Das Unendliche im Staatsrecht: Geltung, Dimensionen, Dynamik der demokratischen Verfassung [1 ed.] 9783428551415, 9783428151417

»Recht« ist Wissenschaft des Bestimmten, in Begriffen, Normen, Systemen. Und doch begegnet dort »das Unendliche«, das Gr

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German Pages 133 Year 2017

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Das Unendliche im Staatsrecht: Geltung, Dimensionen, Dynamik der demokratischen Verfassung [1 ed.]
 9783428551415, 9783428151417

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1340

Das Unendliche im Staatsrecht Geltung, Dimensionen, Dynamik der demokratischen Verfassung

Von

Walter Leisner

Duncker & Humblot · Berlin

WALTER LEISNER

Das Unendliche im Staatsrecht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1340

Das Unendliche im Staatsrecht Geltung, Dimensionen, Dynamik der demokratischen Verfassung

Von

Walter Leisner

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15141-7 (Print) ISBN 978-3-428-55141-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-85141-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Das Recht ist eine Form der Betrachtung, daraus folgend der Ordnung der „Welt des Menschen“. Dieses Wort muss dabei in einem weiten Sinn verstanden werden. Es beinhaltet nicht nur seine „Umwelt“ im heute rechtlich gängigen Sinn, sondern auch seine „innere Welt“, sein Denken, seine Gefühle, sein Gewissen. All dies wird „rechtlich geordnet“, in Kategorien erfassbar, in seinen darin begegnenden Inhalten rechtlich wirksam, für Menschen verbindlich. Die rechtliche Stufe, auf welcher dafür die entscheidenden Weichen gestellt werden, ist seit Jahrhunderten, vor allem aber gegenwärtig in Deutschland, die des Staatsrechts, positiv ausgeprägt im Verfassungsrecht. Menschliches Denken, wissenschaftlich vertieft, wird hier in mehreren Perspektiven orientiert, in deren Sicht es Ordnungskräfte entfaltet: - Im Blick zurück, auf bisher Geschehenes, Erfahrenes: in Tradition. - Im Blick voraus, auf Künftiges: in Prognose. - Im Blick nach innen: in den Menschen hinein: in Personalismus. - Im Blick nach unten: auf das Ende, das Sterben: im Tod. - Im Blick schließlich nach oben: in dessen Gegenrichtung: in Unendlichkeit. Alle diese „Richtungen“ stehen in Spannungen zueinander – und doch sind sie zusammenzusehen in der Ordnung des Staatsrechts: Der Verfasser hat den ersten vier dieser Perspektiven jeweils verfassungsrechtliche Grundsatzabhandlungen bereits gewidmet*. Ihre Sichten müssen auch die nun folgende letzte derartige Untersuchung begleiten, in ihrem staatsrechtlichen „Blick nach oben“: in die „Unendlichkeit(en)“, den „Himmel des Rechts“. Ausgegangen wird auch hier von bekannten Denkformen (staats-)rechtlicher Dogmatik (etwa Offenheit, Dynamik, Ewigkeitsgeltung); sie werden auf ihre Anwendungs- und Wirkungsmöglichkeiten in der tagtäglich begegnenden Praxis untersucht (Normsetzung und -geltung, Freiheitssicherung). In all dem „ragen“ Unendlichkeiten ins (Staats-)Recht hinein, wirken dort in Dimensionen des Erkennens, des erwartenden, hoffenden Willens. *

Tradition im Staatsrecht, Vergangenheit als Zukunft (2014); Prognose im Staatsrecht. Zukunft in Vergegenwärtigung (2015); Personalismus. Individualethik im Staatsrecht (2015); Tod im Staatsrecht. Sterben in der Demokratie (2016). Für die laufenden Referenzen auf diese Untersuchungen muss daher um Verständnis gebeten werden, da die vorliegende sie ja in ihren Ergebnissen gewissermaßen fortsetzt.

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Vorwort

Eine solche Betrachtung ist, soweit ersichtlich, bisher noch nicht zusammenfassend versucht worden, mögen auch vielfache, durchaus dogmatische Ansätze zu ihr laufend begegnen. Der Verfasser kann also nur auf die Nach-Sicht des Lesers hoffen, wenn er solches in Vor-Sicht unternimmt. München, im Dezember 2016

Walter Leisner

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Das Recht: „Wissenschaft des Bestimmten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Das Grenzenlose im Recht – Bedeutung einer Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Die staatsrechtliche Dimension des Unendlichen: „Allmacht des Staates“ . . . . . 15 4. Vorhersehbarkeit – Schranken und Unendlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 5. „Offenes Verfassungsrecht“: Weg in staatliche Unendlichkeiten? . . . . . . . . . . . . 18 6. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Unendlichkeit – Annäherungsversuche an einen staatsrechtlichen Topos . . . . . . . 20 I. Rechtliche Betrachtung der Unendlichkeit: Aus dem Recht verdrängt, ins Recht aber „hineinragend“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. „Unendliches“ im Grundgesetz – ein dogmatisch verdrängtes Problem . . . . . . . 20 2. Keine unverändert bleibende, keine „ewige“ Staatswahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Und doch: Ins Recht hineinragende Unendlichkeit, inhaltlich, sektoral konzentriert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Die Dimensionen der Wahrnehmung des „Unendlichen“ im Recht . . . . . . . . . . . . . 23 1. Das „Unendliche“ in Wahrnehmung, als Wahrnehmbarkeit – als Rechtsbegriff?

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2. Die Dimensionen des menschlichen Erkennens als „Blickrichtungen“ auf das Unendliche, „Raum, Zeit, Kausalität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Das „Unendliche“ und die „Grenzen/Schranken“ des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Nicht „Unbegrenzbares“: (bisher) Unbegrenztes als „rechtlich Unendliches“ . . . 25 2. Begrenzungsformen, „rechtliche Schranken“ und „Unendliches“; Virtualität . . . 26 3. Auslegung als Konkretisierung des als geltend Gesetzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 IV. „Unendlichkeit“ und „rechtliche Geltung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Geltung als Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. „Unendlicher Wille“ im Staatsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Verweisung als „Rezeption“ des Unendlichen in Rechtsgeltung . . . . . . . . . . . . . 30 V. Methodik des Rechts und Unendlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Methode als „unendlicher Erfassungsvorgang“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Induktion – Deduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. „Unendliche Auslegung“ – Formale „Verunendlichung“ der Rechtsinhalte . . . . 33 4. Analogie: Verunendlichung über inhaltliche Ähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

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Inhaltsverzeichnis VI. Zeitliche Unendlichkeit als Erkenntnis/Gestaltungsquelle des Staatsrechts . . . . . . . 35 1. Tradition als „Staatsrechtsquelle aus unendlicher Vergangenheit“ . . . . . . . . . . . . 35 2. Zukunftsschau und Unendlichkeit des Staatsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

VII. Unendlichkeitsbetrachtungen gerade im Staatsrecht – Unendlichkeitsbegriffe: Staatsallmacht, Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Unendlichkeit im Staatsrecht als der höchsten, umfassenden Normenordnung 37 2. Der „Allmächtige Staat“: Staatsgewalt und Staatsaufgaben als „Ausblick(e) ins Unendliche“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Die „unendliche Freiheit“ im demokratischen Verfassungsstaat . . . . . . . . . . . . . 39 VIII. Fazit zum Unendlichkeits-Begriff im Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Rechtliche Setzung von Unendlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. „Spezifisch staatsrechtliche Unendlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. „Räumliche Geltungs-Unendlichkeit“ – „Imperialismen“ – Völker-, Welt(raum)recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Zeitliche Dimension: Ewigkeitsentscheidungen (Art. 79 Abs. 3, 146 GG) . . . . . 45 4. Kausalitäts-Dimension „Wirkung“: Regelungsverfeinerung, „Totaler Staat“ . . . . 49 5. Unendlichkeit – in Rechtssetzung ein „Rechtsbegriff“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Rezeption von „außerrechtlichen Unendlichkeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Verweisung als rezeptive Rechtsgeltung „außerrechtlicher Unendlichkeitsvorstellungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Verweisung auf außerrechtlich Erkanntes über den staatsrechtlichen Wissenschaftsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) „Rechtlich gesicherte Erkenntnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) „Hinreichend gesicherte Erkenntnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) „Wissenschaft(lichkeit)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 d) Wissenschaft(lichkeit) als Unendlichkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Ins Verfassungsrecht ausdrücklich global rezipierte Schutzbereiche mit ihren „Unendlichkeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. „Rezeptionen anderer Disziplinen“, ihrer Methoden, Ergebnisse, Unendlichkeiten ins Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Gesetzgebungszuständigkeiten als „Rezeptionen von Unendlichkeiten“ . . . . . 62 b) Beispiele der Rezeption aus außerrechtlichen Disziplinen – Gesetzgebungszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Näher bestimmte Unendlichkeits-Rezeptionen ins Staatsrecht: „Auf breiter Front“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Inhaltsverzeichnis

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III. Fakten und Unendlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Das Faktische – als „außerrechtliche Welt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Die „Rechtswerdung des Tatsächlichen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) „Faktisches“ und „Rechtliches“ – Zwei Welten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. „Rezeption des Faktischen ins Recht“, mit allen tatsächlichen Unendlichkeiten

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3. Fakten-Feststellung im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Das Recht zwischen Wirklichkeitsabbildung und subjektivierender Ethik . . . 68 b) Der normfixierte „rechtliche Geltungswille“ – Feststellungsvoluntarismus im Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Das Feststellungs-Urteil: Rechtliche Endlichkeit – und doch wieder unendlich 70 4. Entunendlichung – Sisyphusarbeit der Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 IV. Das (Verfassungs-)Recht als unendliche Annäherung an eine bestimmte/bestimmende Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Äußerer Rahmen und „innere Bestimmtheit“ der Rechtsbindungen . . . . . . . . . . 72 2. Die „staatsrechtliche Konkretisierung“ in Stufenordnungen – vertikale unendliche Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Föderalismus, Selbstverwaltung – Bürgernähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Normativer staatsrechtlicher Stufenbau als „unendliche Annäherung“ . . . . . . 75 3. „Horizontale unendliche Annäherung“: Konkretisierung in Rechtsanwendung – „herrschende Lehre“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) „Annäherung in rechtsstaatlicher Praxis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Die „herrschende Lehre“: Vorläufiges Ende der Annäherung – Ent-unendlichender Entscheidungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 V. Unendlichkeiten in „rechtlicher Konkordanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. „Rechtliche Unendlichkeiten“ als fassbare Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Abwägung nach Wertigkeiten und Vorrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Primat der rechtlichen Beurteilung auch der Unendlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Ordnung und „Wert“ in Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) „Friede“ als „Ordnung“ – als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Staatsrecht: (auch) aus der Dynamik seiner „Unendlichkeiten“ (noch) Friede, Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4. Abwägung (auch) staatsrechtlicher Unendlichkeiten „nach Ordnungswirksamkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5. Abwägungsansätze (in) demokratischer (Verfassungs-)Politik der Gegenwart . . 83 C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I. Unendlichkeit: Rechtliche Wirksamkeit in potentia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Wirkungsweisen der Unendlichkeiten im Staatsrecht: Kontinuität und Dynamik 86 1. Unendlichkeit als „Geltungs-Ruhe“ des Staatsrechts in Kontinuität . . . . . . . . . . 86

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Inhaltsverzeichnis 2. Unendlichkeit und Geltungsdynamik im Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Insbesondere: Unendlichkeiten rechtlicher Entwicklungsräume – (Keine) Grenzen des „rechtlich Unmöglichen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4. Unendlichkeiten als Kraftquellen rechtlicher Gestaltungsdynamik . . . . . . . . . . . 90 a) „Rechtsphantasie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) „Staatsrecht als Experiment“, in seinen Verfassungsgewalten . . . . . . . . . . . . . 91 c) Prognose, Planung: Dynamik aus Unendlichkeiten der Zukunft . . . . . . . . . . . 93 d) Dynamische Gestaltungskraft gerade aus Unendlichkeiten: „Hoffnung im Staatsrecht“. Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 e) Verfassungsbegeisterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

III. Wirkungsbereiche der Unendlichkeiten auf die staatlichen Rechtsetzungsformen

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1. Normsetzung als Weg in Unendlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Verfassungsrechtliche Begrenzungsversuche der Norminhalte . . . . . . . . . . . . 96 b) Zweck, Inhalt, Ausmaß: Unendlichkeits-Gehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Wirkungen dieser Grenzenlosigkeit des Normativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Die Einzelentscheidung: Instrument und Anreiz zu „Gestaltung in Unendlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Rechtssetzung in Einzelentscheidung: „Praxis“ als unendlicher Vorgang . . . . 99 b) Unendlichkeiten der Einzelentscheidungen: Verwaltungs-, Richter-, Rechtswege-, Prozessstaat(lichkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Tatbestandlichkeit – Grenze oder Unendlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 d) Staatsrechtliche Personalisierung als Dynamisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 IV. Wirkungen von Unendlichkeit(en) auf das demokratische Verfassungssystem und seine Grundausrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Gewaltenteilung – Ordnung von Unendlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Gesetzgebung: Primat des Normativen aus Unendlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Verwaltung: „Gewalt der grenzenlosen Gestaltung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Judikative: Entscheidung(sverfahren) und Unendlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 105 d) Gewaltenteilung als Gesamtordnung: Balance von Unendlichkeiten . . . . . . . . 105 2. Verfassungsordnung als System von Unendlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) „Die Verfassungsordnung“ – ein „offener Begriff“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Systematisches Denken im Grundgesetz – in Unendlichkeit(en) . . . . . . . . . . . 106 c) Geschlossenheit des Verfassungssystems? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Freiheitssicherung bis in Anarchie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Freiheit in „unendlicher Wirkung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Das Unendliche als teleologische Kraft der Zielorientierung der Freiheit . . . . 109 c) Freiheit: Dynamik bis zur Anarchie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Förderung – unendlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Inhaltsverzeichnis

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V. Wirkungen des Unendlichen im Staatsrecht auf „die Politik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Politik – Zug ins Grenzenlose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Politik: Kunst des Möglichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Politik: in den Grenzen eines – grenzenlosen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4. Politik: Ewiger Streit – in Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5. Unendlichkeit: Ein Brückenbegriff von Recht zu Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 6. Unendlichkeit: Staatsrecht in Politischer Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 VI. Unendlichkeit: Über Staatsrecht wirkend auf den einzelnen Menschen . . . . . . . . . . 117 1. Eine Mahnung: Staatsrecht – keine „normative Vereinfachung“ . . . . . . . . . . . . . 117 2. Unendlichkeit im Staatsrecht: Anruf nicht nur an Politiker – an „den Menschen“, den Aktivbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Unendlichkeit: Sozialer Rechtsstaat – Ruhe des Besitzes in unruhiger Hoffnung 119 4. Unendlichkeit im Staatsrecht – Verunendlichung des Menschen in Begeisterung 120 D. Kurzfassung – Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Einleitung 1. Das Recht: „Wissenschaft des Bestimmten“ „Das Recht“ als solches ist, seinem Wesen nach, etwas wesentlich „Bestimmtes“. Nur als ein dergestalt „fest Definiertes“ kann es „gelten“, also überhaupt wirken, Ergebnisse durch seine Anordnungen hervorbringen. Diese, die so geschaffenen „Rechtslagen“, müssen ebenso bestimmt sein wie der (an)ordnende Wille, der sie schafft. Nur darin können diese Rechtssituationen eine Realität werden, zu einer politischen Wirklichkeit, dass „Rechtsträger“, welche wiederum durch das Recht bestimmt werden, diese Ordnung(en) in all ihren Elementen befolgen, damit sie als Realität (an)erkennen, erhalten, verändern. „Das Recht“ ist, nach seinem Verfahren wie in seinen Inhalten, das „wesentlich Bestimmende“, daher muss es wesentlich bestimmbar sein. Diese Bestimmbarkeit erwächst ihm allein aus Grenzziehungen, welche jeweils ein aus der Wirklichkeit „Herausgegriffenes“ zur festen „Rechtslage“ werden lassen, dem aus ihr kommenden, auf ihrer Festigkeit gegründeten Rechtsbefehl überhaupt erst Wirkungskraft verleihen. Die „rechtliche Begrenzung“, die „Rechtsschranke“ ist daher dem Recht wesentlich, sie konstituiert auch erst den Rechtsinhalt. Das Recht ist also etwas „wesentlich Begrenztes“. Ohne Schranken scheint es nicht zu existieren. Getragen wird dieses Recht von Willenskräften, es erscheint in Willensentscheidungen. Sein Wille richtet sich auf ein Ziel, ist darin ebenso notwendig und wesentlich bestimmt wie das Ziel, der Zweck, dem es zustrebt. „Das Recht“, „die Jurisprudenz“ als dessen Zusammenfassung, muss also wesentlich „Disziplin“ sein, Wissenschaft der Bestimmtheit; - „Distinguendum est“ steht über ihr. Dies alles erscheint als selbstverständlich, ja als banal.

2. Das Grenzenlose im Recht – Bedeutung einer Untersuchung Doch nun muss kritische Besinnung einsetzen: Sieht sich dieses Recht wirklich, in seiner täglichen Praxis wie gerade auch in seinem wissenschaftlich vertiefendem Bemühen, als etwas stets Begrenztes, als etwas jedenfalls wesentlich „Grenzorientiertes“? Seine Begriffsklarheit wird allgemein gelobt, weithin ausdrücklich – und

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angestrebt; die „Rechtsstaatlichkeit“1 macht sie im positiv geltenden Staatsrecht zu dessen Grundpflicht. Recht also – eine „Befehlsrechnung“, eine „Begriffsmathematik“? So sehen und befolgen es die meisten Juristen, ihre Befehlsempfänger. Und wie leben sie damit? Ihre Rechtswelt ist „durchsetzt“, geradezu „grenzenlos“, mit Begriffen, Zielen, Bemühungen von und nach – dem Gegenteil, nach etwas „Unendlichem“. Dieses Wort ist „schön“, „gut“: Es öffnet, es erlaubt – fast alles Wünschbare, ja als ob dies „schon da sei“; jedenfalls wirkt es in seiner begeisternden politischen Kraftspende. Ausdrücklich bezieht sich dieses Recht bereits auf eine der menschlichen Denkkategorien im kantischen Sinn, auf die Zeit, in der „Ewigkeitsentscheidung“ der Verfassungsgeltung (Art. 79 Abs. 3 GG). Im Folgenden gilt es, diesen so „plastischen“ Unendlichkeitsbegriff zu erweitern auf „unbegrenzte, unbeschränkte, grenzenlose Geltung“, in allem und jedem. In diesem erweiterten Sinn wird „Unendlich“ im Folgenden denn auch gebraucht. Bedeutungen und Wirkungen der so umschriebenen „Unendlichkeit“ in der juristischen Dogmatik, des Staatsrechts vor allem, sind, soweit ersichtlich, bisher als solche noch nicht Gegenstand vertiefender Untersuchung. Eine solche steht aber an – aus zwei Gründen vor allem: - „Unendlichkeit“ stellt das Problem der Grenzen der Begrifflichkeit des Rechts als solchen, insbesondere von dessen höchster Normstufe, der Verfassung, damit eine rechtliche Wesensfrage schlechthin. Gibt es hier „Grenzen der Grenzen des Rechts“ überhaupt, jenseits derer dann etwas beginnt/liegt wie Unendlichkeit? Wirkt Schrankenlosigkeit, mit welchen Inhalten, in welchen Formen auch immer, nicht doch „hinein“, „hinüber“ in die „Rechtswelt“ des Verfassungsrechts – wenn ja, mit welchen dogmatischen Effekten? Beginnt mit Setzung von, mit Verweisung auf Rezeption von „Unendlichkeiten“ im Staatsrecht dort notwendig ein „Regressus in Infinitum“, in einer Dynamik von „Begrenzung(sversuch)en des Unbegrenzbaren“, in immer weiterer Suche nach Grenzen des Rechts? Wird damit eine Dynamik in Gang gesetzt, im Verhältnis zwischen Ordnung(sanstrengung) und „dem zu Ordnenden“? Darin stellen sich Grundfragen einer rechtlichen „(Begrenzungs-)Dogmatik“ schlechthin. - Dem „Unendlichen“ sind, unabhängig von diesen intellektuellen Begriffsproblemen, „dynamisierende Kräfte“ eigen, ja wesentlich, die juristisches Denken als solches (um)gestalten können. Hier kommen erfinderische Potenziale zum Vorschein, zum Einsatz: in der Begeisterungskraft, in einer Entdeckerfreude neuer „Rechtsländer“, -kontinente, -welten. Juristische Phantasie tritt in dieser so nüchternen Wissenschaft hervor, neue Denkformen entstehen. Der Begriff der „Mutterrechtlichkeit“ hat dies bereits zu beschreiben, ja zu erfassen versucht,

1 Zur Rechtsstaatlichkeit vgl. Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 227 ff.

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gerade im Verfassungsrecht2. Damit wird das Staatsrecht von der Grenzenlosigkeit seiner Ordnungsgegenstände, von seinem kantischen „Raum“ aus (weiter) geöffnet zur Un-Endlichkeit der Zeit – „von Ewigkeit zu Ewigkeit“, wie die tiefsinnige Übersetzung der Kirche für das eine „in aeternum. Amen“ lautet, darin das Eine Unendliche widerspiegelnd. Denkformen und Denkkräfte: Die Verbindung beider bedeutet „Dogmatik“ im Staatsrecht. Beides in Einem gerät im „Unendlichen“ in eine Dynamik, in der die so bewegungslos im Recht geordnete Welt – eppur si muove, i. S. des Galilei. Es mag dieses Unendliche als solches ein juristisches Geheimnis bleiben. Sich ihm nähern, in platonischem Dis-Kurs, das sollte aber Aufgabe, ja Ideal eines Staatsrechts sein, und dieses schien sich einst in einer römisch-kaiserlichen Imperialität, am Ende der philosophierenden Antike, im Suchen und Auffinden zahlloser einzelner, begrenzter rechtlicher Weisheiten im Corpus Iuris zu verlieren – gerade darin aber hat es bis heute, geradezu un-endlich gewirkt. Dies ist rechtliches Erbe, als Aufgabe, es zu erwerben, in einem „Der Unendlichkeit Nach-Gehen“ im Staatsrecht. Ein römischer Lehrer des hier Suchenden hat ihm schon vor vielen Jahrzehnten vom Wort eines früheren brandenburgischen Pandekten-Juristen berichtet, das ihn zutiefst bewegt habe; das Zitat ist im unendlichen Vergessen verschwunden. Sein Inhalt war: Wir suchen im Deutschen Reich nach dem Recht auf Römischen Spuren. Sie sind klar wie alles Antike. Doch unsere Gefahr – vielleicht „unser deutsches Schicksal“ (mag man heute hinzufügen) ist und bleibt: „Nos autem semper in infinitum…“. Gilt hier ein „vestigia terrent“ des Rechts, wenn es in Unendlichkeit führen will?

3. Die staatsrechtliche Dimension des Unendlichen: „Allmacht des Staates“ „Imperiales Denken“ beherrscht noch immer die Jurisprudenz, im Öffentlichen Recht, vom Völkerrecht und seiner Weltherrschaftssuche bis zum „Totalen Staat“, wenigstens in dessen Streben nach rechtstechnischer Perfektionierung all seiner Ordnungsinstrumente, politisch weit konkreter bereits im Unendlichkeitsstreben der „Allmacht des Staates“. Dies ist die Grundkonzeption des gesamten Öffentlichen Rechts seit von einem solchen gesprochen werden kann: sei es für den menschenbildenden (Ideal-)Staat der Antike3, im „Gottesstaat“ des Cäsaropapismus (oder des Islam), oder für die Ordnung 2

Zur „Mutterrechtlichkeit“ bringt Art. 2 GG normative Inhalte „aus sich hervor“ – dies ist, schutzrechtlich gewendet, von der h. L. anerkannt für die sog. „unbenannten Freiheitsrechte“. Nachw. in Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 2 Rn. 17 (FN 32 zur Rspr. des BVerfG). 3 Leisner, W., Platons Idealstaat und das Staatsrecht der Gegenwart, vgl. Anregungen, Mahnungen in den „Gesetzen“: Zu einem Bildungsstaat, 2015.

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des fürstlichen Absolutismus, im „Gesetz als Ausdruck des Allgemeinen Willens“4 oder im Namen des „geschlossenen Rechts-Staats“ in der Normenwelt des systematischen Kelsenianismus5: Ein großes „Extra muros nulla salus“ steht über dem Eingang des Staats-Gebäudes; es verbannt Ketzer und Staatsfeinde in die rechtliche Dunkelheit eines Gefängnisses, in dem ihre Gewalt, jede andere als die des Staates, als Verbrechen auf ewig gesühnt wird. Der Staat als „Gott auf Erden“ – das ist auch das Credo einer Volksherrschaft6, die in laizistischem Agnostizismus immer etwas wie einen „normativen Gottesstaat auf Erden“ errichten will7. In all dem zeigt sich stets nur Eines: „Ursurpation der Allmacht des monotheistischen Schöpfergottes durch seine Geschöpfe in Staatsgewalt“, in der Grenzenlosigkeit ordnenden politischen Willens. Nicht „Die (Entscheidungs-)Situation ist da“ (Konrad Adenauer) – da ist „Allmacht auf Erden“, das Unendliche in Gestalt, in Gewalt des Staates. Im Begriff der Rechtsmacht baut sich eine große Antithese auf: zwischen der wesentlichen Endlichkeit des bestimmenden, definitorischen Rechts (vorsteh. 1.) und der Unendlichen der Macht des dieses gestaltenden Willens. Und daraus soll dann die Rechts-Ordnung entstehen, das in voller Bestimmtheit Erkennbare, „einzeln“ Gestaltete, in der unendlichen Dimension des gestaltenden Willens? Staatsrecht als allmächtiger, bis ins Einzelne bestimmender Befehl – vollziehbar? Philosophisch vollzogen allenfalls in der thomistischen Unterscheidung eines „in potentia“ (Unendlichkeit) der Macht (Gottes) und einem „in actu“ in Erscheinungen präziser Rechts-Anordnung, wie es bereits die rechtliche kirchliche Dogmatik wollte. Und wo bleibt „der Mensch“, das in seinem Inneren unendlich Kleine, darin für jenes Staatsrecht Undurchdringliche8 – eben ein unendlich kleines Teilchen, unerfassbar im Kern für das Recht, für dieses geradezu eine „andere Unendlichkeit“? Eines jedenfalls zeigt sich bereits einem ersten, juristische Bestimmtheit suchenden Blick: Das Staats-Recht bewegt sich, als solches, zwischen Unendlichkeiten – in Unendlichkeit. 4 Klassische Darstellung bei Carré de Malberg, La Loi – Expression de la Volonté générale, 1931, in einem Zusammenklang von Rousseauscher Spätaufklärung, Französischer revolutionärer Gewaltsamkeit und postrevolutionärer Legalität. 5 S. neuerdings Jestaedt, M., Hans Kelsen und die Deutsche Staatsrechtslehre, 2013; Paulson, St./Stolleis, M., (Hg.), Hans Kelsen – Staatsrechtslehrer und Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts, 2005. 6 Zum Verhältnis von Demokratie und Gottesvorstellung vgl. Leisner, W., Gott und das Volk. Religion und Kirche in der Demokratie. Vox Populi – Vox Dei, S. 11 ff. 7 Neuerdings konkret etwa die Diskussion um die Abschaffung des Verbots der Gotteslästerung im Strafrecht, Walloschke, T., Strafrechtsschutz der Kirche durch Gotteslästerungsparagraph 166, F. o. R. 1994, 91 f., Rox, B., Schutz religiöser Gefühle im freiheitlichen Verfassungsstaat? Tübingen 2012. 8 Untersucht bei Leisner, W., Personalismus. Individualethik im Staatsrecht, 2015.

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Staatliche Allmacht wird zur politischen Angstvorstellung für die Freiheit – und zugleich zu einem Hoffnungsbegriff unbeschränkter rechtlicher Machbarkeit ihres Schutzes. Pazifismus, bis hin zum „Ewigen Frieden“, verlangt nach „Ordnung überall und immer“, bis in eine „unendliche Rechtsordnung“ hinein, eine „RechtsStaatlichkeit bis ins Letzte“, im Staat und vielleicht gar noch in der Gesellschaft. Allmächtiger Staat in allmächtiger Ordnung – überall öffnen sich hier grenzenlose Horizonte, einer doch wesentlich begrenzenden Rechtsmacht; sollte sie selbst auch unbegrenzt sein, und wirken (können)? In Naturwissenschaft und Technik weitet sich „die Welt“, das wesentlich zu Ordnende, schier in Unendlichkeiten hinein, in Erkenntnissen des grenzenlos Großen wie des unendlichen Kleinen. Stößt das Recht an die Grenzen seiner bisherigen Unendlichkeit, der Staatsallmacht – oder muss es diese erweitern, ins Unbekannte hinein, ins bisher Unerkennbare? Wird das Unendliche rechtlich doch fassbar, ordnungsfähig? Tritt der Allmacht des Staates die Unendlichkeit der Freiheit gegenüber, beides regelbar, jedenfalls in einer „Virtualität des Staates“, aus ihr heraus, wobei dann virtus eben doch Kraft bedeutet, Macht? Das Bewusstsein dieser Tiefenproblematik gerade des Öffentlichen Rechts, wächst. Ihr entspricht ja auch, in der „Autonomie“ der Freiheit, eine andere im Privatrecht9.

4. Vorhersehbarkeit – Schranken und Unendlichkeit Aus dem Dilemma seiner eigenen Unendlichkeit weicht das Staatsrecht aus – wie üblich – in seine Allgemeinen Begrifflichkeiten, in denen sogar unendliche Ordnungsgegenstände „verdeutlicht“ werden sollen. Darin (ver)sucht die Staatsallmacht (sich in) Bescheidenheit zu üben, der brutalen Mächtigkeit der Befehle des Staatsrechts zu entgehen. a) Vorhergesehen werden soll die Entwicklung der Ordnungsgegenstände: doch ein solches rechtliches nicht nur Voraus-Erkennen, sondern Voraus-Regeln, in einer „Prognose“, ist immer nur von einem Standpunkt der Gegenwart aus möglich10. Die Unendlichkeit einer Zukunft „erstarrt“, erschöpft sich gewissermaßen in einer wesentlich eng bestimmten Gegenwart, sie ist nicht nur endlich wie, sondern fest bestimmt durch diese. Gleiches geschieht in „Recht in, aus Tradition“11, in dem Vergangenheit zur Zukunft werden soll: Auch dies, grundsätzlich zwar ein „progessus ex infinito ad infinitum“, verliert seine Unendlichkeit im jeweils gegenwärtigen Au9

Zur Privatautonomie im Privatrecht neuerdings vertiefend Rittner, F., Der privatautonome Vertrag als rechtliche Regelung des Soziallebens, JZ 2011, 269 ff. 10 Dazu vertiefend Leisner, W., Prognose im Staatsrecht. Zukunft in Vergegenwärtigung, 2015, 29 ff. 11 S. näher Leisner, W., Tradition. Vergangenheit als Zukunft, 2013, insb. S. 68 ff., 30 ff.

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genblick der rechtlichen Entscheidung und deren Anwendung. Rückblick wie Vorausschau erstarren in (vermeintlicher) rechtlicher Bestimmtheit. Dies kann (dann aber) nicht (mehr) Gegenstand einer Unendlichkeitsbetrachtung im Staatsrecht sein. Weist damit nicht gerade der Begriff des „Vorhersehbaren“ über dessen Schranken weiter, gerade hin auf Unendliches, darf der Outer Space des Rechts geleugnet, muss er nicht erforscht werden, Grenze als Auftrag zur Betrachtung des Grenzenlosen? b) Schranken des Rechts sind bereits wahrhaft „unendlich untersuchte Gegenstände rechtlicher Bemühungen“. Doch auch dies läuft an der Fragestellung des Folgenden vorbei: Hier ist ja nicht die rechtliche Begrenzung Objekt, sondern das rechtlich Unbegrenzte, seine Wirkung auf das rechtliche Geordnete, Begrenzte. Formen und Wirkungen von Rechtsschranken schöpfen jene Problematik des „Unendlichen“ nicht nur nicht aus, sie erkennen sie nicht einmal (an); durch sie wird vielmehr ein bestimmter Gegenstand aus dem Grenzenlosen „rechtlich herausgegriffen“, „bestimmt“. Der „ganz große Rest“ des Outer Space einer gegenständlichen, zeitlichen, wirkungsmäßig-kausalen (etwaigen) Unendlichkeit gerät dabei gar nicht, und zwar wesentlich nicht in den juristischen Blick; diese Problematik – wenn es denn doch eine solche gibt im Staatsrecht – wird schlechthin ignoriert. Eine Schrankenuntersuchung unterscheidet sich geradezu „dimensional“ von der einer Unendlichkeit im Recht – ist sie aber nicht gerade ein Weg zu dieser, in sie hinein?

5. „Offenes Verfassungsrecht“: Weg in staatliche Unendlichkeiten? Eine verbreitete Tendenz, wenn nicht eine gegenwärtige rechtliche Mode, sucht eine „Öffnung zum Grenzenlosen“ im Topos eines „Offenen Verfassungsrechts“, oft geradezu als einen entscheidenden rechtlichen Wesenszug gerade der demokratischen Staatsform12. Die Verfassung wird als ein Gefäß vorgestellt, das über eine Öffnung zu neuen Entwicklungen faktischer und/oder rechtlicher Art stets neue normative Inhalte aufzunehmen und, in höchstrangigen Normbefehlen kanalisiert, weiterzuleiten vermag. Darin wird sie, bewusst, gesehen als ein „Scharnier“ des Rechts zwischen Unendlichkeit und Bestimmtheit, ja geradezu als ein „Rechtsinstrument einer Ent-Unendlichung“, über welches eine solche aber in einem laufenden Vorgang geleistet wird. Es ist dies noch weit mehr als die ebenfalls und weit häufiger geforderte „Flexibilisierung der Verfassung“ als einer „normativ-rigiden Normenordnung“, mit dem Anspruch sogar auf eine „super-rigide rechtliche Unwandelbarkeit“, eine rechtliche Unabänderlichkeit des Grundgesetzes (Art. 79 Abs. 3). Beiden Worten, Offenheit und Flexibilität, ist ja eines gemeinsam: Grenzenlosigkeit. Werden in sie Formen hineingedacht, so verlieren sie nicht nur ihre 12 Zur „Offenheit der Verfassung“ Wahl, R., Der offene Staat und seine Rechtsgrundlagen, JuS 2003, 1145 ff.; neuerdings Voßkuhle, A., Grundwissen – Öffentliches Recht: Offene Staatlichkeit, JuS 2013, 309 ff.

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politisch-dynamisierende Attraktivität, sondern auch ihren rechtlichen „Unendlichkeitsbezug“, die Fähigkeit einer auch nur annähernden rechtlichen Erfassung gerade dieses Phänomens. Eine rechtlich inhaltsbestimmende Wandlungsdogmatik gibt es aber nicht, nur eine solche ihrer Formen. Offenheit der Verfassung – das spricht das Problem der Unendlichkeit an, sagt aber nichts aus über Voraussetzungen und Wirkungen dieses Topos, wenn es denn ein solcher des Rechts sein soll. Unendlichkeit im Staatsrecht wird als Problem damit zwar erkannt, bezeichnet, nicht aber verdeutlicht oder gar in Annäherungen bereits bewältigt. Immerhin zeigt es ein nunmehr bereits waches Bewusstsein für das, was hier im Folgenden betrachtet werden soll.

6. Gang der Untersuchung In einem Teil A. wird – in Annäherungen aus verschiedenen dogmatisch geläufigen Richtungen – versucht, dem Begriff einer „Unendlichkeit“ im Staatsrecht inhaltlich näher zu kommen, in negativen wie positiven Umschreibungen, in seinen rechtlich (möglicherweise) relevanten Gegenständen, Formen und Wirkungen. Sodann werden unter B. mehrere Blickrichtungen behandelt, in denen (rechtlich) Unendliches begegnet (Verweisung auf außerrechtliche Materien/Disziplinen, rechtlich Setzung von Unendlichkeit, Rezeption der Faktizität, Regelungsinhalte in rechtlicher Annäherung, Abwägungen von „Unendlichkeit“). Teil C. beschäftigt sich mit den allgemeinen rechtlichen Wirkungen dieser Erscheinungen auf das geltende Staatsrecht der grundgesetzlichen Ordnung. Im Mittelpunkt stehen, durchgehend in unterschiedlichen Konstellationen, zwei Fragen: - „Kennt“ das Staatsrecht „Unendlichkeit(en)“, setzt es solche oder verweist es (nur) auf sie? - Wo immer „Unendlichkeit hineinragt“ in das geltende Staatsrecht – welches sind darin ihre Wirkungen, können sie rechtlich bestimmt werden, näher konkretisiert?

A. Unendlichkeit – Annäherungsversuche an einen staatsrechtlichen Topos I. Rechtliche Betrachtung der Unendlichkeit: Aus dem Recht verdrängt, ins Recht aber „hineinragend“ 1. „Unendliches“ im Grundgesetz – ein dogmatisch verdrängtes Problem Unendlichkeit als Rechtsbegriff – das mag, muss vielleicht offen bleiben. Dass das Wort rechtlich bedeutsame Erscheinungen bezeichnet, von jeher und auch heute, ist jedoch unbestreitbar. Gegenwärtige Rechtskultur ist seit Jahrtausenden monotheistisch geprägt, vor allem alles, was heute als Staatsrecht gilt. Das Grundgesetz steht unter dem Namen Gottes13, des Unendlichen. Der Souverän der geltenden Verfassung, das „Volk“, von dem „alle Gewalt ausgeht“ (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG)14, als dem Träger des gesamten Staatsrechts, ist vielleicht nicht „faktisch unsterblich“, wird aber als ein solches von der Verfassung unterstellt15, in einem grundsätzlich unendlich gleich wirkenden Willen (Art. 79 Abs. 3 GG), der Ausdruck eines „Bekennens“ sein soll16. Dieser begründet die staatsrechtliche Geltung „unverletzlicher und unveräußerlicher Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemein13

„Gott“ in der Präambel des Grundgesetzes; jedenfalls gilt dies im Sinne der monotheistischen Gottesvorstellung der Christen. Diese Unendlichkeit des Einen Gottes, der doch ausdrücklich in der Verfassung erwähnt ist, wird geradezu „weginterpretiert“ dort, wo darin nur eine Absage an eine Hybris menschlicher Selbstgerechtigkeit gesehen wird, vgl. Starck, Chr. in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Präambel Rn. 36 m. Nachw.; Häberle, P., Gott im Verfassungsstaat? FS f. Zeidler, I, 1987, S. 3 (11). Im Schrifttum ist die Bedeutung der Invocatio Dei weithin „ausgespart“ worden. 14 „Alle Gewalt geht vom Volke aus“. Zu den Handlungsformen dieses „Volkes“ vgl. Leisner, W., Das Volk. Realer oder fiktiver Souverän?, 2005, S. 106 ff. 15 Das „Volk“ wird, ganz selbstverständlich, als unsterblich angesehen, obwohl es doch als „natürliche Einheit“ (vgl. Leisner, FN 14, S. 53 ff.), in der Tatsächlichkeit dem Tode seiner Glieder ausgeliefert, in „ständiger Erneuerung“ steht. 16 „Bekennen“, Art. 1 Abs. 2, i. V. m. Art. 79 Abs. 3 GG, ist eben, jedenfalls entsprechend Art. 4 Abs. 1 GG, mehr als eine Auffassung und deren Äußerung. Dahinter steht ein „Leben nach dieser Überzeugung“ (Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 4 Rn. 36), also ein menschliches Verhalten in etwas wie einer Grenzenlosigkeit (BVerfGE 32, 98 (106)), ein Werben dafür in unübersehbaren Formen (BVerfGE 24, 236 (245); 69, 1 (33)). – Zum Bekennen als Unterwerfung unter das Naturrecht vgl. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 1 Rn. 126).

I. Rechtliche Betrachtung der Unendlichkeit

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schaft“ – damit letztlich „des Rechts als solchen“17. Ob man diese „Geltung“ als überzeitlich-ewig geltendes Naturrecht bezeichnet18, es mit einem Gottesbegriff verbindet19 oder nicht, das ist rechtsdogmatisch bedeutungslos. Auch hier ertönt jedenfalls ein verfassungsrechtlicher An-, ein Aufruf zu einer staatsrechtlichen Suche nach „Unendlichkeit“, sei es auch in der unendlich gleichen Ordnung nach einem Schöpferwillen im Hinweis auf eine „Natur“ (vgl. i. Folg. B. II. 3. b)): beides weist in Unendlichkeiten hinein. In der Staatsrechtsdogmatik ist dies alles, damit sind letztlich alle Fundamente der geltenden Staatlichkeit bisher weithin wahrhaft „über-gangen worden“, in einer Weise, welche einem Verdrängungsversuch nahekommt. In den staatsrechtlichen Leit-Werken, den Kommentierungen zum Grundgesetz, wird diesen staatsrechtlichen Begriffen – und es sind doch eindeutig solche – ein verhältnismäßig geringer, oft fast verschwindender Raum nur gewährt, gegenüber breiten Ausführungen zu demgegenüber geistig, politisch-faktisch wahrhaft sekundären Einzelproblemen. Allenthalben fehlt es weithin an Versuchen, für dogmatische Kategorien und Kriterien eine Rückbindung an Unendlichkeits-Werte zu entwickeln, solche wenigstens zur Orientierung von Lösungen einzusetzen. Fast könnte es heißen: Das Deutsche Staatsrecht „schaut weg von allem Unendlichen“, will es nicht sehen, nicht einmal seine Dimension(en); es wird dies, immer still(er)-schweigend, vielleicht noch unterstellt, in jedem Wortsinn aber tief-gesetzt, es wird behütet, wie selbstverständlich, als etwas wie ein rechtliches Kapital ohne Zinsen. Der Wirtschaftsbürger des Grundgesetzes hat keine Zeit nachzudenken über „Généralités“; „was bringen sie denn“ rechtlich, vor allem aber materiell? Gerade der Sozialismus, so lange eine Trutz-Burg grundsätzlichen Denkens, öffnet nun immer weiter seine Tore dem „Wahren“, dem „Leben“. Ist das andere nicht nur ein Nach-Denken, ein „Spekulieren“ in Verfassungsrecht?

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Grundrechte als „unverletzliche Grundlagen“ (Art. 1 Abs. 2 GG), sind ebenfalls im Sinne eines religiös-weltanschaulichen Bekennens zu sehen, nicht etwa (nur) in dem einer universalnormativen Geltung der deutschen Grundrechte, vgl. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 1 Rn. 136. 18 Zu Naturrecht und Staatsrecht vgl. allgemein Dickmann, H.-E., Überpositives Recht als Prüfungsmaßstab im Geltungsbereich des Grundgesetzes, 2006, S. 138 ff. 19 Zu christlichen Naturrechtsvorstellungen nach 1945 s. vor allem Dombois, H., Naturrecht und christliche Existenz, 1952; Messner, J., Das Naturrecht, Handbuch der Gesellschaftsethik, Staatsethik und Wirtschaftsethik, 1984; Demmer, K., Naturrecht und Offenbarung, FS f. Franz Furger, 1995, S. 29 ff.

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A. Unendlichkeit

2. Keine unverändert bleibende, keine „ewige“ Staatswahrheit Von vorne herein, geradezu „aus dem Wesen des Rechts und seiner Geltung“20, konnte es naheliegen, eine „staatsrechtliche Unendlichkeit“ allgemein als Dimension des Rechts, wie auch in konkreten Erscheinungsformen innerhalb desselben, darin zu sehen, dass dort etwas wie „Wahrheit“ gesucht, gefunden, „festgestellt“ werden solle und könne. Gerade aus einer „demokratischen Überzeugung“, oft einer Verfassungsbegeisterung heraus mag derartiges naheliegen. Es ist dies jedoch kein rechtlicher Weg in eine wie immer aufgefasste Unendlichkeit. Insbesondere kann eine Unwandelbarkeit der Geltung von Verfassungsnormen so nicht begründet werden. Ihre Anwendung ist kein Akt intellektueller Erkenntnis, in welcher Wahrheiten wahr-genommen, (an)erkannt werden. Dies hat sich bereits in einer Untersuchung der „Prognose“ gezeigt21. Eine „Staatswahrheit“ gibt es nicht, gerade eine Volksherrschaft kann eine solche nicht anerkennen22. Recht ist und bleibt Befehl, Willensäußerung, seine Geltung reicht so weit wie die politische Willenskraft, die es trägt, nicht in die unendliche Geltung einer als umwandelbar erkannten Wahrheit hinein. Faktisch-politische Alternativlosigkeit einer rechtlichen Gestaltung in einer bestimmten Periode, etwa die „Wahrheit“ einer parlamentarisch absoluten Wahldemokratie, hat keinen Wahrheitsgehalt dieser Staatsform zur Folge, kann also auch nicht in eine Unendlichkeitsdimension erkannter Wahrheit(en) hineinführen.

3. Und doch: Ins Recht hineinragende Unendlichkeit, inhaltlich, sektoral konzentriert Bei der Untersuchung der Bedeutung einer Unendlichkeit im Staatsrecht muss von Folgendem ausgegangen werden: Der Begriff des Unendlichen als solchen, in welchem Verständnis, in welcher Wirkung immer er rechtlich betrachtet werden soll, steht in einer unauflöslichen Spannung zum „definierenden, nur insoweit diktierenden“ Recht. Wo immer er semantisch, rechtlich gewendet, beschreibend Anwendung findet, begegnen, so scheint es, wesentlich rechtsfreie Räume, Bereiche, aus deren Ordnung, Gestaltung, Beeinflussung sich „das Recht heraushält“, sich in Selbst-Bescheidung zurückzieht. Unendlichkeit bedeutet Nicht-Rechtlichkeit, einen Outer Space gerade für das höchstrangige Staatsrecht. Es mag ordnend ausgreifen in diesen unendlichen Raum, ihn bestimmend erfassen, aber nur im „letzten Saum seines Kleides“, wie es Goethe gegenüber dem Allmächtigen Heiligen Vater-Gott genannt hat; ein „rechtlicher Schauder“ tritt auch hier nicht zurück: Das Unendliche 20

Dazu näher unten unter IV. Vgl. Leisner, W., Prognose im Staatsrecht, FN 10: erkennbar nur als intellektuell feststellende Vorbereitung einer stets gegenwärtigen Setzung von Recht, S. 29 ff. 22 In Wahrheit ist dies ein Machtphänomen, s. dazu grds. Leisner, W., Die Staatswahrheit. Macht zwischen Wille und Erkenntnis, 1999, insb. S. 148 ff. 21

II. Die Dimensionen der Wahrnehmung des „Unendlichen“ im Recht

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„ragt hinein in die Endlichkeit“ – ein schönes sprachliches Bild –, wie weit das Recht diese in ordnenden Ausgriffen auch erweitern mag. Diese ins Recht hineinragende Unendlichkeit kann aber immerhin juristisch betrachtet werden: in ihren rechtlichen Wirkungen, überall dort, wo der politische Wille in sie hinaus-greift; als solche muss sie jedoch stets geachtet werden. Staatsrechtlich beschreibbar mag sie sein, erfassbar rechtlich ist sie als solche und insgesamt, grundsätzlich nicht. Sektoral werden aus ihr nicht Fern-Wirkungen, wohl aber „Wirkungen aus Fernen“ rechtlich fassbar, in ihren juristischen Effekten auf die vom Recht bestimmten Regelungsgegenstände, bei deren Ordnung diese Ferne damit eben doch „unendlich“ mitwirkt. Das deutlichste Beispiel ist wohl Anerkennung und Achtung des monotheistischen Glaubens an göttliche Allmacht im Staatskirchenrecht der Demokratie, rezipiert, verrechtlicht sektoral in dessen Ordnungsbereichen. Hier wird „Hineinragen“ zum „Hineinnehmen“ des Unendlichen als solchen, mit all seinen endlichen Wirkungen, auf und über die Gläubigen, in das geltende Staatsrecht. Solchen Formen und Inhalten einer „Rezeption des Unendlichen“ in einem weiten Sinn23 gehen die folgenden Untersuchungen nach. Ihr Gegenstand, ihre Aufgabe ist etwas wie eine kritische Betrachtung der rechtlichen Begrenzungsdogmatik, gerade im Staatsrecht. Sie muss zunächst in ihren allgemeinen Begrifflichkeiten versucht werden (i. Folg. II. bis V.), bevor sodann die konkreten verfassungsrechtlichen Erscheinungen in den Blick genommen werden (i. Folg. B. ff)), in denen das Unendliche konkreter ordnend wirkt. Begünstigt, ja fordert nicht gerade die demokratische Staatsform dies, in ihrer Freiheit und in deren, in Erkenntnisskepsis proklamierter, Öffnung zum „Menschen“, der kleinsten, darin eben undurchdringlichen Entscheidungs-Monade des Staatsrechts – den aber die Volksherrschaft gerade in dieser seiner unendlich kleinen Unendlichkeit zu ihrem Träger macht24?

II. Die Dimensionen der Wahrnehmung des „Unendlichen“ im Recht 1. Das „Unendliche“ in Wahrnehmung, als Wahrnehmbarkeit – als Rechtsbegriff? Das Recht hält das fest, was in der Gnoseologie als menschliche „Wahrnehmung“ bezeichnet wird; es findet für sie kommunikativ wirkungsfähige Formen, ordnet in diesen und durch sie in bindenden Anordnungen, deren Voraussetzungen, Inhalten 23 Zum Begriff der „Rezeption“ im Zusammenhang mit dem Römischen Recht s. neuerdings Berman, H. J./Reid, Ch., Römisches Recht in Europa und das ius commune, ZEuP, 1995, S. 3 ff.; Schildt, B., Die Rezeption des Römischen Rechts, Jura, 2003, S. 450 ff. 24 Darin setzen sich im Folgenden die Betrachtungen zu einem „Personalismus“ im Staatsrecht fort, vgl. Leisner, W., Personalismus, FN 8, insb. S. 57 ff., 88 ff.

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A. Unendlichkeit

und Begrenzungen. Dies gilt auch, ja vor allem, für das Staatsrecht; gerade in seiner gegenwärtigen grundgesetzlichen Form will es mehr sein als eine Erscheinungsform von Äußerungen „unmittelbar geltenden Rechts“ (Art. 1 Abs. 3 GG). Und weit hinaus über den hier ausdrücklich genannten Bereich der Grundrechte erklärt es sich damit als „normativ geltend“ (vgl. näher dazu i. Folg. IV.), und sei es auch (nur) in programmatischer Form25. Wahrnehmbarkeit muss also den rechtlichen Regelungen, nach deren allgemeinen Dimensionen wie in ihren Einzelbestimmungen, eigen sein, im Sinne der philosophischen Erkenntnislehre. Dies entspricht denn auch dem Selbstverständnis gerade der grundgesetzlichen Ordnung in deren Fundamentalprinzip der Rechtsstaatlichkeit; sie erfordert eine „Klarheit und Bestimmtheit“26, welche Wahrnehmung in Wahrnehmbarkeit voraussetzt. Muss, kann überhaupt das „Unendliche ein Rechtsbegriff sein“, irgendeine „Kommunikationsdimension“ bezeichnen? Die Frage wird hier bejaht. „Unendlichkeit“, „Grenzenlosigkeit“ ist ein Begriff des als solchen wesentlich (unter-) scheidenden Rechts27. Mögen einzelne Inhalte als solche – geradezu begrifflich – unbestimmbar sein, auch im Recht bleiben müssen, so ist das Unendliche doch, in seinen Wirkungen auf die staatsrechtlichen Regelungen (i. Folg. C.), global wie gerade auch in der unterscheidenden Ordnung seiner hier auftretenden Erscheinungen, dogmatisch erfassbar (i. Folg. B.), und es können dafür auch Beispiele im Verfassungsrecht des Grundgesetzes aufgezeigt werden.

