Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch 9783110646542, 9783110651485, 9783110646696

This work traces the development of criminal law in the duchy of Braunschweig. It focuses on the genesis and defining fe

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German Pages 288 [290] Year 2019

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Table of contents :
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Einleitung
Zweites Kapitel: Entwicklung des Strafrechts bis zur Einführung des Criminalgesetzbuchs von 1840
Drittes Kapitel: Die Vorarbeiten zum braunschweigischen Criminalgesetzbuch
Viertes Kapitel: Der Regierungsentwurf von 1839
Fünftes Kapitel: Der Kommissionsbericht
Sechstes Kapitel: Verhandlungen im Landtag
Siebentes Kapitel: Einführungsgesetz und Endfassung
Achtes Kapitel: Rezensionen des Criminalgesetzbuches
Neuntes Kapitel: Nachträgliche Änderungen des Criminalgesetzbuches
Zehntes Kapitel: Einfluss Braunschweigs auf die Kriminalrechtsvereinheitlichung
Elftes Kapitel: Zusammenfassung und Würdigung
ANHANG
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
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Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch
 9783110646542, 9783110651485, 9783110646696

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Benedikt Beßmann Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch Juristische Zeitgeschichte Abteilung 3, Band 50

Juristische Zeitgeschichte Hrsg. von Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Thomas Vormbaum (FernUniversität in Hagen, Institut für Juristische Zeitgeschichte)

Abteilung 3: Beiträge zur modernen deutschen Strafgesetzgebung Materialien zu einem historischen Kommentar Hrsg. von Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Thomas Vormbaum Band 50 Redaktion: Christoph Hagemann

De Gruyter

Benedikt Beßmann

Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch

De Gruyter

Die Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen als Dissertation angenommen.

ISBN 978-3-11-064654-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-065148-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-064669-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Juni 2018 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen als Dissertation angenommen. Mein erster und herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. Dr. h.c. Thomas Vormbaum, der diese Arbeit betreut hat und mir durch jederzeitige Unterstützung und fachlichen Rat eine unverzichtbare, sehr geschätzte Hilfe war. Herzlich danken möchte ich ebenso Herrn Prof. Dr. Stübinger für die Übernahme des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei meinen lieben Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Juristische Weiterbildung und vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und juristische Zeitgeschichte für die stets angenehme Arbeitsatmosphäre und ihre Unterstützung während der Arbeit. Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. Vanessa Bargon, die durch ihren unablässigen motivierenden Zuspruch und Unterstützung wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Ich danke Dir für diese schöne Zeit! Herzlich danken möchte ich auch meiner Frau Barbara Beßmann für die sorgfältige Korrektur des Manuskriptes. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern Gabriele und Martin Beßmann, meiner Schwester Felicitas Wüst und meinen Töchtern Johanna und Antonia. Ohne den besonderen Rückhalt durch meine Familie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.

Inhaltsverzeichnis Danksagung ......................................................................................................V  Erstes Kapitel: Einleitung ................................................................................. 1  A)

Problemstellung .................................................................................. 1 

B)

Forschungsstand .................................................................................. 3 

C)

Methoden und Fragestellungen ........................................................... 4 

D)

Darstellungshinweise .......................................................................... 5 

Zweites Kapitel: Entwicklung des Strafrechts bis zur Einführung des Criminalgesetzbuchs von 1840.............................................................. 7  A)

Überblick über die Geschichte des Herzogtums Braunschweig.......... 7 

B)

Das braunschweigische Strafrecht bis 1840 ...................................... 10 

Drittes Kapitel: Die Vorarbeiten zum braunschweigischen Criminalgesetzbuch ................................................................................... 15  A)

Einleitung .......................................................................................... 15 

B)

Die „gescheiterte“ Kommission von 1828 ........................................ 16 

C)

Entwurf Strombecks.......................................................................... 17 

Viertes Kapitel: Der Regierungsentwurf von 1839 ......................................... 19  A)

Antrag der Ständeversammlung ........................................................ 19 

B)

Der Entwurf des Braunschweiger Criminalgesetzbuches ................. 19 

C)

I.

Arbeit und Entstehung des Entwurfs ........................................ 20 

II.

Struktur und Inhalt des Entwurfs.............................................. 22  1.

Einleitung ......................................................................... 22 

2.

Leitgedanken des Entwurfs / Strafrechtsheorien .............. 23 

Der Allgemeine Teil des Entwurfs .................................................... 25  I.

Einteilung der strafbaren Handlungen ...................................... 26 

II.

Geltungsbereich des Criminalgesetzbuchs ............................... 27  1.

Räumlicher und persönlicher Geltungsbereich ................ 27 

2.

Nullum crimen, nulla poena sine lege .............................. 27 

VIII

Inhaltsverzeichnis III. Das Strafensystem .................................................................... 28  1.

Strafarten und deren Vollziehung .................................... 29  a)

Die Todesstrafe ........................................................ 29  aa) Legitimation .................................................... 29  bb) Vollzug der Todesstrafe .................................. 30  cc) Die Vollstreckung der Todesstrafe in Braunschweig nach 1840 ................................ 31 

b)

Freiheitsstrafe .......................................................... 32  aa) Abstufung und Besonderheiten ....................... 32  bb) Kettenstrafe und deren Strafrahmen ................ 35  cc) Zuchthausstrafe und deren Strafrahmen .......... 36  dd) Zwangsarbeit und deren Strafrahmen .............. 37  ee) Gefängnis und deren Strafrahmen ................... 37  ff) Verlust der Bürgerrechte ................................. 38  gg) Strafschärfungen ............................................. 38 

2.

c)

Geldstrafe ................................................................ 38 

d)

Die sonstigen Strafen ............................................... 39 

e)

Nebenstrafen ............................................................ 39 

Zusammentreffen mehrerer Strafen ................................. 40 

IV. Schuldformen und Zurechnung ................................................ 41  1.

2.

V.

Die Schuldformen ............................................................ 41  a)

Der böse Vorsatz ..................................................... 42 

b)

Vorsatzformen und Irrtumslehre.............................. 43 

c)

Fahrlässigkeit ........................................................... 44 

Zurechnung ...................................................................... 45  a)

Strafausschließungsgründe ...................................... 45 

b)

Sonstige Tatbestände ............................................... 47 

Versuch .................................................................................... 47  1.

Vollendung ....................................................................... 47 

Inhaltsverzeichnis 2.

IX

Versuch und dessen Bestrafung ....................................... 48  a)

Allgemeine Bestimmungen des Versuchs ............... 48 

b)

Bestrafung................................................................ 49 

c)

Besondere Bestimmungen des Versuchs ................. 50 

VI. Täterschaft und Teilnahme ....................................................... 51  1.

Teilnahmeformen ............................................................. 51 

2.

Urheber und Anstifter ...................................................... 51 

3.

Teilnehmer und Rechtsfolge ............................................ 52  a)

Gleiche Teilnehmer ................................................. 53 

b)

Ungleiche Teilnehmer ............................................. 53 

4.

Gehilfe und Rechtsfolge................................................... 53 

5.

Begünstiger und Mitwissenschaft .................................... 54 

6.

Rücktritt und Exzess bei Teilnehmern und Rechtsfolge .... 55 

VII. Strafrahmen und Strafzumessung ............................................. 55  1.

Strafermittlungssystem und richterliches Ermessen ......... 56 

2.

Straferhöhungs- und Strafherabsetzungsgründe .............. 57 

3.

a)

Straferhöhungsgründe .............................................. 57 

b)

Strafherabsetzungsgründe ........................................ 59 

Strafzumessung ................................................................ 61 

VIII. Die Strafausschlussgründe ....................................................... 61  D)

Der Besondere Teil des Entwurfs ..................................................... 63  I.

Öffentliche Verbrechen ............................................................ 64  1.

2.

Hochverrat........................................................................ 65  a)

Objekt und Handlung ............................................... 65 

b)

Subjekt ..................................................................... 65 

c)

Verschwörung .......................................................... 66 

d)

Vorbereitung des Hochverrats ................................. 66 

e)

Rechtsfolge .............................................................. 66 

Landesverrat ..................................................................... 67 

X

Inhaltsverzeichnis 3.

Staatsgefährdende Handlungen ........................................ 68 

4.

Majestätsverbrechen......................................................... 68  a)

Tatbestand................................................................ 69 

b)

Rechtsfolge .............................................................. 70 

5.

Verbrechen gegen die öffentliche Ruhe ........................... 71 

6.

Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung ..................... 72 

7.

a)

Zweikampf ............................................................... 72 

b)

Störung der religiösen Ordnung ............................... 75 

c)

Widersetzlichkeit und Tätlichkeiten gegen die Obrigkeit ............................................................ 76 

Verbrechen wider öffentliche Treue und Glauben ........... 77  a)

Falschmünzen .......................................................... 78 

b)

Aussagedelikte ......................................................... 80  aa) Meineid und Rechtsfolge ................................ 80  bb) Gemeinsame Bestimmungen der Aussagedelikte .......................................... 81 

c) II.

Urkundenfälschung und Falsche Anklage ............... 82 

Privatverbrechen....................................................................... 83  1.

2.

Verbrechen an der Person und an persönlichen Rechten ..... 83  a)

Verbrechen wider das Leben Anderer ..................... 84 

b)

Beschädigung an der Person .................................... 89 

c)

Notwehr ................................................................... 91 

d)

Verbrechen wider die Freiheit der Person ............... 92 

e)

Verbrechen wider den Stand der Person .................. 97 

f)

Verbrechen wider die Sitten .................................... 97 

g)

Ehrenkränkungen ................................................... 100 

Verbrechen an dem Vermögen Anderer......................... 101  a)

Vermögens-Beschädigungen ................................. 102 

b)

Diebstahl und Unterschlagung ............................... 104 

Inhaltsverzeichnis

XI

aa) Die Struktur des Diebstahltatbestands ........... 105  bb) Tathandlung und Rechtsfolgen des Diebstahls................................................ 106  cc) Unterschlagung und Funddiebstahl ............... 110  c) 3.

Betrug und Fälschung ............................................ 111 

Vorschriften zum Strafantrag ......................................... 114 

III. Amtsverbrechen ..................................................................... 115  1.

Allgemeine Bestimmungen ............................................ 115 

2.

Verletzung allgemeiner Dienstpflichten......................... 116 

3.

Verletzung besonderer Amtspflichten ............................ 118 

Fünftes Kapitel: Der Kommissionsbericht .................................................... 121  A)

Der Landtag des Herzogtum Braunschweigs .................................. 121 

B)

Die Kommission ............................................................................. 122 

C)

I.

Ausschüsse und Kommissionen des Landtags ....................... 122 

II.

Die Arbeit der Kommission ................................................... 122 

Struktur und Inhalt des Berichts ...................................................... 124  I.

Vorbemerkungen .................................................................... 124 

II.

Änderungsanträge und Bemerkungen zum Allgemeinen Teil ............................................................ 125  1.

Nullum crimen, nulla poena sine lege ............................ 125 

2.

Strafensystem ................................................................. 125  a)

Todesstrafe............................................................. 125 

b)

Freiheitsstrafen ...................................................... 128 

3.

Schuldformen und Zurechnung ...................................... 131 

4.

Versuch .......................................................................... 133 

5.

Täterschaft und Teilnahme ............................................. 137 

6.

Strafrahmen und Strafzumessung................................... 141 

7.

Strafausschlussgründe .................................................... 145 

III. Änderungsanträge und Bemerkungen zum Besonderen Teil .............................................................. 146 

XII

Inhaltsverzeichnis 1.

Öffentliche Verbrechen .................................................. 146 

2.

Privatverbrechen ............................................................ 150 

3.

Amtsverbrechen ............................................................. 158 

Sechstes Kapitel: Verhandlungen im Landtag .............................................. 163  A)

Einleitung ........................................................................................ 163 

B)

Die Beratungen zum Regierungsentwurf ........................................ 164  I.

Allgemeiner Teil des Entwurfs............................................... 165  1.

II.

Strafensystem ................................................................. 165  a)

Todesstrafe............................................................. 165 

b)

Arbeitspflicht von Gefängnisinsassen.................... 167 

2.

Wirkung des Rücktritts bei Teilnehmern ....................... 168 

3.

Weitere Änderungsanträge ............................................. 169  a)

Strafbare Mitwissenschaft (§ 46) ........................... 170 

b)

Zusammentreffen mehrerer Strafabsetzungsoder wichtiger Milderungsgründe (§ 55) ............... 170 

c)

Verjährung (§ 64) .................................................. 171 

Besonderer Teil ...................................................................... 171  1.

Öffentliche Verbrechen .................................................. 172  a)

Debatte über den § 91 (Aufruhr dritten Grades) .... 172 

b)

Weitere Tatbestände .............................................. 173 

c)

Inhaltliche Änderungsanträge ................................ 174  aa) Revision des Reziprozitätsprinzips (§ 79) ..... 174  bb) Beleidigung der Landesregierung (§ 108) ..... 175  cc) Verbreitung falschen Geldes (§ 121)............. 176 

2.

Privatverbrechen ............................................................ 177  a)

Sittlichkeitsverbrechen .......................................... 178 

b)

Inhaltliche Änderungsanträge ................................ 179  aa) Diebstahl ....................................................... 179  bb) Wirtschaftsdelikte ......................................... 181 

Inhaltsverzeichnis 3.

XIII

Amtsverbrechen ............................................................. 183  a)

Religiöse Redefreiheit ........................................... 183 

b)

Inhaltliche Änderungsanträge ................................ 184  aa) Bestechung .................................................... 184  bb) Rechtwidrige Verlängerung der Haft ............ 185 

C)

Verhandlungen zwischen Ständeversammlung und Staatsregierung ......................................................................... 186 

Siebentes Kapitel: Einführungsgesetz und Endfassung................................. 189  A)

Einführungsgesetz ........................................................................... 189 

B)

Endfassung des Criminalgesetzbuches ........................................... 190 

C)

Rezeption des Criminalgesetzbuches .............................................. 191 

Achtes Kapitel: Rezensionen des Criminalgesetzbuches............................... 193  A)

Kritik am Regierungsentwurf.......................................................... 193 

B)

Kritik und Erfahrungsberichte der Gesetzesanwendung ................. 195 

C)

Kritik in der Literatur ...................................................................... 197 

Neuntes Kapitel: Nachträgliche Änderungen des Criminalgesetzbuches ..... 201  A)

Gesetz vom 15. Januar 1852 ........................................................... 201 

B)

Gesetz vom 7. Februar 1856 ........................................................... 202 

C)

Gesetz vom 7. Oktober 1863........................................................... 202 

D)

Gesetz vom 3. August 1867 ............................................................ 202 

E)

Revisionsgesuch der Ständeversammlung vom 13. November 1849 ......................................................................... 203 

Zehntes Kapitel: Einfluss Braunschweigs auf die Kriminalrechtsvereinheitlichung ............................................................. 205  A)

Einleitung ........................................................................................ 205  I.

Überblick zum Prozess der deutschen Kriminalrechtsvereinheitlichung ............................................ 205 

II.

Gegenstand der Untersuchung................................................ 207 

XIV B)

Inhaltsverzeichnis Das preußische Strafgesetzbuch von 1851 ...................................... 207  I.

Überblick über die Entstehung des preußischen Strafgesetzbuches................................................. 207 

II.

Der Braunschweiger Einfluss auf das PrStGB ....................... 208 

III. Vergleich des Braunschweiger Criminalgesetzbuch mit dem PrStGB ..................................................................... 211  1.

Aufbau und Umfang....................................................... 211 

2.

Allgemeiner Teil ............................................................ 212 

3. C)

a)

Einteilung der strafbaren Handlungen und nulla poena sine lege.............................................. 212 

b)

Strafensystem......................................................... 213 

c)

Vorsatz und Fahrlässigkeit .................................... 215 

d)

Versuch und Teilnahme ......................................... 215 

e)

Strafausschlussgründe und Strafzumessung .......... 217 

f)

Konkurrenzen und Rückfall ................................... 219 

Besonderer Teil .............................................................. 220 

Das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes............................ 221  I.

Entstehung des Entwurfs des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund .............................................................. 221 

II.

Einfluss Braunschweigs auf den Gesetzgebungsprozess ........ 222 

III. Vergleich des Braunschweiger Criminalgesetzbuches mit dem NdStGB .................................................................... 226  1.

Aufbau und Umfang....................................................... 226 

2.

Allgemeiner Teil ............................................................ 226 

3. D)

a)

Strafensystem......................................................... 226 

b)

Versuch und Teilnahme ......................................... 228 

c)

Strafausschlussgründe............................................ 228 

d)

Rückfall ................................................................. 229 

Besonderer Teil .............................................................. 230 

Fazit ................................................................................................ 230 

Inhaltsverzeichnis

XV

Elftes Kapitel: Zusammenfassung und Würdigung ....................................... 231  A)

Zusammenfassung........................................................................... 231 

B)

Würdigung ...................................................................................... 235  I.

Das richterliche Ermessen im Braunschweiger Strafrecht ..... 236 

II.

Der Verbrechensbegriff im Braunschweiger Strafrecht ......... 237 

III. Die Straftheorie im Criminalgesetzbuch ................................ 238  IV. Das Strafensystem des Criminalgesetzbuches ........................ 239  V.

Das Strafverständnis im Criminalgesetzbuch ......................... 242 

VI. Der Gesetzgebungsprozess zum Criminalgesetzbuch ............ 243  VII. Schlussbetrachtung ................................................................. 244  ANHANG Quellenverzeichnis ........................................................................................ 249  A)

Unveröffentlichte Quellen............................................................... 249 

B)

Veröffentlichte Quellen................................................................... 249 

Literaturverzeichnis ...................................................................................... 254 

Erstes Kapitel: Einleitung A) Problemstellung Gegenstand dieser Arbeit ist das Criminalgesetzbuch des Herzogtums Braunschweig aus dem Jahr 1840. Dieses Gesetz entstand im Zuge der strafrechtlichen „Kodifizierungswelle“, die seit 1838 viele deutsche Staaten erfasste und eine lange Phase des Gesetzgebungsstillstandes beendete, der seit der Einführung des wegweisenden bayrischen Strafgesetzbuches Feuerbachs im Jahr 1813 in Deutschland zu beobachten war. Der jahrzehntelange Stillstand in der deutschen Strafgesetzgebung war weniger politisch bedingt, als der rasanten Entwicklung der Strafrechtswissenschaft geschuldet, durch welche vielfach Entwürfe zu neuen Gesetzbüchern obsolet wurden und zeitaufwendige Reformprozesse neu gestartet werden mussten.1 Die Kodifizierungstätigkeit in vielen deutschen Staaten setzte wieder ein, nachdem sich Mitte der 1830er Jahre ein Grundkonsens in wesentlichen strafrechtlichen Fragen2 gebildet hatte und auch die Unzulänglichkeiten des veralteten geltenden Rechts den Reformdruck immer mehr verstärkten.3 So traten ab den Jahren 1838 bis 1851 in acht größeren deutschen Staaten Strafgesetzbücher in Kraft.4 Unter diesen neuen Kodifikationen wurde das braunschweigische Criminalgesetzbuch vielfach als herausragendes Werk angesehen.5

1 2

3 4

5

Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 145. Mittermaier sprach 1835 von einen „gewissen inneren Zusammenhang, der sich aus einer Art stillschweigender Verständigung über gewisse Grundideen erklärt, die immer mehr allgemeine Anerkennung finden, indem die Legislationen an den Fortschritten der Civilisation und der Wissenschaft Theil nimmt, allmählig die Wahrheit gewisser Ansichten den Sieg gewinnt und ihr Recht gebieterisch bei Abfassung der neuen Gesetzbücher geltend macht.“, vgl. Mittermaier, Fortschritte 1835, S. 419. Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 149. Den Auftakt bildete Sachsen (1838), es folgten die Strafgesetzbücher in Württemberg (1839), Sachsen-Weimar (1839), Hannover (1840), Braunschweig (1840), Hessen (1842), Baden (1851) und abschließend Preußen (1851). Strombeck bezeichnete das Criminalgesetzbuch als das „relativ vollkommenste Werk seiner Art in Deutschland“, vgl. von Strombeck, Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechtspflege (1840), S. 427. Für Schütze stellte das Werk den „Höhepunkt“ der strafrechtlichen Kodifikationen dar, die seit 1838 in den deutschen Ländern neu entstanden waren, vgl. Schütze, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 31.

https://doi.org/10.1515/9783110651485-001

2

Erstes Kapitel

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt daher in der Darstellung der besonderen Merkmale dieses Gesetzbuches. Dabei wird zunächst die zeitliche Entwicklung dieser Kodifikation thematisiert, wobei der Regierungsentwurf von 1839 eine besondere Rolle in der Darstellung einnimmt, da dessen Motive zu einzelnen Komplexen des Strafgesetzbuches sehr aufschlussreich sind und die Verzahnung dieser Motive mit dem Regierungsentwurf ein plastisches Bild über die dahinterstehenden strafrechtlichen Entwicklungsprozesse liefert. Hervorgehoben sind ferner die Auswertung des Gutachtens der Kommission des Landtags und die anschließenden Beratungen des Regierungsentwurfes im Landtag. Diese beiden abschließenden Etappen im Gesetzgebungsprozess verdeutlichen die Kontroversen zu einzelnen Themenkreisen des Gesetzbuches. Zu nennen sind insbesondere die Fragen nach der Entbehrlichkeit bzw. Rechtmäßigkeit der Todesstrafe, die Angemessenheit der Strafen für politische (öffentliche) Verbrechen, aber auch Fragen nach dem Sinn und Zweck der Strafe und nach der Strafzumessung. Gerade letzteren widmete das Criminalgesetzbuch eine hohe Aufmerksamkeit und die in diesem Bereich gefundenen Lösungen hatten einen großen Anteil an dem späteren Ruf des Gesetzbuches. Die Arbeit stellt die sich gegenüberstehenden Ansichten im Gesetzgebungsprozess auf, verfolgt die Progression der strittigen Auseinandersetzungen und beschäftigt sich mit der Frage, wie die entsprechenden Themen im braunschweigischen Criminalgesetzbuch umgesetzt sind. Zum Verständnis bzw. zur Einordnung bestimmter Grundsatzentscheidungen des Braunschweiger Criminalgesetzbuches ist auch ein Blick auf dessen historischen Kontext unentbehrlich. Die territoriale Entstehungsgeschichte, aus der das Herzogtum Braunschweig hervorgegangen ist, und auch dessen politische Situation hatten z.B. großen Einfluss auf die Entscheidung des Gesetzgebers, die Todesstrafe nicht abzuschaffen. Auch die Betrachtung der historischen Entwicklung des Strafrechts im Herzogtum ist ein wichtiger Teil der Untersuchung, da sich viele Kontroversen oder Eigenheiten dieser Kodifikation nur im Rückblick auf die historischen rechtlichen Verhältnisse verstehen lassen. So lässt sich die vergleichsweise große Bedeutung des richterlichen Ermessens im Braunschweiger Criminalgesetzbuch maßgeblich auf die positiven Erfahrungen mit dem Richterrecht zurückführen, welches das Strafrecht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Herzogtum prägte. Diese Gesamtbetrachtung dient auch als Grundlage, die (begrenzte) Wirkung der braunschweigischen Kodifikation auf den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnenden Prozess der deutschen Strafrechtseinheit zu verstehen, der im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 mündete.

Einleitung

3

B) Forschungsstand Die im 19. Jahrhundert für Strafgesetzbücher größerer Territorialstaaten üblichen Kommentare fehlten im Herzogtum Braunschweig. Als wesentliches Nachschlagewerk zu diesem Gesetz – welches vor allem in der gerichtlichen Praxis Anwendung fand – galten die von Breymann herausgegebenen „Motive und Bemerkungen zum Criminalgesetzbuch des Herzogtums Braunschweig“. In diesem Buch waren sowohl die Gesetzgebungsmotive als auch einzelne Ergebnisse aus den Verhandlungen im Landtag zusammengefasst. Eine weitere Rechtsquelle ist die Sammlung der vom Braunschweigischen Kassationshof entschiedenen Strafrechtsfälle. Neben diesen Werken hatte sich auch Berner in seinem 1867 erschienenen Buch „Die Strafgesetzbücher in Deutschland von 1751 bis zur Gegenwart (1861)“ dem braunschweigischen Criminalgesetzbuch gewidmet. Dabei ging er auch kurz auf die historische Entwicklung der Strafgesetzgebung im Herzogtum Braunschweig ein und setzte sich inhaltlich mit dem Criminalgesetzbuch von 1840 auseinander, indem er die jeweiligen Neuerungen und Besonderheiten – auch im Vergleich zu anderen deutschen Strafgesetzbüchern – bewertete. Auch Häberlin6 befasste sich in seinem Werk mit der braunschweigischen Criminalgesetzgebung. Er beschränkte sich aber in seiner Abhandlung auf eine vergleichende Darstellung dieses Gesetzes mit den Kodifikationen anderer deutscher Staaten und verzichtete auf eine Bewertung. Zu nennen ist ferner die Dissertation Ziegenbeins „Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung“, welche sich in einzelnen Ausschnitten mit dem Gesetzgebungsverfahren für das Criminalgesetzbuch befasste. Die in jüngerer Zeit erschienene Dissertation Cipollas über das Leben und Werk Friedrich Karl von Strombeck hat ebenfalls in Teilen das Braunschweiger Criminalgesetzbuch zum Gegenstand. Strombeck war der Verfasser eines Entwurfs für ein braunschweigisches Strafgesetzbuch und zudem als Mitglied der herzoglichen Ministerialkommission am Entstehungsprozess des Gesetzes beteiligt, welches er am Ende in seiner Funktion als Präsident des Oberappellationsgerichts im Herzogtum Braunschweig auch in der gerichtlichen Praxis anwenden konnte. Untersuchungen und Abhandlungen zum Hergang und der weiteren Wirkung des braunschweigischen Criminalgesetzbuches fehlen bislang. Der Aufsatz „Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840“ von Heinemann7 hat

6 7

Vgl. Häberlin, Grundsätze des Criminalrechts nach den deutschen Strafgesetzbüchern, Bd. 1. Vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 77 ff.

4

Erstes Kapitel

einen kurzen historischen Abriss der Entstehung des Criminalgesetzbuches zum Gegenstand. Es mangelt aber insbesondere an einer kohärenten Darstellung der Genese dieser besonderen Kodifikation unter Berücksichtigung der Motive, Kommissionsberatungen und Landtagsverhandlungen. Diese Lücke zu schließen ist das Anliegen der folgenden Untersuchung.

C) Methoden und Fragestellungen Die Arbeit beginnt mit einem kurzen Überblick der Geschichte des Herzogtums Braunschweigs. Daran anknüpfend wird die historische Entwicklung des Strafrechts in Braunschweig dargelegt. Die Vorstellung der ersten und am Ende nicht maßgeblichen Vorarbeiten für eine Strafrechtsreform im Herzogtum sind Gegenstand des dritten Kapitels. Einer der Schwerpunkte der Arbeit ist im Folgenden die Erläuterung des Regierungsentwurfs von 1839, da dieser die Grundlage des Gesetzgebungsprozesses darstellte. Hierbei orientiert sich die formale Darstellung an dem vorgegebenen Aufbau des Entwurfs. Inhaltlich stehen die umfangreichen Motive zum Entwurf im Vordergrund. Sie bestimmen daher auch innerhalb dieses vierten Kapitels die Schwerpunktsetzung. Die beiden nachfolgenden Abschnitte widmen sich jeweils den beiden wesentlichen Phasen des Gesetzgebungsprozesses der Strafrechtsreform im Herzogtum. Das fünfte Kapitel thematisiert die Änderungsvorschläge der vom Landtag gewählten Kommission nebst ihrer Auseinandersetzung mit dem Staatsministerium bezüglich wesentlicher Streitpunkte. Die Verhandlungen über den Regierungsentwurf im Landtag des Herzogtums werden anhand der Protokolle im sechsten Kapitel nachgezeichnet. Im folgenden Kapitel werden die mit dem Einführungsgesetz einhergehenden Neuerungen und die Rezeption des Criminalgesetzbuches im Fürstentum Lippe aufgezeigt. Gegenstand des achten Kapitels ist die Rezension der Kodifikation in der Wissenschaft und im Hinblick auf die Tauglichkeit des Werkes in der Gerichtspraxis. Es folgt eine Darstellung der geringfügigen Revisionen des Criminalgesetzbuches nach 1840. Abschließend bildet die Untersuchung über den möglichen Einfluss des Criminalgesetzbuches auf die Kriminalrechtsvereinheitlichung in Deutschland einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit. Teil dieser Untersuchung ist die Herausarbeitung der wesentlichen Unterschiede der braunschweigischen Kodifikation gegenüber dem preußischen Strafgesetzbuch von 1851 und dem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund von 1870.

Einleitung

5

D) Darstellungshinweise Die Darstellung ist insgesamt chronologisch aufgebaut und folgt bei der inhaltlichen Bearbeitung des Criminalgesetzbuchs dessen Systematik und Struktur. Dem steht nicht entgegen, dass der Regierungsentwurf von 1839 im Vordergrund steht, da dieser in seiner Gesamtstruktur im Gesetzgebungsprozess nicht verändert wurde und somit auch der Systematik des späteren Gesetzbuches entsprach. Aufgrund des Umfangs und der Anzahl der Gesetzes- und Entwurfstexte wird von einem Abdruck abgesehen. Der Wortlaut der Tatbestände ist lediglich auszugweise und nur an relevanten Stellen zur Veranschaulichung des Gesetzgebungsprozesses im Text oder in der Fußnote wiedergegeben. Zur besseren Verständlichkeit werden Begriffserklärungen, Definitionen, Hintergrundinformationen und biographische Abrisse der wesentlichen Protagonisten des Gesetzgebungsprozesses mit in die Fußnoten aufgenommen. An geeigneten Stellen sind überdies die gesellschaftlichen und politischen Ereignisse wiedergegeben.

Zweites Kapitel: Entwicklung des Strafrechts bis zur Einführung des Criminalgesetzbuchs von 1840 A) Überblick über die Geschichte des Herzogtums Braunschweig Die Geschichte des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel geht auf das Jahr 1235 zurück. Nach Ächtung Heinrichs des Löwen durch Kaiser Friedrich I. und den Verlust der Herzogtümer Bayern und Sachsen, gaben die Nachkommen Heinrichs das den Welfen verbliebene Eigengut um Braunschweig und Lüneburg in die Hand Kaiser Friedrichs II. und empfingen es als Herzogtum und Reichsfahnenlehen zurück.1 Im 15. Jahrhundert kam es im welfischen Bereich zu Zusammenlegungen von Herrschaftsrechten, die zeitweise die Eigenständigkeit Braunschweigs bedrohten.2 Erst nach der Teilung im Jahre 1432 wurde das Land Braunschweig wieder zur Basis einer selbstständigen Herzogsherrschaft gemacht. Auch in den folgenden Jahrhunderten gab es immer wieder territoriale Verschiebungen, die aber die Integrität des Herzogtums nicht in Frage stellten.3 Ende des 17. Jahrhundert verlor das Herzogtum Braunschweig durch die Vereinigung der anderen welfischen Fürstentümer Lüneburg, Grubenhaben und Calenberg zum Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover) an Einfluss in Niedersachsen. Nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und der Gründung des Rheinbundes 1806 verlor das Herzogtum Braunschweig im gleichen Jahr seine Eigenständigkeit. Die welfische Herrscherdynastie wurde per Dekret Napoleons abgesetzt.4 In den Jahren 1810 bis 1813 war das Gebiet des Herzogtums Braunschweig Teil des Königreichs Westphalens. Nach dem Ende der französischen Herrschaft wurde das Herzogtum auf dem Wiener Kongress 1815 ohne Landzuwachs in seinen alten Grenzen wiederhergestellt.5 Zwischenzeitlich führte der spätere englische König Georg IV. für die

1 2 3 4 5

Vgl. Schwarz, Die Braunschweigische Landesgeschichte, S. 231 ff. Vgl. Schwarz, Die Braunschweigische Landesgeschichte, S. 236 ff. Vgl. Brüdermann, Die Braunschweigische Landesgeschichte, S. 441 ff. Vgl. Strathmann, Das ehemalige Herzogtum Braunschweigs unter dem Aspekt der Auswanderung, S. 64 ff. Vgl. König, Die Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, S. 90.

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Zweites Kapitel

minderjährigen Söhne des Herzogs Friedrich Wilhelm die Regentschaft, nachdem der Herzog in der Schlacht von Waterloo gefallen war.6 In der Zeit der Regentschaft Georgs IV. wurde 1820 die gemäßigt liberale „Erneuerte Landschaftsordnung“ konstituiert, durch die erstmals ein Teil des bäuerlichen Grundbesitzes im Landtag vertreten war und dieser nicht mehr nach Belieben des Landesherrn, sondern regelmäßig alle drei Jahre zusammentrat.7 Nach dem Regierungsantritt des nunmehr volljährigen Karls II. im Jahr 1823 verweigerte dieser als Ausdruck seiner reaktionären Politik die Anerkennung der „Erneuerten Landschaftsordnung“ von 1820. Ausgelöst durch weitere strittige Entscheidungen des Herzogs gegen die Stände und einer wirtschaftlichen Krise kam es 1830 zu einer Volkserhebung8 gegen den Landesherrn, infolge dessen Herzog Karl ins Ausland vertrieben und vom Bundestag – nach anfänglichem Widerstand der Präsidialmacht Österreich – für regierungsunfähig erklärt und sein Bruder Wilhelm 1831 inthronisiert wurde.9 Der neue Herzog Wilhelm verfolgte eine (gemäßigt) liberale Politik, die innenpolitisch zu der Verabschiedung der „Neuen Landschaftsordnung“ (NLO) am 12. Oktober 1832 führte. Entgegen der Bezeichnung handelte es sich nicht um eine Fortschreibung der alten Landschaftsordnung, sondern um eine „als Repräsentativ Verfassung ausgestaltete neuartige, im Mindesten an die Ideen des süddeutschen Frühkonstitutionalismus anknüpfende Konstitution“.10 Die Verfassung verschaffte einen rechtlichen Rahmen, der – im Vergleich zu den radikaleren hannoverschen und kurhessischen Verfassungsschwestern – von der uneingeschränkten Akzeptanz des Monarchen begleitet wurde und daher nach ihrem Erlass noch 86 Jahre mit vergleichsweise wenigen Änderungen Bestand hatte.11 Auf dieser Grundlage gab es im Herzogtum bereits in der Zeit des Vormärz eine Vielzahl progressiver Reformen12, so dass die deutschlandweiten politischen Erschütterungen durch die Märzrevolution 1848 in Braunschweig nur verhalten zu 6 7 8

9 10 11 12

Vgl. König, Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, S. 90. Vgl. König, Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, S. 91. Die Braunschweiger Revolution von 1830 fasste Schildt folgendermaßen zusammen: „Nirgends aber wurde der Monarch so spektakulär vertrieben wie in Braunschweig, nirgends auch war die Revolution mit einem so leuchtenden Fanal verbunden wie dem Brand des Braunschweiger Schlosses. Hier ereignete sich die einzige Revolution des 19. Jahrhunderts, die gemessen an ihren Zielen, völlig erfolgreich war.“, vgl. Schildt, Braunschweigische Landesgeschichte, S. 761. Vgl. König, Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, S. 93. Vgl. Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918, Bd. 3, S. 101. Vgl. Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918, Bd. 3, S. 210. Vg. Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918, Bd. 3, S. 210 ff.

Entwicklung d. Strafrechts bis zur Einf. des Criminalgesetzbuchs 1840

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spüren waren. Die Regierung blieb – als Ausnahme in Deutschland – im Amt und die (eher bescheidenen) Märzforderungen in Braunschweig wurden in den Folgejahren weitestgehend umgesetzt.13 Außenpolitisch verfolgte Braunschweig in der Regierungszeit Wilhelms eine grundsätzlich neutrale Politik, die sich aber letztlich stark an Preußen anlehnte. Diesem realpolitischen Ansatz verdankte Braunschweig – im Gegensatz zum Königreich Hannover – sein staatliches Fortleben über 1866 und 1871 hinaus.14 Ferner profitierte Braunschweig vom Wunsch Bismarcks, dem Norddeutschen Bund mit der Übermacht Preußens, durch Heranziehung der Kleinstaaten15 ein föderalistisches Antlitz zu verleihen.16 Braunschweig trat 1867 dem Norddeutschen Bund bei. Trotz dieser politischen Erfolge, blieb die Eigenständigkeit Braunschweigs durch die Kinderlosigkeit Herzog Wilhelms in den Folgejahren stets bedroht, da nach dessen Tod die aus Hannover vertriebenen Welfen in Person des Herzogs von Cumberland zur Thronfolge berufen gewesen wären, was für Preußen unakzeptabel war.17 Der lange schwelende Zustand der Rechtsunsicherheit wurde – nach Abstimmung mit dem Deutschen Reich – 1878/79 durch ein Regentschaftgesetz beseitigt, nachdem ein sich konstituierender Regentschaftsrat die Regierungsgewalt nach dem Tod des Herzogs übernehmen und anschließend der Landesversammlung einen neuen Landesherrn vorschlagen sollte.18 Nach dem Ableben Wilhelms im Jahr 1884 bestimmte der Regentschaftsrat 1885 – nach Zurückweisung der Thronansprüche des Herzogs von Cumberland – den preußischen Prinzen Albrecht von Preußen zum Landesherrn. Dessen weitestgehend ereignislose Regierungszeit endete mit seinem Tod im Jahr 1906. Sein Nachfolger Herzog Albrecht von Mecklenburg – der eine konservative und landesväterliche Gesinnung aufwies – erreichte, dass sich mit dem Regierungsantritt des welfischen Prinzen Ernst August (der Sohn des Herzogs von Cumberland) 1913 das – seit dem Tod des Herzog Wilhelms durchbrochene – Legitimitätsprinzip in der Thronfolge Braunschweigs wieder durchsetzte.19 Dies war politisch aufgrund einer dynastischen Verbindung zwischen Welfen und Hohenzollern möglich geworden, da die Mutter Ernst Augusts die Kaisertochter Viktoria Luise 13 14 15 16 17 18 19

Übersicht über die einzelnen Reformgesetze nach 1848 im Herzogtum Braunschweig in: Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918, Bd. 3, S. 212. Vgl. König, Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, S. 95. Im Jahr 1875 hatte das Herzogtum Braunschweig eine Einwohnerzahl von 327.000, vgl. Bernhardt, Die Zaunkönige des Verfassungssystems, S. 164. Vgl. König, Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, S. 95. Vgl. Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918, Bd. 3, S. 219. Vgl. Aschoff, Geschichte Niedersachens, Bd. 4, S. 330. Vgl. Aschoff, Geschichte Niedersachens, Bd. 4, S. 331 ff.

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Zweites Kapitel

war.20 Die Regierungszeit Ernst Augusts währte jedoch nur kurz, da er am 8. November 1918 zur Abdankung gezwungen wurde. Mit der anschließenden Konstitution des Freistaats endete die herzogliche Herrschaft in Braunschweig.21

B) Das braunschweigische Strafrecht bis 1840 Bis zu Einführung des Criminalgesetzbuches von 1840 galt im Herzogtum Braunschweig gemeines Strafrecht, welches durch einzelne Strafgesetze modifiziert wurde. Bevor das gemeine Recht mit der Einführung der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (CCC) im Jahre 1532 zur wichtigsten Rechtsquelle im Herzogtum wurde, stellte der von Eike von Repgow verfasste Sachsenspiegel die allgemeingültige Rechtsquelle im braunschweigischen Strafrecht dar. Beim Sachsenspiegel, der seit dem 13. Jahrhundert zunehmend Verbreitung in den norddeutschen Staatsgebieten fand, handelte es sich um eine Sammlung von Handlungsgrundsätzen und Prinzipien zur Behandlung von Straftaten.22 Der Sachsenspiegel erlangte jedoch nie die Gültigkeit eines verkündeten Gesetzes, sondern entsprach dem damaligen Bedürfnis, vormals mündlich überliefertes Recht zu fixieren und somit eine beständige Grundlage für die Rechtsanwendung und Rechtsprechung zu besitzen.23 Vielfach durch Glossen kommentiert, erlangte der Sachsenspiegel aufgrund seiner großen Wirklichkeitsnähe eine hohe Akzeptanz und stellte bis ins 19. Jahrhundert in einigen deutschen Staaten eine subsidiäre Rechtsquelle dar.24 Die „Constitutio Criminalis Carolina“ (CCC), abgekürzt „Carolina“ genannt, war das erste gesamtdeutsche Strafgesetzbuch, welches insbesondere dem Wiederaufleben des römischen Rechtes im Deutschen Reich seine Entstehung verdankte.25 Die Carolina zeichnete sich dadurch aus, dass sie außer dem Strafrecht bzw. den Bestimmungen zu den einzelnen Verbrechen, auch Regelungen zum Strafprozess enthielt, die inhaltlich sogar den Schwerpunkt bildeten.26 Hinsichtlich des Umfangs hatte die Carolina keinen exklusiven Charakter, sondern sah 20 21 22 23 24 25 26

Vgl. König, Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, S. 96. Vgl. König, Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, S. 99. Vgl. Meder, Rechtsgeschichte, S. 176 ff. Vgl. Kroeschell, Recht und Unrecht der Sassen, S.84 ff. Vgl. Meder, Rechtsgeschichte, S. 175. Noch in einem Reichsgerichtsurteil von 1932 wurde der Sachsenspiegel erwähnt (RGZ 137, 343). Vgl. Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 41. Vgl. Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 47.

Entwicklung d. Strafrechts bis zur Einf. des Criminalgesetzbuchs 1840 11 nur Regelungen für die besonders schweren (im Sprachgebrauch der Carolina peinlichen) Verbrechen vor.27 Die Strafbestimmungen der Carolina waren grausam hart. Es gab nur wenige nicht mit dem Tod bedrohte Verbrechen. Zudem gab es verschiedene Arten der Todesstrafe auch mit entsprechenden Schärfungen.28 Die Carolina wollte ein Gesetzbuch sein, freilich war ein moderner Gesetzesbegriff auf sie nicht anwendbar.29 Sie war zwar ein Reichsgesetz, allerdings „mit der aus der nachgiebigen clausula salvatoria30 und aus dem politischen Zustand des Reiches stark bestimmenden partikularistischen Bestrebungen des Landesfürstentums sich ergebenden Maßgabe für Geltung und Wirkung“.31 Exemplarisch für die begrenzte Wirkungskraft der damaligen Reichsgesetze, erlangte die Carolina erst 36 Jahre nach ihrem Erscheinen durch die Verordnung des Herzogs Heinrich des Jüngeren vom 24. April 1568 Gesetzeskraft im Herzogtum Braunschweig.32 Eine weitere – fast gleichlautende – Publikation der Carolina durch den Herzog erfolgte am 3. Februar 1570.33 In der Folgezeit wurden in Braunschweig ergänzend (und auch zumeist verschärfend) zu den Bestimmungen der Carolina verschiedene Landesverordnungen erlassen, die – aufgrund der damals vorherrschenden Abschreckungstheorie – neben anderen Strafen auch stets die Todesstrafe androhten. So bestrafte eine Verordnung vom 3. Januar 1593 verschiedene Sittlichkeitsdelikte wie Ehebruch, Bigamie, Blutschande und Notzucht mit dem Tod, wobei die Todesstrafe auch für einfache Unzuchtverbrechen auf fürstlichen Schlössern gelten sollte.34 Des weiteren sollte für Pferdediebstahl (Verordnungen vom 25. November 1695 und vom 20. August 1706), Veruntreuung öffentlicher Gelder über 100 Taler (Verordnungen vom 17. November 1721 und vom 25. Februar 1772) sowie bei Hausdiebstahl über 10 Taler (Verordnung vom 7. September 1752) der Tod durch den Strang drohen.35

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31 32 33 34 35

Vgl. Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 48. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 135. Vgl. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 133. Durch die salvatorische Klausel wurde den Landesfürsten zugestanden, dass die in ihren Territorien geltenden Rechte erhalten blieben und dort die Carolina nur subsidiär wirke, vgl. hierzu ausführlich: Dezza, Die Geschichte des Strafprozessrechts in der frühen Neuzeit, S. 45 ff. Vgl. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 133. Vgl. Weeber, Abhandlungen aus dem Gebiete vergleichender Strafgesetzkunde, S. 86. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 135. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 137. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 5.

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Zweites Kapitel

Im Jahr 1770 mahnte der Artikel 8 des Landtagsabschieds an, die hiesigen Landesrechte in ein eigenes Gesetzbuch in der Landessprache zusammenzutragen. Diese Bestrebungen wurden aber nie zu einem Ende geführt, wohl auch teilweise mitbedingt durch die Eingliederung Braunschweigs in das Königreich Westphalen während der Napoleonischen Zeit.36 Im Gegensatz zum Rheinland adaptierte das Herzogtum nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft nicht das französische Strafrecht, sondern stellte die alte Rechtslage wieder her.37 Aber auch in der Zeit nach der staatlichen Restitution der vornapoleonischen Gesetzgebung in Braunschweig war laut den Motiven zum Criminalgesetzbuch im Herzogtum „für die Gesetzgebung in Criminalsachen wenig geschehen“.38 Es wurden nur für einzelne (unbedeutende) Teilbereiche des Strafrechts weitere Landesverordnungen erlassen. So regelte die Verordnung vom 26. März 1823 die Bestrafung des Bankrotts. Die Bestrafung des Funddiebstahls wurde mit der Verordnung vom 15. April 1824 geregelt. Für Vergehen gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung ergingen am 1. November 1830 und am 23. Februar 1837 entsprechende Verordnungen.39 Ausgelöst durch den Anfang des 19. Jahrhunderts beginnenden Kodifikationsprozess in anderen deutschen Staaten (insbesondere in Bayern) und in Österreich, kündigte die Landesregierung im Landtagsabschied von 1823 (Art. 41) ein umfassendes Gesetz über die Bestrafung des Diebstahls an, welches am Ende aber ausblieb.40 Als Folge dieser starren und zunehmend veralteten Gesetzeslage im Bereich des Strafrechts gewann in Braunschweig das Richterrecht Ende des 18. Jahrhunderts immer stärker an Bedeutung. Als Ausdruck der gesellschaftlichen Entwicklung fungierte der Gerichtsgebrauch in Braunschweig zunehmend als Korrektiv der vorherrschenden anachronistischen Gesetzeslage im Strafrecht. Maßgeblich hierfür waren laut den Motiven zum Criminalgesetzbuch von 1840 das „Fortschreiten der Gesittung, der öffentlichen Ordnung und der Rechtswissenschaft“, sowie die Erkenntnis, dass „die Rechtsgesetzgebung eines Volkes nur der Ausdruck seines jeweiligen allgemeinen Bildungszustandes sein kann“.41 Entsprechend verabschiedeten qualifizierende Todesstrafen und auch verstümmelnde Strafen sich sukzessive aus der Gerichtspraxis. Todesstrafen wurden nur 36 37 38 39 40 41

Vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 80. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 5. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 5. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 5. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 9. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 6.

Entwicklung d. Strafrechts bis zur Einf. des Criminalgesetzbuchs 1840 13 noch bei den schwersten Verbrechen (Mord, Raub, Brandstiftung) angewandt, und auch der Einsatz von Folter wurde von den Gerichten abgelehnt.42 So wurde im Herzogtum Braunschweig in den Jahren 1817 bis 1848 lediglich zweimal auf die Todesstrafe erkannt.43 In dieser Zeit bildeten die Bestimmungen der Carolina jedoch weiterhin bei den Urteilen den Ausgangspunkt der Bestrafung. Ein Bruch mit dieser Rechtstradition erfolgte im Jahr 1825 mit dem Ausspruch des Gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts in Wolfenbüttel, dass die Peinliche Gerichtsordnung durch Gerichtsgebrauch abgeändert worden sei, dessen Ansicht sich kurz danach auch das Landgericht anschloss. Die Bestimmung des Strafmaßes beruhte fortan allein auf dem Gerichtsgebrauch oder auf den Bestimmungen der Peinlichen Gerichtsordnung in der durch Gerichtsgebrauch abgeänderten Form.44 Diese offene Abkehr der Gerichtspraxis vom geschriebenen Gesetz war ein entscheidender Katalysator für die kurz darauf verstärkten staatlichen Bemühungen für eine umfassende Strafrechtsreform im Herzogtum mit dem Ziel, die Herrschaft des Rechts bzw. Gesetzes wiederherzustellen.45 Neben dem 1840 in Kraft getretenen Criminalgesetzbuch wurden, insbesondere in den Jahren nach der Märzrevolution 1848, eine Reihe wichtiger Justizgesetze im Herzogtum Braunschweig erlassen. Die Gerichtsverfassung wurde in den Jahren 1849/50 grundlegend neu geordnet und die Trennung zwischen Rechtsprechung und Verwaltung eingeführt.46 Mit Gesetz vom 22. August 1849 trat eine moderne Strafprozessordnung in Kraft.47 Hierin wurden u.a. die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerichtsverfahren vorgeschrieben sowie Geschworenengerichte in Strafsachen errichtet. Für das ganze Herzogtum wurde ein Obergericht geschaffen. Die Kreise erhielten ihre Kreisgerichte, für jedes damals bestehende Amt war ein Amtsgericht und für Braunschweig und Wolfenbüttel je ein Stadtgericht vorgesehen.48

42 43 44 45 46 47 48

Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 6. Vgl. Düsing, Todesstrafe, S. 26. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 7. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 8. Vgl. Mundhenke, Die Entwicklung der braunschweigischen Justizverfassung, S. 124. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1849), S. 248 ff. Vgl. Mundhenke, Die Entwicklung der braunschweigischen Justizverfassung, S. 125.

Drittes Kapitel: Die Vorarbeiten zum braunschweigischen Criminalgesetzbuch A) Einleitung Im Verlauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich in den deutschen Einzelstaaten ein belastbares Grundmuster für den Kodifikationsprozess etabliert. Gerade bei so umfangreichen Gesetzesvorhaben wie der Neuschaffung eines Strafgesetzbuches mussten viele Gesellschaftsteile im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses beteiligt werden. Dieser allgemeine Partizipationsanspruch steigerte sich überdies mit der Konstitutionalisierung vieler deutscher Staaten, die eine umfangreiche Beteiligung der stärker werdenden Parlamente bei der Gesetzgebung erforderlich machte.1 Die immer stärker werdende Präsenz der Strafrechtswissenschaft im Diskurs um die richtige Art und Weise der Gesetzgebung führte zudem zur regelmäßigen Einbindung von Strafrechtsexperten auf verschiedenen Ebenen des Kodifikationsganges. In dem nunmehr weitestgehend etablierten Verfahrensablauf stellte die Erstellung eines vorläufigen staatlich beauftragten Entwurfes als Grundlage für die weiteren Arbeiten den Ausgangspunkt dar. Nach dessen Veröffentlichung erfolgte in einer zweiten Phase die Begutachtung durch hinzugezogene Strafrechtsexperten und hierfür vom Parlament gebildete Kommissionen. Die Ergebnisse dieser Revision wurden sodann im Entwurf berücksichtigt, wobei in dieser Phase das Staatsministerium, der Landesherr bzw. die obersten Behörden mit eingebunden wurden, um die Zulässigkeit bzw. politische Umsetzbarkeit der gemachten Änderungsvorschläge zu prüfen. Der nach dieser Abstimmung geschaffene endgültige Entwurf wurde anschließend den Parlamenten zur Beratung übergeben. Es folgte als weiterer Verfahrensschritt die Schlussredaktion mit der Einarbeitung der – vom Landesherren akzeptierten – Änderungswünsche des Parlaments und die Publikation der Kodifikation. Diese wurde abschließend mit einem Einführungsgesetz in Kraft gesetzt.2

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Ein Überblick über das Gesetzgebungsverfahren bei Kodifikationen in ausgewählten Zivilund Strafgesetzbücher in: Mertens, Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen. Einen umfassenden Überblick über den Gesetzgebungsprozess bei der Kriminalrechtskodifikation in den deutschen Einzelstaaten im 19. Jahrhundert in: Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 166 ff.

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Drittes Kapitel

B) Die „gescheiterte“ Kommission von 1828 Nachdem der Reformdruck durch die offene Abstandsnahme der braunschweigischen Gerichtspraxis vom bislang geltenden Strafrecht immer größer wurde, beauftragte Herzog Karl am 30. September 1828 eine Kommission mit der Erstellung eines Entwurfs zu einem Strafgesetzbuch.3 Die Kommission bestand aus vier Mitgliedern. Zu diesen zählten der Hof- und Justizrat Fricke, der Oberappellationsrat Günther, der damalige Hofrat und spätere Staatsminister von Schleinitz und der Stadtrat Dedekind. Den Vorsitz der Kommission, die ihren Sitz in Wolfenbüttel hatte, führte Fricke.4 Diese legte jedoch niemals einen Entwurf für ein Strafgesetzbuch vor. Warum die beauftragten Arbeiten zu keinem Abschluss gebracht worden sind, ist unklar. Aktenkundig ist lediglich der Auftrag der Kommission an das Staatsministerium, mehrere strafrechtliche Bücher und Schriften anzuschaffen, damit sich die Kommission einen Überblick über die aktuelle Rechtslage bzw. den Stand der Rechtswissenschaft verschaffen könne.5 Die Erarbeitung einer Übersicht über die aktuelle Rechtslage in den verschiedenen deutschen Einzelstaaten und über den aktuellen Stand der Rechtswissenschaft gehörte üblicherweise zu den ersten Arbeitsschritten bei der Entwurfserstellung.6 Über die anschließende (überraschende) Aufgabe dieses Vorhabens durch die Kommission geben auch die Motive zum Criminalgesetzbuch keinen Aufschluss. Sie sprechen lediglich davon, dass die Kommission „nicht in Thätigkeit getreten“ sei.7 Über die Gründe für diesen gescheiterten Versuch lassen sich daher nur Mutmaßungen anstellen. Am naheliegendsten ist die Erklärung, dass die Reformbemühungen und damit auch die Kommission Opfer der politischen Umbruchsituation in Braunschweig geworden waren, die – ein Jahr nach der Beauftragung der Kommission – 1830 zu der Volkserhebung gegen Herzog Karl und seiner anschließenden Vertreibung führte. Anschließend beherrschte unter seinem Nachfolger Herzog Wilhelm die Schaffung der neuen Verfassung die politische Agenda. Dieses Vorhaben beanspruchte wahrscheinlich fast alle der – im einem deutschen Kleinstaat typischerweise begrenzten – Ressourcen an juristischem Fachpersonal. Überdies könnte durch den Regierungswechsel auch in Braunschweig

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StAWolfenbüttel, Reskript des Herzogs vom 30.09.1828, 12 Neu Justiz 05, Nr. 3698. Vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 80. Vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 80. Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 165 ff. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 9.

Die Vorarbeiten zum Braunschweiger Criminalgesetzbuch

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eine Art von Diskontinuitätsprinzip für laufende Gesetzvorhaben der Vorgängerregierung gegolten haben. Für diese Erklärung spricht letztlich, dass zwei Mitglieder der Kommission, von Schleinitz und Günther, bei der späteren Schaffung des Criminalgesetzbuches wesentliche Rollen einnahmen.

C) Entwurf Strombecks Ungefähr zur gleichen Zeit, in der die letztlich gescheiterte Kommission eingerichtet wurde, veröffentlichte der braunschweigische Oberappellationsrat Strombeck8 – ohne vorherigen staatlichen Auftrag – einen eigenen Entwurf eines Gesetzbuches für ein Norddeutsches Staatsgebiet, namentlich für das Herzogtum Braunschweig und die Fürstentümer Waldeck, Pyrmont, Lippe und Schaumburg-Lippe.9 Der Entwurf wurde am 2. April 1829 publiziert.10 Das Werk umfasste insgesamt 589 Artikel. Das Polizeistrafrecht war nicht Gegenstand des Entwurfes. Das Bestreben des Verfassers war es, einen Gesetzestext nach „möglicher Einfachheit und Deutlichkeit“11 zu verfassen. Dadurch sollten Laien einen besseren Zugang zum Gesetz erfahren. Auf der Rechtsfolgenseite sollten dem Richter Ermessensspielräume gewährt werden, damit die zu erwartende Strafe nach eigenem Gewissen des Täters ins Verhältnis zur Tat gesetzt werden konnte.12 Gleichzeitig etablierte Strombeck jedoch aus Sorge vor richterlicher Willkür eine sehr umfangreiche Kasuistik, welche die praktische Handhabung des Entwurfs erheblich einschränkte.13 Maßgeblich beeinflusst von Beccaria14 und seiner eigenen Tätigkeit als Richter, war Strombeck ein entschiedener Gegner der Todesstrafe.15 Als Höchststrafe sah Strombeck in seinem Entwurf daher den bürgerlichen Tod, eine lebenslange 8

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Friedrich Karl von Strombeck, wurde 1771 geboren und starb 1848. Er studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Helmstedt und Göttingen. Anschließend war er im Justizwesen des KönigreichsWestphalen tätig und wurde 1810 zum Präsidenten des Appellationshofes in Celle berufen. Nach dem Ende des Königreichs Westphalen wurde er 1816 zum Justizrat des Fürstentums Lippe-Detmold und Mitglied des Oberappelationsgerichts in Wolfenbüttel ernannte, dessen Präsident er 1843 wurde. Eine ausführliche Biographie findet sich in: Cipolla, Friedrich Karl von Strombeck, S. 15–106. Eine ausführliche Darstellung nebst Erläuterungen des Entwurfs von Strombecks von 1829 findet sich in: Cipolla, Friedrich Karl von Strombeck, S. 113 ff. Vgl. Strombeck, Entwurf eines StGB, S. XXXII. Vgl. Strombeck, Entwurf eines StGB, S. XXVII. Vgl. Strombeck, Entwurf eines StGB, S. V. Vgl. Cipolla, Friedrich Karl von Strombeck, S. 117. Vgl. Beccaria, Von den Verbrechen und von den Strafen, S. 49 ff. Vgl. Strombeck, Entwurf eines StGB, S. XV.

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Drittes Kapitel

Kerkerhaft mit Zwangsarbeit16 und weiteren entehrenden Nebenfolgen vor.17 Auch ansonsten war das Strafensystem des Entwurfs von den Erfahrungen Strombecks als Praktiker geprägt und vereinte sowohl general- als auch spezialpräventive Aspekte, ohne eine konkret bestimmte Straftheorie zu verfolgen.18 Dem Entwurf Strombecks wurde nach seiner Veröffentlichung sowohl im Herzogtum Braunschweig als auch darüber hinaus fast keine Beachtung geschenkt.19 Insbesondere fehlte dem Entwurf aufgrund seiner ausufernden Kasuistik und des großen Umfangs mit fast 600 Artikeln die Praktikabilität.20 Darüber hinaus widersprach der „visionäre“ Verzicht auf die Todesstrafe und die insgesamt den Entwurf kennzeichnende relative Milde bei der Bestrafung dem damals noch herrschenden Zeitgeist.21 Im Jahr 1834 veröffentlichte Strombeck den Entwurf in einer zweiten Auflage unter dem geänderten Titel „Entwurf eines Strafgesetzbuches für Staatsgebiete des Deutschen Bundes“. Trotz des geänderten Titels, hatte sich Strombeck „nicht bewogen finden können“ deutliche Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf vorzunehmen.22 Die Titeländerung beruhte dann auch mehr auf patriotischen als auf juristischen Gründen.23 Für die Entstehung des Criminalgesetzbuches spielte der Entwurf Strombecks nur eine sehr untergeordnete Rolle. Zwar lag der Entwurf – neben diversen anderen Rechtsquellen – den Verfassern des Criminalgesetzbuches vor, konkret berücksichtigten die Verfasser den Entwurf nur an zwei kleineren Stellen im späteren Gesetz.24 Der Entwurf begründete jedoch – trotz der verhaltenen Resonanz – im Herzogtum den Ruf Strombecks als Strafrechtsexperten. In dieser Funktion wurde er in die Beratung über den späteren Regierungsentwurf von 1839 als außerordentliches Mitglied der Ministerialkommission einbezogen.25 16 17 18 19 20 21 22 23 24

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Im Entwurf Strombeck die sog. Strafe des „großen Karren“. Vgl. Strombeck, Entwurf eines StGB, S. XII in Anm. 12. Vgl. Cipolla, Friedrich Karl von Strombeck, S. 122. Vgl. Cipolla, Friedrich Karl von Strombeck, S. 212. Vgl. Cipolla, Friedrich Karl von Strombeck, S. 216. Vgl. Cipolla, Friedrich Karl von Strombeck, S. 217. Vgl. Strombeck, Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. III. Vgl. Strombeck, Entwurf eines Strafgesetzbuches, S. V. Die Motive zum Regierungsentwurf nahmen auf die Vorarbeiten Strombecks lediglich bei den Tatbeständen des Falschmünzens (§ 119 des Entwurfs, S. 75 der Motive) und den Gemeinschaftlichen Bestimmungen für Kindsmord etc. (§ 150 des Entwurfs, S. 91 der Motive) ausdrücklich Bezug. Vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 84.

Viertes Kapitel: Der Regierungsentwurf von 1839 A) Antrag der Ständeversammlung Aufgrund der immer noch unbefriedigenden Rechtssituation im Herzogtum äußerten die Stände bei der Eröffnung der Ständeversammlung1 im Jahr 1831 den Wunsch, dass ein Criminalgesetzbuch verfasst werden möge.

B) Der Entwurf des Braunschweiger Criminalgesetzbuches Herzog Wilhelm befahl daher auf den Wunsch des Landtages hin die Ausarbeitung des Entwurfs eines modernen Strafgesetzbuchs „um diesem längst gefühlten und höchst dringenden Bedürfnisse abzuhelfen“.2 Der Entwurf des Strafgesetzbuches wurde im Staatsministerium ausgearbeitet. Die im Jahr 1828 eingesetzte Kommission war in der Ausarbeitung dieses Entwurfs nicht mehr involviert, obwohl der Auftrag formell nie zurückgenommen wurde.3 Maßgeblich beteiligt bei der Ausarbeitung des Entwurfs waren der Hofrat Breymann4 und Wilhelm Freiherr von Schleinitz5, der zum damaligen Zeitpunkt als Ministerialrat im Staatsministerium für die Verwaltung der Bereiche Justiz und Inneres verantwortlich war.

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Im Herzogtum Braunschweig wurde die Ständeversammlung auch als Landtag bezeichnet. Vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 79. Vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 81. Friedrich August Ferdinand Breymann wurde 1798 geboren und starb 1853. Breymann studierte Rechtswissenschaften in Göttingen. Er war Hofrath im Staatsministerium und Bearbeiter des braunschweigischen Criminalgesetzbuchs. Im Jahr 1840 veröffentlichte er einen Entwurf nebst Motiven für ein braunschweigisches Strafgesetzbuch. Abschließend ging er in den Justizdienst und wurde Obergerichtspräsident in Wolfenbüttel. Wilhelm Freiherr von Schleinitz wurde 1794 geboren und starb 1856. Er war Jurist und trat 1830 in das Staatsministerium des Herzogtums ein. 1843 wurde er zum Staatsminister erannt. Unter seiner Administration wurde neben dem Criminalgesetzbuch u.a. auch die Strafprozessordnung (1849) und die Zivilprozessordnung (1850) eingeführt. Ingesamt war er 25 Jahre ununterbrochen als Minister tätig, was zur damaligen Zeit eine Seltenheit war, vgl. Zimmermann, Allgemeine Deutsche Biographie 31 (1890), S. 459–462.

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Viertes Kapitel

I. Arbeit und Entstehung des Entwurfs Über den Verlauf der Arbeit am Entwurf ist wenig bekannt.6 Insgesamt erstreckte sich der Prozess der Entstehung des Regierungsentwurfs über zwei Etappen. Die Grundlagenarbeit am Entwurf erfolgte nach der herzoglichen Auftragserteilung im Jahr 1831 über einen Zeitraum von neun Jahren in der Staatskanzlei. Der dort erarbeitete Entwurf wurde am 29. April 1839 an die Ministerialkommission abgereicht. Die Ministerialkommission, Sektion für Justizsachen, war auf Grundlage des Gesetzes vom 30. Oktober 1832 gebildet worden.7 Ausweislich dieser gesetzlichen Vorgabe handelte es sich um eine beratende Behörde, die nach § 11 Nr. 1 des Gesetzes insbesondere alle Entwürfe zu Landesgesetzen begutachten sollte.8 Die Gutachten der Ministerialkommission hatten zudem gemäß § 13 nur empfehlenden Charakter für das Staatsminsterium. Eine Umsetzung der Vorschläge durch dieses blieb dem „pflichtmäßigen Ermessen überlassen“.9 Nach § 3 setzte sich die Ministerialkommission aus ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern zusammen. Den Vorsitz der Ministerialkommission führte von Schleinitz. Als außerordentliche Mitglieder wurden der Geheimrat und Oberappellationsrat von Strombeck, der Landesgerichtspräsident von Paun sowie der Kreisdirektor von Geyso10 hinzugezogen. Nach schriftlicher Stellungnahme der Kommissionsmitglieder zum Entwurf folgten bis zum Dezember 1839 mehrere beratende Sitzungen, an deren Ende der Entwurf mehrfach ergänzt und abgeändert wurde. Der Regierungsentwurf in der Endfassung

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StA Wolfenbüttel 12 Neu – Justiz, 02 Nr. III 56/1; die Hauptakte zum Criminalgesetzbuch enthielt im Wesentlichen zwei Entwürfe aus dem Jahr 1835 und 1839 nebst dazugehörigem Schriftverkehr sowie das Protokoll der Ministerialkommission zu dem Entwurf von 1839. Ferner enthielt die Akte eine Auflistung der in den Jahren 1831–1840 zur Untersuchung gekommenen Kriminalverbrechen. Gesetz und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande 1832, S. 359. Gesetz und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande 1832, S. 363. Gesetz und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande 1832, S. 363. August von Geyso wurde 1802 geboren und starb 1861. Er studierte Rechtswissenschaften und trat 1826 in den Staatsdienst des Herzogtums Braunschweig ein. Aus Protest gegen die Regierung des Herzog Karl II wechselte er 1830 in den Staatsdienst des Königreichs Hannover. Nach seiner Rückkehr nach Braunschweig im Jahr 1831 wurde er 1837 zum Kreisdirektor in Wolfenbüttel ernannt. Nach weiteren Stationen erfolgte 1859 seine Ernennung zum Staatsminister.

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wurde schließlich am 17. Dezember 1839 nebst den Motiven dem Landtag – und hier zunächst der Kommission für Justizwesen – zum Gesetzentwurf zugeleitet. Die Arbeiten am Regierungsentwurf berücksichtigten, nach dem bekannten Grundmuster der Entwurfserarbeitung, neben den Erkenntnissen der aktuellen Strafrechtswissenschaft auch die Kodifikationen anderer deutscher Länder. So wurden in den Einleitungen zu den Motiven des Entwurfs explizit die Strafgesetzbücher von Preußen (1794), Österreich (1803), Bayern (1813), Sachsen (1838) und Württemberg (1839) erwähnt.11 Ferner verwiesen die Motive auf die Strafrechtskodifikationen der Großherzogtümer Weimar und Oldenburg und bezeichneten die damals noch stattfindenden Gesetzgebungsverfahren für ein Strafgesetzbuch im Königreich Hannover12 und im Großherzogtum Baden13 als weitere Rechtsquellen.14 Der Entwurf von Strombecks lag den Arbeiten als Vorlage ebenfalls zugrunde. In der Einleitung stellte der Entwurf die drei wesentlichen rechtlichen und politischen Beweggründe für die Kodifikation des Strafgesetzbuches heraus. So habe zwar der gegenwärtige Zustand des Primats des Richterrechts bzw. des „Gerichtsgebrauchs in Criminalsachen“ den Vorteil, dass er „den Fortschritten der Wissenschaft freien Zutritt zu der Anwendung (läßt) und nähert sich dem von manchen Philosophen und Rechtsgelehrten gepriesenen Ideale der Strafrechtspflege, nach welchem der Richter für jeden einzelnen Fall, nach dessen besonderer Strafrechtswürdigkeit, ohne durch die Fesseln des Gesetzes beschränkt zu sein, die Strafe ausmessen und die Richtung und Entwicklung der Ideen seiner Zeit berücksichtigen soll.“15

Gleichwohl seien diese Vorzüge „sehr zweifelhafter Natur“, da sie letztendlich zu einer unkontrollierbaren Emotionalisierung und vor allem Politisierung des Strafrechts führten. „Wahrhaft gefahrdrohend aber kann ein solcher Zustand, wie die Bücher der Geschichte aller Völker lehren, in religiös oder politisch aufregenden Zeiten werden.“16

Unabhängig von dieser grundsätzlichen Gefahr des Richterrechts, die in einer „ruhigen und besonnenen Nation, wie die deutsche [...] weniger zu fürchten

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Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 9. Das Allgemeine Criminal-Gesetzbuch für das Königreich Hannover wurde am 8. August 1840 verabschiedet. Das Strafgesetzbuch für das Großherzogthum Baden wurde am 6. Mai 1845 verabschiedet. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 9. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 7. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 7.

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(sei)“17, habe der Staat dafür Sorge zu tragen, dass jeder Angeschuldigte „im Voraus wisse, welche Handlung ein Verbrechen sei und welche Strafe ihm droht“.18 Das Richterrecht erfülle diese Verpflichtung nicht und verhindere damit auch die Abschreckungswirkung des Strafgesetzes. Die Kodifikation eines Strafgesetzbuches sei ferner notwendig geworden, um die Hierarchie des Gesetzes im Verhältnis zum Richter wiederherzustellen. Der Richter sei nicht mehr Diener des Gesetzes gewesen, er habe vielmehr die Schuldigen vor der Anwendung der Gesetze geschützt. Folge dieses Rollentausches war nach Darlegung der Motive, dass statt Rechtsicherheit ein Gefühl des Misstrauens herrschte, „da das ohnmächtige Gesetz keine Ehrfurcht einflößen (kann) und Aussprüche der Gerichte [...] wie Willkür aussehen“.19 Abschließend verwiesen die Verfasser auf die gegenwärtige unbefriedigende Rechtslage im Herzogtum Braunschweig. Es herrsche dort ein nicht mehr hinnehmbarer Zustand der Rechtsunsicherheit und Ungleichheit, da es sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenebene keine einheitliche Bestrafung gebe. „Jedenfalls sind solche Unsicherheiten und Schwankungen unverträglich mit der Idee der Gerechtigkeit und bürgerlichen Freiheit. Die freiesten Völker haben es vorgezogen, den Richter auf buchstäbliche Anwendung der Gesetze anzuweisen und die hieraus unvermeidlich hervorgehenden Härten und Inconsequenzen zu ertragen, als der Willkür Raum zu lassen.“20

II. Struktur und Inhalt des Entwurfs 1. Einleitung Der Entwurf von 1839 umfasste insgesamt 266 Paragraphen. Gegenüber Strafgesetzbüchern anderer Länder war dies eine bemerkenswerte Kürze.21 Diese Übersichtlichkeit war zum einen dem Willen der Verfasser geschuldet, das Gesetzbuch nicht zum „Compendium“ werden zu lassen.22. Klarheit und Kürze sollten ferner nach Überzeugung des Entwurfs die Gefahr von Fehlinterpretati-

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Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 7. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 8. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 8. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 9. Das StGB von Sachsen (1838) hatte 326 Artikel, Württemberg (1839) 462 Artikel, Hannover (1840) 373 Artikel, Hessen (1841) 484 Artikel, Bayern (1861) 398 Artikel. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 21.

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onen reduzieren, da „jedes unnöthige Wort gewiß Veranlassung zu Mißverständissen gibt“.23 Zum anderen war dessen Kürze auch dadurch begründet, dass es sich explizit als Criminal- und nicht als Strafgesetzbuch verstand. Entsprechend fehlten Handlungen, die „wegen der Eigentümlichkeit des Gegenstands durch Specialgesetzgebung geordnet sind“.24 Polizeirechtliche Bestimmungen waren ebenfalls nicht Bestandteil des Entwurfs. Die Systematik des Entwurfs richtete sich nach dem deduktiven Prinzip mit einem Allgemeinen und einem Besonderen Teil. Dieser Aufbau entsprach der im 19. Jahrhundert gebräuchlichen Form.25

2. Leitgedanken des Entwurfs / Strafrechtsheorien Im Hinblick auf den Leitgedanken bzw. die „leitenden obersten Grundsätze“ setzten sich die Motive kurz mit den gängigen Strafrechtstheorien jener Zeit auseinander. Im Ergebnis lehnten die Verfasser aber einzelne Theorien als alleinige Grundlage eines Criminalgesetzbuches ab, vielmehr konstatierten sie, dass der Zweck des Gesetzes zugleich „Abschreckung26, Warnung27, Wiedervergeltung28 und Besserung29 sein müsse“.30 Dieses Ziel entsprach den damaligen Entwicklungen in der Rechtswissenschaft, wonach die singuläre Ausrichtung des Strafrechts auf einen bestimmten Zweck nicht mehr als zielführend erachtet wurde.31 Die beginnende ganzheitliche Betrachtung des Strafrechts war auch

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Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 22. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 10. Der Entwurf bezieht sich hier u.a. auf das Militärstrafrecht, das Forst- und Jagdstrafrecht sowie auf Zoll- und Steuerstrafsachen. Vgl. Schmidt, Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 168. Der Abschreckungsgedanke beruhte auf der Straftheorie Feuerbachs des psychischen Zwanges, die den Zweck der Strafe in der Abschreckung bzw. Generalprävention erblickte, vgl. Holzhauer, Willensfreiheit und Strafe, S. 47 ff. Die Warnungstheorie Bauers war eine Spielart der Theorie des psychischen Zwanges, nach der sich die Strafe nicht nur an die sinnliche, sondern auch sittliche Natur des Menschen wendet, vgl. Liszt, Lehrbuch, S. 38. Der Wiedervergeltungsgedanke beruhte auf Kants Versuch, die Strafe vom Recht loszulösen und die Vergeltung, deren Maß die Talion zu bilden hat, auf den kategorischen Imperativ zu gründen, vgl. Liszt, Lehrbuch, S. 39. Der Besserungsgedanke beruhte auf der Theorie der Spezialprävention, wonach die Einwirkung des Strafvollzugs auf den Verbrecher im Vordergrund bei der Gestaltung der Strafe stehen sollte, vgl. Liszt, Lehrbuch, S. 40. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 12. Vgl. Vormbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, S. 121.

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Ausfluss eines immer stärker aufkommenden Liberalismus in der Gesellschaft, welcher zunehmend auch die Rechtswissenschaft beeinflusste.32 Der Entwurf bezeichnete – unabhängig von strafrechtstheoretischen Erwägungen – die Wahrung des Rechtsfriedens als zentrale Aufgabe jeglicher Gesetzgebung. Rechtsetzung habe den Zweck, „jedem die äußeren Bedingungen der Möglichkeit einer sittlichen Existenz zu sichern“.33 Die Verfasser beriefen sich hierzu in den Motiven zum Entwurf auf die utilitaristische Ethik Benthams34, nach der das größte Glück der größten Zahl das Leitprinzip der Gesetzgebung darstellen sollte.35 Dabei sollte das angestrebte Allgemeinwohl nicht nur den materiellen Aspekt, sondern auch die geistige und sittliche Ebene umfassen.36 Vor dem Hintergrund dieses Postulats nannte der Entwurf drei zentrale Maximen, die unbedingt zu beachten seien, damit die Strafen „gerecht, human und zweckmäßig sind“.37 Zuvorderst müsse jedes „Verbrechen eine Rechtsverletzung enthalten, d.h. eine äußere Handlung, durch welche die äußeren Bedingungen der sittlichen Existenz Anderer gefärdet sind“.38 Gedanken und Absichten waren damit keine strafbaren Handlungen. Zudem musste die Tat dem Täter mittels Vorsatz oder Fahrlässigkeit zugerechnet werden, da „die rechtliche Schuld nur insofern denkbar (ist), als der Thäter die Rechtsverletzung durch eine absichtliche Handlung bewirkt hat“.39 Diese Gedanken entsprachen ebenfalls einem modernen und liberalen Strafrechtsverständnis, welches die Gedanken der Aufklärung zunehmend kodifizierte.40 Die Frage der richtigen Bestrafung war der zweite Schwerpunkt in den Vorbemerkungen des Entwurfs. Jedes Strafmittel musste ein „wirkliches Uebel“ für

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Vgl. Vormbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, S. 109. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 12. Jeremy Bentham wurde 1748 geboren und starb 1832. Er war ein englischer Jurist, Philosoph und Sozialreformer. Neben seiner utilitaristischen Ethik, die das Allgemeinwohl zum moralischen Leitprinzip erhob, war Bentham als Jurist Anhänger des Rechtspositivismus und vertrat als Straftheorie den Gedanken der Generalprävention. Die Verfasser stellten die Maxime Benthams „le plus grand bien du plus grand nombre“ deutlich in den Motiven zum Entwurf heraus, vgl. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 13. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 13. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 15. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 14. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 14. Vgl. Vormbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, S. 63.

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den Verbrecher enthalten. Gleichzeitig durfte die Strafe aber zu keiner Verrohung der Gesellschaft insgesamt führen. Entsprechend sei jede Strafe abzulehnen, welche „die sittliche Natur des Menschen entwürdigt oder das sittliche Gefühl beleidigt.“41 Grausame Strafen lehnten die Verfasser daher kategorisch ab, da Sinn und Zweck der Strafe sein müsse „den Einzelnen, der sie duldet, zu bessern“ und „im Allgemeinen die sittliche Ordnung“ zu fördern.42 Abschließend rückte die Entwurfsbegründung die Frage der Strafzumessung ins Zentrum. Sie stellte fest, dass nicht „alle Rechtsverletzungen ihrer Schwere und Größe nach gleich sind“.43 Die Mannigfaltigkeit der Lebenssachverhalte mache daher absolute Strafbestimmungen untragbar. Gleiches gelte für die Schuldebene. Auch hier sei „der Grad der Verschuldung so verschieden, dass es den sittlichen Gründen und Zwecken der Strafe und daher auch der Idee der Gerechtigkeit widerstreiten würde, dieselbe That stets mit derselben Strafe zu belegen“.44 Entsprechend muss „dem richterlichen Ermessen ein gewisser Spielraum gelassen werden“.45 Der letztgenannte Verweis ist insoweit interessant, als über weite Strecken des 19. Jahrhunderts hinweg der Gesetzgeber darum bemüht war46, den Bereich des richterlichen Ermessens so weit wie möglich einzuengen. Dagegen betrachteten die Verfasser im Bereich der Strafzumessung das richterliche Ermessen als das beste Instrument, ein gerechtes Verhältnis zwischen Schuld und Strafe herzustellen. Dies, obwohl der Richterberuf zur damaligen Zeit sehr politisiert und eine richterliche Unabhängigkeit nicht vorhanden war.47

C) Der Allgemeine Teil des Entwurfs Der Allgemeine Teil des Entwurfs umfasste insgesamt 73 Paragraphen, die ihrerseits in 9 Titel unterteilt waren. Vorangestellt war unter dem zweiten Titel „Umfang des Gesetzbuches“ die Regelung des räumlichen, persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs des Gesetzes. Der zweite Titel „Von den Strafen“ bildete einen der Schwerpunkte des Allgemeinen Teils und regelte mit 15 Paragraphen das Strafsystem des Entwurfs. Der dritte Titel widmete sich den

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Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 14. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 14. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 14. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 14. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 14. Vgl. Vormbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, S. 73. Vgl. Vormbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, S. 90.

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Schuldformen und unterschied hierbei zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Ferner enthielt er Regelungen zur Zurechnung und zur Frage der Schuldunfähigkeit. Die Vorschriften zur Vollendung und zum Versuch waren im vierten Titel erfasst. Gegenstand des fünften Titels war die Frage nach der Strafbarkeit von Täterschaft und Teilnahme. Dabei differenzierte der Entwurf zwischen (Mit-)täterschaft, Anstiftung und Beihilfe. Der sechste Titel befasste sich mit Regelungen zur Konkurrenz mehrerer Straftatbestände, wobei zwischen Tateinheit und Tatmehrheit unterschieden wurde. Bemerkenswert war hier die in § 55 geregelte Möglichkeit des Richters, die Strafe in begründeten Ausnahmefällen herabzusetzen. Strafzumessungsregelungen fanden sich im siebten Titel, während der achte Titel Gründe aufzählte, die eine Strafbarkeit ausschließen oder zu einer Tilgung derselben führten. Der abschließende neunte Titel umfasste einige Legaldefinitionen, wie z.B. die Frage, was als eine Waffe anzusehen war (§ 73).

I. Einteilung der strafbaren Handlungen Eine Unterscheidung zwischen Delikten in Verbrechen und Vergehen lehnten die Verfasser ab. Diese Einteilung war Gegenstand mehrerer Kodifizierungen geworden. Dabei orientierten sich diese Gesetze zumeist an dem unter Napoleon entstandenen Strafgesetzbuch des französischen Kaiserreichs (Code Pénal), der eine Dreiteilung der Handlungen in Übertretung, Vergehen und Verbrechen vorsah.48 Die Zuordnung der Delikte erfolgte über die Strafandrohung. Vielfach führte diese Einteilung dazu, dass Verbrechen und Vergehen insbesondere bei der Gerichtszuständigkeit unterschiedlich behandelt wurden.49 Ein solches Vorgehen wiesen die Verfasser mit der Begründung zurück, dass diese Trichotomie keinen Einfluss auf die Bestrafung habe und somit auch „gar keine praktische Bedeutung“.50 Eine dergestaltige Einteilung der strafbaren Handlungen führe letztlich nur zu „einer unangenehmen Wiederholung und Weitschweifigkeit in der Fassung, wenn man alleine des Namens wegen einen Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen gesetzlich feststellen will“.51 Diese Auffassung war auch Ausdruck der überwiegenden Mehrheit der damaligen Rechtswissenschaft. Insbesondere Mittermaier sprach der Unterteilung jegliche Zweckmäßigkeit ab.52 48 49 50 51 52

Vgl. Mantovani, Die Verjährung der Strafe, S. 27. Vgl. Reber, Ueber den Begriff von Verbrechen und Vergehen und deren rechtliche Folgen, S. 27. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 22. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 22. Vgl. Kappler, Handbuch der Literatur des Criminalrechts (1838), S. 229.

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II. Geltungsbereich des Criminalgesetzbuchs 1. Räumlicher und persönlicher Geltungsbereich Die §§ 1–3 regelten den räumlichen und persönlichen Geltungsbereich des Criminalgesetzbuchs. Dem Strafgesetz unterworfen waren nach § 1 des Entwurfs alle Untertanen des Herzogs, als auch alle Ausländer, soweit die betreffende Straftat im Inland begangen wurde. Untertanen des Herzogs, die eine Straftat im Ausland verübt hatten, waren nach den Bestimmungen des § 2 ebenfalls dem Strafgesetz unterworfen. Diese Regelung brach mit der bisherigen Praxis im Herzogtum, wonach die Strafgesetzgebung des Ortes der Straftat Anwendung fand, sofern diese milder war als die eigene Strafandrohung.53 Begründet wurde dieser Paradigmenwechsel mit der letztlich praktischen Erwägung, dass die Anwendung fremder Gesetze schwierig sei, da deren Kenntnis bei den einheimischen Gerichten nicht vorauszusetzen sei.54 Eine Ausnahme im persönlichen Geltungsbereich sah der Entwurf unter § 3 für Straftaten von Militärangehörigen vor, die im Felde begangen wurden. Die Anwendung der härteren Regeln des Militärstrafrechts für Verbrechen begründeten die Verfasser mit der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Disziplin und der inhärenten Gefahr, die von bewaffneten Soldaten im Kriegsgebiet ausgehe.55

2. Nullum crimen, nulla poena sine lege Unter dem Titel „Anwendungsregel“ stellte der Entwurf zunächst klar, dass auch ein Unterlassen die Strafbarkeit begründen kann. Entgegen dem auf Feuerbach zurückgehenden Grundsatz „nullum crimen sine lege“ erlaubte der Entwurf ausdrücklich eine „Gesetzesanalogie“, nach der ein bestimmtes Strafgesetz auf eine nicht ausdrücklich mit Strafe bedrohte Handlung wegen völliger Gleichheit des Grundes angewendet werden konnte. Eine reine Rechtsanalogie56 lehnte der Entwurf hindessen ab.57

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Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 23. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 23. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 23. Gesetztesanalogie beudeutet die sinngemäße Anwendung einer Rechtsnorm auf einen nicht im Gesetz erwähnten Tatbestand. Wird dagegen der Regelungsgehalt mehrerer Normen auf einen bestimmten Tatbestand angewendet, der auch nach Auslegung dieser Normen nicht von diesem erfasst wird, so ist eine Rechtsanalogie gegeben. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 24.

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Die Normierung eines Analogieverbotes bzw. die Festschreibung des Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege“, wie sie in der bayrischen und oldenburgischen Strafgesetzgebung58 erfolgt war, fand in dem Entwurf keine Berücksichtigung. Die Verfasser verwiesen in den Motiven für diese – dem liberalen Grundgedanken dieses Entwurfs eher widersprechende – restriktive Haltung auf zwangsläufig entstehende Strafbarkeitslücken, die dem Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung zuwiderliefen. Ebenfalls bemerkenswert in diesem Kontext ist die Bezugnahme auf die Praxis der Verhängung außerordentlicher Strafen im gemeinem Recht59, verbunden mit der Feststellung, dass diese Praxis sich bewährt habe.60 Eine Gefahr für eine überbordende Strafausweitung durch die Auslegungsregelung des § 4 drohte ausweislich der Erläuterungen zum Entwurf auch deswegen nicht, weil „die Anwendung der Strafgesetze mit wissenschaftlich gebildeten Rechtsgelehrten besetzten Richter-Collegien anvertraut und jedem Verurtheilten die Berufung an ein höheres Gericht gestattet ist“.61

III. Das Strafensystem Im zweiten Titel widmete sich der Entwurf dem System der Strafen und deren Vollziehung. Insgesamt führte das Strafsystem des Entwurfs mit der Todesstrafe, der Freiheitsstrafe, der Geldstrafe und dem Verweis vier Strafarten auf. Die Freiheitsstrafe war für die meisten der Straftaten als Rechtsfolge vorgesehen. Der Entwurf unterschied hierbei unter § 8 zwischen Kettenstrafe, Zuchthaus, Zwangsarbeit und Gefängnis. Darüber hinaus gab es mit der Dienstenthebung / Dienstentlassung eine spezielle Straftart für Amtsverbrechen. Als Nebenstrafen waren nach dem Entwurf die Konfiszierung und die polizeiliche Aufsicht vorgesehen. Das Strafensystem des Entwurfs zeichnete sich gegenüber anderen Partikularrechtsordnungen durch eine vergleichsweise Milde aus.62 Der Anwendungsbereich der Todesstrafe war auf die Tatbestände von Mord und Hochverrat beschränkt. Die Todesstrafe fand sich zwar ebenso in den Tatbeständen für Meineid (§ 135 Nr. 1), Verfälschung oder Unterdrückung von Urkunden (§ 143), Mißhandlung der Angeschuldigten und Zeugen (§ 275 Nr. 1) und

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Vgl. Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 18 ff. Vgl. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 166 ff. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 24. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 24. Vgl. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 321 ff.

