze dringend eine Klarstellung aufgenommen werden, dass eine Genehmigungspflicht auch für jedwede geplante Maßnahme im Bereich der Pufferzonen besteht. Nach einer derartigen gesetzlichen Festschreibung in den Landesdenkmalschutzgesetzen nehmen sie eine Sonderstellung ein. Obwohl sie nicht Teil des Denkmals selbst sind, sollen sie zukünftig nicht mehr nur als „Umgebung“ des Denkmals betrachtet werden.592 Damit soll die Notwendigkeit der Genehmigungsbedürftigkeit von Vorhaben in der Pufferzone, also außerhalb der eigentlichen Kernzone einer Welterbestätte, in besonderer Weise betont und für die Zukunft klargestellt werden. Denn bislang stellte sich die Trennung von genehmigungsfreien und -pflichtigen Eingriffen in der Umgebung eines Denkmals als schwierig zu beurteilen dar. In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass das novellierte schleswigholsteinische Denkmalschutzgesetz trotz seiner generellen Vorbildfunktion hinsichtlich der Festschreibung dieser Genehmigungspflicht zu unscharf ist, da diese nur durch Auslegung zu ermitteln ist. Bei der Definition und Ausweisung von Pufferzonen muss allerdings beachtet werden, dass der Landesgesetzgeber über das Denkmalschutzrecht nur in begrenztem Maße selbst Regelungen treffen kann, die Kommunen allerdings die verfassungsrechtliche Aufgabe behalten, ihre örtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln,593 worunter mit dem Städtebaurecht auch die Kompetenz zur Regelung diverser Aspekte der Bautätigkeit fällt,594 was bei einer zu weitreichenden Landesdenkmalschutzregelung zu Zuständigkeitskonflikten zwischen Ländern und Kommunen führen kann595 und auf der anderen Seite der Bund die Gesetzgebungszuständigkeit für das flächenbezogene Baurecht besitzt. Die fehlende rechtzeitige Einbindung der UNESCO und weitere typische Mehrebenenprobleme bilden den zweiten großen Problembereich. Dieser Bereich ist 591

Siehe oben unter 3. Teil, 3. Kapitel, B., II., 4., c). Dieses ist jedoch nach hier vertretener Ansicht bislang möglich, da der Begriff der Umgebung (ohne die gesetzliche Existenz von Pufferzonen) entsprechend weit ausgelegt werden kann. Vgl. dazu oben unter 2. Teil, 4. Kapitel, C. 593 Siehe dazu sogleich unter 3. Teil, 4. Kapitel, B., III., 2. 594 Krebs, Baurecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 415 f. und 420 ff. und 424. 595 Krebs, Baurecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 415 f. und 420 ff. und 424; siehe auch sogleich unten unter 3. Teil, 4. Kapitel, B., III., 2. 592

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

nicht durch die vergleichsweise einfache Einfügung in ein Gesetz in den Griff zu bekommen. Eine gesetzliche Maßnahme kann nur die Grundlage zu einer Entschärfung eines derartigen Konflikts bilden. Dies ließe sich dadurch verwirklichen, dass die unteren Denkmalschutzbehörden, die regelmäßig die beantragten Genehmigungen erteilen müssen, die Zustimmung einer zentralen Landesbehörde (in der Regel wohl der Landesdenkmalämter) einholen müssen. In diesem Zusammenhang ist auch die vorgeschlagene Konsultationspflicht anzuordnen.596 Wie bereits angedeutet, müssen Behörden anlassbezogen verpflichtet sein, bereits bei Maßnahmen mit vermeintlich geringer Intensität sicherzustellen, dass Belange des Welterbeschutzes nicht verletzt werden. Um das Welterbezentrum nicht mit Bagatellanfragen zu überhäufen, muss diese Prüfinstanz von den Landesdenkmalämtern oder einer zentralen Stelle597 in der Bundesrepublik übernommen werden. Nur in entsprechenden Zweifelsfällen muss dann tatsächlich die UNESCO kontaktiert werden. Dieses Vorgehen verstärkt zum einen die Vernetzung der Ebenen, zum anderen den Schutzstandard der konkreten Welterbestätte und dient letztendlich auch der Vereinheitlichung des Schutzstandards in Deutschland. 2. Weitere Verbesserung des Vollzugs des Übereinkommens Um eine wirklich konsistente Welterbepolitik in der Bundesrepublik durchführen zu können, erscheinen allerdings weniger umfangreiche gesetzliche Maßnahmen als zielführend. a) Präferenz für eine Verbesserung des Vollzugs Dies gilt umso mehr, da weitere gesetzliche Maßnahmen, die in Bezug auf die bereits erwähnte Mehrebenenproblematik Erfolg versprechend wären, verfassungsrechtlich nicht unproblematisch sind. So wäre eine unmittelbare Verknüpfung des Bundes, als nach außen Verpflichtetem, und der Kommunen, die einen Großteil der welterbegefährdenden Planungen durchführen,598 als unterster Ebene wünschenswert.599 Ein unmittelbarer Durchgriff des Bundes auf die Kommunen ist allerdings nicht möglich.600 Ferner besteht die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie, worunter auch die Durchführung der 596

Vgl. im Ansatz Wolf, Weltkulturvölkerrecht und nationalstaatliche Umsetzung, NuR 2008, 311 (319) und Fastenrath, Zur Abgrenzung des Gesetzgebungsvertrages vom Verwaltungsabkommen, DÖV 2008, 697 (706). 597 Siehe dazu den Vorschlag unter 3. Teil, 4. Kapitel, B., III., 2., a). 598 Zur Planungspflicht der Kommunen Krebs, Baurecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 421. 599 Man denke z. B. an eine Anweisung zur Ausweisung von Pufferzonen im Wege der Bauleitplanung oder gemeindlichen Satzungen. Vgl. zu diesem Vorschlag Ringbeck, in: Deutsche UNESCO-Kommission (Hrsg.), Managementpläne für Welterbestätten, S. 30. 600 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 94 Rn. 46.

