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German Pages 225 Year 2005
Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 87
Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips Von Andrea Liesenfeld
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ANDREA LIESENFELD
Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips
Schriften zum Steuer recht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 87
Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips
Von Andrea Liesenfeld
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Wintersemester 2003 / 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 19 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-11744-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit untersucht das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip und seine Vorgaben für die Berücksichtigung des (familiären) Existenzminimums und die Gestaltung des Einkommensteuertarifs. Sie begründet die These, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip kein gleichheitsrechtliches, sondern ein originär freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip darstellt. Die Arbeit wurde im Wintersemester 2003 / 2004 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Sie ist während meiner Zeit als Assistentin am Lehrstuhl für Öffentliches Wirtschaftsund Steuerrecht von Prof. Dr. Moris Lehner entstanden. Herr Prof. Dr. Lehner hat die Entstehung der Arbeit in sorgender, nie drängender Weise begleitet und mit konstruktiven Hinweisen gefördert. Hierfür und für den Freiraum, den er mir während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl eingeräumt hat, danke ich ihm sehr. Herrn Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff danke ich für die kurzfristige Übernahme der Zweitkorrektur und seine Bereitschaft zur kritischen Diskussion. Für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Schriften zum Steuerrecht“ danke ich den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Joachim Lang und Herrn Prof. Dr. Jens Peter Meincke. Herrn Prof. Dr. Christian Waldhoff verdanke ich die Anregung des – wenn auch ganz anders gedachten – Themas. Für Anregungen und kritische Durchsicht der Arbeit bin ich Dr. Cordula Dröge, LL.M., Matthias Hertel, Dr. Roland Ismer, MSc, Dr. Andreas Titze, Prof. Dr. Christian Waldhoff und Prof. Dr. Rainer Weber verpflichtet. Meinen Eltern und Freunden danke ich für die Zuneigung und das Verständnis, mit dem sie mich unterstützt haben. Brüssel, im März 2005
Andrea Liesenfeld
Inhaltsverzeichnis Einleitung A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erster Teil
Die historische Entwicklung der Einkommensteuer A. Die preußischen Kriegssteuern Anfang des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Das Reglement vom 23. Februar 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
II. Die Klassensteuer vom 6. Dezember 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Die Vermögens- und Einkommensteuer vom 24. Mai 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
B. Die weitere Entwicklung bis zur Einkommensteuer 1891 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die preußische Einkommensteuer des Jahres 1891 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
D. Die Entwicklung der Einkommensteuer im Deutschen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
I. Das Einkommensteuergesetz des Jahres 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Das Einkommensteuergesetz des Jahres 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
III. Das Einkommensteuergesetz des Jahres 1934 und seine Änderungen bis 1945
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E. Die Entwicklung nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches bis heute . . . . . . . . .
41
I. Die Kontrollratsgesetze und die anschließende Entwicklung bis 1958 . . . . . . . . . .
41
II. Die Änderungen des Einkommensteuertarifs des Jahres 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
III. Die Änderungen des Jahres 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Der Weg zum linear-progressiven Tarif seit 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Das Jahressteuergesetz 1996 und spätere Tarifänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil
Wirtschaftswissenschaftliche Aussagen zu Existenzminimum und Tarifgestaltung 1. Kapitel Die Ursprünge: Ältere finanzwissenschaftliche Ansätze A. Die opfertheoretischen Versuche der Rechtfertigung der progressiven Einkommensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Die Opfertheorien: Ihre Voraussetzungen und ihre unterschiedlichen Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Die Kritik der Opfertheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Der sinkende Grenznutzen des Einkommens und die fehlende Bestimmbarkeit der Grenznutzenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Das Problem der interindividuellen Vergleichbarkeit der Nutzenfunktionen
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3. Inkonsistenzen der Opfertheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Das Argument des Ausgleichs der regressiven Wirkungen indirekter Steuern . . . . . . .
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2. Kapitel Die Besteuerung des Existenzminimums und der Verlauf des Einkommensteuertarifs bei einer entscheidungsneutralen Besteuerung A. Die Neutralität der Besteuerung – Grundgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die entscheidungsneutrale Ausgestaltung der Einkommensteuer – Anforderungen für die Berücksichtigung des Existenzminimums und die Gestaltung des Tarifs . . . . .
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I. Einperiodiges Modell unter Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Mehrperiodiges Modell unter Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Modell unter Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Unterschiede einer leistungsfähigkeitsgerechten und einer entscheidungsneutralen Besteuerungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Kapitel Die Bedeutung ökonomischer Aussagen für die Rechtswissenschaft A. Trennungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die ökonomische Analyse des Rechts – Rechtsanwendung im Sinne der ökonomischen Analyse des Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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Dritter Teil
Das Leistungsfähigkeitsprinzip als freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip – Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Berücksichtigung des Existenzminimums und der Gestaltung des Einkommensteuertarifs 1. Kapitel Das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip und seine Konkretisierungen im Hinblick auf das Existenzminimum und den Einkommensteuertarif – die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Stellungnahmen der Literatur A. Der Stand der Rechtsprechung und der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Das Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Das Leistungsfähigkeitsprinzip – verschiedene Deutungsmöglichkeiten . . . . .
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2. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungsrechtlicher Maßstab der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Verfassungsrechtliche Vorgaben im Hinblick auf Existenzminimum und Tarif . .
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1. Die Berücksichtigung des (familiären) Existenzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
b) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Der Verlauf des Einkommensteuertarifs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
b) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Kritische Fragen an die juristische Argumentation und Analyse der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefundenen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Kritische Fragen an die juristische Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Unzureichende Trennung von freiheits- und gleichheitsrechtlichen Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Die gleichheitsrechtliche Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Die unzureichende Diskussion des im Rahmen der Einkommensteuer verfassungsrechtlich zulässigen Vergleichskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Anknüpfung am „objektiven Markteinkommen“ . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Anknüpfung an im (disponiblen) Einkommen verkörperten Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis b) Unterschiedliche Verständnismöglichkeiten des Begriffs des „disponiblen Einkommens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die steuertechnische Ausgestaltung? . . . .
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II. Analyse der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefundenen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Der Ausgangspunkt: Freiheits- und gleichheitsrechtliche Gewährleistungsgehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Die unterschiedlichen Gewährleistungen von Freiheits- und Gleichheitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Grundrechtliche Vorgaben für das Belastungsergebnis, keine ergebnisunabhängigen Vorgaben für die Ausgestaltung der Besteuerung . . . . . . . . . .
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2. Freiheits- oder gleichheitsrechtliche Fundierung der Ergebnisse bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Das familiäre Existenzminimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Der Einkommensteuertarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Kapitel Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungsrechtliches Besteuerungsprinzip A. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als summarisches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 B. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip? . . . . . 106 I. Das maßgebliche Vergleichskriterium als zentrale (gleichheitsrechtliche) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Die Suche nach dem Vergleichskriterium für die Steuerbelastung: Eine erste Annäherung durch die Normen der Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Die Behandlung der Fragestellung in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . 109 2. Die Einkommensteuer als zulässiger gleichheitsrechtlicher Bezugspunkt . . . . 110 III. Die Leistungsfähigkeit i. S. des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens als freiheitsrechtlich fundiertes Vergleichskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Die bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Wertungen als verfassungsrechtliche Begründung des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens . . . . 114
Inhaltsverzeichnis
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2. Das Problem der fehlenden Messbarkeit des Nutzens als verfassungsrechtliche Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Konsequenzen einer Wahl des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens als Vergleichskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Die Art und Weise der Berücksichtigung leistungsfähigkeitsmindernder Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Die Notwendigkeit eines Stufengrenzsatztarifs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Anforderungen an den Tarifverlauf: Die Unzulässigkeit von Tarifsprüngen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 IV. Das objektive Markteinkommen als verfassungsrechtlich zulässiges, ebenfalls freiheitsrechtlich begründetes Vergleichskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Die hohe Begründungslast der These von der allein zulässigen Anknüpfung am disponiblen Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Die Wettbewerbsfreiheit als verfassungsrechtliche Begründung für eine am objektiven Markteinkommen ansetzende gleichheitsrechtliche Besteuerungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Konsequenzen einer gleichheitsrechtlichen Anknüpfung am objektiven Markteinkommen – für den Steuerpflichtigen und seine Familie . . . . . . . . . . . . 124 V. Zusammenfassung der Ergebnisse von Punkt B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 C. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als (originär) freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Die freiheitsrechtliche Diskussion: Liberale und bedarfsorientierte Besteuerungsgrenzen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Liberale Freiheitsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Die Abgabenbelastung als Eigentumsbeschränkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Eingriff in die Rechtsgüter Geld bzw. Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Steuer als Zugriff auf konkrete Eigentumsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Art. 14 GG als allgemeine Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 d) Die Funktion des Eigentumsgrundrechts und der Funktionswandel . . . . . . 135 2. Die Einkommensteuer als Nutzungsbeschränkung bereits bestehenden Eigentums – die Theorie des „mittelbaren Vermögensschutzes“ . . . . . . . . . . . . . 139 III. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als bedarfsorientiertes freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip: Die Funktionen des Einkommens und ihre Bedeutung für die verfassungsrechtliche Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Der Schutz des indisponiblen Einkommens durch die Menschenwürdegarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
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Inhaltsverzeichnis 2. Der Schutz des disponiblen Einkommens durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Der Schutz der – finanziellen – Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3. Das freiheitsrechtliche Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips in Einklang mit seinen historischen Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 IV. Die Verhältnismäßigkeit des Einkommensteuertarifs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Die Schwierigkeiten der Abwägung des Fiskalzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Der Fiskalzweck und der haushaltsrechtliche Grundsatz der Gesamtdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Das Mittel der Einkommensbesteuerung – der Belastungsgegenstand . . . . 155 2. Die Schwierigkeiten der Quantifizierung: Ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Die Quantifizierung von Besteuerungsgrenzen als Konsequenz des grundrechtlichen Abwägungsmodells im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Die Gefahren einer fehlenden Quantifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Die gleichheitsrechtliche Forderung, das familiäre Existenzminimum als Abzug von der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen . . . . . . . . 159 (2) Die Gefahr der Überdehnung des Existenzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Konsequenzen für die Einkommensbesteuerung: Die Progression als Ausdruck freiheitsrechtlicher Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Die Geeignetheit und Erforderlichkeit des Besteuerungszugriffs . . . . . . . . . 162 b) Die angemessene progressive Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 V. Konsequenzen des freiheitsrechtlichen Begründungsansatzes steuerlicher Belastungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Freiheitsrechtliche Grenzen als maximale Besteuerungsgrenzen . . . . . . . . . . . . 167 2. Freiheitsrechtliche Grenzen als ergebnisbezogene Grenzen – Konsequenzen für die Berücksichtigung des Existenzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Konsequenzen für die Berücksichtigung des familiären Existenzminimums 168 VI. Zusammenfassung der Ergebnisse von Punkt C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
D. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als bedarfsorientiertes, originär freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip – Ausblick auf weitere Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Die Zulässigkeit einer Schedularisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Die Periodenbezogenheit der Einkommensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Zusammenfassung der Ergebnisse
179
Inhaltsverzeichnis
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Anhang
Definitionen und Erläuterungen zur steuertechnischen Tarifgestaltung A. Steuersatzdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 B. Tarifformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 C. Tarifgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Stufentarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Stufenbetrags- und Stufensatztarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Gesamtmengen- und Teilmengenstaffeltarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Formeltarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Einleitung A. Problemstellung Die Frage, welche Besteuerung gerecht ist, stellt sich heute so dringlich wie seit jeher.1 Als Prinzipien gerechter Besteuerung haben sich historisch einerseits die auf ein Gegenleistungsverhältnis bezogene Äquivalenztheorie in ihren unterschiedlichen Ausprägungen2 und andererseits das Leistungsfähigkeitsprinzip3 herausgebildet. Im modernen Staat der Neuzeit hat sich im Hinblick auf die Erhebung von Steuern dann das Leistungsfähigkeitsprinzip durchgesetzt.4 Das Leistungsfähigkeitsprinzip bzw. das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gilt auch heute noch als Grundlage einer gerechten Besteuerung. Auf seiner Basis wird dabei einerseits gefordert, dass dem Steuerpflichtigen der existenznotwendige Bedarf steuerfrei belassen werden muss; andererseits wird mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip häufig auch die Forderung nach einem progressiven Tarifverlauf verbunden.5 Beide Aspekte, die Steuerfreiheit des Existenzminimums und die progressive Gestaltung des Einkommensteuertarifs, werden mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip begründet; sie werden aber auch unabhängig davon als gerecht anerkannt.6 Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts scheint sich die Vorstellung eines gerechten Tarifs dann noch weiter in der Ausprägung als linear1 Zur historischen Entwicklung der Diskussion siehe ausführlich Mann; Ossenbühl; Meyer; Vogel, Der Staat 25 (1986), 481 ff.; siehe auch Walz. 2 Siehe dazu Mann, S. 105 ff.; siehe auch Seligman, S. 79 ff. 3 Zur Entwicklung des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 6 ff., 21 ff.; Neumann, JbfNSt N.F. 1 (1880), 511 (578); Pohmer / Jurke, FA 42 (1984), 445 ff. 4 Zur Bedeutung des Äquivalenzprinzips im Hinblick auf die Gebührenerhebung siehe überblicksartig Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 417 ff. 5 Siehe in diesem Sinne bereits Schäffle, Die Steuern, Bes. Teil, S. 120 f.; Popitz, Einkommensteuer, S. 420 ff.; siehe dazu auch die Darstellung bei Seligman, S. 130 ff., 159 ff. Auf der Basis des Leistungsfähigkeitsprinzips wurde von manchen Autoren zusätzlich auch eine Begünstigung unfundierter Einkünfte befürwortet, siehe dazu S. 172 ff. 6 Die Bedeutung der Steuerfreiheit des existenznotwendigen Bedarfs für eine gerechte Besteuerung ist allgemein anerkannt. Aber auch der progressive Tarif wurde zumindest noch in den letzten Jahrzehnten als gerecht angesehen; in diesem Sinne auch H. Becker, FS für Klein, S. 379; Sellhorn, S. 74; der Konsens war zeitweise so umfassend, dass sich Hayek, SchMH 32 (1952), 508, angesichts dieses Konsenses im Jahre 1952 ausdrücklich die Frage stellte, ob es nicht besser sei, sein Plädoyer für einen proportionalen Steuertarif zu unterlassen; kritisch jedoch auch Föhl, FA 14 (1953 / 54), 88 ff.; dagegen wiederum Brell.
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Einleitung
progressiver Tarif konkretisiert zu haben: So befürwortete Gaddum bereits in seinem Reformvorschlag des Jahres 1978 einen linear-progressiven Einkommensteuertarif.7 Und auch der Einkommensteuertarif des jüngeren Karlsruher Entwurfs wird zum Teil als linear-progressiv beschrieben.8 Im Jahre 1990 wurde ein solch linear-progressiver Tarif auch einfachgesetzlich verwirklicht.9 Die Tatsache, dass die Steuerfreiheit des Existenzminimums und der progressive Tarifverlauf – wie auch das Leistungsfähigkeitsprinzip selbst – als gerecht angesehen werden, darf jedoch nicht verdecken, dass die insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Fragestellungen in großem Maße ungeklärt sind. Zwar wird das Leistungsfähigkeitsprinzip, obwohl es im Grundgesetz nicht ausdrücklich genannt ist, von der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur als verfassungsrechtliche Norm anerkannt.10 Aus dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner Ausprägung als objektives Nettoprinzip wird dabei abgeleitet, dass die erwerbssichernden Aufwendungen des Steuerpflichtigen vor der Besteuerung von dem erzielten Roheinkommen abgezogen werden müssen.11 Besondere Bedeutung hat das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip jedoch in seiner subjektiven Ausprägung erlangt.12 Insoweit wird Gaddum, Steuersystem, S. 21 ff.; ders., Steuerreform, S. 24 ff. DStR 2001, 917 ff.; zu diesem Entwurf siehe die Erläuterungen von Kirchhof, DStR 2001, 913 ff.; dazu auch Wassermeyer, DStR 2001, 920; Maiterth, BB 2001, 1172 ff.; zur Tarifgestaltung siehe noch sogleich. 9 Der linear-progressive Tarif wurde durch das Steuersenkungsgesetz 1986 / 88 angestrebt, Steuersenkungsgesetz 1986 / 88, BGBl. I 1985, 1153, und durch das Steuerreformgesetz 1990 endgültig verwirklicht, Steuerreformgesetz 1990, BGBl. I 1988, 1093. Nachdem Änderungen des Tarifs im Anschluss an den Grundfreibetragsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts erforderlich geworden waren, BVerfGE 87, 153 ff., wurde der Weg zu einem linear-progressiven Tarif durch das Steuersenkungsentlastungsgesetz im Jahre 1998 erneut beschritten, Steuersenkungsentlastungsgesetz, BGBl. I 1998, 3778; zur historischen Entwicklung der Einkommensteuer siehe S. 26 ff. 10 Der Begriff des Leistungsfähigkeitsprinzips ist allgemein anerkannt und soll daher auch in dieser Untersuchung verwendet werden. Obwohl der Begriff auch den Wortteil „Prinzip“ enthält, ist damit nicht gesagt, dass es sich bei dem Leistungsfähigkeitsprinzip um ein verfassungsrechtliches Optimierungsgebot, ein Prinzip als Gegensatz zu einer Regel handelt; siehe dazu nur Alexy, Theorie der Grundrechte; ders., Rechtstheorie 1979, Beiheft 1, S. 59 ff.; unter Bezugnahme auf Dworkin; siehe auch Borowski; kritisch dazu für viele Lerche, FS für Stern, S. 197 ff.; auch soll diese Begrifflichkeit nicht ein Verständnis als „Verfassungsprinzip“ im Sinne eines Oberbegriffs für Staatsziel- und Staatsstrukturbestimmungen implizieren; zu einer solchen Definition des Begriffs „Verfassungsprinzip“ siehe ausführlich F. Reimer. Die Übernahme des Begriffs des Leistungsfähigkeitsprinzips ist allein traditioneller Begrifflichkeit und seiner möglicherweise nicht immer reflektierten Übernahme in die Rechtswissenschaft geschuldet. 11 Siehe dazu zuletzt ausführlich Lehner, MSIStR 25 (2004), 1 ff.; kritisch zum verfassungsrechtlichen Charakter des objektiven Nettoprinzips allerdings BVerfGE 81, 228 (237); 107, 27 (47). 12 Das Prinzip der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit wird allgemein in zwei Ebenen entfaltet: danach ist in horizontaler Richtung sicherzustellen, dass Steuerpflichtige gleicher Leistungsfähigkeit in gleichem Maße besteuert werden. In vertikaler Hinsicht 7 8
A. Problemstellung
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auch aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungsrechtliche Norm gefordert, dass einerseits der existenznotwendige Bedarf des Steuerpflichtigen selbst (und auch derjenige seiner Familie) steuerfrei bleiben muss, andererseits wird aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip manchmal auch eine progressive Tarifgestaltung abgeleitet.13 Dennoch ist bereits die verfassungsrechtliche Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht unumstritten.14 Darüber hinaus ist man sich auch nicht immer einig, welche Folgerungen aus diesem Prinzip abgeleitet werden können: Zwar ist allgemein anerkannt, dass der (familiäre) existenznotwendige Bedarf des Steuerpflichtigen steuerfrei bleiben muss. Unterschiedliche Sichtweisen finden sich jedoch hinsichtlich einzelner, mit dem Existenzminimum verbundener Aspekte, wie der Frage nach dem Umfang und der Art und Weise seiner Berücksichtigung.15 Noch ungeklärter ist die Situation hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Einkommensteuertarif. Häufig wird insoweit auch in der verfassungsrechtlichen Literatur eine Tendenz zu einem progressiven Einkommensteuertarif deutlich. Manchmal finden sich dabei Anklänge an die Ende des 19. Jahrhunderts von finanzwissenschaftlichen Autoren entwickelte, intuitiv überzeugende Sichtweise, die einen progressiven Tarifverlauf auf der Basis grenznutzentheoretischer Erwägungen als gleiches Opfer forderte.16 Moebus hingegen, der diese verfassungsrechtliche Fragestellung als einer von wenigen intensiv untersucht hat, hält eine leichte Progression für gerechtfertigt, weil dadurch die regressiven Wirkungen der indirekten Steuern ausgeglichen werden könnten.17 Eine genaue verfassungsrechtliche Untersuchung der Vorgaben für den Einkommensteuertarif fand jedoch bisher kaum statt.18 Fast bekommt man den Eindruck, es bestünde eine gewisse Scheu, zumindest aber eine große Zurückhaltung, Aussagen zum Einkommensteuertarif zu treffen. So wird im Allgemeinen betont, der Gesetzgeber habe einen großen Gestaltungsspielraum.19 Zum Teil wird sogar behauptet, der Tawird gefragt, wie Steuerpflichtige unterschiedlicher Leistungsfähigkeit behandelt werden müssen, BVerfGE 82, 60 (89); siehe auch Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 333 ff.; Vogel, DStZ 1975, 409 (411); Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165 ff. 13 Siehe dazu die Nachweise auf S. 80 ff. 14 Kritisch vor allem Arndt, JZ 1983, 200 ff.; ders., FS für Mühl, S. 17 ff.; ders., NVwZ 1988, 787 ff.; Flume, StbJb 25 (1973 / 74), 53 ff.; Kruse, StuW 1990, 322 (327); ders., FS für Friauf, S. 793 (796 ff.); Leisner, StuW 1983, 97 ff.; Martens, KritV 1987, 39 ff.; zurückhaltend auch Herzog, DStZ 1988, 287 (289); aus österreichischer Sicht ausführlich Gassner / M. Lang, Verhdl. d. 14. öster. Juristentages, S. 63 ff.; dies., ÖStZ 2000, 643 ff.; aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Littmann, FS für Neumark, S. 113 ff. 15 Zur Entwicklung der Rechtsprechung und zur Literatur zur Steuerfreiheit des Existenzminimums siehe S. 80 ff. 16 Zu den älteren finanzwissenschaftlichen Ansätzen siehe S. 54 ff.; zu der Bedeutung der Opfertheorien in der heutigen verfassungsrechtlichen Diskussion siehe S. 86 ff. 17 Moebus, S. 69 ff. 18 Zum Stand der Rechtsprechung und der Literatur hinsichtlich des Einkommensteuertarifs siehe S. 86 ff. 2 Liesenfeld
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rif sei rechtlich überhaupt nicht determiniert.20 Angesichts der Eingriffsintensität der Einkommensteuer muss eine solche Behauptung jedoch erstaunen. Der – trotz dieser ungeklärten verfassungsrechtlichen Situation – in Deutschland zu findende weitgehende Konsens über die Grundlage einer gerechten Ausgestaltung der Einkommensteuer könnte jedoch durch neuere, in anderen Ländern bereits erkennbare Entwicklungen in Frage gestellt werden. Dies gilt weniger im Hinblick auf die Steuerfreiheit des Existenzminimums, deutlich aber hinsichtlich der Tarifgestaltung: Verschiedene, zum Teil allgemeine, zum Teil auf bestimmte Einkunftsarten begrenzte Tendenzen deuten in Richtung auf eine in Zukunft möglicherweise proportionale Tarifgestaltung. Die Ursachen dieser neuen Entwicklungen sind zumindest auch in einer stärkeren Orientierung an marktwirtschaftlichem Wettbewerb zu sehen. Eine erste solche Tendenz zu einer in Ansätzen proportionalen Besteuerung lässt sich seit den Reformen des Einkommensteuerrechts der USA und Großbritanniens in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erkennen.21 Seit diesen Reformen lässt sich auch in vielen anderen Ländern eine Senkung des Einkommensteuertarifs, die mit einer gleichzeitigen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage einhergeht, beobachten.22 Diese Reformen führten dabei häufig zu einer Reduzierung der Anzahl der Stufen des als Stufentarif ausgestalteten Einkommensteuertarifs.23 Durch die Steuerreformen der 80er Jahre in den USA wurde der Spitzensteuersatz zeitweilig von 70 % auf 28 % reduziert, die Anzahl der einzelnen Stufen sank von 25 auf nur noch 2. Eine solch deutliche Reduzierung der Anzahl der Stufen ist dabei im Ergebnis nicht mehr weit von einer proportionalen Besteuerung entfernt. Auch in der Bundesrepublik Deutschland wurden – wenn auch in deutlich geringerem Ausmaße als in den großen Reformen des US-amerikanischen Einkommensteuerrechts der 80er Jahre – Versuche zur Senkung des Einkommensteuersatzes unternommen.24 Der progressive, in zahlreichen Stufen ausgestaltete Tarif wurde jedoch bis19 So z. B. Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 409 f.; siehe auch Kirchhof, StuW 1984, 297 (313); ders., VVDStRL 39 (1981), 213 ff. 20 In diesem Sinne Dziadkowski, BB 1985, Beilage 9 zu Heft 15, 1 (5). 21 Zu der Geschichte der Steuerreformen durch den Economic Recovery Tax Act von 1981 und dem Tax Reform Act von 1986 siehe Brownlee, S. 115 ff.; Ott, TN December 1986, 1223 ff.; Zuber, S. 76 ff. 22 Ähnliche Reformansätze, wenn auch nicht immer im Ausmaße vergleichbar, finden sich auch in anderen Staaten, siehe dazu einen Überblick bei Kay / King, S. 223 ff.; siehe auch Nomura, BIFD 1987, 259 ff.; Owens, Intertax 1987, 34; Swaine, BIFD 1987, 251 ff.; Wingert, BIFD 1987, 256 ff. 23 Zur Erläuterungen eines Stufentarifs siehe im Anhang Pkt. I. 24 So wurde in diesem Zeitraum auch in der Bundesrepublik Deutschland ein gerechteres und einfacheres Steuersystem mit niedrigeren Steuersätzen und weniger Ausnahmebestimmungen angestrebt, siehe dazu Bt-Drs. 10 / 2884, 95 (97). Durch eine dreistufige Tarifsenkung durch das Steuersenkungsgesetz 1986 / 88, BGBl. I 1985, 1153, dazu Bt-Drs. 10 / 2884, 95; das Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz 1988, BGBl. I 1987, 1629; dazu Bt-Drs. 11 / 285, 45 und das Steuerreformgesetz 1990, BGBl. I 1988, 1093, dazu Bt-Drs. 11 / 2157, 116 wurde
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her beibehalten. Allerdings finden sich auch in Deutschland radikalere Reformvorschläge: So hat Uldall im Jahre 1996 einen Tarif vorgeschlagen, der nur drei Stufen mit Steuersätzen von 8, 18 und 28 % vorsieht.25 Der Vorschlag der FDP in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2002 weist ebenfalls nur noch drei Progressionsstufen von 15, 25 und 35 % auf.26 In dieser Hinsicht vergleichbar ist der von Merz konzipierte und vom Bundesvorstand der CDU im November 2003 gebilligte Entwurf, der einheitliche Steuersätze in Höhe von 12, 24 und 36 % vorschlägt.27 Auch der von wissenschaftlicher Seite, namentlich von Kirchhof, ausgearbeitete jüngste Vorschlag eines EStGB, führt im Ergebnis, wenn auch durch eine andere steuertechnische Ausgestaltung, zu Steuersätzen von 15, 20 und 25 %.28 Der frühere Karlsruher Entwurf des Jahres 2001 enthielt demgegenüber noch eine deutlich größere Anzahl von Besteuerungsstufen.29 Noch weitreichender als diese – durch die Reduzierung der Anzahl der Stufen des Einkommensteuertarifs erreichte – Annäherung an eine proportionale Einkommensteuer sind die Forderungen nach Einführung einer Flat Tax.30 Diese werden ebenfalls seit Anfang der 80er Jahre verstärkt erhoben.31 Im Jahre 1985 stellten Hall / Rabushka ihren Vorschlag einer proportionalen Einkommensteuer (die Flat Tax) – eine als zinsbereinigte Einkommensteuer ausgestaltete Konsumsteuer – zum ersten Mal ausführlich vor. Seit 1982 wurden im Kongress – von Stimmen aus beiden politischen Lagern unterstützt – verschiedenartige Vorschläge zur Einführung einer Flat Tax eingebracht.32 Zurzeit liegt dem House of Representatives der progressive Tarif insgesamt abgeflacht. Der Einkommensteuersatz wurde jedoch erst durch das Steuerreformgesetz von 22 auf 19%, der Spitzensteuersatz von 56 auf 53% gesenkt, siehe dazu auch S. 48 ff. 25 Uldall, Steuerwende; ders., Modell, S. 189 ff.; zustimmend J. Lang, Steuerchaos, S. 117 (137 ff.); siehe auch die Vorschläge von Dziadkowski, BB 1997, 1018 (1021). 26 Siehe dazu das „Bürgerprogramm“ der FDP, beschlossen auf dem 53. Ordentlichen Bundesparteitag am 10 – 12.Mai 2002 in Mannheim, S. 4 unter http: / / www.fdp. / portal / pdf / Buergerprogramm2002i.pdf. 27 Der Text des vom CDU-Bundesvorstand am 3. 11. 2003 gebilligten Vorschlags findet sich unter http: / / www.cdu.de /. 28 Kirchhof, DStR 2003, Beihefter 5 zu Heft 37, S. 1 ff.; dazu ders., StuW 2002, 1 ff. 29 Kirchhof / Altehoefer / Arndt / Bareis / Eckmann / Freudenberg / Hahnemann / Kopei / Lang / Lückhardt / Schutter, DStR 2001, 917 ff.; zu diesem Entwurf siehe die Erläuterungen von Kirchhof, DStR 2001, 913 ff.; siehe auch Berg / Schmich, DStR 2002, 346 ff.; Maiterth, BB 2001, 1172 ff.; Wassermeyer, DStR 2001, 920; kritisch Weber-Grellet, ZRP 2003, 279 ff. 30 Siehe dazu Hall / Rabushka; auf Deutsch erschienen unter Leube (Hrsg.), Flat Tax: Das Steuermodell der Zukunft; siehe auch unter http: / / flattax.house.gov; Atkinson; siehe dazu Mühl-Schimmele, DSWR 12 (1996), 329 ff.; siehe auch Lieb, S. 137 ff. 31 Siehe bereits im Jahre 1962 die Forderung bei Friedman, S. 174 ff.; siehe auch schon Blum / Kalven, S. 4 ff.; Hall und Rabushka hatten ihren Vorschlag zuerst im Dezember 1981 in einem Artikel im Wall Street Journal veröffentlicht. 32 Hall / Rabushka, in: Leube (Hrsg.), S. 33 ff., 73 ff. Zu den Unterstützern einer Flat Tax – wenn auch in unterschiedlichen Formen – zählen unter anderem prominente Vertreter der amerikanischen Politik wie der ehemalige Gouverneur von Kalifornien Brown und der ehe2*
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ein Gesetzentwurf von Armey zur Einführung einer Flat Tax in Höhe von – nach einer Übergangszeit – 17 % vor.33 Bisher konnte sich in den USA jedoch noch kein Befürworter der Einführung einer Flat Tax durchsetzen. Auch in Europa fand diese Forderung bisher nur wenig Unterstützung;34 in Deutschland spielt die Flat Tax in Wissenschaft und Politik bisher nur eine untergeordnete Rolle.35 Allerdings finden sich auch in der Bundesrepublik Deutschland zumindest versteckte Ansätze zu einem proportionalen Tarifverlauf: Die erwähnten Reformvorschläge von Uldall, der FDP und Merz sehen nicht nur eine Reduzierung der Tarifhöhe und der Anzahl der Stufen vor. Diesen Vorschlägen ist auch gemein, dass die erwähnten Reformvorschläge den Spitzensteuersatz bereits sehr früh einsetzen lassen. In Uldalls Vorschlag wird der Spitzensteuersatz von 28 % bereits bei einer Höhe von 30.000 DM erreicht,36 die Vorschläge der FDP und Merz sehen den Spitzensteuersatz ab einem Einkommen von 40.000 A vor.37 Ähnlich schlägt der Karlsruher Entwurf38 vor, dass der Spitzensteuersatz bereits bei einem Jahreseinkommen in Höhe 70.000 DM erreicht werden soll. Mit einem frühen Einsetzen des Spitzensteuersatzes könnten deutlich mehr Steuerpflichtige unter den – proportionalen – höchsten Steuersatz fallen als nach dem zurzeit geltenden Recht. Insoweit können diese und ähnliche Vorschläge als Schritt hin zu einem proportionalen Tarif mit einer degressiven Entlastung im Bereich kleinerer Einkommen verstanden werden.39 Besonders deutlich kommt dieser proportionale Charakter mit begrenzter degressiver Entlastung durch die im jüngeren Vorschlag eines EStGB gewählte steuertechnische Ausgestaltung zum Ausdruck: in diesem wird der Steuersatz proportional auf 25 % festgelegt und die begrenzte Degression für die Einkommensteile bis 18.000 A durch Abzüge von der Bemessungsgrundlage erreicht.40
malige Bewerber als Präsidentschaftskandidat des Jahres 2000 Forbes; dazu Mühl-Schimmele, DSWR 12 (1996), 329 ff. 33 Siehe den Entwurf des Freedom and Fairness Restoration Acts, auch als H.R. 1040 bezeichnet unter http: / / flattax.house.gov / proposal / hr1040.asp. 34 Allerdings wurde in Estland der zuvor progressive Tarif durch eine Flat Tax von 26% ersetzt; dazu Kesti, ET 1995, 193 ff.; Leube, S. XVI. In Österreich wurde die proportionale Einkommensteuer zeitweise als Forderung von der FPÖ aufgenommen. 35 Siehe jedoch aus jüngerer Zeit Herz, Die Zeit Nr. 36, v. 28. August 2003, S. 26. 36 Uldall, Steuerwende; ders., Modell, S. 189 ff. 37 Der Vorschlag der FDP sah für Einkommen ab 7.501 bis 15.000 A einen Tarif von 15%, bis 40.000 A einen Tarif von 25% und für diesen Betrag überschreitende Teile des Einkommens einen Tarif von 35% vor: siehe dazu das „Bürgerprogramm“ der FDP, beschlossen auf dem 53. Ordentlichen Bundesparteitag am 10 – 12.Mai 2002 in Mannheim, S. 4 unter http: / / www.fdp. / portal / pdf / Buergerprogramm2002i.pdf. Der Entwurf von Merz schlägt einen Grundfreibetrag von 8000 A, eine Besteuerung von 12 % für darüber hinausgehendes Einkommen bis 16000 A, ab 16.000 A eine Besteuerung von 24 % und ab 40.000 A eine Besteuerung in Höhe von 36 % vor; siehe dazu unter http: / / www.cdu.de /. 38 DStR 2001, 917 ff. 39 Zur Tarifgestaltung des „Karlsruher Entwurfs“ Maiterth, BB 2001, 1172 (1173).
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Eine weitere, der bisherigen Tarifgestaltung entgegenlaufende Herausforderung liegt in der in manchen Ländern festzustellenden Tendenz, Kapitaleinkünfte wegen der größeren Mobilität des Kapitals gegenüber Arbeitseinkünften zu begünstigen und mit einem niedrigeren und proportionalen Steuersatz zu belegen.41 So haben Steuerreformen in den skandinavischen Staaten dazu geführt, dass auf Kapitaleinkünfte ein im Vergleich zu anderen Einkünften niedrigerer und proportionaler Steuersatz erhoben wird. Exemplarisch für diese Entwicklung steht die Reform der Einkommensteuer in Norwegen aus dem Jahre 1992. Durch diese wurde der Steuersatz für Kapitaleinkünfte auf proportional 28 % gesenkt. Andere Einkünfte, insbesondere Einkünfte aus selbständiger oder unselbständiger Arbeit, werden demgegenüber aufgrund eines höheren und progressiven Steuersatzes besteuert.42 Einen zumindest im Ergebnis ähnlichen Weg hat Österreich in seinem Endbesteuerungsgesetz beschritten. Nach dessen Regelungen stellt die für bestimmte Kapitalerträge geltende Kapitalertragsteuer eine endgültige Belastung – in Höhe von zurzeit 25 % – dar.43 Im Vergleich zur höheren Besteuerung von Arbeitseinkünften muss dies als deutliche Privilegierung von Kapitaleinkünften gewertet werden.44 Ein vergleichbarer Weg wird auch in der Bundesrepublik Deutschland in der Form einer Abgeltungssteuer von 25 % auf Kapitalerträge diskutiert.45 Manche Autoren prognostizieren daher, dass der einheitliche, progressive Einkommensteuertarif auf längere Sicht abgeschafft wird.46
40 So soll nach diesem Vorschlag ein Existenzminimum in Höhe von 8000 A steuerfrei bleiben, die ersten 5000 A jenseits dieses Existenzminimums nur zu 60 %, die zweiten 5000 A nur zu 80 % besteuert werden; Kirchhof, DStR 2003, Beihefter 5 zu Heft 37 / 2003, S. 1 ff.; dazu Kirchhof, StuW 2002, 1 (14 ff.). 41 Siehe dazu auch den Bericht der EG-Kommission KOM (96) 546 endg; Muten, RIW 1993, 119 ff.; Sorensen; Tanzi, BIFD 1998, 338 (341); Viherkenttä, IStR 1994, 414 ff.; ders., Nordisches Modell, S. 117 ff.; siehe auch Jacobs, S. 286 ff.; Kiesewetter, StuW 1997, 24 (30 ff.); J. Lang, DStJG 24 (2001), 49 (50, 121); Schön, DStJG 23 (2000), 191 (202); Stevens, EC Tax Rev. 1996, 6 ff. 42 Zur Dual Income Tax in Norwegen siehe Sollund, ET 1990, 83 ff.; ders., ET 1991, 272; Skaar, Intertax 1993, 75; Sorensen; siehe auch Kiesewetter, StuW 1997, 24 (31 ff.); einen Überblick über die schwedische Einkommensteuer geben Strömberg / Alhager / Alhager; zur Tarifstruktur siehe Rz. 155 ff.; siehe auch IBFD, European Tax Handbook, S. 531 (534 ff.); eine vergleichbare Regelung findet sich auch im finnischen Steuersystem dazu Rytöttonka, ET 1993, 223; Tikka, BIFD 1993, 348; zum dänischen System siehe Andersen, ET 1998, 347; siehe auch die Einführung des „Boxen-Systems“ durch die Einkommensteuerreform 2001 in den Niederlanden, dazu van den Tillart / Lohuis / Stevens, IStR 2001, 171 ff. 43 Öst.BGBl. I 1993, 11. 44 Dazu Kiesewetter, StuW 1997, 24 (30 ff.); anders Genser, S. 13; Gassner, ÖStZ 1993, 4 ff. 45 Siehe dazu die Mitteilung des Bundesfinanzministeriums vom 18. 12. 2002 unter http: / / www.bundesfinanzministerium.de; siehe auch die Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder vom 14. 03. 2003 vor dem Deutschen Bundestag unter http: / / www.bundeskanzler.de / -.7698.472179 / Regierungserklaerung-von-Bundeskanzler-Schroeder. . .htm. 46 Tanzi, BIFD 1998, 338 (341) mwN.
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Einleitung
Angesichts dieser Entwicklungen, die auch den bisherigen Konsens über die Gestaltung der Einkommensteuer in Deutschland erschüttern könnten, sollen in dieser Arbeit die durch das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner subjektiven Ausprägung vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Einkommensteuer untersucht werden. Diese Arbeit untersucht insoweit die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Berücksichtigung des Existenzminimums und für die Tarifgestaltung. Mit der Betrachtung des Leistungsfähigkeitsprinzips beschränkt sich die Arbeit auf Vorgaben für Fiskalzwecknormen.47 Das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip wird in vorliegender Arbeit in seiner hier untersuchten subjektiven Ausprägung – anders als dies bisher allgemein angenommen wird48 – nicht als gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip gesehen, sondern als bedarfsorientiertes, originär freiheitsrechtliches Prinzip verstanden.49 Das subjektive Leistungsfähigkeitsprinzip findet seine verfassungsrechtliche Grundlage daher nach hier vertretener Auffassung nicht im allgemeinen Gleichheitssatz, sondern in den (den Bedarf schützenden) Freiheitsrechten. Als bedarfsorientiertes, originär freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip begrenzt das Leistungsfähigkeitsprinzip die Einkommensbesteuerung dabei differenziert nach der Funktion der einzelnen Einkommensteile: Der existenznotwendige Bedarf ist durch die Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG absolut gegen einen Besteuerungszugriff gesichert;50 die Besteuerung von Einkommensteilen, die über das Existenzminimum hinausgehen und die bei typisierender Betrachtung unter den vorherrschenden wirtschaftlichen Voraussetzungen der Entfaltung der Persönlichkeit dienen, wird – wenn auch in geringerem Maße und in abgestufter Form – durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das grundgesetzlich in Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG verankert ist, begrenzt.51 Das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip vereinigt damit die freiheitsrechtlichen Forderungen nach einem steuerfreien Existenzminimum und weiteren freiheitsrechtlichen, bedarfsorientierten Grenzen, die im Allgemeinen in der Tarifgestaltung zum Ausdruck kommen.52 Die Gründe, die für die Steuerfreiheit des Existenzminimums bestimmend sind, setzen sich damit – in abgestufter Weise – bei Einkommensteilen, die über 47 Siehe dazu aus jüngerer Zeit Osterloh, DStJG 24 (2001), 383 ff.; Weber-Grellet, NJW 2001, 3657 ff.; siehe auch Vogel, StuW 1977, 97 ff.; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 232 ff.; Scholz / Aulehner, BB 1991, 73 ff.; Tipke, StRO I, S. 361 ff.; aus der Rechtsprechung vgl. BVerfGE 16, 147 (160 ff.); 38, 61 (80 ff.); den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in jüngeren Entscheidungen enger ziehend, vgl. BVerfGE 93, 121 (147 ff.); 99, 280 (296 ff.); allgemein kritisch zu der Unterscheidung zwischen Fiskalzweck und Lenkungsnormen Bodenheim. 48 Siehe dazu S. 76 ff. 49 Siehe dazu S. 128 ff.; ähnlich, wenn auch nicht auf verfassungsrechtlicher Grundlage, bereits Ritschl, S. 188 ff. 50 Siehe dazu S. 142 ff. 51 Siehe dazu S. 143 ff. 52 Siehe jedoch die davon abweichende Gestaltung im jüngeren Entwurf Kirchhofs in DStR 2003, Beihefter 5 zu Heft 37 / 2003, S. 1 (10).
A. Problemstellung
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das Existenzminimum hinausgehen, fort.53 Im Ergebnis bedeutet dies die Erstreckung des seit der Kindergeldkürzungsentscheidung vom Bundesverfassungsgericht vertretenen freiheitsrechtlichen Begründungsansatzes der Steuerfreiheit des Existenzminimums54 in weitere, für die Entfaltung der Persönlichkeit relevante Bereiche disponiblen Einkommens hinein. Es entspricht im Ergebnis auch der Aussage des Bundesverfassungsgerichts in der Grundfreibetragsentscheidung, dass das Existenzminimum des Steuerpflichtigen steuerfrei bleiben und der Staat dem Steuerpflichtigen vom darüber hinausgehenden disponiblen Einkommen „angemessene Beträge“ belassen müsse.55 Nach hier vertretener Auffassung steht dieses freiheitsrechtliche Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips auch in Einklang mit den historisch mit diesem Besteuerungsprinzip verbundenen Inhalten.56 Die konkreten verfassungsrechtlichen Besteuerungsgrenzen, die sich auf der Grundlage des hier vorgestellten freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips ableiten lassen, sind relativ gering. Sie unterscheiden sich auch nur in wenigen Aspekten von denen, welche die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die herrschende Lehre57 bisher auf der Grundlage eines primär gleichheitsrechtlichen, aber mit freiheitsrechtlichen Wertungen angereicherten Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips erzielte: Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Familie muss im Ergebnis steuerfrei bleiben.58 Im Hinblick auf die Besteuerung von über das Existenzminimum hinausgehenden Einkommensteilen muss der Gesetzgeber die insoweit bestehenden bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen des Leistungsfähigkeitsprinzips beachten.59 Da diese jedoch nur mit Schwierigkeiten konkretisiert und quantifiziert werden können, kommt dem Gesetzgeber im Ergebnis ein großer Spielraum zu.60 Er kann unter Beachtung der bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen sowohl eine progressive als auch eine proportionale Tarifgestaltung wählen.61 Unterschiede zu den Ergebnissen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich auf der Grundlage des hier vertretenen originär freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips einerseits im Hinblick auf die Art und Weise der Berücksichtigung des familiären Existenzminimums: Auf der Basis des freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips kann die Notwendigkeit eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage – auch im Hinblick auf das familiäre Existenzminimum – nicht begründet werden.62 Andererseits können 53 In diesem Sinne auch bereits Schäffle, Die Steuern, Bes. Teil, S. 121 ff.; siehe dazu auch S. 148 ff. 54 BVerfGE 82, 60 ff.; siehe dazu BVerfGE 99, 216 ff. 55 BVerfGE 87, 153 (170). 56 Siehe dazu S. 148 ff. 57 Siehe dazu S. 80 ff. 58 Siehe dazu S. 142 ff. 59 Siehe dazu S. 143 ff. 60 Siehe dazu S. 151 ff. 61 Siehe dazu S. 167 ff.
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Einleitung
die über die Steuerfreiheit des Existenzminimums hinausgehenden (familiären) bedarfsorientierten, freiheitsrechtlichen Grenzen dem Gesetzgeber in bestimmten Fällen auch engere Schranken setzen, als sie bisher aufgezeigt wurden.63 Zusätzlich zu diesen Ergebnissen bietet der hier vorgestellte Ansatz eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips auch rational begründete Lösungen für andere, mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip verbundene Streitfragen, die – wie die Frage nach dem Periodenbezug – über den engen Blick auf die zulässige Besteuerungshöhe hinausgehen.64 Darüber hinaus legt dieser Ansatz aber auch offen, welche Fragen – wie z. B. die Frage nach dem Verhältnis der Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkünften – nicht bereits auf verfassungsrechtlicher Ebene vorentschieden sind und daher vom Gesetzgeber festgelegt werden müssen. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip muss nach dieser Untersuchung keinesfalls „Valet“ gesagt werden.65 Die originär freiheitsrechtliche Fundierung des Leistungsfähigkeitsprinzips führt vielmehr zu einer Rationalisierung der Argumentation, die einerseits die Grenzen des Prinzips aufzeigt, dadurch aber andererseits das Leistungsfähigkeitsprinzip innerhalb dieser Grenzen auch stärkt.
B. Der Gang der Untersuchung Die Arbeit beginnt in ihrem ersten Teil mit der historischen Entwicklung der Einkommensteuer. Ausgangspunkt ist die in Preußen zur Finanzierung der Folgen des Krieges gegen Napoleon erstmalig im Jahre 1808 eingeführte Einkommensteuer. Der Schwerpunkt dieser Darstellung wird dabei auf der Zeit nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes liegen. Ziel dieses Teils ist es, mögliche Entwicklungslinien im Hinblick auf die Berücksichtigung des Existenzminimums und die Gestaltung des Einkommensteuertarifs herauszuarbeiten. Dabei werden vier Fragen untersucht: die Fragen nach dem Tarifverlauf und seiner steuertechnischen Ausgestaltung, die Frage nach der Einheitlichkeit des Tarifs und der Art und Weise der Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs. Im zweiten Teil werden die für die vorliegende Fragestellung relevanten wirtschaftswissenschaftlichen Aussagen dargestellt. Dabei werden im ersten Kapitel ältere finanzwissenschaftliche Ansätze zur Rechtfertigung des progressiven Tarifverlaufs behandelt. Heutige verfassungsrechtliche Aussagen nehmen auf diese häuSiehe dazu S. 167 ff. Siehe dazu S. 168 ff. 64 Siehe dazu S. 171 ff. 65 Siehe jedoch den Titel des bekannten Aufsatzes von Littmann, FS für Neumark, S. 113 ff. 62 63
B. Der Gang der Untersuchung
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fig ausdrücklich oder zumindest implizit Bezug. Im zweiten Kapitel werden betriebswirtschaftliche Aussagen zum Verlauf des Einkommensteuertarifs untersucht. In der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre wird dem Gedanken einer entscheidungsneutralen Besteuerung besondere Bedeutung beigemessen. Eine entscheidungsneutrale Besteuerung stellt – soweit sie durch eine Einkommensteuer überhaupt verwirklicht werden kann – andere Anforderungen an die Gestaltung der Einkommensteuer als das von Vertretern der Rechtswissenschaft unterstützte Leistungsfähigkeitsprinzip. Im Anschluss an die Darstellung dieser betriebswirtschaftlichen Konzeption wird die Frage nach der Bedeutung ökonomischer Aussagen für die Rechtswissenschaft untersucht. Dabei wird sich zeigen, dass ökonomischen Aussagen nicht von selbst – wie die ökonomische Analyse des Rechts dies vorschlägt – Bedeutung für die Auslegung von Rechtsnormen zukommt. Allerdings stellt die im Vergleich zu einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterschiedliche Konzeption der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre ein Gegenkonzept und damit eine Herausforderung zu der bisher aus rechtlicher Perspektive fast gänzlich unbestrittenen, gleichheitsrechtlich verankerten Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dar. Dieser Herausforderung muss sich die verfassungsrechtliche Betrachtung im dritten Teil stellen. Der dritte Teil enthält den Schwerpunkt dieser Arbeit, die verfassungsrechtliche Untersuchung der Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips für das Existenzminimum und für den Einkommensteuertarif. Dabei wird in einem ersten Kapitel der bisherige Stand der Rechtsprechung und der Literatur zum Leistungsfähigkeitsprinzip und seinen Konkretisierungen im Hinblick auf das Existenzminimum und den Einkommensteuertarif zusammengefasst. Im Anschluss daran werden grundlegende Fragen zur verfassungsrechtlichen Argumentation aufgeworfen und sodann die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hergeleiteten konkreten Ergebnisse analysiert. In dem anschließenden zweiten Kapitel wird das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungsrechtliches Prinzip betrachtet. Ausgangspunkt ist dabei die Untersuchung des geschriebenen Verfassungsrechts. Daher wird das Leistungsfähigkeitsprinzip als summarisches Prinzip untersucht (Punkt A.). Dabei wird zuerst gefragt, ob es als gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip verstanden werden kann (Punkt B.), bevor es in einem zweiten Schritt als freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip entfaltet wird (Punkt C.). Zuletzt werden weitere Konsequenzen aus dem freiheitsrechtlichen Ansatz des Leistungsfähigkeitsprinzips im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Schedularisierung des Einkommensteuertarifs und den Periodenbezug der Einkommensteuer aufgezeigt (Punkt D.).
Erster Teil
Die historische Entwicklung der Einkommensteuer Die heute als selbstverständlich anerkannte, allgemeine Einkommensteuer war nicht immer unumstritten. Lange Zeit wurde sie vor allem aufgrund ihres als inquisitorisch beklagten Charakters abgelehnt.1 Auch in Preußen wurde daher lange Zeit keine Einkommensteuer erhoben.2 Ihre erste Einführung Anfang des 19. Jahrhunderts in Preußen verdankte sie dann vor allem dem Krieg mit dem napoleonischen Frankreich, der zu einem stark ansteigenden Finanzbedarf führte. Aber auch nach ihrer erstmaligen Einführung trat die allgemeine Einkommensteuer keinesfalls sofort einen Siegeszug an. Im Folgenden wird die Entwicklung der Einkommensteuer dargestellt. Besonderes Augenmerk gilt dabei ihrer jeweiligen Ausgestaltung. Es wird untersucht, wie der Tarif verläuft, ob zwischen bestimmten Einkunftsarten differenziert wird, wie er technisch ausgestaltet ist und ob und auf welche Art dabei ein existenznotwendiger Bedarf der Steuerpflichtigen berücksichtigt ist.
A. Die preußischen Kriegssteuern Anfang des 19. Jahrhunderts I. Das Reglement vom 23. Februar 1808 Nachdem frühere Versuche des preußischen Finanzministers Freiherr von Stein erfolglos verlaufen waren,3 wurde die erste allgemeine Einkommensteuer in Preußen, für die Stadt Königsberg und die Provinzen Ostpreußen und Litthauen, im Jahre 1808 durch das „Reglement, das Kriegs-Schulden-Wesen der Provinz Ostpreußen und Litthauen und der Stadt Königsberg insbesondere betreffend“ eingeführt.4 Hintergrund ihrer Einführung war der durch den Krieg mit Frankreich in Siehe dazu nur Großfeld, S. 26 ff. Zur Entwicklung der Einkommensteuer in Deutschland und Preußen siehe allgemein Bornhak; Grabower; Greim-Kuczewski; Großfeld; Jähnke; Ketterle; Kramer; Linzbach; Mamroth; Mathiak; Mauz; Popitz, Einkommensteuer, S. 437 ff.; Teschemacher; Thier; v. Witzleben. 3 Dazu E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 210; Jähnke, S. 5 ff.; Kramer, S. 28; Teschemacher, S. 14. 1 2
A. Die preußischen Kriegssteuern Anfang des 19. Jahrhunderts
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den Jahren 1806 / 07 und den Rückgang der bisherigen ordentlichen Einnahmen5 entstandene enorme Finanzbedarf Preußens. Dieser hohe Finanzbedarf bewirkte einen „abgabepolitischen Reformschub“,6 der die Einführung dieser ersten Einkommensteuer ermöglichte.7 Sie war maßgeblich durch den damaligen preußischen Finanzminister Freiherr v. Stein geprägt und wurde bereits kurze Zeit später, im Jahre 1811, von Hardenberg wieder abgeschafft.8 Vorbild für diese erste preußische Einkommensteuer war die im Jahre 1803 unter dem Einfluss von Addington eingeführte englische Einkommensteuer.9 Die Ausgestaltung der Steuer wurde für die Stadt Königsberg einerseits sowie die Provinzen Ostpreußen und Litthauen andererseits getrennt festgelegt. Der existenznotwendige Bedarf wurde zunächst weder in Königsberg noch in den Provinzen steuerfrei gestellt.10 Innerhalb der Stadt Königsberg galten zwei unterschiedliche Besteuerungsregelungen: Gewerbetreibende wurden nicht nach dem erwirtschafteten Einkommen, sondern nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Klassen besteuert.11 Für alle anderen Steuerpflichtigen galt nach § 35a des Reglements ein progressiver (als Teilmengenstaffeltarif ausgestalteter12) Stufensatztarif, der auf 4 Reglement, das Kriegs-Schulden-Wesen der Provinz Ostpreußen und Litthauen und der Stadt Königsberg insbesondere betreffend. Vom 23sten Februar 1808, GS 1806 bis 1810, Nr. 27, 193 ff. 5 Vor Beginn der napoleonischen Kriege wurde der – unter anderem durch die Aufstellung eines stehenden Heeres – bereits gestiegene Finanzbedarf neben den Regalien und Domänen primär durch zwei Hauptsteuern gedeckt: Zum einen existierte die auf dem Lande zu zahlende, seit längerer Zeit bestehende Kontribution, eine in den unterschiedlichen Landesteilen sehr unterschiedlich ausgestaltete neue Steuer mit Elementen einer direkten Steuer, dazu v. Witzleben, S. 57; zu Einzelheiten und Reformbedürftigkeit der Kontribution vgl. Grabower, S. 20 ff.; zu den direkten Steuern in den einzelnen preußischen Staaten vgl. Mamroth, S. 241 ff. Zum anderen war neben der Kontribution im späten 17. Jahrhundert in den Städten eine Akzise, d. h. eine Kombination verschiedener Verbrauchssteuern eingeführt worden, v. Witzleben, S. 57; Grabower, S. 30 ff.; zum „Ideal der Akzise“ Mann, S. 50 ff.; zu der Akzise in den einzelnen preußischen Staaten vgl. Mamroth, S. 281 ff. 6 So Thier, S. 36. 7 Siehe zur genauen Entstehung der Steuer Lehmann, Preußische Jahrbücher Bd. 103, 13 ff.; zu Stein siehe Herre. 8 Siehe dazu sogleich S. 29 ff. 9 Zur Geschichte der englischen Einkommensteuer siehe Großfeld; Jähnke; Shebab, S. 9 ff.; zur Entwicklung in Frankreich siehe Hanstein. 10 So stellte § 36 der Königsberger Regelung ausdrücklich fest, dass der Steuerbetrag von 45 bzw. 60 Gr., der bei einem Einkommen von 100 Talern anfällt, auch dann zu entrichten ist, wenn kein Einkommen in dieser Höhe erzielt wird; siehe jedoch die Änderungen durch das Gesetz v. 22. 3. 1810, dazu sogleich. 11 Nach § 30 des Reglements wurde Einkommen aus Gewerbe wegen des „schwankenden Gewinns und der Schwierigkeit der Ausmittelung“ in mehrere Klassen und Unterabteilungen eingeteilt. Abhängig von der Klassifizierung wurden die Steuerpflichtigen dann unabhängig von dem tatsächlichen Einkommen mit einem bestimmten Steuerbetrag belegt. Dabei wurde die Einordnung der Gewerbe in die Klassen „nach Maaßgabe ihrer Einträglichkeit“ und in die Unterabteilungen nach dem Umfange ihres individuellen Gewerbes vorgenommen.