2. Die Dimensionen des menschlichen Erkennens als „Blickrichtungen“ auf das Unendliche, „Raum, Zeit, Kausalität“ Wenn also „das Unendliche“, entgegen einem ersten Eindruck, immerhin etwas wie einen Rechtsbegriff darstellt, so muss dieser auch, als „Erscheinung in Wahrnehmbarkeit“, näher erfasst werden, in den Richtungen, in welchen alle menschliche Wahrnehmung abläuft. Hierzu darf auf die aller Erkenntnislehre zugrundeliegenden drei kantischen Kategorien „Raum, Zeit, Kausalität“ verwiesen werden. Ebenso wie für die „Rechts-Wirkungen“ auf den Kategorischen Imperativ der Ethik des Königsberger Philosophen Bezug zu nehmen war28, so kann hier für die „Erfassbarkeit“ auf die erkenntnistheoretischen Grundlagen dieser Gedankenwelt zurückgegriffen

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Dazu näher Leisner, Prognose FN 10, zur Programmatizität, insb. S. 67 ff. Klarheit und Bestimmtheit des Rechts als dessen Wesenszug, s. dazu Sommermann, FN 1 m. Nachw. Rn. 287 ff. 27 Vgl. Einleitung 1. 28 Zum Kategorischen Imperativ vgl. Leisner, Personalismus FN 24, S. 76 ff. 26

III. Das „Unendliche“ und die „Grenzen/Schranken“ des Rechts

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werden; ihre Einzelheiten, nach dem letzten Stand der rechtsphilosophischen Forschung29, können hier allerdings nicht näher beleuchtet werden. Dies bedeutet, dass „Unendlichkeit“ in den erwähnten drei Wirkungsrichtungen im Staatsrecht Gegenstand der folgenden Betrachtungen sein wird: Hinsichtlich der (möglichen) Gegenstände seiner Regelungen (Raum), nach der Dauer von deren Geltung (Zeit) sowie nach den Wirkungen, welche das Unendliche (Un-Ab-Gegrenzte) in diesen beiden Dimensionen auf das geltende Recht und über dasselbe hervorbringt, auslösen kann.

III. Das „Unendliche“ und die „Grenzen/Schranken“ des Rechts 1. Nicht „Unbegrenzbares“: (bisher) Unbegrenztes als „rechtlich Unendliches“ Das Recht, insbesondere das Staatsrecht, „kennt“ das „(rechtlich) Unbegrenzte“ im Sinne von Inhalten, Geltungs-Zeiten und Rechtswirkungen, die als solche in der positiven Rechtsordnung, nach deren Anordnungen, in den bestimmten Rechtsformen der jeweiligen „Rechtslage“, (noch) keinen rechtlichen Grenzen/Schranken unterliegen. Solche Grenzenlosigkeit kann auch im Wesen des Begriffsinhalts liegen, den das (Staats-)Recht in seine Ordnungen „hineinnimmt“ – rezipiert. „Grenzenlosigkeit“ kann damit in jeder der vorstehend (II. 2.) dargelegten, durch die menschlichen Erkenntnismöglichkeiten bestimmten Richtungen, zu einer rechtlichen Erscheinung, damit rechtsbegrifflich wenn nicht abgegrenzt bestimmt, so doch kennzeichnungsfähig werden: Räumlichkeit etwa eindrucksvoll in der Unendlichkeit des „Weltraumes“30, in der Vorstellung von einer „allmächtigen Göttlichkeit“ nach Staatskirchenrecht, oder auch im „Totalen Staat“, in dessen „staatlicher Allmacht“. Werden solche Worte im Staatsrecht gebraucht, so liegt darin zwingend, logisch-begrifflich – Unendlichkeit. Durch diese Rezeptionen des Unbegrenzten setzt sich das staatliche Recht selbst Schranken in seiner ordnenden Allmacht: Das Recht verzichtet in Selbstbeschränkung auf eigene „ordnend-aktuelle“ Wirksamkeit. Es kann aber immerhin eine solche in Anspruch nehmen, soweit es das rechtlich Unendliche als etwas sieht, was „nur noch nicht rechtlich erfasst“ worden ist. Damit wird das Grenzenlose zum „(noch) Unbegrenzten“; die Staatsmacht behält sich ordnendes Ausgreifen in diese Bereiche gegenständlich, zeitlich, wirkungsmäßig/ 29

Zur Erkenntnistheorie Kants in rechtsphilosophischer Sicht, s. Byrd, S./Hruschka, J./ Joerden, J., Recht und Sittlichkeit bei Kant, Jahrbuch für Recht und Ethik, Bd. 14, Berlin 2006; Dreier, R., Bemerkungen zur Rechtserkenntnistheorie, Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz 1979, S. 89 ff. (Rechtstheorie, Beiheft 1). 30 Zum Begriff des „Weltraums“ s. v. Arnauld, A., Völkerrecht, 2. Aufl. 2014, Rn. 838 ff.; Herdegen, M., Völkerrecht, 14. Aufl. 2015, § 32.

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A. Unendlichkeit

kausal vor. Diese „letzte Grenze“ setzt sie sich jeweils selbst in ihrem konkreten Geltungsanspruch, und in der diesem Recht wesentlichen, ausschließlich es konstituierenden zeitlichen Gegenwart31. Das Unendliche ist dann als ein Rechtsbegriff nicht im Sinne eines wesentlich Unbegrenzbaren vorstellbar – eine solche Begrifflichkeit, mit ihr bezeichnete Erscheinungen könnte das Recht in der Tat nicht (an) erkennen. Unendlichkeit ist vielmehr ein Wort für das, was das Recht „als ein (noch) nicht näher Begrenztes, durchaus aber grundsätzlich Begrenzbares, Regelbares, Verbietbares“, in seine Ordnung in der alles rechtlich entscheidenden Gegenwart jeweils rezipiert hat.

2. Begrenzungsformen, „rechtliche Schranken“ und „Unendliches“; Virtualität „Das Unendliche“ kann als solches nicht durch „Formen“, vor allem nicht solche des Rechts, näher bestimmt werden. Die generell-begrifflichen Abgrenzungen des Allgemeinen Sprachgebrauchs32, wie auch spezielle (staats-)rechtliche Formen der Schrankenziehung, mögen zwar Hinweise darauf geben, wo jeweils „die Unendlichkeit“, der Outer Space für rechtliche Betrachtung beginnt, „einsetzt“. Ob solche rechtlichen Schranken aber über Dimensionen, Inhalte, Wirkungsweisen dieses Unendlichen etwas aussagen, ist eine andere Frage. Kann „aus dem rechtlich Erkannten, Geregelten heraus“ das (bisher) Unerkannte rechtlich erfasst werden, inhaltlich, zeitlich, in seinen (möglichen) Wirkungsweisen auf das (bereits) rechtlich Geordnete? Diese Frage kann als „Problematik des Virtuellen als rechtlich Geordnetes“, als eine solche nach bereits vorhandenen aber „noch nicht aus dem Recht entbundenen“ Ordnungskräften bezeichnet werden. Letztlich ist es die Frage nach dem Unendlichen als dem rechtlich Möglichen. Es begegnet dies in ganz unterschiedlichen (staats-)rechtsdogmatischen Topois, sogar ausdrücklich: etwa in positivrechtlicher Setzung einer „Mutterrechtlichkeit“, welche „neue rechtliche Begriffsinhalte und Wirkungsweisen geradezu grenzenlos aus sich hervorbringt“, etwa in Art. 2 Abs. 1 GG33. Gleiches gilt aber wohl grundsätzlich auch darin, dass eben alles nicht Geregelte, Geordnete, Verbotene „rechtlich möglich ist“. Das rechtlich nicht Geregelte als rechtlich Mögliches, Regelbares zeigt also im Begriff der Virtualität, der Potenzialität, der (vielleicht noch einmal später aus ihm wirkenden) Regelungskräfte, Räume, Gegenstände, welche zu dem unendlichen Bereich des „Regelbaren Möglichen“ gehören. 31 Zur Bedeutung der rechtlichen Betrachtung in einem „gegenwärtigen Ordnen“ s. Leisner, W., Prognose FN 10. 32 Zum „Allgemeinen Sprachgebrauch“ bei der Auslegung; Vogel, J., Juristische Methodik, 1998, S. 115 ff.; Kling, M., Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr, 2008, S. 561 ff. 33 Zur „Mutterrechtlichkeit“ FN 2. Gerade in dem Vorgang eines virtuell unbegrenzten, ständig neuen Hervorbringens von Rechtsinhalten wird sie zu wenig beachtet.

III. Das „Unendliche“ und die „Grenzen/Schranken“ des Rechts

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In diesen Raum greift nun das Recht laufend insbesondere in einer Weise hinaus: seine eigenen Regelungsräume erweiternd oder begrenzend, in der Wirkung des Rechtstopos der Auslegung.

3. Auslegung als Konkretisierung des als geltend Gesetzten Interpretation lässt sich, bei allen Rechtsbegriffen, die ihre Gegenstände bieten, „immer weiter fortsetzen“, in dem Sinn, dass alle ihre Ergebnisse wiederum immer weiterer Auslegung grundsätzlich zugänglich sind. Insoweit wird dann von einer „unendlichen Auslegung“34 gesprochen – eben in eine „Unendlichkeit möglicher, rechtlich regelnder Begriffsbestimmungen“ hinein –, von Übernahmen dieses methodisch Unendlichen in begrenzte Rechtsergebnisse nach geltendem Recht. Der Begriff der „Konkretisierung“35 von rechtlichen Regelungsinhalten ist ein weiterer Topos, insbesondere im Staatsrecht, für fortdenkende Gedankenoperationen. Grenzen sind dieser Auslegung, als Entfaltung von Rechtsregelungen in bisher nicht Bestimmtes hinein, zwar vielleicht „nach außen“ („extensiv“) gesetzt, durch bereits klare, nicht mehr auslegungsfähige begrifflich-inhaltliche Schranken des jeweiligen Regelungsgegenstandes, durch in ihnen feststellbaren Rechtswillen. Auch solche rechtliche Begrenzungen einer Auslegung können aber „intensiv“, in immer weiterer Präzision, Verfeinerungen der Rechtsgeltung in einer geradezu unendlichen Perfektionierung gestatten. Eine systematische Kategorie für derartige „unendliche Verdeutlichung/Konkretisierungsbemühungen“ bietet die kelsenische Normstufendogmatik36 in ihren Regelungsvorstellungen in „Delegation“. Ihnen ist eine Grenze nicht gesetzt, in ihrem Absteigen aus der „Grundnorm“37 bis in die norm-niederste Setzung, ja bereits in die „Einzelentscheidung“ der Verwaltung oder der Gerichtsbarkeit in ihrem normativen Regelungsgehalt, einer immer weiteren (schier) „unendlichen Verfeinerung der Rechtsausformung“, in etwas wie „Interpretationen“ von Normen durch Normenausführung. Darin tritt also, jedenfalls insoweit, „Unendlichkeit“ rechtlich in Erscheinung. Es müssen, es können diese rechtlichen Formen einer „unendlichen Konkretisierung“ nicht erschöpft, ja sie müssen nicht einmal angewendet werden – sie bezeichnen immerhin Möglichkeiten, Virtualitäten, darin „Unendlichkeiten der 34 Zur „Unendlichen Auslegung“ s. grdl. Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 7. Aufl., Tübingen 2012; Rüthers, B./Fischer, Chr./Birk, A., Rechtstheorie, 8. Aufl. 2015, §§ 5, 22; Zippelius, R., Methodenlehre des Rechts, 11. Aufl. 2012, III. 35 „Konkretisierungen“ wirken hier in den Formen der Begrifflichkeitsdogmatik der Allgemeinen Rechtslehre. 36 Zur Normstufendogmatik s. Leisner, Personalismus, FN 24, S. 33 ff., 39 f., sowie im Folgenden IV. 2. b). 37 Zur „Grundnorm“ vgl. Kelsen, H., Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 250 ff.

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A. Unendlichkeit

Begrenzung(sform)en“, inhaltlich wie formal. Verdeutlichungen zeigen sich in den grenzenlosen „Möglichkeiten der (näheren) Inhaltsbestimmung durch Rechtsformen“. Rechtlich, inhaltlich oder methodisch bereits Bestimmtes wird zur „Öffnung des Rechts zu unendlichen grundsätzlich unbestimmbaren Horizonten rechtlicher Ordnung(smöglichkeit)en“. Darin ist das Recht laufend, theoretisch wie praktisch, „unterwegs“, in all seinen Geltungsrichtungen – in Unendliches hinein.

IV. „Unendlichkeit“ und „rechtliche Geltung“ 1. Geltung als Wille „Nos autem semper in infinitum …“38: Rechtlich kann dies nur ergänzt werden durch „streben“ – also „wollen“. Angesprochen wird damit der Wille im Recht, insbesondere rechtlicher Voluntarismus als Staatsgrundlage, „Staatsrechtfertigung“. Norm wie Einzelbefehl als Geltungsform einer Willens-Macht, als Wesen des Staatsrechts als eines „Willens zur Macht“ – davon muss alle Allgemeine Staatslehre stets letztlich ausgehen, da sie ihre Basis ja nicht finden kann in einer intellektuellen Wahrheitssuche39. Dies hat sich denn auch in allen, bis heute grundsätzlich fortwirkenden, Systemen der „klassischen“ Allgemeinen Staatslehre, seit ihren Ursprüngen in der Weimarer Zeit stets gezeigt40. Integrationslehre beschreibt – und bedeutet – Zusammenführung von Willenskräften in ein „wirkendes“ Staatsrechtssystem; darin ist sie Grundlage einer demokratischen Staatstheorie. Der Dezisionismus baut geradezu begrifflich auf dem konkreten Willen auf, welcher politisch die staatlichen Entscheidungen trägt. Selbst die „wirklichkeitsentrückte“ Normenwelt der Reinen Rechtslehre bedeutet dazu keinen Widerspruch: Hier wird nur das logisch-begriffliche Ordnungsgerüst geboten für die Erkenntnis und Anwendbarkeit der rechtlichen Folgen von zu Recht gewordenen Willenskräften, mit denen sich aber der Kelsenianismus ja nicht beschäftigt. Insoweit sollten in diese „Staatstheorien“ nicht grundsätzliche Widersprüche hinein-interpretiert werden; rechtlicher Gestaltungswille ist ihnen allen Ausgangspunkt und Grundlage. Dieser „Wille“ muss nun gesehen werden in (s)einer (möglichen) Unendlichkeitsdimension.

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Zu diesem Wort s. Einleitung, 2. Nicht Wahrheitssuche ist Staatsgrundlage, sondern entscheidender Wille, vgl. I. 2., sowie FN 22. 40 Dies zeigt eine Betrachtung der Lehren der klassischen Vertreter der Allgemeinen Staatslehre zur Weimarer Zeit, vgl. Leisner, W., Institutionelle Evolution. Grundlinien einer Allgemeinen Staatslehre, 2012, S. 29 ff. 39

IV. „Unendlichkeit“ und „rechtliche Geltung“

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2. „Unendlicher Wille“ im Staatsrecht? a) Diese Frage ist sowohl inhaltlich zu stellen – ist „Willensgeltung unendlichkeitsfähig?“ – als auch von den Äußerungsformen des staatsrechtlichen Willens aus betrachtet. Der Geltungsbegriff erscheint insoweit als „unendlichkeitsfähig“, als er sich gegenständlich-räumlich grundsätzlich auf alles richten, alles in Ordnung regeln kann, was aus Sicht seiner Willensträger überhaupt erfassbar ist. Begrifflich sind etwa rechtliche Regelungen auch für ein „Weltall“ vorstellbar, welches als unendlich aufgefasst wird – etwa in Gewährung oder in Ausschluss wesentlicher Nutzungsrechte dieser Räume. Gegenstand eines Willens kann das „unendlich Große“ wie „das unendlich Kleine“ gleichermaßen sein – immer allerdings unter dem Vorbehalt der Feststellbarkeit – aber nicht der des „Gegenstandes insgesamt“, in seiner Grenzenlosigkeit, sondern nur der eines aus ihm jeweils in rechtlicher Regelung Herausgegriffenen. In gleicher Weise kann eine zeitliche Unendlichkeit rechtlich festgelegt werden – in der Unabänderlichkeit des jeweiligen Rechtsinhalts. Schließlich können auch die Wirkungen dieses insoweit regelbaren Unendlichen auf Regelungsgegenstände in virtueller Unbegrenztheit (vgl. III. 2.) von einem rechtlichen Willen jedenfalls insoweit erfasst werden, als er sich global auf sie beziehen kann, einschlussweise. b) Dieser grundsätzlichen Möglichkeit eines unendlichen Wirkens menschlicher, damit auch staatlicher41 Willensentscheidung kann zwar deren wesentliche Abänderbarkeit entgegengehalten werden. Das Recht geht von ihr aus, in der jederzeitigen, ebenso bindenden Wirkung des actus contrarius zu jeder Regelungsform; Gesetztes kann stets aufgehoben, Verweisungen können rückgängig gemacht werden. Geltung „bis auf Weiteres“42, als eine Wirkung unbegrenzt bis zu einem Widerruf, erscheint, nach Allgemeiner Rechtslehre jedenfalls, geradezu als eine Grundform, als eine wesensbestimmende Denkkategorie des Rechts als solchen. Dieses mag, aus seinen Vorstellungen von einer (Un-)Sittlichkeit heraus, unauflösliche laufende Bindungen, eben als unsittlich nicht kennen wollen43. Es akzeptiert aber endgültige rechtliche Wirksamkeiten in allen Fällen nicht mehr anfechtbarer Willenserklärungen und rechtskräftiger Entscheidungen. Im Staatskirchenrecht bewegt sich das Verfassungsrecht noch weiter in Richtung auf rechtliche Anerkennung einer unendlichen Wirkung einmal getroffener Willensentscheidungen: Die katholischen Sakramente stellen sich, etwa in der Taufe als Grundlage einer Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft44, als „unauslöschliche Merkmale“ grenzenloser Wirkungen von Glaubensentscheidungen dar. Hier muss auch der Staat die 41 „Mensch handelnd wie Staat“, in der Unendlichkeitsfähigkeit des Willens; dazu Leisner, Personalismus, FN 24, S. 60 f. 42 „Geltung bis auf Weiteres“, vgl. Leisner, Personalismus, FN 24, S. 107 ff. 43 Zur Unauflöslichkeit der Bindung im Zivilrecht und einer möglichen Unsittlichkeit derselben ist stets zurückzugreifen auf § 138 BGB. 44 Die Ehe wird immerhin durch den Tod aufgelöst, obwohl ihre Subjekte der Bindung, nach religiösen Vorstellungen, fortdauern.

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A. Unendlichkeit

Unwiderruflichkeit, damit die Endlosigkeit einer Wirkung jedenfalls insoweit anerkennen, als die Kirche eine solche für ihren Entscheidungsbereich zugrundelegt. Kirchensteuer kann zwar nach staatlichem Recht nicht „ewig“ beigetrieben werden. Ihre Verweigerung darf aber – unbegrenzt – als „Todsünde“, zu kirchlichen Sanktionen führen, welche der Staat dann nicht etwa im Namen eines ordre public ignorieren, etwa gar wirkungslos machen darf. Die Vorstellung von einem zeitlich unendlich wirkenden Bindungswillen steht also, jedenfalls begrifflich, dem staatlichen Verfassungsrecht nicht entgegen. Ein „ewiges Gelübde“ darf darin abgelegt, als Versprechen in die Hände eines unendlichen Gottes gelegt werden – warum soll derartiges nicht auch auf Erden gewollt werden können, als rechtlich bindend möglich sein? Dass staatliches Recht diese Bindung nicht durchsetzt, ändert begrifflich nichts daran, dass diese, für eine „zeitliche Unendlichkeit“ aus der Ordnung des rezipierten Kirchenrechts, eben von einem „Willen der Gegenwart“ erfasst wird, auf den es ja rechtlich allein ankommt45: Solange nicht widerrufen wird, bleibt der rechtliche Wille eben bestehen, auch rechtlich bindend, im staatlichen Bereich bestandskräftig oder gar rechtskräftig, im kirchlichen Raum aus dessen dort vorgeschriebener rechtlicher Unendlichkeit heraus. Widerruf bleibt, solange ein solcher nicht erfolgt, thomistisch gesprochen, „in potentia“, in actu dagegen wirkt sogar ein Wille zeitlich für die ganze „menschliche Unendlichkeit“; und dies muss dann auch für seine räumliche Gegenständlichkeit gelten wie für seine kausale Wirkmächtigkeit. Fazit: Rechtsbegrifflich ist der menschliche Wille „unendlichkeitsfähig“, jedenfalls aus juristischen Geltungsvorstellungen heraus.

3. Verweisung als „Rezeption“ des Unendlichen in Rechtsgeltung a) Die Geltungskraft des menschlichen Willens in einem „sich ewig Binden“ – jedenfalls solange dessen Subjekt existent ist – damit die „willensmäßige Erfassbarkeit des Unendlichen im Staatsrecht“, beschränkt sich zwar stets nur gegenständlich auf das jeweils Gewollte (vgl. I. 3.), auf den „Gegenstand des Willens“, des von ihm bestimmten menschlichen Verhaltens. Dieser Wille ist jedoch auf alles beziehbar, und jeweils aktuell bezogen, was eben das Gewollte beinhaltet: also auf all das, worauf der Wille verweist, verweisen will. In der „Unendlichkeit des Verwiesenen“, nach Inhalt, Zeit und Kausalität, kann also der rechtliche Wille durchaus auch als solcher „unendlichkeitsfähig“ sein. Alles ins Recht Übernommene wird „durch diese Willens-Berührung zu Recht“, so könnte man in Übertragung der antiken Sage von jenem Midas sagen, der durch seine Berührung alles zu Gold werden ließ. Also steht über den Tempeln des Rechts nicht nur jenes „Lasciate ogni speranza“ der 45 Allein diese Gegenwart ist ja, willensmäßig jedenfalls, entscheidend, vgl. Leisner, Prognose, FN 10 passim.

V. Methodik des Rechts und Unendlichkeit

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Hölle, das den Verdammten in ewigen Qualen hält. Vielmehr ist hier auch stets jenes Hoffnungswort der „Änderung“, der göttlichen, und staatlichen, Güte zu lesen, das in Unendlichkeit weist, wesentlich „unendlich ist“: Das Unendliche geht in der Form der Rezeption ein ins Recht, in dessen Staat(sgewalt). b) Fraglich bleibt allerdings noch, ob der Rezeptionsbegriff bereits eine Rechtsförmigkeit des so ins Recht Übernommenen verlangt, hier also die „Staatsförmigkeit“ der Unendlichkeit, welche dieser wesentlich eigen war, bevor sie von der Staatsgewalt in Staatlichkeit übernommen wurde. Die Rezeption des Römischen Rechts46, welche diesen Begriff für den Bereich des Juristischen ein für alle Mal geprägt hat, mag für eine notwendige Rechtsförmigkeit „verwiesener Unendlichkeit“ ins Staatsrecht sprechen; diese mag dann ihrerseits wiederum problematisch erscheinen, aus der Spannung zwischen dem alles wesentlich bestimmenden, begrenzenden – eben verendlichenden – Recht (vgl. E. 1.) und allem Unendlichen. Etwas wie eine jeder Rezeption ins Recht praeexistente Rechtsförmigkeit des zu Übernehmenden kann also begrifflich nicht verlangt werden; andernfalls könnte ja nicht rechtswirksam auf Faktenlagen und deren Entwicklungen durch das Recht verwiesen werden, ebenso wenig auf einen „Allgemeinen Sprachgebrauch“ bei der Festlegung von Rechtsbegriffen47. Das ganze Recht der Verweisungen müsste dann neu überdacht werden. Dem gegenüber muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass rechtsförmig alles „an sich Außerrechtliche“ schon allein dadurch wird, dass darauf jeweils in einer Rezeption verwiesen wird. Zugrundezulegen ist daher im Folgenden, dass „Unendlichkeit“, in ihren verschiedenen Richtungen und Ausprägungen, als solche ein Rechtsbegriff sein kann, im Sinne einer Grenzenlosigkeit, jedenfalls soweit ihren Wirkungen rechtlich durch den sie tragenden Willen Grenzen (noch) nicht gesetzt sind. In diesem Sinn kann dann auch „in Unendlichkeiten (hinaus-)verwiesen“ werden.

V. Methodik des Rechts und Unendlichkeit 1. Methode als „unendlicher Erfassungsvorgang“ Rechtliche Untersuchung und Gestaltung mag weithin, ja wesentlich, begrenzte, darin bis ins Einzelne bestimmbare Ergebnisse anstreben. Es werden dazu jedoch Methoden eingesetzt, denen etwas eigen ist wie ein „Zug in infinitum“. „Immer weiter verfolgbar“ sind ja methodische Bemühungen in all ihren Formen. Ob „dem Methodischen als solchem“, damit jeder Methode an sich, „etwas Grenzenloses“ eigen oder gar wesentlich ist, jedenfalls in seiner Anwendbarkeit – diese Frage mag hier offen bleiben. Das Recht könnte darin „in Öffnung“ vorgestellt werden, nicht nur zu anderen Disziplinen, in denen derartiges ebenfalls begegnet. Es läge darin dann 46 47

Zur „Rezeption“ vgl. FN 23, sowie im Folgenden B. II. Zum Allgemeinen Sprachgebrauch s. FN 32.

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A. Unendlichkeit

etwas wie eine „Unendlichkeit der methodischen Denkformen“ des Denkens als solchen, in seinem methodischen Erfassungsvermögen, grundsätzlich in seinen Gestaltungskräften. Jedenfalls zielt jede Methode, auch und vor allem die ausgebaute Methodik des Rechts48, auf eine inhaltliche, zeitliche und wirkungsmäßige Erfassung ihrer Gegenstände, in der sie einen (laufenden) Fortschritt anstrebt, einen progressus in infinitum. Damit wird die Unendlichkeitsdimension gewissermaßen „hineingetragen“ in die Gegenstände des „Erkennens“, durch die Methodik ihrer Erfassung. Erkenntnisobjekte werden in ihr als solche damit oft „unendlich groß“, jedenfalls aber in ihrer Kleinheit als unendliche deutlich, in deren grundsätzlich grenzenloser Präzision(sannäherung) der Erfassung. Das in ihnen jeweils liegende unendlich Große wie grenzenlos Kleine kommt aus der Unendlichkeitskraft/wirkung der Methode als solcher. Sie lässt alles in ihr Betrachtete unendlich werden, erscheinen, erahnen. Insoweit ist also alles rechtlich Erkennbare, Erfassbare geöffnet zu einer Unendlichkeit, die alle Betrachtung in eine Unendlichkeitsdimension heben kann.

2. Induktion – Deduktion a) Induktiver Erfassung von Rechtsinhalten sind, gerade im Staatsrecht mit seinen schier „grenzenlos-weiten Ausgriffsmöglichkeiten“, Schranken kaum gesetzt49. „Immer noch etwas sorgfältiger“ kann verfahren, „immer noch etwas weiter“ ausgegriffen, die Basis des Erkennens darin geradezu schrankenlos erweitert werden. Damit ist dann, ganz deutlich, ein Streben nach einer ebensolchen Inhaltserweiterung des derart Erkannten verbunden. Rechtswissenschaftlicher Betrachtung ist dies wesentlich, ja für sie typusbestimmend. Aber auch die rechtspraktische Anwendung begegnet hier grundsätzlich keinen Grenzen: Sie kann sich darin immer noch mehr verfeinern, ihre (Entscheidungs-)Gegenstände extensiv wie intensiv immer noch weiter und noch genauer zu bestimmen suchen. Nachdem dieselben aber erst in dieser ihrer Erfassung „sind“, existieren, gewinnen sie damit die Dimension einer inhaltlich/zeitlich/wirkungsmäßigen Unendlichkeit in der Welt des Rechts. Dass diese an das jeweilige menschliche Erkenntnisvermögen geknüpft ist, ändert nichts daran, dass sie als „Begriffshorizont“, i. S. eines sich verlierenden Hintergrunds, wirksam werden kann, dynamisch entsprechende Anstrengungen nach sich zieht, in Annäherungsstreben.

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Zur Rechtsmethodik, vgl. neuerdings allgemein Vesting, Th., Rechtstheorie, München, 2007; Hager, G., Rechtsmethoden in Europa, Thübingen, 2008; Zippelius, R., Methodenlehre des Rechts, 11. Aufl. 2012. 49 Zur Induktion s. Leisner, Institutionelle Evolution FN 40, S. 82 ff.

V. Methodik des Rechts und Unendlichkeit

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b) Deduktion50 führt zwar rechtlich nicht in Unendlichkeits-Dimensionen hinein, kommt aber letztlich aus einer solchen heraus und will in einen anderen derartigen Raum i. w. S. hineinführen. „System“51 ist im Recht ein Begriff für eine aus Induktion gewonnene, aber bereits zur Einheit integrierte Denkform; schon aus dieser ihrer Entstehung heraus liegt in ihr etwas von der induktiven Unendlichkeit (vgl. a)). Es ist dies weiter fortsetzbar, potenzierbar mit der gedanklichen Kraft eines zusammenordnenden Denkens, welches das System schafft, dieses zu einem endlichen für geradezu Unendliches werden lässt. Die Wirkungen des systematischen Denkens führen sodann weiter in Unendlichkeit des Erkennungsstrebens und seiner Dimension (vgl. 1.). So ist darin Systematik etwas wie eine potenzierende Durchgangsphase des Rechts, auf dessen Weg „von Ewigkeit zu Ewigkeit“, wie es tief-sinnig in zeitlicher Einkleidung des Unendlichen im kirchlichen Gebetsabschluss ausgedrückt wird. Man ist daher fasst versucht, aus rechtlicher Sicht vom Grenzenlosen zu sagen: Und wenn es als solches auch unerkennbar bleibt, „so hat es doch Methode …“ (hervorgebracht). Als eine eminent methodische Disziplin, zu Zeiten sich in deren Betrachtung selbstbespiegelnd verlierend, bewegt sich die Jurisprudenz daher in unendlichen Dimensionen.

3. „Unendliche Auslegung“ – Formale „Verunendlichung“ der Rechtsinhalte Die methodische Suche nach dem Unendlichen im Recht führt zu einem dogmatischen Phänomen, welches als solches zwar bekannt, in seinen Hintergründen wie seinen Wirkungen, vor allem im Staatsrecht, aber noch längst nicht voll ergründet ist: zur sog. „unendlichen Auslegung“, wie bereits im allgemeinen Zusammenhang mit der Betrachtung der Interpretation erwähnt. Ausgelegt werden alle rechtsrelevanten Äußerungen, von der Norm bis zur einzelnen Willenserklärung jedes Rechtssubjekts. Alle diese Interpretationsgegenstände sind aber sogleich auch ihrerseits wieder Objekte weiterer Auslegung, ebenso wieder deren Ergebnisse usw. usf. – in infinitum. Dabei beschäftigen sich diese Operationen regelmäßig mit ihren jeweils letzten Ergebnissen, soweit sie als „maßgeblich“ erscheinen, als (einigermaßen) „gesichert“. Paradebeispiel ist die Verfassungsrechtsprechung: Sie greift immer seltener auf einen Ur- oder Ausgangstext der Verfassung zurück, beschäftigt sich, in stets noch größerer Distanz von diesem, zunehmend mit von ihr bereits in früheren Schritten gewonnenen „Erkenntnissen“, verliert sich geradezu in „Ket50

Aus dem Institutionellen Wesen des Staatsrechts heraus, vgl. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 58 ff., umgesetzt in Prinzipialität (S. 86 ff.). 51 Zum „Systembegriff“ im Recht s. die „klassischen“ Darstellungen bei Engisch, K., Sinn und Tragweite juristischer Systematik, in: Studium Generale, 1955, S. 173 ff.; Canaris, C. W., Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1983; s. auch Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 62 ff.; ders., Prognose, FN 10, A. III. 3.

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A. Unendlichkeit

tenzitaten“ ihrer Entscheidungen, in einer Selbstbeschäftigung mit solchen SubFormeln. Damit entfernt sich diese virtuell wahrhaft „unendliche Auslegung“ immer weiter von den Abgrenzungen des „ursprünglich“ jeweils Gewollten, insbesondere von den Willensäußerungen des Gesetzgebers, damit vom „Willen des Volkssouveräns“. Dies wird vor allem zum Problem für die Demokratie, die darauf praktisch mit zunehmender (Änderungs-)Dichte ihrer Gesetzgebung reagiert. Grundsätzlich versucht man, solche „Auswüchse der Auslegung“ zu rechtfertigen mit einer Abwertung der subjektiven, einer Aufwertung der objektiven Interpretation. Dies geschieht dann nach der Radbruchschen Formel: „Das Gesetz ist klüger als der Gesetzgeber“ oder mit Hilfe der Auslegungsfiktion der objektiven Interpretation: „so wie es der Gesetzgeber heute sehen würde“. Letztlich mag man das als Anwendungen der Methodik einer Unendlichen Auslegung verstehen. Wie auch immer: Im Ergebnis mündet damit das Recht, als hier und jetzt bestimmter rechtlicher Wille eines konkret Anordnenden, in eine Abfolge von Interpretationswillen, die grundsätzlich keine Grenze kennt, also in etwas wie eine eindeutige, zumindest potenzielle Unendlichkeit. Die Auslegung ist insoweit nichts anderes als der rechtlich-methodische Vorgang einer wahren „Verunendlichung des Rechtsbefehls“. Letztlich liegt die Wurzel dieses Vorgangs aber bereits in dessen begrifflichem Wesen: Die Anordnung bedarf ihrer Kenntnisnahme, über das Scharnier einer Interpretation, in welcher sie, potenziell jedenfalls, in die Unendlichkeit einer inhaltlichen Entwicklung gerät – in ihrer Befolgung.

4. Analogie: Verunendlichung über inhaltliche Ähnlichkeit Analogie, dies Hinauf-, Hinüberdenken von Rechtsverständnis zu Rechtsverständnis, vor allem von Inhalt zu Inhalt, ist eine weitere, entscheidende Form der „methodischen Verunendlichung“ im Recht, vor allem zur Bewältigung der weiten staatsrechtlichen Formulierungen und ihres Grundsatzgehalts. Dieser Vorgang (ver) läuft hier weithin über den Begriff einer „Ähnlichkeit“: In ihm dringt wiederum Unendlichkeit methodisch ein ins Recht. Ausgangspunkt der Analogie ist zwar eine bestimmte, formal und inhaltlich eingegrenzte Regelung, welche auf einen anderen Gegenstand/Bereich übertragen werden soll, für denselben dann gilt. Die analoge Anwendung stützt sich jedoch auf die Ähnlichkeit zwischen beiden, welche eine gewisse tatbestandliche Gleichheit, jedenfalls Vergleichbarkeit voraussetzt – welche aber? Der Begriff der Ähnlichkeit sagt dies nicht aus mit einer Deutlichkeit, die jedes andere Verständnis ausschlösse. Wesenszüge, die etwas „ähnlich“ erscheinen ließen, „Ähnlichkeitskategorien“, sind bisher im Staatsrecht, soweit ersichtlich, nicht überzeugend-abschließend entwickelt worden. Hier leitet allenfalls ein „Analogiewille“ weithin die Erkenntniskraft einer Ähnlichkeit; er lässt sich aber keine Grenzen setzen. Ähnlichkeit ist insoweit im Recht fast immer nur voluntative Setzung einer

VI. Zeitliche Unendlichkeit als Erkenntnisquelle des Staatsrechts

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„Gleichheit in Annäherung(en)“. Dieser letztere Begriff ist aber – die Mathematik zeigt es in ihrem Integral – eine „unendliche Klimax von Nähen bis zu (voller) Gleichheit“. Damit ist die Analogie im Recht wesentlich etwas wie eine Annäherungsoperation, aus der Unendlichkeit möglicher Nähe-Stufen bis zur Gleichheitsentscheidung hinsichtlich zweier Regelungsgegenstände oder -formen. Auch mit der Analogie werden also rechtliche Ergebnisse über etwas wie eine methodische Unendlichkeits-Annäherungs-Operation gewonnen: Unendlichkeit als methodisches Rechts-Erkenntnis-Instrument und zugleich dessen Gegenstand.

VI. Zeitliche Unendlichkeit als Erkenntnis/Gestaltungsquelle des Staatsrechts 1. Tradition als „Staatsrechtsquelle aus unendlicher Vergangenheit“ Wie kein anderer Bereich rechtlicher Bemühungen lebt das Staatsrecht, traditionell, aus Erkenntnis seiner Geschichte, welche damit geradezu seine Gestaltungsquelle wird. Dies gilt rückschauend für alle Wirkungsformen einer Verfassungstradition52 ; durch sie wird Erkenntnis der Gegenwart geleitet, geschärft, ja erst oft in Vergleichen überhaupt möglich, neue Rechtsetzung als kopierende oder fortdenkende Gestaltung geleistet. Die Tradition53 wirkt hier, in den aus ihr in Gegenwarten übernommenen Einzelheiten, in einer ganz besonderen, gerade darin zu Recht hoch geschätzten historischen Bestimmtheit, in einer Nachprüfbarkeit ihrer Formen und bis in die ihrer rechtswillensmäßigen Setzungs-Motivationen hinein. Insoweit ist Vergangenheit geradezu das Gegenbild zu einer Unendlichkeit, zur Wirkung einer solchen auf das Recht der Gegenwart. Dennoch liegt auch, gerade in der Tradition der Vergangenheit, etwas von einer Unendlichkeitsdimension, in welche das gegenwärtige Recht tritt, indem es sich nach ihr ausrichtet, sie rezipiert. Übernommen werden damit in der Regel nur Spitzen normativer Eisberge, deren größte, ursprünglich wahrhaft tragende Teile, in ihrem Umfeld, ihren Stützen, ihren generativen Kräften, aus einer für heutige Augen wahrhaft unendlichen Vergangenheit kommen. Ihre umfänglichsten, vielleicht ihre wichtigsten Teile mögen für gegenwärtige Sicht bereits verloren sein, unwiederbringlich. Mit dem (noch) Übernehmbaren und Übernommenen ragt aber wieder etwas von dieser ganzen, einer geradezu „unendlichen Geschichte“ hinein in die rechtliche Gegenwart. Insgesamt ruht diese gegenständlich, in zeitlicher (Dis-) Kontinuität und nach kausaler Wirkungsmächtigkeit, auf einer wahrhaft „unendlichen“ Vergangenheit. Dass diese als solche nicht mehr (voll) erkennbar ist, nimmt ihr 52 53

„Analogie“ im Sinne von Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 91 ff. Zur Tradition als Quelle des Staatsrechts allgemein Leisner, Tradition, FN 11.

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A. Unendlichkeit

aber nichts von ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die Erkennbarkeit, damit Anwendbarkeit des Rechts in dessen Gegenwärtigkeit. Dies ist ja auch Erkenntnisgegenstand der Verfassungsgeschichte als einer wahren „Disziplin un-endlicher Erkenntnisbemühungen“. Immer weitere Zipfel des Kleides einer grenzenlosen Vergangenheit gelingt es dieser denn auch historisch zu erfassen, das Gefasste stets noch genauer zu bestimmen, darin wieder „einzutauchen“, im wahren Wortsinn, in die Unendlichkeit ihres Gegenstands – der Historie als solcher. Wie sollte ein Staatsrecht „endgültig Bestimmtes“ bieten, befehlen können, wenn seine derart entscheidenden Stützen nicht Gegenstände eines unendlichen Erkenntnisbemühens stets sein und bleiben müssen, solange sie noch wirken, solange, soweit es sie noch gibt? Hier verbindet sich die methodische Unendlichkeit der historischen Forschung mit der inhaltlichen Unendlichkeit ihres Betrachtungsgegenstandes. In aller Verfassungsgeschichte werden Tore aufgestoßen in Unendlichkeit(en).

2. Zukunftsschau und Unendlichkeit des Staatsrechts Die Zeit, als eine der Unendlichkeitsdimensionen menschlichen Erkennens, wirkt aber in das Recht, vor allem in das Staatsrecht als Ergebnis politischen Willens hinein auch in ihrer großen anderen, in der Zukunftsrichtung. Prognosebemühungen waren Gegenstand einer eingehenden Untersuchung54. Ihr Ergebnis ließ sich so zusammenfassen: Die Regelung einer „begrifflich, ja unendlichen Zukunft“, darin Prototyp geradezu einer auf den Menschen in seinem Recht wirkenden Unendlichkeit, ist zwar Gegenstand einer Vorbereitung in intellektuellen Bemühungen; der das Recht tragende Wille dagegen wirkt immer nur in ihrer „Vergegenwärtigung“. Damit will aber der rechtlich gestaltende potenzielle Wille Unendlichkeit „einholen“, „hereinholen“ in sein Heute, in ein Recht des „Als Ob“ es ewig gelten könnte – ewig jedenfalls im Augenblick, mit den Inhalten des Erkenntnisstandes seiner gegenwärtigen Setzung. Ist darin nicht wiederum, ganz bewusst diesmal, Unendliches eingegangen in eine Gegenwart, die zur Ewigkeit wird in der Rechts-Welt, weil diese in ihrem Willen es so befiehlt? Auch hier also, in dieser Prognose, gestaltet staatsrechtlicher Wille in Dimensionen einer Unendlichkeit: Nicht aus einer solchen heraus wie in Tradition, sondern in diese hinein für eine Zukunft, die durch den Befehl des Rechts stehen bleibt, bereits in Gegenwart normativ (i. w. S.) erstarrt. Das Recht „richtet sich also ein in der Dimension einer zeitlichen Unendlichkeit“, auf seine Weise. Zu erfassen vermag es diese als solche nicht; wohl aber wirkt sie ein, orientiert juristische Gestaltungen, leiht ihnen Kräfte für vielfache rück- und vorausschauende Bemühungen. Gerade das Staatsrecht erscheint, in seinen politischen 54

Dazu Leisner, Prognose, FN 10 als Quelle rechtsstaatlicher Bestimmtheit, S. 43 f.

VII. Unendlichkeitsbetrachtungen gerade im Staatsrecht

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Willensäußerungen, als ein „Wanderer zwischen unendlichen Welten“, von jeder derselben etwas erfassend, immer mehr, unendlich fassen wollend. Hinter jeder kleinen kommentierenden Bemerkung sollte der Rechtsanwender die Tore von Unendlichkeiten sich öffnen sehen. Sie sind dem Menschen stets einsichtig geworden in seinem Tod, in Religionen, die ihn überwinden sollten in Unendlichkeit (shoffnungen).

VII. Unendlichkeitsbetrachtungen gerade im Staatsrecht – Unendlichkeitsbegriffe: Staatsallmacht, Freiheit 1. Unendlichkeit im Staatsrecht als der höchsten, umfassenden Normenordnung Unendlichkeit ist im Recht als solchem nicht „erfassbar“. Es gibt dort allenfalls Öffnungen zur ihr, „Anknüpfungen“ in Begriffen geltenden Rechts, Annäherungen, vielleicht etwas wie „Nähen“ zu dem sich in Grenzenlosigkeit immer wieder jeder vollen „Erfassung“ Entziehenden – und doch im Recht, auf dieses Wirkenden. All dies ist in der geltenden Rechtsordnung, in deren dogmatischen Erscheinungsformen aufzusuchen. Der Normbereich, welcher sich dem als nächster (an)bietet, ist der des herkömmlichen Staats-, in der Demokratie des Verfassungsrechts. Hier wird ja am weitesten „rechtlich ausgegriffen“ (räumlich), am deutlichsten „Nachhaltigkeit“55, „Kontinuität“ nicht nur angestrebt, sondern geradezu zum Verfassungsprinzip „erhoben“56 (zeitlich). Wirkungsmäßig werden die allgemeinsten Effekte angestrebt auf die gesamte Rechtsordnung, in den verfassungsrechtlichen „Ausstrahlungswirkungen“57. Wenn überhaupt irgendwo in der Rechtsordnung ein systematischer Versuch, ein Ansatz oder gar etwas wie ein Auf-Schwung zu einer Erfassung von Unendlichkeit festzustellen ist, so auf dieser Normebene. Auf ihr wird ja auch „vom höchsten Standpunkt aus“ weitestgehend geordnet, mit (jedenfalls Verbal-)Ansprüchen einer Unendlichkeit, jedenfalls aber mit Wirkungen in etwas wie „in eine solche hinein“. Allgemeine Staatslehre steht denn auch diesem Staatsrecht am nächsten. 55 Zur „Nachhaltigkeit“ im Verfassungsrecht neuerdings Kahl, W., Staatsziel Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit, DÖV 2009, S. 2 ff.; Deter, G., „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie“ und Grundgesetz ZUR 2012, S. 157 ff. 56 Vgl. zur Kontinuität im Staatsrecht grdl. Leisner, A., Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002. 57 Zum Begriff „Ausstrahlungswirkungen“ in die gesamte Rechtsordnung vgl. BVerfGE 73, 261 (269); 76, 143 (161); 112, 332 (358) – st. Rspr.; zu ihrer Form der verfassungskonformen Auslegung s. f. viele BVerfGE 84, 192 (195); 114, 339 (348).

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A. Unendlichkeit

Kein anderer Rechtsbereich weist also eine vergleichbare Nähe zu etwas wie einem „Unendlichen“ auf wie das Staatsrecht, jedenfalls in einem grundsätzlichen rechtlichen Anspruch. Alle anderen Rechtsmaterien werden sodann ja auch in dieser, und eben darin, verfassungsrechtlich gehalten, bestimmt, begrenzt. Schließlich sind die „höchsten“, die „Produktiv-Begriffe“, gerade auf der Ordnungsstufe des Staatsrechts, nach allen Theorien der Allgemeinen Staatslehre von einer „Qualität“, welche sie oft „verdämmern“ lässt; und darin zeigt sich vielleicht ein Wort-, wenn nicht sogar Begriffs-Inhalt, welcher einer Unendlichkeit, in unendlichem Denken, eben „am nächsten kommt“. In der Reinen Rechtslehre ist es die „Grundnorm“58, für die Integrationslehre der Zusammenschluss in Einheit. Im Dezisionismus ist es ganz offen jene Entscheidungssuche im politischen Willen, welche eben „ins Unendliche strebt“, allein in ihrem Willen dieses zwar nicht sehend zu erkennen, wohl aber es suchend zu erjagen unternimmt.

2. Der „Allmächtige Staat“: Staatsgewalt und Staatsaufgaben als „Ausblick(e) ins Unendliche“ a) Das Staatsrecht muss aber vor allem aus einem Grund die erste und wichtigste Sedes materiae sein für Gedanken zu Ausblicken im Recht auf Unendlichkeit: Hier begegnen bereits historisch die ersten begrifflich-verbalen Anknüpfungen an deren rechtliche „Vorstellungen“: Zu allererst in einer „Allmacht des Staates“59, in Form einer (wenigstens virtuellen) Begrifflichkeit(ssuche). Allerdings, das zeigte sich bereits, kann dies allenfalls ein Versuch sein, mögliche Gegenstände, Ordnungsmaterien global anzusprechen, aus denen dann das Recht ordnend Bestimmtes herausgreifen mag, in (zusammen)ordnender Weise. Sind es also damit nicht doch nur die Begrenzungsformen, die staatsrechtlich wirken (vgl. III.), welche aber gerade „das Unendliche als solches“ nicht erfassen, nur etwas, das allein „rechtlich Relevante“, aus ihm herausgreifen lassen, alles andere aus rechtlicher Betrachtung ausscheidend? Andererseits hat sich gerade bei der „rechtlichen Verweisung“ gezeigt (IV., 3.), dass der rechtlich gestaltende Wille insoweit über sich hinausgreifen kann, als er auf rechtlich nicht Geregeltes verweist, dieses einbezieht ins Recht, in all dessen Entwicklungsmöglichkeiten, Offenheiten, bis ins Unendliche. Darin allein aber, indem er auf seine eigene typisch rechtliche Ordnungsmacht verzichtet, ist der staatsrechtlich ordnende Wille – „unendlich“, also gerade nicht aus sich selbst heraus, nicht in rechtlichem Ordnen. Verweisungen auf „fremde, außerrechtliche Ordnungskräfte“ entfalten zwar Ordnungswirkungen auf das im staatsrechtlichen Rahmen Geordnete; darin sind sie rechtlicher Betrachtung zugänglich, gegen58

Zur Grundnorm Kelsens s. FN 37. Vgl. Einleitung 3. Die Vorstellung von einem (virtuell) „unendlich reichen Staat“ ist nur die ökonomische Wendung dieser Begrifflichkeit. 59

VII. Unendlichkeitsbetrachtungen gerade im Staatsrecht

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ständliche Vorgaben für diese. Unendlichkeit kommt aber den rechtlichen Ordnungskräften als solchen daraus noch nicht zu. „Staatsallmacht“ ist jedoch insoweit ein Begriff des Staatsrechts, als er Regelungsmöglichkeiten beinhaltet, vor allem auch in rechtlichen Verweisungen auf Außerrechtliches, oder in Formen von Delegationen im Rechtsraum selbst. b) Diese Ordnungs-Virtualität in einem weiten Sinn entfaltet nun aber, schon als solche, höchst bedeutsame Rechtswirkungen: Der Gesetzgeber, welcher „alles vermag“60, dem eine unbegrenzte, „unendliche“ Wahlfreiheit der Staatsaufgaben zusteht61 – ist er damit nicht doch Träger einer „unendlichen Rechtsmacht“, einer „Verrechtlichungsmacht“? Wenn beides gleichzusetzen ist, dann „beruht Staatsrecht letztlich auf Unendlichkeit“, in seinem „Anspruch auf Wahrnehmung grenzenloser Verrechtlichungskompetenz“. Die andere denkbare Vorstellung von Staatlicher Allmacht ist demgegenüber: Staatsallmacht bedeutet nichts anderes als eine „Selbstbescheidung des grundsätzlich virtuell unendlichen Rechts des Staates durch jeweilige Staatsentscheidung, sozusagen als negative Version einer Ausübung der Staatsmacht“. Quod non est in actis, non est in mundo – in beidem ist zu ergänzen: des Rechts. Wie auch immer: Nach beiden Vorstellungen sind „dem Staat“ Grenzen grundsätzlich nicht gesetzt. Wäre dies dann nicht doch – Unendlichkeit im Recht? Ob derartige Überlegungen logisch überzeugen können, mag offenbleiben. Staatsrechtlich-politisch wirksam sind sie sicher: Insoweit jedenfalls sind Staatsallmacht und Wahlfreiheit der Staatsaufgaben dann eben doch – Unendlichkeitsbegriffe im Staatsrecht. Wird damit letztlich sogar „der Staat als solcher“ zu einem Unendlichkeits-Begriff?