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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Bauleitplanung zu fassen ist,601 die eine Einflussnahme nur in begrenztem Umfang zulässt,602 so dass den Kommunen zumindest noch im Kern das Recht ihrer örtlichen Planung bleibt, was dann problematisch werden kann, wenn ganze Altstadtgebiete unter Schutz gestellt werden. Dieses Problem droht auch durch eine extensive Ausweisung von Pufferzonen um die eigentliche Welterbestätte. Eine Ausweisung von Denkmalzonen (bzw. -bereichen) durch die mittlere Ebene – also die zur Durchführung der denkmalschutzrechtlichen Regelungen verpflichteten Länder – kann zudem nur partiell die Funktion von Pufferzonen übernehmen (etwa im Bereich wesentlicher Sichtachsen, auf die sich der Umgebungsschutz der Landesdenkmalschutzgesetze bereits bislang erstreckt). Diese Ausdehnung der grundsätzlich nur das Kulturdenkmal schützenden Denkmalzonen (bzw. -bereiche) findet jedoch trotz der gebotenen völkerrechtsfreundlichen Auslegung seine Grenze, wenn durch zu weitreichende Festsetzungen in denkmalschützenden Rechtsverordnungen die kommunale Planungshoheit gänzlich zurückgedrängt wird. Insofern sollte man auf der Ebene der Durchführungsverpflichtungen Vorsicht walten lassen. Statt den Kommunen über die Einholung des Einverständnisses der Landesdenkmalämter hinaus Pflichten aufzuerlegen, sollte man sie eher in die Lage versetzen, eine Berücksichtigung des Übereinkommens in der Praxis auch tatsächlich durchführen zu können. Im Regelfall dürften sie nämlich aufgrund des Prestiges für die touristische Vermarktung und der finanziellen Förderung, die mit dem Titel verbunden sind, ein intensives Eigeninteresse besitzen, den Anforderungen der UNESCO an die Welterbestätten zu genügen. Ausnahmefälle, wie 2006 der Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden, bei denen das Prestige kein hinreichend starkes Argument für die Berücksichtigung des Übereinkommens lieferte, können sich dergestalt nicht wiederholen, da anders als damals – aufgrund der bereits bestehenden vielen gesetzlichen Festschreibungen – nunmehr keine generelle Unsicherheit oder gar Unwissen hinsichtlich der Bindungswirkung des Übereinkommens besteht. Allerdings wird der Bund wegen des genannten Eigeninteresses der Kommunen bei der zukünftigen Nominierung von Welterbestätten verstärkt darauf achten müssen, dass eine hinreichende Ausweisung von Pufferzonen in Gestalt eines effektiven rechtlichen Schutzes bereits zum Zeitpunkt der Nominierung vorliegt. Sowohl der Kölner Hochhausfall603 als auch die Problematik um die geplanten Windkraftanlagen an der Wartburg604 haben deutlich gemacht, dass die Verpflichtung der operational guidelines, entsprechende Pufferzonen zum Zeitpunkt der Meldung

601

Krebs, Baurecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 420 ff.; Pfeifle, UNESCO-Weltkulturerbe, S. 240. 602 Dazu Krebs, Baurecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 417 ff. 603 Siehe oben unter 3. Teil, 2. Kapitel, C., I. 604 Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, I.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