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1. Teil: Die historische Entwicklung der Einkommensteuer
das Einkommen angewendet wurde.13 Hinsichtlich der Steuerbelastung wurde zwischen fundiertem und unfundiertem Einkommen differenziert. Unter fundiertem Einkommen wurde Einkommen aus „Fonds, welche dem Perzipienten selbst gehören“, verstanden, so Einkommen aus Grundstücken und zinsbaren Kapitalien. Unfundiertes Einkommen umfasste demgegenüber Einkommen aus „Fonds, welche dem Perzipienten nicht gehören“, u. a. Gehälter, Emolumente, Leibrenten und Präbenden. Zur Berechnung der Steuerbelastung wurde das Einkommen in Einkommensstufen von jeweils 100 Talern unterteilt. Dabei stieg der Steuersatz mit jeder Einkommensstufe bei den fundierten Einkommen um 2/3 Prozentpunkte, bei unfundierten Einkommen um 1/2 Prozentpunkte gleichmäßig an. Die maximale Besteuerung betrug für unfundierte Einkommen 15 %, für fundierte Einkommen 20 % des gesamten Einkommens. Dies bedeutete im Ergebnis einen Spitzensteuersatz von 39,3 bzw. 29,5 %, der bei 5900 Talern erreicht wurde, und im Folgenden wieder auf 15 bzw. 20 % abfiel. Nach Beschwerden über den übermäßigen Steuerdruck wurde die Steuer dann – zur Zeit des Finanzministers Altenstein – durch das Gesetz vom 22. 03. 181014 für die Stadt Königsberg gemildert, der Steuertarif allgemein abgesenkt.15 Die Steuerbelastung betrug danach für fundiertes Einkommen – bezogen auf das gesamte Einkommen – maximal 10 % (bzw. für die erste Steuererhebung im Jahr 15 %), unfundiertes Einkommen durfte im Umfange von höchstens 5 % bzw. 7,5 % besteuert werden.16 Darüber hinaus wurde durch § 1 ein steuerfreies Existenzminimum in Höhe von 250 Talern anerkannt. In den Provinzen Ostpreußen und Litthauen war die Besteuerung in anderer Weise geregelt: Die Besteuerung nach Klassen umfasste über die Gewerbetreibenden hinaus auch Arbeiter. Einkünfte aus Häusern und Kapital wurden proportional mit 3 % und Einkünfte aus landwirtschaftlichen Grundstücken mit 4,5 % versteuert. Progressiv ausgestaltet war allein die Besteuerung von Ziviloffizianten. Wie in Siehe dazu die Erläuterungen im Anhang. Dieses wurde aufgrund der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben ermittelt. 14 Deklaration des Kriegsschuldenreglements, d.d. den 23sten Februar 1808, die abgeänderten Besteuerungsgrundsätze für die Haupt- und Residenz-Stadt Königsberg betreffend. Vom 22sten März 1810, GS 1810, Nr. 111, 673; siehe auch die Anweisung für die Kriegssteuerbehörde der Haupt- und Residenzstadt Königsberg, wie sie bei dem ihnen übertragenen Geschäft zu verfahren haben. Vom 26sten März 1810, GS 1810, Nr. 112, 681. 15 Der Steuertarif wurde nach dieser gesetzlichen Regelung nicht allgemein, sondern nur durch eine Tabelle ausgedrückt. Durch die in der Tabelle allein aufgenommenen Steuersätze für das gesamte Einkommen erscheint dieser Tarif als Gesamtmengenstaffeltarif. Die ursprüngliche Regelung wies in der festgelegten Tabelle jedoch ebenfalls nur die Steuersätze bezüglich des gesamten Einkommens aus. Diese waren jedoch durch die Regelung des § 35a, der einen Teilmengenstaffeltarif vorgab, berechnet. 16 Ebenfalls gesenkt wurden die geschuldeten Steuerbeträge für Gewerbetreibende. Die Einordnung in Klassen entfiel zwar nicht, doch wurde in § 1 ein Vorrang der Einkommensermittlung festgelegt. Die Klassifikation sollte demgegenüber nur noch stattfinden, wo das Einkommen nicht vollständig zu ermitteln war. Unklar ist allerdings in diesem Zusammenhang das Verhältnis dieser Bestimmung zu § 4, der festlegt, dass das gemeine Gesinde nach den in der Klassifikationstabelle vorgenommenen Sätzen besteuert wird. 12 13
A. Die preußischen Kriegssteuern Anfang des 19. Jahrhunderts
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Königsberg kam dabei ein Stufensatztarif zur Anwendung. Im Gegensatz zu dort war dieser jedoch als Gesamtmengenstaffeltarif ausgestaltet.17 Schließlich waren die Steuersätze gegenüber der Königsberger Regelung deutlich geringer: In Abhängigkeit vom tatsächlichen Einkommen stieg der Tarif in gleichmäßigen Stufen von 100 Talern um jeweils 1/12 Prozentpunkte von 0,15 % auf 3 % an. II. Die Klassensteuer vom 6. Dezember 1811 Nachdem Stein aufgrund politischen Druck Napoleons als preußischer Minister zurückgetreten und die Regierung Altenstein / Dohna gescheitert war, wurde Freiherr von Hardenberg zum neuen Staatskanzler, Innen- und Finanzminister ernannt.18 Hardenberg war wie Stein ein führendes Mitglied der Reformpartei. Im Gegensatz zu Stein war er jedoch kein Anhänger einer allgemeinen Einkommensteuer:19 Noch vor einer vollständigen Erfüllung der Kontributionszahlungen wurde die allgemeine Einkommensteuer Steins von 1808, die als Kriegssteuer von Anfang an zeitlich begrenzt war20, durch das Gesetz vom 7. September 181121 aufgehoben. Hardenberg bevorzugte indirekte Steuern. Allerdings rief auch die von ihm eingeführte Landeskonsumtionssteuer deutlichen Widerstand hervor und wurde daher auf dem Land durch eine Kopfsteuer von 12 Groschen ersetzt. Nachdem diese nicht genügend Ertrag erbracht hatte,22 wurde allerdings bereits durch Gesetz vom 6. 12. 1811 wiederum eine Kriegssteuer, als Klassensteuer bezeichnet, eingeführt.23 Diese Steuer stellte – trotz ihrer irreführenden Bezeichnung – eine EinSiehe dazu die Erläuterungen im Anhang. Zu Hardenberg siehe Haussherr; Hermann; Thielen. 19 In seiner Denkschrift über die Reorganisation des Preußischen Staates, abgedruckt in: Winter (Hrsg.), Die Reorganisation des Preußischen Staates unter Stein und Hardenberg, S. 302; Ranke, 4. Bd. S. 1*, wie auch in seinem Edikt über die Finanzen des Staates und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben u.s.w. vom 27sten Oktober 1810; GS 1810, Nr. 3, 25 findet sich daher auch kein Hinweis auf eine Einkommensteuer, zu den Reformvorstellungen Hardenbergs siehe auch Kramer, S. 37 ff. 20 § 3 des Reglements beinhaltete das „Königliche Wort“, dass die Steuer aufgehoben wird, sobald die Kriegskontributionen gedeckt sind. 21 § 13 des Fernerweiten Ediktes über die Finanzen des Staates und das Abgabensystem. Vom 7ten September 1811, GS 1811, Nr. 20, 253; die Hintergründe dieser Abschaffung – ohne dass der zur Begleichung der französischen Forderungen notwendige Finanzbedarf erzielt worden war – sind unklar: zum Teil wird vorgetragen, die Steuer sei am Widerstand der privilegierten Schichten gescheitert, zum Teil wird eine Abneigung Hardenbergs gegen die Einkommensteuer für die Abschaffung verantwortlich gemacht; dazu Linzbach, S. 88 ff. mwN. 22 Dazu Linzbach, S. 114 ff.; Mathiak, S. 13; Thier, S. 39 f.; siehe auch Haussherr, S. 257 ff.; Thielen, S. 266 ff. 23 Edikt über die Erhebung der Beiträge zur Verpflegung der Französischen Truppen in den Oder-Festungen und auf den Märschen, mittels einer Klassensteuer. Vom 6ten December 1811, GS 1811, Nr. 64, 361. 17 18
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1. Teil: Die historische Entwicklung der Einkommensteuer
kommensteuer dar.24 Auch ihre Einnahmen sollten – worauf bereits ihre Bezeichnung hindeutete – für die Deckung des durch die Verpflichtung zur Verpflegung und Unterhaltung der französischen Besatzungstruppen entstandenen Finanzbedarfs verwendet werden. In ihrer Ausgestaltung unterschied sich diese Steuer deutlich von ihrer Vorgängerin aus dem Jahre 1808: So differenzierte diese Steuer nicht zwischen fundiertem und unfundiertem Einkommen. Auch war die Steuerlast deutlich geringer. Für die Steuerbemessung musste zwischen Einkommen über und unter 1000 Talern unterschieden werden: Steuerpflichtige mit einem Einkommen von unter 1000 Talern wurden aufgrund einer Schätzung einer Klassifikations-Commission in neun Stufen eingeteilt, denen Steuerbeträge von 4 Groschen bis zu 8 Talern zugeordnet waren. Insoweit handelte es sich bei Einkommen bis 1000 Talern um einen Stufenbetragstarif. Einkommen oberhalb dieser Grenze wurden für jeden vollen Einkommensbetrag von 100 Talern mit 1 Taler belegt, was im Grundsatz einem Steuersatz von 1 % entspricht.25 Ähnlich wie in der ursprünglichen Ausgestaltung des Reglements von 1808 wurde ein steuerfreies Existenzminimum so gut wie nicht gewährt: nur Einkommen unter 20 Talern blieben von vorne herein steuerfrei.26
III. Die Vermögens- und Einkommensteuer vom 24. Mai 1812 Auch die Klassensteuer konnte jedoch den nochmals gestiegenen Finanzbedarf nicht decken, der sich aufgrund des am 24. 2. 1812 geschlossenen Bündnisses mit Napoleon ergab.27 Daher sah sich Hardenberg veranlasst, die als Kriegssteuer ebenfalls zeitlich befristete28 Klassensteuer bereits nach kurzer Zeit, am 24. 5. 1812, durch eine Vermögens- und Einkommensteuer zu ersetzen.29 Großfeld, S. 31; Mathiak, S. 14; Mauz, S. 13. Einkommen über 1000 Talern mussten vom Steuerpflichtigen selbst erklärt werden; § 10 sieht allerdings nur eine Erklärung „im Allgemeinen“ vor und bestimmt eine ausführliche Deklaration nur für den Fall, dass die Kommission dies verlangt. 26 Einkommen über 20 Talern mussten hingegen voll versteuert werden. 27 Greim-Kuczewski, S. 58; Thielen, S. 278 ff. 28 Siehe dazu § 23 Abs. 3 S. 2 des Ediktes über die Erhebung der Beiträge zur Verpflegung der Französischen Truppen in den Oder-Festungen und auf den Märschen, mittels einer Klassensteuer. Vom 6ten December 1811, GS 1811, Nr. 64, 361. 29 Edikt wegen Erhebung einer Vermögens- und Einkommensteuer. Vom 24sten Mai 1812, GS 1812, Nr. 98, 49 – Zu dieser Steuer ergingen mehrere Ausführungsanordnungen, so die: Instruktion und Anweisung wegen Ausführung des Edikts, die Erhebung einer Vermögensund Einkommensteuer betreffend. Vom 24sten Mai 1812, GS 1812, Nr. 99, 54; Edikt wegen Ausfertigung von Anweisungen auf die Vermögens- und Einkommensteuer. Vom 24sten Mai 1812, GS 1812, Nr. 100, 67; Bekanntmachung, die Ausführung des Edikt wegen Erhebung der Vermögens- und Einkommensteuer betreffend. Vom 6ten Juni 1812, GS 1812, Nr. 101, 69; Instruktion für die Centralkommission wegen Erhebung der Vermögens- und Einkommensteuer nach dem Allerhöchst vollzogenen Edikt vom 24sten Mai. Vom 6ten Juni 1812, GS 1812, Nr. 102, 71; Instruktion für die Departmentskommissionen zur Ausführung des 24 25
A. Die preußischen Kriegssteuern Anfang des 19. Jahrhunderts
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Wie sich aus der Bezeichnung der Steuer als „Vermögens- und Einkommensteuer“ ergibt, handelte es sich bei dieser Steuer um eine Kombination zweier Steuerarten: Die Vermögensteuer betrug proportional 3% des Vermögens und war unabhängig von dem durch dieses Vermögen erwirtschaftete Einkommen. Sie stellte jedoch nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer dar.30 Im Ergebnis entsprach sie mit dieser Regelung ihren Vorgängerregelungen, die zum Teil das Einkommen aus Grundstücken nach einem bestimmten Prozentsatz ihres Wertes berechnet hatten.31 Die Anknüpfung am Vermögensbestand war allein auf die Einfachheit der Ermittlung zurückzuführen.32 Bei der Besteuerung des Einkommens wurde deutlich zwischen Steuerpflichtigen mit Einkünften über 100 Talern und solchen mit weniger Einkommen unterschieden. Unterhalb dieser Grenze wurde nach § 11 des Ediktes eine berufspezifische Klassifizierung vorgenommen.33 Diese Klassifizierung spiegelte sehr weitgehend die Strukturen einer ständisch gegliederten Gesellschaft wider.34 Dagegen wurden Steuerpflichtige mit einem Einkommen über 100 Talern entsprechend der Höhe ihres Einkommens besteuert: Einkünfte zwischen 100 und 300 Talern wurden mit 1 %, Einkünfte über 300 Taler mit 5 % besteuert. Bemerkenswert ist dabei vor allem der deutliche Tarifsprung. Steuertechnisch handelte es sich (bei einer groben Stufeneinteilung) um einen Stufensatztarif, der als Gesamtmengenstaffeltarif ausgestaltet war. Allgemein wurden diese, aufgrund der finanziellen Not und nicht einer Überzeugung von dem Gerechtigkeitswert einer allgemeinen Einkommensteuer entstandenen Steuern, als finanziell nur mäßig erfolgreich angesehen und von weiten Teilen Edikts wegen der Vermögens- und Einkommensteuer. Vom 6ten Juni 1812, GS 1812, Nr. 103, 74; Instruktion zur Ausführung des Vermögenssteuer-Edikts in der Stadt Berlin. Vom 6ten Juni 1812, GS 1812, Nr. 104, 76; Instruktion für die kaufmännische Klassifikationskommissionen zu Berlin. Vom 6ten Juni 1812, GS 1812, Nr. 105, 89; Verordnung in Betreff der Vermögens- und Einkommensteuer. Vom 20sten Juni 1812, GS 1812, Nr. 108, 96; Verordnung wegen einstweiliger Suspension des Edikts in Betreff der Vermögens- und Einkommensteuer in Ost- und Westpreußen, auch Lithauen. Vom 2ten Juli 1812, GS 1812, Nr. 115, 119; Deklaration und nähere Bestimmungen in Absicht auf die Erhebung der durch das Edikt vom 24sten Mai angeordnete Vermögenssteuer. Vom 12ten Juli 1812, GS 1812, Nr. 121, 125; Bekanntmachung vom 29sten Juli 1812 in Betreff der Erhebung der Einkommensteuer, GS 1812, Nr. 126, 139. 30 Linzbach, S. 127; dies zeigt sich u. a. darin, dass die Einkommensbesteuerung nach § 10 nur das Einkommen erfasste, das nicht durch die Anwendung eines Vermögens hervorgebracht wurde. 31 Siehe z. B. § 23 der Deklaration des Kriegsschuldenreglements, d.d. den 23sten Februar 1808, die abgeänderten Besteuerungsgrundsätze für die Haupt- und Residenz-Stadt Königsberg betreffend. Vom 22sten März 1810, GS 1810, Nr. 111, 673. 32 Greim-Kuczewski, S. 64. 33 Dabei gab es zwei Hauptklassen: die erste Klasse bestand aus denjenigen, die durch reine Arbeitskraft ihren Unterhalt erwerben (z. B. Tagelöhner), die zweite Klasse aus denjenigen, die zur Ausübung ihres Berufs irgendeiner Kenntnis bedürfen (z. B. Handwerker). Die in die erste Klasse eingruppierten Personen wurden mit 12 Groschen besteuert, die der Besteuerung der zweiten Klasse unterliegenden Personen hingegen mit 18 Groschen. 34 Thier, S. 41.
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1. Teil: Die historische Entwicklung der Einkommensteuer
der Bevölkerung abgelehnt.35 Dabei kommt die durch das Reglement von 1808 in Königsberg eingeführte differenzierte, deutlich progressive Regelung der heutigen Vorstellung einer Einkommensteuer näher als die anderen dargestellten Steuern. Die Steuer von 1812 zeigt demgegenüber stärkere Züge einer Klassensteuer.
B. Die weitere Entwicklung bis zur Einkommensteuer 1891 Nach dem Ende der napoleonischen Kriege war die Zeit der kriegsbedingten Einkommensteuern zu Ende gegangen. Auf dem Wiener Kongress wurde die territoriale Neugliederung Europas beschlossen, was auch zur Folge hatte, dass in den verschiedenen Provinzen, die nun zu Preußen gehörten, unterschiedliche Steuersysteme galten. Reformen wurden notwendig.36 Die Einführung einer Einkommensteuer wurde allerdings wegen ihrer „Gehässigkeit“ abgelehnt.37 Im Jahre 1820 wurde daher wieder eine Klassensteuer nach ständischen Kriterien erhoben.38 Im Vergleich zu den früheren kriegsbedingten Einkommensteuern stellte diese in der Entwicklung der allgemeinen Einkommensteuer wieder einen Rückschritt dar. Im weiteren Verlauf bis zur preußischen Einkommensteuer von 1891 lassen sich jedoch Entwicklungsschritte hin zu einer allgemeinen Einkommensteuer erkennen: Bereits im Jahre 1821 sah man sich aufgrund einer allgemeinen Unzufriedenheit veranlasst, die KlassenMauz, S. 14. Vgl. Greim-Kuczewski, S. 85 ff.; Thier, S. 42 ff. 37 Vgl. dazu Grabower, S. 502 ff. 38 Gesetz wegen Einführung einer Klassensteuer. Vom 30ten Mai 1820, GS 1820, Nr. 617, 140; die Klassensteuer von 1820 unterschied fünf Klassen und legte diesen unterschiedliche Steuerbeträge auf: Die Klassensteuer ordnete die Bevölkerung nach einfachen äußeren Zeichen des Wohlstandes in verschiedene Klassen ein, die annähernd den Wohlstand der jeweiligen Klasse widerspiegelten. Die fünfte Klasse stellten die Lohnarbeiter, gemeines Gesinde und Tagelöhner. Ihnen wurde eine Steuer von einem Groschen pro Person auferlegt. Demgegenüber bildeten die vorzüglich wohlhabenden und reichen Einwohner die erste Klasse. Diese wurden pro Haushaltung mit einer Steuer von 4 Talern belastet. Die zweite und dritte Klasse wurden von den wohlhabenden Einwohnern gebildet, die mit 1 Taler bzw. 12 Groschen besteuert wurden. In die vierte Klasse fielen der geringe Bürger- und Bauernstand, der 4 Groschen zu entrichten hatte. Zwischen der vierten und der fünften Klasse konnte eine Zwischenklasse errichtet werden. Die in diese Kategorie fallenden Steuerpflichtigen hatten 2 Groschen an Steuern zu zahlen. Die Klassensteuer galt nach § 2 a nur auf dem Land und in den kleineren Städten. In den 132 größeren Städten wurde – wegen der Schwierigkeiten einer Klassifikation der Steuerpflichtigen in den Städten – dort statt der Klassensteuer wiederum die Mahl- und Schlachtsteuer erhoben, vgl. dazu das Gesetz wegen Entrichtung einer Mahlund Schlachtsteuer. Vom 30ten Mai 1820, GS 1820, 143. Die Trennung von Stadt und Land bestand damit fort. Daher steht die Klassensteuer von 1820 in einem engen Zusammenhang zur Mahl- und Schlachtsteuer. Sie steht damit in der Tradition der als direkte Steuern erhobenen indirekten Steuern und nicht in einem Zusammenhang zu den kriegslastenbedingt erhobenen Einkommensteuern. Aufgrund der unterschiedlichen Besteuerungshöhe kann sie jedoch nicht als alleinige andere Erhebungsform einer indirekten Steuer angesehen werden. Insoweit kann hier ein Einfluss der kurzzeitig zur Kriegsfinanzierung erhobenen Einkommensteuern gesehen werden, vgl. dazu Mauz, S. 14. 35 36
B. Weitere Entwicklung bis zur Einkommensteuer 1891
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steuer zu modifizieren. Dabei wurden die Klassen weiter unterteilt. Die Eingruppierung in diese Unterklassen erfolgte nicht nach ständischen Kriterien, sondern nach Kriterien der Leistungsfähigkeit.39 Obwohl von der Einführung der Einkommensteuer in Friedenszeiten in England im Jahre 1842 und der wachsenden Bedeutung des Pauperismus in der öffentlichen Meinung neue Impulse für die Einführung der Einkommensteuer in Preußen ausgegangen waren40 und nach der gescheiterten Revolution die Bestrebungen zur Reform der Steuergesetzgebung wieder aufgenommen worden waren, konnte eine Änderung der Steuergesetzgebung im Endeffekt erst wieder unter dem Druck der sich verschlechternden Finanzlage im Jahre 1851 gelingen.41 Eingeführt wurde dann die Klassen- und klassifizierte Einkommensteuer vom 1. Mai 1851.42 Dies bedeutete, dass für Einkommen bis zu 1000 Talern eine Klassensteuer erhoben wurde.43 Für Steuerpflichtige mit einem Einkommen über 1000 Talern galt demgegenüber eine Einkommensteuer mit 30 Einkommensstufen. Der Steuersatz sollte nach § 19 einen Steuersatz von 3 % nicht übersteigen. Die Kurve der effektiven Belastung verlief dabei unstetig.44 Eine erste grundlegende Änderung dieser Steuer wurde dann im Jahre 1873 verwirklicht: Nach dem „Gesetz wegen Abänderung des Gesetzes vom 1. 5. 1851 betreffend die Einführung der Klassenund klassifizierten Einkommensteuer“45 wurde die Klassensteuer nicht mehr aufgrund einer Anknüpfung an berufsständische Merkmale erhoben. Ausgangspunkt war nunmehr allein eine Anknüpfung an das Jahreseinkommen. Hintergrund dieser Änderung waren die sich neu entwickelnden Wirtschaftsstrukturen, die dazu führten, dass eine Anknüpfung an berufsständische Merkmale eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht gewährleisten konnte.46 Einkommen unter 140 Talern waren steuerbefreit, was im Rahmen der Tarifgestaltung berücksichtigt wurde. Der 39 Allerhöchste Kabinettsorder vom 5ten September 1821, die vermehrten Abstufungen in den Beiträgen zur Klassensteuer betreffend, GS 1821, Nr. 668, 154; vgl. auch Ketterle, S. 16; Mauz, S. 19; Thier, S. 47. Die maximale Steuerlast war auf 144 Taler begrenzt, ein steuerfreies Existenzminimum existierte hingegen nicht. Nach Popitz, Einkommensteuer, S. 440, wurde schon früher, bereits 1820, eine zusätzliche Klasse eingeführt. 40 Teschemacher, S. 33 f.; siehe auch Kramer, S. 72 ff. 41 Bereits die Königliche Proklamation vom 5. 12. 1848, die die Oktroyierte Verfassung feststellte, hatte die Einführung einer Einkommensteuer angekündigt, Teschemacher, S. 65. 42 Gesetz, betreffend die Einführung einer Klassen- und klassifizierten Einkommensteuer. Vom 1. Mai 1851, GS 1851, Nr. 3381, 193. 43 Diese war in drei Hauptklassen mit jeweils mehreren Unterstufen eingeteilt. Nach § 7 sollte die Einordnung der Steuerpflichtigen in die Klassen nach äußeren Merkmalen, zusätzlich aber auch nach sonstigen, die besondere Leistungsfähigkeit bedingenden Verhältnissen erfolgen. Insoweit war eine „Mischung von leistungs- und statusbezogenen Veranlagungsmerkmalen“, so Thier, S. 57, gegeben. In der dritten Hauptklasse, an welche die klassifizierte Einkommensteuer anschloss, wurde ausschließlich auf das Einkommen abgestellt. 44 Thier, S. 58. 45 Gesetz wegen Abänderung des Gesetzes vom 1. Mai 1851, betreffend die Einführung einer Klassen- und klassifizierten Einkommensteuer, GS 1873, Nr. 8129, 213. 46 Dazu Thier, S. 108 ff.
3 Liesenfeld
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1. Teil: Die historische Entwicklung der Einkommensteuer
Einkommensteuertarif war weiterhin als Stufenbetragstarif ausgestaltet, die Zahl der Steuerstufen wurde jedoch erhöht. Dabei bewegte sich die effektive Steuerbelastung zwischen 2,6 und 3 %.47 Trotz vieler weiterer Reformvorschläge48 sollte eine erfolgreiche Finanzreform mit der Einführung der Einkommensteuer erst nach dem Rücktritt Bismarcks unter seinem Nachfolger im Amt des Reichskanzlers und preußischen Ministerpräsidenten von Caprivi und dessen Finanzminister von Miquel gelingen. Schon vorher konnte jedoch eine steuerliche Erleichterung durch die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums auf 900 M erreicht werden.49
C. Die preußische Einkommensteuer des Jahres 1891 Von Miquel trat das Amt des preußischen Finanzministers mit dem Plan einer grundlegenden Reform des preußischen Steuerrechts zur Konsolidierung der preußischen Finanzen an. Seine Vorstellung ging dahin, dass staatliche Einnahmen vorwiegend auf Personalsteuern beruhen, die Realsteuern hingegen den Gemeinden zufließen sollten.50 Damit die Realsteuern jedoch aus dem staatlichen Steuersystem ausgesondert werden konnten, mussten andere staatliche Einnahmequellen erschlossen werden. In diesem Zusammenhang strebte Miquel auch eine Reform der Einkommensteuer an, die er nach den Kriterien der Leistungsfähigkeit ausgestalten wollte.51 Die Reformbemühungen Miquels wurden durch das Gesetz vom 24. 6. 1891 umgesetzt.52 Dem Vorhaben, die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, entsprach § 5, der festlegte, dass Einkommen in Höhe bis zu 900 M steuerfrei bleiben sollten. Dies wurde im Rahmen des Steuertarifs berücksichtigt. § 18 sah außerdem bestimmte Abzüge vom steuerpflichtigen Einkommen für den Unterhalt von Kindern unter 14 Jahren vor.53 § 19 Siehe dazu Thier, S. 112. Vgl. dazu Thier, S. 387 ff. 49 Gesetz, betreffend die Aufhebung der beiden untersten Stufen der Klassensteuer. Vom 26. März 1883, GS 1883, Nr. 8920, 37; zuvor wurde bereits durch die Bekanntmachung, betreffend das Ergebnis der Klassensteuerveranlagung und den Steuererlass für das Jahr vom 1. April 1881 / 82. Vom 21. März 1881, GS 1881, Nr. 8772, 137, dadurch eine Erleichterung geschaffen, dass die Steuer für die unteren Klassen ermäßigt und für drei Monate nicht erhoben wurden, siehe auch die Bekanntmachung, betreffend den Klassen- und Einkommensteuererlass für das Jahr vom 1. April 1881 / 82. Vom 24. Mai 1881, GS 1881, Nr. 8793, 291; dazu Popitz, Einkommensteuer, S. 440. 50 Kassner, S. 85 ff.; Pausch, von Miquel, S. 32 ff.; siehe zu den Miquel’schen Reformgesetzen auch Kramer, S. 126 ff. 51 Kassner, S. 85 ff.; Pausch, von Miquel, S. 37 ff.; siehe auch die Begründung des Entwurfs eines Einkommensteuergesetzes vom 3. 11. 1890, abgedruckt in FA A.F. 7 (1890), 2. Hbbd., 242, 263 (265 ff.). 52 Einkommensteuergesetz. Vom 24. Juni 1891, PrGS 1891, Nr. 9463, 175. 53 Diese Abzüge wurden im Jahre 1906 durch das Gesetz, betreffend die Änderung des Einkommensteuergesetz und des Ergänzungsteuergesetzes. Vom 19. Juni 1906, GS 1906, Nr. 10728, 241, erweitert, durch das Gesetz, betreffend die Abänderung des Einkommensteuergesetzes und des Ergänzungssteuergesetzes. Vom 26. Mai 1909, GS 1909, Nr. 10952, 349, 47 48
D. Entwicklung der Einkommensteuer im Deutschen Reich
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ermöglichte darüber hinaus die Berücksichtigung weiterer, besonderer Umstände, die die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigten, wie Verschuldung, Belastungen durch Kinder oder Unterhaltsverpflichtungen gegenüber mittellosen Angehörigen. Der Einkommensteuertarif des Gesetzes von 1891 war technisch als Stufenbetragstarif (Gesamtmengenstaffeltarif) ausgestaltet und führte zu progressiven Belastungen von 0,5 bis 4 % (bei Einkommen ab 100.000 M). Später wurden für alle Einkommensteuerpflichtigen jedoch zusätzliche Staatssteuerzuschläge – bei natürlichen Personen in Höhe von 5 – 25 % der gezahlten Steuern – eingeführt.54 Diese sollten nach § 8 Abs. 4 des Gesetzes nur für eine Übergangszeit in Kraft bleiben. Aufgrund des Ersten Weltkrieges wurden die Zuschläge jedoch nicht nur beibehalten, sondern entgegen der ursprünglichen Intention noch erhöht.55 Eine Differenzierung zwischen fundiertem und unfundiertem Einkommen war im Einkommensteuergesetz von 1891 nicht vorgesehen. Eine stärkere Besteuerung des fundierten Einkommens ergab sich allerdings durch die ebenfalls auf Miquel zurückgehende Ergänzungssteuer, die als Vermögenssteuer im Jahre 1893 eingeführt wurde.56 Außerordentliche Einkünfte waren nach § 8 preuß. EStG 1891 steuerfrei. Im Ergebnis zeigen sich bereits bei der preußischen Einkommensteuer von 1891 viele der Elemente, die auch die heutige Einkommensteuer charakterisieren: das steuerfreie Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst ist als Tarifregelung ausgestaltet, Unterhaltslasten werden durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage berücksichtigt und der Tarif verläuft progressiv. Die steuertechnische Gestaltung als Stufenbetragstarif hat sich hingegen weiterentwickelt.
D. Die Entwicklung der Einkommensteuer im Deutschen Reich Im Jahre 1920 wurden die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Einkommensteuern durch eine Reichseinkommensteuer ersetzt. Zwar waren die Einkommensteuern auch nach der Gründung des Deutschen Reiches zunächst Steuern der einzelnen Bundesstaaten geblieben. Die grundsätzliche Vorstellung war, dass das Reich indirekte Steuern erheben konnte, die direkten Steuern hingegen den Bunerneut ausgebaut und vollständig als Stufenermäßigungen ausgestaltet; dazu Popitz, Einkommensteuer, S. 441. 54 Gesetz, betreffend die Bereitstellung von Mitteln zu Diensteinkommensverbesserungen. Vom 26. Mai 1909, GS 1909, Nr. 10952, 85. 55 Gesetz, betreffend die Erhöhung der Zuschläge zur Einkommensteuer und zur Ergänzungsteuer. Vom 8. Juli 1916, GS 1916, Nr. 11521, 109 ff.; siehe auch die Verordnung über die Weitererhebung von Zuschlägen zur Einkommensteuer und zur Ergänzungssteuer für das Etatsjahr 1919. Vom 31. Januar 1919, GS 1919, Nr. 11735, 21; die Zuschläge auf die Einkommensteuer natürlicher Personen betrugen dann 8 – 100%; vgl. auch Ketterle, S. 72. 56 Ergänzungssteuergesetz. Vom 14. Juli 1893, GS 1893, Nr. 9628, 134, dazu Jähnke, S. 12 ff.; Popitz, Einkommensteuer, S. 440; Walz, S. 84 ff. 3*
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1. Teil: Die historische Entwicklung der Einkommensteuer
desstaaten vorbehalten waren.57 Der Tendenz einer Unitarisierung auf Bundesebene konnten sich jedoch auch die direkten Steuern und damit auch die Einkommensteuer auf Dauer nicht entziehen.58 Auch wenn sich die Idee einer Reichseinkommensteuer gegen den deutlichen Widerstand der Bundesstaaten während des Ersten Weltkrieges noch nicht durchsetzen konnte, wurden dennoch bereits vor dem Ersten Weltkrieg erste Schritte auf dem Weg zu direkten Reichssteuern vollzogen.59 Dabei nahm der einmalige Wehrbeitrag des Jahres 1913 als erste Reichssteuer das Einkommen zum Maßstab.60 Daneben wurden mehrere Kriegssteuern als Vermögenszuwachssteuern61 oder als Steuern auf das Mehreinkommen62 erhoben.
I. Das Einkommensteuergesetz des Jahres 1920 Eine allgemeine Reichseinkommensteuer sollte erst nach dem Ersten Weltkrieg durch die Reformgesetze des Reichsfinanzministers Erzberger erreicht werden: Als Erzberger im Jahre 1919, in einer Zeit eines kriegsfolgenbedingt enormen Finanzbedarfs zum Finanzminister ernannt wurde, setzte er eine Reform der Steuerordnung von außerordentlichen Ausmaßen durch.63 Zum einen wurde eine bis dahin nicht bestehende Reichsfinanzverwaltung eingesetzt,64 zum anderen wurde eine Vielzahl grundlegender Reichssteuergesetze, u. a. die Reichsabgabenordnung und die Reichseinkommensteuer sowie Regelungen des Finanzausgleichs65 geschaffen. Art. 8 WRV stellte insoweit eine ausdrückliche Grundlage für die ErhePopitz, Die deutschen Finanzen, S. 179 ff.; dazu auch Menges, S. 116 ff. Siehe dazu Menges, S. 114 ff., 122 ff. 59 So nahm das Reich seit dem Jahre 1906 einen Teil des Erbschaftssteueraufkommens für sich in Anspruch; § 2 des Gesetzes, betreffend die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld. Vom 3. Juni 1906, RGBl. I 1906, 620, und die Anlage 4, S. 654; dazu Menges, S. 122 f.; und erhob ab 1911 eine Wertzuwachssteuer bei der Veräußerung von Grundstücken; Zuwachssteuergesetz. Vom 14. Februar 1911, RGBl. 1911, 33; dazu ebenfalls Menges, S. 123 ff. Der durch den zur Finanzierung von Heeresvorlagen entstandene höhere finanzielle Bedarf des Reiches führte auch dazu, dass dem Reich die Erhebung einer Vermögenszuwachssteuer (Besitzsteuer), Besitzsteuergesetz. Vom 3. Juli 1913, RGBl. 1913, 524, zugestanden wurde. 60 Gesetz über einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag. Vom 3. Juli 1913, RGBl. 1913, 505, dazu Popitz, Einkommensteuer, S. 445; Jähnke, S. 13 ff. 61 Kriegssteuergesetz. Vom 21. Juni 1916, RGBl. 1916, 561; Gesetz über die Erhebung eines Zuschlags zur Kriegssteuer. Vom 9. April 1917, RGBl. 1917, 349; Gesetz über eine Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachse. Vom 10. September 1919, RGBl. 1919, 1579; zur Kriegsbesteuerung siehe auch Menges, S. 128 ff. 62 Gesetz über eine außerordentliche Kriegsabgabe für das Rechnungsjahr 1918. Vom 26. Juli 1918, RGBl. 1918, 964; Gesetz über eine außerordentliche Kriegsabgabe für das Rechnungsjahr 1919. Vom 10. September 1919, RGBl. 1919, 1567; vgl. auch Ketterle, S. 202. 63 Zu Erzberger und den von ihm durchgeführten Finanzreformen Ruge, insbes. S. 105 ff.; Pausch, Erzberger; siehe auch Menges, S. 184 ff. 64 Pausch, Erzberger, S. 33 ff. 65 Dazu ausführlich Menges, S. 229 ff. 57 58
D. Entwicklung der Einkommensteuer im Deutschen Reich
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bung von Reichssteuern zur Verfügung. Durch die Einführung der Reichseinkommensteuer wurde nicht nur die Einkommensteuer von den einzelnen deutschen Staaten auf die Ebene des Reiches verlagert, sondern auch eine einheitliche steuerliche Belastung erreicht.66 Auch wenn nach der Miquel’schen Reform des Einkommensteuergesetzes bereits eine gewisse Annäherung der Gesetze in den einzelnen deutschen Staaten stattgefunden hatte, waren erhebliche Unterschiede in den einzelnen Einkommensteuergesetzen verblieben.67 Durch das Gesetz vom 29. 3. 192068 wurde also das bisherige preußische Einkommensteuergesetz durch das Einkommensteuergesetz des Reiches abgelöst. Das Gesetz sah als steuerfreien Betrag vor Anwendung des Einkommensteuertarifs einen Abzug in Höhe von 1500 RM vor, welcher sich um 500 RM für jede zum Haushalt gehörende Person erhöhte. Der Stufenbetragstarif wurde durch einen als Teilmengenstaffeltarif ausgestalteten Stufensatztarif ersetzt. Der Einkommensteuertarif stieg in kleinen, regelmäßigen Stufen progressiv an. Dabei betrug der Steuersatz – aufgrund der kritischen finanziellen Nachkriegssituation – auf der ersten Stufe bis 1000 RM bereits 10 %, der Grenzsteuersatz erhöhte sich pro zusätzliche 1000 RM um einen Prozentpunkt und betrug damit auf der letzten Einkommensstufe ab 500.000 RM 60 %. Dies stellt eine bisher nicht annähernde erreichte Erhöhung des Einkommensteuertarifs dar. Änderungen erfuhr das Gesetz durch die Novelle vom 24. 3. 1921.69 Um den anfänglichen Folgen der Inflation Rechnung zu tragen, aufgrund derer auch geringe Einkommen in hohe Progressionszonen hineingewachsen waren, wurden die für die Festsetzung des Steuerbetrags maßgeblichen Einkommensstufen vergröbert, die Steuersätze korrespondierend in größeren Stufen angehoben und der Tarif „auseinandergezogen“. Dabei wurde zur Entlastung der unteren Einkommensstufen insbesondere die erste Stufe in ihrem Umfang deutlich erweitert.70 Eine weitere Änderung betraf die Berücksichtigung eines steuerfreien Betrages. Wurde dieser Betrag bis zu diesem Zeitpunkt als Abzug von der Bemessungsgrundlage berücksichtigt, wurde er nun durch die – von der Höhe des Einkommens abhängige – Möglichkeit eines Abzugs vom Steuerbetrag ersetzt.71 Das Reichseinkommensteuergesetz von 1920 enthielt – ähnlich dem preußischen Einkommensteuergesetz von 1891 – keine Differenzierung zwischen ver66 Dazu Pausch, Erzberger, S. 51 ff.; zur Einführung der Reichseinkommensteuer und den dazu vertretenen Positionen der Länder und Parteien in der Nationalversammlung siehe Menges, S. 191 ff. 67 Vgl. dazu Ketterle, S. 75 ff.; Pausch, StStud 1989, 341, 345. 68 Einkommensteuergesetz. Vom 29. März 1920, RGBl. 1920, 359. 69 Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 29. März 1920. Vom 24. März 1921, RGBl. 1921, 313. 70 Dazu Popitz, Die deutschen Finanzen, S. 179 (192 ff.); Stahl, S. 23. 71 Nach § 26 betrug der mögliche, von der Einkommensteuer abziehbare Betrag bei Einkommen unter 60.000 Mark 120 M für jede zur Haushaltung gehörende, aber nicht selbst veranlagte Person; für Einkommen zwischen 60.000 M und 100.000 M 60 Mark, für Einkommen über 100.000 M waren demgegenüber keine Abzugsbeträge vorgesehen.
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1. Teil: Die historische Entwicklung der Einkommensteuer
schiedenen Einkunftsarten. Allerdings wurde zur stärkeren Belastung fundierter Einkommen neben der Einkommensteuer eine zusätzliche Kapitalertragsteuer erhoben.72 Daneben sah das Gesetz Tarifermäßigungen für außerordentliche Einkünfte vor.73
II. Das Einkommensteuergesetz des Jahres 1925 Nur kurze Zeit später, im Jahre 1925, nach Einführung der Rentenmark wurde das Einkommensteuergesetz grundlegend reformiert.74 Das Einkommensteuergesetz von Erzberger hatte nicht den erhofften Ertrag erbracht.75 Durch die maßgeblich auf den damaligen Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Popitz zurückgehenden Reformen des Einkommensteuergesetzes sollte nach der Desillusion durch die Inflation nun die steuerliche Belastung an die wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst werden.76 Vor allem sollte der Fehler eines Übermaßes der Steuersätze vermieden werden.77 Popitz hatte daher eine Höchstbelastung von max. 33,5 % vorgeschlagen.78 Im Ergebnis wurde ein Steuersatz von 10 % bei einem steuerpflichtigen Einkommen bis 8000 RM festgelegt, der sich in relativ großen Stufen auf 40 % bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 80.000 RM erhöhte. Neben der Einkommensteuer wurden jedoch zusätzliche, ebenfalls an das Einkommen anknüpfende Abgaben erhoben.79 Die verschiedenen Einkunftsarten wurden 72 Kapitalertragsteuergesetz. Vom 29. März 1920, RGBl. 1920, 345; siehe dazu Menges, S. 190 ff.; noch darüber hinaus wurde durch das Reichsnotopfergesetz, Gesetz über das Reichsnotopfer. Vom 31. Dezember 1919, RGBl. 1919, 2189, dazu ebenfalls Menges, S. 189 (später gemeinsam mit der Besitzsteuer abgelöst durch die Reichsvermögensteuer und die Vermögenszuwachssteuer, Gesetz über Änderungen im Finanzwesen. Vom 8. April 1922, RGBl. 1922, 335, Anlage 1 und Anlage 2) eine Vermögensteuer erhoben. 73 So wurden nach § 23 Gewinne aus Veräußerungsgeschäften und Einkünfte aus einer mehrjährigen Tätigkeit auf diesen Erdienungszeitraum, maximal jedoch auf 5 Jahre verteilt, der Mindeststeuersatz betrug 10%. Auch für Einkünfte aus außerordentlichen Waldnutzungen bestanden in §§ 24, 25 besondere Regelungen. 74 Einkommensteuergesetz. Vom 10. August 1925, RGBl. 1925, 189. 75 Dazu Dieckmann, S. 23. 76 Dieckmann, S. 43. 77 So Popitz, Die deutschen Steuern, S. 179 (191); siehe auch Dieckmann, S. 43 ff. 78 Dieckmann, S. 49. 79 So wurde eine Krisensteuer der Veranlagten, ein Einkommenszuschlag für Bezieher von Einkommen über 8000 RM sowie ein Einkommensteuerzuschlag für Ledige (später als Ehestandshilfeabgabe bezeichnet) eingefordert. Dazu kam die ebenfalls neu eingeführte Bürgersteuer der Gemeinden; Verordnung des Reichspräsidenten zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände. Vom 26. Juli 1930, RGBl. I 1930, 311; Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Vom 1. Dezember 1930, RGBl. I 1930, 517; Zweite Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Vom 5. 6. 1931, RGBl. I 1931, 279 und der Verordnung des Reichspräsidenten über Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialversicherung sowie zur Erleichterung der Wohlfahrtslasten der Gemeinden. Vom 14. Juni 1932, RGBl. I 1932, 273.
D. Entwicklung der Einkommensteuer im Deutschen Reich
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gleich belastet, es gab keine höhere Besteuerung fundierter Einkünfte.80 Tarifliche Sonderregelungen für außerordentliche Einkünfte bestanden allerdings, wenn auch in geänderter Form, fort.81 Anders als die steuertechnische Ausgestaltung im Jahre 1921 wurde ein steuerfreies Existenzminimum nicht als Abzug von der Steuerschuld berücksichtigt. Vielmehr wurden Einkommen bis 1100 RM,82 zuzüglich verschiedener Beträge für Familienangehörige, 83 nicht festgesetzt; Steuerpflichtige, deren Einkommen 10.000 RM nicht überstieg, konnten bestimmte Beträge, bzw. prozentuale Anteile des Einkommens vorab abziehen.84
III. Das Einkommensteuergesetz des Jahres 1934 und seine Änderungen bis 1945 Im Jahre 1934, nach der Machtübernahme der nationalsozialistischen Partei, wurde die Einkommensteuer weitgehend geändert.85 Während der Umgestaltung vieler Vorschriften der Einkommensteuer arbeitsmarktpolitische Ziele zugrunde lagen, war der Umbau des Einkommensteuertarifs vor allem bevölkerungspolitisch motiviert. Durch die Integration verschiedener zuvor erhobener Nebensteuern (u. a. die Krisensteuer der Veranlagten, der Einkommensteuerzuschlag für Einkommen über 8000 RM, die Ehestandshilfeabgabe) in die Einkommensteuer wurde das Steuersystem vereinfacht.86 Wenige Zeit später sollte auch die Einkommensteuer als Instrument der menschenverachtenden nationalsozialistischen Judenverfolgung missbraucht werden.87 80 Die Kapitalertragsteuer wurde seit 1925 auf die Einkommensteuer angerechnet und stellte damit keine zusätzliche Belastung mehr dar; siehe dazu BVerfGE 84, 239 ff.; eine Vermögensteuer wurde jedoch weiterhin, nach einer Gesetzesänderung auf der Grundlage des Gesetzes über die Vermögen- und Erbschaftsteuer. Vom 10. August 1925, RGBl. 1925, 233, erhoben. 81 Siehe dazu §§ 58, 59 EStG. 82 Siehe jedoch die leicht abweichende Regelung des § 70 EStG für die Lohnsteuer. 83 Für die Ehefrau und das erste Kind wurden zusätzlich 100 RM, für das zweite Kind 180 RM, für das dritte Kind 360 RM berücksichtigt. Für das vierte Kind sowie jedes weitere Kind wurden 450 RM veranschlagt. 84 Für den Steuerpflichtigen selbst wurden 600 RM abgezogen, für die Ehefrau oder ein Kind wurden 8% des 600 RM übersteigenden Einkommens, maximal jedoch 540 RM und minimal die Zuschläge zu dem Einkommen, bis zu dem die Steuer nicht festgesetzt wurde, berücksichtigt. 85 Einkommensteuergesetz. Vom 16. Oktober 1934, RGBl. I 1934, 1005. Maßgeblicher Einfluss kam dabei dem Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Reinhardt zu. Dieser hatte bereits im Juni 1934 die Grundlagen seines Steuerreform-Planes offen gelegt; vgl. dazu den Abdruck seiner Rede in der Vollsitzung der Akademie für Deutsches Recht vom 26. Juni 1934 in der Aula der Universität München, RStBl. 1934, 753 ff. 86 Ein Einheitstarif war schon durch § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Einkommenbesteuerung für 1933. Vom 21. Dezember 1933, RGBl. I 1934, 1, geschaffen worden; vgl. auch Voß, S. 86; vgl. auch Kaemmel / Bacciocco, § 2 Anm. 2 a. 87 Vgl. dazu Voß, S. 135 ff., 152 ff.
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1. Teil: Die historische Entwicklung der Einkommensteuer
Der Tarif des Einkommensteuergesetzes 1934 war – anders als in den vorangegangenen Gesetzen – technisch als Stufenbetragstarif ausgestaltet. Dabei galt in den unterschiedlichen Steuerklassen ein jeweils unterschiedlicher Steuertarif. Bei den Steuerklassen wurde zwischen Ledigen, Verheirateten und Steuerpflichtigen, die hinsichtlich eines oder mehrerer Kinder Kinderermäßigungen beanspruchen konnten, unterschieden. Durch das Gesetz vom 17. Februar 193988 wurde – wiederum aus bevölkerungspolitischen Gründen – eine weitere Steuerklasse II geschaffen. Diese umfasste Personen, die seit 5 und mehr Jahren verheiratet waren und keine Kinder bekommen hatten. Sie wurden im Vergleich mit den Verheirateten der Steuerklasse III zu höheren Steuern herangezogen. In den jeweiligen Tarif war auch ein steuerfreier Betrag eingearbeitet. Dieser wurde – je nach Steuerklasse – in unterschiedlicher Höhe gewährt. Die größte Belastung ergab sich für Ledige. Diese mussten Einkommen ab 560 RM versteuern, wobei bei einem Einkommen ab 74.500 RM der maximale Steuersatz von 50 % erreicht wurde. Dieser wurde später auf 55 % erhöht.89 Verheiratete hingegen mussten erst Einkommen ab 825 RM versteuern. Ihre maximale Belastung betrug im Jahre 1934 40 %. Alle Steuerklassen – mit Ausnahme der Klasse der Ledigen – wiesen allerdings einen Tarifverlauf auf, der bei Einkommen über 100.500 RM dazu führte, dass das gesamte, über 100.500 RM liegende Einkommen bis zu Einkommen in Höhe von 122.500 RM wegbesteuert wurde. Dieser Grenzsteuersatz von 100 % wurde durch das Gesetz vom 1. 2. 193890 beseitigt. Durch den eingeführten § 32 Abs. 6 Satz 3 EStG wurden später – unabhängig von einer möglichen Verheiratung – alle jüdischen Steuerpflichtige in die Steuerklasse I, d. h. die höchste Steuerklasse für Ledige klassifiziert.91 Der Steuersatz konnte von den Behörden z.T. innerhalb eines bestimmten Rahmens festgelegt werden.92 Differenzierungen zwischen fundierten und unfundierten Einkünften bestanden nicht. Die tariflichen Sonderregelungen für außerordentliche Einkünfte wurden auf weitere Fälle erstreckt.
88 Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes. 17. Februar 1939, RGBl. I 1939, 283. 89 § 1 des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes. Vom 17. Februar 1939, RGBl. I 1939, 283. 90 Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes. Vom 1. Februar 1938, RGBl. I 1938, 99. 91 Eine Ausnahme bestand nur für solche Steuerpflichtige, die für nichtjüdische Kinder eine Kinderermäßigung beanspruchen konnten. 92 Siehe dazu § 34 EStG.