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Beugung des Rechts (§ 279), allerdings nur für den Fall, dass durch die Handlungen „die Hinrichtung eines Unschuldigen beabsichtigt und bewirkt ist“. Diese Handlungen bewerten die Verfasser als „höchst verabscheuungswürdige Art des Mordes“.63 Die Freiheitsstrafe bildete den Hauptanwendungsfall des Strafensystems. Deren „zweckmäßige und gehörige Abstufung“ war ausweislich der Motive einer der Schwerpunkte der Gesetzgebung.64 Die Geldstrafe hatte, „da wenige Criminalverbrechen so gering und noch weniger Verbrecher so zahlfähig sind“, im Strafensystem nur eine untergeordnete Bedeutung.65 Gleiches galt für den Verweis. Dieses Strafübel fand im Strafsystem nur in den Fällen mit sehr geringer Schuld Anwendung, bei der auch mangels Zahlungsfähigkeit eine Geldstrafe ausgeschlossen war.66

1. Strafarten und deren Vollziehung a) Die Todesstrafe aa) Legitimation Der Entwurf stellte die grundsätzliche Legitimation der Todesstrafe nicht in Frage. Er verwies hierbei auf den Stand der jüngsten Rechtswissenschaft, welche die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe nicht in Abrede stellte und auf die breite Akzeptanz dieses Strafübels in der Volksansicht.67 Da die Todesstrafe überdies auf die Tatbestände des Mordes und des Hochverrats beschränkt war, sahen die Verfasser keinen Raum mehr für eine Diskussion über die rechtliche Zulässigkeit dieser Strafe.68 Allerdings differenzierten die Motive zwischen der Rechtmäßigkeit der Todesstrafe und deren Entbehrlichkeit. Zur Problematik der Entbehrlichkeit erfolgte eine recht umfangreiche Erörterung. Im Ergebnis bejahten die Verfasser die Unentbehrlichkeit der Todesstrafe. Zur Begründung nannten sie drei wesentliche Punkte. Zum einen würde der Wegfall der Todesstrafe den Eindruck einer Milde hervorrufen, welche das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung verletze.69

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Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 31. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 17. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 17. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 41. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 31. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 31. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 31.

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Zum anderen könne ein kleiner Territorialstaat wie Braunschweig die Todesstrafe nicht aufgeben, während alle angrenzenden Staaten diese beibehielten. Dies führe letztlich zu einer Gefährdung von Staat und Untertanen.70 Schließlich argumentierten die Verfasser mit den negativen Erfahrungen anderer Staaten, die sich von der Todesstrafe abgekehrt hatten. Explizit nannte er hier die Strafrechtsreformen in Russland71, Österreich72 und dem Großherzogtum Toskana.73 Nach Überzeugung der Verfasser waren die für die Todesstrafe eingeführten Surrogate entweder wie in Russland74 grausamer als diese, oder hätten wie in Österreich oder in der Toskana den angestrebten Zweck verfehlt, so dass in diesen Staaten die Todesstrafe wiedereingeführt werden musste. Trotz der umfangreichen Argumentation für die Beibehaltung der Todesstrafe waren die Verfasser des Entwurfs keine unbedingten Anhänger dieses ultimativen Strafübels. Vielmehr lagen diesem Ergebnis rein rationale Erwägungen zugrunde. Dies lässt sich insbesondere folgender Aussage in den Ausführungen zur Legitimation der Todesstrafe entnehmen: „So sehr jeder Menschenfreund wünschen wird, die Todesstrafe aus den Criminalgesetzbüchern verschwinden zu sehen, so ist daher doch für jetzt dieses Ziel noch nicht zu erreichen. Es läßt sich vielmehr mit Gewißheit annahmen, daß man sich nicht diesem Ziele nähern, sondern von ihm entfernen würde, wenn man schon jetzt die Todesstrafen ganz aufheben wollte, denn deren Wiedereinführung könnte nicht ausbleiben.“75

bb) Vollzug der Todesstrafe Der Vollzug der Todesstrafe sollte nach § 7 des Entwurfs durch öffentliche Enthauptung erfolgen. Die Motive thematisierten in diesem Zusammenhang auch die Alternative einer Vollstreckung durch Erhängen. Die für die Enthauptung historisch vorgetragenen Gründe der Zweckmäßigkeit und Humanität waren ausweislich der Motive – im Vergleich zum Erhängen – eher zweifelhaft. Allerdings sprach gegen einen Tod durch den Strang, dass diese Art der Todesstrafe im Herzogtum keine praktische Bewandtnis mehr hatte und zudem für Verwandte des Verbrechers als „besonders schimpflich“ empfunden wurde. Zudem

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Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 31. Vgl. Schubert, Handbuch der Allgemeinen Staatskunde von Europa (1835), S. 332 ff. Vgl. Hähnchen, Rechtsgeschichte, S. 286 ff. Vgl. Hähnchen, Rechtsgeschichte, S. 286 ff. Vgl. Schnitzler, Geschichte des Russischen Reiches (1855), S. 150; Der Straftäter sollte mit der Knute ohne Erbarmen getraft werden, was dann ebenfalls zum Tod führte. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 31.

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hatte nach Überzeugung der Verfasser die Enthauptung eine deutlich größere Abschreckungswirkung als das Erhängen.76 Zum konkreten Vollzug der Enthauptung trafen die Verfasser bewusst keine spezifische Regelung, damit für den Fall „wenn eine vervollkommnete Maschine in anderen deutschen Staaten zu diesem Zwecke eingeführt werden sollte“, dies auch ohne Gesetzesänderung im Herzogtum Braunschweig erfolgen konnte. Die Guillotine war nach Überzeugung der Verfasser jedenfalls „kein unfehlbares Instrument“. Zudem hätten die Hinrichtungen durch die Guillotine „wenig Imposantes“.77 Die Begründungen zur Art der Vollstreckung machen deutlich, dass der Abschreckungswirkung eine sehr hohe Bedeutung beigemessen wurde. So wurde die Öffentlichkeit der Hinrichtung als offenbar selbstverständlich angesehen und nicht näher begründet. cc) Die Vollstreckung der Todesstrafe in Braunschweig nach 1840 Die Frage nach der Vollstreckung der Todesstrafe auf der Grundlage des Criminalgesetzbuches, hatte im Herzogtum über Jahre keine praktische Bedeutung. Entsprechend war die Todesstrafe zwar im Criminalgesetzbuch festgelegt, es fehlte aber die Anweisung darüber, wie diese Strafe vollstreckt werden sollte. Erst mit der Verordnung vom 16. August 1853 wurden Ausführungsbestimmungen zum § 7 des Criminalgesetzbuches erlassen.78 Danach sollte die Todesstrafe durch Enthauptung mit dem Beil stattfinden. Die Hinrichtung sollte ausweislich § 2 der Verordnung „in einem umschlossenen Raume, wenn thunlich, innerhalb des Hofes einer Gefangenenanstalt stattfinden.“ Zugegen sein sollten bei der Hinrichtung neben dem Staatsanwalt auch der Verteidiger des Verurteilten und auf dessen Verlangen auch ein Geistlicher seiner Konfession.79 Hintergrund dieser plötzlichen Aktivität des Gesetzgebers war der Fall „Dombrowsky“, ein Giftmord, der im Jahr 1853 das Herzogtum bewegte. Da für eine solche Tat nach § 145 (§ 137 des Entwurfs) zwingend die Todesstrafe angedroht war, wurde der Täter vom Schwurgerichtshof am 3. August 1853 zum Tode verurteilt. Eine gegen das Urteil eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde lehnte der Braunschweiger

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Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 35. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 34. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1853), S. 245. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1853), S. 245.

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Cassationsgerichtshof mit Urteil vom 20. September 1853 ab.80 In dem Urteil wurde die Rechtsfrage erörtert, ob die Todesstrafe für den hier geführten Indizienbeweis beschränkt sei. Letztlich wurde eine mögliche Beschränkung vom Gericht mit Verweis auf die Motive des Criminalgesetzbuches zur Todesstrafe verneint und das Todesurteil der Vorinstanz bestätigt.81 Am 14. Oktober wurde die Todesstrafe vollstreckt. Anschließend wurde in Braunschweig bis 1865 nur noch ein weiteres Todesurteil vollstreckt, ebenfalls wegen Mordes.82

b) Freiheitsstrafe Wie in allen Strafgesetzbüchern dieser Zeit stellt die Freiheitsstrafe die dominierende Strafart in dem Entwurf dar. Diese Entwicklung war maßgeblich beeinflusst von den Erkenntnissen der Aufklärung, wonach jede Art der Grausamkeit der Strafe abgelehnt wurde.83 Oberster Zweck der Bestrafung sollte nun nicht mehr ausschließlich die Vergeltung, sondern die Verhinderung zukünftigen Übels sein. Hier setzen sich drei Strafzwecke durch: Die Abschreckung, die Sicherung der Bevölkerung und die Besserung des Verbrechers, wobei der Zweck der Abschreckung im Vordergrund stand.84 Im Lichte dieses Geistes bezeichneten es die Verfasser als Aufgabe des Staates und der Vollzugsbehörden, dahin zu wirken, „daß die Strafen, namentlich die schweren, keine Grausamkeit enthalten, oft schlimmer als der Tod“.85 Gleichzeitig betonten die Motive aber den Abschreckungsgedanken und mahnten, dass „die Freiheitsstrafen immer ein gefürchtetes Übel bleiben müssen, wenn sie wirken sollen“.86 aa) Abstufung und Besonderheiten Der Entwurf sah unter § 8 Kettenstrafe, Zuchthaus, Zwangsarbeit und Gefängnis als zulässige Freiheitsstrafen vor. Diese Unterscheidung entsprach der damaligen Praxis in der Strafgesetzgebung, ein – an die Schwere der Tat gemessenes – System von Freiheitsstrafen zu unterhalten, die sich in der Art des Vollzugs, der Strafdauer und der Nebenfolgen klar voneinander abgrenzten.87

80 81 82 83 84 85 86 87

Sammlung der vom Cassationshof entschiedenen Strafrechtsfälle, Bd. 2, S. 128 f. Sammlung der vom Cassationshof entschiedenen Strafrechtsfälle, Bd. 2, S. 130. Vgl. Schubert, Quellen zum Strafgesetzbuch von 1870, Bd. 2, S. 295. Vgl. Hentig, Die Strafe, Bd. 2. S. 160. Vgl. Wilde, Armut und Strafe, S. 138. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 17. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 17. Vgl. Kleinheyer, Freiheitsstrafen und Strafen mit Freiheitsentzug, S. 105 ff.

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Eine Besonderheit des Entwurfs bestand darin, dass er eine Arbeitspflicht für alle Strafgefangenen vorsah. Die damalige Vollzugspraxis sah eine Arbeitspflicht für Gefängnisinsassen nicht vor.88 Auch die Tradition, dass sich die verschiedenen Freiheitsstrafen durch die Art der Arbeit unterscheiden sollten, durchbrach der Entwurf. Die Motive formulierten das Ziel, dass „künftig alle Sträflinge arbeiten (sollen), und zwar thunlichst auf eine ihren bisherigen Lebensverhältnissen entsprechende Weise, und sie sollen nach diesen ihren Beschäftigungen in Klassen getheilt werden“.89 Dieser Paradigmenwechsel im Entwurf zeigt ein bereits sehr modernes Verständnis der Freiheitsstrafe. Das historische Verständnis der Arbeit als Vergeltung und Zurschaustellung wird hier dezidiert in Frage gestellt. Die Stellung der Arbeitsstrafe im strafrechtlichen System im damals noch vorherrschenden Sinne war eine repressive Reaktion der sich entwickelnden territorialen Machtzentren auf eine soziale Unordnung. Die öffentliche Arbeitsstrafe diente entsprechend als Reaktionsmittel gegen Kriminalität und Armut. Diese Konzeption wurde zunehmend in Frage gestellt mit der Folge, dass der Arbeitszwang als wesentliches Instrument der Einwirkung auf den Strafgefangen mit dem Ziel der Besserung und Resozialisierung betrachtet wurde. Der Entwurf bewegt sich in seiner Ausgestaltung an der Sollbruchstelle des ursprünglichen Verständnisses von der Arbeitsstrafe mit Freiheitsentzug hin zur Freiheitsstrafe mit Arbeitszwang.90 So führten die Motive hierzu aus: „dass Menschen aus den untersten Volksklassen, denen der Kerker keine Schande mehr bringt, sich in vielen Beziehungen leider in der Strafanstalt besser als in der Freiheit befinden. Auf diese wird aber, auch ohne sie körperlichen Qualen zu unterwerfen, gewirkt werden können, besonders durch die strenge Forderung pünktlichen Gehorsams, ausdauernden Fleißes, großer Reinlichkeit, denn diese Dinge verleiden ihnen, auch bei sonst guter Behandlung, den Aufenthalt in den Strafanstalten und sind der wahre Weg zu Besserung.“91

Ausweislich der Motive hatte der neu eingeführte Arbeitszwang für alle Strafgefangenen, ausgerichtet nach der Qualifikation der bisherigen Tätigkeit, zudem den Vorteil, dass eine spezielle Strafart für „gebildete Stände“ wie der Festungsarrest nicht mehr erforderlich war.92 Die Frage der Besserung der Strafgefangenen stand auch bei der Art und Weise des Vollzugs der Freiheitsstrafe im Vordergrund. Hier griffen die Motive die 88 89 90 91 92

Vgl. Kleinheyer, Freiheitsstrafen und Strafen mit Freiheitsentzug, S. 115 ff. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 36. Vgl. Wilde, Armut und Strafe, S. 131. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 17. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 37.

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Viertes Kapitel

damals aufkommende Diskussion über die Wirksamkeit des in Nordamerika praktizierten Pönitentiarsystems auf. Hierbei handelte es sich um ein seit den 1790er Jahren im Gefängnis „Walnut Street“ in Philadelphia vom Arzt Benjamin Rush praktiziertes Einzelhaftsystem. Die Einzelunterbringung der Gefangenen sollte eine intensive Erziehungsarbeit ermöglichen, die mit einem internen System von Belohnung und Bestrafung operierte.93 Dieses System wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert als „Besserungsmittel“ zunehmend auch in europäischen Strafanstalten angewandt. So bemerkte z.B. der deutsche Richter Nöllner im Jahr 1841, dass unter den europäischen „Commissarien“, die zur Prüfung der Haftform nach Nordamerika ausgesendet worden waren, nicht ein Einziger zurückgekommen sei, der nicht dem philadelphischen System den Vorzug gegeben hätte.94 Die Verfasser teilten diese Euphorie nicht. Die von den Befürwortern behauptete geringe Rückfallquote der Straftäter wurde mit Verweis auf die unzureichende Datenlage in Frage gestellt, da die Nachrichten „gar keine Auskunft darüber geben, ob die Entlassenen nicht außerhalb der Provinz, für welche die betreffende Strafanstalt besteht, von neuem bestraft (seien)“.95 Zudem vertraten die Verfasser die Überzeugung, dass die Einzelhaft „eine große Sterblichkeit unter den Sträflingen herbeiführt und nicht selten die Folge hat, die Sträflinge in Wahnsinn zu stürzen“.96 Zur Begründung dieser Ansicht verwiesen sie auf die Geschichte der Mönchsorden der Trappisten und Karthäuser, deren gewählte Lebensform ähnliche Symptome hervorgerufen hätten.97 Gleichwohl war die Einzelhaft bzw. der „einsame Arreste“ nebst Mangelverpflegung bzw. „Fasten“ für die Strafart des Kettenarrestes und des Zuchthauses auch Bestandteil des hier vorgeschlagenen Vollzugssystems. Zweck der Einzelhaft war aber nicht die Besserung des Straftäters, sondern sie diente vornehmlich der Abgrenzung der schweren Straftaten von den geringeren Strafübeln der Zwangsarbeit und des Gefängnisses. Dies war erforderlich geworden, da die Art der Arbeit als klassisches Differenzierungsmerkmal durch den o.g. Paradigmenwechsel obsolet geworden war. Überdies diente das zusätzliche Übel der Einzelhaft den Verfassern als triftige Begründung, die Haftdauer der zeitigen Freiheitsstrafen entsprechend kürzen zu können.98 93 94 95 96 97 98

Vgl. Schauz, Strafen als moralische Besserung, S. 42. Vgl. Nöllner, Die Fortschritte des Pönitentiarsystems in Frankreich, S. VIII. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 37. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 37. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 37. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 38.

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bb) Kettenstrafe und deren Strafrahmen Die Kettenstrafe orientierte sich dem Entwurf nach an der in Braunschweig seit 1785 praktizierten Karrenstrafe.99 Hierbei wurde der Straftäter an ein Arbeitsgerät gekettet und gezwungen, damit öffentliche Arbeiten zu verrichten. Dies waren zumeist Festungsbau und Straßenbauarbeiten. Das Abschreckungsprinzip stand hier klar im Vordergrund. Der Entwurf wählte als höchste Strafart die Kettenstrafe. Deren Vollzug war flexibler und nicht wie die Karrenstrafe einseitig auf schwere öffentliche Arbeit ausgerichtet, was nach der im Entwurf vorgesehenen neuen Maxime des allgemeinen Arbeitszwangs auch nicht mehr zwingend zur Verwirkung der Strafart erforderlich war. Entsprechend kam diese Strafart erstmals im Herzogtum auch für Frauen in Betracht. Bislang konnten diese nur zu Zuchthaus verurteilt werden. Begründet wurde diese Ausweitung der Kettenhaft auf Frauen mit der ansonsten bestehenden Gerechtigkeitslücke und dem Ziel, dass damit „so gefährliche Verbrecherinnen von minder gefährlichen getrennt werden“, was bisher nicht möglich war.100 Neben den Ketten war für die Kettenstrafe alle sechs Monate Einzelhaft für die Dauer von einem Monat vorgesehen. Während der Einzelhaft sollte der Strafgefangene jeden zweiten Tag nicht die übliche Kost, sondern nur Wasser und Brot erhalten. Zudem mussten die Gefangenen eine „ausgezeichnete Kleidung“ tragen. Zweck der Kleidung war es nicht, die „Sträflinge dem Spotte auszusetzen“, sondern eine Abgrenzung zu den übrigen Strafarten, insbesondere zur Zwangsarbeit – die keine Gefängniskleidung vorsah – zu erreichen.101 Die Begründung der Verfasser – die Kettensträflinge nicht dem Spott auszusetzen – unterstreicht noch einmal den zunehmenden Akzeptanzverlust der öffentlichen Strafinszenierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der auch im Strafensystem dieses Entwurfs seinen Niederschlag gefunden hat.102 Die Dauer der Freiheitsstrafen war im Entwurf unter § 9 normiert. Als einzige der vier zulässigen Freiheitstrafen konnte die Kettenstrafe lebenslänglich verhängt werden. Hinsichtlich des Strafrahmens unterschied der Entwurf zwischen einer ordentlichen und einer außerordentlichen Dauer. Diese Unterscheidung zwischen einem ordentlichen und einem außerordentlichen Strafrahmen war

99 100 101 102

Vgl. Fredersdorff, Promtuarium, Bd. 6. S. 454. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 35. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 36. Vgl. Schauz, Strafen als moralische Besserung, S. 39.

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ausweislich der Motive ein bewusster Systembruch gegenüber anderen Strafgesetzbüchern.103 Durch dieses System sollten vom gesetzlichen Strafrahmen auch Fälle erfasst werden, bei denen eine Erhöhung oder Minderung der festgesetzten Strafe notwendig war. Der Entwurf führte hier als Beispiele insbesondere die Fälle der Konkurrenz (für eine Erhöhung) und des Versuchs (für eine Minderung) auf.104 Die bisherigen Lösungsansätze waren dergestalt unbefriedigend, dass häufig vom Richter zur Erfassung der vorgenannten Fälle eine andere Strafart als die/der gesetzlich vorgeschriebene Strafart bzw. Strafrahmen gewählt wurde. Die Motive lassen zudem erkennen, dass der Primat des Gesetzgebers gegenüber dem Richter bezüglich der zu erkennenden Rechtsfolge unbedingt bewahrt werden sollte. So machten die Verfasser deutlich, dass es neben der korrekten Straferfassung wichtig sei, „dem Richter die Wahl der Strafart nicht zu überlassen“.105 Bei der zeitigen Kettenstrafe sah der Entwurf einen ordentlichen Strafrahmen von nicht unter fünf und nicht über fünfzehn Jahren vor. Im Falle der Anwendbarkeit des außerordentlichen Strafrahmens sollte nicht unter drei und nicht über fünfundzwanzig Jahren erkannt werden. Im Vergleich zu anderen Strafrechtsordnungen war die für die ordentliche Dauer angedrohte Höchststrafe von fünfzehn Jahren niedrig. Begründet wurde diese Abweichung damit, dass eine längere Freiheitsstrafe wegen der fehlenden Vorstellungsmöglichkeit des Täters, über dieses zusätzliche Tatmittel keine Abschreckung entfalte. Auch der Besserungsgedanke gehe in diesem Falle fehl, da eine Besserung des Täters die nach fünfzehn Jahren nicht stattgefunden habe, auch nicht über einen deutlich längeren Zeitraum zu erwarten sei.106 cc) Zuchthausstrafe und deren Strafrahmen Die Zuchthausstrafe war in der damaligen Vollzugspraxis mit der Zwangsarbeit vergleichbar. Im Entwurf wurde diese Strafart jedoch verschärft um eine „Mittelstufe“ zwischen Zwangsarbeit und der Kettenstrafe bilden zu können.107 Entsprechend war auch für die Zuchthausstrafe jeden zwölften Monat im Jahr Einzelhaft festgesetzt, wobei das „Fasten“ (Wasser und Brot) nur jeden dritten Tag erfolgen sollte. Eine „ausgezeichnete“ Anstaltskleidung mussten auch die

103 104 105 106 107

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 38. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 38. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 39. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 38. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 38.

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„Züchtlinge“ tragen. Der ordentliche Strafrahmen dieser Strafart sollte nicht unter zwei und nicht über zehn Jahren liegen. Für die außerordentliche Dauer durfte nicht unter ein Jahr und nicht über fünfzehn Jahre erkannt werden.108 dd) Zwangsarbeit und deren Strafrahmen Die Strafart der Zwangsarbeit war die vorherrschende Freiheitstrafe in der Vollzugspraxis im Herzogtum Braunschweig.109 Diesen weiten Anwendungsbereich beabsichtigten die Verfasser auf die „härteren und leichteren Verbrechen, welche Niedrigkeit der Gesinnung voraussetzen und nach der Volksansicht entehren“, einzuschränken.110 Gemeint waren hier insbesondere Vermögensdelikte wie der Diebstahl oder der Betrug. Delikte ohne niedrige Gesinnung wie z.B. Körperverletzungen durch Schlägereien und Verstöße gegen die öffentliche Ordnung sollten dagegen nicht mehr der Sanktion der Zwangsarbeit unterliegen, da die gemeinsame Unterbringung dieser – in ihrer Gesinnung verschiedenen – Täterkreise für letztere als Schande bzw. “große Härte“ empfunden wurde.111 Die Haftdauer der Zwangsarbeit durfte beim ordentlichen Strafrahmen einen Monat nicht unterschreiten und nicht über fünf Jahre verhängt werden. Beim außerordentlichen Strafrahmen lag diese Spanne zwischen nicht unter vierzehn Tagen und nicht über zehn Jahren. ee) Gefängnis und deren Strafrahmen Die Gefängnisstrafe erfuhr dagegen nach der Konzeption des Entwurfs eine Ausweitung in ihrem Anwendungsbereich. Aufgrund des im Entwurf postulierten generellen Arbeitszwang betrachtete dieser die Ausweitung der Gefängnisstrafe gegenüber der bisherigen Praxis als gerechtfertigt.112 Gleichwohl wurde die Einrichtung einer eigenen Strafanstalt für die Gefängnisstrafe angemahnt, damit diese von der Zwangsarbeit deutlich abgegrenzt werden konnte. Der ordentliche Strafrahmen der Gefängnisstrafe sollte nicht unter vierzehn Tagen und nicht über drei Jahren liegen. Im außerordentlichen Bereich durfte nicht unter einen Tag und nicht über fünf Jahre erkannt werden.

108 109 110 111 112

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 36. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 36. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 36. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 36. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 36.

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Viertes Kapitel ff) Verlust der Bürgerrechte

Anknüpfend an die Freiheitsstrafen normierte § 12 des Entwurfes die Nebenfolgen dieser Strafarten. Im Wesentlichen verloren die Strafgefangenen unwiederbringlich sämtliche Bürgerrechte, ausgenommen waren die Straftäter, gegen die lediglich Gefängnisstrafe verhängt worden war. Die Aufnahme des Verlustes der Rechtspersönlichkeit bzw. des bürgerlichen Todes als selbstständige Strafart lehnten die Verfasser ab, da dies systemfremd sei und folglich nur als Nebenfolge in Betracht komme.113 gg) Strafschärfungen Die Möglichkeit von Strafschärfungen bei der Freiheitsstrafe lehnten die Verfasser explizit ab. Strafschärfungen bei Freiheitsstrafen wurden in der damaligen Strafgesetzgebungspraxis noch häufig als geeignetes Mittel verstanden, den angestrebten Besserungszweck der Freiheitsstrafe bei Strafgefangenen zu erreichen.114 Hierbei wurden entehrende Mittel wie die öffentliche Ausstellung, aber auch körperlich wirkende Strafe wie die Züchtigung, Fasten, Dunkelarrest und hartes Lager angewandt. Den behaupteten Besserungszweck dieser Maßnahmen stellten die Motive in Frage, denn da die Strafschärfungen „alleine auf die thierische Natur des Menschen wirken, ist ihr Erfolg mehr entwürdigend, als versittlichend“. Entsprechend sei von diesen Mitteln eine „erhebliche Wirkung für die Criminalrechtspflege nicht zu erwarten“.115 Auf der Disziplinarebene in Strafanstalten, sahen die Verfasser jedoch weiterhin die Notwendigkeit für den Einsatz körperlich wirkender Züchtigungsmittel.116

c) Geldstrafe Im § 13 des Entwurfs war die Geldstrafe geregelt. Die Bedeutung der Geldstrafe als Strafart war im Strafensystem des Entwurfes gering. So fand sie als selbstständige Strafart gar keine Anwendung, sondern wurde in den gesetzlich vorgesehenen Fällen nur alternativ zum Gefängnis angedroht. Hintergrund dieser Zurückhaltung war das Bestreben, auch für vermögende Straftäter ein notweniges Strafübel vorzuhalten, damit „den Reichen nicht gewissermaßen ein Privilegium ertheilt werde, gesetzeswidrige Handlungen zu begehen und sich

113 114 115 116

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 42. Vgl. Zugschwerdt, Die Schärfungen der Freiheitsstrafe, S. 3 ff. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 40. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 40.

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loszukaufen“.117 Das Gericht hatte die Möglichkeit, die Strafe zwischen Gefängnis- und Geldstrafe aufzuteilen, wobei – je nach Vermögensstand des Straftäters – ein Tag Gefängnis zwischen 1 und 10 Reichstalern zu bemessen war. Eine Obergrenze für diese Umwandlungsmöglichkeit sah der Entwurf bei einer Geldstrafe von 2.000 Reichstalern, weil „alsdann eine so bedeutende Strafbarkeit eintritt, daß Geldstrafe kein ausreichendes Strafübel ist, und weil überhaupt große Geldsummen kein zweckmäßiges Strafmittel auf dem Gebiete des Criminalrechts sind“.118

d) Die sonstigen Strafen Als weitere Strafen sah der Entwurf noch den in § 14 geregelten Verweis und die in § 15 angedrohte Dienstentsetzung / Dienstentlassung als selbstständiges Strafübel im Bereich der im dritten Teil der besonderen Bestimmungen geregelten Amtsverbrechen vor. Der Verweis hatte in dem Strafenkatalog des Entwurfs nur eine sehr nachrangige Funktion. Vornehmlich sollte er die Fälle erfassen, wo „jedes andere Strafübel zu hart und gänzliche Straflosigkeit doch auch bedenklich sein würde“.119 Als mögliche Anwendungsfälle für diese Strafart führten die Motive Fälle der leichten Fahrlässigkeit und des Notwehrexzesses auf.120

e) Nebenstrafen Zu den Nebenstrafen zählte der Entwurf die Confiscation (§ 16), die polizeiliche Aufsicht (§ 17), die Landesverweisung (§ 18) sowie die Bekanntmachung der Vollziehung der Strafe (§19). Durch die Regelung der Konfiskation wurde der Staat in die Lage versetzt, sämtliche wirtschaftlichen Vorteile aus den Straftaten abzuschöpfen.121 Unter polizeiliche Aufsicht gestellt werden konnten Straftäter ausweislich § 17, wenn sie die öffentliche Sicherheit und Sittlichkeit gefährdeten. Die Dauer der 117 118 119 120 121

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 40. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 41. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 41. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 41. Der Regierungsentwurf entschied sich bei der Konfiskation für eine enge Fassung der Norm. So beschränkte der Entwurf die Konfiskation ausdrücklich auf Gegenstände, die im Eigentum des Verbrechers standen oder die vom Eigentümer wissentlich zur Verübung des Verbrechens hingegeben worden waren. Ein umfassender Überblick über die verschiedenen Regelungen der Konfiskation in den Partikularstrafgesetzbüchern findet sich in: Arnold, Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung, S. 6 ff.

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Aufsicht durfte nicht weniger als ein Jahr und nicht mehr als fünf Jahre betragen und musste gerichtlich festgestellt werden. Rechtliche Folge der polizeilichen Meldepflicht waren eine auf den Wohnort eingeschränkte Bewegungsfreiheit und umfangreiche Meldepflichten. Für Ausländer bestimmte § 18 für den Fall, dass der Tatbestand der polizeilichen Aufsicht erfüllt war, die Landesverweisung. Diese Vorschrift war im Vergleich zu ähnlichen Regelungen in Nachbarstaaten milde, da diese meistens die Landesverweisung als Folge jedes Verbrechens eines Ausländers vorsahen. Diese Zurückhaltung begründeten die Motive mit der territorialen Verschränkung der vielen kleinen Staaten, die eine weite Anwendung der Landesverweisung unbillig und unzweckmäßig erscheinen lasse.122 Polizeiliche Befugnisse, einen Landesverweis anzuordnen, blieben von dieser strafrechtlichen Regelung unberührt. Im Unterschied zu letzteren hatte der strafrechtliche Landesverweis bei Zuwiderhandlung / Rückkehr eine Strafbarkeit nach § 116 (Rückkehr eines Verwiesenen) bzw. § 117 (Überschreitung der Begrenzung) zur Folge. Die Bekanntmachung des Vollzugs der Strafe sollte nach § 19 bei Zuchthausstrafen oder darüber hinausgehenden Strafen, in Fällen der polizeilichen Aufsicht und der Landesverweisung erfolgen. Diese Vorschrift diente durch die gewollte Stigmatisierung des Täters vornehmlich der Abschreckung. In den Fällen der polizeilichen Aufsicht und des Landesverweises stand dagegen das Sicherungsinteresse der Bevölkerung im Vordergrund.

2. Zusammentreffen mehrerer Strafen Abschließend traf der Entwurf Regelungen für den Fall eines Zusammentreffens mehrerer Strafen (§ 20). Sinn und Zweck dieser Vorschrift war insbesondere die Vermeidung von Lücken im Strafvollzug bei Tätern, die bereits zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden waren, aber vor deren Vollzug weitere Straftaten begangen hatten. Da die bereits erkannte Strafart der lebenslangen Kettenhaft die folgenden geringeren Strafübel ohne weitere Folgen für den Täter konsumiert hätte, war ausweislich der Motive die Vorschrift des § 20 notwendig geworden.123 Entsprechend ordnete sie für solche Fälle eine Verschärfung beim Vollzug der bereits erkannten lebenslangen Kettenhaft durch längere Einzelhaft an. Darüber hinaus formulierte die Norm Grundsätze für die Strafartbestimmungen im Falle einer Kumulation unterschiedlicher Strafübel. In solchen Fallgestaltungen musste die schwerste Strafart Anwendung finden und die übrigen Strafen 122 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 41. 123 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 42.

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sollten über ein in der Norm aufgeführtes System abgestuft auf die Dauer angerechnet werden.124 Hierbei durfte jedoch die Höchstgrenze der außerordentlichen Dauer bei der angewandten Strafart nicht überschritten werden.

IV. Schuldformen und Zurechnung Im dritten Abschnitt des Allgemeinen Teils (§§ 21–28) widmete sich der Entwurf den „Allgemeinen Bedingungen der Strafbarkeit“. Ausweislich der Motive stellte dieser Abschnitt den „eigentlichen Anfang der Abhandlungen der Materien des Criminalrechts selbst“ dar. Die systematische Stellung dieses Kapitels am Anfang der eigentlichen strafrechtlichen Regelungen war bewusst gewählt, da dieser Abschnitt „die ersten Grundbedingungen aller Strafbarkeit enthält, theils weil dadurch die Ansicht mehr hervortritt, von welchem Standpunkt aus der Gesetzgeber seine Aufgabe auffasst“.125

1. Die Schuldformen Der Entwurf sah als Schuldformen den bösen Vorsatz und die Fahrlässigkeit vor. Nur deren Vorliegen neben der Verletzung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes126 sollten eine Strafbarkeit begründen. Diese Prämisse war unter § 21 als allgemeiner Grundsatz dem Abschnitt vorangestellt: „Nur wer aus bößem Vorsatze oder, in den besonders bestimmten Fällen, aus Fahrlässigkeit das Strafgesetz übertritt, ist strafbar.“

Die Verfasser folgten hier offensichtlich der vom Prinzip der Willensfreiheit des verantwortlichen Menschen getragenen Verbrechenslehre, die bei Pufendorfs Imputationslehre ihren Ausgangspunkt gefunden hatte.127 Die im gemeinen 124 Es galt bezogen auf das Mimimum der Teilbarkeit der Freiheitsstrafen (§10) folgende Berechnung: 3 Monate Kettenhaft entsprachen 4 Monate Zuchthaus, 24 Wochen Zwangsarbeit und 8 Monate Gefängnis; 1 Monat Zuchthausstrafe entprach 6 Wochen Zwangsarbeit und 2 Monaten Gefängnis. 125 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 20. 126 Der Begriff des Rechtsgutes war in der heute bekannten Form zum Zeitpunkt der Entstehung des Regierungsentwurfs noch nicht geläufig. Damals konnten nur private oder staatliche Rechte Gegenstand von Verletzungen seien. Birnbaum führte den Begriff des Gutes erstmals 1834 in die Strafrechtstheorie ein. Hierbei stellte er heraus, dass neben Rechten, auch Güter, die Gegenstand von Rechten sind, verletzt werden könnten. Allerdings setzte sich der Rechtsgüterschutzgedanke erst Ende des 19. Jahrhunderts unter Einfluss Bindings formell durch. Entgegen seiner ursprünglichen Intention eröffnete dieser Gedankengang durch die unscharfe Definitionsmöglichkeit eine Expansion des Strafrechts., vgl. Vormbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, S. 51 ff. 127 Vgl. Greve, Verbrechen und Krankheit. Die Entdeckung der „Criminalpsychologie“ im 19. Jahrhundert, S. 211 ff.

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Recht noch übliche volle strafrechtliche Haftung bei doloser Deliktsbegehung war Anfang des 19. Jahrhunderts in der strafrechtlichen Wissenschaft und der darauf anknüpfenden Gesetzgebung bereits vollkommen überwunden.128 Die Notwendigkeit einer subjektiven Ebene zur Begründung einer strafrechtlichen Haftung bezeichneten die Verfasser bereits in den Vorbemerkungen als eine unabdingbare Maxime dieser Gesetzgebung: „Der Handelnde darf nur insofern als Verbrecher angesehen werden, als ihm die Handlung selbst zur Schuld angerechnet werden kann.“129

Die Fahrlässigkeit war nur in gesetzlich bestimmten Fällen strafbar. Die Verfasser stellten zwar fest, dass „(die Fahrlässigkeit) bei fast allen Rechtsverletzungen dem Begriffe nach möglicherweise vorkommen (kann)“, gemäß der kohärenten strafgesetzlichen Praxis sollte auch in diesem Entwurf die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit vornehmlich „bei den Verbrechen, welche Beschädigungen bewirken“ in Betracht kommen.130

a) Der böse Vorsatz Die Schuldform des „bösen Vorsatz“ regelte der Entwurf in § 22. Zur gesetzlichen Erfassung dieses subjektiven Elements gab es in der damaligen Gesetzgebungspraxis zwei konkurrierende Systeme auf die auch die Verfasser in den Motiven Bezug nahmen. Die Schwierigkeiten bei der Eingrenzung des dolusBegriffes, welche die Strafrechtswissenschaft bis zum heutigen Tag bewegt, führte bei einigen Strafgesetzgebungen zur Konsequenz, auf eine Legaldefinition des Vorsatzes zu verzichten und nur Umstände festzustellen, die diesen ausschlossen. Eine solche Lösung lehnten die Verfasser ab. Auf eine Legaldefinition für dieses entscheidende Element der Strafbarkeit könne nicht verzichtet werden, da „gerade wegen der Ungewißheit der jetzigen Doktrin dieser die Begriffsbestimmung hier nicht überlassen werden kann“.131 Überdies hegten die Verfasser die Befürchtung, dass eine fehlende gesetzliche Konkretisierung der Vorsatzdefinition am Ende dazu führe, „dass künftige Zeiten möglicherweise noch bedenklichere und durch nur negative Bestimmungen nicht im Voraus zu beseitigende Ansichten über diesen Gegenstand erzeugen können“.132 Entsprechend definierten die Verfasser den bösen Vorsatz wie folgt: 128 Vgl. Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen in ihrer Entwicklung durch die Wissenschaft des gemeinen Strafrechts, S. 94, 107. 129 Motive und Bemerkungen, S. 187. 130 Motive und Bemerkungen, S. 186. 131 Motive und Bemerkungen, S. 187. 132 Motive und Bemerkungen, S. 187.

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„Wer sich zu einer Handlung oder Unterlassung, durch welche das Strafgesetz übertreten wird, mit Absicht bestimmt, ist als vorsätzlicher Verbrecher zu strafen.“133

Die Legaldefinition war bewusst eng gehalten. Zusätzliche – damals häufig aufgeführte – Merkmale wie z.B. das Erfordernis des Bewusstseins von der Rechtswidrigkeit der Tat, bezeichneten die Verfasser als „überflüssig“, da sich sämtliche zusätzliche Merkmale entweder auf die „Lehre von der Zuordnung oder von der Unkenntnis der Gesetze“ bezögen.134 Neben dieser Auseinandersetzung mit den damals bestehenden Vorsatztheorien bzw. Definitionen, stützten die Verfasser ihre Definition des „bösen Vorsatzes“ auch auf die korrespondierenden Legaldefinitionen der bereits seit längerer Zeit „erprobten“ Strafgesetzbücher Preußens, Bayerns und Österreichs. Diese würden mit der Vorsatzbestimmung des Entwurfs in ihrem „Wesen“ übereinstimmen. Entsprechend lasse sich die „praktische Brauchbarkeit“ nicht bezweifeln.135

b) Vorsatzformen und Irrtumslehre In den Motiven nahmen die Ausführungen zur Beurteilung der verschiedenen Vorsatzformen und zur Irrtumslehre einen großen Raum ein. Deren Schlussfolgerungen und Überzeugungen fanden auch teilweise mit dem § 23 Eingang in die gesetzlichen Regelungen des Entwurfes. Auffallend ist, dass sich die Motive zur Veranschaulichung der Überlegungen verschiedener Fallgestaltungen bedienten. Hier zeigt sich deutlich das Bemühen, komplizierte Sachverhalte möglichst plastisch darzustellen. Diese Intention ist vermutlich auch dem Adressatenkreis des Entwurfs geschuldet, da der Großteil der Ständeversammlung keine spezifische juristische Ausbildung aufwies. Der Entwurf normierte in § 23 Abs. 1, dass sowohl der alternative (dolus alternativus) als auch der unbestimmte Vorsatz (dolus eventualis) gleich dem bösen Vorsatz zu bewerten waren. Eine obligatorische Strafmilderung für den dolus eventualis lehnten die Motive mit Verweis auf die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit der Strafherabsetzung ab.136 Der zweite Absatz des § 23 behandelte die Frage der rechtlichen Beurteilung des erstmals von Feuerbach137 entwickelten culpa dolo determinata, der die

133 134 135 136 137

§ 22, Entwurf von 1839. Motive und Bemerkungen, S. 187. Motive und Bemerkungen, S. 188. Motive und Bemerkungen, S. 188. Vgl. Feuerbach, Lehrbuch (1812), S. 58 ff.

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heute als erfolgsqualifizierte Delikte bekannten Fälle betraf. Das Besondere dieser Fälle besteht darin, dass durch die vorsätzliche Begehung des Grunddeliktes eine besondere Tatfolge herbeigeführt wird. Somit wird der als Vorsatzdelikt strafbare Grundtatbestand durch die schwere Folge qualifiziert.138 Da das strafschärfende erfolgsqualifizierte Delikt zum Zeitpunkt des Entwurfs noch nicht existierte, gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die durch das Grunddelikt ausgelöste Tatfolge ebenfalls vom Vorsatz erfasst wurde, oder ob dem Täter nur das Vorsatzdelikt und in idealer Handlungseinheit Fahrlässigkeit bezüglich der Tatfolge vorgeworfen werden konnte. Die Verfasser folgten der letzteren Ansicht.139 Dem damals häufig vorgebrachten rechtspolitischen Einwand, die Täter würden sich ohne einen unterstellten Vorsatz durch Leugnung der Absicht der Tatfolge einer härteren Bestrafung entziehen, entgegneten die Verfasser, dass „man unmöglich, des allgemeinen Besten wegens, Jemanden, der nur wegen Fahrlässigkeit zu strafen ist, als vorsätzlichen Verbrecher behandeln, und zwar um so weniger, als die Besorgnis, die Schuldigen würden sich durch Leugnen der Strafe entziehen, in diesem Fall nicht begründeter, wie in jedem andern ist, und überhaupt unbegründet sein möchte.“140

Die hier aufgezeigte Haltung macht deutlich, dass die Verfasser grundsätzlich eine stringente strafrechtliche Dogmatik über rechtspolitische Erwägungen stellten, auch wenn diese in manchen Konstellationen zu „Härtefällen“ bzw. unpopulären Ergebnissen führten. Der dritte Absatz des § 23 stellte klar, dass der error in persona vel in obiecto den Vorsatz nicht ausschließt. Die zu diesem Absatz in den Motiven aufgeführten Fallbeispiele behandelten auch die Konstellation der sog. aberratio ictus, wobei hier richtigerweise festgestellt wurde, dass dieser Irrtum eine Strafbarkeit wegen eines vollendeten vorsätzlichen Delikts ausschließt und daher nur eine Bestrafung wegen Versuchs und ggf. Fahrlässigkeit in Betracht kommt.141

c) Fahrlässigkeit § 24 des Entwurfs umfasste die Vorschrift zur Fahrlässigkeit. Auch hier wählte der Entwurf die Möglichkeit der folgenden Legaldefinition:

138 139 140 141

Vgl. Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte und verwandte Erscheinungsformen, S. 52. Motive und Bemerkungen, S. 188. Motive und Bemerkungen, S. 189. Motive und Bemerkungen, S. 190.

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„Wer ohne Absicht, jedoch aus Mangel an Aufmerksamkeit oder Ueberlegung das Strafgesetz übertritt, ist wegen Verbrechens aus Fahrlässigkeit zu strafen.“142

Die Verfasser verzichteten bewusst auf eine genaue gesetzliche Bestimmung der einzelnen Fahrlässigkeitsgrade, da es „unmöglich ist, hierin etwas Vollständiges zu liefern“.143 Überdies „wird eine solche allgemeine Bestimmung überflüssig, wenn nur in einzelnen bestimmten Fällen Strafe wegen Fahrlässigkeit eintreten soll“.144 Konsequenterweise fehlten im Entwurf neben der Legaldefinition weitere Ausführungen zu deren Konkretisierung. Laut den Motiven erschien es zudem nicht ratsam, hinsichtlich des Verhältnisses der Strafen vorsätzlicher Verbrechen zu fahrlässigen Straftaten eine allgemeine Regel aufzustellen. Eine solche Vorgehensweise hätte zur Folge gehabt, die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit lediglich nach dem Erfolgsunwert zu messen. Das Willenselement sollte auch bei der fahrlässigen Straftat den Schwerpunkt des Strafvorwurfs abbilden. Entsprechend forderten die Verfasser die fahrlässig begangenen Verbrechen „nicht allein nach dem Erfolge, sondern hauptsächlich nach der Größe der Gefährlichkeit der Handlung an sich, welche die Rechtverletzung herbeiführte, zu bestrafen“.145

2. Zurechnung Die Regelungen der Zurechnung fasste der Entwurf in vier Paragraphen (§§ 25–28) zusammen. Die Frage, wann eine generelle Nichtzurechnungsfähigkeit der Tat vorliegt, regelte der § 25. Die folgenden Vorschriften nannten Tatbestände, bei denen eine Zurechnung trotz subjektiver Fehlvorstellung erfolgt (Wahn, Rechtsunwissenheit und Irrtum in Thatsachen, § 26) bzw. ausgeschlossen ist (Zwang und Notstand, §§ 27, 28).

a) Strafausschließungsgründe Als absolut straffrei galten nach § 25 des Entwurfs Kinder unter 14 Jahren und Personen, die aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit nicht in der Lage waren, einen freien Willen zu bilden.

142 143 144 145

§ 24, Entwurf von 1839. Motive und Bemerkungen, S. 191. Motive und Bemerkungen, S. 191. Motive und Bemerkungen, S. 191.

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Bemerkenswert war hier die Festsetzung der Straffreiheitsgrenze auf das 14. Lebensjahr. Diese Regelung war im Vergleich zu anderen jüngeren Strafrechtsordnungen146 sehr liberal. Die gewählte absolute Altersgrenze für die Straffreiheit unterschied sich auch vom gemeinem Recht, welche dem Richter die Entscheidung überließ, ob ein Jugendlicher im Alter zwischen dem siebten und 14. Jahr für zurechnungsfähig erklärt werden konnte.147 Die Motive zu dieser Vorschrift lassen erkennen, dass die Verfasser Kindern unter 14 Jahren die strafrechtlich notwendige Willensfreiheit absprachen.148 Das 14. Lebensjahr wurde als Altersgrenze gewählt, weil „es für die große Mehrzahl der Bevölkerung ein wichtiger Lebensabschnitt und der Zeitpunkt ist, wo dieselbe nach geschehener Confirmation das elterliche Haus verläßt und eine eigene Laufbahn beginnt“.149 Als weiteren Grund für diese Entscheidung führten die Verfasser die größere Wirksamkeit polizeilicher Maßregelungen für strafrechtlich gewordene Kinder gegenüber dem Strafvollzug an. Diese waren nach § 20 Abs. 2 nicht durch die fehlende Zurechenbarkeit ausgeschlossen. Die Möglichkeit der polizeilichen körperlichen Züchtigung würde daher den angestrebten Besserungszweck besser erfüllen, als die korrespondierenden Strafübel. So konstatierten die Verfasser in diesem Zusammenhang, dass „es nicht angemessen sei, Kinder mit erwachsenen Sträflingen zusammen zu detinieren, und die ganz einsame Aufbewahrung in einem solchen Lebensalter doppelt schädlich wirken würde“.150 Auf eine Aufzählung strafausschließender „Seelenkrankheiten“ verzichteten die Verfasser, da diese Fragen im Herzogtum Braunschweig durch ärztliches Urteil entschieden wurden.151 Gegenstand der Norm war ferner die Einschränkung, dass die Nichtzurechenbarkeit bei Bewusstlosigkeit entfiel, wenn der Zustand der Bewusstlosigkeit absichtlich herbeigeführt wurde. Der in der Norm aufgeführte Tatbestand entspricht der Fallgestaltung der sog. actio libera in causa, wobei hier die vorsätzliche Herbeiführung der Schuldunfähigkeit als ausreichend für die Zurechnung der dann begangenen Tat angesehen wurde.152 Diese sehr weite Ausdehnung der Strafbar146 Art. 66 des Criminalgesetzbuches für das Königreich Sachsen von 1838 legte die Altersgrenze auf 12 Jahre fest. 147 Vgl. Peters, Kindheit im Strafrecht, S. 27 ff. 148 Motive und Bemerkungen, S. 192. 149 Motive und Bemerkungen, S. 193. 150 Motive und Bemerkungen, S. 193. 151 Motive und Bemerkungen, S. 193. 152 § 25 Abs 2, Entwurf von 1839.

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keit, die der Vorverlagerungsheorie153 ähnelt, ließ der Entwurf in seinen Motiven unkommentiert.

b) Sonstige Tatbestände Ebenfalls lakonisch kommentierten die Motive die folgenden Vorschriften über die Zurechnung.154 Diese „folgen aus der Natur der Sache, und stimmen im Wesentlichen mit dem gemeinen Rechte und den deutschen Gesetzgebungen überein.“ § 26 stellte im ersten Absatz fest, dass der sog. Verbotsirrtum die Zurechnung nicht ausschließe. Straffrei sollten nach dem zweiten Absatz dieser Norm jedoch die Fallgestaltungen sein, die heute als Wahndelikt bekannt sind. Eine Straftat, die durch „unwiderstehliche Gewalt“ oder durch „gefährliche Drohungen“ gegen den Täter oder seine Angehörigen verübt wurde, sollte aufgrund des vorgenannten Zwangs nach § 27 ebenfalls zur Straffreiheit führen. Den Notstand regelte § 28. Der Tatbestand erforderte für die Straffreiheit die „Rettung seiner selbst oder eines Angehörigen“ aus einer „gegenwärtigen dringenden Gefahr für Leib und Leben“, welche selbst „Folge eines unverschuldeten und auf andere Weise nicht abzuwendenden Nothstands ist“. Die Problematik der Notwehr als Rechtfertigungsgrund verorteten die Verfasser nicht im Allgemeinen Teil, da sie sich „keineswegs auf alle oder eine ganze Klasse von Verbrechen, sondern allein auf Tötungen und Körperverletzungen“ beziehe.155 Eine Regelung der Notwehr erfolgte daher unter den §§ 166–168 im Besonderen Teil des Entwurfs.

V. Versuch Die Vollendung und der Versuch behandelte der Entwurf in den Vorschriften der §§ 29–34.

1. Vollendung Nach § 29 galt ein Verbrechen als vollendet, wenn „(es) vollbracht und, falls ein bestimmter Erfolg zu den gesetzlichen Erfordernissen desselben gehört, diesen bewirkt hat“.

153 Vgl. Hoffmann-Holland, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 140 ff. 154 Motive und Bemerkungen, S. 194. 155 Motive und Bemerkungen, S. 195.

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Die Vorschrift bezog sich demnach sowohl auf Tätigkeits- als auch auf Erfolgsdelikte. Erforderlich war zudem ein Kausalzusammenhang, da der Tatbestand neben dem Erfolg eine entsprechende Wirkung („bewirkt“) einforderte.

2. Versuch und dessen Bestrafung a) Allgemeine Bestimmungen des Versuchs Die allgemeinen Voraussetzungen des Versuchs waren in § 30 des Entwurfs normiert. Den Tatbestand des Versuchs erfüllte nach dieser Regelung, „wer die Vollführung eines vorsätzlichen Verbrechens anfängt, solche aber aber nicht vollendet, oder falls ein bestimmter Erfolg zu den gesetzlichen Erfordernissen des Verbrechens gehört, diesen nicht bewirkt [...].“

Ausweislich dieser Tatbestandsmerkmale wird deutlich, dass der Entwurf für den Versuch den „Anfang einer Handlung“ verlangt und sich daher den Code pénal zum Vorbild nimmt, der ebenfalls eine konkrete Ausführungshandlung erforderte.156 Eine weitere Kommentierung dieses Tatbestandsmerkmals scheuten die Verfasser, da „man in einer Frage solcher Art nicht weiter gehen (konnte), ohne der Sache zu schaden“.157 Zukünftige Zweifelsfälle sollten wohl daher der richterlichen Rechtsfortbildung anvertraut werden. Als kritisch erachteten die Verfasser die Frage der Strafbarkeit des sog. untauglichen Versuchs. Hier unterschieden sie zwischen einem aus „Unverstand“ gewählten absolut untauglichen Mittel und der Konstellation eines Gegenstands, an dem das Verbrechen nicht begangen werden konnte.158 Für den ersten Fall verneinten sie eine Strafbarkeit, weil dem Täter „die Möglichkeit einer Rechtsverletzung und jede objektive Gefährlichkeit fehlt“.159 Gleichwohl verwies § 30 Abs. 5 für diese Konstellation als Rechtsfolge auf § 34 des Entwurfs. Diese Norm mit dem Titel „Vorbereitungen“ stellte deklaratorisch fest, dass Handlungen unterhalb der Versuchsschwelle straffrei waren, allerdings konnte eine polizeiliche Aufsicht angeordnet werden, wenn sich die Vorbereitungen „auf Verbrechen beziehen, die mit Zuchthaus oder einer schweren Strafe bedrohet sind“. Diese Rechtsfolge betrachteten die Verfasser als gerechtfertigt, da eine „so gefährliche Gesinnung auch zu wirklich gefährlichen Mitteln greifen könnte“.160 156 157 158 159 160

Vgl. Selter, Kettenanstiftung und Kettenbeihilfe, S. 109 ff. Motive und Bemerkungen, S. 196. Motive und Bemerkungen, S. 196. Motive und Bemerkungen, S. 196. Motive und Bemerkungen, S. 196.

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Die zweite Konstellation wurde als strafbarer Versuch bewertet, da hier nur der Irrtum über den Gegenstand den Erfolg verhinderte, die „Handlung an sich allerdings gefährlich ist“.161

b) Bestrafung Im Hinblick auf die Bestrafung des Versuchs stellten die Verfasser in § 30 Abs. 1 zunächst den allgemeinen Grundsatz auf, dass dieser „mit einer gelinderen als der auf das Verbrechen selbst gesetzten Strafe belegt werden“ sollte. Dies macht deutlich, dass die Verfasser den Versuch als etwas Eigenes verstanden – als genuines Unrecht – und entsprechend ein eigenes Bestrafungskonzept für ihn entwarfen. Einer Gleichstellung des Versuchs mit dem vollendeten Delikt, wie es z.B. der code pénal162 vorsah, gaben die Verfasser keinen Raum.163 Dieses Bestrafungskonzept differenzierte zwischen dem „beendigten Versuch“ und dem „nicht beendigten Versuch“. Der beendigte Versuch setzte voraus, dass „alles geschehen ist, was zur Vollführung des Verbrechens von Seiten des Täters geschehen musste“. Der Handlungsunwert des beendigten Versuchs, stand nach den Motiven dem vollendeten Delikt164 am nächsten, da „durch ihn der Gegenstand des Verbrechens immer schon in wirkliche Gefahr gebracht ist.“ Entsprechend sah der Entwurf vor, dass die für das Verbrechen angedrohte Strafart beibehalten werden sollte. Ausgenommen waren von dieser Regel die Todesstrafe und die lebenslange Kettenhaft. Anstatt dieser sollte zeitliche Kettenhaft nicht unter zehn Jahren bis zur längsten außerordentlichen Dauer verhängt werden, also 20 Jahre. Bei der Festlegung der Dauer verzichten die Verfasser auf eine Festsetzung des Maximums, sondern schrieben nur die Untergrenze fest, so „dass dem Richter überlassen bleibt, wie weit er sich der auf das vollbrachte Verbrechen gesetzten Strafe nähern will [...]“.165 So stellten sie in § 30 Abs. 1 klar, dass die Dauer der Bestrafung nicht „unter die Grenzen ihrer geringsten außerordentlichen Dauer herabsinken“ darf. Den Handlungsunwert des nicht beendigten Versuchs stuften die Verfasser als deutlich geringer ein, folglich sollte eine geringere Strafart als das für das Verbrechen vorgesehene Strafübel verhängt werden. An Stelle der Todesstrafe trat 161 162 163 164 165

Motive und Bemerkungen, S. 196. Vgl. Selter, Kettenanstiftung und Kettenbeihilfe, S. 109 ff. Motive und Bemerkungen, S. 197. Motive und Bemerkungen, S. 197. Motive und Bemerkungen, S. 197.

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die zeitliche Kettenhaft, für die Rechtsfolge des Gefängnisses war deren geringste außerordentliche Dauer zu verhängen oder alternativ eine Geldstrafe. Die Nebenstrafen166 fanden auch beim Versuch Anwendung.

c) Besondere Bestimmungen des Versuchs Zu den allgemeinen Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Versuchs traf der Entwurf in den §§ 31–34 auch Regelungen für besondere Fallkonstellationen. § 31 hatte die Problematik der Teilnahme an einer Versuchsstraftat zum Gegenstand, § 32 normierte besondere Bestimmungen für die Strafbarkeit des sog. Complottes und der Banden, für den Fall eines unbestimmten Schadens enthielt § 33 eine spezielle Vorschrift, während abschließend § 34 Rechtsfolgen für die Vorbereitungshandlung normierte. Der Regelungsgehalt des § 31 zur Teilnahme an einer Versuchstraftat ist nicht sehr eindeutig. Die Vorschrift verlangte als Teilnahmehandlung die „Anstiftung, die außdrückliche Uebereinkunft, so wie die ernstliche Aufforderung zur Verübung eines Verbrechens“. Diese Handlung wurde als strafbar angesehen, auch ohne dass die Haupttat das Versuchsstadium erreichte. „[...] auch wenn der Anfang zu dessen Ausführung noch nicht gemacht ist [...].“167

Entsprechend dürfte nach dieser Norm sowohl die versuchte Anstiftung zu einer Tat als auch die vollendete Anstiftung zu einem Versuch umfasst gewesen sein. Die Motive gingen auf diesen Umstand nicht weiter ein, sondern setzten sich vornehmlich mit der Frage der angemessenen Bestrafung dieser Handlung auseinander. Da es sich um die Pönalisierung einer Vorbereitungshandlung handelte, erachteten die Verfasser eine Bestrafung dieser Tat gleich derer des nicht beendigten Versuchs als vertretbar, allerdings sollte für die Fälle nur die geringste Dauer des außerordentlichen Strafrahmens zur Anwendung kommen.168 Um die Größe des Handlungsunwerts bzw. der Gefährlichkeit bei der Beteiligung mehrerer Personen abzudecken, bestimmte § 32, dass die „Vereinigung zur Verübung verschiedener, einzeln noch unbestimmter Verbrechen“ die gleiche Bestrafung erfahren sollte wie ein beendigter Versuch, wobei die Strafdrohung des schwersten Verbrechens, auf welche sich die Absicht der Vereinigung bezog, Anwendung finden sollte. Mit dieser Regelung bestand nach den Motiven

166 Konfiskation (§16), die polizeiliche Aufsicht (§ 17), die Landesverweisung (§ 18) sowie die Bekanntmachung der Vollziehung der Strafe (§19). 167 Motive und Bemerkungen, S. 199. 168 Motive und Bemerkungen, S. 199.

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kein Bedürfnis mehr, weitere Vorschriften zur Strafbarkeit des Komplottes und der Banden zu erlassen, da dies „die Gesetzgebung ohne Noth complicirt [...]“.169 Für Fälle, deren Strafe von der Größe der verursachten Beschädigung abhing, stellte § 33 die Auslegungsregel auf, dass bei unklarer Absicht des Täters, welcher Gegenstand betroffen sein sollte, dass Verbrechen die Strafe bildet, „die dem Thäter die günstigste ist“.170 § 34 stellte deklaratorisch fest, dass Vorbereitungshandlungen straffrei sind. In besonders gefährlichen Fällen konnte jedoch polizeiliche Aufsicht angeordnet werden.

VI. Täterschaft und Teilnahme Die Regelung der Fragen von Täterschaft und Teilnahme unterteilte der Entwurf in drei systematisch aufeinander aufbauende Abschnitte. Der erste Teil behandelte in den §§ 35–40 die verschiedenen Beteiligungsformen nebst ihren Rechtsfolgen. Daran anknüpfend widmete sich der Entwurf in den §§ 41–44 den Regelungsbereichen, die alle Beteiligungsformen gleichermaßen betrafen. Zuletzt regelte der Entwurf mit den §§ 45–47 die Strafbarkeit einer Mitwirkung an der Tat unterhalb der Beteiligungsschwelle.

1. Teilnahmeformen Dem Entwurf lag ein dualistisches System, also eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der Beteiligung, zugrunde. Das konkurrierende Prinzip der Einheitstäterschaft, das jeden Beteiligten, der einen kausalen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung leistet, als Täter ansieht und weitergehende Differenzierungen auf der Ebene der Schuld und der Strafzumessung verlagert, hatte zum damaligen Zeitpunkt nur eine geringe Bedeutung.171 Insgesamt differenzierte der Entwurf zwischen dem Urheber, dem Anstifter, dem Teilnehmer, dem Gehilfen, dem Begünstiger und der Mitwissenschaft.

2. Urheber und Anstifter § 35 legte fest, dass nicht nur der Urheber, also derjenige, der „selbst das Verbrechen verübt“, sondern auch der Anstifter so bestraft werden sollte, als „ob er

169 Motive und Bemerkungen, S. 200. 170 Motive und Bemerkungen, S. 201. 171 Vgl. Rotsch, „Einheitstäterschaft“ statt Tatherrschaft, S. 11 ff.

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selbst die That begangen hätte“. Der Anstifter „musste einen Andern zur Begehung einer verbrecherischen Handlung bestimmt [...]“ haben. Der Entwurf zählte eine Reihe von Handlungen172 auf, die als „bestimmen“ qualifiziert werden konnten. Bemerkenswert ist, dass sowohl ein physisches (Gewalt) als auch psychisches Einwirken (Erregung eines Irrtums) als gleichwertig angesehen wurden. Zudem fehlte es an einer Unterscheidung zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung. Eine Zurechnung von aus der „Personen des Urhebers hervorgehenden Qualificationen der That“, sowie „in dessen Person liegende Straf-Erhöhungs, Herabsetzungs-, Erschwerungs- oder Minderungsgründe“ sollte ausweislich der Motive nicht erfolgen.173

3. Teilnehmer und Rechtsfolge Der Entwurf differenzierte bei der Teilnahme an einem Verbrechen zunächst zwischen „nicht vertragsmäßigen Teilnehmern“ und „vertragsmäßigen Teilnehmern“. Für erstere stellte § 36174 fest, dass „Jeden nur die durch seine eigene Thätigkeit verwirkte Strafe“ treffe. Entsprechend werteten die Verfasser diese Form der Beteiligung als Nebentäterschaft. Eine Zurechnung von Tatbeiträgen sollte daher lediglich bei der vertragsgemäßen Teilnahme erfolgen, wobei die Verfasser bei dieser Fallkonstellation wiederum zwischen dem „Gleichen Teilnehmer“ und dem „Ungleichen Teilnehmer“ unterschieden. Erforderlich war in beiden Fällen ein gemeinsamer Tatplan, bzw. eine „ausdrückliche oder stillschweigende Uebereinkunft“ von mindestens 2 Personen.175 Der Tatplan musste die „gemeinschaftliche Verübung des Verbrechens“ umfassen. Auf den „Grad und die Art der Thätigkeit“ sollte es nicht ankommen, es war alleine entscheidend, dass der Teilnehmer nur „bei Ausführung des Verbrechens selbst“ tätig sein wollte.176 In diesem Tatbestandsmerkmal sahen die Verfasser den Unterschied zum Gehilfen, dessen „verbrecherische Thätigkeit vor dem Anfange der Ausführung des Verbrechens [...]“ stattfand und dem Begünstiger, dessen „Mitwirkung erst nach vollbrachtem Verbrechen“ lag.177 172 Der Entwurf zählte hier Gewalt, Drohung, Befehl, Auftrag, Versprechen oder Geben eines Lohnes, Ueberredung, absichtliche Erregung oder Benutzung eines Irrthums oder eine Gemüthsbewegung auf. 173 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 45. 174 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 45. 175 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 46. 176 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 46. 177 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbcuhes, S. 46.

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a) Gleiche Teilnehmer Die gleichen Teilnehmer mussten nach § 37 „bei oder vor und nach Ausführung der verbrecherischen Handlung“ mitgewirkt haben. In diesem Fall wurde jeder der Tatbeiträge wechselseitig zugerechnet. Entsprechend konnte man diese Beteiligungsform als Mittäterschaft ansehen. Eine Einschränkung bei der Rechtsfolge sah die Vorschrift bei der Todesstrafe vor. Für die Fälle, dass ein Mittäter bei „Ausführung des Verbrechens nur gegenwärtig ist, ohne thätig zu sein“ bzw. „nur vor und nach derselben mitgehandelt hat“, sollte die Todesstrafe auf lebenslange Kettenhaft reduziert werden.

b) Ungleiche Teilnehmer Bei den ungleichen Teilnehmern trennte der Entwurf zwischen zwei „Graden“. Ungleiche Teilnehmer Ersten Grades waren nach § 38 Mittäter, die „vor dem Anfange der Ausführung oder nur nach vollbrachtem Verbrechen“ mitgewirkt hatten. Diese sollten bei einem vollendeten Delikt nur nach den Rechtsfolgen des beendigten Versuches bestraft werden. Für den Fall eines beendigten Versuches ergaben sich die Straffolgen aus dem Strafrahmen des nicht beendigten Versuches, hatte die Ausführung das Stadium des nicht beendigten Versuches nicht überschritten, war nur der außerordentliche Strafrahmen in seiner geringsten Dauer anzuwenden. Gemäß der Motive, erschien die geringere Strafandrohung notwendig, da „die geringere verbrecherische Thätigkeit auch eine mindere Strafe rechtfertigt“.178 Für die Einstufung als Ungleiche Teilnehmer Zweiten Grades verlangte der Entwurf in § 39, dass der Mittäter weder „bei der Ausführung des Verbrechens anwesend, noch vor oder nach derselben irgendwie thätig [...]“ war. Diese Art der Teilnahme sollte aufgrund der nochmals geringeren Gefährlichkeit des Tatbeitrages nach den Regeln des nicht beendigten Versuches bestraft werden.179

4. Gehilfe und Rechtsfolge Der „Gehülfe“ unterschied sich nach § 40 von dem Teilnehmer dadurch, dass er bei der „Ausführung des Verbrechens selbst weder mitwirken wollte, noch mitwirkte [...]“.180 Gegenüber dem Begünstiger wurde die Strafbarkeit des Gehülfen strenger gesehen, da „seine Thätigkeit oder doch wenigstens der Grund

178 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 47. 179 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 48. 180 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 48.

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derselben (die gegebene Zusage) vor dem Anfange der Ausführungen des Verbrechens liegt [...]“.181 Die Strafbarkeit bei dieser Beteiligungsform richtete sich im Falle eines doppelten Tatbeitrages (Zusage und Hilfeleistung) nach den Regeln des Ungleichen Teilnehmers Ersten Grades im Fall von nur einem Tatbeitrag (Zusage oder Hilfeleistung) sollte er wie ein Ungleicher Teilnehmer Zweiten Grades bestraft werden.

5. Begünstiger und Mitwissenschaft Diese Beteiligungsformen hatte den geringsten Handlungsunwert. Entsprechend sah der Entwurf in § 45 für den Begünstiger selbst für den Fall einer mit Todesstrafe bedrohten Haupttat nur Zwangsarbeit unter einem Jahr und in allen anderen Fällen Gefängnis vor. Eine Ausnahme bestand für die gewerbsmäßige Begünstigung, deren Strafbarkeit sollte sich nach der Ungleichen Teilnahme Zweiten Grades richten. Diese höhere Strafdrohung war ausweislich der Motive aufgrund der „Ähnlichkeit beider Verhältnisse“ gerechtfertigt.182 Für eine Strafbarkeit wegen Mitwissenschaft setzte § 46 die „glaubwürdige Kenntnis von der bevorstehenden und hernach wirklich unternommenen oder erfolgten Ausführung“ von schweren Verbrechen voraus, die in der Norm abschließend aufgezählt wurden.183 Durch die Positivliste sollte der Anwendungsbereich der Norm begrenzt werden.184 Bemerkenswert war, dass gemäß den Motiven auch Verbrechen aus Fahrlässigkeit zur einer Strafbarkeit aus § 46 führen sollten.185 Gerechtfertigt wurde diese ungewöhnliche Ausdehnung der Strafbarkeit mit dem Hinweis, dass der Erfolg beider gleich sei. Zudem gehe der „dasselbe nicht behindernde nicht nur ein Unrecht gegen den Verletzten, sondern auch gegen den Thäter, der von einer Rechtsverletzung nicht zurückgehalten wird, die er gar nicht beabsichtigte und die ihn oft für das ganze Leben unglücklich macht.“186

Rechtsfolge der Mitwissenschaft war für den Fall einer mit Todesstrafe oder lebenslangen Kettenhaft angedrohten Haupttat, Gefängnis über ein Jahr, ansonsten die geringste außerordentliche Dauer oder Geldstrafe.

181 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 48. 182 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 49. 183 Hierbei handelte es sich nach § 40 des Entwurfs von 1839 um folgende Verbrechen: Hochverrat, Landesverrat, Aufruhr, Falschmünzen, Fälschung von Kreditpapieren, schwere Körperbeschädigung, Menschenraub, Entführung, Notzucht, Raub, Brandstiftung, gemeingefährliche Beschädigung und Diebstahl mit Waffen oder Einbruchs. 184 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 49. 185 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 49. 186 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 50.

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Sowohl für die Begünstigung als auch die Mitwissenschaft normierte § 47 eine Privilegierung für Angehörige die nicht selbstständig waren und nicht am „verbrecherischen Gewinn teilgenommen“ hatten bzw. denen auch keine gesetzliche Anzeigepflicht oblag.

6. Rücktritt und Exzess bei Teilnehmern und Rechtsfolge § 41 bestimmte zunächst, dass ein Anstifter, der zugleich Teilnehmer und Gehilfe ist, nur nach den Verbrechen, die der Anstiftung zugrunde lagen, bestraft werden sollte. Die übrigen Beteiligungen waren subsidiär. Zur Frage der Strafbarkeit bei einem Rücktritt des Anstifters, Teilnehmers und Gehilfen bestimmte § 42, dass das Vorliegen der Rücktrittshandlung nicht zu einer Straflosigkeit führte, da „das Bestreben die Ausführung der That zu verhindern oder die Zurücknahme der Zusage der Mitwirkung den Anstifter, Theilnehmer oder Gehülfen nicht straffrei machen; denn immer liegt doch in ihm die Ursache, Veranlassung oder Beförderung der That, und er hat nicht Alles gethan, was an ihm war, Ausführung des Verbrechens zu hindern, da er die Anzeige bei der Obrigkeit unterlassen hat.“187

Nur die Anzeige des Verbrechens nach § 62 Nr. 3 konnte daher die Straflosigkeit bewirken. Ansonsten war für den zurückgetretenen Anstifter die jeweils geringere Strafart anzuwenden. Der Teilnehmer und Gehilfe waren im Falle einer mit Todes- oder Kettenstrafe bedrohten Haupttat mit Zwangsarbeit über ein Jahr und ansonsten mit Gefängnis oder Geldstrafe zu betrafen. Im Fall von Handlungen des Haupttäters – im Entwurf als Genosse bezeichnet – die nicht vom Vorsatz des Anstifters und Gehilfen bzw. vom Tatplan des Teilnehmers umfasst waren, machte § 43 deutlich, dass diese Handlungen nicht zugerechnet werden. Dagegen stellte § 44 fest, dass bei einer Abhängigkeit der Strafhöhe vom Wert eines Gegenstandes oder der Schadenshöhe, den Teilnehmern der volle Betrag zugerechnet werde.

VII. Strafrahmen und Strafzumessung Einen Schwerpunkt des Entwurfs bildete die Suche nach einer Lösung der Problematik, für jede Straftat eine angemessene Strafe zu finden. Den Verfassern war bewusst, dass „dasselbe Verbrechen nicht unter allen Umständen mit derselben Strafe belegt werden könne“.188 Dieser Erkenntnis folgend kannte der Entwurf 187 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 49. 188 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 54.

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auf der Deliktsfolgenseite die absolute Strafdrohung lediglich bei der Todesstrafe, der Dienstentsetzung und der Dienstentlassung. Die relative Strafandrohung war damit bei fast allen Straftatbeständen auf der Rechtsfolgenseite vorzufinden. Entsprechend hatte das richterliche Ermessen bei der Straffindung in diesem System eine sehr hohe Bedeutung. Dass sich dieses gewählte – und im Vergleich zu anderen Strafgesetzgebungen sehr flexible – System im Spannungsfeld zum Grundsatz nulla poena sine lege bewegte, nahmen die Verfasser als Notwendigkeit in Kauf, da „das ganze Leben eines Volkes in seinen mannigfaltigen und wechselnden Gestaltungen sich nicht in die Fesseln eines starren Gesetzes schlagen (läßt), und wenn man der Gesetzgebung und der Rechtsanwendung nicht das eigentliche Lebensprinzip entziehen will, muß derselbe Geist, der das Gesetz diktierte, auch die Rechtsanwendung leiten.“189

1. Strafermittlungssystem und richterliches Ermessen Innerhalb des somit vorherrschenden Systems der relativen Strafandrohung regelte der Entwurf unter dem Titel 6 die sog. Straferhöhungs- und Strafherabsetzungsgründe, die es dem Gericht erlaubten, unter den in diesem Abschnitt aufgeführten Voraussetzungen von der gesetzlich bestimmten Strafart bzw. dem Strafrahmen abzuweichen. Diesem Abschnitt nachfolgend waren im Titel 7 Vorschriften zur Strafzumessung aufgeführt. Hier lag es im Ermessen des Richters, unter Maßgabe der dort genannten Richtlinien innerhalb des durch das Gesetz festgestellten Strafrahmens die im Einzelfall verwirkte Strafe zu erkennen. Systematisch oblag es dem Richter auf der Rechtsfolgenseite zunächst, die Straferhöhungs- und Strafherabsetzungsgründe zu prüfen. Hierbei war das Ermessen des Gerichts jedoch begrenzt.190 Gesetzlich sah der Entwurf in den §§ 48–55 allgemeine Straferhöhungs- und herabsetzungsgründe vor, es gab diese auch spezialgesetzlich geregelt bei einzelnen Straftatbeständen.191 Diese Vorschriften waren zwingend und mussten vom Gericht entsprechend berücksichtigt werden.

189 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbucges, S. 55. 190 Motive und Bemerkungen, S. 213. 191 Für spezialgesetzliche Straferhöhungsgründe sind z.B. Falschmünzen, § 119 Abs.1, Totschlag, § 138, Vorsätzliche Beschädigung, §§ 151, 152, als Beispiel für einen spezialgesetzlichen Milderungsgrund ist der Ehebruch, § 180 zu nennen. Alle hier genannten §§ sind solche des Entwurfes.

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Ein richterliches Ermessen auf dieser Ebene der Rechtsfolgenseite sah der Entwurf lediglich bei dem Zusammentreffen mehrerer Strafherabsetzungsgründe oder Strafminderungsgründe vor. In diesem Fall konnte das Gericht nach der Maßgabe des § 55 auf eine Strafmilderung erkennen.192 Im Bereich der Straferhöhungen bzw. Schärfung gab es im Entwurf lediglich richterliche Ermessensspielräume bei der Stellung unter polizeiliche Aufsicht bzw. Landesverweisung (§§ 17, 18) und der öffentlichen Bekanntmachung der Strafe (§ 19).193 Nach der Feststellung der gesetzlich vorgesehen Strafart und des entsprechenden Strafrahmens konnte das Gericht nach der Maßgabe der §§ 56–59, in denen bestimmte zu beachtende Erschwerungsgründe und Milderungsgründe aufgezählt waren, die Strafzumessung nach richterlichem Ermessen bestimmen.

2. Straferhöhungs- und Strafherabsetzungsgründe Der Entwurf regelte zunächst in den §§ 48–52 die Konsequenzen des „Zusammentreffens mehrerer Uebertretungen“ für die Rechtsfolgenseite. Die §§ 53–55 widmeten sich den verschiedenen Strafherabsetzungsgründen.

a) Straferhöhungsgründe Bei den Straferhöhungsgründen handelte es sich im Wesentlichen um die Konkurrenzlehre des Entwurfs. Für den Fall der Idealkonkurrenz mehrerer Straftaten sollte gemäß § 48 die schwerste Straftat Anwendung finden und durch den außerordentlichen Strafrahmen geschärft werden. Der zweite Absatz der Norm stellte klar, dass bei einer Realkonkurrenz keine Konsumption der jeweiligen Straftaten erfolgen sollte und für die Rechtsfolge die Vorgaben des § 20 des Entwurfs galten. Bei mehreren begangenen Eigentumsdelikten, deren Strafe alleine vom Wert des Gegenstands abhing, forderte die Norm die Addition dieser Beträge für die Strafenbildung. Ebenfalls Bestandteil der Konkurrenzlehre des Entwurfs war die Problematik der mehraktigen Delikte. Hier ordnete § 49 unter dem Titel „Fortsetzung des Verbrechens“ an, dass die in diesem Fall notwendigen verschiedenen Gesetzesübertretungen nur als eine Straftat zu bewerten waren.194 Bei einer Konkurrenz verschiedener Delikte mit Strafherabsetzungsgründen, sollte nach § 50 die Strafe der schwersten Straftat Berücksichtigung finden, die

192 Motive und Bemerkunden, S. 213. 193 Motive und Bemerkungen, S. 213. 194 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 51.

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übrigen Delikte durften in diesem Falle aber nur als Erschwernisgrund bei der Strafzumessung bewertet werden.195 Einen Sonderfall der gesetzlichen Strafschärfung thematisierte § 51. Hiernach musste unter bestimmten Voraussetzungen der sog. Rückfall vom Gericht als Strafheraufsetzungsgrund berücksichtigt werden. Der Rückfall war im gemeinen Recht im Bereich des Diebstahls etabliert196 und wurde dann als allgemeiner Schärfungsgedanke in die neuere deutsche Strafgesetzgebung übertragen.197 Die allgemeine Regelung des Rückfalls galt im Entwurf auch bei Diebstahlsfällen, was gegenüber anderen Strafrechtsordnungen eine Besonderheit darstellte, da dieser Bereich des Rückfalls zumeist ergänzend spezialgesetzlich geregelt wurde.198 Gemäß der Rückfallsvorschrift musste wegen „desselben oder eines gleichartigen Verbrechens schon Strafe erlitten sein“.199 Der tatsächliche Vollzug der Strafe war demnach erforderlich. Diesem Tatbestandsmerkmal lag die Überzeugung zugrunde, dass „erst das wirkliche Empfinden des Strafübels und dessen vergebliche Anwendung“ die Strafschärfung rechtfertige.200 Zweites Tatbestandsmerkmal war, dass es sich beim Rückfall um das gleiche oder gleichartige Verbrechen handeln musste. Welches Verbrechen als gleichartig einzuordnen war, regelte § 52 des Entwurfs abschließend. Ein allgemeiner Rückfall ohne diesen inhaltlichen Bezug fand lediglich im Rahmen der Strafzumessung als Erschwerungsgrund Berücksichtigung.201 Auch ein mittels Anstiftung, Teilnahme oder Versuch verübtes Verbrechen genügte ausweislich § 51 Abs. 2 für einen Rückfall. Bemerkenswert ist die im dritten Absatz aufgenommene Regelung, wonach auf eine höhere Strafart erkannt werden sollte, „wenn der Thäter wegen derselben oder einer gleichartigen verbrecherischen Handlung bereits eine schwerere als die jetzt zu erkennende Strafart erduldet [...]“ hatte. Diesen Systembruch begründeten die Verfasser dahingehend, dass „es in den Strafanstalten einen sehr übeln Eindruck (macht), wenn Menschen, welche die schwersten Freiheitsstrafen bereits erlitten haben, späterhin eine leichtere 195 196 197 198 199 200 201

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 51. Vgl. Hohbach, Über den Rückfall, 100 ff. Vgl. Holzhauer, Rückfall, S. 1182 ff. Vgl. Holzhauer, Rückfall, S. 1182 ff. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 51. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 51. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 52.

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Strafart erdulden. Die übrigen Mitgefangenen sehen darin eine Degradation und der Sträfling selbst wird weniger von der Strafe getroffen.“202

Diese deutliche Abkehr vom Grundsatz nulla poena sine lege rechtfertigten die Verfasser daher ausschließlich mit strafvollzugspolitischen Gründen.

b) Strafherabsetzungsgründe Erstgenannter Strafherabsetzungsgrund war „Jugend und Blödsinn“. Nach § 53 des Entwurfes sollte für Jugendliche unter 21 Jahren, Blödsinnige und vermindert schuldfähige Personen (unterhalb der Schwelle des § 25), statt auf Todesoder Kettenhaft auf Zuchthaus bis zu dessen längster außerordentlichen Dauer erkannt werden, was mit entsprechender Abstufung auch für die übrigen Strafarten galt. Die Verfasser rechtfertigten die vergleichbar hohe Altersschwelle von 21 Jahren mit den Erkenntnissen aus der Revision des österreichischen Strafgesetzbuches203, die dieses Alter nun festgesetzt hatten „was insofern, als dieses Alter einen rechtlichen Lebensabschnitt sonst bildet, Erwägung verdient“.204 Bei „besonderer Bosheit und Ueberlegung“ konnten Jugendliche über 18 Jahre statt Todesstrafe oder lebenslänglicher Kettenhaft, im Einzelfall zu zeitlicher Kettenstrafe bis zu deren längsten außerordentlichen Dauer verurteilt werden. Als zweiter Strafherabsetzungsgrund bestimmte der § 54, dass bei „unverschuldeter Haft oder auch sonst widerrechtlich zugefügter Uebel“ eine Anrechnung auf die Freiheitsstrafen erfolgten musste, auch wenn dadurch die verbleibende Strafe die festgesetzte geringste außerordentliche Dauer unterbot. Die unter dem Titel „Zusammentreffen mehrerer Strafherabsetzungsgründeoder wichtiger Milderungsgründe“ in § 55 zu findende Vorschrift stellte eine rechtliche und systemische Besonderheit des Entwurfs dar, da sie – unter engen Bedingungen – die Wahl der Strafart in das richterliche Ermessen stellte. Der Tatbestand des § 55 setzte voraus, dass eine nicht näher quantifizierte und qualifizierte Anzahl („wenn so viele und so wichtige“) von Strafherabsetzungsbzw. Strafmilderungsgründen in einer Straftat kumulieren mussten. In diesem Fall durfte das Gericht beim Strafrahmen auf die geringste außerordentliche Dauer der verwirkten Strafart erkennen. Für die Ermächtigung zur Wahl einer geringeren Strafart durch das Gericht war zusätzlich notwendig, dass

202 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 53. 203 In Österreich durfte bei Tätern, die das 21. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten, nicht auf Todesstrafe erkannt werden, vgl. Mittermaier, Die Todesstrafe, S. 41. 204 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 54.

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Viertes Kapitel „die Strafherabsetzungs- oder Milderungsgründe in einem Falle zusammentreffen, der schon mit der geringsten außerordentlichen Dauer der zu erkennenden Strafart bedrohet, oder durch die ganz ungewöhnliche Zahl und Wichtigkeit der Milderungsgründe die geringere Strafart gerechtfertigt ist.“205

Die Motive setzten sich intensiv mit der Legitimation dieser „richterlichen Ermächtigungsgrundlage“ des § 55 auseinander. Sie verwiesen zunächst auf das Strafgesetzbuch von Österreich206 und den damals bereits vorliegenden Entwurf des hannoverschen Strafgesetzbuches207, die ebenfalls die Möglichkeit eines richterliches Ermessen bei der Wahl der Strafart vorsahen. Dieses System wurde überwiegend wegen der immanenten Gefahr einer „richterlichen Willkür“ abgelehnt.208 Die normativen Lösungen anderer Strafgesetze für Fälle mit außergewöhnlich geringem Handlungsunwert lagen in der Festsetzung eines möglichst geringen Strafminimums bzw. der Androhung verschiedener alternativer Strafarten für ein Verbrechen, die dem Richter dann zur Auswahl gestellt wurden. Das diesen Modellen gemeinsame „Festhalten eines unwandelbaren Strafminimums“ erachteten die Verfasser jedoch als unzweckmäßig.209 Starre Strafsysteme hätten bei atypischen Fällen zu einer Ausdehnung des Begnadigungsrechts geführt, was verfehlt sei, da das „erhabene Vorrecht des Regenten einen zu edlen Ursprung und Zweck (hat), als daß es das regelmäßige Mittel sein sollte oder könnte, die Fehler der Gesetzgebung zu verbessern“.210 Den vorgebrachten Einwand der Gefahr einer richterlichen Willkür konnten die Verfasser ebenfalls nicht nachvollziehen, da dieser durch eine gute Gerichtsorganisation effektiv begegnet werden könne. In diesem Sinne sei „[...] weit weniger zu fürchten, daß die Gerichte eine solche Ermächtigung mißbrauchen, als daß sie Mittel finden werden, gesetzliche Bestimmungen, die ihnen zu hart erscheinen, zu umgehen“.211 Diese Argumentation ist insbesondere vor dem Hintergrund der damaligen Rechtssituation im Herzogtum verständlich, bei der das eigentlich gültige gemeine Recht fast vollständig vom „Richterrecht“ abgelöst worden ist. Abschließend verteidigten die Motive die hier gewählte Lösung mit Verweis auf die angestrebte Langlebigkeit der hier erschaffenen Gesetzgebung. Diese sei nur

205 Vgl. § 55 Nr. 2 des Entwurfs von 1839. 206 §§ 46 ff. des Österreichischen Strafgesetzbuches von 1803. 207 Art. 91 bis 96 des Allgemeinen Criminal-Gesetzbuch für das Königreich Hannover von 1840. 208 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 55. 209 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 55. 210 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 56. 211 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 56.

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durch flexible – sich dem stets unvorhersehbar wandelnden Zeitgeist anpassende – gesetzliche Bestimmungen erreichbar. Denn, so heißt es in den Motiven: „in der Rechtsgesetzgebung ist aber nichts so wünschenswerth, als Stetigkeit, die Wirksamkeit derselben hängt ausschließlich von ihrer Dauer ab, und wahrhaft heilsam wirkt sie erst alsdann, wenn das Alter sie mit dem Scheine der Heiligkeit umgiebt.“212

3. Strafzumessung Bei der Problematik der Strafzumessung stellten die Verfasser im § 56 zunächst den allgemeinen Grundsatz auf, dass die Strafe nach „Maßgabe der bewiesenen Bösartigkeit des Thäters und außerdem nach der Gefährlichkeit und Schädlichkeit der verbrecherischen Handlung“ vom Gericht bemessen werden sollte.213 Alsdann führte der Entwurf in den besonderen Bestimmungen vom Gericht zwingend zu beachtende Erschwerungsgründe (§§ 57–58) und Milderungsgründe (§ 59) auf. Bei den Erschwerungsgründen unterschieden die Verfasser zwischen solchen, die in der Person des Täters lagen (§ 57) und solchen aus der Beschaffenheit der Tat (§ 58). Die Motive machten deutlich, dass „eine specielle Aufzählung aller bei der Strafzumessung in Betracht kommenden Umstände nicht möglich ist“.214 Gleichwohl habe man sich für eine Aufzählung wichtiger Strafzumessungsgründe entschieden, „da sie dem Richter die Umstände, welche der Gesetzgeber vorzüglich berücksichtigt wissen will, deutlich vor Augen legen, und er so bei Motivierung des von ihm angenommenen Strafmaßes gezwungen ist, die Momente, die ihn geleitet haben, besonders hervorzuheben.“215

Bei den einzelnen Strafzumessungsgründen fällt auf, dass die Verfasser auf eine „Politisierung“ dieser Merkmale vollständig verzichteten, was in Anbetracht der zu dieser Zeit unruhigen politischen Verhältnisse sehr bemerkenswert war.

VIII. Die Strafausschlussgründe Die Strafausschlussgründe fanden sich unter dem Titel „Tilgung der Strafbarkeit“ in den §§ 60–65 des Entwurfs.

212 213 214 215

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 56. Vgl. § 56 des Entwurfs von 1839. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 57. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 57.