3. Die „unendliche Freiheit“ im demokratischen Verfassungsstaat a) „Freiheit als solche“ mag im geltenden Staatsrecht nicht definiert sein62. Staatsgrundsätzlich, verfassungshistorisch hat sie aber jedenfalls gleiche Qualität, gleiches politisches Gewicht wie jene „Staatsallmacht“ (vgl. vorsteh. 2.), deren Antithese sie darstellt. Das Verfassungsrecht will beides in einer rechtlichen Synthese zusammenführen; vor allem, gerade staatsformbestimmend, in der Demokratie. Bewegt sich das Staatsrecht hier zwischen zwei Unendlichkeiten, in einem 60 Französische Bürger pflegten sich im 19. Jahrhundert an ihre Abgeordneten mit den Worten zu wenden: „Herr Abgeordneter, Sie, der Sie alles vermögen …“. In England hieß es immerhin, das Parlament vermöge alles, außer einen Mann in eine Frau zu verwandeln. 61 Der Begriff der Staatsaufgabe, verbunden mit der Allzuständigkeit des Staates, beinhaltet deren Wahlfreiheit, vgl. Isensee, J., in: HbStR3, 2006, § 73, insb. Rn. 42 f. (keine Kodifikation der Staatsaufgaben), Rn. 55 ff.: die Allzuständigkeit und ihre Barrieren. 62 S. Leisner, Personalismus, FN 24, B. II. 1.

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A. Unendlichkeit

Vorgang, der bereits angesprochen wurde (in E. 3.), zwischen Staatsallmacht und unbegrenzter Freiheit? Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gibt es diese „volle Freiheit“, aber eben definiert aus dem „was nicht verboten ist (vom Staat)“, also aus ihren Begrenzungen. Dies ist jedoch gerade nicht ihr staats-, insbesondere ihr verfassungshistorischer Gehalt: Nach ihm soll eben grundsätzlich nichts, jedenfalls möglichst wenig verboten sein. Dies ist eindeutig ein begrifflicher Versuch, Unendlichkeit zu „erfassen“, sich ihr jedenfalls „rechtlich zu nähern“, wieder in den unzähligen kleinen Schritten eines Wettlaufs des Achilles und der Schildkröte – wenn nicht gar im Sprung des mathematischen Integrals über dies alles hinweg, in die begrifflich unendliche Bindungslosigkeit hinein. Oder soll es doch wieder heißen: „Freiheit nur in Bindung“? Im Eigentumsrecht der Verfassung sind darüber wahrhaft unendliche Schlachten geschlagen worden63. b) „Freiheit als unendlicher Begriff“ – dies mag schon aus der Antithetik der Staatsallmacht heraus zu ähnlichen oder gar gleichen Vorstellungen führen wie für den Staat als solchen (vgl. oben 1.), d. h. hier zu einer grundsätzlich schrankenlosen Ungebundenheit, im Sinne einer „negativen staatsrechtlichen Begrifflichkeit“. Das Freie, dergestalt vom Zugriff der Staatsgewalt Befreite kann als solches ebenso in einer Unendlichkeitsdimension gesehen werden, wie die Staatsgewalt: in der totalen, eben der grenzenlosen Ungebundenheit menschlichen Verhaltens. „Unendlichkeit“ liegt dann in ihren Schutzrichtungen gegen „jede denkbare Einwirkung“, oder in der Grenzenlosigkeit ihrer Abwehrkräfte gegen diese. In diesem Sinn ist „die Freiheit“ in der Tat politisch immer wieder verstanden worden, seit der Französischen Revolution. Rechtliche Bindungen in einzelnen Richtungen sind noch kein Widerspruch zu dieser virtuell jedenfalls grenzenlosen Freiheitsvorstellung, die als solche historisch mächtig ins Staatsrecht hineingewirkt hat und über dieses – als ein wahres Ideal64.

VIII. Fazit zum Unendlichkeits-Begriff im Staatsrecht Die vorstehenden allgemeinen Betrachtungen zu einer „Unendlichkeit im Staatsrecht“, durchaus im Rahmen der dem Recht als solchem eigenen Bestimmtheit, lassen sich in Gesichtspunkten zusammenfassen, die – in gebotener Vorsicht – mehr als Indizien denn als feste, rechtlich belastbare Ergebnisse vorzustellen sind: 1. Unendlichkeit ist nicht ein Begriff des Staatsrechts, wohl aber eine geistige Dimension staatsrechtlichen Denkens. Es fehlt der Unendlichkeit als solcher – schon 63

Freiheit nur in, aus Bindung im Eigentumsrecht, s. Leisner, W., HbStR3, Bd. VIII., § 173 Rn. 127 ff. m. Nachw. 64 Zur Freiheit als Staatsideal im platonischen Sinne, s. Leisner, Platons Idealstaat FN 3, S. 30 ff., 125 ff.

VIII. Fazit zum Unendlichkeits-Begriff im Staatsrecht

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ihrer Definition nach – die formale Abgrenzbarkeit, aber auch die inhaltliche Konsistenz, im Sinne von etwas Bestimmbarem, nach rechtlichen Kategorien und Kriterien. Wohl aber bedeutet sie etwas wie eine Dimension, aus der heraus das Recht wirkt, welche als solche nach ihren Effekten immerhin gerade im Staatsrecht, in einzelnen ihrer Entscheidungsformen, beschreibbar erscheint. 2. Phänome einer Unendlichkeit zeigen sich im Staatsrecht sowohl in dessen formaler Instrumentalität (Geltung, Verweisung, Auslegung) als auch inhaltlich in übergreifender Global-Begrifflichkeit (Allmacht, Freiheit). Sie bieten nicht Definitionen der Unendlichkeit oder Elemente einer solchen, wohl aber zeigen sie Räume und Richtungen auf, in denen etwas wie Unendlichkeit erkennbar wird, eben in einer Grenzenlosigkeit, an – oder in? – der das wesentlich bestimmende Recht „zunächst einmal“ seine Grenzen findet – aber eben nicht endgültig. 3. In der Dimension einer rechtlichen Unendlichkeit begegnen Erscheinungsformen eines rechtlichen „Hinausgreifens in sie“, ihres „Hereinragens in das Recht“, in der sektoralen Verdeutlichung einer Geltung durch Willensentscheidung: in positiver Setzung von rechtlichen Unendlichkeitswirkungen, in Verweisungen und in (Selbst-) Abgrenzungen des Staatsrechts, oder in Formen einer „unendlichen Wirkungs-Annäherung“ an seine Inhalte. In jener ersteren Form greift das Staatsrecht „global regelnd über sich hinaus“, in der letzteren gestaltet es seine eigenen Regelungsformen aus (Auslegung). 4. Gerade das Staats-, in der Demokratie das Verfassungsrecht zeigt diese Unendlichkeits-Dimensionen, in seinen Gestaltungen in ihnen wie in Ausgriffen in sie, in seinen normativ höchsten Geltungsansprüchen: in „allerallgemeinsten“ Hinweisen auf seine Regelungsgegenstände („Staatsallmacht“, „(unbegrenzte) Freiheit“). Nun sollen, konkreter, Erscheinungs-Kategorien in den Blick genommen werden, die sich aufgrund solcher rechtlicher Charakterisierung staatsrechtlicher Vorstellungen und Gestaltungen mit Blick auf das Unendliche anbieten.

B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht I. Rechtliche Setzung von Unendlichkeiten 1. „Spezifisch staatsrechtliche Unendlichkeit“ Das Staatsrecht kann es unternehmen, durch seine Setzung selbst „in Unendliches auszugreifen“ – oder dieses in seine Regelungswelt einzubeziehen; beides bezeichnet hier dasselbe, in Bemühungen, Versuchen oder eben doch in rechtlicher Bindung. Dies alles kann juristisch immer nur in gewissen Annäherungen betrachtet werden. Bewusst muss bleiben, dass das Recht, wie jede Form gestaltender Anstrengung in wissenschaftlicher Vertiefung, stets nur „seiner eigenen“ Unendlichkeit nach-forschen, vielleicht nach-kommen kann. Von einem absoluten, disziplinübergreifenden, in diesem Sinn „unendlichen Unendlichkeitsbegriff“ kann im Folgenden dabei nicht ausgegangenen werden. Zu betrachten ist mit Blick auf einen rechtspezifischen, ja sogar einen staats/verfassungsrechtlichen Unendlichkeitsbegriff. Dies ist schon deshalb notwendig, weil sich die Behandlung nun ja bereichsspezifischen Phänomen des Unbegrenzten zuwenden muss; damit ist von vorne herein auch eine besondere rechtliche Bescheidenheit angesagt, in diesen Annäherungsversuchen an eine gerade staatsrechtliche Unendlichkeit. Der wesentliche Willensbezug bei diesem Begriff wurde bereits deutlich65. Unendlichkeit ist eben, gerade im „politischen Staatsrecht“, „das als unendlich Gewollte – Geglaubte“. Jede historische, jede sich in rechtlicher Entwicklungsbetrachtung fortsetzende Untersuchung von Ideologien, Perspektiven, Visionen rechtlicher Gestaltung muss daher einer geradezu „religionsähnlichen“ Dimension aller staatsrechtlicher Betrachtungs- und Gestaltungsformen Rechnung tragen. In ihnen wird das, wird jedes Staatsrecht – zu einer Staats-Religion. Hier mag dann etwas sein wie eine Begriffsnähe zu einer Unendlichkeit, die sich in Höhen des Jenseits verliert – oder vollendet.

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Vorsteh. A. IV.

I. Rechtliche Setzung von Unendlichkeiten

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2. „Räumliche Geltungs-Unendlichkeit“ – „Imperialismen“ – Völker-, Welt(raum)recht a) Räumlich/gegenständlich ordnende, bindende Wirkung kann in entsprechender Geltung angeordnet werden, rechtsbegrifflich auch ohne (weitere) Grenzen. Die völkerrechtlichen Abgrenzungen der Staatlichkeit nach Gebiet, Volk, Staatsgewalt66 setzen heute dem Staatsrecht Schranken. Für diese haben sich jedoch allgemeine Rechtsgrundsätze67 entwickelt, welche „universal“ gelten, als solche sodann über Art. 25 GG volle Normwirkungen auch im internen Recht entfalten. Weder ist die Zahl der (möglichen) durch sie gebundenen Rechtssubjekte, der Staaten, begrenzt, erst recht nicht ist die der individuell verpflichtenden Bürger bestimmt oder auch nur bestimmbar, noch sind es ihre möglichen Regelungsinhalte. Der Begriff der Allgemeinen Rechtsgrundsätze ist daher als solcher in etwas wie eine gegenständliche Unendlichkeit geöffnet, ausfüllbar. Insoweit ist die Dimension des Unendlichen als solche ins Recht eingeführt worden, in ihrer jeweiligen Erfüllbarkeit, Ausfüllungsmöglichkeit rechtlich geordnet. Gleiches gilt für die „quasi-universellen Konventionen“, hinsichtlich deren Regelungsinhalten. Gegenständlich unterliegen ihre möglichen bindenden Inhalte keinen weiteren Grenzen. b) Das innere Staatsrecht kann, unabhängig von solchen völkerrechtlichen Einwirkungen auf seine Ordnungen, eigenständig „Weltrecht“ setzen. Auch hier sind dem Bindungswirkungen, rechtliche Grenzen, personal- wie geltungsmäßig, nicht gesetzt, soweit eben die kategorialen Grenzen möglicher Rechtswirkungen noch geachtet werden. Ob, wieweit dieses Recht faktisch durchsetzbar ist, spielt grundsätzlich jedenfalls insoweit keine Rolle, als „Geltung“ nicht mit tatsächlicher Effektivität gleichgesetzt wird. c) Derartige Weltrechts-Prinzipialität ist überall dort wirksam, jedenfalls in Wirkungs-, Geltungsstufen bindendes Programm für seine etwaigen, möglichen staatlichen Verwirklichungsorgane, wo politische Gedanken in Rechtsform über Staatsgrenzen hinaus ins Ausland getragen werden, bis in fremde Länder, wo sie ohne begrifflich immanente Beschränkungen ebenso gelten sollen wie im jeweiligen Inland68. Derartige „Rechtsanstrengungen in einer unendlichen Weltanstrengung“ gehen von all jenen politischen Staatsorganisationen aus, welche ihre „staatsrechtlichen Grundüberzeugungen“ über ihre Grenzen hinaustragen, verbreiten, durchsetzen wollen. Solches Weltrechtsstreben, praktisch wie grundsätzlich in deutlicher geltungsmäßiger Unendlichkeit, ja oft in wahrhaft grenzenloser Unbestimmtheit in 66 Zu den völkerrechtlichen Abgrenzungen der Staatsgewalt, i. S. von Gebiet/Volk/Gewalt s. Maurer, H., Staatsrecht, 6. Aufl., München, 2010, § 1 Rn. 5 ff.; Herdegen, M., Völkerrecht, 14. Aufl., München, 2015, § 24. 67 Zu den Allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Völkerrecht i. S. von Art. 25 GG, zu ihrer innerstaatlichen Wirksamkeit auch in räumlicher Unendlichkeit s. Koenig, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 25 Rn. 22 ff.; BVerfGE 117, 141 (149); 118, 124 (134). 68 Dieses „Weltrechtsprinzip“ des Strafrechts ist in § 6 StGB festgelegt.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

seinen Gegenständen, ist geradezu Wesen, Charakteristikum der „Demokratischen Staatsform“. In Überzeugungen soll durchgesetzt werden, dass „die Demokratie“ – allerdings meist als solche nicht näher bestimmt – die weltrechtlich allein legitime Staatsform sei. Ähnliche Vorstellungen werden, mit ebenfalls „universalem Geltungsanspruch“ verbreitet über eine „Marktwirtschaft“ oder einen „Sozialismus“, beide aber ebenso wenig rechtlich näher determiniert wie „die Demokratie“. Schon deshalb sollten wohl derartige Rechts- und Staatsgrundsätze, mögen sie auch mit einem „Weltgeltungsanspruch“ vertreten werden, getragen von geradezu absoluten Wertigkeitsüberzeugungen, aus einer Betrachtung des Unendlichen ausscheiden. Mögen sie auch in ihren Adressatenkreisen, mit ihren Bindungswirkungen dessen Geltungsraum entsprechen oder doch nahekommen – in ihren Inhalten verlieren sie sich in Unendlichkeiten, damit bereits in juristisch-begrifflicher Unbestimmtheit69. d) Regelung(sbemühung)en mit einem Bezug auf einen „Weltraum“ – nun wirklich eine (vielleicht) unendliche räumliche Größe – beziehen sich zwar auf einen grenzenlosen Gegenstand, begrenzen aber ihre Ordnungsergebnisse rechtlich auf völkerrechtlich bestimmte Rechtsträger: Für sie gilt insoweit das vorstehend unter a) Ausgeführte. e) Eine Weltstaatlichkeit, welche in allen derartigen Ansätzen als Endziel angestrebt wird, mag „Endvorstellung“ eines universell in allem und jedem bindungsmächtigen Völkerrechts sein, könnte darin, nach Bindungsadressaten wie Ordnungsgegenständen, wirklich etwas wie eine unendliche Rechtsmacht konstituieren, organisiert in einer Völkergemeinschaft. Räumlich-gegenständliche Ordnungsdimensionen einer Unendlichkeit mögen sich daraus ergeben, in einzelnen Richtungen wie in einem Global-Verständnis. In der Gegenwart ist dies allerdings noch immer mehr Spekulation, Vision, Hoffnung als eine Realität des Rechts. Immerhin ist all dies bereits historisch mehr als „in Recht geträumt“, in Rechtsgrundsätzlichkeit aufgestellt worden: Im „Imperialen Denken und seinem Ordnen“70, einem „nil extra“ (muros Urbis, Imperii), aufgenommen, geistig in der Imperialität der Katholischen Kirche mit ihrem „Extra muros – nulla salus“. Doch dies sei hier nicht Gegenstand in Betrachtungen zu juristischen Gestaltungen in Unendlichkeit, sondern allenfalls von deren Wirkungen im großen dynamischen Schwung des Rechts – i. Folg. C. Räumliche Geltungs-Unendlichkeit ist im Öffentlichen Recht also bisher stets Anspruch in gewissen gegenständlichen Einzelrichtungen, in einer solchen Dimension dann aber doch – grenzenlos.

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Zum „Weltraum“ als rechtlichen Ordnungsgegenstand s. FN 30. Solchem „Imperialem Denken“ wurde nachgegangen in Leisner, W., „Das demokratische Reich“, 2004, insb. dort in „Der Triumph“. Erfolgsdenken als Staatsgrundlage (1. Aufl. 1985), S. 25 ff.; Der Monumentalstaat (1. Aufl. 1989), S. 782, 827 ff. 70

I. Rechtliche Setzung von Unendlichkeiten

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3. Zeitliche Dimension: Ewigkeitsentscheidungen (Art. 79 Abs. 3, 146 GG) a) Rechtliche Aufschwünge in eine zeitliche Unendlichkeit hinein hat das Recht immer wieder in Ansprüchen einer ewigen Geltung unternommen. Monarchien und Aristokratien waren schon darin auf solche Un-Endlichkeit hin angelegt, legitimierten ihre Herrschaftsansprüche daraus, dass sie auf den Grundlagen von (Groß-) Familien ruhten, welche bereits als solche eben diese grenzenlose Dauer rechtlicher Herrschaft zu verbürgen schienen. Meistens kamen hinzu noch mächtige religiöse Stützen, in Beziehungen zu einer Göttlichkeit, in welcher ihnen Ewigkeit, oder doch unabsehbar lange Dauer, als Wesensmerkmal zugeschrieben wurde. In Form der „Gottes-Kindschaft“ wirkt dies im Christentum bis in die Gegenwart. Hier wird auch deutlich die Bedeutung der „Dimension“ in diesem Zusammenhang: Über die Familie bis in die Gottes-, ja alle religiösen Vorstellungen beeinflusste stets etwas wie eine denkbare, ja mögliche, wahrscheinliche, als wahr gesetzte, jedenfalls gewollte zeitliche Unendlichkeit das rechtliche Denken. Darauf beruhte dann die grundsätzliche Unverbrüchlichkeit der Rechtsgeltung, darin ein Richtigkeitsanspruch rechtlicher Inhalte. Gegenwärtig ist dies in Naturrechtlichkeit noch immer lebendig71, in der Invocatio Dei72 wenigstens als An-, Aufruf, als Aufschwung eben in eine vor allem zeitliche Unendlichkeit. Dies bedeutet dann zugleich, über die so geltenden Inhalte, gegenständliche und wirkungsmäßige Unendlichkeit, jedenfalls im Rahmen des derart Dauernden: Zeitliche Ewigkeit „verunendlicht“ eben auch gegenständlich und wirkungsmäßig, in dem jeweiligen Rahmen, in dem sie angenommen wird. Darüber hinaus erscheint damit bereits in der „Ewigkeit der Dauer“ Unendlichkeit als solche überhaupt vorstellbar im Staatsrecht, übertragbar daher als Erscheinungsform auch auf andere Wirkungsbereiche. Dass ein Begriff „Gott“ ins Staatsrecht Eingang gefunden hat, in welchen Grenzen, mit welcher Bedeutung auch immer, bedeutet jedenfalls kategorial die Öffnung dieser Vorstellungswelt zu Grenzenlosigkeiten in Rechtsgeltung. Allerdings sind die Wirkungen derartiger Normvorstellungen beschränkt auf die entsprechenden Regelungsbereiche der Verfassung; dem Verfassunggeber mag damit sogar eine rechtliche Kompetenz zu einer „Ent-Unendlichung“ zuerkannt werden. b) Für die Demokratie hat dies vor allem eine spezielle, gewissermaßen begriffliche Bedeutung: In ihr „geht alle Gewalt vom Volke aus“ (Art. 20 Abs. 2 GG), vom Volkssouverän73. „Alle Gewalt“ mag noch als begrenzt erscheinen durch den stillschweigenden Zusatz „wie sie das Grundgesetz verleiht“, anvertraut, darin eben doch auch beschränkt. Wie aber steht es mit ihrer Quelle, dem „Volk“? 71

Zur Naturrechtlichkeit s. Nachw. FN 18, 19. Zur Invocatio Dei im Sinne der Präambel s. FN 13. 73 Zu „Volk als unendlichem Begriff“, vgl. FN 14; Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 148 ff. 72

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

Eine Unendlichkeitsfrage scheint sich hier zwar zunächst nicht zu stellen: Gemeint ist doch ersichtlich „das Volk des jeweiligen Augenblicks seiner Willensäußerungen“; faktisch wie rechtlich ist dies in einem numerisch und qualitativ begrenzten Sinn feststellbar, es ist eine endliche Größe. Unendlich wird das Volk jedoch in einer Betrachtung, die auf die Zeit seiner willensmäßigen Wirksamkeit blickt: „Das Volk“ ist doch ersichtlich vom Verfassunggeber gemeint als eine unendlich dauernde, sich reproduzierende Größe. Im Begriff der „künftigen Generationen“ (Art. 20 Abs. 1 GG) öffnet sich dann eine unendliche Geschlechterreihe, und sei sie auch durch Immigrationen angereichert. Das „aussterbende“, das „verstorbene“ Volk – das ist eine unvollziehbare verfassungsrechtliche Vorstellung. Auf dem jeweils betreffenden, abgegrenzten Gebiet eines Staates wird es eben immer etwas geben wie ein „Volk“, und sei es eine Ansammlung von (Im-) Migranten. „Volk“ ist dann aber ein zeitlich unendlicher Begriff, heute mit denselben Attributen wie dereinst, veränderbar nur in seiner faktischen Wirkungskraft – wenn auch nicht aus dem Volksbegriff heraus, sondern aus dem des endlichen Herrschafts-Raumes, der begrenzten Herrschaftswirksamkeit. „Das Volk“, der Souverän der Demokratie, ist also ein staatsrechtlicher Begriff auf einem wahrhaft unendlichen Hintergrund. Diese Problematik ist bisher, soweit ersichtlich, nicht hinreichend vertieft. In einer „Einwanderungsstaatlichkeit“ mit all ihren Identitätsproblemen der (bisherigen) staatlichen Gemeinschaft, wird sie sich unabweisbar wohl eines Tages stellen. c) In den Bestimmungen der Art. 79 Abs. 374, 146 GG wird herkömmlich wohl eine entscheidende Sedes materiae einer „Unendlichkeitsbetrachtung“ im Staatsrecht gesehen, werden hier doch bedeutende, grundlegende Regelungskomplexe jeder institutionalisierten Änderungskompetenz entzogen, damit „unabänderlich“, eben „ewig“, zeitlich unendlich geltend gesetzt. Dies mag dann geradezu als ein Prototyp einer „Unendlichkeits-Setzung“ durch positiv geltendes Staatsrecht erscheinen, als eine „Selbst-Verewigung“ des Verfassungsrechts. Die Ewigkeits- als eine Unendlichkeitsproblematik ist hier, wenn auch vereinzelt75, gesehen worden. In der rechtswissenschaftlichen Behandlung vor 1933/45 wurde eine rechtliche Unendlichkeitsgeltung von Verfassungsnormen von einer eindeutig herrschenden Lehre abgelehnt. Nach 1945 fand über Verfassungsänderungen der Verfassunggebung des Grundgesetzes eine umfangreiche Debatte statt, in welcher aber nicht die Unabänderlichkeit als solche im Mittelpunkt stand, sondern die Inhalte einer etwaigen

74 Zur Art. 79 Abs. 3 GG bietet die tiefsteindringende Behandlung neuerdings Hain, K.-E., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 79 Rn. 78 ff. Hier werden die bisherigen Bemühungen des Schrifttums nicht nur zusammenfassend dargestellt, sondern wahrhaft „verarbeitet“. Es zeigt sich, dass eine wirkliche Grundproblematik des Grundgesetzes, wie sie hier auftritt, bisher, vielleicht verständlicherweise, weithin „umgangen“, jedenfalls kaum hinreichend vertieft worden ist. 75 Vgl. verfassungshistorische Hinweise bei Hain, FN 74, Rn. 35.

I. Rechtliche Setzung von Unendlichkeiten

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Ewigkeitsentscheidung76; es ist auch bis in die Gegenwart hinein der eigentliche, wenn nicht der ausschließliche Gegenstand verfassungsrechtlicher Bemühungen77. d) Dabei folgt die h. L. in Deutschland deutlich erkennbar den theoretischen Ansätzen der Französischen Staatsrechtslehre, mit der diese die Verfassunsänderungssperre in der Verfassung der III. Republik hatte bewältigen wollen78: in der Unterscheidung zwischen pouvoir constituant und pouvoir constitué79, zwischen verfassunggebender und verfassungändernder Gewalt. Nur letztere sei in Art. 79 Abs. 3 GG geregelt, aber rechtlich-gegenständlich in Verfassungsrecht beschränkt durch die Verfassunggebende Gewalt. Deren Normierung als einer „Verfassungsgewalt“ kann dann als in Art. 146 GG erfolgt angesehen werden; nach der Wiedervereinigung wurde diese Bestimmung, wie die mit ihr verbundenen Vorstellungen, in veränderter Form, aber mit derselben Bindungswirkung aufrecht erhalten80. e) Damit schien verfassungsdogmatisch die Unendlichkeitsproblematik in Art. 79 Abs. 3 GG gelöst – aber nur indem sie zu Art. 146 a GG a. u. n. F. verschoben wurde. Dort trat und tritt sie weiter jedenfalls auf81: Ist nun dieser pouvoir constituant eine „unendliche Gewalt kraft verfassungsrechtlicher Normsetzung“ – oder bindet das Grundgesetz selbst seine Verfassunggebung wiederum in rechtliche Schranken ein, in denen es die Verfassunggebende Gewalt eben doch ver-endlicht, rechtlich entunendlicht? Derartige Begrenzungen mit rechtlichem Bestimmungscharakter lassen sich der Verfassung selbst mit Sicherheit nicht entnehmen – etwa einem Begriff des „deutschen Volkes“ unter Hinweis auf Art. 116 GG („Deutsche“), oder dem Art. 138 GG; denn diese Normen stehen ja eindeutig zur Disposition jedenfalls des Pouvoir constituant, wenn nicht sogar des Pouvoir constitué; damit ist auch die „freie Entscheidung“ keine Schranke für den Pouvoir constituant82. Völkerrechtliche Bindungen des Pouvoir constituant könnten in Betracht kommen: Unendliche zeitliche Geltung des Grundgesetzes dürfte dann nur angenommen werden, wenn eine Neue Verfassung vom „Deutschen Volk“ in „Freiheit“ beschlossen würde. Sind dies aber „rechtlich begrenzende“ Voraussetzungen durch völkerrechtliche Bindungen? Dies wäre dann anzunehmen, wenn sich die normative Höherrangigkeit des Internationalen Rechts, unabänderlich selbst für den Pouvoir 76

Hain, FN 74, Rn. 30. Hain, FN 74, Rn. 38. 78 Verfassungsänderungsgesetz vom 14. 08. 1884 zur Verfassung von 1875, Art. 8: „Die republikanische Staatsform kann nicht Gegenstand einer Verfassungsänderung sein“. 79 Zu Pouvoir constituant – constitué s. Hain, FN 74, Rn. 31; zur Deutschen Staatsrechtslehre s. Leisner, W., Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 54 f. 80 Isensee, J., HbStR, Bd. VII., 1993, § 166. 81 Die Problematik war grds. erkannt bereits bei Tomuschat, Chr., Verfassungsgewohnheitsrecht?, 1972, S. 108 f. 82 Das Problem ist zwar erkannt bei Hain, FN 74, s. dort Rn. 36 FN 67 – er lässt es aber „außer Betracht“. 77

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

constituant des Art. 146 GG, aus dieser Vorschrift selbst ergäbe. Davon aber kann nicht die Rede sein. Das Völkerrecht ist, in seinen allgemeinen Grundsätzen (Art. 25 GG) wie in seinen vertraglichen Ausprägungen (Art. 59 GG), Bestandteil einer Verfassung, darin steht es aber zur Disposition des Art. 146 GG. Nur unter der Voraussetzung, dass die grundsätzliche Höherrangigkeit des Völkerrechts anzunehmen wäre, im Sinne etwa einer kelsenianischen Normstufenordnung, käme eine Verweisung durch Grundgesetz auf Völkerrecht allgemein in Betracht. Dann allerdings wäre die Wirkung der Verfassungsnorm des Art. 146 GG begrenzt durch die jeweiligen Völkerrechtlichen Begriffe „Volk“ und „Freiheit“, letztere im Sinne eines Selbstbestimmungsrecht des Deutschen Volkes83. Dennoch wäre der Pouvoir constituant aber ein „unendlicher Verfassungsbegriff“ jedenfalls im Sinne der zeitlichen Wirkungen seiner Normsetzung. In seiner „Organisation“ verwiese er ja auf den jeweiligen Stand der völkerrechtlichen Normierungen, damit auf eine zwar rechtliche, als solche aber unabsehbare, eben eine „unendliche“ Entwicklung. f) „Zeitliche Unendlichkeit“ kommt also Entscheidungen des Pouvoir constituant bereits grundsätzlich zu, auch nach der Normstufenordnung, wie sie als dem Grundgesetz zugrundliegend angenommen werden mag. Darüber hinaus gilt dies aber auch dann, wenn man die Begriffe „Deutsches Volk“ und „freie Entscheidung“ unabhängig von völkerrechtlichen Inhalten (vorsteh. d)) als solche eben „rein verfassungsrechts-immanent“ versteht: - Für „das Volk“ ergibt sich diese zeitliche „Unendlichkeit“ dann bereits nach dem vorsteh. unter 3. b) Ausgeführten - Für „die Freiheit“ als solche wurde unter VII. 3. dargelegt, dass sie staatsrechtlich nur in einem „geöffneten Unendlichkeitsverständnis“ vorstellbar ist. Im Ergebnis bleibt es also, wenn auch mit anderer Begründung, bei der grundsätzlichen, verfassungsrechtlich gesetzten „Unendlichkeit“ als Qualifikation(sdimension) staatsrechtlicher Geltung. Damit „kennt“ das Staatsrecht als solches eben doch die Vorstellung von rechtlicher Grenzenlosigkeit, übernimmt sie, wenn auch als einen „fernen Hintergrund“, in seine rechtliche Ordnung. Mit welchen Wirkungen – das bleibt noch näher zu prüfen (vgl. unter C.). Ob man dann diese „Unendlichkeit“ geradezu als einen staatsrechtlichen Topos, einen Verfassungsbegriff ansehen will, mag offen bleiben, jedenfalls stellt sich hier aber eine rechtliche Qualifikationsfrage. g) Kommt über diese zeitliche Unendlichkeit der Wirkungen einer Verfassunggebung, mit dem Pouvoir constituant als unendlich in die Zeit hineinwirkender Macht, auch den auf diese Weise ewig geltenden materiellen Entscheidungen als solchen etwas zu wie ein „Unendlichkeitscharakter“? Dies wäre dann anzunehmen, wenn die zeitliche Unendlichkeit der Geltung auch die so geltenden Gegenstände dieser Ordnung inhaltsmäßig „unendlich setzte“: Demokratie, Republik, Rechts- und 83 Zum „Selbstbestimmungsrecht“ des Volkes im völkerrechtlichen Verständnis s. Herdegen, M., Völkerrecht, 14. Aufl., 2015, § 36.

I. Rechtliche Setzung von Unendlichkeiten

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Sozialstaatlichkeit, Föderalismus, also alle Inhalte der „räumlichen Dimension“ (vgl. vorsteh. 2.). Davon kann aber, schon nach dogmatischer Logik, nicht die Rede sein. Geltungszeit oder -dimension einer Norm sagt als solche noch nichts über deren Inhalte aus. Die inhaltliche Frage nach einer Unendlichkeit wird denn auch, für Art. 79 Abs. 3 wie Art. 146 GG, stets getrennt von der ihrer zeitlichen Geltungsdimension behandelt84. Die Inhalte von Art. 79 Abs. 3 GG werden dabei regelmäßig als „Kernbereiche“ der im Grundgesetz näher geregelten demokratisch-republikanischen Ordnung verstanden. Diese sind damit rechtlich bestimmt, in der Verfassungsrechtsprechung sogar näher ausgeformt, aber nicht „rechtlich unendlich gesetzt“ worden. Ändern sie sich, inhaltlich, so entfällt dementsprechend auch ihre Geltung(swirkung). Inhaltlich gilt vielmehr nur – zeitlich allerdings unendlich – das weiter, was auch als Inhalt von Art. 146 GG unabänderlich ist: „Volk“ als Kompetenzträger des Pouvoir constituant und dessen „Freiheit“ (vgl. vorsteh. f)). Es bleibt also dabei: Das Staatsrecht setzt sich selbst rechtlich unendlich in seiner Geltung (Art. 146 GG), inhaltlich in den von dieser jeweils umfassten Begriffen – aber nur in deren unendlicher Entwicklungspotenzialität, nicht in ihrem jeweilig geltenden Entwicklungstand.

4. Kausalitäts-Dimension „Wirkung“: Regelungsverfeinerung, „Totaler Staat“ a) „Unendliche Dimensionen“, im Sinn völlig unvorhersehbarer Ordnungsgehalte, kennt also das Staatsrecht zwar grundsätzlich in räumlicher (vorsteh. 2.), wie in zeitlicher (Geltungs-)Hinsicht (vorsteh. 3.). Feste Regelungsinhalte lassen sich daraus allerdings nicht ableiten; es widerspräche dies auch der hier zugrundegelegten Unendlichkeit im Sinne einer Grenzenlosigkeit. Was daher bleibt von einer solchen „rechtlich gesetzten Unendlichkeit“, ist etwas wie eine „offene Dimension“, in ihr nicht nur rechtlich denkbare, sondern gewollte „Dynamik“ rechtlicher Gestaltungsfreiheit – das Unendliche als ein Raum des Möglichen. Diese Dynamik liegt ja auch, politisch bereits, gerade einer „Demokratie“ zugrunde, die damit ihr eigenes zentrales Ordnungsorgan, das „souveräne Volk“, zur begrifflichen Disposition einer unendlichen begrifflichen Zukunftsentwicklung stellt (vorsteh. 3. b), f)). Es hat sich darin gezeigt, dass „Unendlichkeit“ im Staatsrecht, in der Dimension einer räumlich/ gegenständlichen Geltung, allenfalls in Regelungs-Fernzielen in Erscheinung tritt. In zeitlicher Geltung dagegen ist es „grenzenlose Entwicklungsoffenheit der Regelungen“, in welcher rechtlich gesetzte Unendlichkeit wohl doch eben auch inhaltlichgegenständliche Wirkungen irgendwelcher Art entfalten könnte.

84

S. für viele Hain, FN 74, Rn. 43 ff. gegenüber Rn. 33 ff.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

„Kausale“ wirkungsmäßige Unendlichkeit lässt sich in Form einer „rechtlichen Setzung“ jedenfalls in dem Sinn sehen, dass rechtliche Regelungen immer weiter gegenständlich wie zeitlich „verfeinert“ werden in ihren Wirkungen. Damit könnte etwas wie eine „Geltungsverunendlichung“ „nach unten“ oder „nach innen“ einhergehen; dies würde dann jedenfalls eine „rechtliche Setzung im Sinn einer Öffnung zu einer grenzenlosen Verfeinerung bedeuten“. Verfassungsrechtlich zulässige, oder gar vorgesehene, Normsetzung/Ausgestaltungsrechte könnten hier insoweit dann Betrachtungsgegenstände sein. Dies würde zutreffen etwa bei Begriffen wie der „Allgemeinheit“ als Rechtsadressat oder für rechtliche Ordnungsformen wie Generalklauseln, „Mutterrechte“, Normstufen, grundsätzlich unbegrenzte rechtliche Konkretisierungen eben. b) Das Verfassungsrecht setzt der Normgestaltung, in Gesetzgebung wie Rechtsanwendung „rechtliche Schranken“, die sich allerdings vor allem entwicklungsmäßig in einer Unabsehbarkeit verlieren, welche dann erkenntnismäßig nichts anderes bedeutet als Unendlichkeit. Solche Entwicklungen, „nach innen fortgesetzt“, können sich ebenfalls zu einer Unabsehbarkeit öffnen, in einer immer weiter steigerbaren Präzision, also in etwas wie einer Grenzenlosigkeit rechtstechnischer Verfeinerungs-Entwicklungen. Ihr mögen zwar „äußere“, begrifflich gegenständliche oder zeitlich-geltungsmäßige, Grenzen gesetzt sein, nicht aber gilt das dann innerhalb dieser Schranken der Erfassung und Ausgestaltung, tatsächlich wie auch in rechtlicher Form. Gängige Begriffe wie „mehr oder weniger durchnormierte Rechtsformen“, Sorgfaltsmahnungen, -steigerungen85, ja so allgemeine Begriffe wie „Regelungsdichte“, damit letztlich auch die gesamte „Rechtsgrundsatz-Problematik“, all das weist in diese Richtung; gleiches gilt für ihre Gestaltungsformen wie „Rechtsstufen“ oder „Mutterrechtlichkeit“ (Art. 2 Abs. 1 GG). In all diesen Zusammenhängen wird aber bisher vielleicht noch, sektoral, jeweils die Begrenzungs/ Schrankenfrage gestellt, nicht aber die nach einer Unendlichkeit, wie sie jedoch bereits innerhalb derart beschränkter Bereiche, in deren inneren Ausgestaltung, durchaus auftreten könnte. Die Problematik zeigt sich gegenwärtig vor allem dort, wo „immer weitere Bürokratisierung“ kritisiert wird86. c) Auf diesen Wegen wirken auch Ausstrahlungen verfassungsrechtlicher Gestaltungen und Wertungen auf nachgeordnete Normstufen in einer Weise, welche praktisch einer Unendlichkeit nahe kommt. Die normativen Effekte orientieren, ja sie bestimmen inhaltlich eine nicht nur praktisch unübersehbare, sondern auch eine grundsätzlich unabsehbare Vielzahl von rechtlichen Ordnungsgestaltungen. Diese können so, bis hinab ins Verordnungs- und Satzungsrecht, in einer Weise vervielfältigt werden, welche nicht nur unvorhersehbar, insoweit unerfassbar, sondern, von 85

Zu der „Sorgfaltssteigerung“ und deren Grenzen, s. Leisner, FN 10, S. 82 ff. Zur Bürokratiekritik s. Timmermann, M., Effizienz der Öffentlichen Verwaltung, VerwArch 68 (1977), 311; Seibel, W., Entbürokratisierung in der BRD, VerwArch 19 (1986), 137; Laux, E., Bürokratiekritik und Verwaltungsvereinfachung, DÖV 1988, S. 657 ff.; Bull, K. P., Umweltverwaltungen und Reformdruck, DÖV 2007, 695 ff.; Wolff, H. A., Die Reformpolitik der kleinen Schritte, 2009, S. 73. 86

I. Rechtliche Setzung von Unendlichkeiten

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der Dimension her, nunmehr als etwas Unendliches gedacht werden kann. In diesem Sinn wirkt auch jene „unendliche Auslegung“, von der bereits die Rede war87. d) Ein Wort erscheint hier schließlich am staatsrechtlichen Horizont, welches jedenfalls im Sinne einer Intensität von Regelungen unendlich gedacht werden könnte: Der „Totale Staat“: In der „Totalität“88 liegt stets auch eine Vorstellung von Allgegenwart und Allmacht, im Sinne einer Göttlichkeit des Staates auf Erden: von absolutem Vorrang öffentlicher vor privaten Interessen, wie in einer, wenigstens potenziellen, alles durchdringenden Regelungsdichte. Politisch sind solche Vorstellungen einer „überwundenen“ Vergangenheit heute aus dem Bewusstsein nahezu verschwunden; recht(sgrundsätz)lich leben sie aber bei Vielen weiter, in Vorstellungen von der Höher- oder Höchstwertigkeit von Gemeinschaftsinteressen und einer unbegrenzten rechtlichen Regelbarkeit und Regelungsnotwendigkeit in der totalen Staats-Erfassung des menschlichen Lebens. Der „Totale Staat“ gehört darin geistig zur Welt der Unendlichkeitsvorstellungen im Staatsrecht.

5. Unendlichkeit – in Rechtssetzung ein „Rechtsbegriff“? In allen Richtungen menschlicher Erkenntnis werden also Unendlichkeits-Dimensionen im Staatsrecht sichtbar, welche begrifflich beschrieben, angesprochen werden, selbstverständlich aber, schon von ihrem so bezeichneten Wesen, ihrem Inhalt her, nicht auf solche Weise rechtlich abgegrenzt werden können. Hier öffnet sich das Recht selbst in seiner normativen wie anwendungsmäßigen Setzung, der Unendlichkeit in einzelnen Richtungen, in jeder von ihnen mit einer Selbstverständlichkeit, die als solche in ihren rechtlichen Wirkungen auf die staatliche Rechtsordnung, soweit ersichtlich, noch nicht näher behandelt worden ist. Die „Kategorie Unendlichkeit“ ist eben als eine solche wohl doch als ein „Rechtsbegriff“ zu verstehen, mag man dies auch in einem weiteren Sinne sehen, als eine Erscheinung des als geltend gesetzten Rechts. Dieses nimmt Unendlichkeiten selbst und als solche in seine „Rechtswelt“ damit bereits herein, „setzt sie rechtlich“ eben dort als solche, wenn auch nur in ihren gerade eben erkannten, gewollten jeweiligen Dimensionen. Wesentlich für die Dogmatik des Staatsrechts ist dabei vor allem Eines: Die auch für dessen Bereich geltende Grunderkenntnis allen Rechts als einer Disziplin der Bestimmtheit, jedenfalls des Bestimmbaren (vgl. E. 1.), schließt es nicht aus, einem „Begriff Unendlichkeit“, gewissermaßen als einem Outer Space gegenüber der Welt der Normen und Anordnungen, juristische Bedeutung und Wirksamkeit zuzuer-

87

Unendliche Auslegung, vgl. V. 3. Forsthoff, E., 1938. Dort allerdings steht die Höchstwertigkeit im Vordergrund, nicht eine die Regelungen durchdringende Normverfeinerung. 88

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

kennen; dies ergibt sich eben bereits aus der formalen „Setzung“ der Hereinnahme von Unendlichkeiten in rechtlichen Formen in den Ordnungsbereich.

II. Rezeption von „außerrechtlichen Unendlichkeiten“ 1. Verweisung als rezeptive Rechtsgeltung „außerrechtlicher Unendlichkeitsvorstellungen“ Unendlichkeit kann im Staatsrecht nicht nur als solche in Bezug genommen, eingesetzt, rechtlich wirksam werden durch ihre (mehr oder weniger) ausdrückliche Rechtsetzung auf dieser Ebene. Ein rechtlicher Bezug mag auch, in einem weiteren Sinn, in Form von Verweisungen auf „außerrechtliche“ Bereiche und deren Entwicklungen erfolgen, in denen „Unendlichkeiten“ in anderen Disziplinen angenommen und verdeutlicht werden89. Dies wirkt dann in Form einer Rezeption, grundsätzlich in gleicher Weise wie eine durch „Setzung“ (ausdrücklich) gewollte Unendlichkeit im Staatsrecht. Derartige Verweisungen erfolgen im positiven Verfassungsrecht durch dessen Bezugnahme auf verschiedene gegenständliche Bereiche. Im Ergebnis werden damit Unendlichkeitsvorstellungen ins Staatsrecht übernommen, welche in anderen Disziplinen u. U. doch nähere Verdeutlichung finden (Naturwissenschaften, Medizin, Wirtschaftswissenschaften, Geisteswissenschaften); sie können dort in ihren Entwicklungskräften und Stadien, insoweit aber nur „rechtsfremd“, also nicht im Einzelnen juristisch, bestimmt werden. Das geltende Verfassungsrecht öffnet damit durch (sehr) allgemeine, als solche aber immer noch rechtliche Begriffe normative Kanäle, in welchen derartige Unendlichkeiten in das Staatsrecht einfließen, dort wirken. Dies führt zu einem rechtsdogmatischen Problem: Die begrifflich-rechtlichen „Verfassungsschleusen“, als Begrenzungen solcher außerrechtlicher Begriffe, sind juristischer Natur; was über sie aber „eindringt in die Rechtswelt“, in dieser wirkt, ist als solches etwas „Unendliches“; und es bleibt ihm diese Qualität, solange es sich in den rechtlichen Grenzen hält, in denen das Verfassungsrecht sich ihm gegenüber eben geöffnet hat. Wie steht es nun aber um das Verhältnis dieser rechtlichen Rezeptions-Grenzen zu den rechtlich unbestimmten – eben „unendlichen“, „unabsehbaren“ – Inhalten, welche so ins Verfassungsrecht „rezipiert“ werden? Die rechtlichen Eingrenzungen der Ordnungsgegenstände durch das Verfassungsrecht verweisen auf, rezipieren in das Recht Begriffsinhalte, welche dort „als solche“ in den geläufigen rechtsdogmatischen Formen „bestimmt“, „definiert“ werden sollen. Diese Rezeptionsformen belassen jenen Rezeptionsinhalten aber eine derartige – eben inhaltlich-sachliche – Weite, dass innerhalb derselben unendlich viele (mögliche) Einzelinhalte auffindbar sind, sich erst entwickeln könn(t)en. Wie dies beides geschehen kann, wird aber nicht rechtlich determiniert, sondern durch die jeweiligen anderen, bereichsspezifischen 89

Zu „Verweisungen“ als Formen der Schaffung der Rechtsgeltung vgl. oben A. IV. 3.

II. Rezeption von „außerrechtlichen Unendlichkeiten“

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Disziplinen, aus denen übernommen wird, vertiefend in deren jeweiliger wissenschaftlicher Behandlung, etwa in der Medizin. Damit verweist das Verfassungsrecht auf diese Konkretisierungen – aber eben auch zugleich, soweit solche Eingrenzungen nach der betreffenden außerrechtlichen Disziplin gar nicht möglich sind, oder noch nicht geboten werden, nur auf den jeweiligen Stand der Erfassung des jeweiligen Unendlichkeitsinhalts in diesen außerrechtlichen Disziplinen. Diese tragen solche Unendlichkeiten eben in sich oder setzen sie für ihre Bereiche, ebenso wie dies das Staatsrecht juristisch in seinen „Setzungen“ (vorsteh. I.) vornimmt. Rezipiert werden damit also ins Staatsrecht doch „rechtsfremde“, extra-staatsrechtliche Unendlichkeitsvorstellungen; als solche werden sie zu Elementen, zu „verwiesenen Bestandteilen“ der rechtlichen Verfassungsordnung. Näheres bestimmen für sie, dimensions- oder wirkungsmäßig, aber nur die sie vertiefenden wissenschaftlichen, als solche außerrechtlichen Disziplinen. Auf diese Weise findet, wissenschaftlich in einem weiteren Sinn, eine Rezeption extrajuristischer Vorstellungen ins Staatsrecht statt. Beispiele bietet das geltende Recht häufiger und in bedeutsamerem Umfang, als dies wohl bisher bewusst ist; die juristischen Wirkungen dieses Vorganges gilt es, wenigstens umrisshaft, zu untersuchen. Dies soll nun unter rechtlich bereits geläufigen Gesichtspunkten im Folgenden versucht werden.

2. Verweisung auf außerrechtlich Erkanntes über den staatsrechtlichen Wissenschaftsbegriff a) „Rechtlich gesicherte Erkenntnis“ Die Ergebnisse außerrechtlichen Erkennens, insbesondere durch extrajuristische Disziplinen, hinsichtlich ihrer Unendlichkeitsvorstellungen/Inhalten, übernimmt das Staatsrecht jedoch in solchen „Verweisungen“ (vgl. 1.) nur insoweit, als sie seinem eigenen, den verfassungsrechtlichen Vorstellungen, dahingehend entsprechen, dass sie nach diesen letzteren als „hinreichend gesichert“ erscheinen. Die extrajuristischen Disziplinen müssen in dem, was sie als „verwiesene Inhalte“ ins Staatsrecht einbringen, den Erkenntniskriterien des letzteren entsprechen. Damit stellt sich die staatsrechtliche Frage, ob die geltende Verfassungsordnung etwas bietet und vorgibt wie eine Kategorie „gesicherter Erkenntnisse“, für juristische aber auch für außerrechtliche Inhalte, die dann jedoch auch nur bei Erfüllung dieser Voraussetzung ins (Staats-)Recht als dessen begriffliche Bestandteile übernommen werden können. Dies muss sowohl für das positiv bereits Erkannte gelten, als auch für das davon abzugrenzende „noch nicht“ Erfasste, oder das (begrifflich) Unerkennbare, also die jeweils außerhalb des Erkannten liegenden Bereiche – also für das Unendliche.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

Hinsichtlich des vom Staatsrecht selbst rechtlich Gesetzten (vgl. oben I.) ist die Frage bereits beantwortet: Das rechtlich Gesetzte genügt diesem Begriff des „Erkannten“ insoweit, als es die Voraussetzungen des juristischen Erkennens nach Allgemeiner Rechtslehre und Allgemeiner Staatslehre erfüllt, was nach dem Kriterium der Rechtsstaatlichkeit juristisch hinreichend bestimmbar ist90. Damit definiert „das Staatsrecht seine eigene Erkennbarkeit positiv“, auf diese Weise daher negativ dessen „Outer Space“: das (noch) nicht Erkennbare, vielleicht gar völlig Unerkannte, also das „Rechtlich Unendliche“. b) „Hinreichend gesicherte Erkenntnis“ „Rechtlich gesicherte Erkenntnis“ bei „außerrechtlich Erkanntem“ kann aber nur für Inhalte gelten, die als solche rechtlich, rechtsstaatlich hinreichend inhaltlich bestimmbar sind. Wie steht es hier nun mit Inhalten, Ergebnissen, Kategorien, Kriterien von „außerrechtlich Erkanntem“, die das Staatsrecht „übernehmen“ will, in denen es auf sie verweist? Diese Übernahmen erfolgen doch in verbalen Globalverweisungen („Natur“, „Umwelt“, „(menschliches) Leben“). Allenfalls werden diese sodann in Verfassungsbegriffen näher umschrieben, welche speziellere rechtliche Ordnungsbereiche, Gesetzgebungsmaterien innerhalb derselben bezeichnen sollen91. Auch diese verweisen aber auf Methoden und Ergebnisse außerrechtlichen Erkennens. Das Staatsrecht stellt hier immerhin eine Erkenntnisvoraussetzung auf: Alle diese Rezeptionen müssen, nach Form und Inhalt, erkenntnismäßig „hinreichend gesichert sein“. Darin verweist das Staatsrecht auf seinen verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriff. Nur was nach diesem „belastbar, als erkannt“ gilt, kann überhaupt als solches ins Recht übernommen werden. Alle rechtlichen Begriffe, welche auf „Außerrechtliches“ verweisen, müssen daher einem verfassungsrechtlichen Kriterium genügen: der Wissenschaft(lichkeit). Und dies gilt auch insoweit, als auf diese Weise Unendliches ins Recht eingeführt werden soll. c) „Wissenschaft(lichkeit)“ Zur „Wissenschaft(lichkeit)“, als etwas wie einem verbalen Rezeptionsbegriff von Außerrechtlichem, auch von Unendlichem in diesem Zusammenhang, ist Folgendes zu bemerken: aa) „Wissenschaft“, im Sinn gesicherter, „belastbarer Erkenntnis“ gilt, nach Methode wie Ergebnis, als ein „Rechtsbegriff der Verfassungsordnung“, der ja auch in Art. 5 Abs. 3 GG ausdrücklich als deren Normbegriff genannt wird. Versucht man 90

Vgl. Sommermann, FN 1, Rn. 289 ff.; Einleitung 1.: Das Recht – wesentlich in „Bestimmtheit“. 91 In den Art. 72 ff., vgl. „Naturschutz und Landschaftspflege“ (Art. 72 Abs. 3 GG); Kernenergie (Art. 73 Abs. 1 Nr. 14; Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG).