E. Entwicklung nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches bis heute
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E. Die Entwicklung nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches bis heute I. Die Kontrollratsgesetze und die anschließende Entwicklung bis 1958 Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches errichteten die Alliierten eine Alliierte Kontrollbehörde: Oberstes Organ war nun der Alliierte Kontrollrat, der durch die vier Oberbefehlshaber konstituiert wurde. Dieser erhöhte bereits durch sein Gesetz Nr. 393 vom 20. 10. 1945 die Lohnsteuer um 25 % und die veranlagte Einkommensteuer (mit Ausnahme der Lohnsteuer) für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1945 um 6,25 %. Das Kontrollrats-Gesetz Nr. 1294 vom 11. 2. 1946 führte dann zu grundlegenden Änderungen. Art. 1 des Gesetzes verbot jede diskriminierende Erhebung der Einkommensteuer. Abgeschafft wurde auch die erhöhte Besteuerung von kinderlos Verheirateten. Der Einkommensteuertarif war wieder als Stufensatztarif ausgestaltet, der als Teilmengenstaffeltarif konzipiert war. In den Tarif war ein für alle Steuerpflichtigen gültiger steuerfreier Betrag in Höhe von 600 RM eingearbeitet. Daneben bestanden weitere Abzugsmöglichkeiten für Ehegatten und Kinder.95 Einschneidend war die Erhöhung der Steuersätze: Art. III 1 a) erhöhte die Steuer für Gehälter, Löhne und Einkünfte aus freien Berufen um 25 %, für alle anderen Einkunftsarten stieg die Steuer um 35 %. Diese unterschiedlichen Tarifregelungen wurden jedoch bald wieder aufgegeben.96 Die Steueranhebung führte bei der veranlagten Einkommensteuer zu einer Eingangsbesteuerung bei Einkommen über 600 RM in Höhe von 17 % bis zu einer Besteuerung der über 60.000 RM liegenden Einkünfte mit 95 %. Dabei konnten bei Gehältern, Löhnen oder Einkünften aus freien Berufen 10 % und max. ein Betrag von 1000 RM abgezogen werden. Hintergrund dieser enormen Belastung war das Ziel, überschüssige Kaufkraft abzuschöpfen sowie inflationären Tendenzen entgegenzutreten.97 Seit November 1948 wurde zusätzlich noch das „Notopfer Berlin“ erhoben.98 Angesichts solch hoher BelasGesetzessammlung Hemken, Alliierter Kontrollrat, K Gesetz Nr. 3. Gesetzessammlung Hemken, Alliierter Kontrollrat, K Gesetz Nr. 12. 95 Für den Ehegatten wurde ein weiterer Freibetrag in Höhe von 600 RM anerkannt, für einen Ehegatten und ein Kind konnten 1000 RM abgezogen werden, jedes weitere Kind wurde mit zusätzlich 400 RM berücksichtigt. 96 Bereits durch das Gesetz Nr. 64 der Militärregierung Deutschland zur Vorläufigen Neuordnung von Steuergesetzen vom 20. 6. 1948, vom 20. 6. 1948, Gesetzessammlung Hemken, Gesetze der Militärregierung, M Gesetz Nr. 64, wurde die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende unterschiedliche Besteuerung für höhere Einkommen aufgehoben, durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftssteuergesetzes, vom 29. 4. 1950, BGBl. 1950, 95, entfiel diese Differenzierung auch für geringfügige Einkommen vollständig. 97 Blümich-Falk, S. 50 f.; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, Rz. 2. 93 94
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tungen entstanden Steuerhinterziehungsstrategien,99 so dass trotz dieser enorm hohen Steuersätze die Einnahmen nicht ausreichten: Betriebsausgaben Selbständiger waren häufig überhöht,100 die Schattenwirtschaft florierte.101 Die in den folgenden Jahren erlassenen Änderungsgesetze waren dann auch durch eine Reduzierung der Steuerlast gekennzeichnet. Zwar wurde der so genannte „Juni-Tarif“, der eine deutliche Reduzierung der tariflichen Last vorsah, von den Militärregierungen abgelehnt. Die Einführung des „Juni-Tarifs“ war im Juni 1948 nach der Währungsreform vom Wirtschaftsrat mit Zustimmung des Länderrates empfohlen worden.102 Durch das Gesetz Nr. 64 der Militärregierung Deutschlands zur Vorläufigen Neuordnung von Steuergesetzen vom 20. 6. 1948103 wurden die Steuersätze dann nur in deutlich geringerem Maße gesenkt. Sie wurden – mit Ausnahme der Belastungen der untersten Einkommensstufen – durch einen Zuschlag von 20 % auf den „Juni-Tarif“ gebildet.104 Danach betrug der Eingangssteuersatz 12 %, der Spitzensteuersatz weiterhin 95 %. Dieser wurde allerdings erst ab einem Einkommen von 250.000 DM erreicht. Eine unterschiedliche Besteuerung von Löhnen und Einkommen galt nur noch für geringfügige Beträge bis zu ca. 5.000 DM. Die mit diesem Gesetz verbundenen Steuersenkungen wurden jedoch von vielen nicht als ausreichend erachtet. Da die Militärregierungen einen weiteren Gesetzentwurf zur Reduzierung der tariflichen Belastung abgelehnt hatten,105 wurde versucht, Steuererleichterungen auf andere Art zu erreichen:106 Das zweite Gesetz zur Vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. 4. 1949107 sah daher eine größere Anzahl außertariflicher Steuererleichterungen, u. a. die nach den Paragraphenziffern bezeichnete, so genannte „7er-Reihe“ vor. Auch die damit 98 Das Notopfer betrug bei seiner Einführung bei Einkommen bis zu 500 DM 0,6 DM pro angefangene 100 DM Einkommen, für das über 500 DM hinausgehende Einkommen 1 DM pro angefangener 100 DM Einkommen, vgl. § 14 des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin“. Vom 8. November 1948. WiGBl. 1948, 118. 99 Littmann, Das Einkommensteuerrecht, Rz. 2. 100 Vgl. auch BT.Drs. 1 / 317, S. 11 ff.; Dziadkowski, BB 1996, 1193. 101 Dziadkowski, BB 1996, 1193 (1196); vgl. auch Littmann, Das Einkommensteuerrecht, Rz. 2. 102 Vgl. dazu BT-Drs. 1 / 317, S. 11 ff.; Dziadkowski, BB 1996, 1193 (1196); Mersmann, DB 1950, 157 (158). 103 Gesetz Nr. 64 zur Vorläufigen Neuordnung von Steuergesetzen. Vom 20. 6. 1948, Gesetzessammlung Hemken, Gesetze der Militärregierung, M Gesetz Nr. 64. 104 Vgl. BT-Drs. 1 / 317, S. 11 ff.; Dziadkowski, BB 1996, 1193 (1196). 105 BT-Drs. 1 / 317, S. 11 ff. 106 Vgl. dazu Littmann, Das Einkommensteuerrecht, Rz. 3 ff.; Blümich-Falk, S. 50 f.; siehe dazu auch Mai, S. 260 ff., der feststellt, dass die Inflationsbekämpfung durch Kaufkraftabschöpfung von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, und die Gründe der hohen Steuersätze in dem Versuch, einen Ausgleich der öffentlichen Haushalte und eine Deckung der Besatzungskosten zu erzielen, im Hinblick auf die Sowjetunion auch in der Sicherung von Reparationsforderungen sieht. 107 Zweites Gesetz zur Vorläufigen Neuordnung von Steuern. Vom 20. April 1949, Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, 1949, 69.
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erzielte Steuererleichterung wurde jedoch nicht als ausreichend angesehen, um eine hinreichende Kapitalbildung zu fördern und die durch die hohen Steuersätze beeinträchtigte Steuermoral wiederherzustellen. 108 Durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftssteuergesetzes109 wurde dann ein Tarif geschaffen, der sich an den höchsten außerdeutschen Tarif, an den englischen Steuertarif, anlehnte.110 Dieser brachte deutliche Steuersenkungen mit sich. Der Spitzensteuersatz für Einkommen ab 250.000 DM betrug allerdings weiterhin 95 %. Die bestehende unterschiedliche Besteuerung geringer Einkommen und Löhne wurde aufgehoben.111 Durch das Gesetz vom 27. 6. 1951112 wurde schließlich ein Plafond für die Besteuerung in Höhe von 80 % eingeführt. Das Gesetz vom 24. 6. 1953,113 die „kleine Steuerreform“, senkte den Tarif weiter, so dass der Eingangssteuersatz 10 %, der Spitzensteuersatz ab einem Einkommen von 423.501 DM 70 % betrug. Die Steuersenkung erreichte im Durchschnitt 15 %.114 Durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. 12. 1954,115 der sogen. „Großen Steuerreform“, wurde der Tarif erneut um ca. 15 % gesenkt.116 Der Durchschnittssteuersatz wurde auf 55 % begrenzt. Der Spitzensteuersatz betrug bei einem Einkommen ab 605.001 DM 63,45 %, fiel aber ab einer Höhe von 614.001 DM wieder auf 55 %. Eine höhere Besteuerung fundierter Einkünfte bestand seit der Angleichung der Besteuerung der Löhne und anderer Einkünfte nicht mehr. Das Kontrollratsgesetz Nr. 12 brachte auch deutliche Einschränkungen der bisherigen Tarifbegünstigungen für außerordentliche Einkünfte.117 Durch das zweite Gesetz zur vorläufigen BT-Drs. 1 / 317, S. 11 f. Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftssteuergesetzes vom 29. 4. 1950, BGBl. 1950, 95. 110 BT-Drs. 1 / 317, S. 11 f. 111 Zwar bestand mit der Tabelle B weiterhin eine besondere Tabelle für geringfügige Einkommen, im Ergebnis entsprachen diese Beträge jedoch den Steuersätzen des allgemeinen Tarifs. 112 Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951). Vom 27. Juni 1951, BGBl. I 1951, 411. 113 Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung. Vom 24. Juni 1953, BGBl. I 1953, 413. 114 BT-Drs. 1 / 4092 S. 35; Mersmann, DStZ / A 1954, 373 (374). 115 Gesetz zur Neuordnung von Steuern. Vom 16. Dezember 1954, BGBl. I 1954, 373; vgl. dazu Mersmann, DStZ / A 1954, 373 ff.; Rompe, DStZ 1954, 381 ff. 116 Rompe, DStZ / A 1954, 381, 385. 117 Durch Art. XIV des Gesetzes wurden die Veräußerungsgewinne nach §§ 14, 16 und 17 aus dem Katalog der außerordentlichen Einkünfte herausgenommen. Für Entlohnungen einer mehrjährigen Tätigkeit wurde erneut eine Verteilung auf den Erdienungszeitraum, jedoch auf maximal drei Jahre festgelegt. Das Gesetz Nr. 64 der Militärregierung erweiterte den Katalog der außerordentlichen Einkünfte wieder. Der Steuersatz wurde auf 10 – 40% festgelegt. Durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern v. 16. 12. 1954 wurde die obere Grenze des ermäßigten Steuersatzes auf 30% gesenkt, die Besteuerung außerordentlicher Holznutzungen 108 109
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Neuordnung von Steuern wurde schließlich eine weitere Tarifbegünstigung für Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit aufgenommen.118 Außerdem wurde ein neuer § 13a EStG eingeführt, der einen Sondertarif für Mehrarbeit vorsah.119 Durch die „Große Steuerreform“ von 1954 wurde auch die Tarifgestaltung geändert. An die Stelle des bisherigen Anstoßtarifs trat ein auf der Grundlage einer logarithmischen Formel berechneter Tarif.120 Damit wurde versucht, eine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten.121
II. Die Änderungen des Einkommensteuertarifs des Jahres 1958 Eine grundlegende Änderung des Steuertarifs erfolgte dann durch das Gesetz vom 18. Juli 1958.122 Das Bundesverfassungsgericht hatte zur Besteuerung von Ehegatten entschieden, dass diese durch eine progressive Tarifgestaltung in verfassungswidriger Weise benachteiligt werden, wenn ihre Einkünfte zusammengerechnet werden, ohne dass ihnen ein Splittingtarif gewährt wird.123 Damit war eine umfassende Neugestaltung des Einkommensteuertarifs notwendig geworden. Geschaffen wurde eine Tarifgestaltung, die für längere Zeit die Grundlage der Tarifgestaltung bleiben sollte: – Der Einkommensteuertarif stellt grundsätzlich einen Einheitstarif für das zu versteuernde Einkommen dar. – Der Einkommensteuertarif ist als Formeltarif ausgestaltet, bei der mehrere Tarifzonen unterschieden werden. Dabei wird die Steuerbelastung in jeder dieser Tarifzonen nach einer unterschiedlichen Formel berechnet. – Der steuerfreie existenznotwendige Bedarf ist als erste Zone, der so genannten Nullzone, in den Tarif eingearbeitet. – Die letzte Tarifzone ist proportional ausgestaltet.
in dem neu geschaffenen § 34 b geregelt und der Anwendungsbereich erweitert; siehe dazu Nr. 35 und Nr. 37 des Gesetzes, BGBl. I 1954, 373. 118 Siehe dazu Nr. 12 des Gesetzes, Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, 1949, 69. 119 Nach dieser Regelung wurde bei Mehrarbeit der Grundlohn mit 5% besteuert, Zuschläge waren ganz steuerfrei, siehe dazu Nr. 13 des Gesetzes, Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, 1949, 69. 120 Vgl. Mersmann, DStZ / A 1954, 373 ff. 121 Vgl. Mersmann, DStZ / A 1954, 373 ff. 122 Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Ertrag und des Verfahrensrechts. Vom 18. Juli 1958, BGBl. I 1958, 473; vgl. zu der neuen Tarifregelung Mönter / Lantau, DStZ / A 1958, 241 ff. 123 BVerfGE 6, 55 ff.
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Geändert wurde in späterer Zeit neben dem Umfang des steuerfreien Existenzminimums und der jeweiligen Tarifbelastung auch der Verlauf des Tarifs in den einzelnen Tarifzonen, vor allem in den mittleren Zonen. Im Rahmen des Tarifs 1958 umfasste die Nullzone Einkommen bis zu einer Höhe von 1.681 DM. In der folgenden proportionalen Zone wurde ein Steuersatz in Höhe von 20 % erhoben. Daran schloss sich eine Progressionszone an, die sich in zwei Bereiche unterteilte. Die erste zeigte eine lineare Progression von 27,2 bis zu 36,48 %, die zweite eine parabelförmige, sich abschwächende Progression von 38,2 bis 51,93 %. Einkommen ab 110.040 DM, das in die vierte und letzte, wiederum proportionale Tarifzone fiel, wurde in Höhe von 53 % besteuert. Der Einkommensteuertarif des Jahres 1958 enthielt damit an den einzelnen Übergängen zwischen den Abschnitten, vor allem zu Beginn der ersten progressiven Zone, deutliche Tarifsprünge. Die Tarifgestaltung des Jahres 1958 hatte in dieser Form bis 1964 weitgehend Bestand. Da im Jahre 1958 das Einkommen von 95 % der Steuerpflichtigen die erste Tarifzone nicht überstieg,124 stellte dieser Tarif für die allermeisten Steuerpflichtigen einen rein proportionalen Tarif dar. Durch diese umfassende Proportionalzone sollte ein Vereinfachungseffekt erzielt werden.125 Da der Tarifverlauf jedoch – trotz einer gewissen Inflation – beibehalten wurde, erhöhte sich mit dem Zeitablauf die reale steuerliche Belastung, so dass in späterer Zeit ein deutlich größerer Teil der Steuerpflichtigen als im Jahre 1958 der Steuerprogression unterlag. Dieser Entwicklung wurde erst durch das Steueränderungsgesetz 1964126 begegnet. Durch dieses Steueränderungsgesetz 1964 wurde der Einkommensteuertarif, insbesondere in den unteren und mittleren Einkommensstufen, gesenkt. Dabei wurde die untere proportionale Tarifzone mit einem abgesenkten Steuersatz in Höhe von 19 % beibehalten, wohingegen die Progressionszone entgegen der bisherigen Gestaltung nunmehr in drei progressive Bereiche unterteilt wurde. Den Schlusspunkt bildete auch diesmal ein proportionaler Tarifabschnitt mit einer Besteuerung von 53 %. Durch dieses Steueränderungsgesetz wurden die im Tarif 1958 bestehenden Tarifsprünge korrigiert.127 Im Jahre 1967 wurde dann zusätzlich zur Einkommensteuer eine Ergänzungsabgabe auf das Einkommen in Höhe von 3 % eingeführt,128 die im Jahre 1975 in den Einkommensteuertarif integriert wurde.129 Ebenfalls als zusätzliche Belastung zur Einkommensteuer wurde in den Jahren 1973 und 1974
Bt-Drs. 3 / 260, S. 43; Mönter / Lantau, DStZ / A 1958, 241 ff. Bt-Drs. 3 / 260, S. 43. 126 Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Sparprämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964), BGBl. I 1964, 885. 127 Vgl. BT-Drs. 4 / 2400, S. 41 ff. 128 Vgl. das Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, I. Teil (Zweites Steueränderungsgesetz 1967), BGBl. I 1967, 1254. 129 Vgl. das Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleiches und der Sparförderung, BGBl. I 1974, 1769. 124 125
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ein Stabilitätszuschlag in Höhe von 0,5 – 5 % erhoben.130 Diese zusätzlichen Abgaben kamen im Ergebnis einer Tariferhöhung gleich. Die tariflichen Regelungen für außerordentliche Einkünfte bestanden in veränderter Form fort. Durch das Steueränderungsgesetz vom 14. 5. 1965131 wurde der bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Besteuerungsrahmen für außerordentliche Einnahmen durch einen neu geschaffenen, gesetzlich eindeutig festgelegten Steuersatz ersetzt.132 Damit sollten die bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken133 gegen die bisherige Regelung beseitigt werden.
III. Die Änderungen des Jahres 1975 Weitere deutliche Änderungen der Tarifgestaltung ergaben sich durch das Gesetz vom 5. 8. 1974.134 Die Grundstruktur des Einkommensteuertarifs als einheitlicher Formeltarif mit in den Tarif integrierter Nullzone und oberer Proportionalzone wurde jedoch auch bei dieser Reform beibehalten. Die seit 1958 unveränderte tarifliche Nullzone wurde bis 3.000 DM erstreckt. Die untere Proportionalzone wurde ebenfalls ausgebaut, sie umfasste nach der Reform Einkommen bis 16.018 DM. Damit fiel wieder ein Großteil der Steuerpflichtigen in die proportionale Tarifzone.135 Hintergrund dieser Erstreckung war auch diesmal die verwaltungstechnische Einfachheit einer proportionalen Besteuerung.136 Der proportionale Eingangssteuersatz wurde jedoch auf 22 % erhöht, womit zu große Entlastungen höherer Einkommensbezieher vermieden werden sollten.137 Die Progressionszone war wieder in zwei Tarifbereiche gegliedert. Ein enormer Tarifsprung ergab sich durch den Eingangssteuersatz in der Progressionszone in Höhe von 30,8 %. Dieser wurde für erforderlich gehalten, um sicherzustellen, dass die eingeführten Steuererleichterungen für die unteren und mittleren Einkommen keine weitreichenden Entlastungen der Einkommen in der Progressionszone nach sich zögen.138 Einkommen ab 130.020 DM wurden in der oberen Proportionalzone jetzt mit 130 Gesetz über die Erhebung eines Zuschlages zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer für die Kalenderjahre 1973 und 1974, BGBl. I 1973, 676. 131 Steueränderungsgesetz vom 14. 5. 1965, BGBl. I 1965, 377. 132 Dieser betrug nach § 34 Abs. 1 EStG die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes. 133 Siehe dazu BFH, BStBl. III 1965, 44. 134 Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleiches und der Sparförderung, BGBl. I 1974, 1769; vgl. dazu H. Behrens, NJW 1974, 2073 f.; Fra. Klein, DStR 1974, 523 ff.; Kieschke / Pogge-v. Strandmann, DB 1974, 1449 ff. 135 Schätzungen gingen von 60 – 65% aus, vgl. den Bericht der Bundesregierung über die Möglichkeiten zur Einführung eines Einkommensteuertarifs mit durchgehendem Progressionsverlauf, BT-Drs. 8 / 62, S. 216; der Abgeordnete Offergel (SPD) nennt sogar eine Zahl von 70%, Verhandlungen des Deutschen Bundestages vom 25. 7. 1974, S. 7657. 136 Vgl. ebenda. 137 BT-Drs. 7 / 1470. 138 So die Begründung des Regierungsentwurfes in BT-Drs. 7 / 1470, S. 212.
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56 % besteuert, wodurch die bis zu diesem Zeitpunkt zusätzlich erhobene Ergänzungsabgabe in den Einkommensteuertarif integriert wurde.139 Bemerkenswert war jedoch eines: Die Tarifgestaltung des Jahres 1975 sollte ausweislich des § 56 EStG nur für eine Übergangszeit gelten. Für die Zeit ab 1978 wurde im Gegensatz zu der bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden unteren Proportionalzone ein durchgehend progressiver Tarif angestrebt140. Im Ergebnis wurde die Einführung des durchgehend progressiven Tarifs allerdings später aufgrund steuerpolitischer und haushaltswirtschaftlicher Gründe abgelehnt. § 56 des Gesetzes wurde wieder aufgehoben.141 Abgeschafft wurde jedoch der Tarifsprung zwischen der Proportional- und der Progressionszone.142 Eine erneute Tarifänderung brachte dann das Steuerentlastungsgesetz143 1981. Ziel dieses Gesetzes war die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen.144 Der Tarif 1981 sah daher nach dem Grundfreibetrag bis 4.212 DM eine bis zu einem Einkommen von 18.000 DM erneut ausgedehnte Proportionalzone vor, die Progression für Einkommen bis zu 60.000 DM wurde gemildert. Im Ergebnis fielen damit wieder ca. 50 % der Steuerpflichtigen in die Proportionalstufe.145 Änderungen gab es auch im Hinblick auf die Ausgestaltung der steuerlichen Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs des Steuerpflichtigen einerseits und der Kinder andererseits. Durch das Gesetz zur Steuerentlastung und Investitionsförderung146 wurde der in den Tarif eingearbeitete Grundfreibetrag des Steuerpflichtigen erhöht. Zusätzlich wurde ein allgemeiner Tariffreibetrag als Abzug von der Bemessungsgrundlage geschaffen. Dieser Tariffreibetrag wurde jedoch durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 in den bestehenden Grundfreibetrag und damit in den Tarif eingebaut.147 Hinsichtlich der Berücksichtigung des existenznotwendi139 Vgl. das Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleiches und der Sparförderung, BGBl. I 1974, 1769. 140 § 56 des Gesetzes sah dies ausdrücklich vor; vgl. dazu Fra. Klein, DStR 1974, 523 (526). 141 Vgl. den Bericht der Bundesregierung über die Möglichkeiten zur Einführung eines Einkommensteuertarifs mit durchgehendem Progressionsverlauf, BT-Drs. 8 / 62, S. 10; vgl. dazu Altehoefer, DB 1977, 697 f. 142 Gesetz vom 30. 11. 1978, Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1979 – StÄndG 1979), BGBl. I 1978, 478 beseitigt; vgl. dazu die Begründung des Regierungsentwurfes BT-Drs. 8 / 2118, S. 63, welche die Beseitigung des Tarifsprunges nicht mit Gründen der Steuergerechtigkeit erklärt, sondern allein darauf hinweist, dass dies zu einer Entlastung breiter Bevölkerungsschichten führt. 143 Gesetz zur Steuerentlastung und Familienförderung (Steuerentlastungsgesetz 1981 – StEntlG 1981), BGBl. I 1980, 1381. 144 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 8 / 3901, S. 66. 145 BT-Drs. 8 / 3901, S. 66. 146 Gesetz zur Steuerentlastung und Investitionsförderung vom 4. 11. 1977, BGBl. I 1977, 1965. 147 Gesetz zur Steuerentlastung und Familienförderung (Steuerentlastungsgesetz 1981 – StEntlG 1981), BGBl. I 1980, 1381.
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gen Bedarfs von Kindern hatte bis zum Jahre 1974 in der Bundesrepublik Deutschland eine gesetzliche Regelung bestanden, die eine Kombination einer steuerrechtlichen Kinderfreibetragslösung mit einer sozialrechtlichen Kindergeldlösung vorsah. Nach der Neuregelung durch das Einkommensteuerreformgesetz148 war nunmehr ein einheitliches Kindergeld vorgesehen. Politisch maßgeblicher Hintergrund dieser Gesetzesänderung war dabei gerade die als ungerecht empfundene degressive Entlastungswirkung des Kinderfreibetrages. Nach der Änderung der politischen Mehrheit im Bundestag im Jahre 1982 wurde die seit 1975 bestehende Kindergeldlösung des Familienlastenausgleiches jedoch wieder zugunsten eines „dualen Systems“ mit sozialrechtlichem Kindergeld und steuerrechtlichem Kinderfreibetrag geändert. Als erster Schritt wurde durch das Haushaltsbegleitgesetz vom 20. 12. 1982149 wieder ein Kinderfreibetrag in geringer Höhe eingeführt. Das zu diesem Zeitpunkt bestehende Kindergeld wurde zwar grundsätzlich beibehalten, allerdings wurde – auf Sockelbeträge begrenzt – eine einkommensabhängige Kindergeldkürzung eingeführt. Während die bestehenden Tarifermäßigungen für außerordentliche Einkünfte fortbestanden, beseitigte das Subventionsabbaugesetz150 die seit 1949 bestehende Tarifermäßigung für Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit.151
IV. Der Weg zum linear-progressiven Tarif seit 1986 Durch das Steuersenkungsgesetz 1986 / 1988152 wurde schließlich der Weg zu einem linear-progressiven Tarif beschritten. Da in den vorangegangenen Tarifänderungen Entlastungen durch Erhöhungen des Grundfreibetrages und Streckungen der unteren Proportionalzone primär zugunsten der unteren Einkommensklassen erzielt und die Spitzenbelastungen weitgehend unverändert beibehalten worden waren, war ein relativ steiler Progressionsverlauf entstanden. Dieser wurde nach der Tarifgraphik häufig als „Mittelstandsbauch“ bezeichnet. Ziel der Reform der Einkommensteuer aus dem Jahre 1985 war es daher, neben der Entlastung von Steuerpflichtigen mit geringem Einkommen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrages und anderer Maßnahmen sowie der Neugestaltung des Familienlastenausgleiches, den steilen Anstieg der Grenzsteuerbelastung in der Progressionszone ab148 Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleiches und der Sparförderung v. 5. 8. 1974, BGBl. I 1974, 1769. 149 Gesetz zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushaltes, BGBl. I 1982, 1857. 150 Subventionsabbaugesetz vom 26. 6. 1981, BGBl. I 1981, 537. 151 Siehe dazu Schöberle, DStR 1981, 95 ff. 152 Gesetz zur leistungsfördernden Steuersenkung und zur Entlastung der Familie (Steuersenkungsgesetz 1986 / 1988 – StSenkG 1986 / 1988), BGBl. I 1985, 1153.
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zuflachen.153 Die Abflachung der Progression durch das Steuersenkungsgesetz 1986 / 1988154 in zwei Schritten wurde dabei als wichtige Stufe zu einem linearprogressiven Tarif verstanden.155 Dieser wurde weitgehend durch das Steuerreformgesetz 1990 verwirklicht.156 Das Steuerreformgesetz 1990 als letzter Schritt einer dreistufigen Steuerreform zielte auf die Herstellung eines gerechteren und einfacheren Steuersystems, auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.157 Der linear-progressive Tarif erschien dabei als Idealbild einer gleichmäßigen Besteuerung. Die Grundstruktur eines einheitlichen Einkommensteuertarifs, bei dem das steuerfreie Existenzminimum in den Tarif eingearbeitet und die obere Tarifzone proportional ausgestaltet ist, blieb jedoch auch nach dieser Reform unverändert. Grundlegend war die Änderung für die mittleren Tarifzonen. Die Nullzone blieb als solche ebenso wie die obere Proportionalzone mit ihrer Besteuerung von 53 % bestehen. Die proportionale Eingangszone in Höhe von 19 % verlor hingegen fast ihre Bedeutung, sie umfasste nur noch die Einkommensteile zwischen 5.616 und 8.153 DM. Im Jahre 1996 wurde sie dann auch vollständig abgeschafft. Die mittleren Tarifzonen wurden durch den linear-progressiven Tarif, d. h. einer breiten Progressionszone für Einkommen bis 120.041 DM ersetzt. Durch das Standortsicherungsgesetz158 wurde eine sehr umstrittene Änderung des Einkommensteuertarifs eingeführt: die Neuregelung des § 32c EStG sollte als Übergangslösung auf dem Weg zur Abschaffung der Gewerbesteuer die Gewerbesteuerbelastung pauschal ausgleichen. § 32c EStG beinhaltete daher eine Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte und wich insoweit von dem einheitlichen Einkommensteuertarif ab.159 Die Regelungen für außerordentliche Einkünfte wurden eingeschränkt.160 Vgl. dazu die Begründung BT-Drs. 20 / 2884, S. 95 ff. Gesetz zur leistungsfördernden Steuersenkung und zur Entlastung der Familie (Steuersenkungsgesetz 1986 / 1988 – StSenkG 1986 / 1988), BGBl. I 1985, 1153. 155 Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 10, 2884, S. 95 ff. 156 Steuerreformgesetz 1990, BGBl. I 1988, 1093. 157 Vgl. den Gesetzentwurf der Fraktionen CDU / CSU und F.D.P., BT-Drs. 11 / 2157, S. 1, 117 ff. 158 Standortsicherungsgesetz v. 13. 9. 1993, BGBl. I 1993, 1569; BStBl. I 1993, 774. 159 Dazu Faltlhauser, FS für Ritter, S. 511 ff.; Groh, FR 1998, 1122 ff.; Kanzler, FR 1999, 363 ff.; Rendels, DStR 1993, 1053 ff.; Thiel, FS – 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V., S. 75 ff.; M. Wendt, FR 1997, 298 ff.; R. Wendt, FR 1993, 1 ff.; sowie die Vorlage des BFH an das Bundesverfassungsgericht, BFH, FR 1998, 523 ff. 160 Durch das Steuerreformgesetz 1990, BGBl. I 1988, 1093; BStBl. I 1988, 224, wurde für außerordentliche Einkommen ein gestaffelter Tarif von der Hälfte bzw. zwei Drittel für außerordentliche Einkommen von bis zu 2 Mio. bzw. 5 Mio. DM eingeführt. Durch das Gesetz zur Änderung des Steuerreformgesetzes, BGBl. I 1989, 1267; BStBl. I 1990, 25, wurde diese Regelung jedoch wieder durch eine Obergrenze von Einkommen bis zu 30 Mio. DM und einem insoweit einheitlichen Steuersatz, der die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes beträgt, ersetzt. Darüber hinaus wurde die Besteuerung von Einkünften, die für eine mehrjährige Tätigkeit geleistet werden, vereinfacht. 153 154
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1. Teil: Die historische Entwicklung der Einkommensteuer
V. Das Jahressteuergesetz 1996 und spätere Tarifänderungen Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. 5. 1992 zur Steuerfreiheit des Existenzminimums161 erforderte tarifliche Änderungen, denen der Bundesgesetzgeber durch das Jahressteuergesetz 1996 Rechnung getragen hat.162 Nachdem zuerst eine außertarifliche Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums durch einen degressiven Ermäßigungsbeitrag vorgesehen war,163 wurde aufgrund einer Empfehlung des Finanzausschusses im Ergebnis der Grundfreibetrag beibehalten.164 Um der verfassungsgerichtlichen Entscheidung gerecht zu werden, wurde der Grundfreibetrag auf 12.095 DM aufgestockt und damit deutlich ausgebaut. Gleichzeitig wurde allerdings auch der Eingangssteuersatz erhöht. Die untere proportionale Tarifzone sowie der linear-progressive Tarif wurden zugunsten zweier progressiver Tarifzonen mit sich anschließender oberer Proportionalzone aufgegeben. Das Jahressteuergesetz 1996 sah eine Anpassung des Steuertarifs für die Jahre 1997 und 1998 vor, ohne dass sich dadurch grundlegende Änderungen ergaben.165 Einen Schritt zurück zu einem einheitlichen linear-progressiven Tarif beinhaltete dann das Steuerentlastungsgesetz 1999166 und das diesen Grundgedanken weiterführende Steuerbereinigungsgesetz.167 Durch diese Änderungen wurde im Jahre 2000 wiederum ein linear-progressiver Tarif verwirklicht. Das Steuerentlastungsgesetz 1999 / 2000 / 2002,168 das Steuersenkungsgesetz169 und das Steuersenkungsergänzungsgesetz170 erhöhten den Grundfreibetrag und senkten zur Entlastung von Arbeitnehmern und Familien und zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts die Steuersätze in mehreren Stufen auf einen Eingangssteuersatz von 15 % und einen Spitzensteuersatz von 42 % im Jahre 2005. Dabei wird spätestens ab dem Jahr 2003 eine Abweichung von einem linear-progressiven Tarif deutlich: der Tarif zerfällt wieder in zwei progressive Tarifzonen mit einer sich anschließenden oberen Proportionalzone. Gleichzeitig wurde versucht, die steuermindernde Wirkung der tariflichen Sonderregelungen für außerordentliche Einkünfte einzuschränken. Die Regelungen wurden mehrfach geändert.171 BVerfGE 87, 153 ff. Jahressteuergesetz 1996, BGBl. I 1995, 1250. 163 Vgl. den Entwurf der Fraktionen der CDU / CSU und der F.D.P., BT-Drs. 13 / 901. 164 Vgl. die Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 13 / 1558. 165 Vgl. den durch das Jahressteuergesetz 1996 geänderten § 52 Nr. 22 EStG. 166 Steuerentlastungsgesetz 1999, BGBl. I 1998, 3778. 167 Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999 – StBereinG 1999), BGBl. I 1999, 2601. 168 BGBl. I 1999, 402, dazu Bt-Drs. 14 / 265, BR-Drs. 910 / 98. 169 BGBl. I 2000, 1433, dazu Bt-Drs. 14 / 2683. 170 BGBl. I 2000, 1812, dazu Bt-Drs. 14 / 4217. 171 Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform, Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29. 10. 1997, BGBl. I 1997, 2590, wurde die neu ein161 162
F. Zusammenfassung der Ergebnisse
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F. Zusammenfassung der Ergebnisse In der Darstellung wurden vor allem vier Fragen untersucht, die Fragen nach der Berücksichtigung des Existenzminimums, nach dem Verlauf und der Einheitlichkeit des Tarifs und seiner steuertechnischen Gestaltung. Eine relativ eindeutige Lage zeigt sich bei der Frage nach der Art und Weise der Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs. Während sich der Umfang der Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs im Zeitablauf deutlich steigerte,172 blieb die Art der steuerlichen Berücksichtigung von leistungsfähigkeitsmindernden Umständen in ihren Wirkungen weitgehend unverändert. In der Zeit der Kriegsteuern wurde der existenznotwendige Bedarf nicht immer berücksichtigt. Die Einkommensteuer von 1808 stellte das Existenzminimum erst nach seiner Ergänzung im Jahre 1810 steuerfrei. Die als Klassensteuer bezeichnete Steuer von 1811 ließ nur Einkommen bis zu 20 Talern unbesteuert. In der Zeit nach 1891 wurde ein existenznotwendiger Bedarf regelmäßig (in steigender Höhe) und im Allgemeinen im Rahmen des Tarifs berücksichtigt. Die Regelung des Jahres 1920, 1925 und der Tariffreibetrag des Jahres 1977 stellten hingegen einen Abzug von der Bemessungsgrundlage dar. Von ihren tatsächlichen Wirkungen führen diese steuertechnisch unterschiedlichen Gestaltungen jedoch zu gleichen Ergebnissen.173 Bemerkenswert ist dabei die Gestaltung des Jahres 1925, die zwar einen Abzug von der Bemessungsgrundlage vorsah, diesen jedoch einkommensabhängig gestaltete. Zu anderen Ergebnissen führt dagegen die Regelung des Abzugs von der Steuerschuld, wie sie in den Jahren 1921 bis 1925 im Reichseinkommensteuergesetz enthalten war. Ähnlich wie ein Abzug von der Steuerschuld, wenn auch durch eine sozialrechtliche und keine steuerrechtliche Regelung, wirkte auch die 1974 eingeführte Kindergeldlösung. Weiter ist relativ eindeutig festzustellen, dass das Ideal eines Einheitstarifs im Allgemeinen nicht verwirklicht war und ist. Zu Beginn der Entwicklung gab es Tendenzen zu einer stärkeren Belastung fundierter Einkünfte. Das Gesetz von 1808 geführte Obergrenze für die Begünstigung von Veräußerungsgewinnen auf 15 Mio. DM reduziert. Das Steuerentlastungsgesetz 1999 / 2000 / 2002, BGBl. I 1999, 402, dazu Bt-Drs. 14 / 265, BR-Drs. 910 / 98, führte statt des bisher geltenden halben durchschnittlichen Steuersatzes eine Progressionsglättung entsprechend der für Einkünfte für mehrjährige Tätigkeit geltenden Regelung. Danach werden außerordentliche Einkünfte nunmehr gefünftelt und die auf dieses Fünftel entfallende Einkommensteuer verfünffacht. Das Steuersenkungsergänzungsgesetz, BGBl. I 2000, 1812, dazu Bt-Drs. 14 / 4217, hat die frühere Regelung des halben durchschnittlichen Steuergesetzes für bestimmte Fälle alternativ wieder eingeführt. Zusätzlich wurde ein Mindeststeuersatz festgelegt. Das frühere Steuersenkungsgesetz, BGBl. I 2000, 1433, dazu Bt-Drs. 14 / 2683, hatte den Umfang der außerordentlichen Einkünfte eingeschränkt. 172 Siehe dazu auch die Grundfreibetragsentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, BVerfGE 87, 153 ff. 173 Siehe dazu Homburg, FA 52 (1995), 182 (187 ff.); ebenso Esser, DStZ 1994, 517 ff. sowie auf S. 118 ff. 4*
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1. Teil: Die historische Entwicklung der Einkommensteuer
für Königsberg enthielt eine Differenzierung zwischen fundierten und unfundierten Einkünften und belastete dabei fundierte Einkünfte stärker. Eine ähnliche Regelung findet sich im preußischen Gesetz von 1812 durch die Erhebung einer Vermögensteuer einerseits und einer Einkommensteuer andererseits. Das preußische Einkommensteuergesetz von 1891 gab diese Differenzierung zwar auf, das Ergänzungsgesetz des Jahres 1893 nahm den Gedanken jedoch durch eine zusätzliche Belastung des Vermögens wieder auf. In ähnlicher Weise stellte die Kapitalertragsteuer des Jahres 1920 eine zusätzliche Belastung fundierter Einkünfte dar. Durch ihre Anrechnung auf die Einkommensteuer seit 1925 ging dieser Charakter jedoch verloren. Eine geringere Belastung des Arbeitslohns fand sich erneut im Deutschland der Nachkriegszeit durch das Kontrollratsgesetz Nr. 12. Neben diesen tariflichen Differenzierungen bestanden häufig weitere Tarifregelungen, so Tarifdifferenzierungen für Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit, der Sondertarif für Mehrarbeit oder die Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte. Die Tarifdifferenzierungen des Jahres 1934 beruhten demgegenüber auf bevölkerungspolitischen und rassistischen Unterschieden. Allgemein bestehen auch Sonderregelungen für außerordentliche Einkünfte. Kein einheitliches Ergebnis lässt sich im Hinblick auf den Verlauf des Einkommensteuertarifs feststellen. Die Höhe des Einkommensteuertarifs hängt weitgehend von der Größe des staatlichen Finanzbedarfs ab. Die höchsten Steuersätze finden sich daher in Zeiten außergewöhnlicher, kriegsbedingter Lasten. Die absolut höchsten Steuersätze waren dabei nach dem Zweiten Weltkrieg zu verzeichnen. Der Tarif wies bis 1958 allgemein einen – mehr oder weniger starken – progressiven Verlauf auf. Die Progression mündete dabei jedoch ohne Ausnahme an einem bestimmten Punkt in einen proportionalen Verlauf. Ausnahmen zu diesem progressiven Tarif stellte in diesem Zeitraum nur die Besteuerung im Jahre 1808 von Einkünften aus Häusern, Kapital und landwirtschaftlichen Gütern in Ostpreußen und die Besteuerung des Vermögens im Jahre 1812 dar. Die für diese Einkünfte vorgesehenen Tarife waren proportional ausgestaltet. Ab dem Jahre 1958 bestand hingegen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung lange Zeit eine ausgedehnte untere Proportionalzone, die das Einkommen vieler Steuerpflichtiger abdeckte, faktisch ein proportionaler Tarif. Dies änderte sich langsam, bis der proportionale Eingangssatz durch den linear-progressiven Tarif seine Bedeutung verlor und im Jahre 1996 vollständig abgeschafft wurde. Insoweit lässt sich in der Zeit des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland eine häufig nicht offen gelegte deutliche Änderung des Tarifverlaufs feststellen: der progressive Tarif der Nachkriegszeit wurde 1958 durch einen weitgehend proportionalen Tarif ersetzt, der sich vor allem ab 1986 wieder in einen progressiven Tarif wandelte. Im Hinblick auf die steuertechnische Ausgestaltung des Einkommensteuersatzes lässt sich eine Tendenz von Stufenbetragstarifen über Stufensatztarife, die häufig als Teilmengenstaffeltarife ausgestaltet sind, hin zu Formeltarifen feststellen. Dies gilt jedoch nur, soweit der ganze Zeitraum sehr global betrachtet wird. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich zwei unterschiedliche Entwicklungsphasen: Die
F. Zusammenfassung der Ergebnisse
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kriegsbedingten preußischen Einkommensteuern Anfang des 19. Jahrhunderts beginnen im Jahre 1808 mit einer sehr differenzierten, gleichmäßigen Tarifstruktur, dem als Teilmengenstaffeltarif ausgestalteten Stufensatztarif in Königsberg. Die Steuern des Jahres 1811 und 1812 stellen dagegen mit ihrem Stufenbetragstarif bzw. dem – sehr wenig ausdifferenzierten – als Gesamtmengenstaffeltarif ausgestalteten Stufensatztarif im Hinblick auf eine gleichmäßige Besteuerung einen Rückschritt dar. Dies entspricht der nach dem Rückgang der kriegsfolgenbedingten Lasten feststellbaren Entwicklung von einer allgemeinen Einkommensteuer zurück zu einer Klassensteuer. In der Zeit ab 1891 lässt sich dann die umgekehrte Rechtsentwicklung feststellen: Ausgehend von dem Stufenbetragstarif der preußischen Einkommensteuer von 1891 war bereits das erste deutsche Reichseinkommensteuergesetz 1920 als Teilmengenstaffeltarif und Stufensatztarif ausgestaltet. Die folgenden Einkommensteuertarife entsprechen dieser Gestaltung, im Jahre 1954 wurde auf einen Formeltarif umgestellt. Die Regelung des Jahres 1954 stellt dabei tariftechnisch einen Stufenbetragstarif dar, der jedoch nach einer logarithmischen Formel berechnet wurde. Durch die Änderungen des Jahres 1958 wurden die jeweils gültigen Formeln dann auch direkt ins Gesetz aufgenommen. Betrachtet man die Entwicklung von 1891 bis heute als stetige Entwicklung hin zu einem Formeltarif, kann die Ausgestaltung mit dem Stufenbetragstarif ab 1934 als Rückschritt in dieser Entwicklung angesehen werden.
Zweiter Teil
Wirtschaftswissenschaftliche Aussagen zu Existenzminimum und Tarifgestaltung 1. Kapitel
Die Ursprünge: Ältere finanzwissenschaftliche Ansätze Lange vor dem Entstehen der Steuerrechtswissenschaft hat sich die Finanzwissenschaft mit Fragen der gerechten Besteuerung beschäftigt. Dabei hat sie im Hinblick auf die progressive Tarifgestaltung – mit den Opfertheorien und dem Argument des notwendigen Ausgleichs regressiver Wirkungen indirekter Steuern – Begründungsansätze entwickelt, die noch heute in der rechtlichen und verfassungsrechtlichen Literatur fortleben.1 Vor dem Hintergrund der sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts verschärfenden sozialen Frage dienten sie vor allem der Rechtfertigung eines progressiven Tarifverlaufs. Sie ermöglichten es, einen dem Gerechtigkeitsempfinden entsprechenden progressiven Einkommensteuertarif zu fordern, ohne sich durch eine Anerkennung eines sozialpolitischen Steuerzwecks den Anschein sozialistischer Ideen zu geben.2
A. Die opfertheoretischen Versuche der Rechtfertigung der progressiven Einkommensbesteuerung I. Die Opfertheorien: Ihre Voraussetzungen und ihre unterschiedlichen Ausprägungen Das Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung wurde lange Zeit auf das Ergebnis eines Produktionsvorgangs bezogen und in einem objektiven Sinne verstanden.3 J. St. Mill formulierte demgegenüber, dass eine Besteuerung ein gleiches Opfer darstellen solle.4 Ausgangspunkt der Besteuerung wurde damit im Gegen1 2 3 4
Dazu auf S. 86 ff. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 16 f. Dazu Seligman, S. 127 (130). Mill, S. 804 ff.
A. Rechtfertigung der progressiven Einkommensbesteuerung
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satz zu dem früheren objektiven Ansatz das subjektive Opfer für den einzelnen Steuerpflichtigen, der Nutzenverlust. Dies war die Grundlage für die Opfertheorie, die im 19. Jahrhundert in der Finanzwissenschaft zahlreiche Anhänger gewann.5 Dabei wurde im Kern argumentiert, die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen nehme mit steigendem Einkommen überproportional zu, eine gleiche Beschränkung könne daher nur durch eine progressive Besteuerung erreicht werden. Neumann formulierte in diesem Sinne: „Was die Gleichheit dieser in jenem Sinne betrifft, . . . , so ist doch unbestreitbar, dass z. B. 15 Rl Steuer für ein Einkommen von 300 Rl regelmäßig eine sehr viel schwerer zu tragende Last sind als z. B. 1500 Rl Steuer von jährlich 30,000 Rl. Und hiebar ist nur an eine Steuer mäßiger Höhe gedacht. Handelt es sich, wie in der obigen Gegenüberstellung von 1200 und 12,000 Rl Einkommen um eine Steuer von 10 Procent, so tritt der eben angedeutete Gegensatz noch viel schärfer hervor.“6
Diese sehr allgemeine, intuitive Argumentation beruhte in der Sache bereits auf dem Gedanken eines sinkenden Grenznutzens zusätzlichen Einkommens. Wissenschaftlichen Auftrieb bekam diese Argumentation, nachdem sich in der volkswirtschaftlichen Literatur durch die Arbeiten von Jevons, Menger und Walras in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Preisbildung die Grenznutzentheorie durchgesetzt hatte.7 Den Gedanken des sinkenden Grenznutzens jeder zusätzlichen Einheit eines Gutes hatte Gossen bereits früher, im Jahre 1854, formuliert.8 Seine Arbeit hatte jedoch nicht die gebührende wissenschaftliche Beachtung gefunden.
5 Fuisting, S. 203 f.; Gerloff, S. 462 ff.; Meyer, S. 329 ff.; Neumann, Progressive Einkommensteuer, S. 141 ff.; ders., JbfNSt N.F. 1 (1880), 511 (577); Popitz, Einkommensteuer, S. 424 ff.; Schäffle, Die Steuern, Bes. Teil, S. 52; siehe auch Altmann, S. 65; so auch noch Schmölders, S. 23 ff.; vgl. aus neuerer Zeit auch Haller, Die Steuern, S. 14 ff.; ders., Progressive Besteuerung; Neumark, Grundsätze, S. 176 ff.; kritisch zu den Opfertheorien, im Ergebnis jedoch ähnlich Sax, ZfVSVw 1 (1892), 43 ff.; kritisch auch Held, S. 112 f.; Ritschl, S. 174 ff.; aus der ausländischen Literatur siehe nur Chapman, S. 3 ff.; Cohen-Stuart, S. 48 ff.; Dalton, S. 65 ff.; Edgeworth, S. 119 ff.; Mill, S. 804 ff.; Pigou, S. 40 ff.; Seligman, S. 127 ff.; Sidgwick, S. 562 ff. 6 Neumann, Progressive Einkommensteuer, S. 142. 7 v. Beckerath, S. 416 (454); Musgrave / Peacock, Introduction, in: Musgrave / Peacock (Hrsg.), Classics, S. XIII (XIV); besondere Beachtung wurde der Grenznutzentheorie für die Finanzwissenschaft in den Arbeiten holländischer Autoren geschenkt, siehe dazu die Nachweise bei Sax, ZfVSVw 1 (1892), 43 (54 ff.), siehe auch die Diskussionen bei Cohen-Stuart, S. 48 ff.; zu einer auf einem individualistischen Verhältnis von Staat / Bürger beruhenden Übertragung der Grenznutzentheorie im deutschen Schrifttum siehe Sax, ZfVSVw 1 (1892), 43, der im Ergebnis trotz anderer Argumentation jedoch zu den Opfertheorien vergleichbaren Ergebnissen kommt, dazu Seligman, S. 154 ff.; zu der Entwicklung der Grenznutzentheorie im Rahmen der Preisbildung siehe Schumann, S. 163 ff.; Weinberger, S. 47 ff.; kritisch aus sozialistischer Perspektive Lehmann. 8 Gossen, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handelns, zitiert nach Weinberger, S. 56.
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2. Teil, 1. Kap.: Ältere finanzwissenschaftliche Ansätze
Nach den verschiedenen Opfertheorien sollte der Einkommensteuertarif also so gewählt werden, dass die Einbuße an Einkommen für alle Steuerpflichtigen ein gleiches Opfer darstellte.9 Der Gedanke des sinkenden Grenznutzens, der sich in der von Gossen formulierten Form auf zusätzliche Einheiten konsumierbarer Güter bezog, wurde dafür auf zusätzliche Einheiten des Einkommens erstreckt. Damit wurde jeder zusätzlichen Einheit des Einkommens ein sinkender Grenznutzen zugemessen. Folgerungen für den Einkommensteuertarif können aus dieser Annahme einer sinkenden Grenznutzenfunktion jedoch nur gezogen werden, wenn diese Nutzenfunktion (und damit auch die Grenznutzenfunktion als ihrer ersten mathematischen Ableitung) bei allen Individuen gleich verläuft. Eine weitere, den Opfertheorien zugrunde liegende Annahme ist daher die interindividuelle Vergleichbarkeit der Nutzenfunktionen. Unterschiedliche Auffassungen bestanden zwischen den verschiedenen Opfertheorien jedoch im Hinblick auf die Frage, ob die Nutzeneinbuße als „Opfer“ absolut oder relativ gleich sein sollte. Die Theorie des „equal sacrifice“, die vor allem von englischen Wissenschaftlern unterstützt wurde, forderte, dass jedem Steuerpflichtigen durch die Steuerlast ein absolut gleiches Opfer, d. h. eine absolut gleiche Nutzeneinbuße auferlegt werden sollte.10 Nach der in dieser Zeit vorwiegend von holländischen Wissenschaftlern vertretenen Theorie des „proportionate sacrifice“ wurde demgegenüber verlangt, dass die durch die Steuer verursachte Nutzeneinbuße proportional zu dem durch das Einkommen gewonnenen Nutzenzuwachs sein müsse.11 Für letztere Sichtweise spricht, dass durch eine Besteuerung nach der Theorie des proportionalen Opfers die relativen Bedürfnisbefriedigungspositionen gewahrt bleiben.12 Die häufig im Zusammenhang mit diesen Theorien genannte Theorie des „minimum of sacrifice“ oder Theorie des gleichen Grenzopfers, die vor allem von Edgeworth und Pigou vertreten wurde, ähnelt den zuvor besprochenen Theorien nur dem Namen nach.13 Anders als diese basiert sie nicht auf dem Gedanken der gleichen Nutzeneinbuße der Individuen, sondern fordert aus utilitaristischer Grundannahme die Minimierung der gesamtgesellschaftlichen Nutzeneinbuße. Konsequent verfolgt führt dieser Ansatz dazu, dass alle Einkünfte, die über einer ge9 Zu Darstellung und Kritik der Opfertheorien siehe Ulbrich, S. 67; siehe auch Blum / Kalven, S. 41; Dittmann, S. 73 ff.; Lieb, S. 178 ff.; Seligman, S. 131 ff.; Seidl, StuW 1988, 93 ff.; siehe auch bereits Sax, ZfVSVw 1 (1892), 43 (54 ff.). 10 So wohl Sidgwick, S. 562. Mathematisch ausgedrückt heißt das, dass U (Y) – U (Y-T) = konstant, wenn U der Nutzen, Y das Einkommen und T der zu zahlende Steuerbetrag für alle Steuerpflichtigen ist. 11 Cohen-Stuart, S. 48 ff.; ähnlich auch Chapman, S. 3 ff.; vgl. aus neuerer Zeit auch Haller, Die Steuern, S. 14 ff.; ders., Progressive Besteuerung. Mathematisch ausgedrückt heißt das, dass U (Y) – U (Y – T) / U (Y) = konstant. 12 Siehe dazu Haller, Die Steuern, S. 14. 13 Zu der Theorie des gleichen Grenzopfers siehe Edgeworth, S. 119 ff.; Pigou, S. 40 ff.; aus neuerer Zeit siehe Pohmer, FS für Neumark, S. 134 ff.; kritisch dazu Ku. Schmidt, FA 30 (1971), 193 (201 ff.); Seidl, StuW 1988, 93 ff.; siehe auch Blum / Kalven, S. 49.
A. Rechtfertigung der progressiven Einkommensbesteuerung
57
wissen, nach dem jeweiligen Finanzbedarf festgelegten Grenze liegen, wegbesteuert werden müssten, alle darunter liegenden Einkünfte hingegen keiner Steuer unterlägen. In dieser Konsequenz wurde sie jedoch – um einen Leistungsanreiz nicht vollständig auszuschalten – nicht vertreten, sondern regelmäßig abgemildert. Das Erfordernis der Progression wurde jedoch immer aus ihr abgeleitet.14
II. Die Kritik der Opfertheorien Den Opfertheorien wurde und wird eine Vielzahl von Kritikpunkten entgegengehalten.15 So wird einerseits an den Voraussetzungen der Opfertheorien, der Grundannahme des sinkenden Grenznutzens (und der daraus ableitbaren Folgerungen) und der interindividuellen Vergleichbarkeit der Nutzenfunktionen angesetzt, zum anderen aber greift die Kritik auch Inkonsistenzen der Opfertheorien auf.