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Viertes Kapitel

Der Abschnitt begann mit der Feststellung in § 60, dass durch den Tod des Verbrechers das Verbrechen erlischt. Nebenfolgestrafen, die das Vermögen betrafen, sollten aber fortbestehen und gegen die Erben wirken. Der anschließende § 61 des Entwurfs regelte den Grundsatz, dass die Einstellung der Untersuchung bzw. die bereits erbrachte Verbüßung der Strafe einer erneuten Verurteilung wegen dieser Straftat entgegensteht. Eine zuvor erfolgte Begnadigung hatte dieselbe strafausschließende Wirkung. Der Entwurf sah auch die Möglichkeit vor, durch „thätige Reue“ einer Strafe zu entgehen. Auf diese Weise konnte nach § 62 Nr. 1 des Entwurfs ein Täter vom Versuch strafbefreiend zurücktreten, wenn er „von der begonnenen Ausführung des Verbrechens freiwillig absteht, insofern nicht die bereits unternommene Handlung an sich strafbar ist“.216 Die tätige Reue wirkte auch im Falle eines Rücktritts des Anstifters oder Teilnehmers von dem geplanten Verbrechen, sofern die „Ausführung desselben unterblieben ist“. Bei Nichtvorliegen des letztgenannten Tatbestandsmerkmals fand die bereits vorgestellte Regelung des § 42 Anwendung. Zuletzt gestattete es § 62 Nr. 3 auch dem Mitschuldigen, der im Vorfeld der Straftat diese durch Anzeige unterbunden hatte, sich von der Strafe zu befreien. Für Eigentumsdelikte galt diese Vorschrift nicht. Hier war die durch Erlass des Schadens gezeigte „thätige Reue“ spezialgesetzlich im Besonderen Teil des Entwurfs geregelt.217 § 63 des Entwurfs stellte noch einmal klar, dass durch die Rücknahme der Anzeige eine Strafbarkeit bei Antragsdelikten entfällt. Der Frage, inwieweit Verjährung der Strafbarkeit des Täters entgegensteht, widmeten sich die §§ 64 und 65 des Entwurfs. Eingangs der Norm erfolgte die Klarstellung: „Durch Ablauf der Zeit erlischt die Strafbarkeit“.218 Die Entscheidung für die Möglichkeit einer Verjährung wurde insbesondere dahingehend begründet, dass „der Mensch nach Ablauf eines längeren Zeitraums seines irdischen Daseins nicht mehr derselbe (ist). Es verliert daher die Strafe nach längerer Zeit Grund und Zweck.“219

216 217 218 219

Vgl. § 62 des Entwurfs von 1839. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 57. Vgl. § 64 des Entwurfs von 1839. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 58.

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Diesem Grundsatz folgend machten die Verfasser bei der Verjährung auch keinen Unterschied zwischen der Untersuchung der Straftat und der bereits erkannten Strafe, die aber nicht vollzogen wurde.220 Die Verjährungsfristen richteten sich bei Verbrechen im Untersuchungsstadium nach der Höchstdauer des ordentlichen Strafrahmens für das betreffende Verbrechen, bei bereits gerichtlich festgestellter Strafe galt die Höchstdauer des außerordentlichen Strafrahmens als Verjährungsfrist. Um bei Antragsdelikten eine „unendliche Verjährung“ wegen des fehlenden Antrags zu vermeiden, verjährte das Recht zur Anzeige nach § 64 Abs. 1 Nr. II des Entwurfs nach einem Jahr. Verbrechen, deren Strafdrohung auf Todesstrafe oder lebenslange Kettenhaft lautete, waren von der Verjährung ausgenommen. Dies war ausweislich der Motive gerechtfertigt, da es sich hier um äußerst schwere Straftaten handelte, also „lange im Gedächtnisse des Volkes bleibenden und aus einer bedeutenden gefährlichen Gemüthsart entspringenden Verbrechen [...]“.221 Der Zeitablauf wirkte in diesen Fällen nur dahingehend, dass gemäß § 62 Abs. 3 des Entwurfs nach 20 Jahren die Todesstrafe in lebenslängliche Kettenhaft abgewandelt werden musste.

D) Der Besondere Teil des Entwurfs Das Zweite Buch des Entwurfs bzw. die „Besonderen Bestimmungen über die einzelnen Verbrechen und deren Bestrafung“ bestand aus insgesamt 192 Paragraphen (§§ 74–266). Systematisch aufgeteilt war der Besondere Teil des Entwurfs nach den Rechten, die durch das Verbrechen angegriffen wurden. Auf dieser Grundlage identifizierte der Entwurf mit den sog. Öffentlichen Verbrechen (Titel 1, §§ 74–136), den Privatverbrechen (Titel 2, §§ 137–228) und den Amtsverbrechen (Titel 3, §§ 229–266) drei Verbrechenskategorien. Als Öffentliche Verbrechen wurden diejenigen Straftaten angesehen, „welche die Staatseinrichtungen selbst und unmittelbar angreifen [...]“.222 Bei den Privatverbrechen waren sämtliche Straftaten zusammengefasst, welche „die Rechte des Einzelnen gefährden“.223 Einen ambivalenten Charakter wiesen dagegen die Amtsverbrechen auf

220 221 222 223

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 58. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 58. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 20. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 20.

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Viertes Kapitel „welche zugleich die Staatseinrichtungen und die Privatrechte zum Gegenstand haben, denn der seine Pflicht verletzende Staatsbeamte stört die öffentliche Ordnung, die er gerade erhalten soll, und verletzt zugleich Privatrechte des Staates oder Einzelner.“224

Entsprechend konnten diese Straftaten anhand des hier gewählten Systems nicht eindeutig zugeordnet werden. Eine strikte Aufteilung in die Kategorien Privatverbrechen und Staatsverbrechen, wie es das bayrische Strafgesetzbuch225 vorsah, gab es bei diesem Entwurf nicht. Die daraus folgenden Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Kategorie der Amtsverbrechen wurde offenbar bewusst in Kauf genommen, da „die Amtsverbrechen eine so eigenthümliche Natur (haben), daß sie in jeder Gesetzgebung zweckmäßig einen besonderen Abschnitt bilden“.226 Für die umfangreichste Deliktskategorie Privatverbrechen sah der Entwurf eine weitere Untergliederung in Verbrechen gegen die Person und persönliche Rechte und in Verbrechen gegen das Vermögen und Vermögensrechte vor. Die Zweiteilung war laut den Motiven notwendig, da sie „eine natürliche Zusammenstellung der Verbrechen gestattet“.227 Die Anordnung der jeweiligen Straftatbestände innerhalb der vorgenannten drei Titel richtete sich nach der „Wichtigkeit und Größe der Rechte“, die durch die Verbrechen gefährdet wurden. Entsprechend waren die Straftatbestände mit den schwersten Rechtsfolgen den jeweiligen Abschnitten vorangestellt. Diese Deliktsanordnung stellte, wie die Verfasser konstatierten, eine „die innere Beschaffenheit der Verbrechen selbst gegebene Ordnung (dar), die für die Gesetzgebung bei Abstufung der Strafen von großem Nutzen ist“.228

I. Öffentliche Verbrechen Der erste Titel „Öffentliche Verbrechen“ des Besonderen Teils war in insgesamt fünf Kapitel aufgeteilt. Die verschiedenen Straftatbestände des Hochverrats, des Landesverrats und der staatsgefährdenden Handlungen waren Gegenstand des ersten Kapitels (§§ 74–82). Die Straftatbestände der sog. Majestätsverbrechen bildeten das zweite Kapitel (§§ 83–88). In den §§ 89–99 des Entwurfs waren im dritten Kapitel die Verbrechen gegen die öffentliche Ruhe zusammengefasst. 224 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 20. 225 Das bayrische StGB von 1813 trennten im zweiten Buch ausschließlich zwischen Privatverbrechen (Art. 142 bis 298) und den öffentlichen oder Staatsverbrechen (Art. 299 bis 366). Das dritte Buch, welches sich den Vergehen widmete, beruhte ebenfalls auf dieser Unterteilung. 226 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 20. 227 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 21. 228 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 21.

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Das vierte Kapitel umfasst die Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung (§§ 100–118). Abschließend waren im fünften Kapitel die Verbrechen wider öffentliche Treue und Glauben aufgeführt (§§ 119–136).

1. Hochverrat a) Objekt und Handlung Der in § 74 geregelte Tatbestand des Hochverrats schützte in der ersten Variante das „Leben, die Gesundheit oder die Freiheit des Landesfürsten oder Landesregenten“. Als Handlung genügte lediglich ein „vorsätzliches Verbrechen“ gegen die vorgenannten Rechtsgüter. Dieses musste beendet oder am Anfang der Ausführung gestanden haben. Dieser weite Anwendungsbereich war bewusst gewählt worden. Eine Beschränkung der Strafbarkeit auf Handlungen, die „einer politischen Tendenz“ unterliegen, lehnten die Motive ab.229 Eine solche Sichtweise hätte erfordert „zwischen der Person des Landesherrn als solchen, und seiner physischen Person (zu) unterscheiden [...]“.230 Überdies erforderte bereits der Grundsatz der Verfassung, „daß die Person des Landesfürsten heilig und unverletzlich sein soll“, einen umfassenden Schutz dieses Rechtsgutes. Die zweite Variante dieses Tatbestandes schützte als Rechtsgüter das Regierungsrecht des Landesfürsten oder Landesregenten, die Selbstständigkeit des Staates, die Landesverfassung und die Selbstständigkeit und Verfassung des deutschen Bundes. Strafbar war, wer gegen diese Rechtgüter einen „gewaltsamen Angriff macht“. Die Motive stellten klar, dass „erst der wirkliche Angriff den Thatbestand des Verbrechens bildet“, dies sollte durch die klare Sprachregelung des Wortes „machen“ verdeutlicht werden.231

b) Subjekt Die Motive widmeten sich auch der Frage, ob es sich bei diesem Tatbestand um ein Allgemein- oder ein Sonderdelikt handelte bzw. ob ein Täter des Hochverrats auch die „Unterthanen-Eigenschaft“ haben müsse. Diese Frage wurde in deutschen Strafgesetzgebungen unterschiedlich beantwortet. Die Gesetzgebungen von

229 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 61. 230 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 61. 231 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 82.

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Viertes Kapitel

Bayern232 und dem Königreich Hannover233 verlangten eine solche Rechtsstellung, die österreichische234, sächsische235 und württembergische236 Gesetzgebung betrachteten den Hochverrat als Allgemeindelikt. Dem Entwurf lag letztere Ansicht zugrunde. Die Verfasser begründeten dies dahingehend, dass der Straftatbestand des Hochverrats „im Grunde nur eine Notwehr des Staates“ war und daher gegen Jedermann gelten müsse.237 Ausgeschlossen war dieser Tatbestand nur „nach förmlich erklärtem Kriege“, da das Völkerrecht in der Normenhierachie höher stand.238

c) Verschwörung Als Unterfall des Hochverrats normierte § 75 den Tatbestand der Verschwörung. Dieser verlangte die Verabredung zweier oder mehrerer Personen über „Art und Zeit der Ausführung eines hochverrätherischen Unternehmens“. Auf der subjektiven Ebene musste zudem die „Absicht gegen das Leben des Staatsoberhauptes gerichtet“ sein. Mit dieser Norm wurden Handlungen pönalisiert, die – mangels einer Haupttat wenigstens im Versuchsstadium – nach den allgemeinen Regelungen des Entwurfs nicht strafbar gewesen wären. Begründet wurde diese Strafausweitung mit dem Hinweis auf die hohe Strafe, mit der bereits der Versuch des Hochverrats sanktioniert wurde.239

d) Vorbereitung des Hochverrats Eine nochmalige Ausweitung der Strafbarkeit konstituierte § 76, der bestimmte Vorbereitungshandlungen sanktionierte und hierfür Zuchthaus bzw. in weniger schweren Fällen Zwangsarbeit über ein Jahr androhte.

e) Rechtsfolge Für den Hochverrat sah der Entwurf als Rechtsfolge die Todesstrafe vor. Dies macht deutlich, dass die hier geschützten Rechtsgüter eine herausragende Stel-

232 233 234 235 236 237 238 239

Art. 299 des bayrischen StGB von 1813. Art. 119 CrimGB Hannover. § 58 StGB Österreich. Art. 116 StGB Sachsen. Art. 140 des StGB Württemberg. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 63. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 62. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 64.

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lung einnahmen. Die Verfasser sahen diese ultimative Strafe auch als gerechtfertigt an, da „der Hochverräther ein Feind des Staates (ist), er befindet sich gegen denselben in einem wirklichen Kriegszustande [...]“.240 Gleichwohl wurde auch die Notwendigkeit erkannt, nicht alle tatbestandlichen Handlungen mit der Todesstrafe zu belegen. Insbesondere hätte der weite Handlungsbegriff auch Sachverhalte erfasst, die „in ihren Folgen sehr wenig schädlich“ sind, mit der Konsequenz, dass „diese höchst verschiedenartigen Rechtsverletzungen mit derselben Strafe zu belegen der Idee der Gerechtigkeit nicht entspricht“.241 Entsprechend dieser Einsicht waren im Entwurf minder schwere Fälle als auch der nicht beendigte Versuch mit lebenslänglicher oder zeitlicher Kettenhaft nicht unter zehn Jahren bedroht. Für die Verschwörung sah der Entwurf lebenslängliche oder zeitliche Kettenhaft als Strafe vor.

2. Landesverrat Den Regelungen des Hochverrats nachfolgend, stellte der Entwurf in den §§ 77–78 den Landesverrat unter Strafe. Tatbestandlich handelte hier, „wer eine auswärtige Macht zum Kriege wider das Herzogthum oder den deutschen Bund oder dessen Bundesgenossen auffordert oder Einverständnisse unterhält, um einen solchen Krieg zu veranlassen […]“. Im Kriegsfall war u.a. das Tragen von Waffen gegen das Herzogtum sanktioniert. Darüber hinaus stuften die Verfasser auch den Geheimnisverrat „zu Gunsten einer fremden Regierung“ als Landesverrat ein. Die sehr hohe Strafandrohung mit lebenslanger Kettenhaft machte auch hier eine Abstufung in Form des in § 78 normierten Landesverrats zweiten Grades erforderlich, der die Aufforderung einer fremden Macht zur „Einmischung“ lediglich mit Zuchthaus bedrohte. Die Motive zu dieser Norm befasste sich vor allem mit den Auswirkungen des Völkerrechts auf einzelne Tatbestandsmerkmale. So wurde das Tragen von Waffen im Kriegsfall nur dann nicht als tatbestandlich bewertet, wenn der Täter „dem kriegsführenden Staate als Unterthan angehört oder wenigstens in dessen Kriegsdiensten steht“.242 Angehörige aus Drittstaaten machten sich dagegen des Landesverrats strafbar, wenn sie sich „auf eigener Hand einer der kriegsführenden Parteien anschließen und von ihr geduldet werden“.243 240 241 242 243

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 62. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 63. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 65. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 65.

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Viertes Kapitel

3. Staatsgefährdende Handlungen Den Abschluss des Kapitels Hochverrat bildeten die in den §§ 79–82 aufgeführten Vorschriften der staatsgefährdenden Handlungen. Die Eingangsbestimmung des § 79 besagte, dass die Strafe des Hochverrats und des Landesverrats auch bei entsprechenden Verbrechen gegen ausländische Regenten und Staaten gelten sollten. Die gegenseitige „Absicherung“ der staatlichen Einrichtungen sollte aber nur dann gelten, wenn die „Gesetzgebung des auswärtigen Staates denselben Grundsatz befolgt“. Bei Staaten ohne korrespondierende Regelung sah der Entwurf für Hochverrat und Landesverrat anstatt Todesstrafe bzw. lebenslange Kettenhaft nur eine vergleichbar milde Bestrafung mit Zuchthaus vor. Diese Diskrepanz bei der Rechtsfolge wurde damit begründet, dass es keinen Grund gebe, diesen Staaten „einen größeren Rechtsschutz zu gewähren, als den, welchen sie anderen Staaten angedeihen lassen [...].244 Weiterhin sanktionierte § 80 des Entwurfs das „Verleiten von Soldaten zur Desertion“ bzw. das Anwerben von „Landesbewohnern zum außwärtigen Kriegsdienst“ mit Zwangsarbeitstrafe über ein Jahr. Eine eher geringe Strafwürdigkeit sah der Entwurf in der Teilnahme an unerlaubten Verbindungen (§ 81) bzw. der Verbreitung falscher Nachrichten oder „aufreizender Schriften“ (§ 82), da diese Straftaten nur mit Gefängnis über ein Jahr bzw. bis zu einem Jahr sanktioniert werden sollten.

4. Majestätsverbrechen Die im zweiten Kapitel unter dem Titel Majestätsverbrechen zusammengefassten Straftatbestände nahmen eine systematische Sonderrolle ein. Unter Strafe stellte der Entwurf die Beleidigung des Staatsoberhauptes (§ 83), der Landesfürstin und des Erbprinzen (§ 86) und der Mitglieder der Herzoglichen oder anderer Fürstlicher Häuser und der Gesandten (§ 87). Die sog. Majestätsverbrechen hatten sich Anfang des 19. Jahrhunderts im deutschen Partikularstrafrecht zu einer eigenen Deliktsklasse entwickelt.245 Davor waren sämtliche Handlungen gegen das Staatsoberhaupt als Hochverrat qualifiziert worden. Folge war eine erhebliche Strafausweitung, die durch die meistens bestehende ultimative Strafandrohung des Hochverrats mit der Todesstrafe eine

244 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 66. 245 Einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Majestätsverbrechen in den deutschen Partikularstrafrechtsgesetzen findet sich in: Hartmann, Majestätsbeleidigung und Verunglimpfung des Staatsoberhauptes, S. 34 ff.

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besondere Tragweite erfuhr. Mangels einer spezifischen Regelung der Majestätsbeleidung gab es häufig rechtsfreie Räume, geprägt von richterlicher Willkür, da jede Handlung, die nicht dem Willen des Regenten entsprach, gleichzeitig als ein Majestätsverbrechen angesehen werden konnte.246 Entsprechend hoch war das Bedürfnis der damaligen Rechtswissenschaft, den Tatbestand des Majestätsverbrechens zu definieren und auch dessen Verhältnis zum Hochverrat zu systematisieren.247 Dies führte letztendlich zu dem Ergebnis, dass die Majestätsbeleidigung keinen Hochverrat mehr darstellte, sondern als eigener Straftatbestand etabliert wurde. Trotz des persönlichen Bezugs behielt dieser neue Straftatbestand seinen Charakter als Staatsverbrechen und stand daher außerhalb der Delikte der allgemeinen Beleidigung.

a) Tatbestand Der Entwurf hatte diese systematische Trennung von Majestätsverbrechen und Hochverrat klar vollzogen. Schutzobjekt der Majestätsbeleidigung war zunächst das Staatsoberhaupt. Hinsichtlich der Streitfrage, inwieweit der Ehrschutz für die Familie des Staatsoberhauptes gelten sollte, entschieden sich die Verfasser durch die Einbeziehung der Landesfürstin und des Erbprinzen für einen weiten Schutzbereich.248 Insbesondere Feuerbach lehnte eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs ab, da diese sich nicht von dem Wesen des Staates her erklären lasse, sondern alleine auf der Annahme der Göttlichkeit und Heiligkeit beruht, die aber im konstitutiven Staatswesen keinen Raum mehr hat.249 Die Motive selbst schweigen zu dieser Streitfrage. Hier heißt es lediglich: „Zu sonstigen besonderen Bemerkungen gibt dieses Kapitel keine Veranlassung“.250 Letztlich zeigt sich in dieser eher unkritischen Haltung die „Staatsnähe“ der Verfasser des Entwurfs. Zu der in § 87 vorgenommenen Klassifizierung der fürstlichen Personen anderer regierender Häuser und fremder Gesandten zu weiteren Schutzobjekten des Majestätsverbrechens führten die Motive aus, dass Beleidigungen gegen diese sowohl

246 Vgl. Kellner, Majestätsverbrechen, S. 20, Meents, Majestätsbeleidigung, S. 29. 247 Vgl. Hartmann, Majestätsbeleidigung und Verunglimpfung des Staatsoberhauptes, S. 14. 248 Vgl. § 86 des Entwurfs von 1839. 249 Vgl. Mittermaier, in: Feuerbach, Lehrbuch. (1847), Note V zu § 172, S. 299.; v. Schirach, Politische Verbrechen, in: Schroeder, Texte, S. 328. 250 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 66.

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wegen ihrer größeren Strafbarkeit, als auch wegen des „staatsgefährdenden Charakters, weit mehr den öffentlichen, als den Privat-Verbrechen angehören“.251 Tatbestandliche Handlungen waren gegen das Staatsoberhaupt die „thätliche Beleidigung“ (§ 83), „thätliche Drohungen“ (§ 84) und die Beleidigung durch „Worte oder Handlungen“ (§ 85). Die Majestätsbeleidigung konnte demnach in Form von Real-, Verbal- und symbolischen Injurien begangen werden. Ausweislich des Tatbestands standen hier die Real-Injurien im Vordergrund. Erforderlich war wohl daher, dass der Täter eine unmittelbar gegen den Körper des Staatsoberhaupts gerichtete Einwirkung vornahm. Bezüglich der in § 84 sanktionierten „thätlichen Drohung“ konkretisierten die Verfasser das Verhältnis dieser Norm zur allgemeinen Drohung des § 171. Diese erfülle gegen das Staatsoberhaupt gerichtet den Tatbestand des Hochverrats, während die Absicht bei der „thätlichen Drohung“ nach § 171 nur auf die Beleidigung gerichtet sei.252 Um tatbestandlich zu wirken, war für die Drohung zudem die Gegenwart des Staatsoberhauptes erforderlich.253

b) Rechtsfolge Die Rechtsfolgen der Majestätsverbrechen lassen die Härte der Bestrafung von politischen Delikten im Vergleich zu anderen Delikten erkennen. So sah der Entwurf für das korrespondierende Privatdelikt der Beleidigung in § 189 eine Maximalstrafe von bis zu einem Jahr Gefängnis vor, während der Entwurf für die „thätliche Beleidigung“ des Staatsoberhauptes als Maximalstrafe lebenslange Kettenhaft androhte. Diese Diskrepanz wurde vielfach als unverhältnismäßig angesehen.254 Gefordert wurde, die Strafe der Majestätsbeleidigung an den Strafen für Beleidigungen von Privatpersonen zu orientieren, dann aber mit einer etwas höheren Strafdrohung zu versehen.255 Diesem Ansatz folgte der Entwurf nicht. Allerdings enthielt er erhebliche Strafabstufungen für die Majestätsbeleidigung. So war für die reine Verbalinjurie (lediglich) eine Minimalstrafe von Zwangsarbeit über einem Jahr vorgesehen.

251 252 253 254 255

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 66. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 66. Motive und Bemerkungen, S. 243. Vgl. v.Schirach, Politische Verbrechen, in: Schroeder, Texte S. 306 ff. Vgl. Bauer, Lehrbuch des Strafrechts § 350, S. 496; Tittmann, Handbuch der Strafrechtswissenschaft, § 228, S. 28.

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Als Mittelstufe sanktionierte der § 84 die „thätliche Drohung“ mit zeitlicher Kettenstrafe bis zu zehn Jahren. Ähnliche Strafabstufungen waren für die Beleidigungen der Landesfürstin und des Erbprinzen vorgesehen. Hier lag die Maximalstrafe für den Fall einer „vorbedachten Thätlichkeit“ bei zeitlicher Kettenstrafe nicht unter zehn Jahren, während die Minimalstrafe nur Gefängnis von sechs Monaten bis zu einem Jahr androhte. Die Rechtsfolgen für die Beleidigung der Mitglieder des herzoglichen oder anderer fürstlicher Häuser und der Gesandten näherten sich bereits der Bestrafung der Privatdelikte an, da hier als Maximalstrafe für eine „thätliche Beleidigung“ nur Zwangsarbeit über ein Jahr in Aussicht gestellt wurde. Bemerkenswert ist die spezielle Verfahrensvorschrift des § 88. Obgleich diese Straftatbestände als Offizialdelikt von Amts wegen verfolgt werden mussten, stand die Strafverfolgung unter Genehmigungsvorbehalt des Staatsoberhauptes. Diese Einschränkung des Offizialprinzips verfolgte den Zweck, die „Privatsphäre“ des Staatsoberhauptes schützen.

5. Verbrechen gegen die öffentliche Ruhe Zentrales Delikt bei den Verbrechen gegen die öffentliche Ruhe war der in den §§ 89–91 geregelte Tatbestand des Aufruhrs. Daneben umfasste dieses Kapitel die Straftatbestände des Auflaufs (§ 94), der öffentlichen Gewalt und Drohung (§§ 95, 96), die Störung des Gottesdienstes (§ 97), den Burgfriedensbruch (§ 98) und das Eindringen in Gerichts- und andere öffentliche Gebäude (§ 99). Der Tatbestand des Aufruhrs verlangte die „öffentliche Zusammenrottung“ einer Menschenmenge, um gegen die Obrigkeit Gewalt zu verüben. Die Problempunkte dieser Vorschrift aus Sicht der Motive bestanden zunächst in der Abgrenzung dieser Norm zu dem in § 101 aufgeführten Straftatbestand der „Widergesetzlichkeit gegen die Obrigkeit“, der auch von mehreren Personen verübt werden konnte. Die typusbildenden Merkmale des Aufruhrs waren, laut den Motiven, in der Menschenmenge und der öffentlichen Zusammenrottung zu sehen.256 Eine Definition dieses Deliktes über die Anzahl der beteiligten Menschen oder deren Eigenschaften lehnten die Verfasser ab. Es sei erforderlich, die

256 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 67.

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Viertes Kapitel „Beurteilung der tatsächlichen Umstände dem vernünftigen Ermessen des Richters zu überlassen und ihn nicht durch starre, rein formelle und eigentlich ganz willkürliche Bestimmungen zum Nachtheile einer gerechten Würdigung der Verhältnisse die Hände zu binden.“257

Bestraft werden sollten „Anstifter, Rädelsführer und bewaffnete Teilnehmer“ mit zeitlicher Kettenhaft, wenn beim Aufruhr vorsätzliche Tötung, Raub oder Brandstiftung verübt worden waren. Für nicht bewaffnete Teilnehmer sah der Entwurf Zuchthaus als Strafe vor. Die höhere Strafe für bewaffnete Teilnehmer wurde mit der Steigerung der Gefahr durch die Bewaffnung begründet.258 Für „geringere Gewalttaten“ lag die Strafandrohung bei Zuchthaus. Der Straftatbestand sah zudem noch Abstufungen vor, für die Fälle, dass „die Ruhe wieder hergestellt“ wurde (§ 90, Zweiten Grades) bzw. die Menschenmenge „sich freiwillig zerstreut“ hatte (§ 91, Dritten Grades). Für die erste Variante war als Höchststrafe Zwangsarbeit über ein Jahr angedroht, für die zweite Variante war die geringe Strafart Gefängnis, aber mit der gleichen Mindestdauer vorgesehen. Als Unterart des Aufruhrs ordnete der Entwurf die in § 92 aufgeführte Gefangenenmeuterei ein und verwies bei den Rechtsfolgen auf diese. Zuletzt sanktionierte § 93 auch die – erfolglose – Aufforderung zum Aufruhr mit Gefängnis über einem Jahr.

6. Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung Dieses Kapitel umfasste insgesamt 18 Straftatbestände. Bedeutsam – gerade im Hinblick auf die vom Entwurf gewählte Rechtsfolge – waren insbesondere die Vorschriften des Zweikampfes (§§ 111–114), der Störung der religiösen Ordnung (§ 110) und der Widersetzlichkeit und Thätlichkeiten gegen die Obrigkeit (§§ 100–101).

a) Zweikampf Die rechtliche Stellung des Zweikampfes war eine besondere.259 Von der Charakteristik her eigentlich den genuinen Körperverletzungs- oder Tötungsdelikten zugehörig, verortete der Entwurf die Regelungen des Zweikampfs jedoch bei den Öffentlichen Verbrechen. Diese Zuordnung des Zweikampfs ergebe sich – so die Motive – aus dem dadurch vollzogenen „eigenmächtigen Eingriff in die 257 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 67. 258 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 67. 259 Ein umfassender Überlick über die Entwicklung der Zweikampfnormen im deutschen Strafrecht findet sich in: Baumgarten, Zweikampf – §§ 201–210 a.F. StGB.

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richterliche Gewalt“ sowie der damit ebenfalls einhergehenden „Störung des Rechtsfriedens“.260 Letztere bedinge auch die Einordnung des Zweikampfs bei den Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung.261 Diese systematische Zuordnung war innerhalb der Partikularrechtsordnungen des 19. Jahrhunderts nicht unumstritten. Einige Kodifikationen ordneten die Zweikampfnormen eindeutig dem Schutz von Privatrechten zu.262 Im Sinne des Regierungsentwurfs ordneten dagegen das Hannoversche Criminalgesetzbuch von 1840, das Bayrische StGB von 1861 und das StGB von Sachsen aus dem Jahr 1855, die Duellbestimmungen dem Schutz von Rechten der Allgemeinheit zu.263 Tatbestandlich handelte, „wer einen Anderen zum Zweikampfe mit Waffen herausfordert, oder wer auf eine solche Ausforderung sich stellt“. Hinsichtlich der Rechtsfolgen unterschied der Entwurf zwei Fälle: 1. Den „verabredeten“ Zweikampf, der bis zur letztendlichen Tötung eines Duellanten fortgesetzt werden sollte und 2. den nicht verabredeten – spontanen – Zweikampf. Die erstgenannte Fallgestaltung belegte der Entwurf mit der ungewöhnlich harten Strafe von bis zu zehn Jahren Kettenhaft. Das Duell war zu der Zeit des Entwurfs insbesondere unter Offizieren und Adligen noch weit verbreitet.264 Es galt in diesen Kreisen häufig noch die Überzeugung, dass Beleidigungen nur mit Blut abgewaschen werden könnten. Der gerichtliche Weg bei solchen Beleidigungen wurde häufig abgelehnt, da er als Notbehelf des Schwächlings angesehen wurde, der das moralisch gebotene Duell mit dem Beleidiger scheute.265 Vor diesem Hintergrund begriffen die Verfasser die Kettenhaft auch nur als Ausnahme „wenn z.B. ein Raufbold von Profession eine in den Waffen nicht geübte

260 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 71. 261 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 72. 262 Im Badischen StGB von 1855 knüpften die Zweikampfnormen an die Regelungen über falsche Beschuldigung, Verleumdung und Ehrkränkung an. Im Hessischen StGB von 1841 waren die Zweikampfnormen im Anschluss an die Bestimmungen über die Aussetzung geregelt. Im Österreichischen StGB von 1851 folgten die Zweikampfdelikte den Verbrechen über körperliche Beschädigungen, vgl. Baumgarten, Zweikampf – §§ 201–210 a.F. StGB., S. 83 f. 263 Allerdings war auch hier die Zuordnung innerhalb der Öffentlichen Verbrechen uneinheitlich. Im Bayrischen StGB standen die Zweikampfnormen im Abschnitt über Friedensstörung und Eigengewalt, im Hannoverschen Criminalgesetzbuch fanden sich die Delikte im Kapitel der Verbrechen wider die Regierung des Staates und im sächsischen StGB standen die Zweikampfnormen in einem Kapital mit der unerlaubten Selbsthilfe, vgl. Baumgarten, Zweikampf – §§ 201–210 a.F. StGB., S. 84 f. 264 Vgl. Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, S. 123. 265 Vgl. Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, S. 125.

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Person in der Hoffnung, etwas zu erpressen, zu einem Duell zwingt und sie schwer verwundet oder gar tötet“.266 Konsequenterweise war die Bestrafung für die zweite Fallgestaltung deutlich milder. Selbst für den Fall eines tödlichen Ausgangs sah der Entwurf für den Verursacher des Zweikampfes nur Zuchthausstrafe vor. Im Falle von nur geringen oder gar keinen Verletzungen lag die Höchststrafe nur bei bis zu einem Jahr Gefängnis. Darüber hinaus räumten die Verfasser bei erheblichen Milderungsgründen den Gerichten die Ermächtigung ein, „statt auf Zwangsarbeit oder die härteren angedrohten Freiheitsstrafen, auf Gefängnis von der ordentlichen Dauer jener Strafarten zu erkennen“. Dieser Regelung lag die Einsicht zugrunde, „daß bei den einmal bestehenden und eingewurzelten Standesvorurtheilen und der daraus hervorgehenden Schwierigkeit, ja, man muß leider sagen Unmöglichkeit, unter gegebenen Umständen einem Zweikampfe auszuweichen, diese Strafarten für gewöhnliche Fälle, selbst mit unglücklichem Ausgange, zu hart erscheinen, wenigstens insofern, als ihre Folgen entehrend sind.“267

Die strafrechtliche Privilegierung268 des „Zweikämpfers“ konnte jedoch nach § 111 Abs. 3 derjenige nicht beanspruchen, der „mit vorsätzlicher Verletzung der hergebrachten oder verabredeten Regeln des Zweikampfes seinen Gegner tötet oder verletzt [...]“. Für diese Täter verwies der Entwurf auf die allgemeinen Körperverletzungs- und Tötungsdelikte. Als Begleitdelikt zum Zweikampf bestrafte der Entwurf in § 112 auch die Beihilfe zu diesem. Auch differenzierte der Entwurf danach, ob der „Secundant oder Zeuge“ bewusst einem verabredeten Zweikampf beiwohnte oder nicht. Für den ersten Fall lag die Strafandrohung bei drei bis sechs Monaten Gefängnis, ansonsten bei maximal acht Wochen Gefängnis oder Geldstrafe. Straffrei waren nach dieser Norm „zugezogene Aerzte“ und Sekundanten, die den Zweikampf bzw. dessen Erfolg „zu behindern bemüht waren“. Ebenfalls unter Strafe stellte der Entwurf mit der in § 113 geregelten Ausforderung die Herausforderung zum Zweikampf und dessen Annahme, wenn „dessen Ausführung verhindert ist“. Die Duellanten sollten dann mit einer maximalen

266 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 72. 267 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 72. 268 Insgesamt war die strafrechtliche Behandlung des Duells im 19. Jahrhundert in Deutschland und auch in Österreich-Ungarn milder ausgestaltet als im 18. Jahrhundert, hierzu ausführlich Schlink, Das Duell im 19. Jahrhundert, S. 11 ff.

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Gefängnisstrafe von drei Monaten, die Sekundanten und Zeugen bis vier Wochen bestraft werden. Die freiwillige Abstandsnahme der Parteien vom geplanten Zweikampf ließ die Strafe jedoch entfallen. Mit einer Strafandrohung bis zu einem Jahr Gefängnis belegte der Entwurf die im nachfolgenden Paragraphen sanktionierte Anreizung zum Zweikampf. Strafbar im Sinne dieser Norm machte sich, wer „andere zum Zweikampf aufhetzt“. Ebenfalls verboten war es, einem Beteiligten wegen „Ablehnung oder Beilegung eines Zweikampfes“ Verachtung zu zeigen. Hierauf konnte auf eine Strafe bis zu drei Monaten Gefängnis erkannt werden. Gerade die zuletzt aufgeführte Norm macht das Bestreben der Verfasser bzw. der damaligen Strafgesetzgebung deutlich, durch Pönalisierung des „Ehrenkodex“ ein Umdenken in den adressierten Kreisen zu erzwingen.

b) Störung der religiösen Ordnung Der Tatbestand des in § 110 des Entwurfs aufgeführten Deliktes Störung der religiösen Ordnung stellte insbesondere die Gotteslästerung, die Herabwürdigung heiliger Gegenstände und die Weckung des Religionshasses unter Strafe. Das Religionsstrafrecht hatte noch immer einen hohen Stellenwert in der damaligen Gesetzgebung. Diente es zunächst dem Schutz der göttlichen Majestät, bezweckte es in einer zweiten, moderneren Stufe, lange Zeit den Schutz religiöser Empfindungen der Gläubigen. Entsprechend bildete den Kern des Religionsstrafrechts bis in das 20. Jahrhundert hinein der Tatbestand der Gotteslästerung.269 Dieses Wesensmerkmal des Religionsstrafrechts wurde von der Aufklärung zunehmend in Frage gestellt. In seinem „Lehrbuch des peinlichen Strafrechts“ erklärte z.B. Feuerbach: „[...] Daß die Gottheit injuriert werde, ist unmöglich. Daß sie wegen Ehrenbeleidigungen sich an Menschen räche, undenkbar; daß sie durch Strafe ihrer Beleidiger versöhnt werden müsse, Torheit [...].“270

Entsprechend verzichtete das von Feuerbach geprägte Bayrische Strafgesetzbuch von 1813 auf das Delikt der Gotteslästerung.271 Die Verfasser beschritten diesen Weg nicht; gleichwohl lag die Hauptschutzrichtung dieser Bestimmung in der Sicherstellung des öffentlichen Friedens. Vor diesem Hintergrund wurde in den Motiven die Beibehaltung der Gotteslästerung als Tatbestandsmerkmal

269 Vgl. Czermak, Religion und Weltanschauungsrecht, S. 241. 270 Vgl. Feuerbach, Lehrbuch (1823), § 303. 271 Vgl. Müller, Religion und Strafrecht, S. 75.

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mit dem Hinweis verteidigt, dass „ein durch sie gegebenes öffentliches Ärgernis nicht geduldet werden darf“.272 Gerade im Hinblick auf die Rechtsfolge tritt der liberale Charakter des Entwurfs deutlicher in den Vordergrund. Die Motive setzten sich intensiv mit den Rechtsfolgen dieses Verbrechens in anderen Partikularstrafrechtsordnungen auseinander. Das Spektrum bei den Rechtsfolgen war sehr groß.273 Hieran lässt sich insbesondere die Umbruchsituation, in der sich das Religionsstrafrecht zur damaligen Zeit befand, ablesen. Der strafrechtliche Wert einzelner religiöser Schutzgüter begann zu sinken, wobei hier auch der jeweilige Fortschritt des Säkularisationsgrads in den einzelnen Ländern eine gewichtige Rolle spielte. Die Motive verglichen insbesondere die beiden Extrempositionen miteinander.274 So sah das österreichische Gesetzbuch als Strafe schweren Kerker bis zu zehn Jahren vor, während das aufgeklärte Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten nur eine Höchststrafe von 6 Monaten Gefängnis androhte. Mit der Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis orientierte sich der Entwurf letztlich an der preußischen Strafsetzung, „da indeß die Erfahrung nicht ergeben hat, daß die Milde der preußischen Gesetzgebung dort schädlich gewirkt hätte [...]“.275

c) Widersetzlichkeit und Tätlichkeiten gegen die Obrigkeit Bei dem in § 100 geregelten Straftatbestand Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit handelte es sich um einen Auffangtatbestand für den Bereich der Öffentlichen Verbrechen. Der Tatbestand unterschied im Wesentlichen zwischen der „thätlichen Mißhandlung“ oder „thätlichen Rache“ gegen einen „oberen öffentlichen Beamten oder Officier während der Ausübung des Dienstes“ (§ 100 Nr. 1) und dem „gewaltsamen Widerstand gegen „rechtmäßige Befehle und Anordnungen der Obrigkeit oder oberen öffentlichen Beamten oder Officiere“ (§ 100 Nr. 2). Die Rechtsfolgen für diese Handlungen waren ähnlich. In der ersten Fallgestaltung gab der Entwurf eine Mindeststrafe von über einem Jahr Zwangsarbeit vor, wenn der Täter mit „Vorbedacht gehandelt“ hatte. Für die übrigen Fälle war eine Höchststrafe von einem Jahr Zwangsarbeit vorgesehen.

272 273 274 275

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 71. Vgl. Müller, Religion und Strafrecht, S. 75. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 71. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 71.

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Diese Mindeststrafe war auch für die zweite Variante auserkoren. Allerdings musste hierfür der Täter bei der Tat „Waffen angewendet“ haben. Die Strafe für die übrigen Fälle entsprach der ersten Fallgestaltung. Eine geringere Strafe sah der Entwurf unter der Nr. 3 für gleichartige Tathandlungen gegen Staatsangehörige unterer Dienstgrade vor. Für diese Fälle lag die Höchststrafe bei einem Jahr Gefängnis (Nr. 1) bzw. einem Jahr Zwangsarbeit (Nr. 2). Interessant ist in diesem Fall ein Vergleich mit der gesetzlichen Regelung dieser Tatbestände vor dem Entwurf des Criminalgesetzbuches. Einzelne Tatbestände waren bereits einfachgesetzlich geregelt und wurden fast unverändert in den Entwurf übernommen. Vorliegend war § 100 – mit einigen redaktionellen Änderungen – den Regelungen des § 3 des Gesetzes vom 23. Februar 1837 entnommen.276 Die absolute Höchststrafe war mit fünf Jahren Zwangsarbeit identisch, der Entwurf entschied sich aber für eine höhere Mindeststrafe, da die damalige Regelung nur sechs Monate als solche vorsah. Zudem wählte der Entwurf für die ersten beiden Fallgestaltungen nur die Strafart Zwangsarbeit, während in § 3 als alternative Strafart auch das Gefängnis normiert war.277 An dieser Änderung lässt sich das Bestreben der Verfasser nochmals erkennen, die Wahl der Strafart möglichst gesetzlich zu bestimmen und sie nicht in das Ermessen des Gerichts zu stellen. Beim Widerstand gegen Angehörige unterer Dienstgrade wählte der Entwurf zudem eine geringere Strafandrohung, da hier vormals die Höchststrafe bei drei Jahren Zwangsarbeit lag.278 Eine Strafausweitung gegenüber der bisherigen gesetzlichen Regelung vollzog der Entwurf durch die Einführung des Tatbestands „Verabredung, Herleitung und Aufforderung zur Widersetzlichkeit“ in § 101, der bereits Vorbereitungshandlungen mit einer Höchststrafe von sechs Monaten Gefängnis belegte. Gerechtfertigt wurde die Konstitution dieser Norm damit, dass „sie sehr geeignet ist, das Verbrechen der Widersetzlichkeit zu verhindern“.279

7. Verbrechen wider öffentliche Treue und Glauben Das letzte Kapitel „Verbrechen wider öffentliche Treue und Glauben“ im Abschnitt der Öffentlichen Verbrechen umfasste insgesamt 17 Straftatbestände. 276 Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1837), S. 52. 277 Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1837), S. 52. 278 Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1837), S. 52. 279 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 69.

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Hierbei lassen sich die Delikte grob in Fälschungsdelikte, Aussagedelikte und allgemeine Wirtschaftsdelikte unterteilen. Die zentralen Vorschriften dieses Kapitels waren das in § 119 geregelte Falschmünzen sowie der Meineid (§ 127).

a) Falschmünzen Beim Tatbestand des Falschmünzens war zunächst neben dem unstreitigen objektiven Tatbestandsmerkmal der „Verfertigung“ falschen Metall- und Papiergeldes die konkrete Ausgestaltung der subjektiven Komponente des Tatbestandes problematisch. Die Lösungswege der „neuesten deutschen Gesetzbücher“280, Täterabsicht für das Ausgeben des Falschgeldes bzw. für das In-den-Umlauf-bringen, wurde als zu enge Definition des Tatbestands verworfen, die viele Lebenssachverhalte nicht erfasse.281 Die Verfasser entschieden sich daher für eine andere, jedoch im Ergebnis ähnlich enge Bestimmung des subjektiven Erfordernisses. Der Täter musste in „gewinnsüchtiger Absicht“ gehandelt haben, bzw. das „falsche Geld als Geld gebrauchen“ wollen.282 Erörtert wurde auch die Beschränkung des Tatbestands auf umlauffähiges Falschgeld bzw. Münzen, die „im Lande Cours haben“, wie es andere deutsche Strafgesetzgebungen verlangten. Die Aufnahme eines solchen Merkmals lehnten die Verfasser ab, da durch „dasselbe der Thatbestand dieses Verbrechens zu eng bestimmt“ werde.283 Eine solche Einschränkung sei überdies unzweckmäßig, da nach der jetzt bestehenden Bundesverfassung das Verbot des Falschmünzens auf die Münzen aller deutschen Staaten bezogen werden müsse. Entsprechend sei es sehr schwierig, „die Gränze zu bestimmen, wenn man einen Unterschied zwischen den Münzen auswärtiger Staaten machen und die Nachahmung einiger erlauben will“.284 Im Hinblick auf die ebenfalls umstrittene Frage des richtigen Vollendungszeitpunkts des Deliktes listete der Entwurf zunächst die vier diskutierten Zeitpunkte auf: 1. Die vollendete Verfertigung des falschen oder verfälschten Gegenstandes, 2. Der davon wirklich gemachte beabsichtigte Gebrauch, 3. Dieser Gebrauch mit Erfolg, d.h. mit Bewirkung der beabsichtigten Täuschung, 4. Der Gebrauch mit Stiftung eines Schadens.285

280 281 282 283 284 285

Gemeint sind hier die StGBs der Königreiche Sachsen und Württemberg. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 72. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 72. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 74. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 74. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 74.

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Die Verfasser entschieden sich für die erstgenannte Ansicht, da diese der bisherigen Gerichtspraxis entsprach und der Schwerpunkt der Strafbarkeit und der Gefährlichkeit in der Fälschung und nicht in der anschließenden Verwendung liege.286 Die anderen Punkte sollten daher nur auf der Rechtsfolgenseite als Strafzumessungsgründe Beachtung finden. Bei der daran anknüpfenden Frage, welcher Umstand möglicherweise einen Strafherabstufungsgrund darstellen könnte, beriefen sich die Verfasser auf den Strombeckʼschen Entwurf und teilten dessen Einschätzung, dass hier nur der Umstand in Betracht komme „ob die falsche Münze sogleich erkennbar ist oder nicht“.287 Im Hinblick auf die Strafe für dieses Verbrechen zeigt der Entwurf eine vergleichsweise Milde. Als Strafart wurde Zuchthaus festgeschrieben und keine Höchstdauer benannt, so dass die Höchststrafe für diese Straftat bei zehn Jahren Zuchthaus lag (in außerordentlichen Fällen bei 15 Jahren). Diese Strafandrohung stand im Gegensatz zu den korrespondieren Strafen anderer Strafgesetzbücher, die meistens härter waren.288 Der Entwurf von Strombeck fand für diese Tat – in schweren Fällen – die Strafe des großen Karrens als angemessen.289 Die Verfasser waren sich ihrer diesbezüglichen Sonderrolle in der Rechtslandschaft durchaus bewusst und begründeten ihre Festlegung mit der Grundsatzentscheidung, Vermögenswerten einen geringeren strafrechtlichen Schutz zukommen zu lassen als denen, welche die körperliche Integrität betreffen. Hierzu führten die Motive aus: „[...] Verbrechen, die nicht zugleich die Person, sondern nur das Vermögen oder Vermögensrechte angreifen, (können) nicht mit der härtesten Freiheitsstrafe belegt werden, da sie von jenen die unersezliche Güter vernichten und deren Unternehmung eine bösere Gesinnung voraussetzt, in der Strafbarkeit weit abstehen.“290

286 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 75. 287 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 75. 288 Art. 206 StGB Württemberg sah eine Höchststrafe von 15 Jahren Zuchthaus vor, auch das PrStGB sanktionierte die Münzfälschung nach § 121 mit der Höchststrafe von 15 Jahren Zuchthaus. § 201 CrimGB des Königreichs Hannover bestrafte die Münzfälschung sogar mit Kettenstrafe bis zu 15 Jahre. 289 Art. 291 ff. Entwurf Strombeck von 1829. 290 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 75.

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b) Aussagedelikte Die hier erfolgte Einordnung der Aussagedelikte in die Verbrechen wider öffentliche Treue und Glauben war zum Zeitpunkt des Entwurfs nicht unumstritten.291 Einige Rechtsordnungen sahen diese Delikte als qualifizierten Betrug und daher als Privatverbrechen.292 Es gab aber bereits gewichtige Stimmen, die den Meineid bzw. Falschaussagedelikte als Verbrechen gegen den Staat begriffen.293 Die Motive äußersten sich zu dieser Streitfrage nicht. Das nachfolgend dargestellte strenge Strafenregime des Meineids macht aber deutlich, dass am „öffentlichen Charakter“ dieser Verbrechen kein Zweifel bestand. aa) Meineid und Rechtsfolge Nach § 127 des Entwurfs machte sich wegen Meineides strafbar: „wer mit der Überzeugung der Unwahrheit seine falsche Angabe vor einer öffentlichen Behörde durch förmlichen Eid bekräftigt.“

Hinsichtlich der Tathandlung des wissentlichen Schwörens eines Eides auf eine falsche Angabe, setzten sich die Motive mit der Frage auseinander, ob auch lediglich die Überzeugung des Schwörenden eine vermeintlich falsche Angabe zu machen, tatbestandlich sein könne.294 Letztlich lehnten die Motive diese Überlegung mit dem Hinweis ab, dass ein „nothwendiges Merkmal jeder verbrecherischer Handlung eine materielle Rechtsverletzung (sei) [...]“.295 In Abkehr von der gemeinrechtlichen Tradition296, die nur den Meineid vor Gericht kannte, sollte dieser nun „wegen der Gleichheit des Grundes“ vor jeder öffentlichen Behörde strafbar sein. Das Strafenregime des Meineides war ungewöhnlich kasuistisch aufgebaut und unterschied drei Fälle. Die erste Variante betraf den Meineid, der einen „Unschuldigen in Strafe oder einen Schuldigen in eine schwere Strafe“ gebracht hatte. Für dieses Verbrechen drohte der Entwurf eine Mindeststrafe von drei Jahren Zuchthaus an. Gleichzeitig sah die Norm eine Strafschärfung für die Fälle vor, bei denen das Opfer eine härtere Strafart als Zuchthaus durch Vollzug ganz oder teilweise erlitten hatte. 291 Eine ausführliche Übersicht über die historische Entwicklung der Erklärungsmodelle für die Schutzfunktion des Meineides findet sich in: Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 143 ff. 292 Vgl. Marezoll, Das gemeine deutsche Criminalrecht, S. 474 ff. 293 So etwa Feuerbach, (vgl. Schubert, Feuerbachs Entwurf aus dem Jahr 1824, S. 202). 294 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 77. 295 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 78. 296 Vgl. Mittermaier, Ueber den Meineid, S. 85 ff.

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Hier musste das Gericht bei einer Verurteilung auch diese Strafart wählen. Mangels gesetzlicher Begrenzung war demnach auch die Todesstrafe möglich. Die zweite Variante erfasste den Meineid aller am Streit beteiligter Personen im Zivilprozess. Hierfür konnte ebenfalls auf eine Höchststrafe von 10 Jahren Zuchthaus erkannt werden, allerdings ohne Minimalstrafenvorgabe. Für den Handlungsunwert der übrigen Fälle erachtete der Entwurf die geringere Strafart Zwangsarbeit als angemessen, gab allerdings eine Minimalstrafe von einem Jahr vor. Den strengen Strafenkatalog rechtfertigten die Verfasser mit der Überzeugung, dass der Meineid „eine der wesentlichen Grundlagen unserer ganzen Rechtsverfassung angreift, daß ein hoher Grad von Verworfenheit dazu gehört, zu einem so gefährlichen Angriffe den heiligen Namen Gottes zu mißbrauchen und endlich welcher bedeutende Schaden durch dieses Verbrechen gestiftet werden kann [...].“297

Insbesondere der Hinweis in der Kommentierung auf die Rechtsverfassung, zeigt die zunehmende Bedeutung dieses Wertes in einer sich immer stärker „rechtsstaatlich“ entwickelnden Gesellschaft. Diese Tendenz war zur Mitte des 19. Jahrhunderts in den Gesetzgebungen allgemein zu beobachten.298 bb) Gemeinsame Bestimmungen der Aussagedelikte Nachfolgend zu den einzelnen Tatbeständen der Aussagedelikte lieferte der Entwurf in den §§ 131–134 gesetzliche Vorgaben für die Behandlung offener Streitfragen bei den Aussagedelikten. Offenbar wollten die Verfasser die Beantwortung dieser Fragen nicht der gerichtlichen Rechtsfortbildung überlassen und entschieden sich daher für eine gesetzliche Regelung. Zunächst stellte § 131 lediglich klar, dass die zulässigen Eidesformeln anderer Religionen dem hier förmlichen Eid gleichstanden und ein zulässiger Eid vor einem Notar ebenfalls die Strafbarkeit nach § 127 begründen konnte. Die falsche Angabe in Beziehung oder mit Verweis auf einen geleisteten Eid sollte nach der Maßgabe des § 132 dem Meineid gleichgestellt sein, als der Eid für den Fall zu Wahrheit verpflichtet und beweisend war.299

297 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 78. 298 Vgl. Mittermaier, Ueber den Meineid, 93 ff. 299 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 79.

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Der Frage, wann die Aussagedelikte vollendet sind, widmete sich § 133 des Entwurfs. Gerade bei dieser Problematik sahen die Verfasser eine durch neue Rechtsansichten ausgelöste Unsicherheit, die „eine unzweifelhafte Vorschrift wünschenswerth machten“.300 Die Verfasser stellten klar, dass mit Leistung des Eides und der falschen Angabe das Verbrechen als vollendet bewertet werden sollte. Eine Ausweitung dieses Zeitraums auf den formellen Schluss der Verhandlung, in der der Meineid geleistet wurde, lehnten die Verfasser ab. Diese Ansicht, welche dem Täter den Ausweg der tätigen Reue länger offenhalten möchte, sei zwar „sowohl von dem religiösen als criminal-politischen Standpunkte“ nachvollziehbar, allerdings würde diese dazu führen, Fälle, in denen „die Nichtvollendung des Verbrechens oder die Abwendung seiner schädlichen Folgen keine Wirkung der Reue ist, straffrei zu lassen“.301 Straffreiheit konnte nach dem Willen der Verfasser durch den in § 134 geregelten Widerruf erlangt werden, wenn der Meineidige sofort, „d.h. bevor er die Stätte verlassen hat“ widerrufen wurde bzw. bei Abgabe einer eidesstaatlichen Versicherung innerhalb von 24 Stunden nach deren Übergabe.

c) Urkundenfälschung und Falsche Anklage Die Strafbarkeit der Urkundenfälschung zum Nachtheil eines Angeschuldigten (§ 135) der auch die Unterdrückung echter Urkunden erfasste, sollte nach dem Willen der Verfasser dem Meineid gleichgestellt sein.302 Dabei trennte der Regierungsentwurf tatbestandlich zwischen der Fälschung öffentlicher und privater Urkunden. Letztere war als besonderer Fall des Betrugs und somit als Privatdelikt klassifiziert.303 Zu der Straftat der Falschen Anklage (§ 136) stellten die Motive zunächst klar, dass dieses Verbrechen nicht als eine qualifizierte Form der Beleidung und somit als Privatverbrechen angesehen wurde, sondern vielmehr als Öffentliches

300 301 302 303

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 79. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 80. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 80. Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Urkunden beruhte auf der Systematik des bayrischen StGB von 1813 und wurden neben Braunschweig auch von den Strafgesetzbüchern von Württemberg (1839) und Hannover (1840) übernommen. Einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Regelungen der Urkundendelikte in den deutschen Partikularstrafgesetzbüchern findet sich in: Prechtel, Urkundendelikte, S. 15 ff.

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Verbrechen.304 Dies sei gerechtfertigt, da „durch die falsche Anklage ein unmittelbarer Eingriff in die Staatsanstalten“ gemacht werde.305 Die für dieses Delikt vorgesehenen Strafen mussten als streng angesehen werden. So sollte die Höchststrafe bei 10 Jahren Zuchthaus liegen, wenn auf das bezichtigte Verbrechen die Todes- oder Kettenstrafe stand. Auf Zwangsarbeit mit einer Minimalstrafe von einem Jahr Zwangsarbeit war zu erkennen, wenn das unterstellte Verbrechen mit Zuchthaus bedroht war. Für alle weiteren Fälle galt die vorgenannte Minimalstrafe als Höchststrafe. Die Verfasser rechtfertigten das hier gewählte strenge Strafenregime mit dem „so bösartigen Sinn und die Uebel, die seine (des falschen Anklägers) Handlung über einen Unschuldigen bringen soll und unter Umständen bringen kann [...]“.306 Eine Gleichstellung mit dem Meineid komme aber nicht in Betracht, „da die falsche Anklage alleine nie einen solchen Effect haben und nur durch andere hinzukommende, an sich strafbare Umstände ein solcher Erfolg herbeigeführt werden kann“.307

II. Privatverbrechen Bei den Privatverbrechen trennte der Entwurf zwischen den sog. Verbrechen an der Person und an persönlichen Rechten und den sog. Verbrechen an dem Vermögen anderer. Abschließend widmete sich der dritte Abschnitt den Regelungen zum Strafantrag.

1. Verbrechen an der Person und an persönlichen Rechten Dieser Abschnitt war in insgesamt 7 Kapitel unterteilt. Den Anfang bildeten die Verbrechen wider das Leben Anderer (§§ 127–150). Das nachfolgende Kapitel widmete sich der Beschädigung an der Person (§§ 151–157). Systematisch an dieses Kapitel anknüpfend wurde die Fragen der Notwehr im dritten Kapitel behandelt (§§ 158–160). Das vierte Kapitel umfasste die Verbrechen wider die 304 Die dogmatische Einordnung des Tatbestandes der falschen Verdächtigung war innerhalb der deutschen Strafgesetzgebungen noch sehr uneinheitlich. Das bayrische StGB von 1813 ordnete die falsche Verdächtigung als qualifizierten Betrug ein. Ähnlich wie Braunschweig ordnete das CrimGB des Königreichs Hannover die „Falsche Denunciation“ (Art. 217) nicht als Individualschutzdelikt, sondern vorrangig als Rechtspflegedelikt ein. Die übrigen Partikulargesetzbücher ordneten die Falsche Verdächtigung dagegen sämtlich dem Kapitel über „Angriff auf die Ehre“ zu, vgl. hier ausführlich Bernhard, Falsche Verdächtigung, S. 13 ff. 305 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 81. 306 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 81. 307 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 81.

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Viertes Kapitel

Freiheit der Person (§§ 161–172). Diesem nachfolgend wurden in den §§ 173–177 die Verbrechen gegen den Stand der Person aufgeführt. Gegenstand des sechsten Kapitels waren die Verbrechen wider die Sitten (§§ 178–188). Den Abschluss bildeten die Regelungen der Ehrenkränkungen (§§ 189–194).

a) Verbrechen wider das Leben Anderer Eingeleitet wurden die Tötungsdelikte mit dem in § 137 geregelten Mordtatbestand. Hiernach ist Mörder: „Wer die von ihm verursachte Tötung eines Menschen mit Vorbedacht oder doch in Folge eines mit Vorbedacht gefaßten Entschlusses ausgeführt hat.“

Zwischen Tötungserfolg und Tötungshandlung musste Kausalität bestehen. Entsprechend waren ausweislich der Motive solche Fälle nicht als Mord zu bewerten, bei denen der Tötungserfolg „dem mit Vorbedacht gefassten Entschlusse, zu tödten, nachfolgt, aber welche(r) nicht Folge dieses Entschlusses ist [...]“.308 Auf der subjektiven Ebene unterschied sich der Mord vom nachfolgend in § 138 geregelten Totschlag durch das Erfordernis des Vorbedachts. Der Totschlag setzte zwar auch eine vorsätzliche Tötung voraus, allerdings musste diese im Affekt geschehen sein, bzw. „in leidenschaftlicher Aufwallung“, wie es der § 138 umschreibt. Mit dieser Unterscheidung folgten die Verfasser der damals herrschenden dualistischen Lehre zwischen Mord und Totschlag.309 Das legislatorische Vorbild für diese Form der Abgrenzung stellte das bayrische Strafgesetzbuch Feuerbachs dar.310 Entsprechend divergent waren auch die Rechtsfolgen dieser beiden Delikte. Der Mord war mit der Todesstrafe behaftet, während dem Totschläger lediglich zeitliche Kettenhaft angedroht wurde. Um auch Härtefälle zu berücksichtigen, setzte der Entwurf die Todesstrafe nur als Regelfall an. Fälle, welche die im zweiten Absatz aufgeführten „qualificierenden Erschwerungsgründe“311 nicht erfüllten und zudem mehrere und besonders erhebliche Milderungsgründe aufwiesen, blieben von der Todesstrafe verschont.312 Für diese war lebenslange 308 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 82. 309 Vgl. David, Die Entwicklung des Mordtatbestandes im 19. Jahrhundert, S. 236. 310 Eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen Regelungen der Tötungsdelikte im Deutschen Partikularrecht findet sich in: Linka, Mord und Totschlag (§§ 211–213), S. 11. 311 Als Qualifikationen zählte der § 138 des Entwurfs von 1839 den Mord wegen Raubes, Lohn, auf heimtückische Weise, durch Gift oder Brand, mit Peinigung des Entleibten, durch mehrere vertragsgemäße Teilnehmer und an Angehörigen auf. 312 Auf der Sanktionsebene hatte der braunschweigische Mordparagraph aufgrund der fehlenden absoluten Strafandrohung im Vergleich zu anderen Partikularregelungen eine eigenständige Lösung gewählt, vgl. Linka, Mord und Totschlag (§§ 211–213 StGB), S. 35.

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Kettenhaft als Strafe vorgesehen. Auch der Tatbestand des Totschlags kannte Strafabstufungen. Für den Fall, dass die Tat vom Opfer durch schwere Beleidigungen provoziert worden war, reduzierte sich die Strafe auf Zuchthaus, bei „besonders schweren Beschimpfungen oder thätlichen Mißhandlungen“ sogar nur auf Zwangsarbeit, hier aber mit einer Minimalstrafe von einem Jahr. Im Hinblick auf die Reichweite der Strafdrohung des Mordtatbestands setzten sich die Motive mit der Sonderrolle des Giftmordes im gemeinem Recht auseinander, bei welchem der beendete Versuch mit der Strafe des vollendeten Verbrechens belegt worden war. Eine solche Ausnahme lehnten die Verfasser ab, da sich durch die größere Gefährlichkeit des Giftmordes allenfalls „eine größere Strafbarkeit des Versuchs des Giftmordes oder der Beschädigung durch Gift, nicht aber der Uebergang zu einer ganz anderen Strafart, namentlich zur Todesstrafe, ableiten (lasse)“.313 Für die in § 139 normierte Tötung mit Einwilligung des Entleibten, sah der Entwurf eine Höchststrafe von 3 Jahren Gefängnis vor.314 Zudem legte er eine Minimalstrafe von einem Jahr fest. Für Fälle in denen ein „doch schon dem Tode Verfallender“ getötet wurde, stellte diese die Höchststrafe dar.315 Die Notwendigkeit für eine selbstständige tatbestandliche Regelung dieser Sachverhalte hat ausweislich der Motive bestanden, denn „die lassen sich den Bestimmungen über Mord und Todtschlag ohne Härte nicht subsummieren“. 316 Konsequenterweise sollte dieses Strafensystem auch bei der nachfolgend normierten Beihilfe zum Selbstmord (§ 140) Anwendung finden. Der Tatbestand des Kindesmordes (§ 141) bildete einen der Schwerpunkte in der Kommentierung der Tötungsdelikte. Zunächst wurde in den Motiven zur Norm konstatiert, dass die früheren Gründe317 für die strafrechtliche Privilegie-

313 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 82. 314 Der Entwurf schloss sich mit der eigenständigen Regelung der Einwilligung der Gruppe von Gesetzgebungen an, die darin eine Veränderung für die Rechtsgutverletzung erblickten und in Konsequenz eine geringere Strafe vorsahen. Zu dieser Gruppe gehörten u.a. auch das sächsische StGB von 1838 (Art. 125), das StGB Württembergs (Art. 239), das StGB Hessens (Art. 257). Dagegen lehnte das bayrische StGB von 1813 (Teil 1, Art. 123) und auch das StGB Österreichs von 1803 (§ 4), die Wirksamkeit einer solchen Einwilligung ab, vgl. hierzu ausführlich, Große-Vehne, Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), S. 11 ff. 315 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 84. 316 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 84. 317 Eine Übersicht über den Gang der Entwicklung der Kindestötung von einem qualifizierten Mord zur privilegierten Tötung findet sich in: Wächtershäuser, Das Verbrechen des Kindermordes, S. 7 ff.

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rung dieser Tötungshandlung – jedenfalls größtenteils – nicht mehr fortbestehen.318 So könne die „Rücksicht auf die Geschlechts-Ehre“ kein Grund mehr darstellen, da „unter der zahlreichsten Classe der Bevölkerung die uneheliche Schwängerung eine Schande zu sein fast aufgehört hat“.319 Vielmehr sei das Hauptmotiv „der Wunsch, sich von einer freilich oft bedrückenden Last zu befreien [...]“.320 Gleichwohl stellten das „völlig unterentwickelte Bewusstsein“ des Säuglings als auch der „Zustand der Mutter“ weiterhin Gründe für eine geringere Strafbarkeit des Kindesmordes dar.321 Diese veränderte Sichtweise bei der Kindstötung lässt sich auch im Strafensystem ablesen. Die Tötung eines ehelichen Kindes322 während der ersten 24 Stunden nach der Geburt bestrafte der Entwurf mit Kettenhaft, legte aber zudem eine Minimalstrafe von zehn Jahren fest. Entsprechend war die Strafe für dieses Verbrechen höher bemessen als die Sanktion für den Totschlag. War das Opfer ein uneheliches Kind, durfte nur auf die Strafart Zuchthaus erkannt werden. Die Verfasser entschieden sich, die zeitliche Grenze, ab wann das Kind noch als Neugeborenes anzusehen sei, positiv rechtlich mit 24 Stunden zu bestimmen, da „Fälle eigentlichen Kindesmordes, wo diese Zeit überschritten wäre, selten vorkommen“.323 Allerdings räumten sie in diesem Fall den Gerichten einen Ermessensspielraum ein. Am Ende der Norm wurde zudem festgestellt, dass die Tötung eines nicht lebensfähigen Kindes als beendeter Versuch des Kindesmordes bestraft werden soll. Die Tötung einer Mißgeburt (§ 142) wurde dagegen lediglich nur mit einer Höchststrafe von sechs Wochen Gefängnis behaftet. Als Mißgeburt definierte die Norm eine Leibesfrucht, „welcher die menschliche Gestalt fehlt“. Hierunter

318 Im Code pénal wurde die Kindesstötung mit dem Tode geahndet (Art. 300, 302). Das österreichische „Allgemeine Gesetz über Verbrechen und derselben Bestrafung“ von 1787 verzichtete bereits auf eine Todesstrafe. Das österreichische StGB von 1803 sah in der Kindestötung ein selbstständiges Verbrechen und belegte es ebenfalls nicht mehr mit der Todesstrafe. Diesem Beispiel folgte auch als erstes deutsches Strafgesetzbuch das bayrische StGB von 1813, vgl. Brambring, Kindestötung (§ 217 a.F. StGB), S. 16 ff. 319 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 85. 320 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 85. 321 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 85. 322 Die (eingeschränkte) Ausdehnung der Privilegierung auf die Tötung eines ehelichen Kindes, stellte stellte in den deutschen Partikulargesetzgebungen eine Besonderheit dar. Lediglich die österreichischen StGBs von 1803 und 1852, sowie das bayrische StGB von 1861 folgten diesem Ansatz, vgl. Brambring, Kindestötung (§ 217 a.F. StGB), S. 17. 323 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 85.

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waren daher nur sehr extreme Fälle der Behinderung zu subsumieren, so dass diese Norm nur in seltenen Fällen Anwendung fand.324 Der Abschnitt der vorsätzlichen Tötungsdelikte endet mit dem Straftatbestand des § 143, der unter dem Titel Vorbereitung zum Morde, ausgewählte Vorbereitungshandlungen mit Zwangsarbeit belegte. Dies betraf das Auflauern mit Waffen und das Anschaffen von Gift oder explosivem Material. Hierfür legte der Entwurf zudem eine Minimalstrafe von einem Jahr fest. Diese galt als Höchststrafe für die „Veranstaltung einer hülflosen Niederkunft in kindesmörderischer Absicht“ die ebenfalls in dieser Norm pönalisiert wurde.325 Bei den Unvorsätzlichen Tötungen (§ 144) unterschied der Entwurf zwischen der fahrlässigen Tötung als Erfolgsqualifikation eines anderen vorsätzlichen Verbrechens und den sonstigen Fällen der fahrlässigen Tötung. Für den ersten Fall – im damaligen Schrifttum auch als Problematik der culpa dolo determinata326 bekannt – war als Strafe Zuchthaus vorgesehen, wenn der Tötungserfolg „mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war“. Ohne diesen Zurechnungszusammenhang verminderte sich die Strafart auf Zwangsarbeit, allerdings mit der Minimalstrafe von einem Jahr. Dagegen waren die sonstigen Fälle der fahrlässigen Tötung bei Vorliegen eines Zurechnungszusammenhanges in Form der Vorhersehbarkeit des Tötungserfolges, bzw. bei Fällen, in denen in der Tathandlung „zugleich die Ueberschreitung eines Polizeiverbotes liegt“ mit der Minimalstrafe von einem Jahr Gefängnis behaftet worden, für alle anderen Fälle sollte dies die Höchststrafe darstellen. Die Zuchthausstrafe in Fällen der fahrlässigen Tötung als Erfolgsqualifikation sah der Entwurf als notwendig an, selbst für den Fall, dass die Strafe des unvorsätzlichen Deliktes höher war als die der eigentlichen Vorsatztat. Hier rechtfertige „sich diese Strenge durch die Größe der Rechtsverletzung und die grobe Verschuldung des Thäters“.327 Am Ende des Abschnittes über die Tötungsdelikte fanden sich auch wieder zwei sog. Gemeinschaftliche Bestimmungen bei Tötungen. Bei der Vorschrift mit dem 324 Die vom Regierungsentwurf vorgeschlagene deutliche Strafmilderung bei stark reduzierter Lebensqualität und -quantität des Opfers kannten ferner die StGBs von Baden, Thüringen und Württenberg, vgl. Große-Vehne, Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), S. 17. 325 Mit dieser Norm dehnte der Regierungsentwurf die Privilegierung über die Mutter hinaus aus. Auch in diesem Punkt beschritt der Entwurf gemeinsam mit dem Strafgesetzbuch Badens (1845) einen Sonderweg. Wurde das Kind von anderen Personen getötet, so waren diese Taten in den übrigen Strafgesetzgebungen anhand der Tatbestände des Mordes und des Totschlags sowie den Bestimmungen über die Teilnahme an diesen Verbrechen zu beurteilen, Brambring, Kindestötung (§ 217 a.F. StGB), S. 18. 326 Siehe Ausführungen zu Vorsatzformen und Irrtumslehre auf S. 46. 327 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 86.

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Titel Tötung durch Mehrere (§ 145) ging es um die Festlegung der Strafbarkeit von Teilnehmern bei Schlägereien, wenn die Tötungsursache nicht mehr ermittelbar war. Die nachfolgend in § 146 geregelte Vorschrift Tatbestand der Tötung traf Feststellungen zu problematischen Kausalverläufen beim Tötungserfolg. § 145 bestimmte letztendlich, dass sich bei einer Schlägerei nur derjenige für die Tötung verantworten musste, der diese auch verursacht hatte. Eine Zurechnung des Tötungserfolgs sollte nicht stattfinden. Die anderen Beteiligten mussten sich nur „für die von Ihnen begangenen verbrecherischen Handlungen“ verantworten. Die letztgenannte Rechtsfolge sollte auch für alle Beteiligten gelten, wenn die Tötungsursache nicht mehr zu ermitteln war. Die Motive zu dieser Vorschrift waren sehr umfassend. Grund hierfür war, dass sich die Verfasser mit der Regelung gegen die bisherige Rechtspraxis des gemeinen Rechtes stellten. Hiernach sollten bei Nichtermittlung der Tötungsursache alle an der Schlägerei Beteiligten des Totschlags schuldig sein. Diese fingierte Zurechnung bewerteten die Verfasser korrekterweise als „Abweichung von den allgemeinen und unwandelbaren Grundsätzen der strafenden Gerechtigkeit [...].328 Nach Überzeugung der Verfasser, beruhte diese ursprüngliche Regelung auf einem „Mißverstehen des römischen Rechts“, so seien fälschlicherweise die zivilrechtlichen Grundsätze der lex Aquilia329 auf das Strafrecht übertragen worden.330 Die weiteren Argumente für eine Zurechnung, die Gefährlichkeit von Raufereien und die Schwierigkeit des Beweises, bewerteten die Motive ebenfalls als unzureichend.331 Letztlich sei „das einzig wirksame und zugleich gerechte Mittel das, daß man die Theilnahme an gefährlichen Raufereien an sich mit ernsten Strafen belegt [...]“.332 Entsprechend bestrafte der § 145 bewaffnete Teilnehmer an einem tödlich verlaufenden „Raufhandel“ mit Gefängnis und legte eine Minimalstrafe von einem Jahr fest. Für die übrigen Teilnehmer war dies die Höchststrafe. § 147 stellte fest, dass der Tötungserfolg dem Täter auch dann zugerechnet wird, wenn die Verletzung in anderen Fällen durch „Hülfe der Kunst“ geheilt worden sei, bzw. der Tötungserfolg bei „zeitiger Hülfe“ hätte verhindert werden können. Eine Zurechnung sollte auch dann erfolgen, wenn der Tötungserfolg durch eine 328 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 87. 329 Die Lex Aquilia war ein römisches Plebiszit zur Regelung des Schadensersatzrechtes. Vgl. vertiefend hierzu Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 202 ff. 330 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 88. 331 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 88. Auf eine fingierte Zurechnung beim „Raufhandel“ verzichteten beispielsweise auch das CrimGB Hannovers (Art. 232), das StGB Bayerns von 1813 (Art. 153 ff.) und das StGB Sachsens (Art. 173). 332 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 88. Diese Lösung entspricht auch der aktuellen Regelung des § 231 StGB.

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andere, jedoch aus der Verletzung entstandene und „durch sie in Wirksamkeit gesetzte Zwischenursache den Tot bewirkt habe [...]“. Ebenfalls unbeachtlich bei der Zurechnung des Tötungserfolges sollte die „eigenthümliche Leibesbeschaffenheit des Getöteten“ sein. Zuletzt normierte der Entwurf mit dem § 150 noch spezielle Teilnahmeregelungen für den Selbstmord, Kindesmord, Abtreibung der Leibesfrucht, Aussetzung und Veranstaltung einer hülflosen Niederkunft. Danach machten sich Ehemänner, Eltern, Vormünder und andere Personen mit Obhutspflicht der Beihilfe zu den vorgenannten Verbrechen strafbar, wenn sie die Schwangere durch „Mißhandlungen oder gefährliche Drohungen“ zu diesen Taten „veranlasst“ hatten. Diese Vorschrift stellte ein Novum unter den damaligen Gesetzgebungen dar und beruhte auf der Vorlage des Strombeckschen Entwurfes, auf den sich die Verfasser ausdrücklich lobend bezogen.333 Diese Norm sanktioniere, so konstatierte die Motive, ausdrücklich die leider häufig in Fällen ungewollter Schwangerschaft anzutreffende „Menschenquälerei“ von Mädchen in den „unteren Ständen“. Diese „verdient weit mehr Beachtung, als das Vergehen der Thierquälerei, welches die meißten Gesetzgebungen aufgenommen haben“.334

b) Beschädigung an der Person Der Aufbau bzw. die Anordnung der Körperverletzungsdelikte entsprach der Konzeption der Tötungstatbestände, „da die Analogie, welche zwischen diesen Verbrechen besteht, unverkennbar ist“.335 Entsprechend trennte der Entwurf auch die Körperverletzungsdelikte anhand des subjektiven Tatbestandes. Auf die vorsätzliche Beschädigung mit Vorbedacht (§ 151) folgte die vorsätzliche Beschädigung in leidenschaftlicher Aufwallung (§ 152) und zuletzt die Unvorsätzliche Beschädigung (§ 152).336 Im Hinblick auf die Tathandlung verlangte der Entwurf für die Körperverletzung mit Vorbedacht die „verursachte Beschädigung eines Anderen“. Somit differenzierte er zwischen Tätlichkeit und Körperverletzung, was auch der damals herrschenden Meinung entsprach.337

333 334 335 336

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 91. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 91. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 92. Eine umfassende Übersicht über die verschiedenen Regelungen der Körperverletzungsdelikte in den deutschen Partikularstrafgesetzbüchern findet sich in: Korn, Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB, S. 9 ff. 337 So etwa Feuerbach (vgl. Schubert, Feuerbachs Entwurf aus dem Jahre 1824, S. 188).

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Auf der Rechtsfolgenseite bediente sich der Entwurf einer umfangreichen Kasuistik. So umfasste § 151 sämtliche Strafarten außer der Todesstrafe, wobei für jede der Strafabstufungen entsprechende Fallgestaltungen aufgeführt wurden. Mit der Höchststrafe einer zeitlichen Kettenstrafe bedrohte der Entwurf Körperverletzungen, die einen gemeingefährlichen Charakter aufwiesen. Hierzu nannte er die Verabreichung von Gift, sowie die Verbreitung von ansteckenden lebensgefährlichen Krankheiten. Das Strafmaß entsprach hier demnach der Höchststrafe des Totschlags. Die Verfasser hatten sich mit der Bandbreite der Strafdrohungen für Körperverletzungsdelikte anderer Gesetzgebungen auseinandergesetzt und sich für einen Mittelweg entschieden.338 Allerdings distanzierten sie sich deutlich von der Strafdrohung des österreichischen Strafgesetzbuches, welches für diese Delikte eine Maximalstrafe von 5 Jahren schwerem Kerker vorsah. Diese Milde betrachteten die Verfasser gerade im Hinblick auf „gemeingefährliche Verbrechen“ als unangemessen.339 Eine Maximalstrafe von 10 Jahren Kettenhaft drohte der Entwurf für Körperverletzungen an, wenn diese beim Opfer zu bleibenden Schäden geführt hatten. Die Strafabstufung zur Zuchthausstrafe sollte erfolgen, wenn die „Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit“ nur vorübergehend bestand, aber „länger als drei Monate“. Unterhalb dieser Schwelle war die Körperverletzung mit Zwangsarbeit und einer Minimalstrafe von einem Jahr behaftet, wobei diese Fallgruppe auch den heimtückischen Überfall bzw. die Verletzung mit Waffen erfasste. Ohne feststellbare Schäden sollte der Täter nur mit maximal einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Der Straftatbestand für Körperverletzungen im Affekt (§ 152) verwies im Wesentlichen auf die o.g. Fallgestaltungen, wobei Zuchthaus hier die Höchststrafe darstellte. Analog zum Totschlag minderte sich die Strafe bei einer Provokation des Täters durch das Opfer erheblich. Für die fahrlässige Körperverletzung stellte der Entwurf unter Bezugnahme auf den § 151 für die dort aufgelisteten schweren Fälle eine Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis in Aussicht. Schwerer bestraft wurde die in § 154 geregelte Gemeingefährliche unvorsätzliche Körper-Verletzung, welche insbesondere die fahrlässige Vergiftung zum Gegenstand hatte. Hier sollte die vorgenannte Höchststrafe als Minimalstrafe von den Gerichten berücksichtigt werden.

338 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 92. 339 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 92.

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Gemeinschaftliche Bestimmungen bildeten auch hier den Abschluss des Kapitels. Bei der Beschädigung durch Mehrere (§ 155) verwies die Norm auf die korrespondierende Regelung des § 145. Erschwerend bei der Strafzumessung sollten nach § 156 Körperverletzungen an Angehörigen, Schutzbefohlenen und Schwangeren berücksichtigt werden. Schließlich konnte nach § 157 dem Opfer auf dessen Antrag ein Schmerzensgeld bis zu 300 Reichstalern zuerkannt werden.340

c) Notwehr Die Regelungen über Notwehr (§§ 158–160) führte der Entwurf bewusst nachfolgend im Besonderen Teil auf, „da sie sich nur auf Tödtungen und Verletzungen beziehen“.341 Der in § 158 abgebildete Tatbestand mit dem Titel Erfordernisse der Notwehr unterschied zwei Situationen der Notwehr. Die Abwehr eines widerrechtlichen Angriffs und den Widerstand gegen einen erlaubten Angriff.342 In beiden Fällen verlangte der Tatbestand einen „unzweifelhaft drohenden oder bereits begonnenen gewaltthätigen Angriff auf die Person, die Ehre oder das Vermögen“. Die Norm traf zudem auch Regelungen zur Gebotenheit und Erforderlichkeit der Notwehrhandlung. So musste die „Art der Verteidigung im gehörigen Verhältnisse mit der abzuwendenden Gefahr“ stehen und es durfte auch keine „Zeit und Gelegenheit zu anderen ihm nicht unbekannten Mitteln vorhanden (sein), wodurch die Absicht des Angreifers auf eine für ihn unschädliche Weise vereitelt werden konnte.“

Für den Fall einer nicht gerechtfertigten Notwehrhandlung verwies § 159 unter dem Titel „Ueberschreitung der Gränzen der Nothwehr“ für die Beurteilung der Strafbarkeit auf die entsprechenden Tötungs- und Körperverletzungsdelikte. Die Tat sollte nach dieser Norm dem Täter nicht zugerechnet werden, wenn sich dieser aufgrund der Notwehrsituation in einem schuldlosen Zustand befand. Ebenfalls zur Straffreiheit führte nach dieser Vorschrift ein Irrtum des Notwehrtäters über die Reichweite des von ihm gewählten erlaubten Verteidigungsmittels.

340 Mit der Schmerzensgeldregelung beschritt der Regierungsentwurf einen Sonderweg in der deutschen Strafgesetzgebung. Lediglich die StGBs von Sachsen-Altenburg (Art. 140 ff.) und Thüringen (Art. 137) sahen vergleichbare Regelungen vor. Auf dieser Grundlage entstand der spätere § 231 des Reichsstrafgesetzbuches, der ebenfalls die Geltendmachung eines Geldbetrages im Strafprozeß ermöglichte, vgl. Korn, Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB, S. 36 f. 341 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 92. 342 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 92.

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Eine durch Notwehr verursachte Tötung oder Körperverletzung musste den Behörden angezeigt werden. Die Missachtung dieser Pflicht sanktionierte § 160 mit einer Höchststrafe von drei Monaten Gefängnis.

d) Verbrechen wider die Freiheit der Person Die in diesem Kapitel aufgeführten Straftatbestände schützten sowohl vor Verbrechen gegen die persönliche Fortbewegungsfreiheit als auch vor Verbrechen gegen die Willensfreiheit. Die Motive fassten diese Delikte unter dem Oberbegriff „Vergewaltigung einer Person“ zusammen.343 Den Anfang des Kapitels, bildete der Straftatbestand des Menschenraubes (§ 161). Tathandlung war das „Bemächtigen“ einer Person durch „Gewalt, gefährliche Drohungen, oder List“ und dadurch den „Entzug“ dieser Person von denjenigen, welche die Person „in ihrer rechtmäßigen Gewalt haben“. Die Strafen für dieses Verbrechen waren sehr streng. Schutzobjekt dieser Norm waren vornehmlich Kinder und Jugendliche. Entsprechend bestimmte die Vorschrift, dass eine Handlung auch mit Einwilligung des Opfers tatbestandsmäßig war, wenn dieses das vierzehnte Lebensjahr noch nicht überschritten hatte. Die Höchststrafe von mindestens 10 Jahren Kettenhaft sollte nach dem Willen des Entwurfs verhängt werden, wenn Sklaverei, Leibeigenschaft oder die Auslieferung der geraubten Person an eine auswärtige Macht beabsichtigt wurde. Die letztgenannte Fallkonstellation hatte der Entwurf gegenüber anderen Gesetzgebungen exklusiv in den Tatbestand aufgenommen. Für die Notwendigkeit auch solche Fälle zu erfassen und hart zu bestrafen, wurde auf das Schicksal des Duc dʼEnghien344 verwiesen.345 Eine leichte Strafabstufung sah der Entwurf für das Verbringen des Opfers in dem „auswärtigen Kriegs- oder Schiffsdienst“ vor, bzw. für den Fall, dass die Tat von „Bettlern, Landstreichern, Gauklern“ an Kindern unter vierzehn Jahren verübt wurde. Für diese Taten sollten 10 Jahre Kettenhaft die Maximalstrafe darstellen.

343 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 93. 344 Duc dʼEnghien (1772–1804) war ein französischer Herzog, der auf Befehl von Napoléon Bonaparte aus seinem Fluchtort in Ettenheim (Kurfürstentum Baden) entführt und anschließend hingerichtet wurde. Napoléon Bonaparte wollte nach einer 1803 aufgedeckten Verschwörung gegen ihn an einem „Bourbonen“ ein Exempel statuieren. Die Entführung unter Verletzung der Souveränitätsrechte hatte insbesondere in Deutschland Empörung hervorgerufen. 345 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 94.

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In dieser zweiten Alternative erinnert die Vorschrift an die frühere Praxis des „Pressens“ unfreiwilliger Soldaten und die skrupellosen Anwerbemethoden in den Zeiten der Söldnerheere. In diesem Sinne bestrafte die Norm auch die „freiwillige“ Abgabe von Kindern unter vierzehn Jahre durch Eltern oder sonstige Berechtigte, wenn diese „aus Haß, Rache oder in gewinnsüchtiger Absicht“ gehandelt hatten. Die Minimalstrafe sollte hier ein Jahr Zwangsarbeit betragen, weil „ein so weitgehendes Dispositionsrecht über die Kinder“ nicht eingeräumt werden könne.346 Auf alle übrigen Fälle stand die Zuchthausstrafe. Der Straftatbestand der Entführung (§ 163) schützte ausschließlich Frauen. Der Grund dieser tatbestandlichen Diskriminierung ist im historischen Kontext dieser Norm zu finden. Die Schutzvorkehrung der Entführung ging auf den in mittelalterlichen Gesetzgebungen des deutschsprachigen Raums geregelten „Frauenraub“ zurück. Das Objekt der Tat konnte nur eine Frau sein, der Täter nur ein Mann. Damals wurde Entführung häufig mit Notzucht vermengt und auch entsprechend bestraft.347 Allerdings unterschieden die damaligen Regelungen zwischen dem Frauenraub, also der Fortführung der Frau gegen ihren Willen und der Entführung, die auf dem Einverständnis der Frau beruhte und vielfach den Zweck der späteren Eheschließung hatte.348 Bei letzterer erfolgte der Angriff nur auf die Muntgewalt des Familienvaters und wurde entsprechend milder bestraft. Diese Differenzierung wurde in der peinlichen Gerichtsordnung aufgegeben, die fortan nur noch von Entführung sprach.349 Demgemäß erachteten die Motive die Ausdehnung des Tatbestands nicht als notwendig, da für die Männer „[...] die aus der Entführung für Frauenspersonen hervorgehenden eigenthümlichen Nachteile nicht vorhanden sind [...]“.350 Tathandlung war der Missbrauch der Frau zur Unzucht bzw. der Zwang zur Ehe mittels Gewalt, gefährlicher Drohung oder List. Einwilligungen von Mädchen bis zu ihrem 15. Lebensjahr blieben gegenstandslos. Die Altersgrenze entsprach dem Zeitpunkt der Heiratsfähigkeit der Frauen.351 Das Verbrechen wurde mit der Höchststrafe Zuchthaus geahndet. Es folgten mehrere Strafabstufungen für minder schwere Fälle. Die Entführung einer Ehefrau gegen den Willen des Ehemannes führte zu einer Strafe von mindestens einem Jahr Zwangsarbeit für den 346 347 348 349 350 351

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 94. Vgl. Schramm, Ehe und Familie im Strafrecht, S. 44. Vgl. Schramm, Ehe und Familie im Strafrecht, S. 44. Vgl. Schramm, Ehe und Familie im Strafrecht, S. 46. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 94. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 94.