II. Rezeption von „außerrechtlichen Unendlichkeiten“

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jedoch, seinen Inhalt wie seine Wirkungsweise näher zu bestimmten, im Wege der üblichen juristischen Eingrenzungen, so zeigt sich sogleich die Problematik des Versuchs, „Wissenschaft(lichkeit)“ als einen rechtlich bestimmten Begriff zu erweisen92: - Dass es sich um einen Vorgang des Erkenntnisbemühens handeln muss, ist schon vom allgemeinen Wortverständnis her eine Selbstverständlichkeit, wäre also keine juristisch konstitutive Bestimmung, sondern reine Tautologie. Sämtliche Bemühungen, die wirtschaftliche Verwertung der Ergebnisse wissenschaftlicher Tätigkeit von der Bestimmung des Wissenschaftsbegriffs abzugrenzen93, können also schon rechtslogisch nicht als Beiträge zu einer rechtsbegrifflichen Abgrenzung des Wissenschaftsbegriffs verstanden werden94. Auch hier wirkt Erkennen. - Gleiches gilt, wiederum bereits nach Grundsätzen der Allgemeinen Rechtslehre, von Versuchen, „Wissenschaft“ als eine „ernste“ Bemühung zu bestimmen, etwa darin, dass nach allgemeinem Wortverständnis „Ernsthaftigkeit“ verlangt werden soll95; eine solche Vorstellung ergibt sich ja schon daraus, dass es hier um den Inhalt einer „wertentscheidenden Grundsatznorm“ geht96. Ernsthaftigkeit einer Willenserklärung ist Voraussetzung jeder rechtlichen Bindungswirkung; schon Zweifel führen zur Anfechtbarkeit wegen Irrtums (§ 119 BGB), ebenso bei Täuschungsabsicht (§ 121 BGB)97. - Schließlich ist es unbehilflich, „Wissenschaftlichkeit“ durch einen Begriff der „Planmäßigkeit“ oder gar der „Systematik“ als eine spezielle, darin rechtlich beschränkte Form der Erkenntnisbemühung bestimmen zu wollen98; dies ist allerdings im Schrifttum in einer kaum mehr übersehbaren, ausufernden Breite, weithin unkritisch übernommen worden, in der „Diskussion zur Wissenschaftsfreiheit“ jedoch bisher längst nicht wirklich geklärt99. Im Wesentlichen geht es dabei ja fast immer darum, wie weit die Staatsgewalt in „die wissenschaftliche Betätigung“, vor allem an Hochschulen, eingreifen darf – nicht aber darum, was denn nun deren wissenschaftliches Bemühen absehbar wesentlich ausmache. Die Unhaltbarkeit der grundsätzlichen Unterscheidungen zwischen Universitäten und 92 S. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 5 Rn. 353 m. umfangreichen Nachw. (FN 184) zu Bestimmungsversuchen. 93 Wie sie vor allem zum Begriff der Forschung als einem Unterbegriff der wissenschaftlichen Tätigkeit (dazu BVerfGE 61, 237 (244); 64, 323 (359)) angestellt werden. 94 S. dazu BGH Z 173, 356, Rn. 19: Ergebnisverwertung ist ein Finanzierungsmittel der wissenschaftlichen Erkenntnis, ebenso wie jede Wissenschaftsförderung, die aber, schon als solche, vom Wissenschaftsbegriff bestimmt wird, diesen also nicht ihrerseits zu konstituieren vermag. 95 BVerfGE 35, 79 (113). 96 Vgl. f. viele BVerfGE 111, 333 (353). 97 Ernsthaftigkeit der Willenserklärung wird also in einem objektiven Sinn verlangt. 98 So, eher beiläufig, BVerfGE 35, 79 (113); 47, 327 (367 f.). 99 Vgl. Starck, Chr., Literaturübersicht zur Wissenschaftsfreiheit, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 5 Rn. 431.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

Fachhochschulen nach „wissenschaftlicher Betätigung“ in deren Bereichen – ein eindeutiges rechtsbestimmendes Faktum der Gegenwart – zeigt dieses GrundDefizit der Diskussion eindrucksvoll: Jene „wissenschaftliche Planmäßigkeit“ lässt sich rechtlich gar nicht definieren; es gibt einen derartigen verfassungsrechtlichen Planungsbegriff nicht100. bb) Wissenschaft ist also eindeutig „etwas dem Recht Vorgegebenes in Eigengesetzlichkeit101 der Bestimmung seiner Inhalte“, damit des Begriffs als solchen. Es handelt sich daher nicht um einen positivrechtlich gesetzten Begriff, der als solcher im Verfassungsrecht eingesetzt würde. Die Folgerung ist dann zwingend: „Wissenschaftlichkeit“ ist als solche ebenfalls ein außerrechtlicher Begriff. In ständiger Rechtsprechung spricht das Bundesverfassungsgericht denn hier auch von „auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozessen“102; es handelt sich mithin um einen außerverfassungsrechtlichen Begriff, auf den das Verfassungsrecht verweist. Wissenschaft(lichkeit) ist als solche, in sich, wesensmäßig, „verwiesenes Recht“, ein Verweisungsbegriff im Sinne von 1., ohne eigenen rechtlichen Inhalt. d) Wissenschaft(lichkeit) als Unendlichkeitsbegriff aa) Entscheidend ist eine weitere notwendige Überlegung: Diese Wissenschaft (lichkeit) ist, eben in ihrer Funktion als Verweisungsbegriff, ihrerseits ein inhaltlich „unabgeschlossener Begriff“; der mit ihr bezeichnete Erkenntnisprozess ist wesensmäßig, begriffsinhaltlich, „prinzipiell“ ein nicht in sich geschlossener103. Damit steht verfassungsrechtlich, über Art. 79 Abs. 3 GG sogar unabänderlich, als Grundrechtskernbereich von Art. 5 Abs. 3 GG fest: Wissenschaft(lichkeit) ist ein verfassungsrechtlicher Unendlichkeitsbegriff. Sie ist als solche, mit ihrer gesamten, eben wiederum unendlichen Entwicklungspotenzialität, jedoch in das Grundgesetz rezipiert worden. bb) Daraus ergibt sich, als eine weitere, grundlegende Erkenntnis zum Staatsrecht: Alles was über Wissenschaft(lichkeit) als Verweisungsmechanismus der Rezeption des Außerrechtlichen ins Verfassungsrecht rezipiert worden ist, hat an dieser selben „Unendlichkeit“ des Verweisungsbegriffs Teil, muss also ebenso qualifiziert werden wie dieser – mithin ebenfalls als unendlich. Es gilt dies für sämtliche Erscheinungen einer Erkenntnissuche in Wissenschaft(lichkeit). Ihnen allen haftet deren Unendlichkeit an – formal in ihrem „Bemühen“, inhaltlich in ihrer immer weiteren, „selbsttätigen“ Entwicklung, Perfektionierbarkeit, Verifizierbarkeit oder Falsifizierbarkeit. Die Verfassung verweist also mit diesem ihrem „rechtlichen Erkenntnismodell Wissenschaft(lichkeit)“ auf breiter Front auf Unendlichkeiten 100 101 102 103

Vgl. Leisner, Prognose, FN 10, Exkurs zur „Planung“, S. 150 ff. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein, GG 6. Aufl. 2010, Art. 5 Rn. 352 m. Nachw. Neuerdings BVerfGE 111, 332 (354); 122, 89 (105). So ausdrücklich BVerfGE 90, 1 (12).

II. Rezeption von „außerrechtlichen Unendlichkeiten“

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menschlichen Erkennens. Dies erfolgt überall dort, sogar ausdrücklich und insoweit gegenstandsmäßig eingegrenzt, zugleich „unendlich zielgerichtet“, wo ein staatliches oder privates Verhalten angesprochen wird, das sich auf „Erkenntnis“ bezieht, sie voraussetzt, von ihr getragen wird. Nachdem dies aber im Rahmen der Vorbereitung rechtlicher Anordnungen, der Normgebung wie der Einzelentscheidung, nahezu durchgehend der Fall ist, im Wege der „Prognose“104, münden diese Überlegungen in eine Feststellung: Mit dem Verweisungsbegriff der Wissenschaft(lichkeit) rezipiert das geltende Staatsrecht Unendlichkeit gewissermaßen auf zwei Stufen: - Zunächst gilt dies für die Grenzenlosigkeit der Wissenschaft(lichkeit) selbst als einer Wahrheitssuche, als einer Disziplin der Erkenntnis, Perfektionierung, Ausgestaltung des wissenschaftlich Erforsch- und dann Kommunizierbaren; darin handelt es sich um ein typisches „Unendlichkeitsbemühen“. - Darin, über diesen Wissenschaftsbegriff, nimmt das Staatsrecht aber auch Unendlichkeiten aller Wissenschaften in sich auf, auf welche in dieser Weise als außerrechtliche Größen verwiesen wird, welche als solche ins Verfassungsrecht übernommen werden, in ihren unendlich weiter zu entwickelnden Ergebnissen, wie in ihrer unendlichen Entwicklungspotenzialität. cc) Fazit zum Verfassungsbegriff „Wissenschaft“: Das Verfassungsrecht ist eine Normenordnung, die in normativ nicht eingrenzbarer Weise auf Grenzenloses verweist, auf Ergebnisse, die weiter zu entwickeln sind. Damit wird letztlich auf „Unendliche Entwicklungen menschlichen Erkennens als solche“ verwiesen. Dies bedeutet: Das Recht, gerade in seiner Höchstform des Verfassungsrechts, mündet, endet, erschöpft sich nicht in „Bestimmtheiten“. Seine Bindungen greift es heraus aus dem großen Hintergrund einer Unendlichkeit. Dieser muss immer wenn nicht gesehen, so doch hingenommen werden, eben in dieser seiner Unendlichkeit, damit letztlich in der Grenzenlosigkeit eines Willens, in welchem dieses StaatsRecht über alles Erkennbare stets hinausstrebt. Einen „Saum des Kleides des Uralten, Heiligen Vaters“ hält das Recht in all diesen seinen „Verweisungen“ also doch in Händen, in einzelnen gegenständlichen Begrenzungen – und zugleich in unendlichen möglichen Wirkungspotenzialitäten. Im Licht dieser Ergebnisse sind nun die „Verweisungen des Verfassungsrechts auf all die vielen (Un-)Endlichkeiten“ mehr zu erwähnen als zu behandeln, welche das Grundgesetz in sich aufgenommen hat, diese „auf Unendlichkeiten zu sich bewegende Ordnung von Bindungen“.

104

Vgl. Leisner, Prognose, FN 10: Zu „Erkenntnis als Rechtsvorbereitung“.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

3. Ins Verfassungsrecht ausdrücklich global rezipierte Schutzbereiche mit ihren „Unendlichkeiten“ Das Staatsrecht ist, wie dargestellt (unter 2.), über den Wissenschaftsbegriff (Art. 5 Abs. 3 GG) geöffnet zu anderen Erkenntnisformen (Disziplinen) – grundsätzlich zu allen derartigen Bemühungen, damit auch zu den „Unendlichkeiten“, welche diese in sich tragen, darin dem Recht vermitteln. Einige, die praktisch wichtigsten von ihnen, sind ausdrücklich in der Verfassung als deren „Schutzbereiche“ erwähnt. Dies zeigt sich im Grundgesetz in zwei Formen, auf welche im Folgenden einzugehen ist: - in globalen Verweisungen auf Schutzgegenstände, Ordnungsbereiche des Verfassungsrechts (i. Folg. 3.); - in deren spezialisierender Aufgliederung nach (gesetzgeberischen) Ordnungsgegenständen (i. Folg. 4.). Das Staatsrecht verweist zunächst global auf gewisse Ordnungsbereiche, auf systematische Zusammenfassungen von Ordnungsgegenständen anderer menschlicher Erkenntnisdisziplinen als solcher. Diese Ordnungsbereiche werden im Wesentlichen außerrechtlich von anderen Disziplinen bestimmt in ihren Rechtsformen, ihren formalen Eingrenzungen, ihren Inhalten, aber eben auch in ihren über all dies hinausreichenden Unendlichkeiten. Dies alles wird übernommen ins Staatsrecht und dort unter dessen besonderen rechtlichen Schutz gestellt, auch, ja vor allem die damit verbundenen Verweisungen auf „Unendlichkeit(en)“, hinsichtlich des suchenden Erkenntnisbemühens wie von dessen möglichen Ergebnissen. Im geltenden Staatsrecht stehen dabei die im Folgenden behandelten Komplexe im Vordergrund; bei ihnen zeigt sich vor allem, was für diese Ordnungsräume, hier insbesondere für deren „Unendlichkeiten“, charakteristisch ist: Es geht um Bereiche, denen, intensiv wie extensiv, eine Eigenentwicklungsdynamik eigen ist, kanalisiert also nicht durch irgendwelche rechtliche Ordnungseingriffe (Gesetzgebung, Einzelentscheidungen). Es sind dies daher ins Staatsrecht rezipierte Komplexe, die in ihrer außerrechtlichen Eigendynamik Unendlichkeiten global ins Staatsrecht tragen, darin bereits den im Folgenden zu betrachtenden Fakten (IV.) nahe. a) „Der Mensch“ als solcher ist ein derartiger Ordnungsraum (Art. 1 GG), in seiner Entfaltungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), seiner „Gleichheit“ gegenüber Seinesgleichen (Art. 3 Abs. 1 GG), in der er allgemein in Erscheinung tritt. Im Verfassungsrecht ist dieser Human-Bereich als solcher global angesprochen, in der Unendlichkeit seiner (möglichen) Erforschungsinhalte, Erkenntnisgegenständlichkeiten und Entwicklungsvirtualitäten: im Begriff der „Persönlichkeit“, als dem Innersten, zugleich insgesamt den Menschen Prägenden, als etwas, das ihn damit geradezu „ausmacht“, „konstituiert“.

II. Rezeption von „außerrechtlichen Unendlichkeiten“

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Diese „Persönlichkeit“, „Personenqualität“ als Global-Schutzgegenstand des Verfassungsrechts, eröffnet eine Dimension der Unendlichkeit, formal wie inhaltlich. Als solche ist sie als Schutzgegenstand ebenso wenig zu „definieren“, im Sinne von „begrenzen“, wie die rechtlichen Bemühungen, welche dazu immer wieder erforderlich werden. Dies ergibt sich nicht nur aus der nicht überschaubaren, keinesfalls vorhersehbaren Zahl und Art möglicher Persönlichkeitsverletzungen105; es zeigt sich praktisch vor allem in der stetig weitergehend geschützten Intimsphäre, nach entsprechender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts106. Hier hat der technische Fortschritt einen wahren Progressus ad infinitum in Gang gesetzt, dem ein ebensolcher des rechtlichen Schutzes entsprechen muss. Darin ist zugleich offenbar geworden, welche geradezu „unendlichen“, völlig unvorhersehbaren Tiefen diese Persönlichkeit aufweist, in ihren Strukturen, die sich jeder näheren, rechtlich a priori zu bestimmenden Erfassung entziehen. „Der Mensch“ ist also, als solcher, Träger unendlicher Inhalte, welche nur in ebensolchen Bemühungen verfassungsrechtlich gesichert werden können. b) „Die Natur“ als solche ist ein weiterer „un-endlicher“ Schutzgegenstand, der verfassungsrechtlich geradezu ausdrücklich als solcher global normativ angesprochen wird, in der Materie des „Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege“ (Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG), aber auch in Art. 20 a GG im Begriff der „natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen“. Schutzgegenstand ist ja insoweit die gesamte Umwelt107. Ob dies i. S. einer Anthropozentrik zu verstehen ist – wofür der Wortlaut sprechen mag – oder sich auf „alles Menschen-Externe“ bezieht, ist für die vorliegende Betrachtung ohne Belang; denn gerade die Menschennützlichkeit ist ja ihrerseits wiederum auf „den Menschen“ als ihren Gegenstand (vgl. vorsteh. a) ausgerichtet, damit ebenfalls auf etwas Unendliches. Etwas „Unendlicheres als die Natur“ ist aber gar nicht vorstellbar, damit auch die Dimension der Gefahren, welche auf sie und von ihr ausgehen (können). Hier ist also durch Verfassungsnormen eindeutig ein außerrechtlicher Unendlichkeitsbegriff in das Staatsrecht rezipiert worden, nach Inhalt wie Formen des erforderlichen Schutzes. Auch hier zeigt sich diese Unendlichkeit in einer rasch zunehmenden rechtlichen Sicherungsintensivität und -extensivität, in dynamischer Wirkungsweise. c) „Der Kunst“ ist mit „der Wissenschaft“ (vorsteh. 2.) gemeinsam, dass sie durch ihre ausdrückliche Erwähnung im Grundgesetz formal als ein Verfassungsbegriff erscheint. Sie stellt allerdings als solche keine allgemeine Erkenntnisform von 105 Zum neuesten Stand des Schutzes des Persönlichkeitsrechts s. Cronemeyer, P., Zum Anspruch auf Geldentschädigung bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, AfP 2012, S. 10 ff; Glasmacher, St./Pache, St., Geldentschädigungsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, JuS 2015, S. 303 ff. 106 Dies gilt sowohl nach den geschützten Bereichen, etwa von der Ehre (BVerfGE 75, 369 (380)), die jeweils verhältnismäßig zu sichern sind (BVerfGE 89, 69 (82 f.)), als auch nach den Gefährdungen, welche ihnen drohen, von der Einsichtnahme in Tagebücher (BVerfGE 80, 317 (374 f.)) bis zu den besonders sensiblen Telekommunikationsdaten (BVerfGE 115, 166 (189)). 107 BVerfGE 102, 1 (18).

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

vergleichbarer Bedeutung dar, über welche „Außerrechtliches“ erfasst und ins Recht rezipiert werden könnte. Nahe steht sie jedoch der Wissenschaft(lichkeit) immerhin darin, dass auch sie in besonderer Weise Ausdruck von Unendlichkeiten der innersten Persönlichkeit ist (vgl. vorsteh. b))108. Eingrenzung „der Kunst“ wird zwar über einen „formalen Kunstbegriff“ versucht, der auf Tätigkeitsformen (Malen) abheben will109. Dies aber ist in der Praxis ebenso unbehilflich geblieben wie das Bemühen, dabei auf einen „subjektiven Kunstbegriff“ zurückzugreifen, also auf die Beurteilung eines Tätigkeitsergebnisses als „Kunst“ seitens des Urhebers oder „sachverständiger Dritter“110. „Kunst“ im Sinne der Verfassung ist vielmehr – nach der ständigen Verfassungsrechtsprechung – eine wesentlich undefinierbare Erscheinung111, eine „freie schöpferische Gestaltung“112. Weder ein „formaler“ noch ein „materieller“ Kunstbegriff113 bringen hier eingrenzende Lösungen. Ein weiterer „kommunikationstheoretischer“ Ansatz schließlich114 verzichtet auf jede Eingrenzung: Kunst sei ein „offener Begriff“, weil sich ihr Ergebnis „im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer neue Deutungen erschließe“. Dies stellt geradezu eine juristische Formulierung einer Unendlichkeit mit Wirkung im Recht dar. Damit ist der „Kunstbegriff“ etwas wie ein Prototyp einer Unendlichkeitsvorstellung im Verfassungsrecht: Er ist aus sich heraus völlig undefinierbar, vielmehr lediglich in seiner Entwicklungspotenzialität, seiner Eigendynamik erfassbar. Eingrenzbar mag „Kunst“ jeweils im Einzelfall sein, hic et nunc. Diese Eingrenzbarkeit ändert aber nichts an seinem „unendlichen Wesen“ in Entwicklungspotenzialität. „Begrenzungen“ bedeuten nichts für das Wesen einer Unendlichkeit als solcher, deren Wirkungen eben in Entwicklungsdynamik sich entfalten115. Schon hier, an einer Stelle, an welcher „Unendlichkeit“, wie kaum irgendwo im Verfassungsrecht, fassbar zu werden scheint, in einer „Anschaulichkeit“, lässt sich diese „Offenheit“ als Betrachtungsprogramm fortdenken: Sie schließt „Begrenzungen“ als solche nicht aus, in konkreten Konstellationen, verlangt hier jedoch stets Berücksichtigung ihrer Virtualität. Vor allem aber muss dabei eine Art von Koor108 Und Kunst kommuniziert insoweit Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers, BVerfGE 67, 213 (226 f.); 75, 369 (377). 109 BVerfGE 119, 1 (20 f.) („Formensprache“). 110 Einen „wissenschaftlichen Kunstbegriff“ gibt es nicht, auch nicht in den Formen einer „kunsthistorischen“ Kunstdefinition – der inhaltliche und formale Abstand zwischen früherer und „zeitgenössischer“ Kunst ist dafür, jedenfalls gegenwärtig, ein schlagendes Beispiel. 111 Vgl. FN 108. 112 So bereits BVerfGE 30, 173 (188 f.). 113 Vgl. die eingehenden Versuche bei Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 5 Rn. 298 ff., m. umfangreichen Nachweisen zu einem Schrifttum, das sich darum seit langem ebenso fruchtlos bemüht. 114 Starck, FN 113 unter Rückgriff wiederum auf BVerfGE 67, 213 (227 ff., vgl FN 108) sowie 83, 130 (138). 115 Vgl. dazu bereits grds. oben A. III. zu „Unendlichkeit und Begrenzungen“.

II. Rezeption von „außerrechtlichen Unendlichkeiten“

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dinierung, Abwägung, „Praktischer Konkordanz“116 versucht werden: nicht (nur) zwischen verfassungsrechtlichen Inhalten, sondern zwischen staatsrechtlichen Unendlichkeiten (vgl. dazu näher i. Folg. C.). d) „Religion, Weltanschauung“ (Art. 4 Abs. 1 GG)117 sprechen als Schutzgegenstände Bereiche an, welche ebenfalls einen deutlichen Unendlichkeitsbezug im Sinn der Betrachtungen dieses Kapitels aufweisen118. Ihr Gegenstand ist die Bestimmung der Ziele des Menschen mit Blick auf den Kern seiner Persönlichkeit, die Erklärung des Sinnes der Welt, des menschlichen Wesens in umfassender Weise119. Dass damit der Schutz wirtschaftlicher Betätigung als solcher ausscheidet120, ergibt sich schon aus verfassungs-grundrechtlicher Systematik und aus dem Wortverständnis nach allgemeinem Sprachgebrauch. Dieser Komplex kann nur einen gewissermaßen sekundären Schutz, in seiner Instrumentalität für die Ausübung von Religion und Weltanschauung als solcher beanspruchen. In all dem zeigt sich die enge Verbindung dieser Global-Gegenstände zu den Begriffen, welche bereits (vorsteh. a) und b)) als Bereiche unendlicher Entwicklungspotenzialität angesprochen wurden: Der Mensch in seiner Persönlichkeit und die Natur. Die Beziehung zur „Kunst“ wird in der religiösen Kunst, als einer von deren Grunderscheinungen einsichtig. Damit werden „Wahrheiten“ und/oder Erforschung(srichtungen) von solchen in jenen Unendlichkeiten zum Gegenstand verfassungsrechtlich-kirchenrechtlichen Schutzes; denn eine Wahrheits-Dimension ist diesem Gesamtbereich geradezu begrifflich wesentlich. Hinzu kommt noch deren jeweilige Ausformung in wissenschaftlichen Disziplinen, wie etwa der Theologie oder in wissenschaftlichem Atheismus. All dies eröffnet nicht nur intellektuelle Horizonte des Erkenntnisstrebens (i. w. S.) im Staatsrecht. Diese „Unendlichkeiten“ betreffen, schon in ihrer Wirkung der Gedankenfreiheit, aber auch im praktisch-politischen Verhalten, über Bekenntnisfreiheit bis hin zum Öffentlichkeitsanspruch der Kirchen121, das Verhalten natürlicher und juristischer Personen in der Ordnung des Grundgesetzes. Sie alle sehen sich, über diesen staatlich-grundrechtlichen Schutzauftrag, „in eine unendliche Dimension von Forschung, Wissen, Glauben gestellt“. Die Ausstrahlungen dieser verfassungsrechtlichen Schutz-Situation auf das politische wie wirtschaftliche Verhalten zahlreicher, ja der Mehrzahl der Rechtsträger lassen sich juristisch kaum 116

Im Sinne von Hesse, K., Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1995/99, S. 317 ff. 117 Untereinander bedürfen sie keiner Abgrenzung, schon weil sie gleichen verfassungsrechtlichen Schutz genießen (BVerwGE 90, 1 (4)). 118 Bemerkenswert ist, dass Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 4 Rn. 33 eben hier eine Parallele zur „Kunst“ zieht – deutlich mit Blick auf die Problematik einer Unendlichkeit. 119 BVerfGE 105, 279 (293). 120 BVerfGE 19, 129 (133). 121 Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 4 Rn. 37; v. Campenhausen, A., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 137 Rn. 8.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

absehen, gewiss nicht im Einzelnen definieren. Dies eröffnet, auch für all diese Verhaltens-Bereiche, weitere Unendlichkeits-Dimensionen, welche sich hier dem Staatsrecht öffnen – besser: in dieses global-rezeptiv hinein getragen worden sind. Einzelne Beleuchtungsrichtungen, in welchen all diese Unendlichkeitslichter – dieses Bild darf hier gebraucht werden – in „größere Unendlichkeiten“ des noch nicht Erkannten, ja des gegenwärtig noch Unerkennbaren hineinfallen, lassen sich wohl rechtlich, in ihrer Gegenständlichkeit, wie vor allem ihren Wirkungen (i. Folg. C.), noch schärfer erfassen als bisher; ein großer Rest gestalterischen Willens in seinen juristischen Schutzbemühungen wird sich aber wohl stets – in größeren dunklen Räumen verlieren. Hier endet dann, verfließend, das Staatsrecht in Unendlichkeit.

4. „Rezeptionen anderer Disziplinen“, ihrer Methoden, Ergebnisse, Unendlichkeiten ins Verfassungsrecht a) Gesetzgebungszuständigkeiten als „Rezeptionen von Unendlichkeiten“ In der Verfassung, deren grundgesetzlicher Ordnung, werden die vorstehend betrachteten Erkenntnisformen und -gegenstände global angesprochen, hinter welchen „Unendlichkeiten“ sich auftun. Der Verfassungstext bietet aber auch zahlreiche Einzelbegrifflichkeiten, welche sich auf diese „Globalräume“ beziehen, deren nähere Verdeutlichung zum Gegenstand haben. Es sind dies vor allem jene Gesetzgebungszuständigkeiten, in denen „die Staatsgewalt“ – selbst als solche eine „Unendlichkeitsvorstellung“ – sich ent-, auffaltet, aus der Potenzialität ihrer Macht heraustritt, in der Relativierung von deren Virtualitäten122. Der Staat kann zwar mit diesen Rechtsbegriffen den unendlichen Rest-Gehalt der Ordnungsformen und -inhalte nicht ausschöpfen, nicht präzis irgendwelche Grenzen desselben bestimmen – im Gegenteil: Gerade mit der Aufzählung dieser Ordnungs-Materien begibt er sich in „neue Unendlichkeiten“ hinein. Das Staatsrecht verweist aber auf Ergebnisse und deren Feststellungsformen, wie sie in anderen Disziplinen bereits entwickelt sind, in Entfaltung stehen – in den Unendlichkeiten anderer Wissenschaften. Das Allgemeine zu dieser „wissenschaftlichen Unendlichkeit“ als solcher war bereits oben (2. c), d)) Gegenstand der Betrachtungen. Im Folgenden werden Einzelbeispiele zu den Gebieten geboten, worin das Grundgesetz „andere Disziplinen rezipiert“ – eben, ja vor allem, auch in deren Unendlichkeiten. Rechtstechnisch mag man darin etwas sehen wie „Konkretisierungen“ des vorstehend unter 3. als „verfassungsrechtlicher Schutzauftrag“ Untersuchten. Dies trifft jedenfalls insoweit zu, als sich alle diese rechtlichen Formen der Äußerungen der Staatsgewalt – Normen, insbesondere Gesetze, wie Einzelentscheidungen der Ver122

Vgl. oben A. VII. 2.

II. Rezeption von „außerrechtlichen Unendlichkeiten“

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waltung und der Judikative – in den grundgesetzlichen Verfassungsrahmen halten müssen, wie sie durch die „Globalverweisungen“ gezogen wurden. In ihnen wurden bereits „gewissermaßen globale Unendlichkeiten“ angesprochen, die in Begriffen wie „Persönlichkeit“, „Natur“, „Kunst“, „Religion“ mehr Ordnungsräume als -gegenstände des Verfassungsrechts sind. Diese „global-begrifflichen Unendlichkeiten“ erfahren nun eben auch zahlreiche nähere Verdeutlichungen. Sie erfolgen aber ebenfalls nicht in scharfer rechtsüblicher Konkretisierung, sondern in Formen von Rezeptionen „einzeldisziplinärer wissenschaftlicher Inbezugnahmen“. Sie münden ihrerseits in die „einzelwissenschaftlichen Unendlichkeiten“ immer neuer Ergebnisse, immer weiterer Entwicklungen. b) Beispiele der Rezeption aus außerrechtlichen Disziplinen – Gesetzgebungszuständigkeiten Die Kataloge der Gesetzgebungsmaterien grenzen die Ordnungsräume des Staatsrechts ab, in rechtlicher Setzung. Dabei begegnen zwei Kategorien von Begrifflichkeiten, welche insbesondere in Art. 74 Abs. 1 GG betrachtet werden können: aa) Begriffe, die das Recht selbst als solches bestimmt, ausschließlich, nach Form wie Inhalt („rechtstechnische Begriffe“ i. w. S.); sie sind grundsätzlich dem Bereich der Rechtsetzung (vorsteh. I.), nicht der Rezeption (vorsteh. II.) zuzuordnen; ein Unendlichkeitsgehalt ist ihnen in diesen ihren klar rechtlich erfassbaren Formen und Inhalten nicht eigen. Zwar können ihre Gegenstände „erweitert“ werden; dies ist aber nicht in „unendlichen“, „unvorhersehbaren“ Gestaltungen vorstellbar, sondern immer nur in den festen, recht(sstaat)lich bestimmbaren Rahmen der betreffenden Rechtsbegriffe. Sie sind von der Art, dass sie als solche nicht „Gegenstände anderer Disziplinen“ sein können, das Verfassungsrecht verweist also hier nicht auf solche. Es sind dies „Gerichtsverfassung“ und gerichtliches Verfahren (Nr. 1), Vereinsrecht (Nr. 3), Ausländerrecht (Nr. 4), aber etwa auch „Flüchtlinge und Vertriebene“ (Nr. 6), „Enteignung“ (Nr. 14), städtebaulicher Grundstücksverkehr und die anderen Begriffe der Nr. 18, Staatshaftung (Nr. 25), das Beamten- und Richterrecht (Nr. 27). Zwar verweisen auch diese Begriffe, bei weiterer Vertiefung, ebenfalls wieder auf außerrechtlich zu bestimmende Sachverhalte123 ; die „wesentlichen Inhaltsbestimmungen“, kategorien- wie kriterienmäßig, erfolgen jedoch in juristisch-begrifflichen Gestaltungen. Bei anderen mag zweifelhaft sein, ob die eigentliche „rechtliche Setzung“ oder ein Verweis auf eine außerrechtliche Disziplin von primärer Bedeutung ist124. Der Rezeptions-Rückgriff auf außerrechtliche Disziplinen ist hier aber nicht so bestimmend, vor allem hinsichtlich von Unendlichkeitsdimensionen, dass er der Verweisung auf diese zuzuordnen wäre. 123

Etwa beim „Städtebau“ (Nr. 18), auf „Bauwesen“, im „Beamtenrecht“ (Nr. 27), auf Dienstpflichten, welche naturwissenschaftlich oder medizinisch bestimmt sind. 124 So etwa im Strafrecht in dessen Verhältnis zur Kriminologie, auch für das Zivilrecht, im Verhältnis etwa zu den Wirtschaftswissenschaften (Nr. 1).

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

bb) Anders steht es jedoch um eine Reihe von Regelungsmaterien, welche sich nur unter inhaltlichem, meist auch formellem, Rückgriff auf andere Disziplinen rechtlich hinreichend bestimmen lassen: Fürsorge (Nr. 7, Lebensbedürfnisse, etwa medizinischer Art), (Recht der) Wirtschaft (Nr. 11, Wirtschaftswissenschaften, Naturwissenschaften), Medizin(recht) (Nr. 19, 19a), Lebensmittel(recht) (Nr. 20, Naturwissenschaften), Verkehrs(recht) (Nr. 21 – 23/24, Technik, Naturwissenschaften) usw. In all diesen und ähnlichen faktischen Ordnungsmaterien bestimmt „das Recht zwar nach seiner eigenen Disziplin“ gewisse spezielle(re) Ordnungsbereiche. Für diese verweist es aber, wenn auch wiederum innerhalb derselben u. U. rechtlich näher begrifflich eingrenzend, doch auf Inhalte und Erkenntnis-, Regelungsformen anderer außerrechtlicher Disziplinen. Damit werden deren dort näher bestimmte Inhalte „ins Recht rezipiert“ – aber eben auch mit all ihren Unendlichkeiten, Entwicklungspotenzialitäten, Virtualitäten. Diese übernimmt damit das Staatsrecht global (wenn auch, anders als im Fall von Begriffen nach I.) als disziplinmäßig eingegrenzte, „kleine Unendlichkeiten“. Dieser ihr Charakter bleibt solchen Rezeptionen aber bereits darin erhalten, dass sie eben „über Wissenschaftlichkeit“ (vorsteh. II.) ins Staatsrecht übernommen werden. c) Näher bestimmte Unendlichkeits-Rezeptionen ins Staatsrecht: „Auf breiter Front“ Im Ergebnis erfolgt also ins geltende Staatsrecht hinein eine Vielzahl von „positivrechtlichen Rezeptionen von näher in Bezug genommenen einzelnen Unendlichkeiten“. Dass, wie bereits angedeutet, „das Staatsrecht als solches auf rollenden Kugeln von Unendlichkeiten ruht – oder sich bewegt“125 – lässt sich also nicht nur zeigen in seinen Global-Verweisungen auf Großbereiche wie „Mensch“ oder „Natur“, sondern auch in zahlreichen, wenn nicht letztlich wiederum zahllosen „Rezeptionen über Wissenschaftlichkeiten“ aus nahezu allen heute bekannten wissenschaftlichen Disziplinen. Eindeutig anerkannt, wenn auch als UnendlichkeitsErscheinung nicht vertieft, gilt dies für Naturwissenschaften, Technik, Medizin, Wirtschaftswissenschaften; deren enge, vielfache Verbindungen im Einzelnen werden so auch in rechtlicher Sicht deutlich. Geisteswissenschaften im engeren Sinn, wie etwa, als deren Prototyp, die Historie, werden in ihren Formen wie Ergebnissen ins Recht rezipiert, überall in jenen zahlreichen, ja unübersehbaren Bereichen, in denen sie nicht nur Beispiele, sondern Vor-Bilder für rechtliche normative Gestaltungen wie für Einzelentscheidungen liefern. Die Rechtsgeschichte ist eben eine solche „außerrechtliche Disziplin mit rechtsrelevanten Gegenständen“. Indem sie zur Historia Magistra im Staatsrecht wird126, vermittelt sie diesem auch ihre, nun wirklich unendlich vielen, Unendlichkeiten, in denen sie noch immer „verdämmert“, aus denen sie aber laufend „als 125 126

Oben 2. a. E. Rechtsgeschichte als Historia Magistra, vgl. den Titel von Leisner, A., 2004.

III. Fakten und Unendlichkeit

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Vorbild oder (nur) als Material zur Berücksichtigung“ hervortritt. Dies gilt für Inhalte geltenden Verfassungsrechts, für dessen, nun bereits im rechtlichen Sinn, nachrangige Konkretisierungen in der geltenden Rechtsordnung. Verfassungsrecht ist so, auf den Rädern des politischen Glücks und auf den Rollen der (wissenschaftlichen) unendlichen Erkenntnis/Entwicklung, jedenfalls in dauernder Bewegung – in Unendliches hinein.

III. Fakten und Unendlichkeit 1. Das Faktische – als „außerrechtliche Welt“ a) Die „Rechtswerdung des Tatsächlichen“ Vom Tatsächlichen als solchem, von all dem, was in irgendeiner Form „existiert“, gehen irgendwelche Wirkungen auf das Recht, insbesondere auf die Verfassungsordnung aus: Das Faktische bietet ihr die rechtlichen Ordnungsgegenstände, es bestimmt damit, in Verbindung mit den Grundsätzen der Effizienz (Effektivität)127, die Erfassungs-, ja alle Regelungsformen von Anordnungen und deren Verbindlichkeit sowie, insbesondere, auch von deren Grenzen, damit dieses (Staats-)Rechts überhaupt. „Das Faktische“128 ist damit eine „Erscheinung von rechtlicher Relevanz“, ein Verfassungs-Begriff aber nur in dem Sinn, dass es als solches in Eigenständigkeit beginnt, wo die Ordnungskraft des Rechts endet. b) „Faktisches“ und „Rechtliches“ – Zwei Welten Die Allgemeine Staatslehre hat daher, vor allem in ihren klassischen Ausprägungen in der Weimarer Zeit129, durchgehend, eine „Zwei-Welten-Lehre“ vertreten, dem Kosmos der rechtlichen Verbindlichkeiten den (größeren) Outer Space des Tatsächlichen gegenübergestellt, als einen „ganz anderen“. Am deutlichsten liegt dies Kelsens Rechtslehre von der „normativen Rechtswelt“ zugrunde130 ; doch es prägen derartige Dualitäts-Vorstellungen auch Integrationslehre und Dezisionismus, welche ja beide „politischen Willen als Faktum“ überleiten (wollen) in den Bereich gerade eines Verfassungsrechts mit seinen Ordnungen und Entscheidungen. Im 127

Zur Effektivität s. Nachweise in Leisner, W., Privatisierung des „Öffentlichen Rechts“. Von der „Hoheitsgewalt“ zum gleichordnenden Privatrecht, 2007, S. 100; Pache, E./Groß, Th., Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, VVdStRL 66, 2007. S. 106 ff. 128 Zum Verhältnis von „Recht und Fakten“ in der Allgemeinen Rechtslehre, vgl. f. viele Vogel, J., Juristische Methodik, 1998, S. 11 ff. 129 Zur Allgemeinen Staatslehre, nach den klassischen Systemen der Weimarer Zeit, s. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 29 ff. 130 Zu Kelsen und seiner „geschlossenen Rechtswelt“ Nachweise in FN 5; s. auch Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 30.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

„Begriff des Politischen“131 findet dieser Vorgang der „Rechtswerdung des Faktischen als Rechtsgegenstand“ mehr Bezeichnung als eine nähere rechtliche Begriffsbestimmung. Theorie wie Praxis des „politischen Rechts“, damit wesentlich für den Verfassungsbereich, behandeln dieses „Zwei-Welten-Verhältnis“, das ja schon begrifflich nicht allein mit Vorstellungen einer, der rechtlichen Welt, erfasst werden kann, herkömmlich in dieser Weise: Das Faktische ist der „äußere“ Bereich, i. S. eines (möglichen) „Ausgriff-Raumes“ für rechtlich verbindliches Ordnen. Seine Erscheinungen und Entwicklungen können, sie müssen nicht vom Staatsrecht hingenommen, einbezogen werden in die „Welt des Rechts“. Damit vollzieht sich die erwähnte „Rechtswerdung des Faktischen“ nach Rechtsinhalten (Ordnungsgegenständen) wie Rechtsformen des juristischen Ausgriffs.

2. „Rezeption des Faktischen ins Recht“, mit allen tatsächlichen Unendlichkeiten a) Das Faktische ist als solches ein „Gegenüber zum Recht“, mit diesem vielleicht gar in einer eigentümlichen „Wechselwirkungslehre“ verbunden132; es muss daher als solches einen eigenständigen Betrachtungsgegenstand im vorliegenden Zusammenhang „Unendlichkeit im Staatsrecht“ darstellen. Jenes erwähnte „Ausgreifen“ des Rechts in die Welt der Fakten, in deren „Verrechtlichung“, kann ja nicht nur gedeutet werden als eine Erweiterung von rechtlichen Ordnungsräumen, eine Perfektionierung von Formen derselben. Es darf ebenso, umgekehrt, verstanden werden als eine „Rezeption des Faktischen ins Recht“, in dem grundsätzlichen Sinn, in welchem Rezeption bereits vorstehend behandelt worden ist (vgl. II. 3.): Die globalen Großverweisungen auf „Persönlichkeit, Natur, Kunst, Religion“ beziehen sich ja, jedenfalls in einem streng kelsenianischen Sinn, auf „Räume des Tatsächlichen“, die nun „eingegrenzt“ werden durch rechtliche Kategorien, damit eben in einer typischen „Globalität“ einbezogen in die „Welt des Rechts“. Der Vorgang verfeinert sicht sodann in der Hereinnahme von faktischen Inhalten aus anderen Disziplinen (vorsteh. II. 4.). In all dem zeigen sich intensive Rezeptionen, in denen – und dies war hier ja Betrachtungsgegenstand – zugleich auch jeweils die Unendlichkeitsdimensionen, -perspektiven, -(Regelungs)räume in die betreffenden Regelungsbereiche des Staatsrechts Eingang finden, vor allem solche der Naturwissenschaften in einem weiten Sinn, nach dem Kriterium des Wissenschaftsbegriffs; er wirkt ja seinerseits bereits als Rezeptionsform außerrechtlicher Unendlichkeiten. 131

Zu „Politik“ als Rechtsbegriff vgl. Isensee, J., HbStR3, Bd. 12, § 268 Rn. 29 ff. Die Bedeutung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten „Wechselwirkungslehre“ (BVerfGE 59, 231 (265); 66, 116 (150); 71, 206 (214)) reicht weit darüber hinaus und ist auch im Verhältnis zwischen Recht und Fakten von grundlegender Bedeutung. 132

III. Fakten und Unendlichkeit

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b) Dieser selbe Vorgang, dort bereits rechtlich verdeutlicht, trägt nun aber das Verhältnis von Tatsächlichem und (Verfassungs-) Recht ganz allgemein: Es finden hier laufende Rezeptionen von Faktischem in rechtlich Bestimmendes und Bestimmtes statt; aber „das Tatsächliche als solches“ bleibt letztlich doch immer ein großer, ein unendlich weiter, potenzieller, virtueller Raum für den Vorgang der Rechtswerdung. Er wirkt im Verfassungsrecht in den Grundformen, die bereits erkannt worden sind: In der Grenzenlosigkeit der möglichen Ausgriffsräume (II. 1., 3., 4.), wie der Ausgriffsformen (II. 3.), letzteres vor allem in Wissenschaft(lichkeit). Diese Unendlichkeiten, welche schon an sich im Rechtsbegriff der Rezeption liegen, in ihrer Offenheit in der Potenzialität der Regelungskraft wie der Virtualität der Übernahmeergebnisse, werden noch erweitert durch die Eigengesetzlichkeit der faktischen Entwicklung. Sie wird erkennbar im jeweiligen Entwicklungszustand, in dem sich das Tatsächliche im Zeitpunkt einer Rezeption, damit einer Übernahme in Regelungswirkungen des (Staats-)Rechts anbietet. Auch hier sind (jeweilige) Ergebnisse von Unendlichkeiten rechtlich wirksam, in welchen Faktisches als solches in ständigem, rechtlich noch ungeordnetem Lauf ist. Seine jeweiligen Zustände werden ins Recht übernommen, in dessen Rezeptionsvorgängen; sie bleiben jedoch „eingebettet“ in die unendliche räumliche, zeitliche, kausalitätsmäßige Bewegung, in der sie überhaupt erst menschlichem, damit auch rechtlichem Erkennen zugänglich sind. Damit übernimmt das Recht mit allem Tatsächlichen, als dem zu Ordnenden und in dessen Ordnungsformen, auch alle Unendlichkeiten, welche in sämtlichen tatsächlichen Einzelerkennbarkeiten von Gegenständen und deren Entwicklungen eben „mit der Rezeption der rechtsbestimmenden Fakten ins Staatsrecht einfließen“. Faktische Erkenntnis- und Entwicklungs-Grenzenlosigkeiten gelangen so ins Recht durch dessen faktenordnende Rezeptionen. Die Rezeptionsräume lassen sich rechtlich bestimmen, nicht aber das so Rezipierte: Denn es bringt alle seine Unendlichkeiten, Unfassbarkeiten, Unabsehbarkeiten seiner Entwicklungen mit ins Verfassungsrecht. Über dessen Gesetzgebungsräume verbreiten sich diese „faktischen Unendlichkeiten“ in die gesamte Rechtsordnung hinein (vgl. vorsteh. II. 4.). Gegenständlich setzt die Rechtsordnung dem zwar in ihren „Rezeptions-OrdnungsBestimmungen des Tatsächlichen“ rahmenmäßige Grenzen (nach Materien-Begriffen). Doch innerhalb derselben öffnen sich, mit jedem im Recht erwähnten Begriff, „tatsächliche Unendlichkeiten“ der (Un-)Erfassbarkeit, (Un-)Überschaubarkeit der Entwicklung des (geregelten) Faktischen. Damit nimmt die Verfassungsordnung des Rechts, mit jeder ihrer ordnenden Rezeptionen, in tatsächlichen Gegenwartslagen wie in deren formalen Ordnungsvorgängen, erkenntnismäßig betrachtet, jeweils die entsprechenden Unendlichkeiten des Faktischen in sich auf.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

3. Fakten-Feststellung im Recht a) Das Recht zwischen Wirklichkeitsabbildung und subjektivierender Ethik Das Recht ist aber nicht „reine Rezeption von Wirklichkeiten“. Es hat diese zwar „abzubilden“133, mag an ihnen seine Grenzen finden. Immer will es aber doch auch darin „seine eigene Welt“ konstituieren, (be)halten in „Rechtsetzung“. Da es sich als „Disziplin der Bestimmtheit“ versteht (vgl. E. 1.), weist es zwar, selbst in dieser „rechtlichen Eigensetzung“, Dimensionen des Unendlichen auf (vgl. vorsteh. I.). Wesentlich greift dieses Recht aber auch, wie dargestellt, über Rezeptionen ins Tatsächliche aus, mit all dessen Unendlichkeiten, letzten Unbestimmbarkeiten (vorsteh. II.); es begleitet, letztlich in ganz „weiter Form“, in der rezeptiven Ordnung von Fakten allgemein (vorsteh. 1., 2.). Was bleibt dem Recht dann aber noch an eigener Setzungskraft in diesen Rezeptionsvorgängen der Wirklichkeit mit deren Unendlichkeiten, auf so breiter Front? Verliert es sich nicht endgültig nicht nur in seinen kategorialen Setzungen (vorsteh. I.), sondern auch noch in all seinen „Rezeptionen von Fakten“ all seiner Ordnungsgegenstände (vorsteh. II., III., 1., 2.), vollständig in der Wirklichkeit, hat dann das Recht überhaupt noch bestimmendregelnden Selbststand? Verfassungsrecht – aufgehend in Wirklichkeitsabbildung, sich verlierend in den Unendlichkeiten des Wirklichen? Wie findet dieses Recht einen Ausweg aus den Grenzen der erkenntnistheoretischen kantianischen „Reinen Vernunft“ in die „Ethik der Praktischen Vernunft“ – etwa gar nur in Anerkennung der menschlichen Individualethik134 ? Ist dann das Verfassungsrecht nicht dazu verurteilt, sich in einer rein voluntativen Politisierung zu bewegen, ohne intellektuelle Maßstabsgrenzen, weil es sich entweder verlieren müsste in Wirklichkeitsabbildungsversuchen, in Kopien des letztlich in der Unendlichkeit faktischer Entwicklungen Unabbildbarem – oder in reinem ethischen Subjektivismus von Unendlichkeiten einer wiederum unerforschlichen menschlichen Persönlichkeit? Lässt sich in Eigensetzung des Rechts zwischen Beidem eine regelbare Rechtswelt aufbauen? Sind hier letztlich nicht nur Unendlichkeiten wirksam, welche eine Bestimmung von rechtlich Geltendem nicht gestatten? Hier ist schon von vorne herein offensichtlich etwas wie eine „Praxis“ gefordert, eine „praktische Vernunft“, in der eben doch letztlich „vom Menschen ausgegangen wird“, in einem „Personalismus“. Es muss damit eine Ent-Unendlichung stattfinden, damit eine rechtliche Regelbarkeit in politischen Verfassungsordnungen. Gerade die Demokratie ist dazu aufgerufen, in ihrer Höchstschätzung des Menschen (Art. 1 Abs. 1) muss sie sein Leben ordnen; darin darf sie sich nicht in Unendlichkeiten, am 133

„Abbildungslehren“ werden vor allem entwickelt bei der Behandlung von „Recht und Wirklichkeit“ (Realität), „Recht und Fakten“, etwa deutlich bei den Vorgaben der Gleichheit (Art. 3 Abs. 2 GG). 134 Nach den Ergebnissen in Leisner, Personalismus, FN 24, verliert sich das Recht bei einer Untersuchung der Individualethik in der Unendlichkeit der Rechtspersönlichkeit des Gewissens.