1. Der sinkende Grenznutzen des Einkommens und die fehlende Bestimmbarkeit der Grenznutzenfunktionen Eine erste Kritik richtet sich gegen die allen Opfertheorien zugrunde liegende Annahme eines stets sinkenden Grenznutzens des Einkommens im Ganzen oder zumindest im Hinblick auf bestimmte Güter oder Verwendungsmöglichkeiten.16 Eine Übertragung des Ersten Gossen’schen Gesetzes auf das Einkommen sei unzulässig. Das Erste Gossen’sche Gesetz gelte für einzelne Konsumgüter. In diesem Zusammenhang besage es, dass der Grenznutzen jeder zusätzlichen Einheit eines bestimmten Gutes sinkt. Daraus folge jedoch noch nicht zwangsläufig, dass auch der Grenznutzen jeder zusätzlichen Einkommenseinheit abnehme. Mit Einkommen könnten jeweils unterschiedliche Güter erworben werden. Daher könne das Erste Gossen’sche Gesetz nicht unbesehen auf das Einkommen übertragen werden.17 Weniger grundsätzlich ist demgegenüber die Kritik, die vorträgt, dass eine Vergrößerung des Einkommens regelmäßig dazu führe, dass über die Verwendung des Gesamteinkommens und nicht nur über den zusätzlichen Teil neu entschieden werde. Die zusätzlichen Nutzeneinheiten könnten daher – bei nicht teilbaren Gütern – einen deutlich größeren Nutzengewinn bedeuten.18 So würde jemand mit geringeSiehe dazu Edgeworth, S. 119 ff. Siehe dazu Blum / Kalven, S. 59 ff.; Dittmann, S. 103 ff.; Lieb, S. 178 ff.; Ku. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 18 ff.; Ulbrich, S. 114 ff.; siehe auch Fagan, S. 19 ff. 16 In diesem Sinne Blum / Kalven, S. 59; Dittmann, S. 107 ff.; Ku. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 18 ff.; Ulbrich, S. 114 ff. 17 Blum / Kalven, S. 58. 18 In diesem Sinne Blum / Kalven, S. 59; Ku. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 18 ff.; Chapman, S. 3 ff.; Ulbrich, S. 114 ff. 14 15
58
2. Teil, 1. Kap.: Ältere finanzwissenschaftliche Ansätze
rem Einkommen einen gebrauchten Wagen kaufen, zusätzliches Einkommen könnte zu dem Erwerb eines neuen Fahrzeugs führen.19 Auch wird vorgetragen, dass bei Gütern, die komplementär miteinander verbunden sind, der Grenznutzen steigen könnte. Ermögliche ein gestiegenes Einkommen auch einen sozialen Aufstieg, so könnten komplementäre Güter, die alle zu dem angestrebten Standard gehörten, sehr dringlich werden, so dass der Grenznutzen ansteige.20 Schmidt weist zusätzlich darauf hin, dass das Sättigungsgesetz nur für den Konsum von Gütern, nicht aber für gespartes Einkommen gelten könne.21 Zwar möge ein durch gespartes Einkommen vergrößertes Vermögen auch einen Anstieg an gesellschaftlichem Ansehen bedeuten,22 ein erspartes Vermögen ein Sicherheitsbedürfnis erfüllen und das Einkommen in Zukunft erhöhen.23 Ob die dadurch befriedigten Bedürfnisse jedoch demselben Prinzip sinkenden Nutzens unterlägen wie der Konsum einzelner Güter, erschiene zumindest zweifelhaft.24 Ein zweiter Kritikansatz richtet sich nicht gegen die Annahme des sinkenden Grenznutzens als solche, sondern zeigt die fehlende Möglichkeit auf, aus ihr Schlussfolgerungen für einen Tarifverlauf zu ziehen.25 Die ursprüngliche Vorstellung war, dass man bereits allein auf der Grundlage der Grenznutzentheorie die Notwendigkeit eines progressiven Tarifs nachweisen könnte. Dafür müsste man zeigen können, dass unter der Voraussetzung eines gleichen Opfers jede sinkende Grenznutzenkurve, unabhängig von ihrem konkreten Verlauf, zwingend zu einem progressiven Tarifverlauf führt. Dies ist auf den ersten Blick einleuchtend. Überraschenderweise zeigten die Berechnungen von Cohen-Stuart jedoch, dass das Gefühl, das dieser Annahme zugrundegelegen hat, getrogen hatte. Seine Berechnungen ergaben, dass sich allein aus der Tatsache, dass der Grenznutzen jeder zusätzlichen Einheit sinke, noch nicht ableiten lässt, dass der Tarif zwingend progressiv ausgestaltet sein muss.26 Vielmehr zeigte Cohen-Stuart, dass die Theorien des absolut gleichen und relativ gleichen Opfers in Abhängigkeit von den zugrunde gelegten Nutzenfunktionen zu einer proportionalen, zu einer progressiven oder auch zu einer regressiven Besteuerung führen können. Zentrale Bedeutung gewinnt damit der konkrete Verlauf der Nutzenfunktion. Eine eindeutige Bestimmung der Beispiel aus Blum / Kalven, S. 59. Chapman, S. 3 ff.; Ulbrich, S. 116 ff. 21 Ku. Schmidt, FA 26 (1967), 385 (393 f.). 22 Dazu Ulbrich, S. 119 ff. 23 Haller, Die Steuern, S. 56 ff. 24 Kritisch insoweit Ku. Schmidt, FA 26 (1967), 385 (393); Ulbrich, S. 120 ff.; siehe auch Fagan, S. 19 ff. 25 Kritisch insoweit z. B. Ku. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 23 ff. 26 Cohen-Stuart, Bijdrage tot de theorie der progressieve inkomstenbelasting, The Hague, 1889, auszugsweise und übersetzt abgedruckt bei Musgrave / Peacock (Hrsg.), Classics, S. 48 ff.; eine eingehende mathematische Analyse, die aus einer Anwendung der unterschiedlichen Opfertheorien auf verschiedene Grenznutzenkurven versucht, Aussagen über den „gerechten“ Steuertarif zu gewinnen, findet sich bei Hinterberger / Müller / Petersen, FA 45 (1987), 45 ff. 19 20
A. Rechtfertigung der progressiven Einkommensbesteuerung
59
Nutzenfunktion konnte jedoch bisher nicht gefunden werden. Zuerst wurden eher intuitive, dann empirische Versuche unternommen, die Nutzenfunktion zu bestimmen.27 Eine kardinale Messbarkeit des Nutzens und damit eine allgemein akzeptierte Bestimmung des Verlaufs der Nutzenfunktion konnte jedoch nicht erreicht werden.28 Die Bestimmung einer konkreten Nutzen- und damit einer Grenznutzenfunktion setzt jedoch eine solche kardinale Messbarkeit des Nutzens voraus. Aus diesem Grunde fordert Haller auch die politische Determinierung der (Grenz-)Nutzenkurve.29 2. Das Problem der interindividuellen Vergleichbarkeit der Nutzenfunktionen Mit der fehlenden kardinalen Messbarkeit des Nutzens und der daraus folgenden fehlenden Bestimmbarkeit der Nutzenfunktion eng verbunden ist auch der Einwand, Nutzenfunktionen seien nicht interindividuell vergleichbar.30 Um Grundlage eines einheitlichen Tarifs zu sein, muss die angenommene Nutzenfunktion des Einkommens für jeden Steuerpflichtigen gleich verlaufen. Diese wird in der Literatur jedoch wegen bestehender Unterschiede angezweifelt: So wird zum einen bereits auf die Unterschiedlichkeit der Menschen hingewiesen und vorgebracht, dass Wirtschaftssubjekte mit gleichem Einkommen dennoch keine vergleichbaren Güter nachfragten. Ein notorischer Griesgram und ein fröhlicher Mensch hätten schwerlich die gleiche Bedürfnisstruktur.31 Zum anderen wird eine Vergleichbarkeit der Nutzenfunktionen deshalb verneint, weil unterschiedliche Einkommenshöhen unterschiedliche Bedürfnisstrukturen zur Folge hätten.32 Blum / Kalven weisen ergänzend darauf hin, dass eine solche Vergleichbarkeit der individuellen Nutzenkurven 27 Bernoulli ging von einem umgekehrt proportionalen Verlauf der Nutzenkurve aus, siehe dazu Weinberger, S. 9; Edgeworth, S. 119 (124), geht demgegenüber von einem steileren Verlauf als der Bernoulli-Kurve aus; zu Versuchen, die Nutzenfunktion zu bestimmen siehe Blum / Kalven, S. 46 ff. 28 Unter einer kardinalen Messbarkeit versteht man im Gegensatz zu einer ordinalen Messbarkeit, dass bei einem Vergleich zweier Alternativen nicht nur angegeben werden kann, ob der Nutzen größer, kleiner oder gleich groß ist, sondern dass darüber hinaus das Ausmaß der Nutzendifferenz festgestellt werden kann. Anders als Pigou und die ältere Wohlfahrtsökonomik bestreiten Pareto und andere Vertreter der neueren Wohlfahrtsökonomik, dass eine kardinale Messbarkeit des Nutzens überhaupt möglich ist, dazu Külp, S. 469 (472 ff.); zu jüngeren Versuchen von Armstrong, Neumann / Morgenstern und Tinbergen siehe ebenda. 29 Haller, Die Steuern, S. 74 ff.; kritisch hierzu Ku. Schmidt, FA 26 (1967), 385 (395 f., 399 ff.); in Hallers späterer Schrift, Progressive Besteuerung, S. 9 ff., befürwortet er eine proportionale Leistungsfähigkeitsteuer, der Umverteilungsgedanke führt ihn dann jedoch wieder zu einer progressiven Besteuerung; dazu wiederum kritisch Ku. Schmidt, FA 30 (1971), 193 (198). 30 Siehe dazu Blum / Kalven, S. 41; Dittmann, S. 113 ff.; Ku. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 20 ff.; Ulbrich, S. 122 ff. 31 Ulbrich, S. 126. 32 Ku. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 20 ff.
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2. Teil, 1. Kap.: Ältere finanzwissenschaftliche Ansätze
des Einkommens auch bei unterschiedlichem Vermögen vorliegen müsse.33 Da sich ein empirischer Nachweis einer Vergleichbarkeit der Nutzenfunktionen – mangels einer kardinalen Messbarkeit des Nutzens – nicht führen lasse,34 könne im Ergebnis nur eine „typisierende“ Funktion zugrunde gelegt werden. Nach Haller soll diese politisch bestimmt werden.35
3. Inkonsistenzen der Opfertheorien Neben diesen Kritikpunkten, die an den Voraussetzungen oder der fehlenden Bestimmbarkeit der Nutzenkurve ansetzen, zielen andere kritische Ansätze auf Inkonsistenzen in der Argumentation. So wurde einerseits vorgetragen, dass die Theorie des gleichen Opfers die Steuerfreiheit des Existenzminimums nicht erklären könne. Wenn jeder ein gleiches Opfer leisten solle, so sei kaum zu begründen, dass derjenige, der nur über den existenznotwendigen Bedarf verfüge, überhaupt keinen Beitrag leisten müsse.36 Zum anderen wurde darauf hingewiesen, dass die auf die Grenznutzentheorie gestützten Opfertheorien nicht begründen könnten, dass die Progression – wie dies allgemein befürwortet werde – an irgendeinem Punkt unterbrochen werde und der Tarif proportional auslaufen müsse.37
B. Das Argument des Ausgleichs der regressiven Wirkungen indirekter Steuern Eine andere, auf der Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips vertretene Argumentation beruht nicht auf der Basis eines sinkenden Grenznutzens jeder zusätzlichen Einheit des Einkommens, sondern rechtfertigt einen progressiven Einkommensteuertarifverlauf mit der Notwendigkeit, die regressiven Wirkungen indirekter Steuern auszugleichen.38 Indirekte Steuern belasteten Steuerpflichtige mit geringerer Leistungsfähigkeit dadurch, dass sie unabhängig von der Höhe des EinkomBlum / Kalven, S. 41. Ulbrich, S. 122. 35 Haller, Die Steuern, S. 74 ff.; kritisch hierzu Ku. Schmidt, FA 26 (1967), 385 (395 f., 399 ff.); ders., FA 30 (1971), 193 (198), der darauf hinweist, dass Haller damit von dem Gedanken einer Bemessung nach der individuellen Nutzeneinbuße abweicht und sich mit einer normativen Nutzenbestimmung begnügt. 36 Dazu Fagan, S. 19 (21); Meyer, S. 290 ff.; kritisch daher auch Sax, ZfVSVw 1 (1892), 43 (63); aus jüngerer Zeit Jüptner, Leistungsfähigkeit, S. 29. 37 Dazu Jüptner, Leistungsfähigkeit, S. 84; Riedmaier, DStR 1976, 359 (364). 38 Neumark, Grundsätze, S. 174 ff.; Popitz, Einkommensteuer, S. 424 ff.; siehe dazu auch Franke, S. 44 ff.; Ku. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 147; in diesem Sinne auch Moebus, S. 69 ff.; siehe auch die Begründung der Bundesregierung des Entwurfes des dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drs. 7 / 1479, S. 212; Böckli; M. F. Huber, S. 163 ff.; Richenberger, S. 24. 33 34
A. Die Neutralität der Besteuerung – Grundgedanken
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mens erhoben werden, stärker als Steuerpflichtige mit einem höheren Einkommen.39 Denn Steuerpflichtige mit einem geringeren Einkommen wendeten zwangsläufig einen größeren Anteil ihres Einkommens für den täglichen Konsum auf. Diese als regressiv beschriebenen Wirkungen indirekter Steuern müssten durch einen progressiven Einkommensteuertarif ausgeglichen werden. Die Notwendigkeit eines progressiven Einkommensteuertarifs ergibt sich auf dieser Grundlage bereits dann, wenn man mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip grundsätzlich eine proportionale Besteuerung verbindet.
2. Kapitel
Die Besteuerung des Existenzminimums und der Verlauf des Einkommensteuertarifs bei einer entscheidungsneutralen Besteuerung Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird aus rechtswissenschaftlicher Sicht als das zentrale materielle Besteuerungsprinzip angesehen.40 In der heutigen ökonomischen Theorie ist das für die Besteuerung entscheidende Kriterium hingegen ihre Neutralität. Die Neutralität der Besteuerung ist dabei vor allem Maßstab für die Beurteilung von Steuerwirkungen im Rahmen der Steuerwirkungslehre. Zum Teil wird sie jedoch auch als normative Forderung erhoben.41
A. Die Neutralität der Besteuerung – Grundgedanken Grundlage einer neutralen Besteuerung ist folgender Gedanke:42 Jede Transaktion auf dem Markt im freien Wettbewerb führt idealerweise zu Nutzengewinnen auf beiden Seiten. Die Steuerlast vermindert diesen Gewinn und führt dadurch zu einer Belastungswirkung. Über diese Belastungswirkung hinaus können Steuern jedoch zusätzliche Wirkungen nach sich ziehen. Dies liegt darin begründet, dass Steuerpflichtige auf eine Besteuerung reagieren und versuchen, ihr auszuweichen. Dadurch entstehen Substitutionswirkungen, so dass eine Steuer über die Belastungswirkungen hinaus auch Gestaltungswirkungen haben kann. Diese SubstitutiIn diesem Sinne u. a. Popitz, Einkommensteuer, S. 425. Siehe dazu ausführlich S. 74 ff. 41 Inwieweit eine entscheidungsneutrale Besteuerung von ökonomischer Seite als normative Forderung erhoben werden kann, soll an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. Dies ist Fragestellung der ökonomischen Disziplinen. Für die weitere Beurteilung soll im Folgenden das im Rahmen der Steuerwirkungslehre anerkannte Konzept einer neutralen Besteuerung zugrunde gelegt werden. 42 Siehe dazu überblicksartig Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 160 ff.; siehe auch Andel, S. 122 ff.; Reding / Müller, S. 172 ff. 39 40
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2. Teil, 2. Kap.: Die Besteuerung des Existenzminimus
onseffekte stellen aus allokativer Sicht eine (über die Belastungswirkung hinausgehende) Zusatzlast dar.43 Diese Wirkungen können, müssen jedoch nicht beabsichtigt sein. Bei der Erhebung einer Einkommensteuer (auf Arbeitseinkünfte) kommt es schon insoweit zu Substitutionswirkungen, als eine Einkommensteuer eine Verteuerung der Arbeit gegenüber der Freizeit bewirkt.44 Eine Besteuerung von Zinseinkünften führt zu einer Substitution von späterem Konsum zugunsten jetzigen Konsums, unterschiedliche Besteuerungsregelungen hinsichtlich verschiedener Einkunftsarten können Investitionsentscheidungen beeinflussen.45 Eine neutrale Besteuerung vermeidet idealerweise solche Zusatzlasten, d. h. sie ist insoweit neutral, als sie Marktentscheidungen und damit den Marktmechanismus nicht beeinflusst. Eine neutrale Besteuerung folgt daher keinem besonderen eigenen Besteuerungsziel, sondern integriert sich in die marktwirtschaftliche Ordnung. Im Gegensatz zu der – älteren – liberalen Forderung nach Verteilungsneutralität im Sinne der Edinburgher „leave-them-as-you-find-them-rule“,46 sucht die heutige ökonomische Forderung nicht mehr allein die gleichmäßige Belastung des Ergebnisses der Markttätigkeit zu gewährleisten. Neutralität der Besteuerung meint vielmehr, dass die Ausgestaltung der Besteuerung keine Auswirkungen auf das Ergebnis der Markttätigkeit hat bzw. haben soll. Eine Steuerneutralität kann theoretisch durch unterschiedliche Konzeptionen, sowohl direkte als auch indirekte, erreicht werden.47 Als zumindest im Grundsatz steuerneutral werden im Allgemeinen entscheidungsfixe Steuern, d. h. solche Steuern, die unabhängig von den Entscheidungen des einzelnen Steuerpflichtigen sind48 (wie z. B. nach den Fähigkeiten des einzelnen Steuerpflichtigen differenzierte Pauschalsummensteuern49) und zielorientierte Steuern,50 d. h. Steuern, die an von Steuerpflichtigen aus Eigennutz angestrebten Zielen ansetzen (wie z. B. eine allgemeine Verbrauchsteuer), angesehen. Steuern, die überhaupt keine Zusatzlasten hervorrufen, werden als erstbeste Steuern bezeichnet. Erstbeste Steuern sind allerdings tatsächlich nicht zu realisieren, da es dem Staat an den dafür notwendigen Informationen, z. B. über die Fähigkeiten des Steuerpflichtigen fehlt,51 oder 43 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 160 ff.; Reding / Müller, S. 172 ff.; Brümmerhoff, S. 428 ff. 44 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 184 ff.; Brümmerhoff, S. 444 ff. 45 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 184 ff. 46 Nach dieser Regel aus dem Jahre 1833 sollte die Besteuerung die relativen Einkommensverhältnisse unverändert lassen; siehe dazu Ossenbühl, S. 31 f.; siehe auch Mann, S. 144 ff., 262 ff., 303 ff. 47 Siehe dazu Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 165 ff. 48 In diesem Sinne die Stellungnahmen der Finanzwissenschaft, dazu Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 167 ff.; Reding / Müller, S. 254 ff. 49 Kritisch insoweit jedoch Elschen, Besteuerung von Unternehmungsgewinnen?, S. 267 ff., der darauf hinweist, dass Fähigkeitssteuern den Erwerb von Fähigkeiten beeinträchtigten. 50 In diesem Sinne die Stellungnahmen der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, dazu D. Schneider, Investition, S. 206 ff.; siehe auch Elschen / Hüchtebrock, FA 41 (1983), 253 (258). 51 Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 165 ff.
A. Die Neutralität der Besteuerung – Grundgedanken
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weil die Steuerwirkungen verteilungspolitisch nicht gewünscht sind.52 Daher kann im Ergebnis nur eine zweit- oder drittbeste Besteuerung verwirklicht werden. In der Finanzwissenschaft hat der Gedanke der Steuerneutralität seinen Ausdruck in dem Gedanken der Allokationseffizienz gefunden,53 in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre steht hingegen das Konzept der Entscheidungsneutralität im Vordergrund der Betrachtung.54 Die betriebswirtschaftliche Forderung nach einer entscheidungsneutralen Besteuerung und die finanzwissenschaftliche Forderung nach Neutralität der Besteuerung sind eng miteinander verbunden, decken sich aber nicht vollständig: So nehmen beide Wissenschaftszweige eine unterschiedliche Perspektive ein. Während die Finanzwissenschaft die gesamte Volkswirtschaft in den Blick nimmt und quasi „von oben“ beobachtend auf das Marktgeschehen schaut, orientiert sich die betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der subjektiven Perspektive des einzelnen Marktteilnehmers, des Unternehmers.55 Aufgrund ihrer unterschiedlichen Erkenntnisziele setzen sie auch unterschiedliche Schwerpunkte. So berücksichtigt die Finanzwissenschaft auch die Auswirkungen steuerlicher Regelungen auf die Handlungsoption Arbeit / Freizeit. Im Rahmen der Theorie der optimalen Einkommensbesteuerung wurde diesbezüglich versucht, eine Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs zu finden, welche die Substitutionswirkungen der Besteuerung von Arbeit zugunsten der Freizeit minimiert.56 Die betriebswirtschaftliche Steuerlehre stellt hingegen die Auswirkungen der Besteuerung auf die unterschiedlichen unternehmerischen Handlungsoptionen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Die Frage nach einer möglichen Substitution von Arbeit durch Freizeit kommt dabei nicht in den Blick.57 Da die Theorie der optimalen Dazu Treisch, Existenzminimum, S. 290. Andel, S. 122 ff.; Homburg, S. 165 ff.; Reding / Müller, S. 172 ff., 251 ff. 54 Elschen, Besteuerung von Unternehmungsgewinnen?, S. 264 ff.; D. Schneider, Investition, S. 173 ff.; F. W. Wagner, FA 44 (1986), 32 ff.; ders., StuW 1992, 2 ff.; dazu auch Treisch, StStud. 2000, 368 ff. 55 Zum Verhältnis von Allokationseffizienz in der Finanzwissenschaft und Entscheidungsneutralität in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre siehe ausführlich Elschen / Hüchtebrock, FA 41 (1983), 253 ff. 56 Grundlegend dazu Mirrlees, Review of Economic Studies 38 (1971), 175 ff.; überblicksartig dazu Krause-Junk / Oehsen, Stichwort: „Besteuerung, optimale“, HdWW IX, S. 706 (718 f.); Richter / Wiegard, ZWS 113 (1993), 337 ff. Die Ergebnisse hatten jedoch nur eine geringe Aussagekraft. So konnte hinsichtlich des Einkommensteuertarifs begründet werden, dass die Steuersätze zwischen 0 und 100 liegen müssen und sowohl der Einkommensteuerpflichtige mit dem geringsten als auch der Einkommensteuerpflichtige mit dem höchsten Einkommen einen Grenzsteuersatz von 0 haben sollten. Letzteres wird damit begründet, dass der Steuerpflichtige mit dem höchsten Einkommen nur bei einem Grenzsteuersatz von 0 zusätzliche Arbeit leisten würde und zusätzliche Arbeit einen allgemeinen Wohlstandsgewinn bedeutete. Konkretere Aussagen können von der Theorie der optimalen Einkommensbesteuerung nur dann getroffen werden, wenn konkrete Wohlfahrtsfunktionen zugrunde gelegt werden und mathematisch die Gesamtwohlfahrt optimiert wird, siehe dazu Reding / Müller, S. 280 ff. 57 Elschen / Hüchtebrock, FA 41 (1983), 253 (258). 52 53
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2. Teil, 2. Kap.: Die Besteuerung des Existenzminimus
Einkommensbesteuerung mit der Maximierung der Gesamtwohlfahrt ein gesamtwirtschaftliches Ziel wählt, und damit nicht die Gleichbehandlung von Individuen in den Vordergrund stellt,58 sollen in der folgenden Darstellung allein die Aussagen der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre zugrunde gelegt werden.
B. Die entscheidungsneutrale Ausgestaltung der Einkommensteuer – Anforderungen für die Berücksichtigung des Existenzminimums und die Gestaltung des Tarifs Welche Anforderungen eine Einkommensteuer im Hinblick auf die Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs und die Ausgestaltung des Tarifs erfüllen muss, damit sie als entscheidungsneutral angesehen werden kann, hängt von den gewählten Parametern, d. h. von der Komplexität des betrachteten Modells ab. Dabei muss danach unterschieden werden, ob den Berechnungen ein einperiodiges Modell zugrunde gelegt wird oder mehrere Besteuerungszeiträume in den Blick genommen werden. Außerdem ist danach zu differenzieren, ob ein Modell unter Sicherheit oder unter Unsicherheit gewählt wird. Ein Modell unter Sicherheit liegt vor, wenn davon ausgegangen wird, dass der Entscheidungsträger ex-ante unzweifelhaft absehen kann, welche wirtschaftlichen Folgen eine Entscheidung nach sich ziehen wird. Eine Entscheidung unter Unsicherheit liegt demgegenüber vor, wenn dies nicht der Fall ist, d. h. der Marktteilnehmer die Konsequenzen einer ihm gebotenen Handlungsoption nur nach bestimmten Wahrscheinlichkeiten bestimmen kann.59
I. Einperiodiges Modell unter Sicherheit Im Modell unter Sicherheit wählt der Entscheidungsträger die Handlungsalternative, die nach Steuern den größten Gewinn verspricht. Soll die Besteuerung entscheidungsneutral sein, so muss gewährleistet sein, dass die Handlungsalternative, durch die ohne Steuern der größte Gewinn realisiert wird, auch nach der Besteuerung die lukrativste bleibt. Da die Rangfolge der unterschiedlichen Handlungsoptionen für den einzelnen Steuerpflichtigen weder durch einen progressiven oder durch einen proportionalen Tarifverlauf noch durch die Art und Weise der Berücksichtigung leistungsfähigkeitsmindernder Umstände verändert wird, lassen sich in dieser Hinsicht im einperiodigen Modell unter Sicherheit keine Vorgaben treffen.60 Entscheidend ist nur, dass nicht zwischen verschiedenen Arten von Einkünften differenziert wird. Eine schedulenhafte Besteuerung, die verschiedene Einkunftsarten 58 59 60
Kritisch daher Seidl, StuW 1988, 93 ff. Dazu D. Schneider, Investition, S. 452 ff. D. Schneider, Unternehmensbesteuerung, S. 152; ders., Investition, S. 208 ff.
B. Entscheidungsneutrale Ausgestaltung der Einkommensteuer
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unterschiedlich belastet, kann in diesem einfachen Modell unter Sicherheit die Entscheidungsneutralität in Frage stellen.61
II. Mehrperiodiges Modell unter Sicherheit In einem mehrperiodigen Modell muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass wirtschaftliche Entscheidungen für einen längeren Zeitraum getroffen werden. Manche Handlungsoptionen führen zu regelmäßigen, periodischen Einkünften. Andere Optionen, die aus ökonomischer Sicht im Ergebnis äquivalent sind, können jedoch unregelmäßige Einkünfte erbringen. Bei einem progressiven Tarifverlauf werden unregelmäßige Einkünfte im Vergleich zu periodischen Einkünften durch die Progression höher besteuert. Eine periodenbezogene Besteuerung führt insoweit zu unterschiedlichen Belastungswirkungen und kann dadurch die Entscheidung des Einzelnen zwischen unterschiedlichen Handlungsoptionen beeinflussen. Damit wirkt die Besteuerung nicht entscheidungsneutral. Dies könnte durch eine mehrperiodige Durchschnittsbesteuerung gemildert, vollständige Entscheidungsneutralität kann in dieser Hinsicht jedoch nur durch eine proportionale Besteuerung erreicht werden.62 Im Ergebnis ist damit in einem mehrperiodigen Modell unter Sicherheit eine Besteuerung erforderlich, die einerseits keine unterschiedliche Besteuerung von Einkunftsarten und andererseits eine proportionale Besteuerung vorsieht. III. Modell unter Unsicherheit In Modellen unter Sicherheit wird der rational handelnde Entscheidungsträger die Entscheidung wählen, die wirtschaftlich am günstigsten ist, d. h. am meisten Einkommen verspricht. Bei Entscheidungen unter Unsicherheit ist zu berücksichtigen, dass das Ziel des Steuerpflichtigen nicht nur durch das – ex-ante unsichere – Einkommen als solches bestimmt wird, sondern dass zusätzlich der Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Handlung ein bestimmtes Einkommen nach sich zieht, Bedeutung zukommt.63 Bei Modellen unter Unsicherheit wird im Hinblick auf eine entscheidungsneutrale Besteuerung gefordert, dass die Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Abzug von der Steuerschuld ausgestaltet ist.64 Darüber hinaus wird manchmal auch die Forderung nach einem proportionalen Tarif erhoDazu deutlich Sigloch, StuW 1990, 229 ff. Sigloch, StuW 1990, 229 (235 f.); siehe auch die Beispiele bei D. Schneider, Investition, S. 210 ff. 63 Darüber hinaus ist relevant, wie sich der Handelnde gegenüber einem Risiko verhält, ob er risikoneutral oder vielleicht risikoavers ist; dazu sogleich; siehe auch allgemein Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 204 ff.; im vorliegenden Zusammenhang siehe D. Schneider, Investition, S. 666 ff. 64 D. Schneider, StuW 1984, 356 (366 ff.); ders., Unternehmensbesteuerung, S. 144 ff.; zustimmend Elschen, Besteuerung von Unternehmungsgewinnen?, S. 335 ff.; siehe auch 61 62
5 Liesenfeld
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2. Teil, 2. Kap.: Die Besteuerung des Existenzminimus
ben.65 Begründet wird dies im Sinne der Entscheidungsneutralität damit, dass Steuerwirkungen vermieden werden müssten. Zielgröße sei das Markteinkommen, nicht aber das disponible Einkommen. Bedeutung habe dies insbesondere bei Entscheidungen unter Unsicherheit. Insoweit sei nicht nur die Einkommenshöhe entscheidend, sondern darüber hinaus auch andere Größen. Der Abzug von „Sozialausgaben“ von der Bemessungsgrundlage habe daher Entscheidungswirkungen.66 Dahinter scheint folgender Gedanke zu stehen: In einem Modell unter Sicherheit wird der handelnde Marktteilnehmer immer die Handlungsoption wählen, die ihm den (sicheren) höchsten Gewinn verspricht. Dass bestimmte Einkommensteile wie das Existenzminimum gar nicht, andere Einkommensteile in geringem Umfang, wiederum andere Einkommensteile in stärkerem Umfang besteuert werden, kann – da dies bei allen Einkommen, unabhängig davon, aus welcher Handlungsoption sie resultieren, geschieht – die Reihenfolge der Handlungsoptionen nicht ändern. Hängt jedoch die Entscheidung des Marktteilnehmers nicht nur von der Höhe des zu erwartenden Einkommens, sondern darüber hinaus von einem weiteren Faktor (der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts) ab, so kann dies anders sein. Die Besteuerung kann in diesen Fällen dazu führen, dass sich die Reihenfolge der Handlungsoptionen ändert. Dieser Gedanke soll an einem ganz einfachen, fiktiven Beispiel verdeutlicht werden: Gegeben sei ein einfacher, progressiver (Grenzsteuersatz-)Tarif, der Einkünfte bis 1000 A steuerfrei lässt, Einkünfte von 1000 bis 2000 A mit 10%, von 2000 bis 3000 A mit 20%, von 3000 bis 4000 A mit 30% und Einkünfte ab 4000 A mit 40% besteuert. Der Marktteilnehmer hat zwei Handlungsoptionen: Die erste Option verspricht ihm mit Sicherheit einen Gewinn in Höhe von 2000 A. Die zweite Option hingegen könnte zu einem Einkommen von 4500 A führen, dies allerdings nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%. Ebenso groß ist hingegen die Wahrscheinlichkeit, dass er gar kein Einkommen erzielt. Geht man nun davon aus, dass der Marktteilnehmer risikoneutral ist, so wird er die Handlungsoption wählen, die den höchsten Erwartungswert an Einkommen (d. h. nach der Summe der mit ihren Wahrscheinlichkeiten gewichteten Zielbeiträgen 67) verspricht. Das ist im vorliegenden Fall die zweite Handlungsoption, denn diese hat einen Erwartungswert von 2250 A und liegt damit über der ersten Option. Anders stellt sich die Situation jedoch dar, berücksichtigt man die Auswirkungen der Besteuerung: Die erste Handlungsoption verspricht ein Nettoeinkommen von 1900 A. Bei der zweiten Handlungsoption kann der Marktteilnehmer nach Abzug der Steuern maximal ein Einkommen in Höhe von 3700 A erzielen. Bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 50% hat diese Bareis / Allmendinger / Selg; Bareis, StuW 1991, 38 ff.; ders., DStR 1991, 1399 ff.; ders., DStR 1991, 1434 ff.; ders., StuW 2000, 81 ff.; ähnlich Biergans / Wasmer, FR 1985, 57 (62); so auch Lieb, S. 227 ff.; kritisch aus verfassungsrechtlicher Sicht Vogel, StuW 1999, 201 (204); siehe auch ders., StuW 2000, 90. 65 Elschen, Besteuerung von Unternehmungsgewinnen?, S. 335 ff. 66 D. Schneider, StuW 1984, 356 (366 ff.); ders., Unternehmensbesteuerung, S. 144 ff. 67 Dazu D. Schneider, Investition, S. 452 ff.
B. Entscheidungsneutrale Ausgestaltung der Einkommensteuer
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Handlungsoption einen Erwartungswert von 1850 A, und liegt damit unter der ersten Handlungsoption. Bei einer proportionalen Besteuerung bliebe hingegen die Reihenfolge der Handlungsoptionen unverändert. Im Ergebnis kann daher in einem solchen Modell eine Besteuerung, die verschiedene Einkommensteile unterschiedlich stark belastet, dazu führen, dass der rational handelnde Marktteilnehmer eine andere Handlungsoption als die wählt, die er ohne Besteuerung ergreifen würde. Der zwischen Vertretern der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre und Vertretern der Rechtswissenschaft bestehende Meinungsstreit entzündete sich an der Frage nach der Art und Weise der Berücksichtigung des steuerfreien Existenzminimums.68 Ihre unterschiedlichen Sichtweisen können darüber hinaus aber auch Bedeutung für den Einkommensteuertarif haben. Im Ergebnis kann bei einer solchen Betrachtung gefolgert werden, dass im Modell unter Unsicherheit eine Besteuerung nur dann entscheidungsneutral ist, wenn der Tarif proportional ausgestaltet ist. Verläuft der Einkommensteuertarif progressiv kommt eine Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Abzug von der Steuerschuld einer entscheidungsneutralen Besteuerung näher. Eine solche Betrachtung beruht allerdings auf einem sehr vereinfachten Modell. Im gewählten Beispiel wurde davon ausgegangen, dass der Marktteilnehmer risikoneutral ist, er seine Handlungsoption daher allein nach dem Erwartungswert des Einkommens bestimmt. Eine solche Annahme ist jedoch in der Realität nur selten zutreffend. Viele Marktteilnehmer werden das Risiko bis zu einem gewissen Grad scheuen, sie sind risikoavers. Ist der handelnde Marktteilnehmer jedoch nicht risikoneutral, so entscheidet er nach dem Risikonutzen, d. h. seiner persönlichen Wertschätzung der Einkommenschance.69 Eine entscheidungsneutrale Besteuerung müsste daher in Modellen unter Unsicherheit als zielorientierte Besteuerung den Risikonutzen besteuern.70 Eine solche Besteuerung des Risikonutzens ist jedoch aufgrund von Informationsdefiziten nicht möglich. Ein progressiver Tarifverlauf kann – je nach Risikobereitschaft des Marktteilnehmers – die Reihenfolge der Handlungsoptionen auch unbeeinflusst lassen. Unter Umständen kann ein progressiver Tarif auch dazu führen, dass Handlungsoptionen mit hohem Risiko sichereren Optionen vorgezogen werden.71 Mangels Informationen über die Risikobereitschaft der Marktteilnehmer kann daher im Ergebnis nur dann eine Aussage über die Entscheidungsneutralität des Tarifverlaufs und der Art und Weise der Berücksichtigung des steuerfreien Existenzminimums gemacht werden, wenn man von risikoneutralen Marktteilnehmern ausgeht.72
68 Siehe dazu die Kontroverse zwischen Vogel, StuW 1999, 201 (204); siehe auch ders., StuW 2000, 90 und Bareis, StuW 2000, 81 ff.; siehe auch die Diskussion zwischen Kirchhof und Bareis, DStJG 21 (1998), 77 ff. 69 Siehe dazu D. Schneider, Investition, S. 462 ff. 70 Siehe dazu Elschen, Besteuerung von Unternehmungsgewinnen?, S. 274 f.; D. Schneider, Investition, S. 669. 71 Siehe dazu die Beispiele bei D. Schneider, Investition, S. 667 ff.; siehe auch Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 204 ff.
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2. Teil, 2. Kap.: Die Besteuerung des Existenzminimus
Im Ergebnis lässt sich daher feststellen, dass die Forderung nach einer entscheidungsneutralen Besteuerung in einem mehrperiodigen Modell für eine proportionale Besteuerung spricht. In einem Modell unter Unsicherheit wird von manchen Vertretern der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre gefordert, dass der existenznotwendige Bedarf nicht vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird. Darüber hinaus wird zum Teil auch für eine proportionale Besteuerung gesprochen. Diese Forderungen basieren auf dem Gedanken einer gleichmäßigen Besteuerung des objektiv am Markt erzielten Einkommens. Ungeachtet möglicher Kritik dieser Ergebnisse durch die betriebswirtschaftliche Steuerlehre selbst, soll im Folgenden eine Besteuerung des objektiven Markteinkommens als Ausdruck einer entscheidungsneutralen Besteuerung verstanden und der weiteren Untersuchung zugrunde gelegt werden.
C. Unterschiede einer leistungsfähigkeitsgerechten und einer entscheidungsneutralen Besteuerungskonzeption Das Verhältnis einer entscheidungsneutralen und einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung ist bisher nur wenig intensiv untersucht worden.73 J. Lang sieht eine enge Verbindung von Entscheidungsneutralität und Gleichheitssatz, insbesondere mit der Wettbewerbs- und der Rechtsformneutralität. 74 Nach Tipke entspricht eine entscheidungsneutrale Besteuerung zwar nicht dem historisch überkommenen Prinzip einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung, das Leistungsfähigkeitsprinzip habe sich jedoch gewandelt. Dem heutigen rechtlichen Verständnis von Leistungsfähigkeit entspreche eine entscheidungsneutrale Besteuerung deutlich.75 F. W. Wagner sieht das Leistungsfähigkeitsprinzip als Vorläufer einer entscheidungsneutralen Besteuerung.76 Anders als diese Äußerungen vermuten lassen, verbleiben im Ergebnis deutliche konzeptionelle Unterschiede zwischen einer (gleichheitsrechtlich begründeten) leistungsfähigkeitsgerechten und einer entscheidungsneutralen Besteuerung. Diese Unterschiede sollten auch nicht terminologisch durch die Verwendung des Begriffs der objektiven und der subjektiven Leistungsfähigkeit verdeckt werden. Zwar scheinen bei einem ersten Blick die Ähnlichkeiten im Vordergrund zu stehen, da zentraler Ausgangspunkt beider Konzeptionen die Forderung nach einer Gleichbe72 So wohl auch Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 204 ff.; siehe auch D. Schneider, Investition, S. 665 ff. 73 Aus ökonomischer Sicht siehe die Stellungnahme von Elschen, StuW 1991, 99 ff. 74 J. Lang, StuW 1990, 107 (115 ff.). 75 So Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 84; in diesem Sinne wohl auch Jakobs, S. 20 ff.; F. W. Wagner, FA 44 (1986), 32 (49); ähnlich ders., StuW 1992, 2 (5). 76 F. W. Wagner, StuW 1992, 2 (5).
C. Leistungsfähigkeitsgerechte und entscheidungsneutrale Besteuerung
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handlung ist.77 Unterschiede ergeben sich jedoch bereits durch ein unterschiedliches Vergleichsobjekt. Anders als nach dem gleichheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzip wird bei der betriebswirtschaftlichen Sichtweise im Ausgangspunkt nicht nach der Gleichbehandlung von Individuen gefragt, entscheidendes Augenmerk wird auf die Gleichbehandlung von Handlungsoptionen gelegt.78 Die Gleichbehandlung von Individuen erscheint demgegenüber nur als Konsequenz der Gleichbehandlung der Handlungsoptionen. Unterschiede bestehen auch in der zeitlichen Perspektive: eine entscheidungsneutrale Besteuerung verlangt eine Gleichbehandlung von Handlungsoptionen. Relevant ist damit, ob der Marktteilnehmer seine Entscheidungen unbeeinflusst von der Besteuerung treffen, unbeeinflusst von der Besteuerung investieren kann. Damit ist eine ex-ante Sicht maßgeblich. Aus dem Blickwinkel des gleichheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzips stellt sich die Frage jedoch anders dar. Danach ist es nicht entscheidend, ob die Handlungsoptionen der Steuerpflichtigen von der Besteuerung unbeeinflusst bleiben. Die Tatsache, dass Steuerpflichtige Optionen unterschiedlich ausgeübt haben, kann vielmehr einen möglichen Grund für eine Differenzierung darstellen. Maßgebend ist allein, wie viel Einkommen der Steuerpflichtige im Ergebnis erzielt. Aus der Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips ist damit keine ex-ante Sichtweise, sondern eine Betrachtung ex-post entscheidend. Diese konzeptionellen Unterschiede führen zu den festgestellten unterschiedlichen Forderungen: Vergleicht man Handlungsalternativen ex ante, so kann eine Berücksichtigung des im Einkommen verkörperten Nutzens für den Steuerpflichtigen keine Bedeutung gewinnen, existenznotwendiger Bedarf kann (bei einem progressiven Tarifverlauf79) nicht vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden, der Tarif kann nicht progressiv ausgestaltet sein. Ansatzpunkt muss das objektive Markteinkommen sein.
77 Zu der in dieser Arbeit demgegenüber vertretenen originär freiheitsrechtlichen Fundierung des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe auf S. 128 ff. 78 Dazu F. W. Wagner, StuW 1992, 2 (7). 79 Bei einem proportionalen Tarifverlauf kommt der Frage des Abzugs von der Bemessungsgrundlage oder des Abzugs von der Steuerschuld mangels Auswirkung auf das Ergebnis keine Bedeutung zu.
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2. Teil, 3. Kap.: Ökonomische Aussagen für die Rechtswissenschaft
3. Kapitel
Die Bedeutung ökonomischer Aussagen für die Rechtswissenschaft Ökonomische Erkenntnisse werden im steuerrechtlichen Schrifttum selten ausdrücklich übernommen. Manchmal finden sich in rechtswissenschaftlichen Untersuchungen mit dem Begriff der Neutralität allerdings zumindest terminologische Anleihen bei den Wirtschaftswissenschaften. Zum Teil werden in den doch in mancher Hinsicht vagen Begriff der Leistungsfähigkeit auch stillschweigend ökonomische Inhalte übernommen oder das Leistungsfähigkeitsprinzip mit Allokationseffizienz gleichgesetzt.80 Kommt den ökonomischen Aussagen eine Bedeutung für die Auslegung verfassungsrechtlicher Normen zu, so können solche Anleihen möglich, vielleicht sogar notwendig sein. Insoweit stellt sich die Frage, ob die Erkenntnisse der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre verfassungsrechtlich übernommen werden können bzw. vielleicht sogar müssen.
A. Trennungsthese Eine allgemein weit verbreitete, häufig nicht explizit dargelegte Auffassung geht davon aus, dass Ökonomie und Recht zwei voneinander weitgehend unabhängige Disziplinen sind. Recht setzt danach die Rahmenbedingungen und gibt der Ökonomie Daten vor. Diese vorgegebenen Bedingungen müssen von der Ökonomie beachtet werden. Demgegenüber stellt die Ökonomie dem Recht Aussagen über den Gegenstand und über mögliche Folgen von Gesetzen bereit. Aussagen der Ökonomie können daher vor allem im Bereich der Gesetzgebung relevant werden. Für die Rechtsanwendung können ökonomische Aussagen hingegen nur Bedeutung gewinnen, wenn dies nach den traditionellen Auslegungsmethoden, der Wortlautauslegung, der systematischen, historischen oder teleologischen Auslegung geboten ist.81 Gesetzliche Wertungen behalten ihre Bedeutung auch dann, wenn sie wirtschaftlichen Erkenntnissen widersprechen.82 Einer solchen Sichtweise liegt ein auf enge Erkenntnisbereiche begrenztes Verständnis der jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen zugrunde, d. h. auf Seiten der Ökonomie ein Verständnis, das ihren Erkenntnisgegenstand auf Zusammenhänge marktwirtschaftlicher Ordnungen be80 Ein Beispiel dafür bietet der Beitrag von Elschen, StuW 1991, 99 ff., der den Begriff der Leistungsfähigkeit, wenn er rein fiskalisch, d. h. ohne Umverteilungs- und Lenkungszwecke verstanden wird, mit dem betriebswirtschaftlichen Begriff der Entscheidungsneutralität und dem finanzwissenschaftlichen Begriff der Allokationseffizienz gleichsetzt; siehe auch Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 84; in diesem Sinne wohl auch Jakobs, S. 20 ff.; F. W. Wagner, FA 44 (1986), 32 (49); ähnlich ders., StuW 1992, 2 (5). 81 Coing, S. 1 ff.; Veit, S. 8 ff.; Zacher, S. 172 ff.; siehe dazu P. Behrens, S. 6 ff.; Korioth, S. 254 ff. 82 Zacher, S. 172 (173).
B. Die ökonomische Analyse des Rechts
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grenzt. Dem entspricht auf Seiten der Rechtswissenschaft eine Auffassung, die sich als Wissenschaft von der Auslegung von Normen versteht.83 Bei einem solchen Verständnis der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen kann es nur wenige Überschneidungen geben.
B. Die ökonomische Analyse des Rechts – Rechtsanwendung im Sinne der ökonomischen Analyse des Rechts? Einen gänzlich anderen, weiteren Ansatz wählt die ökonomische Analyse des Rechts.84 Diese vor allem in den USA entwickelte Rechtstheorie wurde in der Bundesrepublik Deutschland primär im Bereich des Zivilrechtes rezipiert.85 Ihrem grundlegenden Anspruch nach bezieht sich die ökonomische Analyse des Rechts jedoch auf alle Rechtsgebiete.86 Hervorzuheben ist, dass die ökonomische Analyse des Rechts von ihrer Herkunft eine ökonomische Theorie ist, keine juristische Methodenlehre.87 Die Ökonomie erweitert dabei ihren Erkenntnisgegenstand von der Beschränkung auf marktwirtschaftliche Zusammenhänge allgemein auf Entscheidungen der Verwendung knapper Güter. Damit ist auch die Rechtsetzung angesprochen. Bei der Untersuchung verschiedener Rechtsgebiete kamen Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts zu dem Ergebnis, dass die Ursachen für viele – vor allem zivilrechtliche – Normen und Rechtsprechungslinien in ökonomischen Wirkungszusammenhängen zu finden sind. Die ökonomische Analyse des Rechts untersucht die Gründe der Rechtssetzung und stellt eine Gesetzgebungslehre bereit. Sie beschränkt sich aber nicht auf die Untersuchung des Gesetzesrechts, sondern bezieht – im amerikanischen Rechtskreis kommt dem unter dem Common Law eine besondere Bedeutung zu – auch die richterliche Rechtssetzung und die Auslegung von Normen ein. Die ökonomische Analyse des Rechts untersucht dabei zum einen positiv die Ursachen für das bestehende Recht. In ihrer stärksten Form erhebt sie jedoch auch einen normativen Anspruch.88 Rechtsetzung und Rechtsanwendung sollen sich danach an wirtschaftlichen Effizienzkriterien ausrichten. Korioth, S. 254 ff. Siehe dazu die grundlegenden Aufsätze von Coase, S. 129 ff. und Calabresi, S. 239 ff.; zusammenfassend Posner. 85 Siehe jedoch aus dem öffentlichen Recht Morlok, S. 1 ff. sowie weitere Beiträge in diesem Band; in steuerrechtlichen Zusammenhang Ismer, S. 69 sowie weitere Beiträge in diesem Band; zur Rezeption in Deutschland siehe darüber hinaus Eidenmüller; Assmann, S. 17 ff.; Kirchner, S. 62 ff.; Ott / Schäfer, JZ 1988, 213 ff.; Schanze, S. 1 ff.; ähnliche Ansätze schon bei Mestmäcker, S. 103 (109); kritisch Fezer, JZ 1986, 817 ff.; ders., JZ 1988, 223 ff. 86 Siehe dazu die Ausführungen von Posner, zu den einzelnen Rechtsgebieten, u. a. auch Familienrecht, Strafrecht und auch Steuerrecht. 87 So auch deutlich Korioth, S. 258 ff. 88 Posner, S. 25. 83 84
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2. Teil, 3. Kap.: Ökonomische Aussagen für die Rechtswissenschaft
Auch die Rechtsprechung soll bei ihren Entscheidungen ökonomische Folgen einbeziehen. Dies wird von Vertretern der ökonomischen Analyse des Rechts zumindest im Hinblick auf die Auslegung von „offenen Wertbegriffen“ gefordert.89 Die ökonomische Analyse des Rechts liefert wertvolle Einsichten für die Gesetzgebung und legt Ursachen für bestimmte Rechtsprechungslinien offen. Als positive Theorie ist sie daher für die Rechtswissenschaft von großer Bedeutung. Der normative Anspruch begegnet jedoch grundsätzlichen Bedenken.90 Dem Gedanken der Allokation von Ressourcen kann im Rahmen der historischen oder der teleologischen Auslegung, u. U. auch der grammatikalischen Auslegung Bedeutung zukommen. Dies nehmen auch die Autoren an, die von einer klaren Trennung von Rechtswissenschaft und Ökonomie ausgehen.91 Bedeutung kann das Effizienzziel daher gewinnen, wenn der Gesetzgeber historisch der Allokation von Ressourcen eine zentrale Bedeutung beimaß oder der objektive Zweck des Gesetzes dies gebietet.92 Dies kann auch der Fall sein, wenn der Gesetzgeber einen bestimmten ökonomischen Begriff in das Recht übernommen hat. Eine – unabhängig von diesen Ansatzpunkten – allgemeine Auslegung offener Wertbegriffe mit der Zielrichtung, ökonomische Effizienz zu gewährleisten, ist jedoch nicht möglich. Es lässt sich zugunsten des ökonomischen Effizienzkriteriums auch keine Vermutungsregel feststellen, die eine besondere Rechtfertigungsnotwendigkeit begründete. Entscheidend ist dabei, dass es für einen rechtsnormativen Anspruch keine Grundlage gibt. Richter sind nicht dazu legitimiert, dem ökonomischen Effizienzziel durch Auslegung von Normen zur Durchsetzung zu verhelfen. Die Frage, ob dem ökonomischen Effizienzziel ein normativer Wert zukommen soll, ist dem parlamentarischen Gesetzgeber zur Entscheidung zugewiesen.93 Die traditionellen Auslegungsregeln sind daher auch Verfahrensregeln. Sie regeln, welche Aspekte bei der Auslegung berücksichtigt werden müssen, geben jedoch keinen Inhalt vor.94 Dies muss grundsätzlich auch für die Auslegung des Verfassungsrechts gelten.95 Ein anderes Verständnis stünde zudem in
89 Zu Möglichkeiten, ökonomische Argumente bei der Auslegung zu berücksichtigen siehe Eidenmüller, S. 450 ff. 90 Siehe mit einer ausführlichen Kritik der utilitaristischen Grundlagen Eidenmüller, S. 169 ff.; kritisch auch Korioth, S. 260 ff.; Fezer, JZ 1986, 817 ff.; ders., JZ 1988, 223 ff.; Morlok, S. 1 ff.; Ismer, S. 69 ff. 91 Siehe dazu oben S. 70 f. 92 Siehe im Hinblick auf Art. 109 Abs. 2 GG Ismer, S. 69 ff. 93 In diese Sinne auch deutlich Eidenmüller, S. 450 ff.; siehe auch Korioth, S. 260 ff.; Fezer, JZ 1986, 817 ff.; ders., JZ 1988, 223 ff.; Morlok, S. 1 ff.; Ismer, S. 69 ff. 94 Zusätzlich wird auch darauf hingewiesen, dass Richtern im Allgemeinen die Tatsachenkenntnis zur umfassenden Beurteilung ökonomischer Sachverhalte fehlen wird und Richter in Deutschland außerdem – zumindest im Allgemeinen – nicht ausreichend wirtschaftlich geschult sind, in diesem Sinne Eidenmüller, S. 414 ff. 95 Siehe jedoch die Ausführungen von Ismer, S. 69 (81 ff.) im Hinblick auf Art. 109 Abs. 2 GG.
B. Die ökonomische Analyse des Rechts
73
deutlichem Widerspruch zu der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten „wirtschaftspolitischen Neutralität“ des Grundgesetzes.96 Im Ergebnis können ökonomische Aussagen für die Auslegung von Normen daher nur im Rahmen der traditionellen Auslegungsmethoden Bedeutung gewinnen. Ihnen kann eine Bedeutung zukommen, muss es aber nicht. Sind die Aussagen der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre bei der Auslegung des Verfassungsrechts demnach nicht zwingend zu berücksichtigen, so könnten sie jedoch – ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit unterstellt – für den Gesetzgeber eine Alternative zu einer (gleichheitsrechtlich verstandenen) leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerungskonzeption darstellen.
96 Siehe dazu nur BVerfGE 4, 7 (17 ff.); 50, 290 (336 f.); und stellvertretend für viele aus der Literatur nur Badura, JuS 1976, 205 ff.; Hablitzel, BayVbl. 1981, 65 ff.; 100 ff.
Dritter Teil
Das Leistungsfähigkeitsprinzip als freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip – Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Berücksichtigung des Existenzminimums und der Gestaltung des Einkommensteuertarifs 1. Kapitel
Das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip und seine Konkretisierungen im Hinblick auf das Existenzminimum und den Einkommensteuertarif – die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Stellungnahmen der Literatur A. Der Stand der Rechtsprechung und der Literatur I. Das Leistungsfähigkeitsprinzip Das Leistungsfähigkeitsprinzip bzw. das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist als Besteuerungsprinzip sehr weitgehend anerkannt. Es wurde von der Finanzwissenschaft ausgeformt1 und hat später Eingang in Rechtsnormen,2 einschließlich des Verfassungsrechts3 und damit in die Rechtswissenschaft gefunden. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird als „Fundamentalprin1 Zur Entwicklung des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 6 ff., 21 ff.; Neumann, JbfNSt N.F. 1 (1880), 511 (578); Pohmer / Jurke, FA 42 (1984), 445 ff. 2 Siehe dazu bereits die Regelungen des von dem preußischen Finanzminister von Miquel nach dem Gesichtspunkt der Besteuerung der Leistungsfähigkeit ausgestaltete preußische Einkommensteuergesetz von 1891, PrGS 1891, Nr. 9463, 175, das neben einem steuerfreien Existenzminimum und Abzügen zur Berücksichtigung von Unterhaltspflichten zusätzlich in § 19 Preuß.EStG 1891 vorsah, dass besondere Umstände, die die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigen, steuerlich berücksichtigt werden müssen, siehe dazu S. 34 ff. 3 Siehe Art. 134 WRV; dazu Anschütz, Art. 134 WRV; Freytagh-Loringhoven, S. 328 ff.; zur Rechtslage unter dem Grundgesetz siehe sogleich.
A. Der Stand der Rechtsprechung und der Literatur
75
zip gerechter Besteuerung“4, als „ethisches Axiom“5 oder auch als „Gerechtigkeitsprinzip“6 bezeichnet. Der Begriff wird jedoch in vielfältiger Weise und mit zum Teil unterschiedlichen Inhalten belegt.