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Entführer und Gefängnis für die Ehefrau. Die gleiche Strafe galt für eine Entführung einer unverheirateten Frau über 15 Jahren mit deren Einwilligung, aber gegen den Willen des Berechtigten. Eine strafrechtliche Verfolgung war jedoch ausgeschlossen bei einem Eheschluss zwischen dem Täter und der Entführten. Die Strafen betrachteten die Verfasser als angemessen, da eine „[...] Entführung, insofern sie nicht eine Ehe zur Folge hat, meistens das ganze Lebensglück einer Frauensperson untergräbt“.352 Eine ähnliche Schutzrichtung wies die Entführung Minderjähriger (§ 164) auf. Allerdings war hier das Schutzobjekt geschlechtsunabhängig bestimmt („Personen“). Das Strafensystem orientierte sich am minder schweren Fall der Entführung. Zum Tatbestand der Notzucht (§ 165) rechtfertigten die Verfasser zunächst die systematische Einordnung des Deliktes zu den Verbrechen wider die Freiheit und nicht in den Bereich der sittlichen Straftaten.353 Danach sei bei diesem Verbrechen vor allem der „Angriff auf die Person“ als das „strafbare Moment“ zu sehen.354 Die „wichtige praktische Folge“ dieser systematischen Einordnung war, ausweislich der Motive, dass „die Erreichung des verbrecherischen Zwecks“ nicht als tatbestandlich eingestuft wurde. Der tatsächliche Vollzug des beabsichtigten Beischlafs (Vergewaltigung) war hier lediglich als Strafabstufungsgrund zu berücksichtigen.355 Tatbestandlich handelte demnach, wer gegen eine „Frauensperson Gewalt oder gefährliche Drohung anwendet, oder sie in den Zustand der Betäubung versetzt, um sie zur Duldung des unehelichen Beischlafs zu nöthigen [...]“. Auch hier sah der Tatbestand als Schutzobjekt nur Frauen an. Gleichwohl normierte der nachfolgende § 166, dass Opfer dieses Verbrechens auch Männer sein können, da auch hier der Täter „einem Nothzüchtiger gleich bestraft“ werden sollte. Die Höchststrafe für die Notzucht sollte 10 Jahre Kettenhaft betragen. Dazu musste der Angriff entweder lebensgefährlich, die Tat gemeinschaftlich verübt oder ein minderjähriges Mädchen unter 15 Jahre Opfer gewesen sein. Zusätzlich erforderte diese Strafstufe den tatsächlichen Vollzug der Vergewaltigung. 352 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 94. 353 Die systematische Einordnung der Notzuchtvorschriften wurde in den Partikulargesetzen uneinheitlich geregelt. Abhängig war die jeweilige Einordnung von der bezweckten Schutzrichtung der Norm. Einen vergleichbaren Schutzzweck wie in Braunschweig verfolgte das StGB Sachsen (1855), welches mit der Notzuchtsnorm die „persönliche Freiheit“ des Opfers schützen wollte, vgl. hierzu vertiefend Müting, Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung (§ 177 StGB), S. 17 ff. 354 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 95. 355 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 95.

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Zuchthaus mit einer Mindeststrafe von 3 Jahren sah der Entwurf vor, wenn nur eines der vorgenannten Merkmale zutraf bzw. es ohne diese strafschärfenden Merkmale zu einer Vergewaltigung kam. Eine Strafherabsetzung auf Zuchthaus (im ersten Fall) bzw. Zwangsarbeit sollte eintreten bei einer verübten Nothzucht gegen „eine Person, die sich zum Lohn Preis giebt“ eintreten. Die geringere Strafe betrachteten die Verfasser als gerechtfertigt, da diese „durch öffentliche Preisgebung ihre Geschlechtsehre eingebüßt haben, denen also eine wesentliche, in der Notzucht liegende Rechtsverletzung nicht mehr zugefügt werden kann [...]“.356 Fehlte dem Opfer das Bewusstsein, oder befand es sich im wahnsinnigen oder „blödsinnigen“ Zustand, so handelte es sich um einen Fall der Schändung (§ 167). Hierfür sollte die Strafe Zwangsarbeit mit einer Minimalstrafe von einem Jahr betragen. In der Schändung von Prostituierten sah der Entwurf hingegen nur ein Vergehen, welches polizeilich zu ahnden war. Die Stellung des nachfolgend geregelten Straftatbestands des Raubes (§ 168) in dieser Verbrechenskategorie war aufgrund der Vermögenskomponente beim Schutzgut ebenfalls umstritten. Viele Gesetzgebungen behandelten daher dieses Verbrechen als Vermögensdelikt.357 Wie bei der Notzucht stufte der Entwurf den gewaltsamen Angriff auf die Person beim Raub als Schwerpunkt des Handlungsunrechts ein und begründete damit die vorgenommene Einordnung des Delikts.358 Auch bei diesem Delikt führte dessen systematische Stellung dazu, dass der Gewahrsamsbruch („Stehlen“) keine Tatbestandsvoraussetzung darstellte, sondern diese Zweckerreichung lediglich auf der Strafzumessungsebene erschwerend berücksichtigt werden sollte. Im Gegensatz zum Tatbestand der Notzucht bewerten die Motive die Zweckerreichung nicht als Strafabstufungsgrund, „da in der Ausführung der verbrecherischen Absicht des Nothzüchtigers eine unmittelbar der Person zugefügte höchst nachteilige Rechtsverletzung liegt, in der Vollbringung des Raubes aber nur eine Verletzung des Eigenthums [...].“359

Tatbestandlich handelte wer „Gewalt an einer Person verübt oder sie gefährlich bedroht, um zu stehlen [...]“. Die Systematik des Strafenkatalogs orientierte sich am Notzuchttabestand. Allerdings stuften die Verfasser den Handlungsunwert des Raubes höher ein, da 356 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 95. 357 Als Vermögensdelikt wurde der Raub von den StGB Baden (§§ 410 bis 416), Bayern (Art. 209 bis 243), Würtemberg (Art. 311 bis 315) und Hessen (Art. 344 bis 348) eingestuft. 358 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 95. 359 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 95.

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Viertes Kapitel

sie für den schwersten Fall eine Minimalstrafe von 10 Jahren Kettenhaft verlangten. Diese musste verhängt werden, „wenn der Angriff lebensbedrohlich war, oder der Angegriffene gepeinigt ist.“ Darüber hinaus zählte der Entwurf 5 Qualifikationsmerkmale auf, von denen mindestens drei kumulativ bei der Tat vorliegenden mussten, um ebenfalls die Höchststrafe zu begründen. Hierbei handelte es sich um die Beteiligung mehrerer, einen Überfall zur Nachtzeit, einen Einbruch in die Wohnung, einen Raub mit Waffen sowie das „Unkenntlichmachen der Thäter durch Anschwärzen, Vermummen und dergleichen [...]“. Bei einem Vorliegen von nur zwei Merkmalen, stellten die 10 Jahre Kettenhaft die Maximalstrafe dar. Für die übrigen Fälle ordnete der Entwurf die Zuchthausstrafe an. Zur schwierigen Abgrenzungsproblematik zwischen Raub und Diebstahl bemerkte die Motive, dass beim Raub „die Absicht von Anfang an auf einen Angriff gegen die Person gerichtet war und gerade dieser als Mittel zur Begehung des Verbrechens dienen sollte [...]“.360 Demgemäß sollten Fälle, in denen der Dieb sein Diebesgut mit Gewalt verteidigt, nicht unter diese Norm subsumiert werden.361 Aufgrund dieser Wesensunterschiede bestand eine gleichgelagerte Strafbarkeit zwischen Diebstahl und Raub nur in den Fällen, in denen sich der Dieb in Erwartung von Gegenwehr im Vorfeld der Tat bewaffnete und diese dann auch nach dem erfolgreichen Diebstahl zur Verteidigung des Diebesgutes einsetzte (§ 204 Nr. 1).362 Dies war insofern konsequent, als bei diesen Fällen auch eine vergleichbare Gefährdungslage für das Opfer bestand. Keine Rolle bei der Ermittlung der Strafhöhe beim Raub spielte der „Werth des Geraubten“. Im Gegensatz dazu stellte der Wert des Diebesgutes beim Diebstahl einen Strafabstufungsgrund dar. Die Motive erklärten dies mit der unterschiedlichen subjektiven Ebene beider Verbrechen bei diesem Merkmal. Die Strafbarkeit des Diebstahls wachse mit der Größe des Gegenstands, während der Räuber subjektiv umso strafbarer ist, „je geringer das Objekt ist, dessen er sich zu bemächtigen beabsichtigt [...]“.363 Dem Raub gleichgestellt war die in § 169 geregelte Erpressung. Im Unterschied zum Raub musste der Täter die Absicht haben „[...] sich oder anderen einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen [...]“. 360 361 362 363

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 96. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 96. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 96. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 97.

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Das Strafensystem der Nötigung (§ 170) nahm ebenfalls direkten Bezug auf den Strafenkatalog des Raubes und die dort aufgeführten Abstufungen. Allerdings stand für dieses Verbrechen nur Zuchthaus als Höchststrafe.

e) Verbrechen wider den Stand der Person Das fünfte Kapitel schützte mit den §§ 173–177 die Standesrechte einer Person. Die Motive äußerten sich nur sehr lakonisch zu diesen Verbrechen, da diese im Wesentlichen „den neusten Gesetzgebungen“ entsprächen und daher „zu besonderen Bemerkungen keine Veranlassung (gäben)“.364

f) Verbrechen wider die Sitten Die Sittlichkeitsverbrechen bildeten den Gegenstand des sechsten Kapitels. Diese behandelte der Entwurf in den §§ 178–188. Das in § 178 geregelte Delikt Mehrfache Ehe bildete den Ausgangspunkt dieser Verbrechenskategorie. Die Bigamie behaftete der Entwurf mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Zwangsarbeit. Strafschärfend sollte die zusätzliche Heirat einer unverheirateten Person, sowie die wissentliche Ehelichung eines „Anderen Ehegatten“ berücksichtigt werden. Das Strafmaß entsprach der Gesetzgebung des sächsischen und österreichischen Strafgesetzbuches.365 Höhere Strafen anderer Partikularrechtsordnungen betrachteten die Motive als überflüssig, da „dessen Verübung fast unmöglich ist, ohne Fälschungen, die dann noch besondere Strafen nach sich ziehen [...]“.366 Der Tatbestand des Ehebruchs (§ 179) pönalisierte gleichermaßen Ehefrau und Ehemann. Eine höhere Strafdrohung für den durch die Ehefrau begangenen Ehebruch, wie er von einigen deutschen Gesetzgebern angeordnet war, lehnten die Motive ab. Begründet wurde die höhere Strafdrohung häufig durch die „Ungewißheit über die Legitimität eines Kindes“, die durch den Ehebruch der Frau entstanden sei. Dies rechtfertigte ausweislich der Motive aber keine höhere Strafe, da „der Zweifel nicht berücksichtigt werden (könne), sondern nur die Gewißheit“.367 Allenfalls auf der Strafzumessungsebene sollten daher solche Umstände eine Rolle spielen.

364 365 366 367

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 97. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 98. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 98. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 98.

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Viertes Kapitel

Die Höchststrafe von zwei bis drei Monaten Gefängnis war für den „doppelten Ehebruch“ vorgesehen, also der außereheliche Beischlaf zweier verheirateter Personen. Eine „unverehelichte Person“, die dieses Verbrechen beging, musste eine Gefängnisstrafe von bis zu vier Wochen befürchten. Gemäß der Intention der Motive, die „Trennung der Ehen thunlichst zu verhindern und den Ehefrieden nicht zu stören“368, durfte eine Untersuchung mit folgender Bestrafung nur nach erfolgter Scheidung stattfinden. § 180 zählte darüber hinaus Umstände auf, die bei den Delikten des Ehebruchs und der mehrfachen Ehe strafmildernde Folgen haben sollten. Hierzu gehörten insbesondere eine bereits erfolgte Trennung der Ehegatten seit mindestens 2 Jahren, sowie der bereits absehbare Tod des Ehegatten. Der Kuppelei nach § 181 machte sich strafbar, wer Frauen „zu Unzucht mit Anderen überläßt, verführt oder dazu Vorschub leistet“.369 Eine Gewinnerzielungsabsicht war tatbestandsmäßig nicht erforderlich, auch musste diese Tätigkeit nicht gewerbsmäßig betrieben sein. Letztere sollte aber in der Strafzumessung erschwerend berücksichtigt werden. Die Höhe der Strafe für dieses Verbrechen richtete sich nach dem rechtlichen Näheverhältnis der „Überlassenen“ zum Täter. Für den Fall, dass das Opfer die Ehefrau, leibliche Kinder oder andere Schutzbefohlene waren, musste der Täter mit Zwangsarbeit von mindestens einem Jahr rechnen. Für alle anderen Fälle stellte die Minimalstrafe die Höchststrafe dar. Für Prostituierte als Opfer gab es eine obligatorische Strafabstufung auf ein Jahr Gefängnis. Das „Concubinat, einfache Hurerei, auch gewerbsmäßige [...]“ bewerteten die Verfasser als nicht strafwürdig.370 Diese Handlungen sollten nur polizeilich geahndet werden.371

368 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 99. 369 Tatbestandlich restriktiver gefasst waren die Regelung u.a. in Bayern (Art. 221 Abs. 1), Württemberg (Art. 308 ff.) und Hannover (Art. 278) gefasst, die anstelle des „Verleitens“ ein aktives Befördern der Kuppelei verlangten, vgl. hierzu: Hartmann, Prostitution, Kuppelei, Zuhälterei, S. 46 ff. 370 In den deutschen Staaten war die Behandlung der Prostitution uneinheitlich. So bestrafte z.B. Baden nur eine qualifizierte Form der Prostitution (Art. 369), allgemein wurde die Prostitution im Strafgesetzbuch u.a. in Sachsen bestraft (Art. 354, des StGB von 1855) bzw. im Polizeistrafgesetzbuch (Württemberg). Keine straf- oder polizeistrafrechtliche Normierung der Prositution – entsprechend der Vorgabe des Entwurfs – gab es u.a. in Hessen, vgl. hierzu ausführlich: Hartmann, Prostitution, Kuppelei, Zuhälterei, S. 42 ff. 371 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 100.

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Der Straftatbestand der Verführung (§ 182), der insbesondere Fälle von Kindesmissbrauch und den Missbrauch Schutzbefohlener umfasste, bestrafte diese Taten mit Zwangsarbeit über einem Jahr. Auch hier gab es eine Strafabstufung auf Gefängnis für Prostituierte als Opfer. Die Verbrechen der Blutschande regelte der Entwurf in den §§ 183–185. Als Inzucht strafbar waren alle Fälle, „in welchen die Ehe unbedingt verboten ist“.372 Die Höhe der Strafe richtete sich nach dem Verwandtschaftsgrad.373 Für den Missbrauch von „Blutsverwandten in absteigender Linie“ sah der Entwurf Zwangsarbeit mit einer Minimalstrafe von einem Jahr vor. Kinder und Enkel über 15 Jahren drohte selbst eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten, wenn sie sich dazu hingegeben hatten. Bei Unzucht mit Stief- und Schwiegerkindern lag die Höchststrafe bei einem Jahr Zwangsarbeit. Diese reduzierte sich aber deutlich auf nur drei Monate Gefängnis, wenn die Ehe „die das stief- oder schwiegerälterliche Verhältnis begründete“ nicht mehr bestand. Inzest unter Geschwistern sanktionierte § 185 mit bis zu sechs Monaten Gefängnis. Die Höhe der Strafen für die Blutschande, die im Vergleich zu anderen Gesetzgebungen milde waren, betrachteten die Verfasser aufgrund der „Unnatürlichkeit, also Seltenheit des Verbrechens“ als angemessen.374 Widernatürliche Unzucht (§ 186) bestrafte der Entwurf mit Zwangsarbeit über einem Jahr.375 Wann diese Art der Unzucht vollendet ist, wurde im Entwurf nicht näher ausgeführt, da es sehr bedenklich sei „diese Materie in einem Strafgesetzbuch specieller zu behandeln“.376

372 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 99. 373 Eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen Regelungen der deutschen Partikularstrafgesetzgebungen über den Beischlaf mit Verwandten findet sich in: Bdeiwi, Beischlaf zwischen Verwandten, S. 12 ff. 374 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 99. 375 Der Entwurf folgte mit dem §§ 186 und 187 dem liberalen Ansatz des bayrischen StGBs von 1813, welches die allgemeine Strafverfolgung der widernatürlichen Unzucht aufgeben hatte (Art. 186 ff). Ähnlich wie in Bayern (Art. 191) blieb beim Entwurf der Mißbrauch von Kindern strafbewehrt. Für die sonstigen Fälle der widernatürlichen Unzucht, welche vornehmlich homosexuelles und sodomitisches Verhalten umfasste, verlangte der Entwurf in § 187 mit der „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ ein qualifizierendes Element. Ähnlich restriktiv waren u.a. auch die Regelungen in Hannover (Art. 276) und Württemberg (Art. 310). Ohne einschränkende Qualifikation wurde die widernatürliche Unzucht u.a. in Hessen (Art. 338), Baden (Art. 371) bestraft, vgl. ausführlich hierzu: Schäfer, „Widernatürliche Unzucht“, S. 23 ff. 376 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 100.

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Viertes Kapitel

Den Abschluss des Kapitels bildete das Verbot „Unzüchtiger, zum öffentlichen Aergerniß gereichender Handlungen“ (§ 187), welches entsprechende Handlungen377 mit einer Maximalstrafe von sechs Monaten Gefängnis ahndete. Mit § 188 legte der Entwurf gesetzlich fest, dass eine Vollendung der Unzuchtsverbrechen mit der „körperlichen Vereinigung erfolgt ist“.

g) Ehrenkränkungen Die Ehrverletzungsdelikte als letztes Kapitel der Verbrechen an der Person und an den persönlichen Rechten unterschied als Tathandlungen zwischen der Beleidigung bzw. „Injurie“, der Verleumdung sowie der Verbreitung falscher Nachrichten über eine Person. Als Tathandlung verlangte die Beleidigung nach § 189 eine gegen einen anderen gemachte „ehrenkränkende, oder, nach der gemeinen Meinung, Verachtung ausdrückende Handlung oder Äußerung [...].“

Der Tatbestand kannte einen schweren und einen minder schweren Fall der Beleidigung. Für Ersteren drohte der Entwurf eine Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis oder verhältnismäßige Geldstrafe an. Hierzu musste die Beleidigung durch „vorbedachte Tätigkeit“ verübt gewesen sein oder durch Schriften oder bildliche Darstellung ohne Nennung des Verfassers. Der minder schwere Fall der Beleidigung wurde mit einer Gefängnisstrafe bis neun Monate oder verhältnismäßiger Geldstrafe sanktioniert. Zu dieser Fallgestaltung bestand aus Sicht der Motive insbesondere die Schwierigkeit, den Grad der Beleidigung zu bestimmen, der noch Verbrechenscharakter aufwies und nicht lediglich polizeilich geahndet werden sollte.378 Die Verfasser vertraten in dieser Hinsicht eine restriktive Auffassung, da „es höchst unzweckmäßig (sei), jede auch nur die geringste Injurie criminell zu behandeln, und dies würde dem bestehenden Rechte widerstreiten“.379 Entsprechend führte der Entwurf eine abschließende Liste von Situationen auf, wo Beleidigungen noch Verbrechensqualität besaßen. Hierzu gehörten u.a. die nicht vorbedachten Thätlichkeiten, Beleidigungen in Schriften und Bildwerken, vor einer versammelten Menge oder bei einem feierlichen Anlass.

377 Nach § 187 des Entwurfs auch die Verbreitung unzüchtiger Schriften oder bildlicher Darstellungen tatbestandlich. 378 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 100. 379 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 100.

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Alle Beleidigungen außerhalb dieser gesetzlich festgelegten Lebenssituationen sollten nur polizeilich verfolgt werden. Der Verleumdung (§ 190) machte sich strafbar, wer „durch üble Nachrede oder durch öffentliche oder heimliche Verbreitung einem Anderen ein Verbrechen oder eine Handlung, die dessen guten Ruf zu gefährden geeignet ist, fälschlich beimisst [...].“

Im Unterschied zur Beleidigung setzte der Tatbestand der Verleumdung eine wahrheitswidrige Information voraus. Zudem musste sie geeignet sein, den „guten Ruf“ zu gefährden, mithin eine öffentliche Wirkung entfalten. Auch für dieses Delikt setzte der Entwurf die Höchststrafe auf maximal ein Jahr Gefängnis an, allerdings ohne Geldstrafenalternative. Hierzu musste dem Opfer durch die Tat ein „schwerer Nachteil“ zugefügt worden sein bzw. die Verleumdung musste sich auf ein mit Zwangsarbeit oder härter bedrohtes Verbrechen beziehen. Alle anderen Fälle der Verleumdung hatten dagegen keinen Verbrechenscharakter. Die Tat konnte nach der Maßgabe des § 191 ebenfalls den Verbrechenscharakter einbüßen, wenn die Beleidigung oder Verleumdung ihrerseits nur eine Erwiderung auf einen vorangegangenen gleichartigen Angriff war. War dieser „sehr bedeutend“, sollte die Tat nur noch polizeilich bestraft werden, andernfalls musste die „vorangegangene Reizung“ als Milderungsgrund bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden. Darüber hinaus bestand nach § 192 die Möglichkeit einer sog. Einrede der Wahrheit. Hier musste die Erzählung einer wahren – aber ehrkränkenden – Tatsache zur Straflosigkeit führen, wenn diese auf eine Art vorgenommen wurde, die nicht ehrenkränkend war, bzw. der Vorhaltende zu einer solchen nach „Zeit, Ort und in dem angewandten Maaße berechtigt war.“ Als Auffangtatbestand – der keine ehrenkränkende oder verleumderische Absicht verlangte – bestrafte § 193 die Verbreitung falscher Nachrichten über eine Person mit einer Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten oder alternativer Geldstrafe. Hierzu musste dem Opfer „ein erheblicher Schaden“ entstanden sein, ansonsten drohte dem Täter nur eine polizeiliche Verfolgung. Als Nebenstrafe konnte nach § 194 das Opfer die Bekanntmachung des Strafurteils auf Kosten des Täters verlangen. Diese Sanktion sollte dem Opfer die Möglichkeit einer öffentlichen Gegendarstellung geben.

2. Verbrechen an dem Vermögen Anderer Der zweite Abschnitt der Privatverbrechen unterteilte sich in 5 Kapitel. Die Delikte über die Vermögens-Beschädigungen (§§ 195–203) bildeten den Anfang.

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Viertes Kapitel

Das zweite Kapitel widmete sich in den §§ 204–209 dem Diebstahl und Unterschlagung. Das dritte Kapitel umfasste mit den §§ 210–221 die Verbrechen des Betruges und der Fälschung. Die abschließenden Kapitel vier und fünf hatten mit den §§ 222–225 gemeinschaftliche Bestimmungen zu den Vermögensdelikten zum Inhalt.

a) Vermögens-Beschädigungen Die Sachbeschädigungsdelikte führte der Entwurf an erster Stelle der Vermögensdelikte, da einhergehend mit diesen Straftatbeständen wegen der teilweise bestehenden Gemeingefährlichkeit auch Personenschäden zu berücksichtigen waren.380 Die in §§ 195–199 geregelte Brandstiftung bildete als schwerstes Delikt den Anfang dieser Verbrechenskategorie.381 Bei der systematischen Einstufung der Brandstiftungsdelikte boten die deutschen Strafrechtskodifikationen kein einheitliches Bild. Ähnlich wie der Entwurf ordneten lediglich die Gesetzbücher von Bayern (StGB 1813) und Oldenburg die Brandstiftungsdelikte in den Bereich der Eigentums- bzw. Vermögensdelikte ein.382 Der Entwurf unterschied zunächst tatbestandlich zwischen der Brandstiftung mit Gefahr für Personen (§ 195), der Brandstiftung an fremden Sachen ohne Gefahr für Personen (§ 196) und der Brandstiftung an eigenen Sachen, ohne Gefahr für Personen und fremdes Eigentum (§ 197). Die gesetzliche Feststellung, wann eine Brandstiftung vollendet ist (§ 198), sowie eine spezielle Regelung der für diese Verbrechen wichtigen Möglichkeit der tätigen Reue (§ 199) bildeten den Abschluss dieser Deliktsgruppe. Schutzgut des § 195 (Brandstiftung mit Gefahr für Personen) waren demnach „bewohnte Gebäude oder gewöhnliche Aufenthaltsorte von Menschen“. Bei Letzteren musste der Täter zum Zeitpunkt der Tat gewusst haben, dass sich dort

380 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 95. 381 Ein Überblick über die verschiedenen Normenkomplexe der Brandstiftungsdelikte in den deutschen Partikularstrafgesetzgebungen findet sich in: Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 6 ff. 382 Die Gesetzbücher von Baden, Hessen, Nassau und Württenberg verzichteten auf eine konkrete Einordnung dieser Deliktsgruppe. Das StGB von Hannover regelte die Brandstiftung als Sonderfall im Abschnitt über die „Verbrechen wider die öffentliche Sicherheit im Staate“. Unter das Kapitel „gemeingefährliche Handlungen“ stuften die Gesetzbücher von Sachsen, Sachsen-Altenburg und Thüringen diese Deliktsgruppe ein. Diese Einordnung war richtungsweisend für die weitere Gesetzgebung in Deutschland, vgl. Lindenberg, Brandstiftungsdelikte, S. 8.

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Menschen befinden können. Tathandlung war das „in Brand stecken“, wobei dies auch Gegenstände einbezog, „die das Feuer dahin leiten konnten“. Die Strafabstufungen des § 195 sanktionierten „die Bösartigkeit und Gefährlichkeit der Gesinnung des Verbrechers“.383 Sie richteten sich daher nicht „[...] nach dem Erfolge oder der zufälligen Gefährlichkeit [...]“.384 Der tatsächlich entstandene Schaden bzw. seine Höhe spielten deswegen nur bei der Strafzumessung eine Rolle.385 Dies galt auch für etwaige nicht beabsichtigte Personenschäden bzw. selbst für (fahrlässige) Todesfälle infolge der Brandstiftung. Diese Systematik hatte zur Folge, dass ohne nennenswerten Schaden an Personen oder Gebäuden die Höchststrafe verhängt werden konnte bzw. musste.386 Sollte durch die Brandstiftung vorsätzlich ein Mensch getötet werden, war der Tatbestand des Mordes die einschlägige Bestimmung. Rechtsfolge war damit zwingend die Todesstrafe, da § 137 die Brandstiftung als Qualifikationsmerkmal aufführte. § 195 sah ausschließlich die Kettenstrafe als Strafart vor. Abstufungen erfolgten nur über die Dauer dieser Freiheitsstrafe. Diesen sehr strengen Strafenkatalog empfanden die Verfasser als berechtigt, „da diese Strafart auch für die mildesten Fälle der eigentlichen Brandstiftung als die angemessene sich darstellt“.387 Lebenslange Kettenhaft drohte für das Legen von Feuer „an verschiedenen Stellen einer Ortschaft“. Dies konnte von einem Einzelnen oder auch von „Mehreren nach vorhergehender Übereinkunft“ verübt werden. Gleiches galt für die Brandstiftung, die, um „Aufruhr, öffentliche Gewalt, Mord, Raub oder Diebstahl“ zu begehen, angelegt worden war. Ebenfalls die Höchststrafe zur Folge hatte das vorsätzliche Verhindern der Löscharbeiten, sowie die Gefährdung einer versammelten Menschenmenge. Eine Minimalstrafe von zehn Jahren Kettenhaft stand auf die Brandstiftung an staatlichen Einrichtungen, wenn zu dieser explosives Material verwendet wurde bzw. Häuser, in denen solches lagerte, angezündet wurden. Dieselbe Strafe galt, wenn der Brandstifter ein Wiederholungstäter war, durch seine Tat bewusst eine „augenscheinliche Gefahr für Menschen“ hervorgerufen oder die Brandstiftung in der Nachtzeit vorgenommen hatte.

383 384 385 386 387

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 102. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 102. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 102. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 102. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 102.

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Viertes Kapitel

Für alle übrigen Fälle galten zehn Jahre Kettenhaft als Maximalstrafe. Für die Brandstiftung an fremden Sachen ohne Gefahr für Personen (§ 196) verhängte der Entwurf als Höchststrafe Zuchthaus, falls durch das Feuer Menschenleben gefährdet wurden oder der entstandene Schaden 500 Reichstaler überstieg. Lag der Schaden über 15 Reichstalern, war als Strafe Zwangsarbeit über einem Jahr festgesetzt. Unterhalb dieser Schwelle stellte das letztgenannte Strafmaß die Höchststrafe dar. Bei diesem Delikt hatte der Wert des zerstörten Gegenstandes eine Relevanz für die Höhe der Strafe, da es sich hier um ein „nur das Eigenthum angreifendes Verbrechen“ handelte.388 Die gleichen Strafabstufungen sah der Entwurf für die in § 197 geregelte Brandstiftung an eigenen Sachen ohne Gefahr für Personen und fremdes Eigentum. Hier sollte die Höchststrafe greifen, wenn die Brandstiftung in Betrugsabsicht begangen wurde und der Schaden 500 Reichstaler überstieg. Die Brandstiftung war ausweislich der Vorgabe des § 199 vollendet, „sobald der gebrauchte Zündstoff den anzuzündenden Gegenstand durch Entflammen oder Glimmen ergriffen hat.“ Für die Brandstiftungsdelikte sollte dem Täter die Möglichkeit der Strafminderung durch tätige Reue eröffnet werden. Ein solcher spezieller Tatbestand schien geboten, um die nicht kontrollierbaren Folgen dieser Tat effektiver zu bekämpfen.389 Entsprechend stellte § 199 dem Täter lediglich eine Gefängnisstrafe von maximal einem Jahr in Aussicht, wenn er „das ausgebrochene Feuer gleich selbst löscht, so daß, außer dem durch den Ausbruch des Feuers selbst und unmittelbar entstandenen, ein weiterer Schaden nicht verursacht worden (ist)“.

b) Diebstahl und Unterschlagung Die Diebstahls- und Unterschlagungsdelikte hatten auf der praktischen Gerichtsebene die größte Bedeutung im Herzogtum Braunschweig. Die Eigentumskriminalität erlebte insgesamt zum Zeitpunkt des Entwurfs den stärksten Anstieg, darunter behauptete der Diebstahl die wichtigste Position als kriminelles Massendelikt der besitzlosen Unterschichten.390 Die Kriminalstatistiken für die Mitte des 19. Jahrhunderts zeigten einen hohen Anteil von Diebstahls- und Unterschlagungsdelikten bei den verübten Verbrechen.391 Die Motive selbst

388 389 390 391

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 102. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 103. Vgl. Blasius, Kriminalität im Alltag, S. 21. Vgl. Blasius, Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität, S. 29.

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sprachen von „zwei Fünftheilen aller vorkommenden Verbrechen“.392 Der Anstieg der Eigentumsdelinquenz Mitte des 19. Jahrhunderts gilt als Reaktion auf die wirtschaftlichen Nöte, die im Zuge von „Bauernbefreiung“ und früher Industrialisierung entstanden waren. Entsprechend handelte es sich hierbei um ein deutschlandweites allgemeines Phänomen, welches also keine länderspezifische Ursache aufwies. aa) Die Struktur des Diebstahltatbestands Die Motive vermieden eine Auseinandersetzung mit den Ursachen der Diebstahlsentwicklung und betrachteten sie als Faktum. Aufgrund der hohen Praxisrelevanz dieses Deliktes sollte es, nach Auffassung der Verfasser, das Bestreben der Gesetzgebung sein, dass es eine „praktisch durchaus brauchbare und angemessene Vorschrift gebe [...]“.393 Gemäß dieser Maßgabe widmete sich der Entwurf zunächst der historischen und der gegenwärtigen Struktur der Diebstahlsdelikte. Hier bestand eine Vielzahl verschiedener Diebstahlsarten, die ihrerseits alle als eigenständige Delikte aufgeführt waren. Zu nennen waren insbesondere die bereits im gemeinem Recht gebräuchlichen Tatbestände des „kleinen“ und „großen“ (bzw. „einfachen“ oder „ausgezeichneten“) Diebstahls. Diese historische Struktur wurde von neueren Gesetzgebungen vielfach in neue Tatbestände überführt, wie etwa den „Hausdiebstahl“.394 Diese zunehmende Ausuferung der Diebstahlstatbestände stellten die Verfasser in Frage, insbesondere im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit bzw. Praxistauglichkeit solcher gesetzlichen Regelungen. Fast sämtliche der im gemeinen Recht und bei den neueren Strafgesetzen eingeführten Diebstahlstatbestände waren nach der Auffassung der Verfasser keine „Arten des Diebstahls“, sondern nur Qualifikationen bzw. erschwerende Umstände, wie sie „bei fast allen Verbrechen als Strafabstufungsgründe vorkommen“.395 Das entscheidende und gemeinsame Unterscheidungskriterium aller Diebstahlstatbestände bestand nach Auffassung der Verfasser letztlich in der „Größe der gestohlenen Summe“.396 Alle sonstigen Merkmale seien nicht so schwerwiegend, dass sie zu einer Wesensveränderung des Diebstahls führen, die eine eigene Strafart und somit auch einen

392 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 104. 393 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 104. 394 Eine Übersicht über die verschiedenen Diebstahlregelungen in den deutschen Strafrechtskodikfikationen findet sich in: Prinz, Diebstahl, S. 4 ff. 395 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 105. 396 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 105.

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eigenen Tatbestand rechtfertigte.397 Insofern lasse sich für keine dieser besonderen Diebstahlsfallgestaltungen eine eigene Strafart begründen, die „nicht auch den einfachen Diebstahl bei großem Werthe des Gestohlenen treffen müsste“.398 Als einzig problematische Fallgestaltung in diesem Kontext erachteten die Verfasser den „Diebstahl mit Waffen“, da hier das „strafbare Moment“ in der Personengefahr liege und die Diebstahlssumme für die Strafbarkeit daher irrelevant sei.399 Dieser Form des Diebstahls konnte daher nicht mit dem Zuchthaus als der höchsten Strafe für Eigentumsverletzungen begegnet werden.400 Trotz dieser Problematik wählten die Verfasser als bevorzugte – weil praktisch sinnvollste – Lösung die Zusammenfassung der „ganzen Lehre vom Diebstahle“ in nur einem Tatbestand. bb) Tathandlung und Rechtsfolgen des Diebstahls Einen Diebstahl beging gemäß § 204 des Entwurfs, wer „wissentlich eine fremde, in dem Gewahrsame eines Anderen befindliche, bewegliche Sache ohne Einwilligung des Berechtigten, jedoch ohne Gewalt an einer Person, an sich nimmt, um sich dieselbe in gewinnsüchtiger Absicht zuzueignen [...].“

Die Definition erforderte demnach einen „wissentlichen“, also vorsätzlichen Gewahrsamsbruch. Das negative Tatbestandsmerkmal „ohne Gewalt“ sollte den Diebstahl zudem vom Raub abgrenzen.401 Schließlich musste der Täter die Sache „an sich nehmen“ also Herrschaftsgewalt über die Sache begründet haben, um sich diese in „gewinnsüchtiger Absicht zuzueignen“, also auch Zueignungsabsicht besessen haben bzw., der Täter muss „den Vermögensvorteil für sich oder für Andere gewollt haben“.402 Die Vollendung des Diebstahls wurde nicht gesetzlich definiert. Die Motive verwiesen hier auf die allgemeinen Bestimmungen bzw. bemerkten, dass bereits aus dem Tatbestand hervorgehe, „daß allein das Ansichnehmen schon das

397 398 399 400 401

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 105. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 105. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 105. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 105. Diese Definition entsprach im Wesentlichen der Diebstahldefinition des bayrischen StGB von 1813 (Art. 209). Diese wurden mit geringfügigen Abweichungen von den meisten deutschen Partikularstrafgesetzen übernommen, vgl. Prinz, Diebstahl, S. 5. 402 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 105.

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Verbrechen bildet [...]“.403 Ein tatsächlicher Schadenseintritt war demnach nicht erforderlich.404 Die Rechtsfolgenseite des Diebstahlstatbestands war sehr umfangreich und für den Entwurf untypisch kasuistisch angelegt. Dies war letztlich dem Umstand geschuldet, sämtliche bekannte Fallkonstellationen des Diebstahls in nur einer Norm zusammenzuführen. Entsprechend begrenzt war auch der gerichtliche Ermessensspielraum bei dieser Norm angelegt worden. Das Strafmaß des Diebstahlstatbestands erstreckte sich von Zuchthaus als Höchststrafe bis zur Zwangsarbeit bis zu einem Jahr als Mindeststrafe. Diese Abstufung entsprach dem Grundsatz des Entwurfs, für Vermögensdelikte als höchste Strafart die Zuchthausstrafe anzuordnen. Auffallend ist, dass der Entwurf auf eine weitere Strafabstufung verzichtete und somit die Gefängnisstrafe auch für kleine Diebstähle nicht vorsah. Hierzu wurde lediglich ausgeführt, dass die Strafart der Zwangsarbeit als die „geeignete für dieses und ähnliche Verbrechen“ erschienen sei.405 Offenbar stuften die Verfasser den Erziehungs- bzw. insbesondere auch Abschreckungseffekt dieser Strafart als höher ein, was vor dem Hintergrund des Anschwellens der Diebstahlsdelikte auch nachvollziehbar erscheint. Eine Anomalie im Strafensystem des Diebstahls stellte der „Diebstahl unter Waffen“ dar. Hier sahen die Verfasser überwiegend einen raubähnlichen Charakter bei der Strafbarkeit, so dass sie als Strafdrohung zeitliche Kettenhaft oder Zuchthaus festlegten und zugleich auf die Bestimmungen zum Raub verwiesen. Der Täter musste hierfür aber die mitgeführten Waffen auch verwendet haben („Gebrauch gemacht hat“). Die Höchststrafe Zuchthaus der „eigentlichen“ Diebstahlsfälle sollte für den Diebstahl mit Waffen (ohne Gebrauch) nebst Eindringen in eine Wohnung oder eines Diebstahls zur Nachtzeit verhängt werden. Ebenfalls mit Zuchthaus belegt war der gemeinschaftliche Diebstahl zur Nachtzeit und mit Wohnungseinbruch, wenn der Wert des Diebesgutes 30 Reichstaler überstieg. Das gewerbsmäßige Stehlen sollte mit Zuchthaus bestraft werden, wenn der Täter bereits zweimal wegen Diebstahls Zwangsarbeit erlitten hatte. Zuletzt musste auch ohne weitere qualifizierende Merkmale von den Gerichten auf die Höchststrafe erkannt werden, wenn der Wert des Diebesgutes 500 Reichstaler

403 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 105. 404 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 114. 405 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 105.

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überstieg. An dieser Bestrafung zeigte sich die Kohärenz zu den Sachbeschädigungsdelikten, bei denen die Überschreitung dieser Schwelle ebenfalls die Höchststrafe auslöste. Bemerkenswert ist zudem, dass in der höchsten Strafkategorie nur eines der insgesamt vier Qualifikationsmerkmale vom tatsächlichen Wert des Diebsgutes abhängig war. In diesem Zusammenhang setzten sich die Motive intensiv mit der Frage auseinander, inwieweit „die Größe der Summe allein genügt, um bis zu Zuchthaussumme aufzusteigen“.406 Eine etwaige „Inconvenienz“ durch das starre Wertsummensystem konnten die Verfasser nicht feststellen, da zum einen – bis auf die Dauer – die Strafschärfung durch das Zuchthaus im Vergleich zur Zwangsarbeit nicht gravierend und zum anderen die festgelegte Schwellengrenze sehr hoch angelegt sei „und ein solcher erheblicher Diebstahl eine nicht unbedeutende Geflissenheit und Gefährlichkeit des Thäters voraussetzt und kaum ohne eine andere Qualification vorkommen wird [...]“.407 Die nachfolgende Strafabstufung führte Qualifikationen auf, für die eine Mindeststrafe von einem Jahr Zwangsarbeit verhängt werden musste. Insgesamt unterschied der Entwurf 5 Fallgestaltungen. Gegenüber der vorgenannten Zuchthausstrafe stieg in dieser Strafenkategorie die Bedeutung des gestohlenen Wertes stark an. Die Merkmale „zur Unternehmung der That mit Waffen versehen“ (Nr. 1) und das gewerbsmäßige Betreiben des Stehlens (Nr. 2) gehörten zu den „wertneutralen“ Merkmalen. Die Nr. 3 dieser Strafkategorie erforderte eine – bereits von den Sachbeschädigungsdelikten her bekannte – „Doppelqualifikation“. Der Wert der gestohlenen Sache musste 5 Reichstaler überschreiten und ferner eine weitere wertneutrale Qualifikation erfüllen. Dabei handelte es sich um die Entwendung einer „dem kirchlichen Gebrauche unmittelbar geweihten Sache“ (Nr. 3 A); den Diebstahl „während eines die Verwahrung des Eigenthums erschwerenden Nothstandes“ (Nr. 3 B); das bewusste Versetzen des Diebstahlsopfers durch den Diebstahl „in eine hülflose Lage“ (Nr. 3 C); den Diebstahl „durch Überraschung einer Person“ (Nr. 3 D); den Wohnungseinbruch bei Nachtzeit (Nr. 3 E); das Aufbrechen von Schutzbehältern (Nr. 3 F). In der vierten Fallkategorie führte der Entwurf Umstände auf, die im gemeinem Recht „Auszeichnungen oder erschwerende Umstände waren“.408 Da diese von den Verfassern als „minder strafbar“ eingestuft wurden, erhöhte sich hier die 406 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 106. 407 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 108. 408 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 108.

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Wertschwelle auf 15 Reichstaler. Dabei handelte es sich um die Entwendung von „herzoglichem Eigenthum aus herzoglichen Residenzschlössern bzw. sonstigen im Staatseigentum befindlichen Sachen“ (Nr. 4 A); Post- oder Fracht-Güter bzw. Sachen aus Bahnhöfen und von Reisenden (Nr. 4 B); Feld- oder Gartenfrüchte, Bäume aus Gärten (der sog. Holzdiebstahl) bzw. Agrargüter / -gegenstände und Vieh (Nr. 4 C); Gegenstände auf „Messen oder Märkten, oder aus offenen Kaufmannsläden“ (Nr. 4 D); den gemeinschaftlichen Diebstahl (Nr. 4 E); der sog. Haus- und Familiendiebstahl (Nr. 4 Nr. F); der Diebstahl von anvertrauten Sachen der Gäste durch Wirte oder Dienstboten, Wächter oder „Hüter“ (Nr. 4 G); das Aufbrechen von Behältnissen durch ohne Einwilligung erlangte „ächte Schlüssel“ (Nr. 4 H). Die letzte Fallkategorie (Nr. 5) sah wiederum eine absolute Wertgrenze von 30 Reichstalern vor, deren Überschreitung die Strafdrohung ohne weitere Qualifikation auslöste. Die letzte Strafabstufung des Diebstahlstatbestands sah eine Maximalstrafe von einem Jahr Zwangsarbeit vor. Diese Strafe sollte über einer Wertgrenze von 5 Reichstalern greifen, bzw. „ohne Rücksicht auf den Betrag“, wenn eine der vorgenannten Qualifikationen der Nr. 3 und Nr. 4 A bis F erfüllt waren. Ferner gab es auch in dieser Schadensstufe eine Doppelqualifikation. Diese erforderte das Überschreiten einer Wertschwelle von 2 Reichstalern sowie den Eintritt einer der in Nr. 4 A-H aufgeführten Umstände oder den Umstand, dass der Dieb bereits zweimal wegen Diebstahls polizeilich bestraft worden war. Alle übrigen Fälle des Diebstahls sollten der polizeilichen Verfolgung unterstellt werden. Im Gegensatz zu anderen Strafgesetzen verzichtete der Entwurf auf besondere Bestimmungen für Diebstahlsrückfälle. Hier sollten nur die allgemeinen Vorschriften zum Rückfall Anwendung finden.409 Die Motive begründeten die abweichende Haltung mit der Überzeugung, dass höhere Strafen für den Rückfall beim Diebstahl keine nachhaltige präventive Wirkung entfalten würden.410 Zur Illustration seiner These analysierten die Motive die „drei sehr verschiedenen Classen“ rückfälliger Diebe. Die erste Klasse dieser Diebe habe eine „unbezwingliche Scheu vor jeder Arbeit und daneben einen leidenschaftlichen Hang zur Völlerei“. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts „greifen sie zu dem leichtesten sich ihnen darbietenden Mittel, dem Diebstahle“.411 Für diese Gruppe 409 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 110. 410 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 111. 411 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 111.

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seien aber bereits die vorhandenen Strafschärfungen zum gewerblichen Stehlen ausreichend. Die zweite Klasse von rückfälligen Dieben seien Personen „die zwar eine nützliche Thätigkeit erwählt und oft auch keine äußere Veranlassung zum Stehlen haben, denen aber ein unwiderstehlicher Trieb dazu gewissermaßen angeboren scheint“.412 Das heute als Kleptomanie bekannte Phänomen verdiene nach Auffassung der Verfasser „eher Mitleid als strengere Bestrafung [...]“.413 Die letzte Gruppe stehle meistens „durch Mangel oder augenblicklichem Bedürfnis [...]“.414 Diese Täter werden „durch dieselben Ursachen, welche sie zu dem ersten Diebstahl verleiten, zu dem Rückfall bewogen“.415 Die einzig richtige Reaktion für diese Klasse bestehe deshalb darin, „sie arbeitsfähig zu machen und ihnen Erwerb zu verschaffen“.416 Hierfür seien die dem polizeilichen Vollzug zugehörigen Corrections- und Besserungsanstalten das richtige Mittel der Wahl.417 Die Entwendung von Leichen und aus Gräbern führte der Entwurf unter dem § 207 als eigenen Tatbestand, da „sie dem Diebstahle im eigentlichen Sinne nicht beizuzählen sind“.418 Eine Einordnung unter die Diebstahlsdelikte erfolgte trotz dieser Einschätzung. Hierzu bemerkten die Motive lediglich: „Indeß am Schicklichsten finden sie doch in diesem Capitel ihren Platz“.419 Die Höchststrafe für diese Tat lag bei einem Jahr Zwangsarbeit; beruhte die Entwendung der Leichen auf einem „wissenschaftlichen Zweck“, lag die Höchststrafe bei 6 Monaten Gefängnis. cc) Unterschlagung und Funddiebstahl Die Tatbestände der Unterschlagung (§ 208) und des Funddiebstahls (§ 209) bildeten den Abschluss dieses Kapitels. Der Unterschlagung machte sich strafbar, „wer wissentlich eine fremde bewegliche Sache, die er in seinem Besitze oder Gewahrsame hat, widerrechtlich in gewinnsüchtiger Absicht sich aneignet, insbesondere dieselbe veräußert, ganz oder theilweise verbraucht, oder solche, um sie sich

412 413 414 415 416 417 418 419

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 111. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 111. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 111. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 111. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 111. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 112. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 112. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 112.

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anzueignen, verpfändet oder gegen den zur Zurückforderung Berechtigten deren Besitz abläugnet oder verheimlicht [...].“

In Abgrenzung zum Verbrechen des Diebstahls war für die Unterschlagung kein Gewahrsamsbruch erforderlich.420 Gleichwohl bedurfte es auf der subjektiven Seite ebenfalls einer Zueignungsabsicht. Im Unterschied zum Diebstahlstatbestand erfolgte hier eine umfassendere Definition dieses Merkmals, auch mittels Regelbeispielen. Ziel dieser ausführlichen tatbestandlichen Darstellung sollte sein, jeglichen Zweifel zu beseitigen, „wann die Aneignung hier als vorhanden und als vollendet anzusehen sei“.421 Die Bestrafung dieses Deliktes richtete sich nach den Bestimmungen des Diebstahls, „da dieses der Natur dieses Verbrechens, dem Gerichtsgebrauche und der Vorschriften der übrigen deutschen Gesetzgebungen entspricht [...]“.422 Der Funddiebstahl war gegenüber dem Diebstahl mit einer geringeren Bestrafung behaftet, da die „Volksansicht“ dieses verlangte und der Täter hier „durch einen von ihm unabhängigen Zufall zu der Unrechtfertigkeit veranlasst wird [...]“.423 Folglich reduzierte sich gegenüber dem Diebstahl die festgelegte Strafart um jeweils eine Stufe. Die Höchststrafe für einen Funddiebstahl über 500 Reichstaler lag demnach anstatt Zuchthaus bei Zwangsarbeit mit einjähriger Mindeststrafe.

c) Betrug und Fälschung Das dritte Kapitel hatte neben den Betrugs- und Fälschungsdelikten auch eine Reihe von Wirtschaftsverbrechen zum Inhalt. § 210 des Entwurfs normierte die Strafbarkeit des Betrugs. Die Regelung betraf ausschließlich die Verletzung von Vermögensrechten.424 Andere Betrugssachverhalte, „die eine besondere Rücksicht und Strafsanction erforderlich machen [...]“, waren vom Schutzbereich der Norm nicht erfasst.425 Ebenfalls selbstständig geregelt war der Tatbestand der Fälschung (§ 212). Obgleich die Strafbarkeit dieser Straftatbestände „im Ganzen gleich gestellt ist“, erschien eine Trennung

420 Eine Übersicht über die verschiedenen Regelungen der Unterschlagung in den deutschen Partikulargesetzbüchern findet sich in: Rentrop, Untreue und Unterschlagung, S. 19 ff. 421 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 113. 422 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 113. 423 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 113. 424 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 113. 425 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 113.

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dennoch notwendig, da „der Thatbestand, die Vollendung und die Strafabstufungen“ dieser Delikte verschieden behandelt werden müssten.426 Einen Betrug beging, „wer den Irrthum eines Andern rechtswidrig veranlaßt oder benutzt, um demselben einen Vermögensschaden zuzufügen oder in gewinnsüchtiger Absicht [...].“

Ein tatsächlicher Schadenseintritt beim Opfer war für die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift nicht notwendig. Ein strafbarer Versuch des Betrugs lag nach dieser Regelung bereits dann vor, wenn es dem Täter nicht gelang, den beabsichtigten Irrtum hervorzurufen.427 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz normierte der Entwurf für die Erscheinungsform des Eingehungsbetrugs. Hier bestimmte der § 211, dass bei Verträgen ein Betrug nur dann strafbar sei, wenn dem Betrogenen der erlittene Schaden auf sein Anfordern nicht ersetzt wird. Diese Lösung stellte nach Überzeugung der Verfasser die praktikabelste Lösung dar, weil ansonsten durch einen „Civiproceß die präjudicielle Frage“ entschieden werden müsste, ob eine Betrugsuntersuchung eingeleitet werden müsste oder nicht.428 Auf der Rechtsfolgenseite entsprach das Strafsystem dem des Diebstahls, auf dessen Bestimmungen auch größtenteils verwiesen wurde. Spezifische Qualifikationen gab es auf der mittleren bzw. niedrigsten Strafstufe. So drohte der Entwurf mit Zwangsarbeit über einem Jahr, wenn „die Religion, eine religiöse Handlung oder eine der Religion geheiligte Sache“ missbraucht wurde (II. Nr. 1 C); falsche Amtstitel, falsche amtliche Aufträge oder Befugnisse vorgegeben wurden (II. Nr. 1 D) und schließlich dann, wenn der Täter als „Kunstverständiger oder Schiedsrichter in seinem Wirkungskreis“ den Betrug beging. Zwangsarbeit bis zu einem Jahr musste befürchten, wer „Collekten zu wohltätigen oder frommen Zwecken unter unwahren Vorgaben gesammelt hatte“ (III. Nr. 1 B) und den Betrug „mit abergläubischer oder hinterlistiger Verblendung“ verübt hatte (III. Nr. 1 C). Einer Fälschung nach § 212 machte sich strafbar, „wer unächte Sachen verfertigt, oder für ächte ausgiebt oder ächte verfälscht und davon zu dem Vermögensschaden eines Andern oder in gewinnsüchtiger Absicht einen rechtswidrigen Gebrauch macht [...].“

Im Unterschied zu den öffentlichen Fälschungen, welche die „Verfertigung der Fälschung“ als Vollendungszeitpunkt konstituierten, verlangte dieser Tatbestand 426 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 114. 427 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 114. 428 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 115.

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für die Vollendung den tatsächlichen Gebrauch der Fälschung.429 Gemeinsam war den beiden Fälschungstatbeständen, dass „eine Schadensstiftung oder ein erlangter Vortheil zur Vollendung des Verbrechens nicht erforderlich (war)“.430 Auf der Rechtsfolgenseite lag freilich der größte Unterschied, da die Strafhöhe der privaten Fälschung von der Größe des beabsichtigten oder erreichten Schadens bestimmt war, während dieser Aspekt bei dem Strafmaß der öffentlichen Fälschung nur eine untergeordnete Rolle spielte, da dort „der Schutz des öffentlichen Verkehr und Credit“ im Vordergrund stand.431 Wie auch der (verwandte) Betrugstatbestand richtete sich die Bestrafung der Fälschung nach dem Strafensystem des Diebstahls, auf dessen Strafabstufungen auch verwiesen wurde. Besonderheiten fanden sich auch hier erst auf der mittleren und niedrigsten Strafstufe. Hierzu gehörte die Fälschung von „Wechseln, kaufmännischen Creditbriefen oder Handelsbüchern“ (II. Nr. 1 B) und der Gebrauch von „falschen Maaßen und Gewichten“ (II. Nr. 1 B). Diese Fälschungen hatten Zwangsarbeit über ein Jahr zur Folge. Letztgenanntes stellte die Maximalstrafe dar, wenn das Verbrechen „mittels Verfertigung falscher oder Verfälschung, Vernichtung, Beschädigung oder Unterdrückung ächter Privaturkunden oder Privatsiegel“ (III Nr. 1 B), bzw. im „Handel durch Nachahmung oder Verfälschung der besondern Kennzeichen, Stempel oder Etiketten einer Fabrik oder eines Handelshauses mit Nachtheil für die Abnehmer der Waare“ verübt wurde. Der betrügerische Wucher (§ 213) wurde gleich dem Betrug bestraft. Ohne bewusstes Täuschungselement sanktionierte der Tatbestand des gemeinen Wuchers (§ 214) – die Vereinnahmung höherer als der erlaubten Zinsen – mit einer Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis, bzw. verhältnismäßiger Geldstrafe. Der nachfolgend geregelte betrügerische Bankrott (§ 215) folgte ebenfalls dem Strafsystem der Vermögensdelikte, so dass auch hier bei einer Schadenssumme für die Gläubiger über 500 Reichstaler auf Zuchthaus erkannt werden musste. Beim mutwillen Bankrott (§ 216), der keine Betrugshandlung voraussetzte, reduzierte sich die Höchststrafe auf Zwangsarbeit über einem Jahr. Ebenfalls strafbar in diesem Kontext war der fahrlässige Bankrott (§ 217) auf den bis zu einem Jahr Gefängnis stand. Die Verletzung besonderer Treuhandspflichten durch den (insolventen) Schuldner sollte nach § 218 bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigt werden.

429 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 114. 430 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 114. 431 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 114.

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Das fünfte Kapitel enthielt gemeinschaftliche Bestimmungen für die Bestimmung des Wertes und der tägigen Reue bei den Vermögensdelikten. § 223 legte fest, dass das Affektionsinteresse des Opfers an dem Gegenstand keinen Einfluss auf die Höhe des Schadenswertes hat.432 Eine etwaige Kenntnis des Täters von diesem besonderen Interesse sollte aber bei der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt werden. Beim Miteigentum war nach § 224 nur der fremde Anteil bei der Wertbestimmung maßgeblich. Für die Vermögensdelikte sah der Entwurf die Möglichkeit des straflbefreienden Rücktritts durch Tätige Reue (§ 225) vor. Die Vorschrift war einer Regelung aus dem österreichischen Strafgesetzbuch entlehnt, wo sie sich „erfahrungsgemäß als wohltätig“ erwiesen hatte.433 Der Täter musste vor Einleitung einer Untersuchung aus „freiem Antriebe Ersatz aus bereiten Mitteln sogleich gewähren.“ Diese Handlung sollte bei Verbrechen, deren Schaden sich alleine über den Wert definierte, bei vollständigem Ersatz zur Straflosigkeit führen. Eine teilweise Kompensation sollte nur nach dem Wert des nicht ersetzten Schadens bestraft werden und die tätige Reue als Milderungsgrund gewertet werden. Bei allen anderen Vermögensdelikten sollte die freiwillige Kompensation des Schadens nur einen Milderungsgrund darstellen. Im Falle der Unterschlagung konnte die vollständige Kompensation auch zur Straffreiheit führen, wenn sie nicht freiwillig, sondern erst auf „Anforderung des Berechtigten“ vorgenommen wurde.

3. Vorschriften zum Strafantrag Gegenstand des dritten Abschnitts der Rubrik Privatverbrechen waren Regelungen zum Strafantrag. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen und im Unterschied zu anderen Gesetzgebungen, entschieden sich die Verfasser, die Vorschriften zum Strafantrag nicht bei den einzelnen Verbrechen, sondern gesondert in einem eigenen Abschnitt zu erfassen.434 § 226 legte fest, welche Verbrechen nicht dem Amtsermittlungsgrundsatz unterlagen, sondern nur auf Anzeige verfolgt wurden. Hierbei handelte es sich insbesondere um Verbrechen aus dem Privat- bzw. Intimbereich, dem Familienbereich sowie Verbrechen mit geringem Strafunwert und ohne nachhaltig schädigende Wirkung für das Opfer. Ausnahmsweise auch ohne Anzeige verfolgt werden sollten diese Delikte bei einem Zusammentreffen mit einem schweren Verbrechen 432 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 117. 433 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 117. 434 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 117.

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(über einem Jahr Zwangsarbeit), oder wenn durch die Verbrechen gleichzeitig ein öffentliches Ärgernis bzw. eine Störung der öffentlichen Ruhe vorlag. Anzeigeberechtigt waren nach § 227 die beschädigte Person, falls diese das sechzehnte Lebensjahr überschritten hatte, bei geringerem Alter der gesetzlich Berechtigte. Die Zurücknahme der Anzeige erfolgte nach der Maßgabe des § 228 durch Protokoll beim untersuchenden Gericht. Eine Rücknahme war bis zum Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses möglich, danach nicht mehr. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellten die Beleidigungsdelikte dar; bei diesen konnte der Beleidigte dem Täter die Strafe jederzeit ganz oder teilweise erlassen.435 Konkret zählte der Entwurf eine Reihe von Delikte auf, die nur auf Antrag verfolgt werden sollten.436

III. Amtsverbrechen Die Amtsverbrechen bildeten vom Umfang her die kleinste Verbrechenskategorie des Besonderen Teils. Insgesamt unterteilte sich der dritte Titel in drei Kapitel. Den Anfang bildeten in den §§ 229–236 Allgemeine Bestimmungen zu den Amtsverbrechen. Es folgten im zweiten Kapitel (§§ 237–250) Vorschriften über die Verletzung allgemeiner Dienstpflichten. Das abschließende dritte Kapitel widmete sich in den §§ 251–266 Verbrechen aufgrund der Verletzung besonderer Amtspflichten.

1. Allgemeine Bestimmungen Mit § 229 legte der Entwurf den persönlichen Anwendungsbereich der Amtsverbrechen fest. Die Regelungen sollten laut dieser Bestimmung nur für Staatsbedienstete und Personen gelten, die hoheitliche Tätigkeiten ausübten. Die Hofdienerschaft dagegen gehörte nicht zu diesem Personenkreis, da diese „nach Willkür des Landesherrn“ entlassen werden konnten.437 Nachfolgend erläuterte § 230 die „eigenthümlichen Strafarten“ der Amtsverbrechen. Hierbei handelte es sich um die sog. Dienstentsetzung und die Dienstentlassung. Die hier geregelte strafrechtliche Dienstentlassung unterschied sich von

435 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 118. 436 Beschädigung an der Person ohne Krankheits- und Arbeitsunfähigkeitsfolge, Entführung, Notzucht, Schändung, widernatürliche Unzucht, Störung des Hausfriedens, Verleitung zu Ehe, betrügliche Ehe oder Eheverlöbnis, Zwang zur Ehe, Ehebruch, Verführung, Ehrenkränkungen, einfache Vermögensbeschädigung, Betrug bei Verträgen, betrügliche Verletzung fremder Geheimisse, Diebstahl, Unterschlagung und Betrug unter Angehörigen, betrügliche Entwendung des Faustpfands und widerrechtliche Benutzung fremder Sachen. 437 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 119.

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der Entlassung auf Grundlage des Staatsdienstgesetzes dadurch, dass dem Entlassenen anschließend jegliche Gehaltszahlung versagt blieb.438 Die strengere Strafart der Dienstentsetzung hatte – neben der Entlassung – zudem dieselben Rechtsfolgen für die Bürgerrechte wie die Zwangsarbeit. Beide Strafarten hatten zudem absolute Wirkung. Bei Auflösung des Dienstverbandes vor Straferkennung bzw. beim Zusammentreffen dieser Straftart mit anderen Verbrechen, deren Rechtsfolge u.a. den Verlust der Dienstrechte vorsah, sollte neben bzw. statt der Dienstentsetzung Zwangsarbeit über einem Jahr bzw. bei der Dienstentlassung als Alternativstrafe über ein Jahr Gefängnis verhängt werden. Besondere Teilnahmebestimmungen für Amtsverbrechen traf der § 231. Hiernach machten sich Vorgesetzte oder Mitglieder oberer Behörden der Beihilfe strafbar, wenn sie „wissentlich Amtsverbrechen ihrer Untergebenen“ geschehen ließen. Das „Nachsehen“ bereits verübter Amtsverbrechen führte zu einer Bestrafung der vorgenannten Personengruppe als Begünstigte. Auf den Befehlsnotstand konnten sich nach § 232 Beamte untergeordneter Behörden berufen, so dass diese straffrei blieben. Beamte „erster Classe“ blieben in diesem Fällen nur nach § 23 des Staatsdienstgesetzes ohne Strafe. Sofern ein Beamter sein Dienstverhältnis zwecks Verübung gemeiner Verbrechen missbrauchte, waren nach § 234 die Strafen dieser Verbrechen für ihn maßgeblich. Ferner musste der Missbrauch bei der Strafzumessung als Erschwerungsgrund bewertet werden. Zudem bestimmte die Norm, dass gegen Beamte, die sich des Diebstahls, der Unterschlagung, des Betrugs oder der Fälschung schuldig gemacht hatten, auf Dienstentlassung zu erkennen war. Diese Rechtsfolge sahen die Motive auch für Polizeivergehen als gerechtfertigt an, da das „Beste des Dienstes“ geschützt werden muüsse.439 Nach § 236 durfte eine Untersuchung von Amtsverbrechen nur auf Antrag der dem Angeschuldigten vorgesetzten Behörde erfolgen. Die Einleitung der Untersuchung von den Gerichten war in diesen Fällen ausgeschlossen, um eine „Verwirrung der Dienstverhältnisse“ zu verhindern.440

2. Verletzung allgemeiner Dienstpflichten Den Anfang dieser Verbrechenskategorie bildete die Bestechung (§ 237). Hierfür sah der Entwurf als Strafe die Dienstentsetzung nebst Gefängnis bis zu einem

438 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 119. 439 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 120. 440 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 121.

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Jahr vor. Die unterlassene Anzeige eines Bestechungsversuchs durch den Beamten war mit einer Gefängnisstrafe bis zu vier Wochen bedroht. Eine pflichtwidrige Handlung war für die Vollendung des Delikts nicht erforderlich, es reichte die subjektive Absicht.441 Mit einer Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten war die Annahme von Geschenken behaftet (§ 238). Die Geschenkannahme musste dabei aber in Beziehung zur Amtshandlung stehen.442 Der Rückfall führte zu Dienstentlassung und Gefängnis bis zu sechs Monaten. Der Missbrauch der Amtsgewalt (§ 239) und die Erpressung im Amt (§ 240) mussten jeweils mit Dienstentlassung bestraft werden. Sollte der Amtsmissbrauch zugleich ein weiteres gemeines Verbrechen enthalten, so war auf Dienstentsetzung zu erkennen. Die Höhe der festgelegten Strafen betrachteten die Motive als angemessen, da insbesondere die „unteren Beamten nur durch unerbittliche Strenge von Ungerechtfertigkeiten dieser Art abzuhalten sind, so daß man diese Strenge den Unterthanen schuldig ist.“443

Die Unterschlagung anvertrauter Sachen (§ 241) bestrafte der Entwurf deutlich strenger als das korrespondierende Privatverbrechen. Zuchthaus als Höchststrafe musste schon über der Schwelle von 100 Reichstalern festgesetzt werden. Die weiteren Strafabstufungen entsprachen dem Privatdelikt, obgleich die mittlere Strafart bereits über der Grenze von 15 Reichstalern griff. Die Motive begründeten die Strafschärfung mit der „größeren Verschuldung des Thäters und die größere Gefährlichkeit der Tat [...]“.444 Die unerlaubte Benutzung anvertrauter Gelder und Sachen (§ 242) – also ohne Zueignungsabsicht – sollte die Dienstentlassung zur Folge haben. Die Möglichkeit der Tätigen Reue – wie sie das Privatverbrechen kannte – war für diese Fälle gesetzlich ausgeschlossen. Für die Bestrafung der Rechnungsfälschung (§ 243) verwies der Entwurf auf den Straftatbestand für die Fälschung öffentlicher Urkunden. Ferner konnte hierzu auch das Verbrechen der Unterschlagung anvertrauter Sachen (§ 241) in Konkurrenz treten.

441 442 443 444

Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 121. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 121. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 122. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 122.

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Mindestens die Dienstentlassung sollte die Folge der Fälschung bei Amtshandlungen (§ 244) sein. Hierfür mussten zudem die entsprechenden Privatverbrechen des Betruges und der Fälschung greifen. Entsprechend hatte die Rechtsfolge der Dienstentlassung nur eine selbstständige Bedeutung, falls bei vorgenannten Privatverbrechen nur auf Polizeistrafe zu erkennen gewesen wäre.445 Die gleiche Rechtsfolge galt für die Verkürzung öffentlicher Einkünfte und eigennützige Geschäftsführung (§ 245). Dienstentlassung war auch die Strafe für die Verletzung der Amtsverschwiegenheit (§ 246). Auf die Amtserschleichung stand nach der Vorgabe des Entwurfs die Strafe der Dienstentsetzung. Für das Verlassen des Amts (§ 248), sofern dieses mit der Absicht geschah, es aufzugeben, musste der Täter bis zu sechs Monaten Gefängnis nebst Dienstentsetzung befürchten. Ohne entsprechende Absicht reduzierte sich die Strafdrohung auf Dienstentlassung, wenn die Abwesenheit länger als zwei Monate dauerte. Im Fall eines Schadens, der durch die Abwesenheit verursacht wurde, sollte zusätzlich bis zu einem Jahr Gefängnis als Strafe verhängt werden. Ungehorsam im Dienste (§ 249) führte bei „thätlicher Widersetzlichkeit“ gegen Vorgesetzte zur Dienstentsetzung, bei „Beleidigung der Amtsehre“ nur zur Dienstentlassung. Mit letztgenannter Strafdrohung war auch die Teilnahme an unerlaubten Verbindungen (§ 250) sanktioniert.

3. Verletzung besonderer Amtspflichten Bei den besonderen Amtspflichten widmete sich der Entwurf insbesondere den Pflichtverletzungen der Justiz- und Polizeibeamten (§§ 251–260), den der Kirchendiener (§§ 261–262), der Schuldiener (§ 263), von Rechtsanwälten und Notaren (§ 264) und von Gesundheitsbeamten (§ 266). Die vorgesehenen Strafen für vorsätzlich pflichtwidrig handelnde Justiz- und Polizeibeamte waren von den Verfassern bewusst streng gewählt, da es nach ihrer Auffassung kaum „etwas Niederträchtigeres“ geben könne, als Menschen, denen der „Schutz der Personen und des Eigenthums anvertraut ist“, und die diese dienstliche Stellung aus niederen Motiven missbrauchten.446 Auf die rechtwidrige Einleitung der Untersuchung (§ 251) folgte die Dienstentsetzung. Ferner verwies der Tatbestand auf die Verbrechen der falschen Anklage und der widerrechtlichen Gefangenenhaltung. Diese Strafdrohung galt ebenfalls für die rechtswidrige Verlängerung der Haft (§ 252), sofern diese in rechtswidriger Absicht erfolgte. Die eigenmächtige Verhaftung durch untergeordnete Diener 445 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 123. 446 Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 123.

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der Justiz und der Polizei bestrafte der Entwurf nach § 253 mit sechs Monaten Gefängnis, bei Rückfall mit Dienstentlassung. Für die Misshandlung von Angeschuldigten und Zeugen (§ 254) sollte das Strafsystem des Meineids greifen, wenn diese vorgenommen wurde um „einem wissentlich Unschuldigen ein Geständniß, oder einem Zeugen eine falsche Aussage abzupressen [...]“. Ansonsten sollte grobe körperliche Misshandlung zur Dienstentlassung führen. Die verschuldete Entweichung eines Gefangenen (§ 256) sanktionierte der Entwurf mit Zwangsarbeit über einem Jahr, wenn der Gefangene, wegen eines Kapitalverbrechens in Haft saß. Ansonsten stellte die letztgenannte Strafdrohung die Höchststrafe dar. Beruhte die Befreiung auf Fahrlässigkeit des Beamten, so hatte sie im schweren Fall Dienstentlassung und ansonsten Gefängnis bis zu sechs Monaten zur Folge. Mit Dienstentsetzung wurde nach § 257 die Unterlassung der Untersuchung bestraft, wenn das nicht verfolgte Verbrechen mit Zuchthaus bedroht war. Ansonsten sah der Entwurf für diese Fälle die Dienstentlassung vor. Für die schweren Fälle der Rechtsbeugung (§ 258) verwies der Entwurf erneut auf das Strafensystem des Meineides. Auf geringere Fälle der Rechtsbeugung stand nach § 259 die Dienstentsetzung. Abschließend ordnete der § 260 bei pflichtwidriger Nichtverhinderung von Verbrechen als Höchststrafe die Dienstentsetzung und Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr an, wenn es sich bei diesen um Kapitalverbrechen handelte und dies mit dem „Einverständnisse des Thäters oder aus Parteilichkeit“ geschah. Kirchendiener, die ihre Stellung zur Schmähung von staatlichen Einrichtungen, Körperschaften oder bestehenden Religionsgesellschaften missbrauchten, mussten nach § 261 in besonders schweren Fällen oder bei Rückfall mit Dienstentlassung rechnen. Fälschungen von Kirchenbüchern (§ 261) in rechtswidriger Absicht führte ebenfalls zur Dienstentlassung. Der Missbrauch des Züchtigungsrechts durch den Schuldiener hatte nach § 263 auch dessen Dienstentlassung zur Folge. Die Untreue von Rechtsanwälten und Notaren (§ 264) war in schweren Fällen mit der Dienstentlassung behaftet, ansonsten sah der Entwurf eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten vor. Der § 265 ordnete für unvorsätzliche Tötungen oder Beschädigung einer Person bei Ausübung eines öffentlichen Amtes neben den allgemeinen Strafdrohungen in schweren Fällen die Dienstentlassung bzw. ein Berufsverbot an. Abschließend bestrafte § 266 des Entwurfs den Gesundheitsbeamten, der durch pflichtwidriges Verhalten anderen in ihrer Gesundheit schädigte, in schweren Fällen bzw. bei Rückfall mit Dienstentsetzung, ansonsten mit sechs Monaten Gefängnis.

Fünftes Kapitel: Der Kommissionsbericht A) Der Landtag des Herzogtum Braunschweigs Nach dem Sturz Herzog Karls im Jahre 1830 und der darauffolgenden Inthronisierung seines Bruders Wilhelm wurde ein neues Landesgrundgesetz entworfen und den Ständen vorgelegt. Der neue Verfassungsentwurf wurde im Wesentlichen im Oktober 1832 von den Ständen angenommen und als die „Neue Landschaftsordnung“ (NLO) nebst den damit zusammenhängenden Umänderungen im Staatsorganismus veröffentlicht.1 Der Landtag musste demnach nach § 128 NLO alle drei Jahre einberufen werden und innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein. Nur mit Zustimmung des Landesfürsten konnte diese Frist verlängert werden. Die Stände bildeten nur noch eine Kammer, die sich aus 48 Abgeordneten zusammensetzte. Dabei wurden 10 Abgeordnete aus der Ritterschaft, 12 von den Städten und 10 von den Bauern gewählt. Die Wahlkollegien dieser Abgeordneten mussten noch je einen Wahlmann wählen, und dieses 32 Wahlmänner umfassende Wahlkollegium wählte noch 16 Abgeordnete ohne Rücksicht auf Standesverhältnisse, Grundbesitz, Beschäftigung und Steuerquote.2 Dem Landesfürsten stand nach § 145 der NLO frei, ob er Beschlüssen und Anträgen des Landtags seine Zustimmung erteilte oder sie ablehnte. Im Falle der Ablehnung musste diese jedoch begründet werden.3 Die erste reformierte Landesversammlung trat am 30. Juni 1833 zusammen und blieb nach mehrmaligen Vertagungen bis zum Mai 1835 wirksam.4 Der zweite Landtag (1836/37) beschloss das Gesetz über die Aufhebung der Feudalrechte und förderte den Bau einer Eisenbahn von Braunschweig nach Harzburg. Gegenstand der außerordentlichen Versammlung der Stände Ende 1837 war der Anschluss einiger Gebietsteile des Herzogtums (Blankenburg, Walkenried und Kalvörde) an den Preußisch-Deutschen Zollverein. Zentrales Werk des dritten ordentlichen Landtags (1839–42) sollte das Criminalgesetzbuch werden.

1 2 3 4

Vgl. König, Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, S. 93. Vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung, S. 12 ff. Vgl. Fimpel, Handbuch der niedersächischen Landtags- und Ständegeschichte, S. 171. Vgl. Fimpel, Handbuch der niedersächischen Landtags- und Ständegeschichte, S. 171.

https://doi.org/10.1515/9783110651485-005

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Fünftes Kapitel

B) Die Kommission I. Ausschüsse und Kommissionen des Landtags Der ständische Ausschuss nahm nach § 59 NLO für das Herzogtum, als Organ der gesamten Landschaft zwischen den Landtagen, die Aufgaben der Ständeversammlung wahr. Vornehmlich bereitete dieses Gremium – im sachlichen Austausch mit dem Staatsministerium – die Beschlussfassungen für die anstehende Ständeversammlung vor. Die Rechte des ständischen Ausschusses waren sehr weit gefasst im Herzogtum. Er war berechtigt, an der Ergänzung des bürgerlichen Strafrechts vollgültig mitzuwirken (§ 121 NLO). Nach § 87 NLO setzte sich der Ausschuss aus 7 Abgeordneten zusammen, die aus der Mitte der Landesversammlung mit voller Stimmenmehrheit gewählt wurden. Der ständische Ausschuss betrieb seine Geschäfte kollegialisch und war nur beschlussfähig bei Anwesenheit von mindestens vier Mitgliedern. Ein Ausschussmitglied musste dem Landtagsplenum über die Geschäfte auf dem nächsten Landtag berichten.5 Während der Landtage übernahmen Kommissionen wesentliche Aufgaben der Ausschüsse. Ihre Aufgabe bestand vornehmlich darin, die Gesetzesvorlagen zu begutachten und darüber Bericht zu erstatten. Auch wurden im Austausch mit dem Staatsministerium entsprechende Beschlussvorlagen für Gesetzvorhaben erarbeitet. Die Zusammensetzung der Kommissionen entsprach denen der Ausschüsse.6

II. Die Arbeit der Kommission Auch für die Begutachtung des Regierungsentwurfs für das Criminalgesetzbuch wählte der Landtag aus seiner Mitte eine Kommission mit 7 Mitgliedern. Hierbei handelte es sich um den Hofrat Breymann, den Oberappellationsrat Günther7, den Kammerrat von den Brinken, das Landtagsmitglied von Gone auf

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Vgl. Fimpel, Handbuch der niedersächischen Landtags- und Ständegeschichte, S. 174. Vgl. Fimpel, Handbuch der niedersächischen Landtags- und Ständegeschichte, S. 174. Johann Friedrich Ludwig Günther, geboren am 15. März 1773, gestorben am 17. Oktober 1854, war ein Rechtsgelehrter. Er wurde 1808 zum Professor für römisches Recht und Zivilprozessrecht an der Julius-Karl Universität ernannt. Trat dann aber ab 1814 nach Wiederherstellung des Herzogthums Braunschweig in dessen Justizdienst ein und wurde 1819 zum Oberappelationsrath ernannt. 1846 wurde er Präsident des Oberappellationsgerichts.

Der Kommissionsbericht

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Westerbrak, den Abt Sallentien8, den Notar Hollandt9 und den Kreisrichter Henke. Der von der Ministerialkommission redigierte Entwurf wurde der Kommission des Landtags am 17. Dezember 1839 zugewiesen. Die Beratungen zu der Vorlage begannen am 13. Januar 1840. Abweichend vom üblichen Verfahrensablauf im Gesetzgebungsprozess beauftragte die Kommission des Landtags und nicht das – für die Entwurferstellung zuständige – Staatsministerium ein Gutachten eines Strafrechtsexperten. In diesem Fall wurde der Strafrechtsprofessor C.J.A. Mittermaier10 von der Kommission um eine Stellungnahme gebeten. Mittermaier nahm in dieser Hinsicht eine Ausnahmestellung unter den anerkannten Strafrechtsexperten ein, da ihn in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sämtliche Regierungen um ein Gutachten zu ihren jeweiligen Kodifikationsvorhaben gebeten hatten.11 In seinem Gutachten vom 1. Februar 1840 bestätigte Mittermaier der Kommission, dass ihm der Entwurf sehr viel Freude gemacht habe und insbesondere die Einfachheit seiner Anlage ein Vorzug sei.12 Auf der Grundlage dieses Gutachtens und in enger Abstimmung13 mit dem Staatsministerium unter Schleinitz erstellte die Kommission über einen Zeitraum von 4 Monaten einen Bericht mit Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen zum Regierungsentwurf, der am 9. April 1840 abgeschlossen und dem Landtag zur weiteren Beratung zugeleitet wurde.14

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Karl Ludwig Ferdinand Sallentien, geboren am 22. Oktober 1780 und gestorben am 16. April 1848, war ein deutscher lutherischer Theologe. Er wurde 1839 mit der Würde eines Abtes des Klosters Mariental ausgezeichnet. Sallentien wurde 1843 General- und Stadtsuperintendent in Braunschweig. August Christoph Theodor Hollandt, geboren am 4. Oktober 1800, gestorben am 18. April 1882 war ein deutscher Jurist und linksliberaler Politiker. Er war Abgeordneter im Braunschweigischen Landtag, dessen Präsident er 1850–1851 war. Während der Revolution von 1848/49 gehörte er der Frankfurter Nationalversammlung an. Carl Joseph Anton Mittermaier, geboren am 5. August 1787, gestorben am 28. August 1867 war ein deutscher Jurist, Hochschullehrer, Publizist und Politiker. Er zählte zu den wichtigsten Strafrechtlern im 19. Jahrhundert. Eine ausführliche Übersicht zur Biographie Mittermaiers in: Marquardsen, Allgemeine Deutsche Biographie 22 (1885), S. 25–33. Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 186. Gutachten Mittermaiers vom 01.02.1840, vgl. StA Wolfenbüttel, 12 Neu Justiz 02, Nr. III 56/1, Bl. 231–234. Abstimmungen der Kommission mit dem Staatsministerium, vgl. StA Wolfenbüttel, 12 Neu 5, Nr. 3694, Bl. 191 ff. Vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 85.

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Fünftes Kapitel

C) Struktur und Inhalt des Berichts Die Struktur des Berichts der Kommission richtete sich konsequent nach dem Regierungsentwurf. Fast alle Paragraphen des Entwurfs wurden von der Kommission kommentiert. Die Kommentierungen zu den einzelnen Normen waren nicht durchgehend kritisch, sondern hatten auch vielfach nur erklärenden Charakter. In diesen Fällen beabsichtigte die Kommission – aus ihrer Sicht – unklare Regelungen für die Ständeversammlung und die spätere Rechtspraxis näher zu erläutern. Insgesamt stellte die Kommission zum Regierungsentwurf 165 Änderungsanträge. Die Änderungsanträge waren mit dem Staatsministerium abgestimmt und in der Mehrzahl redaktioneller Natur. Im Folgenden wird im Sinne der Übersichtlichkeit vornehmlich auf wesentliche inhaltliche Änderungsanträge oder Bemerkungen des Berichts näher eingegangen. Redaktionelle Änderungsvorschläge werden dargestellt, soweit sie auch Auswirkungen auf die Systematik des Regierungsentwurfs hatten bzw. besonders kontrovers waren.

I. Vorbemerkungen Zu Beginn hob der Bericht noch einmal kurz die bestehende Notwendigkeit einer neuen strafrechtlichen Gesetzgebung hervor und thematisierte die Grundlagen des Entwurfs, ohne diese jedoch in Frage zu stellen. Vielmehr lobte er den „allgemeinen Charakter“ des Regierungsentwurfs, da dieser die bewährten Kompetenzen der Gerichte beibehielt, alles „bloß der Doctrin Angehörige, auch Casuistische“ in der Gesetzgebung nicht berücksichtigte, eine durchgehende „Klarheit, Kürze und Vollständigkeit“ in seinen Bestimmungen enthielt und schließlich eine „angemessene Terminologie“ gebrauchte, indem er strafbare Handlungen durchgehend als Verbrechen klassifizierte.15 Dem Allgemeinen Teil des Entwurfs attestierte der Bericht „eine vorzügliche Sorgfalt“, im Besonderen Teil gefiel die Konzeption der einzelnen Tatbestände, die sich durch Kürze, Klarheit und Zweckmäßigkeit auszeichneten.16 Auch die Gestaltung der Rechtsfolgenseite im Besonderen Teil wurde positiv erwähnt, da dieser auf absolute Strafen weitestgehend verzichtete und dem richterlichen Ermessen zwar eine „bestimmte Grenze“ setzte, diesem zugleich aber „wegen unendlicher Verschiedenheit der Grade der Verschuldung“ ausreichend Raum gewährte.17

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Commissionsbericht, S. 4. Commissionsbericht, S. 5. Commissionsbericht, S. 5.

Der Kommissionsbericht

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Vor diesem Hintergrund stellte der Bericht konsequenterweise fest, dass der Regierungsentwurf „nicht nur die Anforderungen an ein so wichtiges umfassendes Gesetz völlig befriedige, sondern auch auf das Vorteilhafteste sich auszeichne [...]“.18 Die Kommission empfahl der Ständeversammlung daher die Annahme des Regierungsentwurfs, verwies jedoch auf die nachfolgend zu den einzelnen Paragraphen dargelegten Bemerkungen und Änderungsanträge, die dieser Empfehlung zugrunde lagen.19

II. Änderungsanträge und Bemerkungen zum Allgemeinen Teil Auch beim Bericht bildeten das Strafensystem und hier insbesondere die kontroverse Frage nach der Zulässigkeit der Todesstrafe einen der Schwerpunkte.

1. Nullum crimen, nulla poena sine lege Die Kommission unterstützte die Entscheidung des Entwurfs, eine Gesetzesanalogie zuzulassen.20 Um die Abgrenzung zur verbotenen Rechtsanalogie noch schärfer hervorzuheben, beantragte sie den § 421 wie folgt zu fassen: „Die Vorschriften dieses Gesetzbuches sind auch auf solche Handlungen oder Unterlassungen anzuwenden, welche entweder nach den Worten, oder nach dem Sinne, oder nach dem Grunde der einzelnen Bestimmungen desselben, als darin unzweifelhaft mit enthalten, anzusehen sind.“22

2. Strafensystem a) Todesstrafe Die Frage nach der Zulässigkeit der Todesstrafe stand auch im Zentrum der Diskussionen der Kommission. Aufgrund des im Entwurf vorgesehenen engen Anwendungsbereichs dieser Strafart sprach sie sich „noch zur Zeit“ für die Beibehaltung der Todesstrafe aus.23

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22 23

Commissionsbericht, S. 5. Commissionsbericht, S. 5. Commissionsbericht, S. 6. § 4 des Entwurfs von 1839: Die Bestimmungen dieses Gesetzbuches sind auf solche Handlungen oder Unterlassungen anzuwenden, welche entweder nach den Worten oder nach dem Sinne oder nach dem Grunde des Gesetzes, als darin unzweifelhaft mit enthalten, anzusehen sind. Commissionsbericht, S. 6. Commissionsbericht, S. 6.

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Fünftes Kapitel

Wegen der Tragweite dieser Entscheidung beauftragte die Kommission ferner eines ihrer Mitglieder – den Abt Sallentien – mit der Erstellung eines Gutachtens über die Frage nach der Zulässigkeit der Todesstrafe. In seiner „Gutachterlichen Äußerung“ unterschied Sallentien fünf verschiedene Einwände, die gegen die Todesstrafe typischerweise vorgebracht wurden. Diese beruhten auf psychologischen, juristischen, moralischen und religiösen Erwägungen und schließlich auf Erfahrungsgründen.24 Der psychologische Einwand gegen die Todesstrafe zielte auf die Schwierigkeit ab, den reinen „bösen Vorsatz“ unzweifelhaft festzustellen und diesen von einem „kranken Bewusstsein“ zu unterscheiden. Darüber hinaus habe die lebenslange Freiheitsstrafe psychologisch eine größere abschreckende Wirkung als die Todesstrafe, da zur „Erduldung jener nur ein wenige Minuten dauernder Muth gehöre [...]“. Beide Argumente verwarf Sallentien mit den Hinweisen, dass der Gemütszustand vorab ärztlich untersucht werde und die Todesstrafe den „stärksten aller Triebe, den Selbsterhaltungstrieb“ direkt anspreche und daher eine größere Abschreckung entfalte.25 Das juristische Gegenargument beruhte auf der Überlegung, dass Leben ein unveräußerliches Gut sei und daher auch nicht durch den Staatsvertrag auf diesen übertragen werden könne.26 Diese Prämisse lehnte Sallentien in seinem Gutachten als „Erdichtung“ ab, da „der Staat selbst der wahrhaft natürliche Stand des Menschengeschlechtes ist [...]“, und daher nicht durch den willkürlichen Akt eines Vertragsschlusses entstehe.27 Das moralische Argument, wonach die Persönlichkeit eines Menschen als Menschenrecht Niemandem geraubt werden und Unrecht daher nicht durch anderes Unrecht ausgeglichen werden dürfe, betrachtete Sallentien als Zirkelschluss, der am Ende auch die Freiheitsstrafe verbiete, da „die Freiheit ebenfalls ein unveräußerliches Menschenrecht ist [...]“.28 Auch religiöse Vorbehalte konnte Sallentien in seinem Gutachten nicht feststellen, da sich dieses Strafmittel bereits in der „Mosaischen Gesetzgebung“ wiederfinde.29 Die dort postulierte „Isonomie zwischen Wirkung und Gegenwirkung“ (Auge um Auge, Zahn um Zahn) fand sich nach Sallentien auch im Neuen Testament.30 Dem sog. Erfahrungsbeweis, wonach 24 25 26 27 28 29 30

Commissionsbericht, S. 87. Commissionsbericht, S. 88. Hiermit bezieht sich Sallentien auf die kontraktualistische Beweisführung gegen die Todesstrafe bei Beccaria, vgl. Vormbaum, Beccaria, S. 305 ff. Commissionsbericht, S. 89. Commissionsbericht, S. 89. Commissionsbericht, S. 90. Sallentien beruft sich hierfür auf die Bibelstelle „Wenn du aber das Böse übst, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; denn sie ist Gottes Dienerin,

Der Kommissionsbericht

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die Todesstrafe keine besondere präventive Wirkung entfalte, trat Sallentien mit historischen Erfahrungen einzelner Länder wie Russland, Österreich und der Toskana entgegen, welche die Abschaffung der Todesstrafe wieder rückgängig gemacht hatten. Abschließend sprach sich Sallentien ausdrücklich für die Beibehaltung der Todesstrafe im Herzogtum Braunschweig aus, da diese im Regierungsentwurf nur für Mord und Hochverrat angedroht war. Hier erfordere bereits die allgemeine sittliche Ordnung das höchste Strafmaß.31 Weiterhin führte er aus: „Wollte ein Verbrecher dieser Art sich darüber beklagen, daß ihm durch die an ihm zu vollziehende Strafe ein Unrecht geschehe, so würde, wie Kant sagt, das Kind auf der Gasse ihn mit Recht verspotten“.32 Als weitere Absicherungen vor Fehlurteilen sah Sallentien in diesem Zusammenhang noch das Begnadigungsrecht des Landesfürsten und das Verbot des Indizienbeweises bei der Todesstrafe.33 Auch sei die mit der Todesstrafe verbundene Abschreckung zwar kein Hauptprinzip mehr, sie bleibe „zur Erhaltung des Rechtsfriedens ein unentbehrliches Nebenprincip“.34 Durch die unbedingte Abschaffung der Todesstrafe aus „pilanthropischen Gründen“ zeige man sich überdies gegen Verbrecher human und sei daher gegen diejenigen, „deren sittliche Existenz durch jene gefährdet wird, inhuman geworden“.35 Sallentien beendete sein Gutachten – in seiner beruflichen Stellung als Abt des Klosters Mariental durchaus nachvollziehbar – mit der theologischen Überzeugung, dass man auch nach der Hinrichtung des Verbrechers „[...] von der Gnade des väterlich weisen höchsten Erziehers der Menschen vertrauensvoll erwarten (könne), daß sie Mittel finden werde, den auf Erden Ungebesserten in dem Zustande des vollkommenen Seins endlich noch seiner sittlichen Bestimmung entgegen zu führen.“36

31 32 33 34 35 36

eine Rächerin zur Strafe für den, der Böses tut“ (Römer 13.4), vgl. Commissionsbericht, S. 90. Commissionsbericht, S. 91. Commissionsbericht, S. 92. Commissionsbericht, S. 92. Commissionsbericht, S. 92. Commissionsbericht, S. 92. Commissionsbericht, S. 92.