III. Fakten und Unendlichkeit

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Ende in Anarchie verlieren135. Diese kann nicht das letzte demokratische Wort bleiben in einer Betrachtung, in der „Unendlichkeit im Staatsrecht“ zu einem Ende des Rechts führen müsste, in eine Unendlichkeit eines „Willens zur Macht“. Kant darf nicht in Nietzsches Unendlichkeit sich auflösen – im Namen der Demokratie, ihres Menschenbilds.

b) Der normfixierte „rechtliche Geltungswille“ – Feststellungsvoluntarismus im Staatsrecht An dieser Stelle darf zum Grundsätzlichen der Begründung zurückverwiesen werden auf bereits Festgestelltes: Das Unendliche begegnet in jenem Recht, das es hier gegenüber „Unendlichkeiten“ des Faktischen, von ihm aber doch Rezipierten, zu festigen, geradezu „zu retten“ gilt, nicht allein in Formen von Erkenntnissen, auf dem Hintergrund von „Erkennbarkeiten“; zugleich und wesentlich tritt dieses Recht hervor im „Willen des Setzens“. Dies erfolgt in einem Voluntarismus; er trägt die Rechtsgeltung, damit das Wesen des Rechts, dessen „rechtliche Eigenfaktizität“, er schafft Recht als Realität des Gewollten. Das Recht ent-unendlicht damit die Fakten und ihre Entwicklung, setzt seine Rezeption dazu ein. Es verschließt sich auf diese Weise den etwa „mitrezipierten“ Unendlichkeiten. Dies ist der Sinn seiner Geltung, dies sind ihre Grenzen: Es wird nun Realität, in all ihren überhaupt rechtlich rezipierbaren Formen, normativ festgestellt, in einen Befehl gefasst. Dieser Befehl ist insoweit nicht nur „Das Beste“ (Carl Schmitt), er ist wirkungsmäßig das einzig Reale des Rechts; im „Politischen“, voluntativ geprägten Staatsrecht trägt er die gesamte Rechtsordnung, er stellt „das einzige rechtliche Faktum“ dar, findet so die grundsätzliche Verbindung zum kelsenianischen Verständnis. Dieses zeigt sich hier in einer größeren Einheit mit dem Dezisionismus: Beide betrachten Verfassungsrecht nur aus unterschiedlichen Perspektiven, sie gilt es – endlich! – zu verbinden, zu versöhnen. Der dezisionistische Geltungswille des Normbefehls ent-unendlicht das Recht gegenüber der faktischen Welt; er schafft ihm seinen normativen Selbststand, seine kelsenianische Rechtswelt wird geistige Wirklichkeit, sie wirkt in der Praxis des Rechts, mit dem Willen und seiner praktischen Vernunft. Schauen und Wollen, Intellektualismus und Voluntarismus finden damit zueinander. Sie bringen ihre eigenen rechtlichen Unendlichkeitswirkungen hervor, dürfen darüber hinaus aber nicht in den Unendlichkeiten des Faktischen verdämmern – wenn sie nicht in eigener, rechtlicher Gestaltungsunendlichkeit grenzenlos gerade in jene hinausgreifen wollen. Damit ist die Rechtsnorm selbst, der Befehl, zwar „unendlich“, aber eben stets „rechtlich“, wenn auch letztlich vielleicht hinaus bis in Hintergründe einer „noch weiteren Unendlichkeit der Fakten“ – aber nur, wenn das Recht eben dies will. 135 Zu den Gefahren einer Unendlichkeit in „Demokratischer Anarchie“ s. Leisner, W., Demokratie, Verlust der Ordnung als Staatsprinzip? 1982; 2. Aufl. in ders., Demokratie, Betrachtungen zur Entwicklung einer gefährdeten Staatsform, 1998, S. 449 ff.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

c) Das Feststellungs-Urteil: Rechtliche Endlichkeit – und doch wieder unendlich Nach juristischem Sprachgebrauch wird die Realität durch den Normbefehl des Rechts „gestaltet“, indem dieser regelnd in sie eingreift, damit eben doch auch in jene Unendlichkeiten ausgreift, diese aber juristisch ver-endlichend. Dies schließt eine Weiterentwicklung der Faktenlage, in deren Unendlichkeits-Dimension nicht aus; ihr muss dann aber rechtlich über eine Verständnis-Entwicklung entsprochen werden, welche damit ihrerseits zur „unendlichen Auslegung“ werden kann, in aller Regel sogar wird. Eine „Ent-Unendlichung“ ist in dieser Lage nur erreichbar durch eine rechtliche Setzung, welche diese Tatsachenlage in juristisch-definitiver Entscheidung „endgültig festschreibt“, in Behördenentscheidung oder Gerichtsurteil: eben in „Feststellungs(be)urteil(ung)“. Verfassungsrechtlich bedeutet dies, dass die Zweite und letztlich, endgültig die Dritte Gewalt rechtsbestimmende Faktenlagen in ihrer Geltungsentscheidung im weitesten Sinne herauslösen aus all deren Unendlichkeiten, vor allem der ihrer laufenden Entwicklung und dessen Verständnisses. Exekutive und Judikative sind rechtssetzende Verendlichungsinstanzen der (zeitlichen) Unendlichkeit, in der die Erste Gewalt steht, mit der Geltung ihrer Normbefehle. Dies ist das Wesen der Feststellungsentscheidungen, ihrer Bestandskraft im Verwaltungsrecht, der Rechtskraft des Feststellungsurteils136 : Es ist „die Reaktion des Rechts in eigener Sache“ gegen außerrechtliche Unendlichkeit(en). Darin werden die Drei Verfassungsgewalten Eins, in Setzung, Bestimmung, Festigung eines juristischen Phaenomens: der „Geltung“. In dieser übergreifenden Einheit sollten sie mehr als bisher gesehen werden. Doch eben diese „Verendlichung der Faktenlage“ trägt wiederum bereits ein eigenes ver-unendlichendes Potenzial in sich: Jede Feststellungsbeurteilung unterliegt ihrerseits der Unendlichen Auslegung; auch sie ist eben, nach wahrhaft gültigem kelsenianischem Norm-Verständnis, nur eine „Norm mit engerem Geltungsinhalt“. Das Staatsrecht kann also, mit all seinen organisatorischen Mechanismen, der Unendlichkeit des Faktischen letztlich doch nicht entgehen. Das ex facto oritur ius wirkt auch hier: von (tatsächlicher) Unendlichkeit zu (rechtlicher) Unendlichkeit – von Ewigkeit zu Ewigkeit. Dahinter folgt aber nicht ein rechtliches „Amen“, „So sei es!“, sondern das größere „So ist es“ – (auch) „von Rechts wegen“.

136 Zum Wesen des Feststellungsurteils s. Sodan, H., in: Sodan, H./Ziekow, J., VwGO 3. Aufl., 2010, Erläuterungen zu § 43.

III. Fakten und Unendlichkeit

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4. Entunendlichung – Sisyphusarbeit der Jurisprudenz a) Die bisherigen Betrachtungen zu den Erscheinungen einer (vieler) Unendlichkeit(en) im Recht (I. bis III.) bezogen sich im Wesentlichen auf die Regelungsgegenstände des Staatsrechts, damit allerdings auch auf Grundformen von deren Ordnung: (Eigen-)Setzung des Rechts (I.), Rezeptionen des Außerrechtlichen (II., III.). Mit diesen letzteren Hinweisen wurden auch schon einzelne juristische Methoden, Mechanismen angesprochen, etwa „Norm-Geltung“ und „Feststellung“. Diesen Überlegungen kann jedoch hier auch schon etwas wie ein globales Ergebnis entnommen werden, für die „Problematik des Unendlichen als solchen im Staatsrecht“: Diese Dimension lässt sich nicht aus dem Recht, gerade nicht aus dessen „allgemeinster Erscheinungsform“, dem Verfassungsrecht, „extrapolieren“. Allenthalben, und immer wieder, begegnen Wirkungsräume und Wirkungsformen rechtlicher Gestaltung, welche unendliche Potenzialitäten und Virtualitäten in ihrer Bedeutung allgemein, ihren Wirkungen bis in Einzelheiten hinein zeigen. Das Staatsrecht bewegt sich nicht nur vor Hintergründen des Unendlichen; dieses greift immer wieder ins Verfassungsrecht hinein – gerade darin, dass das Staatsrecht versucht, in seinen positiven, begrifflichen Formen in jene Unendlichkeiten hinauszugreifen, sie in sich hineinzutragen. b) Hier ist etwas von jeher, und wohl wesentlich, im Gange, was mit der Natur des Menschen, als Subjekt und Objekt zugleich rechtlicher Gestaltung, wesentlich verbunden ist, mit seinem Wesen vorgegeben, mit seinem rechtlichen Erkenntnisvermögen, seinen auf diesem beruhenden politischen Willen: Für ihn gilt wohl wirklich das „Nos autem semper in infinitum“, das Programm dieser Betrachtungen, nach deren Einleitung. Es hat sich, wenn nicht als auch rechtlich stärker, so doch als höher gezeigt, als ein allgemein begegnendes, wesentliches Bestimmungsstreben des Rechts als Disziplin137. Wenn das Recht als solches, wenn vor allem das Verfassungsrecht verstanden, gewürdigt, gepriesen wird als ein „Kampf für das Endliche“, das Fassbare, Bestimmbare im menschlichen Leben, gegen dessen „faktische Geworfenheiten in Unendlichkeiten hinein“ – so muss dies allerdings als eine SisyphusArbeit erscheinen; gerade sie hat ja, nach dem griechischen Mythos, in ihrem endlosen Bemühen, der Unendlichkeit einen letzten, entscheidenden, geradezu wesensbestimmenden Tribut zu entrichten: Sie muss immer von Neuem beginnen, wird stets erneut mit Unendlichkeiten konfrontiert. Das Verfassungsrecht ist, das ist schon bisheriges Ergebnis, eine von Unendlichkeiten umgebene, mehr noch von ihnen durchdrungene Erscheinung für die Menschen, in ihrem Ordnungswillen. c) Nun aber gilt es, diese Betrachtungen noch fortzusetzen, in eine Vertiefung hinein, die sich mit rechtstechnischen Instrumenten beschäftigt. In ihnen kommt, wenn auch in der methodischen Beschränktheit ihrer Wirkungen, doch immer „Grenzenloses“ zum Ausdruck, hier nun unter formalen Aspekten, eben im Einsatz von typisch rechtlichen Ordnungsformen und deren Wirkungen auf die Ordnungs137

Zu diesem s. Einleitung 1.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

gegenstände, gerade des Verfassungsrechts (i. Folg. IV., V.). Auf diesen Grundlagen lassen sich dann auch die Wirkungen mehr „beschreiben“ als rechtlich definieren, welche Unendlichkeit in der Verfassungsordnung des Rechts hervorbringt (i. Folg. C.).

IV. Das (Verfassungs-)Recht als unendliche Annäherung an eine bestimmte/bestimmende Ordnung 1. Äußerer Rahmen und „innere Bestimmtheit“ der Rechtsbindungen a) Die Betrachtungen von Unendlichkeit(en) im Verfassungsrecht erfolgten bisher im Wesentlichen in einer Perspektive, welche sich orientierte an den herkömmlichen Kategorien und Kriterien der „Bestimmtheit des Rechts“, wie sie das Staatsrecht der Demokratie in seiner Rechtsstaatlichkeit vorgibt138. Derartiges wird vor allem behandelt als Erscheinung von Begrenzungsformen durch rechtliche Schranken. Diese erscheinen dabei im Wesentlichen als „äußere Begrenzungen“139 : gegenständlich, zeitlich, formal/wirkungsmäßig. All diesen Eingrenzung(sversuch)en ist, nach gängiger staatsrechtlicher Dogmatik, vor allem eines gemeinsam: Sie richten den ordnenden Blick gegenständlich auf begriffliche äußere Abgrenzungen der Ordnungsgegenstände. Diese sollen so eng(maschig) sein, dass damit allein schon „volle rechtsstaatliche Bestimmtheit“ erreicht wird; so soll jedes rechtsstaatlich bedenkliche „Verdämmern in Unerkennbarkeiten, Unendlichkeiten“ aus dem Verfassungsrecht eliminiert werden. Art. 80 GG erscheint als Ausdruck dieses „in äußeren Rahmen-Beschränkungen und -bestimmungen Denkens“: Wenn die Ordnungsgegenstände als solche hinreichend präzise verbal erfasst sind, ebenso ihre rechtlichen Gestaltungsformen, so gilt für den Rechtsstaat „Es ist erreicht!“. Dahinter steht die grundsätzliche Vorstellung, es träten hier immer nur Probleme hinreichend zu bestimmender äußerer Rahmenziehung auf, einer Begrenzung durch sie. b) In den Blick ist zu nehmen jedoch auch, gerade im vorliegenden Zusammenhang von Überlegungen zur „Unendlichkeit“, die „Kategorie einer inneren Bestimmtheit“. Sie bezieht sich auf die Effekte, welche innerhalb eines begrifflich in äußerer Rahmenziehung abgesteckten Raumes auftreten. In Ihnen soll in „Tiefenwirkung“ geordnet werden, „bis in die (letzten) Einzelheiten hinein“, für welche noch ein Ordnungsbedürfnis besteht, soll eine rechtliche Betrachtung eindringen, oder sich gewissermaßen herabsenken, auf die „Welt des Faktischen“. Dabei begegnet sie – was schon nach den bisherigen Überlegungen zu II. und III. selbstverständlich ist, – wiederum den, allen Unendlichkeiten, welche die „Welt der 138 139

Sommermann, K. P., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 287 ff. A. III. 2.

IV. Das (Verfassungs-)Recht als unendliche Annäherung

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Fakten“ in sich trägt, ins Recht hineinträgt. Nur geht es hier um Verfeinerung des Blicks, um rechtliche Nah-Brillen, nicht jene Fern-Sehhilfen, welche (nur) die Globalität der Umrisse erfassen lassen. Dies soll hier mit dem (Arbeits-)Begriff der Annäherung bezeichnet werden. Dabei muss klar bleiben, dass alle erfassende Erkenntnis immer in Formen einer Annäherung (überhaupt nur) erfolgen kann – an die „Monumentale Erscheinung Staat“140, wie an deren „mikroskopische Ausprägungen“. Stets geht es eben darum, was sich „in rechtlicher Wirksamkeit (gerade noch) erreichen lässt“ (i. Folg. C.); dies aber wird bestimmt durch die jeweilige Erkennbarkeit der Ordnungsgegenstände, die ebenfalls auf dieser Grundlage vorzubereitende Ausgestaltung der formalen Ordnungs-Instrumente. Hier ist Aufgabe die „innere Durchdringung der Ordnungswelt der Fakten i. w. S.“. Letztlich stellt sich auch damit ein „Abgrenzungsproblem, nach innen gewendet“; vom Makrokosmos der Dogmatik der rechtlichen Beschränkung muss sich die Betrachtung hinwenden zum Mikrokosmos einer „Durchdringung mit ihren rechtlichen Bindungswirkungen“. Dies ist im Folgenden gemeint unter einer „Annäherung an Ordnungsperfektion“. Im Ideal des „Totalen Staates“ wurde es bereits angesprochen141. c) Darin wird hier nun übrigens ein gewisser „dogmatischer Rück-Zug“ angetreten: Aus den Betrachtungen größerer gegenständlicher Komplexe des Verfassungsrechts („Natur“, „Persönlichkeit“, „Kunst“) in Bereiche, welche näher instrumental, durch rechtliche Ordnungsmittel bestimmt sind. Die folgenden Überlegungen haben vor allem Phänomene zum Gegenstand, die herkömmlich einer (Verfassungs-)Rechtstechnik der Ausgestaltung zugeordnet werden. Instrumente sind es, welche als solche Gegenstände rechtlicher Setzung darstellen (i. S. von III. 1.), die aber insbesondere wirken als Formen rechtlicher Rezeptionen des Tatsächlichen (i. S. von III. 2., 3.). Damit zeigt sich das Verfassungsrecht als solches nicht nur in seinen Inhalten (vorsteh. I.), sondern auch in seinen zentralen Gestaltungsformen insgesamt – wiederum – als eine „Erscheinung in auch rechtstechnischer Unendlichkeit“, wie dies bereits angeklungen war142. Im Grunde ist dies eine Selbstverständlichkeit, wenn es denn etwas gibt wie eine „Wissenschaft des Öffentlichen Rechts“: auch sie muss ja ihren Zoll entrichten den Unendlichkeiten, in welchen der Begriff der Wissenschaft(lichkeit) als solcher liegt – besser: die in ihm liegen143. Und welche Unendlichkeit des Außerrechtlichen böte ein eindrucksvolleres Bild als die der „Technik“ im weitesten Sinn, bis hinein eben hier in – Rechtstechnik? 140 Der Begriff der Monumentalität ist in Annäherung erkennbar, vgl. Leisner, Monumentalstaat, FN 70 (S. 581); er führt zu den gleichen Überlegungen, wie sie hier der Unendlichkeit zugrunde gelegt wurden (B. I.), und daher auch weiter zur „Annäherung“ (vorsteh. IV.) gelten sollen. 141 Vgl. oben A. VII. 142 Etwa in der Betrachtung seiner Methoden, A. V. 143 Vgl. oben II. 2.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

2. Die „staatsrechtliche Konkretisierung“ in Stufenordnungen – vertikale unendliche Annäherung a) Föderalismus, Selbstverwaltung – Bürgernähe Bürgernähe ist ein rechtliches Fundamentalziel aller gegenwärtiger Staatsorganisation, ein Schlüsselbegriff der Verwaltungslehre144. Staatsgrundsätzlich erwächst dies aus der demokratischen Vorstellung vom „Staatswillen als Bürgerwillen“145. Angesprochen wird damit ein wesentliches Fernziel, welches in organisatorischen Formen der Annäherung angestrebt, darin aber nie als solches maximal oder gar vollständig erreichbar ist. Hier zeigt sich Staatsorganisation insgesamt in einer „unendlichen Annäherung“: Sie legitimiert teleologisch den Föderalismus als solchen146, weit allgemeiner noch alle Selbstverwaltung147, in deren staatsprinzipieller Begrifflichkeit; insbesondere in ihren funktionalen Ausprägungen148. In ihrem Streben nach immer weiterer Annäherung an den individuellen Bürgerwillen gestaltet die Demokratie ihre Staatsorganisation in einem progressus ad infinitum; dies erfolgt in Formen einer Vertikalität, welche aber nie das sittliche Innerste der Persönlichkeit der Bürger erreichen kann – erfassen darf149. Diese letzte, tiefste Grundsätzlichkeit der Autonomie, welche aus der als solcher bereits „unendlichen“ Persönlichkeit des Menschen kommt150, verdient bereits im Licht eines Personalismus weit größere staatsrechtliche Aufmerksamkeit151. Hier zeigt sich, dass es bei allen Ausgestaltungsformen in Selbstverwaltung nach Staatsrecht nicht um Weiterentwicklung irgendwelcher historischer, mehr oder weniger kontingenter (englischer oder schweizerischer, US-amerikanischer) Begrifflichkeiten geht, sondern um Phaenomene einer grundsätzlichen staatsorganisatorischen Annäherung an die (persönlichen) Ursprünge der öffentlichen Gewalt, entsprechend deren demokratischem Verständnis. Selbstverwaltung ist kein Begriff eines mehr oder weniger freien Gestaltungsermessens der Politik; es ist dies an sich 144

Zur „Bürgernähe“ in der Verwaltungslehre als einem Schlüsselbegriff der Demokratie vgl. f. viele Bogumil, J./Jann, W., Verwaltung und Verwaltungswissenschaft in Deutschland, 2. Aufl. 2009, S. 224 ff.; Bücker-Gärtner, H., Bürgernähe durch E-Government: Umsetzungserfahrungen in Berlin, in: Baller (Hg.), Verwaltung und Recht in Russland und Deutschland, 2012, S. 133 ff. 145 Zum Bürgerwillen in der Gleichsetzung des Personalismus mit dem Staatswillen vgl. Leisner, Personalismus, FN 24, B. V. 1. b). 146 Zur Legitimation des Föderalismus aus Bürgernähe; s. FN 144. 147 Zur Rechtfertigung der Selbstverwaltung aus der Bürgernähe s. FN 144. 148 Insb. in der Funktionalen Selbstverwaltung, vgl. dazu grdl. Kluth, W., Funktionale Selbstverwaltung, Verfassungsrechtlicher Status – Verfassungsrechtlicher Schutz, 1997. 149 Die Annäherung des Organisationsrechts muss Halt machen vor dem Innersten der Bürgerpersönlichkeit (vgl. Leisner, Personalismus, FN 24, zum „Sittengesetz“ S. 78 ff., zum Gewissen S. 88 ff.). 150 Vgl. oben II. 3. a). 151 Ansätze dazu bei Leisner, Prognose, FN 10, S. 92 ff.

IV. Das (Verfassungs-)Recht als unendliche Annäherung

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schon staatsorganisatorisch, und nicht nur aus freiheitsschützenden Bezügen heraus152, eine Annäherung der organisatorischen Formen an deren voll bestimmende Rechtswirkungen. Als eine solche ist diese Approximation allerdings bisher noch nicht hinreichend erkannt. b) Normativer staatsrechtlicher Stufenbau als „unendliche Annäherung“ Die Staatsrechtsdogmatik bietet, in ihrer Übernahme von Kategorien der Allgemeinen Staatslehre, noch eine weitere Unendlichkeit-Dimension, diesmal in der inhaltlich-normativen Ausgestaltung der Rechtsordnung: in deren Stufen, durch Annäherung, in zunehmender Konkretisierung, an jene „Totale Staatlichkeit“, in welcher deren Unendlichkeit bereits im Blick dieser Betrachtungen stand153. Im kelsenianischen, als solchem herrschenden Verständnis der Normen(ordnung) vollzieht sich eine Konkretisierung des Staatsrechts von oben nach unten, vom Verfassungsrecht absteigend bis in die „inhaltlich engste Satzungsnorm“, wenn nicht bis zum Einzelbefehl/Urteil. Darin agiert und reagiert der politische Gestaltungswille in ständig zunehmender inhaltlicher Entscheidungsverfeinerung, sucht „Staatsaufgaben“ 154 in rechtlicher Gestaltung zu erfüllen. Dem ist bereits als solchem eine quasi-unendliche virtuelle Unendlichkeit eigen: Sicherung des Staates, seiner Grundstrukturen in Verfassungsrecht, der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Verwaltungsrecht. Diese globalen Staatsaufgaben werden im Verfassungsrecht erfüllt in den normativ-inhaltlichen Annäherungsformen der Normsetzung von oben nach unten, also wiederum vertikal, in immer weiter verfeinerten Normstufen. Diese ganze „inhaltlich bezogene Staatsorganisation“ folgt ebenso einem „progessus ad infinitum“, wie dies vorstehend in ihren organisationsrechtlichen Formen sich schon auf horizontaler Ebene gezeigt hat, und noch vertieft werden wird (i. Folg. 3.). Der gesamte verfassungsrechtliche Staatsaufbau ist also von dem durchgehenden Bemühen einer rechtlichen Erfassung und Ordnung geprägt, welches sich in Annäherungen vollzieht: an das – nun wirklich – Staatsideal einer vollen rechtlich erfassenden Ordnung, formal wie inhaltlich. Dass ein so nicht in äußerlich-disziplinierender Staatlichkeit zu begreifender „Totaler Staat“ vor den Freiheiten des Bürger Halt machen, seine Ordnungen nur in deren Selbstentscheidung sich fortsetzen sehen darf, in freiheitlicher Demokratie – das ist kein „Bruch der Staatlichkeit in Freiheitlichkeit“, sondern deren Vollendung in ihr. Und dieser demokratische Gesamtvorgang der staatlichen Ordnung erfolgt nun als solcher „in Unendlichkeiten“: von Formen äußerer Gewalteinwirkung über rechtlich organisierte Selbstverwaltung bis hinein in die Freiheitsbereiche des staatsrechtlichen Personalismus. 152 153 154

S. oben A. VII. 3. Vgl. vorsteh. A. III. 1. Zu den „Staatsaufgaben“ vgl. Isensee, J., HbStR3, § 73 FN 61.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

Alles bewegt sich in einem Annäherungsstreben rechtlicher Unendlichkeit im Staatsrecht.

3. „Horizontale unendliche Annäherung“: Konkretisierung in Rechtsanwendung – „herrschende Lehre“ a) „Annäherung in rechtsstaatlicher Praxis“ Wie vorstehend dargelegt, stellt die staatsrechtliche Dogmatik, in ihrem Organisationsrecht wie in der Produktion verfassungsrechtlicher Inhalte, rechtlich Kategorien zur Verfügung, in denen sich eine Annäherung an ihre Ordnungsziele in einem progressus ad infinitum vollzieht. Dieser Vorgang erfährt eine weitere Verdeutlichung konkretisierender Annäherung in der laufenden Praxis der rechtsanwendenden Entscheidungen, von Formen des Verwaltungshandelns (Verwaltungsakt, Verwaltungsrechtlicher Vertrag), bis zu Gerichtsentscheidungen auf allen Stufen, am Ende in verfassungsgerichtlicher Normsetzung. In dieser gesamten Rechts (anwendungs)praxis zeigt und vollzieht sich wiederum eine Rechtsverfeinerung in einer diesmal „als Praxis“ insgesamt „horizontalen unendlichen Annäherung“ an staatsrechtliche Ordnungsziele; in ihr wirken organisationsrechtliche Verwaltungsund Gerichtsstufungen zugleich in vertikalen Unendlichkeiten. Es geht um die konkretisierende Verdeutlichung, in einer „Annäherungspraxis“, welche in einer herrschenden Lehre zu rechtlich fassbaren Inhalten führt. Diese herrschende Lehre ist Ergebnis und (stets vorläufiger) Abschluss eines „Vorgangs in rechtlicher Unendlichkeit“. Geleistet wird diese „praktische Verdeutlichungs-Annäherung“ an die Erfassung von Rechtsinhalten in der Rechtsstaatlichkeit allein schon dadurch, dass Staatsorgane sie selbst und die Bürger bindende Rechtsnormen anwenden, in Räumen tätig werden, welche ihnen diese Normen eröffnen. Dies erfolgt im Wege einer Auslegung, welche ihrerseits eine Kategorie „menschlicher Rechtserkenntnis“ darstellt155; vorbereitet wird dies in der Wissenschaft(lichkeit) einer Rechtslehre156, welche ihrerseits in Dimensionen einer Unendlichkeit steht. Die gesamte konkretisierende Rechtsanwendung stellt darin in sich, wie erwähnt (a.a.E.), einen unendlichen Vorgang dar. Anwendungsergebnisse, letztlich meist Gerichtsentscheidungen, sind immer nur konkret erreichte Etappen auf dem Weg der unendlichen Konkretisierung des Rechts. In der stets zu weiteren „Erkenntnissen offenen Gerichtspraxis“157 verliert sich die Bestimmtheit der Rechtsetzung, damit die Rechtsstaatlichkeit, in der 155

Vgl. vorsteh. A. III. 3.; V. 3. Vorsteh. II. 2. 157 Zum unendlichen Vorgang der Gerichtspraxis als Rechtskonkretisierung, -verdeutlichung s. Leisner, A., Kontinuität in der Finanzrechtsprechung, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft, Bd. 27, 2004, S. 191 ff. 156

IV. Das (Verfassungs-)Recht als unendliche Annäherung

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Unendlichkeit der Erkenntnisse eines „immer neuen Richterrechts“. Das Unendliche des Staatsrechts verlässt „am Ende“ die Geleise der endlich zu bestimmenden Rechtsstaatlichkeit. Deren wichtigste Organe und Instrumente, „die unabhängigen Richter“, transzendieren in ihrem „letzten Wort“ Recht und Rechtsstaat – in Unendlichkeit(en)158 – nein: darin geht selbst die Legalität in immer neuen Rechtsinhalten über sich hinweg in „ihre“ Unendlichkeit. Denn auch sie ist ja ein Rechtsbegriff, muss dahin schon münden, sich darin vollenden. b) Die „herrschende Lehre“: Vorläufiges Ende der Annäherung – Ent-unendlichender Entscheidungswille Diese Ergebnisse könnten, trotz so mancher „Annährung“, dafür sprechen, „Rechtserkenntnis“, „Rechtsanwendung“ lediglich zu sehen als ein „Schiff auf hoher See“, auf unendlichen Wassern politischer Bewegung. Dann könnte dieses allenfalls die Segel des Wahlspruches von Paris setzen: „Fluctuat nec mergitur“. Gerade das demokratische Verfassungsrecht will, trotz all seiner dynamischen, realitätsnahen Beweglichkeit, in diesen Wassern nicht untergehen, es soll nur enge Kanäle, wo dies eben unausweichlich ist, diesem Meer in normativer Festigkeit öffnen, soweit alles eben (noch) beherrschbar, rechtlich „ausschöpfbar“ ist, um im Bild zu bleiben. Das Meer trägt weiter – die Realität des Rechts – aber im Schiff ist es nur in den jeweiligen, rechtlich „erschöpflichen“ Teilen der jeweils herrschenden Lehre, in der es immer wieder ausschöpfenden, ent-unendlichenden Arbeit der Juristen. „Herrschende Lehre“ ist dann rechtliche Gegenwart, die einzige rechtliche Fassbarkeit überhaupt159. Als solche ist sie zwar ebenfalls „unendlich wechselnd in der Zeit“, in Entwicklung stehend. Doch es bleibt der „Augenblick“, in dem allein „sie ist“, mit ihr alle Verfassung, alles Recht, fluktuierend auf der Unendlichkeit des Willens. Dieser Wille, das „Beste im Befehl“, kann allein im Augenblick der Wirksamkeit der herrschenden Lehre „ das unendliche Recht ent-unendlichen“, in einer politischen Machtentscheidung. In ihr konstituiert das Recht sich selbst. Der Wille ist „das menschlich Unendliche“, das, worin einst der Brandenburger Jurist sein „nos autem semper in infinitum“ sprach. Der Wille schafft, er setzt das Recht auch im jeweiligen Zustand der unendlichen Annäherung: in der herrschenden Lehre ist es zwar endlich geworden: doch es bleibt auch diese unendlich abänderbare Lehre – ihrerseits in einer Unendlichkeit („stehen“), in der der rechtlichen Annäherung. Auch diese „Rechtsdimension“, nach „Setzung“ (I.), „Verweisung“ (II.), „Faktenrezeption“ (III.) bereits die IV. Dimension, in der im Staatsrecht Unend-

158

Zur Unabhängigkeit der Richter s. allgemein Leisner, W., Das Letzte Wort. Der Richter späte Gewalt, 2003, insb. S. 79 ff. 159 Dies ist die Grundthese in Leisner, Prognose, FN 10: Gegenwart als einzige rechtliche Fassbarkeit, S. 29 ff.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

lichkeit „erscheint, wie sich zeigen wird (i. Folg. C.), wirkt in einer „Unendlichkeit im Recht – des Rechts“.

V. Unendlichkeiten in „rechtlicher Konkordanz“ 1. „Rechtliche Unendlichkeiten“ als fassbare Größen a) In der staatsrechtlichen Dogmatik werden Begriffe wie „Offenheit“, „Dynamik“ (nur allzu) oft leichthin gebraucht. Die bisherigen Betrachtungen sollten zeigen, dass Unendlichkeitsdimensionen hinter ihnen stehen. In einem Blick auf diese Phaenomene „als politische Erscheinungen“, bis hin zur Politologie, wird dies in mancher Hinsicht deutlicher bewusst. Das Staatsrecht darf aber seinen Bestimmtheitsanspruch (E 1) nicht aufgeben. Also muss seine Dogmatik versuchen, die Unendlichkeiten, in denen es steht, welche auf seine Bereiche wirken, zusammenzuführen, vor allem über Kräfte und Potenzierungen des politischen Willens. b) Dies setzt voraus, dass in dieser Unendlichkeitsproblematik überhaupt rechtlich (Er-)Fassbares begegnet. In rechtlicher Setzung lässt sich dies leisten, wenn auch in sehr weiter, immerhin aber konkretisierbarer Rechtsbegrifflichkeit, ebenso bei den rechtlichen Verweisungen (vorsteh. I. bis III.). Zeigen sich Unendlichkeiten in Annäherung(sformen) (vorsteh. IV.), so kann derartiges ebenfalls gelingen: Dort wird im Abstand zu einem „vollen“ Regelungsziel gemessen und beurteilt. Auch wenn dieses nicht vollständig erreichbar ist, keine dafür eingesetzte Form die erforderliche unendliche Perfektion erreicht, stets nur „auf dem Weg ist“ und bleibt – rechtliche Anwendungsentscheidungen lassen sich doch „hochrechnen“ zu einem letztlich fassbaren Ergebnis, welches sodann wirken kann – in „Weiterrechnung“; die mathematischen Vorstellungen der „Integralrechnung“ zeigen es. c) „Integral-Größen“ werden innerhalb dieser „Unendlichkeits-Räume“ bestimmt, gebildet, entsprechend der jeweiligen Erfassbarkeit ihrer Gegenstände und Formen. Eine entscheidende Bedeutung kommt hier der jeweiligen Gegenwart zu (vgl. bereits IV. 3. c)), in welcher rechtliche Beurteilung und Rechtsanwendung erfolgen; in ihr lässt sich auch die entsprechende Rechtswirkung einer „Unendlichkeit“ festlegen, aus der sie rechtlich „herausgegriffen wurde“ – ihre Abänderbarkeit, damit Relativität; danach variieren auch Bedeutung und Gewicht der betreffenden Grenzenlosigkeit für die Rechtswirkung. Sie mag als zeitlich vorübergehend, gegenständlich als entwicklungsmäßig vorläufig erscheinen, in ihrer rechtlichen Wertigkeit. In diesem Sinn sind Vorstellungen individueller Moral, „Gewissen“, „Sittengesetz“ zeitlicher und gegenständlicher Relativierung unterworfen. Gleiches gilt auch für „Natur“, „Umwelt“ und ihre rechtlich bedeutsamen, schützenswerten Erscheinungsformen (vgl. II. 3.), nach dem jeweiligen Stand ihrer Erkennbarkeit, damit wiederum nach dem der sie betreffenden Erfassungswissen-

V. Unendlichkeiten in „rechtlicher Konkordanz“

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schaft (vgl. II. 2.). All dies sind Größen, welche als solche rechtlich bestimmbar sind, „fassbare Größen“, im Staatsrecht – Wertigkeiten.

2. Abwägung nach Wertigkeiten und Vorrang a) Diese erfassbaren Rechtsgrößen wirken im Staatsrecht verstärkend, relativierend, abschwächend, in ihren Unendlichkeiten, welche den jeweiligen „Hintergrund“ ihrer rechtsbegrifflichen Inhalte und Formen darstellen, sie dann zueinander in Beziehung setzen lassen; nur so kann ihre rechtliche Wirksamkeit in der verfassungsrechtlichen Dogmatik (vgl. i. Folg. C.) überhaupt auch nur eingeschätzt werden. Dies kann nur geschehen im Wege einer Abwägung160, nach den jeweils für das Staatsrecht bestimmbaren Wertigkeiten dieser Größen. Die Unendlichkeit wie sie einem Begriff der „Natur“ im Umweltrecht i. w. S. wesentlich ist, muss dabei etwa gegenübergestellt werden der ebenfalls unendlichen potenziellen Unendlichkeit der menschlichen Persönlichkeit, welche in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wird durch den Schutzauftrag für die „unendliche Umwelt“. Oder es sind Unendlichkeiten der Persönlichkeiten zu konfrontieren mit Unendlichkeitsvorstellungen und Forderungen, aus dem Jenseits, die in Kirchlichkeit den Menschen erreichen. b) In vielen Bereichen stehen sich so Inhalte, Formen, aus ihnen sich entbindende Gestaltungskräfte von Unendlichkeiten gegenüber, in deren Dimensionen das jeweilige Staatsrecht steht; sie vermitteln ihm Wertigkeiten, in Wirkung(smöglichkeit)en, die sich aus „grenzenlosen Räumen heraus“ in Entwicklung laufend „aufladen“ (können). Hier erreicht die Betrachtung wiederum Begriffe wie „Potenzialität“, „Virtualität“ rechtlicher Begriffe und Institutionen, je nachdem eben, wie viel die Begriffe davon, aus ihrer jeweiligen Unendlichkeit heraus, in sich tragen. Dies wiederum verlangt nicht nur eine Abwägung von fest konkretisierbaren Rechtswerten; eine solche setzt ja bereits eine Gewichtung der wertbestimmenden Faktoren voraus. Zu diesen gehört aber vor allem auch das relativierende oder stärkende Gewicht des jeweiligen Unendlichkeits-Hintergrundes. Damit ist eine Abwägung auch des jeweiligen Unendlichkeits-Gewichts der dogmatischen Kategorien und Kriterien im Staatsrecht gefordert. In ihr ist dann der Vorrang der „jeweils vergleichbaren stärkeren Unendlichkeit“ zu ermitteln; er prägt die Rechtswertigkeit, die Schutzwürdigkeit, die Entfaltungsfähigkeit und -würdigkeit der Rechtsbegriffe. c) Um dies ansatzmäßig beispielhaft zu verdeutlichen: Gegenwärtig steht die „Natur“ besonders hoch im staatsrechtlichen Kurs, in der „Umwelt(rechts)welle“; aber auch eine „Persönlichkeitsschutz-Welle“ wird mächtiger, die ihrerseits der 160 Vgl. allgemein Leisner, W., Der Abwägungsstaat. Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit?, 1979, vgl. dort insb. die näheren Ausführungen und Nachweise S. 145 ff.

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

Unendlichkeitswelle des naturwissenschaftlichen Fortschritts entgegenläuft. Allenthalben kommt es zu Unendlichkeits-Kollisionen, welche es laufend aufzulösen, besser: deren Wirkungskräfte es zu koordinieren, zu verbinden gilt in der rechtlichen Konkordanz der täglichen Rechtspraxis. Der Begriff, mit dem Konrad Hesse dies bezeichnet („Praktische Konkordanz“)161 ist hier eine Beschreibung des Nebeneinanders rechtlicher Unendlichkeitslagen. Rezeptionen, Methoden, Ergebnisse lassen sich damit nicht allgemein ermitteln, wohl aber werden Gewichte wenn nicht deutlich, so doch fühlbar, Hintergründe, welche eben doch Inhalte, Formen, damit Wertigkeiten im Staatsrecht beeinflussen, letztlich sogar bestimmen, in jedem Einzelfall sind sie sodann zu konkretisieren.

3. Primat der rechtlichen Beurteilung auch der Unendlichkeiten a) Ordnung und „Wert“ in Wirkung Die vorliegenden Betrachtungen haben immer wieder gezeigt, wie das so klar erscheinende, nach Klarheit jedenfalls strebende Recht eben doch herauswächst aus grenzenlosen Räumen – wie es auch droht, sich in diesen wieder in Unbestimmbarkeit zu verlieren. Nun gilt es noch, die Methoden, Kriterien zu hinterfragen, nach denen diese Zusammenschau von Unendlichkeiten erfolgen könnte, jedenfalls zu versuchen ist: Hier geht es um nichts anderes als um Vorrangentscheidungen bei der Feststellung von rechtlichen Wertigkeiten. Als Ausgangspunkt der Überlegungen bieten sich daher Ergebnisse und Bemühungen bisheriger verfassungsrechtlicher Wertlehre(n) an. Ihre Gegenstände wie ihre Beurteilungskriterien bezogen sich allerdings bisher nicht auf „unendliche Hintergründe“ von Rechtsbegriffen, deren etwaiger Wirksamkeiten im Recht162. Vielmehr waren es im Wesentlichen die Bedeutungen der „Werte“ als feste Stützen, als Bestandteile der staatlichen Gemeinschaftsordnung. Damit erscheint aber als Vorrang-Kriterium der Begriff der „Ordnung“, die Gewichtigkeit eines „unendlichen Hintergrundes“ auch, ja gerade für die Effektivität eines Zustandes, der diesen Namen verdient. Es mag dies auf den ersten Blick als ein „tatsächliches“, ein faktenbezogenes Kriterium erscheinen. Gemessen, bestimmt wird es aber nach seinen Wirkungen auf einen Zustand, wie auf Mittel seiner Herstellung und Bewahrung, der als solcher ein rechtlich bestimmter ist: in der Rechts-, der Verfassungs-„Ordnung“. Dieser Zustand orientiert alle rechtswesentlichen Be161

Hesse, K., Praktische Konkordanz, Grundzüge des Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995/99, S. 317 ff. 162 Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung der Wertlehren im Verfassungsrecht, vgl. allgemein Antal, A., Verfassungswerte im konstitutionellen Rechtsstaat, 2001; Wernsmann, Th., Werte, Ordnung und Verfassung, 2007. Zu „Effizienz“ als Vorrangkriterium der Unendlichkeiten s. Leisner, Prognose, FN 10, 1. Teil, S. 19 ff.

V. Unendlichkeiten in „rechtlicher Konkordanz“

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stimmungsanstrengungen. Ihn hat das Verfassungsrecht stets im Auge, das geltende Recht des Grundgesetzes spricht ihn ausdrücklich an: „Frieden der Welt“ (Präambel), Frieden in der Welt (Art. 1 Abs. 2 GG). „Werte in Wirkung“, das also ist es, worin das Staatsrecht die Gemeinschaft ordnet: Beides ist „unendlichkeitsfähig“. b) „Friede“ als „Ordnung“ – als Rechtsbegriff „Friede“ ist ein Rechtsbegriff von höchstem Verfassungsrang. Entsprechend seinen grundgesetzlichen Formulierungen wird er von der h. L.163 durchgehend als Welt- und Europäischer Frieden verstanden. Damit wird auf Verfassungsrecht und Europa-Recht verwiesen, im Wesentlichen (nur) auf Gewaltlosigkeit. Eine Vertiefung der Inhaltlichkeit in Richtung auf „Ordnung als solche in Ruhe oder (doch) in Bewegung“ findet nicht statt. Dann bleibt jedoch die Frage nach der Bedeutung des Begriffs für „Ordnung“, in deren Aspekten, Wirkungen von rechtlichen Unendlichkeiten, unbeantwortet. In ihnen liegt aber doch auch, wenn nicht sogar allein, eine „Dogmatik“, in „Bewegungs-, Entwicklungsmöglichkeiten“, in gegenständlichen und zeitlichen Räumen – eben solchen einer Unendlichkeit. Und gerade dieser Friede ist mit einem „Unendlichkeitswert“ Gegenstand einer der bedeutendsten, wahrhaft grundlegenden Betrachtungen der Gesetzesgeschichte geworden: in Kants „Vom Ewigen Frieden“. Das Staatsrecht hat – offensichtlich – diese Fragestellung „Friede und Unendlichkeit“ nicht aufgenommen. Nur am Rande, fast schon in ängstlicher Zurückhaltung, klingt in Kommentierungen des Grundgesetzes zu Art. 1 Abs. 2 an, was aber dort doch ausdrücklich in der Formulierung erwähnt ist: Dieser Frieden ist ein übergreifender Begriff für jede gute menschliche Gesellschaft und damit auch für die durch das Grundgesetz begründete Ordnung164. Friede ist damit „der“ rechtliche Begriff, „die juristische Wesensbestimmung“ auch der innerstaatlichen, der staatsrechtlichen Ordnung. Aus ihr sind ja erst die Ordnungsbegriffe des Verwaltungsrechts, wie neuerdings des Europa-Rechts, herausgewachsen. „Friede“ ist rechtlich „Ordnung“; sie wird, gerade, wenn nicht wesentlich, in einer demokratischen Staatsordnung verfehlt, wenn diese in „die demokratische Anarchie“ mündet, dieser sich auch nur in Bemühungen nähern will, in ihrer Dynamik165.

163 Zum Begriff des „Friedens“ in der Präambel und in Art. 1 Abs. 2 GG s. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Präambel Rn. 44. 164 Jarass, H. D., in: Jarass/Pieroth, GG 11. Aufl. 2011, Art. 1 Rn. 27. 165 Vgl. Leisner, Die Demokratische Anarchie, FN 135, insb. zu Anarchiephänomenen als Erscheinungsformen des Unfassbaren (S. 38 ff.), über die Verfassungsgrundentscheidungen (S. 59 ff.) bis hin zu Staatsorganisationsformen (S. 108 ff., 208 ff.).

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

c) Staatsrecht: (auch) aus der Dynamik seiner „Unendlichkeiten“ (noch) Friede, Ordnung Rechtsbegrifflich lässt sich dieses Dilemma wohl überwinden: Der Frieden des Grundgesetzes, der Demokratie überhaupt, (er)wächst eben laufend – zeitlich unbegrenzt, geradezu „in alle Ewigkeit“, gerade aus der „heilsamen Ursache“ des Meinungskampfes. Ihn institutionalisiert das Grundgesetz in seinem „subjektiven Begriff der Meinung“ als einer Stellung-Nahme166 : „Friede im ewigen Streit“, in ewiger Unruhe, über unendlich Vieles, alles Gemeinschaftswirksames, über alle (auch nur möglichen) rechtlichen Wirkungen einer Ordnung – das ist Demokratie, damit ist sie überhaupt, wesentlich, ein dynamischer Rechts-, ein Verfassungsbegriff. Der „Rechtsbegriff Friede“ (vorsteh. b) stellt sich damit dar als ein wahrer juristischer Grundbegriff des Staatsrechts, des „inneren“ wie des „äußeren“, er ist grenzübergreifend in jedem Bedeutungssinn. Solange noch etwas besteht, gehalten wird in Frieden, und wenn auch in ständig sich ändernden Zuständen, ist (immer noch) demokratische Ordnung, wirkt demokratische Staatsrechtlichkeit. Damit ist auch die Wertigkeitsfrage staatsrechtlicher Unendlichkeiten (vorsteh. a) wenigstens grundsätzlich beantwortet: Sie entscheidet sich im „Raum des Rechts“, nach „juristischen Kriterien“; so legt es der rechtliche Ordnungsbegriff fest. Damit allein ist auch die Wertigkeitsfrage eines Vorrangs staatsrechtlicher Unendlichkeiten rechtlich zu beantworten: nach deren „Ordnungswirksamkeit“.

4. Abwägung (auch) staatsrechtlicher Unendlichkeiten „nach Ordnungswirksamkeit“ Lenkt man den Blick von diesen Grundsätzlichkeiten zurück auf die Felder rechtspraktischer Arbeit, so bedeutet dies auch einen Rückweg aus den „Höhen des Verfassungsrechts“ in die Niederungen praktischer Verfassungspolitik, in welcher es ja nun im Folgenden gilt, die Wirkungsweisen von „staatsrechtlichen Unendlichkeiten“ in der Rechtsordnung, auf sie zu betrachten (i. Folg. C.). In welchen Bereichen des staatsrechtlichen Ordnens zeigen sie sich am deutlichsten, in stärkster Gewichtigkeit? Wo bewegt, schafft – und bestimmt letztlich auch der „unendliche Hintergrund das Recht“, seine Wirksamkeit in Bindung, damit sein Wesen? Eine derartige Bestimmung des „Ranges der Unendlichkeiten“ im Staatsrecht kann aber nur erfolgen nach rechtlichen Kriterien – rechtsimmanent. Darin ist das „Staatsrecht juristisch Herr der Unendlichkeiten“ in seinen Grundkategorien der Abwägung167.

166 BVerfG i. st. Rspr., vgl. etwa E 7, 198 (211); 93, 266 (289). Zur grundsätzlichen „Weite“ des Meinungsbegriffs BVerfGE 61, 1 (9). 167 Leisner, Abwägungsstaat, FN 160, insb. in „Abwägung als Machttechnik“, S. 170 ff.

V. Unendlichkeiten in „rechtlicher Konkordanz“

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5. Abwägungsansätze (in) demokratischer (Verfassungs-)Politik der Gegenwart Dass damit das Feld praktischer Verfassungspolitik in verfassungsrechtlichen Formen erreicht wird, klang bereits an (vorsteh. 4. a) aa)). Für das Staatsrecht der Gegenwart lassen sich hier wenigstens einige deutliche Entwicklungstendenzen ausmachen: - Religiöse Unendlichkeitsvorstellungen treten deutlich und rasch in staatsrechtliche Hintergründe zurück168. Als verfassungsrechtliche Schutzgegenstände des Staatsrechts mögen sie noch im Staatskirchenrecht als dessen (Fern-) Wirkungen begegnen, aber nur mehr als Rest-Größen in individualethisch verfassungswirksamen Werten und Kräften, wie Gewissen und Sittengesetz169. Hier halten sie sich jedoch, praktisch bedeutsam in - Persönlichkeits-Wert-Vorstellungen mit Unendlichkeits-Hintergrund170, in der Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit von Entscheidungs-Freiheiten, vor allem in der Intimsphäre. Deren „innere Unendlichkeiten“ wirken hier geradezu „rechtskonstitutiv“ in einer Verfassungspolitik, welche die menschlichen Willensgrundlagen ihrer Ordnung171 bedroht sähe, würden sie nicht auch ihre grenzenlose, ihre wahre All-Macht172 schöpfen können aus ebensolchen Unendlichkeiten menschlicher Persönlichkeit. Und eben dies zeigt sich auch in einem letztlich ungebrochenen „Kunst-Bedürfnis“ – in Unendlichkeit173. - Natur in ihrer erkenntnismäßigen Unendlichkeit174, hat im Umweltschutz verfassungsrechtliche Konjunktur größten Ausmaßes (Art. 20 a, 72 Abs. 3, 74 Abs. 1 Nr. 15, 17, 19, 20, 28 ff.), getrieben von „Unendlichkeiten“ des wissenschaftlichtechnischen Fortschritts. Doch zugleich wirken hier, in großdimensionaler Gegenläufigkeit, die menschlich-persönlichen Unendlichkeiten dem wiederum entgegen. Erkennbar ist also eine große Abwägungsaufgabe von Unendlichkeiten zwischen Menschlichem und Außermenschlichem, (nicht mehr: Übermenschlichem), mit dem 168

Zur Abschwächung des Religiösen vgl. Leisner, Personalismus, FN 24, A. II. 1. Zur Wirkung des Religiösen im Sittengesetz, in der Individualethik, s. Leisner, Personalismus, FN 24, C. II. ff). 170 Vgl. II. 3. a). 171 S. Leisner, Personalismus, FN 24, S. 60 f., „Staatswille wie Bürgerwille“ – aus Menschen-Willen. 172 Vgl. oben A. II. 2. (Allmacht). 173 Zu „Kunstbedürfnis“ in Unendlichkeit vgl. A. II. 2.: Die Gegenwart stemmt sich, in ihren materiellen Wertentscheidungen der Gegenwartskunst, gegen Dekadenz-Urteile einer Vergangenheit, bis zu dem der „entarteten Kunst“, gegen die Dekandenzangst wie sie seit Langem im Staatsrecht umgeht (vgl. bereits Gibbon, E., The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, 1776 ff.). 174 Vgl. oben A. II. 2. b). 169

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B. Erscheinung(sform)en des Unendlichen im Staatsrecht

Ziel einer staatsrechtlichen Synthese, im demokratischen Staatsrecht. Dort werden die ganz weiten Frontlinien dessen bestimmt (werden), was auch rechtliche Abwägung letztlich sein und bleiben wird, die ja selbst erfolgt in gegenständlicher, zeitlicher, kausaler Unendlichkeit: Eine grenzenlose – weil immer nur Versuch einer – Synthese von Unendlichkeiten.