1. Das Leistungsfähigkeitsprinzip – verschiedene Deutungsmöglichkeiten Unterschiede in der Verwendung des Begriffs des Leistungsfähigkeitsprinzips lassen sich zum einen im Hinblick auf seine rechtliche Verbindlichkeit aufzeigen. So wird das Leistungsfähigkeitsprinzip zum Teil allein als wirtschaftswissenschaftliches Postulat verstanden7 oder auch als rechtspolitische Forderung erhoben.8 Vor allem in der juristischen Diskussion wird das Leistungsfähigkeitsprinzip darüber hinaus auch als verbindliche Rechtsnorm angesehen. Aber auch soweit das Leistungsfähigkeitsprinzip als Rechtsnorm verstanden wird, ergeben sich Unterschiede im Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips. So wird das Leistungsfähigkeitsprinzip zum Teil als dem einfachen Recht, insbesondere dem Einkommensteuerrecht zugrunde liegendes Strukturprinzip angesprochen.9 Sehr häufig wird das Leistungsfähigkeitsprinzip aber auch als Verfassungsgebot verstanden.10 Zum Teil finden sich auch Ansätze, die das Leistungsfähigkeitsprinzip zumindest in die Nähe des überpositiven Rechts zu rücken scheinen.11 Unterschiede zeigen sich jedoch darüber hinaus auch, soweit das Leistungsfähigkeitsprinzip als Teil des Verfassungsrechts betrachtet wird. So werden dem Leistungsfähigkeitsprinzip unterschiedliche Bezugspunkte zugeordnet. Anerkannt ist das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab für die Einkommensteuer.12 Auch das Bundesverfassungsgericht hat das Leistungsfähigkeitsprinzip auf die Einkommensteuer bezogen und verfassungsrechtliche Konsequenzen vor allem im HinTipke / J. Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 83. Kirchhof, StuW 1985, 319 (322). 6 Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 304; siehe auch Walzer, der auf der Basis des auf Rawls zurückgehenden vertragstheoretischen Entscheidungsmodells zum Leistungsfähigkeitsprinzip gelangt, StuW 1986, 201 ff.; ders., Steuergerechtigkeit, S. 107 ff. 7 Siehe dazu nur Haller, Die Steuern, S. 14 ff., 42 ff.; Neumark, Grundsätze, S. 121 ff. 8 Siehe dazu aus jüngster Zeit nur das Gemeinsame steuerpolitische Programm von CDU und CSU vom 07. 03. 2004, unter www.cdu.de / doc / pdf / 080304-beschluss-steuerrecht.pdf, S. 8 ff. 9 Deutlich ist die Differenzierung zwischen dem Leistungsfähigkeitsprinzip als dem einfachen Recht zugrunde liegendes Prinzip und als verfassungsrechtliches Prinzip vor allem im Zusammenhang mit dem objektiven Nettoprinzip: bis zum jetzigen Zeitpunkt hat das Bundesverfassungsgericht den verfassungsrechtlichen Charakter des objektiven Nettoprinzips offen gelassen, seine Bedeutung als dem einfachen Recht zugrunde liegendes Prinzip hingegen betont, siehe BVerfGE 81, 228 (237); 107, 27 (47). 10 Dazu im Folgenden. 11 Siehe dazu Kirchhof, StuW 1985, 319 (323 f.); siehe auch Tipke, StRO I, S. 491 ff. 12 Siehe dazu sogleich auf S. 76 ff. 4 5
76
3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
blick auf die Einkommensteuer gezogen.13 Manche Autoren verstehen das Leistungsfähigkeitsprinzip darüber hinaus als ein für den gesamten Bereich des Steuerrechts geltender Verfassungsrechtssatz, der weiter inhaltlich konkretisiert werden kann und muss. In diesem Sinne stützt Vogel das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip auf eine „vierfache Wurzel“, so auf den allgemeinen Gleichheitssatz, das Sozialstaatsprinzip, das aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbare Willkürverbot und die finanzverfassungsrechtlichen Normen. Vogel leitet aus dem so fundierten Leistungsfähigkeitsprinzip zum einen Vorgaben für zulässige Indikatoren einzelner Steuerarten, zum anderen aber auch konkrete Anforderungen im Hinblick auf die Einkommensteuer ab.14 In ähnlicher Weise versteht Tipke das Leistungsfähigkeitsprinzip als allgemeines verfassungsrechtliches Prinzip, aus dem einerseits Vorgaben für zulässige steuerliche Anknüpfungspunkte, andererseits aber auch Vorgaben für die Belastung mit Einkommensteuer abgeleitet werden können. Tipke stützt das Leistungsfähigkeitsprinzip auf zahlreiche grundgesetzliche Vorschriften, darunter den allgemeinen Gleichheitssatz, das Sozialstaatsprinzip, die Menschenwürdegarantie und auch die wirtschaftlichen Freiheitsrechte.15
2. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungsrechtlicher Maßstab der Einkommensteuer a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts In den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Einkommensteuer finden sich schon früh Hinweise auf das Leistungsfähigkeitsprinzip.16 In den ersten Entscheidungen ist das Leistungsfähigkeitsprinzip jedoch regelmäßig nur als der Einkommensteuer, d. h. dem einfachen Recht zugrunde liegendes Prinzip gemeint.17 Das Gericht argumentierte zurückhaltend, verwies im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes auf die Leistungsfähigkeit als vom Gesetzgeber selbst gewählten Anknüpfungspunkt. Der verfassungsrechtliche Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips blieb regelmäßig offen.18 In späteren Entscheidungen erkennt 13 Siehe BVerfGE 43, 108 (118 ff.); 61, 319 ff.; 66, 214 ff.; 82, 60 ff.; 99, 216 ff. siehe ausführlich zur Rechtsprechungsentwicklung sogleich unter Pkt. 2. a) sowie S. 80 ff. 14 Siehe bereits Vogel, DStJG 12 (1989), 123 (141); ders., HdbStR IV, § 87, Rz. 93 ff.; siehe auch Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 519 ff.; im Hinblick auf die Belastung mit Einkommensteuer siehe Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 ff. 15 Siehe nur Tipke, StRO I, S. 478 ff. 16 So u. a. BVerfGE 9, 237 (243); 13, 290 (297); 21, 54 (64); 27, 58 (67); 32, 333 (339); 36, 66 (72); zur Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe auch die Darstellungen von Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 500 ff., insbesondere 508 ff.; Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 ff.; Söhn, FA 51 (1993), 372 ff.; Arndt / Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (526 ff.). 17 Deutlich insoweit BVerfGE 13, 290 (297). 18 Unklar insoweit z. B. BVerfGE 27, 58 (67).
A. Der Stand der Rechtsprechung und der Literatur
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das Gericht das Leistungsfähigkeitsprinzip jedoch als verfassungsrechtliches Gebot an. Zum ersten Mal tritt sein verfassungsrechtlicher Charakter in der Entscheidung zu der „reinen Kindergeldlösung“ aus dem Jahre 1976 klar hervor: Darin stellt das Gericht fest, dass Art. 3 Abs. 1 GG das Gebot der Steuergerechtigkeit zu entnehmen sei. Es entspreche dem grundsätzlichen Gebot der Steuergerechtigkeit, dass die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit auszurichten sei. Außerdem seien die Wertmaßstäbe des Grundgesetzes, Art. 6 GG und das Sozialstaatsprinzip zu beachten. Allerdings bezeichnet das Bundesverfassungsgericht das Leistungsfähigkeitsprinzip in dieser Entscheidung noch als „vieldeutig“. 19 In den späteren Entscheidungen wird an dem verfassungsrechtlichen Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips festgehalten, die Zurückhaltung in seiner Konkretisierung jedoch – zumindest teilweise – aufgegeben.20 Wie in der Kindergeldentscheidung leitet das Bundesverfassungsgericht das Leistungsfähigkeitsprinzip auch in der Folgezeit aus dem Gebot der in Art. 3 GG verankerten Steuergerechtigkeit her und zieht dabei die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zugunsten von Ehe und Familie sowie das Sozialstaatsprinzip heran.21 In der Kindergeldkürzungsentscheidung aus dem Jahre 1990 führt das Gericht dann aus, dass aus Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip folge, dass das Existenzminimum des Steuerpflichtigen steuerfrei bleiben müsse. Im Hinblick auf das familiäre Existenzminimum ergebe sich dies zusätzlich aus Art. 6 Abs. 1 GG.22 An späterer Stelle behandelt das Gericht dann das Leistungsfähigkeitsprinzip und leitet dieses wie in den früheren Entscheidungen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ab.23 Unterhaltsaufwendungen für Kinder minderten die steuerliche Leistungsfähigkeit. Weiter ergänzt das Gericht, dass diese Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips zusätzlich aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG folge.24 Insoweit scheint das Gericht dem Leistungsfähigkeitsprinzip neben gleichheitsrechtlichen auch originär freiheitsrechtliche Gehalte zuzuordnen. Eine vergleichbare Argumentation findet sich auch in der jüngeren Entscheidung zur Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs. Nachdem das Gericht die Steuerfreiheit des (familiären) Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 iVm dem Sozialstaatsprinzip und Art. 6 Abs. 1 GG hergeleitet und auf seine Rechtsprechung zum gleichheitsrechtlich fundierten Leistungsfähigkeitsprinzip hingewiesen hat, heißt es dort: „Bei der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit muss der Staat daher den Unterhaltsaufwand für Kinder des Steuerpflichtigen in dem Umfang als besteuerbares Einkommen außer Betracht lassen, in dem dieses zur Gewährleistung des Existenzminimums der Kinder er19 BVerfGE 43, 108 (118, 120); siehe zu dieser Entscheidung Lehner, FS für Zacher, S. 511 ff.; Vogel, DStR 1977, 31; Bopp, FR 1977, 157. 20 Siehe nur BVerfGE 61, 319 ff.; 66, 214 ff.; 82, 60 ff.; 99, 216 ff. 21 BVerfGE 43, 108 ff.; 61, 319 ff.; 66, 214 ff.; 82, 60 ff.; 87, 153 ff.; 99, 216 ff. 22 BVerfGE 82, 60 (85). 23 BVerfGE 82, 60 (86 f.). 24 BVerfGE 82, 60 (87).
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
forderlich ist.“25 Auch diese Aussage kann dahingehend verstanden werden, dass das Bundesverfassungsgericht dem Leistungsfähigkeitsprinzip neben gleichheitsrechtlichen auch – auf das steuerfreie Existenzminimum bezogene – originär freiheitsrechtliche Gehalte beimisst. In der Grundfreibetragsentscheidung aus dem Jahre 1992 leitet das Bundesverfassungsgericht dann die Notwendigkeit, das Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst steuerfrei zu belassen, dann aus der allgemeinen Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich, d. h. allein freiheitsrechtlich her.26 Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird weiter als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes verstanden, was sich zeigt, wenn das Gericht ausdrücklich feststellt, dass sich aus dem gleichheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzip keine weiteren Konsequenzen ziehen lassen.27 Im Ergebnis erkennt das Bundesverfassungsgericht das Leistungsfähigkeitsprinzip als gleichheitsrechtlich fundierten Maßstab der Einkommensteuer an. Angesichts der Kindergeldkürzungsentscheidung und der jüngeren Entscheidung zur Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs, in denen sich Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass das Gericht auch originär freiheitsrechtliche Elemente als Teil des Leistungsfähigkeitsprinzips ansieht einerseits und der Grundfreibetragsentscheidung andererseits, in der sich ein rein gleichheitsrechtliches Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips zeigt, verbleiben jedoch Unklarheiten darüber, welche Inhalte dem Leistungsfähigkeitsprinzip aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts zuzuordnen sind.
b) Ansichten in der Literatur Auch in der Literatur wird das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungsrechtlicher Maßstab der Einkommensteuer überwiegend anerkannt und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf den allgemeinen Gleichheitssatz gestützt. Soweit diese Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes – über den Hinweis auf die Steuergerechtigkeit hinaus – verfassungsrechtlich näher begründet wird, wird für die Berücksichtigung familiärer Lasten auf Art. 6 GG, ansonsten auf den Menschenwürdesatz und das Sozialstaatsprinzip oder auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verwiesen.28 Diese Bezugnahme auf andere BVerfGE 99, 216 (233). BVerfGE 87, 153 ff. 27 Siehe auch die spätere Entscheidung des ersten Senats, in dem das Leistungsfähigkeitsprinzip als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes wieder eine zentrale Rolle einnimmt, BVerfGE 99, 216 ff. 28 Siehe dazu nur Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 302 ff.; ders., FS für Tipke, S. 237 (243 ff.); ders., StuW 1986, 59 ff.; Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 ff.; ders., DStZ / A 1975, 409 ff.; ders., StuW 1999, 201 ff.; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip; Goebbels, S. 76; Gröpl, StuW 2001, 150 (155); Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 9 ff.; dies., StuW 1998, 293 ff.; Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 17 ff.; ders., in: K / S / M, § 2 EStG, Rz. A 150 ff.; ders., 25 26
A. Der Stand der Rechtsprechung und der Literatur
79
verfassungsrechtliche Normen wird dabei als freiheitsrechtliche Anreicherung des allgemeinen Gleichheitssatzes beschrieben.29 Ähnlich wie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bleibt jedoch auch in den Ausführungen der Literatur bisweilen unklar, ob die Steuerfreiheit des Existenzminimums selbst freiheitsrechtlich begründet wird und ob diese originär freiheitsrechtliche Begründung als Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips anzusehen ist.30 Andere, wenngleich nur vereinzelte Stimmen in der Literatur bestreiten demgegenüber den verfassungsrechtlichen Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips.31 Sie halten die gleichheitsrechtliche Anknüpfung an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen für möglich, sehen darin aber nicht das verfassungsrechtlich allein zulässige Vergleichskriterium. Das Leistungsfähigkeitsprinzip lasse sich als verfassungsrechtliches Gebot nicht begründen, es bleibe Behauptung. Die Kärrnerarbeit der Verfassungsauslegung werde vernachlässigt.32
VVDStRL 39 (1981), 213 ff.; ders., Verhdl. d. 57. Dt. Juristentages, F; ders., JZ 1982, 305 ff.; ders., NJW 2000, 2792 ff.; ders., StuW 1984, 297 ff.; ders., StuW 1985, 319 ff.; das Leistungsfähigkeitsprinzip hingegen als Verbindung von Gleichheitssatz und Eigentumsfreiheit sehend ders., HdbStR IV, § 88, Rz. 114 ff.; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 97 ff.; ders., DStJG 24 (2001), 49 ff.; ders., StuW 1989, 201 ff.; Laws, S. 60 ff.; Löhr, S. 203 ff.; Renner, S. 18 ff.; Seer / V. Wendt, NJW 2000, 1904; Söhn, FS für Tipke, S. 343 ff.; ders., FA 51 (1993), 372 ff.; ders., FS für Klein, S. 421 ff.; Thiede, S. 75 ff.; Tipke, StRO II, S. 560 ff.; ders., Steuergerechtigkeit, S. 57 ff.; ders., StuW 1988, 262 ff.; ders., FS für Wacke, S. 211 ff.; ders., StuW 1971, 2 ff.; ders., BB 1994, 437 ff.; Tipke / J. Lang, Steuerrecht, S. 82 ff.; Vollmer, S. 45 ff.; R. Wendt, FS für Tipke, S. 47 (50); Zwanziger, S. 119 ff.; aus schweizerischer Sicht Klett, FS für Tipke, S. 599 ff. Noch umfassender versteht Jüptner das Leistungsfähigkeitsprinzip als Zusammenfassung aller für die Belastung mit Einkommensteuer relevanten verfassungsrechtlichen Normen; neben dem allgemeinen Gleichheitssatz wird dabei dem Eigentumsgrundrecht, der Berufsfreiheit, der allgemeinen Handlungsfreiheit, der Menschenwürdegarantie, dem Rechtsstaatsprinzip und dem Sozialstaatsprinzip Bedeutung beigemessen; Jüptner, Leistungsfähigkeit, S. 97 ff.; ders., StVj 1990, 307 ff. Er versteht das Leistungsfähigkeitsprinzip jedoch als Prinzip, das selbst mehr enthält als die Summe seiner einzelnen grundgesetzlich normierten Ausformungen. Auf eine Vielzahl verfassungsrechtlicher Normen verweist auch Laws, S. 60 ff.; kritisch zur Verankerung in einer Vielzahl verfassungsrechtlicher Normen hingegen Löhr, S. 223. 29 Deutlich insoweit Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 364 ff.; siehe aber auch Arndt / Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (531); Tipke, StRO I, S. 485 ff. 30 Eine nicht in jedem Punkt eindeutige Zuordnung von freiheitsrechtlichen und gleichheitsrechtlichen Gehalten zum Leistungsfähigkeitsprinzip findet sich häufig, siehe nur Söhn, FA 51 (1993), 372 ff.; Arndt / Schumacher, AöR 118 (1993), 513 ff.; R. Wendt, FS für Tipke, S. 47 (50 ff.); Tipke, StRO I, 1. Aufl., S. 490. 31 Arndt, JZ 1983, 200 ff.; ders., FS für Mühl, S. 17 ff.; ders., NVwZ 1988, 787 ff.; Flume, StbJb 25 (1973 / 74), 53 ff.; Kruse, StuW 1990, 322 (327); ders., FS für Friauf, S. 793 (796 ff.); Martens, KritV 1987, 39 ff.; Leisner, StuW 1983, 97 ff.; zurückhaltend auch Herzog, DStZ 1988, 287 (289); kritisch aus österreichischer Sicht Gassner / M. Lang, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 63 ff.; dies., ÖStZ 2000, 643 ff.; aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Littmann, FS für Neumark, S. 113 ff. 32 Arndt, FS für Mühl, S. 17 (29 f.); Martens, KritV 1987, 39 (40).
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
Im Ergebnis herrscht damit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und – bis auf wenige Stimmen – in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip einen verfassungsrechtlichen Maßstab der Einkommensteuer darstellt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird dabei regelmäßig zentral im allgemeinen Gleichheitssatz verankert und durch andere Normen des Grundgesetzes ergänzt. Dabei bleibt in der Rechtsprechung und in der Literatur jedoch manchmal offen, ob den freiheitsrechtlichen Wertungen im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips nur Bedeutung für die Wahl des gleichheitsrechtlichen Anknüpfungskriteriums zukommt oder ob das Leistungsfähigkeitsprinzip neben den gleichheitsrechtlichen auch – auf das Existenzminimum bezogene – originär freiheitsrechtliche Wertungen einschließt. II. Verfassungsrechtliche Vorgaben im Hinblick auf Existenzminimum und Tarif 1. Die Berücksichtigung des (familiären) Existenzminimums a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat das Leistungsfähigkeitsprinzip – ausgehend von der Kindergeldentscheidung aus dem Jahre 197633 – im Hinblick auf die Berücksichtigung des (familiären) Existenzminimuns in zahlreichen Entscheidungen immer stärker konkretisiert.34 Ausgangspunkt der Rechtsprechungsentwicklung ist die erwähnte Kindergeldentscheidung.35 In dieser Entscheidung bezeichnet das Gericht das Leistungsfähigkeitsprinzip zwar – wie bereits dargelegt – als „vieldeutig“. Es leitet daraus jedoch zumindest ab, dass unvermeidbare private Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden müssen. Berücksichtige der Gesetzgeber Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern nicht, so stelle dies eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen mit Kindern und kinderlosen Steuerpflichtigen gleicher Leistungsfähigkeit dar. Bei der Frage, wie diese Belastung zu berücksichtigen ist, lässt das Gericht dem Gesetzgeber jedoch noch einen weiten Spielraum. Zur „reinen Verwirklichung des Prinzips“ sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet. Das Gericht erkennt dabei zum einen an, dass der Gesetzgeber die kindesbedingten Belastungen nicht in vollem Umfang ausgleicht, zum anderen hält es auch die Berücksichtigung dieser Belastungen als Kindergeld im Sozialrecht und nicht im Steuerrecht für verfassungsrechtlich zulässig.36 Im Ergebnis sieht das Gericht da33 BVerfGE 43, 108 ff.; siehe zu dieser Entscheidung bereits oben S. 76 ff., siehe auch Lehner, FS für Zacher, S. 511 ff.; Vogel, DStR 1977, 31; Bopp, FR 1977, 157. 34 Siehe auch die Darstellungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. Zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 500 ff., insbesondere 508 ff.; Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 ff.; Söhn, FA 51 (1993), 372 ff. 35 BVerfGE 43, 108 (120 ff.). 36 BVerfGE 43, 108 (120 ff.).
A. Der Stand der Rechtsprechung und der Literatur
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her in dieser Entscheidung die Leistungsfähigkeit durch Unterhaltspflichten gemindert, klare Konsequenzen zieht es daraus jedoch nicht. Konsequenzen zieht das Gericht jedoch in seiner späteren Entscheidung zur Berücksichtigung zwangsläufiger Betreuungsaufwendungen berufstätiger Alleinstehender mit Kindern:37 wegen ihrer Unvermeidbarkeit müssten diese Aufwendungen aus dem privaten Bereich steuerlich berücksichtigt werden, anderenfalls werde gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstoßen. Einen weiteren Schritt geht das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu den Grenzen der Berücksichtigung von Unterhaltspflichten aus dem Jahre 1984.38 In dieser Entscheidung leitet es aus dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nun auch eine messbare Grenze ab: Der Gesetzgeber dürfe keine realitätsfremden Grenzen festlegen.39 Die nächste wichtige Stufe bei der Entwicklung seiner Rechtsprechung im Hinblick auf die Steuerfreiheit des Existenzminimums vollzog das Gericht dann mit der Kindergeldkürzungsentscheidung im Jahr 1990: Hatte es bis dahin allein mit dem durch Art. 6 GG und das Sozialstaatsprinzip angereicherten allgemeinen Gleichheitssatz argumentiert, so begründete das Gericht sein Ergebnis, dass das Existenzminimum steuerfrei bleiben müsse, in dieser Entscheidung originär freiheitsrechtlich – aus Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip. Aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebe sich, dass zusätzlich auch das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben müsse.40 Allerdings führt das Gericht in dieser Entscheidung aus, dass nicht verlangt werden könne, dass der Unterhaltsanspruch von Kindern steuerlich notwendigerweise in der vollen Höhe des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs berücksichtigt werden müsse.41 Eine individuelle Bemessung der Unterhaltslasten erschwere das Besteuerungsverfahren über Gebühr. Auch verzichte der Staat beim Unterhaltsberechtigten auf seinen Steueranspruch. Eine Bemessung am bürgerlich-rechtlichen Unterhalt sei aber auch sachlich nicht geboten, denn ansonsten hänge die Höhe des Abzugs vom sozialen Status der Familie ab. Ebenfalls freiheitsrechtlich, wenngleich mit einem Schwerpunkt auf anderen Freiheitsrechten, argumentiert der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in seiner Grundfreibetragsentscheidung: Steuergesetze griffen in „die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG)“ ein. Daher müsse die grundsätzliche Privatnützigkeit des Erworbenen und 37 BVerfGE 61, 319 ff.; siehe zu dieser Entscheidung Arndt, JZ 1983, 200; Rendels, DStR 1983, 494 ff.; Schmidt-Bleibtreu, BB 1983, 50. 38 BVerfGE 66, 214 ff.; 67, 290 ff.; zu dieser Entscheidung Vogel, StuW 1984, 197 ff.; Deubner, NJW 1985, 839 ff.; Zeidler, StuW 1985, 1 ff. 39 BVerfGE 66, 214 (223 ff.). 40 BVerfGE 82, 60 ff.; zu der Entscheidung siehe Lehner, FS für Zacher, S. 511 ff.; siehe auch Bareis, DStR 1991, 1164 ff.; Buob, DStZ 1990, 579 ff.; Dötsch, FR 1991, 315 ff.; Felix, DStZ 1990, 471 ff.; Giloy, DStZ 1990, 599 ff.; Jüptner, StVj 1990, 307 ff.; Kanzler, FR 1990, 457 ff.; J. Lang, StuW 1990, 331 ff.; Ross, DStZ 1990, 611 ff.; eine vergleichbare Argumentation findet sich in BVerfGE 99, 216 ff. 41 BVerfGE 82, 60 (91).
6 Liesenfeld
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
damit das Existenzminimum gewahrt bleiben.42 Wieder der Argumentationsstruktur der Kindergeldkürzungsentscheidung entsprechend argumentiert das Gericht in seiner bisher letzten maßgeblichen Entscheidung zum Betreuungs- und Erziehungsbedarf aus dem Jahre 1998:43 Aus Art. 1 Abs. 1 iVm dem Sozialstaatsprinzip und Art. 6 GG folge, dass das familiäre Existenzminimum steuerfrei belassen werden müsse. Dies umfasst nach Auffassung des Gerichts auch den Betreuungs- und den Erziehungsbedarf: Im Gegensatz zu seinen Ausführungen in der älteren Alleinerziehendenentscheidung 44 stellt es fest, dass der Betreuungs- und der Erziehungsbedarf eines Kindes – als Teil des familiären Existenzminimums – die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern generell mindere und daher nicht nur bei Alleinerziehenden, sondern auch bei Ehepaaren steuerlich berücksichtigt werden müsse. Dies gelte im Hinblick auf den Betreuungsbedarf eines Kindes auch unabhängig davon, ob eine Eigen- oder eine Fremdbetreuung gewählt werde und damit im Ergebnis unabhängig davon, ob eine tatsächliche finanzielle Belastung entstehe.45 Der Gesetzgeber habe die Entscheidung der Eltern für die jeweils gewählte Form der Kinderbetreuung anzuerkennen. Neben diesen materiellen Vorgaben der Steuerfreiheit des familiären Existenzminimums trifft das Bundesverfassungsgericht in einigen seiner Entscheidungen auch Aussagen im Hinblick auf die steuertechnische Umsetzung, die Art und Weise der Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs: In seiner Kindergeldkürzungsentscheidung argumentiert das Gericht, dass aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip als steuerrechtlicher Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG folge, dass das familiäre Existenzminimum, sofern die Besteuerung von Steuerpflichtigen mit und ohne Kindern nach einem einheitlichen Tarif vorgenommen würde, nicht nur nach Steuern erhalten bleiben müsse. Vielmehr dürfe allein das über das familiäre Existenzminimum hinausgehende Einkommen der Steuer unterworfen werden. Im anderen Fall würden Steuerpflichtige mit Kindern gegenüber solchen ohne Kinder benachteiligt. 46 Zu einem anderen Ergebnis gelangt hingegen der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in der Grundfreibetragsentscheidung aus dem Jahre 1992 im Hinblick auf den existenznotwendigen Bedarf des Steuerpflichtigen selbst:47 Zwar müsse der existenznotwendige Bedarf von Verfassungs wegen von der Einkommensteuer frei gestellt werden. Nicht zwingend gefordert werden könne jedoch, dass das Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst vorweg von der Bemessungsgrundlage abzuziehen sei. Das Erfordernis der gleichen Belastung 42 BVerfGE 87, 153 ff., dazu Arndt, StVj 1993, 1 ff.; vgl. auch Arndt / Schumacher, NJW 1994, 961 ff.; Schemmel, StuW 1993, 70 ff. 43 BVerfGE 99, 216 ff. sowie BVerfGE 99, 246 ff., vgl. dazu die Anmerkung von Lehner, JZ 1999, 726 ff. 44 BVerfGE 61, 319 ff. 45 BVerfGE 99, 216 (230 ff.). 46 BVerfGE 82, 60 (86 ff.). 47 BVerfGE 87, 153 ff.; dazu Schemmel, StuW 1993, 70 ff.; Arndt, StVj 1993, 1 ff.; vgl. auch Arndt / Schumacher, NJW 1994, 961 ff.
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von Steuerpflichtigen gleicher Leistungsfähigkeit begründe insoweit keine zusätzlichen Anforderungen. In der Kindergeldentscheidung des Jahres 199448 hat das Gericht diesen vermeintlichen Widerspruch im Hinblick auf die Art und Weise der Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs dann aufgelöst: Der Unterhaltsaufwand für Kinder müsse zumindest dann von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden, wenn die Besteuerung von Steuerpflichtigen mit und ohne Kinder aufgrund eines einheitlichen Tarifs erfolge. Dies erfordere der Gleichheitssatz. Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst hingegen müsse bei allen Steuerpflichtigen berücksichtigt werden und stelle daher nur einen „Rechenposten in der Ausgestaltung des Tarifs“ dar.49
b) Ansichten in der Literatur Eine vergleichbare Argumentationsweise findet sich auch in weiten Teilen der Literatur: Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst, wie auch das Existenzminimum seiner Familie müssten steuerfrei bleiben. Und zumindest das familiäre Existenzminimum, typischerweise also dasjenige von Kindern des Steuerpflichtigen, müsse als Abzug von der Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden. Ansonsten würden Steuerpflichtige, die Unterhaltsverpflichtungen zu tragen hätten, und Steuerpflichtige ohne solche Unterhaltsverpflichtungen trotz gleicher Leistungsfähigkeit ungleich behandelt.50 Besteht in weiten Teilen der Literatur Konsens über diese Grundsätze, so gibt es dennoch Unterschiede im Detail. Die Diskussion bezieht sich dabei vor allem auf die Fragen, welche Umstände als leistungsfähigkeitsmindernde Umstände steuerfrei gestellt werden müssen, ob der Betreuungsaufwand auch steuerfrei zu stellen ist, wenn tatsächlich keine finanzielle Belastung entstanden ist, in welcher Höhe die Umstände zu berücksichtigen sind 48 BVerfGE 91, 93 ff.; so auch Tipke, FR 1990, 349 f.; ders., StuW 1993, 8 (18); zu dieser Entscheidung Arndt / Schumacher, DStR 1994, 1219 ff. 49 BVerfGE 91, 93 (108). Eine Abweichung von dieser Rechtsprechung ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 10. 11. 1998, BVerfGE 99, 216 ff. sowie BVerfGE 99, 246 ff. Zwar stellt das Gericht in beiden Entscheidungen fest, dass das „Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder“ steuerfrei bleiben müsse, BVerfGE 99, 216 (233); 99, 246 (260) und unterscheidet damit nicht zwischen dem Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst und den Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern. Da sich die Aussage aber nur auf die Steuerfreiheit des Existenzminimums selbst bezieht und nicht auf die Art und Weise der Umsetzung, kann insoweit nicht von einer Rechtsprechungsänderung ausgegangen werden, siehe dazu auch Lehner, JZ 1999, 726 (728). 50 Siehe dazu Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 401 ff.; Vogel, FS für Offerhaus, S. 41 ff.; Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 500 ff.; siehe auch stellvertretend für viele weitere Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 140 ff.; Jüptner, Leistungsfähigkeit, S. 78 ff.; Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (270); ders., Verfassungsstaat, S. 54 ff.; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 191 ff.; Söhn, FA 51 (1993), 372 ff.; Tipke, StRO II, S. 672 ff.; Tipke / J. Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 43; R. Wendt, FS für Tipke, S. 47 (50 ff.).
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und welche Vorgaben für die Art und Weise ihrer Berücksichtigung abgeleitet werden können. Die Frage, welche Umstände als indisponibles Einkommen von der Besteuerung frei gestellt werden müssen, hat durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die auch den Betreuungs- und Erziehungsbedarf von Kindern als Teil des familiären Existenzminimums versteht und daher steuerfrei gestellt sehen will, besondere Aufmerksamkeit bekommen. Diese Entscheidung wurde von politischer Seite,51 aber auch von Teilen der rechtswissenschaftlichen Literatur begrüßt.52 Andere Autoren sehen diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hingegen kritisch. Die Forderung nach einer Steuerfreiheit des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs könne nicht als Ergebnis einer Verfassungsauslegung angesehen werden. Es ließen sich noch viele, weitere Bedarfe kreieren, so der Ausbildungsbedarf, der Vorsorgebedarf oder auch der Vermögensbildungsbedarf.53 Besonders kritisch beurteilt wird dabei die vom Verfassungsgericht postulierte Notwendigkeit, neben dem Betreuungsbedarf auch den Erziehungsbedarf steuerfrei zu stellen. Der Erziehungsbedarf sei nicht Teil des Existenzminimums, sondern stelle disponibles Einkommen dar.54 Von einer größeren Anzahl von Autoren wird auch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts kritisch hinterfragt, Kinderbetreuungsaufwendungen müssten auch dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn eine finanzielle Belastung durch eine Betreuung in der Familie tatsächlich nicht entstanden ist.55 Gegen diese Rechtsprechung wenden sich einerseits Autoren, die eine Berücksichtigung des Betreuungsaufwandes nur auf der Grundlage des objektiven Nettoprinzips anerkennen,56 andererseits aber auch Autoren, die die Berücksichtigung von Betreuungsaufwendungen zumindest auch als Teil des subjektiven Leistungsfähigkeitsprinzips verstehen, diese aber auf die Fälle begrenzen wollen, in denen es tatsächlich zu einer finanziellen Einbuße gekommen ist.57 Im Ergebnis führe diese RechtSiehe dazu H.-P. Schneider, NJW 1999, 1303 ff. Kirchhof, NJW 2000, 2792 ff.; zustimmend insoweit wohl auch Seer / V. Wendt, NJW 2000, 1904 (1907); im Ergebnis zustimmend, soweit Kinderbetreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit anfallen Sacksofsky, NJW 2000, 1896 (1902). 53 H.-P. Schneider, NJW 1999, 1303 ff.; kritisch auch Sacksofsky, NJW 2000, 1896 ff. 54 Kritisch insoweit H.-P. Schneider, NJW 1999, 1303; Ahmann, NJW 2002, 633 (634); Heuermann, DStR 2000, 1546 (1550); Seer / v. Wendt, NJW 2000, 1904 (1908 f.); Tiedchen, BB 1999, 1681 (1684 f.). 55 Schön, DStR 1999, 1677 (1680); siehe auch Ahmann, NJW 2002, 633 (634); Sacksofsky, NJW 2000, 1896 (1902); Sangmeister, StuW 2001, 168 (175 f.); H.-P. Schneider, NJW 1999, 1303; Seer / V. Wendt, NJW 2000, 1904 (1907); Tiedchen, BB 1999, 1681 (1683); kritisch auch Kanzler, FR 1999, 158 ff.; Renner, S. 100, 106; zustimmend hingegen Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (62); siehe auch Gröpl, StuW 2001, 150 (161 f.); Heuermann, BB 1999, 660 (661); Kirchhof, NJW 2000, 1792 (2795); Papier, NJW 2002, 2129 (2131); zustimmend wohl auch Arndt / Schumacher, NJW 1999, 745. 56 So wohl Sacksofsky, NJW 2000, 1896 (1902). 57 Schön, DStR 1999, 1677 (1680); Seer / V. Wendt, NJW 2000, 1904 (1907). 51 52
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sprechung zu einer Bevorzugung, ja einer Subventionierung von Familien mit geringem Fremdbetreuungsaufwand, vor allem also Einverdienerehen.58 Manche Autoren gehen dabei in ihrer Kritik soweit, dass sie nicht nur die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der steuerlichen Befreiung eines nicht als finanzielle Last entstandenen Eigenbetreuungsaufwandes bestreiten, sondern seine Berücksichtigung selbst für verfassungswidrig halten.59 Uneinig ist man darüber hinaus über die zu berücksichtigende Höhe der Unterhaltsverpflichtung. Dabei wird zum Teil gefordert, der volle bürgerlich-rechtliche Unterhalt müsse steuerfrei gestellt werden.60 Das Zivilrecht sehe eine Rechtspflicht zur Leistung des Unterhalts in der vollen, nach der „Düsseldorfer Tabelle“ berechneten Höhe vor. Eine Berücksichtigung nur des existenznotwendigen Bedarfs setze sich in Widerspruch zu Zivil- und Strafrecht.61 Gleichheitsrechtlich müsse – entsprechend der horizontalen Leistungsfähigkeit – ein voller Abzug gefordert werden.62 Eine andere Sichtweise widerspreche zudem der Rechtsprechung, dass Unterhaltspflichten in einer realitätsgerechten Höhe berücksichtigt werden müssen.63 Das Argument, die Unterhaltsberechtigten müssten den erhaltenen Unterhalt nicht versteuern, überzeuge nicht. Zum einen müsse Leistungsfähigkeit individuell auf jede einzelne Person bezogen werden. Zum anderen ginge die Besteuerung beim Unterhaltsverpflichteten aufgrund des progressiven Tarifs im Ergebnis auch deutlich über das hinaus, was der Unterhaltsberechtigte an Steuern zahlen müsste.64 Kontrovers beurteilt wird in der Literatur auch die Frage, in welcher Art und Weise leistungsfähigkeitsmindernde Umstände berücksichtigt werden müssen. Dabei wurden gegenüber der Rechtsprechung vor allem zwei Einwendungen erhoben: Zum einen wurde auf der Basis des subjektiven Leistungsfähigkeitsprinzips von manchen Autoren gefordert, dass die Berücksichtigung von leistungsfähigkeitsmindernden Umständen für jeden Steuerpflichtigen die gleichen Entlastungswirkungen haben müsse.65 Dagegen wird jedoch allgemein eingewandt, dass entscheiSchön, DStR 1999, 1677 (1679); Seer / V. Wendt, NJW 2000, 1904 (1907). Ahmann, NJW 2002, 633 (634); Sangmeister, StuW 2001, 168 (175 f.). 60 In diesem Sinne Vogel, FS für Offerhaus, S. 55; ders., StuW 1984, 197 (203); Dziadkowski, DStZ 1999, 273 (278); Fra. Klein, BayVbl. 1974, 1 (2); ders., DStR 1987, 779 (782); Mittmann, DStZ 1991, 163; Söhn, FS für Klein, S. 431 ff.; Zeidler, HdbVerfR, S. 604; zurückhaltend Jüptner, StVj 1990, 307 (313 f.); R. Wendt, FS für Tipke, S. 47 (50 ff.); anders jedoch Sacksofsky, NJW 2000, 1896 (1901); Seer / V. Wendt, NJW 2000, 1904 (1907); Lingemann, S. 66, 157; Vollmer, S. 73 ff.; im verfassungsrechtlichen Ergebnis anders auch Gröpl, StuW 2001, 150 (163 f.). 61 Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (57); Gröpl, StuW 2001, 150 (163 f.); deutlich auch Zeidler, HdbVerfR, S. 604. 62 Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (56). 63 So auch Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (56). 64 So ebenfalls Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (55); Jüptner, StVj 1990, 307 (313). 65 Lehner, StuW 1986, 59 ff.; ebenso Giloy, FR 1986, 56 (60); anders jetzt Lehner, DStR 1992, 1641 (1644). 58 59
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dend die Belastungs-, nicht aber die Entlastungswirkung sei.66 Zum anderen wurde die bisherige Ausgestaltung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen als tariflicher Grundfreibetrag angegriffen und gefordert, dass auch das Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden müsse.67 Nur so könne das zu versteuernde Einkommen seine Maßstabsfunktion ausüben.68 Andere halten die Differenzierung des Bundesverfassungsgerichts demgegenüber für zutreffend: aus gleichheitsrechtlicher Sicht könne ein Abzug von der Bemessungsgrundlage nur hinsichtlich solcher unvermeidbarer privater Lasten gefordert werden, die nur von einem Teil der Steuerpflichtigen zu tragen sind. Das Existenzminimum der Steuerpflichtigen selbst müsse hingegen bei allen Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, so dass eine gleichheitsrechtliche Argumentation keine Anforderungen im Hinblick auf die Art und Weise der steuerlichen Berücksichtigung begründen könne.69 Im Ergebnis besteht damit in Rechtsprechung und Wissenschaft ein weitgehender Konsens darüber, dass der existenznotwendige Bedarf des Steuerpflichtigen selbst und seiner Familie steuerfrei bleiben muss. Weiterhin wird allgemein angenommen, dass zumindest das familiäre Existenzminimum aus gleichheitsrechtlichen Gründen als Abzug von der Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden muss. Dissens besteht demgegenüber darüber, welche Umstände und in welcher Höhe sie steuerfrei gestellt werden müssen und in welcher Art und Weise das Existenzminimum des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden kann. Speziell im Hinblick auf den Betreuungsbedarf ist umstritten, ob dieser auch berücksichtigt werden muss, wenn keine finanziellen Aufwendungen entstanden sind.
2. Der Verlauf des Einkommensteuertarifs a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat sich nur in wenigen Entscheidungen und dabei bisweilen eher beiläufig zum Einkommensteuertarif geäußert.70 In seiner ersten Entscheidung zur Abzugsfähigkeit von Spenden an politische Parteien kontrastierte das Gericht den Gleichheitssatz im Bereich des Wahlrechts als streng formalen 66 So u. a. Lehner, DStR 1992, 1641 ff.; Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 ff.; Esser, DStZ 1994, 517 (518); Tipke, StRO II, S. 695 f. 67 Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 410; ders., DStR 1992, 1641 (1644); Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 ff.; siehe auch Arndt, StVj 1993, 1 (5); Dziadkowski, BB 1985, Beilage 9 zu Heft 15, 1 ff.; ders., FR 1986, 504 ff.; Söhn, FA 51 (1993), 372 (393); in diesem Sinne auch FG Niedersachsen, EFG 1991, 260 ff.; mit ähnlicher Tendenz FG Münster, EFG 1991, 253 ff. 68 R. Wendt, FS für Tipke, S. 47 (54 f.). 69 Siehe in diesem Sinne Tipke, FR 1990, 349 ff. 70 Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zusammenhang siehe auch Moebus, S. 16 ff.; Sellhorn, S. 73.
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Gleichheitssatz mit dem Gleichheitssatz im Bereich des Steuerrechts. Dort heißt es: „Im Gegensatz hierzu würde im Bereich des Steuerrechts eine formale Gleichbehandlung von Reich und Arm durch Anwendung desselben Steuersatzes dem Gleichheitssatz widersprechen. Hier verlangt die Gerechtigkeit, dass im Sinne der verhältnismäßigen Gleichheit der wirtschaftlich Leistungsfähigere einen höheren Prozentsatz seines Einkommens als Steuer zu zahlen hat als der wirtschaftlich Schwächere (vgl. schon Art. 134 WRV)“.71 Mit dieser Aussage stellte das Gericht den progressiven Tarifverlauf als verfassungsrechtliche Forderung auf. Inhaltlich abweichend hatte sich das Gericht jedoch bereits in seiner früheren Entscheidung zur Ehegattenbesteuerung geäußert:72 Dort hatte es festgestellt, dass eine der damaligen rechtlichen Regelung entsprechende Zusammenveranlagung von Ehegatten ohne Ehegattensplitting verfassungsrechtlich unbedenklich sein könnte, wenn man statt eines progressiven einen proportionalen Tarif einführte. Damit sah das Gericht neben einer progressiven Besteuerung auch einen proportionalen Tarifverlauf als verfassungskonform an. An späterer Stelle heißt es im Rahmen eines historischen Überblicks dann allerdings, dass sich durchgesetzt habe, dass „bei den direkten Steuern die Steuergerechtigkeit eine steiler progressive Staffelung des Steuertarifs erfordere“.73 Der Hinweis auf eine mögliche proportionale Besteuerung spricht dafür, dass das Gericht die Progression zumindest nicht als zwingenden Teil der vom Bundesverfassungsgericht in Art. 3 Abs. 1 GG verorteten verfassungsrechtlichen Steuergerechtigkeit ansieht. Dies wird auch durch inhaltlich entsprechende Aussagen in späteren Entscheidungen bestätigt. In diesen hält das Gericht einen progressiven Einkommensteuertarifverlauf zwar nicht nur regelmäßig für zulässig – Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit kommen in keiner dieser Entscheidungen auf –, sondern lässt darüber hinaus vielfach auch eine gewisse Präferenz für einen progressiven Tarifverlauf erkennen. Doch findet sich in keiner dieser späteren Entscheidungen die Aussage, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen ein progressiver Tarif erforderlich sei: In seiner Entscheidung zur Vereinbarkeit der Ergänzungsabgabe mit dem Grundgesetz legt das Gericht dar, dass eine Tarifänderung der Einkommensteuer mit einer stärkeren Belastung höherer Einkommen auf jeden Fall zulässig gewesen wäre. Damit würde dem Leistungsfähigkeitsprinzip in besonderem Maße Rechnung getragen.74 Etwas zurückhaltender ist die Aussage des Gerichts zum Tarifverlauf in seiner Entscheidung über die Vereinbarkeit des Stabilitätszuschlags. Auch dieser traf – ähnlich der Ergänzungsabgabe – nur die Bezieher höherer Einkommen. In dieser Entscheidung heißt es allgemein, dass bei Steuern, die an der Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers ansetzen, „die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und geboten“ sei.75 In der Entscheidung über die Vereinbarkeit der Nichtabzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei 71 72 73 74 75
BVerfGE 8, 51 (68 f.). BVerfGE 6, 55 (67); kritisch zu dieser Entscheidung Spitaler, BB 1957, 268 ff. BVerfGE 6, 55 (70). BVerfGE 32, 333 (339). BVerfGE 36, 66 (72).
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
beschränkt Steuerpflichtigen betont das Gericht den Zusammenhang zwischen Grundfreibetrag und progressivem Tarif und sieht durch beides die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen beachtet.76 In ähnlicher Weise hält das Gericht einen progressiven Tarifverlauf in seiner Kindergeldentscheidung aus dem Jahre 1976 für zulässig. Der Gesetzgeber könne in verfassungsrechtlich zulässiger Weise davon ausgehen, dass die Nutzbarkeit von Einkommen bei steigendem Einkommen sinke.77 Die Kindergeldkürzungsentscheidung wiederum betont die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers: So heißt es einerseits, dass „die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genüge“.78 Etwas später führt das Gericht aus, dass „jenseits des verfassungsrechtlich gebotenen „Freibetrages“ in Höhe des Existenzminimums von Kindern . . . der Gesetzgeber allerdings frei (ist), soziale Gesichtspunkte verstärkt zu berücksichtigen und dabei insbesondere Bezieher höherer Einkommen steuerlich stärker zu belasten“.79 Insofern scheint das Gericht den Spielraum des Gesetzgebers etwas größer einzuschätzen.80 In der Entscheidung über Erhebungsdefizite bei Einkünften aus Kapitalvermögen stellt das Gericht den weitreichenden Spielraum des Gesetzgebers hinsichtlich der Gestaltung des Steuertarifs fest.81
b) Ansichten in der Literatur In der verfassungsrechtlichen Literatur lassen sich sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung unterschiedliche Ansichten über die verfassungsrechtlichen Vorgaben über den Verlauf des Einkommensteuertarifs finden. Eingehende Untersuchungen dieser Frage gibt es jedoch nur wenige.82 In der verfassungsrechtlichen BVerfGE 43, 1 (10). BVerfGE 43, 108 (125). 78 BVerfGE 82, 60 (89). 79 BVerfGE 82, 60 (90 f.). 80 Ebenso Sellhorn, S. 73. 81 BVerfGE 84, 239 (271); ebenso BVerfGE 93, 121 (136). Auch der Bundesfinanzhof hält den progressiven Tarif für verfassungsmäßig, ohne dass zweifelsfrei geklärt ist, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip seiner Auffassung nach einen progressiven Tarif fordert oder nur zulässt. In einer frühen Entscheidung aus dem Jahre 1964 hatte es der BFH als „bedenklich“ bezeichnet, wenn Steuerpflichtige ohne Rücksicht auf ihre Leistungsfähigkeit belastet würden. Steuerpflichtige mit geringen Einkommen müssten weniger stark belastet werden als Steuerpflichtige mit höheren Einkommen, BFH, StRK EStG 1955: 10 / 1 / 4 R 12. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1973 heißt es dann in eindeutiger Weise, dass nur ein progressiver Tarif dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspreche, BFHE 110, 119 (123). In einem kürzlich ergangenen Beschluss wird demgegenüber nur noch festgestellt, dass es nicht offenkundig sei, dass ein progressiver Tarif verfassungswidrig wäre, BFH / NV 2001, 34. 82 Siehe jedoch Moebus; Sellhorn; siehe auch H. Becker, FS für Klein, S. 379 ff.; Elicker, StuW 2000, 3 ff.; ders., ÖStZ 2001, 166 ff.; Flockermann, FS für Klein, S. 393 ff.; Riedmaier, DStR 1976, 359 ff.; aus schweizerischer Sicht M. F. Huber; Klett, FS für Tipke, S. 599 ff.; aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive siehe Haller, Progressive Besteuerung; Ku. Schmidt, 76 77
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Diskussion wird der progressive Tarif vielmehr häufig nur deshalb angesprochen, weil er – je nach der Form der Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs – zu unterschiedlichen Entlastungswirkungen führt,83 oder weil er eine „kalte“ bzw. „heimliche“ Progression nach sich ziehen kann.84 Die meisten Autoren, die zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Verlauf des Einkommensteuertarifs Stellung bezogen haben, sehen die Gestaltung des Einkommensteuertarifs im Ergebnis dem Gesetzgeber zur Entscheidung überlassen.85 Ein progressiver Tarifverlauf ist dieser Auffassung nach zwar grundsätzlich zulässig und nicht gesondert rechtfertigungsbedürftig, verfassungsrechtlich allerdings auch nicht gefordert. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebe insoweit keine konkreten Vorgaben. So argumentiert Birk, dem Gesetzgeber komme Spielraum nicht nur hinsichtlich der Auswahl des Leistungsfähigkeitsindikators zu, sondern darüber hinaus auch hinsichtlich der Bewertung, in welchem Umfang die ausgewählten Indikatoren die Leistungsfähigkeit vergegenständlichten. Daher liege es im Ermessen des Gesetzgebers festzulegen, ob sich die Leistungsfähigkeit bei der Verdoppelung eines Einkommens ebenfalls verdoppelt oder vervielfacht habe.86 Andere Autoren sind hingegen der Auffassung, der progressive Einkommensteuertarif sei verfassungsrechtlich gefordert.87 Die Aussagen sind dabei jedoch häufig sehr vorsichtig formuliert. Dabei bleibt auch bisweilen offen, ob eine progressive Besteuerung gefordert wird oder bloß gerechtfertigt erscheint. Jüptner sieht den progressiven Einkommensteuertarif durch das Sozialstaatsprinzip gewährleistet.88 Moebus begründet eine gewisse, wenn auch geringfügige Progression mit der Notwendigkeit, die regressiven Wirkungen der Verbrauchssteuern ausDie Steuerprogression; Lieb; Dziadkowski, BB 1985, Beilage 9 zu Heft 15, 1 ff.; siehe auch Ossenbühl. 83 Dazu Lehner, StuW 1986, 59 ff. sowie unten S. 118 ff. 84 Mit den Begriffen der „kalten“ oder „heimlichen“ Progression wird allgemein die Wirkung bezeichnet, dass ohne eine gesetzgeberische Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Inflation Einkommen aufgrund der Inflation in höhere Progressionsbereiche hineinwachsen, dazu Fricke, Verteilungswirkungen; ders., StuW 1977, 243 ff.; Musgrave / Musgrave / Kullmer, S. 206 ff.; Pikarski / Wosnitza, BB 1985, 517 ff.; dazu auch Dziadkowski, BB 1985, Beilage 9 zu Heft 15, 1 ff.; Loritz, § 34, Rz. 1212. 85 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165 ff.; ders., Steuerrecht, Rz. 36; Dziadkowski, BB 1985, Beilage 9 zu Heft 15, 1 ff.; Flockermann, FS für Klein, S. 393 (396); Jachmann, StuW 1998, 293 (295); Loritz, § 34, Rz. 1209; Sellhorn, S. 72. 86 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165 ff.; ähnlich Jachmann, StuW 1998, 293 (295). 87 So Vogel, DStZ / A 1975, 409 (411); Jüptner, Leistungsfähigkeit, S. 83 ff.; deutlicher auch im Hinblick auf die Rechtfertigung aufgrund des gleichen relativen Opfers Gaddum, Steuersystem, S. 20 ff.; ähnlich auch Walz, S. 87 f.; Zwanziger, S. 138; in begrenztem Umfange auch Moebus, S. 82; zurückhaltend Papier, Der Staat 1972, 483 (504); ähnlich wohl auch Kirchhof, NJW 2000, 2792 (2795); ders., Verfassungsstaat, S. 53 f.; in diesem Sinne auch die Begründung der Bundesregierung des Entwurfes des dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drs. 7 / 1479, S. 212; siehe aus schweizerischer Sicht auch Böckli, S. 115; M. F. Huber, S. 163 ff.; Richenberger, S. 24. 88 Jüptner, Leistungsfähigkeit, S. 83 ff.
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
zugleichen.89 Papier argumentiert im Ergebnis noch zurückhaltender. Nach ihm entspricht die Progression dem Gleichheitssatz „eher“ als ein proportionaler Tarif. Als Begründung verweist er auf den Grundsatz der Opfergleichheit und das Leistungsfähigkeitsprinzip.90 Ähnlich zurückhaltend formuliert Kirchhof in manchen seiner Schriften. Er führt einerseits aus, dass die Progression aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips gerechtfertigt sei.91 Manchmal argumentiert er zusätzlich, die Progression sei sozialstaatlich gerechtfertigt. Der Erwerb von Einkommen beruhe nur zum Teil auf individueller Leistung. Die Progression suche unterschiedliche Erwerbschancen zu kompensieren.92 In manchen Schriften begründet er den progressiven Tarif auch dadurch, dass der Steuerpflichtige mit einem höheren Einkommen den von der Rechtsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Markt überproportional in Anspruch genommen habe und er deshalb die Gemeinschaft an der dadurch gewachsenen Leistungsfähigkeit auch überproportional solle teilhaben lassen.93 Andere Autoren sehen den verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt in einer grundsätzlich proportionalen Besteuerung.94 In diesem Sinne leitet Tipke aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip einen grundsätzlich proportionalen Tarif ab. Den progressiven Tarif sieht er jedoch durch das Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt.95 Einen ähnlichen Ausgangspunkt wählt auch H. Becker, zieht jedoch im Ergebnis andere Folgerungen und gelangt zu einem im Grundsatz proportionalen Tarif mit degressiver Anfangskomponente.96 Er leitet aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip grundsätzlich einen proportionalen Einkommensteuertarif ab. Der Nutzen des Einkommens für den Steuerpflichtigen biete keinen Maßstab für den jeweiligen Progressionssatz. Damit fehle ihm der objektive Bezugspunkt. Da die Bestimmung des Steuersatzes damit allein von der politischen Entscheidung abhänge, sei sie willkürlich 89 Moebus, S. 69 ff.; in diesem Sinne auch die Begründung der Bundesregierung des Entwurfes des dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drs. 7 / 1479, S. 212; siehe auch Böckli, S. 115; M. F. Huber, S. 163 ff.; Richenberger, S. 24; siehe dazu auch Franke, S. 44 ff.; Neumark, Grundsätze S. 174 ff.; für niedrige Einkommensbereiche auch Schmölders, S. 25; Ku. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 147. 90 Papier, Der Staat 11 (1972), 483 (504); siehe auch Walz, S. 87 f.; ähnlich Schmölders, S. 23; so wohl auch Riedmaier, DStR 1976, 359 ff. 91 Kirchhof, StuW 1984, 297 (313). 92 Kirchhof, in: K / S / M, § 2 EStG, Rz. A. 602; in diesem Sinne auch ders., Verhdl. d. 57. Dt. Juristentages, F 82; ders., DStR 2003, Beihefter 5, 1 (9). 93 Kirchhof, NJW 2000, 2792 (2795); ders., Verfassungsstaat, S. 53 f. 94 Tipke / J. Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 197; § 9 Rz. 741; so wohl auch Tipke, StRO I, S. 403 f.; ders., StRO II, S. 711 f.; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 165; ders., DStJG 24 (2001), 49 (57); ähnlich H. Becker, FS für Klein, S. 379 ff. 95 Tipke / J. Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 197; § 9 Rz. 741; ebenso J. Lang, DStJG 24 (2001), 49 (57); so wohl auch Tipke, StRO I, S. 403 f.; ders., StRO II, S. 711 f.; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 165; kritisch zur Rechtfertigung des progressiven Tarifs aus dem Sozialstaatsprinzip Loritz, § 34, Rz. 1209. 96 H. Becker, FS für Klein, S. 379 ff.; zum Begriff der Degression siehe den Anhang.