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Fünftes Kapitel

b) Freiheitsstrafen Die Regelungen der Freiheitsstrafen (§ 8) des Regierungsentwurfs sollten auf Antrag der Kommission im Sinne einer besseren Übersichtlichkeit in 6 eigenständigen Paragraphen normiert werden.37 Zudem beantragte die Kommission eine Ergänzung der Vollzugsbestimmungen dahingehend, dass jugendliche Verbrecher von den älteren und verdorbenen Häftlingen getrennt werden sollten.38 Die Bestimmungen zur Dauer der einzelnen Freiheitsstrafen in § 9 des Entwurfs sollten der Klarstellung wegen mit dem Zusatz ergänzt werden: „die übrigen Freiheitsstrafen sind zeitlich“.39 Zur besseren Illustration der verschiedenen Haftzeiträume schlug die Kommission ferner eine tabellarische Darstellung derselben vor.40 Bei den Nebenfolgen (§ 12)41 kritisierte der Bericht die Reichweite des „bürgerlichen Todes“ für Ketten- und Zuchthaushäftlinge als zu weitgehend, da dieser auch den „Verlust der väterlichen Gewalt zu Folge hat“.42 Entsprechend sollte das Verbot einer Vormundschaft mit dem Zusatz „eine Vormundschaft oder Kuratel über andere, als die eigenen Kinder, zu führen“ ergänzt werden.43 Die Kommission wollte in diesem Kontext auch dem Täter die Möglichkeit der gesellschaftlichen Rehabilitation eröffnen, wie es andere Gesetzgebungen entsprechend vorsahen.44 Hierfür sollten die Gerichte in ausgewählten Fällen ermächtigt werden, die mit „gewissen Strafarten verbundenen nachtheiligen Folgen dem Verurtheilten entweder zu erlassen, oder doch solche auf eine gewisse Zeitdauer zu beschränken“.45 Legislativer Ansatzpunkt für den hierzu korrespondierenden Änderungsantrag war § 55 des Entwurfs, der die Wahl der Strafart ins richterliche Ermessen stellte. Dieser sollte entsprechend ergänzt werden.46

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Commissionsbericht, S. 6. Commissionsbericht, S. 6. Commissionsbericht, S. 8. Commissionsbericht, S. 9. § 12 Abs. 1 des Entwurfs von 1839: Die nothwendige gesetzliche Folge der Ketten- oder Zuchthausstrafe ist der Verlust aller Ehrenolitischen und Dienstrechte, so wie der Fähigkeit, diese Rechte zu erlangen; ferner der Verlust der Innungsrechte, Gewerbe-Concessionen und der Fähigkeit, eine Vormundschaft zu führen. Commissionsbericht, S. 9. Commissionsbericht, S. 9. Commissionsbericht, S. 9. Commissionsbericht, S. 10. Die vorgeschlagene Ergänzung lautete wie folgt: „Auch sind bei dem Vorhandensein dieser Umstände die Gerichte ermächtigt, dem Thäter, welchem weder Gewinnsucht, noch sonst eine schändliche Gesinnung beizumessen werden kann, die Fähigkeit, Ehren

Der Kommissionsbericht

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Bei den Regelungen des Entwurfs zur Geldstrafe (§ 13) bestand nach Ansicht der Kommission ebenfalls Änderungsbedarf. Bei der Möglichkeit, die Gefängnisstrafe teilweise mit einer Geldstrafe abzulösen, gab der Entwurf nur eine Betragsgrenze von 2000 Reichstalern vor. Dies hätte u.U. die Möglichkeit eröffnet, auch eine bis zu dreijährige Gefängnisstrafe mit Geldstrafe abzulösen, was – nach Rücksprache der Kommission mit der Staatskanzlei – nicht der bezweckten Zielsetzung des Regierungsentwurfs entsprach.47 Auf Antrag der Kommission durfte die Gefängnisstrafe daher nur noch „bis zu der Dauer von einem Jahre“ mit Geldstrafe abgelöst werden.48 Die Betragsbegrenzung von 2000 Reichstalern sollte folgerichtig gestrichen werden. Da diese zeitliche Begrenzung mit dem vom Entwurf festgelegten Höchstbetrag für einen Tag Gefängnis von 10 Reichstalern zu einer nicht mehr zweckmäßig hohen Maximalstrafe von 3650 Reichstalern führte, beantragte die Kommission gleichzeitig die Absenkung des Höchstbetrages auf 5 Reichstaler, um diese „Inconvenienz“ zu vermeiden.49 Bei dem Nebenstrafenübel der sog. Confiscation (§ 16) bestand nach Auffassung der Kommission bei der im Entwurf gewählten Formulierung des Tatbestands50 die Gefahr von Missverständnissen. So sollte durch den beantragten Zusatz „die zur Begehung eines vorsätzlichen Verbrechens [...]“ deutlich gemacht werden, dass Confiscation nur im Falle eines vorsätzlichen Deliktes erfolgt. Die Formulierung des Entwurfs „eines Verbrechens bestimmten Werkzeuges“ ließ nach ihrer Meinung Raum für Fehldeutungen.51 Darüber hinaus beantragte die Kommission, dass neben dem Werkzeug auch der Zusatz „oder Mittel“ aufgenommen werden sollte, da sich mögliche Tatmittel wie Gift oder Pulver nicht unter den Werkzeugbegriff subsumieren ließen.52 Das Staatsministerium hatte in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Revision des Tatbestands vorgenommen, mit welcher sich die Kommission ausdrücklich einverstanden erklärte. Diese Änderung bezweckte die Konfiskation nicht im Eigentum des Täters stehender Tatmittel, die er aber durch Beihilfe eines Dritten erlangt hatte.53 Konkret lautete

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51 52 53

und Dienstrechte künftig zu erlangen, so wie die Fähigkeit eine Vormundschaft oder Kuratel künftig zu führen, vorzubehalten“, vgl. Commissionsbericht, S. 11. Commissionsbericht, S. 12. Commissionsbericht, S. 13. Commissionsbericht, S. 13. § 16 des Entwurfs von 1839: Die zur Begehung eines Verbrechens bestimmten oder gebrauchten Werkzeuge, so wie die durch die verbrecherische Thätigkeit hervorgebrachten Sachen sind zu confisciren. Commissionsbericht, S. 14. Commissionsbericht, S. 14. Commissionsbericht, S. 14.

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Fünftes Kapitel

der Zusatz wie folgt: „insofern sie dem Verbrecher gehören, oder von dem Eigenthümer wissentlich zu dem verbrecherischen Zwecke hergeliehen sind“.54 Die vorgeschlagene Regelung des Entwurfs für das Zusammentreffen mehrerer Strafen (§ 20) kritisierte die Kommission ebenfalls in einigen Passagen als missverständlich bzw. zu weitgehend. Nach ihrer Auffassung konnte die Fassung des ersten Absatzes55 den missverständlichen Eindruck erwecken, dass ein zu lebenslänglicher Kettenhaft Verurteilter wegen früherer Verbrechen, die beim Urteilsspruch unerkannt blieben, später keine Strafverschärfung befürchten musste.56 Die Kommission beantragte daher den missverständliche Abschnitt wie folgt zu fassen: „[...] Ist indeß gegen einen zu lebenslänglicher Kettenstrafe bereits Verurtheilten wegen anderer Verbrechen Freiheitsstrafe von Neuem zu erkennen [...]“. Bei der Formulierung „in die erkannte schwerste Strafart“ des dritten Absatzes57 beantragte der Ausschuss ebenfalls eine Abänderung, da dieser Tatbestand richtigerweise voraussetzte, dass noch keine Strafe erkannt worden war. Dies gab der Wortlaut der vorgenannten Formulierung aber nicht her, so dass sie nunmehr „in die zu erkennende schwerste Strafart“ lauten sollte.58 Die Konsequenzen des vierten Absatzes59 führten nach der rechtlichen Überprüfung der Kommission zu nicht hinnehmbaren Härten im Vergleich zu den Regelungen des dritten Absatzes.60 Da in diesen Fällen – im Gegensatz zum dritten Absatz – keine Begrenzung der Haftdauer auf die längste außerordentliche Dauer vorgesehen war, bestand nach Ansicht der Kommission die Gefahr einer 54 55

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Commissionsbericht, S. 14. § 20 Abs. 2 des Entwurfs von 1839: Lebenslängliche Kettenstrafe schließt die anderen Strafarten aus, mit Ausnahme der Todesstrafe, Geldstrafe und Confiscation. Ist indeß gegen einen zu lebenslänglicher Kettenstrafe bereits Verurtheilten wegen anderer Verbrechen zeitliche Freiheitsstrafe zu erkennen, so ist die lebenslängliche Kettenstrafe dadurch zu verschärfen, daß, wenn von Neuem Kettenstrafe oder Zuchthaus verwirkt ist [...]. Commissionsbericht, S. 15. § 20 Abs. 3 des Entwurfs von 1839: Sind gegen dieselbe Person zugleich mehrere zeitliche Freiheitsstrafen zu erkennen, so sind, wenn alle derselben Strafart angehören, dieselben zusammen zu rechnen, und falls sie verschiedene Strafarten enthalten, in die erkannte schwerste Strafart zu verwandeln. In beiden Fällen kann jedoch die längste außerordentliche Dauer der anzuwendenen Strafart überschritten werden. Commissionsbericht, S. 15. § 20 Abs. 4 des Entwurfs von 1839: Ist neben bereits erkannten, noch nicht vollzogenen, zeitlichen Freiheitsstrafen von Neuem zeitliche Freiheitsstrafe zu erkennen, so sind gleichartige Strafen nach einander zu vollziehen, ungleichartige aber in die verwirkte schwerste Strafart durch das zuletzt erkennende Gericht erster Instanz zu verwandeln, und es kann in beiden Fällen die längste außerordentliche Dauer der anzuwendenden Strafart überschritten werden. Commissionsbericht, S. 16.

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ungebührlichen Haftdauerkumulation. Eine 25jährige Kettenstrafe konnte daher im Extremfall, wenn nach Urteilsverkündung ein vergleichbares Verbrechen ermittelt wurde auf insgesamt 50 Jahre Kettenhaft erhöht werden.61 Eine besondere Härte lag insbesondere darin, dass mitunter der Zufall entschied, ob das Verbrechen vor oder „nach Erlassung jenes Erkenntnisses zu Untersuchung gekommen (ist)“.62 Die Kommission hielt in dieser Sache Rücksprache mit dem Staatsministerium, welches die Gefahr der ungebührlichen Haftdauerkumulation im Hinblick auf die dann dem Gericht nach § 59 Nr. 963 obliegende Strafmilderungspflicht als nicht gegeben sah, gleichwohl aber die Problematik der Zufälligkeit, „ob der Richter zur Zeit des ersten Erkenntnisses Wissenschaft von den sonst begangenen Verbrechen hatte [...]“ anerkannte.64 Entsprechend schlug das Staatsministerium vor, nach dem Wort „verwandeln“ den vierten Absatz mit folgendem Zusatz zu ergänzen: „Es kann in beiden Fällen die längste außerordentliche Dauer der anzuwendenden Strafart nur überschritten werden, wenn das jetzt zu bestrafende Verbrechen begangen ist, nachdem die unvollzogene Strafe vollstreckbar geworden ist.“

Die Kommission erklärte sich mit dieser Änderung einverstanden.65

3. Schuldformen und Zurechnung Zu der Legaldefinition des Entwurfs zur Fahrlässigkeit (§ 24)66 bemerkte die Kommission, dass der Tatbestand eine Klarstellung benötige, aus der hervorgehe, dass Fahrlässigkeit nur in besonders bestimmten Fällen bestraft werde.67

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Commissionsbericht, S. 16. Commissionsbericht, S. 16. § 59 Nr. 9 des Entwurfs von 1839: Die Strafe wird gemildert, wenn bei dem Zusammentreffen mehrerer, nicht durch dieselbe Handlung begangener Uebertretungen, durch Zusammenrechnung der vollen verwirkten Strafen ein verhältnismäßig zu hartes Strafübel entstehen würde. Commissionsbericht, S. 16. Commissionsbericht, S. 17. § 24 des Entwurfs von 1839: Wer ohne Absicht, jedoch aus Mangel an Aufmerksamkeit oder Ueberlegung das Strafgesetz übertritt, ist wegen Verbrechens aus Fahrlässigkeit zu strafen. Commissionsbericht, S. 18.

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Daher sollte ein Zusatz auch den Hinweis auf die beschränkende Bestimmung des § 2168 enthalten.69 Die in § 2570 getroffenen Regelungen des Entwurfs zur Zurechnung der Tat konnte die Kommission ebenfalls nicht überzeugen. Zunächst stellte der Ausschuss fest, dass aus psychologischer Sicht die „Vernunft eigentlich bei Niemanden fehlen, sondern ihr Gebrauch nur gehindert sein soll [...]“.71 Entsprechend sollten die Worte „der Vernunft völlig beraubt sind“ mit „des Vernunftgebrauches völlig beraubt sind“ ersetzt werden.72 Den letzten Abschnitt des ersten Absatzes, der sich mit der Fallgestaltung der sog. actio libera in causa auseinandersetzte, betrachte die Kommission als überflüssig und beantragte die Streichung dieser Passage.73 Nach ihrer Auffassung war es unzweifelhaft, dass derjenige der sich mit der Absicht, ein Verbrechen zu begehen, in den Zustand der Bewusstlosigkeit versetzte, mit der entsprechenden Vorsatztat bestraft werden sollte.74 Diese Fallgestaltung erachtete die Kommission aber als sehr selten. Als häufigen Anwendungsfall identifizierte sie vielmehr die vorsätzliche oder fahrlässige Versetzung in den Zustand der Bewusstlosigkeit, ohne vorherige Absicht, dann ein Verbrechen zu begehen. Diese Fälle könnten – im Fall einer späteren Tatbegehung im bewusstlosen Zustand – nur als Fahrlässigkeitsstraftaten beurteilt werden.75 Eine spezielle Regelung sei demnach nicht erforderlich. Der § 26 des Entwurfs, der unter dem Titel Wahn, Rechtsunwissenheit und Irrthum in Tatsachen einzelne Zurechnungstatbestände nebst der Irrtumslehre

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§ 21 des Entwurfs von 1839: Nur wer aus bösem Vorsatze oder, in besonders bestimmten Fällen aus Fahrlässigkeit das Strafgesetz übertritt, ist strafbar. Der Annex des § 24 sollte daher wie folgt lauten: „jedoch nur in den besonders bestimmten Fällen (vergleiche § 21).“ vgl, Commissionsbericht, S. 18. § 25 Abs. 1 des Entwurfs von 1839: Kinder unter vierzehn Jahren, Personen, welche der Vernunft völlig beraubt sind, ohne genugsame Ausbildung gebliebene Taubstumme, so wie diejenigen, welche zur Zeit der Begehung der That völlig bewusstlos waren, können wegen gesetzwidriger Handlungen nicht bestraft werden, es sei denn, daß der Bewußtslose sich absichtlich in diesen Zustand gesetzt hätte, um das Vebrechen zu begehen, in welchem Falle ihm dasselbe als vorsätzlich zuzurechnen ist. Commissionsbericht, S. 18. Commissionsbericht, S. 18. Commissionsbericht, S. 19. Commissionsbericht, S. 19. Commissionsbericht, S. 19.

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beinhaltete, sollte nach dem Willen der Kommission wegen der besseren Übersichtlichkeit in zwei separate Tatbestände aufgeteilt werden.76 Die Irrtumslehre des Entwurfs77 sollte nun den Titel „Irrthum in Thatsachen“ tragen.78

4. Versuch Zur besseren Veranschaulichung der „verschiedenen Grade der verbrecherischen Thätigkeit (§§ 29–34)“ und der „verschiedenen Arten der Mitschuldigen (§§ 35–46)“ stellte die Kommission im Bericht der Ständeversammlung verschiedene Tabellen mit den Rechtsfolgen zur Verfügung.79 Die Formulierung der Legaldefinition für die Tatvollendung (§ 29)80 stand aus ihrer Sicht im Widerspruch zum § 35 des Entwurfs, der besagte, dass nicht nur der Urheber, sondern auch der Anstifter gleich einem Täter bestraft werde. Zur Lösung dieser Problematik schlug sie folgende allgemeinere Definition der Tatvollendung vor: „Die auf das Verbrechen gesetzte Strafe kommt nur dann zur Anwendung, wenn das Verbrechen vollbracht, und falls ein bestimmter Erfolg zu den gesetzlichen Erfordernissen desselben gehört, dieser bewirkt ist.“81

Die Legaldefinition der Tatvollendung in anderen Gesetzbüchern, „die volle gesetzliche Strafe findet nur dann Anwendung, wenn dasselbe vollbracht und der Erfolg eingetreten ist“, wurde innerhalb der Kommission diskutiert, aber deren Übernahme letztendlich abgelehnt.82 Nach Meinung der Kommission beein-

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Commissionsbericht, S. 20. § 26 Abs. 2 und 3 des Entwurfs von 1839: Wer eine an sich nicht gesetzwidrige Handlung zu begehen glaubt, welche wegen Thatsächlicher ihm ohne sein Verschulden unbekannt gebliebener Umstände dennoch strafbar ist, bleibt straflos (Abs. 2). Wird die Strafbarkeit eines Verbrechens durch Umstände vermehrt, welche dem Thäter unbekannt sind, so ist er nur nach den ihm bekannten Verhältnissen zu strafen (Abs. 3). Inhaltlich kritisierte die Kommission den dritten Absatz des § 26. Auch bei der hier thematisierten „partiellen Unkenntnis“ sollte – wie im zweiten Absatz – ebenfalls die Frage des Verschuldens des Täters ausschlaggebend sein. Entsprechend beantragte die Kommission die Aufnahme des Zusatzes: „welche dem Thäter ohne sein Verschulden unbekannt geblieben sind“, vgl. Commissionsbericht, S. 20. Commissionsbericht, S. 21. § 29 des Entwurfs von 1839: Die auf das Verbrechen gesetzte Strafe kann nur den treffen, der das Verbrechen vollbracht und, falls ein bestimmter Erfolg zu den gesetzlichen Erfordernissen desselben gehört, diesen bewirkt hat. Commissionsbericht, S. 21. Commissionsbericht, S. 21.

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Fünftes Kapitel

flusste insbesondere der Wortlaut „volle Strafe“ den Richter, auch bei einer relativen Strafandrohung auf die Maximalstrafe zu erkennen.83 Auch die Wortwahl „der Erfolg eingetreten“ stehe in Widerspruch zu den Regelungen für die Tötung durch Mehrere (§ 145) und zum § 23 Abs. 2.84 Auf der Rechtsfolgenseite des Versuchs (§ 30)85, sahen sowohl das Staatsministerium als auch die Kommission Verbesserungsbedarf.86 Die Regelung des Entwurfs führte beim Versuch eines mit lebenslänglicher Kettenhaft bedrohten Verbrechens zur der Folge, dass für den beendeten Versuch ein Strafrahmen von 10 bis zu 25 Jahren Kettenhaft im Raum stand. Für den Fall dass sich die Versuchshandlung nur im nicht beendeten Stadium befunden hatte, war dagegen nur eine Strafe von 2 bis zu 10 Jahren Zuchthaus vorgesehen. Diese Diskrepanz zwischen den beiden Versuchsstadien war dem Staatsministerium zu weitgehend.87 Auf der Rechtsfolgenseite des nicht beendigten Versuchs erblickte das Staatsministerium ebenfalls Revisionsbedarf. So führten die Bestimmungen des Entwurfs bei Verbrechen, die mit Gefängnis bedroht waren, zur Konsequenz, dass 83 84

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Commissionsbericht, S. 21. § 23 Abs. 2 des Entwurfs von 1839: Dagegen ist der eingetretene nicht mit beabsichtigte, so wie der durch eine nicht mit beabsichtigte Wirkung zufällig hervorgebrachte Erfolg nicht zum Vorsatze, sondern zur Fahrlässigkeit zuzurechnen. § 30 Abs. 1 des Entwurf von 1839: Wer die Vollführung eines vorsätzlichen Verbrechens anfängt, solche aber nicht vollendet, oder falls ein bestimmter Erfolg zu den gesetzlichen Erfordernissen gehört, diesen nicht bewirkt, soll, vorbehältlich der im zweiten Buche gegebenen Bestimmungen mit einer gelindern als der auf das Verbrechen selbst gesetzten Strafe belegt werden. Diese soll, wenn Alles geschehen ist, was zur Vollführung des Verbrechens von Seiten des Thäters geschehen mußte, wegen eines solchen beendigten Versuches nicht unter die dem vollendeten Verbrechen angedrohte Strafart und, falls diese von ihrer geringsten Dauer an, angedrohet ist, nicht unter die Gränzen ihrer geringsten außerordentlichen Dauer herabsinken. Statt Todes- oder lebenslänglicher Kettenstrafe soll zeitliche Kettenstrafe nicht unter zehn Jahren bis zu deren längsten außerordentlichen Dauer eintreten (Abs. 1). Wegen eines nicht beendigten Versuchs ist auf die gelindere Strafart, welche der auf das Verbrechen gesetzen zunächst folgt, zu erkennen. Statt Todesstrafe tritt zeitliche Kettenstrafe ein und bei mit Gefängnis bedroheten Verbrechen, dieses von seiner geringsten außerordentlichen Dauer an, oder verhältnismäßige Geldstrafe. (Abs. 2). Commissionsbericht, S. 22. Es schlug daher vor den letzten Satz des ersten Absatzes des § 30 wie folgt zu ändern: „Statt Todesstrafe soll zeitliche Kettenstrafe nicht unter zehn Jahren bis zu deren längsten außerordentlichen Dauer eintreten.“ Durch die Streichung der „lebenslangen Kettenstrafe“ lag die Strafdrohung des beendigten Versuchs bei der vorgenannten Fallkonstellation nur noch bei 5 bis 15 Jahren Kettenhaft, womit nach Auffassung des Staatsministeriums eine Kohärenz zur Rechtsfolge des nichtbeendigten Versuchs wiederhergestellt war. Die Kommission erklärte sich mit diesem Vorgehen einverstanden, vgl. Commissionsbericht, S. 22.

Der Kommissionsbericht

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mit der Eröffnung des außerordentlichen Strafrahmens eine Maximalstrafe von 5 Jahren Gefängnis im Raum stand, dies aber im Widerspruch zum nicht beendigten Versuch von mit Zwangsarbeit bedrohten Verbrechen stand, für die ordentliche Strafrahmen bei der Gefängnisstrafe Anwendung fand, mithin die Maximalstrafe bei 3 Jahren lag.88 Eine weitere Folge dieser Regelung wäre gewesen, dass diese eher unbedeutenden Fälle den unteren Kreisgerichten entzogen worden wären, da „das angedrohte Strafmaximum die Competenz der Gerichte bestimmt [...]“.89 Um dieser zweckwidrigen Regelung zu begegnen, machte das Staatsministerium in Abstimmung mit der Kommission den Vorschlag, in diesem Fall eine Maximalstrafe von einem Drittel der angedrohten Gefängnisstrafe einzuführen. Die Höchstdauer lag demnach bei 1 Jahr Gefängnis, womit auch stets die Kompetenz der Kreisgerichte begründet war.90 Folglich sollte der letzte Satz des zweiten Absatzes nunmehr wie folgt lauten: „Statt Todesstrafe tritt zeitliche Kettenstrafe ein, und bei mit Gefängnis bedrohten Verbrechen diese Strafart von der geringsten außerordentlichen Dauer an, bis zu einem Drittel der festgesetzten Strafe, und falls Gefängnis von der geringsten außerordentlichen Dauer angedrohet ist, tritt dasselbe von der geringsten außerordentlichen Dauer an oder verhältnismäßige Geldstrafe.“91

Die Kommission begrüßte diesen Änderungsvorschlag, mahnte aber gleichzeitig an, dass dieser einen Harmonisierungsbedarf mit weiteren Vorschriften auslöse.92 Auf großen Widerstand der Kommission stießen die in § 3193 gefassten besonderen Bestimmungen zum Versuch bei Mitschuldigen. Nach ihrer Auffassung stellte der Tatbestand letztlich Vorbereitungshandlungen unter Strafe, wobei diese mit den Strafandrohungen für ungleiche Teilnehmer (§§ 38 und 39) bzw.

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Commissionsbericht, S. 23. Commissionsbericht, S. 23. Commissionsbericht, S. 23. Commissionsbericht, S. 23. Hierbei handelte es sich um die §§ 42 Nr. 1 (Rücktritt des Anstifters), 45 (Strafbare Begünstigung) und 46 (Strafbare Mitwissenschaft). Hier sollten die Regelungen der Gefängnisstrafe entsprechend der vorgenannten Lösung angepasst werden, vgl. Commissionsbericht, S. 24. § 31 des Entwurfs von 1839: Die Anstiftung, die ausdrückliche oder stillschweigende Uebereinkunft, so wie die ernstliche Aufforderung zur Verübung eines Verbrechens soll, auch wenn nichts zu dessen wirklicher Ausführung unternommen ist, vorbehältlich der bei einzelnen Verbrechen gegebenen besondern Bestimmungen, als nicht beendigter Versuch angesehen und mit den auf diesen gesetzten Strafen, jedoch von deren geringsten außerordentlichen Dauer an, belegt werden.

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Fünftes Kapitel

mit spezialgesetzlich sanktionierten Aufforderungen zu einzelnen Verbrechen94 kollidierten bzw. „nicht im richtigen Verhältnisse ständen“.95 Die deswegen mit dem Staatsministerium geführten Erörterungen hatten eine vollständige Neufassung96 zur Folge. Als Gründe für die Neukonzeption nannte der Bericht im Wesentlichen das Bedürfnis einer gesonderten (höheren) Strafbarkeit für den Anstifter gegenüber den anderen Beteiligungsformen. Die ursprüngliche Entwurfsfassung hatte auf eine solche Differenzierung verzichtet.97 Nach der neuen Fassung traf den Anstifter die ursprünglich für alle Beteiligungsformen vorgesehene Rechtsfolge einer Strafbarkeit nach den Regeln des nicht beendigten Versuchs, mit der geringsten außerordentlichen Dauer. Diese Sonderstellung des Anstifters rechtfertigte sich über den erhöhten Handlungsunwert und den Umstand, dass diese Fallgestaltung von anderen Gesetzgebungen ähnlich entschieden wurde.98 Für die Anstiftung und die anderen in der Neufassung nunmehr explizit aufgeführten Beteiligungsformen war eine Strafabstufung gegenüber dem Strafsystem des nicht beendigten Versuches vorgesehen.99 Die „ernstliche Aufforderung zur Verübung eines Verbrechens“ fand sich in der Neufassung als Beteiligungsform nicht wieder. Diese Formulierung war nach Auffassung der Kommission letztendlich in Abgrenzung zu den (klassischen) Beteiligungsformen zu unscharf, einhergehend mit Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung. Entsprechend lautete die Schlussfolgerung im Bericht hierzu:

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Der Kommissionsbericht führte hier beispielsweise die §§ 76 (Vorbereitung des Hochverraths), 82 (Verbreitung falscher Nachrichten und Aufreizung), 93 (Aufforderung zum Aufruhr), 101 (Verabredung, Verleitung und Aufforderung zu Widergesetzlichkeit) sowie den 118 (Bösliche Einstellung der Arbeit) an. Commissionsbericht, S. 25. Anstiftung (§. 35.), ausdrückliche oder stillschweigende Uebereinkunft (§. 37.), und Beihilfe (§. 40.) zur Verübung eines bestimmten Verbrechens soll, auch wenn der Anfang zu dessen Ausführung noch nicht gemacht ist, vorbehältlich der bei einzelnen Verbrechen gegebenen besonderen Bestimmung, folgendergestalt bestraft werden: 1) den Anstifter trifft die Strafe des nicht beendigten Versuchs, jedoch von deren geringsten außerordentlichen Dauer an; 2) diejenigen, welche die Begehung einer verbrecherischen Handlung zuzusagen sich haben bestimmt lassen, die vertragsmäßigen Theilnehmer und die Gehülfen sind mit der gelinderen Strafart, welche der auf den nicht beendigten Versuch gesetzen zunächst folgt, zu belegen, sodaß statt Gefägnisses von der geringsten außerordentlichen Dauer an, Verweis eintreten kann. Commissionsbericht, S. 26. Commissionsbericht, S. 25. Commissionsbericht, S. 26.

Der Kommissionsbericht

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„Diesem nach ist es für rathsam erachtet, daß im § 31 und überhaupt in dem allgemeinen Theile die Aufforderung nicht ausdrücklich namhaft gemacht werde, so daß es nunmehr in jedem einzelnen Falle zu der richterlichen Beurtheilung verstellt bleibt, ob in der ernstlichen Aufforderung eine strafbare Anstiftung oder Beihülfe beziehungsweise der Versuch dazu enthalten und mit welcher Strafe dieselbe, vorbehältlich der einzelnen Verbrechen gegebenen Bestimmungen zu belegen sei.“100

Lediglich kleinere Änderungen schlug die Kommission für den § 34 (Vorbereitungen)101 vor.102

5. Täterschaft und Teilnahme Auch die Bestimmungen des Entwurfs zur Täterschaft und Teilnahme hielten einer rechtlichen Überprüfung durch die Kommission nicht stand. Korrekturbedarf sah sie bereits bei der Ausgangsbestimmung des § 35 (Urheber und Anstifter).103 Der abschließende Charakter der im ersten Absatz der Norm

100 Commissionsbericht, S. 27. 101 § 34 des Entwurfs von 1839: Vorbereitungen zu der noch nicht angefangenen Ausführung eines Verbrechens sind straffrei, insofern sie nicht schon an sich eine Gesetzesübertretung enthalten (Abs. 1). Es soll indeß wegen solcher Vorbereitungen die Stellung unter polizeiliche Aufssicht erkannt werden, wenn sie sich auf Verbrechen beziehen, die mit Zuchthaus oder einer schwereren Strafe bedrohet sind (Abs. 2). 102 Zum ersten Absatz bemerkte der Bericht, dass Vorbereitungen zu einem Verbrechen nicht nur zu bestrafen seien, wenn sie eine Gesetzesübertretung enthalten, sondern nur in einzelnen „besonders ausgehobenen Fällen.“ Die Kommission beantragte daher die Aufnahme der folgenden Änderung: „Vorbereitungen [...] sind vorbehältlich der besonders gegebenen Bestimmungen oder insofern sie nicht schon an sich eine Gesetzesübertretung enthalten, straffrei.“ Im zweiten Absatz hielt sie es ferner für geboten, dass die Frage der Stellung unter polizeiliche Aufsicht ins richterliche Ermessen gestellt werde. Entsprechend beantragte sie den Ersatz des Wortes „soll“ mit „kann“. Zusätzlich bemerkte sie, dass die Stellung unter polizeilicher Aufsicht im Falle der thätigen Reue (§ 62) „ganz hinwegfalle“. Zudem sei eine Beteiligung an Vorbereitungshandlungen denkbar, wenn diese nach dieser Norm strafbar wären, vgl. Commissionsbericht, S. 27 ff. 103 § 35 des Entwurfs von 1839: Nicht nur, wer selbst das Verbrechen verübt (der Urheber) leidet die gesetzliche Strafe, sondern auch, wer durch Gewalt, Drohung, Befehl, Auftrag, Versprechen oder Geben eines Lohnes, Ueberredung, absichtliche Erregung oder Benutzung eines Irrthums oder einer Gemüthsbewegung einen Anderen zur Begehung einer verbrecherischen Handlung bestimmt (der Anstifter), wird eben so bestraft, als ob er selbst die That begangen hätte (Abs. 1). Dem Anstifter ist jedes als Mittel zur Ausführung nothwendige, nicht ausdrücklich ausgenommene, so wie jedes Verbrechen, welches als unvermeidliche Folge der That entstanden ist zuzurechnen, vorausgesetzt, daß er die Nothwendigkeit jenes Mittels und die Unvermeidlichkeit dieser Folge kannte (Abs. 2).

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Fünftes Kapitel

aufgeführten Bestimmungshandlungen wurde als störend empfunden. Hierin sah die Kommission eine unzulässige Beschränkung des Anstiftungsbegriffs, da letztlich jeder Anstifter ist, „welcher in dem Thäter durch absichtliche Einwirkung den bestimmten Entschluß zur Verübung des Verbrechens hervorgebracht hat, ohne daß es auf die Art und Weise, wie solche Einwirkung geschehen, besonders ankommt“.104 Folglich beantragte sie die Aufnahme des Zusatzes „oder auf andere Weise“ in den Tatbestand.105 Beim zweiten Absatz der Norm war es nach Ansicht der Kommission notwendig, deutlich zu machen, dass dem Anstifter zurechenbare Mittel und Verbrechen des Täters als vorsätzliche Tat zuzurechnen sein sollten.106 Zudem fehle in der Bestimmung auch die Antwort auf die Frage, inwieweit beim Anstifter eine Zurechnung zur Fahrlässigkeit anzunehmen sei.107 Das zu dieser Problematik von der Kommission herangezogene Staatsministerium teilte mit, dass es sich bei der Regelung des zweiten Absatzes lediglich um „die Anwendung der allgemeinen Grundsätze über Vorsatz und Fahrlässigkeit auf das Verhältnis des Anstifters“ handle.108 Um mögliche Missverständnisse zu vermeiden, schlug das Staatsministerium die Streichung des zweiten Absatzes vor, da dieser letztlich nur eine Weisung für den Richter darstellte.109 Die Kommission machte ferner deutlich, dass der Grundsatz, wonach die aus der Person des Täters hervorgehenden Qualifikationen der Tat, sowie mögliche in seiner Person liegende Straferhöhungs- bzw. abstufungsgründe auf den Anstifter nicht zurückwirken, sondern sich dessen Strafbarkeit nach dem in seiner Person liegenden Gründen richtet, ein allgemeines Prinzip darstelle, welches auch für alle Arten der Teilnahme gelten müsse.110 Das Staatsministerium teilte in dieser Sache die Rechtsansicht der Kommission und entwarf mit dem § 47a111 unter dem Titel „Verhältnis der Strafbarkeit bei Mitschuldigen“ eine dahingehende Regelung für alle Beteiligungsformen.

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Commissionsbericht, S. 28. Commissionsbericht, S. 28. Commissionsbericht, S. 29. Commissionsbericht, S. 29. Commissionsbericht, S. 29. Die Kommission erklärte sich mit diesem Vorschlag einverstanden und wies darauf hin, dass entsprechend auch die Verweisung auf den § 35 Abs. 2 im § 43 (Überschreiten der Absicht und Übereinkunft) zu streichen sei, vgl. Commissionsbericht, S. 29. 110 Commissionsbericht, S. 28. 111 § 47a: Die aus den persönlichen Verhältnissen eines Mitschuldigen sich ergebenden besonderen Eigeschaften der That, so wie die in dessen Person liegenden besonderen Straf-

Der Kommissionsbericht

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Den Wortlaut des § 37 Nr. 1 S.1112, der die Frage der Bestrafung vertragsmäßiger Teilnehmer regelte, erachtete die Kommission ebenfalls als problematisch, da durch die semantische Gegenüberstellung zweier Teilnahmehandlungen die Gefahr beststehe, dass „ein falscher Gegensatz gebildet werden kann [...]“.113 Der betreffende Satz sollte daher wie folgt lauten: „Jeder, der bei Ausführung der verbrecherischen Handlung, sowie jeder, der vor und nach deren Ausführung mitwirkt, ist als Urheber zu bestrafen [...]“.114 Auf der Rechtsfolgenseite des § 39 Nr. 3, der die Strafbarkeit des ungleichen Teilnehmers zweiten Grades regelte, bemerkte die Kommission, dass es sinnvoll wäre, deutlich zu machen, dass als gelindere Strafart für die Gefängnisstrafe der Verweis heranzuziehen sei.115 Das Staatsministerium erklärte sich „mit der Sache selbst einverstanden“, erachtete aber einen Rechtfolgenverweis auf den neu gefassten § 31 für die statthaftere Lösung.116 Gegen diesen Lösungsweg erhob die Kommission keine Einwände.117 Die Regelungen des Entwurfs zur Beihilfe (§ 40) blieben von Änderungswünschen der Kommission verschont. Ergänzend zu den Motiven des Regierungsentwurfs stellte sie nochmals fest, dass sowohl die Beihilfe zu einem versuchten Verbrechen (§ 31), der Versuch der Beihilfe (§ 30), als auch unter besonderen Voraussetzungen die Beihilfe bei Vorbereitungshandlungen strafbar sei.118 Ferner zählte der Bericht die im Besonderen Teil geregelten spezialgesetzlichen Formen der Beihilfe auf.119

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Erhöhungs, -Herabsetzung, oder Zumessungsgründe, wirken auf die übrigen Mitschuldigen nicht zurück, sondern deren Strafbarkeit ist lediglich nach den in ihnen selbst liegenden Gründen dieser Art zu beurtheilen. § 37 Nr. 1 S.1 des Entwurfs von 1839: Jeder, der bei oder vor und nach Ausführung der verbrecherischen Handlung mitwirkt, ist als deren Urheber zu bestrafen, ohne Rücksicht auf seine eigene Thätigkeit. Commissionsbericht, S. 30. Commissionsbericht, S. 30. Commissionsbericht, S. 30. Commissionsbericht, S. 30. Commissionsbericht, S. 30. Commissionsbericht, S. 30. Hierzu zählte der Bericht die Beihilfe beim Duell (§ 122), Beihilfe beim Selbstmord (§§ 140, 150), Abtreibung der Leibesfrucht (§ 147) und bei Amtsverbrechen (§ 231).

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Fünftes Kapitel

Bei dem ersten Absatz der strafbaren Begünstigung (§ 45)120 entdeckte die Kommission ebenfalls eine Lücke im Tatbestand.121 Eine Neufassung122 erachtete die Kommission beim Tatbestand der strafbaren Mitwissenschaft (§ 46)123 als notwendig, weil die Entwurfsregelung bereits zu Beginn den Fehlschluss zulasse, dass für eine Strafbarkeit auch die spätere Kenntnis von der tatsächlichen Tatausführung notwendig gewesen wäre. Ferner sollte die Entführung aus der Liste der tatbestandlichen Verbrechen gestrichen werden und die Nichtanzeige bereits vollbrachter Verbrechen mit einem eigenen Satz semantisch hervorgehoben werden.124 Für missverständlich hielt die Kommission auch die Bestimmung des Entwurfs zum Angehörigenprivileg bei Begünstigung und Mitwissenschaft (§ 47).125 Entscheidend für den Verlust dieses Privilegs sollte alleine die wirtschaftliche Teilhabe an dem rechtswidrig erlangten Vermögen sein. Daher sollte nachfolgende Änderung in den Tatbestand aufgenommen werden: „[...] es wäre denn, daß sie an dem verbrecherischen Gewinne selbstständig handelnd Theil genommen hätten, oder von Amtswegen zu einer Anzeige verpflichtet wären“.126

120 § 45 Abs. 1 des Entwurfs von 1839: Wer ohne vorhergehende ausdrückliche oder stillschweigende Uebereinkunft dem Verbrecher erst nach begangener That in Beziehung auf dieselbe wissentlich Vorschub leistet, namentlich denselben wissentlich aufnimmt, verbirgt, zur Flucht oder zur Unterdrückung der Spuren oder Beweismittel des Verbrechens behülflich ist, oder die Gegenstände des Verbrechens wissentlich annimmt, verheimlicht, an sich bringt oder an Andere absetzt, soll [...]. 121 Nicht nur das Absetzen von Gegenständen erfülle die Tatbestandsvoraussetzung, sondern auch, wenn der Täter „Andern bei der Absetzung der Gegenstände eines Verbrechens hülfreich an die Hand geht [...]“ Der Tatbestand sollte daher um den Zusatz „an Andere absetzt oder absetzen hilft“ ergänzt werden, vgl. Commissionsbericht, S. 31. 122 Wer glaubwürdige Kenntniß von der bevorstehenden Ausführung folgender Verbrechen hat [...]. Wer weiß, dass ein Unschuldiger wegen irgend eines Verbrechens zur Untersuchung gezogen ist, den Thäter kennt und nicht anzeigt, soll nach gleichen Grundsätzen bestraft werden. 123 § 46 des Entwurfs von 1839: Wer glaubwürdige Kenntniß von der bevorstehenden und hernach wirklich unternommenen oder erfolgten Ausführung folgender Verbrechen hat [...]. 124 Commissionsbericht, S. 33. 125 § 47 des Entwurfs von 1839: Die Bestimmungen der §§ 45. und 46. leiden keine Anwendung auf die Angehörigen (§ 66) des Verbrechers, es wäre denn, daß sie entweder in selbstständigen Verhältnissen lebten und an dem verbrecherischen Gewinne Theil genommen hätten, der von Amtswegen zu einer Anzeige verpflichtet wären. 126 Commissionsbericht, S. 33.

Der Kommissionsbericht

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Gemeinsam mit dem Staatsministerium hinterfragte die Kommission zudem die systematische Anordnung der einzelnen Normen in diesem Kapitel. Hier entschied man sich schließlich für eine Neuordnung der Bestimmungen ausgehend vom Tatbestand der Beihilfe (§ 40).127 Durch die neue Systematik bildeten die gemeinsamen Vorschriften den Abschluss dieses Abschnitts, was auch der Konzeption der nachfolgenden Kapitel entsprach.128

6. Strafrahmen und Strafzumessung Auch die Konkurrenzlehre des Entwurfs, die Regelungsgegenstand des § 48129 war, erforderte nach Auffassung der Kommission eine Nachbesserung. So befand sie, dass aus dem Wortlaut des ersten Absatzes nicht deutlich genug hervorgehe, dass im Falle der Idealkonkurrenz das Strafmaß zu erhöhen sei.130 Ferner müsse klargestellt werden, dass auf die längste außerordentliche Dauer erkannt werden könne, wenn nur eine – und nicht unbedingt die schwerste – der weiteren Verbrechen mit der längsten ordentlichen Dauer als Rechtsfolge behaftet sei.131 Nach Vorstellung der Kommission sollte der erste Absatz daher folgenden Wortlaut aufweisen:

127 Die neue Systematik sollte folgenden Aufbau haben (neue §§ Nr. steht in der Klammer): Beihülfe, § 40. Strafbare Begünstigung (§ 41) 45. Strafbare Mitwisschenschaft (§ 42) 46. Straflose Begünstigung und Mitwissenschaft (§ 43) 47. Gemeinschaftliche Bestimmungen (§ 44–47a) 41–44. 128 Commissionsbericht, S. 31. 129 § 48 des Entwurfs von 1839: Sind durch dieselbe Handlung mehrere Uebertretungen begangen, so ist die auf die begangene schwerste Uebertretung gesetzte Strafart anzuwenden, und diese kann bis zu ihrer längsten außerordentlichen Dauer steigen, wenn eine der zu bestrafenden Uebertretungen mit deren längsten ordentlichen Dauer bedrohet ist. (Abs. 1). Sind durch verschiedene Handlungen, welche nicht alleine die Fortsetzung desselben Verbrechens sind, mehrere Uebertretungen begangen und zugleich zu betrafen, so trifft den Thäter die durch jeder derselben verschuldete Strafe, bei deren Bestimmung nach der § 20 gegebenen Vorschrift zu verfahren ist. (Abs. 2). Finden sich unter den neben einander zu bestrafenden Verbrechen indessen mehrere gegen fremdes Eigenthum gerichtete und gleichartige, deren Strafe allein nach dem Werthe des Gegenstandes bestimmt wird, so ist der Betrag dieser Verbrechen zusammenzurechnen und danach die Strafe zu erkennen. Nach gleichen Grundsätzen sind auch mehrere zusammentreffende Versuche dieser Verbrechen zu beurtheilen, sie gelten aber nicht für zusammentreffende vollführte und versuchte Verbrechen. (Abs. 3.). 130 Commissionsbericht, S. 34. 131 Commissionsbericht, S. 34.

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Fünftes Kapitel Sind [...] Strafarten in verhältnißmäßig höherem Maße anzuwenden, und dieses Strafmaß kann bis zur längsten außerordentlichen Dauer der anzuwendenden Strafart steigen, wenn eine der zu bestrafenden Uebertretungen bis zu der längsten ordentlichen Dauer ihrer Strafart bedrohet ist.“132

Als ebenfalls problematisch erachtete die Kommission ferner die Ausgestaltung der Sonderregelung für Diebstahlsdelikte im dritten Absatz. Die Bestimmung der Strafe alleine nach dem Wert des gestohlenen Gegenstandes führe letztlich zu der unbefriedigenden Folge, dass der Täter, der sowohl gemeine als auch qualifizierte Diebstähle begeht, unter Umständen mit einer geringeren Strafart sanktioniert werden müsse, als der Täter, der ausschließlich mehrere Diebstähle begeht.133 Das Staatsministerium, welches von ihr auf diese Gerechtigkeitslücke hingewiesen wurde und sich in der Sache auch der vorgenannten Kritik anschloss, entwarf eine Neugestaltung des dritten Absatzes.134 Bei den Regelungen über den Rückfall in § 51 störte sich die Kommission an der unklaren Formulierung des zweiten Absatzes dieser Norm.135 Der Ausschuss kritisierte, dass die Beihilfe zwar nicht genannt sei, sie aber eine Form der Mitwirkung darstelle und sie in ihrer Strafbarkeit der ungleichen Teilnahme gleichgestellt sei. Entsprechend müsse im Tatbestand deutlich gemacht werden, ob Beihilfe und auch die anderen Teilnahmeformen Begünstigung und Mitwisserschaft die Rückfallstrafen auslösten oder nicht.136 Das Staatsministerium verneinte eine Gleichstellung dieser subsidiären Teilnahmeformen mit den im Entwurf genannten und erklärte sich bereit, dies auch deutlich zu machen. Gleichwohl stellte es fest, dass auch diese Beteiligungsformen eine Rückfallstrafe begründen, wenn der Täter wegen derselben bereits eine Strafe verwirkt

132 Commissionsbericht, S. 35. 133 Commissionsbericht, S. 35. 134 „Finden sich unter den einander zu bestrafenden Verbrechen indessen mehrere gegen fremdes Eigenthum gerichtete und gleichartige, deren Strafe nach dem Werthe des Gegenstandes bestimmt wird, so ist auf die schwerste Strafe zu erkennen, welche sich ergiebt, jenachdem man die so eben (d.h. im Absatz 2) gegebene Bestimmung zur Anwendung bringt, oder jenachdem man den Betrag sämmtlicher Verbrechen zusammenrechnet, die allein nach diesem Betrage sich ergebene Strafe anwendet, und die etwa vorhandenen Auszeichnungen nur als Strafzumessungs- Gründe berücksichtigt. [...]“, vgl. Commissionsbericht, S. 35. 135 § 51 Abs. 2 des Entwurfs von 1839: Anstiftung, Theilnahme und Versuch, begründen die Rückfallsstrafen. 136 Commissionsbericht, S. 37.

Der Kommissionsbericht

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hatte.137 Um diese Gesichtspunkte tatbestandlich besser zu erfassen, schlug das Staatsministerium eine Klarstellung des zweiten Absatzes vor.138 Zum dritten Absatz des § 51 Abs. 3, welcher in bestimmten Konstellationen des Rückfalls eine härtere Strafart anordnete, als gesetzlich für das Verbrechen vorgeschrieben war, bemerkte die Kommission, dass diese Sonderregelung nur anzuwenden sei, „wenn die für das neue Verbrechen verwirkte Strafe die polizeiliche Ahndung übersteigt“.139 Das Staatsministerium stimmte dieser Rechtsauffassung in einer Stellungnahme zu, erklärte aber, dass sich dies bereits aus dem Wortlaut der Norm ergebe, der ausschließlich von „verbrecherischen Handlungen“ spreche.140 Überdies würde die Anwendung materieller Strafbestimmungen auf Polizeidelikte nicht mit den „angenommenen Grundsätzen“ übereinstimmen.141 Für den ersten Abschnitt des § 53142 verlangte sie ebenfalls eine Korrektur des Tatbestandes, da dieser aus ihrer Sicht irreführenderweise auf den § 25 verwies. Dieser habe jedoch nur die Fälle der absoluten Unzurechnungsfähigkeit zum Gegenstand, während es beim § 53 ausschließlich um die rechtlichen Folgen der verminderten Schuldfähigkeit gehe.143 Das Staatsministerium redigierte den Tatbestand nach dem Hinweis.144

137 Commissionsbericht, S. 37. 138 Anstiftung, Theilnahme und Versuch, begründen die Rückfallstrafen keineswegs aber Beihülfe, Begünstigung und Mitwissenschaft ausgenommen, wenn wegen einer dieser Arten der Mitschuld bereits Strafe vollzogen und dieselbe Art der Mitschuld an demselben oder einem gleichartigen Verbrechen wieder zu bestrafen ist, vgl. Commissionsbericht, S. 37. 139 Commissionsbericht, S. 38. 140 Commissionsbericht, S. 38. 141 Commissionsbericht, S. 38. 142 § 53 des Entwurfs von 1839: Gegen Verbrecher unter einundzwanzig Jahren, oder gegen Blödsinnige und Personen, die sich in einem der § 25. Aufgeführten Zustände befinden, soll, wenn bei Ihnen zwar die Zurechnungsfähigkeit nicht aufgehoben ist, aber doch sehr erheblich vermindert ist [...]. 143 Commissionsbericht, S. 39. 144 Gegen Verbrecher unter 21 Jahren, so wie gegen Personen, bei welchen durch verhinderten Vernunftgebrauch unverschuldeter Verdunkelung des Bewusstseins, Blödsinn oder Taubstummheit die Zurechnungsfähigkeit zwar nicht aufgehoben, aber doch erheblich eingeschränkt ist, soll [...], vgl. Commissionsbericht, S. 39.

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Fünftes Kapitel

Der Bericht nannte zudem „Zustände“, die nach Auffassung der Kommission unter den § 53 zu subsumieren waren.145 Die vom Entwurf im § 55 entworfene richterliche Ermächtigungsgrundlage zur Herabsetzung der Strafart in gesetzlich vorgegebenen Ausnahmefällen bezeichnete die Kommission dagegen als eine der „vorzüglichsten Bestimmungen des Entwurfs“.146 Durch diese Vorschrift – so lobte die Kommission – werde der Richter in die Lage versetzt, „die allgemeinen Forderungen der Gerechtigkeit, nach den bei den einzelnen Fällen vorkommenden zu modificieren, auszusprechen, was zwar dem Buchstaben des Gesetzes nicht vollkommen gemäß, aber an sich gerecht ist [...]“.147 Bezüglich der in den §§ 56 bis 59 geregelten Strafzumessungsgründe hob sie nochmal die Bedeutung des im Entwurf gewählten relativen Strafensystems hervor, bei dem nur der Richter „innerhalb der gesetzten Grenzen, mit Beobachtung der angegebenen Rücksichten, die Strafe nach dem vorhandenen Grade der Verschuldung auszumessen (habe)“.148 Zu den im Entwurf vorgegebenen und zwingend vom Gericht zu beachtenden Strafzumessungsgründen bemerkte die Kommission, dass diese nicht ausschließlich seien und auch andere „analoge Gründe“ durch die nach § 4 eröffnete Gesetzesanalogie herangezogen werden könnten.149 Ferner verwies der Bericht auf die im Besonderen Teil bei einzelnen Verbrechen aufgeführten Strafzumessungsgründe, die neben den allgemeinen Gründen bei dem Straferkenntnis zwingend berücksichtigt werden mussten.150

145 Dies sollten insbesondere eine „mäßige Trunkenheit, d.h. solche, die das Bewusstsein nicht gänzlich aufgehoben hat“, sowie die Zustände, welche die Täterin beim Kindesmord strafrechtlich privilegierte. Als Zweifelsfälle bzw. Einzelfallentscheidungen stufte sie die Fälle der unwiderstehlichen Gewalt und der minder gefährlichen Drohung ein bzw. den Fall von Geisteskranken, „welche in lichten Zwischenräumen gesetzwidrige Handlungen verübt haben [...]“. Diese Fälle könnten auch nur auf der Strafzumessungsebene Berücksichtigung finden, vgl. Commissionsbericht, S. 39. 146 Commissionsbericht, S. 39. 147 Commissionsbericht, S. 39. 148 Commissionsbericht, S. 40. 149 Commissionsbericht, S. 41. 150 Erschwerungsgründe fanden sich in folgenden Tatbeständen: Zweikampf (§ 111 Abs. 2), Falschmünzen (§ 119 Abs. 2), Kindesmord (§ 141 Abs. 3), vorsätzliche Beschädigung der Person (§ 156), Entführung (§ 163), Raub (§ 168), Nötigung (§ 170), mehrfache Ehe (§ 178), Kuppelei (§ 181), Diebstahl (§ 206), Bankrott (§ 218), Verbrechen am Vermögen Anderer § 223 Abs. 2), Verübung gemeiner Verbrechen mit Amtsmißbrauch (§ 234). Minderungsgründe fanden sich in folgenden Tatbeständen: Nötigung (§ 170), Beleidigung und Verleumdung (§ 191), Für Vermögensbeschädigung, Diebstahl und Unterschlagung führte der § 225 (Tätige Reue) spezialgesetzliche Minderungsgründe auf.

Der Kommissionsbericht

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Bei den nachfolgenden allgemein aufgeführten Erschwerungsgründen erkannte sie nur geringen Nachbesserungsbedarf. Bei § 57 Nr. 6151, der den Rückfall als Erschwerungsgrund benannte, fehlte nach Meinung der Kommission der Hinweis auf die Relevanz der Anzahl der vormals vom Täter begangenen Verbrechen sowie die Größe der bislang verwirkten Strafen.152

7. Strafausschlussgründe Bei den Strafausschlussgründen störte sich die Kommission an dem Titel des § 62, der „Durch tätige Reue“ lautete. Diese Überschrift erschien ihr „nicht ganz angemessen“. Die Norm sollte nunmehr „durch Abstehen von dem Unternehmen, durch Zurücktreten und Anzeige bei der Obrigkeit“ als Titel führen.153 In diesem Zusammenhang bewertete sie auch den Wortlaut des ersten Absatzes154 als unzureichend, da dieser nicht hinreichend deutlich mache, dass das „einstweilige Aufschieben“ der Tat nicht zur Straffreiheit führe. Die ursprüngliche Wortwahl „freiwillig absteht“ sollte daher mit „aus freien Stücken völlig absteht“ ersetzt werden.155 Schließlich verwies der Bericht noch auf die spezialgesetzlichen Bestimmungen der tätigen Reue im Besonderen Teil des Entwurfs.156 Unscharfe Formulierungen erblickte die Kommission auch bei der Vorschrift zur Verjährung (§ 64). Der Wortlaut des § 64 Abs. 1 I. A.157 machte nach ihrer Ansicht nicht hinreichend deutlich, dass die Verjährung durch jede Untersu-

151 § 57 Nr. 6 des Entwurfs von 1839: je verdorbener der frühere Lebenswandel ist, besonders wenn er wegen anderer Verbrechen bereits verurtheilt oder bestraft ist. 152 Die vorgeschlagene Abänderung des Tatbestands lautete daher wie folgt: „[...] besonders je öfter er wegen anderer Verbrechen bereits verurtheilt oder bestraft ist, und je größer die vorhin erlittenen Strafen gewesen sein.“, vgl. Commissionsbericht, S. 41. 153 Commissionsbericht, S. 42. 154 § 62 Nr.1 des Entwurfs von 1839: Der Thäter, welcher von der begonnenen Ausführung des Verbrechens freiwillig absieht, insofern nicht die bereits unternommene Handlung an sich strafbar ist; [...]. 155 Der Bericht bemerke zu dieser Norm ferner, dass der Ausdruck „die bereits unternommene Handlung“ sich auf den „qualifizierten Versuch“ beziehe. Zudem stellte er fest, dass es letztlich eine Tatfrage sei, ob für die tätige Reue ein bloßes Unterlassen oder ein „positives Entgegenhandeln“ erforderlich sei. Gleiches gelte für die Frage, ob der Täter freiwillig gehandelt oder „durch äußere Hindernisse oder Zufälligkeiten“ von der Tat Abstand genommen habe, vgl. Commissionsbericht, S. 42 f. 156 Besondere Bestimmungen zur tätigen Reue im Entwurf von 1839 enthalten die §§ 90, 91, 94, 113, 134, 199, 211 und 225. 157 § 64 Abs. 1 I. A. des Entwurfs von 1839: nach zwanzig Jahren und zwar nur insofern keine Untersuchung eingeleitet worden, wegen der mit Todes- oder lebenslänglicher Kettenstrafe.

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chung der Tat ausgeschlossen werde und sie sich daher nicht zwangsläufig gegen den Täter richten müsse.158 Um dies hervorzuheben, wurde folgende Änderung des Tatbestands beantragt: „[...] insofern überall keine Untersuchung eingeleitet worden [...].“159 Ferner erläuterte die Kommission, dass es bei der Bestimmung der Verjährung im Falle des § 64 Nr. 1 nur auf die gesetzliche Strafdrohung ankomme und nicht darauf, welche Strafe im Einzelfall tatsächlich verwirkt sei.160 Zudem sei der Richter gehalten, „von Amtswegen auf die Verjährung Rücksicht zu nehmen“.161

III. Änderungsanträge und Bemerkungen zum Besonderen Teil Im Besonderen Teil wurde neben unklaren bzw. widersprüchlich formulierten Tatbeständen vereinzelt auch die Angemessenheit der vorgeschlagenen Strafandrohung für das jeweilige Verbrechen hinterfragt.

1. Öffentliche Verbrechen Beim Tatbestand des Hochverrats lässt der Bericht erkennen, dass der letzte Absatz des § 74162 Gegenstand einer kontroversen Auseinandersetzung zwischen Kommission und Staatsministerium war. Die Kommission beabsichtigte den Verweis auf die „erheblichen Milderungsgründe“ zu streichen, da nach ihrer Auffassung dies ein Fall der richterlichen Strafherabsetzung nach § 55 gewesen wäre. Überdies sollte klarer herausgestellt werden, dass sich das Erfordernis der Milderungsgründe nur auf die zweite Tatbestandsalternative (keine vorsätzliche Tötung etc.) bezog.163 Das Staatsministerium bestätigte, dass sich der Zusatz nur auf die zweite Tatbestandsalternative beziehen sollte. Gleichzeitig lehnte es den beantragten Verweis auf § 55 ab.164 Hier war bewusst eine spezialgesetzliche

158 159 160 161 162

Commissionsbericht, S. 43. Commissionsbericht, S. 43. Commissionsbericht, S. 43. Commissionsbericht, S. 44. § 74 Abs. 2 des Entwurfs von 1839: Wäre indeß ein gegen die Gesundheit oder Freiheit des Staatsoberhaupts gerichtetes Unternehmen nur bis zu dem nicht beendigten Versuche vorgeschritten oder wäre bei einem hochverrätherischen Angriffe weder eine vorsätzliche Tödtung, noch ein Raub, noch eine Brandstiftung verübt, und kämen dem Thäter außerdem erhebliche Minderungsgründe zu statten, so ist lebenslängliche Kettenstrafe oder zeitliche Kettenstrafe nicht unter zehn Jahren zu erkennen. 163 Commissionsbericht, S. 47. 164 Commissionsbericht, S. 47.

Der Kommissionsbericht

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Regelung gewählt worden, um § 55 bei diesem schweren Verbrechen in zweierlei Hinsicht einzuschränken. Es sollte sichergestellt werden, dass das Vorliegen mehrerer und erheblicher Milderungsgründe alleine nicht ausreicht, sondern noch zusätzlich weitere negative Tatbestandsmerkmale bzw. die „Abwesenheit der gedachten Qualification“ vorliegen müssen.165 Ferner gestattete die spezialgesetzliche Regelung dem Richter beim Vorliegen der Milderungsgründe auch keine Abstufung auf eine geringere Strafart, sondern er konnte als Minimalstrafe nur auf Kettenhaft nicht unter 10 Jahren erkennen.166 Die Forderung der Kommission hätte in der Konsequenz zu deutlich geringeren Strafen geführt, die in Anbetracht der Schwere des Verbrechens und im Vergleich zu anderen deutschen Gesetzgebungen nicht gerechtfertigt gewesen wären.167 Zur Verdeutlichung der eigentlichen Intention schlug das Staatsministerium folgende Neufassung vor: „Wäre indeß ein gegen die Gesundheit oder Freiheit des Staatsoberhauptes gerichtetes Unternehmen nur bis zu dem nicht beendigten Versuche vorgeschritten, so ist lebenslängliche oder zeitliche Kettenstrafe nicht unter zehn Jahren zu erkennen. Ist bei einem hochverrätherischen Angriffe (Nr. II 1–4) eine vorsätzliche Tödtung, ein Raub oder eine Brandstiftung verübt, so können die Gerichte von der ihnen § 55 ertheilten Ermächtigung nicht Gebrauch machen.“168

Durch diese Neuregelung war gewährleistet, dass die zu erkennende Strafart auch im Fall der Anwendbarkeit des § 55 nicht unterhalb der Kettenstrafe liegen konnte. Die Kommission erklärte sich mit der vorgeschlagenen Neufassung einverstanden und beantragte deren Annahme.169 Eine Einschränkung des Anwendungsbereiches verlangte die Kommission beim Tatbestand des Landesverrats (§ 77). Hier umfasste das Schutzgut neben dem Herzogtum Braunschweig und dem Deutschen Bund auch dessen „Bundesgenossen“. Dieser Zusatz sollte gestrichen werden, um den Begriff des Landesverrats nicht zu sehr auszudehnen.170 Bei den Tatbeständen der staatsgefährlichen Handlungen (§§ 79 ff.) störte sich die Kommission an der Terminologie der Überschrift der ersten Variante, die den „Hochverrath oder Landesverrath gegen ausländische Regenten und Staaten“ sanktionierte. Dieser Titel sollte nach ihrem Willen nunmehr „Verrätherische Angriffe oder Unternehmungen gegen auswärtige Regenten und Staaten“ 165 166 167 168 169 170

Commissionsbericht, S. 47. Commissionsbericht, S. 47. Commissionsbericht, S. 47. Commissionsbericht, S. 48. Commissionsbericht, S. 48. Commissionsbericht, S. 49.

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Fünftes Kapitel

lauten, da ein Hoch- oder Landesverrat im Rechtssinne nur gegen inländische Schutzgüter begangen werden konnte.171 Innerhalb der Kommission höchst umstritten war die Zulässigkeit des in diesem Tatbestand verankerten Grundsatzes der „Reciprocität“, wonach die strengen Rechtsfolgen des Hoch- und Landesverrats nur Anwendung fanden, wenn die Gesetzgebung des betreffenden Staates ebenfalls diesen Grundsatz befolgte. Mit Mehrheitsbeschluss votierte sie letztendlich für die Beibehaltung dieser Bestimmung, da diese nach ihrer Überzeugung einen höheren Schutz für eigenen Landesherrn und Staat garantierte.172 Bei den Majestätsverbrechen erschien ausweislich des Berichts der in § 84173 geregelte Tatbestand der tätlichen Drohung gegen das Staatsoberhaupt zu unklar formuliert, da hieraus nicht hervorgehe, dass diese in Gegenwart des Staatsoberhauptes geschehen müsse. Zudem fehle in Anbetracht der strengen Rechtsfolge von bis zu zehn Jahren Kettenhaft eine Strafabstufung für den Fall, dass die Tat in „leidenschaftlicher Aufwallung“ verübt würde.174 Das hierzu konsultierte Staatsministerium stimmte der Anregung zu und entwarf eine Neufassung des betreffenden Paragraphen.175 Bei dem Tatbestand der Widersetzlichkeit und Tätlichkeit gegen die Obrigkeit (§ 100) äußerste das Staatsministerium sein Bestreben, den strafrechtlichen Schutz der Schildwachen zu erhöhen und daher für Tathandlungen gegenüber diesen eine Mindeststrafe festzulegen.176 Die Kommission stimmte diesem Vorschlag zu, da „dienstliche Stellung“ der Schildwachen und deren Berechtigung zum „unbedingten Waffengebrauche“ eine höhere Gefährdungslage erzeuge, welche eine Sonderstellung im strafrechtlichen Schutzbereich rechtfertige.177

171 Commissionsbericht, S. 49. 172 Commissionsbericht, S. 49. 173 § 84 des Entwurfs von 1839: Wer das Staatsoberhaupt in beleidigender Absicht mit Thätlichkeiten bedrohet, erleidet zeitliche Kettenstrafe bis zu zehn Jahren. 174 Commissionsbericht, S. 49. 175 Wer das Staatsoberhaupt durch thätliche Drohungen beleidigt, soll, wenn die thätliche Drohung mit Vorbedacht geschehen, zeitliche Kettenstrafe bis von zehn Jahren; wenn solche Handlungen in leidenschaftlicher Aufwallung verübt werden, Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren erleiden, vgl. Commissionsbericht, S. 50. 176 Commissionsbericht, S. 51. 177 Die Kommission beantragte daher, den Tatbestand mit dem Zusatz zu ergänzen, dass „die unter 3. bestimmten Strafen erleiden auch die, welche sich eines der gedachten Verbrechen gegen Schildwachen schuldig machen, jedoch nicht unter drei Monaten.“, vgl. Commissionsbericht, S. 51.

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Bei den Vorschriften zum Zweikampf (§ 111) regte die Kommission zunächst eine systematische Neuordnung an.178 Auf der Rechtsfolgenseite des Zweikampfes beantragte die Kommission – nach Rücksprache mit dem Staatsministerium – eine Revision des ursprünglich vorgesehenen Strafensystems. Dieses hatte in seiner originären Ausprägung eine Reihe von Strafabstufungen festgesetzt mit der zeitlichen Kettenstrafe bis zehn Jahre als Höchststrafe. Gleichzeitig wurden im § 111 Abs. 3 die Gerichte ermächtigt – als spezialgesetzliche Ausnahme zum § 55 – bei Vorliegen erheblicher Milderungsgründe auch bei höheren angedrohten Strafarten auf Gefängnisstrafe zu erkennen. Das neue Strafensystem sah als Strafart nur noch die Gefängnisstrafe vor. Entsprechend sollte der dritte Absatz vollständig entfallen. Die Dauer der Gefängnisstrafe wurde dagegen an die Dauer der entfallenen Strafarten angepasst. Als Grund für diesen Systembruch nannte der Bericht die Besonderheiten des Zweikampfes, da dieses Verbrechen in der Regel unter Umständen vorkomme, „bei denen harte Strafen unbillig erschienen [...]“ und die Gesetzgebung auch keine Sonderregelung für Offiziere vorsehe.179 Nach dem neuen Strafensystem sollte anstatt der vorgenannten Höchststrafe nunmehr „Gefängnis von fünf bis zu fünfzehn Jahren“, statt Zuchthaus „Gefängnis von zwei bis zu zehn Jahren“ und für Zwangsarbeit über ein Jahr sollte „Gefängnis über ein Jahr bis von fünf Jahren“ angedroht werden.180 Beim Meineid181 (§ 127) wurde die Tatbestandsbeschreibung als unzureichend eingestuft. Da nicht jede öffentliche Behörde zur Abnahme von Eiden befugt war, sollte das Erfordernis der Berechtigung zur Eidesabnahme in den Tatbestand aufgenommen werden.182 Anstatt der Bezeichnung „vor einer öffentlichen Behörde“ sollte nunmehr der Wortlaut: „vor einer zur Abnahme von Eiden befugten obrigkeitlichen Behörde (§ 69. und 70)“ lauten.183 178 So sollte die in § 115 geregelte Selbsthilfe dem Zweikampf als allgemeineres Delikt vorangestellt werden, da es sich beim Zweikampf um eine spezielle Form der Selbsthilfe handelte. Zudem sollte die Bösliche Einstellung der Arbeit (§ 118) vor dem Tatbestand der Rückkehr eines Verwiesenen (§ 116) stehen. Dieser Vorschlag erfolgte ohne weitere Erläuterung. 179 Commissionsbericht, S. 53. 180 Commissionsbericht, S. 53. 181 § 127 Abs. 1 des Entwurfs von 1839: Wer mit Ueberzeugung der Unwahrheit seine falsche Angabe vor einer öffentlichen Behörde durch förmlichen Eid bekräftigt, soll folgende Strafe erleiden: [...]. 182 Commissionsbericht, S. 55. 183 Entsprechend der nun geänderten Terminologie sollte auch in den §§ 128, 129, 130, 131, 133 und 134 die Bezeichnung „öffentliche Behörde“ durch „obrigkeitliche Behörde“ ersetzt werden, vgl. Commissionsbericht, S. 55.

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Beim Straftatbestand der falschen Anklage (§ 136), der auf einem ähnlichen Strafensystem wie der Meineid beruhte, kritisierte die Kommission die dort vom Entwurf vorgesehene Mindeststrafe von bis zu einem Jahr Zwangsarbeit als zu hart, da diese dann auch Fälle erfassen würde „wo die falsche Anklage nur ein geringes Polizeivergehen betrifft [...]“.184 Sie beantragte folglich die Hinzunahme einer vierten Strafabstufungsebene, nach der die geringen Fälle nur mit Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden.185 Neben diesen Änderungsanträgen stellte die Kommission zur Tatbestandsmäßigkeit des Meineides fest, dass es ausreiche, wenn ein förmlicher Eid vom Täter geleistet wurde und daher weitere Unwirksamkeitsgründe „welche aus der Person des Schwörenden, aus dem Gegenstande des Eides oder aus der Nichtigkeit des Verfahrens abgeleitet werden könnten, nicht zu berücksichtigen sind, wenn dies nicht bereits in den allgemeinen Grundsätzen über Strafbarkeit liegt.“186

Im Hinblick auf das Strafensystem des Meineides, welches auf dem Zweck der Wiedervergeltung beruhte und demnach auch die Todesstrafe vorsah, wenn der Meineid die Hinrichtung des Opfers zu Folge gehabt hatte, bekräftige die Kommission ihre Zustimmung zum Entwurf. Zwar beschränkten andere Gesetzbücher die Todesstrafe auf den Fall, dass der Unschuldige durch den Meineid mehrerer zu Tode gekommen ist, da die Todesstrafe einen Indizienbeweis jedoch ausschließe, sei eine solche Einschränkung nicht erforderlich. Jedenfalls sei die gewählte Strafe der Wiedervergeltung gerechtfertigt, da sie dem „natürlichen Rechtsgefühl entspricht“.187

2. Privatverbrechen Bei den Privatverbrechen beherrschte zunächst die Frage nach der richtigen Fassung des Mordtatbestands188 (§ 137) und dessen Abgrenzung zum Totschlag

184 185 186 187 188

Commissionsbericht, S. 57. Commissionsbericht, S. 57. Commissionsbericht, S. 55. Commissionsbericht, S. 56. § 137 des Entwurfs von 1839: Wer die von ihm verursachte Tödtung eines Menschen mit Vorbedacht oder doch in Folge eines mit Vorbedacht gefaßten Entschlusses ausgeführt hat, soll mit dem Tode bestraft werden (Abs. 1). Wäre indeß der Mord nicht um zu rauben, nicht um Lohn, nicht auf heimtückische Weise, nicht durch Gift oder Brand, ohne Peinigung des Entleibten, nicht von mehreren Teilnehmern, nicht an Angehörigen des Thäters (§. 66.) verübt, und kämen demselben mehrere und besonders erhebliche Milderungsgründe zu statten, so ist auf lebenslängliche Kettenstrafe zu erkennen.

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(§ 138) den Diskurs zwischen Staatsministerium und Kommission. Es bestand Einigkeit darüber, dass alle vorsätzlichen Tötungen entweder einen Mord oder Totschlag darstellten, es also keine dritte Kategorie gebe.189Allerdings erschien dem Ausschuss die vom Entwurf gewählte Abgrenzung dieser beiden Tatbestände als anfällig bzw. unscharf. Nach dessen Definition musste beim Mord die Tötung mit „Vorbedacht“ verübt worden sein, so dass jede vorsätzliche Tötung, welche nicht in „leidenschaftlicher Aufwallung“ beschlossen und ausgeführt war, den Tatbestand des Mordes erfüllte.190 Gleichwohl stellten Staatsministerium und Kommission gemeinsam fest, dass diese Abgrenzung Fälle nicht erfasse, in denen jemand „ohne Affect und ohne Vorbedacht“ handelt.191 Werde der Tötungsentschluss während der Tatausführung192 gefasst, könnten diese Sachverhalte nicht unter das Tatbestandsmerkmal Vorbedacht subsumiert werden, da dieses grammatikalisch voraussetze, dass zwischen Tat und Entschluss ein gewisser Zeitraum liege.193 Gemeinsam wurden sodann verschiedene Modelle erörtert, um eine bessere Abgrenzung beider Tatbestände zu erreichen. Die Möglichkeit, alle vorsätzlichen Tötungen als Mord einzustufen und die Abgrenzung auf der Rechtsfolgenseite vorzunehmen, wurde verworfen, da diese Lösung – obgleich als zielführend eingestuft – von der „gemeinrechtlichen Darstellungsweise“ zu sehr abweiche.194 Als gänzlich unzweckmäßig bewerteten die Gesprächspartner die negative Definition des Mordes, als eine Tötung, die nicht in leidenschaftlicher Aufwallung beschlossen oder ausgeführt wird.195 Da letztlich ein Systemwechsel nicht in Betracht gezogen wurde, plädierten Ausschuss und Staatsministerium für die Ergänzung der bestehenden Fassung.196 Mit dem Merkmal der „Ueberlegung“ sollte neben dem Vorbedacht eine noch weitergehende Abgrenzung

189 190 191 192 193 194 195 196

Commissionsbericht, S. 57. Commissionsbericht, S. 57. Commissionsbericht, S. 57. Als Beispiel führte der Bericht den Räuber aus, der spontan tötet, weil er sich entdeckt glaubt bzw. weil er auf unerwarteten Widerstand traf, vgl. Commissionsbericht, S. 58. Commissionsbericht, S. 57. Commissionsbericht, S. 58. Commissionsbericht, S. 58. Die ursprüngliche Definition des Totschlags (in leidenschafflicher Aufwallung) im Regierungsentwurf von 1839 war dem preußischen Recht entlehnt. Auch im Verlauf der preußischen Gesetzesrevision wurde die Frage erörtert, ob mit dieser Totschlagsfassung das Gegenstück zum Vorbedacht geschrieben sei, vgl. Linka, Mord und Totschlag (§§ 211–213 StGB), S. 35.

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zum Affekt bzw. dem Totschlagstatbestand geschaffen werden.197 Entsprechend beantragte das Staatsministerium in den §§ 137, 138 und 151 (Vorsätzliche Beschädigung) nach dem Merkmal „Vorbedacht“ die Alternative „oder Ueberlegung“ aufzunehmen.198 Bei der Ausgestaltung der Rechtsfolgenseite stand das unklare Verhältnis zu § 55 im Vordergrund.199 Der beim Hochverrat gefundenen Lösung folgend, sprach sich das Staatsministerium auch bei diesem Tatbestand für eine Beschränkung des § 55 dahingehend aus, dass eine Abkehr der Todesstrafe nur beim Vorliegen mehrerer besonders erheblicher Milderungsgründe und dem Fehlen der besonderen Qualifikationen möglich sei. Ferner durfte beim Mord auf keine niedrigere Strafe als auf lebenslängliche Kettenhaft erkennt werden.200 § 140201 (Beihilfe zum Selbstmord) entsprach nicht den Anforderungen der Kommission, da der Entwurf die deutlich strafwürdigere Anstiftung und andere Beteiligungsformen zum Selbstmord in keiner Form berücksichtigte.202 Sie beantragte daher unter dem neuen Titel „Anstiftung und Beihülfe zum Selbstmorde“ eine Neufassung der Norm.203 Auch die Körperverletzungsdelikte (§§ 151–157) des Entwurfs bedurften ausweislich des Berichts der Nachbesserung. Bei der vorsätzlichen Beschädigung mit Vorbedacht (§ 151) störte sich die Kommission an dem Wortlaut der Qualifikationstatbestände § 151 Nr. 2 und Nr. 3.204

197 198 199 200

201 202 203

204

Commissionsbericht, S. 58. Commissionsbericht, S. 58. Commissionsbericht, S. 58. Folglich sollte der zweite Absatz wie folgt geändert werden: „Ist der Mord verübt, um zu rauben, um Lohn, auf heimtückische Weise, durch Gift oder Brand, mit Peinigung des Entleibten, von mehreren vertragsmäßigen Theilnehmern, oder an Angehörigen (§. 66.) des Thäters, so können die Gerichte von der ihnen (§. 55.) ertheilten Ermächtigung nicht Gebrauch machen.“, vgl. Commissionsbericht, S. 59. § 140 des Entwurfs von 1839: Wer einen andern Beihülfe zum Selbstmorde leistet, soll nach den § 139. gegebenen Bestimmungen bestraft werden. Commissionsbericht, S. 59. Wer einen Anderen zum Selbstmorde anstiftet, soll mit Zwangsarbeit, nicht unter 1 Jahr, wer an dem Selbstmorde eines anderen Theil nimmt, oder Hülfe leistet, soll nach den § 139. gegebenen Bestimmungen bestraft werden, vgl. Commissionsbericht, S. 59. Zunächst beantragte sie, anstatt der Bezeichnung „dauernde Arbeitsunfähigkeit“ die Umschreibung „bleibende Arbeitsunfähigkeit“ zu verwenden. Ferner erschien ihr die angedrohte Kettenstrafe für jegliche Verstümmelung des Opfers zu hart, so dass sie vorschlug das Adjektiv „beträchtlich“ diesem Tatbestandsmerkmal voranzustellen. Demgemäß sollte dann auch in der Strafabstufung des Nr. 3 nach dem Wort „zugezogen“ der Zusatz

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Eine nicht zu rechtfertigende Diskrepanz wurde auch bei dem nachfolgenden § 152 (in leidenschaftlicher Aufwallung) identifiziert. Hier beantragte die Kommission die Neufassung des letzten Absatzes.205 Die im Entwurf festgestellten Straferleichterungen für schwere Beleidigungen kollidierten nach ihrer Ansicht mit der korrespondierenden Regelung des Totschlags (§ 138). Da dort im Fall vorangegangener besonders schwerer Beleidigungen nur Zwangsarbeit über ein Jahr als Strafdrohung festgesetzt war, mussten die Strafdrohungen auch für die hier gegenständliche Körperverletzung geringer ausfallen.206 Die vorgeschlagene Neufassung des letzten Absatzes hatte daher deutlich niedrigere Strafdrohungen, wobei als Strafart nur Gefängnis in Betracht kam. Als Höchststrafe (für die Nr.1) sollte Gefängnis nicht unter einem Jahr angedroht werden.207 Zum Schmerzensgeld (§ 157) stellte die Kommission fest, dass dieser Anspruch auch bei der unvorsätzlichen Köperverletzung bestehe. Zudem sei dem Anspruch der Streitverursacher ausgesetzt, nicht derjenige der „zuerst die Thätlichkeit verübt hat“.208 Schließlich sei für die Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe nur der Grad der erlittenen Verletzung maßgeblich und nicht die Vermögensverhältnisse des Schädigers.209 Zum Notwehrtatbestand (§ 158) ergänzte die Kommission, dass das dort aufgeführte Schutzgut „Ehre“ vornehmlich die Geschlechtsehre sowohl von Frauen als auch Männern umfasse.210 Zudem wurde betont, dass die Gefahr für die Ehre nicht auf einzelne Stände beschränkt sei.211 Schließlich beziehe sich die Einschränkung des Notwehrrechts, dass „andere nicht unbekannte Mittel“ nicht vorhanden sind auf das „Anrufen der obrigkeitlichen Hülfe“.212 Die Flucht

205

206 207 208 209 210 211 212

„oder ihn in einem geringeren Grade verstümmelt oder verunstaltet“ hinzugefügt werden, vgl. Commissionsbericht, S. 60 ff. § 152 Abs, 2 des Entwurfs von 1839: Ist der Thäter durch schwere Beleidigungen zum Zorne gereizt, so ist in dem Falle unter Nummer 1 auf Zwangsarbeit über ein Jahr, in dem Falle unter 2 auf Gefängnis über ein Jahr, in den Fällen unter 3 und 4 auf Gefängnis bis von einem Jahre zu erkennen, und in dem Falle 5 tritt polizeiliche Bestrafung mit Gefängnis ein. Commissionsbericht, S. 61. Commissionsbericht, S. 61. Commissionsbericht, S. 61. Commissionsbericht, S. 62. Commissionsbericht, S. 62. Commissionsbericht, S. 62. Commissionsbericht, S. 62.

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stellte ein solches Mittel nicht dar, so dass deren Nichtergreifung dem Angegriffenen nicht zur Last gelegt werde.213 Im Tatbestand des Raubes (§ 168) hatte sich der Entwurf gegen die vorherrschende Doktrin gestellt, wonach es zur Vollendung des Raubtatbestands auch auf den Gewahrsamsbruch ankomme.214 Dieser Paradigmenwechsel traf auf Zustimmung der Kommission, die hierfür gute „legislatorische Gründe“ erkannte.215 Diskutiert wurde jedoch, ob die Bezeichnung „Raub“ für den vorliegenden Tatbestand noch angemessen sei, da diese Bezeichnung im Sprachgebrauch „eine gewaltsame Wegnahme beweglicher Sachen bedeute [...]“.216 Schließlich sprach sich die Kommission doch für die Beibehaltung dieser Bezeichnung aus, da deren Bedeutung sich ebenfalls auf das „Gewaltsame und Allgemeingefährliche“ beziehe.217 In Anlehnung an § 143 (Vorbereitungen zum Morde), der das Auflauern mit Waffen in mörderischer Absicht sanktionierte, schlug die Kommission mit § 168a die Schaffung einer vergleichbaren Vorschrift mit der Überschrift „Vorbereitungen zum Raube“ vor.218 Die vom Entwurf vorgesehenen Strafen für Sittlichkeitsverbrechen, fand die Kommission nicht streng genug zur bezweckten Erhaltung und Beförderung der sittlichen Ordnung bemessen.219 Mit dem Staatsministerium einigte sie sich auf die Erhöhung der Maximalstrafe bei den Paragraphen, die Gefängnisstrafe als Sanktion vorsahen.220

213 Neben den grundsätzlichen Bemerkungen zum Tatbestand beantragte die Kommission die Streichung der Bezeichnung „rechtmäßig“ vor dem Wort „Besitzthum“, da der Wortlaut zuvor bereits vom „widerrechtlichen Eindringen“ in dieses sprach, vgl. Commissionsbericht, S. 62. 214 Commissionsbericht, S. 63. 215 Commissionsbericht, S. 63. 216 Commissionsbericht, S. 64. 217 Commissionsbericht, S. 64. 218 Der vorgeschlagene § 168a sollte folgenden Wortlaut aufweisen: „Wer in räuberischer Absicht mit Waffen auflauert, soll Zwangsarbeit nicht unter einem Jahr erleiden“, vgl. Commissionsbericht, S. 64. 219 Commissionsbericht, S. 64. 220 Es handelte es sich um folgende Änderungen: § 178 (Mehrfache Ehe), Erhöhung von sechs Monaten auf ein Jahr; § 179 (Ehebruch), Erhöhung von drei auf sechs Monate, von zwei auf vier Monate und von vier Wochen auf zwei Monate; § 183 (Blutschande), Erhöhung von sechs Monaten auf 1 Jahr; § 185, Erhöhung von sechs Monaten auf ein Jahr, vgl. Commissionsbericht, S. 64.

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Die Kommission erörterte bei § 187 (Unzüchtige, zum öffentlichen Ärgernis gereichende Handlungen) mit dem Staatsministerium die Frage, ob in dieser Vorschrift neben den Handlungen auch Äußerungen oder Reden erfasst werden sollten.221 Aufgrund der geringeren Strafwürdigkeit schlug sie vor, hierfür nur polizeiliche Gefängnisstrafe oder Geldbuße als Strafdrohung festzusetzen.222 Das Staatsministerium lehnte diesen Vorschlag mit dem Hinweis ab, dass im Entwurf auf die polizeiliche Bestrafung nur bei Verbrechen hingewiesen werde, bei denen die Strafbarkeit auf dieses Niveau absinken könne. Dagegen stellten ausschließlich polizeilich zu bestrafende Vergehen, wie die vorgeschlagene Sanktionierung von Äußerungen oder Reden, keinen Regelungsgegenstand des Criminalgesetzbuches dar.223 Im Hinblick auf die im Entwurf im § 188 festgelegte Definition der Vollendung der Unzuchtsverbrechen auf die „körperliche Vereinigung“, stellte die Kommission klar, dass dagegen der Tatbestand der Bigamie (§ 178) bereits mit der vollzogenen Trauung vollendet war.224 Bei den Ehrverletzungsdelikten zog die Kommission das Fazit, dass die Konzeption des Entwurfs für die Delikte „vieles der Doctrin überlassen und der Natur der Sache nach überlassen müsse“.225 Dieses Konzept stellte sie in ihrer Analyse aber nicht grundsätzlich in Frage. Gleichwohl störte sie sich an der fehlenden Bestimmung für Beleidigungen gegen Verstorbene. Um dem Eindruck entgegenzutreten, dass Beleidigungen gegen diese sanktionslos blieben, beantragte sie eine Ergänzung des § 227 zur Antragsberechtigung, um die Frage zu beantworten, wer bei Beleidigungen von Verstorbenen zur Anzeige berechtigt sei.226 Im Folgenden setzte sich die Kommission mit den einzelnen Tatbestandsabwandlungen des Diebstahls auseinander. Bei der Strafabstufung des § 204 II227,

221 222 223 224

Commissionsbericht, S. 65. Commissionsbericht, S. 65. Commissionsbericht, S. 65. Um dies zu verdeutlichen beantragte die Kommission den § 188 mit dem folgenden Zusatz zu versehen „Hinsichtlich der in diesem Capitel § 179, §. 181–186 einschließlich [...]“, vgl. Commissionsbericht, S. 65. 225 Commissionsbericht, S. 66. 226 Die Kommission beantragte das Ende des § 227 wie folgt zu ergänzen: „bei Ehrenkränkungen wider Verstorbene sind die Ehegatten, Blutsverwandten in auf- und absteigender Linie, Geschwister und Erben des Verstorbenen zur Anzeige berechtigt.“, vgl. Commissionsbericht, S. 66. 227 § 204 II des Entwurfs von 1839: mit Zuchthaus:

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der als Strafdrohung Zuchthaus vorsah, bemerkte sie, dass die Qualifikation auch dann erfüllt sei, wenn der Täter am Diebstahlsort Waffen vorgefunden und diese dann entsprechend als „Schutzmittel“ gebraucht hat.228 Gemäß dieser Feststellung beantragte die Kommission die Aufnahme der folgenden Qualifikation: „2) wenn er von den am Orte der That gefundenen Waffen nach vollbrachtem Diebstahle, um sich oder das gestohlene Gut zu schützen, gegen Personen zu deren Mißhandlung oder gefährlichen Bedrohung Gebrauch gemacht hat.“229

In diesem Zusammenhang war auch der Fall zu berücksichtigen, dass die vom Dieb am Tatort vorgefundenen Waffen, ohne weitere konkrete Verwendungsabsicht ergriffen wurde.230 Aufgrund der geringeren Gefährlichkeit verortete die Kommission diesen Fall auf der nächst geringeren Strafebene des § 204 III, womit der ursprüngliche III Nr. 1231 folgende Neufassung erhalten sollte: „wenn er, um sich erforderlichen Falls zur Wehr zu setzen, zur Unternehmung der That sich mit Waffen versehen oder am Orte der That gefundene Waffen an sich genommen hat.“232

Betrug (§ 210): Die tatbestandliche Definition war zwischen Kommission und Staatsministerium umstritten. Der Entwurf233 verlangte keinen Schadenseintritt für die Tatvollendung. Es reichte, dass der Schaden bezweckt war.234 Nach Auffassung der Kommission sollte die tatbestandliche Betrugsdefinition den Bestimmungen der Strafgesetzbücher in den anderen Ländern entsprechen, die für

228 229 230 231 232 233

234

1) wenn er sich zur Unternehmung der That mit Waffen versehen hat, um sich erforderlichen Falls zur Wehr zu setzen und entweder in eine Wohnung eingedrungen ist oder zur Nachtzeit gestohlen hat; oder 2) wenn er, in Gemeinschaft mit mehreren Genossen, um zur Nachtzeit zu stehlen, in eine Wohnung eingedrungen ist, und der Werth des Gestohlenen dreißig Thaler übersteigt; oder 3) wenn er das Stehlen gewerbsmäßig treibt und bereits zwei Mal wegen Diebstahls Zwangsarbeitsstrafe erlitten hat; 4) wenn der Werth des Gestohlenen fünfhundert Taler übersteigt. Commissionsbericht, S. 67. Commissionsbericht, S. 68. Commissionsbericht, S. 68. § 204 III Nr. 1 des Entwurfs von 1839: wenn er sich zur Unternehmung der That mit Waffen versehen hat, um sich erforderlichen Falls zur Wehr zu setzen. Commissionsbericht, S. 68. § 210 Abs. 1 des Entwurfs von 1839: Wer den Irrthum eines Andern rechtswidrig veranlaßt oder benutzt, um demselben einen Vermögensschaden zuzufügen oder in gewinnsüchtiger Absicht, soll folgendermaßen bestraft werden [...]. Commissionsbericht, S. 70.