C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht I. Unendlichkeit: Rechtliche Wirksamkeit in potentia Grenzenlosigkeiten, gegenständlich-räumlich, in zeitlicher Dauer wie in kausaler Annäherung an Bindungsergebnisse, sind jedenfalls Erscheinungsformen staatsrechtlicher Entscheidungen. Soweit diese sich, wie es vorstehend unter B. versucht wurde, näher beschreiben lassen, mag denn auch von Unendlichkeiten als „verfassungsrechtlichen Begriffen“ gesprochen werden. Dies ist legitim, nach den Vorstellungen staatsrechtlicher Dogmatik, jedenfalls in dem Sinn, dass hier Hintergründe erscheinen, welche zugleich bestimmungs- wie entwicklungsmäßig die herkömmlichen Verfassungsbegriffe prägen, soweit diese eben in solchen unendlichen Dimensionen stehen. Wie diese Prägung zum Ausdruck kommt, mit Wirkungen nicht nur im Rechtsgrundsätzlichen, sondern in der laufenden Rechtspraxis – das soll nun Gegenstand von Betrachtungen sein zu den „Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht“. Darin wird dann zugleich eine nähere Verdeutlichung des Gegenstandes der vorliegenden Untersuchung möglich. Denn es sind gerade diese Wirkungsweisen, in denen Unendlichkeit aus ihren Hintergründen hervortritt, damit wenn nicht in rechtlichen Verpflichtungsergebnissen, so doch in hier sich zeigenden Bindungskräften des Rechts deutlich wird. Angesprochen wurden solche wesentliche Aspekte bereits dort, wo die Rede war von Virtualitäten, Potenzialitäten der Unendlichkeiten175. Grundkategorien der Philosophie wurden in diesen Überlegungen immer wieder bemüht, so etwa im Rückgriff auf kantianische Erkenntnisse176. Hier sind es nun Grundvorstellungen des aristotelischen Thomismus, welche herangezogen werden dürfen: Die Unterscheidung von Erscheinungsformen des Erfassbaren „in actu“ und „in potentia“. Das Erstere von beiden zeigt das Bild, welches das positive Staatsrecht jeweils wirkungsmäßig bietet. Wie die Spitze eines Eisbergs ragt es jedoch aus den Tiefen der Unendlichkeit, aus deren Existenz in potentia heraus, in Sichtbarkeit und Wirksamkeit des Staatsrechts hinein. Darin wird nicht nur diese in actu-Geltung deutlich; „Wirkungen“, damit Elemente einer (gewissen) Erfassbarkeit, zeigen sich auch hinsichtlich der Hintergründe als solcher, gerade in ihrem „Verdämmern“, das 175 „Virtualitäten“ und „Potenzialitäten“ zeigten sich schon vorstehend immer wieder als Quellen von Unendlichkeiten im Staatsrecht, in „Entbindungen“ aus dessen Institutionen. 176 Rückgriff auf kantianische Philosophie-Kategorien, vgl. A. II. 3.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

ihnen ja als Unendlichkeiten eigen ist und rechtlich im Letzten auch bleiben muss. So bewegen sich die folgenden Gedankengänge an den Grenzen des Rechts, aber sie überschreiten nicht dessen Erkenntnisdimensionen.

II. Wirkungsweisen der Unendlichkeiten im Staatsrecht: Kontinuität und Dynamik 1. Unendlichkeit als „Geltungs-Ruhe“ des Staatsrechts in Kontinuität a) Dem Recht insgesamt, dem Verfassungsrecht aber im Besonderen, ist ein Geltungsstreben nicht nur eigen, sondern wesentlich, welches sich äußert in einer immanenten „Kontinuität als Rechtsprinzip“177. Gerade für die Demokratie ist dies nicht nur eine rechtlich essentielle, sondern eine politisch existentielle Wirkungsvoraussetzung; diese Staatsform vor allem muss ja laufend und in allem rechtlich Möglichen versuchen, den „rechtlich schäumenden Willen des Volkssouveräns“ wieder zu kanalisieren, in zeitweise Ruhe zu lenken, in gegenständliche Fassbarkeiten ihrer Ordnung178. Die inhaltliche Weite der Verfassungsnormen, ihre erschwerte Abänderbarkeit sind durchgehende, wesensbestimmende Ansätze bei der Verfolgung dieser wahren Grundtendenz des demokratischen Staatsrechts. Kontinuität aber – was ist dies anderes als rechtstechnische Form eines Ausgriffs in Unendlichkeiten zeitlicher Geltung; diese liegt doch geradezu – in diesem Wort als einem Rechtsbegriff: von Anfängen an, aber eben ohne Ende, soll er wirksam sein. Gerade das demokratische Staatsrecht setzt seine verfassungsrechtlichen zentralen rechtlichen Gestaltungsformen ein, um seine Wirkungen in Kontinuität zu beruhigen, soweit möglich zeitlich grenzenlos werden zu lassen – und was ist dies anderes als ein Auslaufen in rechtliche Unendlichkeit? b) Rechtsbegriffliche, gegenständlich-inhaltliche Geltungsweite, zeitliche Geltungserstreckung – dies sind bereits als solche institutionalisierte, vielfältig untersuchte dogmatische Erscheinungsformen praktischer demokratischer Staatsrechtsdogmatik. Darin hebt sie sich entscheidend ab von jeder Form eines Absolutismus. Nach dessen „L’Etat c’est moi“ ist alles im Staat „persönliche Gegenwart“, und zwar eine solche, die sich mit dem monarchischen, mit dem Führerwillen ändern kann, ja soll, in jedem Augenblick179. Menschliche Persönlichkeiten sind, in ihren Unendlichkeits-Dimensionen zwar auch in der Volksherrschaft Produktions- und Wir177

Leisner, A., Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002. Leisner, Das Volk, FN 14, zur Beruhigung des „Volkswillens“ in Kontinuität (S. 106 ff.), aber auch in Auflösungstendenzen (S. 42 ff.). 179 Darin unterscheidet sich diese autoritäre Vergegenwärtigung allen Rechts (vgl. Leisner, Personalismus, FN 24, B. IV., zur Führermoral), auch für alle Zukunft, von Formen einer „demokratischen Prognose“. 178

II. Wirkungsweisen

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kungsquellen des Verfassungsrechts, gerade in dessen Unendlichkeits-Begriffen180, doch nicht in der rechtlichen Sicherung einer jeweiligen, wechselnden Wirksamkeit liegt für die Volksherrschaft ihr rechtliches Ziel, sondern im Schutz kontinuierlicher Stabilität gegen allzu raschen, tiefgreifenden Wechsel. c) Diese gegenständliche Geltungsweite und zeitliche Geltungstiefe als „Dimensionen rechtsstaatlicher Kontinuität“ finden ihre rechtstechnischen Formen vor allem in normativen staatsrechtlichen Rechtsgrundsätzen als wesentlichen Erscheinungsformen des geltenden demokratischen Staatsrechts181. Hier wird Bewegung der Fakten und des Rechtsdenkens aufgefangen in den Flexibilitäten der Rechtsprinzipialität182. Darin, dass dies geradezu hinauf-, hinausweist in die Fernen einer Idealstaatlichkeit183, bedeutet es einen Ausgriff positivrechtlicher Rechtswirksamkeit in staatsrechtliche Grenzenlosigkeiten. Annäherungen an Unendlichkeiten zeigen dies besonders deutlich, in der Konkretisierung von Rechtsgrundsätzen184. Sedes materiae der (Wirksamkeit von) Unendlichkeiten ist daher eben in erster Linie das Staatsrecht. d) Eine weitere ins Unendliche ausgreifende, dieses zugleich in Fassbarkeit verengende positiv-verfassungsrechtliche Gestaltungsform zeigen die Generalklauseln. Sie finden im Staatsrecht ihre breiteste, diesem Bereich und seiner Dogmatik geradezu wesentliche Anwendung. Zivilrecht und Strafrecht ziehen sich, unter einem „staatsrechtlichen Unendlichkeitsdruck“ der Rechtsstaatlichkeit, demgegenüber weit mehr zurück in (wiederum) Unendlichkeits-Formen der (richterlichen) Rechtsfortbildung. Die Generalklauseln sind kompetenzrechtliche, damit zugleich organisationsrechtliche Ausgriffsformen in „rechtsbegrifflich sehr weit, oft gerade noch“ bestimmte Unendlichkeiten. In verfassungsgerichtlicher Entscheidungsentwicklung erfahren sie ständig noch „weitere Erweiterungen“. Darin wirken Rechtsgestaltungen mit rechtstechnischer Unendlichkeits-Tendenz: normative Begriffsweiten und judikative Begriffserweiterungen. In all dem beschreitet das Staatsrecht Wege der Beruhigung der außerrechtlichen Welt, in der Kontinuität-Ruhe seiner eigenen rechtstechnischen Gestaltungen. Letzte Säume eines rechtlichen Unendlichkeits-Begriffs werden hier – vielleicht doch berührt.

180

Vgl. dazu oben B. II. 3. a): „Der Mensch“, in seiner „Persönlichkeit als einer Willensgrundlage“, die erfasst werden soll „wie die des Staates“ (vgl. Leisner, Personalismus, FN 24, S. 60 f.). 181 Zur Rechtsgrundsätzlichkeit noch immer grdl. Sommermann, K.-P., Schutzziele und Staatszielbestimmungen, 1997, in denen diese „Grundsätze“ vor allem zum Ausdruck kommen, gerade in ihrer Unendlichkeits-Dimension. 182 Zur Rechtsprinzipialität vgl. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 86 ff. 183 Im platonischen Sinn, vgl. Leisner, Platons Idealstaat, FN 3, S. 60 ff., 122 ff. 184 Klassisch Esser, J., Grundsatz und Norm in der richterlichen Rechtsfortbildung des Privatrechts, 3. Aufl. 1974.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

e) Das Verfassungs-Gewohnheitsrecht185 fügt dem eine weitere rechtstechnische Form mit Ausgriffstendenz in die Unendlichkeit einer Rechtsberuhigung in Kontinuität hinzu. Änderungen von Rechtslagen ergeben sich hier zwar; doch sie erfolgen meist in so kleinen Schritten, dass die bereits angesprochene „unendliche Annäherung“ mit ihren Integral-Formen (vgl. oben B. V. 1., 2.) hier voll zum Tragen kommt. Gerade dieser Annäherungsvorgang als solcher weist im (Verfassungs-)Gewohnheitsrecht Züge eines „unendlichen Vorgangs“ auf, der zwar in jeweiligen kontinuitätswahrenden Ergebnissen fassbar wird, als solcher aber nichts anderes darstellt als einen Ausgriff in staatsrechtliche Unendlichkeiten, einer jeden von ihnen sich flexibel anpassend. Dieser Vorgang bedarf, in seinen ganz unterschiedlichen positivrechtlichen Erscheinungsformen, weiterer rechtsdogmatischer Vertiefung des Gewohnheitsrechts als solchen. Immer kommt dabei jedoch dem Verfassungsrecht und seiner Dogmatik eine gedankliche Leitfunktion zu.

2. Unendlichkeit und Geltungsdynamik im Staatsrecht a) „Ruhe“ und „Bewegung“ sind Grundvorstellungen, in denen menschliches Erkennen Erscheinungen zu ordnen versucht – so das Staatsrecht in der Kontinuität der Rechtsstaatlichkeit wie in deren Gegenbegriff, der „Dynamik in Veränderung“186. Gerade in den staatsrechtlichen Gestaltungsformen der Demokratie187 kommt dies besonders deutlich zum Ausdruck: Das Staatsrecht kanalisiert einen Volkswillen, der in Souveränität abläuft – in der demokratischen Unendlichkeit seiner Wirkungen. Die rechtstechnischen „Auffangstellungen“, welche die Verfassung in Kontinuitätsstreben für diese Dynamik bereithält (vorsteh. 1.), sind, als solche bereits, entscheidende Belege für diese Unendlichkeit von Bewegungen der Rechtsgeltung. Den Fundamentalgrundsatz der „lex posterior“ kann das Staatsrecht in den Rangstufen seiner Gestaltungen einschränken, im Zerbrechen nachgeordneten Rechts an der Kontinuität der höheren lex prior. Doch auch diese Stufenordnung zeigt sich, bereits ihrerseits als eine rechtstechnische Erscheinungsform der Annäherung – wieder in Unendlichkeit (vgl. vorsteh. B. IV. 2. b). b) Demokratische Dynamik bedarf, als Wesenszug dieser Staatsform, ihres schäumenden politischen Volkswillens, keines grundsätzlichen staatsrechtlichen Beleges. Sie selbst ist darin Ausdruck eines Unendlichkeits-Strebens: Das Verfassungsrecht sucht dieser unendlichen Veränderungsdynamik zwar rechtliche Grenzen 185

Zum Verfassungs-Gewohnheitsrecht vgl. Leisner, A., Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 125 ff.; neuerdings Tiefenthaler, V. C., Gewohnheit und Verfassung, 2012. 186 Leisner, W., Antithesen-Theorie für eine Staatslehre der Demokratie, JZ 1998, S. 861 ff. 187 Diese Antithetik wurde bereits deutlich in Leisner, A., Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 378 ff.

II. Wirkungsweisen

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zu setzen (B. I.), doch damit lassen sich die Fern-Wirkungen von Unendlichkeiten nicht ausschließen, nicht „in weiten Räumen vollständig auffangen“. Jenseits all der unter 1. dargestellten Änderungsbewegungen, verfassungsrechtlichen Beruhigungsversuchen, wirken die Hintergründe von Unendlichkeiten, wie sie das Staatsrecht – eben doch – in sich laufend aufnimmt. Entwicklungsräume sind es vor allem und Änderungskräfte, wie sie die im Recht gesetzten oder in dieses übernommenen Regelungsbereiche und Regelungsformen eröffnen. Diese beeinflussen, ja prägen die jeweilige Verfassungsordnung an sich bereits „grundsätzlich“, dies ist jedenfalls stets zu erwarten, es steht dies immer bevor, auch wo es noch nicht bestimmte Ergebnisse hervorgebracht hat, solche voll noch nicht fassbar, absehbar sind.

3. Insbesondere: Unendlichkeiten rechtlicher Entwicklungsräume – (Keine) Grenzen des „rechtlich Unmöglichen“ a) Unendlichkeit erschließt rechtlicher Gestaltung potenziell sehr weite, geradezu unabsehbare Entfaltungsräume. In ihnen kann sich das Recht bewegen und ändern, prinzipiell unabsehbar. Dies wirkt als solches bereits auf das, was der Allgemeine Sprachgebrauch unter „Dynamik“ versteht, einer Bewegtheit, die wesentlich immer weiter Neues hervorbringen will. Im Recht wie in der Realität findet sie allerdings Grenzen in dem Begriff des Unmöglichen. Als Rechtsbegriff begegnet dies im Zivilrecht, etwa in der (faktischen) Unmöglichkeit vertraglich vereinbarter Leistung188, im Staatsrecht in einer Rechtsstaatlichkeit, nach der das Unmögliche rechtlich bereits an seiner gegenständlichen Unbestimmtheit scheitert, juristisch eben ein Nullum darstellt, nicht nur Anfechtbarkeit, sondern Nichtigkeit staatlicher Ordnungsmaßnahmen zur Folge hat189. Die rechtliche Wirkung dieser Unmöglichkeitsgrenze aber wird ausgeschlossen bei Räumen unendlicher Entwicklungsmöglichkeiten, indem eben das Mögliche allein, als solches, schon von rechtlicher Bedeutung ist, damit auch potenziell Entscheidungen, rechtliche Lösungen „ermöglicht“. Ob sich diese dann realisieren lassen oder werden, spielt keine Rolle gegenüber der Rechtswirkung der jeweiligen Unendlichkeit als Eröffnung rechtlicher Möglichkeit. Dass damit zahllose praktische Rechtswirkungen verbunden sein können, vom „Experimentiergesetz“190 bis zu „Prozessrisiko“, liegt auf der Hand. Sie alle weisen in Räume von Entwicklungen des Möglichen, in denen ein Staatsrecht, mit all seinen juristischen Normableitungen, eben doch juristisch gegenwärtig bleibt, wirkt – in potentia. Und damit öffnet sich das geltende Verfassungsrecht dem rechtlich gestaltenden Willen in der Wirkung seiner Unendlichkeiten. 188

Entsprechend dem zivilrechtlichen Begriff der „Unmöglichkeit“ zu erbringender, insbesondere vereinbarter Leistungen, vgl. etwa §§ 28 ff. 189 Unmöglichkeit als Nichtigkeitsgrund des Verwaltungshandelns. 190 Zur Experimentiergesetzen vgl. Leisner, W., Krise des Gesetzes. Die Auflösung des Normenstaates, 2001, S. 148 ff.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

b) Hier wirkt nun ein Zentralbegriff des demokratischen Verfassungsrechts rechtlich weit ausgreifend: Die „Freiheit“191, sie ist an sich bereits Bezugspunkt, ja institutionelle Trägerin rechtlicher Unendlichkeiten, sie beinhaltet eine jedenfalls verfassungsrechtlich gültige Grundregel: dass erlaubt, also rechtlich machbar, möglich sei, was nicht verboten ist. Dieses rechtliche „Dürfen“, in dem sich die Unendlichkeit in ihren räumlichen Dimensionen öffnet, räumt nicht nur die Unmöglichkeit als Schranke weg von rechtlichen (Entwicklungs-) Wegen; sie bewegt sich darüber hinaus deutlich in Richtung auf eine rechtliche Vermutung: In dubio pro Libertate. Jedenfalls in dem Sinn gilt dies als Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsstaatlichkeit: Zwar kann der Gesetzgeber Freiheiten eingrenzend beschränken. Der in-dubio-Satz der Freiheit verbietet das nicht. Er orientiert aber alle Rechtsbeschränkungen in dem Sinn, dass sie präzise, fassbar sein müssen, und dass sie dort nicht wirken, wo sie dies verfehlen, also auch bei erheblichen, rechtlich relevanten Geltungszweifeln. Nicht nur „inhaltliche Unmöglichkeit“ wird damit aus den Wirkungen der Rechtsdogmatik eliminiert, sondern, darüber hinaus auch das rechtlich nicht klar, eindeutig in Bestimmbarkeit Erkennbare192. In einem solchen dubium-Fall greift die Geltungsvermutung der Ungebundenheit ein, die der Freiheit – gerade und wesentlich aber wieder in deren Unendlichkeit! Diese steht damit gegen eine andere virtuelle Unendlichkeit, die der Staatsmacht193, eben in solchen indubio-Fällen. Diese Antinomiespannung muss rechtlich gelöst werden (vgl. oben B. V.), gerade rechtlich im Namen der Rechtsstaatlichkeit. Dies hat zu erfolgen in Richtung auf die „stärkere“, „weitere“ Unendlichkeit – die der Freiheit, jedenfalls in der freiheitlichen Volksherrschaft. In einem solchen Verständnis ist „in dubio pro Libertate“ eben doch ein übergreifendes Staatsprinzip der Demokratie: Dies erschließt sich gerade in einer Betrachtung des Staatsrechts in der Unendlichkeit seiner Geltungs-Räume: Rechtliches „Können“ wird zum rechtlichen „Dürfen“; in herzustellender Konkordanz zwischen Unendlichkeiten ist die Freiheitsunendlichkeit hier, jedenfalls in der Demokratie, stärker noch als die der staatlichen Allmacht.

4. Unendlichkeiten als Kraftquellen rechtlicher Gestaltungsdynamik „Dynamik“ will rechtliche Gestaltung in der Wirkung von Willens-, von Entscheidungskräften erfassen. Hier geht es nicht um die Entfaltungsräume rechtlicher Gestaltung im Sinne Kelsens; es sind die Willensäußerungen, wie sie der Dezisio-

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Zur Freiheit als Raum für Unendlichkeit(en) vgl. oben A. VII. 3. Zur rechtsstaatlichen Bestimmtheit Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 287 ff. 193 Vgl. zur Staatsallmacht oben A. VII. 3. 192

II. Wirkungsweisen

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nismus194 sieht; sie erfahren eine Potenzierung in den Unendlichkeiten des Staatsrechts. a) „Rechtsphantasie“ Die allgemein und nicht zu Unrecht im Recht mit Misstrauen betrachtete „Phantasie“ zeigt sich hier als Wirkungskraft, insbesondere im Staatsrecht. In ihrer Brückenfunktion des Übergangs vom Erkennen ins Handeln sind es Unendlichkeiten rechtlicher Gestaltbarkeit, welche Vorstellungen der Phantasie in Formen und Inhalten gerade ins Staatsrecht „hinein-holen“, in Setzungen oder Rezeptionen von solchen Grenzenlosigkeiten. In der staatsrechtlichen Tagtäglichkeit droht diese rechtliche Phantasie die klar bestimmende Rechtsstaatlichkeit im Staatsrecht immer weiter zurückzudrängen, im Klein-Klein der verfassungsrechtlichen Entscheidungen. Eben im Bereich des Verfassungsrechts sollte aber eben doch der – zugegeben molluskenhafte – „Gestaltungsbegriff“ in etwas wie einer Staatsrechtspsychologie diese Rechtsphantasie, täglich sie neu belebend, erkennen und gewichten. In ihr entbindet der „entscheidende Wille“, der „Befehl als das Beste“, laufend in Aktion drängende Kräfte der Entscheidung. Intellektualismus und Voluntarismus müssen, gerade in den Gestaltungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten des Staatsrechts, mit seinen weiten Regelungsgegenständen, ihre Antinomien überwinden in der Synthese der bindenden Gestaltung. Was man gerade hier „Gestaltungskräfte“ nennen darf, kommt aus den Unendlichkeiten des Staatsrechts. Dieses erscheint daher, auch unter diesem Gesichtspunkt, als die wichtigste, als die Ausgangs-Materie einer Betrachtung rechtlicher Unendlichkeiten. Die Demokratie ist, in ihrem dynamischen Rechts-Wesen, ein großer verfassungspolitischer Aufruf zu „Mehr Rechtsphantasie“. Und gerade ihrer bedarf eine Rechtstechnik, welche in den Unendlichkeiten ihres begrifflichen Mikrokosmos grenzenlos neue Formen bereitstellt: Sie drängen über Rechtsphantasie in die unendlich gestaltende Praxis des Staatsrechts, welches auf der hohen See der Unendlichkeiten seines Entscheidungswillens begrenzende Küsten, schützende Häfen so oft, wenn nicht immer, nur in weiten Entfernungen zu schauen vermag. b) „Staatsrecht als Experiment“, in seinen Verfassungsgewalten „Experiment“ ist ein, wenn nicht der Kern-Begriff all jener Disziplinen, in welchen heute Wissenschaft(lichkeit) am deutlichsten in Erscheinung tritt: der Naturwissenschaften im weiteren Sinn. Ins Recht hat dieses Wort, dieser Begriff des Experimentierens Eingang gefunden, weit weniger im Zivil- und Straf- als im Öffentlichen Recht, welches in seinen Regelungswirkungen/Kräften geradezu als ein 194 Zum Dezisionismus als Potenzierung staatsrechtlicher Entscheidungskräfte s. Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 33 ff.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

„Experiment als solches“ erscheint, als ein derartiges in Verwaltungswissenschaft deutlich wird. Hier sind ja zahllose tastende Vorwärtsbewegungen vor allem der gestaltenden Verwaltung zu erfassen, rechtlich zu ordnen. Im demokratischen Rechtsstaat ist die „Verwaltung“ als solche ein großes Experimentierfeld, in ihren Gegenständen, in ihrer Formsuche ist sie geradezu selbst wesentlich Experiment195. „Das Gesetz“ steht in vielfachen Krisenerscheinungen196, sogar in Auflösungsentwicklungen. In ihnen verliert sich die Blockhaftigkeit der klassischen Kodifikationen in immer neuen, engeren Einzelregelungen; diese wieder weisen deutliche Züge von Experimentiergesetzgebung auf, ein Begriff, mit dem das Staatsrecht bereits manche Äußerungen seiner Ersten Gewalt charakterisiert. Hier verliert sich „die Regelung“ zunehmend in gegenständlichen, zeitlichen, wirkungsmäßigen Flüchtigkeiten, in einem Vorübergehen in laufender Vergänglichkeit. Darin liegt zwar einerseits ein Verzicht auf jene Unendlichkeits-Setzungen, welche bereits unter B. I. näher erörtert worden sind. Da jedoch auch dynamische Gesetzgebungen auf gewisse Unendlichkeiten Bezug nehmen197, kommt es auch hier zu Antinomien von Grenzenlosigkeiten, die es zu „koordinieren“ gilt in Konkordanz (B. V.). Eine Syntheseproblematik, vor allem etwa auch in Vorstellungen zur Naturrechtlichkeit, eröffnet sich hier198. Jedenfalls muss insoweit beim „Gesetz als Experiment“ auch und gerade der Unendlichkeits-Dimension dieser Erscheinung Rechnung getragen werden, in ihrer immanenten Spannung zur Überzeitlichkeit, gerade auch wiederum des demokratischen Verfassungsbegriffs. Die „Experimentierfreude“ der Gesetzgebung als Gefahr einer „Gesetzesflutung“ des Staatsrechts, wird sich, nach allen rechtspolitischen Erfahrungen, in dem Klimax „Wer kann, der darf, der wird“ als eine rechtpolitische Dynamisierungskraft entfalten, damit auf Rechtsordnung wie auf Einzelentscheidungen wirken (i. Folg. II., ff.). Auch hier sind also aus Experimentalität der Gesetzgebung, des Gesetzesbegriffs, Unendlichkeitswirkungen zu erwarten. Die Dritte Verfassungsgewalt bringt erst recht Dynamisierungskräfte zum Tragen, gerade im Staatsrecht; dies bedarf nur beispielhafter Erwähnungen199. Hier sind es bereits Vielfalt und Stufung der Gerichtsbarkeiten, mehr noch die ganz wesentlich unendlich ablaufende Rechtsprechung als solche, in denen „rechtliche Experimentierfreude“ in eine wahre Unendlichkeitsdimension gerät. „Jede verfassungsgerichtliche Entscheidung – ein Experiment“ – gerade dies ist in all seinen wahrhaft 195

Vgl. Leisner, W., Die undefinierbare Verwaltung, 2002, insbesondere in ihrer rechtlichen Unauffindbarkeit, in Tatsachensuche und als Annäherungsgewalt, vgl. Ergebnisse S. 243 ff. 196 Leisner, Krise des Gesetzes, FN 190. 197 S. vorsteh. B. I., besonders deutlich in zeitlicher und wirkungsmäßiger Dimension (3., 4.). 198 Naturrecht (FN 18) in der Konkordanz-Syntheseproblematik der Gesetzgebung (B. V.), zwischen staatlicher Geltung und Experimenthaftigkeit rechtlicher Regelungen (FN 190 ff.). 199 Unendlichkeit und Gerichtsbarkeit: Näheres in Leisner, Das Letzte Wort, FN 158, insb. zur Auslegung und Gesetzesanwendung (S. 39 ff.) und zur Machtträgerschaft der Richter (S. 135 ff.).

II. Wirkungsweisen

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grenzenlosen Verästelungen ein Feld unendlicher Belege immer nur für eines: für das „Staatsrecht (als solches) als ein Experiment“. Als ein solches erscheint seine heutige Form der Demokratie, auch, ja gerade in der Sicht der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung, als ein Phaenomen im Fluss einer unendlichen Entwicklung, die sich in ihm, bis in seine feinste Technik hinein, fortsetzt. c) Prognose, Planung: Dynamik aus Unendlichkeiten der Zukunft Unendlichkeiten wirken im Staatsrecht nicht nur in dem Sinn, dass sie „Räume des rechtlich Möglichen“ erschließen, sondern sie setzen damit auch Gestaltungskräfte frei zur dynamischen Gestaltung in jenen. Dies zeigt sich in rechtsdogmatischen Ausprägungen, welche nicht nur Entscheidungsräume nutzen, sich in ihnen vollziehen (können), sondern hier eben auch Formen und Kräfte dieser Gestaltung zum Tragen bringen. Darin bewegt sich das Staatsrecht wiederum in grenzenlosen Räumen, erfüllt sie mit seinen Erkenntnis- und Willenskräften, setzt darin oft entscheidende rechtliche Anreize – eben zu nachfolgenden Entscheidungen. Damit bringen Unendlichkeiten letztlich „Entscheidungskräfte“ hervor, in dynamischer Entfaltung; als solche tragen sie Grenzen nicht in sich: Rechtsprognose ist es, in der sich etwas zeigt wie eine „Bedeutungsdimension“ rechtlicher Entscheidungen in einem weiten Sinn200. Woher sie kommt, welche Tradition hinter ihr stand, noch immer steht201 – das mochte noch bis tief ins 20. Jahrhundert eine Legitimationskraft darstellen, welche aus Unendlichkeiten einer historisch immer tiefer, genauer zu ergründenden Vergangenheit gesetzliche Handlungskräfte der Gegenwart gewann – Faschismus als spätes Beispiel. Nun aber sind es Erwartungen der Zukunft, welche beflügeln, in einer Marktwirtschaft Geldwert gewinnen. Diese Zukunft, gerade in ihrer Unabsehbarkeit eine finanzielle Größe, in Werbung ständig darin gerade hochpotenziert, wird in Prognose zwar nicht „rechtlich geregelt“202, wohl aber in dieser „rechtstechnisch vorbereitet“, gerade in ihrer Expansionskraft. Damit fließen Potenzierungskräfte rechtlicher Dynamik aus dem jeweils Vorhersehbaren in die Rechtsentscheidungen ein. Mit der Begeisterungskraft des Ungewissen, des lotteriemächtigen menschlichen Spieltriebs wirkt diese Prognose hinein in die Rechtswelt; von der Berechtigung in „Legitimation“ trägt sie zu Anreizen, zu Entscheidungen.

200 Prognose in ihrer „Bedeutungsfunktion für die rechtliche Entscheidung“, mag sich diese auch in einer Vorbereitung derselben erschöpfen (vgl. Leisner, Prognose, FN 10); gerade darin aber wirkt sie in einer „unendlichen Dimension“. 201 Zur Tradition als einem laufend bedeutungsspendenden Hintergrund vgl. Leisner, Tradition, FN 11, insb. in den dynamischen Wirkungen auf das Grundgesetz. 202 Das ist die Grundthese von Leisner, Prognose, FN 10. Gerade die Vergegenwärtigung ist aber ebenfalls ein Vorgang, welcher unbegrenzt abläuft.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

„Planung“203 ist eine Fortentwicklung der Prognose; über deren Versuche der Tatsachenfeststellung hinaus wird hier ein rechtlicher Ausgriff versucht, in gegenständliche, zeitliche und wirkungsmäßige Endlosigkeiten hinein. Aus ihnen werden gegenwartsnahe Bereiche heraus- und in eine rechtliche „Vor-Ordnung“ hinein verlegt. Für sie werden dann nicht nur voraus-feststellende Prognosen durchgeführt, Entscheidungsprogramme werden entwickelt. Beides aber erfolgt in einer Offenheit gegenüber Entwicklung(smöglichkeit)en, welche als solche in ihrer Unendlichkeit zwar nicht „erkannt“, wohl aber rechtlich grundsätzlich anerkannt, eben „abgeschätzt“ werden. Deshalb kann „Planung“, mehr als andere rechtliche Gestaltungen, stets wesentlich nur eine vorläufige sein. Ihr ist ein gewisser Erweiterungszug in alle Richtungen menschlich-erkennenden Handelns geradezu wesentlich, bis in die in ihrer Erkennbarkeit zerfasernden Ausläufer in die jeweilige Entwicklung hinein, in der sich dann die Planungen nicht selten geradezu „in Unendlichkeiten auflösen“. Den rechtlichen Gestaltungs(vor)formen Prognose und Planung ist aber eines gemeinsam, zugleich wesentlich: Sie richten sich auf künftige Entwicklung(smöglichkeiten), damit auf Rechtszustände, welche sie als solche zwar sogar grundsätzlich, nach Bestimmtheitsgrundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, vorauszusehen, zu -bestimmen versuchen204 ; es ist ihnen aber noch nicht jene bindende Voll-Effektivität eigen, wie sie dann die vorbereitete, die geplante Entscheidung zum Tragen bringt. Prognose und Planung stellen damit schon etwas wie typisch rechtliche Entscheidungs-Vorformen dar, auf stufenbaumäßig noch nicht voll befestigten Wegen – wohin? In Unendlichkeiten hinein. Gerade deshalb wird hier ja auch, mehr als bei anderen methodischen Gestaltungsformen im weiten Sinn, das Wort „Offenheit“ gebraucht – nicht selten ohne Vertiefung missbraucht. d) Dynamische Gestaltungskraft gerade aus Unendlichkeiten: „Hoffnung im Staatsrecht“. Vertrauen In diesen Formen, auf solchen Kanälen der Wirkung erreichen Gestaltungskräfte das Recht, gerade im Staatsrecht: Das Mögliche erscheint bereits als das potenziell Reale; es treibt den entscheidenden Willen, mit der Kraft politischer Hoffnungen, in „allen möglichen Richtungen immer weiter“, in unendliche Räume, die sich nach-, hintereinander erschließen, oder dies doch versprechen. Das Versprechen, ja bereits die Ankündigung, sind aber als solche wirkungsmächtige Kategorien, gerade rechtlicher Ausgestaltung205, vom Vertragsangebot und dem „Schenkungsversprechen“ des Zivilrechts bis in die bindenden Zusageformen einer Willenserklärung als solcher im Privatrecht, ja nach Allgemeiner Rechtslehre auch im Öffentlichen Recht. 203

Zur Planung vgl. Leisner, Prognose, FN 10, S. 150 ff. So muss vor allem Prognose als solche rechtsstaatlichen Kriterien – eben doch – genügen, vgl. Leisner, Prognose, FN 10, S. 79 ff. 205 „Das Versprechen“, als rechtlich wirksame Ausgestaltungskategorie des Rechts in eine Zukunft hinein, hat, gerade in seiner Angebotsfunktion, eine grundsätzlich auf „Unbegrenztheit der Annahme(n)“ gerichtete Funktion. 204

II. Wirkungsweisen

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Dort und danach bereits gewinnt vor allem „Planung als Versprechen“ jene Dimension des Vertrauens206, mit dem eine sich in Unendlichkeiten verlierende Zukunft mit großer Ordnungsmacht hineinwirkt ins Staatsrecht, über dieses in Ausstrahlung auf die Gesamtrechtsordnung. Die Grenzen des Versprechens, vor allem die eines darauf gründenden Vertrauens, werden immer rechtlich so problematisch, in vielem sogar „flüssig“ bleiben207, wie dies gerade jenen Grenzenlosigkeiten entspricht, auf welche hier – letztlich eben doch nur gehofft wird. Dass aber „die Hoffnung zuletzt stirbt“, das zeigt sich vor allem in diesen Höhen des Staatsrechts, von dem doch allgemein angenommen wird, dass es Erhofftes nicht kenne(n dürfe). Dass aber Hoffnung eine Kraft darstellt, als solche jedenfalls über gestaltende Politik ins Staatsrecht einfließt wie in keinen anderen Rechtsraum, dort in Gestaltung verrechtlicht wird – das alles ist konsensgetragen, gerade in der volkswillens-, volkshoffnungsbestimmten Demokratie208. Was aber ist diese, wie jede andere, Hoffnung anderes als das Wirken einer Macht des (noch) Unerreichten, Unerkennbaren – des Unendlichen? Was tritt stärker auf in Verfassungspolitik? e) Verfassungsbegeisterung In all dem wird das Staatsrecht, erst recht in seinen Übergängen in Rechtspolitik, wiederum zur Quelle der Dynamik: in einer Verfassungsbegeisterung, in der sich etwas entlädt wie eine kraftspendende Freude über „immer wieder gelungene Experimente“, neue Hoffnung daraus. Diese Freude ist aber gerade wieder wesentlich nicht nur als Begleiterscheinung, sondern auch als Legitimation in der Demokratie: das Wirken einer Mehrheit, welche in dieser als deren „Zustimmung“ zum Ausdruck kommt. Sie führt zur demokratischen Notwendigkeit eines dauernden Ablaufs des Staatsrechts in diesen Formen. In dieser wahrhaft „unendlichen Demokratieentwicklung“ bestätigt sich die Staatsform laufend selbst – in (ihrer) Ewigkeit. Amen. Eben dies nennt man, allgemein wie im Staatsrecht, Dynamik. Sie kommt aus Unendlichkeit. Nun sollen noch diese hier allgemein geschilderten Wirkungsweisen der „unendlichen Hintergründe“ im Staatsrecht näher betrachtet werden, nach den rechtlichen Ordnungsformen, in denen sie dort zum Ausdruck kommen.

206 Vertrauen wirkt als rechtliche Macht, aus dem „Versprechen der Planung“ heraus (FN 203). 207 Rechtliche Grenzen des Vertrauens (als Versprechen) gibt es zwar in der Rückwirkungsdogmatik; verfassungsrechtlich ist eben nur ein „Kernbereich des Vertrauens“ geschützt, BVerfGE 59, 128 (164 ff.); 116, 24 (35). 208 Wahlentscheidungen aus Hoffnungen auf Erfüllung von Wahlversprechen sind faktische Grundlagen der Staatsform als solcher.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

III. Wirkungsbereiche der Unendlichkeiten auf die staatlichen Rechtsetzungsformen 1. Normsetzung als Weg in Unendlichkeit Die im Vorstehenden herausgestellten rechtlichen Erscheinungsformen des Unendlichen im Staatsrecht (B.), ihre allgemeinen Wirkungsweisen (vorsteh. C. II. 3.) zeigen Wirkungen vor allem auf rechtstechnische Gestaltungsformen, wie sie das geltende Staatsrecht vorsieht, kennt, zulässt. Mit ihnen sucht es seine Ordnungsfunktionen zu erfüllen, in all den sehr weiten Bereichen seiner Ordnungsgegenstände. Im Vordergrund stehen hier Norm und Einzelakt. a) Verfassungsrechtliche Begrenzungsversuche der Norminhalte Bei der normativen Ordnungsform geht es, mit Blick auf Hintergründe von Unendlichkeiten, zentral um die Normwirkungen zur Bestimmung der jeweiligen Geltungsbereiche. Dies vollzieht sich in den Bestimmung(sversuch)en der Grenzen ihrer Zulässigkeit, damit in Verfassungsschranken. Sie sollen allgemein in den Wirkungen ihrer Begrenzungen rechtliche Bestimmtheit leisten, wie bereits dargelegt209. Doch auf sie wirken bereits Unendlichkeiten; die Normen bleiben, vor allem im Verfassungsrecht, schon aus ihrer Geltung heraus, „geöffnet zum Grenzenlosen“. Die verfassungsrechtliche „Schrankentrias“ des Art. 2 Abs. 1 GG210 verliert sich selbst wieder in normativer Unendlichkeit: „Rechte anderer“ im Begriff der Freiheit, „verfassungsmäßige Ordnung“ in den von der Verfassung gesetzten oder in ihre Ordnung (irgendwann, irgendwie) rezipierten Unendlichkeiten, das „Sittengesetz“ in der inneren Unendlichkeit der menschlichen Persönlichkeit. Das Verfassungsrecht unternimmt nun, für das Verhältnis seiner Normstufen, einen grundsätzlichen Versuch näherer bestimmender Eingrenzung zulässiger Norminhalte: In einer weiteren Trias: Zweck, Inhalt, Ausmaß (Art. 80 GG)211. Hier sollen Konkretisierungen der Norminhalte über gegenständlich bestimmende Wirkungsweisen erreicht werden. Diese Kriterien lassen sich grundsätzlich auf Normgeltungen generell übertragen, damit könnten sie den Normbegriff geradezu inhaltlich konstituieren. Ihre wesentliche Beziehung zur Rechtsstaatlichkeit kommt hier deutlich zum Ausdruck.

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Zu diesem „Grenzenbegriff“ und der Unendlichkeit vgl. allgemein A. III. Die Trias-Begriffe in Art. 2 Abs. 1 GG verlieren sich alle in Allgemeinbegriffen, B. I., in „Setzung“ zwar, dabei dann aber in Unendlichkeiten: Rechte anderer, verfassungsmäßige Ordnung wie Gesetzgebung, insb. im Sittengesetz als innerer Unendlichkeit, vgl. Leisner, Personalismus, FN 24. 211 Zu Art. 80 GG (Zweck, Inhalt, Ausmaß) allgemein Brenner, M., in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 80 Rn. 34 ff. 210

III. Wirkungsbereiche der Unendlichkeiten auf Rechtsetzungsformen

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b) Zweck, Inhalt, Ausmaß: Unendlichkeits-Gehalte Ein Blick auf die Verfassungsrechtsprechung zeigt nun aber, dass sich „Einbrüche von Unendlichkeiten“ im Staatsrecht auf diese Weise vielleicht, allenfalls umrisshaft erkennen, nicht aber in rechtlichen Setzungen begrenzen lassen. Die hier eingesetzten Formeln zeigen alle, dass die Problematik einer Grenzziehung gegenüber einem geltungsmäßigen Outer Space von Regelungsmaterien kaum gesehen wird; die Unendlichkeitsproblematik wird nicht einmal als Hintergrund deutlich. Die (frühere) „Selbstentscheidungsformel“ bei Art. 80 GG212 umgeht, ja eliminiert die Frage; die „Programmformel“ lässt sie schlicht offen, indem sie auf die unendliche Zukunft verweist213, die „Vorhersehbarkeitsformel“214 ist völlig unbehilflich schon darin, dass sie wiederum nur auf eine Konkretisierungsinstanz hinweist (den Bürger), dieser jedoch keine inhaltlichen Kriterien vorgibt. Insgesamt zeigen die Kommentierungen zu Art. 80 GG: Nicht einmal ein Konkretisierungsversuch der Normgeltung in der Bestimmung von Kriterien in ihrer Wirkungsweise nach Erscheinungsformen ist hier fassbar geworden. Kein kriterienmäßiger Anhaltspunkt dafür ist ersichtlich, in welcher Weise, auf welche Bereiche und wie tief Grenzenloses im Normbereich wirken kann – darf, wo gerade dafür wiederum rechtliche Formen, Schranken ersichtlich werden könnten. Die verfassungsrechtlichen Trias-Versuche einer auch nur Verdeutlichungswirkung des Rechts auf Wirksamkeiten, Tiefendimensionen, Dynamisierungspotenzen von Unendlichkeiten im Staatsrecht müssen als bisher gescheitert angesehen werden, jedenfalls für den dort doch primären Bereich der normativen Regelungsformen. Der Grund dafür liegt offensichtlich darin, dass ein „Normproblem Unendlichkeit“ eben schlechthin nicht gesehen, in einer Perspektive wesentlicher Bestimmtheit und Bestimmbarkeit des Rechts durch die Allgemeine Rechtslehre bis zur Rechtsstaatlichkeit von vorneherein ausgeklammert (worden) ist. Demgegenüber ist, gerade für die Trias des Art. 80 GG, zu betonen: Unendlichkeiten wirken auf Normen, besonders auf solche des Staatsrechts ein, gerade über die verfassungsrechtlichen Kriterien Zweck, Inhalt, Ausmaß: - Zielen, welche in Normgebung verfolgt werden, diese inhaltlich und formal orientieren (sollen), ist, schon begrifflich, etwas eigen wie ein „Zug in Unendlichkeit(en)“, unter Inkaufnahme aller damit verbundenen Unbestimmtheit(en). Ist etwa „Ziel“ eine gewisse Beschränkung von Wettbewerbsformen, so eröffnen sich hinter all diesen Begriffen wahre tatsächliche wie rechtliche Unendlichkeiten von Normierung(smöglichkeiten). „Das Regelungsziel“ einer Norm wirkt, in den meisten Fällen, weit mehr „verunendlichend“, als dass es ein Kriterium der Bestimmtheit, oder auch nur einer Bestimmbarkeit, böte. 212 213 214

Vgl. BVerfGE 2,307 (334); 23, 62 (73). Zusammenfassend BVerfGE 5, 71 (77) und öfter. Zur Vorhersehbarkeit des Gesetzes vgl. etwa BVerfGE 56, 1 (12).

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

- Inhalte sollen die Normen prägen, in bestimmter, bestimmender Gegenständlichkeit ihres Ordnungsbemühens. Doch der Begriff erlaubt eine solche Weite des Verständnisses, dass in ihm Faktisches, ins Recht Rezipierte ebenso gesehen werden kann wie Auswirkungen rechtlicher Eingrenzungsbemühungen, welche als solche wieder in Unendlichkeit vielfach auslaufend sich verlieren können. Vor allem Unendlichkeiten des Rezipierten (B. II., III.) sind damit rechtlich wirksame Grenzen kaum zu ziehen. - Ausmaß mag zu verstehen sein im Sinn einer rechtstechnischen Regelungs-Intensität. Dies läuft im Wesentlichen auf Verdichtungen rechtlicher Ordnungen hinaus, welche „innere Bestimmtheit“ des Rechts anstreben. Dies wird vor allem wieder unter Gesichtspunkten einer „Annäherung“ anzustreben sein. Damit aber öffnet sich auch hinter diesem Kriterium wieder eine Dimension von Unendlichkeit, i. S. von vorsteh. B. IV. Alle Konkretisierungszuweisungen der Normgebung, wie sie die Verfassung in Art. 80 GG bieten will, sind also letztlich Begriffe, welche als solche Unendlichkeiten in sich tragen, in eine solche jedenfalls münden (können). Damit sind, gerade in der Sicht geltenden Verfassungsrechts und seiner Maßstäbe, solche Regelungen der Normgebung weit eher Wegweiser in Richtungen auf Hintergründe, damit Entwicklungsmöglichkeiten, ja bereits Entwicklungspotenzen von Unendlichkeiten, als deren Begrenzungen in rechtlichen Bestimmtheiten. Ihnen selbst, diesen angeblichen, geradezu klassischen Bestimmtheitskriterien des Art. 80 GG, ist in Wahrheit als solchen – „ein Zug ins Unendliche“ eigen. c) Wirkungen dieser Grenzenlosigkeit des Normativen Diese als Bestimmtheitsversuch verdeckten normativen Kriterien wirken also sogar eher umgekehrt: als Potenziale einer Verunendlichung des Rechts, gerade in den Formen der Gesetzgebung, in einem weiten, materiellen Sinn: Aus ihnen kommen Anreize, sie eröffnen Möglichkeiten für eine Ausdehnung von Normsetzungen, für immer weiteres Ausgreifen in „mögliche“, „zulässige“ Regelungsbereiche, weil diese „Konkretisierungskriterien“ wie dargelegt, eben ihrerseits wieder Unendlichkeiten in sich tragen. Damit wirken sie geradezu als Normierungsanreize: Sperren ohne Absolutheit laden zu ihrer Verschiebung ein, wenn nicht zu ihrer Überwindung. Die vielbeklagte „Normenflut“, in welcher die Rechtsstaatlichkeit unterzugehen droht, in einer „Krise des Gesetzes“215, ist Ausdruck einer Regelungsbereitschaft, ja Normierungsfreude, in der die so kritische Demokratie ihre politische Handlungskraft bewähren, ja entdecken will. Beflügelt durch eine Fortschrittsideologie der Staatsformen, in welcher die Volksherrschaft nicht nur als ein „Es ist erreicht!“ erscheint, sondern als „Way of no return“, baut sich hier eine ganze Rechtswelt in normativer Grenzen215

Leisner, Krise des Gesetzes, FN 190, zur Normenflut S. 123 ff.

III. Wirkungsbereiche der Unendlichkeiten auf Rechtsetzungsformen

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losigkeit auf. Gerade diese „grenzenlose normative Machbarkeit“ verleiht der Volksherrschaft sogar entscheidenden politischen Schwung. Ihre Norm-Formen, als Instrumente der Begrenzung erdacht, werden in ihrem verfassungsrechtlichen Einsatz zum Machtanreiz in einem staatsrechtlichen „Fanget an!“. Die Instrumente rufen ihre Nutzer. Dem Staat bleibt ja in seiner Verfassung, in Formen des Rechts216, die letzte Koordinationszuständigkeit für alle in normativem Ausgreifen zu entdeckende, sodann zu koordinierende Unendlichkeiten, in einem Vorgang, der damit als solcher in den Raum des Rechts verlagert wird. Darin aber bleibt es nicht bei erkennbaren Erscheinungen im Staatsrecht: Gestaltungskraft kommt hier aus Grenzenlosem, rechtliche Erfassbarkeit wird zu rechtlicher Dynamik. Die Normenwelt ist nicht mehr ein begrenzter Rechts-Kosmos, sondern ein Weg des gestaltenden Willens: in Unendlichkeiten (hinein). Ihn zu beschreiten, dazu ist der Normenstaat Instrument und Anreiz, bis zu seiner Selbstgefährdung217 in einer „Krise des Gesetzes“.

2. Die Einzelentscheidung: Instrument und Anreiz zu „Gestaltung in Unendlichkeit“ a) Rechtssetzung in Einzelentscheidung: „Praxis“ als unendlicher Vorgang Eine weitere Unendlichkeit zeigt sich im Recht gerade im Bereich der Verfassung, welche dieser normativen Grenzenlosigkeit mit allen ihren Dynamisierungen zwar „gegenüberstehen“, sie allerdings nicht „begrenzen“ könnte: die einer „Praxis“, in welcher gerade jene Normenwelt erst ihre volle Wirksamkeit findet – in der Unendlichkeit ihres Auslaufens in Normanwendung – und noch darüber hinaus, in normergänzender, normfortdenkender Rechtsgestaltung. Von ihr gehen die gleichen verunendlichenden Wirkungen auf die Rechtsordnung aus, gerade im Verfassungsrecht der freiheitlichen Demokratie. Der unendliche Normenstaat ruft sich seine unendliche Anwendungspraxis, setzt sich in ihr fort, läuft gewissermaßen in ihr aus – in eine weitere Unendlichkeit der Einzelentscheidungen hinein. In der Betrachtung der Methodik gerade des Verfassungsrechts218 wurde dies bereits grundsätzlich verdeutlicht. Dieses ganze methodische Instrumentarium bewegt sich, als solches bereits, auf grenzenlosen Hintergründen. Daraus kommen aber, und dies ist hier noch als „weiterentwickelnd“ hinzuzufügen, Dynamisierungsschübe mit Effekten auf die Rechtsordnung, gerade aus deren wesentlichen Wirkungen in Einzelentscheidungen. Dies ist an dieser Stelle 216 So wurde es bereits oben B. V., beschrieben: Staatliche Koordinationszuständigkeiten für Unendlichkeiten. 217 Diese Selbstgefährdung der Demokratie wurde beschrieben in Leisner, W., Demokratie. Entwicklungen einer gefährdeten Staatsform, 1998. 218 Oben A. V.: Von der Vorbereitung in Auslegung bis in die methodischen Einzelgestaltungsformen der Induktion, Deduktion, Analogie.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

in Phänomenen und deren Charakterisierungen in gegenwärtiger Rechtspraxis zu exemplifizieren. b) Unendlichkeiten der Einzelentscheidungen: Verwaltungs-, Richter-, Rechtswege-, Prozessstaat(lichkeit) „Gerechtigkeit“ in abwägender Normsetzung, vor allem in der (einfachen) Gesetzgebung, strebt jede Staatsform in ihrer wie immer zu bestimmenden Verfassung an219. Die rechtsstaatliche Demokratie organisiert die Wirkungen ihrer (unendlichen) Normenwelt vor allem in einer Perfektionierung der Einzelentscheidungen, in deren Anbindungen an ihre Gesetze: Deren Unendlichkeiten (a) finden damit, in der „Praxis“, als Norm-Fortsetzungen im kelsenianischen Sinn, zu einer ebensolchen Unendlichkeit-Dimension. Nicht nur im Grundsätzlichen gilt dies für Normanwendung(en) wie für Normsetzung(en), jeweils als solche. In gerade gegenwärtig fassbaren, sehr konkreten Rechtsentwicklungen kommen die Wirkungen von Kräften zum Ausdruck, welche sich daraus entbinden: in Gesamtentwicklungen gerade der demokratischen Verfassungsordnung: - Zum Verwaltungsstaat muss eben der Normenstaat wesentlich werden – obwohl er beides grundsätzlich in einer Antithetik sehen möchte. „Bürokratie“ ist aber gerade die notwendige Folge einer immer weiter verfeinerten Normenstaatlichkeit. Die Kritik an ihr220 bleibt schon deshalb wirkungslos, ja sie läuft grundsätzlich ins Leere, weil hier „eine Unendlichkeit die andere austreiben“ soll – obwohl sie doch allenfalls zu koordinieren sind (vgl. B. V.). Immer weiter werden Gesetzesstaat und bürokratischer Verwaltungsstaat „getrennt marschieren, vereint schlagen (Moltke)“ – den Bürger, die Menschen, werden sie nicht beide geordnet, zusammengeordnet in Personalismus221. - Vom „Gesetzesstaat zum Richterstaat“222 führt der Weg des „Gouvernement des Juges“223, von der Norm in die Einzelentscheidung. Gerade im Staatsrecht ist er so weit, so intensiv, so unwiderruflich bereits begangen in Deutschland wie kaum irgendwo sonst. Wer geglaubt hatte, dass sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts normative Verfestigungen ergeben würden, welche eine Fortsetzung des Ganges in die Unendlichkeit der Verfassungsauslegung/Anwendung blockieren oder auch nur abschwächen könnten, der sieht sich ent219 Zur Gerechtigkeit in Abwägung, in einer ständigen, unendlichen Annäherung in Verhältnismäßigkeit s. Leisner, Der Abwägungsstaat, FN 160, S. 39 ff. 220 Zur Bürokratiekritik vgl. FN 86. 221 Diese Zusammenordnung von Gesetzes- und Verwaltungsstaat wäre ein „3. Weg“ des Personalismus. 222 „Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat“ (René Marcic, 1957) war geradezu ein Schlagwort der Staatsrechtsdogmatik nach 1945, vgl. Nachw. bei Leisner, W., Grundrechte und Privatrechte, 1960, S. 289 f. 223 Lambert, E., Le Gouvernement des Juges, 1936.