bereits ausgewiesen zu haben,605 missachtet wurde606 und in jener Situation aufgrund der soeben geschilderten verfassungsrechtlichen Situation die völkerrechtlich verpflichtete Bundesrepublik keine unmittelbare rechtliche Handhabe zum Schutz der entsprechenden Stätten mehr hat. Man mag argumentieren, dass bei der von der UNESCO geforderten erheblichen Ausdehnung der Pufferzonen insbesondere im Kölner Fall eine entsprechende Ausweisung von Pufferzonen durch die Kommunen dort politisch nicht mehr durchsetzbar wäre und dementsprechend viele Stätten nicht mehr gemeldet werden würden. Doch gibt es für die Ausweisung von Pufferzonen seitens des Welterberegimes keine festen Regeln. Und so ließe sich mit Sicherheit vor einer beabsichtigten Meldung mit dem Komitee bzw. ICOMOS eine Einigung hinsichtlich der zu erzielenden Reichweite des Schutzes erlangen. Jedenfalls muss zukünftig die Situation verhindert werden, mangels bestehender Pufferzonen Projekte national-rechtlich genehmigen und sich nach Einschaltung der UNESCO völkerrechtlich einem Konflikt aussetzen zu müssen. Wenn man die Problemanalyse betrachtet, so sind neben der schlichten Nichtanwendung der Konvention und der Behauptung, eine innerstaatliche Wirkung der Konvention sei zweifelhaft, vor allem die höhere Gewichtung anderer Belange in einer Güterabwägung und die fehlende rechtzeitige Einbringung der Welterbebelange in entsprechende Planungsvorhaben diejenigen Fehler, die zu deren inadäquater Berücksichtigung geführt haben. Was die Güterabwägung und damit eine Abwägungsfestigkeit des Welterbeschutzes betrifft, so wäre die Durchsetzbarkeit deren gesetzlicher Verankerung zweifelhaft,607 vor allem aber vom Übereinkommen her nicht erforderlich und daher eine entsprechende Forderung abzulehnen. Er bedürfte viel mehr einer möglicherweise zentralen Stelle, die die Auswirkungen auf eine Welterbestätte in den laufenden Planungsprozessen kompetent beurteilt und kraft ihrer Kompetenz auf diesem Gebiet bereits ein entsprechendes Gewicht und damit möglicherweise ein Präjudiz zumindest aber eine Aufwertung der Welterbebelange mit in die Abwägungsentscheidung der lokalen Behörde einbringt. b) Gründung eines Ständigen Büros für das UNESCO-Welterbe in Deutschland In Bezug auf die rechtzeitige Einbringung der Welterbebelange in öffentliche oder private Planungen muss insbesondere den Kommunen entsprechende Hilfe zur Seite gestellt werden, damit welterbeunverträgliche Planungen und damit verbundene 605

UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 104. Diese Feststellung gilt im Übrigen für viele Welterbestätten. Vgl. statt vieler nur die Zusammenfassung zum periodic report hinsichtlich der Welterbestätte Völklinger Hütte aus dem Jahre 2006, abrufbar unter: http://whc.unesco.org/archive/periodicreporting/EUR/cycle01/ section2/687-summary.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 607 Siehe dazu bereits oben unter 3. Teil, 4. Kapitel, B., II. Vgl. aber die entsprechende Forderung von Wolf, Weltkulturvölkerrecht und nationalstaatliche Umsetzung, NuR 2008, 311 (319). 606

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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lokale Kontroversen gar nicht erst entstehen.608 Dies entspricht dem, was auch in anderen Bereichen, vor allem bei der Planung von Großprojekten, wie z. B. dem Bau des umstrittenen Hauptbahnhofs in Stuttgart (Stuttgart 21), gefordert wurde. Dazu ist eine „Sensibilisierung der Öffentlichkeit“ für die Belange des Welterbes dringend notwendig.609 Dieses betrifft selbstverständlich in erster Linie die Verwaltung, aber auch die Rechtsprechung sowie im Übrigen auch private Vorhabensträger, was von besonderer Bedeutung ist. Eine entsprechende Stelle, die diese Aufgaben übernehmen würde, müsste zudem auch ein hohes Maß an Fachkompetenz in der Einschätzung der Welterbebelange aus Sicht der UNESCO und des Welterbekomitees besitzen und mit der Abgabe entsprechender Einschätzungen eine einheitliche Anwendung der Konvention im Sinne des Komitees sicherstellen. Die Untersuchung hat nämlich gezeigt, dass die einzelnen jeweils zuständigen Denkmalfachbehörden die Belange des Welterbeschutzes vor Ort unterschiedlich stark einschätzen. Im Fall der Brückenplanung in Dresden haben die beiden beteiligten Denkmalbehörden die mit dem Welterbestatus verbundenen Schutzinteressen entweder gar nicht geltend gemacht oder deren Nichtbeachtung im Planfeststellungsbeschluss nicht gerichtlich angegriffen, was jedes für sich letztendlich zur späteren Aberkennung des Titels entscheidend beigetragen haben dürfte.610 Beim Antrag auf Genehmigung eines Anbaus an ein Einfamilienhaus an unprominenter Stelle im über 140 Quadratkilometer großen Welterbegebiet „Dessau-Wörlitzer Gartenreich“ hingegen hat die zuständige Denkmalbehörde die Genehmigung verweigert.611 Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass im Anschluss an die negative Entwicklung im Fall des Dresdner Elbtals mit den Denkmalbelangen betraute Behörden wesentlich restriktiver entscheiden bzw. bei Anhörungen in Planungsverfahren negativere Voten abgeben werden, was deren Gewichtung in einer Abwägungsentscheidung für eine Behörde nicht einfach macht, die mit den übergeordneten Zielen des Welterbeschutzes der UNESCO keine Erfahrung hat.612

608

Vgl. die entsprechende Verpflichtung aus UNESCO operational guidelines (2012), Nr. 172. 609 Vgl. die entsprechende Forderung der Konvention in Art. 27 WKÜ, die Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 192 ff., aufnimmt. 610 Siehe oben unter 1. Teil, 1. Kapitel, D., I. und II., 3. 611 Siehe oben unter 1. Teil, 1. Kapitel, A., I. 612 Dass dabei unter Umständen allerdings auch die nationalen Denkmalschutzbehörden striktere Vorstellungen zu den im Regelfall ja gleichzeitig durch die Landesdenkmalschutzgesetze geschützten Stätten haben, soll allerdings in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Zum Beispiel der divergierenden Auffassungen zum geplanten Brückenbau im Oberen Mittelrheintal Holl, Endlich visuell akzeptabel. Die UNESCO erlöst Rheinland-Pfalz, FAZ vom 31. 07. 2010, S. 4.