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die Vollendung des Straftatbestandes einen Schadenseintritt verlangten. In diesem Sinne schlug sie dem Staatsministerium eine veränderte Fassung vor.235 Die Unterschiede der beiden Definitionen in der praktischen Anwendung seien gering, da zur Tatvollendung nicht bloß ein gegenwärtiger, sondern auch ein künftiger Schaden ausreichend sei.236 Das zu dieser Frage konsultierte Staatsministerium begrüßte in seiner Stellungnahme das Bestreben, eine „Gleichförmigkeit in den Begriffen der Verbrechen in den verschiedenen deutschen Gesetzgebungen [...]“ zu erreichen, gleichwohl äußerte es Bedenken gegen die vorgeschlagene Neufassung. Es müsse eindeutig hervorgehen, dass unter dem erlangten Vorteil ein „Gebrauch oder Verbrauch“ der betrügerisch erlangten Sachen nicht erforderlich sei, sondern es genüge, wenn der Täter „sich in dem Besitz der abgelisteten Sache oder des beabsichtigten Vortheils [...]“ gesetzt habe.237 Ebenfalls kritisiert wurde die Beschreibung „sich einen Vortheil verschaffen“, da sich hieraus – im Gegensatz zu der ursprünglichen Formulierung „in gewinnsüchtiger Absicht“ – nicht ergebe, dass es auf einen „Vermögensvortheil“ ankomme und dass dieser tatbestandlich nicht nur dem Täter sondern auch Dritten zugutekommen könne.238 Aus diesen Gründen sprach sich das Staatsministerium für die Beibehaltung der ursprünglichen Begriffsbestimmung aus, schlug aber vor, diese nach dem Wort „Absicht“ mit dem Zusatz „und seinen verbrecherischen Zweck erreicht“ zu ergänzen.239 Die Kommission erklärte sich mit dieser geänderten Fassung einverstanden. Bei der Fälschung (§ 212)240 sollte deutlicher hervorgehoben werden, dass der Tatbestand auch dann erfüllt war, wenn der Täter von einer fremden Fälschung wissentlich Gebrauch machte.241 Entsprechend wurde beantragt, diese Fallkonstellation als zweite Tatbestandsalternative zu berücksichtigen.242 Diese zweite 235 „Wer den Irrthum eines Andern rechtswirdrig entweder veranlasst oder benutzt, und absichtlich dadurch demselben einen Vermögensschaden zugefügt, oder sich einen Vorteil verschafft hat [...], vgl. Commissionsbericht, S. 71. 236 Commissionsbericht, S. 71. 237 Commissionsbericht, S. 71. 238 Commissionsbericht, S. 71. 239 Commissionsbericht, S. 72. 240 § 212 Abs. 1 des Entwurfs von 1839: Wer unächte Sachen verfertigt, oder für ächte ausgeibt oder ächte verfälscht und davon zu dem Vermögensschaden eines Andern oder in gewinnsüchtiger Absicht einen rechtswidrigen Gebrauch macht, soll folgende Strafen erleiden [...]. 241 Commissionsbericht, S. 72. 242 Laut Antrag sollte der § 212 Abs. 1 nunmehr wie folgt gefasst werden: „Wer 1) unächte Sachen verfertigt, oder ächte verfälscht un davon als von ächten oder unverfälschten zu dem Vermögensschaden eines Andern oder in gewinnsüchtiger Absicht einen rechtswidrigen Gebrauch macht; oder wer

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Fünftes Kapitel

Tatbestandsalternative sei zwar weniger strafwürdig, doch könne dies – analog zum Ausnutzen eines bestehenden Irrtums beim Betrug – nur auf der Strafzumessungsebene Berücksichtigung finden, da es als Strafabstufungsgrund nicht schwerwiegend genug sei.243 Tätige Reue bei Vermögensdelikten (§ 225): Das für die Straffreiheit unbedingte Erfordernis sei die vollständige Wiedergutmachung und zwar in dem Maße, dass von „dem Delicte nichts, als das nackte Factum, welches nicht ungeschehen zu machen, übrig ist“.244 Des weiteren dürfe die Wiedergutmachung nur durch Geld oder „Geldeswerth“, nicht jedoch durch „erwirkten Erlaß oder Stundung“ erfolgen.245

3. Amtsverbrechen Bei den Amtsverbrechen stand die teilweise Revision des § 230,246 der das Strafensystem der Amtsverbrechen regelte, im Vordergrund. Als kritisch, weil missverständlich, wurde der vierte Absatz der Norm bewertet. Dieser regelte insbesondere die Ausgestaltung des Zusammentreffens von Dienstentsetzung und Dienstentlassung, als spezifische Strafen der Amtsverbrechen, mit den sonstigen Strafen. Von den drei Fallgestaltungen des § 230 Abs. 4247 betraf die erste die Konkurrenz eines Amtsverbrechens und deren Folge der Dienstentlassung mit einem gemeinen Verbrechen, dessen Strafverwirkung als Nebenfolge ebenfalls die Dienstentlassung anordnete. Damit das Amtsverbrechen trotzdem sanktioniert werden konnte, sollte der Beamte Zwangsarbeit oder Gefängnisstrafe als „Surrogatstrafe“ erleiden.248 Um diesen selbstständigen Charakter hervorzuheben, beantragte die Kommission die Klarstellung: „Trifft

243 244 245 246

247 248

2) zu einem der bezeichneten Twecke wissentlich von falschen oder verfälschten Sachen, die ein Anderer gefertigt oder verfälscht hat, Gebrauch macht [...]“, vgl. Commissionsbericht, S. 72. Commissionsbericht, S. 72. Commissionsbericht, S. 75; um dieses Erfordernis auszudrücken, beantragte der Ausschuss den Zusatz „mit dessen vollkommener Zufriedenstellung“ in den Tatbestand aufzunehmen. Commissionsbericht, S. 75. § 230 Abs. 4 des Entwurfs von 1839: Trifft Dienstentsetzung oder Dienstentlassung mit einer Strafe zusammen, mit welcher der Verlust der Dienstrechte verbunden ist, oder träfen mehrere Verbrechen zusammen, deren jedes mit Dienstentsetzung oder Dienstentlassung bedrohet ist, oder wären sie zu einer Zeit zu erkennen, wo der Dienstverband schon aufgehört hat, so tritt neben oder statt Dienstentsetzung, Zwangsarbeit über ein Jahr, neben oder statt Dienstentlassung Gefängnisstrafe über ein Jahr ein. [...]. Commissionsbericht, S. 77. Commissionsbericht, S. 77.

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Dienstentsetzung oder Dienstentlassung als selbstständige Strafe mit einer anderen Strafe zusammen [...]“.249 Auch in der zweiten Fallkonstellation hatte der Beamte mehrere Dienstverbrechen begangen, von denen jedes einzelne als Rechtsfolge die Dienstentsetzung oder Dienstentlassung anordnete. Die Kommission vermisste einen Hinweis über die Selbstständigkeit der jeweiligen Strafen, so dass sie auch für diesen Fall nachfolgende Klarstellung beantragte: „oder träten mehrere Dienstverbrechen zusammen, deren jedes mit Dienstentsetzung oder Dienstentlassung, als selbstständige Strafen bedrohet ist [...]“.250 Da in der letzten Fallkonstellation – Amtsverbrechen, welches erst nach Auflösung des Dienstverbandes zur Untersuchung gelangt – mangels Selbstständigkeit der Nebenfolge keine Surrogatsstrafe in Betracht kommen würde, wurde auch für diese Konstellation die Klarstellung: „oder wären sie als selbstständige Strafe zu einer Zeit zu erkennen [...]“ beantragt.251 Zum § 232 (Straflosigkeit befolgter Befehle) bemerkte die Kommission, dass sich die Straffreiheit nur auf Handlungen bezog, die Amtsverbrechen darstellten. Lag in der Handlung gleichzeitig ein gemeines Verbrechen, so fand diese Norm keine Anwendung.252 Neben dieser Erläuterung wurde noch eine redaktionelle Änderung dieser Vorschrift beantragt.253 Zum § 236254 (Bedingung der Anstellung der Untersuchungen), der die Voraussetzungen bzw. Bedingungen für die Ermittlungen zu den Amtsverbrechen und gemeinen Verbrechen von Beamten regelte, stellte der Bericht klar, dass der im zweiten Absatz festgesetzte Amtsermittlungsgrundsatz bei von Beamten verübten gemeinen Verbrechen nicht für die in § 226 aufgeführten Antragsdelikte gelte.255 Um diesen Zusammenhang besser hervorzuheben, sollte im zweiten

249 250 251 252 253

Commissionsbericht, S. 77. Commissionsbericht, S. 77. Commissionsbericht, S. 78. Commissionsbericht, S. 80. Hinter dem Wort „Handlung“ sollte noch der Zusatz „in der vorgeschriebenen Form“ ergänzt werden, vgl. Commissionsbericht, S. 79. 254 § 236 des Entwurfs von 1839: Untersuchungen wegen Amtsverbrechen sind nur auf Antrag der dem Angeschuldigten vorgesetzen Dienstbehörde anzustellen. (Abs. 1) Wegen gemeiner Verbrechen der Beamten können die Gerichte von Amtswegen verfahren. (Abs. 2). 255 Commissionsbericht, S. 80.

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Absatz des § 236 anstatt der Worte „von Amtswegen“ der Zusatz „ohne solchen Antrag“ verwendet werden.256 Zu den Tatbeständen der Bestechung (§ 237) und der Annahme von Geschenken (§ 238) ergänzte der Bericht, dass diese nur die „passive Bestechung“ sanktionierten.257 Fordere ein Beamter aktiv die „Leistung eines Geschenkes“ und werde dieser Forderung nicht entsprochen, ergebe sich die Strafbarkeit des Beamten jedenfalls aus dem Versuch der §§ 237 und 238.258 Bei § 246259 (Verletzung der Amtsverschwiegenheit), sollte deutlicher werden, dass die Strafen der Amtsverbrechen ebenfalls verwirkte Strafen für gemeine Verbrechen nicht konsumieren. Daher sollte am Ende des Tatbestandes die Klarstellung „[...] insofern die Handlung nicht ein schwereres Verbrechen begründet“ aufgenommen werden.260 Für Beamte sollte eine korrespondierende Vorschrift zu § 46 (Strafbare Mitwissenschaft) – der die Anzeigepflicht bevorstehender Verbrechen als allgemeine Bürgerpflicht etablierte – geschaffen werden.261 Der Maßstab sollte strenger sein als nach § 46, da durch die Amtsstellung eine besondere Pflicht zur Anzeige bestehe.262 Das Staatsministerium bejahte ebenfalls das Erfordernis einer besonderen Bestimmung und entwarf § 250a263, den die Kommission der Ständeversammlung zur Annahme empfahl.264

256 257 258 259

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264

Commissionsbericht, S. 80. Commissionsbericht, S. 80. Commissionsbericht, S. 80. § 246 des Entwurfs von 1839: Wer in gewinnsüchtiger Absicht oder um dem Staate, einer Coporation oder Privatperson zu schaden, Thatsachen, welche ihm durch seine Amtsverhältnisse bekannt geworden, oder die ihm anvertrauten Akten oder Urkunden anderen, als den hierzu berechtigten Personen mittheilt, oder bekannt macht, ist des Dienstes zu entlassen. Commissionsbericht, S. 81. Commissionsbericht, S. 81. Commissionsbericht, S. 81. Der vom Staatsministerium vorgschlagene § 250a (Unterlassene Anzeige verübter Verbrechen) sollte folgenden Wortlaut aufweisen: Wer vermöge seines Amtes oder Berufes oder in Gemäßheit besondere Dienstvorschriften verübte Verbrechen anzuzeigen verpflichtet ist, soll wegen wissentlich unterlassener Erfüllung dieser Pflicht I. falls es im Einverständnisse mit dem Thäter oder aus Partheilichkeit geschehen; 1) wenn das Verbrechen zu den § 46. namentlich aufgeführten gehört, mit Dienstentlassung; 2) sonst mit Gefängnis bis zu 6 Monaten II. in anderen Fällen mit Gefängnis bis von drei Monaten oder verhältnißmäßiger Geldstrafe belegt werden, vgl. Commissionsbericht, S. 81. Commissionsbericht, S. 82.

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Bei der Rechtsbeugung (§ 259) sollten die „Ungerechtigkeiten“ nicht nur die Entscheidung des Rechtsstreites betreffen können, sondern auch die Prozessführung. Demgemäß wurde beantragt, den Tatbestand mit dem Zusatz „[...] hat ein Richter die Leitung einer Rechtssache oder bei Entscheidung [...]“ zu versehen.265

265 Commissionsbericht, S. 82.

Sechstes Kapitel: Verhandlungen im Landtag A) Einleitung Die Kommission schloss ihre Beratungen am 9. April 1840 ab.1 Sie bekundete in ihrem Bericht an den Landtag, dass sich das Staatsministerium mit sämtlichen Änderungsanträgen einverstanden erklärt hatte.2 Sodann wurde der Regierungsentwurf nebst den Änderungsanträgen der Kommission an den Landtag weitergeleitet, der am 22. April 1840 über diese Vorlage die Beratungen aufnahm.3 Landtagspräsident dieses dritten ordentlichen Landtags war der Hofjägermeister und Kammerrat Hans von Veltheim auf Duttenstedt.4 Aufgrund des Dreiklassenwahlrechts gab es im braunschweigischen Landtag keine Fraktionsbildung.5 Die Geschäftsordnung legte fest, dass der Platz, den jeder Abgeordnete einzunehmen hatte, durch das Los bestimmt werden sollte.6 Gleichwohl gab es auch in der braunschweigischen Ständeversammlung eine liberale Opposition, die vom Juristen Karl Steinacker7 angeführt wurde.8 Aus den Ergänzungswahlen zum dritten Landtag (1839 bis 1842) ging diese jedoch geschwächt hervor.9 Die Sitzungsberichte des Landtages waren nach Maßgabe der Geschäftsordnung anonym gefasst. Statt Nennung der Namen der Redner und Antragssteller wur-

1 2 3 4 5 6 7

8 9

Commissionsbericht, S. 83. Commissionsbericht, S. 83. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI., S. 475. Vgl. Fimpel, Handbuch der niedersächischen Landtags- und Ständegeschichte, S. 172. Vgl. Fimpel, Handbuch der niedersächischen Landtags- und Ständegeschichte, S. 175. Vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 87. Karl Friedrich Heinrich Steinacker wurde 1801 geborgen und starb 1847. Er studierte von 1818 bis 1821 Rechtswissenschaften in Göttingen und begann anschließend eine Tätigkeit als Rechtsanwalt. 1833 wurde er in die braunschweigische Ständerversammlung gewählt und gehörte als liberaler Oppositionsführer allen vormärzlichen braunschweigischen Landtagen an. Von 1842 bis 1846 war er Präsident der Landesversammlung. Er galt als der bedeutenste braunschweigische Liberale in der Zeit des Vormärz; vgl. Scheel, Braunschweigisches Biopgraphisches Lexikon, S. 586. Vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung, S. 2. Vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung, S. 70.

https://doi.org/10.1515/9783110651485-006

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den diese im Protokoll nur mit großen Buchstaben erfasst, so dass eine Identifizierung der beteiligten Personen fast unmöglich war. Erschwerend kam hinzu, dass der benutzte Großbuchstabe nicht mit dem Anfangsbuchstaben des Familiennamens identisch war.10 Mehrere Anträge des Landtags, die namentliche Bezeichnung der Redner in den Protokollen einzuführen, wurden vom Staatsministerium abgelehnt.11 Erst mit der Zulassung von Zuhörern im Jahr 1848 ging der Wunsch der Abgeordneten auf Nennung der Namen der Redner und Antragsteller in Erfüllung.12

B) Die Beratungen zum Regierungsentwurf Die erste Beratung leiteten zwei Mitglieder der Kommission ein. Sie betonten die Notwendigkeit dieser Gesetzesinitiative für das Herzogtum Braunschweig, da „es an einer positiven Grundlage zur Beurtheilung der Strafrechtsfälle fast gänzlich fehle [...]“.13 Ferner verwiesen die Redner auf den bereits weit fortgeschrittenen strafrechtlichen Gesetzgebungsprozess in anderen deutschen Ländern, was ebenfalls zeige, dass nunmehr der richtige Zeitpunkt für ein neues Strafgesetz gekommen sei. Zum vorliegenden Regierungsentwurf wurde nochmals hervorgehoben, dass sich dieser „auf die Höhe der Wissenschaft gestellt habe“ und in legislatorischer Hinsicht sehr gelungen sei. Positiv an dem Entwurf sei insbesondere, dass er „eine glückliche Mittelstraße, gleich entfernt von zu großer Allgemeinheit und von einem zu tiefen Eingehen in das Detail [...]“ beschritten habe, was der Rechtsfortbildung durch die Wissenschaft ausreichend Spielraum lasse.14 Abschließend bemerkten die Kommissionsmitglieder, dass mit dem nun erfolgten Übergang zu einer neuen Strafgesetzgebung „die Revision unseres Criminalprocesses verbunden werden müsse, da die Normen desselben in gewisser Hinsicht wichtiger, als die des Strafrechts selbst wären [...]“.15 Aus diesem Grund bewerteten die Redner den gegenwärtigen Zustand als bedenklich, 10 11

12 13 14 15

Vgl. Fimpel, Handbuch der niedersächischen Landtags- und Ständegeschichte, S. 176. Anträge des Landtags zur Aufgebung der Anonymisierung vom 21. Juli 1833, 27. November 1833, 19. Januar 1837 und vom 07.Mai 1841 wurden jeweils vom Staatsministerium abgelehnt, vgl. Heinemann, Das Braunschweigische Criminalgesetzbuch von 1840, S. 87. Vgl. Fimpel, Handbuch der niedersächischen Landtags- und Ständegeschichte, S. 176. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI, S. 477. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI, S. 477. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI, S. 478.

Verhandlungen im Landtag

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erkannten aber an, dass vor einer Reform des Strafprozesses noch wesentliche Fragen über die richtige Ausgestaltung des Prozesses geklärt werden müssten.16

I. Allgemeiner Teil des Entwurfs Nach der Vorrede der beiden Kommissionsmitglieder begann die Spezialdebatte im Plenum über die einzelnen Paragraphen des Entwurfs nebst den Änderungsanträgen der Kommission. Die Beratungen zum Allgemeinen Teil verliefen sehr zügig, so dass bereits am 27. April 1840 – also nach nur 5 Sitzungstagen – dieser Bereich des Entwurfes abgeschlossen werden konnte.17 Meistens wurden der Regierungsentwurf und die hierzu korrespondierenden Änderungsanträge der Kommission ohne weitere Diskussion angenommen. Vereinzelt wurden Anträge gestellt, die aber keine Mehrheit fanden und zurückgewiesen wurden. Der Grund für den überaus schnellen Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens lag nach Ansicht von Zeitzeugen wie dem liberalen Oppositionsführer Steinacker in dem fehlenden Verständnis für das Thema und den nicht hinreichenden juristischen Kenntnissen des Großteils der Abgeordneten.18

1. Strafensystem Umstritten und Gegenstand einer heftigen Debatte im Landtag war vor allem das Strafensystem des Entwurfs und hier insbesondere die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Todesstrafe und die vorgesehene Arbeitspflicht für Gefängnisinsassen.

a) Todesstrafe Bereits einen Tag nach Beginn der Beratungen zum Regierungsentwurf stellte der liberale Oppositionsführer Steinacker19 den Antrag, § 7 des Entwurfs – der die Todesstrafe als zulässige Strafart festlegte – aufzuheben.20 Laut Steinacker war bereits die rechtliche Zulässigkeit der Todesstrafe nicht gegeben. Der Zweck der Strafe bestehe in der Erhaltung und Förderung der sittlichen Ordnung 16 17 18 19

20

Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI, S. 478. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI, S. 527. Vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung, S. 77. Die Identität des Antragsstellers konnte in diesem Fall über die persönlichen Aufzeichnungen Steinackers ermittelt werden; vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung, S. 77. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI, S. 490.

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im Staate und es sei bislang kein Beweis erbracht worden, dass dieser Zweck ohne Todesstrafe nicht erreicht werden könne.21 Ferner – so der Antragsteller – stelle das Recht auf Leben ein unveräußerliches Menschenrecht dar und sei daher mit keinem anderen Recht gleichzustellen. Insofern könne dieses Recht nicht auf den Staat übertragen werden. Die Unmöglichkeit der Revision eines Fehlurteils bei der Todesstrafe sei ein weiterer Grund für deren Abschaffung. Auch die Humanität verbiete diese Art der Strafe, da ihr Vollzug der „Tortur“ gleiche, die aber bereits aus dem Strafvollzug verbannt sei. Steinacker lehnte schließlich auch die Schlussfolgerung des Kommissionsgutachtens zur Todesstrafe ab, da „die Wiedervergeltung nicht dem menschlichen sondern nur dem göttlichen Strafamte zustehe, wenn nicht zugleich durch solche Wiedervergeltung ein anderer Zweck der Strafe, als Prävention, Abschreckung oder Besserung erreicht werde.“22

Dagegen wandte ein Redner ein, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der Todesstrafe nur aus der „positiven Religion“ entschieden werden könne und nach deren Grundsätzen sich die Frage erledigt habe.23 Nachhaltige Beweise für die Entbehrlichkeit dieser Strafart seien bislang nicht vorgebracht worden, insbesondere sei die Todesstrafe als Abschreckungsmittel weiterhin unentbehrlich. Mithin plädierte der Redner dafür, „große Sprünge“ in dieser Sache zu vermeiden und die Todesstrafe mit der Zeit sukzessive immer seltener anzuwenden bevor sie endgültig abgeschafft werden könne.24 Dieser Ansicht schloss sich auch der nächste Wortbeitrag an. Die „Verhältnisse der Zeit“ verböten gegenwärtig eine Abschaffung der Todesstrafe. Ziel müsse es danach sein, die Anwendung der Todesstrafe zu verringern, was durch den Entwurf mit dessen engem Anwendungsbereich dieser Strafart auch angestrebt werde. Das Prinzip der Widervergeltung bleibe ein notwendiger und natürlicher Akt der Gerechtigkeit, ohne den die sittliche Ordnung im Staate nicht aufrechterhalten werden könne.25

21 22 23 24 25

Verhandlungen S. 490. Verhandlungen S. 494. Verhandlungen S. 494. Verhandlungen S. 495. Verhandlungen S. 497.

der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLII, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLII, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLII, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLII,

Verhandlungen im Landtag

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Ein dritter Redner ergänzte, dass er an eine Besserung des Täters durch lebenslange Kettenhaft nicht glaube und daher dem Täter durch die Todesstrafe auch nicht die Möglichkeit der Besserung abgeschnitten werde. Die weiteren Redner votierten ebenfalls für die Beibehaltung der Todesstrafe nach der Maßgabe des Entwurfes. Sie beriefen sich auf die Volksansicht, welche die Todesstrafe für schwere Verbrechen als gerechtfertigt ansah und äußerten Befürchtungen, dass eine Abschaffung derselben die staatliche Ordnung gefährde.26 Für den Antrag Steinackers zur Abschaffung der Todesstrafe stimmten am Ende der Debatte nur 6 Abgeordnete, so dass der § 7 des Regierungsentwurfs vom Landtag angenommen wurde.27

b) Arbeitspflicht von Gefängnisinsassen Die im § 8e für Gefängnisinsassen angeordnete Arbeitspflicht rief im Plenum Kritik hervor, da insbesondere eine unangemessene Belastung für Gefängnisinsassen aus höheren Ständen befürchtet wurde.28 So wurde ausgeführt, dass bei der Gefängnisstrafe die Strafe nur im Freiheitsentzug bestehe. Der nunmehr festgelegte Arbeitszwang hätte daher ein zusätzliches Übel zur Folge, was besonders für bürgerliche Gefangene die Gefahr mit sich bringen würde, entwürdigende oder körperlich anstrengende Arbeiten verrichten zu müssen. Da diese Form der Freiheitsentziehung an Stelle der in anderen Ländern üblichen Festungshaft treten solle, müsse der Anwendungsbereich der Norm dahingehend eingeschränkt werden. Insbesondere dürfe – so ein weiterer Redner – die Auswahl der zu verrichtenden Arbeiten nicht der Willkür der Anstaltsleitung unterliegen. Höhere Stände müssten daher gegen „dergleiche Übergriffe der Vorsteher der Anstalt“ gesetzlich geschützt werden.29 Nach dieser Debatte beschloss der Landtag, der Kommission den Auftrag zu erteilen, „diesen Gegenstand in Erwägung zu ziehen und eventuell eine angemessen scheinende Aenderung der Versammlung vorzulegen“.30 Die Kommission schlug auf der Landtagssitzung am nächsten

26 27 28 29 30

Verhandlungen S. 500. Verhandlungen S. 502. Verhandlungen S. 485. Verhandlungen S. 485. Verhandlungen S. 485.

der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLII, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLII, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLI,

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Sechstes Kapitel

Tag eine geänderte Fassung des zweiten Absatzes von § 8e des Entwurfs vor, die von der Ständeversammlung genehmigt wurde.31

2. Wirkung des Rücktritts bei Teilnehmern Eine lebhafte Debatte herrschte über den Antrag, die in § 42 normierten Rechtsfolgen für einen Rücktritt von Teilnehmern dahingehend zu entschärfen, dass Teilnehmer und Gehilfen Straffreiheit erhalten und der Anstifter nur die Strafe erhalten sollte, die der Entwurf in diesem Fall für Teilnehmer und Gehilfen vorgesehen hatte.32 Die Regelungen des Entwurfs sahen für den Fall des Rücktritts von Teilnehmern lediglich Strafmilderungen, jedoch keine vollständige Straffreiheit vor. Nur bei einem Rücktritt und einer gleichzeitigen Anzeige der Tat gestattete der Entwurf für die Teilnehmer Straffreiheit. Der Antragsteller begründete seinen Antrag damit, dass die Reue vor dem Verbrechen begünstigt werden müsse, da es Aufgabe des Staates sei, Verbrechen in ihrer Entstehung zu verhindern.33 Unter Verweis auf Feuerbach forderte er, dass der Verbrecher durch seine Reue etwas gewinnen müsse, da ihn ansonsten die Gesetzgebung selbst zur Begehung der Tat hinziehe.34 Am Schluss seiner Begründung machte der Antragsteller darauf aufmerksam, dass die Gesetzgebungen der Länder Württemberg, Baden und Hannover die Anzeige der Tat bei der Obrigkeit nur alternativ neben den Rücktrittshandlungen als Bedingung für die Straflosigkeit der Teilnehmer normierten und keine Kumulation dieser Voraussetzungen forderten.35 Demgegenüber verteidigte der nachfolgende Abgeordnete die Regelung des Entwurfs, da trotz des Rücktritts eines Teilnehmers die Tat weiterhin ausgeführt

31

32 33 34 35

Die geänderte Fassung des zweiten Absatzes lautete: Zu Gefängnisstrafe Verurtheilte können wider ihren Willen weder zu öffentlichen noch zu solchen Arbeiten gebraucht werden, in deren Verrichtung nach ihren bürgerlichen Verhältnissen eine Erschwerung der Strafe für sie liegen würde, vgl. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLII, S. 502. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLII, S. 504. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII, S. 511. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII, S. 511. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII, S. 513.

Verhandlungen im Landtag

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werden könne und es daher gerechtfertigt sei, den Tatbeitrag des zurückgetretenen Teilnehmers – wenn auch strafmildernd – zu berücksichtigen.36 Dieser Ansicht schloss sich auch ein weiterer Redner an, der bekundete, dass der „Hauptpunkt“ die Nichtausführung des Verbrechens sei, was nur effektiv mit einer Anzeige des Verbrechens erreicht werden könne. Ohne eine solche Handlung, sei er „in einer gewissen Schuld verblieben“ und habe daher auch keinen Anspruch auf Strafbefreiung erworben.37 Ebenfalls ablehnend zum Antrag äußerte sich ein weiterer Wortbeitrag, der in diesem Zusammenhang auf den weiten Strafrahmen verwies, der es den Gerichten erlaube, die Schuld der zurückgetretenen Teilnehmer angemessen zu bestrafen.38 Der Antragsteller machte anschließend noch darauf aufmerksam, dass sein Antrag insbesondere jugendlichen Verbrechern helfe und diese von einem „verbrecherischen Lebenswandel“ zurückgehalten werden könnten. Er gestand ein, dass eine Verbrechensanzeige der effektivste Weg der Verbrechensvermeidung sei, glaubte aber nicht, dass dieser Weg häufig beschritten werde, da dem „so viele andere auf seine Genossen zu nehmende Rücksichten entgegenständen“.39 Am Ende der Debatte wurde der Antrag ohne Nennung von Minderheitsstimmen im Protokoll abgelehnt und der Vorschlag nebst dem Änderungsantrag der Kommission angenommen.40

3. Weitere Änderungsanträge Neben den größeren Debatten beantragte der Landtag – teils unter Aufhebung der Kommissionsvorschläge – Änderungen zu den nachfolgenden Vorschriften des Regierungsentwurfs.

36 37 38 39 40

Verhandlungen S. 513. Verhandlungen S. 514. Verhandlungen S. 515. Verhandlungen S. 515. Verhandlungen S. 516.

der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII,

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Sechstes Kapitel

a) Strafbare Mitwissenschaft (§ 46) Der Landtag kritisierte die Reichweite des Regelungsaspektes, der die unterlassene Anzeige sanktionierte, wenn – mit Wissen des Täters – gegen einen Unschuldigen eine Untersuchung eingeleitet wurde. Da die Untersuchung selbst noch kein Übel für den Unschuldigen darstelle, solle sich die Anzeigepflicht nicht mehr darauf erstrecken. Obwohl in der Debatte die praktischen Auswirkungen des Änderungsantrags als gering eingestuft wurden, da sich in der ursprünglichen Regelung die Untersuchung speziell gegen den Unschuldigen richten musste, wurde der Antrag angenommen.41

b) Zusammentreffen mehrerer Strafabsetzungs- oder wichtiger Milderungsgründe (§ 55) Durch die von der Kommission beantragten geänderten Fassungen des § 74 und § 137, welche in definierten Fällen die Anwendung des § 55 auch bei der Todesstrafe erlaubte, bestand im Landtag Einigkeit darüber, dass dies auch im Tatbestand des § 55 klargestellt werden müsse.42 § 55 Nr. 243 erstreckte sich bislang nach Ansicht des Antragstellers nur auf relative Strafen, wodurch eine Ungewissheit hervorgerufen werde, ob diese Ermächtigungsgrundlage auch für absolute Strafübel Anwendung finden könne. Um diese zu vermeiden, beantragte er eine Klarstellung der Vorschrift, die vom Landtag auch angenommen wurde.44

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Der angenommene Antrag zum § 46 des Entwurfs lautete wie folgt: Wer weiß, daß ein Unschuldiger wegen irgend eines Verbrechens zur Untersuchung und Haft gezogen, oder durch ein gerichtliches Erkenntnis zu einer Strafe verurtheilt, oder nur von der Instanz absolvirt ist, den Thäter kennt und nicht anzeigt, soll nach gleichen Grundsätzen bestraft werden, vgl. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLII, S. 505. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII, S. 517. § 55 Nr. 2 des Entwurfs von 1839: auf die zunächst folgende geringere Strafart bis zu deren längsten außerordentlichen Dauer zu erkennen, wenn die Strafherabsetzungsoder Milderungsgründe in einem Falle zusammentreffen, der schon mit der geringsten außerordentlichen Fauer der zu erkennenden Strafart bedrohet, oder durch die ganz ungewöhnliche Zahl und Wichtigkeit der Milderungsgründe die geringere Strafart gerechtfertigt ist. Gemäß dem Antrag sollten im § 55 Nr. 2 des Entwurfs vor den Worten „zu erkennen“ der Zusatz „jedoch statt Todesstrafe lebenslängliche Kettenstrafe oder zeitliche Kettenstrafe bis von jener Dauer“, vgl. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIII, S. 517.

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c) Verjährung (§ 64) Kurz debattiert wurde im Landtag die Berechtigung der Verjährungsregelung insgesamt, da dieser – so ein Redner – dem Prinzip der Wiedervergeltung widerspreche, da der Verbrecher auch nach Ablauf eines längeren Zeitraums für seine Tat „seinen Lohn empfangen“ müsse.45 Die anschließenden Wortbeiträge verteidigten das Prinzip der Verjährung und verwiesen darauf, dass durch den Zeitablauf sowohl der „Anschuldigungsbeweis“ als auch der „Entschuldigungsbeweis“ schwer falle.46 Neben der Diskussion dieser grundsätzlichen Fragen beschloss der Landtag eine redaktionelle Änderung des Tatbestands.47

II. Besonderer Teil Im Besonderen Teil standen die Öffentlichen Verbrechen im Zentrum der Verhandlungen und dort insbesondere die politischen Straftaten. In den Debatten äußerte die liberale Opposition unter Steinacker generell Vorbehalte gegen die vorgeschlagene Höhe der Strafen für Verbrechen gegen die Staatsgewalt. Diese wären nach Ansicht Steinackers in der vorgeschlagenen Strenge nur gerechtfertigt, wenn die Staatseinrichtungen so organisiert seien, dass das Volk seine gerechten Forderungen auf gesetzlichem Wege erreichen könnte.48 Nur in diesem Fall sei ein Angriff auf den Staat tatsächlich ein Angriff auf die Freiheit und müsste entsprechend hart sanktioniert werden. Die gegenwärtigen Verhältnisse im Herzogtum ließen nach Ansicht Steinackers einen solchen Rückschluss jedoch nicht zu. Aufgrund der für die liberale Opposition aussichtslosen Mehrheitsverhältnisse verzichtete er aber darauf, gegen die betreffenden Paragraphen Anträge zu stellen, sondern stimmte stattdessen gegen jede einzelne Norm.49 Die Verhandlungen über den Besonderen Teil begannen direkt im Anschluss an die Debatten zum Allgemeinen Teil am 27. April 1840.50 Sie verliefen ebenfalls 45 46 47

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Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 525. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 525. Gemäß dem angenommenen Antrag, sollten zu Beginn des § 64 die Worte „durch Ablauf der Zeit erlischt die Strafbarkeit“ gestrichen werden, da diese mit dem vorletzten Absatz nicht übereinstimmten, der die Todesstrafe von der Verjährung ausschloss, vgl. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 526. Vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständerversammlung, S. 78. Vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständerversammlung, S. 78. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 527.

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sehr zügig und wurden nach 8 Verhandlungstagen mit der Sitzung am 5. Mai 1840 abgeschlossen.51 Insgesamt stellte der Landtag für den Besonderen Teil des Regierungsentwurfes 28 Änderungsanträge, wobei aber eine Mehrzahl dieser Anträge nur redaktionellen Charakter hatte bzw. nur Bagatellen betraf.52 Mithin handelte es sich bei der Mehrzahl der Anträge um Ergänzungen oder Klarstellungen zu den bereits bestehenden Änderungsanträgen der Kommission.53 Lediglich bei 8 Änderungsanträgen der Kommission beschloss die Ständeversammlung deren vollständige Aufhebung.54

1. Öffentliche Verbrechen Bei den Debatten des Landtags über die Öffentlichen Verbrechen im Regierungsentwurf stand besonders die vorgeschlagene Strafhöhe einzelner Vorschriften im Vordergrund. Allerdings mündeten nur wenige dieser Auseinandersetzungen in konkreten Änderungsanträgen, da meistens die hierfür notwendige Mehrheit verfehlt wurde.

a) Debatte über den § 91 (Aufruhr dritten Grades) Eine intensive Auseinandersetzung entsprang über die eher unbedeutende Vorschrift des § 91, die bei einem freiwillig bzw. sofort auf Anordnung aufgelösten Aufruhr für die verantwortlichen Anstifter oder Aufrührer eine Gefängnisstrafe über einem Jahr vorsah. Diese Strafdrohung war nach Ansicht vieler Abgeordneter zu hoch, da sie dem Gedanken der tätigen Reue nicht entsprach.55 Zudem wurde gefordert, unterschiedliche Strafmaße zu bestimmen, je nachdem, ob die Auflösung freiwillig oder durch Einschreiten der Obrigkeit erfolgte. Der Forderung nach einer geringen Strafe widersprachen mehrere Redner und verwiesen darauf, dass die Strafe ohnehin nur die Aufrührer bzw. Anstifter treffen sollte und die übrigen Teilnehmer straflos blieben. Zudem müsse bei der Straffindung auch die gefährliche Eigendynamik dieser Menschenversammlungen berücksichtigt werden, zumal deren Auflösung in den meisten Fällen auch 51 52 53 54 55

Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. LI, S. 617. Schreiben der Ständeversammlung an das Staatsministerium vom 5. Mai 1840, Anlage II zum Protokoll Nr. LI, S. 4–14. Schreiben der Ständeversammlung an das Staatsministerium vom 5. Mai 1840, Anlage II zum Protokoll Nr. LI, S. 1. Schreiben der Ständeversammlung an das Staatsministerium vom 5. Mai 1840, Anlage II zum Protokoll Nr. LI, S. 14. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLV, S. 536.

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nicht mehr vom Willen dieser Protagonisten abhänge, sondern von der „Abneigung der Menge“, ihnen weiter zu folgen.56 Die Vertreter der Forderung beantragten, im Falle eines freiwilligen Zurücktretens, die Strafe auf Gefängnis bis zu einem Jahr festzusetzen.57 Bei einem Abstimmungsverhältnis von 21 zu 21 entschied der Präsident sich gegen den Antrag.58 Für einen Hilfsantrag, der eine Mindeststrafe von 3 Monaten Gefängnis vorsah, stimmten nur 18 Abgeordnete.59

b) Weitere Tatbestände Die Regelung des Burgfriedensbruchs (§ 98), wurde von einigen Rednern als zu hart empfunden. So befürchtete ein Redner, dass die Strafe auch Personen treffen könnte, die „nur zur Befriedigung ihrer Neugier das Residenzschloß oder dessen Bezirk betreten hätten [...]“, oder lediglich dort eingedrungen seien um „dem Landesfürsten persönlich ein Gesuch zu überreichen [...]“.60 Um für diese Fälle, die – so der Redner – „keineswegs außerordentlicher Art, sondern aus dem Leben gegriffen (waren)“, eine unangemessene Bestrafung zu verhindern, sollte die Mindeststrafe in § 98 auf bis zu sechs Monate Gefängnis begrenzt werden.61 Dieser Antrag traf im Plenum auf nur geringe Zustimmung. So wurde insbesondere auf den vorgeschlagenen Strafrahmen des Entwurfs verwiesen, wodurch auch die genannten Fälle mit geringer Schuld im Rahmen der Strafzumessung angemessen berücksichtig werden könnten. Zudem ständen die Bestimmungen des Burgfriedenbruchs in „vollkommener Harmonie“ zur Vorschrift des § 172 (Störung des Hausfriedens).62 Beim § 100 (Widersetzlichkeit und Thätlichkeiten gegen die Obrigkeit) beantragte ein Abgeordneter die Gleichstellung der Strafdrohung für Tätlichkeiten 56 57 58 59 60 61 62

Verhandlungen S. 537. Verhandlungen S. 537. Verhandlungen S. 538. Verhandlungen S. 538. Verhandlungen S. 539. Verhandlungen S. 540. Verhandlungen S. 540.

der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLV, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLV, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLV, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLV, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLV, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLV, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLV,

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gegen Offiziere mit der Strafdrohung für Tätlichkeiten gegen Schildwachen, die der Entwurf strenger ausgestaltet hatte.63

c) Inhaltliche Änderungsanträge aa) Revision des Reziprozitätsprinzips (§ 79) Die Diskussionen um die Frage nach der Rechtmäßigkeit des im § 79 verankerten Reziprozitätsprinzips für die Straftaten des Hochverrats und Landesverrats knüpften an die Uneinigkeit in der Kommission über diesen Aspekt an. Bezugnehmend auf das Minderheitsvotum forderte der erste Redner die Revision des Reziprozitätsprinizips im § 79 und stellte einen entsprechenden Antrag.64 Diesem Antrag schlossen sich im Verlauf der Debatte mehrere Redner an. Kritisiert wurde insbesondere, dass das Reziprozitätsprinzip nach § 79 zu großen Rechtsungleichheiten führte, da das gleiche Verbrechen – letztlich zufällig – unterschiedlich hart bestraft würde.65 Auch bestehe die behauptete Schutzwirkung des Reziprozitätsprinzips tatsächlich nur sehr eingeschränkt, da außer dem Württembergischen Strafgesetzbuch nur noch die Entwürfe des Großherzogtums Hessen und des Königreich Hannovers diesen Grundsatz befolgten.66 Letztlich könne die Todesstrafe als Höchststrafe nur durch einen Angriff auf den eigenen Landesfürsten gerechtfertigt werden, da dessen Person gemäß der Verfassung heilig und

63

64

65 66

Die Gleichstellung sei notwendig, um den Offizieren „in der Ausübung ihres Dienstes gegen Gewaltthätigkeiten und Beleidigungen einen wirksamen Schutz zu gewähren.“ Die Gefährdungslage von Schildwachen und Offizieren, welche polizeiliche Maßregeln unterstützten, sei in jeder Hinsicht vergleichbar. Zudem sei dieser Teil der Dienstpflicht „widerwärtig und dornenvoll“ und verdiene daher auch eine entsprechende strafrechtliche Anerkennung. Der Antrag traf überwiegend auf Ablehnung im Plenum. Ein Wortbeitrag bezweifelte die Schutzwirkung eines um ein halbes Jahr angehobenen Strafminimums. Mithin wurde insgesamt eine höhere Gefährdung von Offizieren beim Einsatz im Innern bestritten, da diese in der Regel „eine Patrouille oder ein Detachement“ an ihrer Seite hätten und daher auch der Vergleich zur Schildwache fehlgeleitet sei. Der Antrag fand anschließend auch keine Mehrheit in der Ständeversammlung, vgl. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLV, S. 543. Konkret lautete der Antrag in den Zeilen 3, 4 und 5 des § 79 die Worte: „mit der Strafe des Hochverraths – sonst aber“ zu streichen, Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 529. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 529. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 529.

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unverletzlich sei. Diese Schutzgutqualität erfülle ein ausländischer Regent jedoch nicht.67 Nur ein Befürworter des Entwurfs bekundete, dass es letztlich um die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung in den verschiedenen Staaten gehe, die nur durch „Gleichheit derartiger gesetzlicher Regelungen erreicht werde [...]“.68 Der Änderungsantrag wurde schließlich vom Landtag mit „großer Majorität“ angenommen.69 bb) Beleidigung der Landesregierung (§ 108) Ein Redner verlangte den Wiedereintritt in die Debatte über den – bereits vom Landtag bestätigten – § 108 in der Kommissionsfassung. Die Norm bedürfe der Klarstellung, dass die Beleidigung öffentlich erfolgen müsse. Auch werde aus der vorgeschlagenen Fassung der Kommission nicht deutlich, dass ehrverletzende Eingaben an Behörden ebenfalls als tatbestandlich zu bewerten seien. Der Antrag70 traf auf breite Zustimmung. Ein weiterer Redner konstatierte, dass § 108 des Regierungsentwurfes letztlich auf dem § 2 des Gesetzes vom 23. Februar 1837 beruhe und dieses ebenfalls nur öffentliche Beleidigungen sanktioniere.71 Dies sei auch notwendig, da ansonsten „eine Äußerung, die im vertrauten Kreise gefallen, und die nicht viel mehr als ein Gedanke gewesen wäre [...]“, kriminalisiert würde.72 Ein Abgeordneter lehnte das Erfordernis der Öffentlichkeit ab, da die Regierung eine „moralische Person bilde“ und eine „Injurie gegen diese in gleichem Maße

67 68 69 70

71 72

Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 531. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 530. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIV, S. 531. Der Antrag zum § 108 schlug folgende Fassung vor: Wer die Ehrerbietung gegen die Landesregierung öffentlich, sei es mündlich, oder in verbreiteten Schriften, oder Bildwerken, oder aber auch in Eingaben an eine Behörde, oder mündlich in Gegenwart einer Behörde, durch Erdichtung oder Entstellung von Thatsachen, oder durch ehrenkränkende Worte oder Handlungen verletzt, soll [...], vgl. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI, S. 553. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI, S. 554. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI, S. 554.

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als eine physische Person privatim begangen werden könne“.73 Im Übrigen zweifelte der Redner an einer Zustimmung des Staatsministeriums zu dieser Beschränkung.74 Trotzdem wurde der Änderungsantrag von der Ständeversammlung angenommen.75 cc) Verbreitung falschen Geldes (§ 121) Die weite Fassung des Tatbestands vom § 121 rief in der Ständeversammlung Bedenken hervor. Ein Redner äußerte die Befürchtung, dass „in nicht gar langer Zeit die meisten Einwohner des Herzogthums in die Gefängnisse gesteckt sein würden [...]“, da sich sehr viele verringerte – also verfälschte – Münzen im Umlauf befänden.76 Eine weitere Stimme gab zu bedenken, dass mit verringertem Silbergeld auch größere Handelsgeschäfte im Herzogtum getätigt würden, die ebenfalls nach dem Wortlaut des Entwurfs bestraft werden müssten. Die Verunsicherung bzw. Kriminalisierung des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs könne aber nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen sein.77 Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde darüber Einigkeit erzielt, dass erreicht werden müsse, Metallmünzen, die entweder durch Gebrauch oder durch die Industrie in ihrem Gewicht verringert seien, aus dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift auszuschließen.78 Die Ständeversammlung beauftragte daraufhin die Kommission, eine geänderte Fassung dieser Norm vorzubereiten.79

73 74 75 76 77 78 79

Verhandlungen S. 554. Verhandlungen S. 554. Verhandlungen S. 555. Verhandlungen S. 557. Verhandlungen S. 557. Verhandlungen S. 558. Verhandlungen S. 559.

der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI, der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVI,

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Am nachfolgenden Sitzungstag legte die Kommission dem Plenum ihren Vorschlag für eine Neukonzeption des § 121 vor.80 Zur besseren Übersichtlichkeit schlug die Kommission eine Aufteilung dieser Vorschrift in zwei Paragraphen vor, wobei hierdurch zwischen der Verbreitung ohne und mit Einverständnis des Falschmünzers differenziert wurde.81 Die vorgeschlagene Neufassung der Kommission traf auf breite Zustimmung in der Ständeversammlung. Insbesondere das nunmehr explizit unter Strafe gestellte gewerbsmäßige „Einwechseln und Auswechseln schlechter Münzen“ wurde von den Rednern positiv bewertet.82 Der korrespondierende Änderungsantrag wurde vom Landtag dann auch angenommen.83

2. Privatverbrechen Die Verhandlungen über die im Regierungsentwurf vorgeschlagene Ausgestaltung der Privatverbrechen waren deutlich weniger konfliktträchtig als die politisch behafteten Öffentlichen Verbrechen. Größere Auseinandersetzungen im Plenum gab es insbesondere zu einzelnen Sittlichkeits- und Vermögensdelikten, was wenig verwunderlich erscheint, da diese Delikte damals in der öffentlichen Wahrnehmung eine große Rolle einnahmen.84

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81 82 83 84

Der Kommissionsvorschlag für den § 120 a hatte folgenden Wortlaut: 1) Im Einverständnisse mit dem Flaschmünzern oder Münzverfälschern. Wer im Einverständnisse mit den Falschmünzern oder Münzverfälschern falsches oder verfälschtes Geld wissentlich in Umlauf setzt, soll einem Falschmünzer oder Münzverfälscher gleich bestraft werden. Der Kommissionsvorschlag für den (geänderten) § 121 hatte folgenden Wortlaut: 2) Ohne solches Einverständnis. Wer, ohne Einverständnis mit den Falschmünzern oder Münzverfälschern, falsches oder verfälschtes Geld wissentlich ausgiebt, wird, falls er selbiges in gewinnsüchtiger Absicht an sich gebracht, mit der Strafe der Münzverfälschung (§ 120.) belegt. Lag dem Erwerbe eine gewinnsüchtige Absicht nicht zum Grunde, so ist nur das wissentliche Ausgeben falschen oder durch Veränderung des Stempels oder der Bezeichnung verfälschten Metall-, so wie das wissentliche Ausgeben falschen oder verfälschten Papier-Geldes, und zwar, wenn die ausgebene Summe 15 Taler übersteigt, mit Zwangsarbeit bis zu einem Jahre, sonst mit Gefängnis bis von sechs Monaten oder verhältnisßmäßiger Geldstrafe zu bestrafen. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 562. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 563. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 564. Vgl. Kaiser, Kriminologie, S. 381.

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a) Sittlichkeitsverbrechen Bei den Verhandlungen zu den Sittlichkeitsverbrechen wurde von einem Abgeordneten zunächst das Vorgehen der Kommission kritisiert, für bestimmte Sittlichkeitsverbrechen eine höhere Höchststrafe zu beantragen. Der Redner bezweifelte, dass durch eine solche Maßnahme der angestrebte Zweck, die „Sittlichkeit zu befördern“, erreicht werden könne.85 Ein weiterer Redner verwies auf die Strafdrohungen neuerer Gesetzbücher, die sich auf dem Strafenniveau des Entwurfs bewegten, weshalb die beantragte Straferhöhung entbehrlich erscheine.86 Gleichwohl stellte das Plenum keinen Aufhebungsantrag zum Kommissionsvorschlag, da deren Antrag nur die Erhöhung des Strafmaximums und nicht des Strafminimums betraf und somit die tatsächlichen Auswirkungen dieses Änderungsantrags von den meisten Rednern als praktisch unbedeutend eingestuft wurden.87 Ein weiterer Redner brachte zu Beginn einer zweiten Debatte seinen Unmut zur Sprache, dass der Regierungsentwurf das „Concubinat und Hurerei“ nur als polizeilich zu ahndende Vergehen betrachtete.88 Nach Auffassung des Redners hätten diese Handlungen als Verbrechen eingestuft werden müssen, zumal die fehlende Bestrafung am Ende zwangsläufig zu einem Sittenverfall führe. Um diesem zu begegnen, stellte der Redner an das Staatsministerium den allgemeinen Antrag: „daß sie durch anzuwendende Abschreckungsmittel dieser mehr und mehr einreißenden Verderbniß Einhalt thun möge“.89 Dieser Antrag fand durchaus Zustimmung im Plenum. Insbesondere der Wunsch „der Sittenverderbniß Einhalt zu thun [...]“, traf auf Anerkennung.90 Allerdings wurde vielfach bezweifelt, dass mit generell höheren Strafen der angestrebte Zweck erreicht würde. Zudem verwies eine weitere Stimme auf die Möglichkeit der Polizeibehörden, in Besserungsanstalten positiven Einfluss auf

85 86 87 88 89 90

Verhandlungen der S. 567. Verhandlungen der S. 568. Verhandlungen der S. 568. Verhandlungen der S. 568. Verhandlungen der S. 569. Verhandlungen der S. 570.

Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII,

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die der „Liederlichkeit bezüchtigten Weibspersonen“ zu nehmen.91 Die meisten Opponenten erkannten aber keinen Sinn darin, dem Staatsministerium einen allgemein gehaltenen Handlungsauftrag zu geben. In diesem Zusammenhang bekundete ein Abgeordneter, dass es zu Nichts führen werde, wenn „die Versammlung allgemeine Betrachtungen darüber aufstelle, worauf man die Erwiderung der Herzogl. Regierung sich vorhersagen könne“.92 Der Antrag wurde mit 19 Neinstimmen bei 39 anwesenden Abgeordneten abgelehnt.93

b) Inhaltliche Änderungsanträge aa) Diebstahl Über den Diebstahlstatbestand wurde in der Versammlung intensiv gestritten. Ein erster Streitpunkt war der Antrag der Kommission, den Hausdiebstahl (§ 204 III 4) F.94 bis zu einer Schadensschwelle von 15 Reichstalern als Antragsdelikt einzustufen. Diese hohe Schwelle rief im Plenum Kritik hervor. Einige Redner äußerten die Befürchtung, dass dadurch die Zahl der Hausdiebstähle ansteige, da die Dienstherren häufig die Anzeige des Diebstahls scheuen würden.95 Ferner wurde angenommen, dass die hohe Schwellengrenze letztlich dazu führe, dass das „Verbrechen des Hausdiebstahls viel gleichgültiger angesehen werde [...]“.96 Ein Kommissionsmitglied verwies dagegen darauf, dass die Schwelle nicht zur Straflosigkeit des Hausdiebstahls führe, sondern dem Dienstherren die Möglichkeit eröffne zu prüfen, „ob die Sache auf andere Weise besser abgethan werde“.97 Ein Redner stimmte dem Antrag der Kommission grundsätzlich zu, da er es für nachteilig hielt, wenn wegen jedes Hausdiebstahls eine Untersu-

91 92 93 94

95 96 97

Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 570. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 571. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 571. § 204 III 4) F. des Entwurfs von 1839: wenn eine Person bestohlen ist, in deren Kost oder Lohn der Dieb als Commis, Lehrling, Dienstbote, Geselle, Lehrjunge, Fabrikarbeiter oder in einem anderen Verhältnisse steht, oder ein Angehöriger jener Person, der mit ihr in derselben häuslichen Gemeinschaft lebt. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 575. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 574. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 573.

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chung von Amtswegen eingeleitet werden müsse. Gleichwohl stellte er den Antrag, die Schwelle auf 5 Reichstaler herabzusetzen, da „die Strafen und Besserungsmittel, welche die Dienstherrenschaft eintreten lassen könne, nur bei den geringern Vergehen als angemessen zu bestrafen wären“.98 Diese vorgeschlagene Änderung des Kommissionsantrags wurde von der Ständeversammlung mit großer Mehrheit angenommen.99 Am darauffolgenden Sitzungstag beantragte ein Abgeordneter die Wiederaufnahme der Verhandlungen zum Diebstahlstatbestand.100 Er äußerte Bedenken über die konkrete Auslegung des § 204 I, der den Diebstahl mit Waffen sanktionierte und bei der Rechtsfolge auf die Strafbestimmungen des Raubes (§ 168)101 verwies. Er stellte die Frage, ob bei der Bestrafung die Bewaffnung gleichzeitig auch als Qualifikationsgrund für § 168 bewertet werden müsse. Der Redner verneinte dies, da das Waffentragen beim Diebstahl die Bedingung für die Anwendung des Strafenregimes des § 168 sei und „es nicht consequent sei, diese Bedingung zugleich als Erschwerungsgrund anzusehen“.102 Innerhalb der Versammlung teilten die meisten Redner die Bedenken, zumal hiervon – neben dem Vorliegen weiterer Qualifikationen – die Frage abhing, ob dem Täter über 98

Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 574. 99 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVII, S. 575 100 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 578 101 § 168 des Entwurfs von 1839: Wer Gewalt an einer Person verübt oder sie gefährlich bedroht, um zu stehlen, soll folgende Strafen erleiden: I. Kettenstrafe über zehn Jahre, A. wenn der räuberische Angriff lebensgefährlich war, oder der Angegriffene gepeinigt ist, B. wenn wenigstens drei der nachstehend unter Nr. 1 bis 5 aufgeführten Umstände zusammentreffen, nämlich 1) wenn Mehrere sich zu der That verbunden haben; 2) der Überfall zu Nachtzeit oder 3) mit Eindringen in eine Wohnung oder den dazu gehörigen geschlossenen Bezirk (§ 205.) 4) mit Waffen (§ 73.) oder 5) mit Unkenntlichmachen der Thäter durch Anschwärzen, Vermummen und dergleichen geschehen ist, II. Kettenstrafe bis von zehn Jahren, wenn nur zwei der vorstehend unter Nr. 1 bis 5 aufgeführten Umstände zusammentreffen, III. Zuchthaus in anderen Fällen. Hat der Räuber seinen verbrecherischen Zweck erreicht, so ist die Strafe um so strenger zuzumessen. 102 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 578.

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zehn Jahre Kettenhaft oder bis zu zehn Jahren Kettenstrafe als Rechtsfolge traf.103 Entsprechend forderte der Landtag die Kommission auf, der Versammlung eine Ergänzung des § 204 vorzulegen, die diese Zweifel löse.104 Die Kommission entschied sich am nächsten Sitzungstag, der restriktiven Auslegung zu folgen, die das Waffentragen nicht als Qualifikation beim § 168 ansah.105 Es sollte ferner in Erfahrung gebracht werden, ob das Staatsministerium diese Auslegung teilte und gleichzeitig durch eine Abänderung des § 204 I deutlicher gemacht werden, dass auch beim Diebstahl die Abstufungen des § 168 zu beachten seien.106 bb) Wirtschaftsdelikte An dem Regierungsentwurf zu den Wirtschaftsdelikten Wucher (§§ 213–214) und Bankrott (§§ 215–218) sah die Ständeversammlung Verbesserungsbedarf, der über die Vorschläge der Kommission hinausging. Zunächst beantragte ein Abgeordneter bei den beiden Wuchertatbeständen jeweils die Streichung der Schlusssätze, die einen Verfall des unrechtmäßigen Gewinns zugunsten der Ortsarmenkasse vorsahen.107 Diese Schlussätze betrachtete der Antragsteller als überflüssig, da ein Wuchergeschäft keine Verbindlichkeit begründe und somit der Gewinn vom Opfer zurückgefordert werden könne.108 Die diesbezüglichen Anträge wurden ohne weitere Aussprache vom Landtag angenommen.109 Beim Tatbestand des gemeinen Wuchers (§ 214) diskutierte die Ständeversammlung über die gängigen Zinssätze im Herzogtum Braunschweig. Die Diskrepanz

103 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 578. 104 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 579. 105 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIX , S. 592 106 Die Kommission beantragte den Anfang der Fassung des § 204 I wie folgt zu ändern: I. mit Kettentrafe über 10 Jahre oder bis von 10 Jahren, oder Zuchthaus nach Maßgabe der [...], vgl. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIX, S. 592. 107 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 582. 108 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 582. 109 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 582.

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zwischen dem gesetzlich erlaubten Zinssatz von 5% und dem bei Handelsgeschäften üblichen Zinssatz von 6% rief bei einigen Abgeordneten die Befürchtung hervor, dass letztere Geschäfte als strafbar eingestuft werden könnten.110 Zwecks Klarstellung wurde daher beantragt, einen Zusatz einzuführen, wonach die Strafbestimmungen wegen Wucher auf kaufmännische Geschäfte keine Anwendung finden sollten.111 Auch dieser Antrag fand eine Mehrheit in der Ständeversammlung.112 Zum betrügerischen Bankrott (§ 215) bemerkte ein Abgeordneter, dass der Regierungsentwurf Unklarheiten bezüglich des tatbestandlichen Schadens aufweise. So werde insbesondere nicht deutlich, ob sich der Schaden aus der Differenz des Aktiv- und Passivvermögens konstituiere, oder nur derjenige Schaden als tatbestandlich bewertet werde, der den Gläubigern durch einzelne betrügerische Handlungen zugefügt sei.113 Zudem müssten beim Schaden auch Fälle erfasst werden, in den der „Kaufmann seine Bücher verborgen oder vertilgt hätte [...]“, da so keine Schadensermittlung stattfinden könne.114 Da der Entwurf keine solchen Unterscheidungen vorsah, wurde die Kommission mit der Prüfung der Vorbehalte vom Landtag beauftragt.115 Die Kommission schlug am nachfolgenden Sitzungstag eine Neufassung des § 215 vor, die tatbestandlich zwischen Handlungen differenzierte, bei denen der Gesamtschaden als tatbestandlich bewertet wurde und solchen, wo nur der Schaden der jeweiligen Handlung sanktioniert wurde.116 Dieser Vorschlag fand im Landtag Zustimmung.117

110 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 583. 111 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 583. 112 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 583. 113 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 584. 114 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 584. 115 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 584. 116 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIX, S. 593. 117 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIX, S. 594.

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Anschließend beschloss der Landtag, dass diese neue Systematik auch für den § 216 (Mutwilliger Bankrott) gelten müsse.118 Überdies kritisierten einige Abgeordnete das Tatbestandsmerkmal der jährlichen Bilanzierung. Dies sei in vielen Branchen unüblich. Als Beispiel nannten die Redner „ManufacturwarenHandlungen“ und Wechselhäuser, die nur alle zwei Jahre Bilanz ziehen würden. Ein Abgeordneter bemerkte, dass selbst beim herzoglichen Leihhaus „sogar nur alle drei Jahre dies Geschäft vorgenommen werde“.119 Nach diesen Schilderungen stellte der Landtag das Erfordernis der jährlichen Bilanzierung auf einen zweijährigen Turnus um.120

3. Amtsverbrechen Die Verhandlungen über die Amtsverbrechen erstreckten sich über drei Sitzungstage. Schwerpunkt der Auseinandersetzungen im Plenum waren die Tatbestände der Bestechung (§ 237) und der Rechtswidrigen Verlängerung der Haft (§ 252), die auch in entsprechenden Änderungsanträgen mündeten.

a) Religiöse Redefreiheit Eine Auseinandersetzung über die Reichweite der Meinungsfreiheit kirchlicher Würdenträger entzündete sich bei den Verhandlungen über den § 261, der die Strafbarkeit von Kirchendienern regelte. Ein Abgeordneter beantragte die Streichung der Nr. 2 dieses Paragraphen, der die Schmähung und ehrenrührige Beschuldigung bestehender Religionsgesellschaften sanktionierte. In dieser Bestimmung sah er eine Gefährdung der Redefreiheit der evangelischen Kirche, womit „das Palladium des evangelischen Glaubens vernichtet werde“.121 Auch würde die Feier des Reformationsfestes durch dieses Strafgesetz nachhaltig beeinträchtig werden, da es bei dieser Feier nicht möglich sei, „die Schattenseite der katholischen Kirche unberührt zu lassen“.122 Diese Rechtsauffassung traf in der Ständeversammlung auf kein Verständnis. Die evangelische Glaubensverkündung sei durch die bestehende Redefreiheit ausreichend geschützt. Zudem dürfe das „Recht zu Schmähungen und ehrenrührigen Beschuldigungen von Niemandem und am wenigsten von der Kirche in Anspruch genommen werden 118 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIX, S. 594. 119 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 585. 120 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLVIII, S. 585. 121 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 610. 122 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 610.

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[...]“.123 Nach der Debatte zog der Abgeordnete seinen Antrag auf Streichung der Nr. 2 zurück und der Landtag bestätigte den Regierungsentwurf zum § 261.124

b) Inhaltliche Änderungsanträge aa) Bestechung 125

Oppositionsführer Steinacker beantragte in der Sitzung vom 2. Mai 1840 die Streichung des zweiten Absatzes des § 237, der die unterlassene Anzeige einer versuchten Bestechung durch den Beamten mit vier Wochen Gefängnis oder verhältnismäßiger Geldstrafe sanktionierte. Eine solche „Denunciationspflicht“ führe zu einer nicht mehr hinnehmbaren Ausweitung der Strafbarkeit.126 Ferner würde dieser Straftatbestand besonders die Arbeit von Anwälten beeinträchtigen, da es häufig vorkomme, dass der „Gegner seines Clienten mit der Versicherung, dass es des Anwaltes Schaden nicht seien solle, um eine Nachsicht gebeten hätte“.127 Nach Auffassung Steinackers wäre der Anwalt in diesen Fällen verpflichtet gewesen, dies als versuchte Bestechung anzuzeigen. Nach einer kurzen Debatte, in der sich die Redner mehrheitlich unter Berufung auf die Wahrung des öffentlichen Interesses für die Beibehaltung des zweiten Absatzes aussprachen, wurde der Antrag abgelehnt.128 Am nachfolgenden Sitzungstag beantragte Steinacker erfolgreich die Wiederaufnahme der Verhandlungen zum § 237 und ergänzte seine Begründung für die beabsichtigte Streichung.129 Hierbei betonte er nochmals, dass die Nachteile der Anzeigepflicht mögliche positive Auswirkungen überträfen. So seien die in dieser Norm sanktionierten „groben Bestechungen“ im tatsächlichen Geschäftsleben eine „gänzlich unpraktische Materie“.130 Zudem treffe die Bestimmung insbesondere die redlichen Beamten, die eine Bestechung zurückwiesen. Gleichzeitig zwinge diese Vorschrift, sich der Gefahr einer Verleumdungsklage auszusetzen, wenn „die Untersuchung

123 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 611. 124 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 611. 125 Trotz Anonymisierung ist Steinacker als Urheber dieses Antrages aufgrund seiner persönlichen Aufzeichnungen bekannt; vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung, S. 77. 126 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIX, S. 600. 127 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIX, S. 600. 128 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. XLIX, S. 600. 129 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 604. 130 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 604.

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die Ueberführung des Angeschuldigten nicht zu Folge hätte [...]“.131 In der daran anknüpfenden Debatte gab es nur noch vereinzelt Befürworter für die Beibehaltung der Vorschrift, die im Wesentlichen die behauptete Härte der Norm bestritten. Größtenteils sprachen sich die Redner für die Streichung des angegriffenen Absatzes aus. Insbesondere wurde in den Wortbeiträgen auf die fehlende Relevanz und die praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung einer solchen Anzeigepflicht verwiesen.132 Schließlich wurde der Streichungsantrag Steinackers mit großer Mehrheit angenommen.133 bb) Rechtwidrige Verlängerung der Haft Beim Tatbestand der rechtswidrigen Verlängerung der Haft (§ 252) regte sich zunächst Kritik im Plenum an der Regelung, dass Vorsteher Gefangene nicht über die festgesetzte Zeit in der Anstalt festhalten durften. Ein Abgeordneter hielt die Bestimmung des Entwurfs für unzureichend, da es noch häufig vorkomme, dass Gefangene nach Ablauf der Haftzeit an Behörden überstellt werden müssten und die Wartezeit für solche Transporte unter Umständen die Tatbestandsvoraussetzung erfülle. Um solche unerwünschten Folgen auszuschließen, beantragte der Abgeordnete die Aufnahme eines Zeitfensters von 24 Stunden, in dem die Gefangenen auch nach Ablauf der Haftzeit festgehalten werden könnten.134 Ein weiterer Redner beantragte zusätzlich die Einschränkung „ohne gegründete Ursache“ aufzunehmen.135 In den anschließenden Verhandlungen zu den beiden Anträgen sah die Mehrheit der Wortbeiträge das beantragte Zeitfenster von 24 Stunden für unangemessen, da insbesondere Fälle denkbar seien, dass „jemand etwa wegen ungebührlichen Betragens vor Gericht auf 6 Stunden in das Gefängniß geschickt wäre, und außerdem noch 24 Stunden daselbst zubringen müsste“.136 Der erste Antrag fand in der Ständeversammlung folglich auch keine Mehrheit, während der beantragten Einschränkung des Tatbestands zugestimmt wurde.137 Nach Abschluss dieser Debatte äußerte ein Mitglied des Landtags Bedenken, dass § 252 die bewusste Verschleppung der Ermittlungsarbeit mit der Folge einer unzulässigen Ausdehnung der Untersuchungshaft nicht berücksichtige.138 131 132 133 134 135 136 137 138

Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 604. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 605. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 606. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 608. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 608. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 608. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 609. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 609.

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Sechstes Kapitel

Im Hinblick auf diese Einlassung äußerten einige Redner Zweifel an der praktischen Umsetzung einer möglichen Bestimmung, da „der eine Untersuchungsbeamte nach seiner Individualität eine Untersuchung rascher fördere, als ein anderer, und sich nicht bestimmen lasse, wie oft etwas und wie viel in einer Untersuchungssache während einer gegebenen Zeit geschehen müsse“.139 Mithin wurde in der Diskussion auf die §§ 202 und 204 der Neuen Landschaftsordnung von 1832 (NLO) verwiesen, die eine „rasche Förderung der Untersuchungen“ festschreibe und somit ausreichend Schutz gewähre.140 Trotz dieser Einwände beauftragte der Landtag die Kommission damit, einen Vorschlag für eine entsprechende Ergänzung des § 252 zu entwerfen.141 Am nachfolgenden Sitzungstag stellte die Kommission den Entwurf eines selbstständigen Paragraphen142 vor, der die problematisierten Fallgestaltungen umfassen sollte. Es bedürfe einer selbstständigen strafgesetzlichen Regelung, da die Bestimmungen des einschlägigen Staatsgrundgesetzes zu milde, die Rechtsfolgen des § 252 aber zu hart seien, weshalb „ein Mittelweg einzuschlagen sei“.143 Der Vorschlag traf im Landtag auf allgemeine Zustimmung und wurde dementsprechend angenommen.144

C) Verhandlungen zwischen Ständeversammlung und Staatsregierung Nach Abschluss der Beratungen am 5. Mai 1840 verfasste Breymann als Referent der Prüfungskommission ein Schreiben an die Staatsregierung, welches die vom Landtag beschlossenen Änderungen zum Inhalt hatte.145 Nach Vorlage und Genehmigung durch den Landtag wurde dieses an das Staatsministerium übersandt.146 139 140 141 142

143 144 145 146

Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 609. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 609. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L., S. 610. Wenn Untersuchungsbeamte die Untersuchung gegen einen Verhafteten über die Gebühr verzögern, so sollen sie, insofern sie aus Haß, Nachsucht, Eigennutz oder sonst in rechtwidriger Absicht gehandelt haben, mit der Strafe der widerrechtlichen Gefangenhaltung (§ 162.) und Dienstentsetzung bestraft werden. In anderen Fällen tritt disciplinarische Ahndung, und bei dem zweiten Rückfalle, oder wenn die ungebührliche Verzögerung über drei Monate gedauert hat, Dienstentassung ein., vgl. Verhandlungen der StändeVersammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. LI., S. 616. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. LI., S. 616. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. LI., S. 617. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. LI., S. 617. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. LI., S. 617.

Verhandlungen im Landtag

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In dem Antwortschreiben des Staatsministeriums vom 8. Mai 1840 stimmte dieses – unter Hinzufügung unwesentlicher redaktioneller Änderungen – fast allen Änderungsanträgen des Landtags zu.147 Die Änderungsanträge zu § 79 und § 237 Abs. 2 des Regierungsentwurfes lehnte das Staatsministerium dagegen ab. Das Reziprozitätsprinzip des § 79 gewähre „dem eigenen Landesfürsten und dem Lande einen größeren Schutz [...].“ Diese Schutzwirkung wiege schwerer als die unstreitigen „Ungleichheiten in der Anwendung“.148 Die Ablehnung der Streichung des § 237 Abs. 2 begründete das Staatsministerium lediglich mit dem Hinweis, dass die praktische Wichtigkeit der gerügten Vorschrift nicht „unbedeutend“ sei und auch die „Bestechungsversuche thunlich zu verhindern und zu bestrafen sind [...]“.149 Der Landtag befasste sich am 9. Mai 1840 mit diesem Antwortschreiben. Breymann teilte zunächst mit, dass die Ansichten der Kommission zur Frage, ob die abgelehnten Anträge erneut gestellt werden sollten „gleich getheilt“ seien, so dass diese hierzu keine Empfehlung aussprechen könne.150 In einer persönlichen Stellungnahme empfahl Breymann der Ständeversammlung, eine „Remonstration nicht eintreten zu lassen [...]“, da er die praktische Bedeutung der abgelehnten Anträge für gering erachtete und eine mögliche Zustimmung des Staatsministerium als unwahrscheinlich einstufte.151 Im Plenum stellte ein Abgeordneter den Antrag, beide Anträge zu wiederholen.152 Er verwies auf die bereits bekannten Ungleichheiten in der Bestrafung für den Fall der Beibehaltung der Reziprozität. Die Wortbeiträge zu diesem Antrag lieferten ein geteiltes Bild. So wurde vielfach auf die wahrscheinliche Aussichtslosigkeit einer Wiederholung der Anträge verwiesen, andere befürworteten den Antrag, da hier letztlich auch die selektive Ausweitung der Todesstrafe im Raum stand.153 Am Ende der Debatte beschloss die Versammlung den Antrag zu § 79 zu wiederholen, auf eine erneute Antragstellung zum § 237 Abs. 2 aber zu verzichten.154 147 148 149 150 151 152 153 154

Schreiben des Staatsminsteriums vom 08.Mai 1840, Anlage I zu Nr. LV. Schreiben des Staatsminsteriums vom 08.Mai 1840, Anlage I zu Nr. LV. Schreiben des Staatsminsteriums vom 08.Mai 1840, Anlage I zu Nr. LV. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, S. 671. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, S. 671. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, S. 671. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, S. 672. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, S. 673.

Nr. LV., Nr. LV., Nr. LV., Nr. LV., Nr. LV.,

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Sechstes Kapitel

Zu § 79 stellte die Ständeversammlung noch einmal ausführlich dar, dass die Beibehaltung des Reziprozitätsprinzips zu einer Ungleichbehandlung in dreifacher Hinsicht führte. Diese betreffe zunächst die Ebene der beteiligten Personen durch die unterschiedlichen Strafdrohungen (Todesstrafe oder Freiheitsstrafe), ferner die bedrohten Handlungen, aufgrund unterschiedlicher Hochverratstatbestände in den verschiedenen Gesetzgebungen, und schließlich die Strafen, da diese in den anderen Legislativen auch keine Kohärenz aufwiesen.155 Mit Antwortschreiben vom gleichen Tag stimmte das Staatsministerium dem Antrag „[...] als Beweis von Unserer Geneigtheit [...]“ zu. Gleichzeitig forderte es von der Ständeversammlung eine „[...] schließliche Erklärung über das Ganze des Criminalgesetzbuches [...]“.156 Am 12. Mai 1840 wurde der gesamte Regierungsentwurf zur Abstimmung gestellt. Im Vorfeld der Abstimmung erklärte Oppositionsführer Steinacker157, dass er sich wegen des „Maßes der Strafen“ bei politischen Verbrechen eine Milderung erhofft hätte, die nicht erfüllt worden sei.158 Auch die Beibehaltung der Todesstrafe betrachtete er als Fehler. Gleichwohl kündigte er an, dem Entwurf seine Zustimmung zu erteilen, da „bei der steigenden Bildung und aus anderen Gründen, die Todesstrafe wohl nie zur Anwendung kommen werde, mithin daß das Gesetz dieselbe gewissermaßen nur als ein Schreckbild aufstelle.“159

Nach der Rede Steinackers stimmte die Ständeversammlung einstimmig für die Annahme des Regierungsentwurfes.160

155 Schreiben der Ständeversammlung an das Staatsministerium vom 11. Mai 1840, Anlage III zu Nr. LVI. 156 Schreiben des Staatsministeriums an die Ständeversammlung vom 11. Mai 1840, Anlage I zu Nr. LVII. 157 Trotz Anonymisierung ist Steinacker als Urheber dieses Wortbeitrags aufgrund seiner persönlichen Aufzeichnungen bekannt; vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung, S. 78. 158 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. LVII., S. 690. 159 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. LVII., S. 690. 160 Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. LVII., S. 690.

Siebentes Kapitel: Einführungsgesetz und Endfassung A) Einführungsgesetz Das Gesetz zur Einführung des Criminalgesetzbuches im Herzogtum Braunschweig wurde am 10. Juli 1840 erlassen.1 Nach § 1 dieses Gesetzes trat das Criminalgesetzbuch am 1. Oktober 1840 für das gesamte Gebiet des Herzogtums Braunschweig in Kraft. 2 Das Gesetz regelte in § 2, dass das Criminalgesetzbuch zu diesem Zeitpunkt alle Gesetzte und Verordnungen, die seinen Regelungsgegenstand betreffen, ablöst.3 Ausgenommen von diesem Grundsatz waren nach § 3 des Einführungsgesetzes Strafgesetze, die auf Völkerrecht- und Staatsverträgen beruhten, sowie die strafrechtlichen Nebengesetze, deren Regelungsgegenstand das Criminalgesetzbuch nicht tangierte. Hierbei handelte es sich gemäß § 3 um strafrechtliche Bestimmungen des Landesgrundgesetzes, die Steuer- und Zollgesetze, die Postordnung, die Polizeigesetze, das Militärstrafrecht, die Forst- und Jagdstrafgesetze und strafrechtliche Vorschriften über die Befugnisse der Steuer-, Jagd- und Forstbeamten und des Polizeimilitärs.4 Zu diesen ausgenommenen Gesetzen bestimmte § 4, dass diese die im Criminalgesetzbuch festgeschriebenen Strafarten und die entsprechenden Vollzugsregeln zu übernehmen hätten.5 Daneben verlangte § 5 für verbrecherische Handlungen, über die vor dem 1. Oktober 1840 noch kein letztinstanzliches Urteil gesprochen wurde, dass die Vorschriften des Criminalgesetzbuchs Anwendung finden, soweit sie für den

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2 3 4 5

StA Wolfenbüttel, 12 Neu 05, Nr. 3695, das herzogliche Patent Wilhelms zur Einführung des Kriminalgesetzbuches vom 10. Juli 1840, S. 1-4. Zuvor wurde der Gesetzesentwurf von der Ständeversammlung in der Sitzung vom 4. Mai 1840 angenommen, wobei auf Vorschlag der Prüfungskomission nur der § 11 neu hinzugefügt wurde, der eine weitere Verfahrensregel zum Gegenstand hatte, vgl. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Braunschweig, Nr. L, S. 613. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1840), S. 215. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1840), S. 215. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1840), S. 215. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1840), S. 216.

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Siebentes Kapitel

Betroffenen günstiger waren.6 Für Fälle, die nicht von der Günstigkeitsregelung des § 5 betroffen waren, normierte § 6 eine Substitution der erkannten Strafarten auf das neue Strafensystem. Ebenso sollten nach § 7 die Gefängnisinsassen den neuen Vollzugsregeln des Criminalgesetzbuches unterworfen werden.7 Ferner bestimmte § 8 des Gesetzes, dass für die Bestimmungen von Rückfallstrafen oder bei Verjährungsfragen die Substitionsregeln der vorgenannten §§ 5 und 6 maßgeblich seien sollten. Bei Verbrechen, für die von Amtswegen eine Untersuchung eingeleitete worden war und die nach dem Criminalgesetzbuch nunmehr als Antragsdelikte eingestuft wurden, sollte die Fortsetzung der Untersuchung gemäß § 9 nur nach Anzeige des Berechtigten erfolgen.8 Zur Ausräumung möglicher Zweifelsfälle stellte § 10 des Einführungsgesetzes zudem klar, dass sich die Kompetenz der Gerichte nach dem höchsten für die betreffende Handlung angedrohten Strafmaß richte und mögliche Gründe für Ausschluss, Tilgung bzw. Minderung der Strafbarkeit unberücksichtigt bleiben müssten.9

B) Endfassung des Criminalgesetzbuches In seiner am 1. Oktober 1840 publizierten Endfassung hatte das Criminalgesetzbuch 287 Paragraphen. Gegenüber den 266 Paragraphen des Regierungsentwurfs von 1839 war dies eine deutliche Ausweitung des Umfangs. Allerdings beruhte ein Großteil der zusätzlichen Normen auf einer geänderten Systematik einzelner Vorschriften, durch die sich insbesondere die Kommission des Landtags eine bessere Übersichtlichkeit der Kodifikation erhoffte. Effektiv waren in Folge des Gesetzgebungsprozesses lediglich 6 neue Paragraphen10 hinzugekommen. Da diese Veränderungen letztlich Randbereiche ergänzten, konstatierte Breymann in seiner Vorrede zum Criminalgesetzbuch, dass keine dieser Modifikationen „mit den ursprünglichen angenommenen Principien im Widerspruche stände(n)“.11

6 7 8 9 10 11

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1840), S. 216. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1840), S. 216. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1840), S. 217. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1840), S. 217. Hierbei handelte es sich um die §§ 54 (47a des Entwurfs), 128 (120a E), 176 (168a E), 246 (227a E), 270 (250a E) und 273 (252a E). Das Criminal-Gesetz-Buch für das Herzogtum Braunschweig (1840), S. 6.

Einführungsgesetz und Endfassung

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C) Rezeption des Criminalgesetzbuches Zweieinhalb Jahre nach Publikation des Criminalgesetzbuches im Herzogtum Braunschweig erfolgte am 15. Februar 1843 dessen Einführung im Fürstentum Lippe-Detmold.12 Das Gesetz wurde durch Lippe-Detmold13 fast unverändert übernommen.14 Die Übernahme der Kodifikation durch einen anderen Staat war ein Weg, den seit dem beginnenden 19. Jahrhundert viele kleinere Staaten beschritten.15 Teils geschah dies, weil eigene Reformanstrengungen gescheitert waren, häufig fehlten den Kleinstaaten auch die notwendigen Ressourcen, um einen solch komplexen Reformprozess eigenverantwortlich zu gestalten.16 Zumeist wurden Kodifikationen von dem Staat übernommen, mit dem der Kleinstaat enge politische, wirtschaftliche und historische Beziehungen unterhielt. Dieser Umstand dürfte auch bei der Entscheidung Lippe-Detmolds, das braunschweigische Criminalgesetzbuch zu übernehmen, die entscheidende Rolle gespielt haben, da beide Staaten ein gemeinsames Oberappellationsgericht in Wolfenbüttel unterhielten.17 Entsprechend herrschten in beiden Staaten ähnliche Verhältnisse, was die Anwendung des – bereits in der Praxis erprobten – Braunschweiger Criminalgesetzbuches erleichterte. Das Fürstentum Lippe-Detmold blieb der einzige Staat, der das braunschweigische Criminalgesetzbuch vollständig und fast wortgleich adaptierte. Allerdings hatte die Braunschweiger Kodifikation darüber hinaus einen unverkennbaren Einfluss auf das hamburgische Criminalgesetzbuch von 1869.18 So übernahm das Criminalgesetzbuch von Hamburg unter dem Art. 6019 die Braunschweiger

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Vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 143. Das Fürstentum Lippe-Detmold bestand seit 1789 und zählte im Jahr 1871 ca. 111.000 Einwohner. 1866 trat es in dem Norddeutschen Bund bei und wurde 1871 Teil des Deutschen Reiches. Nach dem Ende des ersten Weltkriegs wurde aus dem Fürstentum ein demokratischer Freistaat. Heute ist Lippe ein Landesteil von Nordrhein-Westfalen. Vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 143. Die Übernahme des bayrischen Strafgesetzbuches von 1813 durch das Herzogtum Oldenburg im Jahr 1814 stellte den Präzedenzfall für die Kodifikationsübernahmen deutscher Kleinstaaten dar, vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 160 ff. Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 160 ff. Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 160. Vgl. Seuffert in: Liszt, Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in rechtvergleichender Darstellung, S. 6 ff. Vgl. Art. 60 des Criminalgesetzbuches von Hamburg aus dem Jahr 1869.

192

Siebentes Kapitel

Besonderheit der allgemeinen außerordentlichen Milderungsbefugnis für Richter (§ 62 / § 55 des Entwurfs).20

20

Etabliert wurde die richterliche Ermächtigung zu einer außerordentlichen Strafmilderung im österreichischen Strafgesetzbuch von 1803, vgl. §§ 46 ff. des Österreichischen Strafgesetzbuches von 1803. Dazu ausführlich Schmid, FS Bruns, S. 107 (136 f.).

Achtes Kapitel: Rezensionen des Criminalgesetzbuches Das Criminalgesetzbuch des Herzogtums Braunschweig rief in der Praxis, aber auch in der Wissenschaft, großes Lob und Zustimmung hervor.

A) Kritik am Regierungsentwurf Bereits der Regierungsentwurf nebst den Motiven erfuhr durch Mittermaier im Archiv des Criminalrechts eine umfassende Würdigung.1 Er bezeichnete den Entwurf als „eine höchst beachtungswürdige Erscheinung [...]“ und „Arbeit eines ausgezeichneten Mannes“. Von Schleinitz, den er als alleinigen Urheber des Entwurfs nannte, bescheinigte Mittermaier ein Praktiker zu sein, der „mit allen Fortschritten der Wissenschaft vertraut ist“.2 Inhaltlich lobte er die Kürze des Entwurfs, sowie die Entscheidung, nicht eine der gangbaren Strafrechtstheorien als Grundlage gewählt zu haben, sondern gleichzeitig mehrere Zwecke zu verfolgen. Kritisch erachtete Mittermaier die Normierung der Auslegungsregel (§ 4 des Entwurfs), da eine solche letztendlich die Richter in die Irre führe und daher wegzulassen sei.3 Beim Strafensystem bedauerte Mittermaier, dass sich der Entwurf nur unzureichend mit den verschiedenen Haftsystemen auseinandersetze und verwies hierbei auf das von ihm favorisierte Genfer System4, welches „wohltätige Früchte“ getragen habe.5 Den Verlust aller Ehren-, politischen und Dienstrechte als Nebenstrafe der Ketten- oder Zuchthausstrafe befand Mittermaier als zu hart, ebenso kritisch betrachtete er die Aufnahme des Instituts der Stellung unter polizeiliche Aufsicht im Entwurf.6 Er begrüßte, dass der Entwurf auch bei der Todesstrafe keine absolute Strafdrohung vorsah, kritisierte aber die Ausgestaltung durch eine „unbestimmte allgemeine Ermächtigungsgrundlage“, womit dem „Richter ein ungeheurer Zwang zugefügt und eine Collisionslage herbeigeführt würde [...]“, um am Ende die

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Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 321. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 324. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 326. Dieses System beruhte auf Einzelhaft und Beibehaltung des Schweigegebotes in Gemeinschafthaft, vgl. Krebs, Festschrift für Günter Blau zum 70. Geburtstag, S. 630 ff. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 327. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 329.