III. Wirkungsbereiche der Unendlichkeiten auf Rechtsetzungsformen

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täuscht. Immer neue „Fortsetzungsentscheidungen“, Umakzentuierungen von bereits Entschiedenem zeigen, dass sich hier der „Prozessgang“ in die Unendlichkeit der Praxis fortsetzt. Im „Rechtswegestaat“224 wirken Unendlichkeiten der Normierung und der Praxis der Einzelfälle zusammen, in laufenden wechselseitigen Verstärkungen. Es führt all dies in eine „Prozessstaatlichkeit“ hinein, welche politisch weit weniger kritisiert wird als Richter- und Rechtswegestaatlichkeit, glaubt hier doch ein von Norm und Praxis vereint bedrängter Bürger Tore der Freiheit sich öffnen zu sehen. Doch auch dies sind nur Öffnungen zu weiteren Unabsehbarkeiten einer sich sogar noch verstärkenden Entwicklung. Einem „Prozessstaat“ können Grenzen schon deshalb rechtlich nie gesetzt werden, weil er sich in Gerichtssäle und Beratungsgeheimnisse zurückzieht, sich nur selbst begrenzt in Tatbestandlichkeit und sich darin doch wieder „öffnet“.

c) Tatbestandlichkeit – Grenze oder Unendlichkeit? Gerade diese Tatbestandlichkeit, die Bindung von Verwaltung und Richter an sie im Rechtsstaat, sollte eine Eingrenzung bringen, für die Rechtswirkungen als solche wie auch, konkreter, für die sich aus Einzelfallentscheidungen, ihrer Bündelung in der Praxis zu herrschender Lehre entbindende „Macht“, rechtlich und politisch gesehen. Begrenzende „Tatbestandlichkeit“ ist aber als solche kein Topos des Verfassungsrechts geworden, allenfalls klingt sie dort an in der „Rechtsstaatlichkeit“. Verfassungsbegrifflichkeit erreicht sie auch nicht über etwas wie „Tatbestandswirkungen“225, oder den „Tatbegriff des Strafrechts“, der durch das Prozessrecht, durch dessen vorverfassungsrechtliches Gesamtbild, bestimmt wird226. Darin zeigt sich, dass auch diese Tatbestandlichkeit in sich die ganzen Unendlichkeiten dessen trägt, worin „die Praxis“ in laufendem Unendlichkeits-Vorgang ausgreift: in die Grenzenlosigkeit des Tatsächlichen und seine Entwicklungen, als Prozessgegenstände, Prozessstoff, wie dies bereits oben dargestellt worden ist227. Die Tatbestandlichkeit wirkt also insoweit nicht, wie es Rechtsstaatlichkeit zunächst unterstellen mag, eingrenzend, sondern eher wiederum „verunendlichend“. d) Staatsrechtliche Personalisierung als Dynamisierung Aus diesen Wirkungen der „Einzelentscheidungen des Rechts“, in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, kommen dem Staatsrecht höchst bedeutsame Dynami224 Zum Rechtswegestaat s. allgemein Papier, H.-J., Justizgewähranspruch, HbStR3, Bd., 8, 2010, § 76 S. 491 ff. 225 Tatbestandswirkung als Funktionsbedingungen der rechtsprechenden Gewalt s. u.a. BGHZ 95, 212 (218). 226 Art. 103 Abs. 3 GG, vgl. f. viele BVerfGE 58, 22 (28 ff.); er kommt aus dem vorverfassungsrechtlichen Gesamtbild des Prozessrechts, vgl. BVerfG K NJW 2004, 279. 227 In B. III. wird sie als „faktische Unendlichkeit“ behandelt.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

sierungswirkungen, welche es zunehmend und wahrhaft „durchgreifend“ prägen in der Gegenwart. Streit-, Prozessbereitschaft werden in der Praxis der Einzelentscheidungen generell gestärkt, beim Bürger wie bei den Staatsorganen. Selbstbewusstsein als psychologischer Dynamisierungsfaktor der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung wird in Streitkultur zu einer grenzenlosen Bewusstwerdung des Rechts. In so einfachen Formulierungen, Zielsetzungen wie „der Bürger der nun sein Recht (er)kennt“ wird „Der Kampf ums Recht“ (Jhering) Wirklichkeit: Eine dynamisierende Realität, mit all der Kraft ihrer Unendlichkeit, zeigt einen „Ewigen Krieg“, der – „das Leben ein Kampf“ – in Antithese tritt zum Ewigen Frieden: Beides in Unendlichkeit. „Der Bürger der Demokratie“ als selbstbewusste „Prozessgestalt“ – das ist für viele Politiker heute bereits ein Ideal, morgen ein Verfassungswert mit normativer Erziehungswirkung. Darin wird geradezu „die Praxis als solche zu einer Verfassungsgewalt“. So vollendet sich die Wirkung der Unendlichkeit(en) auf das Rechtssystem in Wirkungen auf dessen zentrale Gestaltungsformen: Norm und Einzelentscheidung, und in alle Zukunft hinein.

IV. Wirkungen von Unendlichkeit(en) auf das demokratische Verfassungssystem und seine Grundausrichtungen Grenzenlose gegenständliche Räume von (möglichen) Regelungen, deren ebensolche zeitliche Erstreckung wie auch ihre kausale Wirkungsintensität – all dies ist bisher allgemein-grundsätzlich bei Perspektiven der Allgemeinen Rechtslehre wie der Allgemeinen Staatslehre angesprochen worden. Nun gilt es, derartige Wirkungen im Besonderen für das demokratische Verfassungssystem zu betrachten, wie es im Grundgesetz begegnet. Auch dies lässt sich hier nur wiederum auf die wichtigsten, auf die grundsätzlichen Bereiche und Formen beschränken, in welcher derartige Effekte von Unendlichkeiten auftreten (können).

1. Gewaltenteilung – Ordnung von Unendlichkeiten Teilung der „Verfassungsgewalten“ und deren Gewichtung bieten sich hier bereits als Ausgangspunkt an, insoweit eine Rechtsstaatlichkeit, welche diese näher bestimmt und sichert (Art. 20 GG). Folgerungen sind dabei bereits zu ziehen aus den Rechtssetzungsformen, in denen diese Staatsgewalten in Erscheinung treten. Ist eine der Drei klassischen Gewalten in besonderer Weise in Dimensionen einer Unendlichkeit tätig, damit deren gewichtenden Wirkungen ausgesetzt?

IV. Wirkungen auf das demokratische Verfassungssystem

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a) Gesetzgebung: Primat des Normativen aus Unendlichkeit Gesetzgebung als geltungsbestimmende und -bestimmte Äußerungsform des Staates weist schon über diese Normwirkung wesentliche Nähe zu jeder Erscheinung von Unendlichkeit auf: Allgemein-grundsätzlich liegt eine solche ja bereits im Begriff der Geltung. Sie vor allem ist es, in der ein geradezu grenzenloses Ausgreifen in bisher ungeregelte Bereiche rechtlich möglich wird, in allen dimensionalen Richtungen, in welchen diese Wirkung Gegenstand menschlichen Erkenntnisbemühens sein kann. Eine solche „Unendlichkeitsprärogative“ der Gesetzgebung wird zwar gerade durch die Gewaltenteilung in die Begrenzungen der Verfassung allgemein eingebunden, was durch Verfassungskontrolle sanktioniert wird. Immerhin in einem „materiellen Gesetzgebungsbegriff“228 bleibt aber die Unendlichkeitsnähe erhalten, mit Wirkungen sogar einer Grenzenlosigkeitsneigung auf allen Gesetzgebungsebenen. Dies mag für jenen „Primat des Normativen“ im Verfassungsstaat sprechen, welcher die Rechtsstaatlichkeit sichern will229. Seinen Ausdruck findet er in Unendlichkeit gerade im Vorbehalt des Gesetzes: Auf allen normativen Ebenen verlangt dieser ja, dass „der Gesetzgeber“, die (jeweils) Erste Gewalt „alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss“. Diese Wesentlichkeitstheorie230 könnte dafür sprechen, dass hier die „große Unendlichkeit des Grundsätzlichen“ gerade die Gesetzgebung in der Gewaltenteilung derart in den Mittelpunkt rückt, in die Höhe hebt, dass sie bereits im Namen dieser Unendlichkeit als „die Erste Gewalt“ erscheint, als „nächste Ausprägung eines grenzenlosen Ordnens“. Der Vorrang der Gesetzgebung, wie er das demokratische Verfassungsrecht bestimmt, beruht also nicht nur darauf, dass die Legislative überhaupt erst Voraussetzungen einer Rechtsgeltung schafft; er legitimiert sich auch daraus, materiell, dass hier virtuelle Entscheidungskräfte aus Unendlichkeiten, in den verfassungstechnischen Formen der erwähnten „Wesentlichkeitstheorie“ als solche und durchgehend von „entscheidender“ Bedeutung sind, in der gesamten Rechtswelt demokratischer Staatlichkeit. Keine andere Verfassungsgewalt ist so wesentlich „beschränkungsfrei“ wie diese Gesetzgebung – und zu ihr gehört ja auch eine Verfassunggebung. Gerade sie weist wiederum in Unendlichkeitsräume, welche sogar in rechtlicher Setzung in der Verfassung gesetzlich normiert worden sind, etwa in der zeitlichen Dimension der „Ewigkeitsentscheidungen“231.

228 Zum Begriff der „Gesetzgebung im materiellen Sinn“ vgl. Ossenbühl, F., HbStR3, BD. 5, 2007, § 100 S. 138 ff.; Maurer, H., Staatsrecht, 6. Aufl. München 2010, § 17, Rn. 7 bis 16. 229 S. dazu Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 273 ff. zum Primat der normativen Geltung. Zum Vorbehalt des Gesetzes s. Klement, J. H., Der Vorbehalt des Gesetzes für das Unvorhersehbare, DÖV 2005, S. 567 ff. 230 Für viele BVerfGE 84, 212 (226); 101, 1 (34). Zum „Wesentlichkeitskern“ BVerfGE 116, 24 (58). 231 Vgl. oben B. I. 3. (Art. 79 Abs. 3, 146 GG).

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

Gesetzgebung als solche ist also wahrhaft Staatsgewalt aus den wesentlichen und durchgehenden Unendlichkeitsbezügen, in denen alle ihre Äußerungsformen und Inhalte stehen. b) Verwaltung: „Gewalt der grenzenlosen Gestaltung“ „Verwaltung“, im herkömmlichen Sammel-Sinn, der die Zweite Gewalt kennzeichnet232, weist, in ihrer begrifflichen Weite wie in ihren heterogenen Formen und Inhalten, in verschiedener Hinsicht auf in sich grenzenlose (Entwicklungs-)Potenzialitäten hin: in ihrer nachgeordneten Gesetzgebung auf Unendlichkeiten der Normsetzungen als solcher (vgl. a), jenseits von diesen in Begriffsverwendungen wie „Gestaltung“ auf eigenständige Regelentwicklung nach kaum näher bestimmbaren allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen, in Ermessen und Beurteilung auf Konkretisierungsformen all dieser normativen oder normähnlichen Vorgaben, denen auch als solchen Grenzen kaum zu ziehen sind. All dies bezeichnet, jedes für sich, nach Form wie Gegenstand, potenziell grenzenlose Regelungsbereiche; in ihnen eröffnen sich daher jeweils „sektorale Unendlichkeiten“ des Staatshandelns. Diese zeigen sich, im Einzelnen wie insgesamt, als Fortsetzungen grenzenloser Norm-Unendlichkeiten im vorstehend (a) angesprochenen Sinn; auf diese Weise gerade soll ja eine strenge „Legalität in Normbindung“ verstanden werden, mag die Verwaltung auch allenthalben darüber hinausgehen, wieder aber in eigenständigen „administrativen Unendlichkeiten“. Was so stattfindet, kann allenfalls bezeichnet werden als eine Unendlichkeits-Stufung. Der Staat der Legalität bewegt sich damit in seiner organisatorischen Gewaltenteilung, um ein bekanntes, „geglaubtes“ Bild im Recht zu gebrauchen: „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Eine „Konkordanz dieser Unendlichkeiten im Recht“233 muss also stattfinden. Die Verfassung sucht dies im Einzelnen herzustellen in ihren Organisationsbestimmungen, welche die Administration jeweils der Gesetzgebung unterordnen, sie aber auch als solche näher regeln (Art. 83 ff. GG). In beiden Richtungen greift die Verfassung damit hinaus in Bereiche, die ihrem Wesen nach in Unendlichkeitsdimensionen stehen; diese Hintergründe müssen daher bei jedem derartigen Ausgreifen durch Verwaltungsorganisation gesehen und berücksichtigt werden. Alle Verwaltungszuständigkeit wird also eröffnet unter einer Vorgabe, die man etwa beschreiben könnte mit einem „Zunächst einmal bis hierher, dann wird man sehen – weiter …, vielleicht unendlich“.

232

Zum Definitionsproblem der „Verwaltung“ vgl. Leisner, W., Die undefinierbare Verwaltung. Zerfall der vollziehenden Gewalt, 2002; gerade in den Zersplitterungsformen dieser Gewalt, der Grundthese dieser Untersuchung, kommt dies zum Ausdruck. 233 Zur Konkordanz der Unendlichkeiten im Recht, vgl. oben B. V.

IV. Wirkungen auf das demokratische Verfassungssystem

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c) Judikative: Entscheidung(sverfahren) und Unendlichkeit Die Judikative zeigt Aspekte, welche sich als solche einer eigenartigen „Unendlichkeit des gerichtlichen Verfahrens und Entscheidens“ begreifen lassen234. Wiederum lässt sich diese Staatsorganisation(sform) als „Gewalt“ in einer von ihr auszuübenden „Macht“ nicht voll rechtlich bestimmen. Sie verliert sich bereits, gegenständlich wie zeitlich, in der Grenzenlosigkeit der Entscheidungswirkungen, mögen diese auch die Zukunft grundsätzlich in eine Gegenwart hineinführen („vergegenwärtigen“). Eben dies aber geschieht in einer formalen wie inhaltlichen Grenzenlosigkeit der Wirkungen rechtlicher Erkenntnisse. Unabhängigkeit als Wesenskriterium der Judikative lässt sich ebenfalls nicht abschließend rechtlich bestimmen, weder nach ihrer Funktion noch nach ihren Schutzformen. Eine „Einheit als Staatsgewalt“ findet die vielgliedrige Judikative nur in ihrer konkreten Verfassungsorganisation, „institutionell“. Dass sie als „Macht des letzten Wortes“ wesentlich spät – oft zu spät – kommt, zeigt schließlich eine zeitliche Flexibilität, in welcher der Zufall ihr Eingreifen bestimmt, mit all seinen unendlichen Wirkungen. Hinsichtlich der Zusammenordnung dieser „Verfassungsgewalt“ gilt das vorstehend b für die Administration als „Fortsetzungsgewalt normativer Unendlichkeiten“ Ausgeführte auch für die Judikative. Auch hier ist, und sogar in besonderem Maße, den eigenartigen Unendlichkeiten gerade dieser Verfassungsgewalt, ihren „potenziellen Wirkungskräften“ Beachtung zu schenken, mehr als bisher. Dies gilt für ihre machtmäßigen Fernwirkungen, aber auch für die der Judikative in besonderem Maße eigenen Unendlichkeits-Aspekte wie die einer Unabhängigkeit, welche hier die Entscheidungsgewalt des Staates geradezu in die innere Unabhängigkeit des richterlichen Gewissens verlagert235. d) Gewaltenteilung als Gesamtordnung: Balance von Unendlichkeiten Die Gesamtordnung der Gewaltenteilung ist also, das zeigen diese Ausführungen zu den einzelnen Gewalten, etwas wie ein verfassungsrechtlicher Balanceakt zwischen Unendlichkeiten, in ihren unendlich vielfältigen Formen, aus grenzenlosen Hintergründen von Grundrechtsbereichen heraus wirkenden Einflüssen auf rechtliche Gestaltungen und deren Fortentwicklung. In Zusammenordnung in Gegenwart und in Flexibilität der zukünftigen Entwicklung muss diese Potenzialität ständig gesehen, koordinierend adaptiert, korrigiert werden. Gewaltenteilung ist eben, als solche, ein rechtlicher Organisationsbereich geöffnet zu Wirkungen von Grenzenlosigkeiten, in deren Unvorhersehbarkeiten. Gegenwärtige Erkennbarkeiten wirken 234

S. dazu Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 122 f.; ders., Das Letzte Wort. Der Richter späte Gewalt, 2003, FN 158. 235 In einem Zusammenwirken von Gerichtsorganisation (Leisner, FN 234, S. 79 ff.) und Richterpersönlichkeit (vgl. dort D. X.).

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

hier236, zugleich aber Kräfte von einer nun wirklich unter Umständen geradezu revolutionär aufbrechenden Mächtigkeit. Die Gewaltenteilung ist als solche eine wirkungsmäßige Abbildung jeweils zusammenklingender Unendlichkeiten im Verfassungsrecht. Die Demokratie sucht dem in einer (weiteren) Unendlichkeit, der des fluktuierenden Volkswillens, in einer Weise zu entsprechen, die in der jeweiligen Gegenwart sichtbar wird, immer und rasch aber in Unendlichkeiten des Kommens und Gehens sich verliert: Als eine „Souveränität im Vorübergehen“ – und dies in einer als besondere Form rechtlicher Festigkeit konzipierten Gestalt ihres Verfassungsrechts! Ist eine größere, stärkere Antithese denkbar, muss es dabei vielleicht gar bleiben? An dieser Stelle ist das nicht zu entscheiden.

2. Verfassungsordnung als System von Unendlichkeiten a) „Die Verfassungsordnung“ – ein „offener Begriff“ Die „verfassungsmäßige Ordnung“ ist als solche ein grundgesetzlich festgelegter Topos, in Art. 9 Abs. 2 wie in Art. 20 Abs. 3 GG; damit ist jedenfalls ein Gesamtzusammenhang der grundgesetzlichen Normen in ihren rechtlichen Wirkungen angesprochen. Wie deren Verhältnis zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ (Art. 18, 20 a, 21 Abs. 2 GG) im Einzelnen zu bestimmen ist, bleibt letztlich ein Problem der (Nicht-)Einbeziehung niederrangiger Regelungen in den Begriff dieser Ordnung, damit formell ein solches der verfassungsrechtlichen Stufenordnung, inhaltlich der Ausstrahlungswirkungen der Verfassungsentscheidungen auf diese. Dieses wurde bereits angesprochen. In all dem kommen UnendlichkeitsPhaenomene zum Ausdruck237. Im Einzelnen können hier verfassungsbegriffliche Abgrenzungen offen bleiben, die übrigens bisher nicht überzeugend gelungen sind238. b) Systematisches Denken im Grundgesetz – in Unendlichkeit(en) Wichtig ist im vorliegenden Zusammenhang aber, dass dem Grundgesetz und seiner Verfassungsordnung ein systematischer Gedanke zugrunde liegt, der sie zu einer Einheit zusammenschließt, aus ihrem System als solchem. Aus diesem können

236

Wie dies gerade bei der Prognose deutlich wurde (Leisner, Prognose, FN 10, S. 29 ff.). In Verfassungsordnung, Freiheitlich-demokratischer Grundordnung und Verhältnismäßigkeit, vgl. Rückverweisungen auf die „Stufenbetrachtungen“ und die „Ausstrahlungswirkungen“, B. IV., insbesondere 2., 3. 238 Zu den im Einzelnen kontroversen Auffassungen zu diesem Begriff, zwischen denen eine Abgrenzung bisher nicht geklärt worden ist, vgl. Nachweise bei Kemper, M., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 9 Rn. 77. 237

IV. Wirkungen auf das demokratische Verfassungssystem

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und müssen dann Ergebnisse abgeleitet werden239, aus seinen in Deduktion240 zu gewinnenden Einzelfeststellungen wie, vor allem, in seiner Entwicklungsvirtualität, aus der Potenzialität der diese treibenden Kräfte. Aus der Systemvorstellung des Grundgesetzes als solcher mag man von vorne herein auf eine gewissene „Geschlossenheit“ schließen, welche Abgrenzungen zur Folge habe, damit auf eine Absage an eine Unendlichkeits-Wirkung des Systems, von Auswirkungen auf dieses. „Unendliches System“ – das ist schon an sich kaum vollziehbar, erst recht nicht in juristischer Wirkungsweise. Ist also dieses Grundgesetz, die Verfassung vielleicht als solche, unter dem Gesichtspunkt des Systems, eine klare Antithese zu (jeder Form von) Unendlichkeit? Dieser Schluss mag naheliegen. Dennoch hat sich gezeigt, dass gerade systemtragenden, ja -schaffenden Kräften der Methodik241 Unendlichkeits-Potenziale innewohnen. Die Ungeklärtheit der grundgesetzlichen Systembegriffe (vorstehend a) spricht gerade für Wirkungen, welche von Gesetzen oder rezipierten Unendlichkeitsbegriffen ausgehen (vorstehend B. I., III.), von ihnen aus praktisch weiterwirken in eine wie immer systematisch zu bestimmende Verfassungsordnung hinein. Dies deutet daraufhin, den Systembegriff des Verfassungsrechts als solchen zu begreifen als ein Medium von Unendlichkeiten, mit Entwicklungskräften immer weiter auf Wegen zu solchen. Dies wirkt dann übrigens auch als ein Beleg für den wissenschaftlichen Charakter staatsrechtlicher Bemühungen (vorstehend B. II.). c) Geschlossenheit des Verfassungssystems? Aus staatsrechtlichen Systembegriffen und Systematisierungsbemühungen muss also nicht eine „Geschlossenheit“ des Verfassungssystems abgeleitet werden, welche als solche diese Normstufe, diesen dogmatischen Rechtsbereich fest, endgültig, wesentlich abgrenzte gegen jede Wirkung von Unendlichkeiten. Im Gegenteil: Da „das System selbst“, als solches, in all diesen Unendlichkeiten steht, ist es eben als ein dogmatischer Versuch zu werten, damit, in seiner Entwicklungsfähigkeit, neue Formen von Unendlichkeit zum Tragen zu bringen: In der Systematik ist dann jene „Konkordanz von Unendlichkeiten“ bereits in einem förmlichen Vorstadium vollzogen, welche gerade als eine Aufgabe des Staatsrechts und seiner Wissenschaft erkannt worden ist (oben B. V.). Das System wird dabei aber als solches wiederum im Fluss einer entwicklungsmäßigen Grenzenlosigkeit zu sehen sein; gerade als solches wird es zu einer weiteren Unendlichkeit im Staatsrecht. Die Notwendigkeiten von dessen Systematisierung lassen sich geradezu ableiten aus der laufenden Konkordanzaufgabe vieler anderer Unendlichkeiten, wie sie sich gerade in diesem Rechtsbereich des Staatsrechts stellt. Sie erfolgt in dem gängigen Phänomen der 239 240 241

Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 62 ff., 82 ff. Zur Deduktion vgl. FN 239, S. 83 ff. Näher oben A. V.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

„Systemerweiterung“, der hier ebenso wenig Grenzen gesetzt sind wie auf anderen Bereichen des wissenschaftlichen Fortschreitens – in infinitum. Verfassungssystematik – das bringt verbundene, darin im mathematischen Sinn sogar potenzierte Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht zum Tragen, darin wird es zu einer typischen, eigenständigen Erscheinung derselben in Unendlichkeit. Die Geschichte hat, so lehrt sie es als Historia Magistra242, laufend „immer mehr an System ins Staatsrecht gebracht“, dort bewusst werden lassen, damit nicht weniger, sondern mehr rechtlichen Unendlichkeiten zur Wirkung verholfen. Das System steht zwar, als Erfassungs- und Ordnungsbemühen des Rechts, gegen Unerfassbarkeiten seiner Ordnungsgegenstände im weiteren Sinn. Zugleich aber nimmt es diese in sich auf, muss sie daher, als solche, auf höherer Ebene potenziert, in neuer Unendlichkeit einsetzen, damit gerade dem Verfassungsrecht letztlich unfassbare, immer neue Aufgaben stellen. Der Dogmatik ist dies bewusst: Einen fest-endgültigen Systembegriff des materiellen Verfassungsrechts kennt sie nicht, jedenfalls nicht in den Ausprägungen ihrer Praxis.

3. Freiheitssicherung bis in Anarchie? a) Freiheit in „unendlicher Wirkung“ „Freiheit“, als (Sammel-)Begriff des Verfassungsrechts, wurde bereits vorstehend angesprochen, als ein Gegensatz zur Staatsallmacht, potenziell ebenso unendlich wie diese243. Dort ging es jedoch nur darum, „die Freiheit“ zu erweisen als eine staatsrechtliche Erscheinung mit Unendlichkeitscharakter, sie als eine solche „in ihrem Wesen“ geradezu als eine staatsrechtliche Dimension zu sehen, sie darin der der staatlichen Allzuständigkeit und Allmacht gegenüber zu stellen. Hier nun sind dem noch Bemerkungen hinzuzufügen über die Wirkungen, welche von dieser so verstandenen Freiheit auf das Verfassungsrecht in Unendlichkeit ausgehen. Dafür ist nicht entscheidend, ob eine verfassungsrechtlich exakte Bestimmung „der Freiheit“ als Begriff überhaupt gelingen kann. Fernwirkungen einer „Dimension“ eines rechtlichen Entfaltungsraums staatsrechtlicher Entwicklungen sind es vielmehr, die dabei im Mittelpunkt stehen – die rechtliche Wirkungsmacht des „Potenziellen“ als solchen. Derartigen Wirkungen steht eine (letzte) rechtliche Unbestimmbarkeit des Freiheitsbegriffs nicht entgegen, im Gegenteil: Gerade darin liegt dessen spezifische Wirkungskraft. Zentrales Beispiel ist der Begriff der „Entfaltung der Persönlichkeit“ in Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG. In der Virtualität seiner „Mutterrechtlichkeit“ hat er laufend und mehr an staatsrechtlicher Einzel-Institutionalität hervorgebracht als die meisten 242

Vgl. A. VI. 1.; FN 126. Zur „Freiheit als Unendlichkeit“, angesprochen gerade als ein staatsrechtlicher Unendlichkeitsbegriff, vgl. A. VII. 3. 243

IV. Wirkungen auf das demokratische Verfassungssystem

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rechtlich definierbaren Verfassungsbegriffe in ihren „näheren Konkretisierungen“244. Aus der Dimension der „Unendlichkeit“, in welcher diese Entfaltungs-Freiheit hier gesehen wird, sind zwar derartige institutionalisierte Einzelwirkungen kaum zu erwarten, wohl aber größere übergreifende Entwicklungstendenzen; zwei derartige sollen beispielhaft im Folgenden angesprochen werden:

b) Das Unendliche als teleologische Kraft der Zielorientierung der Freiheit „Unendlichkeit“ bedeutet nicht Ziellosigkeit, sondern Zielorientierung in eine(r) Dimension, in der das Ziel, der angestrebte Zweck als Ergebnis zwar verdämmern mag, in letzter rechtlicher Unfassbarkeit. Gerade daraus, in Anregungen an die „Rechtsphantasie“245, an die Stelle klaren, intellektuellen Erfassens zu treten, entbinden sich aber aus grenzenlosen Hintergründen Gestaltungskräfte, die dann wirken können. Dieser Vorgang wurde bereits beschrieben in der vergegenwärtigenden Macht, mit welcher „Prognose“, im Staatsrecht vor allem, Zukunft zur Gegenwart werden lässt246. Eben diese „Macht der Interessenjurisprudenz“ in ihrer Zielorientierung begegnet auch hier, fast möchte man annehmen: gesteigert bis ins Unendliche im Verdämmern ihrer rechtlichen Zielkonturen. Unter Freiheit(sausübung) kann man sich nun wirklich „Alles vorstellen“, „Beliebiges“, „Gewünschtes“, den „reinen Willen“ als „bereits Realisiertes“, „Erkanntes“. Ob darin ein Übergang liegt vom „Staatsrecht in Staatspolitik“, mag hier offen bleiben, der Politologie als Frage gestellt werden – „Imaginiertes Staatsrecht als Politik …?“ Eines ist sicher: Da ist rechtliche Gestaltungskraft, ganz große, überall dort, wo ganz weit entfernt rechtliche Ordnungsziele am Horizont erscheinen (können), als Wünsche, und sei es als rechtliche Fata Morgana – auch sie wirkt ja in der Wüste, gerade in deren Unendlichkeit, aus ihr heraus. Und so die „Freiheit zu …“. Fata Morgana – ist das nicht immer etwas (unendlich) Schönes, Erstrebenswertes, und ist nicht gerade „die Freiheit“ eine solche Erscheinung, seit Jahrhunderten gestaltend, leitend, wie die Historia Magistra des Staatsrechts lehrt247 ? Dem „Unendlichen im Staatsrecht“ steht ja immer und allein, die bisherigen Überlegungen haben es gezeigt, eines entgegen: Intellektuelle Erfassbarkeit. Das „Nos autem semper in infinitum“248 ist aber letztlich „Staatsrecht als Wille“, Voluntarismus, Dezisionismus in der Verfassung. Er läuft vorbei am „Erkennen“, „Bestimmen“ als einem Wesen des Rechts, trägt über dieses hinaus. Darin wird das Recht vom Ge244

Zu den Institutionalisierungswirkungen der „Entfaltung der Persönlichkeit“ vgl. im Einzelnen Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 2 Rn. 85 ff. 245 Zur „Rechtsphantasie“ vgl oben II. 4. a). 246 Leisner, Prognose, FN 10, S. 29 ff., m. näheren Darlegungen zur Gestaltungskraft der zielorientierten „Interessenjurisprudenz“. 247 Historia Magistra des Staatsrechts, FN 126. 248 Vgl. Einleitung 2.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

genstand einer „Kritik der Reinen Vernunft“, als das es im kantianischen Ansatz erschien249, zum Objekt einer „Kritik des Reinen Willens“. Doch hier muss juristischer Lauf enden, den Stab der Philosophie überlassen. Eines nur ist rechtlich sicher: Alle teleologischen Kräfte, alle „Finalistik“ im Recht und seiner Philosophie sind auch, im Letzten, sedes materiae des Unendlichen im Staatsrecht. Damit aber wirkt „etwas von Unendlichkeit“ in allem Denken in Freiheit, zu allererst in einem Verfassungsrecht, dessen erster Schutzzweck eben doch ist – Freiheit. Dass diese Wirkung des Unendlichen im Staatsrecht eine geheimnisvolle ist, das ist hier wohl deutlich geworden; das Bildnis von Zais konnte nicht entschleiert werden. Gerade dieses Bild aber wirkt im Staatsrecht – vielleicht ist es sein Vor-Bild. Deutsche hätte dann der Brandenburger Jurist gemahnt: Nos autem semper ad Libertatem – infinitam. Ist das nicht Verfassungscredo der Gegenwart? c) Freiheit: Dynamik bis zur Anarchie? „Dynamik“ als Wesen gerade des demokratischen Staatsrechts, und ihre Bedeutung als rechtliche Dimension einer Unendlichkeit, dies wurde bereits mehrfach angesprochen250. Hier ist auf „Freiheit und/als Dynamik“ nochmals zurückzukommen, unter dem Gesichtspunkt der staatsrechtlichen Wirkungen gerade dieser letzteren Erscheinung. Demokratie ist wesentlich getragen von der Dynamisierungs-, von der laufend umgestaltenden Änderungskraft der Freiheit. Je stärker diese in ihren Entscheidungen zum Ausdruck kommt, desto näher sind ihre Ordnungen, ganz allgemein, einer rechtlichen Ungebundenheit; nur als solche wird ja Freiheit rechtlich überhaupt fassbar, in allen Richtungen, allen möglichen Ordnungsbezügen. Damit aber treibt „Unendlichkeit als dynamisierende Kraft“ die gesamte Rechtsordnung in eine Richtung, welche dann allein als „Endziel“ vorstellbar ist: in einen Zustand der Anarchie als Rechtsprinzip. Dieser wurde bereits eingehend behandelt, als eine nicht nur mögliche, sondern wahrscheinliche Entwicklungsphase der parlamentarischen Volksherrschaft251. Hier ist dem die Erkenntnis hinzuzufügen: Die entscheidende Kraft, welche diese Staatsform in eine solche allgemeine Entwicklung treibt, ist die einer Unendlichkeit, welche über die „Freiheit als grenzenlosen Begriff“ auf sie einwirkt. Erkannt werden muss dann aber auch: Wo immer „Unendlichkeit als Rechtsbegriff“ im Staatsrecht wirkt, in all den zahlreichen Formen und Verästelungen, die vorstehend bereits dargestellt oder angedeutet worden sind, tritt stets auch die Anarchie aus ihrer Unendlichkeitsdimension konkret in rechtliche Vordergründe heraus. Dies zeigt das eminente aktuelle politische Gewicht von 249

S. oben A. II. S. oben B. V., in ihrer Antinomie zur Kontinuität und Ruhe, C. II. 2., wirkungsmäßig im Zusammenhang mit der Normgeltung, C. II. 4., als Äußerungsform der „Hoffnung im Staatsrecht“, allgemein auch im Zusammenhang mit der „Freiheit“, A. VII. 251 Leisner, W., Die Demokratische Anarchie. Verlust der Ordnung als Staatsprinzip, FN 135, 2. Aufl. in: Leisner, W., Demokratie, Betrachtungen zu Entwicklungen einer gefährdeten Staatsform, 1998, S. 449 ff. 250

IV. Wirkungen auf das demokratische Verfassungssystem

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Überlegungen zu jeder Form von Unendlichkeit im Staatsrecht: Hinter ihnen allen steht immer die Drohung einer Abschwächung der rechtlichen Ordnungskraft überhaupt, im Namen einer Freiheit, bis hin zu Erscheinungen einer Anarchie. Sie ist als solche ebenso ein Unendlichkeits-Begriff wie die Ordnung – und wie eine Freiheit, welche jene schützen will. Ein Paradox?

4. Förderung – unendlich? a) Jene „Aktivierung des Staatsrechts“, welche, wie vorstehend dargestellt, Unendlichkeits-Begriffe und Elemente von solchen bewirken, findet ihr praktisches Entfaltungsfeld vor allem in der Förderung, in der insbesondere das demokratische Verfassungsrecht geradezu etwas konstituiert wie einen „Förderstaat“252. Förderung ist bereits als solche, begrifflich, ein auf Steigerung im Rahmen des Möglichen gerichteter, richtungs- wie intensitätsmäßig aber „offener“ Begriff. In ihm liegt ein „immer weiter so, soweit eben Mittel vorhanden sind“. Die Förderungsorientierung des gesamten demokratischen Staatsrechts zeigt also eine Ausrichtung auf Unendlichkeit; in einem weiteren Sinn kann diese ganze Grundorientierung des demokratischen Verfassungsrechts geradezu als ein Unendlichkeitsbegriff gesehen werden. Er verbindet sich darin mit der Vorstellung von einem ständigen Fortschritt, wie er der demokratischen Staatsform als solcher zugrunde liegt, sie zugleich hält und treibt. b) Deutlich kommt dieser Unendlichkeitsbezug in all jenen Begriffen zum Ausdruck, welche das Förderungsrecht dogmatisch konstituieren253 ; es gilt dies für seine Allgemeinen Grundzüge: einen Liberalismus, welcher der Unendlichkeit der Freiheit verpflichtet ist; für die Demokratie als eine „unruhige Staatsform“, in ihrer Flexibilität“ – Begriffe, welche nur in einer Unendlichkeit überhaupt gedacht werden können, in Unendliches hinauswirken. Nicht zuletzt gilt es aber auch für eine „Förderungsgleichheit“, welche, wie alle Egalität, die Kraft grenzenloser „Steigerungs- als Angleichungsfähigkeit“ in sich trägt, denn gerade darin liegt ja die Macht des Gleichheitsstaats254. c) Ein übergreifendes, institutionell bereits näher erfassbares Förderungsziel der grundgesetzlichen Ordnung ist das der Optimierung einer Sozialen Marktwirtschaft, in welchem Begriff bereits die beiden Hauptrichtungen fördernder Staatsanstrengungen zum Ausdruck kommen; beide liegen, wenn auch in unterschiedlichem Maß und in verschiedenen Richtungen, in etwas wie Unendlichkeits-Dimensionen: 252

2010. 253

Leisner, W., Der Förderstaat. Grundlagen eines marktkonformen Subventionsrechts,

Dazu sei im Einzelnen verwiesen auf die Ausführungen in Leisner, Der Förderstaat, vgl. FN 252 (Liberalismus, S. 15 ff.; Demokratie, S. 162 ff.). 254 Vgl. dazu Leisner, W., Der Gleichheitsstaat. Macht durch Nivellierung, 1980, 2. Aufl. in: Leisner, W., Demokratie, 1998, S. 197 ff.; Der Förderstaat (FN 252), S. 63 ff.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

Marktwirtschaft ist schon in ihren Gegenständen, im Begriff der „Marktfähigkeit von Gütern“, ein geradezu grenzenloser Begriff. Ähnliches gilt für ihre zeitliche Dimension, die einer Nachhaltigkeit, in der sich ihre Stabilität ja ständig steigern lässt, ohne dass damit ihre Flexibilität in Gefahr geriete. Auch die Zuschüsse, Subventionen, Hilfen aller Art, mit denen der Staat in der grundgesetzlichen Ordnung hier fördernd eingreift, sind ja letztlich zwar tatsächlich beschränkt durch die jeweilige Wirtschaftslage und die verfügbaren Mittel; rechtsgrundsätzlich aber ist der „unendlich reiche Staat“255 eben gerade darin Träger einer Macht, welche sich jener „anderen Unendlichkeit“ flexibel anzupassen vermag, der zu entwickelnder Märkte. d) Mit dem Sozialen Bereich, der anderen, großen Freiheitsrichtung der grundgesetzlichen Demokratie, öffnen sich erst recht Wege in Dimensionen, ja mögliche Zielabstände, welche einen Charakter der Unendlichkeit schon darin aufweisen, dass sie unendliche Hilfs- und Förderungsbedürfnisse ansprechen. Hier ist es Existenzsicherung256, in Hilfe zur Selbsthilfe vor allem, in welcher Arbeits- wie jede Form der Sozialen Förderung, bereits zugleich in die Unendlichkeit der menschlichen Freiheit, in Ansprüche an diese, mündet. e) Der Erziehungs- und Bildungsstaat des Grundgesetzes schließlich ist als solcher eine herausragende Förderungszielsetzung, welche schon aus der Idealität des antik-humanistischen Bildungsbegriffs257 wahrhaft unendliche Aufgaben und Kräfte schöpft. Was könnte anderes darin liegen als eine Staatsbemühung, welche begriffliche Grenzen nicht kennen darf, solange der so zu bildende Mensch, nach Art. 1 des Grundgesetzes, selbst eine endliche Unendlichkeit darstellt … f) Der Förderstaat der Demokratie ist, wie keine andere Ausprägung, Zielsetzung, konkrete Aufgabe einer organisierten Gemeinschaft, seinen Bürgern nahe, jenem Menschen, der selbst, in seiner Persönlichkeit, Unendlichkeit trägt und bedeutet258. Der Förderstaat wird so dieser Unendlichkeit teilhaftig; nicht nur darin tritt dies hervor, dass er „handelt wie sie, die Menschen“259. Ihre Bedürfnisse, die hier die des Staates werden, lassen auch die der Gemeinschaft dimensionsmäßig „unendlich werden“. Dieser Staat, der nach Kelsens Dogmatik ein Geschöpf, eine Ausgeburt rechtlichen Bestimmtheitsstrebens darstellt (E. 1.), wird wohl in nichts anderem einer Unendlichkeit so teilhaftig wie in seinen Hilfen, in denen er sich dem Ideal der Göttlichen Allmacht nähert. Einen unendlichen Befehls-Staat kann es deshalb nicht geben: Förderstaatlichkeit, mündend in Freiheit, ist die tiefste Begründung staatli255 Eben dieser „unendlich reiche Staat“ ist eben auch ein Unendlichkeitsbegriff; dies wird bewusst als Form einer Machtpotenzierung und damit vor allem auch zur Gestaltung abgabenrechtlicher Eingriffsmöglichkeiten eingesetzt. 256 Leisner, W. G., Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, 2007. 257 Leisner, Platons Idealstaat, FN 3, passim. Zur Erziehung S. 70 ff. 258 Vgl. oben B. II. 3. a). 259 Weil eben „der Staat handelt wie der Mensch“, vgl. Leisner, Personalismus, FN 24, S. 60 f.

V. Wirkungen des Unendlichen im Staatsrecht auf „die Politik“

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cher Allmacht – in einem Unendlichkeitsbegriff260, in dem der „Totale Staat“ Ernst Forsthoffs dennoch am Ende denkbar wird – der Unendliche Staat.

V. Wirkungen des Unendlichen im Staatsrecht auf „die Politik“ Politik als Rechtsbegriff, als Topos vor allem des Staatsrechts – das musste hier ein rechtlich begrenzter (!) Blick auf Unendlichkeiten offen lassen, vielleicht muss es für immer so bleiben. „Das Unendliche im Staatsrecht als einer dynamisierten Ordnung des Möglichen“ konnte nur eine ferne Annäherung an diese Politik sein. Dennoch haben alle bisherigen Gedanken stets und immer wieder eines gezeigt: Politische Züge des Staatsrechts, gerade in dessen Unendlichkeiten. Wiederholt mag daher werden, was bereits anklang: Wer Verfassung in Politik erfassen will, vielleicht gar als Politik, der kann sich dem nähern, vor allem, wenn nicht zu allererst, in einem „Denken in Unendlichkeiten“, wie sie das Staatsrecht üben muss, jedenfalls nahelegt. Denn in einer wie immer verstandenen „Politik“ tauchen, nacheinander und immer von neuem, Vorstellungen auf, wie sie auch dem Staatsrecht eigen, ja teuer sind: Unendlichkeitsgedanken. Nur einige kurz-endliche Andeutungen:

1. Politik – Zug ins Grenzenlose Grenzen haben sich einer Politik nie ziehen lassen, nicht im Recht, auch nicht in staatsrechtlichen Werten; gerade sie werden in ihr ja nicht nur erstmals fassbar, erkannt, längst bevor das (Staats-)Recht sie verfestigt. Die Werte werden in dieser ihrer politischen Bewusstwerdung geschaffen, aus-gebildet, darin erstmals wirksam. Und diese (Staats-)Politik muss ja nicht in solcher Werte-Schöpfung sich erschöpfen – sie liegt bereits in jedem Beginn einer solchen, ja in all dem schon, was ihr noch weit vorausliegt: in Willensakten mit allgemeinem Geltungscharakter. Da aber ist nichts sichtbar von „Grenzen“, weder im Verfahren noch in Ergebnissen. Irgendwie, irgendwo bewegt sich immer etwas frei, dort, wo von Politik auch nur entfernt die Rede sein mag. „Staatspolitik“ das liegt, nach allgemeinem Sprachgebrauch bereits, nahe bei Vorgängen, in denen etwas stattfindet wie eine „Verunendlichung rechtlicher Festigkeiten, Fassbarkeiten“; man mag es als Bewegung bezeichnen, als Dynamik, in einer Offenheit sich abspielen sehen, die – eben – andere Grenzen nicht kennt als die eines „unendlichen Denken-Könnens“, in dem der Mensch seine Würde findet (Art. 1 GG). Wer einer Politik Grenzen setzen will, in „verfassungsmäßigen Ordnungen“, „Gewaltlosigkeiten“, „Kontinuitäten“, der vergewaltigt ihren Begriff, hebt ihn auf. 260

Vgl. oben A. VII. 2.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

„Politik als solche“ transzendiert alle Grenzen, außer denen des menschlichen Denkens, Wollens, Fühlens. Darin taucht sie auf aus den unendlichen Tiefen des Mensch-Seins, führt hinauf in immer neue, immer weitere Unendlichkeiten.

2. Politik: Kunst des Möglichen Diese Beschreibung der Politik, die einzig wohl allgemein anerkannte, weist nur letztlich auf eines hin, in eines hinein: in Unendliches. Für die „Kunst“ als Verfassungsbegriff wurde dies bereits näher beleuchtet261; für das „Mögliche“ folgt es aus dem Begriff des Rechts, insbesondere der Verfassung, als einem Rahmen des „rechtlich Möglichen“, weil „Erlaubten“. Wie immer man dieses wahrhaft schöne Wort also betrachtet – es öffnet Gedankenwege in Unendlichkeiten. Von ihnen fällt damit ab – „rechts und links“, wahrhaft gerade in einem politischen Sinn – was Politik hässlich erscheinen lässt, als ein „blutiges Handwerk“, nach dem berühmten Bismarck-Wort. Es bleibt der Politik der „Große Zug“, und sei es im Kleinsten; nur er gestattet es, das Wort sinnhaft zu benutzen, im Staatsrecht es nicht abzuwerten, sondern zu überhöhen. „Groß“ ist ja ein Beiwort, welches der Sprachgebrauch nur dort einzusetzen pflegt, wo das damit Bezeichnete in noch (weit) größeren Dimensionen steht, in ihnen beurteilt wird: in Kunst und Musik, Ethik und Religion – und eben in Politik. Etwas von einem Verneigen in Ehrfurcht (sogar) vor dem Politischen, wie es darin mitschwingt – es kommt aus nichts anderem als aus dem Schauen auf, in Unendlichkeiten, in einen gestirnten kantischen Himmel hinein. Eben dies bedeutet: Große Politik kann nur im Blick auf Grenzenloses gedacht werden; und Politik kann überhaupt nur „groß“ sein in einem Zug ins Grenzenlose. Das ist der Sinn einer Monumentalstaatlichkeit in welcher Politik zum rechtlichen Monument wird262: darin endet Politik im Staat, wie es ja auch einem ganz großen Konsens in der demokratischen Gemeinschaft entspricht. Mögliches kann nur gedacht, gewollt, versucht werden, nicht bestimmt, befohlen. Gegenstand des Rechts ist daher zwar nicht „das Mögliche“, kein „wer kann, der darf“. Das Recht aber baut feste Flugkörper, die sich hinaus-, hinaufbewegen können in Unendlichkeiten des Möglichen, Denkbaren. Es konstruiert sie in jenen Gedanken, die ihnen dann Unendlichkeiten öffnen. Sie werden diese nicht durchmessen, aber sie können sie „verstehen“. Denn es gibt eben dieses Unendliche als Element, als Kraft nicht nur des Rechts, sondern auch der Politik. Und es lässt sich immer antreiben durch einen grenzenlosen Willen – in Politik.

261 262

Oben B. II. 3. c). Leisner, Monumentalstaat, FN 70.

V. Wirkungen des Unendlichen im Staatsrecht auf „die Politik“

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3. Politik: in den Grenzen eines – grenzenlosen Rechts Dieser politische Wille wird gedrängt, gezwängt in die Grenzen des Rechts. Darin liegt eine tiefe Antinomie zwischen Politik und Recht; keine Synthese vermag sie gänzlich zu überhöhen. Doch Stufen eines Bemühens gibt es, gerade aus dem (Staats-)Recht heraus: Wenn erkannt wird, dass auch in ihm, in dieser Welt des Bestimmten, Kräfte wirksam sind, sich in Züge verdichten, in Richtungen auf das „an sich wesentlich Unjuristische“, eben das Unendliche. Solche Erscheinungen waren Gegenstände der vorstehenden Betrachtungen. In ihnen finden sich daher auch Ansätze für eine grundsätzliche Abschwächung der erwähnten Antinomie zwischen Politik und Recht, weil eben dieses letztere selbst bereits sein antinomisches Gegenüber in sich trägt, in Elementen einer Unendlichkeit. Immer wieder werden sie, in Geltungsbefehlen, verendlicht nur wirken, stets von neuem aber auch aufbrechen auf Wegen gestalteter, geöffneter Grenzenlosigkeit. Sicher ist, dass sie „dort“ nie ankommen werden. Viele, unendlich viele kleine(re) Befehlsergebnisse aber werden das Recht auf seinen politischen Wegen immer wieder am Wegesrand grüßen, in rechtlicher Geltungs-Betrachtung vorbeigehende Bürger innehalten, stehen bleiben lassen. Die Politik ist eine Via Appia, die irgendwo enden mag, vielleicht im Wiesen und Wäldern sich verliert. Das Staatsrecht aber – das sind die Monumente, welche diese römische Heerstraße säumen: Im Römischen Recht sind sie untergegangen, haben sie sich verloren, immer wieder sind sie aber auferstanden in ewigen Rezeptionen, entlang dem Weg des Rechts in die göttlichen Buchten des Meeres der Unendlichkeit.