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Dezentrale Stellen an den jeweiligen Welterbestätten, wie sie beispielsweise die Deutsche UNESCO-Kommission gefordert hat,613 könnten diese Aufgabe mangels eines entsprechenden Überblicks zumindest allein nicht erfüllen. Zudem dürfte als rein praktische Erwägung die Vermutung erlaubt sein, dass bei Unsicherheiten über die Verträglichkeit von Vorhaben mit dem Welterbestatus der kurze Anruf bei einer kompetenten Behörde in Deutschland auf Seiten der kommunalen Verwaltung schneller vollzogen wird als ein Anruf beim Sekretariat des Welterbekomitees in Paris. Insofern plädiere ich für die Schaffung einer zentralen Stelle,614 die unter der Bezeichnung Ständiges Büro für das UNESCO-Welterbe in Deutschland firmieren soll und die von allen Beteiligten bei jeder Art von Planungsvorhaben in einer gewissen räumlichen Nähe zu einer Welterbestätte konsultiert können werden soll. Ihr könnte eine hinreichende fachliche Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Autorität zukommen, die Belange des von der UNESCO geforderten Schutzes in entsprechende Planungen auf kommunaler Ebene mit einzubeziehen. Hiermit wäre zudem die für ein Mehrebenensystem wie den Welterbeschutz wichtige Rückkopplung an eine obere Ebene gewährleistet, die so rechtzeitig in die Tätigkeit der untersten Ebene eingebunden wäre. Damit bliebe die Frage, wo eine derartige zentrale Stelle angesiedelt werden sollte. Zum einen könnte man sie auf Bundesebene ansiedeln, zum anderen auch auf Ebene der Länder, genauer gesagt bei der Kultusministerkonferenz.615 Für den Fall der Wahl der Bundesebene stellte sich des Weiteren die Frage, bei welcher Behörde das Büro untergebracht werden sollte. Die Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ hat in ihrem Abschlussbericht der Bundesregierung vorgeschlagen, ein bereits existierendes Referat für die UNESCO-Welterbestätten beim Bundesbeauftragten für Kultur und Medien zu erweitern und zu stärken.616 In die Zusammenarbeit mit der UNESCO ist allerdings auch das Auswärtige Amt involviert.617 Daneben ist diesem die Deutsche UNESCO-Kommission als Mittlerorganisation und damit Teil der auswärtigen Kulturpolitik zugeordnet. Diese ist zudem schon nicht nur mit der Arbeit der UNESCO im Allgemeinen, sondern der Welt613 Deutsche UNESCO-Kommission, Resolution der 66. Hauptversammlung am 28. und 29. Juni 2006 in Hildesheim, Nr. 7g, abrufbar unter: www.unesco.de/reshv66.html (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015); ebenso v. Schorlemer, Compliance with the UNESCO World Heritage Convention, GYIL 51 (2008), 321 (389). 614 A.A. Schweitzer, UNESCO-Weltkulturerbe. Motor oder Bremse der Stadtentwicklung in Köln?, S. 127, auch mit Verweis auf eine entsprechende Empfehlung der Deutschen UNESCO-Kommission e.V. 615 Letzteres verlangt Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 210 ff. 616 Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“, Schlussbericht vom 11. 12. 2007, BTDrucks. 16/7000, S. 208. 617 Vgl. „Multilaterale Kultur- und Medienpolitik“ als Teil des Referats 603, abrufbar unter: http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/373560/publicationFile/152950/organi gramm.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015).

4. Kap.: Abschließende Würdigung

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erbekonvention im Besonderen vertraut. Doch nimmt sie unter den Mittlerorganisationen des Bundes eine Sonderrolle ein, da sie insbesondere den „Zielen der UNESCO“ verpflichtet ist.618 Möglicherweise ist das der Grund, warum sie nicht als quasi neutrale Schlichterin bei auftretenden Interessenkonflikten in Betracht gezogen wurde. So wurde mit der durch das Oberverwaltungsgericht Bautzen angeregten Mediation im Streit um die Waldschlösschenbrücke in Dresden nicht eine Vertreterin der Deutschen UNESCO-Kommission, sondern die UNESCO-Beauftragte der Kultusministerkonferenz beauftragt.619 Neben Fachkompetenz und einer gewissen Unparteilichkeit erscheint es reizvoll und effektiv, die Außenwahrnehmung durch die Kommunen dahingehend positiv zu beeinflussen, dass die entsprechende Stelle zugleich diejenige Einrichtung ist, die die finanzielle Förderung der Welterbestätten gewährleistet. Eine völkerrechtsfreundliche Berücksichtigung der Konvention kann so auch durch finanzielle Zuwendungen bzw. deren Bedingtheit forciert werden.620 Das ehemalige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat ein Förderprogramm aufgelegt, welches die Welterbestätten im Zeitraum 2009 – 2014 mit ca. 220 Mio. Euro fördern sollte.621 Nach Amtsantritt der Großen Koalition 2013 ging die Zuständigkeit für den Baubereich auf das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) über. Darüber hinaus verfügt es mit dem Referat für Baukultur und Städtebaulichen Denkmalschutz über Fachkompetenz in Bereichen, die für die Durchführung des Übereinkommens von hoher Relevanz sind.622 Eine Ansiedlung der Stelle beim BMUB, wo sie alleiniger kompetenter Ansprechpartner für die Kommunen wäre, könnte sich mithin anbieten. c) Rechtlicher Rahmen für die Schaffung einer zentralen Stelle Letztendlich bleibt jedoch die Frage, ob die Schaffung einer solchen Einrichtung überhaupt mit der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes vereinbar wäre. 618