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Achtes Kapitel

Todesstrafe doch zu verhängen.7 Dem richterlichen Ermessenspielraum gab der Entwurf nach Mittermaiers Ansicht „hinreichenden Raum“, wobei er insbesondere die richterliche Ermächtigungsgrundlage des § 55 des Entwurfs, als positives Element heraushob.8 Im Hinblick auf die Dauer der angedrohten Freiheitsstrafen lobte Mittermaier, dass die festgesetzen Strafen für schwere Verbrechen überwiegend milder als in anderen Gesetzbüchern seien.9 Weiterhin bemerkte Mittermaier, dass die vom Entwurf gewählte Anordnung der Verbrechen „im Ganzen einfach“ sei, gleichzeitig bemängelte er aber die Unterscheidung zwischen Öffentlichen und Privatverbrechen, die dazu zwinge, unter „verschiedenen Gesichtspunkten vorzutragen“.10 Zum Verhältnis des Entwurfs „zur Doctrin“ konstatierte Mittermaier, dass „die Einfachheit des Entwurfs als Vorzug desselben anerkannt werden (müsse)“, da er auf der „Wissenschaft angehörigen Begriffe und allgemeine Sätze“ im Vergleich zu anderen Gesetzgebungen verzichte.11 Gleichwohl kritisierte Mittermaier die Entscheidung des Entwurfs für eine Legaldefinition des Vorsatzes, welcher er keinen praktischen Vorteil beimaß. Die Beschränkung des „Strafgebiets“ durch die Strafloserklärung von Vorbereitungshandlungen erachtete Mittermaier als zweckmäßig, befand aber die Strafbarkeit der Vorbereitungshandlungen zur Anstiftung (§ 31 des Entwurfs) als nicht zu rechtfertigende Ausnahme.12 Die Regelungen zur Teilnahme kritisierte er als zu statisch, da sie die verschiedenen Verschuldungsgrade der Teilnehmer nicht ausreichend berücksichtigten und damit die Begriffe von Urheber und Gehilfen zerstörten.13 Im Hinblick auf die „Bestimmtheit und Klarheit in der Charakterisierung der einzelnen Verbrechen“ enthielt der Entwurf nach Mittermaiers Ansicht „meistens sehr gute Vorschriften“.14 Als weniger gelungen und zu weit gefasst bezeichnete Mittermaier den Tatbestand der Beleidigung des Staatsoberhauptes. Ebenso kritisch sah er die „Charakterisierung der Ehrenkränkung“ und ihre Un-

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Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 330. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 333. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 333. Als Beispiel führte Mittermaier die (verschiedenen) Tatbestände der Fälschung öffentlicher Urkunden (§ 124) und Privaturkunden (§ 212) an, vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 336. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 337. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 338. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 339. Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 339.

Rezensionen des Criminalgesetzbuches

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terscheidung zum Tatbestand der Verleumdung. Schließlich äußerte er „Bedenklichkeiten“ zu den Tatbeständen des Betrugs und der Fälschung, die er ebenfalls als zu weit gefasst bewertete.15

B) Kritik und Erfahrungsberichte der Gesetzesanwendung Geradezu euphorisch würdigte Strombeck – der als Mitglied der Ministerialkommission die Entstehung des Criminalgesetzbuches begleitet hatte – in seinem Beitrag aus dem Jahr 1840 das Gesetz, welches er als das „relativ vollkommenste Werk seiner Art in Deutschland“ bezeichnete.16 Besonders die Austarierung der Strafen im Gesetz erachtete Strombeck als vorbildlich, da „auch bei der Nothwendigkeit selbst harter Strafen, mit Humanität dafür gesorgt wurde, daß solche nie grausam seien, und daß die Absicht, den Gestraften nicht nur büßen zu lassen, sondern auch zu bessern, wo dieses nur rechtlich möglich, deutlich hervorleuchtet.“17

Zur praktischen Anwendung des neuen Gesetzes schränkte von Strombeck zunächst ein, dass dieses erst seit anderthalb Monaten gelte, gleichwohl bemerkte er in seiner Eigenschaft als Mitglied des höchsten Gerichts im Herzogtum Braunschweig, dass die dort „täglich vorkommende Anwendung des neuen Gesetzbuches nicht die geringsten Schwierigkeiten darbietet“.18 Der liberale braunschweigische Oppositionsführer Steinacker nannte das Criminalgesetzbuch in seinem Tagebuch ein „monumentum aere perennius“19, kritisierte jedoch, dass „die technische Anordnung des Ganzen zwar tief und konsequent durchdacht, aber zugleich so künstlich sei, dass oft erst die Zusammenhaltung vieler einzelner Gesetzstellen nötig wurde, um zum Abschlusse zu gelangen, und dass wenigstens dem ungebildeten Publikum diejenige Uebersichtlichkeit welche gerade bei der Strafgesetzgebung als dringendes Bedürfnis anerkannt werden muss, dadurch nicht gegeben werden konnte.“20

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Vgl. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts (1840), S. 340 ff. Vgl. von Strombeck, Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechtspflege (1840), S. 427. Vgl. von Strombeck, Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechtspflege (1840), S. 428. Vgl. von Strombeck, Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechtspflege (1840), S. 429. Ein Denkmal dauerhafter als Bronze / Erz (nach einem Gedicht von Horaz). Vgl. Ziegenbein, Die parlamentarische Tätigkeit Karl Steinackers in der braunschweigischen Ständeversammlung, S. 75.

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Achtes Kapitel

Zwei Jahre nach Einführung des Criminalgesetzbuches vermerkte Weiß in seiner Beurteilung, dass dieses Gesetz eine „vorzügliche Beachtung“ verdiene. Auch dieser Kritiker hob positiv die Einfachheit der Bestimmungen, die gerechten Strafdrohungen und die Freiräume für das richterliche Ermessen hervor.21 In letztgenanntem Zusammenhang verwies er auf die Ermächtigung zur Strafminderung (§ 62 / § 55 des Entwurfs) sowie auf den richterlichen Ermessenspielraum bei der Todesstrafe. Zum Abschluss seiner Beurteilung erwähnte Weiß, dass das Gesetz nach seinen Erkundigungen unter Praktikern die „günstigsten Zeugnisse“ erhalten habe und besonders § 62 aufgrund der geschaffenen Möglichkeit, harte Strafurteile zu vermeiden, „allgemein gerühmt“ wurde.22 In einem weiteren Beitrag, berichtete Mittermaier im Jahr 1843 über die praktischen Erfahrungen mit dem neuen Gesetz. Er stellte zunächst erneut die Einfachheit und Kürze des Gesetzes als dessen vorzügliche „Eigenthümlichkeiten“ heraus. Schwerpunkt seines Beitrags waren die praktischen Erfahrungen mit dem vom Gesetz gewährten weiten richterlichen Ermessenspielraum. Aufgrund dieser Besonderheit hätten Gegner des freien richterlichen Ermessens dem braunschweigischen Gesetz die Praxistauglichkeit abgesprochen.23 Diese Befürchtung war laut Mittermaier jedoch unbegründet, da die Erkundigungen unter den Praktikern ergeben hätten, dass „das Gesetzbuch sehr gut sich bewährt“.24 Die Todesstrafe wurde bis zu diesem Zeitpunkt des Berichts Mittermaiers erst einmal wegen Mordes verhängt, aber durch Begnadigung in Zuchthaus umgewandelt. Vom richterlichen Minderungsrecht (§ 62 / § 55 im Entwurf) wurde selten Gebrauch gemacht und dies „[...] am meisten bei Unterschlagungen, bei Widersetzungen und Amtsbeleidigungen und Körperverletzungen ganz geringer Art“.25 Anwendungsschwierigkeiten gab es nach Bekunden Mittermaiers bei den allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes und hier vor allem bei Fragen der Teilnahme, der Konkurrenz und des Rückfalls. Dies bezeichnete Mittermaier jedoch als unbedenklich, da „sich im Laufe der Zeit eine gewisse Praxis bilden

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Vgl. Weiß, Archiv des Criminalrechts (1842), S. 300. Vgl. Weiß, Archiv des Criminalrechts (1842), S. 301. Vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 140. Vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 141. Vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 141.

Rezensionen des Criminalgesetzbuches

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und die Zweifel beseitigen (wird)“.26 Anschließend führte der Autor einige Beispielfälle auf, die zu Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung geführt hatten.27 Zum Ende seines Berichts erwähnte Mittermaier, dass die „öffentliche Stimme in Braunschweig“, das Gesetzbuch als „wohltätig wirkend“ empfinde.28 Als „Schattenseite“ des Gesetzes werde die „Häufigkeit der Drohung der entehrenden Zuchthausstrafe und bei manchen Verbrechen die Unbestimmtheit in der Fassung des Gesetzes [...]“ genannt.29 In diesem Zusammenhang kritisierte Mittermaier erneut den Tatbestand über Beleidigungen (§ 198 / § 189 des Entwurfs) als zu unbestimmt, erkannte aber an, dass hier bereits der Gerichtsgebrauch „[...] die Nachtheile der zu großen Ausdehnung des Strafgebietes beseitigt (habe)“.30

C) Kritik in der Literatur Auch in der Strafrechtswissenschaft der damaligen und späteren Zeit fand das Criminalgesetzbuch große Anerkennung. Der spätere preußische Justizminister Leonhardt vermied zwar eine direkte Wertung der Kodifikation, setzte sich aber in seinem Kommentar zum Hannoverschen Strafrecht recht umfangreich mit dem braunschweigischen Pendant auseinander. Insbesondere verwies er in seiner Kommentierung auf den „weiten Umfang“, welchen das richterliche Ermessen im braunschweigischen Criminalgesetzbuch einnahm.31 Auf eine Bewertung des Gesetzes verzichtete auch Häberlin, der sich rechtsvergleichend mit den deutschen Partikularrechtsordnungen nach 1838 auseinandersetzte. Diese Neutralität Häberlins entsprach der selbst gesetzten Aufgabe, die „Grundsätze des Strafrechts nach den neuen Gesetzbüchern systematisch darzustellen [...]“.32

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28 29 30 31 32

Vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 141. Die Fälle bezogen sich auf die Frage nach der Straflosigkeit der Begünstigung und Mitwissenschaft (§ 49 / § 47 des Entwurfs), der Definition von Waffen (§ 80 / § 73 des Entwurfs) und der Reichweite des Unterschlagungstatbestandes (§ 220 / § 208 Nr. I des Entwurfs), vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 142. Vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 142. Vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 142. Vgl. Mittermaier, Strafgesetzgebung, S. 142. Vgl. Leonhardt, Commentar über das Criminal-Gesetzbuch für das Königreich Hannover (1846), S. 424. Vgl. Häberlin, Grundsätze des Criminalrechts nach den deutschen Strafgesetzbüchern, Erster Band. (1845), S. 7 ff.

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Achtes Kapitel

In einer umfangreichen Betrachtung widmete sich Berner dem braunschweigischen Criminalgesetzbuch.33 Berner bezeichnete das Gesetz in der Art seiner „Gründung und Abfassung“ als mustergültig. Auch er lobte an dem Werk die „Befreiung der Schreibart von aller Unbestimmtheit und allem Schwulst (…)“.34 Dem Gesetz gelang nach Auffassung Berners zudem das „Eindringen in die tieferen Elemente des Strafrechts, bei steter Wahrnehmung der Forderungen des praktischen Bedürfnisses und der Rechte des schlichten gesundenen Verstandes“.35 Inhaltlich befand Berner, dass beim Strafensystem „wichtige Fortschritte“ gemacht worden seien, indem das Gesetz die Todesstrafe von Schärfungen befreit und auf wenige Tatbestände beschränkt habe. Als bedenklich erachtete Berner jedoch die Ausweitung der Kettenstrafe auf Frauen.36 Die Unterscheidung zwischen der ordentlichen und außerordentlichen Dauer der Freiheitsstrafe war gemäß Berner eine „beachtenswerthe Eigentümlichkeit“. Dieses System bewertete Berner als positiv, da es in Fällen von Konkurrenzen bzw. Versuch verhinderte, dass einzelne Strafarten und die angenommenen Zeitfristen bei der Straffindung aufgegeben werden müssten. Zudem könne durch dieses System der Grundsatz beibehalten werden, „dem Richter die Wahl der Strafart nicht zu überlassen“.37 Abschließend verwies Berner noch als weitere Besonderheit auf das richterliche Minderungsrecht des § 62 (§ 55 des Entwurfs), ohne dieses aber inhaltlich zu bewerten.38 Der Strafrechtslehrer Meyer führte das Werk unter den Gesetzgebungen auf, die sich „allmählich von den Einseitigkeiten des Feuerbach`schen Standpunktes frei machten [...]“. Dem braunschweigischen Strafgesetzbuch bescheinigte Meyer, dass dieses „in mehr selbständiger Weise eine möglichst gleichmäßige Durchführung des strafrechtlichen Systems erstrebte [...]“. Allerdings bescheinigte Meyer den neuen Gesetzgebungen auch Widersprüche und „grosse Mängel im Einzelnen“. Insbesondere kritisierte er einzelne „doctrinäre Bestimmungen“, welche das Gesetz durch die spätere Mitwirkung von Laien bei der Rechtsprechung ungeeignet mache.39 Für den Strafrechtslehrer Schütze, stellte das „treffliche Braunschweig. StGB“ den „Höhepunkt“ der strafrechtlichen Kodifikationen dar, die seit 1838 in den 33 34 35 36 37 38 39

Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 135 ff. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 144. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 144. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 152. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 154. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 155. Vgl. Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 61 ff.

Rezensionen des Criminalgesetzbuches

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deutschen Ländern neu entstanden. Schütze bemerkte jedoch auch, dass diese Kodifikationen einen Rückschritt in bisher fast unbekannte Richtung zeigten, ohne aber auf diesen Kritikpunkt näher einzugehen.40 Der Straf- und Völkerrechtslehrer von Bar bezeichnete das Criminalgesetzbuch als ein „selbstständiges und beachtenswertes Gesetzbuch dieser Periode [...]“. Nach Ansicht von Barʼs überzeugte das Gesetz durch seine „verhältnismäßige Kürze“ sowie durch eine „dem richterlichen Ermessen gewährte grössere Freiheit [...]“. Den Verzicht auf das Züchtigungsrecht für Häftlinge und die Einführung der allgemeinen Arbeitspflicht für diese erwähnte er als weitere Errungenschaften des Criminalgesetzbuches.41 Binding bezeichnete das Criminalgesetzbuch in der Gruppe der Kodifikationen, die auf das Feuerbachsche bayrische Strafgesetzbuch folgten, als „herausragend durch Originalität“, wobei er in diesem Zusammenhang auch das sächsische Strafgesetzbuch von 1855 (in der revidierten Fassung von 1868) erwähnte.42 Als „selbstständige und eigenartige Schöpfung“ bezeichnete Seuffert das Braunschweiger Criminalgesetzbuch.43 Hierbei würdigte er die richterliche Ermächtigung zur Gesetzesanalogie im § 4 des Gesetzbuches als bemerkenswerte Besonderheit. Gleichzeitig konstatierte Seuffert, dass „gegenüber der nicht zu ändernden Unvollkommenheit der richterlichen Kräfte“ die Begrenzung der richterlichen Gewalt durch das Gesetz der Bestrafung nach Analogie vorzuziehen sei.44

40 41 42 43 44

Vgl. Schütze, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 31. Vgl. von Bar, Handbuch des Deutschen Strafrechts, S. 180. Vgl. Binding, Die gemeinen Deutschen Strafgesetzbücher, S. 3. Vgl. Seuffert in: Liszt, Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in Rechtvergleichender Darstellung, S. 6 ff. Vgl. Seuffert in: Liszt, Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in Rechtvergleichender Darstellung, S. 6 ff.

Neuntes Kapitel: Nachträgliche Änderungen des Criminalgesetzbuches Das Criminalgesetzbuch war nach seiner Publikation am 1. Oktober 1840 in den nachfolgenden Jahren nur geringen Revisionsbestrebungen ausgesetzt. Auch dies kann als ein Beweis für die legislative Qualität dieses Werkes angesehen werden und als Bestätigung der Intention seiner Verfasser, durch die Betonung des richterlichen Ermessensspielraums der Kodifikation die notwendige Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde gesellschaftliche Wirklichkeiten zu verleihen.

A) Gesetz vom 15. Januar 1852 Mit dem Gesetz vom 15. Januar 1852 wurden die §§ 89 (§ 82 des Entwurfs) und 108 (§ 101 des Entwurfs) des Criminalgesetzbuches ergänzt. Hierbei handelte es sich um eher unwesentliche öffentliche Verbrechen, welche die Verbreitung falscher Nachrichten und Aufreizung (§ 89), sowie die Verabredung, Verleitung und Aufforderung zur Widergesetzlichkeit (§ 108) sanktionierten.1 § 1 des Änderungsgesetzes ergänzte § 108 dahin, dass die Verleitung von Personen des Militärdienstes zum Ungehorsam, sowie die Verleitung von Personen vom Militärstand, der Einberufungsorder nicht zu folgen, mit einer Gefängnisstrafe von drei Monaten bis zu einem Jahr bestraft wird.2 § 2 ergänzte, dass die Verleitung durch Wort, Druck und Schrift oder durch irgendein anderes Mittel geschehen konnte und ein Erfolg der Handlung für die Strafbarkeit nicht erforderlich war.3 § 3 des Änderungsgesetzes bestimmte in Ergänzung zum § 89, dass die Aufreizung oder öffentliche Schmähung und Verhöhnung von Einrichtungen des Staates oder der Kirche durch Wort, Druck und Schrift mit einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen bis zu sechs Monaten bestraft werde.4

1 2 3 4

StA Wolfenbüttel, 12 Neu Justiz, 05 Nr. 3697. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1852), S. 11. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1852), S. 11. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1852), S. 12.

https://doi.org/10.1515/9783110651485-009

202

Neuntes Kapitel

B) Gesetz vom 7. Februar 1856 Die Novelle vom 7. Februar 1856 schloss eine geringfügige Strafbarkeitslücke bei den Köperverletzungsdelikten der §§ 159 und 160 (§§ 151 und 152 des Entwurfs).5 Gemäß dem hinzugefügten § 159 Abs. 5 waren Körperverletzungsdelikte, die beim Opfer zu Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von weniger als einem Monat geführt hatten, mit Zwangsarbeit bis zu einem Jahr sanktioniert.6 Vor dieser Änderung hatten diese Taten eine Gefängnisstrafe zur Folge. Korrespondierend hierzu bestimmte das Änderungsgesetz bei der Körperverletzung in „leidenschaftlicher Aufwallung“ für o.g. Körperverletzungen eine Gefängnisstrafe bis zu 9 Monate.7

C) Gesetz vom 7. Oktober 1863 Das Änderungsgesetz vom 7. Oktober 1863 hatte die Revision der BankrottDelikte (§§ 233–236 / §§ 215–218 des Entwurfs) zum Gegenstand.8 Hintergrund dieser Revision war die Einführung des Handelsgesetzbuches im selben Jahr. Hierzu wurden die Definition des Kaufmanns und der Pflichtenkatalog des Handelsgesetzbuches in den Tatbestand inkorporiert.9 Im Zuge der Revision wurden auch die Strafdrohungen für den mutwilligen und fahrlässigen Bankrott (§§ 234 und 235 / §§ 216 und 217 des Entwurfs) reduziert. Anstatt Zwangsarbeit sah der geänderte Tatbestand nur noch Gefängnis als Strafart vor.10

D) Gesetz vom 3. August 1867 Mit dem Gesetz vom 3. August 1867 wurden die Tatbestände des Hochverrats (§ 81 / § 74 des Entwurfs) und des Landesverrats (§ 84 / § 77 des Entwurfs)

5 6 7 8 9 10

StA Wolfenbüttel, 23 Neu, Nr. 822/4. Gesetz- und Verordnungssammlung (1856), S. 6. Gesetz- und Verordnungssammlung (1856), S. 7. StA Wolfenbüttel, 23 Neu, Nr. 822/4. Gesetz- und Verordnungssammlung (1863), S. 487. Gesetz- und Verordnungssammlung (1863), S. 546.

für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande

für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande

Nachträgliche Änderungen des Criminalgesetzbuches

203

geringfügig abgeändert um die Paragraphen mit dem Art. 74 der Verfassung des Norddeutschen Bundes in Einklang zu bringen.11 Durch § 1 des Änderungsgesetzes wurde der Schutzbereich des Hochverratstatbestandes auf die „Existenz, Integrität und Verfassung des Norddeutschen Bundes“ ausgeweitet.12 Korrespondierend hierzu nahm § 2 des Änderungsgesetzes neben dem Herzogtum auch den Norddeutschen Bund als Schutzgut des Landesverrates auf.13 Schließlich normierte § 3 des Änderungsgesetzes, dass Beleidigungen und Verleumdungen der Landesversammlung nur noch auf Antrag verfolgt werden.14

E) Revisionsgesuch der Ständeversammlung vom 13. November 1849 Mit Schreiben vom 13. November 1849 stellte die Ständeversammlung an das Staatsministerium ein Gesuch, das Criminalgesetzbuch anlässlich der Einführung der neuen Strafprozessordnung einer Revision zu unterziehen.15 Diesem Gesuch lag ein Gutachten der Justizkommission des Landtags vom 11. Oktober 1849 zugrunde, welche auf Antrag eines Landtagsabgeordneten vom 20. Juli 1849 entsprechende Änderungsvorschläge für eine Revision des Criminalgesetzbuches ausarbeiten sollte.16 Die Vorschläge der Kommission entsprachen dem Geist der Märzrevolution von 1848. Sie forderte die Abschaffung der Todesstrafe und geringere Strafen für politische Verbrechen.17 Das Staatsministerium reagierte auf das Gesuch der Ständeversammlung jedoch nicht, so dass die angestrebte Revision des Criminalgesetzbuches im Sinne der Ideen der Frankfurter Nationalversammlung im Herzogtum Braunschweig unterblieb.18

11 12 13 14 15 16 17 18

StA Wolfenbüttel, 12 Neu Justiz, 05 Nr. 3699, Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1863), S. 544. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1867), S. 487. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1867), S. 488. Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande (1867), S. 488. Schreiben der Ständeversammlung an das Staatsministerium vom 13. November 1849, Anlage II zu Nr. 73. Commissionsbericht vom 11. Oktober 1849, Anlage 10 zu Nr. 72. Commissionsbericht vom 11. Oktober 1849, Anlage 10 zu Nr. 72. StA Wolfenbüttel, 23 Neu, Nr. 822/4.

Zehntes Kapitel: Einfluss Braunschweigs auf die Kriminalrechtsvereinheitlichung A) Einleitung I. Überblick zum Prozess der deutschen Kriminalrechtsvereinheitlichung In dem Prozess der Kriminalrechtsvereinheitlichung in Deutschland seit Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Verabschiedung des Reichsstrafgesetzbuches im Jahr 1871 lassen sich vier Phasen identifizieren.1 Zunächst beschränkte sich das Streben nach einer einheitlichen deutschen Strafgesetzgebung auf den wissenschaftlichen Diskurs, da in den deutschen Staaten im Zuge der staatlichen Restitution auf dem Wiener Kongress im Jahr 1815 und der Gründung des Deutschen Bundes der Souveränitätsgedanke im Vordergrund stand.2 Entsprechend standen die Regierungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dem Gedanken einer gesamtdeutschen Strafrechtskodifikation skeptisch gegenüber und beschränkten sich auf territoriale Kriminalrechtsreformen. Mit der Märzrevolution von 1848 wurde ein Paradigmenwechsel vollzogen, da nunmehr die Diskussion über eine deutsche Nationalgesetzgebung wiederbelebt wurde. Dabei spielte vor allem die gemeinsame Strafgesetzgebung als Sinnbild der Rechtsvereinheitlichung eine entscheidende Rolle.3 Obwohl die revolutionären gesamtdeutschen Kodifikationsbestrebungen letztlich am Widerstand der Einzelstaaten scheiterten, lösten sie die dritte Phase der Rechtsvereinheitlichung aus. Mit dem Ausbruch der Revolution wandte sich der Deutsche Bund in Abkehr seiner bisherigen föderalen Politik der Förderung der deutschen Rechtsvereinheitlichung zu, um – vor dem Hintergrund der nationalen und liberalen Bewegung in Deutschland – seine Legitimation und Handlungsfähigkeit zu bewahren.4 Gerade auf dem Gebiet der Rechtvereinheitlichung sah man ein Mittel, revolutionären Veränderungen auf der Ebene der Einzelstaaten wie des Deutschen Bundes zu 1 2 3 4

Eine ausführliche Darstellung der einzelnen Phasen findet sich in: Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 235 ff. Einen ausführlichen Überlick über die verschiedenen Ideen einer Reichsgesetzgebung Anfang des 19. Jahrhunderts findet sich in: Schöler, Deutsche Rechtseinheit, S. 13 ff. Vgl. Schöler, Deutsche Rechtseinheit, S. 259 ff. Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 253 ff.

https://doi.org/10.1515/9783110651485-010

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Zehntes Kapitel

begegnen und letztendlich vorzubeugen. Im Zuge dieser politischen Neuorientierung kam es auf der Grundlage des im Vormärz selten in Anspruch genommenen Artikel VI der Bundesakte über „gemeinnützige Anforderungen“ zu mehreren gesamtdeutschen Reformprojekten, von denen das Allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 die bedeutendste Kodifikation war.5 Eine Reform des formellen und materiellen Strafrechts wurde auf dieser veränderten Grundlage im Deutschen Bund jedoch nicht in Angriff genommen. Neben schwelenden Streitigkeiten der Großmächte Preußen und Österreich über die Gesetzgebungskompetenz des Deutschen Bundes für eine weitere nationale Rechtsvereinheitlichung wurden die bestehenden Divergenzen zwischen den Staaten im Strafverfahren als zu schwerwiegend für eine gesamtdeutsche Lösung erachtet.6 Für das materielle Strafrecht wurde dagegen aufgrund der bereits in den Bundesstaaten erfolgten Strafrechtsreformen kein dringendes Bedürfnis mehr für eine nationale Kodifikation gesehen.7 Die entscheidende letzte Phase bei der Rechtsvereinheitlichung des Strafrechts wurde – nach dem Sieg Preußens im Krieg von 1866 gegen Österreich – mit der Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 ausgelöst. Hierdurch wurde für einen großen Teil der deutschen Staaten eine politische Einheit geschaffen, und für die süddeutschen Staaten bestand die Option des Beitritts. Zuvor war bereits das preußische Strafgesetzbuch von 1851 in den von Preußen annektierten Staaten eingeführt worden.8 Daneben übernahmen vielfach kleinere Staaten die Kodifikationen größerer Nachbarstaaten, was zu einer weiteren Ausprägung der Rechtsvereinheitlichung im Strafrecht führte. Innerhalb des Norddeutschen Bundes sorgte der Modernisierungs-, Liberalisierungs- und Emanzipationsschub durch das Erstarken der Nationalliberalen für eine Beschleunigung des Rechtsvereinheitlichungsprozesses. So sah bei den Verfassungsberatungen über die Zuständigkeiten des Norddeutschen Bundes der vorgeschlagene Art. 4 Nr. 13 nur Gesetzgebungskompetenzen für das Privat- und Wirtschaftsrecht vor. Diese wurden auf Initiative des Reichstages auf das formelle und materielle Strafrecht erweitert.9 Nach der Schaffung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Vereinheitlichung des Strafrechts am 20. März 1867 wurde bereits im Juli 1869 der Entwurf Friedbergs für ein Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes veröffentlicht. Nur knapp ein Jahr nach Einbringung des Entwurfs trat am 6. Juni 1870 das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund 5 6 7 8 9

Vgl. Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 83 ff. Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 262. Vgl. Schubert, Festschrift für Rudolf Gmür, S. 153. Vgl. Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 64. Vgl. Schubert, Festschrift für Rudolf Gmür, S. 155.

Einfluss Braunschweigs auf die Kriminalrechtsvereinheitlichung

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in Kraft. Nach Gründung des Deutschen Reiches erfolgte auf die Initiative Bayerns eine geringfügige Neuredaktion des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, die am 15. Mai 1871 zur Verabschiedung des „Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich“ führte, was am 1. Januar 1872 in Kraft trat und den Prozess der nationalen Vereinheitlichung des materiellen Strafrechts finalisierte.

II. Gegenstand der Untersuchung Die Frage, welche Wirkung das braunschweigische Strafrecht auf den Prozess der Kriminalrechtsvereinheitlichung in Deutschland hatte, wird im Folgenden auf zwei Ebenen untersucht. Auf der ersten Ebene steht der Einfluss des braunschweigischen Criminalgesetzbuches auf das preußische Pendant von 1851 im Vordergrund, da dieses die legislative Grundlage für das spätere Reichsstrafgesetzbuch bildete. Zudem werden die zentralen Unterschiede der beiden Kodifikationen dargestellt. Hintergrund dieses Ansatzes ist die Tatsache, dass neben dem politisch betriebenen gesamtdeutschen Vereinheitlichungsprozess ein solcher auch auf der verdeckten Ebene der Strafrechtskodifikation in den Einzelstaaten stattfand. Im Rahmen der Gesetzgebungsprozesse wurden regelmäßig die Entwürfe und Gesetze anderer deutscher Staaten sowie die aktuelle wissenschaftliche Diskussion über die Strafgesetzgebung berücksichtigt. Entsprechend vollzog sich der strafrechtliche Kodifikationsprozess in den Einzelstaaten nicht isoliert, sondern im stetigen innerdeutschen Austausch. Die Entwürfe und Gesetzesbücher bauten folglich aufeinander auf. Darüber hinaus ist auch – auf der zweiten Ebene – der politische Einfluss des Herzogtums Braunschweigs auf den Gesetzgebungsprozess des Norddeutschen Bundes Gegenstand dieses Kapitels. Abschließend erfolgt in diesem Abschnitt eine Gegenüberstellung der zentralen Unterschiede zwischen dem Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes und dem Criminalgesetzbuch des Herzogtums Braunschweig.

B) Das preußische Strafgesetzbuch von 1851 I. Überblick über die Entstehung des preußischen Strafgesetzbuches Bis zur Verkündung des preußischen Strafgesetzbuches (PrStGB) im Jahr 1851 war das am 1. Juni 1794 eingeführte Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) die gültige Strafrechtsordnung in Preußen. Bereits einige Jahre nach Einführung der ALR gab es Bestrebungen zu einer Gesetzesrevision.10 Die 10

Vgl. die chronologische Übersicht über die Reformgeschichte des Straf- und Strafprozeßrechts in Preußen, abgedruckt in: Schubert, Gesetzesrevision, Bd 1, S. XXIX ff.

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Zehntes Kapitel

schöpferische Phase im Gesetzgebungsprozess begann 1825 mit dem Auftrag des preußischen Justizministers, den Entwurf eines allgemeinen Strafgesetzbuches zu erarbeiten.11 Die Gesetzgebungsarbeiten dauerten in Preußen über 25 Jahre und wurden von Goldtdammer als einer „der denkwürdigsten legislatorischen Prozesse der neueren Zeit“ bezeichnet.12 Während dieser Zeit wurden insgesamt 11 Entwürfe für das Strafgesetzbuch erarbeitet, die schließlich in der Kodifikation des PrStGB von 1851 mündeten.13

II. Der Braunschweiger Einfluss auf das PrStGB In Anbetracht des über 25jährigen Gesetzgebungsverfahrens zum PrStGB sind die tatsächlich prägenden bzw. charakterisierenden Einflüsse von Kodifikationen aus politisch eher unbedeutenden Ländern wie Braunschweig nur schwer zu bemessen. Da das Braunschweiger Werk jedoch erst 1840 – also in der zeitlichen Mitte des preußischen Gesetzgebungsprozesses – veröffentlich wurde, war dessen Wirkung auf das spätere PrStGB schon aus diesem Grund limitiert. Gleichwohl berücksichtigten die jeweiligen Entwurfsrevisionen auch obligatorisch die aktuelle Gesetzessituation in den anderen deutschen Ländern, so dass das Schicksal der späten Veröffentlichung keinen finalen Ausschlussgrund darstellte. Der Status eines „Leitgesetzes“ für das PrStGB blieb dem Braunschweiger Criminalgesetzbuch aber alleine schon wegen seiner späten Publikation verwehrt. Ebenfalls bedeutend war das „Schicksal“ seiner Geburt in einem politisch eher unbedeutenden Kleinstaat. So führte Berner hierzu aus: „Wären ein so vorzügliches Gesetzbuch und ein so ausgezeichneter Kommentar in einem großen Staate erschienen: der Einfluss derselben würde sehr weit gereicht haben“.14 Die Entwürfe aus der Zeit des Ministeriums Kamptz von 1833 und 1836 entstanden unter Berücksichtigung der zu jener Zeit erschienenen Entwürfe von Hannover, Bayern und Württemberg.15 Mangels Veröffentlichung spielte der Braunschweiger Regierungsentwurf hier noch keine Rolle. Diese beiden verwandten Entwürfe wiesen in ihrer Ausgestaltung einen reaktionären Charakter auf.16 Entsprechend wurde in diesen Entwürfen der Anwendungsbereich für die 11 12 13

14 15 16

Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. VII. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. IV. Eine umfangreiche zeitgenössiche Übersicht über den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens in den preußischen Staaten nebst der Gründe für die vielfach erforderlich gewordenen Revisionen der Gesetzesentwürfe findet sich in: Hälschner, Das Preussische Strafrecht, Bd. 1, S. 261 ff. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 156. Vgl. Hälschner, Das Preußische Strafrecht, Bd. 1, S. 268. Vgl. Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 64.

Einfluss Braunschweigs auf die Kriminalrechtsvereinheitlichung

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Strafbarkeit politischer Verbrechen stark ausgeweitet.17 Die reaktionären Entwürfe wurden unter der Leitung Savignys im preußischen Staatsministerium teilweise entschärft und ein revidierter Entwurf im Jahr 1843 veröffentlicht.18 Diesem Entwurf lag auch erstmals das braunschweigische Strafgesetzbuch als Material zugrunde. Allerdings orientierte sich der Entwurf vornehmlich am Strafgesetzbuch des Großherzogtums Hessen19, welches 1842 in Kraft getreten war.20 Trotz einiger Verbesserungen im Strafsystem wurde durch den Entwurf der strenge Charakter der früheren Entwürfe nicht wesentlich berührt.21 Der Entwurf wurde der Wissenschaft und den Landtagen der preußischen Provinzen zur Begutachtung vorgelegt, was in Anbetracht der politischen Bedeutung Preußens zu einer großen Resonanz führte.22 Die aus diesem Prozess gewonnenen Erkenntnisse führten im Jahr 1845 zu einer weiteren Entwurfsfassung. Dieser Entwurf hatte deutlich liberalere Züge, so wurde z.B. auf die körperliche Züchtigung als selbstständiges Strafmittel vollständig verzichtet. Aber auch bei diesem Entwurf sind wenig braunschweigische Einflüsse feststellbar. Vielmehr stand dieses Werk bereits sichtbar im Spannungsfeld zwischen der deutschen Strafgesetzgebung und der französischen Gesetzgebung in Form des Code pénal und dessen Prozessordnung, die in den preußischen Rheinprovinzen weiterhin Gültigkeit besaßen und sich dort großer Akzeptanz in der Bevölkerung erfreuten.23 Entsprechend deutlich war die Kritik der rheinischen Provinzialstände an den bisherigen Reformergebnissen, die hierdurch insbesondere die Existenz der französisch geprägten Strafprozessordnung gefährdet sahen, da der Entwurf für die im Rheinland bestehenden Geschworenengerichte schwer zu handhaben war und auch mangels Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen keine klaren Regelungen zur Gerichtskompetenz enthielt.24 Um diesen Divergenzen zu begegnen und um den Plan einer einheitlichen preußischen Gesetzgebung zu verwirklichen, ordnete Savigny – unter Hinzuziehung rheinischer Juristen – eine Revision des Entwurfs an, die 1847 veröffentlicht

17 18 19 20 21 22 23 24

Vgl. Hälschner, Das Preußische Strafrecht, Bd. 1, S. 269. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. XII. Eine umfassende Übersicht über die Entwicklung des Strafrechts in Hessen im 19. Jahrhundert findet sich in: Knaudt, Das Strafrecht des Grossherzogtums Hessen, S. 15 ff. Vgl. Hälschner, Das Preußische Strafrecht, Bd. 1, S. 270. Vgl. Hälschner, Das Preußische Strafrecht, Bd. 1, S. 270. Vgl. Hälschner, Das Preußische Strafrecht, Bd. 1, S. 277 f. Vgl. Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 62. Vgl. Hälschner, Das Preußische Strafrecht, Bd. 1, S. 275.

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Zehntes Kapitel

wurde.25 Dieser Entwurf hatte nunmehr eine deutlich stärker französische Prägung als der Entwurf von 1845, der bereits vielfach das strenge französische Strafrecht berücksichtigt hatte.26 Dies führte insbesondere im Strafsystem zu Verschärfungen, wie z.B. die Schärfung der Todesstrafe durch Ausstellung des Kopfes und Abhauen der Hand nach der Hinrichtung, die Einführung der körperlichen Züchtigung als Schärfung der Zuchthausstrafe sowie die Wiederaufnahme der Vermögenkonfiskation bei politischen Verbrechen.27 In der Endphase des preußischen Gesetzgebungsprozesses beherrschte der politisch angestrebte Ausgleich mit dem französischen Strafsystem in den preußischen Rheinprovinzen augenscheinlich das Verfahren; entsprechend standen diese Elemente im Widerspruch zum (moderaten) braunschweigischen Strafgesetzbuch, welches sich vom französischen Strafverfahren fast vollständig gelöst hatte. In den nachfolgenden Jahren machten liberale Forderungen aus der Märzrevolution von 1848, sowie das in Preußen im Jahr 1849 reformierte Strafverfahren weitere Änderungen am Entwurf des Strafgesetzes erforderlich. Diese Änderungen wurden im Jahr 1851 in einen abschließenden Entwurf gefasst. Dadurch blieb die preußische Strafgesetzgebung weiterhin im „Bannkreis des Code pénal“, insbesondere im Hinblick auf die Dreiteilung der strafbaren Handlungen, sowie in Bezug auf die Behandlung des Versuchs und der Teilnahme.28 Das Strafsystem erfuhr jedoch wiederum eine Entschärfung im Vergleich zum Vorentwurf.29 Dieser Entwurf bildete sodann die finale Grundlage für das preußische Strafgesetzbuch, welches am 1. Juli 1851 im Königreich in Kraft trat.30 Aufgrund der aufgezeigten zeitlichen und politischen Begleitumstände, waren die Einflüsse der Braunschweiger Kodifikation auf das PrStGB sehr begrenzt. Dieses Schicksal teilte das Braunschweiger Criminalgesetzbuch aber mit den Kodifikationen der anderen deutschen Staaten, da das PrStGB im Verlauf seiner aufwendigen und langwierigen Entstehungsgeschichte eine gänzlich eigenständige Prägung entwickelte. Unverkennbar war der Einfluss des Rheinischen Strafrechts auf das PrStGB, da sich sowohl die gesetzgeberische Technik des

25 26 27 28 29 30

Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. XIV. Vgl. Hälschner, Das Preußische Strafrecht, Bd. 1, S. 280. Vgl. Hälschner, Das Preußische Strafrecht, Bd. 1, S. 280. Vgl. Seuffert, in: Liszt, Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in Rechtsvergleichender Darstellung, Bd.2, S. 7. Vgl. Hälschner, Das Preußische Strafrecht, Bd. 1, S. 280. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. XVI.

Einfluss Braunschweigs auf die Kriminalrechtsvereinheitlichung

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napoleonischen Rechts wie auch die Dogmatik, sein Inhalt und sogar der Wortlaut vieler Einzelnormen im neuen Strafgesetzbuch wiederfanden.31 Gleichzeitig jedoch hatte sich das PrStGB in straftheoretischer Hinsicht deutlich vom Code pénal gelöst.32 Diese Einschätzung teilte auch Seuffert, der im Norddeutschen Bund insgesamt 5 Strafrechtsgruppen identifizierte. So standen sich im Bundesgebiet nach Auffassung Seufferts die Gruppe der preußischen, der sächsisch-thüringischen, der braunschweigischen (nebst dem Hamburger StGB) und der hessischen Strafgesetzgebung gegenüber, ergänzt von den (wenigen) Staaten, deren Strafrecht weiterhin auf dem gemeinen Recht fußte.33 In diesen Strafrechtsgruppen fanden sich laut Seuffert „viele Übereinstimmungen, aber es waren auch viele, recht eingreifende Verschiedenheiten darin“.34 Es lassen sich daher im PrStGB nur untergeordnete Elemente erkennen, die sich auf die Vorgabe des Braunschweiger Werkes zurückführen lassen. So beruhte z.B. die tatbestandliche Fassung der Beschlagnahme (§ 19 PrStGB) teilweise auf der Regelung des Braunschweiger Criminalgesetzbuches zur „Confiscation“ (§ 21 / § 16 des Entwurfes).35

III. Vergleich des Braunschweiger Criminalgesetzbuch mit dem PrStGB In Anbetracht der gemeinsamen Rechtshistorie bzw. Rechtskultur bestanden zwischen beiden Gesetzen gerade im Besonderen Teil bei der Tatbestandsfassung viele Gemeinsamkeiten bzw. nur geringfügige Abweichungen, so dass im Folgenden nur die zentralen bzw. charakteristischen Unterschiede der beiden Rechtsordnungen dargestellt werden.

1. Aufbau und Umfang Das PrStGB war mit 349 Paragraphen deutlich umfangreicher als das Braunschweiger Criminalgesetzbuch mit seinen 287 Normen. Allerdings umfasste das

31 32 33 34 35

Eine umfassende Übersicht über die französischen Einflüsse im preußischen Strafgesetzbuch findet sich in: Kleinbreuer, Das Rheinische Strafrecht, S. 143–172. Vgl. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 320. Vgl. Seuffert, in: Liszt, Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in Rechtsvergleichender Darstellung, Bd.2, S. 8. Vgl. Seuffert, in: Liszt, Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in Rechtsvergleichender Darstellung, Bd.2, S. 8. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 191.

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Zehntes Kapitel

PrSrGB in seinem dritten Teil (§§ 332–349) auch die „Übertretungen“ die matriell zu einem großen Teil Polizeistrafrecht enthielten, was beim Criminalgesetzbuch explizit ausgeklammert war. Auffallend ist, dass der Allgemeine Teil des braunschweigischen Gesetzes mit 80 Paragraphen (zuzüglich der 7 Paragraphen für die Legaldefinitionen) eine größere Regelungsdichte aufwies als das preußische Strafgesetzbuch, welches hierfür lediglich 60 Normen vorsah (zuzüglich der 6 Paragraphen der einleitenden Bestimmungen). Der Besondere Teil war bei beiden Gesetzen ähnlich aufgebaut. Auch das PrStGB stellte die öffentlichen Verbrechen den Privatverbrechen voran.36 Die Reihe der öffentlichen Verbrechen wurde beim PrStGB ebenfalls mit dem Delikt des Hochverrats eröffnet, als auch die Vorschriften wider das Leben den Anfang der Privatdelikte bildeten. Das PrStGB differenzierte bei den Privatdelikten gleich dem Braunschweiger Criminalgesetzbuch zwischen Delikten gegen die Person und persönliche Rechte einerseits, sowie Delikten gegen Vermögensrechte andererseits, verzichtete aber hierfür auf eine eigenständige Untergliederung, sondern führte die jeweiligen Titel nachfolgend auf.37 Die Amtsverbrechen wurden im PrStGB zwar separat aufgeführt (Titel Nr. 28), bildeten aber im Unterschied zur Braunschweiger Systematik keinen eigenen Abschnitt, innerhalb der Dreiteilung zwischen Öffentlichen-, Privat- und Amtsverbrechen. Im Gegensatz zur braunschweigischen Kodifikation ordnete das PrStGB die Sittlichkeitsdelikte und die Delikte gegen die Standesrechte einer Person den öffentlichen Verbrechen zu. Ebenfalls abweichend fasste das PrStGB die gemeingefährlichen Verbrechen – mangels klassifizierbarer Objekte – in einem eigenen Titel zusammen.38 Insgesamt umfasste der zweite (besondere) Teil des PrStGB 28 Titel mit 271 Paragraphen und war damit in der Systematik differenzierter als die 20 Kapitel (zuzüglich der Amtsverbrechen) des Braunschweiger Gesetzes.

2. Allgemeiner Teil a) Einteilung der strafbaren Handlungen und nulla poena sine lege Bereits die Einleitenden Bestimmungen des PrStGB machen die Unterschiede der beiden Gesetzgebungen deutlich. Das PrStGB unterteilte in § 1 die strafbaren Handlungen gemäß der Vorgabe des Code pénal in Verbrechen, Vergehen

36 37 38

Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 243. Vgl. Berner, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 318. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 243.

Einfluss Braunschweigs auf die Kriminalrechtsvereinheitlichung

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und Übertretungen, während das Braunschweiger Criminalgesetzbuch eine solche Dreiteilung ablehnte und bei den strafbaren Handlungen ausschließlich von Verbrechen sprach. Ebenso gravierend waren die Unterschiede beim Grundsatz nulla poena sine lege, der in § 2 des PrStGB ohne Beschränkung normiert war; dagegen erlaubte das Braunschweiger Strafrecht in § 4 explizit die Anwendung der Gesetzesanalogie.

b) Strafensystem Die Strafensysteme der beiden Gesetzgebungen wiesen große Ähnlichkeiten auf. Die Todesstrafe wurde von beiden Rechtsordnungen als zulässige Strafart anerkannt, wobei in beiden Gesetzen alle Schärfungen beseitigt wurden.39 Im Gegensatz zu der restriktiven Handhabung dieser absoluten Strafe in Braunschweig drohte das PrStGB die Todesstrafe für 14 Fälle an.40 Die Freiheitsstrafe stellte auch im PrStGB die dominierende Strafart dar. Hierbei unterschied das Gesetz zwischen der Zuchthausstrafe41, der Gefängnisstrafe42 und der Einschließung.43 Der Vollzug der Freiheitsstrafen war deutlich humaner ausgestaltet als im Herzogtum Braunschweig. Eine Kettenhaft – als ultimative Freiheitsstrafe – war nicht vorgesehen, ebenso fehlten im preußischen Vollzug die Schärfungen des einsamen Arrestes und des Fastens bei Wasser und Brot.44 Zudem beschränkte sich das preußische System auf drei Abstufungen bei der Freiheitsstrafe. Die für Braunschweig charakteristische allgemeine Arbeitspflicht45 gab es im preußischen System nicht. Einen Arbeitszwang gab es nur für Zuchthaushäftlinge. Die beiden härtesten Freiheitstrafen (Zuchthaus und Kettenhaft) konnten in beiden Rechtsordnungen auch lebenslang verhängt werden. Die Dauer der zeitigen Freiheitsstrafen waren in beiden Gesetzgebungen ähnlich bemessen. Während die zeitige Zuchthausstrafe des PrStGB zwischen 2 und 20 Jahren verhängt werden konnte, war die Spanne der Braunschweiger Kettenstrafe von 5 bis 15 Jahren kürzer, konnte aber in ihrer außerordentlichen Dauer auf 3 bis 25 Jahre erweitert werden. Die Maximaldauer der Gefängnisstrafe von 5 Jahren im preußischen System überstieg die Dauer des braunschweigischen 39 40 41 42 43 44 45

§ 7 PrStGB; § 7 CrimGB Br. Übersicht über die einzelnen Delikte in: Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 246. § 10 PrStGB. § 14 PrStGB. § 13 PrStGB. § 11 PrStGB; § 11 (§ 8 des Entwurfs) CrimGB Br. § 11 PrStGB.

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Pendants mit festgesetzten 3 Jahren, allerdings waren der Gefängnisstrafe noch die Zwangsarbeit und das Zuchthaus als härtere Freiheitsstrafen mit längerer Maximaldauer vorgelagert. Ein Sonderfall stellte im PrStGB die Einschließung – als einfache, die Ehre unangetastet lassende Freiheitsstrafe – dar, welche für das Duell und für einige politische Verbrechen im Falle mildernder Umstände angedroht war.46 Die Einschließung hatte eine Maximaldauer bis 20 Jahre.47 Die Geldstrafe führten beide Gesetze ebenfalls als selbstständige Strafart auf. Im Unterschied zur Braunschweiger Kodifikation war die Geldstrafe nicht nur alternativ zu Freiheitsstrafe vorgesehen, sondern konnte auch kumulativ neben der Freiheitsstrafe stehen und im eingeschränkten Ausmaß sogar eine eigenständige Bedeutung haben.48 Der Grund dieser Selbstständigkeit war hauptsächlich dem Umstand geschuldet, dass das PrStGB mit den „Uebertretungen“ auch sehr geringfügige Delikte umfasste. Der Verweis, im Braunschweiger Strafrecht als schwächste Strafart aufgeführt, fand im PrStGB keine Entsprechung. Freilich spielte diese Strafart auch im Criminalgesetzbuch nur eine unbedeutende Rolle. Die Nebenstrafen waren ebenfalls ähnlich strukturiert. Im PrStGB führte die Zuchthausstrafe zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.49 Das Braunschweiger Gesetz knüpfte diese Folge an die Ketten- oder Zuchthausstrafe. Im Gegensatz zum PrStGB, welches für die Gefängnisstrafe keine Nebenstrafe vorschrieb, waren im Braunschweiger Recht auch für die Zwangsarbeit eingeschränkte und bei der Gefängnisstrafe zeitlich begrenzte Nebenstrafen normiert.50 Die Stellung unter Polizeiaufsicht erfolgte im PrStGB gemäß dem französischen Vorbild bei schweren Verbrechen obligatorisch.51 In Braunschweig erforderte dagegen die Polizeiaufsicht ein selbständiges Urteil und stellte daher eine fakultative Nebenstrafe dar. Die Voraussetzungen zur Verhängung einer solchen waren zudem im Criminalgesetzbuch restriktiver ausgestaltet als im preußischem Recht. Während das PrStGB als Voraussetzung nur die Rechtskraft des Urteils52 46 47 48 49 50 51 52

Übersicht über die einzelnen Delikte in: Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 250. § 13 PrStGB. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 252. §§ 11, 12 PrStGB. § 17 (§ 12 des Entwurfs) CrimGB Br. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 219. § 26 PrStGB.

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erforderte, durften in Braunschweig nur die öffentliche Sicherheit und Sittlichkeit gefährdenden Verbrecher unter polizeiliche Aufsicht gestellt werden. Deren Dauer war in Braunschweig überdies auf 5 Jahre begrenzt, während sich diese in Preußen auf bis zu 10 Jahre erstrecken konnte.

c) Vorsatz und Fahrlässigkeit Große Unterschiede bestanden zwischen beiden Gesetzen bei der Frage, ob Vorsatz und Fahrlässigkeit gesetzlich definiert werden sollten. Die Braunschweiger Kodifikation entschied sich für eine umfassende gesetzliche Regelung dieser Elemente und der sich daran anknüpfenden Irrtumsfolgen und widmete diesen mit den „Allgemeinen Bedingungen der Strafbarkeit“ ein eigenes Kapitel. Demgegenüber verzichtete das PrStGB auf eine gesetzliche Regelung dieser Problematik. Dieser Entscheidung vorangegangen waren wiederholte Versuche in den diversen Vorentwürfen zum Strafgesetz das gesamte Spektrum der Vorsatz- und Fahrlässigkeitslehre in angemessener und zweckmäßiger Weise gesetzlich zu erfassen.53 Begründet wurde die Abkehr von der – bis dahin in deutschen Strafgesetzbüchern üblichen – Legaldefinition des Vorsatz- und Fahrlässigkeitsbegriffes mit der Befürchtung des preußischen Gesetzgebers „entweder zu viel oder zu wenig zu geben“ und damit dem richterlichen Ermessen negativ vorzugreifen.54

d) Versuch und Teilnahme Ähnlich divergent waren die korrespondierenden Regelungen beider Gesetze zum Versuch und zur Teilnahme. Bei der Bestrafung des Versuchs übernahm das PrStGB die Doktrin des Code pènal und stellte ihn mit der vollendeten Tat gleich.55 Allerdings konnte das Strafmaß durch richterliches Ermessen herabgesetzt werden. Durchbrochen wurde dieses Prinzip bei Verbrechen, bei denen Todesstrafe oder lebenslange Freiheitstrafe angedroht waren. Hier reduzierte das Gesetz die Strafdrohung auf mindestens 10 Jahre Zuchthaus. Eine Definition des vollendeten Verbrechens enthielt das Gesetz nicht.56 Dagegen normierte das Criminalgesetzbuch

53

54 55 56

Eine umfassende Übersicht über den Verlauf der Diskussionen über den Vorsatz – und Fahrlässigkeitsbegriff im PrStGB, in: Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten, S. 231–237. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten, S. 238. § 32 PrStGB. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten, S. 253.

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eine solche Definition zum Eingang des Versuchskapitels und stellte die geringere Strafbarkeit des Versuchs gegenüber der vollendeten Tat fest.57 Die Strafbarkeit des Versuchs folgte entsprechend dem Prinzip der Abstufung je nach Annäherung an die Vollendung. Allgemeine Regelungen zur Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen58 und zum Rücktritt59 vom Versuch, wie sie das Braunschweiger Recht vorsah, fehlten im PrStGB ebenfalls. Diese Fragen sollten alleine anhand der gesetzlich vorgegebenen Versuchsdefinition im § 32 beantwortet werden.60 Auch bei der Frage nach der Bestrafung der Teilnahme an Verbrechen verfolgten beide Gesetze konträre Lösungsansätze. Während die Braunschweiger Kodifikation mit der Trennung zwischen Anstifter, gleichen und ungleichen Teilnehmern das Prinzip einer Bestrafung des Teilnehmers nach seiner individuellen Verschuldung anstrebte, sollte der Teilnehmer im PrStGB – analog zum Code pénal – grundsätzlich mit derselben gesetzlichen Strafe wie der Täter bestraft werden. Auch hier entschieden sich die Gesetzgeber des PrStGB gegen die – das Braunschweiger Recht kennzeichnende – kasuistische und formalistische Lösung einer gesetzlichen Bestrafung der individuellen Schuld bei der Teilnahme.61 Die individuelle Schuld des Teilnehmers sollte im preußischen System nach § 35 – in Abgrenzung zum Code pénal – durch den Richter bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Gesetzlich ausgeschlossen wurde lediglich die Todesstrafe bzw. lebenslängliche Freiheitsstrafe, wenn gerichtlich festgestellt wurde, dass die Teilnahme „keine wesentliche war“. Die schwächeren Beteiligungsformen der Beihilfe und Begünstigung kannten beide Rechtsordnungen, wobei das PrStGB den Anwendungsbereich dieser Beteiligungsformen restriktiver bestimmte als das braunschweigische Recht; entsprechend geringer war auch die Strafdrohung bemessen. Die Unterlassung einer Verbrechensanzeige, im braunschweigischen Recht als strafbare Mitwisserschaft bezeichnet, bildete bei beiden Gesetzen den Abschluss der Teilnahmedelikte. Im Gegensatz zum PrStGB sah das Criminalgesetzbuch hier jedoch Straflosigkeit bei vorhandener Gefahr für den Täter oder dessen Angehörigen vor.62

57 58 59 60 61 62

§§ 35 (§ 29 des Entwurfs), § 36 (§ 30 des Entwurfs) CrimGB Br. § 40 (§ 34 des Entwurfs) CrimGB Br. § 69 (§ 63 des Entwurfs) CrimGB Br. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten, S. 255 ff. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten, S. 299. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten, S. 345.

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e) Strafausschlussgründe und Strafzumessung Die Strafausschlussgründe waren im PrStGB einheitlich neben den Strafzumessungsregelungen im vierten Titel unter den §§ 40–54 zusammengefasst. Dagegen unterschied das Braunschweiger Criminalgesetzbuch systematisch zwischen den „Allgemeinen Bedingungen der Strafbarkeit“ (Titel 3) und der „Tilgung der Strafbarkeit“ (Titel 8). Auch die Regelungen zur verminderten Schuldfähigkeit verortete das preußische System im vierten Teil, während das Criminalgesetzbuch diese als Teilaspekt des 6. Titels „Gründe der Erhöhung oder Herabsetzung der auf die Übertretung gesetzten Strafen“ regelte. Gesetzliche Vorgaben zur Strafzumessung, welche die Braunschweiger Kodifikation umfassend im Kapitel „Gründe der Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafmaßes“ (Titel 7) normierte, fehlten im preußischen Strafgesetzbuch. Ausgangspunkt der Strafausschlussgründe im PrSGB war die Definition der Unzurechungsfähigkeit im § 40. Ein Verbrechen bzw. Vergehen war danach ausgeschlossen bei Wahnsinn oder Beeinträchtigung der freien Willensbildung durch Gewalt und Drohung.63 Eine ähnliche Definition der Unzurechnungsfähigkeit normierte das Criminalgesetzbuch mit dem § 30. Gleichwohl folgten dieser allgemeinen Definition im Braunschweiger Recht noch weitere Regelungen zu Wahn und Rechtsunwissenheit (§ 31 / § 26 Abs.1 des Entwurfs), Zwang (§ 33 / § 27 des Entwurfs) sowie zum Notstand (§ 34 / § 28 des Entwurfs). Auf diese gesetzlichen Konkretisierungen der Unzurechnungsfähigkeit verzichtete das preußische Recht, hier bildete – wie bereits beim Versuch – die Legaldefinition den alleinigen Maßstab zur Beurteilung der verschiedenen Fallgestaltungen der Unzurechnungsfähigkeit.64 Den Ausschluss der Strafbarkeit bei Kindern bzw. Jugendlichen, behandelten beide Rechtsordnungen ebenfalls unterschiedlich. Das Braunschweiger Criminalgesetzbuch stellte bis zum 14. Lebensjahr die absolute Unzurechnungsfähigkeit fest (wobei dies nicht polizeiliche Maßnahmen betraf)65, dagegen ging das PrStGB im § 42 bei Tätern bis zum 16. Lebensjahr nur von einer verminderten Zurechnungsfähigkeit aus, bei der erst nach einer gesonderten Feststellung eines fehlenden „Unterscheidungsvermögens“ die Straffreiheit folgte, allerdings mit der Möglichkeit, in eine Besserungsanstalt gebracht zu werden. Hier orientierte sich das PrStGB stark am französischen Vorbild.66 Bei positiver Feststellung des Unterscheidungsvermögens, sah § 43 entsprechende Strafermäßigungen vor. 63 64 65 66

§ 40 PrStGB. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten, S. 403 ff. § 30 (§ 25 des Entwurfs) CrimGB Br. Vgl. Kleinbreuer, Das Rheinische Strafrecht, S. 152 f.

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Eine ähnliche Regelung gab es auch im braunschweigischen Recht mit § 60 (§ 53 des Entwurfs), der für Täter unter 21 Jahren mit eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit Strafermäßigungen normierte. In beiden Gesetzbüchern finden sich Regelungen zur Notwehr67, wobei das Criminalgesetzbuch diese systematisch im Besonderen Teil im Kontext der Körperverletzungsdelikte verortete. Für das PrStGB stellte die (rechtmäßige) Notwehr dagegen einen allgemeinen Strafausschlussgrund dar. Im Gegensatz zum Braunschweiger Recht war das preußische Notwehrrecht sehr weit gefasst, da es Beschränkungen wie die Verhältnismäßigkeit des Angriffs zum geschützten Rechtsgut nicht vorsah.68 Die Irrtumslehre behandelte das PrStGB im § 44 unter der Überschrift „Besondere Tatumstände“. Diese entsprach im Wesentlichen den braunschweigischen Regelungen zum Irrtum über Tatsachen im § 32 (§ 26 Abs. 2 und 3 des Entwurfs).69 Bei den Regelungen zur Verjährung als Strafausschlussgrund gab es deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gesetzen. Nach § 46 PrStGB trat auch für Verbrechen, welche mit Todesstrafe bedroht waren, nach 30 Jahren die Verjährung ein. Für solche Verbrechen postulierte § 71 (§ 64 des Entwurfs) des Criminalgesetzbuches – bei bereits eingeleiteter Untersuchung – ein Verjährungsverbot. Allerdings bleibt festzuhalten, dass das preußische Recht deutlich mehr Delikte mit der Todesstrafe sanktionierte als das Braunschweiger Pendant. Dagegen gab es nach § 49 im preußischen Recht keine Verjährung bei rechtskräftig erkannten Strafen, während die Braunschweiger Gesetzeslage eine solche gestattete.70 Bei den sonstigen Verjährungsfristen und bei der Frage des Verjährungsbeginns, waren die Unterschiede dagegen unerheblich.71 Bei Antragsdelikten stellten beide Gesetze fest, dass die Zurücknahme des Antrags bzw. der Ablauf der Antragsfrist zum Strafausschluss führten72, wobei die Rücknahme des Antrags nach Eröffnung der Untersuchung im PrStGB nach § 53 nur noch in Ausnahmefällen möglich war. Das Criminalgesetzbuch erlaubte dagegen eine Rücknahme des Antrags „bis zur Eröffnung des Erkenntnisses“ der ersten Instanz.73 67 68 69 70 71 72 73

§ 41 PrStGB, §§ 166 (§ 158 des Entwurfs), 167 (§ 159 des Entwurfs) CrimGB Br. Vgl. Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten, S. 425. Vgl. Müller, Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 205. § 71 Abs. 2 (§ 64 des Entwurfs) CrimGB Br. Vgl. Müller, Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 206 ff. §§ 50, 53 PrStB; § 69 (§ 63 des Entwurfs) CrimGB Br. § 247 (§ 228 des Entwurfs) CrimGB Br.

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Bei der Strafzumessung verfolgten beide Gesetze unterschiedliche Systeme. Das PrStGB hatte sich für die Aufnahme des französischen Systems der mildernden Umstände entschieden und dadurch – laut Berner – „ein freies, den Bedürfnissen des Lebens entsprechendes Milderungsrecht gegründet [...].74 Dieses Milderungsrecht war besonders auf Geschworenengerichte ausgerichtet75, dagegen lag der Schwerpunkt im braunschweigischen Recht bei der richterlichen Strafzumessung, für die das Gesetz unter dem Titel 7 entsprechende Vorgaben aufstellte. Folglich gab es im preußischen Strafzumessungssystem auch kein gesetzliches Surrogat zu der – das Braunschweiger Strafrecht kennzeichnenden – richterlichen Ermächtigung zur außerordentlichen Strafmilderung nach § 66 (§ 59 des Entwurfs). Im Gegensatz zum Criminalgesetzbuch mit § 68, führte das preußische Recht die Begnadigung als Strafausschlussgrund nicht auf.

f) Konkurrenzen und Rückfall Konkurrenzen und Rückfall waren im PrStGB im 5. Titel geregelt, der gleichzeitig den Abschluss des allgemeinen Teils bildete. Im Braunschweiger Recht stellten die Konkurrenznormen und der Rückfall als Straferhöhungsgründe im 6. Titel ebenfalls eine Regelungseinheit dar. Die Regelungen beider Rechtsordnungen zu den straferhöhenden Rechtsfolgen von Ideal- und Realkonkurrenz waren insgesamt vergleichbar, obgleich die Braunschweiger Regelung auch für diesen Bereich deutlich formalistischer gestaltet war.76 Ergänzende Regelungen im Konkurrenzfall beim Vermögensdelikt oder Klarstellungen für die Beurteilung von Dauerdelikten fehlten im preußischem Gesetz. Die Regelungen zum Rückfall waren in beiden Gesetzen ähnlich gefasst. Der Rückfall wirkte straferhöhend, wurde aber von beiden Kodifikationen in der Höhe begrenzt. Die Voraussetzungen für den Rückfall waren im preußischen Recht restriktiver ausgerichtet, da dort „dasselbe Verbrechen“ erneut begangen werden musste, während in Braunschweig bereits die Begehung eines „gleichartiges“ Verbrechens den Rückfall begründete.77 Zudem blieb der Rückfall im preußischen Recht nur ein fakultativer Strafschärfungsgrund. Ebenfalls nicht vorgesehen im PrStGB war die in Braunschweig angeordnete – systemfremde – Strafschärfung für den Fall, dass der rückfällige Täter bereits eine schwerere Strafe verbüßt hatte. 74 75 76 77

Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 258. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 258. §§ 55, 56 PrStGB, §§ 55 (§ 48 des Entwurfs), § 56 (§ 49 des Entwurfs) CrimGB Br. § 58 PrStGB, § 58 (§ 51 des Entwurfs) CrimGB Br.

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3. Besonderer Teil Der Besondere Teil des PrStGB umfasste 270 Paragraphen (ohne die Übertretungen des dritten Teils) und war damit deutlich umfangreicher als im Criminalgesetzbuch, welches sich auf 206 Vorschriften beschränkte. Hieraus auf einen restriktiveren Geltungs- bzw. Anwendungsbereich des Strafrechts im Herzogtum Braunschweigs zu schließen ist jedoch verfehlt. So war im Criminalgesetzbuch das Nebenstrafrecht wie z.B. das Jagdstrafrecht ausgenommen, welches aber (teilweise) Gegenstand des PrStGB war. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang noch der strenge positivistische Ansatz des PrStGB78, von dem sich das Criminalgesetzbuch durch die Zulassung der Gesetzesanalogie bewusst distanzierte. Aus der Tatsache, dass das PrStGB für insgesamt 14 Verbrechen die Todesstrafe androhte, während das Braunschweiger Gesetz diese absolute Strafe nur für zwei Verbrechen normierte, lässt sich nicht zwangsläufig ableiten, dass das Braunschweiger Strafrecht in seiner Gesamtheit milder als das PrStGB war. Dagegen spricht insbesondere die Existenz der Kettenstrafe als schwerste Freiheitsstrafe im Criminalgesetzbuch, da deren Vollzug im Vergleich zur preußischen Zuchthausstrafe ungleich härter war. Auch das System der mildernden Umstände federte einige Härten des PrStGB ab. Entsprechend bemerkte Berner, dass das PrStGB sowohl das allgemeine Landrecht als auch den Code pénal im Hinblick auf die angedrohten Strafen durch „Milde und Humanität“ übertraf.79 Auch bei den zentralen Delikten lassen sich keine gravierenden Unterschiede bei der Strafandrohungshöhe zwischen den beiden Rechtsordnungen erkennen. Für den Hochverrat80, Landesverrat81 und Tätlichkeiten gegen das Staatsoberhaupt82 als schwerste öffentliche Verbrechen sahen beide Gesetze die Höchststrafe vor, wobei das Criminalgesetzbuch für den Landesverrat und Tätlichkeiten gegen das Staatsoberhaupt die lebenslange Kettenhaft als Surrogat zur Todesstrafe wählte. Auch Mord83 und Totschlag84 als zentrale Privatverbrechen sanktionierten die beiden Rechtsordnungen ähnlich, wobei das Braunschweiger Recht dem richterlichen Ermessen einen größeren Spielraum einräumte, da die Todesstrafe nur bei bestimmten Qualifikationen zwingend 78 79 80 81 82 83 84

Vgl. Beseler, Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S, 67. Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 245. § 61 PrStGB; § 81 (§ 74 des Entwurfs) CrimGB Br. § 67 PrStGB; § 84 (§ 77 des Entwurfs) CrimGB Br. §74 PrStGB; § 90 (§ 83 des Entwurfs) CrimiGB Br. § 175 PrStGB; § 145 (§ 137 des Entwurfs) CrimGB Br. § 176 PrStGB; § 146 (§ 138 des Entwurfs) CrimGB Br.

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vorgeschrieben war, während das PrStGB keine Ausnahmen bei der Todesstrafe machte. Auch die unbestimmte Rechtsfolge der zeitlichen Kettenstrafe im Criminalgesetzbuch beim Totschlag war flexibler und damit milder als die zwingende lebenslange Zuchthausstrafe im PrStGB. Deutliche Strafabstufungen für eine Affekttat sahen beide Kodifikationen vor. Bei den Vermögensdelikten des Diebstahls85 und des Betrugs86 waren die angedrohten Strafen im PrStGB insgesamt deutlich niedriger bemessen als im Criminalgesetzbuch. So sah das PrStGB für den qualifizierten Diebstahl lediglich eine Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis vor, während im Braunschweiger Recht beim qualifizierten Diebstahl nicht unter 1 Jahr Zwangsarbeit erkannt werden durfte. Gleiche Unterschiede galten beim Betrug, den das PrStGB lediglich mit einer Mindeststrafe von einem Monat Gefängnis nebst Geldbuße bzw. bei bestimmten Formen des Betrugs mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis sanktionierte. Auch hier waren die Strafdrohungen im Braunschweig mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Zwangsarbeit ungleich härter.

C) Das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes I. Entstehung des Entwurfs des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund Im Zuge der Konstituierung des Norddeutschen Bundes wurde diesem – auf Antrag des Abgeordneten Lasker – am 20. März 1867 die Kompetenz für die gemeinsame Gesetzgebung über das Strafrecht übertragen.87 Am 30. März 1868 beantragten die Abgeordneten Wagner und Planck im Reichstag, dass dieser den Bundeskanzler auffordern solle, den Entwurf eines Strafgesetzbuches vorzulegen.88 Der Bundeskanzler Bismarck beauftragte am 17. Juni 1868 den Justizminister Leonhardt, einen entsprechenden Entwurf eines Strafgesetzbuches für das Gebiet des Norddeutschen Bundes (NdStGB) auszuarbeiten.89 Mit dem Auftrag der Erstellung eines Entwurfs wurde der vortragende Rat des Justizministeriums Friedberg betraut, und als Hilfsarbeiter wurden ihm die preußischen Richter Rubo und Rüdorff zur Seite gestellt.90 Friedberg entschied sich, keinen neuen, 85 86 87 88 89 90

§§ 215–219 PrStB; §§ 213–218 (§§ 204–206 des Entwurfs) CrimGB Br. §§ 241–243 PrStGB; §§ 224–226 (§ 210 des Entwurfs) CrimGB Br. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutsches Bundes im Jahre 1867, Bd.1, S. 191 ff. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, I. Legislaturperiode, Session 1868, Bd. 1. S. 27. Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 13 ff. Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 14.

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von den bestehenden Strafgesetzgebungen im Norddeutschen Bund unabhängigen Entwurf aufzustellen, sondern den Entwurf auf der Grundlage des preußischen Gesetzbuches von 1851 zu erarbeiten, da er dies als praktisch (und machtpolitisch) sinnvollste Lösung erachtete.91 Entsprechend bestand das Ziel Friedbergs darin, mit dem Entwurf eine verbesserte Version des preußischen Strafgesetzbuches zu erstellen. Friedberg und seine Mitarbeiter stellten innerhalb eines Jahres den Entwurf für ein norddeutsches Strafgesetzbuch in 139 Sitzungen fertig.92 Im Juli 1869 wurde er nebst dem Entwurf eines Einführungsgesetzes, den Motiven und vier Anlagen veröffentlicht.93 Gegenüber dem preußischen Strafgesetzbuch enthielt der Entwurf eine Reihe von Veränderungen, deren wichtigste die Motive zum Entwurf in 15 Punkten aufzählten.94 Zu den wichtigsten Änderungen gehörte die Androhung der Todesstrafe für nur noch drei statt 14 Delikte. Zudem sollte der Versuch gegenüber dem vollendeten Verbrechen eine mildere Bestrafung erfahren. Eingeführt wurden ferner die verminderte Zurechnungsfähigkeit und das Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre. Auch für die Bereiche Ehrenstrafen, Polizeiaufsicht und Strafensystem sah der Entwurf Neuregelungen vor. Trotz dieser Änderungen verfolgten die Entwurfsverfasser jedoch die Intention, so wenig wie möglich vom PrStGB aufzugeben.95

II. Einfluss Braunschweigs auf den Gesetzgebungsprozess Während fehlende / marginale Berücksichtigung der außerpreußischen Strafgesetzbücher große Kritik aus den Gebieten des sächsischen96 und thüringischen Strafrechts hervorrief97, fehlte es an kritischen Stimmen aus dem Herzogtum Braunschweig. Nach der Veröffentlichung wurde der Entwurf Friedbergs dem Bundesrat des Norddeutschen Bundes zur weiteren Beratung vorgelegt. Auch auf dieser Ebene lassen sich keine sichtbaren Versuche Braunschweigs feststellen, politischen

91 92 93 94 95 96

97

Motive zu dem Entwurfe eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, Berlin, im Juli 1869, S. 2 f. Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 23. Vgl. Schubert, Entwurf 1869, S. 1 ff. Vgl. Schubert, Entwurf 1869, S. 122. Vgl. Schubert / Vormbaum, Die Entstehung des StGB, Bd. 1, S. XVI. Einen umfassenden Überblick über die wiederholten sächsichen Versuche Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess zu nehmen findet sich in: Weber, Das sächsische Strafrecht im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch, S. 188–254. Vgl. Schubert / Vormbaum, Die Entstehung des StGB, Bd. 1, S. XVII.

Einfluss Braunschweigs auf die Kriminalrechtsvereinheitlichung

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Einfluss im Sinne einer stärkeren Berücksichtigung der strafrechtlichen Prinzipien des eigenen Criminalgesetzbuches in dem gemeinsamen Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund zu nehmen. Politische Protagonisten auf der Seite Braunschweigs waren bei diesem Gesetzgebungsprozess der Geheimrat von Liebe98 und der Justizminister von Campe99. Als Bevollmächtigter war von Liebe der Vertreter Braunschweigs (und als Substitut von Schaumburg – Lippe) im Bundesrat. In dieser Funktion berichtete von Liebe dem Justizminister von Campe über den Verlauf des Gesetzgebungsprozesses. In der vom Bundesrat mit Beschluss vom 3. Juni 1869 eingerichteten Bundesratskommission zur Revision des Entwurfs stellte Braunschweig kein Mitglied100 und versuchte auch nicht (vergeblich) wie Hamburg oder HessenDarmstadt Juristen aus seinem Rechtsgebiet als beratende Mitglieder in die Kommission einzubringen. Hier spiegelte sich bereits eine Politik des Herzogtums Braunschweig wider, die preußische Dominanz in dem Gesetzgebungsprozess als „Folge der Verhältnisse“, d.h. aufgrund der preußischen Vormachtstellung, zu akzeptieren.101 Motiviert wurde diese neutrale Haltung ferner von der zu dieser Zeit noch ungelösten Nachfolgesituation des kinderlosen Herzog Wilhelms, durch welche die Eigenständigkeit des Herzogtum Braunschweig dauerhaft gefährdet

98

Friedrich von Liebe wurde 1809 in Braunschweig geboren und starb 1885 in Berlin. Er studierte 1828 in Göttingen Rechtswissenschaften und wurde nach einer Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar 1841 in das Staatsminsterium berufen. Ab 1851 war er braunschweigischer Geschäfträger am preußischen Hof. 1861 erfolgte die Berufung als Minister und stimmführendes Mitglied im Geheimratskollegium. 1867 wurde er Ministerresident am preußischen Hof, Bevollmächtigter beim Bundesrat und Vertreter Braunschweigs bei den Verhandlungen des Reichstages zu Ausarbeitung der Verfassung. Die Behauptung Braunschweigs als selbstständiges Bundesland nach dem Tod von Herzog Wilhelm wurde von Liebe als diplomatischer Verdienst angerechnet; vgl. Reckewell, Braunschweigisches Biographisches Lexikon, S. 381. 99 Asche Burckhart Karl Ferndinand von Campe wurde 1803 geboren und starb 1874. Er studierte Rechtswissenschaft in Göttingen und trat 1827 in den braunschweigischen Justizdienst ein. 1856 erfolgte eine Ernennung zum Staatsminister der Justiz. 1861 übernahm er den Vorsitz im Ministerium und zusätzlich die auswärtigen Angelegenheiten. 100 Die Mitglieder der Kommission waren vier Juristen aus Preußen (Leonhardt, Friedberg, Bürgers und Dorn) sowie ein Jurist aus Sachsen (Schwarze), Mecklenburg – Schwerin (Budde) und Bremen (Donandt), vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 28. 101 StA Wolfenbüttel, 12 Neu Justiz 03 Nr. 416/1; Schreiben des Bundesgesandten Liebe an Justizminster von Campe vom 20.09.1869.

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war.102 Die Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit wurde innerhalb des Herzogtums zum „vaterländischen“ Projekt erklärt, welches selbst im nationaliberalen Bürgertum Braunschweigs Zustimmung fand. Die Kommission des Bundesrates schloss ihre Arbeiten innerhalb von drei Monaten am 31. Dezember 1869 ab.103 Obwohl drei Viertel der insgesamt 794 Änderungsanträge von den nichtpreußischen Mitgliedern Schwarze und Donandt gestellt wurden, scheiterten diese zumeist an der preußischen Mehrheit in der Kommission.104 So gelang es den nichtpreußischen Juristen nicht, das System der mildernden Umstände zu beseitigen bzw. eine allgemeine Bestimmung über Strafmilderungsgründe durchzusetzen.105 Auch die Dreiteilung der strafbaren Handlungen, blieben in der Kommission unberührt. Abseits des fehlgeschlagenden Versuchs, grundlegende Änderungen des Friedbergschen Entwurfs durchzusetzen, wies die revidierte Fassung eine Reihe von Unterschieden zum ursprünglichen Entwurf auf.106 Der revidierte Entwurf wurde am 4. Februar 1870 im Plenum des Bundesrates beraten. Auf Initiative Bismarcks wurde der Entwurf abweichend vom üblichen Verfahren vorläufig angenommen und Änderungsanträge an den Justizausschuss überwiesen.107 Auch bei diesen Sitzungen blieb Braunschweig seiner neutralen Haltung treu und verzichtete – im Gegensatz zu Sachsen und Mecklenburg – auf Änderungsanträge.108 Ausweislich der Aktenlage beschränkte sich die Abstimmung innerhalb des Herzogtums Braunschweigs auf die Berichterstattung zum Verlauf des Gesetzgebungsprozesses.109 Im Gegensatz zum Königreich Sachsen – wo sich Initiativen zur Beeinflussung des Gesetzgebungsprozesses in verschiedenen Institutionen bildeten – gab es in Brauschweig nur Beratungen auf

102 103 104 105 106 107 108

Vgl. Bernhardt, Die Zaunkönige des Verfassungssystems in: FS Flemming, S. 166. Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 33. Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 314. Vgl. Schubert, Festschrift für Rudolf Gmür, S. 159. Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 34–36. Vgl. Schubert / Vormbaum, Die Entstehung des StGB, Bd. 1, S. XVIII. Übersicht über die Protokolle der zweiten Sitzung des Bundesrates vom 04. Februar, die Anträge des Ausschusses für Justizwesen vom 7. Februar 1870 und die Beratungen des Bundesrates vom 11. Februar 1870 in: Schubert / Vormbaum, Die Entstehung des StGB, Bd. 2, S. 27–43. 109 Vgl. die Berichte des Braunschweiger Bundesgesandten vom Bundesrat von Liebe in den Jahren 1867 bis 1870, in: StA Wolfenbüttel, 12 Neu 05, Nr. 48/1.

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der Ebene des Justizressorts, ohne Beteiligung weiterer Ressorts.110 Diese begrenzte Teilhabe am Gesetzgebungsprozess war bei kleineren „neutralen“ nichtpreußischen Staaten jedoch nicht untypisch und entsprach den damaligen Machtverhältnissen im Norddeutschen Bund.111 Entsprechend versuchte Braunschweig auch nicht bei den anschließenden Verhandlungen im Reichstag112, konkreten Einfluss zu nehmen. Auch hier verfolgte insbesondere Sachsen eine gänzlich andere (aktive) Strategie.113 Zwar stellte Braunschweig auch ein Mitglied in der 21 Personen114 umfassenden Kommission des Reichstages, die sich mit dem 8. bis 29. Abschnitt des Besonderen Teils des Entwurfs befasste, allerdings wurden diese aus den jeweiligen Fraktionen entsandt.115 Von einer „Braunschweiger Initiative“ im Reichstag zur Änderung des Entwurfs nach dem Vorbild des Criminalgesetzbuches konnte daher keine Rede sein.116 Der Entwurf wurde – nachdem die Verhandlungen kurzfristig über den Streit zur vom Reichstag zunächst geforderten Abschaffung der Todesstrafe zu scheitern drohten – am 25. Mai 1870 mit den vom Reichstag durchgesetzten Abänderungen genehmigt.117

110 StA Wolfenbüttel, 12 Neu 05, Nr. 48/1, auch in den Berichten der Braunschweiger Bundesgesandten vom Bundesrat in den Jahren 1867 bis 1870 ist – außerhalb des Justizministeriums – keine wesentliche Beteiligung anderer Ressorts festzustellen. 111 Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 318 ff. 112 Bereits drei Tage nach der Beschlussfassung im Bundesrat wurde der Entwurf am 14. Februar 1870 in den Reichstag eingebracht und am 22. Februar 1870 in der ersten Lesung beraten. 113 Vgl. Weber, Das sächsische Strafrecht im 19. Jahrhundert, S. 235 ff. 114 Eine Übersicht über die Kommissionmitglieder der IV. Reichstagskommission findet sich in: Schubert / Vormbaum, Die Entstehung des StGB, Bd. 2, S. XXII–XXVII. 115 Vgl. Kesper-Biermann, Einheit und Recht, S. 328. 116 Im Rahmen der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1877/79 gab es dagegen den Versuch einer Initiative unter Führung Braunschweigs (mit dem Bevollmächtigen von Liebe), die geplanten Änderungen abzumildern, da diese die staatliche Qualität der Kleinstaaten (Einrichtung eines OLG Bezirks) im Kern trafen und ihre Kapazitäten zu überfordern drohten. Diese Initiative scheiterte aber an der mangelnden Bereitschaft der Kleinstaaten partikulare Bündnisse einzugehen. Für die meisten dieser Staaten stand zumeist die zum Teil Jahrhunderte alte individuelle Identität im Vordergrund, was letztlich aber dazu führte, dass sich gegen die Übermacht Preußens keine schlagkräftige Opposition formieren konnte. Am Ende war Braunschweig gezwungen, einen eigenen OLG Bezirk einzurichten. Dieser war nach Oldenburg der zweitkleinste in Deutschland, vgl. Bernhardt, Die Zaunkönige des Verfassungssystems, in: FS Flemming, S. 156 ff. 117 Eine Übersicht über den Verhandlungsverlauf im Reichtstag in: Schubert, Festschrift für Rudolf Gmür, S. 175 ff.

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III. Vergleich des Braunschweiger Criminalgesetzbuches mit dem NdStGB Die Zurückhaltung Braunschweigs war womöglich auch dadurch begründet, dass sich das NdStGB in einigen Aspekten den Leitprinzipien des Criminalgesetzbuches annäherte bzw. in vielen Bereichen auch Verbesserungen mit sich brachte.

1. Aufbau und Umfang Das NdStGB umfasste insgesamt 370 Paragraphen und war damit geringfügig umfangreicher als das PrStGB. Die formale Unterteilung des PrStGB zwischen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen in drei Teile, bei welchem im dritten Teil der Bestrafung der Übertretungen im Allgemeinen und die der einzelnen Übertretungen zusammengefasst waren, wurde im NdStGB aufgegeben und die strafbaren Handlungen in einem Allgemeinen und Besonderen Teil zusammengefasst.118 Darüber hinaus wurden Grundsätze, die positive Strafandrohungen enthielten, wie z.B. die Bestimmungen über Begünstigung, unterlassene Anzeige und öffentliche Aufforderung zu strafbaren Handlungen in den speziellen Teil verwiesen. Hierdurch wurde eine vormals bestehende formale Parallele zwischen dem Criminalgesetzbuch und dem PrStGB im NdStGB durchbrochen.

2. Allgemeiner Teil a) Strafensystem Während die umstrittene Dreiteilung der strafbaren Handlungen und der Grundsatz nulla poena sine lege im NdStGB beibehalten wurde, gab es im Strafensystem erhebliche Änderungen im Vergleich zum preußischen Vorgänger. So wurde die Todesstrafe von vormals 14 Delikten auf nur noch 2 Fälle reduziert und daher ähnlich restriktiv angewandt wie im Criminalgesetzbuch. Auch war neben der lebenslänglichen Zuchthausstrafe fast überall eine zeitige Zuchthausstrafe zugelassen, was die Anzahl der absoluten Strafen deutlich reduzierte. Auch dies entsprach dem Braunschweiger System, welches absolute Strafen nur in sehr begrenzten Fällen vorsah. Bei der gesetzlichen Dauer der Freiheitsstrafen sah das NdStGB Milderungen vor. So wurde der Mindestbetrag der Zuchthausstrafe von zwei auf ein Jahr, ihr Höchstbetrag sowie der der Festungshaft (vormals Einschließung im PrStGB)

118 Vgl. Meyer, Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, S. XX.

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deutlich von 20 Jahren auf 15 herabgesetzt. Anstelle der im PrStGB bei Übertretungen nach § 333 vorgesehenen polizeilichen Gefängnisstrafe trat im NdStGB die Haft, welche nicht nur bei Übertretungen, sondern auch beim Vergehen der Beleidigung (§§ 185, 186 NdStGB) Anwendung fand, sowie an die Stelle einer nicht beizutreibenden Geldstrafe (im Falle einer gesetzlichen Anordnung) treten sollte. Entsprechend unterschied das NdStGB ähnlich wie das Criminalgesetzbuch zwischen vier Arten der Freiheitsstrafe, wobei die braunschweigischen Strafarten ungleich härter in der Vollstreckung waren. Im Hinblick auf die Vollstreckung der Freiheitsstrafen sah das NdStGB bei der Gefängnisstrafe Änderungen vor. Hier konnten nach § 16 NdStGB die Gefängnisinsassen verlangen, nach ihren Fähigkeiten und Verhältnissen in angemessener Weise beschäftigt zu werden. Den Weg einer allgemeinen Arbeitspflicht im Vollzug nach Braunschweiger Vorbild beschritt daher auch das NdStGB nicht. Weiterhin gestattete das NdStGB mit § 60 die Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft auf die erkannte Strafe, was im PrStGB nicht vorgesehen war, dafür aber bereits – eingeschränkt – das Criminalgesetzbuch119 postulierte. Für das in den §§ 23–26 NdStGB – nach sächsischen Vorbild – eingeführte Beurlaubungssystem gab es keine Entsprechung im braunschweigischen System. Eine Haftentlassung war nur durch Begnadigung möglich. Eine deutliche Entschärfung sah das NdStGB – gegenüber dem braunschweigischen Strafrecht – bei den Nebenstrafen vor. Der im preußischen Recht an die Zuchthausstrafe geknüpfte dauerhafte Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte wurde aufgegeben. Ausgehend vom nunmehr im NdStGB verfolgten Grundsatz, dass nicht die Strafe, sondern die strafbare Handlung die Ehre in Frage stelle, war es dem Richter gestattet, die bürgerlichen Ehrenrechte nach Maßgabe der einzelnen Delikte zeitlich begrenzt abzuerkennen, was auch den dauernden Verlust bestimmter Rechte und Privilegien – nicht aber des Adelstitels – zur Folge hatte. Den, das braunschweigische Strafrecht kennzeichnenden, Verlust der Ehrenrechte von Rechtswegen bei bestimmten Strafarten kannte das NdStGB folglich nicht mehr. Der Charakter der Polizeiaufsicht veränderte sich im NdStGB gegenüber dem strengen preußischen System vollständig.120 Die Voraussetzungen waren nunmehr sogar restriktiver als im braunschweigischen Recht, da – bei einer begrenzten Anzahl von Delikten – richterlich nur auf die Zulässigkeit dieser Nebenstrafe

119 § 61 (§ 54 des Entwurfs) CrimGB Br. 120 Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 377 ff.

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erkannt werden konnte und anschließend das öffentliche Interesse an der Freiheitsbeschränkung maßgeblich war.121 Die Dauer der Polizeiaufsicht war – gleich dem Braunschweiger System – auf 5 Jahre begrenzt.122

b) Versuch und Teilnahme Im Unterschied zum preußischen Vorgänger normierte das NdStGB in § 44 das Prinzip, dass das versuchte Verbrechen oder Vergehen milder bestraft werden sollte als das vollendete.123 Dies entsprach auch dem Leitprinzip des Braunschweiger Rechts bei der strafrechtlichen Beurteilung des Versuchs. Ebenfalls einen Schritt näher zum braunschweigischen System bewegte sich das NdStGB bei der Teilnahme, indem § 49 NdStGB das Prinzip aufstellte, dass der „Gehülfe“ eines Verbrechens mit einer nach den Grundsätzen über Bestrafung des Versuchs reduzierten Strafe zu belegen war.124 Nach dem preußischen Recht musste der „Gehülfe“ grundsätzlich gleich dem Täter bestraft werden, ermäßigt wurde die Strafe nur, wenn der Tatbeitrag kein „wesentlicher“ war.125 Damit spielte im NdStGB – ähnlich dem Braunschweiger Gesetz – die Bestrafung der individuellen Schuld der Teilnehmer eine größere Rolle, freilich vermied auch das NdStGB, entgegen dem Braunschweiger Pendant, eine kasuistische Lösung dieser Problematik.

c) Strafausschlussgründe Das NdStGB veränderte gegenüber dem PrStGB die zentrale Norm der strafausschließenden Unzurechnungsfähigkeit. Lag nach § 40 PrStGB eine strafbare Handlung nicht vor, wenn der Täter zur Zeit der Tat „wahnsinnig oder blödsinnig“ gewesen war, entfielen im § 51 NdStGB diese – in der praktischen Rechtsanwendung als zu starr und einschränkend empfundenen – Begriffe.126 Durch den Tatbestand des § 51 NdStGB sollten nunmehr alle Fälle von Geisteskrankheit erfasst werden.127 Entsprechend war auch hier eine Annäherung zur braunschweigischen Gesetzeslage festzustellen, dessen Unzurechenbarkeitsdefinition weiter und flexibler gefasst war als im PrStGB.