A. Der Stand der Rechtsprechung und der Literatur
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und ein proportionaler Tarif erforderlich. Die notwendige Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips führe jedoch dazu, dass dieser allgemeine proportionale Steuersatz erst ab einem Einkommen ansetzen könne, bei dem bereits alle Grundbedürfnisse befriedigt sind. Für geringere Einkommen hingegen sei ein niedrigerer, progressiv ansteigender Tarif anzuwenden, so dass der Tarif grundsätzlich proportional, aber mit degressiver Anfangskomponente ausgestaltet sein solle. Erfasse man hingegen bereits alle Grundbedürfnisse im steuerfreien Existenzminimum, so könne der allgemeine proportionale Tarif sofort im Anschluss daran ansetzen. Die Leistungsfähigkeit sei ab diesem Punkt bereits vollständig ausgebildet. Damit besteht hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Gestaltung des Einkommensteuertarifs weder im Ergebnis noch in der Begründung Klarheit. Das Bundesverfassungsgericht geht von der Zulässigkeit eines progressiven Tarifverlaufs aus und lässt eine gewisse Präferenz für einen solchen Verlauf erkennen. Allen Anzeichen nach scheint es aber auch die Einführung eines proportionalen Einkommensteuertarifs für verfassungskonform zu halten. Die davon abweichende Entscheidung zur Abzugsfähigkeit von Spenden, in dem ein progressiver Tarifverlauf gefordert wurde, ist demgegenüber vereinzelt geblieben. In der Begründung äußert sich das Gericht nur sehr vorsichtig, in manchen Entscheidungen verweist es im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz auf Gerechtigkeitswertungen, in anderen erscheint in der Argumentation – häufig in der Form des Adjektivs „sozial“ – auch das Sozialstaatsprinzip, in einer Entscheidung zeigen sich opfertheoretische Erwägungen. In der verfassungsrechtlichen Literatur wird der progressive Tarif zum Teil als verfassungsrechtlich gefordert, zum Teil (nur) als zulässig bzw. gerechtfertigt angesehen oder es wird ein proportionaler Tarif mit degressiver Anfangskomponente gefordert. In der Argumentation findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze, unter anderem Hinweise auf ältere finanzwissenschaftliche Ansätze, die Opfertheorien oder das Erfordernis eines Ausgleichs regressiver Wirkungen indirekter Steuern, daneben wird auch auf das Sozialstaatsprinzip verwiesen. III. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab für die Einkommensteuer in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in der verfassungsrechtlichen Literatur weitgehend anerkannt ist und allgemein gleichheitsrechtlich fundiert wird. Zum Teil bleibt jedoch offen, ob den freiheitsrechtlichen Wertungen im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips nur Bedeutung für die Wahl des gleichheitsrechtlichen Anknüpfungskriteriums zukommt oder ob das Leistungsfähigkeitsprinzip neben gleichheitsrechtlichen auch originär freiheitsrechtliche Wertungen einschließt. Allgemein anerkannt ist auch, dass das (familiäre) Existenzminimum steuerfrei belassen werden muss und dass dies zumindest hinsichtlich des familiären Existenzminimums durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage gewährleistet werden muss. Argumentiert wird in-
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
soweit mit der horizontalen Dimension des Leistungsfähigkeitsprinzips: Steuerpflichtige mit Unterhaltspflichten würden ansonsten trotz gleicher Leistungsfähigkeit anders als Steuerpflichtige ohne solche Unterhaltsverpflichtungen behandelt. Divergenzen bestehen allerdings hinsichtlich einzelner Aspekte, so insbesondere hinsichtlich der Fragen, welche Umstände als leistungsfähigkeitsmindernd steuerfrei gestellt werden müssen, ob der Betreuungsaufwand auch dann steuerfrei zu stellen ist, wenn tatsächlich keine finanzielle Belastung entstanden ist, in welcher Höhe die Umstände zu berücksichtigen sind und welche Vorgaben für die Art und Weise ihrer Berücksichtigung abzuleiten sind. Im Hinblick auf die Tarifgestaltung wird dem Gesetzgeber allgemein ein großer Spielraum zuerkannt, wobei häufig eine Präferenz für einen progressiven Tarifverlauf zu erkennen ist. Die Begründungsansätze sind vielfältig.
B. Kritische Fragen an die juristische Argumentation und Analyse der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefundenen Ergebnisse I. Kritische Fragen an die juristische Argumentation Betrachtet man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Stellungnahmen in der Literatur zum Leistungsfähigkeitsprinzip, so drängen sich an manchen Stellen der Argumentation kritische Nachfragen auf. Generell lässt sich feststellen, dass die im vorliegenden Zusammenhang vorgetragene juristische Argumentation nicht ausreichend auf der Grundlage allgemein verfassungsrechtlicher Dogmatik in Frage gestellt und kaum ergebnisoffen diskutiert wird.97 1. Unzureichende Trennung von freiheits- und gleichheitsrechtlichen Wertungen Untersucht man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Stellungnahmen in der Literatur, so fällt auf, dass nicht immer in ausreichender Weise zwischen freiheits- und gleichheitsrechtlichen Wertungen unterschieden wird. Dies zeigt sich bereits darin, dass manchmal offen bleibt, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip nur gleichheitsrechtliche oder auch originär freiheitsrechtliche Gehalte umfasst.98 Diese Unklarheit ist terminologisch misslich, denn der Begriff wird dadurch wenig aussagekräftig. Eng mit dieser terminologischen Unklarheit verbunden ist jedoch auch eine argumentative Unklarheit: zum Teil wird auch in der Argumentation nicht immer deutlich zwischen einer originär freiheitsrechtlichen und einer (freiheitsrechtlich anknüpfenden) gleichheitsrechtlichen Begrün97 98
Siehe jedoch die wenigen Kritiker des Leistungsfähigkeitsprinzips, dazu oben S. 79 f. Siehe dazu S. 76 ff.; weniger kritisch dazu allerdings Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (52).
B. Kritische Fragen an die juristische Argumentation
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dung unterschieden.99 Damit besteht die Gefahr, dass die verfassungsrechtliche Begründung der gefundenen Ergebnisse verschleiert wird. Im Ergebnis lässt sich auch zeigen, dass, obwohl allgemein die Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes für das Leistungsfähigkeitsprinzip hervorgehoben wird, sich fast alle der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefundenen Ergebnisse nur originär freiheitsrechtlich begründen lassen.100
2. Die gleichheitsrechtliche Argumentation Zweifel bestehen aber auch, wenn man allein die gleichheitsrechtliche Argumentation betrachtet. Insoweit ist vor allem kritisch zu bemerken, dass die entscheidende Frage nach dem verfassungsrechtlich zulässigen Vergleichskriterium nicht hinreichend untersucht wird. a) Die unzureichende Diskussion des im Rahmen der Einkommensteuer verfassungsrechtlich zulässigen Vergleichskriteriums (1) Die Anknüpfung am „objektiven Markteinkommen“ Die Frage nach dem im Rahmen der Einkommensteuer verfassungsrechtlich zulässigen Vergleichskriterium wird selten intensiv diskutiert. Wie dargestellt, wird allgemein vertreten, dass nur das disponible Einkommen Grundlage der Besteuerung und damit Grundlage der gleichheitsrechtlichen Anknüpfung sein könnte.101 Dies erscheint schon fast als ein unumstößliches, nicht zu hinterfragendes Postulat, so dass andere im Rahmen der Einkommensteuer mögliche Anknüpfungspunkte kaum untersucht werden.102 Der Verweis auf Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip, auf Art. 14 GG oder allgemein die Steuergerechtigkeit wird vielmehr als ausreichende Begründung angesehen.103 Dies ist auch der zentrale Punkt, an dem die Kritiker des Leistungsfähigkeitsprinzips ansetzen: Sie halten auf der Basis allgemein gleichheitsrechtlicher Dogmatik die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nur für einen von mehreren möglichen Anknüpfungspunkten.104 Grundsätzlich wäre es auch denkbar, den Begriff des „Einkommens“ auf andere Weise aus99 Deutlich zwischen freiheits- und gleichheitsrechtlicher Argumentation trennt jedoch z. B. Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (52). 100 Zur Analyse der hergeleiteten Ergebnisse im Hinblick auf die Frage, ob diese freiheitsoder gleichheitsrechtlich begründet sind, siehe unten S. 96 ff. 101 Siehe dazu S. 80 ff. 102 Siehe in diesem Zusammenhang jedoch die Kontroverse zwischen Vogel, StuW 1999, 201 (204); ders., StuW 2000, 90 und Bareis, StuW 2000, 81 ff.; siehe auch die Diskussion zwischen Kirchhof und Bareis, DStJG 21 (1998), 77 ff. 103 Siehe dazu S. 76 ff. und S. 80 ff. 104 Siehe dazu nur Arndt, NVwZ 1988, 787 (791); ders., FS für Mühl, S. 17 ff.; Kruse, DStJG 5 (1982), 71 (77 ff.) sowie oben S. 78 ff.
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
zufüllen und das vom Steuerpflichtigen erzielte Einkommen – ohne vorherigen Abzug des existenznotwendigen Bedarfs (für den Steuerpflichtigen selbst und seine Familie) – als Vergleichskriterium zu wählen. Dieses Vergleichskriterium wird in vorliegender Untersuchung als Anknüpfung am „objektiven Markteinkommen“ bezeichnet. Eine nähere Untersuchung zeigt, dass auch eine solche Anknüpfung freiheitsrechtlich begründet werden kann.105 Die Besteuerung des objektiven Markteinkommens führt im Ergebnis zu einer Besteuerung des erzielten Einkommens ohne vorherige Abzüge des existenznotwendigen Bedarfs und entspricht damit dem vorgestellten Konzept der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre.106 (2) Die Anknüpfung an im (disponiblen) Einkommen verkörperten Nutzen Darüber hinaus wird die Frage nach dem Vergleichskriterium auch insoweit kaum behandelt, als sie für die Tarifgestaltung wichtig ist. Es werden vielmehr häufig nur Ergebnisse festgestellt und darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum habe.107 Selbst wenn man der herrschenden Auffassung in der verfassungsrechtlichen Literatur folgen möchte und das zulässige Vergleichskriterium allein im disponiblen Einkommen sieht, so ist damit das Vergleichskriterium noch nicht eindeutig bestimmt: das disponible Einkommen kann in einem – hier als objektiv bezeichneten – Sinne, es kann aber auch in einem – komplementär als subjektiv bezeichneten – Sinne, als im disponiblen Einkommen verkörperter Nutzen, verstanden werden. Wird es in einem objektiven Sinne betrachtet, resultiert daraus eine im Grundsatz proportionale Besteuerung. Abweichungen davon sind rechtfertigungsbedürftig.108 Vergleicht man hingegen in einem subjektiven Sinne den darin verkörperten Nutzen, so hängt die dem Gleichheitssatz entsprechende Tarifkurve von der Grenznutzenfunktion des Einkommens ab. Auf dieser Grundlage lässt sich ein progressiver, aber auch ein proportionaler oder ein regressiver Tarifverlauf begründen.109 Die Wahl dieses Vergleichskriteriums entspricht der älteren finanzwissenschaftlichen, grenznutzentheoretischen Argumentation,110 und liegt dementsprechend auch allen heutigen verfassungsrechtlichen Ausführungen zugrunde, die explizit oder implizit auf grenznutzentheoretischen Überlegungen beruhen.111
Siehe dazu S. 122 ff. Siehe dazu S. 64 ff. 107 Siehe dazu S. 86 ff. 108 In diesem Sinne scheinen vor allem die Ausführungen Tipkes zu deuten sein, dazu Tipke / J. Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 197; § 9 Rz. 741; so auch Tipke, StRO I, S. 403 f.; ders., StRO II, S. 711 f.; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 165; ders., DStJG 24 (2001), 49 (57; 116); in diesem Zusammenhang ähnlich H. Becker, FS für Klein, S. 379 ff.; siehe dazu S. 86 ff. 109 Siehe dazu die Berechnungen aus jüngerer Zeit bei Hinterberger / Müller / Petersen, FA 45 (1987), 45 ff.; siehe dazu bereits S. 57 ff. 110 Siehe dazu S. 54 ff. 105 106
B. Kritische Fragen an die juristische Argumentation
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b) Unterschiedliche Verständnismöglichkeiten des Begriffs des „disponiblen Einkommens“ Die Frage, welches Vergleichskriterium aus verfassungsrechtlicher Sicht im Rahmen der Einkommensteuer gewählt werden kann, wird – worauf bereits hingewiesen wurde – selten ausführlich diskutiert. Die herrschende Auffassung geht dabei – wie ausführlich dargestellt – davon aus, dass nur das für den Steuerpflichtigen disponible Einkommen der Besteuerung zugrunde gelegt werden darf. Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass die von der herrschenden Auffassung vertretene An-knüpfung am disponiblen Einkommen keinesfalls eindeutig ist. Vielmehr verbergen sich hinter dem vermeintlich einheitlichen Vergleichskriterium des „disponiblen Einkommens“ durchaus inhaltliche Unterschiede: So hat das Bundesverfassungsgericht den Betreuungs- und Erziehungsbedarf eines Kindes auch dann als indisponibel angesehen, wenn er zu keiner finanziellen Belastung führt.112 Den über das Existenzminimum hinausgehenden, zivilrechtlich aber geschuldeten Unterhalt hält das Gericht demgegenüber für disponibel.113 In der Literatur wird beides kontrovers diskutiert.114 Diese Unterschiede sind – auch wenn sie vermeintlich Detailfragen betreffen – keinesfalls als unmaßgeblich anzusehen. Denn in diesen Unterschieden spiegeln sich divergierende – originär freiheitsrechtliche oder (freiheitsrechtlich angereicherte) gleichheitsrechtliche – Argumentationsschwerpunkte wider.115 Der Begriff des disponiblen Einkommens überdeckt diese Unterschiede jedoch.
3. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die steuertechnische Ausgestaltung? Zuletzt zeigt sich, dass die Frage, inwieweit aus den verfassungsrechtlichen Normen auch Vorgaben für die steuertechnische Ausgestaltung abgeleitet werden können, kaum intensiv diskutiert wird. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Berücksichtigung des Existenzminimums als Abzug von der Bemessungsgrundlage nur für das familiäre Existenzminimum, nicht aber hinsichtlich des Existenzminimums des Steuerpflichtigen selbst gefordert.116 In der Literatur ist dies hingegen umstritten.117 Eine genaue Untersuchung der Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Perspektive auch Vorgaben für die Ausgestaltung der Steuer auferlegt werden können, findet sich jedoch regelmäßig 111 Siehe dazu u. a. Papier, Der Staat 11 (1972), 483 (504); siehe auch Walz, S. 87 f.; ähnlich wohl auch Riedmaier, DStR 1976, 359 ff. sowie dazu S. 86 ff. 112 BVerfGE 99, 216 (230 ff.). 113 Im Ergebnis BVerfGE 82, 60 (91). 114 Siehe dazu S. 83 ff. 115 Siehe dazu unten S. 101 ff. 116 Siehe dazu oben S. 80 ff. 117 Siehe dazu oben S. 83 ff.
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
nicht.118 Die Diskussion über die Frage nach den Vorgaben für die Art und Weise der Berücksichtigung leistungsfähigkeitsmindernder Umstände wird darüber hinaus durch teilweise bestehende Unklarheiten über die Auswirkungen bestimmter steuertechnischer Ausgestaltungen erschwert.119 Die Hinweise haben gezeigt, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch die Literatur zum Leistungsfähigkeitsprinzip manche verfassungsrechtliche Fragestellung unbeantwortet lassen. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass sich die Diskussion vor allem am gewünschten Ergebnis orientiert. Dies rechtfertigt einen genaueren Blick auf die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (und der Literatur) gefundenen Ergebnisse.
II. Analyse der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefundenen Ergebnisse Im Kern hat das Bundesverfassungsgericht – und weite, ihm folgende Teile der Literatur – folgende Anforderungen gestellt: Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Familie muss steuerfrei bleiben, wobei allein das familiäre Existenzminimum vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden muss. Im Hinblick auf die Tarifgestaltung bestehen keine genauen verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das Gericht lässt allerdings eine Präferenz für einen progressiven Tarifverlauf erkennen. Die verfassungsrechtliche Diskussion hat jedoch manche Frage offengelassen. Insbesondere wurde deutlich, dass nicht immer ausreichend zwischen gleichheitsrechtlicher und freiheitsrechtlicher Argumentation unterschieden wird. Daher sollen im Folgenden die einzelnen, vom Bundesverfassungsgericht hergeleiteten und auch die Diskussion in der Literatur maßgeblich prägenden Ergebnisse daraufhin untersucht werden, ob sie sich im Grundsatz durch eine freiheits- oder durch eine gleichheitsrechtliche Argumentationsstruktur begründen lassen. Dabei wird für die gleichheitsrechtliche Argumentation an dieser Stelle das in Rechtsprechung und Literatur vertretene Leistungsfähigkeitsprinzip zugrunde gelegt und davon ausgegangen, dass als materielles Vergleichskriterium im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes für das Einkommensteuerrecht nur das (iSd. freiheitsrechtlichen Anknüpfung) disponible Einkommen bzw. der im disponiblen Einkommen verkörperte Nutzen in Betracht kommt. Damit wird an dieser Stelle noch nicht überprüft, ob sich das so verstandene Leistungsfähigkeitsprinzip tatsächlich verfassungsrechtlich begründen lässt. Dies wird die Fragestellung erst in dem anschließenden zweiten Kapitel des dritten Teils sein. Ziel dieser Analyse ist es vielmehr, die gleichheits- bzw. die freiheitsrechtlichen Wurzeln der konkreten Ergebnisse offen zu legen. Dabei wird sich zeigen, dass trotz der generellen Betonung des allgemeinen Gleichheitssatzes die in der Rechtsprechung gewonnenen 118 119
Siehe dazu sogleich unter S. 97 ff. Siehe dazu S. 118 ff.
B. Kritische Fragen an die juristische Argumentation
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Ergebnisse primär freiheitsrechtliche Wurzeln haben. Darüber hinaus wird aber auch deutlich, dass eine kohärente gleichheitsrechtliche Argumentation zum Teil zu anderen Ergebnissen führen müsste.
1. Der Ausgangspunkt: Freiheits- und gleichheitsrechtliche Gewährleistungsgehalte a) Die unterschiedlichen Gewährleistungen von Freiheits- und Gleichheitsrechten Freiheitsrechte gewährleisten ihrer Struktur nach bestimmte Handlungsspielräume bzw. bestimmte Schutzgüter. Sie garantieren dem Einzelnen einen geschützten Bereich, in den der Staat nicht bzw. nur unter Einhaltung bestimmter rechtfertigender Voraussetzungen eingreifen kann. Dieser freiheitsrechtliche Schutz gilt bekanntermaßen für jeden Einzelnen in einem absoluten Sinne, wobei der Begriff „absolut“ nicht im Sinne einer starren Grenze verstanden werden soll, sondern als Gegensatz zu relativ, als vergleichsunabhängig. Freiheitsrechte schützen den Einzelnen unabhängig davon, ob der Staat vergleichbare Eingriffe auch bei anderen Grundrechtsberechtigten vornimmt.120 Gleichheitsrechte sind demgegenüber immer vergleichsbezogen. Aus ihnen können keine Anforderungen im Hinblick auf die „absolute“ Belastungsintensität eines Eingriffs gezogen werden, es kann vielmehr immer nur die gleichheitskonforme Ausgestaltung gefordert werden. Robinson Crusoe – ohne Freitag – könnte von einer imaginären Staatsgewalt daher zwar in unverhältnismäßiger Weise, nicht aber gleichheitswidrig belastet werden.121 Dementsprechend können auch im Hinblick auf die Einkommensteuer nur aus Freiheitsrechten absolute, d. h. von einem Vergleich mit der steuerlichen Belastung anderer Steuerpflichtiger unabhängige Konsequenzen gezogen werden. Eine gleichheitsrechtliche Argumentation bedarf demgegenüber – auch wenn das gleichheitsrechtliche Vergleichskriterium freiheitsrechtlich begründet wird122 – immer eines Vergleichspaares.
b) Grundrechtliche Vorgaben für das Belastungsergebnis, keine ergebnisunabhängigen Vorgaben für die Ausgestaltung der Besteuerung Aus Freiheits- und Gleichheitsrechten lassen sich absolute oder vergleichsabhängige relative Vorgaben ableiten.123 Als Vorgaben für die Steuerbelastung 120 Zur unterschiedlichen Struktur von Freiheits- und Gleichheitsrechten siehe nur Kirchhof, HdbStR V, § 124 Rz. 161 ff.; Dreier, in: Dreier, Art. 3 GG, Rz. 37 f.; Lerche, Übermaß, S. 30; Schwabe, S. 23 ff. 121 Beispiel von Lerche, Übermaß, S. 30, Fn. 6. 122 Siehe dazu sogleich S. 106 ff.
7 Liesenfeld
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
beziehen sich diese auf das Ergebnis der steuerlichen Belastung: nur soweit das Ergebnis gegen grundrechtliche Vorgaben verstößt, können sie beeinträchtigt werden. Demgegenüber können Vorgaben, welche die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unabhängig von dem konkreten steuerlichen Belastungsergebnis und d. h. allein hinsichtlich der mathematischen Kalkulationsmethode beschränken, aus Grundrechten nicht begründet werden. Ergebnisunabhängige Anforderungen an die steuerliche Gestaltung lassen sich in begrenztem Umfange möglicherweise als Forderung der rechtsstaatlich fundierten Rechtsklarheit formulieren,124 die grundrechtliche Argumentation ist demgegenüber auf ergebnisrelevante Vorgaben begrenzt. Das ist bei einer freiheitsrechtlichen Prüfung offensichtlich: entscheidend kann nur die Belastung im Ergebnis sein, nicht jedoch die mathematische Kalkulationsmethode, durch die das Ergebnis erzielt wird. Denn ein Eingriff in Freiheitsrechte kann in einer Einbeziehung bestimmter Einkommensteile in die steuerliche Bemessungsgrundlage allein nicht liegen; in freiheitsrechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird der Steuerpflichtige nur durch die Steuerlast selbst. Dies bestätigt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundfreibetragsentscheidung, wenn es nur die Steuerfreiheit des Existenzminimums im Ergebnis fordert125 und darüber hinaus keine Vorgaben dafür macht, auf welche Art und Weise dieses Ergebnis einfachgesetzlich gewährleistet wird. Gleiches gilt jedoch auch bei einer Anwendung von Gleichheitsrechten: Auch aus Gleichheitsrechten lassen sich Folgerungen nur für die – vergleichsabhängige – Belastung im Ergebnis gewinnen. Dafür, dass der Gesetzgeber in seiner auf die mathematische Kalkulation bezogenen Gestaltungsfreiheit durch Gleichheitsrechte auch dann begrenzt sein soll, wenn sich die gewählte Gestaltung nicht auf das Ergebnis auswirkt, ist kein Grund ersichtlich. Allerdings ist deutlich, dass unterschiedliche steuerliche Gestaltungsweisen in manchen Fällen zwar keine freiheitsrechtlich relevanten, aber durchaus gleichheitsrechtlich relevante Auswirkungen mit sich bringen. Gleichheitsrechtlich relevant ist eine andere Gestaltungsweise bereits dann, wenn durch sie irgendein Steuerpflichtiger im Ergebnis gleichheitswidrig besteuert wird. Freiheitsrechtlich ist demgegenüber entscheidend, dass durch die gewählte Gestaltungsweise bei allen Steuerpflichtigen die freiheitsrechtlichen Grenzen eingehalten werden. Konkret gesprochen: ob das Existenzminimum des Steuerpflichtigen als Abzug von der Bemessungsgrundlage, als Abzug von der Steuerschuld oder als Freigrenze berücksichtigt wird, ist aus freiheitsrechtlicher Perspektive nicht relevant, sofern das 123 Zum Stand der Rechtsprechung und der Literatur siehe S. 74 ff., zu den in dieser Untersuchung vertretenen materiellen Vorgaben siehe sogleich S. 104 ff. 124 Zu den aufgrund der Belastungsintensität besonderen Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes im Steuerrecht siehe Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben, S. 138; Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 488 f.; allgemein zu den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes Schmidt-Aßmann, HdbStR I, § 24 Rz. 81 ff.; Papier / Möller, AöR 122 (1997), 176 (184 ff.). 125 BVerfGE 87, 153 ff.
B. Kritische Fragen an die juristische Argumentation
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Existenzminimum des Steuerpflichtigen im Ergebnis steuerfrei bleibt.126 Die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten können jedoch bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen in unterschiedlicher Weise belasten und insoweit für die gleichheitsrechtliche Beurteilung bedeutsam werden. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie sie in der Kindergeldentscheidung des Jahres 1994 erläutert und konkretisiert wurde.127 2. Freiheits- oder gleichheitsrechtliche Fundierung der Ergebnisse bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung a) Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen Das Bundesverfassungsgericht hat – wie dargestellt – in seiner Grundfreibetragsentscheidung gefordert, dass das Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst steuerfrei belassen wird.128 Die Notwendigkeit, das Existenzminimum des Steuerpflichtigen im Ergebnis steuerfrei zu belassen, ist in ihrem Kern auf eine freiheitsrechtliche Argumentation zurückführen: Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen muss steuerfrei sein, weil er es zur Sicherung seiner Existenz benötigt und dies gilt unabhängig von einem Vergleich mit der Steuerbelastung anderer Steuerpflichtiger.129 Die Notwendigkeit der Steuerfreiheit lässt sich auch nicht gleichzeitig gleichheitsrechtlich begründen, auch dann nicht, wenn man – wie dies an dieser Stelle zugrunde gelegt wird – den allgemeinen Gleichheitssatz durch freiheitsrechtliche Wertungen materiell im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips anreichert. Dies lässt sich durch ein – zugegebenermaßen unrealistisches – Gedankenexperiment zeigen: erzielte jeder Steuerpflichtige ein gleich hohes Einkommen, so ließen sich gleichheitsrechtliche Folgerungen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Existenzminimums nicht ziehen. Eine Sichtweise, die demgegenüber auch die Steuerfreiheit des Existenzminimums selbst gleichheitsrechtlich begründet, vermengt freiheits- und gleichheitsrechtliche Argumentation in unzulässiger Weise. Die freiheitsrechtliche Fundierung der Steuerfreiheit des Existenzminimums entspricht der rein freiheitsrechtlichen Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in seiner Grundfreibetragsentscheidung.130 Über die Forderung nach einer materiellen Steuerfreiheit des Existenzminimums des Steuerpflichtigen hinaus hat das Bundesverfassungsgericht keine weiteren Anforderungen an die Art und Weise seiner Berücksichtigung gestellt. Dies entspricht 126 Und darüber hinaus dem Steuerpflichtigen auch im Hinblick auf andere Einkommensteile „angemessene Beträge“ verbleiben, dazu BVerfGE 87, 153 ff. sowie S. 128 ff. und S. 143 ff. 127 BVerfGE 91, 93 ff. siehe dazu S. 80 ff. 128 BVerfGE 87, 153 ff.; dazu und zur Rechtsprechung zum familiären Existenzminimum allgemein siehe S. 80 ff. 129 Insoweit deutlich auch Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (52). 130 Dazu S. 81 ff.
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
ebenfalls einer freiheitsrechtlichen Wertung, aufgrund derer nur Anforderungen an das Belastungsergebnis, nicht hingegen ergebnisunabhängige Vorgaben für die Ausgestaltung begründet werden können.131 Aber auch eine gleichheitsrechtliche Argumentation, welche die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen als verfassungsrechtlich allein zulässiges Vergleichskriterium ansieht, müsste nicht zwingend eine Berücksichtigung als Abzug von der Bemessungsgrundlage fordern. Offenkundig ist dies, soweit Steuerpflichtige gleicher Leistungsfähigkeit verglichen werden: Weil die Steuerpflichtigen im Ergebnis in gleicher Weise betroffen sind, kann bei Steuerpflichtigen gleicher Leistungsfähigkeit für die Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs keine besondere Ausgestaltung gefordert werden. Anders ist die Situation jedoch bei einem Vergleich von Steuerpflichtigen unterschiedlicher Leistungsfähigkeit:132 Bei der Besteuerung von Steuerpflichtigen unterschiedlicher Leistungsfähigkeit bleibt die Frage, ob der existenznotwendige Bedarf vorab berücksichtigt werden muss, für die Bestimmung des Vergleichskriteriums zumindest auf theoretischer Ebene relevant: denn in dem Verhältnis von Steuerpflichtigen unterschiedlicher Leistungsfähigkeit spielt die Frage, ob das Existenzminimum vom Einkommen abgezogen werden muss, um das zulässige Vergleichskriterium zu erreichen, oder nicht, eine Rolle, denn es verändert das Verhältnis. Das „zu versteuernde Einkommen“ der Bemessungsgrundlage kann auf der Grundlage des geltenden Einkommensteuerrechts keine Maßstabsfunktion ausüben.133 Zur Verdeutlichung ein kurzes, fiktives Beispiel: Der Steuerpflichtige A hat ein Einkommen von 8.000 A, der Steuerpflichtige B ein Einkommen von 20.000 A im Jahr. Beide Steuerpflichtige sind ledig, Unterhaltspflichten bestehen nicht. Das Existenzminimum liegt bei 7.500 A. Für die Frage, wie ungleich beide Steuerpflichtige sind, und wie sie daher behandelt werden müssen, kann die Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs auch des Steuerpflichtigen selbst eine Rolle spielen: zieht man den existenznotwendigen Bedarf nicht vorab von der Bemessungsgrundlage ab, so steht ihr Einkommen im Verhältnis von 8.000 : 20.000, d. h. 2 : 5. Zieht man den existenznotwendigen Bedarf jedoch ab, so ändert sich das Verhältnis deutlich: 500 : 12.500, d. h. 1 : 25. Wie das Beispiel zeigt, kann die Frage, ob – für die Bestimmung des Vergleichskriteriums – der existenznotwendige Bedarf vorher abgezogen werden muss, bei Steuerpflichtigen unterschiedlicher Leistungsfähigkeit eine bedeutende Rolle spielen. Im Ergebnis lassen sich daran dennoch keine Folgerungen knüpfen: wählt man als gleichheitsrechtliches Vergleichskriterium nicht nur das disponible Einkommen, sondern den im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzen, so kann – mangels einer Bestimmbarkeit der Nutzenkurve – von dem gewählten Vergleichskriterium nicht zuverlässig auf die zulässige gleichheitskonforme Besteuerungshöhe geSiehe dazu S. 97 ff. Zur Frage der vertikalen Leistungsfähigkeit in diesem Zusammenhang siehe auch Arndt / Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (534). 133 R. Wendt, FS für Tipke, S. 47 (54). 131 132
B. Kritische Fragen an die juristische Argumentation
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schlossen werden.134 Daher hat der vorherige Abzug des existenznotwendigen Bedarfs zwar im Grundsatz Bedeutung für die Bestimmung des Vergleichskriteriums, praktische Konsequenzen können daraus jedoch nicht abgeleitet werden.135 Im Ergebnis lassen sich damit Anforderungen an die steuertechnische Art und Weise der Berücksichtigung des Existenzminimuns des Steuerpflichtigen selbst weder aus freiheits- noch aus gleichheitsrechtlicher Perspektive begründen.
b) Das familiäre Existenzminimum Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss neben dem Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst auch das Existenzminimum seiner Familie steuerfrei bleiben.136 Die Notwendigkeit des steuerfreien familiären Existenzminimums lässt sich – insoweit der Lage im Hinblick auf den Steuerpflichtigen selbst vergleichbar – nur freiheitsrechtlich, nicht aber gleichheitsrechtlich begründen.137 Dies zeigt auch hier die – in gleichem Maße unrealistische – Annahme, dass alle Steuerpflichtige gleiche Unterhaltslasten bei gleichem Einkommen hätten: Die Notwendigkeit der Steuerfreiheit selbst ließe sich nicht aus gleichheitsrechtlicher, sondern nur aus freiheitsrechtlicher Sicht begründen. Und diese freiheitsrechtliche Begründung liegt auch der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts seit der Kindergeldkürzungsentscheidung des Jahres 1990 zugrunde, in der das Gericht die Steuerfreiheit des Existenzminimums selbst durch Art. 1 Abs. 1 iVm dem Sozialstaatsprinzip begründet und aus Art. 3 GG (wohl nur) die Forderung nach einem Abzug von der Bemessungsgrundlage herleitet. 138 Besonders deutlich wird die freiheitsrechtliche Grundlage des steuerfreien Existenzminimums zudem, betrachtet man, dass das Bundesverfassungsgericht das steuerfreie Existenzminimum auch für den Fall auf den Kinderbetreuungsbedarf erstreckt hat, in dem eine tatsächliche finanzielle Belastung nicht entstanden ist.139 Aus freiheitsrechtlicher Sicht mag man eine Steuerfreistellung fordern. Auf gleichheitsrechtlicher Basis erscheint die Anerkennung als Minderung der Leistungsfähigkeit zumindest zweifelhaft, denn der Betrag steht dem Steuerpflichtigen weiterhin zur Verfügung.140 Deutlich wird die freiheitsrechtliche Basis auch, betrachtet man, dass das Bundesverfassungsgericht nur die Berücksichtigung von Unterhaltslasten Siehe dazu S. 57 ff. Zu der verfassungsrechtlichen Fragestellung im Hinblick auf diese fehlende Möglichkeit, gleichheitsrechtliche Schlussfolgerungen zu ziehen, siehe S. 116 ff. 136 Siehe insoweit die Kindergeldkürzungsentscheidung BVerfGE 82, 60 ff.; siehe auch BVerfGE 99, 216 ff. sowie zuvor bereits BVerfGE 43, 108 ff.; 61, 319 ff.; 66, 214 ff.; 67, 290 ff.; zur Entwicklung der Rechtsprechung siehe S. 80 ff. 137 Deutlich insoweit auch Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (52). 138 BVerfGE 82, 60 (85, 86). 139 BVerfGE 99, 216 ff. 140 Siehe daher auch die Kritik der Literatur, dazu S. 84 ff. 134 135
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3. Teil, 1. Kap.: Verfassungsrechtliches Leistungsfähigkeitsprinzip
in Höhe des Existenzminimums, nicht aber in der Höhe des bürgerlich-rechtlich Geschuldeten fordert und darüber hinaus auch eine Präferenz für die Begrenzung auf das Existenzminimum erkennen lässt.141 Dies entspricht der originär freiheitsrechtlichen Wertung, aufgrund derer allein die Steuerfreiheit des Existenzminimums gefordert werden kann. Aus gleichheitsrechtlicher Sicht mag dies hingegen inkonsequent erscheinen, denn der Unterhalt, den der Steuerpflichtige an Anspruchsberechtigte zahlt, ist für ihn in voller Höhe indisponibel.142 Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Berücksichtigung des familiären Existenzminimums als Abzug von der Bemessungsgrundlage lässt sich hingegen nur auf gleichheitsrechtlicher Basis erklären: aus freiheitsrechtlicher Sicht kann nur entscheidend sein, dass das (familiäre) Existenzminimum im Ergebnis steuerfrei bleibt, nicht jedoch, auf welche Art dies realisiert wird.143 Gleichheitsrechtlich lässt sich jedoch argumentieren, dass das familiäre Existenzminimum vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden muss, wenn gleichheitsrechtlich nur an der Leistungsfähigkeit angesetzt werden kann: ansonsten würden Steuerpflichtige, die Unterhaltslasten trügen und Steuerpflichtige ohne solche Belastungen auch dann ungleich behandelt, wenn sie gleich leistungsfähig wären. Dies entspricht der dargestellten Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in der Kindergeldkürzungsentscheidung.144
c) Der Einkommensteuertarif Im Hinblick auf den Verlauf des Einkommensteuertarifs lässt sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine klare Vorgabe entnehmen. Das Gericht lässt allerdings eine Präferenz für einen progressiven Verlauf des Einkommensteuertarifs deutlich werden. Die vorliegende Arbeit wird zeigen, dass dieses Ergebnis eines nicht verfassungsrechtlich zwingenden, aber dennoch vorgezeichneten progressiven Tarifverlaufs freiheitsrechtliche Wurzeln hat:145 Wie sich aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG ableiten lässt, dass der für die Existenz notwendige Bedarf steuerfrei belassen werden muss, lässt sich für Einkommensteile, die nur geringfügig über den existenznotwendigen Bedarf hinausgehen, aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG folgern, dass dieses für die Entfaltung der Persönlichkeit in einem weiteren Sinne erforderliche Einkommen nur in begrenztem Ausmaße besteuert werBVerfGE 82, 60 (91), dazu oben S. 81 ff. Vogel, FS für Offerhaus, S. 47 (56); auf der Grundlage eines gleichheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzips müsste daher ein Familienrealsplitting gefordert werden; zu einem Familienrealsplitting siehe Vogel, StuW 1999, 201 ff.; J. Lang, StuW 1983, 103 ff.; Lingemann, S. 187 ff.; Thiede, S. 177; Vollmer, S. 234 f. 143 Dazu S. 97 ff. 144 BVerfGE 82, 60 ff.; siehe auch BVerfGE 99, 216 ff. 145 Siehe dazu S. 128 ff. 141 142
B. Kritische Fragen an die juristische Argumentation
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den kann. Insoweit ergibt sich eine progressive Höchstgrenze der Besteuerung. Als freiheitsrechtliche Grenze kann sie aber selbstverständlich auch unterschritten werden, so dass bei einem geringen Steuersatz in jedem Fall auch eine proportionale Besteuerung zulässig ist.146 Die Ergebnisse der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Tarifgestaltung lassen sich jedoch nicht nur aus freiheitsrechtlicher, sondern auch aus gleichheitsrechtlicher Perspektive rechtfertigen, wenn als gleichheitsrechtliches Vergleichskriterium der im disponiblen Einkommen verkörperte Nutzen gewählt wird. Insoweit ist ein progressiver Tarif zulässig. Aufgrund der fehlenden Bestimmbarkeit der Nutzenkurve lässt sich die Progression auch nicht zwingend fordern. Zweifel an einer gleichheitsrechtlichen Begründung entstehen allerdings daraus, dass aufgrund der fehlenden Bestimmbarkeit der Nutzenkurve auch ein regressiver Tarifverlauf zulässig sein müsste. Ein solcher ist allerdings regelmäßig nicht gewünscht.
3. Zusammenfassung der Ergebnisse Die vorstehende Analyse hat einerseits gezeigt, dass – entgegen der häufig zu findenden Betonung des allgemeinen Gleichheitssatzes – die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewonnenen Ergebnisse sehr weitgehend freiheitsrechtliche Wurzeln haben: Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst wie auch das familiäre Existenzminimum lassen sich nur freiheitsrechtlich begründen. Auch die im Hinblick auf den Steuertarif gewonnenen Ergebnisse sind nach hier vorgestellter und im zweiten Kapitel des dritten Teils ausführlich zu begründender Ansicht freiheitsrechtlich fundiert. Gleichheitsrechtlich ist demgegenüber allein die Forderung nach einer Berücksichtigung des familiären Existenzminimums als Abzug von der Bemessungsgrundlage. Andererseits hat sich gezeigt, dass das Bundesverfassungsgericht, obwohl es das Leistungsfähigkeitsprinzip dem allgemeinen Gleichheitssatz entnimmt, bestimmte gleichheitsrechtliche Konsequenzen nicht zieht. Dies gilt deutlich im Hinblick darauf, dass das Bundesverfassungsgericht nur fordert und sachlich auch nur für geboten hält, dass nicht der volle bürgerlich-rechtliche Unterhalt, sondern nur der für die Existenz notwendige Unterhaltsbedarf von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird. Aus gleichheitsrechtlicher (auf den einzelnen Steuerpflichtigen und nicht seine Familie bezogener) Perspektive wäre die Berücksichtigung des vollen Unterhalts geboten. Die Begrenzung auf das Existenzminimum lässt sich als Hinweis auf die Dominanz der freiheitsrechtlichen Argumentation verstehen: aus freiheitsrechtlicher Sicht muss nur das Existenzminimum, nicht aber müssen darüber hinausgehende Beträge steuerfrei belassen werden. Darüber hinaus mag man auch im Hinblick auf den Einkommensteuertarif gleichheitsrechtliche Konsequenzen vermissen: bei gleichheitsrechtlicher Argumentation müsste auch ein regressiver Tarifverlauf zulässig sein. Ein solcher ist aber regelmäßig nicht gewollt. 146
Siehe dazu S. 167 ff.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
Diese in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zentrale Bedeutung freiheitsrechtlicher Wertungen einerseits und das Fehlen bestimmter gleichheitsrechtlicher Folgerungen andererseits deutet bereits auf die in dieser Arbeit vertretene These einer originär freiheitsrechtlichen Fundierung des Leistungsfähigkeitsprinzips hin.
2. Kapitel
Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungsrechtliches Besteuerungsprinzip A. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als summarisches Prinzip Gegenstand der Arbeit ist die Frage nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips im Hinblick auf die Berücksichtigung des Existenzminimums und die Tarifgestaltung. Das Leistungsfähigkeitsprinzip selbst ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich normiert. Das Grundgesetz enthält auch keine Art. 134 WRV entsprechende Regelung, die eine Besteuerung „im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten“ vorsah und allgemein als Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstanden wurde.147 Das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip wird vielmehr – wie im ersten Kapitel des dritten Teils ausführlich dargestellt – im Grundsatz aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unter Heranziehung anderer Normen des Grundgesetzes begründet. Aus dem so gewonnenen Leistungsfähigkeitsprinzip werden dann Folgerungen für die Einkommensbesteuerung abgeleitet.148 Bei dieser Vorgehensweise besteht offenkundig die Gefahr, dass aus dem grundgesetzlich hergeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzip auch solche Folgerungen gezogen werden, die über den Gehalt der zur Herleitung des Prinzips selbst herangezogenen Grundgesetznormen hinausgehen.149 Geschieht dies, so wird das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht allein als begriffliche Zusammenfassung der geschriebenen Normen des Grundgesetzes im Sinne eines summarischen Prinzips verstanden. Es wird vielmehr im Sinne eines selbständigen Prinzips verwendet, aus dem mehr abgeleitet werden kann, als sich aus der Summe der Gehalte der einzelnen geschriebenen Grundgesetznormen ergibt.150 Siehe dazu Anschütz, Art. 134 WRV; Freytagh-Loringhoven, S. 328 ff. Für die Folgerungen hinsichtlich der Berücksichtigung des Existenzminimums und der Tarifgestaltung siehe S. 80 ff. 149 Kritisch dazu auch Arndt, FS für Mühl, S. 29 ff. 150 Ein deutliches Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips als selbständiges Prinzip findet sich z. B. bei Jüptner, Leistungsfähigkeit, S. 98. 147 148
A. Summarisches Prinzip
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Ein Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips als selbständiges Prinzip ist jedoch begründungsbedürftig.151 Denn soweit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Gehalte entnommen werden, die über die Gehalte der einzelnen grundgesetzlichen Normen hinausgehen, kann es seinen Geltungsanspruch nicht aus dem geschriebenen Recht des Grundgesetzes herleiten. Denkbar bliebe daher insoweit nur die Begründung des Leistungsfähigkeitsprinzips als ungeschriebenes Recht.152 Damit wären allerdings die Anforderungen für die Anerkennung als ungeschriebenes Recht – als mitgesetztes Recht oder als Gewohnheitsrecht – nachzuweisen.153 Ein Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips als rein summarisches Prinzip begegnet solchen Bedenken hingegen nicht: Da es per definitionem in seinen Gehalten auf die Summe der Gehalte der einzelnen Grundgesetznormen begrenzt ist, beruht seine Geltung auf geschriebenem Verfassungsrecht. Bei einem Verständnis als summarisches Prinzip stellt sich allerdings regelmäßig die Frage nach dem Wert einer solch zusammenfassenden Bezeichnung; dies vor allem auch deshalb, weil einer solchen Bezeichnung die Gefahr, dass die Verwendung des Begriffs doch zu einer erweiternden Auslegung ohne Rückkopplung an grundgesetzliche Normen verleiten mag, immanent zu sein scheint. Diese Frage ist jedoch allein eine Frage nach der Zweckmäßigkeit der gewählten Terminologie. Zweckmäßig mag die terminologische Zusammenfassung jedoch trotz der aufgezeigten Gefahr sein, etwa weil sie den Zusammenhang bestimmter grundgesetzlicher Wertungen aufzeigt oder weil sie traditioneller Begrifflichkeit entspricht.154 Im Vordergrund der Untersuchung steht die Frage nach dem geltenden Verfassungsrecht. Ausgangspunkt der Untersuchung ist dabei das geschriebene Verfassungsrecht des Grundgesetzes, denn dem geschriebenen Recht kommt ein grundsätzlicher Vorrang gegenüber dem ungeschriebenen zu: Ungeschriebenes Recht kann es der Sache nach nur geben, wenn das Recht nicht als geschriebenes Recht existiert.155 Untersucht wird daher, ob sich das Leistungsfähigkeitsprinzip mit den ihm zugeschriebenen Gehalten des steuerfreien Existenzminimums und des progressiven Tarifs aus den geschriebenen Normen des Grundgesetzes herleiten lässt. Ist dies der Fall, so stellt das Leistungsfähigkeitsprinzip – zumindest im hier rele151 Zur Diskussion um den summarischen oder den selbständigen Charakter im Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip siehe Kunig, S. 457 ff.; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, Art. 20 GG, Rz. 24; ders., FS für Scupin, S. 899 (904 ff.); Bäumler / Ridder, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1 – 3 GG, Rn. 35 ff.; ähnlich Herzog, in: Maunz / Dürig, Art. 20 GG, VII Rn. 3, 21; anders jedoch Schmidt-Aßmann, HdbStR I, § 24 Rn. 7 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG, Rn. 43; Stern, Staatsrecht I, § 20 II 2. 152 Zum ungeschriebenen Verfassungsrecht siehe aus jüngerer Zeit ausführlich H. A. Wolff; aus der älteren Literatur siehe Smend, FS für Mayer, S. 245 ff.; v. Hippel, VVDStRL 10 (1952), 1 ff.; Voigt, VVDStRL 10 (1952), 33 ff. 153 Dazu H. A. Wolff, S. 404 ff., 427 ff. 154 Zur Übereinstimmung des in dieser Untersuchung vorgetragenen originär freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips als summarisches Prinzip mit seinen historischen Inhalten siehe S. 148 ff. 155 H. A. Wolff, S. 359 ff.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
vanten Zusammenhang – ein rein summarisches Prinzip dar. Eine Untersuchung ungeschriebenen Verfassungsrechts wird damit entbehrlich.
B. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip? Wie ausführlich gezeigt, wird das verfassungsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip allgemein gleichheitsrechtlich verankert, wobei die im Rahmen des Gleichheitssatzes entscheidenden Wertungen aus den Freiheitsrechten, vor allem aus Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip, Art. 6 GG oder Art. 14 GG gewonnen werden.156 Der allgemeine Gleichheitssatz soll daher auch an dieser Stelle als Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Untersuchung gewählt werden. I. Das maßgebliche Vergleichskriterium als zentrale (gleichheitsrechtliche) Fragestellung Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet, dass „Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend“ behandelt wird.157 Der allgemeine Gleichheitssatz gilt traditionell für die Rechtsanwendungsebene. Art. 1 Abs. 3 GG zeigt jedoch, dass der allgemeine Gleichheitssatz auch auf das Handeln des Gesetzgebers anwendbar ist.158 Dabei ist es für die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes auf die Gesetzgebung entscheidend, welches Kriterium das im jeweiligen Zusammenhang für den Gesetzgeber maßgebliche Vergleichskriterium darstellt. Denn wenn man untersuchen will, ob der Gesetzgeber „Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend“ behandelt, muss zuerst geklärt werden, wonach sich entscheidet, ob bestimmte Fälle gleich oder ungleich sind, d. h. es muss untersucht werden, welches das maßgebliche Vergleichskriterium ist.159 Ist das verfassungsrechtlich vorgegebene oder zumindest zulässige Vergleichskriterium festgestellt, so lässt sich die Frage, ob eine Siehe dazu S. 74 ff. So schon BVerfGE 3, 58 (135); in diesem Sinne einer verhältnismäßigen Gleichheit auch Huster, Rechte und Ziele, S. 164 ff.; ders., JZ 1994, 541 ff.; siehe auch schon Leibholz, S. 38; ebenso J. Becker, S. 151 ff.; Hesse, AöR 77 (1951 / 52), 167 (207 f.); Papier, KritV 1987, 140 ff.; Stern, FS für Dürig, S. 212 ff. Dies entspricht dem Verständnis des von Aristoteles der distributiven Gerechtigkeit zugeordneten geometrischen Gleichheit, siehe dazu Aristoteles, Buch V 1131a; Dann, Gleichberechtigung, S. 40 ff.; ders., Gleichheit, S. 1000 f. Für ein Verständnis des allgemeinen Gleichheitssatzes im Sinne schematischer Gleichbehandlung siehe demgegenüber Gusy, JuS 1982, 30 (35); Heun, in: Dreier, Art. 3 GG, Rz. 21 f.; Rüfner, in: BK, Art 3 GG, Rz. 15; vermittelnd Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 370. 158 Allg. Meinung, anders noch Thoma, DVBl. 1951, 457 ff.; Paulick, FS für Bühler, S. 121 (162 ff.); kritisch auch Apelt, JZ 1951, 353 ff.; Ipsen, S. 111 (156 ff.). 159 Zur Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes allgemein Huster, Rechte und Ziele; ders., JZ 1994, 541 ff. 156 157
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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Regelung dem allgemeinen Gleichheitssatz entspricht, im Allgemeinen leicht beantworten.160 Der Frage nach dem verfassungsrechtlich vorgegebenen bzw. zulässigen Vergleichskriterium kommt damit bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes eine zentrale Stellung zu. Nach allgemeinen Regeln hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Vergleichskriteriums grundsätzlich einen großen Einschätzungsspielraum. Diesem Spielraum hatte das Bundesverfassungsgericht ursprünglich nur durch die von Leibholz entwickelte, als Gegensatz zur Gerechtigkeitsidee verstandene „Willkürformel“ Grenzen gesetzt.161 Danach durfte der Gesetzgeber weder „wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandeln“.162 Der Gleichheitssatz sei verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß.“163 Seit Anfang der achtziger Jahre hat das Gericht den gesetzgeberischen Spielraum dann zumindest in einigen Fällen enger gezogen und die – auch heute noch so genannte – „neue Formel“ entwickelt. Danach liegt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes auch dann vor, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können“.164 Einen strengeren Prüfungsmaßstab wendet das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus an, wenn „sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann.“165 Allgemein geht das Bundesverfassungsgericht auch davon aus, dass die Bindung, welcher der Gesetzgeber durch den allgemeinen Gleichheitssatz unterliegt, um so enger gezogen ist, je stärker sich die ausgewählten Differenzierungsmerkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern.166 Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte „neue Formel“ wird häufig im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gedeutet.167 Eindeutig ist aber in jedem Fall, dass das Bundesverfas160 Zu den Schwierigkeiten der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes bei der Wahl des „Nutzenkriteriums“, siehe S. 57 ff. und der damit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragestellung siehe S. 116 ff. Auf einer zweiten Ebene stellt sich allerdings die Frage nach einer möglichen Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen. 161 Siehe dazu Leibholz. 162 BVerfGE 4, 144 (155). 163 So schon BVerfGE 1, 14 (52); 1, 208 (247). 164 Siehe dazu nur BVerfGE 55, 72 (88); 58, 369 (373); 60, 123 (133); 64, 229 (239); 65, 104 (112 f.); 66, 234 (242); 67, 231 (236); 68, 287 (301); 70, 230 (239 f.); 71, 146 (154); 74, 9 (24); 75, 348 (357); 81, 156 (205); 82, 60 (86); 83, 395 (401); 84, 348 (359), 87, 1 (36); 88, 87 (96 f.); 91, 346 (363). 165 BVerfGE 88, 87 (96); siehe zuvor bereits ähnlich BVerfGE 60, 123 (134); 62, 256 (274); 82, 126 (146); siehe auch BVerfGE 89, 69 (89); 91, 346 (363). 166 Siehe dazu BVerfGE 88, 87 (96).
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
sungsgericht durch die „neue Formel“ versucht, den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einzuschränken. Trotz dieser „neuen Formel“ bleibt dem Gesetzgeber jedoch grundsätzlich ein Spielraum für die Entscheidung, nach welchen Kriterien er differenzieren will. Angesichts seines zurückhaltenden Wortlauts sind dem allgemeinen Gleichheitssatz selbst nur wenige Vorgaben für die Wahl des Vergleichskriteriums zu entnehmen. Anhaltspunkte können jedoch in manchen Fällen aus den Wertungen anderer Grundgesetznormen gewonnen werden. In diesem Sinne hat Ipsen früh die Einbindung des Gleichheitssatzes in den verfassungsrechtlichen Kontext betont.168 Während Ipsen den Gleichheitssatz primär in den Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Gewaltenteilung, dem Demokratieprinzip, dem Sozialstaatsprinzip und auch dem Bundesstaatsprinzip sieht, betont Dürig die Verbindung des allgemeinen Gleichheitssatzes mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG.169 Geht man – wie die herrschende Auffassung dies tut – davon aus, dass der Gesetzgeber bei der Besteuerung im Sinne des gleichheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzips auf die Anknüpfung am disponiblen Einkommen festgelegt ist, so muss sich die Beschränkung des Gesetzgebers bei der Wahl des Vergleichskriteriums auf diese Weise aus anderen Normen des Grundgesetzes rechtfertigen lassen.
II. Die Suche nach dem Vergleichskriterium für die Steuerbelastung: Eine erste Annäherung durch die Normen der Finanzverfassung Die schwierige, aber auch entscheidende Frage ist damit auch im Hinblick auf die Einkommensteuerbelastung diejenige nach dem – verfassungsrechtlich zulässigen bzw. gebotenen – gleichheitsrechtlichen Anknüpfungspunkt. Einkommen kann objektiv, aber als Indikator des Nutzens auch in einem subjektiven Sinne verstanden werden. Als Vorfrage erscheint dabei jedoch die Überlegung, ob der allgemeine Gleichheitssatz überhaupt nur auf die Einkommensteuerbelastung bezogen werden kann, oder ob gleichheitsrechtlich die Gesamtsteuerbelastung in den Blick genommen werden muss. Bezieht sich die gleichheitsrechtliche Beurteilung auf die Gesamtsteuerbelastung, so können Aussagen über den Verlauf und die zulässige Höhe der Einkommensteuer nicht unabhängig von der Erhebung und Höhe anderer Steuern, insbesondere der Verbrauchssteuern, gemacht werden. So müsste die Belastung mit Verbrauchssteuern auch bei der Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs einbezogen werden, wenn sich das verfassungsrechtliche Leistungs167 Siehe nur Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 3 GG, Rz. 27; Heun, in: Dreier, Art. 3 GG, Rz. 19; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, Art. 3 GG, Rz. 14; kritisch jedoch Huster, Rechte und Ziele. 168 Ipsen, S. 111 (162 ff.). 169 Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 3 Abs. 1 GG, Rz. 3.