Trommer, Die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik, S. 44. Siehe oben unter 3. Teil, 1. Kapitel, D., II., 2., a), aa). 620 Ähnlich Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“, Schlussbericht vom 11. 12. 2007, BT-Drucks. 16/7000, S. 208, die die Mittelvergabe von der vorherigen Einwilligung in eine Mediation im Konfliktfall abhängig machen will. 621 Pressemitteilung des BMVBS, Nr. 116/2010 vom 22. 04. 2010; siehe zu den Details auch www.welterbeprogramm.de (zuletzt aufgerufen am: 15. 10. 2015). Siehe zu sonstigen Initiativen des Bundes im Bereich Welterbeschutzes sowie des Städtebaulichen Denkmalschutzes, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.), Städtebaulicher Denkmalschutz und Tourismusentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der UNESCO-Welterbestädte, S. 12 ff. 622 Referat SW I 6 („Baukultur, Städtebaulicher Denkmalschutz“), abrufbar unter: http:// www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Organigramme/organigramm_bmub.pdf (zuletzt aufgerufen: 15. 10. 2015). 619

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

Eine derartige Einrichtung besäße eine Mittlerstellung nach außen gegenüber der UNESCO und nach innen gegenüber Ländern und Kommunen. Die Ansiedlung einer Art Ständiges Büro für das UNESCO-Welterbe in Deutschland bei der aus sachlichen Gründen vorzugswürdigen Stelle des Bundes berührt einen traditionellen Kompetenzkonflikt.623 Es treffen die Kompetenzen des Bundes im Bereich der auswärtigen Gewalt auf diejenigen der Länder im Bereich der Kultur. Eine finanzielle Förderung der Kulturpflege sowie von Kultureinrichtungen mit bundesweiter Bedeutung, so auch den UNESCO-Welterbestätten,624 durch den Bund wird außerhalb ausdrücklich zugewiesener Kompetenzen aus nachvollziehbaren Gründen von den Ländern toleriert und lässt sich rechtsdogmatisch als eine Bundeszuständigkeit kraft Natur der Sache darstellen.625 Eine über die finanzielle Förderung hinaus gehende Förderungskompetenz wird wegen der unklaren Absicherung durch das Grundgesetz (zumindest für rein innerstaatliche Sachverhalte) bestritten.626 Dessen ungeachtet hat der Bund Einrichtungen wie die „Kulturstiftung des Bundes“627 oder das „Deutsche Historische Museum“628 gegründet. Zur Rechtfertigung dieser Gründungen ist vorgebracht worden, dass zum Zwecke der „gesamtstaatlichen Repräsentation“ eine entspre-

623 Vgl. zum Beispiel die ausschließliche Kompetenz des Bundes zum „Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland“ in Art. 73 Abs.1 Nr. 5 a) GG. Zu dieser durch die Föderalismusreform neu zugewiesenen Kompetenz sowie zu weiteren Veränderungen im Bereich der Kultur, Häberle, Altes und Neues zu „Kulturverfassungsrecht im Bundesstaat“ (1980/2008), JÖR N.F. 57 (2009), 641 (654 f.). Zur organisatorischen Notwendigkeit eines „Bundeskultusministeriums“ bereits Peters, Die Stellung des Bundes in der Kulturverwaltung nach dem Bonner Grundgesetz, in: Jahrreiß/Jellinek/Laun/Smend (Hrsg.), Um Recht und Gerechtigkeit, S. 295.Genau 50 Jahre später stellt Hense, Bundeskulturpolitik als verfassungsund verwaltungsrechtliches Problem, DVBl. 2000, 376 (384) erneut diese Forderung auf und verweist auf die verfassungsrechtlichen Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der kurz zuvor geschaffenen Behörde des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. 624 Dazu Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“, Schlussbericht vom 11. 12. 2007, BT-Drucks. 16/7000, S. 206 f. Vgl. auch die Studie der Deutschen UNESCO-Kommission (Hrsg.), Förderung und Finanzierung der Welterbestätten in Deutschland, S. 21 ff. 625 Steiner, Kultur, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band III, 3. Auflage 2006, § 86 Rn. 16; Sommermann, Kultur im Verfassungsstaat, in: VVDStRL 65 (2006), 7 (36). Die finanzielle Förderung von Kulturdenkmälern ist hingegen mangels Verwaltungskompetenz als verfassungswidrig anzusehen, so Hönes, Über die Kompetenz der Länder bei Subventionen, BayVBl. 2000, 169 (172). 626 Steiner, Kultur, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band III, 3. Auflage 2006, § 86 Rn. 19; vgl. Starck, Deutsche Nationalakademie und verfassungsrechtliche Kompetenzordnung, JZ 2008, 81 (82), zum Bereich der Förderung der Wissenschaften, die für den die Gesetzgebungskompetenz der Länder betreffenden Bereich der Hochschulen, anders als bei der Kultur, in Art. 91 b) GG ausdrücklich als Gemeinschaftsaufgabe festgeschrieben ist. 627 Dazu Mahrenholz, Die Kultur und der Bund, DVBl. 2002, 857 ff. 628 Dazu Hense, Bundeskulturpolitik als verfassungs- und verwaltungsrechtliches Problem, DVBl. 2000, 376 (379).