121 122 123 124 125 126 127

Vgl. Meyer, Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, S. XXIII. § 38 NdStGB. Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 416. Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 449. Vgl. Meyer, Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, S. XXIII. Vgl. Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 105 ff. Vgl. Meyer, Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, S. XXIV.

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In diesem Sinne war auch die Hinzufügung der – im PrStGB fehlenden – Notstandregelung in § 54 NdStGB als eine Angleichung an den Braunschweiger Rechtszustand zu sehen. Bei der Frage der Bestrafung Jugendlicher verzichtete das NdStGB auf das – dem Code pénal entlehnte – ausnahmslose Abstellen auf das intellektuelle Unterscheidungsvermögen im PrStGB.128 Nach § 55 NdStGB sollten vor dem vollendeten 12. Lebensjahr begangene Handlungen strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden, was dem Braunschweiger Ansatz entsprach, der die Grenze aber zwei Jahre höher setzte. Ebenso setzte das NdStGB die Altersgrenze, bei der das Unterscheidungsvermögen weiterhin strafrechtliche Relevanz besaß, von 16 Jahren auf 18 Jahre herauf, was aber immer noch deutlich unterhalb der Braunschweiger Grenze für die altersbedingte verminderte Zurechnungsfähigkeit von 21 Jahren lag. Die im § 57 geregelte obligatorische Strafminderung auch für strafmündige Jugendliche bis 18 Jahre entsprach zudem dem Braunschweiger Prinzip des § 60 (§ 53 des Entwurfs). Analog zur braunschweigischen Rechtslage gestattete das NdStGB, die dem PrStGB völlig unbekannte Verjährung rechtskräftig erkannter Strafen.129 Bei den Antragsdelikten regelte nunmehr § 64 NdStGB, dass der Antrag bis zur Verkündung des Urteils – im Unterschied zum Beginn der Untersuchung im PrStGB – strafbefreiend zurückgenommen werden konnte, was in der Wirkung der Gesetzeslage zur Antragsrücknahme in Braunschweig entsprach. Im Unterschied zum PrStGB sah das NdStGB mit dem § 46 auch das Institut der strafbefreienden tätigen Reue beim Versuch vor.130 Diese Möglichkeit gab es mit dem § 69 (§ 63 des Entwurfs) auch im braunschweigischen Recht. Allerdings weitete das NdStGB den Anwendungsbereich der tätigen Reue gegenüber dem Criminalgesetzbuch aus, da nicht nur die freiwillige Aufgabe der begonnenen Handlung, sondern auch die Abwendung des Erfolgs bei einem bereits beendeten Versuch straflos sein sollte.131

d) Rückfall Bei der Frage der Behandlung des Rückfalls entschied sich das NdStGB für einen Paradigmenwechsel, da es diesen nicht mehr als allgemeinen Strafschärfungsgrund klassifizierte, wie es vormals das preußische und Braunschweiger 128 129 130 131

Vgl. Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 319 f. Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 531. Vgl. Rubo, Kommentar über das Strafgesetzbuch, S. 420. Vgl. Meyer, Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, S. XXIV.

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Strafrecht normierten. Die Strafschärfung erfolgte im NdStGB nur noch aufgrund gesetzlicher Anordnung bei Einzeldelikten.132

3. Besonderer Teil Im NdStGB wurde das Strafmaß gegenüber dem – als zu streng empfundenen – PrStGB erheblich ermäßigt und zwar durch Streichung bzw. Herabsetzung der Mindeststrafe für eine Vielzahl von Delikten bzw. durch Zulassung von mildernden Umständen in solchen Fällen, die dem preußischen Strafrecht unbekannt waren.133 Entsprechend war es bezüglich der Strafandrohungen und insbesondere bei der Vollstreckung der Strafen deutlich milder als das Criminalgesetzbuch. Eine Diskrepanz, die jedoch maßgeblich auf fast 30 Jahren Altersunterschied beider Werke beruhte, da sich das Strafverständnis in diesem Zeitraum in Deutschland weiter liberalisiert hatte. Im Unterschied zum sächischen Strafrecht, welches sich seit seiner Entstehung in einem kontinuierlichen Revisionsprozess befand, hatte das Braunschweiger Strafrecht diese Fortentwicklung gesetzlich nicht nachvollzogen.

D) Fazit Ein maßgeblicher bzw. messbarer Einfluss Braunschweigs auf die materielle Kriminalrechtsvereinheitlichung ist nicht feststellbar. Zunächst durchbrach das PrStGB mit der Anlehnung an das französische Strafrecht seiner Rheinprovinzen den Prozess der innerdeutschen Rechtsfortentwicklung und schmälerte damit den (dogmatischen) Einfluss jener deutschen Strafrechtskodifikationen, die noch dem Geist Feuerbachs verhaftet waren. Anschließend wurde auf dem Weg zur Rechtseinheit im Strafrecht zunehmend die (Macht-)Politik zum bestimmenden Faktor. Der Wettstreit um den besten dogmatischen Lösungsansatz verlor in dieser Zeit zunehmend an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund waren die Einflussmöglichkeiten des Kleinstaates Braunschweig sehr begrenzt, zumal die fortdauernde Bedrohung der Eigenständigkeit des Herzogtums eine neutrale Haltung zu Preußen erforderte. Abseits der politischen Situation stellte das NdStGB gegenüber der fast 30 Jahre alten und kaum veränderten Braunschweiger Kodifikation in vielen Bereichen eine deutliche Verbesserung dar. Zudem gab es – im Unterschied zu Sachsen – auch bei fundamentalen Gesichtspunkten wie der Todesstrafe keine Trennlinie. Folglich sprachen für die Zurückhaltung Braunschweigs im Gesetzgebungsprozess neben den naheliegenden politischen auch sachlich – dogmatische Gründe. 132 Vgl. Meyer, Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, S. XXIV. 133 Eine Übersicht über die Delikte mit reduzierten Strafmaß findet sich in: Meyer, Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, S. XXI.

Elftes Kapitel: Zusammenfassung und Würdigung A) Zusammenfassung Im Herzogtum Braunschweig existierte bis zum Inkrafttreten des Criminalgesetzbuches von 1840 kein einheitliches kodifiziertes Strafrecht. Bis zur Schaffung dieses Werks war die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina) die maßgebliche strafrechtliche Rechtsquelle im Herzogtum. Ergänzt wurde die peinliche Gerichtsordnung dabei durch herzögliche Verordnungen, die strafrechtliche Teilbereiche regelten. Da die Carolina zumeist nur schwere Straften sanktionierte, dienten die Verordnungen der Regelung von Strafbarkeitslücken ohne spezifischen Reformanspruch, da sich die Rechtsfolgen dieser Verordnungen am Strafensystem der Carolina anlehnten. Mit Voltaire und Beccaria wurde die Strafrechtsreform im Geiste der Aufklärung zur gemeinsamen Angelegenheit der Kulturvölker.1 Auch im Herzogtum Braunschweig wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Carolina mit ihrer ausgedehnten Anordnung absolut bestimmter, harter Strafen, insbesondere Todesstrafen zunehmend in Frage gestellt. Wie in anderen deutschen Staaten vollzog sich in Braunschweig zunächst der strafrechtliche Fortschritt durch allmähliche Milderung und Änderung der Strafarten der Carolina im Wege der gerichtlichen Praxis. Im Gegensatz zu Preußen mit der Einführung des Allgemeinen Landrechts 1794 und Bayern mit dem Erlass des bayrischen StGB 1813 gab es im Herzogtum Braunschweigs zum Beginn des 19. Jahrhunderts keinerlei politische Bestrebungen zur Schaffung einer eigenen strafrechtlichen Kodifikation. Die kurze Zugehörigkeit Braunschweigs zum Königreich Westphalen von 1810 bis 1813 führte im Gegensatz zum Rheinland nicht zu einer Adaption des französischen Strafrechts. Die dadurch bedingte zunehmende Dominanz des Richterrechts auf dem Gebiet des Strafrechts kulminierte 1825 in der öffentlichen Abkehr des Gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts in Wolfenbüttel von der Carolina, auf die vormals bei der Urteilsfindung noch stets Bezug genommen wurde. Die nun vollständige Herrschaft des Richterrechts beförderte die strafrechtlichen Reformbestrebungen im Herzogtum. 1828 beauftragte Herzog Karl eine Kommission zur Erstellung eines Entwurfs zu einem Strafgesetzbuch. Deren

1

Vgl. Hippel, Deutsches Strafrecht, S. 234.

https://doi.org/10.1515/9783110651485-011

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Arbeit blieb aber ergebnislos. Ungefähr zeitgleich zur Einsetzung der Kommission veröffentlichte der braunschweigische Oberappellationsrat von Strombeck seinen privaten Entwurf eines Gesetzbuches für ein Norddeutsches Staatsgebiert, namentlich für das Herzogtum Braunschweig und die Fürstentümer Waldeck, Pyrmont, Lippe und Schaumburg-Lippe. Dieser im Jahr 1829 publizierte Entwurf fand jedoch in Braunschweig und darüber hinaus wenig Beachtung, da es ihm mit fast 600 Artikeln an Praktikabilität mangelte und er sich mit der Abkehr von der Todesstrafe als zulässige Strafart gegen den damals herrschenden Zeitgeist stellte.2 Aufgrund der weiterhin unbefriedigenden legislativen Rechtslage in Braunschweig äußerte die Ständeversammlung im Jahr 1831 gegenüber Herzog Wilhelm den Wunsch nach einer Strafrechtsreform und der Ausarbeitung eines Criminalgesetzbuches. Der Herzog teilte diese Einschätzung und beauftragte daraufhin das Staatsministerium unter der Leitung von Schleinitz mit der Ausarbeitung eines Entwurfs. Die Arbeiten am Entwurf erstreckten sich über einen Zeitraum von neun Jahren. Nach Abschluss der Arbeiten im Staatsministerium im Jahr 1839 setzte sich die Ministerialkommission, Sektion Justizsachen – eine beratende Behörde im Herzogtum – mit dem Entwurf in mehreren Sitzungstagen auseinander. Nach Abschluss dieser Beratungen wurde der Regierungsentwurf für ein Criminalgesetzbuch dem Landtag zur Beschlussfassung zugeleitet. Der Regierungsentwurf von 1839 zeichnete sich mit insgesamt 266 Paragraphen im Vergleich zu anderen deutschen strafrechtlichen Partikulargesetzbüchern durch eine bemerkenswerte Kürze aus. Abweichend vom Prinzip Feuerbachs, der Bindung des Richters an das Gesetz (nullum crimen sine lege), erlaubte der Entwurf ausdrücklich die Gesetzesanalogie bei der Rechtsanwendung. Die Todesstrafe wurde als zulässige Strafart bestätigt, deren Anwendung jedoch auf die Fälle des Hochverrats und des Mordes beschränkt. Der Regierungsentwurf hatte zudem ausschließlich das Kriminalrecht, also die Verletzung staatlicher und privater Rechte zum Gegenstand. Entsprechend waren Polizeivergehen und auch das Nebenstrafrecht nicht Bestandteil des Entwurfs. Im Hinblick auf die zu Beginn der Rechtsepoche umstrittene Frage nach der richtigen Straftheorie enthielt der Regierungsentwurf Elemente aus Vergeltungstheorie, General- und Spezialprävention. Für den Landtag setzte sich zunächst eine hierfür aus seinen Reihen gebildete Kommission mit dem Regierungsentwurf auseinander. Die Kommission beauftragte im Januar 1840 zunächst den Heidelberger Professor Mittermaier mit der Prüfung des Regierungsentwurfs. Dieser Schritt war insofern beachtlich, als die 2

Vgl. Cipolla, Friedrich Karl von Strombeck, S. 217.

Zusammenfassung und Würdigung

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Hinzuziehung von Strafrechtsexperten üblicherweise von Regierungsseite bei der Entwurferstellung erfolgte. Da dieser Vorgang in Braunschweig aus unbekannten Gründen unterblieb, vertraute nunmehr die Ständeversammlung auf die Unterstützung eines wissentschaftlichen Gutachtens. Letzteres befand den Entwurf insgesamt als überzeugend. Neben der externen Prüfung des Entwurfs beauftragte die Kommission Sallentien – eines ihrer Mitglieder – mit einer gutachterlichen Äußerung über die Frage der Zulässigkeit der Todesstrafe. Das Gutachten, welches dem Kommissionsbericht als Anlage beigefügt war, bestätigte die Entscheidung der Verfasser des Regierungsentwurfs, die Todesstrafe in dem vorgeschlagenen restriktiven Anwendungsbereich als zulässige Strafart anzuerkennen. Der Bericht der Kommission, der in enger Abstimmung mit dem Staatsministerium unter Schleinitz erstellt wurde, bezeichnete den Regierungsentwurf insgesamt als ein gelungenes Werk. Freilich schlug der Bericht der Ständeversammlung eine Vielzahl von Änderungen vor, die aber größtenteils redaktioneller Natur waren bzw. einer besseren Übersichtlichkeit des Gesetzes dienen sollten. Inhaltlich beherrschte – neben der Todesstrafe – die Frage nach der Zulässigkeit des für staatsgefährdende Handlungen gegenüber ausländischen Regenten verankerten Grundsatzes der „Reciprocität“, wonach die strengen Rechtsfolgen des Hoch- und Landesverrats nur Anwendung finden sollten, wenn die Gesetzgebung des betreffenden Staates ebenfalls diesen Grundsatz befolgte, die Diskussionen der Kommission. Hier entschied man sich schließlich mit knapper Mehrheit für die Bestätigung der harten Linie des Regierungsentwurfs. Der Bericht der Kommission wurde im April 1840 der Ständeversammlung vorgelegt. Aufgrund der umfangreichen Vorarbeiten der Kommission verliefen die Verhandlungen sehr zügig. Bis auf wenige Ausnahmen übernahm das Plenum die Änderungsanträge der Kommission. Die vorgeschlagene Beibehaltung der Todesstrafe wurde in den Verhandlungen vom Führer der liberalen Opposition Steinacker angegriffen, der die vollständige Abschaffung dieser Strafart verlangte. Gegen die konservative Mehrheit im Plenum konnte er sich mit seiner Forderung jedoch nicht durchsetzen; ebenso scheiterte der Versuch Steinackers, geringere Strafdrohungen für politische bzw. öffentliche Verbrechen zu erreichen. Entgegen dem Votum der Kommission entschied sich der Landtag für einen Antrag auf Abschaffung der Reziprozität bei staatsgefährdenden Handlungen gegen ausländische Regenten. Insbesondere die durch das Reziprozitätserfordernis bedingte strafrechtliche Ungleichbehandlung der Täter rief Unverständnis hervor, zumal auch die Todesstrafe als Rechtsfolge im Raum stand. Der Antrag wurde dem Staatsminsterium – neben weiteren Änderungsanträgen – nach Abschluss der Beratungen übersandt. Die Staatsregierung bestätigte die Änderunganträge des Landtags, lehnte aber zwei Anträge, darunter die angestrebte Abschaffung der Reziprozität, ab. Nach kurzen Beratungen entschied

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sich der Landtag, Antrag erneut zu stellen. Überraschend stimmte das Staatsministerium ihm diesmal zu, verlangte aber gleichzeitig eine zügige Verabschiedung der Strafrechtsreform durch den Landtag. Am Sitzungstag der Ständeversammlung vom 12. Mai 1840 stimmte der Landtag für das vorgeschlagene Gesetz. Aufgrund der Verordnung vom 10. Juli 1840 trat das Criminalgesetzbuch am 1. Oktober 1840 in Kraft. Es umfasste in seiner Endfassung insgesamt 287 Paragraphen, wobei der Großteil des Zuwachses auf den Vorschlägen der Kommission für eine bessere Übersichtlichkeit der Kodifikation beruhte. Tatsächlich waren dem Regierungsentwurf im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses nur sechs neue Paragraphen hinzugefügt worden. Das Criminalgesetzbuch wurde am 15. Februar 1843 durch das Fürstentum Lippe-Detmold fast wortgleich übernommen. Diese Rezeption des Gesetzes durch das kleine Fürstentum war aufgrund der bereits bestehenden rechtlichen Verbundenheit beider Staaten durch das gemeinsame Oberappellationsgericht in Wolfenbüttel naheliegend. Die Braunschweiger Kodifikation erhielt aus der Wissenschaft und Praxis einhellig Lob und Anerkennung. Hervorgehoben wurde insbesondere die Kürze des Werkes und der damit einhergehnde Verzicht auf eine überbordende Kasuistik, welche in der damaligen Gesetzespraxis häufig anzutreffen war. Das Strafensystem wurde als moderat und ausgewogen charakterisiert, wobei auch der restriktive Anwendungbereich der Todesstrafe und der damit weitestgehende Verzicht auf absolute Strafen insbesondere bei Mittermaier positive Erwähnung fand. Als eine der legislativen Errungenschaften des Gesetzes werten die Rezensenten die außerordentliche Milderungsbefugnis für Richter (§ 62 / § 55 des Entwurfs), die später auch im Artikel 60 des Hamburger Criminalgesetzbuches von 1869 eine Entsprechung fand. Die Handhabe des Gesetzes in der Praxis wurde von den beteiligten Zeitgenossen als unproblematisch angesehen. Neben der Bewährung im juristischen Alltag genoß die neue Kodifikation nach Mittermaier auch die Anerkennung in der Bevölkerung. Im Gegensatz zu anderen deutschen Partikulargesetzgebungen blieb die Braunschweiger Kodifikation weitestgehend unverändert. Es gab bis zum Jahr 1870 insgesamt vier Änderungsgesetze zum Criminalgesetzbuch, die aber nur geringfügige Strafbarkeitslücken nachträglich schlossen bzw. rechtliche Veränderungen auf der Ebene des Deutschen Bundes bzw. des Norddeutschen Bundes strafrechtlich nachvollzogen. Ein umfassendes Revisionsgesuch der Ständeversammlung im Jahr 1849, im Zuge der Einführung der Strafprozessordnung im Herzogtum und auf Grundlage der liberalen Ideen der Märzrevolution 1848,

Zusammenfassung und Würdigung

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blieb ergebnislos. Weitere Reformanstrengungen des Landtages in Hinblick auf eine Revision des Criminalgesetzbuches sind nicht dokumentiert. Der spätere Einfluss des braunschweigischen Criminalgesetzbuches auf die deutsche Kriminalrechtsvereinheitlichung war marginal. Aufgrund seines „Geburtsschicksals“ in einem politisch unbedeutendenden Kleinstaat fehlte es der Kodifikation nach ihrem Inkrafttreten 1840 – trotz der allseits positiven Rezensionen – an dem notwendigen Resonanzraum für eine deutschlandweite Wirkungsentfaltung. Entsprechend spielte das Braunschweiger Werk bei der Schaffung des für die spätere deutsche Rechtseinheit maßgeblichen preußischen Strafgesetzbuches von 1851 praktisch keine Rolle. Das Braunschweiger Gesetz wurde zwar nach seinem Erscheinen als weitere Vorlage bzw. Rechtsquelle in den damals in Preußen noch laufenden Gesetzgebungsprozeß hinzugezogen, dies war aber in der damaligen Gesetzgebungspraxis ein üblicher Vorgang ohne besondere Aussagekraft. Zum Zeitpunkt der Publikation des braunschweigischen Criminalgesetzbuches wurde der preußische Kodifikationsprozeß bereits von der Auseinandersetzung mit den preußischen Rheinprovinzen über den Einbezug des Code pénals in das entstehende preußische Strafgesetzbuch beherrscht. Entsprechend besaß das Strafgesetzbuch Preußens nach seinem Erscheinen eine eigene Prägung und wich in zentralen Elementen von den anderen deutschen Partikulargesetzgebungen ab. Auch bei der Schaffung des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund verzichtete das Herzogtum Braunschweig – im Unterschied zum Königreich Sachsen – auf den Versuch, den Gesetzgebungsprozess zu beeinflussen. Die Entscheidung, das preußische Strafgesetzbuch von 1851 als Vorlage für die spätere Kodifikation des Norddeutschen Bundes heranzuziehen wurde von Braunschweiger Seite daher nicht beanstandet. Auch im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsprozesses gab es auf der Braunschweiger Seite – im Unterschied zum Königreich Sachsen – keine erkennbaren Bestrebungen, Inhalte bzw. Leitprinzipien des eigenen Strafgesetzbuches in das entstehende NdStGB einzubringen.

B) Würdigung Mit dem Braunschweiger Criminalgesetzbuch hatten seine Verfasser ein Werk geschaffen, welches im Vergleich zu der Gruppe von Kodifikationen, die auf das bayrische Strafgesetzbuch Feuerbachs folgten, durch eine hohe Eigenständigkeit auffiel.

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I. Das richterliche Ermessen im Braunschweiger Strafrecht Das Attribut der Eigenständigkeit bzw. die „Originalität“ (Binding) des Gesetzes offenbarte sich bereits in seiner äußeren Form. Mit einem Umfang von 287 Paragraphen hatte das Criminalgesetzbuch im Vergleich zu anderen deutschen Strafgesetzbüchern eine bemerkenswerte Kürze. Die Rechtsdogmatik der damaligen Strafgesetzgebungen beruhte auf der von Feuerbach begründeten Tradition der Rechtssicherheit und Gesetzesbestimmtheit mit der damit einhergehenden Tendenz, das Ermessen des Richters einzuschränken.3 Diese ausgeprägte Gesetzesauffassung, die sich im Grundsatz nullum crimen, nulla poena sine lege widerspiegelte, führte als Konsequenz unweigerlich zu einer umfangreichen Kasuistik dieser Werke mit entsprechend negativen Auswirkungen auf deren Praxistauglichkeit.4 Die Verfasser des Criminalgesetzbuches widersetzten sich in diesem Punkt dem Zeitgeist und stellten die Praxistauglichkeit unter Vermeidung aller „Casuistik“ in den Vordergrund ihrer legislativen Bemühungen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde dem richterlichen Ermessen im Braunschweiger Strafrecht eine vergleichsweise große Bedeutung zugebilligt. Die in der Nachfolge der Aufklärung in der Strafrechtswissenschaft und Gesetzesphilosophie des 19. Jahrhunderts begründete Sorge vor der richterlichen Willkür teilten die Verfasser des Criminalgesetzbuches ausdrücklich nicht. Vielmehr betrachteten sie den Richter als Garanten für die Fortentwicklung des Rechts in Anbetracht stetig fortschreitender gesellschaftlicher Veränderungen. Ausschlaggebend für die im Criminalgesetzbuch festzustellende Renaissance des Richterrechts waren die positiven Erfahrungen in Braunschweig mit der (selbstständigen) Gerichtspraxis in der Zeit der Carolina und der von den Verfassern beobachtete und als kritisch erachtete regelmäßige Revisionsbedarf der neueren Strafrechtskodifikationen.5 Die dogmatische Ausprägung dieser Geisteshaltung lässt sich besonders in der Zulässigkeit der Gesetzesanalogie (§ 4) und in der richterlichen Ermächtigung zu einer außerordentlichen Strafmilderung (§ 62 / § 55 des Entwurfs) erkennen. Mit diesen beiden dogmatischen Grundsatzentscheidungen beschritt das Criminalgesetzbuch einen eigenen Weg, ohne aber letztlich damit prägend für die weitere strafrechtliche Kodifikationsentwicklung zu wirken. Lediglich das Hamburger CrimGB von 1869 entschied sich für eine (vergleichbare) Adaption 3 4

5

Vgl. Vormbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, S. 64. Feuerbach, der theoretische Vater des Grundsatzes nullum crimen sine lege, rückte in einem Reformentwurf aus dem Jahr 1824 von der ursprünglichen Strenge seines Gesetzbuches ab und räumte dem Ermessen einen größeren Raum ein, vgl. Schubert, Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern aus dem Jahr 1824. Motive zu dem Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 56.

Zusammenfassung und Würdigung

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der richterlichen Ermächtigung zur Strafmilderung nach Braunschweiger Vorbild. Der Grundsatz nullum crimen, nulla poena sine lege, obgleich von Binding als „Tyrannei“ bezeichnet6, fand im Laufe des 19. Jahrhunderts überall in den entstehenden Strafgesetzbüchern seinen Niederschlag und wurde auch schließlich Bestandteil des Reichsstrafgesetzbuches.7 Neben diesen dogmatischen Besonderheiten stärkte das Criminalgesetzbuch das richterliche Ermessen auch durch vergleichweise weite Strafrahmen und den fast vollständigen Verzicht auf absolute Strafandrohungen. Trotz dieser dogmatischen Hinwendung zu einem stärkeren Richterrecht blieb aber auch in der Braunschweiger Kodifikation der Primat des Gesetzes gegenüber dem Richter unbestritten. Die Wahl der Strafart war auch im Herzogtum das exklusive Vorrecht des Gesetzgebers. Die Ausnahmeregelung des § 62 (§ 55 des Entwurfs) erfuhr daher tatbestandlich eine restriktive Fassung und wurde für bestimmte schwere Verbrechen sogar explizit ausgeschlossen. Auch die von Berner gelobte Braunschweiger Besonderheit, die Unterscheidung zwischen der ordentlichen und außerordentlichen Dauer der Freiheitsstrafe, diente dem Zweck, in den Fällen von Konkurrenzen bzw. Versuch zu verhindern, dass einzelne Strafarten und die angenommenen Zeitfristen bei der Straffindung aufgegeben und in die Hand des Richters gelegt werden mussten. Schließlich beschränkte der braunschweigische Gesetzgeber die richterliche Freiheit auch bei der Strafzumessung durch eine Reihe zwingender Vorgaben.

II. Der Verbrechensbegriff im Braunschweiger Strafrecht Obgleich das Herzogtum Braunschweig für einen kurzen Zeitraum Teil des Königreichs Westphalen war, spielte der Code pénal im Braunschweiger Gesetzgebungsprozess – anders als in Preußen – keine wesentliche Rolle. Konsequenterweise wurde in dem Criminalgesetzbuch auf die das französische Strafrecht charakterisierende Dreiteilung der Straftaten verzichtet. Sämtliche Straftaten erfasste die Braunschweiger Kodifikation unter dem Begriff Verbrechen. Die Verfasser sprachen dem Streit über die Einteilung der strafbaren Handlungen die praktische Bedeutung ab, da die unterschiedliche Terminologie letztlich keinen Einfluss auf die Bestrafung habe. Zur Begründung der sachlichen gerichtlichen Zuständigkeit, für welche die Dreiteilung durch das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877/79 schießlich eine (eingeschränkte) reichsweite Rezeption erfuhr, sahen die Verfasser im Herzogtum Braunschweig keine Notwendigkeit. Die bestehende Kompetenzordnung zwischen Landgerichten und 6 7

Vgl. Schreiber, Gesetz und Richter, S. 169 ff. Vgl. Schreiber, Gesetz und Richter, S. 156 ff.

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Elftes Kapitel

Kreisgerichten, wonach letztere auf (höchstens) einjährige Freiheitsstrafen erkennen konnte, blieb auch mit Inkrafttreten des Criminalgesetzbuches unverändert bestehen. Unterschwellig zeigte sich der französische Einfluss jedoch auch im Braunschweiger Strafrecht. So lehnte sich die Nebenstrafe der polizeilichen Aufsicht an das französische Vorbild an, freilich war die braunschweigische Fassung deutlich restriktiver gefasst und konnte nur in Ausnahmefällen verhängt werden.

III. Die Straftheorie im Criminalgesetzbuch Im Hinblick auf die im 19. Jahrhundert aufkommenden verschiedenen und divergierenden Straftheorien, verfolgten die Verfasser des Criminalgesetzbuches ebenfalls einen eigenständigen, pragmatischen Ansatz. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Criminalgesetzbuches waren seine Verfasser mit einer Strafrechtswissenschaft konfrontiert, die noch kein klares Bild über den Zweck der Strafe liefern konnte. Ausgehend von Vergeltungsgedanken (ius talionis) Kants, begründeten Stübel und v. Grolman mit der Spezialprävention ein weiteres Grundprinzip, gegen dies sich anschließend Feuerbach mit seiner Theorie des psychologischen Zwanges (Generalprävention) richtete. Ab dem Jahr 1840 gewann der Wiedervergeltungsgedanke Hegels an Bedeutung, wobei dieser bei der Strafe nicht die spezifische Gleichheit (Talion), sondern Gleichheit nach dem Wert der Verletzung verlangte. Alle Theorien vertraten – dem damaligen Zeitgeist entsprechend – einen Alleinstellungsanspruch und waren damit ohne hinreichende Würdigung des Zweckgedankens unzureichend, das wirkliche Leben zu begreifen. Diese Unzulänglichkeiten erkennend, betonten die Verfasser des Criminalgesetzbuches in den Motiven, dass „keine der unter den deutschen Rechtsgelehrten gangbaren Theorien allein einem Criminalgesetzbuche zu Grundlage dienen könne, sondern daß sein Zweck zugleich Abschreckung, Warnung, Wiedervergeltung und Besserung sein müsse“.8 Die Existenzberechtigung der Strafgesetzgebung bestand nach Auffassung der Verfasser des Criminalgesetzbuches in der „Erhaltung und Förderung der sittlichen Ordnung“, hierzu beriefen sie sich insbesondere auf die utilitaristische Ehtik Benthams.9 Trotz dieses grundsätzlich umfassenden bzw. theorieagnostischen Ansatzes, war der Präventionsgedanke Feuerbachs das dominierende Prinzip im Braunschweiger Strafrecht, da nach Erkenntnis der Verfasser die Abschreckung „ein Hauptelement zur Erhaltung des Rechtsfriedens bildet“. Maßgeblich aber bleibt, dass sich die Braunschweiger Kodifikation der Verdrängung des Zweckgedankens durch die

8 9

Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 12. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 13.

Zusammenfassung und Würdigung

239

Einseitigkeit der jeweiligen Straftheorien widersetzte und daher auch in diesem Bereich eine beachtenswerte Souveränität zeigte.

IV. Das Strafensystem des Criminalgesetzbuches Aufbauend auf der Betonung des Zweckgedankens der Strafe, zeichnete sich das Braunschweiger Strafrecht durch ein mildes Strafensystem aus, in welchem die Freiheitsstrafe die dominierende Strafart darstellte. Obgleich der Abschreckungsgedanke für den Gesetzgeber leitend war, erkannte er zugleich auch die Grenzen dieses Prinzips, da selbst die „härtesten Strafübel“ erfahrungsgemäß keinen absoluten Schutz der Rechtsgüter versprechen konnten, sondern auf Dauer „mit einer gewissen Gleichgültigkeit“ von der Bevölkerung betrachtet werden. Zudem musste die Strafe nach der Überzeugung der Verfasser für den Verbrecher zwar ein empfindliches Übel enthalten, gleichzeitig sollte aber durch die Strafe nicht „die sittliche Natur des Menschen entwürdigt oder das sittliche Gefühl beleidigt“ werden. Die Strafgesetzgebung sollte – als langfristiges Entwicklungsziel – letztendlich bewirken, das Unrechtbewusstsein der Bevölkerung zu schärfen. Verständlicherweise wurde aufgrund dieser differenzierten Haltung zur Frage nach dem Zweck der Strafe die Zulässigkeit bzw. Entbehrlichkeit der Todesstrafe – als schärfste Strafart – über alle Etappen des Gesetzgebungsprozesses kontrovers diskutiert. Letztendlich besann sich das Braunschweiger Strafrecht auch in diesem sehr emotionalen Streitpunkt auf einen pragmatischen Lösungsweg. Für eine endgültige Abkehr von der Todesstrafe sah man im Jahr 1840 die Zeit noch nicht gekommen, zumal aufgrund der geographischen (Insel-) Lage Braunschweigs ein Alleingang in dieser Frage gefürchtet wurde. Um der grundsätzlichen skeptischen Haltung zur Todesstrafe dennoch Ausdruck zu verleihen, wurde diese in Braunschweig nur zum Schutz der höchsten Rechtsgüter angedroht (Hochverrat und Mord). Qualifizierte Formen der Todesstrafe kannte das Gesetz nicht. Das Streben nach einem humanen Strafrecht in Braunschweig zeigte sich besonders in den Überlegungen zum anschließenden Vollzug der Todesstrafe. Da alle zum Zeitpunkt der Entstehung des Gesetzes bekannten Vollstreckungsarten als unbefriedigend bzw. inhuman angesehen wurden, entschieden sich die Gesetzgeber explizit gegen die Festlegung einer Vollstreckungsart im Gesetz. Diese sollte dann zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt werden, verbunden mit der (letztlich vergeblichen) Hoffnung auf eine bis dahin erfolgte humane Weiterentwicklung der Tötungstechnik im Strafvollzug. Den Freiheitsstrafen als mit Abstand wichtigste Strafarten (die Geldstrafe hatte im Braunschweiger Strafrecht keine eigenständige Bedeutung) widmete das Criminalgesetzbuch eine hohe Aufmerksamkeit. Die insgesamt vier Abstufungen

240

Elftes Kapitel

dieser Strafart sollten eine „zweckmäßige und gehörige“ Bestrafung bzw. Abschreckung ermöglichen. Die ordentliche Dauer der härtesten Freiheitsstrafen (Kettenhaft und Zuchthaus), war kürzer bemessen als in anderen Strafgesetzgebungen, da die Verfasser in längeren Freiheitsstrafen – mangels Vorstellungsmöglichkeit des Täters – keine ausreichende Abschreckungswirkung erblicken konnten. Trotz des Strebens nach einer gerechten und humanen Bestrafung war insbesondere der Strafvollzug der Ketten- und Zuchthausstrafe im Herzogtum Braunschweig grausam hart. Hier blieb die Gesetzgebung Braunschweigs im negativen Sinne der Tradition Feuerbachs eng verbunden. Die Gedanken der Generalprävention und Vergeltung waren gerade bei der Ketten- und der Zuchthausstrafe vorherrschend, zumal für diese Strafen auch der bürgerliche Tod als Nebenstrafe zwingend vorgesehen war. Nach dem Willen der Verfasser sollten zudem als Ausdruck der Gerechtigkeit auch Frauen die Kettenstrafe als härteste Freiheitsstrafe erleiden. Die Gerichtspraxis vor der Einführung des Criminalgesetzbuches erlaubte für Frauen als härteste Freiheitsstrafe nur die Zuchthausstrafe. Dieser „Fortschritt“ wurde insbesondere von Berner10 kritisch gesehen, entsprach aber dem Verfassungsgrundsatz des § 20011 der Neuen Landschaftsordnung (NLO), wonach alle Landeseinwohner vor dem Richter gleich behandelt werden mussten. Gegenüber dem bisherigen Strafvollzug führte das Criminalgesetzbuch aber auch für diese Strafarten (geringfügige) Erleichterungen ein. Eine entwürdigende Zurschaustellung der Häftlinge als Strafschärfung sollte nicht mehr stattfinden, ebenso wurde auf die körperliche Züchtigung als selbstständiges Strafmittel verzichtet, da diese von den Verfassern als „kleinliche Behelfe“ angesehen wurden, von denen „eine irgend erhebliche Wirkung für die Criminalrechtspflege nicht zu erwarten ist“.12 Deutliche spezialpräventive Intentionen leiteten den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Gefängnishaft. Diese stellte im Braunschweiger Strafrecht die dominierende Freiheitsstrafe dar. Festungshaft, als Einrichtung für die Internierung Angehöriger höherer Stände, sah die Braunschweiger Kodifikation nicht vor. Auch hier wirkte der Gleichheitsgrundsatz des § 200 NLO. Für die angestrebte Besserung der Häftlinge wurde durch das Criminalgesetzbuch eine allgemeine Arbeitspflicht etabliert. Diese war zum damaligen Zeitpunkt insbesondere 10 11 12

Vgl. Berner, Die Strafgesetzgebung in Deutschland 1751–1861, S. 152. § 200 NLO: Alle Landeseinwohner sind vor dem Richter gleich. Der priviligierte Gerichtsstand ist und bleibt abgeschafft. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 40.

Zusammenfassung und Würdigung

241

für Gefängnisinsassen unüblich, da Arbeit neben dem Freiheitsentzug als zusätzliche Strafe empfunden wurde. Das Criminalgesetzbuch leitete diesbezüglich einen Paradigmenwechsel ein, indem es in der allgemeinen Arbeitspflicht das entscheidene Mittel zur angestrebten Besserung der Gefängnisinsassen erblickte. Um den möglichen Strafcharakter der Arbeit zu entschärfen, sollten die Häftlinge auf eine ihren bisherigen Lebensverhältnissen entsprechende Weise arbeiten und nach Maßgabe dieser Beschäftigungen in Klassen aufgeteilt werden. Die Ständeversammlung, die diesem neuartigen spezialpräventiven Ansatz skeptisch gegenüberstand, setzte gegenüber dem Regierungsentwurf noch die Einschränkung im Gesetz durch, dass die Arbeit für die Häftlinge nach ihren bürgerlichen Verhältnissen keine Strafe darstellen durfte. Bei der legislativen Ausgestaltung der Freiheitsstrafen im Braunschweiger Strafrecht zeigt sich letztendlich ein zwiespältiges Bild. Die gewählte Abstufung in vier verschiedene Freiheitsstrafen war gesetzlich schwer zu fassen und führte auf der Rechtsfolgenseite letztlich zu einer fehlenden Stringenz. Ebenso waren die härtesten Freiheitsstrafen anachronistisch hart und beruhten ausschließlich auf dem Abschreckungsgedanken. Gleichzeitig stellte jedoch die „Entdeckung“ der Arbeit als ein maßgebliches Element der Spezialprävention eine wesentliche Errungenschaft in der damaligen Strafgesetzgebung dar. Spezialpräventive Aspekte dominierten im Braunschweiger Strafrecht auch den Bereich der Strafzumessung. Eine rein objektive Tatbetrachtung und Strafverhängung, wie sie der Code pénal teilweise forderte, spielte im Criminalgesetzbuch keine Rolle. Den Verfassern war bewusst, dass bei jedem Verbrechen „der Grad der Verschuldung so sehr verschieden ist, daß es den sittlichen Gründen und Zwecken der Strafe und daher auch der Idee der Gerchtigkeit widerstreiten würde, dieselbe That stets mit derselben Strafe zu belegen.“13

Ausgehend von dieser Maxime beschritt auch das Braunschweiger Strafrecht den Weg zu einer Subjektivierung der Strafe. Die Einzelfallbetrachtung und die Person des Täters rückte bei der Straffindung verstärkt in den Vordergrund. Vormals schematische Betrachtungen bei der Verhängung der Strafe sollten vermieden werden. Entscheidend für die Höhe der Strafe war daher nicht mehr die reine tatbestandliche Handlung, sondern der Täter als Subjekt und Individuum. Dieser spezialpräventive Ansatz der Gesetzgebung lässt sich besonders in den gesetzlichen Vorgaben für das Strafzumessungsermessen erkennen, bei denen die zu berücksichtigenden Erschwerungs – bzw. Milderungsgründe neben den konkreten Umständen der Tat auch ausdrücklich die Person des Täters umfassten.

13

Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 14.

242

Elftes Kapitel

V. Das Strafverständnis im Criminalgesetzbuch Die Verfasser des Criminalgesetzbuches vertraten überdies ein vergleichweise liberales Strafrechtsverständnis. Eine Expansion des Strafrechts im Herzogtum Braunschweig sollte durch die Einführung des Criminalgesetzbuches explizit nicht erfolgen. Vielmehr wurde anerkannt, dass die bestehende Rechtspraxis ausgereicht hatte, den „Rechtsfrieden zu erhalten und das Fortschreiten der sittlichen Bildung zu fördern.“. Das Criminalgesetzbuch sollte daher keine „neuen Verbrechen schaffen“, sondern nur bestehende Verbrechen mit Strafen belegen bzw. hinterfragen, ob diese Verbrechen „noch jetzt unter die Zahl der Verbrechen gehören sollen“.14 Umgesetzt wurde die restriktive Haltung in Hinblick auf eine Straferweiterung erkennbar bei den Sittlichkeitsverbrechen. So wurde dem Konkubinat, der einfachen und gewerbsmäßigen Hurerei, der „bößlichen Veranlassung“ sowie der Tierquälerei der Verbrechenscharakter abgesprochen und diese in den Verantwortungsbereich des Polizeirechts verwiesen.15 Die Entscheidung, auf eine Kriminalisierung dieser Handlungen zu verzichten, rief in der Ständeversammlung deutliche Kritik hervor. Ein entsprechender Gegenantrag gegen diesen liberalen Ansatz des Entwurfs scheiterte nur knapp. Letztendlich bewegten sich die Verfasser mit Begrenzung der Sittlichkeitsverbrechen auch in diesem Punkt auf der Linie Feuerbachs, der die Selbstständigkeit des Rechts gegenüber der Sittlichkeit stets hervorhob und Handlungen, die weder staatliche noch private Rechte verletzten, sondern nur wegen der Gefahr für die rechtliche Ordnung und Sicherheit verboten waren, als Polizeivergehen klassifizierte.16 Das Strafverständnis der Verfasser zeigte sich auch in der prominenten Rolle der Antragsdelikte im Braunschweiger Strafrecht. Deren Normierung dienten zur Beschränkung des öffentlichen Strafanspruchs, da sie den Betroffenen die Möglichkeit eröffneten, selbst über die Einleitung eines Strafverfahrens zu entscheiden. In den für Antragsdelikte maßgeblichen Fällen erschien eine völlige Straflosigkeit des Täters unangemessen, gleichzeitig waren durch die Handlung die öffentlichen Sicherheitsinteressen nur begrenzt betroffen. Im Criminalgesetzbuch fanden die Antragsdelikte ein weites Anwendungsgebiet, insbesondere bei Verbrechen innerhalb der Privat- und Intimssphäre der Familie, bei Ehrverletzungen und bei leichten Körper- und Sachbeschädigungen.

14 15 16

Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 16. Motive zum Entwurfe eines Criminalgesetzbuches, S. 190. Vgl. Hippel, Deutsches Strafrecht, S. 296 ff.

Zusammenfassung und Würdigung

243

Bei der Festlegung der Schuldunfähigkeit von Kindern zeigte das Braunschweiger Strafrecht ebenfalls ein fortschrittliches Verständnis. Das Alter der Unzurechnungsfähigkeit von Kindern wurde auf 14 Jahre festgelegt. In diesem Punkt ging – mit Ausnahme Sachsen – die Braunschweiger Kodifikation weiter als die nachbarschaftlichen Legislationen. Noch heute regelt § 19 StGB, dass schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist. Zudem galt in Braunschweig eine verminderte Schuldunfähigkeit mit entsprechenden Straferleichterungen bis zum 21. Lebensjahr.

VI. Der Gesetzgebungsprozess zum Criminalgesetzbuch Der Gesetzgebungsprozess zum Criminalgesetzbuch im Herzogtum Braunschweig gestaltete sich im Ganzen konstruktiv und zielführend. Hierbei half besonders die Verfassung von 1832, die eine nachhaltige Einigung zwischen Herzog, ritterschaftlichem Grundbesitz, städtischen Besitzbürgern und freien Bauern bewirkte und damit eine belastbare Ordnung schaffte, die bis ins 20. Jahrhundert hinein unangefochten gültig war und auf deren Basis wichtige organische Gesetze geschaffen werden konnten.17 Die förderliche Verfassungssituation in Braunschweig war aber nur ein Aspekt bei der erfolgreichen Schaffung des Criminalgesetzbuches. Auch die Gesetzgebungskunst hatte in Braunschweig gegen Mitte des 19. Jahrhunderts bereits einen beachtlichen Reifegrad erlangt. Exemplarisch hierfür war das Wirken der vom Landtag eingesetzten Kommission zur Prüfung des Regierungsentwurfs von 1839. Die Erörterungen der Kommission waren von großer Sorgfalt und juristischer Kenntnis geprägt. Sämtliche Vorgaben des Regierungsentwurfs wurden kritisch-rational überprüft im Hinblick auf ihre dogmatische Klarheit bzw. Praxistauglichkeit. Der Anspruch der Kommission, der auch von dem Landtag übernommen wurde, war es eine dem Rechtsgefühl der Zeit angemessene Reform des Strafrechts zu bewirken. Neben der juristischen Überprüfung der jeweiligen Tatbestände des Regierungsentwurfs wurde dieser daher auch auf seine Übereinstimmung mit der „Volksansicht“ sowie im Hinblick auf die Brauchbarkeit für die spezifischen soziologischen Verhältnisse des Herzogtums überprüft.18 Aufgrund dieses Prüfungsrasters wurden vielfach Lösungen bereits vorhandener Strafrechtskodifikationen verworfen, weil diese dem Braunschweiger Anforderungsprofil nicht entsprachen. An dieser Stelle zeigen sich nochmal die Vorteile der durch die Konstitutionalisierung bewirkten Partizipation von Teilen der Bevölkerung an den Gesetzgebungsprozessen. Die Gesetzgebungen 17 18

Vgl. Pollmann, Moderne Braunschweigische Geschichte, S. 26. Vgl. Husung, Moderne Braunschweigische Geschichte, S. 72 ff.

244

Elftes Kapitel

wurden im Landtag einem (vorher unbekannten) Wirklichkeitstest unterzogen, wobei einschränkend erwähnt werden muss, dass der Landtag in Braunschweig stets nur einen Bruchteil der Bevölkerung repräsentierte. Trotz dieser anfänglichen Begrenzung erhöhte sich durch die Partizipation tendenziell die Akzeptanz von Gesetzen in der Bevölkerung. Das legislative Ausleseverfahren, verbunden mit der deutlichen Stärkung des richterlichen Ermessens, führte zu einer bemerkenswerten Langlebigkeit und einer – laut Zeitzeugen – hohen Akzeptanz der Kodifikation in der Bevölkerung. Dem Criminalgesetzbuch gelang es, den Spannungsbogen zwischen volkstümlichen Bräuchen und Normen auf der einen Seite und systematischen Definitionen von Straftatbeständen und Strafzumessungen auf der anderen Seite zu halten.

VII. Schlussbetrachtung Das Criminalgesetzbuch des Herzogtums Brauschweig bewies gegenüber seinem legislativen Vorgänger und Vorbild, dem berühmten bayrischen StGB Feuerbachs, nicht nur eine Eigenständigkeit bzw. Originalität, wie Kritiker ihm attestierten, sondern es war seinem Vorbild weit überlegen. Die klare Gesetzessprache, mit den scharf und abstrakt formulierten Tatbeständen, für die Feuerbachs StGB richtungsweisend stand, wurde vom Braunschweiger Strafrecht adaptiert. Die entscheidenden Schwächen des bayrischen StGB, die am Ende dazu führten, dass es in der Praxis scheiterte, vermieden die Verfasser des Criminalgesetzbuches. So führte bei Feuerbachs StGB die einseitige Ausrichtung des Sanktionssystems auf den Abschreckungsgedanken bei gleichzeitiger einschneidender Beschränkung des richterlichen Ermessens zu einer Unflexibilität und damit auch Unfähigkeit, die Vielfältigkeit der Lebenssachverhalte zweckmäßig zu greifen. Aufgrund des fast 30jährigen Zeitabstands zwischen den beiden Gesetzen kannten die Verfasser des Criminalgesetzbuches selbstverständlich bereits die Schwächen des bayrischen StGB und proftierten zudem von der bis dahin erfolgten Weiterentwicklung der Strafrechtswissenschaft. Allerdings war der Weg zwischen der banalen Erkenntnis und deren anschließenden dogmatischen Umsetzung in ein funktionierendes Gesetz immer sehr weit und wurde vielfach nicht gegangen. Den Verfassern des Criminalgesetzbuches ist es mit ihrem pragmatischen, praxisbezogenen Ansatz dagegen überzeugend gelungen, die Schwächen der vorangegangenen Kodifikationen zu erkennen und darauf die richtigen dogmatischen Antworten zu finden. Hierbei half selbstverständlich auch der überaus konstruktive Gesetzgebungsprozess in Braunschweig. Nur so konnte am Ende ein Strafgesetz entstehen, welches ohne wesentliche Änderungsnovellen 30 Jahre praktisch wirken konnte.

Zusammenfassung und Würdigung

245

Dass das Criminalgesetzbuch am Ende bei der deutschen Kriminalrechtsvereinheitlichung keine Rolle spielte, hatte hauptsächlich politische Gründe. Das „Geburtsschicksal“ in einem politisch zweitrangigen Kleinstaat war für die meisten Gesetze bei der Rechtsvereinheitlichung in Deutschland auch gleichzeitig ihr Todesurteil. Ohne ausreichenden politischen Resonanzraum hatten auch sehr gute Gesetze meistens keine Perspektive. Allerdings wäre es verfehlt zu behaupten, dass das Criminalgesetzbuch am Ende allein ein Opfer der politischen Verhältnisse war. Das Criminalgesetzbuch stellte zwar eine bessere und vor allem praxistaugliche Weiterentwicklung des StGB Feuerbachs dar, konnte sich aber letztlich von diesem legislativen Erbe auch nicht lösen. Das PrStGB als Grundlage des späteren Reichsstrafgesetzbuchs hatte für viele Probleme des Allgemeinen Teils schlicht die besseren dogmatischen Lösungen und war auch dank seiner langwierigen Entstehungsgeschichte besser auf den Gebrauch durch Geschworenengerichte ausgerichtet.19 Da diese in Braunschweig erst fast 10 Jahre nach Inkrafttreten des Criminalgesetzbuches eingeführt wurden, fehlte es an einer entsprechenden gesetzlichen Synchronisation mit diesem Institut. Exemplarisch zu nennen ist die Regelung der Täterschaft und Teilnahme im Braunschweiger Recht, die überaus kasuistisch ausgestaltet und daher für Laien nur schwer zu fassen war. Aber auch die hohen Strafandrohungen für Vermögensdelikte und die anachronistischen Freiheitsstrafen von Kettenhaft und Zuchthaus führte dazu, dass das Criminalgesetzbuch am Ende gegen das PrStGB etwas aus der Zeit gefallen wirkte. Zum Zeitpunkt seiner Entstehung war das Criminalgesetzbuch jedoch ein sehr modernes Strafgesetz und stellte den Höhepunkt der (reinen) Kodifikationstradition Feuerbachs dar.

19

So auch das Fazit in dem Aufsatz von Koch, der im PrStGB den Beginn einer Kodifizierungsepoche sah, während das bayrische StGB Feuerbachs den Abschluss der Aufklärungsepoche im Strafrecht bildete, vgl. Koch, Das Jahrhundert der Strafrechtskodifikation, S. 741 ff.

ANHANG

Quellenverzeichnis A) Unveröffentlichte Quellen 1

Niedersächisches Landesarchiv, Standort Wolfenbüttel

1.1

NLA WO, 12 Neu Justiz, 02 Nr. III 56/1 Staatsministerium: Hauptakte zum Criminalgesetzbuch.

1.2

NLA WO, 12 Neu, 03, Nr. 416/1 Geheime Kanzlei: Gemeinsames Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund.

1.3

NLA WO, 12 Neu, 05 Nr. 48/1 Staatsministerium: Berichte des Geheimrats von Liebe, bzw. des Bevollmächtigten v. Cramm über die Verhandlungen des Bundesrats.

1.4

NLA WO, 12 Neu Justiz, 05 Nr. 3694 Braunschweigisches Kriminalgesetzbuch vom 10. Juli 1840.

1.5

NLA WO, 12 Neu Justiz, 05 Nr. 3695 Landesherrliches Patent über die Einführung des Kriminalgesetzbuches vom 10. Juli 1840.

1.6

NLA WO, 12 Neu Justiz, 05 Nr. 3697 Staatsministerium: Gesetz über die Ergänzungen der §§ 89 und 108 des Kriminalgesetzbuches vom 11. Juni 1852.

1.7

NLA WO, 12 Neu Justiz, 05 Nr. 3698 Ältere Gesetzgebung des Herzogtums Braunschweig.

1.8

NLA WO, 12 Neu Justiz, 05 Nr. 3699 Staatsministerium: Gesetz über Abänderungen und Ergänzungen des Kriminalgesetzbuches vom 3. August 1867.

1.9

NLO WO, 23 Neu, Nr. 822/4 Staatsministerium: Änderungen und Ergänzungen des Kriminalgesetzbuches für das Herzogtum Braunschweig.

B) Veröffentlichte Quellen 1

Deutsches Partikularrecht

1.1

Quellensammlungen Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, hrsg. v. Melchior Stenglein.

https://doi.org/10.1515/9783110651485-012

250

Anhang Erstes Bändlein: Bayern, Oldenburg, Sachsen-Altenburg, Württemberg, Braunschweig. Zweites Bändlein: Hannover, Hessen-Darmstadt und Frankfurt, Baden, Nassau. Drittes Bändlein: Thüringisches Strafgesetzbuch, Preußen, Österreich, Sachsen. München 1858.

1.2

Einzelquellen (alphabetisch nach Regionen)

1.2.1

Großherzogthum Baden Strafgesetzbuch für das Großherzogthum Baden vom 6. Mai 1845, abgedruckt in: Stenglein (s. 1.1), Bd. 2 Nr. VIII.

1.2.2

Königreich Bayern

1.2.2.1

Bayrisches Strafgesetzbuch vom 6. Mai 1813, abgedruckt in: Stenglein (s.1.1), Bd. 1 Nr.I.

1.2.2.2

Das Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 10. November 1861, Nördlingen 1863.

1.2.3

Herzogtum Braunschweig

1.2.3.1

Entwurf eines Strafgesetzbuches für ein norddeutsches Staatsgebiet, Namentlich für das Herzogthum Braunschweig und die Fürstentümer Waldeck-Pyrmont, Lippe und Schaumburg-Lippe, Braunschweig 1829 (zitiert: Entwurf eines StGB).

1.2.3.2

Entwurf eines Strafgesetzbuches für Staatsgebiete des Deutschen Bundes, Braunschweig 1834 (zitiert: Entwurf eines Strafgesetzbuches).

1.2.3.3

Entwurf eines Criminal-Gesetz-Buches für das Herzogtum Braunschweig (Text), Braunschweig 1839.

1.2.3.4

Motive zu dem Entwurfe eines Criminal-Gesetz-Buches für das Herzogtum Braunschweig, Braunschweig 1839.

1.2.3.5

Commissionsbericht zum Entwurf eines Criminal-Gesetz-Buches für das Herzogtum Braunschweig, Braunschweig 1840.

1.2.3.6

Motive und Bermerkungen zu dem Criminal-Gesetz-Buche für das Herzogthum Braunschweig, Braunschweig 1840 (zitiert: Motive und Bemerkungen).

Quellenverzeichnis

251

1.2.3.7

Das Criminal-Gesetz-Buch für das Herzogthum Braunschweig, Nebst den Motiven der herzogl. Landesregierung und Erläuterungen aus den ständischen Verhandlungen, Braunschweig 1840.

1.2.3.8

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich- Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1832.

1.2.3.9

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich- Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1837.

1.2.3.10

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich- Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1840.

1.2.3.11

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1849.

1.2.3.12

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich- Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1852.

1.2.3.13

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1853.

1.2.3.14

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1856.

1.2.3.15

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich- Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1863.

1.2.3.16

Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich-Braunschweigischen Lande, Braunschweig 1867.

1.2.3.17

Protokolle Nr. XLI bis LVII nebst Anlagen zu den Verhandlungen der Ständeversammlung des Herzogthums Braunschweig des dritten ordentlichen Landtag 1839/1842 (Eröffnet am 9. Dezember 1839, geschlossen nach mehreren Unterbrechungen im Januar 1842).

1.2.3.18

Protokolle Nr. 72 und 73 nebst Anlagen zu den Verhandlungen der Ständeversammlung des Herzogthums Braunschweig des sechsten ordentlichen Landtag 1848/1851 (Eröffnet am 19. Dezember 1848, geschlossen am 20. November 1851).

1.2.3.19

Sammlung der von dem Cassationshofe des Herzogthums Braunschweig entschiedenen Strafrechtsfälle, Zweiter Band umfassend den Zeitraum 1. April 1852 bis 9. Oktober 1854, Wolfenbüttel 1856.

1.2.4

Code Pénal. Aus dem Französischen nach der officiellen Ausgabe übersetzt von Wilhelm Blanchard. Cöln 1812.

252 1.2.5

Anhang Freie und Hansestadt Hamburg Hamburgisches Criminalgesetzbuch vom 30. April 1869, Hamburg (Senatsdruckerei) 1869.

1.2.6

Königreich Hannover Criminalgesetzbuch für das Königreich Hannover vom 8. August 1840, abgedruckt in: Stenglein (s. 1.1), Bd. 2 Nr. VI

1.2.7

Großherzogthum Hessen Strafgesetzbuch für das Großherzogthum Hessen vom 17. September 1841, abgedruckt in: Stenglein (s. 1.1), Bd. 2 Nr. VII.

1.2.8

Kaiserthum Österreich

1.2.8.1

Gesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizey-Übertretungen für das Kaiserthum Österreuch vom 3. September 1803. Zweyte Auflage mit anhängenden neueren Vorschriften. Wien 1815.

1.2.8.2

Das Strafgesetzbuch über Verbrechen, Vergehen, und Übertretungen für das Kaiserthum Österreich vom 27. Mai 1852, abgedruckt in: Stenglein (s. 1.1), Bd. 3 Nr. XII.

1.2.9

Königreich Preußen

1.2.9.1

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 1. Juni 1794. Mit einer Einführung von Hans Hattenauer und einer Bibliographie von Günther Bernert. Neuwied / Kriftel / Berlin 1994. 2. Auflage.

1.2.9.2

Gesetzesrevision (1825–1848). I. Abteilung Straf- und Strafprozessrecht. 6 Bde., hrsg. v. Werner Schubert, Jürgen Regge, Peter Rieß, Werner Schmid, Vaduz / Lichtenstein. Bd. 1: Strafrecht (Ministerium Danckelmann 1827–1830), hrsg. v. Jürgen Regge und Werner Schubert, 1981.

1.2.9.3

Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten vom 14. April 1851. Nebst den Abweichungen der Strafgesetzbücher für das Herzogthum Anhalt-Bernburg vom 22. Januar 1852 und das Fürstenthum Waldeck und Pyrmont vom 15. Mai 1855, abgedruckt in: Stenglein (s. 1.1), Bd. 3 Nr. XI.

1.2.10

Königreich Sachsen

1.2.10.1

Criminalgesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 30. März 1838, Dresden 1838.

Quellenverzeichnis

253

1.2.10.2

Strafgesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 11. August 1855, abgedruckt in: Stenglein (s. 1.1), Bd. 3 Nr. XIII.

1.2.11

Königreich Württemberg Strafgesetzbuch für das Königreich Württemberg vom 1. März 1839, abgedruckt in: Stenglein (s. 1.1), Bd. 1 Nr. IV.

2

Gesetze und Materialien des Norddeutschen Bundes

2.1

Quellensammlungen

2.1.1

Entstehung des Strafgesetzbuchs, Kommissionsprotokolle und Entwürfe, hrsg. von Werner Schubert und Thomas Vormbaum - Bd. 1: 1869, Baden-Baden 2002. - Bd. 2: 1870, Berlin 2004.

2.1.2

Kodifikationsgeschichte Strafrecht, Bd. 1. Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund vom Juli 1869 und Motive zu diesem Entwurf, hrsg v. Werner Schubert, Jürgen Regge, Werner Schmid und Rainer Schröder, Frankfurt a.M. 1992 (zitiert: Schubert, Entwurf 1869).

2.1.3

Kodifikationsgeschichte Strafrecht, Bd. 2. Entwurf vom 14. Februar 1870 (Reichtstagsvorlage), hrsg. v. Werner Schubert, Jürgen Regge, Werner Schmid und Rainer Schröder, Frankfurt a.M. 1992 (zitiert: Quellen zum Strafgesetzbuch von 1870).

2.2

Einzelquellen

2.2.1

Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes im Jahre 1867, 1 Bd.: Von der Eröffnungs-Sitzung am 24. Februar und der Ersten bis zur Fünfunddreißigsten und Schluß-Sitzung am 17. April 1867, Berlin 1867.

2.2.2

Stenograhische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes im Jahre 1868, 1. Bd: Von der Eröffnungs-Sitzung am 23. März und der Ersten bis zur Achtundzwanzigsten und Schluß-Sitzung am 20. Juni 1868, Berlin 1868.

2.2.3

Motive zu dem Entwurfe eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, Berlin, im Juli 1869.

2.2.4

Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund. Vom 31. Mai 1870, in: BGBL. NdB 1870, 197.

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Juristische Zeitgeschichte



Herausgeber: Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Thomas Vormbaum, FernUniversität in Hagen



Abteilung 1: Allgemeine Reihe

  1 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Quellen aus der sozialdemokratischen Partei und Presse (1997)   2 Heiko Ahlbrecht: Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert (1999)   3 Dominik Westerkamp: Pressefreiheit und Zensur im Sachsen des Vormärz (1999)   4 Wolfgang Naucke: Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts. Gesammelte Aufsätze zur Straf­rechtsgeschichte (2000)   5 Jörg Ernst August Waldow: Der strafrechtliche Ehrenschutz in der NS-Zeit (2000)   6 Bernhard Diestelkamp: Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte. Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhun­derts (2001)  7 Michael Damnitz: Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche. Mitwirkung der Zentrumspartei am Bürger­lichen Gesetzbuch (2001)   8 Massimo Nobili: Die freie richterliche Überzeugungsbildung. Reformdiskus­sion und Gesetzgebung in Italien, Frankreich und Deutschland seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts (2001)   9 Diemut Majer: Nationalsozialismus im Lichte der Juristischen Zeitgeschichte (2002) 10 Bianca Vieregge: Die Gerichtsbarkeit einer „Elite“. Nationalsozialistische Rechtsprechung am Beispiel der SS- und Polizeigerichtsbarkeit (2002) 11 Norbert Berthold Wagner: Die deutschen Schutzgebiete (2002) 12 Milosˇ Vec: Die Spur des Täters. Methoden der Identifikation in der Kriminalistik (1879–1933), (2002) 13 Christian Amann: Ordentliche Jugendgerichtsbarkeit und Justizalltag im OLGBezirk Hamm von 1939 bis 1945 (2003) 14 Günter Gribbohm: Das Reichskriegsgericht (2004) 15 Martin M. Arnold: Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz. Im Spannungsfeld zwischen Bundestreue und Liberalismus (2003) 16 Ettore Dezza: Beiträge zur Geschichte des modernen italienischen Strafrechts (2004) 17 Thomas Vormbaum (Hrsg.): „Euthanasie“ vor Gericht. Die Anklageschrift des Generalstaatsanwalts beim OLG Frankfurt/M. gegen Werner Heyde u. a. vom 22. Mai 1962 (2005) 18 Kai Cornelius: Vom spurlosen Verschwindenlassen zur Benachrichtigungspflicht bei Festnahmen (2006) 19 Kristina Brümmer-Pauly: Desertion im Recht des Nationalsozialismus (2006) 20 Hanns-Jürgen Wiegand: Direktdemokratische Elemente in der deutschen Verfassungsgeschichte (2006) 21 Hans-Peter Marutschke (Hrsg.): Beiträge zur modernen japanischen Rechtsgeschichte (2006) 22 Katrin Stoll: Die Herstellung der Wahrheit (2011)

23 Thorsten Kurtz: Das Oberste Rückerstattungsgericht in Herford (2014) 24 Sebastian Schermaul: Die Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse an der Universität Leipzig 1819–1848 (2013)

Abteilung 2: Forum Juristische Zeitgeschichte   1 Franz-Josef Düwell / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Themen juristischer Zeit­ geschichte (1) – Schwerpunktthema: Recht und Nationalsozialismus (1998)   2 Karl-Heinz Keldungs: Das Sondergericht Duisburg 1943–1945 (1998)   3 Franz-Josef Düwell / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Themen juristischer Zeit­ geschichte (2) – Schwerpunktthema: Recht und Juristen in der Revolution von 1848/49 (1998)   4 Thomas Vormbaum: Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte (1999)   5 Franz-Josef Düwell / Thomas Vormbaum: Themen juristischer Zeitgeschichte (3), (1999)   6 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Themen juristischer Zeitgeschichte (4), (2000)   7 Frank Roeser: Das Sondergericht Essen 1942–1945 (2000)   8 Heinz Müller-Dietz: Recht und Nationalsozialismus – Gesammelte Beiträge (2000)   9 Franz-Josef Düwell (Hrsg.): Licht und Schatten. Der 9. November in der deutschichte – Symposium der Arnold-Frey­ muthschen Geschichte und Rechtsge­ Gesellschaft, Hamm (2000) 10 Bernd-Rüdiger Kern / Klaus-Peter Schroeder (Hrsg.): Eduard von Simson (1810– 1899). „Chorführer der Deutschen“ und erster Präsident des Reichs­gerichts (2001) 11 Norbert Haase / Bert Pampel (Hrsg.): Die Waldheimer „Prozesse“ – fünfzig Jahre danach. Dokumentation der Tagung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten am 28. und 29. September in Waldheim (2001) 12 Wolfgang Form (Hrsg.): Literatur- und Urteilsverzeichnis zum politischen NSStrafrecht (2001) Sabine Hain: Die Individualverfassungsbeschwerde nach Bundesrecht (2002) 13 14 Gerhard Pauli / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Justiz und Nationalsozialismus – Kontinuität und Diskontinuität. Fachtagung in der Justizakademie des Landes NRW, Recklinghausen, am 19. und 20. November 2001 (2003) 15 Mario Da Passano (Hrsg.): Europäische Strafkolonien im 19. Jahrhundert. Internationaler Kongreß des Diparti­mento di Storia der Universität Sassari und des Parco nazionale di Asinara, Porto Torres, 25. Mai 2001 (2006) 16 Sylvia Kesper-Biermann / Petra Overath (Hrsg.): Die Internationalisierung von Strafrechtswissenschaft und Kriminalpolitik (1870–1930). Deutschland im Vergleich (2007) 17 Hermann Weber (Hrsg.): Literatur, Recht und Musik. Tagung im Nordkolleg Rendsburg vom 16. bis 18. Sep­tember 2005 (2007) 18 Hermann Weber (Hrsg.): Literatur, Recht und (bildende) Kunst. Tagung im Nordkolleg Rendsburg vom 21. bis 23. September 2007 (2008) 19 Francisco Muñoz Conde / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Transformation von Diktaturen in Demokratien und Aufarbeitung der Vergangenheit (2010) 20 Kirsten Scheiwe / Johanna Krawietz (Hrsg.): (K)Eine Arbeit wie jede andere? Die Regulierung von Arbeit im Privathaushalt (2014) 21 Helmut Irmen: Das Sondergericht Aachen 1941–1945 (2018)

Abteilung 3: Beiträge zur modernen deutschen Strafgesetzgebung. Materialien zu einem historischen Kommentar   1 Thomas Vormbaum / Jürgen Welp (Hrsg.): Das Strafgesetzbuch seit 1870. Sammlung der Änderungen und Neubekanntmachungen; Vier Textbände (1999–2002) und drei Supplementbände (2005, 2006)  2 Christian Müller: Das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933. Kriminalpolitik als Rassenpo­litik (1998)   3 Maria Meyer-Höger: Der Jugendarrest. Entstehung und Weiterentwicklung einer Sanktion (1998)  4 Kirsten Gieseler: Unterlassene Hilfeleistung – § 323c StGB. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870. (1999)   5 Robert Weber: Die Entwicklung des Nebenstrafrechts 1871–1914 (1999)  6 Frank Nobis: Die Strafprozeßgesetzgebung der späten Weimarer Republik (2000)   7 Karsten Felske: Kriminelle und terroristische Vereinigungen – §§ 129, 129a StGB (2002)   8 Ralf Baumgarten: Zweikampf – §§ 201–210 a.F. StGB (2003)   9 Felix Prinz: Diebstahl – §§ 242 ff. StGB (2003) 10 Werner Schubert / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Entstehung des Strafgesetzbuchs. Kommissionsprotokolle und Entwürfe. Band 1: 1869 (2002); Band 2: 1870 (2004) 11 Lars Bernhard: Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), (2003) 12 Frank Korn: Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB. Reformdiskus­sion und Gesetzgebung von 1870 bis 1933 (2003) 13 Christian Gröning: Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1933 (2004) 14 Sabine Putzke: Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit und in der Weimarer Zeit. Eine Analyse der Reformdiskussion und der Straftatbestände in den Reformentwürfen (1908–1931), (2003) 15 Eckard Voßiek: Strafbare Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke (§ 353d Nr. 3 StGB). Gesetzgebung und Rechtsanwendung seit 1851 (2004) 16 Stefan Lindenberg: Brandstiftungsdelikte – §§ 306 ff. StGB. Reformdiskus­sion und Gesetzgebung seit 1870 (2004) 17 Ninette Barreneche†: Materialien zu einer Strafrechtsgeschichte der Münchener Räterepublik 1918/1919 (2004) 18 Carsten Thiel: Rechtsbeugung – § 339 StGB. Reformdiskussion und Gesetz­ gebung seit 1870 (2005) 19 Vera Große-Vehne: Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), „Euthanasie“ und Sterbehilfe. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2005) 20 Thomas Vormbaum / Kathrin Rentrop (Hrsg.): Reform des Strafgesetzbuchs. Sammlung der Reformentwürfe. Band 1: 1909 bis 1919. Band 2: 1922 bis 1939. Band 3: 1959 bis 1996 (2008) 21 Dietmar Prechtel: Urkundendelikte (§§ 267 ff. StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2005) 22 Ilya Hartmann: Prostitution, Kuppelei, Zuhälterei. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2006)

23 Ralf Seemann: Strafbare Vereitelung von Gläubigerrechten (§§ 283 ff., 288 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2006) 24 Andrea Hartmann: Majestätsbeleidigung (§§ 94 ff. StGB a.F.) und Verunglimpfung des Staatsoberhauptes (§ 90 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2006) 25 Christina Rampf: Hausfriedensbruch (§ 123 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2006) 26 Christian Schäfer: „Widernatürliche Unzucht“ (§§ 175, 175a, 175b, 182, a.F. StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1945 (2006) 27 Kathrin Rentrop: Untreue und Unterschlagung (§§ 266 und 246 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2007) 28 Martin Asholt: Straßenverkehrsstrafrecht. Reformdiskussion und Gesetz­gebung seit dem Ausgang des 19. Jahr­hunderts (2007) 29 Katharina Linka: Mord und Totschlag (§§ 211–213 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2008) 30 Juliane Sophia Dettmar: Legalität und Opportunität im Strafprozess. Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1877 bis 1933 (2008) 31 Jürgen Durynek: Korruptionsdelikte (§§ 331 ff. StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahr­hundert (2008) 32 Judith Weber: Das sächsische Strafrecht im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch (2009) 33 Denis Matthies: Exemplifikationen und Regelbeispiele. Eine Untersuchung zum 100-jährigen Beitrag von Adolf Wach zur „Legislativen Technik“ (2009) 34 Benedikt Rohrßen: Von der „Anreizung zum Klassenkampf“ zur „Volksverhetzung“ (§ 130 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2009) 35 Friederike Goltsche: Der Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches von 1922 (Entwurf Radbruch) (2010) 36 Tarig Elobied: Die Entwicklung des Strafbefehlsverfahrens von 1846 bis in die Gegenwart (2010) 37 Christina Müting: Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung (§ 177 StGB) (2010) 38 Nadeschda Wilkitzki: Entstehung des Gesetzes über Internationale Rechts­hilfe in Strafsachen (IRG) (2010) 39 André Brambring: Kindestötung (§ 217 a.F. StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870 (2010) 40 Wilhelm Rettler: Der strafrechtliche Schutz des sozialistischen Eigentums in der DDR (2010) 41 Yvonne Hötzel: Debatten um die Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1990 (2010) 42 Dagmar Kolbe: Strafbarkeit im Vorfeld und im Umfeld der Teilnahme (§§ 88a, 110, 111, 130a und 140 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2011) 43 Sami Bdeiwi: Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB). Reform und Ge­setzgebung seit 1870 (2014) 44 Michaela Arnold: Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 bis 76a StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (2015)

45 Andrea Schurig: „Republikflucht“ (§§ 213, 214 StGB/DDR). Gesetzgeberische Entwicklung, Einfluss des MfS und Gerichtspraxis am Beispiel von Sachsen (2016) 46 Sandra Knaudt: Das Strafrecht im Großherzogtum Hessen im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch (2017) 47 Michael Rudlof: Das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB nF.) (2018) 48 Karl Müller: Steuerhinterziehung (§§ 370, 371 AO). Gesetzgebung und Reformdiskussion seit dem 19. Jahrhundert (2018) 49 Katharina Kühne: Die Entwicklung des Internetstrafrechts unter besonderer Berücksichtigung der §§ 202a–202c StGB sowie § 303a und § 303b StGB (2018) 50 Benedikt Beßmann: Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19. Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch (2019)

Abteilung 4: Leben und Werk. Biographien und Werkanalysen   1 Mario A. Cattaneo: Karl Grolmans strafrechtlicher Humanismus (1998)   2 Gerit Thulfaut: Kriminalpolitik und Strafrechtstheorie bei Edmund Mezger (2000)   3 Adolf Laufs: Persönlichkeit und Recht. Gesammelte Aufsätze (2001)   4 Hanno Durth: Der Kampf gegen das Unrecht. Gustav Radbruchs Theorie eines Kulturverfassungsrechts (2001)   5 Volker Tausch: Max Güde (1902–1984). Generalbundesanwalt und Rechtspolitiker (2002)   6 Bernd Schmalhausen: Josef Neuberger (1902–1977). Ein Leben für eine menschliche Justiz (2002)   7 Wolf Christian von Arnswald: Savigny als Strafrechtspraktiker. Ministerium für die Gesetzesrevision (1842–1848), (2003)   8 Thilo Ramm: Ferdinand Lassalle. Der Revolutionär und das Recht (2004)   9 Martin D. Klein: Demokratisches Denken bei Gustav Radbruch (2007) 10 Francisco Muñoz Conde: Edmund Mezger – Beiträge zu einem Juristenleben (2007) 11 Whitney R. Harris: Tyrannen vor Gericht. Das Verfahren gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg 1945–1946 (2008) 12 Eric Hilgendorf (Hrsg.): Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen (2010) 13 Tamara Cipolla: Friedrich Karl von Strombeck. Leben und Werk – Unter be­sonderer Berücksichtigung des Entwurfes eines Strafgesetzbuches für ein Norddeutsches Staatsgebiet (2010) 14 Karoline Peters: J.D.H. Temme und das preußische Straf­verfahren in der Mitte des 19. Jahrhunderts (2010) 15 Eric Hilgendorf (Hrsg.): Die ausländische Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen. Die internationale Rezeption des deutschen Strafrechts (2019) 16 Hannes Ludyga: Otto Kahn-Freund (1900–1979). Ein Arbeitsrechtler in der Weimarer Zeit (2016)

Abteilung 5: Juristisches Zeitgeschehen. Rechtspolitik und Justiz aus zeitgenössischer Perspektive Mitherausgegeben von Gisela Friedrichsen („Der Spiegel“) und RA Prof. Dr. Franz Salditt   1 Diether Posser: Anwalt im Kalten Krieg. Ein Stück deutscher Geschichte in politischen Prozessen 1951–1968. 3. Auflage (1999)  2 Jörg Arnold (Hrsg.): Strafrechtliche Auseinandersetzung mit Systemvergangenheit am Beispiel der DDR (2000)  3 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Vichy vor Gericht: Der Papon-Prozeß (2000)   4 Heiko Ahlbrecht / Kai Ambos (Hrsg.): Der Fall Pinochet(s). Auslieferung wegen staatsverstärkter Kriminalität? (1999)   5 Oliver Franz: Ausgehverbot für Jugendliche („Juvenile Curfew“) in den USA. Reformdiskussion und Gesetz­gebung seit dem 19. Jahrhundert (2000)   6 Gabriele Zwiehoff (Hrsg.): „Großer Lauschangriff“. Die Entstehung des Gesetzes zur Änderung des Grund­gesetzes vom 26. März 1998 und des Ge­setzes zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 4. Mai 1998 in der Presseberichterstattung 1997/98 (2000)   7 Mario A. Cattaneo: Strafrechtstotalitarismus. Terrorismus und Willkür (2001)   8 Gisela Friedrichsen / Gerhard Mauz: Er oder sie? Der Strafprozeß Böttcher/ Weimar. Prozeßberichte 1987 bis 1999 (2001)   9 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2000 in der Süddeutschen Zeitung (2001) 10 Helmut Kreicker: Art. 7 EMRK und die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze (2002) 11 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2001 in der Süddeutschen Zeitung (2002) 12 Henning Floto: Der Rechtsstatus des Johanniterordens. Eine rechtsgeschicht­liche und rechtsdogmatische Untersuchung zum Rechtsstatus der Balley Brandenburg des ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem (2003) 13 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2002 in der Süddeutschen Zeitung (2003) 14 Kai Ambos / Jörg Arnold (Hrsg.): Der Irak-Krieg und das Völkerrecht (2004) 15 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2003 in der Süddeutschen Zeitung (2004) 16 Sascha Rolf Lüder: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit bei Teilnahme an „Peacekeeping“-Missionen der Ver­einten Nationen (2004) 17 Heribert Prantl / Thomas Vormbaum (Hrsg.): Juristisches Zeitgeschehen 2004 in der Süddeutschen Zeitung (2005) 18 Christian Haumann: Die „gewichtende Arbeitsweise“ der Finanzverwaltung. Eine Untersuchung über die Auf­gabenerfüllung der Finanzverwaltung bei der Festsetzung der Veranlagungssteuern (2008) 19 Asmerom Ogbamichael: Das neue deutsche Geldwäscherecht (2011) 20 Lars Chr. Barnewitz: Die Entschädigung der Freimaurerlogen nach 1945 und nach 1989 (2011)

21 Ralf Gnüchtel: Jugendschutztatbestände im 13. Abschnitt des StGB (2013) 22 Helmut Irmen: Stasi und DDR-Militärjustiz. Der Einfluss des MfS auf Militär­ justiz und Militärstrafvollzug in der DDR (2014) 23 Pascal Johann: Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögenschabschöpfungsrechts. Eine Untersuchung zur vorläufigen Sicherstellung und der Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft (2019) 24 Zekai Dag˘as¸an: Das Ansehen des Staates im türkischen und deutschen Strafrecht (2015) 25 Camilla Bertheau: Politisch unwürdig? Entschädigung von Kommunisten für nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen. Bundesdeutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung der 50er Jahre (2016)

Abteilung 6: Recht in der Kunst Mitherausgegeben von Prof. Dr. Gunter Reiß   1 Heinz Müller-Dietz: Recht und Kriminalität im literarischen Widerschein. Gesammelte Aufsätze (1999)   2 Klaus Lüderssen (Hrsg.): »Die wahre Liberalität ist Anerkennung«. Goethe und die Juris prudenz (1999)   3 Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper (1928) / Dreigroschenroman (1934). Mit Kommentaren von Iring Fetscher und Bodo Plachta (2001)   4 Annette von Droste-Hülshoff: Die Judenbuche (1842) / Die Vergeltung (1841). Mit Kommentaren von Heinz Holzhauer und Winfried Woesler (2000)   5 Theodor Fontane: Unterm Birnbaum (1885). Mit Kommentaren von Hugo Aust und Klaus Lüderssen (2001)   6 Heinrich von Kleist: Michael Kohlhaas (1810). Mit Kommentaren von Wolfgang Naucke und Joachim Linder (2000)   7 Anja Sya: Literatur und juristisches Erkenntnisinteresse. Joachim Maass’ Ro­man „Der Fall Gouffé“ und sein Verhältnis zu der historischen Vorlage (2001)   8 Heiner Mückenberger: Theodor Storm – Dichter und Richter. Eine rechts­ geschichtliche Lebensbeschreibung (2001)   9 Hermann Weber (Hrsg.): Annäherung an das Thema „Recht und Literatur“. Recht, Literatur und Kunst in der NJW (1), (2002) 10 Hermann Weber (Hrsg.): Juristen als Dichter. Recht, Literatur und Kunst in der NJW (2), (2002) 11 Hermann Weber (Hrsg.): Prozesse und Rechtsstreitigkeiten um Recht, Literatur und Kunst. Recht, Literatur und Kunst in der NJW (3), (2002) 12 Klaus Lüderssen: Produktive Spiegelungen. 2., erweiterte Auflage (2002) 13 Lion Feuchtwanger: Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz. Roman (1929). Mit Kommentaren von Theo Rasehorn und Ernst Ribbat (2002) 14 Jakob Wassermann: Der Fall Maurizius. Roman (1928). Mit Kommentaren von Thomas Vormbaum und Regina Schäfer (2003) 15 Hermann Weber (Hrsg.): Recht, Staat und Politik im Bild der Dichtung. Recht, Literatur und Kunst in der Neuen Juristischen Wochenschrift (4), (2003) 16 Hermann Weber (Hrsg.): Reale und fiktive Kriminalfälle als Gegenstand der Literatur. Recht, Literatur und Kunst in der Neuen Juristischen Wochenschrift (5), (2003)

17 Karl Kraus: Sittlichkeit und Kriminalität. (1908). Mit Kommentaren von Helmut Arntzen und Heinz Müller-Dietz (2004) 18 Hermann Weber (Hrsg.): Dichter als Juristen. Recht, Literatur und Kunst in der Neuen Juristischen Wochen­schrift (6), (2004) 19 Hermann Weber (Hrsg.): Recht und Juristen im Bild der Literatur. Recht, Literatur und Kunst in der Neuen Juristischen Wochenschrift (7), (2005) 20 Heinrich von Kleist: Der zerbrochne Krug. Ein Lustspiel (1811). Mit Kommentaren von Michael Walter und Regina Schäfer (2005) 21 Francisco Muñoz Conde / Marta Muñoz Aunión: „Das Urteil von Nürnberg“. Juristischer und filmwissen­schaftlicher Kommentar zum Film von Stanley Kramer (1961), (2006) 22 Fjodor Dostojewski: Aufzeichnungen aus einem Totenhaus (1860). Mit Kommentaren von Heinz Müller-Dietz und Dunja Brötz (2005) 23 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Anton Matthias Sprickmann. Dichter und Jurist. Mit Kommentaren von Walter Gödden, Jörg Löffler und Thomas Vormbaum (2006) 24 Friedrich Schiller: Verbrecher aus Infamie (1786). Mit Kommentaren von Heinz Müller-Dietz und Martin Huber (2006) 25 Franz Kafka: Der Proceß. Roman (1925). Mit Kommentaren von Detlef Kremer und Jörg Tenckhoff (2006) 26 Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermährchen. Geschrieben im Januar 1844. Mit Kommentaren von Win­fried Woesler und Thomas Vormbaum (2006) 27 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Recht, Rechtswissenschaft und Juristen im Werk Heinrich Heines (2006) Heinz Müller-Dietz: Recht und Kriminalität in literarischen Spiegelungen 28 (2007) 29 Alexander Puschkin: Pique Dame (1834). Mit Kommentaren von Barbara Aufschnaiter/Dunja Brötz und Friedrich-Christian Schroeder (2007) 30 Georg Büchner: Danton’s Tod. Dramatische Bilder aus Frankreichs Schre­ ckensherrschaft. Mit Kommentaren von Sven Kramer und Bodo Pieroth (2007) 31 Daniel Halft: Die Szene wird zum Tribunal! Eine Studie zu den Beziehungen von Recht und Literatur am Bei­spiel des Schauspiels „Cyankali“ von Fried­rich Wolf (2007) 32 Erich Wulffen: Kriminalpsychologie und Psychopathologie in Schillers Räubern (1907). Herausgegeben von Jürgen Seul (2007) 33 Klaus Lüderssen: Produktive Spiegelungen: Recht in Literatur, Theater und Film. Band II (2007) 34 Albert Camus: Der Fall. Roman (1956). Mit Kommentaren von Brigitte Sändig und Sven Grotendiek (2008) 35 Thomas Vormbaum (Hrsg.): Pest, Folter und Schandsäule. Der Mailänder Prozess wegen „Pestschmierereien“ in Rechtskritik und Literatur. Mit Kommentaren von Ezequiel Malarino und Helmut C. Jacobs (2008) 36 E.T.A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi – Erzählung aus dem Zeitalter Ludwigs des Vierzehnten (1819). Mit Kommentaren von Heinz Müller-Dietz und Marion Bönnighausen (2010) 37 Leonardo Sciascia: Der Tag der Eule. Mit Kommentaren von Gisela Schlüter und Daniele Negri (2010)

38 Franz Werfel: Eine blaßblaue Frauenschrift. Novelle (1941). Mit Kommentaren von Matthias Pape und Wilhelm Brauneder (2011) 39 Thomas Mann: Das Gesetz. Novelle (1944). Mit Kommentaren von Volker Ladenthin und Thomas Vormbaum (2013) 40 Theodor Storm: Ein Doppelgänger. Novelle (1886) (2013) 41 Dorothea Peters: Der Kriminalrechtsfall ,Kaspar Hauser‘ und seine Rezep­tion in Jakob Wassermanns Caspar-Hauser-Roman (2014) 42 Jörg Schönert: Kriminalität erzählen (2015) 43 Klaus Lüderssen: Produktive Spiegelungen. Recht im künstlerischen Kontext. Band 3 (2014) 44 Franz Kafka: In der Strafkolonie. Erzählung (1919) (2015) 45 Heinz Müller-Dietz: Recht und Kriminalität in literarischen Brechungen (2016) 46 Hermann Weber (Hrsg.): Das Recht als Rahmen für Literatur und Kunst. Tagung im Nordkolleg Rendsburg vom 4. bis 6. September 2015 (2017) 47 Walter Müller-Seidel: Rechtsdenken im literarischen Text. Deutsche Literatur von der Weimarer Klassik zur Weimarer Republik (2017) 48 Honoré de Balzac: Eine dunkle Geschichte. Roman (1841). Mit Kommentaren von Luigi Lacchè und Christian von Tschilschke (2018) 49 Anja Schiemann: Der Kriminalfall Woyzeck. Der historische Fall und Büchners Drama (2018) 50 E.T.A. Hoffmann: Meister Floh. Ein Mährchen in sieben Abentheuern zweier Freunde (1822). Mit Kommentaren von Michael Niehaus und Thomas Vormbaum (2018) 51 Bodo Pieroth: Deutsche Schriftsteller als angehende Juristen (2018) 52 Theodor Fontane: Grete Minde. Nach einer altmärkischen Chronik (1880). Mit Kommentaren von Anja Schiemann und Walter Zimorski (2018) 53 Britta Lange / Martin Roeber / Christoph Schmitz-Scholemann (Hrsg.): Grenzüberschreitungen: Recht, Normen, Literatur und Musik. Tagung im Nordkolleg Rendsburg vom 8. bis 10. September 2017 (2019)

Abteilung 7: Beiträge zur Anwaltsgeschichte Mitherausgegeben von Gerhard Jungfer, Dr. Tilmann Krach und Prof. Dr. Hinrich Rüping  1 Babette Tondorf: Strafverteidigung in der Frühphase des reformierten Strafprozesses. Das Hochverratsverfah­ren gegen die badischen Aufständischen Gustav Struve und Karl Blind (1848/49), (2006)  2 Hinrich Rüping: Rechtsanwälte im Bezirk Celle während des Nationalsozialismus (2007)  3 Dieter Finzel: Geschichte der Rechtsanwaltskammer Hamm (2018)

Abteilung 8: Judaica   1 Hannes Ludyga: Philipp Auerbach (1906–1952). „Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte“ (2005)   2 Thomas Vormbaum: Der Judeneid im 19. Jahrhundert, vornehmlich in Preußen. Ein Beitrag zur juristischen Zeitgeschichte (2006)

  3 Hannes Ludyga: Die Rechtsstellung der Juden in Bayern von 1819 bis 1918. Studie im Spiegel der Verhand­lungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtags (2007)   4 Michele Sarfatti: Die Juden im faschistischen Italien. Geschichte, Identität, Verfolgung (2014)

Abteilung 9: Beiträge zur modernen Verfassungsgeschichte   1 Olaf Kroon: Die Verfassung von Cádiz (1812). Spaniens Sprung in die Moderne, gespiegelt an der Verfassung Kurhessens von 1831 (2019)