4. Politik: Ewiger Streit – in Demokratie Zurück in Justizpaläste des Rechts aus den Unendlichkeiten der Politik: Auch jene können „schön“ sein, Unendliches in gläsernen Kuppeln, in deren Wölbungen symbolisieren, mögen sie sich auch in Geltung schließen, in Befehlen. Prinzregent Luitpold soll bei der Einweihung des Justizpalastes in München gesagt haben: „Mögen in diesem Hause des Rechts alle Prozesse gewonnen werden!“. Bayerische Einser-Juristen durften darüber lächeln – auch sonst ja „von mäßigem Verstand“. Recht hatte der Monarch: Alle Prozesse sind dort immer gewonnen worden, so wird es bleiben. Der Prozess selbst ist der Sieg des Rechts, dieses Recht ist es, das „immer gewinnt“. Prozess ist wesentlich Streit, er wächst aus ihm und beendet ihn zugleich. Damit ist Recht stets endlich, weil eben Ende eines Kampfes. „Der Kampf“ aber, der große Streit, aus dem Demokratie herauswächst, der allein sie in „ihrer Verfassung hält“, welche ihn wiederum regelt – dieser Streit ist ewig, grenzenlos; ein anderes Wort dafür ist: Unendlichkeit. Der Prozess, die Verfahren, die Streitkultur – das sind Gegenstände, vielleicht auch nur Worte für – Politik. Die Staatsform, welche dies organisiert, zugleich verund ent-unendlicht – sie nennt sich Demokratie. Und sie ist in ihren unendlichen

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

Zügen vorstehend rechtlich mehr erahnt, als erfasst worden. Ihr Staatsrecht ist der Kampfring, in dem ihr ewiger menschlicher Streit zu besichtigen ist; dort wird er unendlich oft beendet, in ihren Institutionen, so wie er unendliche Male dort in ihnen wieder beginnt. Dies alles aber beschreibt nur ein Wort: „Demokratische Politik“. Sie ist als solche unendlich, in den unendlichen Kämpfen, Prozessen – jenen Vor-Gängen des Rechts, denn so hat man dieses Wort zu übersetzen: Vor-Gang: und er geht, er führt weiter und immer weiter, ins Unendliche. Nur, dass er dabei nicht gehe „hinunter und immer hinunter und immer dem Bache nach“: dafür muss das Staatsrecht sorgen, in der Gegenwart vielleicht darüber sich Sorgen machen. Erkennt das Staatsrecht seine Unendlichkeiten, so kann es in Staats-Politik – hinauf-wachsen.

5. Unendlichkeit: Ein Brückenbegriff von Recht zu Politik In allen Betrachtungen zu „Unendlichkeiten“ als Begriff(selement)en des Staatsrechts hatte sich immer wieder eines gezeigt: eine gewisse „Grenzwertigkeit“ von Ergebnissen, welche sich damit für die Rechtsdogmatik, wenn überhaupt, erzielen lassen. Dies lässt sich deuten, ja vielleicht erklären gerade in einem Blick auf das Verhältnis von Staatsrecht und Politik. Stets spannungsgeladen war es, wird es bleiben, gerade weil das Staatsrecht mit, auf der Suche nach Unendlichkeiten, in seinen verschiedenen Bereichen, stets vorzudringen versucht über Grenzen, welche ihm aber aus seinem Wesen als einer Bestimmtheitsdisziplin gezogen sind. Wenn es jedoch auch hier zutrifft, dass Bestimmtheit stets nur zu erkennen ist aus einer Nachbarschaft, aus etwas wie einer Abgrenzung zu ihren Gegenbegriffen, eben in Antinomien, so wirkt das Grenzenlose – und dies ist dann kein Paradox – geradezu als solches, als ein u. U. entscheidendes, Bestimmungselement des wesentlich auf Abgrenzung und Bestimmung gerichteten (Staats-) Rechts. Grenzen sind dazu da, überschritten zu werden, dadurch erst werden sie bewusst. Flüsse rufen Brücken, sie „sind“ solche, weil sie von ihren Ufern aus überbaut werden, dadurch erst die ganze Bedeutung einer „Abgrenzung durch ihr Fließen“ deutlich erkannt werden kann. Ein solcher Brückenbegriff für das Staatsrecht und seine Dogmatik ist die Unendlichkeit – zur Politik; so breit ist er angelegt, dass das trennende, tiefe Wasser unter ihm stets auch wieder verschwindet. Mit Unendlichkeiten „ragt Politik“ ins Recht hinein, dieses Bild durfte hier ja immer wieder gebraucht werden. So ist das Verhältnis von Staatsrecht und Politik zu sehen: verfassungsrechtliche Pfeiler, Ansätze zu Brücken, welche in die Welt des Möglichen tragen sollen, in „die Politik“, sich in ihr zu verlieren scheinen – und doch sich immer wieder fortsetzen in Recht, gerade darin auch „in Unendlichkeiten“. Diese bleiben eben ein Teil des Rechts, mag es auch in ihnen abzubrechen scheinen, in seinen „Übergangsbemühungen“ in die „ganz offene, ganz andere Politik“. Um wieder einmal ein römisches Bild zu gebrauchen aus der Stadt des Imperialen: Das Staatsrecht ist etwas wie ein Ponte rotto

VI. Unendlichkeit: Über Staatsrecht wirkend auf den einzelnen Menschen

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zur Politik, immer wieder wird er aber zur milvischen Brücke, „weiter oben“ am Tiber, auf der eine Reichsidee entstanden ist: „In hoc signo vinces“: Gesiegt hat das Recht, im Namen des Unendlichen, eines Göttlichen.

6. Unendlichkeit: Staatsrecht in Politischer Wissenschaft Unendlichkeiten im Staatsrecht – das zeigt aber, zurückgeblendet in die Tiefen geisteswissenschaftlichen Bemühens: Staatsrecht und Politische Wissenschaft(en) sind Eins, gerade darin wird es deutlich; sie waren es stets, in „Staatsgedanken“, die immer das Staatsrecht aus Politik haben entstehen und sich in Politik auch haben verlieren lassen. Schicksal der Wissenschaft, ihrer Begrifflichkeiten ist das Abgrenzungsbemühen in Disziplinen und deren Methoden. Staatsrecht und Politologie müssen aber auch, gerade im Sinn eines in andere Disziplinen ausgreifenden Denkens, stets in einer großen Einheit gesehen werden263. Es ist die der Gedanken über Ethik, Macht und Staat. „Gedanken (aber) sind zollfrei“ – so durfte das Recht sprechen in einer seiner schönsten Worte der Freiheit. Das kann nur eines bedeuten, nur in einem sich vollenden: In einem „Staatsrecht der Begrenzungen“ gibt es – am Ende keine Grenzen, seine Staatsgedanken tragen immer in Unendlichkeiten, sonst wären sie umsonst gedacht. Dass sie immer wieder abstürzen können, werden, wenn sie einer Sonne der Unendlichkeit zu nahe kommen – das ist ihr ganymedisches Schicksal in Politik, „Politik als Schicksal des Staatsrechts“. So ist denn, eben doch, alle Politische Wissenschaft (auch) eine Disziplin des Rechts; dessen disziplinierende, dynamische Kraft schnürt nicht nur ein, sie verleiht Flügel: die einer Unendlichkeit, welche in Gedanken liegt, auch, ja vor allem, in solchen des Staatsrechts.

VI. Unendlichkeit: Über Staatsrecht wirkend auf den einzelnen Menschen 1. Eine Mahnung: Staatsrecht – keine „normative Vereinfachung“ Betrachtungen zum Staat können heute nur Gedanken sein über Demokratie. Daher dürfen sie nicht stehen bleiben bei einer normativen Überformung des Individuums in einer „transzendenten Normativität des Staatsrechts“, welche über dem Menschen liegt. Diese juristische Wolkendecke müssen sie durchstoßen, nach unten:

263

Wie dies bereits angedeutet wurde bei Leisner, Institutionelle Evolution, FN 40, S. 35 ff.

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

damit zugleich nach oben: staatsrechtliches Denken muss den einzelnen Menschen erreichen. Dies ist gerade hier gefordert: Unendlichkeit im Staatsrecht darf nichts anderes bringen als eine Fortsetzungsbetrachtung zu einem „Personalismus im Staatsrecht“; andernfalls bliebe das Staatsrecht eine Terrible simplification, seine Anwender wären „Furchtbare Juristen“. Nur das Menschliche in diesem Sinn trägt das Staatsrecht hinauf in Höhen, von denen, aus denen Gesetzestafeln „kommen, dürfen“: Recht als Befehl für Menschen, das kann nur eine Erscheinung sein, in der etwas liegt von Unendlichkeit, die nicht alles erfassen, regeln, nicht alles „will sein können“ in Begrenzung. Daher muss sie am Ende nach ihren Wirkungen gefragt werden auf den Einzelnen Menschen. Entgegensteht dem nicht die unausweichliche Erkenntnis von der Endlichkeit des Individuums im Tod; sie darf nicht bedeuten, dass der Mensch deshalb des Unendlichen nicht fähig sein, dass dieses auf ihn nicht wirken könnte. Betrachtungen über „Tod im Staatsrecht“, wie sie bereits angestellt wurden264, betreffen vielmehr notwendige Untersuchungen des Denkens der Menschen über „ihr Ende“, eben über den Einzelnen vor der Unfassbarkeit seiner Grenzen. Darin liegen aber erst recht Unendlichkeitsdimensionen.

2. Unendlichkeit im Staatsrecht: Anruf nicht nur an Politiker – an „den Menschen“, den Aktivbürger Für den „Politiker“, wie immer er bestimmt, gewünscht, verehrt werden mag, ist Unendlichkeit ein „rechtliches Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, so wie heute die USA, „das Land der Weltmacht“ zum deutschen Vorbild werden. Unendlichkeit bedeutet für den Juristen aber eine staatsrechtliche Hochebene, auf der er nicht mehr nur „Erdenluft atmen muss“, wie es Richard Wagner der Sieglinde in der Walküre noch weissagt. Für den Politiker ist das Unendliche seine Höhenluft, die ihm am Ende immer neue Kraft spendet; kein Herkules kann ihn im tödlichen Ringkampf von ihr abheben, ist sie doch „rechtlich immer noch Erde“, eben als ein „Staatsrecht ganz oben“ – in Unendlichkeit. Hier aber wird das Wort vom Einzelnen als einem „Bürger“ volle Wahrheit des Staatsrechts. Demokratie hat mit ihrem Begriff des „Aktivbürgers“ einen Schleier gelüftet: Unendlichkeit im Staatsrecht schafft gerade diesen Bürger, wirkt auf ihn aktivierend, in einer hohen Form der belebenden, einer Jedermanns-Staatsform. Gegen die Volkssouveränität und ihre Wahlen mag und wird immer „unendlich vieles sprechen“. Unendliche geistige Beschränktheit bricht damit ja in jedem Au264 Leisner, W., Tod im Staatsrecht. Sterben in der Demokratie. Befehl, Erlaubnis, Vermeidung, Folge – Überwindung? 2016.

VI. Unendlichkeit: Über Staatsrecht wirkend auf den einzelnen Menschen

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genblick ein, mit Befehlsgewalt ins Leben der Menschen, in die Kräfte grenzenlosen intelligenten Erkennens, „Vernunft ist nur bei Wenigen zu finden“. All das nimmt Demokratie hin, diese Staatsform der „befehlenden Staatswahrheit der (Un)Vernunft“. Eine Kraft befähigt, legitimiert sie dazu: Hinter jeder ihrer unendlich vielen, täglichen wahren und falschen Erkenntnisse steht immer, öffnet sich in jedem Augenblick die Unendlichkeit möglicher Wahrheiten, des eines „Richtigen in Suche“, wie sie eben nur mit der Kraft der, auch unvernünftigen, Mehrheit erfolgen kann, vielleicht „einmal“ in der wirkenden Wahrheit der wenigen Erkennenden der Platonischen Philosophen-Könige wirksam werden wird. Sie ist, sie war nie Realität, immer aber Hoffnung: Der Sieg des schaffenden Willens über den erkennenden Intellekt: „Das Beste ist doch ein Befehl“ – er allein ist am Ende das Wahre. Der Aktivbürger ist es, der immer strebend sich bemüht, er wird belohnt werden. Die Demokratie mag intellektuell nichts sein als die schlechteste aller Staatsformen, die Herrschaft der Mehrheit geistig Beschränkter; als eine „rechtliche Mehrheit“, als (deren) Wahrheit, geht allein sie über, in ihren ewigen Aktivitäten, in jedem ihrer Bürger, der sie trägt, zu jedem Augenblick – in ein unendliches Suchen. Deshalb ist nichts ihr so nahe wie jene Marktwirtschaft, ihr Schlüsselbegriff, der sich wie kein anderer Rechtsbegriff dem Unendlichen nähert, in unendlichem auch staatsrechtlichpolitischem Streben. „Der Bürger“ wirkt darin in einer Unendlichkeit; „die Demokratie“ hat dies (an)erkannt, in ihrem Staat ihn „unendlich gesetzt“ – in seinen Möglichkeiten, die er auszufüllen hat in Aktivität. Die thomistische Philosophie/Theologie mühte sich einst um den Satz „Sein ist besser als Nicht-Sein“. Das Staatsrecht übersetzt dies in der Demokratie, im Gegensatz zu anderen Staatsformen, auf ihre Weise: „Entscheiden ist besser als untätig bleiben“; denn gerade jenes ruft ja das Unendliche – Mögliche, das hinter allem steht, hinter Staat wie Mensch. Vielleicht ist es Sirenenmusik, aber sie erklingt: im Anruf des Unendlichen im Staatsrecht. Seine Nüchternheit soll dem Aktivbürger zum Rausch werden, in der Faszination des Erreichbaren, des Möglichen, wie es menschliches Handeln hervorbringt.

3. Unendlichkeit: Sozialer Rechtsstaat – Ruhe des Besitzes in unruhiger Hoffnung Unendlichkeit, das wesentlich Unabgegrenzte als Hoffnungsdimension des Rechtsstaats, öffnet diesen aber zugleich zur Sozialstaatlichkeit mit ihrer Dynamik der ständig sich erneuernden Besitzlagen. Das Unendliche mag zwar einen Quietismus fördern, der sich, angesichts des Unausmessbaren seiner Dimensionen, in der Ruhe des erreichten Kleinen einrichtet, sich in ihr begnügen will, den gestirnten Himmel sich spannen lässt über seinem „Häusle“, ohne hinaufzuschauen zu ihm. Doch diese Beruhigung, welche ihm sein grundrechtsgeschütztes Eigentum in der grundgesetzlichen Ordnung bringt und bewahrt, sie lässt ihn nicht „liegen und besitzen“, „schlafen“, wie den Drachen in Richard Wagners Siegfried. Sie fordert,

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C. Wirkungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht

gerade in ihrer Grenzenlosigkeit, seinen Erkenntnisdrang heraus, begegnet, beflügelt seine rechtlich gesicherte Ruhe in grundgesetzlich geschützter, aber gewollter Freiheit. Sein Erbe wird ihm zum „Erwerbsdrang, um es zu besitzen“. Das Unendliche im Staatsrecht beruhigt zugleich und beunruhigt den Menschen; er ist Bürger in seinem Besitz – ruhig zugleich und aktiv, beides letztlich grenzenlos. Das ist der tiefere Sinn des grundgesetzlichen Sozialen Rechtsstaats. So macht das Unendliche den Menschen zu einem Bürger in seinem Staat, der zugleich bewahrt und verteilt, der die Ruhe des Schlafes stets wieder der Unruhe des Tages mit seinem Gewinn- und Verteilungsstreben folgen lässt, u.s.w., u.s.f. – wahrhaft in Ewigkeiten hinein.

4. Unendlichkeit im Staatsrecht – Verunendlichung des Menschen in Begeisterung Das Staatsrecht ist eine jener Disziplinen, neben Philosophie, Historie und Naturwissenschaften, welche den Menschen lehrt, in Unendlichkeit(en) zu denken; dies kann an Beispielen gezeigt, nicht aber grundsätzlich bewiesen werden. So allein ist es hier versucht worden, letztlich aus dem Begriff einer staatlichen Allmacht heraus. Der Mensch hat sie erdacht, geschaffen, sie wirkt auf ihn überall – verunendlichend. An vielen Verfassungsbegriffen ließ und lässt sich dies auch weiter zeigen, in denen mehr liegt als ein Hauch von Unendlichkeit: Ein Befehl aus ihren Dimensionen heraus, mit ihren Kräften. Weitere Untersuchungen würden und werden sicher dies noch belegen, damit immer mehr davon überzeugen. Der Mensch in seiner Persönlichkeit, der „Bürger in Würde“, Träger der allmächtigen Volkssouveränität, wird es wohl immer mehr, immer deutlicher erkennen, in Ruhe genießen, in Taten erleiden. Eingangs wurde die begeisternde Kraft des Unendlichen angesprochen, wann und wo immer der Mensch einem Enthusiasmus verfällt, Dionysisches ihn erfasst, da verwendet er dieses Wort. Kann Verfassungsrecht, diese spröde Materie, begeistern ohne ihre weiten, unendlichen Hintergründe? Verfassungspatriotismus bis zur Todesbereitschaft für die Freiheit – all das sind leere Worte, Anmaßungen kleiner, endlicher Wesen, steht hinter ihnen nicht die ganz große Begeisterung für Unendliches. Deshalb sind diese Blätter nicht Verfassungslyrik, gefühlte Rechtspolitik; sie sprechen die stärksten Kräfte an im Menschen – eben in der Unendlichkeit, den Menschen als das begeisterungsfähige Wesen, erkannt, ja geschaffen in demokratischem Staatsrecht und seinen Unendlichkeiten. „Unendlichkeit“ – das ist nicht nur Schicksal des Menschen, verfassungsrechtlich verewigt und überwunden in Erbrecht und Tod; es ist eine „Macht des Schicksals“ für ihn, in der schicksalhaften Unausweichlichkeit seiner Sozialität, wirkend in seinem Staat, aus ihm heraus auf seine Menschen als Bürger.

VI. Unendlichkeit: Über Staatsrecht wirkend auf den einzelnen Menschen

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Ruhe und Unruhe sind beides im letzten Zeitbegriffe. Doch in der Unendlichkeit werden sie aufgehoben, beide zugleich, so will es denn auch das Staatsrecht, in seinem Letzten, in seinem „Besten Befehl“. Darin, nicht in der Macht seiner Waffen, ist der Staat wahrhaft allmächtig: Im Wirken seiner großen und kleinen Unendlichkeiten, in seinem Staatsrecht zeigt er dem Menschen das Grenzenlose; damit lässt er ihn selbst, das kleine, vergängliche Wesen, unendlich werden, so all-mächtig, wie der demokratische Volkssouverän es sein will auf Erden. Dies bedeutet eines: Letzte Überhöhung des Rechts ins Grenzenlose. Friedrich Nietzsches wahrhaft ganz großes Wort wird zur Staatswahrheit: „Nicht fortpflanzen sollt Ihr Euch: Hinaufpflanzen“ – in Unendliches, in Unendlichkeit.

D. Kurzfassung – Ergebnisse 1. (Einleitung 1.)

„Recht“ ist (nur) das wesentlich Bestimmbare, in durch Grenzziehungen festgelegten Rechtslagen, eben durch „Ziele bestimmt“. Jurisprudenz ist Wissenschaft der, in Bestimmtheit. So will es eine Rechtsstaatlichkeit – praktisch fast schon in Formen einer „Begriffsmathematik“. 2. (Einleitung 2.)

In dieser „Rechtswelt“ begegnen aber immer wieder, weithin, Begriffe, Ziele, Bemühungen vorgestellt in einer „Unendlichkeit“ nach (Regelungs-)Inhalten, Geltung(szeiten), Wirksamkeit(skausalität) im Sinne einer „Unbeschränktheit“, geradezu als Grenzen der Grenzen des Rechts, damit vielleicht als Grenzen des Rechts als solchen. Gerade darin liegt dann eine Wirkungspotenzialität Unendlichkeit, vor allem im Verfassungsrecht. Dieses „rechtliche Infinitum“ muss gesucht, betrachtet werden. 3. (Einleitung 3.)

Im Anspruch, ja im Begriff der Staatsallmacht nimmt das Staatsrecht geradezu göttliche Unendlichkeit in Anspruch, im demokratischen Allgemeinen Willen wie in der undurchdringlichen Monade der Persönlichkeit des Menschen. Seine Aktionsräume weiten sich, andererseits, aber im „Fortschritt“ in (nahezu …) unendlicher Dynamik aus, Unendlichkeit wird zur staatsrechtlichen Angstvorstellung vor einem Totalen Staat. 4. (Einleitung 4.)

„Schrankenziehungen“ für diese Unendlichkeit gelingen weder aus einer Tradition, noch in einer Vorhersehbarkeit, die immer nur in Vergegenwärtigung gelingt. Die intensiven Bemühungen um Begrenzungen der unendlichen Staatsmacht, nach Formen wie Inhalten, laufen an der Problematik „Unendlichkeit im Staatsrecht“ schon deshalb meist vorbei, weil sie aus dieser etwas „herausgreifen“, deren Wesen und vor allem Kräfte als solche damit aber nicht zum Gegenstand haben. 5. (Einleitung 5.)

In „Offenheit“ von Staatlichkeit, des Verfassungsrechts, in Flexibilität(en) wird deren Unendlichkeit zwar bewusst, nicht aber dogmatisch verdeutlicht. Dies muss, in vorsichtiger Annäherung, versucht werden, nach Gegenständen und Formen, in Verweisungen/Rezeptionen auf/von anderen Disziplinen, auf Faktizität, vor allem

D. Kurzfassung – Ergebnisse

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aber in Wirkungen der Unendlichkeit, über verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte, auf die staatsrechtliche Ordnung. 6. (A. I.)

„Unendliches“ wird im Staatsrecht angesprochen („Gott“, „Mensch(enwürde)“, „Naturrecht“). Es ist dem Staatsrecht „bekannt“ – wird aber aus ihm laufend verdrängt, in Wissenschaft und Praxis. Als (ewige, bleibende) Wahrheit kann es nicht vorgestellt werden, „Staatswahrheiten“ gibt es nicht. In Unendliches greift aber das Staatsrecht laufend hinaus – in Verrechtlichung, vom Weltraum bis ins Innerste der Persönlichkeit hinein. Darin „ragt Unendliches hinein in die Rechts-Welt“, wird in ihr wirksam, rechtlich fassbar, aber wohl nur am „Saum eines Kleides“, verdeutlicht allerdings in seiner Wirkungsmächtigkeit. 7. (A. II.)

Das (Staats-)Recht bestimmt sich als (weithin) „unmittelbar geltend“, damit wahrnehmbar im Sinne der Rechtsstaatlichkeit. Insoweit jedenfalls muss auch das Unendliche, als Ausgriffsraum seiner Regelungen, ein Rechtsbegriff i. w. S. sein. Als bestimmbar, gnoseologisch erkennbar kann es dann nur vorgestellt werden in den drei kantischen, zugleich rechtlichen Geltungs-Richtungen von Raum (Regelungsgegenständen), Zeit und Wirkung(skausalität). 8. (A. III.)

„Unendliches“ kann im Staatsrecht wirken als dessen Selbstbeschränkung, in dem Sinn, dass sein Regelungsgegenstand „noch nicht weiter geordnet, rechtlich erfasst worden ist“. Der „große Rest“ bleibt damit das gegenständlich noch nicht Geordnete, ein Ausgreifen in dieses behält sich die Staatsmacht vor, zeitlich und wirkungsmäßig kausal. Unendlich“ ist dann (nur) das, was (noch) nicht, als etwas Begrenztes, ins Recht übernommen worden ist, in dessen alles entscheidende(r) Gegenwart. Nicht „Unbegrenzbares“, nur „bereits Begrenztes“ wird damit zum Rechtsbegriff im herkömmlichen Sinn. Rechtliche Begrenzungsformen sind allerdings als solche nicht im Einzelnen Gegenstand von Betrachtungen einer Unendlichkeit im Staatsrecht. Wohl aber begegnet das Grenzenlose in Begriffen wie der „Virtualität“ von Normwirkungen, in einer „Konkretisierung“ in Normstufen oder in „unendlicher Auslegung“. Hier zeigen sich Begrenzungsformen als solche in einer grenzenlosen Entwicklungs- und Wirkungsfähigkeit. 9. (A. IV.)

„Rechtsgeltung“ ist eine wesentliche Perspektive für den Blick auf „Unendlichkeiten“ im Recht. Geltung ist getragen von Willensmacht, in einem Voluntarismus, wie es die Allgemeine Staatslehre lehrt. Begrifflich ist der rechtliche Ordnungswille „unendlichkeitsfähig“, unbeschadet jeweiliger Änderungsmöglichkeit. Dies gilt auch, soweit er sich in Verweisungen ausdrückt, bisher „Außerrechtliches“

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D. Kurzfassung – Ergebnisse

damit zu Recht werden lässt. Praeexistente Rechtsfähigkeit des so ins Recht Übernommenen ist dafür nicht Voraussetzung. 10. (A. V.)

Rechtsmethodik ist eine Erscheinungsform von Unendlichkeit im Recht. Im Wesen der Methode liegt, bereits aus deren Zielsetzung, der Erfassung von Formen und Inhalten, ein progressus in inifitum. Der Induktion sind, in ihrem stützenden Ausgreifen auf immer Weiteres, wie in intern wirkenden Verfeinerungen, Grenzen nicht gesetzt, ebenso wenig einer Deduktion, schon aus dem Wesen der ihr vorgreiflichen Systembildung heraus. „Unendliche Auslegung“, vor allem im Staatsrecht geläufig, etwa im „Fortinterpretieren“ verfassungsgerichtlicher Sub-Formeln, ist eine Form von „Verunendlichung von Rechtsbefehlen“. Analogie ist begriffliche Brücken-Methode, welche, über einen unabgrenzbaren Ähnlichkeitsbegriff, eine Ver-Unendlichung von Rechtsinhalten wie -formen zum Ziel hat. 11. (A. VI.)

Zeitliche Unendlichkeiten erscheinen als Erkenntnis/Gestaltungsquellen gerade des Staatsrechts. Über eine Rückschau in die unendliche Tradition, die Vergegenwärtigung ihrer rechtlichen Ordnungsformen und -inhalte, wird deren „zeitliche VerUnendlichung“ angestrebt, in immer weiteren Bemühungen auch schrittweise realisiert. Zukunftsschau in „Rechtsprognose“ ist eine Anstrengung der begrifflichen Erfassung des „unendlich Kommenden“. Mag sie auch rechtlich nur in dessen Vergegenwärtigung gelingen können – grenzenlose Weiten sind Erkenntnisdimensionen, auf die sich ihr Streben auf rechtlich Erkennbares, damit Gestaltbares, richtet. 12. (A. VII.)

Das Staatsrecht ist noch immer wichtigster Gegenstand einer Betrachtung rechtlicher Unendlichkeit in seinen Öffnungen, seinen Verweisungen auf Außerrechtliches, seinen Kontinuitäten – in Nachhaltigkeitsstreben: in „Ausstrahlungen“, in Grundgedanken der Allgemeinen Staatslehre kommt es einem „Unendlichkeitsdenken“ am nächsten. Gerade im Staatsrecht begegnen Begriffe, die auf ein solches hinweisen: „Staatsallmacht“, aus dem Begriff des Staates abzuleiten, gewährt diesem unbegrenzte Wahlfreiheit seiner Aufgaben, in einer geradezu schrankenlosen Ordnungs-Virtualität. In ihr kann ebenso „staatsrechtliche Unendlichkeit“ gesehen werden wie auch darin, dass die grundsätzliche politische, grenzenlose Willensmacht des Staates gerade dessen Bereich gegenüber diesem Außerstaatlichen abgrenzt, auf dieses eben dann verweist. „Freiheit“ mag ebenso „unendlich gedacht werden“ wie ihr Gegenpol, die Staatsallmacht. Staatsrecht bewegt sich also wesentlich zwischen „(Öffnungen zu) zwei Unendlichkeiten“ – gerade im freiheitlichen Verfassungsstaat der Demokratie. 13. (A. VIII.)

Unendlichkeit kann als solche als ein Rechtsbegriff bezeichnet werden, im Sinne von Perspektiven in einer geistigen Dimension staatsrechtlichen Denkens. Sie wird

D. Kurzfassung – Ergebnisse

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erkennbar in rechtlichen Formen (der Geltung, Verweisung, Auslegung) sowie inhaltlich in übergreifenden Globalbegrifflichkeiten (Allmacht, Freiheit). Das Staatsrecht greift in sie aus in rechtlicher Setzung, einschließlich der Verweisung, in Selbst-Abgrenzung, in Annäherung an Unendlichkeiten, in einer Auslegung, welche all dies verfeinert. 14. (B. I. 1. bis 3.)

Erscheinungsform des Unendlichen im Staatsrecht kann eine Setzung von Recht sein. Räumlich zeigt sich dies etwa in Geltung eines „Weltrechtsprinzips“, „Allgemeiner Rechtsgrundsätze des Völkerrechts“ (Art. 25 GG), in einem Streben nach einer „Weltgeltung“ überhaupt, in einer „Weltstaatlichkeit“, wie sie früherer Römischer Imperialität und Katholischer Kirchlichkeit entsprach („Extra muros nulla salus“). Zeitlich begegnet Unendlichkeit bereits im grundsätzlich unbegrenzten begrifflichen Existzenz- und vor allem Geltungsanspruch des staatlichen Rechts. Durch „Staatskirchenrecht“ sind diese Ewigkeitsvorstellungen ins Verfassungsrecht rezipiert worden: in der Volksherrschaft eine Ewigkeit des „Volkes“, in der Dauer seiner „künftigen Generationen“ (Art. 20 a GG). Der unabänderlich geltenden Staatsform (Art. 79 Abs. 3 GG) wurden, als einem Pouvoir constitué, rechtliche Grenzen in Art. 146 n. F. GG durch den Pouvoir constituant gesetzt. Dieser letztere entscheidet aber in einer unbegrenzten Dimension („Volk in Freiheit“), in der ihm doch wohl etwas wie eine zeitliche Unendlichkeitswirkung zukommen soll. 15. (B. I. 4.)

Unendlichkeiten öffnen sich aber im Staatsrecht in Rechtsetzung vor allem in der Intensität der rechtlichen Wirkungen, also in Kausalität, innerhalb eines sektoral/ räumlich und in zeitlicher Geltung umschriebenen Bereiches. Diese „innere Unendlichkeit“ einer unbegrenzt verfeinerungsfähigen Durchwirkung einer Materie in rechtlichen Regelungen, in „Rechtstechnik“, begegnet in den normativen Stufenordnungen, vor allem in den verfassungsrechtlichen Ausstrahlungswirkungen in die gesamte Rechtsordnung hinein, bis hin zu Erscheinungen von „Totaler Staatlichkeit“. In diesem Sinn ist „Unendlichkeit“, in all den drei Dimensionen menschlichen Erkennens, als solche – eben doch – ein Rechtsbegriff i. w. S., dimensional in rechtlichen Erscheinungen erfassbar und wirkend, wenn auch nicht „inhaltlich definierbar“. Seiner „Setzung“, seinem Einsatz im Recht ist damit etwas eigentümlich wie ein formal methodisches Wesen, eine Wirksamkeit in diesem Sinn. 16. (B. II. 1., 2.)

„Unendliches“ kann auch, als Dimension, durch Verweisung(en) auf außerrechtliche Vorgänge und Erscheinungen ins Staatsrecht rezipiert werden. Dies geschieht jedoch nur insoweit, als diese Verhältnisse hinreichend in rechtlichen Formen erkennbar sind, selbst wenn sie näher nur durch rechtsexterne Disziplinen bestimmt werden. Der Weg dieser rechtlichen Erfassung führt über (die) Wissenschaft(lich-

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D. Kurzfassung – Ergebnisse

keit), durch sie gesicherte, „belastbare“ Erkenntnisse. Diese Wissenschaft(lichkeit) ist ihrerseits ein rechtlich nicht gesetzter, sondern ein außerrechtlicher, ins Verfassungsrecht rezipierter Begriff, als solcher wirkt er, nach Form wie Inhalt, in Unendlichkeits-Dimensionen. Mit rein rechtlichen Kriterien (Ernst, Systematik, Planmäßigkeit) lässt er sich nicht näher bestimmen. 17. (B. II. 3.)

Außerrechtliche Unendlichkeits-Vorstellungen werden ins Staatsrecht rezipiert über Bereiche, welche aus sich heraus, „rechtsextern“, eine Unendlichkeits-Dynamik aufweisen und ständig weiterentwickeln. Sie vermitteln dem Staatsrecht (ihre) Unendlichkeiten, als globale Schutzgegenstände seiner Ordnungen. Im Mittelpunkt steht dabei „der Mensch“, als Persönlichkeit, in seinem unerforschlichen Inneren (Intimsphäre), sowie „die Natur“. 18. (B. II. 3.)

Auch „die Kunst“, als besonders wichtiger Verhaltensbereich innerster Persönlichkeit des Menschen, gehört zu diesen extra-rechtlichen Kategorien, auf welche Verfassungsrecht verweist; sie ist besonders „von Unendlichkeit gezeichnet“, in Formen wie Inhalten. Gleiches gilt für religiös-weltanschauliche Unendlichkeitsvorstellungen, die ebenfalls aus dem Innersten Menschsein kommen, Natur(erklärung) zum Gegenstand haben. 19. (B. II. 4.)

Das Verfassungsrecht schützt in all dem „menschlich-natürliche“ Unendlichkeiten. In Globalbegriffen (Mensch, Natur) sowie über Gesetzgebungszuständigkeit rezipiert es ins Recht außerrechtliche Disziplinen, deren Ergebnisse und Erkenntnisformen (Naturwissenschaft(en), Technik, Medizin, Wirtschaftswissenschaften, ja Historie als Geisteswissenschaft). Diese Übernahmen, entsprechend dem Wissenschaftsbegriff, erstrecken sich auch auf die jeweiligen Unendlichkeitsdimensionen dieser Disziplinen. 20. (B. III. 1., 2.)

Das Staatsrecht rezipiert in seine „geschlossene Rechtswelt“ auf breiter Front „Faktisches“, wiederum mit all dessen Eigengesetzlichkeiten, vor allem in seiner Entwicklung. Damit werden auch die entsprechenden Unendlichkeiten des Tatsächlichen, vor allem ihre Eigengesetzlichkeiten, jeweils ins Staatsrecht eingeführt. Diese Rezeption des „tatsächlich Unendlichen“ bewirkt jedoch eine gewisse „EntUnendlichung des Faktischen im Recht“, über dessen norm-fixierten Geltungswillen, als Ausdruck eines staatsrechtlichen Feststellungsvoluntarismus. Perfektioniert wird dies rechtstechnisch in den Feststellungsurteilen der „tatsächlichen Rechtslagen“. Hier läuft eine wahre Sisyphusarbeit der Jurisprudenz ab, vor allem der Gerichtsbarkeit; denn nach jeder „Unterbrechung einer tatsächlichen Unendlichkeit in Feststellung“ setzt zugleich eine neue derartige ein.

D. Kurzfassung – Ergebnisse

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21. (B. IV. 1.)

Im Staatsrecht begegnet Unendlichkeit, neben diesen äußerlich eingrenzenden Rezeptionen, auch in Formen vielfältiger Annäherungen an die Bestimmtheit von Bindungswirkungen, in etwas wie Entfaltungen einer „inneren Bestimmtheit“. Hier wird verfeinernde Rechtstechnik eingesetzt, deren Annäherungsbemühen wiederum in etwas wie in einer Unendlichkeit abläuft. 22. (B. IV. 2., 3.)

Annäherung erfolgt im Staatsrecht über die Rechtstechnik der Stufenordnungen: Staatsorganisation in Föderalismus und Selbstverwaltung, in vertikalem Annäherungsbemühen an das Fernziel der Bürgernähe, in der normativen Stufenordnung (Kelsen), in immer weiteren inhaltlichen Annäherungsversuchen an eine Bestimmtheit der Bindung. Horizontal läuft eine unendliche Annäherung ab in inhaltlicher Konkretisierung der Bindungswirkungen in Entscheidungen einer – insoweit unendlichen – Praxis. Unendlichkeit findet hier jeweils „Unterbrechungen“ in einer gegenwärtigen herrschenden Lehre, die aber ihrerseits in einer unendlichen Entwicklung steht. 23. (B. V. 1. bis 3.)

Die dergestalt ins Staatsrecht rezipierten vielfachen, vielstufigen Unendlichkeiten bedürfen einer Zusammenordnung in einer Konkordanz, in welcher alle staatliche Ordnung dann wirken kann. Dies verlangt eine Abwägung der Wertigkeiten dieser Unendlichkeiten in deren jeweiliger rechtlicher Wirkung: Etwa Schutz der „menschlichen Persönlichkeit“ gegen „Natur“. Abwägende Vorrangsbestimmung erfolgt hier nach der jeweiligen Wirksamkeit der rezipierten Komplexe, einschließlich ihrer Unendlichkeits-Wirkungen in der Rechtsordnung. Deren Wesen soll im Rechtsbegriff jener Ordnung als eines Zustands des „Friedens“ erfasst werden. 24. (B. V. 4., 5.)

Doch gerade in der Demokratie ent- und besteht eine solche „Ordnung in Frieden“ wiederum aus Antithesen, Meinungsstreit und dessen Dynamik. Bewertungen und Vorrangbestimmungen auch staatsrechtlicher Unendlichkeiten erfolgen nach deren jeweiligen Ergebnissen in der Rechtsordnung, nach rechtlichen Kriterien. Hier stehen „Persönlichkeit“ und „Natur“ gegenwärtig deutlich gegeneinander. Das Staatsrecht ist darin also der Versuch einer Synthese rechtlicher Unendlichkeiten. 25. (C. I.)

Diese Erscheinungen von Unendlichkeiten im Staatsrecht werden deutlich(er) in ihren Wirkungen auf das geltende Verfassungsrecht. Solche müssen rechtlich als virtuelle (mögliche) aufgesucht werden, in ihren bestimmenden als potenziellen Kräften. Zum grundsätzlichen Verständnis können hier Kategorien der aristotelischen-thomistischen Philosophie (in potentia – in actu) hilfreich sein, kantische Erkenntnislehre mag ihre Dimensionen, Wirkungsrichtungen, verdeutlichen.

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D. Kurzfassung – Ergebnisse 26. (C. II. 1.)

Gerade demokratisches Verfassungsrecht, diese Ordnung in dynamischer Vielfalt, muss seine Stabilität suchen in einem Prinzip der Kontinuität als Geltungsruhe; darin hebt es sich ab von aristokratisch-monarchischen Grundlegungen der Macht im persönlichen Willen. Bewegungen von Fakten und des Rechtsdenkens werden aufgefangen in den Flexibilitäten der Rechtsprinzipialität, damit in Unendlichkeit gehoben, deren Wirkungen sich vor allem in Annäherungen entfalten. In der Verfassungstechnik der Generalklauseln finden sich insoweit bedeutsame Gestaltungen, weitergeführt in Verfassungsjudikatur. Auch im Verfassungsgewohnheitsrecht zeigt sich eine Ausgestaltung dieses unendlichen Vorgangs der Kontinuitätswahrung. 27. (C. II. 2., 3.)

Unendlichkeits-Wirkungen prägen jedoch das Verfassungsrecht der Demokratie auch in dessen dynamischen Bewegungen. Gerade sie bieten Formen und Räume, in denen Effekte ab- und auslaufen können. Damit wird der „Rechtsbegriff des Unmöglichen“ geradezu aufgehoben in einer „verfassungsrechtlichen Geltungswelt der unbegrenzten Möglichkeiten“. Dies begründet auch ein rechtsgrundsätzliches „In dubio pro Libertate“, in der Wirkung der Freiheit als eines unendlichen Wertes. 28. (C. II. 4.)

Unendlichkeiten bedeuten aber, vor allem in ihren Wirkungen zeigt es sich, „Kraftquellen rechtlicher Gestaltungsdynamik“. Sie beflügeln eine „Rechtsphantasie“, in der gestaltender Wille aus Unendlichkeiten und in sie hinein sich entbinden kann. Im Staatsrecht als einem Experimentier-Feld wirken die Kräfte einer rechtlichen „Freude am Versuch“: wesentlich in den Gestaltungen der Verwaltung, in der „Experimentiergesetzgebung“ und in einer Judikatur, in der vor allem jedes Verfassungsurteil zu einem Zukunfts-Ent-Wurf in virtuelle(r) Unendlichkeit wird. Verfassungsbegeisterung wird immer getragen von einer Experimentierfreude, welche in Unendlichkeiten hinein gestalten will. 29. (C. II. 4.)

„Prognose“ schöpft, in ihrer Entscheidungsvorbereitung in Gegenwart, aus all deren erfassbaren, unendlich vielfältigen Gegebenheiten. In Planung verdichtet sich dies zu Versuchen einer Erfassung der Zukunft, welche in diese hinausgreifen will, aber selbst darin stets eine „grenzenlos vorläufige bleibt. Hier wirkt „Hoffnung im Verfassungsrecht“, aus Versprechungen, ja bereits Ankündigungen einer Rechtsentwicklung, die zur Vertrauensgrundlage werden kann – all dies letztlich mündet in unendliche Unbestimmbarkeiten. 30. (C. III. 1.)

Unendlichkeit wirkt in den Grundformen staatlicher Rechtsetzung: In der normierenden Gesetzgebung zeigen sich ihre Erscheinungsformen (Zweck, Inhalt, Ausmaß), mehr als solche einer Verdeutlichung unendlicher Dimensionen, denn als

D. Kurzfassung – Ergebnisse

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rechtlich fassbare Begrenzungen. Die Grenzenlosigkeit des Normativen wird als solche zum Normierungsanreiz und zur gesetzgeberischen Gestaltungskraft. 31. (C. III. 2.)

Einzelentscheidungen als Formen der Rechtsetzung bewegen sich, schon in ihren Entwicklungen in der Praxis, in einer Dimension von Unendlichkeit. In Begriffen wie Verwaltungsstaat (in grenzenloser Bürokratisierung), „Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat“, „Rechtswegstaat“ ist dies bereits im Staatsrecht dogmatisch behandelt worden. Die „Tatbestandlichkeit“ bringt, gerade als Begrenzungsversuch, wiederum und als solche, Unendlichkeit ins Recht der Einzelentscheidung. Die Dynamisierungswirkungen, welche das Staatsrecht aus den Einzelentscheidungen seiner Praxis erreichen, erwachsen vor allem aus der Streitkultur von Bürgern, in welcher diese, aus den unendlichen Tiefen ihrer Persönlichkeit heraus, sich ihrer Rechte bewusst werden. 32. (C. IV. 1.)

Wirkungen von Unendlichkeiten prägen gerade das demokratische Staatsrecht in seinen Grundausrichtungen. Dies zeigt sich in der Gewaltenteilung, im (Zusammen-) Wirken der Drei Staatsgewalten: Unendlichkeit begründet, in der Grenzenlosigkeit der Aufgabenstellung(en) der Ersten Gewalt, im „Wesentlichkeitsprinzip“ notwendiger Normativität, den rechtsstaatlichen Primat der Gesetzgebung (Vorbehalt des Gesetzes). Verwaltung erscheint, in ihrer (Aus-) Gestaltungsfreiheit von Anordnungen, als Fortsetzungsgewalt einer Gesetzgebung, unendlich wie jene. Für die Judikative gilt Gleiches in der Unendlichkeit ihrer gerichtlichen Verfahrensabläufe, ihrer Entscheidungsketten hin zu einer „herrschenden Lehre“. Gewaltenteilung ist als solche ein verfassungsrechtlicher Balanceakt zwischen Unendlichkeiten. 33. (C. IV. 2.)

Verfassungsordnung als (mit) System(anspruch) liegt dem zugrunde. Daraus wirkt systematisches Denken allgemein im Verfassungsrecht. Als wirkungsmäßige Konkordanz von Unendlichkeiten ist „Verfassung“ nicht als ein „geschlossenes System“ zu verstehen. Gerade aus dem Systembegriff entbinden sich vielmehr immer neue Wirkungskräfte des Rechts, unendlich. 34. (C. IV. 3.)

„Freiheit“ als zeitliche verfassungsrechtliche Erscheinung ist zugleich und vor allem eine Wirkungsform des Unendlichen, im und auf das Staatsrecht: In der Virtualität des „Mutterrechts“ der Entfaltung der Persönlichkeit bringt es hier immer weiter Staatsrecht hervor, ohne Ende. Zugleich potenziert Unendlichkeit in der „Freiheit“ zielorientierend das Staatsrecht mit teleologischer Kraft. In „Politik“ findet bereits „Imaginiertes Staatsrecht“ statt – und sei dies verfassungsrechtliche Freiheit als eine Fata Morgana rechtlichen Denkens. Diese Unendlichkeit der Freiheit kann die staatliche Ordnung aber auch in die Irre führen, an ihr Ende, in Anarchie.

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D. Kurzfassung – Ergebnisse 35. (C. IV. 4)

„Förderung“ ist nicht nur Aufgabenmittelpunkt des Staatsrechts, sie ist sein Wesen. Förderung aber ist ein unendlicher Begriff des Staatsrechts, in dessen Flexibilität, vor allem in der unruhigen Staatsform der Demokratie. Daher ist dieser keine Ordnung so nahe wie die Marktwirtschaft, in deren Nachhaltigkeitsstreben, ihren sozialen Zielen, als ein Erziehungs- und Bildungsstaat, Züge in Unendlichkeit deutlich werden. 36. (C. V. 1.)

Das Staatsrecht zeigt in seiner Nähe, in seinen Bezügen zur Politik, eine Unendlichkeit welche gerade dieser Letzteren eigen ist. Mit ihrem Zug ins Grenzenlose, als „Staatsrecht der Hoffnung“, als „Kunst des Möglichen“, transzendiert das Staatsrecht in Politik – in Unendlichkeit. Selbst wo Verfassungen der Politik Grenzen setzen (wollen) in Recht, wirkt auch, eben dort, Unendlichkeit noch weiter. In der Ordnung einer „Demokratie aus und in ewigem Streit“, im „Prozess“, schreitet das Staatsrecht immer weiter voran, über beendigende Entscheidungen laufend in neue, endlose Prozesse. So wird Unendlichkeit im Staatsrecht zu einem Brückenbegriff zur Politik, dem „Ewigen Streit zwischen Freund und Feind“. Disziplinmäßig erscheint darin Politologie als Fortsetzung, als Verunendlichung des Staatsrechts. 37. (C. VI.)

Das Unendliche im Staatsrecht mahnt: Dort wirkt es nicht nur in der Normativität der Geltung, es wirkt über Staat und Verfassung auf den einzelnen Menschen. Aufruf ist es nicht nur an den Politiker, zu immer weiterem, grenzenlosem Bemühen, sondern vor allem an den Bürger der Marktwirtschaft, im täglichen, ewigen Plebiszit. Handeln ist besser als Ruhen in Genuss. Der Sozialstaat treibt den Menschen in Leistung zu immer neuem, zu grenzenlosem Erwerb seines „Eigentums als seines Besitzes“. Unendlichkeit im Staatsrecht bedeutet, muss „immer mehr erkannt werden“ als ein Weg der Verunendlichung des Menschen. In diesem seinem strebenden Bemühen belohnt er sich selbst in seiner Würde (Art. 1 GG).

Sachwortverzeichnis Abwägung 79 ff. Allmacht des Staates 15 ff., 38 f. – s. auch Totaler Staat Analogie 34 f. Anarchie 110 f. Auslegung – „unendliche“ 33 f. Ausstrahlung(swirkung)en 37, 50 f. Autonomie 74 f. Bestimmtheit 72 – s. auch Rechtsstaatlichkeit Bürgernähe 74 f. Deduktion – und Unendlichkeit 33 Demokratie 44 ff., 90 – Dynamik 88 f. – und Mensch 23, 68 f. – und Politik 115 f. Dezisionismus 28, 90 f. Eigentum 119 f. Einzelentscheidungen 99 ff. Ethik 68 f. Ewigkeitsentscheidungen 45 ff. Experiment – Gesetz als E. 91 f. Fakten 65 ff., 72 f. Feststellungsurteil 70 Förderung 111 f. Freiheit 17, 39 f., 90, 108 ff. Friede 81 f. Geltung – Normgeltung aus Willen 28 ff. – s. auch Norm, Voluntarimus Generalklauseln 87 Gerichtsbarkeit 105 Gesetz(gebung) 92, 103 f.

Gesetzgebungszuständigkeiten 62 ff. Gewaltenteilung 102, 105 f. Gott – im GG 20, 45 – Monotheismus 23 Herrschende Lehre 77 f. Hochschulen 55 f. Idealstaat 15 Imperialismus 43 f. Induktion 32 Integrationslehre 28 Konkordanz 78 ff. Konkretisierung 23 f. – in Rechtsanwendungen 78 f. Kontinuität 37, 86 ff. Kunst 59 f. Marktwirtschaft 44 „Mensch“ 58 f. – als Aktivbürger 118 f. Methode – Erfassung des Unendlichen 31 f. Nachhaltigkeit 37 „Natur“ 59, 79 f., 85 Naturrecht 21 Norm(en) 96 ff. Normstufen 27, 96 Offenheit 18 – der Verfassungsordnung 106 – des Verfassungsrechts 18 – in Methode 31 Person 58 f. – Personalismus 68 f., 74 – Wertung der Persönlichkeit 83 Planung 93 f.

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Sachwortverzeichnis

Politik 113 ff. Politische Wissenschaft(en) 117 Potenzialität 26, 79 Prognose 17, 36 f., 93 Recht – Schranken 13 f., 18, 25 ff. – und Bestimmtheit 13 ff. – s. auch Rechtsstaat(lichkeit), Stufenbau des Rechts Rechtsprechung 92 f. Rechtsstaat(lichkeit) 14, 24, 54, 72, 76 – und „Normenflut“ 98 Rechtstechnik 73, 91 Religion 61 f., 83 – s. auch Gott Rezeption 31, 52 f., 56 – aus anderen Disziplinen 62 ff. „Richterstaat“ 100 Selbstverwaltung – s. Autonomie Sozialer Rechtsstaat 119 f. Staatskirchenrecht 25, 29 „Staatswahrheit“ 22 Stufenbau des Rechts 75

Unendlichkeit passim – als Rechtsbegriff 24 Unmöglichkeit, rechtliche 89 Verfassunggebende Gewalt 46 ff. Verfassungsgeschichte 35 f., 64 f. Verfassungsgewohnheitsrecht 88 Verfassungsordnung 105 Verfassungssystem 106 f. Verordnung(gebung) – Zweck, Inhalt, Ausmaß 97 f. Vertrauen 95 Verwaltung – als Gestaltung 104 f. Verweisung 52 ff. – auf Fakten 65 ff. – auf Unendliches 30 f. – und Wissenschaft 56 f. Virtualität 26 f., 29, 39, 79 Völkerrecht 43 f. – und verfassunggebende Gewalt 47 f. Volk 20, 46 Volkssouverän(ität) 45 f. Voluntarismus 69

Tatbestandlichkeit 101 Thomismus 16, 30, 85 f. Totaler Staat 25, 51 – s. auch Allmacht des Staates Tradition 17, 35 ff.

Wechselwirkung(slehre) 66 Weltanschauung 61 Weltraum 25 „Weltrecht“ 43 Werte, „rechtliche“ 80 f. Wissenschaft 53 ff.

Umwelt 79 f. Unabänderlichkeit des GG 18

Zeit – Unendlichkeit in der Zeit 29 f., 36 f., 48