4. Kap.: Abschließende Würdigung

341

chende Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs bzw. Natur der Sache bestehen soll.629 Hiergegen könnte man allerdings ins Feld führen, dass es bei den von der Bundesrepublik zur Eintragung auf der Welterbeliste vorgeschlagenen Stätten nicht im eigentlichen Sinne um eine Repräsentation des Bundes geht. Vielmehr soll eine Zusammenstellung des Erbes der Menschheit erfolgen, und sowohl die Auswahl der vorzuschlagenden Stätten durch die Kultusministerkonferenz630 als auch die Annahme der Anträge durch die UNESCO folgen einem gewissen regionalen Proporz.631 „Nationalkultur“ in diesem Zusammenhang wird nicht im Sinne der den Gesamtstaat repräsentierenden Kultur („Bundeskultur“), sondern in einer seine regionale und historische Vielfalt darstellenden Kultur verstanden werden müssen.632 Und gerade diese ist Ausdruck des föderalistischen Staatswesens der Bundesrepublik Deutschland und zuvörderst Aufgabe der Länder.633 Allerdings stellt die Einrichtung einer solchen Stelle eben nicht nur einen rein innerstaatlichen Sachverhalt dar, sondern tangiert das Büro als Mittler mit der UNESCO die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik. Diese ist wiederum unter anderem in Art. 32 Abs. 1 GG geregelt. Dieser weist die „Pflege der auswärtigen Beziehungen“ ohne entsprechende Einschränkungen dem Bund zu.634 Damit lassen sich insbesondere die Gründung und Finanzierung von deutschen Auslandsschulen sowie der Goethe-Institute als Einrichtungen des Bundes im Ausland verfassungsrechtlich rechtfertigen.635 Danach könnte also auch eine Kompetenz des Bundes für die Einrichtung des vorgeschlagenen Büros gegeben sein. Diese Kompetenz des Bundes ist jedoch trotz ihrer weiten Formulierung nicht grenzenlos, da sich jeder rein innerstaatliche Sachverhalt schließlich auf die auswärtigen Beziehungen auswirken kann. Sie besteht zwar noch fort, wenn diese (Kultur-)Einrichtungen mit auswärtigem Bezug vom Inland aus geführt werden, findet jedoch aber dort ihre Grenze, wo

629 Steiner, Kultur, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band III, § 86 Rn. 19; Sommermann, Kultur im Verfassungsstaat, in: VVDStRL 65 (2006), 7 (38). 630 Siehe oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, A., I., 2. 631 Siehe dazu schon oben unter 1. Teil, 4. Kapitel, A., III. 632 Hönes, Über die Kompetenz der Länder bei Subventionen, BayVBl. 2000, 169 (172). 633 Vgl. Steiner, Kultur, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band III, § 86 Rn. 19. 634 Steiner, Kultur, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band III, 3. Auflage 2006, § 86 Rn. 17; Kempen, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Abs. 1 Rn. 23; Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Rn. 24, der wie Steiner die Kompetenz zusätzlich noch auf Art. 73 Nr. 1 und 87 Abs. 1 GG stützt; Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst möchte sie ausschließlich auf Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG stützen; a.A. Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, S. 182. 635 Sommermann, Kultur im Verfassungsstaat, in: VVDStRL 65 (2006), 7 (37 f.). Vgl. zur langjährigen Praxis auch Rudolf, Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturverwaltung, in: Delbrück/Ipsen/Rauschning (Hrsg.), Recht im Dienst des Friedens, Festschrift Menzel, 141 (143 ff.).

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3. Teil: UNESCO-Welterbe und die Rechts- und Verwaltungspraxis

die Außenwirkung nicht mehr den Zweck bzw. den Schwerpunkt der Tätigkeit der Einrichtung bildet.636 Daraus kann geschlossen werden, dass die Konzentration bestimmter Belange des UNESCO-Welterbes beim Bund zwar grundsätzlich verfassungsrechtlich möglich ist, wenn es im Wesentlichen um die Vertretung des Gesamtstaates nach außen geht, im konkreten Fall also die Ausrichtung einer solchen Stelle auf die Verbesserung der Zusammenarbeit mit den für das Welterbe zuständigen Gremien der UNESCO erfolgt und sie lediglich nachrangig als Ratgeber für die nationalen Behörden und Vorhabenträger dient. Eine Integration eines Ständigen Büros für das UNESCO-Welterbe in Deutschland in der hier beabsichtigen Form hätte jedoch zuvörderst Beratungs- und Vermittlungsaufgaben nach innen. Anders als beim Fall der Deutschen UNESCOKommission geht es bei der Arbeit des Büros nicht in erster Linie um die Kommunikation mit der Internationalen Organisation, also dem Außenverhältnis der Bundesrepublik, sondern um die Vermittlung der Internationalen Positionen nach innen, selbst wenn punktuell ein Informationsaustausch mit der UNESCO bzw. dem Welterbezentrum stattfinden muss.637 Insofern stellt der Vorschlag, die Stelle bei der Kultusministerkonferenz anzusiedeln,638 den einzig gangbaren Weg dar, um der föderalistischen Ordnung des Grundgesetzes gerecht zu werden. Auch wenn die Kompetenz der Länder im Bereich der auswärtigen Gewalt auf einen engen Bereich begrenzt ist und eben nicht die Pflege auswärtige Beziehungen umfasst, so wird man für die vereinzelt notwendige Kommunikation mit der UNESCO als nicht-förmlichen Akt im Bereich der Durchführungsverpflichtung des völkerrechtlichen Übereinkommens auf eine Kompetenz kraft Natur der Sache abstellen können.639

636

Sommermann, Kultur im Verfassungsstaat, in: VVDStRL 65 (2006), 7 (38 f.). Eine entsprechende Kompetenz der Länder zum Handeln im Außenbereich ergibt sich in diesem Fall einer ganz überwiegenden Gesetzgebungszuständigkeit der Länder aus der Natur der Sache, Streinz, in: Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32, Rn. 52; a.A. Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Art. 32, Rn. 38. 638 Siehe zum Vorschlag Hotz, Deutsche Städte und UNESCO-Welterbe, S. 210 ff. 639 Vgl. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 32 Rn. 89; Fastenrath/Groh, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKGG, Art. 32 Rn. 91. 637

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen – Die zentralen Verpflichtungen des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Erbes auf der nationalen Ebene (Art. 4 und 5 WKÜ) sind als qualifizierte Bemühensverpflichtungen ausgestaltet. – Sie gelten für sämtliches auf dem Staatsgebiet der Vertragsparteien belegenes Erbe, welches der Definition in Art. 1 und 2 WKÜ entspricht. – Die nationale Vorschlagsliste stellt eine Anerkennung der Geltung der Schutzverpflichtung für die auf ihr aufgeführten Güter dar. – Die Eintragung in die Liste des Erbes der Welt bestätigt die Schutzverpflichtung in deklaratorischer Weise und löst in konstitutiver Weise die Verpflichtung der übrigen Vertragsparteien zu einem internationalen Schutz des eingetragenen Erbes aus. – Der Mechanismus der internationalen Unterstützung, der durch das Übereinkommen begründet wird, steht grundsätzlich auch nicht in den Listen eingetragenen Gütern offen. – Das Kriterium des außergewöhnlichen universellen Wertes, das ein im Wege der Anwendung des Übereinkommens zu schützendes Erbe aufweisen muss, wird vom Welterbekomitee weit ausgelegt und insbesondere zum Zwecke der Erstellung einer ausgewogenen Welterbeliste als lediglich repräsentativ für die jeweilige Kultur begriffen. – Das vom Übereinkommen geschaffene System der Unterschutzstellung ist eine Kombination aus einem Listen- und einem unechten Tatbestandssystem. – Eintragungen in die Rote Liste des gefährdeten Erbes der Welt bedürfen nicht der Zustimmung des Belegenheitsstaates und haben keinen Sanktionscharakter. – Die zentrale Rolle des UNESCO-Welterbekomitees im Vertragsmechanismus lässt es in Ansätzen als eine Art Internationaler Kultur- und Naturerbebehörde und den Vertragsmechanismus als einen Mechanismus sui generis erscheinen. – Die vom Welterbekomitee erlassenen operational guidelines sind innerhalb der weitreichenden Kompetenzen des Komitees für die Vertragsstaaten verbindlich. – Das Übereinkommen wurde für die Bundesrepublik Deutschland in verfassungsgemäßer Weise als Verwaltungsabkommen geschlossen. – Es wurde durch die Zustimmung der Landesvertreter in der Ständigen Vertragskommission der Länder ins jeweilige Landesrecht und durch Kabinettsbeschluss

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

der Bundesregierung ins Bundesrecht rezipiert bzw. ein entsprechender Anwendungsbefehl erteilt. – Die Föderalklausel des Übereinkommens ist auf die Bundesrepublik Deutschland nicht anwendbar. – Die staatlichen Stellen in der Bundesrepublik sind aufgrund des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes verpflichtet, das Übereinkommen im nationalen Recht zu beachten. – Die Landesdenkmalschutzgesetze ermöglichen durch die Vielzahl auslegungsfähiger unbestimmter Rechtsbegriffe eine entsprechende Berücksichtigung zumindest des Kulturerbes. – Die Judikative hat mit einer Ausnahme in einer Vielzahl von Fällen die Möglichkeit der welterbefreundlichen Auslegung des nationalen Rechts bestätigt und in vorbildlicher Weise dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes Rechnung getragen. – Probleme bei der adäquaten Berücksichtigung des Übereinkommens bestanden bislang auf Seiten der Exekutive. – Hauptverantwortlich hierfür sind mangelnde Kenntnisse auf den unterschiedlichen Ebenen hinsichtlich der Existenz bzw. Verbindlichkeit, insbesondere aber auch der Reichweite der vom Übereinkommen geforderten Schutzverpflichtung. – Diesem Defizit kann durch eine explizite Aufnahme der Belange und Begrifflichkeiten in die Landesdenkmalschutzgesetze begegnet werden. – Es wird zukünftig von den Ländern zu verlangen sein, dass sie geeignetes Erbe erst dann auf die nationale Vorschlagsliste aufnehmen lassen, wenn die zum Schutze des Erbes notwendigen Pufferzonen bereits ausgewiesen worden sind. – Von der UNESCO ist in diesem Zusammenhang die striktere Einhaltung der eigenen Richtlinien zu fordern, in denen Pufferzonen als Eintragungsvoraussetzung bei der Erstellung der Welterbeliste benannt werden. – Um die Informations- und Kommunikationsdefizite hinsichtlich des Welterbeschutzes zu verringern, wird die Einrichtung eines Ständigen Büros für das UNESCO-Welterbe in Deutschland angeregt, das bei der Kultusministerkonferenz anzusiedeln ist.

Anhang: Beschluss zur Streichung der Welterbestätte „Dresdner Elbtal“ von der Welterbeliste Beschluss 33COM 7 A.26 des Welterbekomitees auf der 33. Sitzung in Sevilla: „The World Heritage Committee, 1. Having examined Document WHC-09/33.COM/7 A, 2. Recalling Decisions 30 COM 7B.77, 31 COM 7 A.27 and 32 COM 7 A.26, adopted at its 30th (Vilnius, 2006), 31st (Christchurch, 2007) and 32nd (Quebec City, 2008) sessions respectively, and in particular its concern that the construction project of the Waldschlösschen Bridge would irreversibly damage the Outstanding Universal Value and integrity of the property in accordance with Paragraph 179 (b) of the Operational Guidelines, 3. Also recalling the report provided by the reinforced monitoring mission of February 2008 confirming that the current bridge project would irreversibly damage the Outstanding Universal Value and integrity of the property, 4. Further recalling that, according to Article 6.1 of the Convention, the properties inscribed on the World Heritage List constitute World Heritage, the protection of which is the duty of the international community as a whole and recalling further the duty of the international community to assist and to cooperate with States Parties in their endeavour to conserve such heritage, 5. Recalling as well that States Parties have the obligation under the Convention to protect and conserve the World Cultural and Natural Heritage situated on their territory, notably to ensure that effective and active measures are taken for the protection and conservation of such heritage, 6. Notes with deep regret that the State Party was unable to fulfil its obligations defined in the Convention, in particular the obligation to protect and conserve the Outstanding Universal Value, as inscribed, of the World Heritage property of the Dresden Elbe Valley; 7. Regrets that the entreaties of the World Heritage Committee at its 30th, 31st, and 32nd sessions failed to protect the property; 8. Also regrets the fact that the authorities have not halted the project, detrimental to the Outstanding Universal Value of the property and that the damage already caused has not been reversed; 9. Decides to delete the Dresden Elbe Valley (Germany) from the World Heritage List. 10. Notes however the commitment of the State Party to fully explore and exhaust all options towards preserving the Outstanding Universal Value inherent in elements of the Dresden Elbe Valley,

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Anhang

11. Considers that a new nomination for the heritage of Dresden which justifies Outstanding Universal Value could be envisaged, governed by the provisions of Section III of the Operational Guidelines“.

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Stichwortverzeichnis Abschluss des Übereinkommens 163 advisory bodies 57, 59, 89, 101, 112, 139 Altes Land 233 außergewöhnlicher universeller Wert 84, 101, 104, 107, 148 Bemühensverpflichtung 64, 66 f., 174 Berücksichtigungsverpflichtung 209 Denkmäler 72, 212 Dessau-Wörlitzer Gartenreich 229 Dresdner Elbtal 23, 136, 139, 218, 237, 278, 294, 337 Echtheit 109 Ensembles 72, 214 Erfüllungskontrolle 153, 256 Föderalklausel

180, 193

Gesetzgebungsverträge

170

ICCROM 57 ICOMOS 58, 107, 239 IUCN 58 Komitee für das Erbe der Welt Kulturerbe 25, 72 f. Kulturlandschaft 74, 218 Lindauer Abkommen Listensystem 117 Naturerbe

51

163, 166

25, 73

Oberes Mittelrheintal 264, 282, 285, 291 Offene Staatlichkeit 202 operational guidelines 143 Rote Liste 125 rules of procedure

143

Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin 235 Siedlungen der Berliner Moderne 263 Ständige Vertragskommission der Länder 188 Stätten 72, 215 Streichung aus der Liste 134 Tatbestandssystem 118 tentative list 95 – 97, 238 travaux préparatoires 47, 69, 85, 105 Umgebungsschutz 226 UNESCO – Deutsche UNESCO-Kommission 56 – Generaldirektor 54 – Generalkonferenz 53 – Kompetenzen 49 UNESCO-Welterbeübereinkommen – Entstehungsgeschichte 46 – Hilfsorgane 56 – Kultur- und Naturerbe der Welt 72 – Liste des Erbes der Welt 94 – Liste des gefährdeten Erbes der Welt 125 – Vertragsorgane 51 – Vertragsstaatenkonferenz 55 – Welterbekomitee 25, 51, 54, 58, 77, 94, 97, 100, 125, 134, 142, 239, 284, 330 Unversehrtheit 109 Verwaltungsabkommen 170, 179 Verwaltungspraxis 277, 287 Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes 162, 184, 197, 201, 204, 206, 211, 217, 230, 266, 318, 325 Vorschlagsliste 95, 123, 151, 233 Waldschlösschenbrücke 239, 278, 318 f. Welterbeliste 94

23, 155, 162, 237,