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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fähigkeitsprinzip auf die Gesamtsteuerbelastung bezieht. In diesem Sinne ist die ältere finanzwissenschaftliche, von Teilen des juristischen Schrifttums, insbesondere Moebus, übernommene Argumentation zu verstehen, welche die Forderung nach einem progressiven Tarifverlauf damit begründete, dass die regressiven Wirkungen der indirekten Steuern durch einen progressiven Einkommensteuertarif ausgeglichen werden müssten.170 Sie beruht auf der Annahme, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip keinen primären Maßstab für die Einkommensteuer darstellt, sondern Vorgaben für die Gesamtsteuerbelastung begründet. Denn nur wenn man das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab für die Gesamtsteuerbelastung und nicht nur für einzelne Steuern versteht, kann es notwendig werden, die Wirkungen indirekter Steuern auszugleichen. Bezieht sich die gleichheitsrechtliche Betrachtung hingegen allein auf einzelne Steuern, können Aussagen über einzelne Steuern und ihren Tarifverlauf grundsätzlich unabhängig von anderen Steuern getroffen werden. 1. Die Behandlung der Fragestellung in Rechtsprechung und Literatur In der steuerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur ist die Frage, ob – die Geltung des gleichheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzips vorausgesetzt – dieses (nur) für die Einkommensteuer gilt oder darüber hinaus auch bzw. vor allem für die Gesamtsteuerbelastung Bedeutung erlangt, weitgehend ungeklärt. Eine eindeutige Aussage lässt sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen. In seinem Vermögensteuerbeschluss finden sich sehr weite Formulierungen, die darauf hindeuten können, dass das Gericht den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner steuerrechtlichen Konkretisierung als Leistungsfähigkeitsprinzip auf die Gesamtsteuerbelastung anwenden möchte. Dabei scheint das Gericht aus diesem auch Anforderungen an die Auswahl des Besteuerungsgegenstandes und des Steuersatzes herleiten zu wollen.171 Die meisten Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht das gleichheitsrechtlich verstandene Leistungsfähigkeitsprinzip heranzieht, betreffen jedoch die Einkommensteuer als Einzelsteuer.172 In der steuerrechtlichen Literatur lassen sich zwei Grundströmungen unterscheiden: Nach einer Auffassung kann sich das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab für die Bemessung der individuellen Steuerbelastung in jedem Fall nur auf die Belastung mit direkten Steuern beziehen, nicht aber auf indirekte Steuern.173 Indirekte Steuern könnten höchstens eine vermutete, nicht 170 Siehe dazu S. 60 ff. sowie S. 88 ff.; in diesem Sinne Moebus, S. 69 ff.; so auch die Begründung der Bundesregierung des Entwurfes des dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drs. 7 / 1479, S. 212; so auch Böckli, S. 115; M. F. Huber, S. 163 ff.; Richenberger, S. 24. 171 BVerfGE 93, 121 (135 f.). 172 Siehe dazu die Darstellung der Rechtsprechung auf S. 80 ff. 173 Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 25; nur referierend hingegen ders., in: K / S / M, § 2 EStG, A 281.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
aber eine festgestellte Leistungsfähigkeit besteuern. Ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit sei durch die finanzverfassungsrechtlichen Normen anerkannt und damit durch das positive Verfassungsrecht entschieden.174 Bedeutung könnte dem Leistungsfähigkeitsprinzip daher nur im Hinblick auf die Ausgestaltung der Einkommensteuer, nicht aber hinsichtlich der Gesamtsteuerbelastung zukommen. Nach anderer, vor allem auch in der Weimarer Zeit unter der Geltung des Art. 134 WRV vertretenen Auffassung ist das Leistungsfähigkeitsprinzip ein die Gesamtsteuerbelastung umfassendes Besteuerungsprinzip.175 Das Leistungsfähigkeitsprinzip hat dieser Auffassung nach einen doppelten Anwendungsbereich: einerseits werden aus ihm Vorgaben für die Einkommensteuer entnommen, andererseits werden aber auch Anforderungen im Hinblick auf die Gesamtsteuerbelastung formuliert. Insoweit wird gefordert, dass jede einzelne Steuer an Indikatoren der Leistungsfähigkeit ansetze.176 Dass eine Steuer in der grundgesetzlichen Finanzverfassung aufgeführt sei, könne diese allein noch nicht rechtfertigen. Denn den Normen der Finanzverfassung könne keine materielle Wirkung zugesprochen werden, da sie keinen Gerechtigkeitswert aufwiesen.177 Bemerkenswert ist an dieser Diskussion, dass die Frage nach dem Bezugspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips nur im Hinblick auf die Frage gestellt wird, woran Steuern in verfassungsmäßiger Weise anknüpfen können. Die Frage nach der Möglichkeit oder Erforderlichkeit einer Kompensation der Wirkungen einzelner Steuern spielt in der Diskussion hingegen keine Rolle. Vielmehr zieht auch der Meinungsstrang in der Literatur, der das Leistungsfähigkeitsprinzip auf die Gesamtsteuerbelastung anwendet, daraus nur Konsequenzen für die Frage nach zulässigen Anknüpfungspunkten der staatlichen Steuererhebung.
2. Die Einkommensteuer als zulässiger gleichheitsrechtlicher Bezugspunkt Die Frage nach dem Gegenstand der Beurteilung stellt sich bei der gleichheitsrechtlichen wie bei der freiheitsrechtlichen Betrachtung: kann eine oder können Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 25. J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 109; Löhr, S. 203 ff.; Selmer, FA 52 (1995), 235 (248); Tipke, StRO I, S. 494 ff.; ders., BB 1994, 437 ff.; Vogel, HdbStR IV, § 87, Rz. 90 ff. reduziert das Leistungsfähigkeitsprinzip ebenfalls nicht auf die Einkommensteuer, sondern bezieht andere Steuern ein. Die in den finanzverfassungsrechtlichen Normen aufgeführten Steuern beruhen seines Erachtens nach jedoch alle auf dem Leistungsfähigkeitsgedanken und sind verfassungsrechtlich anerkannt; etwas unklar Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art 104a bis 115 GG, Rz. 528; im Hinblick auf Art. 134 WRV auch Hensel, VjSchStFR 4 (1930), 441 (463 ff.); neu abgedruckt bei E. Reimer / Waldhoff, Albert Hensel, System des Familiensteuerrechts und andere Schriften, S. 245 (267 ff.); ähnlich wohl auch Bühler, S. 314; Paulick, FS für Bühler, S. 151; anders möglicherweise, jedoch etwas unklar Anschütz, Art. 134, S. 616. 176 So Tipke, StRO I, S. 494 ff.; ders., BB 1994, 437 ff.; siehe auch Löhr, S. 217 ff.; kritisch insoweit Selmer, FA 52 (1995), 235 (248); kritisch auch Vogel, FS für Tipke, S. 93 (100 ff.). 177 So auch J. Lang, FS für Tipke, S. 3 (20). 174 175
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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mehrere einzelne Steuern getrennt untersucht werden oder muss der Blick auf die Gesamtsteuerbelastung der Steuerpflichtigen gerichtet werden? Anders als bei der freiheitsrechtlichen Beurteilung, bei der sich im Hinblick auf die Bewertung der Eingriffsintensität Ansätze zu einem umfassenden Bezugspunkt („additiver Eingriff“) bilden,178 wird die Frage nach dem gleichheitsrechtlich zu beurteilenden Gegenstand in der allgemeinen verfassungsrechtlichen Literatur nicht näher untersucht. Dies verwundert nicht, scheint die hier aufgeworfene gleichheitsrechtliche Fragestellung doch aufgrund der – allgemein – nur geringen inhaltlichen Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes vor allem im Bereich des Steuerrechts aufzutreten. Selbstverständlicher Bezugspunkt jeder gleichheitsrechtlichen Untersuchung ist jedes einzelne staatliche Handeln. Insoweit ist der allgemeine Gleichheitssatz verfassungsrechtlicher Maßstab auch für jeden einzelnen staatlichen Besteuerungszugriff. Dies gilt zumindest, soweit Fragen der systemkonformen und folgerichtigen Ausgestaltung eines Steuertatbestandes zur Diskussion stehen. Anders stellt sich hingegen die Situation dar, soweit die Frage nach dem materiellen Vergleichskriterium gestellt wird. Insoweit kann nicht jedes einzelne staatliche Handeln isoliert betrachtet werden: Denn soweit aus dem allgemeinen Gleichheitssatz konkrete materielle Vorgaben hinsichtlich des Vergleichskriteriums für die Besteuerung hergeleitet werden können, wird eine verfassungsrechtliche Verbindung zwischen der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und daran anknüpfender Steuerlast gezogen. Auch wenn der einfache Gesetzgeber diese Steuerlast in mehrere Zugriffe aufteilt, kann dies den verfassungsrechtlich vorgegebenen Vergleichsmaßstab nicht ändern. Entscheidend ist damit insoweit die Fragestellung, ob sich aus dem Grundgesetz Anhaltspunkte für ein bestimmtes Vergleichskriterium für die Steuerbelastung ergeben. Wie dargestellt, versucht die steuerrechtliche Diskussion, die Antwort auf die Frage nach dem gleichheitsrechtlichen Bezugspunkt in den finanzverfassungsrechtlichen Kompetenznormen zu finden. Entscheidend für die Frage, ob aus dem Grundgesetz Vorgaben für die Wahl des gleichheitsrechtlichen Bezugspunkts entnommen werden können, ist in der Tat die Frage, ob den finanzverfassungsrechtlichen Kompetenznormen ein materieller Gehalt – im Sinne einer verfassungsrechtlich notwendigen oder zumindest zulässigen Anknüpfung – zukommt. Kurz nach Schaffung des Grundgesetzes wurde in diesem Zusammenhang bisweilen die These der „reinen“ Kompetenzregel vertreten.179 Danach regelten Kompetenznormen das Verhältnis verschiedener Träger der Staatlichkeit zueinander, nicht jedoch das Verhältnis von Staat und Bürger. Kompetenzregeln verteilten daher Zuständig178 Aus allgemein verfassungsrechtlicher Perspektive siehe Lücke, DVBl. 2001, 1469 ff.; in umweltrechtlichem Zusammenhang schon Kloepfer, VerwArch 74 (1983), 201 (213 f.); dazu in steuerrechtlichem Zusammenhang BVerfGE 93, 121 (136); Hohmann, DÖV 2000, 406 (409); siehe auch Kirchhof, VVDStRL 39, 213 (138); siehe zu dieser Frage in freiheitsrechtlichem Zusammenhang auch S. 155 ff. 179 Im Hinblick auf Art. 74 Nr. 11 GG Hamann, S. 25 ff.; dazu Pieroth, AöR 114 (1989), 422 ff.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
keiten, ohne dass damit materielle Aussagen gegenüber dem Bürger verbunden seien. Später wurden in den Kompetenznormen jedoch auch materielle Gehalte verankert.180 Die Frage nach der materiellen Wirkung von Kompetenznormen war vor allem im Hinblick auf Freiheitsrechte bedeutsam. In dieser Hinsicht wurde befürchtet, dass die Freiheitsrechte durch die Anerkennung einer materiellen Wirkung der Kompetenznormen zu stark eingeschränkt werden könnten.181 Allerdings wird auch von den Gegnern einer materiellen Wirkung zugestanden, dass Kompetenznormen zumindest insoweit ein materieller Gehalt zugesprochen werden muss, als aus ihnen abgeleitet werden kann, dass sie überhaupt in Anspruch genommen werden können.182 Etwas anders als bei einer freiheitsrechtlichen Perspektive stellt sich die Frage jedoch im vorliegenden gleichheitsrechtlichen Zusammenhang dar:183 Führt das zentrale Argument gegen die Anerkennung einer materiellen Wirkung von Kompetenznormen – die Gefahr einer zu starken Einschränkung grundrechtlicher Gewährleistungen – bereits freiheitsrechtlich nicht dazu, dass eine materielle Wirkung vollständig zurückgewiesen werden muss,184 so kann es gleichheitsrechtlich nur eine noch geringere Bedeutung gewinnen. Denn anders als Freiheitsrechte gewähren Gleichheitsrechte keinen Schutzbereich im Sinne eines geschützten Lebensbereiches.185 Sie sind modale Grundrechte. Gleichheitsrechtlich bedeutet die Anerkennung einer materiellen Wirkung von Kompetenznormen daher keinen Eingriff in ein Grundrecht. Kompetenznormen konkretisieren den durch andere Verfassungsnormen konkretisierungsbedürftigen allgemeinen Gleichheitssatz im Hinblick auf die Wahl des Vergleichskriteriums. „Tabuzonen“ des Gleichheitssatzes entstehen so nicht. Vielmehr gewinnt der allgemeine Gleichheitssatz seinen materiellen Gehalt – anders als Freiheitsrechte – erst durch andere Verfassungsnormen.186 Diese materielle Bedeutung – zumindest im Sinne einer Legitimation der genannten Einzelsteuern – muss den finanzverfas180 Siehe insoweit die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 7, 377 (400 f.); 13, 331 (348); 14, 105 (111); 26, 1 (8); 28, 243 (261); 32, 40 (46); 41, 205 (218); 46, 224 (236); 48, 127 (159); 53, 30 (56); 69, 1 (21); anders im Hinblick auf Art. 87 Abs. 2 GG BVerfGE 21, 362 (371); 39, 305 (311); siehe auch die Darstellung der Rechtsprechung bei Pieroth, AöR 114 (1989), 422 (424 ff.); aus der Literatur Ehmke, VVdStRL 20 (1961), S. 89 ff.; ders., Wirtschaft, S. 23 ff., 109 ff.; Pestalozza, Der Staat 11 (1972), 161 ff.; Stettner, S. 6 ff., 54 ff., 327 ff.; kritisch aber das Sondervotum von Mahrenholz und Böckenförde, BVerfGE 69, 1 (57 ff.). 181 Siehe dazu das Sondervotum von Mahrenholz und Böckenförde, BVerfGE 69, 1 (57 ff.). 182 Siehe dazu das Sondervotum von Mahrenholz und Böckenförde, BVerfGE 69, 1 (57 ff.). 183 Dazu auch Rodi, S. 191 ff. 184 Wie dargestellt, ist zumindest anerkannt, dass die Kompetenznormen überhaupt in Anspruch genommen werden können. 185 Siehe dazu S. 97 ff. 186 So aber Tipke, BB 1994, 437 (438), der Art. 106 GG nicht als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes ansieht, da dies zu inakzeptablen und verwirrenden Verbiegungen führen würde, S. 440.
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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sungsrechtlichen Normen jedoch auch zugesprochen werden. Ansonsten könnte die Erhebung einzelner Steuern ausgeschlossen sein, obwohl sie in den Normen der grundgesetzlichen Finanzverfassung aufgeführt sind. Dies widerspräche jedoch dem Sinn von Kompetenznormen.187 Das in freiheitsrechtlichem Zusammenhang bedeutsame Argument überzeugt damit auch aus gleichheitsrechtlicher Perspektive. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass eine Steuer, die in den finanzverfassungsrechtlichen Normen erwähnt ist, auch bei gleichheitsrechtlicher Betrachtung zumindest im Grundsatze, nicht jedoch zwingend in jeder Ausgestaltung, erhoben werden kann. Daraus folgt aber auch – und diese Konsequenz für den vorliegenden Zusammenhang wurde bisher nicht ausreichend berücksichtigt –, dass die genannten Steuern, die Einkommensteuer, aber auch die Verbrauchssteuern und die Umsatzsteuer, als solche in ihrer Auswirkung gerechtfertigt sind, so dass diese nicht zwingend durch die Ausgestaltung anderer Steuern kompensiert werden müssen. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine auch nur einigermaßen genaue Kompensation indirekter Steuern durch die Ausgestaltung der Einkommensteuer kaum möglich ist. Es ist daher davon auszugehen, dass Steuern, die in den finanzverfassungsrechtlichen Normen erwähnt sind, nicht nur tatsächlich erhoben werden können, sondern dass darüber hinaus auch ihre Wirkung verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig ist. Im Ergebnis müssen daher alle in den finanzverfassungsrechtlichen Normen angesprochenen Steuern, auch die Verbrauchssteuern, verfassungsrechtlich anerkannt werden.188 Indirekte Steuern müssen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zwingend kompensiert werden. Die Begründung des progressiven Einkommensteuertarifs als Kompensation der regressiven Wirkungen der Verbrauchssteuern überzeugt daher zumindest in ihrer zwingenden Ausgestaltung nicht. Damit wird zumindest deutlich, dass aus gleichheitsrechtlicher Perspektive allein die Einkommensteuer betrachtet werden kann und nicht zwingend die Gesamtsteuerbelastung in den Blick genommen werden muss. Die Anerkennung dieser (engen) materiellen Wirkung der finanzverfassungsrechtlichen Normen stellt damit eine – wenn auch nur im Sinne einer verbürgten Möglichkeit – erste Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Vergleichskriteriums dar. Dass gleichheitsrechtlich zwingend an der Einkommensteuer angesetzt werden müsste, ist demgegenüber nicht dargetan. Dies mag bereits erste Zweifel an der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Literatur begründen, die das gleichheitsrechtlich fundierte Leistungsfähigkeitsprinzip auf die Einkommensteuer beziehen. Die weitere Untersuchung wird sich im Folgenden in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Literatur auf die Einkommensteuer konzentrieren. Dabei wird zum einen der gleichheitsrechtliche AnKritisch daher auch Vogel, FS für Tipke, S. 93 (100 ff.). In diesem Sinne auch Vogel, FS für Tipke, S. 93 (100 ff.); deutlich Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 25; siehe auch Rodi, S. 151 ff.; zu weitergehenden Folgerungen siehe auch BVerfGE 26, 1 (8); 21, 12 (25); Vogel, HdbStR IV, § 87, Rz. 55; Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art 104a bis 115 GG, Rz. 578 ff. 187 188
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
satz, der im Sinne des gleichheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzips nur das disponible Einkommen bzw. den im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzen zu besteuern sucht,189 zum anderen aber auch die von Seiten der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre vertretene Konzeption, die als maßgebliches Kriterium das – objektiv verstandene – Einkommen ohne vorherigen Abzug unvermeidbarer privater Aufwendungen zugrunde legt,190 exemplarisch auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit bzw. Gebotenheit untersucht.191
III. Die Leistungsfähigkeit i. S. des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens als freiheitsrechtlich fundiertes Vergleichskriterium Wie dargestellt, wird im Sinne einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in der rechtswissenschaftlichen Literatur häufig vertreten, dass aus gleichheitsrechtlicher Sicht nur am disponiblen Einkommen des Steuerpflichtigen, bzw. am im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzen angeknüpft werden könnte.192 Eine solche Anknüpfung ist prima facie schon deshalb zulässig, weil dem Gesetzgeber bei der Wahl des Vergleichskriteriums grundsätzlich ein großer Einschätzungsspielraum zukommt.193 Sie lässt sich jedoch verfassungsrechtlich zusätzlich durch die (bedarfsorientierten) Wertungen der Freiheitsrechte des Grundgesetzes besonders begründen.194
1. Die bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Wertungen als verfassungsrechtliche Begründung des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens Das (regelmäßige) Einkommen eines Steuerpflichtigen, typischerweise das Arbeitseinkommen, wird generell zur Sicherung des regelmäßigen Bedarfs des Steuerpflichtigen und seiner Familien verwendet. Dieser regelmäßige Bedarf wird zumindest in der heutigen Zeit im Allgemeinen nicht mehr aus vorhandenem Vermögen, sondern dem Einkommen gedeckt.195 Das Einkommen sichert dabei zuerst 189 Siehe zu dieser vornehmlich von Vertretern der Rechtswissenschaft vertretenen Auffassung S. 80 ff. 190 Siehe zu diesem von manchen Vertretern der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre bevorzugten Ansatz S. 64 ff. 191 Siehe dazu die folgenden S. 114 ff. und S. 122 ff. 192 Dazu ausführlich auf S. 80 ff. 193 Dazu oben S. 106 ff. 194 Zu der in dieser Untersuchung vorgenommenen Unterscheidung zwischen als „liberal“ bezeichneten, freiheitsrechtlichen und „bedarfsorientierten“ freiheitsrechtlichen Grenzen, die sich auch in den freiheitsrechtlichen Begründungen für die gleichheitsrechtliche Anknüpfung widerspiegeln, siehe ausführlich auf S. 128 ff.
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den für die Existenz notwendigen Bedarf. Das darüber hinausgehende Einkommen kann dann zur Gestaltung des privaten Lebens verwendet werden. Aus grundgesetzlicher Sicht ist das Einkommen auch wegen dieser, am Bedarf des Steuerpflichtigen orientierten, freiheitsrechtlichen Funktion besonders geschützt: Der Schutz des erzielten Einkommens ist freiheitsrechtlich durch die Menschenwürdegarantie und durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gesichert.196 Eine dieser (bedarfsorientierten) freiheitsrechtlichen Bedeutung des Einkommens gerecht werdende Besteuerung berücksichtigt diese Funktion des Einkommens und setzt daher gleichheitsrechtlich am disponiblen Einkommen des Steuerpflichtigen an.197 Darüber hinaus entspricht es dieser (bedarfsorientierten) freiheitsrechtlichen Konzeption, nicht das disponible Einkommen in einem objektiven Sinne, sondern den in diesem Einkommen innewohnenden Freiheitsgewinn, den im Einkommen verkörperten Nutzen zu vergleichen.198 Die Konkretisierung des Vergleichskriteriums im Sinne des Nutzens des disponiblen Einkommens ist durch diese freiheitsrechtliche Anknüpfung verfassungsrechtlich in jedem Fall zumindest zulässig.199 Diese (bedarfsorientierte) freiheitsrechtliche Begründung der Wahl des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens als gleichheitsrechtlicher Anknüpfungspunkt setzt sich bei der Berücksichtigung von Unterhaltslasten fort. Aus Art. 6 GG kann zumindest hergeleitet werden, dass auch die Belastungen durch Unterhaltsleistungen gleichheitsrechtlich berücksichtigt werden können.200 Auf den ersten Blick ist jedoch unklar, ob diesen freiheitsrechtlichen Wertungen bereits durch die Berücksichtigung des familiären Existenzminimums ausreichend Rechnung getragen wird oder diesen nur durch die Berücksichtigung der Unterhaltslast 195 Zum Schutz der Existenz durch das Eigentum in früheren Zeiten und dem Funktionswandel des Eigentums siehe Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 385; Badura, Verhdl. d. 49. Dt. Juristentages, T 5 (T 22); ders., BayVBl. 1973, 3 ff.; Rodi, S. 90 ff.; Scheuner, S. 43; kritisch Meyer-Abich, S. 72 sowie unten S. 142 ff. 196 Zu dem Schutz durch die bedarfsorientierten Freiheitsrechte siehe ausführlich auf S. 141 ff. 197 Siehe dazu deutlich BVerfGE 82, 60 ff.; 99, 216 ff.; sowie ausführlich auf S. 114 ff. 198 In diesem Sinne auch Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 362; Walz, S. 88 ff. 199 Verfassungsrechtlich zulässig ist auch die vor allem von Tipke vertretene Position, die einerseits nur das disponible Einkommen besteuert, dieses aber der Besteuerung als objektives Einkommen zugrunde gelegt; dazu Tipke / J. Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 197; § 9 Rz. 741; so wohl auch Tipke, StRO I, S. 403 f.; ders., StRO II, S. 711 f.; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 165; ders., DStJG 24 (2001), 49 (57); ähnlich H. Becker, FS für Klein, S. 379 ff.; siehe dazu S. 88 ff.; dafür spricht schon, dass sie sich im Ergebnis nicht von einer Konzeption unterscheidet, die am Nutzen des disponiblen Einkommens ansetzt. Auch diese könnte zu einer proportionalen Besteuerung führen; siehe dazu Haller, Progressive Besteuerung, S. 9 ff., der die Wahl einer solchen Nutzenfunktion vorschlägt. Dafür spricht auch, dass sie die rechtsstaatlichen Schwierigkeiten des Nutzenkriteriums vermeidet. Zuletzt spricht dafür auch die Tatsache, dass eine am objektiven Markteinkommen ansetzende Konzeption ebenfalls zulässig ist, dazu sogleich auf S. 122 ff. und sich diese Position insoweit zwischen den beiden Polen bewegt. 200 Weitergehend die h.M., siehe dazu nur S. 80 ff.
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in der bürgerlich-rechtlich geschuldeten Höhe entsprochen wird. Wie schon mehrfach dargelegt, hat das Bundesverfassungsgericht die Berücksichtigung auf den existenznotwendigen Bedarf begrenzt und eine darüber hinausgehende Berücksichtigung als nicht sachgerecht bezeichnet.201 Für eine solche Begrenzung auf den existenznotwendigen Bedarf spricht auf den ersten Blick die freiheitsrechtliche Begründung durch Art. 1 Abs. 1 GG, denn die Menschenwürdegarantie kann nur die Steuerfreiheit des Existenzminimums gewährleisten. Im Ergebnis kann diese Argumentation jedoch bei einer Individual- im Gegensatz zu einer Haushaltsbesteuerung kaum überzeugen: zwar fordert die Menschenwürdegarantie allein die Steuerfreiheit des Existenzminimums. Diese Begrenzung bezieht sich aber auf die Besteuerung beim Unterhaltsberechtigten. Im Hinblick auf den Unterhaltsverpflichteten deutet eine freiheitsrechtliche Wertung hingegen auf die Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung in seiner geschuldeten Höhe. Denn wenn zutreffenderweise der existenznotwendige Betrag, der dem Steuerpflichtigen zur Sicherung seiner Existenz dient, steuerfrei gestellt werden muss, darf auch Einkommen, das dem Steuerpflichtigen aufgrund gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen von vorne herein nicht zur Verfügung steht, nicht besteuert werden. Diese Argumentation spricht in der Tat für die in der Literatur auch in diesem Zusammenhang vertretene gleichheitsrechtliche Anknüpfung am disponiblen (iS von verfügbaren) Einkommen. Die Unterhaltslasten müssten dann in der Höhe des bürgerlich-rechtlichen Unterhalts anerkannt werden. Dass diese gleichheitsrechtliche Anknüpfung am disponiblen Einkommen den freiheitsrechtlichen Wertungen entspricht, bedeutet jedoch nicht zwingend, dass eine Begrenzung der Berücksichtigung von Unterhaltslasten auf das Existenzminimum aus gleichheitsrechtlicher Sicht verfassungsrechtlich nicht ebenfalls zulässig wäre. Denn die Begründung eines Anknüpfungskriteriums anhand freiheitsrechtlicher Wertungen bedeutet noch nicht zwingend, dass andere Anknüpfungsmöglichkeiten ausgeschlossen sein müssen.202 2. Das Problem der fehlenden Messbarkeit des Nutzens als verfassungsrechtliche Fragestellung Schwierigkeiten bereitet eine Anknüpfung am im (disponiblen) Einkommen verkörperten Nutzen jedoch aus rechtsstaatlicher Sicht. Bei der Darstellung der grenzIm Ergebnis BVerfGE 82, 60 (91). Dabei wäre es dann allerdings konsequent, wenn auch wegen der geringen materiellen Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht verfassungsrechtlich zwingend, im Sinne eines Familientarifsplittings auch auf der Ebene des Tarifs zu berücksichtigen, dass mehrere Personen von diesem Einkommen leben (zu Vorschlägen eines tariflichen Familiensplittings zum Teil mit unterschiedlichen Splittingdivisoren siehe Lingemann, S. 156 ff.; Thiede, S. 170; Vollmer, S. 226 f.; siehe dazu auch die Ankündigung der CDU / CSU und FDP-Koalition des Jahres 1983, Regierungserklärung v. 4. 5. 1983, Stenographischer Bericht des deutschen Bundestages, 10. Wahlperiode, 4. Sitzung v. 4. 5. 1983, S. 62; kritisch dazu Vogel, StuW 1999, 201 ff.; R. Wendt, FS für Tipke, S. 47 (68 f.)) – Das Bundesverfassungsgericht hat eine solche Forderung jedoch nicht erhoben. 201 202
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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nutzentheoretischen Untersuchungen der älteren Finanzwissenschaft war die fehlende Messbarkeit des Nutzens und die damit einhergehende fehlende Bestimmbarkeit einer Grenznutzenfunktion als zentrale Ursache für das Scheitern dieser wissenschaftlichen Versuche festgestellt worden.203 Die fehlende Messbarkeit des Nutzens stellt auch aus verfassungsrechtlicher Sicht eine wichtige Fragestellung dar. Als verfassungsrechtliche Fragestellung ist sie indes bisher wenig diskutiert.204 Sie erscheint in den in der Literatur zu findenden Klagen über die Willkürlichkeit der tariflichen Festlegung. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist zu fragen, ob der Gesetzgeber im Rahmen des Gleichheitssatzes ein nicht messbares Kriterium als Vergleichskriterium auswählen kann, mit der Konsequenz, dass der Gleichheitssatz seine gegenüber dem Gesetzgeber aufgetragene Kontrollfunktion weitgehend verliert. Dem Gesetzgeber ist grundsätzlich die Möglichkeit gegeben, durch gesetzliche Regelungen bestimmte Gegebenheiten nur in typisierender Weise zu erfassen.205 Dies umfasst auch die Befugnis, nur schwer messbare Aspekte aufzunehmen und diese in typisierender Weise umzusetzen. Ob eine solche Möglichkeit dem Gesetzgeber jedoch auch dann noch eröffnet sein kann, wenn ein Kriterium so wenig bestimmt ist, dass aus dem Gleichheitssatz (fast) keine Vorgaben abgeleitet werden können, und es zudem Ausgangspunkt eingriffsintensiver Regelungen wie des Steuerrechts ist, mag manchem zweifelhaft erscheinen.206 Die Wahl eines solchen Vergleichskriteriums muss jedoch nach hier vertretener Auffassung zumindest in dem Fall als im Grundsatze verfassungsrechtlich zulässig erscheinen, wenn sich aus dem Grundgesetz – wie im vorliegenden Zusammenhang aus den Freiheitsrechten – besondere Anhaltspunkte für die Wahl dieses Kriteriums ableiten lassen.
3. Konsequenzen einer Wahl des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens als Vergleichskriterium Knüpft der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Einkommensteuer an dem im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzen an, so fällt es mangels einer Bestimmbarkeit der Nutzenkurve zumindest schwer, konkrete verfassungsrechtliche Anforderungen für die Tarifgestaltung abzuleiten. Je nach der gewählten Nutzenfunktion lassen sich progressive, proportionale oder auch regressive Tarife ableiten.207 Wählt der Gesetzgeber dabei einen progressiven Tarifverlauf, so lassen sich dennoch in eingeschränktem Umfange verfassungsrechtliche Aussagen zu der Art und Weise der Berücksichtigung von leistungsfähigkeitsmindernden UmSiehe dazu S. 57 ff. Siehe jedoch H. Becker, FS für Klein, S. 379 ff., der aus diesem Grund einen proportionalen Tarifverlauf fordert. 205 Siehe u. a. BVerfGE 80, 109 (118); 84, 348 (359); 87, 234 (255); 89, 15 (24). 206 Stärker noch H. Becker, FS für Klein, S. 379 ff. 207 Siehe dazu S. 57 ff. 203 204
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
ständen, zum Tarifverlauf und seiner steuertechnischen Ausgestaltung treffen. Diesen Anforderungen kann jedoch nur in dem Fall eine Bedeutung zukommen, dass sich der Gesetzgeber auf der Grundlage des Nutzenkriteriums für eine progressive, nicht aber, wenn er sich für eine proportionale Tarifgestaltung entscheidet: Denn bei einer proportionalen Gestaltung ist kein Stufentarif erforderlich; unterschiedliche Gestaltungsarten für die Berücksichtigung unvermeidbarer privater Aufwendungen – als Abzug von der Bemessungsgrundlage oder als Abzug von der Steuerschuld – haben bei einem proportionalen Tarifverlauf keine unterschiedlichen Auswirkungen. a) Die Art und Weise der Berücksichtigung leistungsfähigkeitsmindernder Umstände Aus der freiheitsrechtlich begründeten Wahl des disponiblen Einkommens als gleichheitsrechtlicher Anknüpfungspunkt folgt, dass familiäre Unterhaltslasten in der Höhe des familiären Existenzminimums als Minderung der Leistungsfähigkeit vorab als Abzug von der Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden müssen. Denn nur so kann eine Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen gleicher Leistungsfähigkeit gewährleistet werden.208 Die in Teilen der Literatur erhobene Forderung nach einer progressionsunabhängigen Entlastungswirkung, die durch einen Abzug von der Steuerschuld verwirklicht werden könnte, überzeugt hingegen zumindest als verfassungsrechtliche Forderung nicht.209 Sie wurde damit begründet, dass es eine individuell unterschiedliche Entlastungswirkung nur geben könne, wenn eine individuell unterschiedliche Verwendung nicht – wie beim Existenzminimum – ausgeschlossen werden könne.210 Diese Argumentation nach einer progressionsunabhängigen Entlastungswirkung erscheint jedoch als verfassungsrechtliche Forderung auf der Basis eines subjektiven Leistungsfähigkeitsprinzips nicht zutreffend: Zweifel an der Argumentation aufgrund der Entlastungswirkung ergeben sich schon daraus, dass unklar ist, welches der richtige Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der tatsächlichen Entlastungswirkung ist.211 Grundlegend ist aller208 Siehe in diesem Sinne auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dazu S. 80 ff. 209 Siehe dazu S. 85 f. 210 Lehner, StuW 1986, 59 ff. 211 Dies zeigt sich bei der Beurteilung des tariflichen Grundfreibetrages deutlich. So wird häufig festgestellt, der Grundfreibetrag wirke sich linear entlastend entsprechend des Eingangssteuersatzes aus, Lehner, StuW 1986, 59 f.; ebenso Arndt, StVj 1993, 1 (2); Biergans / Wasmer, FR 1985, 57 (62); Dziadkowski, FR 1986, 504 ff.; ders., BB 1985, Beilage 9 zu Heft 15, 12 f.; Giloy, FR 1986, 56 (58); Söhn, FA 51 (1994), 372 (393). Nach Bals, BB 1974, 454 (455), ist die Auswirkung des Grundfreibetrags hingegen „Ansichtssache“: Zähle man den Grundfreibetrag zu der unteren Proportionalzone, wäre die Entlastung jedes Steuerpflichtigen gleich, sie entspräche der ersparten Proportionalsteuer. Halte man den Grundfreibetrag jedoch nicht für einen Teil der Proportionalzone, so habe der Grundfreibetrag degressive Wirkung. Esser weist in diesem Sinne zutreffend darauf hin, dass für die Beurteilung der Entlastungswirkung die Wahl der Vergleichsfunktion entscheidend sei, Esser, DStZ 1994, 517 ff.
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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dings der Einwand, dass die Ausgestaltung von Fiskalzwecknormen, die dem gleichheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechen, nur mittelbar durch die Entlastungswirkung gerechtfertigt werden können. Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Bewertung eines Eingriffstatbestandes muss die Belastungsund nicht die Entlastungswirkung sein.212 Das steuerliche Existenzminimum muss bei allen Steuerpflichtigen unbelastet bleiben. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass sich spiegelbildlich eine degressive Entlastungswirkung ergibt. Hinsichtlich der Art und Weise der Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs des Steuerpflichtigen selbst, lässt sich hingegen keine verbindliche verfassungsrechtliche Aussage treffen. Im Falle des Existenzminimums des Steuerpflichtigen greift die Argumentation auf der Basis der horizontalen Steuergerechtigkeit, die bei Umständen, welche die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern, aber nicht bei jedem Steuerpflichtigen vorliegen, überzeugt, nicht durch. Denn für die Grundsicherung der eigenen Existenz muss jeder den gleichen Betrag aufwenden. Ein Argument horizontaler Gleichheit lässt sich daher nicht vorbringen.213 Auch ein Vergleich von Steuerpflichtigen unterschiedlicher Leistungsfähigkeit kann eine solche Gestaltungsvorgabe nicht stützen: Zwar ist die Frage, ob der existenznotwendige Bedarf vorab berücksichtigt werden muss, – wie aufgezeigt – zumindest auf theoretischer Ebene für die Bestimmung des Vergleichskriteriums relevant. Im Ergebnis lassen sich daraus dennoch keine Konsequenzen ableiten, da – mangels einer Bestimmbarkeit der Nutzenkurve – von dem gewählten Vergleichskriterium nicht zuverlässig auf die zulässige gleichheitskonforme Besteuerungshöhe geschlossen werden kann.214 Dieses Ergebnis, dass aus gleichheitsrechtlicher Perspektive keine Vorgaben für die Art und Weise der Berücksichtigung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen hergeleitet werden können, korrespondiert mit der von Homburg dargelegten Tatsache, dass die Auswirkungen einer Berücksichtigung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen durch einen tariflichen Grundfreibetrag einer Berücksichtigung durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage entsprechen.215 Aus dem Gleichheitssatz kön212 In diesem Sinne nur Lehner, DStR 1992, 1641 ff.; Vogel, FS für Offerhaus, S. 47: siehe auch Esser, DStZ 1994, 517 (518). Anders stellt sich die Situation demgegenüber bei Lenkungsnormen dar: Da diese eine Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip bedeuten, ist – sofern die Lenkungsnorm zu einer steuerlichen Entlastung führt – die Frage nach der Entlastungswirkung zu stellen. Relevanter Vergleichsmaßstab ist in diesen Fällen eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechende Gestaltung ohne Lenkungsnormen. Im Gegensatz dazu ist bei Normen, die auf der Basis des Leistungsfähigkeitsprinzips beurteilt werden müssen, die Belastungswirkung entscheidend. 213 So deutlich auch Tipke, FR 1990, 349 ff. 214 Ausführlich dazu S. 99 ff. 215 Homburg, FA 52 (1995), 182 (187 ff.); ebenso Esser, DStZ 1994, 517 ff.; Esser hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass auch durch eine Ausgestaltung als Abzug von der Steuerschuld im Hinblick auf jeden einzelnen Steuerpflichtigen eine Steuerlast erzielt werden kann, die der Steuerlast bei einem Abzug von der Bemessungsgrundlage entspricht. Voraussetzung dafür seien jedoch unterschiedliche Tarifverläufe; Esser, DStZ 1994, 517 ff.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
nen unter diesen Umständen keine den Gesetzgeber bindenden Vorgaben an die steuertechnische Ausgestaltung abgeleitet werden.216
b) Die Notwendigkeit eines Stufengrenzsatztarifs Eine weitere, sicherlich wenig kontroverse, aber selten erwähnte Konsequenz des Gleichheitssatzes bezieht sich auf die Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs als Formel- bzw. Stufengrenzsatztarif (Teilmengenstaffeltarif).217 Der Gleichheitssatz verlangt – unabhängig davon, ob man das Einkommen als objektives Einkommen versteht oder den im Einkommen verkörperten Nutzen als Kriterium auswählt – , dass ein Steuerpflichtiger, der vor der Besteuerung ein größeres zu versteuerndes Einkommen hatte als ein anderer Steuerpflichtiger, nicht nach der Besteuerung weniger Einkommen als jener andere aufzuweisen hat.218 Eine solche Umkehr der Einkommensreihenfolge kann es nicht bzw. nur in ganz geringem Maße geben, wenn Gründe der Verwaltungsvereinfachung dies fordern. Diese Anforderung einer Beibehaltung der Einkommensreihenfolge führt fast zwingend zu der Forderung nach einem Formel- oder einem Stufengrenzsatztarif. Gesamtmengenstaffeltarife, d. h. solche Tarife, die anders als Stufengrenzsatzbzw. Teilmengenstaffeltarife jeweils das gesamte zu versteuernde Einkommen nach der jeweiligen Stufe besteuern, haben zur Folge, dass sich die Einkommensreihenfolge der Steuerpflichtigen an den Übergängen von einer Stufe zur nächsten Stufe umkehrt.219 Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Gesamtmengenstaffeltarif um einen Stufensatz- und nicht um einen Stufenbetragstarif handelt. Und dieses Ergebnis einer Umkehr der Einkommensreihenfolge kann auch nur durch komplizierte und weitreichende Übergangsregelungen vermieden werden, die den Ausgangspunkt eines Gesamtmengenstaffeltarifs in Frage stellen.220 Im Ergebnis wird ein progressiver Tarif daher am besten durch einen Stufengrenzsatztarif ausgestaltet. Gesamtmengenstaffeltarife entsprechen demgegenüber nur dann gleichheitsrechtlichen Vorgaben, wenn sie durch Übergangsregelungen so modifiziert sind, dass eine Umkehr der Einkommensreihenfolge nicht oder nur in sehr geringem Maße erfolgt.
Siehe dazu S. 97 ff. Siehe dazu die Erläuterungen im Anhang. 218 In diesem Sinne auch das Bundesgericht der Schweiz, BGE 99, Ia, 638 (656); zitiert nach M. F. Huber, S. 174; zu einer vergleichbaren Argumentation der Bundesländer beim Finanzausgleich siehe BVerfGE 101, 158 ff. 219 Siehe dazu die Erläuterungen im Anhang. 220 Siehe beispielhaft die Übergangsregelungen des als Gesamtmengenstaffeltarif ausgestalteten Erbschaftssteuertarifs in § 19 Abs. 3 ErbStG. 216 217
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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c) Anforderungen an den Tarifverlauf: Die Unzulässigkeit von Tarifsprüngen Weniger eindeutig sind die Anforderungen an den Tarifverlauf selbst. Da eine kardinale Messung des im Einkommen verkörperten Nutzens nicht gelungen ist, kann eine gleiche Nutzeneinbuße – in Abhängigkeit von der gewählten Nutzenfunktion – durch eine progressive, eine proportionale, aber auch eine regressive Tarifkurve erreicht werden.221 Konsequenzen für den grundsätzlichen Tarifverlauf lassen sich daher kaum ableiten. Allerdings lassen sich dennoch gewisse Anforderungen an die Tarifgestaltung formulieren, denn zumindest ist in diesem Zusammenhang auch das Willkürverbot zu beachten. So kann nicht angenommen werden, dass die Nutzenfunktionen sprunghaft verlaufen. Große Tarifsprünge geraten in die Gefahr, als willkürlich, und daher verfassungsrechtlich unzulässig angesehen zu werden. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Ergänzungsabgabe heißt es daher auch, dass der „Progressionsknick“ bei Erreichen der Grenze für die Ergänzungsabgabe durch Übergangsregelungen so abgemildert werden müsse, dass es nicht zu „einer unerträglichen Verzerrung der Besteuerung“ kommen würde.222 Im Grundfreibetragsbeschluss formuliert das Bundesverfassungsgericht, dass kein Progressionssprung gegeben sein dürfe, der die vertikale Gleichheit im Verhältnis geringerer zu höheren Einkommen außer Acht lasse.223 In seinem Vermögenssteuerbeschluss stellt das Gericht in diesem Sinne fest, dass der Gesetzgeber die Tarifgestaltung in folgerichtigen Übergängen vornehmen müsse.224 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip, verstanden als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes, das an dem im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzen anknüpft, nicht nur wegen des weiten gesetzgeberischen Spielraums bei der Wahl des Vergleichskriteriums zulässig ist, sondern durch die freiheitsrechtlichen Wertungen der Menschenwürdegarantie und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verfassungsrechtlich besonders begründet werden kann. Wählt der Gesetzgeber für die Bemessung der Einkommensteuer dieses Anknüpfungskriterium und gestaltet er den Tarifverlauf progressiv, so ergibt sich daraus, dass unvermeidbare private Aufwendungen, die nicht bei jedem Steuerpflichtigen anfallen, von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden müssen. Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst kann jedoch auch durch einen Grundfreibetrag oder einen Abzug von der Steuerschuld zur Geltung gebracht werden. Im Hinblick auf die Tarifgestaltung lassen sich die Notwendigkeit eines Stufengrenzsatztarifs sowie die Unzulässigkeit von Tarifsprüngen ableiten.
Siehe dazu S. 57 ff. BVerfGE 32, 333 (343). 223 BVerfGE 87, 153 (170). 224 BVerfGE 93, 121 ff. Ähnlich judiziert der BFH, wenn er feststellt, dass jeder progressive Tarif dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem Grundgesetz entspricht, sofern er nicht willkürlich ausgestaltet ist und in oberen Bereich nicht zu unvertretbaren Belastungen führt. Dabei wäre keine durchgehend gleichmäßige Steigerung erforderlich, verlange man eine solche, läge darin eine unzulässige Beschränkung des gesetzgeberischen Spielraumes, BFGE 110, 119 (124). 221 222
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
IV. Das objektive Markteinkommen als verfassungsrechtlich zulässiges, ebenfalls freiheitsrechtlich begründetes Vergleichskriterium Die gleichheitsrechtliche Anknüpfung an den im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzen, konnte aufgrund der Funktion des Einkommens und ihres freiheitsrechtlichen Schutzes als verfassungsrechtlich zulässig begründet werden.225 In der betriebswirtschaftlichen Literatur wurde demgegenüber von manchen Autoren eine Anknüpfung am erwirtschafteten, am objektiven Markteinkommen – ohne vorherigen Abzug des existenznotwendigen Bedarfs von der Bemessungsgrundlage – vorgeschlagen.226 Auch eine solche gleichheitsrechtliche Anknüpfung am objektiven Markteinkommen lässt sich verfassungsrechtlich durch Freiheitsrechte besonders begründen. 1. Die hohe Begründungslast der These von der allein zulässigen Anknüpfung am disponiblen Einkommen Ausgangspunkt der gleichheitsrechtlichen Betrachtung ist die Tatsache, dass der allgemeine Gleichheitssatz selbst nur geringe Vorgaben für die Wahl des Vergleichskriteriums macht und dem Gesetzgeber daher im Allgemeinen einen großen Spielraum für die Wahl des Vergleichskriteriums belässt.227 Den weiten gesetzgeberischen Spielraum hat das Bundesverfassungsgericht zudem in dem eng mit steuerrechtlichen Vorschriften verbundenen Bereich der Wirtschaftspolitik und -lenkung regelmäßig besonders hervorgehoben.228 Damit obliegt der herrschenden Auffassung, die den Gesetzgeber aus gleichheitsrechtlicher Sicht auf die Wahl eines bestimmten Vergleichskriteriums festlegen will, erst einmal eine hohe Begründungslast. Ob die Argumentation auf der Grundlage des Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip, Art. 6 GG und Art. 14 GG dieser Begründungslast genügen kann, erscheint erst einmal zweifelhaft, denn die Begründung eines Anknüpfungskriteriums anhand freiheitsrechtlicher Wertungen schließt andere Anknüpfungsmöglichkeiten noch nicht zwingend aus. 2. Die Wettbewerbsfreiheit als verfassungsrechtliche Begründung für eine am objektiven Markteinkommen ansetzende gleichheitsrechtliche Besteuerungskonzeption Dass dieser hohen Argumentationslast im Ergebnis nicht genügt werden kann, und aus gleichheitsrechtlicher Sicht auch eine Besteuerungskonzeption, die am ob225 226 227 228
Siehe dazu S. 114 ff. Siehe dazu S. 64 ff. Dazu bereits auf S. 106 ff. BVerfGE 18, 315 (331); 50, 290 (338).
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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jektiven Markteinkommen anknüpft, als verfassungsrechtlich zulässig anerkannt werden muss, ergibt sich, wenn man bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes die freiheitsrechtliche Wertung der Wettbewerbsfreiheit berücksichtigt: Die Wettbewerbsfreiheit wird durch das Grundrecht der Berufsfreiheit, ergänzend durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, gewährleistet.229 Sie entfaltet keinen über den Schutzgehalt der im Grundgesetz genannten Grundrechte hinausgehenden Gehalt;230 der Begriff der „Wettbewerbsfreiheit“ verdeutlicht jedoch den Zusammenhang dieser wirtschaftlichen Grundrechte im Hinblick auf die wirtschaftliche Ordnung.231 Die Berufsfreiheit des Art. 12 GG gewährleistet die Wahl und Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst in allgemeiner Weise auch jede – berufsunabhängige – wirtschaftliche Handlung. Staatliche Eingriffe in diese Freiheiten sind grundsätzlich rechtfertigungsbedürftig. Eine von staatlichen Eingriffen freie wirtschaftliche Betätigung führt zu marktwirtschaftlichen Handlungsabläufen. Insoweit ist der freie Markt als Folge einer Ausübung wirtschaftlicher Freiheiten zwar nicht als solcher geschützt, er partizipiert aber an dem grundrechtlichen Schutz der handelnden Marktteilnehmer.232 Daher mag zwar die freie Marktwirtschaft und auch die soziale Marktwirtschaft nicht ausdrücklich als Wirtschaftsverfassung im Grundgesetz genannt, und damit nicht jede von diesen wirtschaftlichen Modellen abweichende, d. h. nicht marktkonforme Maßnahme verfassungswidrig sein.233 Eingriffe in berufliche und allgemein wirtschaftliche Handlungen sind jedoch vor den Grundrechten rechtfertigungsbedürftig. Gewährleisten aber die im Grundgesetz normierten wirtschaftlichen Grundrechte, insbesondere also die Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit, zusammengefasst als Wettbewerbsfreiheit, eine im Ausgangspunkt marktwirtschaftliche Ordnung, so muss 229 P. M. Huber, S. 319 ff.; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 12 GG, Rz. 67; Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456 (481); siehe auch Di Fabio, in: Maunz / Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Rz. 116 ff.; zur Wettbewerbsfreiheit allgemein auch Lindner, DÖV 2003, 185 ff.; die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sieht die Wettbewerbsfreiheit durch Art. 12 GG gewährleistet, siehe dazu BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); siehe auch BVerfGE 105, 252 ff.; das Bundesverwaltungsgericht versteht sie als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit, BVerwGE 17, 306 (309); 30, 191 (198). 230 Deutlich insoweit Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 12 GG, Rz. 67. 231 Dazu sogleich. 232 Siehe dazu Badura, JuS 1976, 205 (208); Bleckmann, JuS 1991, 536 (539); Di Fabio, in: Maunz / Dürig Art. 2 Abs. 1 GG, Rz. 116; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 12 GG, Rz. 29; Scholz, in: Maunz / Dürig, Art. 12 GG, Rz. 80; siehe auch P. M. Huber, S. 319 ff.; Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456 (481). 233 Zur „wirtschaftspolitischen Neutralität“ des Grundgesetzes siehe BVerfGE 4, 7 (17 ff.); 7, 377 (400); 12, 341 (347); 12, 354 (363); 14, 263 (275); 21, 73 (78); 25, 1 (19 ff.); 30, 292 (317); 50, 290 (336 ff.); siehe dazu aus der Literatur Abendroth, S. 63 ff.; Badura, JuS 1976, 205 ff.; Bäumler, DÖV 1979, 325 ff.; Ballerstedt, S. 49 ff.; Bleckmann, JuS 1991, 536 ff.; Ehmke, Wirtschaft, S. 1 ff.; Emmerich, S. 100; Hablitzel, BayVbl. 1981, 65 ff.; 100 ff.; E. R. Huber, DÖV 1956, 97 ff.; 135 ff.; 172 ff.; 200 ff.; Krüger, DVBl. 1951, 361 ff.; Nipperdey, S. 13 ff.; Rittner, S. 30 ff.; Rupp; dazu auch Schlaich, S. 104 ff.; aus jüngerer Zeit Sodan, DÖV 2000, 361 ff.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
bei der Frage nach den gleichheitsrechtlich zulässigen Anknüpfungspunkten der Einkommensbesteuerung auch das von der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre vorgestellte Konzept einer entscheidungsneutralen Besteuerung den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Denn ein entscheidungsneutral ausgestaltetes Einkommensteuerrecht zielt darauf ab, die durch Art. 12 GG und die wirtschaftlichen Freiheiten allgemein geschützte marktwirtschaftliche Tätigkeit unbeeinflusst zu belassen.234 Eine Besteuerung, die demgegenüber gleichheitsrechtlich an der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen im dargestellten Sinne einer gleichen Nutzeneinbuße ausgerichtet ist, kann das Verhalten der Marktteilnehmer beeinflussen. So können neben Lenkungsnormen, die eine Lenkung intendieren, auch steuerrechtliche Normen, die dem (gleichheitsrechtlich verstandenen) Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechen, Auswirkungen auf die Erzielung von Einnahmen, auf das Verhalten der Marktteilnehmer haben.235 Dies liegt darin begründet, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip allein auf das Ergebnis der Markttätigkeit abstellt, nicht aber die Entscheidung des Marktteilnehmers und seine unterschiedlichen Handlungsoptionen ex ante in den Blick nimmt.236 Durch solche möglichen Auswirkungen auf die Einkommenserzielung wird ein Konflikt zu der die marktwirtschaftliche Tätigkeit schützenden Wettbewerbsfreiheit, ein Konflikt zu Art. 12 GG bzw. zu Art. 2 Abs. 1 GG, möglich. Gerade wegen dieser Einflüsse auf das Marktgeschehen wenden sich manche Vertreter der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, namentlich D. Schneider, vehement gegen einen Abzug von der Bemessungsgrundlage des für die Existenzsicherung notwendigen Bedarfs.237 Die Wertung der Art. 12 GG und Art. 2 Abs. 1 GG muss daher dazu führen, dass aus gleichheitsrechtlicher Sicht auch eine der Entscheidungsneutralität entsprechende Anknüpfung am objektiven Markteinkommen als verfassungskonform begründet werden kann. Ein in dieser Weise ausgestaltetes Steuerrecht ist entgegen mancher Aussage nicht wertneutral, sondern setzt die grundgesetzliche Wertung der wirtschaftlichen Freiheiten um.238 Im Ergebnis ist damit auch ein Ansatz am erzielten objektiven Markteinkommen gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden.
3. Konsequenzen einer gleichheitsrechtlichen Anknüpfung am objektiven Markteinkommen – für den Steuerpflichtigen und seine Familie Wenn – wie dargestellt – aufgrund der Wertung der grundgesetzlich in Art. 12 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Wettbewerbsfreiheit aus gleich-
Siehe dazu S. 61 ff. Siehe zur Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Abzug von der Bemessungsgrundlage und zum progressiven Tarif auf S. 64 ff. 236 Siehe dazu S. 68 ff. 237 Siehe dazu S. 65 ff. 238 Anders aber Jachmann, StuW 1998, 293 (297). 234 235
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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heitsrechtlicher Sicht auch eine Anknüpfung am objektiven Markteinkommen zulässig sein muss, so ist damit – aus gleichheitsrechtlicher Sicht – eine proportionale Besteuerung zulässig und eine Berücksichtigung des Existenzminimums, auch des familiären Existenzminimums, als Abzug von der Bemessungsgrundlage nicht erforderlich. Eine solche Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs ist möglich, erforderlich ist sie jedoch zumindest aus gleichheitsrechtlicher Perspektive nicht. Im Hinblick auf den Steuerpflichtigen selbst bedeutet dies noch keine Divergenz zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, scheint das Bundesverfassungsgericht doch von der Zulässigkeit eines proportionalen Tarifs auszugehen239 und fordert es im Hinblick auf das Existenzminimum des Steuerpflichtigen auch keinen vorherigen Abzug von der Bemessungsgrundlage.240 Größere Unterschiede zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich jedoch, berücksichtigt man die Anforderungen im Hinblick auf das familiäre Existenzminimum: Aufgrund der Wertungen der – es sei noch einmal betont – grundgesetzlich verbürgten Wettbewerbsfreiheit ist eine gleichheitsrechtliche Anknüpfung am objektiven Markteinkommen zulässig. Damit ist aus gleichheitsrechtlicher (anders aber aus freiheitsrechtlicher!) Perspektive eine Berücksichtigung des Existenzminimums nicht erforderlich. Und dies gilt auch im Hinblick auf die Berücksichtigung des familiären Existenzminimums. Auch der Unterhalt für Kinder muss aus gleichheitsrechtlicher Sicht nicht vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Art. 6 GG gewährleistet, dass das disponible Einkommen vom Gesetzgeber in jedem Fall als Vergleichskriterium gewählt werden kann und damit eine Berücksichtigung des familiären Existenzminimums als Abzug von der Bemessungsgrundlage zulässig ist. Art. 6 GG und das Sozialstaatsprinzip stellen jedoch nicht die einzigen Grundgesetznormen dar, deren Wertungen vom Gesetzgeber gleichheitsrechtlich aufgenommen werden können. Vielmehr führt – wie dargestellt – die grundgesetzliche Gewährleistung der Wettbewerbsfreiheit dazu, dass auch die Wahl des objektiven Markteinkommens als Vergleichskriterium zulässig sein muss. Im Ergebnis ist damit nach hier vertretener Auffassung die gleichheitsrechtliche Rechtsprechungslinie des Bundesverfassungsgerichts seit der Kindergeldentscheidung aus dem Jahre 1976, die auf der Grundlage des allgemeinen Gleichheitssatzes iVm Art. 6 und dem Sozialstaatsgrundsatz den Abzug unvermeidbarer privater Aufwendung von der Bemessungsgrundlage fordert,241 als verfassungsrechtlich zwingende Vorgabe unzutreffend. Allerdings sind – und dies soll, um Missverständnisse zu vermeiden, nochmals betont werden – neben den gleichheitsrechtlichen auch die freiheitsrechtlichen Wertungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen.242 Aus freiheitsrechtlicher PerSiehe dazu S. 86 ff. Siehe dazu die Grundfreibetragsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 87, 153 ff. sowie S. 82 ff. 241 Siehe dazu ausführlich auf S. 80 ff. 242 Dazu sogleich auf S. 128 ff. 239 240
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
spektive muss der Gesetzgeber das (familiäre) Existenzminimum steuerfrei belassen und die darüber hinausgehenden bedarfsorientierten wie auch die liberalen freiheitsrechtlichen Besteuerungsgrenzen einhalten.243 Die bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen ziehen dem Gesetzgeber dabei umso stärkere Grenzen, je größer die Familie ist und je mehr Unterhaltsberechtigte der Steuerpflichtige zu versorgen hat. Diese Grenzen schränken den Gesetzgeber in manchen Fällen möglicherweise sogar stärker ein, als die jetzige gleichheitsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dies annimmt.244
V. Zusammenfassung der Ergebnisse von Punkt B. Ausgangspunkt dieses Teils der Untersuchung war der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes maßgebliche Fragestellung ist diejenige nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Wahl des Vergleichskriteriums.245 Dem allgemeinen Gleichheitssatz selbst lassen sich dabei nur wenige Vorgaben entnehmen. Anhaltspunkte für die Wahl des Vergleichskriteriums müssen aus den Wertungen anderer Grundgesetznormen gewonnen werden. Ein erster Hinweis im Hinblick auf diese Fragestellung konnte im vorliegenden Fall in den Normen der Finanzverfassung gefunden werden.246 Den Normen der Finanzverfassung ist zumindest insoweit eine materielle Wirkung zuzuerkennen, dass die angeführten Steuern im Grundsatz erhoben werden können und ihre Auswirkungen nicht ausgeglichen werden müssen. Die einzelnen in der Finanzverfassung aufgeführten Steuern, und damit auch die Einkommensteuer, sind daher aus gleichheitsrechtlicher Sicht zumindest ein zulässiger Bezugspunkt. Im weiteren Verlauf der Untersuchung hat sich gezeigt, dass dem Gesetzgeber auch darüber hinaus weiterer Entscheidungsspielraum bleibt. Er ist – entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und einer stark vertretenen Ansicht in der Literatur – gleichheitsrechtlich nicht verpflichtet, bei der Besteuerung des Einkommens an der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen im Sinne einer gleichen Nutzeneinbuße des disponiblen Einkommens anzusetzen. Eine solche Anknüpfung ist gleichheitsrechtlich zulässig.247 Allerdings ist es dem Gesetzgeber auch möglich, das objektive Markteinkommen der Steuerpflichtigen als Vergleichskriterium zu wählen.248 Denn sowohl die Wahl des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens als auch die gleichheitsrechtliche Anknüpfung am objektiven Markteinkommen können freiheitsrechtlich begründet werden: Der Wahl des Nutzens disponiblen Einkommens liegt eine Sichtweise zugrunde, welche die 243 244 245 246 247 248
Dazu genauer auf S. 131 ff., 141 ff. und S. 151 ff. Siehe dazu S. 168 ff. Siehe dazu S. 106 ff. Siehe dazu S. 108 ff. Siehe dazu S. 114 ff. Siehe dazu S. 122 ff.
B. Gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip?
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Bedeutung des erworbenen Einkommens für den Steuerpflichtigen als maßgeblich ansieht. Entscheidend ist danach die gleiche Einbuße aller Steuerpflichtigen an im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzen. Entscheidende Freiheitsrechte für die Rechtfertigung dieses gleichheitsrechtlichen Anknüpfungskriteriums sind in diesem Zusammenhang die Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das grundgesetzlich in Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG verankert ist.249 Auch die gleichheitsrechtliche Anknüpfung am objektiven Markteinkommen lässt sich freiheitsrechtlich begründen: während bei der Wahl des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens an dem in einer Periode bezogenen Einkommen als Ergebnis einer marktwirtschaftlichen Tätigkeit angesetzt wird, wird das in dieser Periode erzielte objektive Markteinkommen dadurch freiheitsrechtlich relevant, dass das marktwirtschaftliche Handeln bei dieser gleichheitsrechtlichen Anknüpfung nicht oder so wenig wie möglich durch die Steuerlast beeinträchtigt wird. Das entscheidende verfassungsrechtliche Argument für die Zulässigkeit auch dieses Vergleichskriteriums ist damit die grundgesetzlich in Art. 12 und Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Wettbewerbsfreiheit.250 Beide Vergleichskriterien sind damit durch Freiheitsrechte grundsätzlich verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Diese für die Wahl des Vergleichskriteriums unterschiedlichen freiheitsrechtlichen Wertungen reflektieren den im nächsten Teil herauszuarbeitenden Unterschied „liberaler“ und „bedarfsorientierter“ Freiheitsrechte. Im Ergebnis bedeutet dieser dem Gesetzgeber im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes zustehende Gestaltungsspielraum, dass anders als nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zwingend gleichheitsrechtlich an der (im Sinne eines subjektiven Nutzens disponiblen Einkommens verstandenen) Leistungsfähigkeit angeknüpft werden muss und eine Berücksichtigung des familiären Existenzminimums als Abzug von der Bemessungsgrundlage nicht gefordert werden kann. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass der Steuerpflichtige schutzlos wäre. Entscheidend ist in jedem Fall, dass der Gesetzgeber neben den gleichheitsrechtlichen Vorgaben auch die – sogleich zu entwickelnden – freiheitsrechtlichen Grenzen der Besteuerung beachtet.251 Betrachtet man dieses Ergebnis, den gleichheitsrechtlichen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, so fällt der Unterschied zu der in Rechtsprechung und Literatur sehr weit verbreiteten Auffassung, das Leistungsfähigkeitsprinzip stelle eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar, ins Auge. Dies ist umso auffälliger, da ein von der allgemeinen Dogmatik des Gleichheitssatzes ausgehender Blick relativ schnell offen legt, dass dem allgemeinen Gleichheitssatz nur wenig materieller Gehalt zu entnehmen ist und die Begründungsanforderungen für einen gleichheitsrechtlichen Ausschließlichkeitsanspruch hoch anzusetzen sind. Zum anderen deutet die Wertung des Art. 12 GG darauf hin, dass auch eine Be249 250 251
Siehe dazu ausführlich auf S. 114 ff. Siehe dazu ausführlich auf S. 122 ff. Dazu sogleich auf S. 128 ff.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
steuerung, die im Sinne einer Entscheidungsneutralität versucht, das marktwirtschaftliche Geschehen nicht zu behindern, dem Gleichheitssatz entsprechen kann. Das Festhalten am Leistungsfähigkeitsprinzip – trotz dieser auf den Gleichheitssatz bezogenen Begründungsschwierigkeiten – kann daher möglicherweise auf eine andere Ursache zurückzuführen sein, nämlich darauf, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als gerecht empfunden wird. Diese Divergenz zwischen dem, was allgemein als gerecht angesehen wird und der gleichheitsrechtlichen Lage kann jedoch nur dadurch aufgelöst werden, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht als allein zulässige gleichheitsrechtliche Konkretisierung begründet, sondern als freiheitsrechtliche Besteuerungsgrenze verstanden wird.252
C. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als (originär) freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip! Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass das – im Ausgangspunkt gleichheitsrechtliche, aber freiheitsrechtlich angereicherte – Leistungsfähigkeitsprinzip mit seiner Anknüpfung am im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzen aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig ist, dass sich die vertretene Anknüpfung am disponiblen Einkommen aber nicht als allein zulässige gleichheitsrechtliche Anknüpfung begründen lässt.253 Das Leistungsfähigkeitsprinzip stellt sich jedoch bei genauer Betrachtung als Ausdruck freiheitsrechtlicher Besteuerungsgrenzen dar.
I. Die freiheitsrechtliche Diskussion: Liberale und bedarfsorientierte Besteuerungsgrenzen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Die freiheitsrechtlichen Grenzen, und damit vor allem auch die Grenzen, die das Eigentumsgrundrecht der Besteuerung zieht, standen auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes noch lange Zeit eher im Hintergrund der wissenschaftlichen Betrachtung.254 Die Wissenschaft befand sich dabei in einem Dilemma: Die Notwendigkeit und Zulässigkeit der Steuererhebung zur Finanzierung des Staates war unbestritten. Traditionell war die Finanzhoheit als schrankenlose Gewalt angesehen worden, ein inhaltlicher Konflikt zwischen der Eigentumsgarantie und der ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Steuergewalt schien ausgeschlossen.255 Siehe dazu sogleich auf S. 128 ff. Siehe dazu auf S. 106 ff. 254 Rüfner, DVBl. 1970, 881 zitierte noch in diesem Jahre Imboden, der 1960 von einer „verdrängten Grundfrage der Finanzordnung“ gesprochen hatte; siehe Imboden, ASA 29 (1960), 2. 255 Dazu Imboden, ASA 29 (1960), 2 (4 ff.). 252 253
C. (Originär) freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip!
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Forsthoff hatte vertreten, dass der Sozialstaat ausgehöhlt würde, entfiele die Unterscheidung zwischen steuerlichem Eingriff und Eingriff in das Eigentumsgrundrecht.256 Andererseits wurde die Gefahr, die eine übermäßige Besteuerung für das Eigentum bedeuten kann, aber auch klar erkannt. Ballerstedt bezeichnete diese Gefahr mit der bekannten Formulierung des Besteuerungszugriffs als „offener Flanke“ des Eigentumsschutzes.257 Da unter der Geltung des Grundgesetzes die Finanzgewalt keinen grundrechtsfreien Raum darstellen kann, wurde versucht, Art. 14 GG im Hinblick auf die Besteuerung zu entfalten. Die Diskussion in der Literatur war dabei weitgehend von dem Bemühen getragen, den Besteuerungszugriff durch das Eigentumsgrundrecht zu begrenzen.258 Dennoch konnte das Eigentumsgrundrecht der Besteuerung lange Zeit keine wirksamen Schranken setzen. Diese geringe Bedeutung des Eigentumsgrundrechts für die Besteuerung hat vor allem zwei Ursachen: Erstens besteht dogmatisch das Problem, wie man den Besteuerungszugriff, der allein eine Summenschuld bedeutete und nicht einzelne Vermögensgegenstände einforderte, als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG begründen konnte. Art. 14 GG wurde zumindest traditionell als Schutz gegen staatliche Eingriffe in einzelne Rechte, nicht aber in das Vermögen als solches verstanden.259 Die Anwendung von Art. 14 GG schien manchen darüber hinaus dadurch erschwert, dass – wenn man von der Einschlägigkeit des Schutzbereiches von Art. 14 GG ausgeht – der Besteuerungszugriff trotz einer vollständigen Entziehung von Vermögensmitteln nicht als Enteignung qualifiziert werden kann, denn eine Enteignung führt nach Art. 14 Abs. 3 GG zwingend zur Notwendigkeit einer Entschädigungspflicht. Eine Entschädigungspflicht eines Besteuerungszugriffs führte diesen jedoch ad absurdum.260 Das zweite Problem stellt eine allgemeine Schwierigkeit bei dem Versuch, die Freiheitsrechte gegenüber der Besteuerung wirksam werden zu lassen, dar. Es stellt sich unabhängig von der Frage, ob in der Auferlegung von Geldleistungspflichten ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG oder in andere Freiheitsrechte zu sehen ist. Es ist die Frage der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und das inhaltliche Problem der Quantifizierung. Dass eine Besteuerung grundsätzlich möglich sein muss, ist unbestritten. Die Bundesrepublik Deutschland ist Steuerstaat.261 Die primäre Einnahmequelle des Staates ist daher die Steuererhebung, nicht 256 Forsthoff, VVdStRL 12 (1954), 8 (31 ff.); einschränkend im Hinblick auf den individuellen Anteil am Volksvermögen im Gegensatz zum Sozialprodukt ders., NJW 1955, 1249 ff. 257 Ballerstedt, S. 1 (39), so später auch Hesse, Grundzüge, S. 180. 258 Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 207. 259 Siehe dazu die frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 4, 7 (17); ebenso u. a. auch BVerfGE 6, 290 (298); 8, 275 (330); 10, 354 (371); 11, 105 (126), siehe aus der Literatur schon Faehling, S. 45 ff.; aus jüngerer Zeit Lepsius, JZ 2002, 313 ff.; Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 160 ff.; Wieland, DStJG 24 (2001), 29 ff. 260 Siehe dazu schon Roth, S. 53 ff.; anders jedoch Imboden, ASA 29 (1960), 2 (6 f.); zur Frage der Enteignung siehe auch Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 120 ff.
9 Liesenfeld
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
die eigene unternehmerische Tätigkeit am Markt. Und in diesem Sinne können die Grundrechte auch als der Besteuerung komplementär bezeichnet werden.262 Der Staat kann und muss daher Steuern erheben, der soziale Rechtsstaat ist ohne Besteuerung kaum denkbar. Wie weit jedoch eine Besteuerung reichen kann, wo die Grenzen sind, die das Eigentumsgrundrecht und allgemein die Freiheitsrechte der Besteuerung ziehen, ist schwierig zu beantworten. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der bei Grundrechtseingriffen allgemein die Möglichkeit einer graduellen Abstufung gibt, lässt sich nach traditioneller Auffassung für den Besteuerungszugriff aufgrund eines potentiell unbegrenzten staatlichen Finanzbedarfs nicht oder nur mit Schwierigkeiten anwenden.263 Im Ergebnis wird diese Untersuchung zeigen, dass den Freiheitsrechten für die Begrenzung der Besteuerungsgewalt eine zentrale Bedeutung zukommt. Dabei schützen die Freiheitsrechte des Grundgesetzes den Steuerpflichtigen vor der Besteuerung aus zweierlei Gründen:264 in dieser Untersuchung als „liberal“ bezeichnete freiheitsrechtliche Schranken schützen ihn vor dem staatlichen Besteuerungszugriff, weil das Einkommen oder auch das Vermögen dem Steuerpflichtigen gehört bzw. weil er es in Ausübung seines Berufes erarbeitet hat.265 Bedeutung kann insoweit der Berufsfreiheit des Art. 12 GG, dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG zukommen. „Bedarfsorientierte“ freiheitsrechtliche Grenzen schützen demgegenüber das Einkommen, weil, soweit und in dem Maße, in dem es zur Sicherung der Existenz und des persönlichen Freiraums des Steuerpflichtigen und seiner Familie erforderlich ist. Damit wird es besonders geschützt, weil das Einkommen für den Steuerpflichtigen eine wichtige Bedeutung hat. Damit stellen bedarfsorientierte freiheitsrechtliche Schranken ein nach der Funktion der Einkommensteile differenzierendes Schutzkonzept dar.266 Bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Schutz gewähren insbesondere die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG.267 Und diese freiheits261 Dazu Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 348 ff.; Vogel, HdbStR IV, § 87, Rz. 34; Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 327 ff.; zum Steuerstaat siehe auch Sacksofsky, Umweltschutz, S. 153 ff. 262 Dazu Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 348 ff. 263 Siehe differenzierend Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 404 ff.; siehe Vogel, DStZ 1977, 5 (9); Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 187 f.; v. Hammerstein, S. 209 f.; Isensee, FS für Ipsen, S. 409 (434); Papier, Finanzrechtliche Gesetzesvorbehalte, S. 76 ff.; ders., in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 177 ff.; ders., DVBl. 1980, 787 (792 f.); Rodi, S. 49 ff.; Selmer, Steuerinterventionismus, S. 286; Tipke, StRO I, S. 418; Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 215 f.; zuletzt Waldhoff, StuW 2002, 285 (305); in diesem Sinne deutlich auch BVerfGE 63, 343 (367 f.); kritisch jedoch J. Lang, FS für Vogel, S. 173 (181 ff.); siehe dazu ausführlich auf S. 151 ff. 264 Diese Differenzierung findet sich auch bei Draschka, S. 169 ff. 265 Dazu sogleich auf S. 131 ff. 266 Dazu sogleich auf S. 141 ff. 267 Zum Schutz des existenznotwendigen Bedarfs siehe BVerfGE 82, 60 (86 ff.); 87, 153 ff.; 99, 216 ff. sowie die Nachweise auf S. 80 ff. Besondere Beachtung hat diese be-
C. (Originär) freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip!
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rechtlichen Grenzen liberaler und bedarfsorientierter Prägung gewinnen ihre Bedeutung vor allem durch den auch im Steuerrecht – wenn auch eingeschränkt – anwendbaren Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.268
II. Liberale Freiheitsgrenzen Stellt man die Frage nach liberalen freiheitsrechtlichen Grenzen der Besteuerung, so muss die Frage nach der Bedeutung des Eigentumsgrundrechts und damit nach der Eröffnung des Schutzbereiches von Art. 14 GG bei der Auferlegung von Abgabepflichten untersucht werden. Diese wurde in den letzten Jahrzehnten intensiv diskutiert.269 Viele Autoren haben sich für die Einschlägigkeit des Eigentumsgrundrechtes ausgesprochen.270 Nach hier vertretener Auffassung stellt Art. 14 GG jedoch nicht bei jeder hoheitlichen Belastung mit Abgaben generell den zutreffenden Prüfungsmaßstab dar. Die hoheitliche Belastung mit Abgaben greift in die allgemeine Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich ein, nicht in jedem Fall aber in das Eigentumsgrundrecht oder die Berufsfreiheit. Entscheidend ist der Belastungsgegenstand. Die allgemeine Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich ist verfassungsrechtlich jedoch in Art. 2 Abs. 1 GG und nicht in Art. 14 GG verankert.271 Bei der Frage nach der Eröffnung des Schutzbereiches des Art. 14 GG bei der Auferlegung von Steuerlasten sind zwei Fragen deutlich zu unterscheiden: zum einen ist allgemein zu klären, ob jede Belastung mit Abgaben, und damit auch jede darfsorientierte Sichtweise auch durch den funktionsbezogenen Ansatz des Eigentumsgrundrechtes von Lehner erfahren. Lehner entfaltet Art. 14 GG bedarfsgerecht, zieht konkrete Konsequenzen jedoch nur im Hinblick auf das Existenzminimum, siehe Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 380 ff. 268 Dazu sogleich auf S. 151 ff. 269 Eine ausführliche Darstellung der Diskussion findet sich bei Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 364 ff.; Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 532 ff. 270 Eine starke Strömung in der Literatur bejaht die Einschlägigkeit des Eigentumsgrundrechtes siehe dazu nur Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 364 ff.; Vogel, Finanzverfassung, S. 36 ff.; Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 543 ff.; Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (226 f.); ders., HdbStR IV, § 88, Rz. 63 ff.; ders., Verfassungsstaat; ders., JZ 1982, 305 ff.; ders., StuW 1984, 297 ff.; ders., StuW 1985, 319 ff.; ders., Symposion für Vogel, S. 27 ff.; aus dem älteren Schrifttum siehe schon Roth, S. 62 ff.; ebenso Fried. Klein, StuW 1966, 433 (469 ff.); kritisch zu Roths Ansatz Rupp, DVBl. 1960, 571 ff.; zustimmend Hamann, BB 1960, 1211; Friauf, JurA 1970, 299 ff.; ders., StbJb 1971 / 72, 425 (432 ff.); ders., StuW 1977, 59 (61 ff.); ders., DStJG 12 (1989) 3 ff.; ders., DÖV 1980, 480 ff.; siehe auch Hoffmann, zum Tauschwertschutz allgemein unter Hinweis auf Luhmann, S. 55 ff., zum Schutz gegen Geldleistungspflichten, S. 63 ff.; in diesem Sinne auch R. Wendt, Gebühr, S. 96 ff.; ders., NJW 1980, 2111 ff.; Kimminich, JuS 1978, 217 (218 f.); andere erheben dagegen Einwände aus jüngerer Zeit Lepsius, JZ 2002, 313 ff.; Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 160 ff.; Wieland, DStJG 24 (2001), 29 ff. 271 So im Ergebnis auch Lepsius, JZ 2002, 313 ff.; Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 160 ff.; Wieland, DStJG 24 (2001), 29 ff.; siehe dazu im Folgenden ausführlich. 9*
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
Gebührenerhebung allgemein in das Grundrecht des Art. 14 GG eingreift, weil sie dem Abgabenschuldner Geld, Vermögen oder wirtschaftliche Handlungsfreiheit entzieht.272 Ihre Bedeutung gewinnt diese Frage dadurch, dass allgemein der Schutz durch Art. 14 GG gegenüber dem Schutz, den die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber staatlichen Eingriffen gewährt, größer eingeschätzt wird.273 Zum anderen stellt sich im Rahmen der Einkommensteuer die weitere Frage, ob die Einkommensbesteuerung deshalb und nur insoweit einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, wenn sie – als Teil des Einkommens – das Ergebnis einer Nutzung zuvor bereits bestehenden Eigentums beschränkt.274 Letztere Frage stellt sich in vergleichbarer Weise im Zusammenhang mit der Berufsfreiheit. Hier muss gefragt werden, ob ein Eingriff in die Berufsfreiheit deshalb vorliegt, wenn und soweit die Steuer am Ergebnis der Berufstätigkeit ansetzt.
1. Die Abgabenbelastung als Eigentumsbeschränkung? Die Ansicht, bereits die Auferlegung einer Abgabenlast stelle einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht dar, wird durch eine Vielzahl von Argumenten zu begründen gesucht, die häufig auch kumulativ vorgetragen werden.275
a) Eingriff in die Rechtsgüter Geld bzw. Vermögen Ein früher Versuch zu begründen, dass Steuergesetze in den Schutzbereich des Art. 14 GG eingreifen, bestand darin, in der Auferlegung von Geldleistungspflichten einen Eingriff in das Rechtsgut „Geld“ zu sehen.276 Zwischen der Wegnahme eines bestimmten Geldbetrages und der Auferlegung einer Geldleistungspflicht bestünde kein Unterschied.277 Ähnlich wurde in späterer Zeit argumentiert, Art. 14 GG schütze auch das Vermögen als solches.278 Beide Sichtweisen basieren auf einem gegenstandsbezogenen und keinem freiheitsrechtlichen Verständnis des Eigentumsgrundrechtes. Geschützter Gegenstand ist jedoch nicht ein einzelner GeSiehe dazu sogleich unter Pkt. 1. Deutlich Rodi, S. 96. 274 Siehe dazu auf S. 139 ff. 275 Siehe z. B. Rodi, S. 91 ff. 276 Roth, S. 62 ff.; ebenso Fried. Klein, StuW 1966, 433 (469 ff.); kritisch dazu Rupp, DVBl. 1960, 571 ff.; siehe in anderem Zusammenhang aus jüngerer Zeit auch BVerfGE 97, 350 ff.; dazu Lepsius, JZ 2002, 313 ff. 277 Roth, S. 62 ff.; ebenso Fried. Klein, StuW 1966, 433 (469 ff.). Er rechtfertigt den Eingriff dann durch einen ungeschriebenen Verfassungsrechtssatz. Eine Einschränkung der Besteuerungsgewalt sieht er im Finanzierungszweck sowie im Bestand der Privatwirtschaft, der nicht vernichtet werden dürfe. 278 Friauf, JurA 1970, 299 ff.; ders., DStJG 12 (1989) 3 ff.; ders., DÖV 1980, 480 ff.; Imboden, ASA 29 (1960), 2 (6); ähnlich wohl Herzog, StbJG 1985 / 86, 27 (30). 272 273
C. (Originär) freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip!
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genstand. Vielmehr wird das Gesamtvermögen als „Vermögen“ oder als „Geld“ als geschützter Gegenstand angesehen. Gegen beide Ansätze wurde und wird jedoch vorgetragen, dass das Vermögen oder das „Geld“ als solches keine realen Gegenstände darstellen und vom Gesetzgeber nicht als konkreter Gegenstand ausgeformt wurden. Daher könnten weder „Geld“ noch „Vermögen“ als Schutzgegenstände des Art. 14 GG angesehen werden.279 b) Steuer als Zugriff auf konkrete Eigentumsrechte In Zusammenhang mit der zuvor vertretenen Auffassung findet sich häufig ein weiteres Argument. Anders als die dogmatische Argumentation, die die Eröffnung des Schutzbereiches des Art. 14 GG dadurch erreicht, dass der Katalog der geschützten Rechte auf das „Vermögen“ bzw. das „Geld“ erstreckt wird, gelangt dieses Argument dadurch zu einer Einschlägigkeit des Art. 14 GG, dass es den Blick von der unmittelbaren Rechtsfolge des Steuerzugriffs, der Geldleistungspflicht, auf die weiteren Rechtsfolgen erweitert. Dieser Begründungsansatz geht davon aus, dass es entscheidend darauf ankomme, dass der Steuerpflichtige im Ergebnis gezwungen sei, Eigentumsrechte aufzugeben.280 Demgegenüber sei es unerheblich, dass staatlicherseits nicht konkretisiert sei, welche Eigentumsrechte der Steuerpflichtige aufgeben müsse, sondern diesem insoweit die Wahl überlassen bleibe. Dass dem Steuerpflichtigen die Auswahl überlassen werde, welche Mittel er zur Erfüllung der Steuerschuld verwende, stelle nur eine vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geforderte Erleichterung der Zahlungsmodalität dar, könne hinsichtlich der Grundrechtsbetroffenheit jedoch keinen Unterschied machen.281 Für diese Sichtweise spricht auch die Pflichtexemplarentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes.282 In dieser hatte das Gericht ein Gesetz an Art. 14 GG überprüft und für bestimmte Fälle auf der Grundlage von Art. 14 GG eine Ausnahmeregelung gefordert, obwohl das Gesetz nicht festlegte, welchen konkreten Gegenstand der Schuldner kostenlos übereignen müsse, sondern diesem die Auswahl zwischen allen von ihm hergestellten Exemplaren einer Auflage überließ. Die Frage, ob das Gesetz einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, wurde vom Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung überhaupt nicht gestellt. Für diese Argumentation spricht sicherlich, dass nach Abwendung vom „klassischen“ Eingriffsbegriff hin zu einem weiteren, wirkungsorientierten Eingriffsbegriff283 neben un279 In diesem Sinne die wohl herrschende Meinung, siehe dazu nur Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 117 ff.; Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 160; ders., Der Staat 11 (1972), 483 (489 ff.); Scholz, NVwZ 1982, 337 (347); Selmer, Steuerinterventionismus, S. 303 ff.; Wieland, DStJG 24 (2001), 29 (33, 38 ff.). 280 In diesem Sinne Friauf, DÖV 1980, 480 (488); Rodi, S. 93; R. Wendt, NJW 1980, 2111 (2114); das Argument findet sich auch bei Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (238). 281 Friauf, DÖV 1980, 480 (488); Rodi, S. 93; R. Wendt, NJW 1980, 2111 (2114). 282 BVerfGE 58, 137 ff. 283 Zum Eingriffsbegriff siehe nur Stern, Staatsrecht, IV / 2, § 78.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
mittelbaren Rechtsfolgen auch entferntere Folgen einbezogen werden müssen. Zur Begleichung der Steuerschuld werden im Allgemeinen einzelne Eigentumsrechte aufgegeben werden müssen. Die Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen, was keine Aufgabe eines Eigentumsrechtes darstellte, ist zumindest keine dauerhafte Lösung zur Begleichung der Steuerschuld. Zu irgendeinem Zeitpunkt werden zur Tilgung der Schuld – wenn sie erfolgt – Eigentumsrechte aufgegeben werden müssen. Gegen diesen Begründungsansatz wird jedoch vorgetragen, es bestünde ein qualitativer Unterschied zwischen der Situation, dass der Staat auf einen bestimmten Gegenstand zugreife und derjenigen, in dem er dem Steuerpflichtigen nur eine Geldleistungspflicht auferlege, dem Steuerpflichtigen also die Wahl überlasse, welches Recht er aufgebe.284 Gegen diese Argumentation spricht jedoch vor allem eines: dieser Argumentationsansatz begründet die Einschlägigkeit des Schutzbereiches von Art. 14 GG durch einen Aspekt, der nicht der zentrale zu sein scheint. Der Schwerpunkt der Beeinträchtigung liegt nicht darin, dass eine konkrete, bestimmte Eigentumsposition, ein konkreter Gegenstand oder eine konkrete Forderung, aufgegeben werden muss, sondern die zentrale Beeinträchtigung liegt vielmehr in der Verringerung des wirtschaftlichen bzw. vermögensrechtlichen Handlungsspielraumes. c) Art. 14 GG als allgemeine Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich Darüber hinaus wird die Einschlägigkeit von Art. 14 GG bei der Auferlegung von Geldleistungspflichten damit begründet, dass Art. 14 GG freiheitsrechtlich im Sinne eines Schutzes vermögensrechtlichen Handlungsspielraums zu verstehen sei. Die Besteuerung greife deshalb in den Schutzbereich des Art. 14 GG ein, weil dieser nicht nur konkrete einzelne Eigentumsrechte schütze, sondern zusätzlich die allgemeine Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich umfasse.285 Gegen eine Verankerung der allgemeinen Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich in Art. 14 GG wird jedoch geltend gemacht, dass die Systematik des Art. 14 GG dieser Annahme widerspreche. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums. Auch Art. 14 Abs. 3 GG zeigt, dass Art. 14 GG primär den Bestand des Vermögens sichern soll, den Wert des Vermögens hingegen nur subsidiär. Ausgangspunkt des Art. 14 GG ist daher der Schutz konkreter Eigentumsrechte. Sähe man zusätzlich die allgemeine Handlungsfreiheit (im vermögensrechtlichen Bereich) in Art. 14 GG verankert, führte dies zu zwei unterschiedlichen Garantiebereichen. Die eindeutig auf konkrete Gegenstände abzielende Systematik des Art. 14 GG lässt eine solche Erweiterung nicht zu.286 In diesem Sinne Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 34 ff. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (234); ders., HdbStR IV, § 88, Rz. 63 ff.; ders., Verfassungsstaat; ders., JZ 1982, 305 ff.; ders., StuW 1984, 297 ff.; ders., StuW 1985, 319 ff.; ders., Symposion für Vogel, S. 27 ff.; zustimmend Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 543 ff.; kritisch Wieland, DStJG 24 (2001), 29 (35 ff.). 284 285
C. (Originär) freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip!
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d) Die Funktion des Eigentumsgrundrechts und der Funktionswandel Die bisher vorgetragenen Argumente sind weitgehend auf der konstruktiv dogmatischen Ebene verblieben. Das zentrale materielle Argument der Befürworter eines eigentumsrechtlichen Schutzes gegenüber der Besteuerung hingegen liegt – unabhängig von der gewählten dogmatischen Konstruktion – in der Funktion des Eigentumsgrundrechtes: Eigentumsgegenstände seien aufgrund ihrer freiheitsrechtlichen Bedeutung für den Einzelnen geschützt. Das Eigentum sei als Voraussetzung einer persönlichen Entfaltung des Einzelnen, als Voraussetzung einer selbstverantwortlichen Lebensführung geschützt.287 Aus diesem Grunde müsse Art. 14 GG auch gegenüber der Besteuerungsgewalt entfaltet werden. Zum Teil wird zusätzlich argumentiert, das Eigentumsgrundrecht schütze vor allem Rechte, die aus einer eigenen Leistung resultieren. Auch aus diesem Grund müsse die Einkommensteuer an Art. 14 GG gemessen werden.288 Das Argument der Eigentumsfunktion wird manchmal noch unterstützt durch einen Hinweis auf den „Funktionswandel“. Die früher dem Sacheigentum zukommende freiheitssichernde Funktion sei durch die steigende Austauschbarkeit der Güter in den Hintergrund getreten. Demgegenüber habe die Bedeutung des Geldes zugenommen. Die Daseinsvorsorge des Einzelnen würde nunmehr weitgehend durch das regelmäßige Einkommen gedeckt.289 Zusätzlich zu diesem Funktionswandel hätten sich auf der anderen Seite auch die Zugriffsmöglichkeiten des Staates erhöht.290 Dieser so beschriebene Funktionswandel als soziologisches Phänomen hat bereits in der Weimarer Republik Auswirkungen auf der Ebene des Rechts nach sich gezogen: So wurde der bis zu diesem Zeitpunkt geltende Eigentumsbegriff, der an privatrechtlichen Eigentumsvorstellungen ansetzte und somit nur körperliche Gegenstände umfasste, auf nichtkörperliche Gegenstände, wie Rechte des geistigen Eigentums und auch Forderungsrechte erweitert.291 Dieser Funktionswandel dient nun manchen Autoren als Argument für eine zweite erweiternde Auslegung des Eigentumsgrundrechts.292 Die Schlussfolgerungen, die aus dem 286 In diesem Sinne auch deutlich Lepsius, JZ 2002, 313 (319); Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 160 ff. 287 Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 387 ff.; Draschka, S. 118 f.; siehe auch Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (226 f.); ders., HdbStR IV, § 88, Rz. 63 ff.; ders., Verfassungsstaat; ders., JZ 1982, 305 ff.; ders., StuW 1984, 297 ff.; ders., StuW 1985, 319 ff.; ders., Symposion für Vogel, S. 27 ff.; Rodi, S. 90 ff. 288 Draschka, S. 119 ff. 289 Zum Funktionswandel des Eigentums siehe Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 385; siehe auch Badura, Verhdl. d. 49. Dt. Juristentages, T 5 (T 22); ders., BayVBl. 1973, 3 ff.; Draschka, S. 112 ff.; Scheuner, S. 43; Rodi, S. 90 ff.; tendenziell kritisch Meyer-Abich, S. 72. 290 Rodi, S. 91. 291 RGZ 109, 310 (319); 150, 174 (180); aus der Literatur vgl. dazu M. Wolff, S. 3; Triepel, S. 16; siehe dazu Scheuner, S. 37 ff.; die bundesdeutsche Rechtsprechung hat diese Erweiterung früh übernommen, vgl. BGHZ 6, 270 (278) in der Literatur ist sie allgemein anerkannt, dazu nur Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 55 ff.
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Funktionswandel gezogen werden, sind jedoch nicht einheitlich: zum Teil wird aus dem beschriebenen Funktionswandel allgemein abgeleitet, dass jeder Steuerzugriff einen Eingriff in Art. 14 GG darstelle. Der Grund für die beschriebene Ausweitung der Eigentumsgewährleistung auf unkörperliche Rechte rechtfertige heute eine Auslegung, die in Art. 14 GG die allgemeine Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich sehe.293 Diese Auslegung steht nach Rodi auch nicht im Widerspruch zu der traditionellen Auffassung, die Art. 14 GG gegenstandsbezogen versteht. Durch die Steuerpflicht würde der einzelne Steuerpflichtige gezwungen, einzelne Rechte aus seinem Vermögen aufzugeben, seien diese auch seiner Auswahl überlassen. Die funktionelle Auslegung führe nun dazu, dass nicht auf den Eingriff in konkrete Rechte, sondern nur auf die Feststellung, welche Gegenstände betroffen sind, verzichtet werde. Lehner begründet mit dem Funktionswandel hingegen nur die Einbeziehung des Arbeitseinkommens in den Schutzbereich des Art. 14 GG. Er betont, dass die in der bürgerlichen Gesellschaft dem (Sach-)Eigentum zukommende Funktion der Garantie einer selbständigen Lebensführung in der heutigen Gesellschaft zunehmend durch das regelmäßige Einkommen übernommen würde.294 Aus diesem Grunde unterfalle auch das Arbeitseinkommen eigentumsrechtlichem Schutz. Das Eigentumsgrundrecht schütze jedoch nicht das Vermögen als solches. Daher müsse man auch konkrete Eigentumsfunktionen von allgemeinen Vermögensfunktionen unterscheiden.295 Die Institutsgarantie, insbesondere das Prinzip der Privatnützigkeit, gewährleiste dabei zumindest die Steuerfreiheit des für die Existenzsicherung notwendigen Einkommens. Für das disponible Einkommen ergebe sich demgegenüber nur eine Regelungstendenz.296 Von der subjektiven Rechtsstellungsgarantie umfasst sind nach Lehner Einkommensteile, sobald und soweit der Gesetzgeber das Prinzip der Privatnützigkeit als Kerngehalt der Institutsgarantie gesetzlich konkretisiert hat. Eine gesetzliche Konkretisierung bestimmter Einkommensfunktionen sei bei disponiblem Einkommen jedoch nicht möglich.297 Die Funktion des Eigentums kann jedoch die generelle Einschlägigkeit des Eigentumsgrundrechts bei Abgabenbelastungen nicht begründen. Das Argument der Eigentumsfunktion wird vielseitig verwendet,298 als verfassungsrechtliches Argument kann es aber nur im Sinne eines teleologischen Arguments verstanden werden. Das Argument der Funktion des Eigentums kann daher nicht schon durch seine soziologische Bedeutung überzeugen, sondern nur, wenn es auch als normatives Argument belegt werden kann. Daher kann auch dem Hinweis auf den FunkLehner, Einkommensteuerrecht, S. 387 ff.; Draschka, S. 112 ff.; Rodi, S. 92 ff. Draschka, S. 112 ff.; Rodi, S. 92 ff. 294 Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 387 ff. 295 Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 388 ff. 296 Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 407. 297 Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 392 ff. 298 Siehe dazu kritisch Leisner, HdbStR VI, § 149 Rz. 39 ff.; kritisch auch Lepsius, JZ 2002, 313 ff. 292 293
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tionswandel allein keine Bedeutung zukommen. Überzeugen kann das Argument nur, wenn sich darlegen lässt, dass es Normzweck des Art. 14 GG ist, die Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich und zwar unabhängig von der Beeinträchtigung einzelner Eigentumsrechte zu schützen. Zweifel an der Argumentation, aufgrund der Funktion des Eigentums, die persönliche Freiheit zu schützen, müsse das Eigentumsgrundrecht auch die Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich schützen, ergeben sich jedoch schon aus der Tatsache, dass es keinen einheitlichen Schutzzweck des Eigentumsgrundrechtes gibt: so werden als Grund des Eigentumsschutz zum einen die eigene Leistung, zum anderen aber auch die Sicherung der Freiheit und zusätzliche weitere Gründe genannt.299 Zweifel ergeben sich aber vor allem daraus, dass eine solcher allgemeiner Normzweck aufgrund der klaren Struktur des Art. 14 GG, der durch den zweiten Satz des ersten Absatzes zeigt, dass er einzelne, vom Gesetzgeber ausgeformte Rechtspositionen voraussetzt, nicht entnommen werden kann. Ein solcher allgemeiner Normzweck erscheint auch deshalb zweifelhaft, weil die Entstehungsgeschichte keine Anhaltspunkte dafür ergibt, dass Art. 14 GG einen Schutz gegenüber der Besteuerungsgewalt ermöglichen sollte. Zwar ist der Parlamentarische Rat einer Anregung von Thoma, der diesem zu Art. 14 GG eine Klarstellung dahingehend vorgeschlagen hatte, dass das Eigentumsgrundrecht nur „unbeschadet der staatlichen Besteuerungsgewalt“ gewährleistet sei,300 nicht gefolgt. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bestehenden gefestigten Rechtsprechung, die aufgrund des Eigentumsrechtes keinen Schutz gegen die Auferlegung von Steuerpflichten gewährte sowie der damit übereinstimmenden einhelligen Literaturansicht, kann darin jedoch keine Ablehnung der von Thoma gewünschten Klarstellung gesehen werden.301 Dem entspricht auch die Aufnahme der Gewährleistung des Erbrechtes in Art. 14 GG, die im Grundsatzausschuss – gerade wegen der bestehenden und unbestritten zulässigen Beeinträchtigung durch die Steuergesetzgebung – diskutiert wurde.302 Dass das Eigentumsgrundrecht der Besteuerung allgemeine Schranken ziehen könnte, war danach zumindest historisch nicht beabsichtigt. Ein solch allgemeiner Normzweck hat historisch nicht bestanden. Insofern verbleiben Begründungsmängel für diese erweiternde teleologische Auslegung.303 Die Funktion des Schutzes „eigener Leistung“ könnte überdies nur bei einem sehr weiten Verständnis von „eigener Leistung“ alle Einkunftsarten erfassen. Dies scheint jedoch den Zweck zu überdehnen.304
299 Vgl. zu den Schutzzwecken der Eigentumsgarantie mit ihren historischen Wurzeln Meyer-Abich. 300 Parlamentarischer Rat, Drucksache 244, abgedruckt in: Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949, Akten und Protokolle, Bd. 5 / I, S. 361 (371). 301 Ebenso Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 220 f. 302 JöR N.F. 1 (1951), 144 (145). 303 Kritisch auch Lepsius, JZ 2002, 313 (319 ff.). 304 Draschka, S. 120 erkennt jedoch in einem weitesten Verständnis auch Kapitaleinkommen als auf eigener Leistung beruhend an; kritisch insoweit jedoch Meyer-Abich, S. 72.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
Im Ergebnis schützt Art. 14 GG daher nicht schon deshalb gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, weil damit Geld, Vermögen oder wirtschaftliche Handlungsfreiheit entzogen wird. Einen Schutz bietet insoweit jedoch Art. 2 Abs. 1 GG. Der zentrale Grund dafür – dies sei noch einmal betont – liegt darin, dass der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des Art. 14 GG nach hier vertretener Auffassung keine andere Auslegung zulassen und ein Normzweck des Art. 14 GG, die wirtschaftliche Handlungsfreiheit unabhängig von der Beeinträchtigung konkreter Gegenstände zu schützen, nicht begründet werden kann. Dieses Ergebnis – der Schutz gegenüber der Besteuerung durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG – bedeutet auch keinen Mangel an grundrechtlichem Schutz. Schutz gegenüber der Besteuerungsgewalt könnte auch Art. 14 GG nur im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gewähren.305 Die Formulierung „zugleich“ kann dabei auch keinen Anhaltspunkt für eine maximal hälftige Besteuerung ergeben.306 Angesichts dieser im Grunde kaum bestehenden Unterschiede scheint die Diskussion um die Einschlägigkeit des Art. 14 GG schon fast ideologische Züge zu tragen. Neben den genannten methodischen Argumenten spricht gegen eine allgemeine Heranziehung von Art. 14 GG zudem die Gefahr, dass die freiheitsrechtlichen Grenzen der Steuerbelastung allein in Art. 14 GG gesehen werden, andere grundgesetzliche Wertungen wie der (liberale) Schutz des Art. 12 GG, aber auch die bedarfsorientierten Grenzen der Menschenwürdegarantie und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts demgegenüber in den Hintergrund treten.307 Diese Gefahr einer Vernachlässigung anderer grundrechtlicher Wertungen könnte zwar zumindest im Hinblick auf bedarfsorientierte Grenzen (nicht hingegen im Hinblick auf Art. 12 GG) dadurch gebannt werden, dass Art. 14 GG „funktional“ interpretiert wird.308 Dieser Ansatz liegt auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Grundfreibetragsentscheidung zugrunde, wenn das Gericht die Steuerfreiheit des Existenzminimums aus der allgemeinen Handlungsfreiheit in ihrer AusSiehe auch Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 160 ff. So jedoch BVerfGE 93, 121 ff.; Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 57 ff.; siehe schon ders., StbJb 1994 / 1995, 5 ff.; im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung zustimmend Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen, S. 77 ff.; ders., StuW 1999, 227 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 56; dies., StuW 1996, 97 (105); den Halbteilungsgrundsatz aus dem Subsidiaritätsprinzip und dem Übermaßverbot ableitend J. Lang, FS für Vogel, S. 173 (181 ff.); im Hinblick auf das Existenzminimum Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (29); kritisch jedoch schon das Sondervotum von Böckenförde, BVerfGE 93, 149 ff.; kritisch auch Bull, NJW 1996, 281 ff.; Weber-Grellet, BB 1996, 1415 ff.; kritisch in dieser Hinsicht auch Arndt / Schumacher, NJW 1995, 2603 (2604); tendenziell kritisch auch BFH, NJW 1998, 3223 ff.; zur Kritik am Halbteilungsgrundsatz siehe noch auf S. 165 ff. 307 Siehe dazu sogleich auf S. 141 ff. Dies führt zum Teil dazu, dass auf Art. 14 GG eine umfassende Besteuerungsdogmatik gestützt wird; siehe dazu beispielhaft die Darlegungen von Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 ff.; ders., Gutachten F für den 57. Dt. Juristentag, F 1 ff.; ders., HdbStR IV, § 88; ders., Verfassungsstaat, S. 1 ff. 308 Dazu ausführlich Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 387 ff. 305 306
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prägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich, der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen, herleitet.309 Allerdings wird Art. 14 GG bei einer solch funktionalen Betrachtungsweise im Kern unter dem Blickwinkel anderer Grundrechte interpretiert: die Steuerfreiheit des Existenzminimums als Ausdruck der Privatnützigkeitsgarantie des Art. 14 GG scheint seine zentrale Begründung in der Menschenwürdegarantie zu finden.310 Der Schutz disponibler Einkommensteile beruht auf den Wertungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.311 Eine solche auf Art. 14 GG bezogene Herangehensweise ist denkbar. Sie wird sich im Vergleich zu der hier vertretenen Ansicht eher in der Argumentation als im Ergebnis unterscheiden. Allerdings erscheint es nach hier vertretener Auffassung vorzugswürdig, den primären grundgesetzlichen Ansatzpunkt in der Menschenwürdegarantie und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu sehen, als Art. 14 GG in diesem Sinne funktional zu interpretieren. Dies liegt – wie bereits dargelegt – darin begründet, dass Art. 14 GG eine andere Auslegung nicht zulässt. Eine Verankerung in der Menschenwürdegarantie und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bringt darüber hinaus aber auch den Vorteil einer klaren Trennung zwischen liberalen und bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Schranken mit sich. Damit ist jedoch nur geklärt, dass in Art. 14 GG nicht schon deshalb eingegriffen wird, weil dem Abgabepflichtigen eine wirtschaftliche Last aufgebürdet wird. Offen ist demgegenüber, ob Art. 14 GG gegenüber der Einkommensbesteuerung insoweit schützt, als die Einkommensteuer auch solche Einkünfte belastet, die aus der Nutzung von bereits bestehendem Eigentum erwirtschaftet wurden. Vergleichbar dazu könnte auch Art. 12 GG Schutz für solche Einkünfte gewähren, die Ergebnis einer beruflichen Betätigung sind. In beiden Fällen besteht der grundrechtliche Schutz jedoch nicht allgemein, gewährt nicht gegenüber jeder Abgabenbelastung Schutz.
2. Die Einkommensteuer als Nutzungsbeschränkung bereits bestehenden Eigentums – die Theorie des „mittelbaren Vermögensschutzes“ Zu fragen ist daher, ob Art. 14 GG für solche Einkünfte Schutz gegen die Einkommensteuer gewährt, die durch den Einsatz, d. h. die Nutzung bereits bestehenden Einkommens entstanden sind. In diese Richtung geht die Argumenta309 BVerfGE 87, 153 ff.; diese Sichtweise erinnert auch an die traditionelle Rechtsprechung des Gerichts, die dem Gesetzgeber dann einen größeren Gestaltungsspielraum einräumt, wenn das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht, dazu BVerfGE 8, 71 (80); 37, 132 (140); 50, 290 (340 ff.); wie hier jedoch die Argumentation in BVerfGE 82, 60 ff.; 99, 216 ff. 310 Zum Schutz durch die Menschenwürdegarantie noch ausführlich auf S. 142 ff. 311 Zum Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ausführlich auf S. 143 ff.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
tion der Theorie des mittelbaren Vermögensschutzes.312 Eine steuerliche Belastung sei an Art. 14 GG zu messen, wenn der steuerliche Tatbestand an der Innehabung oder der Nutzung einer Eigentumsposition ansetzt. Eine Notwendigkeit der Rechtfertigung der Steuerbelastung an Art. 14 GG ergibt sich danach unter anderem bei der Grundsteuer.313 Hinsichtlich der Einkommensteuer wird hingegen differenziert: Danach ist die Berufsfreiheit tangiert, soweit Einkommen aus selbständiger und unselbständiger Arbeit besteuert wird. Demgegenüber greift die Eigentumsgewähr ein, wenn die Nutzung von Eigentum besteuert wird. Nach Papier ist dies bei Einkünften aus Gewerbebetrieb, aus Land- und Forstwirtschaft, aus Kapitalvermögen und bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Fall.314 Der Ansatz dieser Theorie des mittelbaren Vermögensschutzes ist auf den ersten Blick nachvollziehbar, denn für die grundrechtliche Beurteilung muss der Belastungsgegenstand der Steuer entscheidend sein.315 In diesen Fällen lässt sich die Betroffenheit des Eigentumsgrundrechtes kaum bestreiten: so werden z. B. Wohnungen, die man selbst oder seine Familie nicht bewohnen kann oder will, für seinen Eigentümer häufig nur dadurch sinnvoll nutzbar, dass er sie vermieten kann und Erträge erzielt. Da die Wohnung ein durch das Eigentumsgrundrecht geschütztes Recht darstellt und die Eigentumsfreiheit nicht nur das Behaltendürfen eines geschützten Gegenstandes, sondern auch seine Nutzung und damit auch die Erzielung von Einkünften durch die Nutzung des Gegenstandes erfasst, liegt eine Beeinträchtigung der Eigentumsnutzung vor, wenn ihr Ertrag belastet wird. In gleicher Weise wird Art. 12 GG tangiert, wenn das Ergebnis einer beruflichen Tätigkeit steuerlich beschwert wird, denn Art. 12 GG schützt die Wahl und Ausübung eines Berufes, aber auch die Früchte einer beruflichen Tätigkeit.316 Art. 12 und Art. 14 GG kommt daher jeweils bei der Besteuerung bestimmter Einkunftsarten Bedeutung zu.317 Bemerkenswert ist dabei das Ergebnis dieser Auffassung: denn 312 Siehe dazu insbesondere Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 160 ff., 165 ff.; Scholz, in: Maunz / Dürig, Art. 12 GG, Rz. 415; Bodenheim, S. 279 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 36 ff.; dies., StuW 1996, 97 (100 ff.); Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 117 ff.; ebenfalls Eschenbach, DStZ 1997, 413 (414); so auch schon Faehling, S. 49 ff.; kritisch dazu R. Wendt, NJW 1980, 2111 (2113). 313 Vgl. dazu auch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögensteuer, BVerfGE 93, 121 ff. 314 Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 170; ähnlich Jachmann, StuW 1996, 97 (100 f.); anders Faehling, S. 58 f., der die Einkommensteuer im Ganzen Art. 14 GG unterstellt. 315 Siehe dazu auch auf S. 155 ff. 316 Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 563; Scholz, in: Maunz / Dürig, Art. 12 GG, Rz. 415; und das Sondervotum von Simon, BVerfGE 47, 1 (34, 38 f.). 317 Dabei kann – soweit Art. 12 und Art. 14 GG einschlägig sind – der Schutz des Art. 12 GG möglicherweise etwas stärker ausfallen als der Schutz, den Art. 14 GG gewährt, denn während die Berufsausübung primär auf die Erzielung von Einkünften ausgerichtet ist, können Eigentumsrechte regelmäßig auch anderweitig genutzt werden als zur Erzielung finanzieller Mittel.
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geht man davon aus, dass der Schutz, den Art. 14 GG gewährt, über das Maß hinausgeht, den die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG ermöglicht, so werden die verschiedenen Einkunftsarten verfassungsrechtlich in unterschiedlichem Ausmaße geschützt. Dies widerspricht zumindest dem allgemeinen Ideal eines einheitlichen Tarifs. Es widerspricht auch der manchmal zu lesenden Aussage, dass die Herkunft der Einkünfte für die Besteuerung irrelevant sei.318 Im Ergebnis werden diese Unterschiede jedoch angesichts der von vorne herein sehr weit zu ziehenden Grenzen kaum eine Bedeutung erlangen können.319 Im Ergebnis gewährt Art. 14 GG damit keinen allgemeinen Schutz gegenüber Belastungen mit Zahlungspflichten. Art. 14 GG ist jedoch in den Fällen einschlägig, in denen die Steuer die Nutzung von Eigentumsrechten belastet. Art. 12 GG ist dementsprechend beeinträchtigt, wenn die Steuer das Ergebnis einer beruflichen Tätigkeit beschwert. Darüber hinaus gewährt einen allgemeinen Schutz gegenüber der Besteuerung (nur) Art. 2 Abs. 1 GG.
III. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als bedarfsorientiertes freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip: Die Funktionen des Einkommens und ihre Bedeutung für die verfassungsrechtliche Wertung Zusätzlich zu diesen liberalen freiheitsrechtlichen Besteuerungsgrenzen der wirtschaftlichen Freiheitsgrundrechte der Berufsfreiheit und des Eigentumsgrundrechtes lassen sich aus den Freiheitsrechten auch bedarfsorientierte Besteuerungsschranken gewinnen.320 Anders als bei den liberalen Grundrechtsschranken, bei denen das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG und die Berufsfreiheit des Art. 12 GG im Vordergrund stehen, ergeben sich die bedarfsorientierten Besteuerungsgrenzen aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG, darüber hinaus jedoch auch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG. Dabei hängt die Grenze der Besteuerung von der Funktion der Einkommensteile für die Lebensgestaltung des Einzelnen ab.321 Diese kann zwar nicht dazu führen, dass aus gleichheitsrechtlicher Sicht allein der im disponiblen Einkommen verkörperte Nutzen als Vergleichskriterium gewählt werden kann. Für die Entwicklung bedarfsorientierter freiheitsrechtlicher Besteuerungsgrenzen ist die Funktion einzelner Einkommensteile für den Steuerpflichtigen aber entscheidend. Damit entsteht ein nach der Funktion der Einkommensteile differenzierendes freiheitsrechtliches Schutzkonzept.322 Die bisher weit verbreitete Zweiteilung des In diesem Sinne z. B. Kirchhof, JZ 1982, 305 (306). Siehe zu den Grenzen auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips noch auf S. 151 ff. 320 Siehe dazu bereits auf S. 128 ff. 321 Zu einer funktionsorientierten freiheitsrechtlichen Besteuerungskonzeption siehe bereits Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 380 ff. 318 319
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
Einkommens in indisponibles Einkommen, das durch Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip gegen den steuerlichen Zugriff absolut geschützt ist und disponibles Einkommen, für dessen Schutzumfang bisher kaum Maßstäbe entwickelt wurden, entspricht in dieser Form nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben.323 Die auf der Grundlage einer bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Sichtweise zu Tage tretenden Ergebnisse stimmen mit dem Hinweis des Bundesverfassungsgerichts in seiner Grundfreibetragsentscheidung, dass von den das Existenzminimum übersteigenden Einkommensteilen dem Steuerpflichtigen „angemessene Beträge“ verbleiben müssen, überein.324 Und diese bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Besteuerungsschranken entsprechen nach hier vertretener Auffassung im Ergebnis den Schranken, die allgemein mit dem Begriff des Leistungsfähigkeitsprinzips bezeichnet werden.325
1. Der Schutz des indisponiblen Einkommens durch die Menschenwürdegarantie Das regelmäßige Einkommen wird typischerweise für den eigenen Lebensunterhalt benötigt. Die Sicherung der Existenz ist verfassungsrechtlich durch die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG geschützt, woraus für das Sozialhilferecht folgt, dass dem Bedürftigen der zur Sicherung des Existenzminimums notwendige Betrag gewährt werden muss.326 Für das Steuerrecht folgt hingegen, dass dem Steuerpflichtigen das zur Existenzsicherung erforderliche Einkommen nicht genommen werden darf.327 Das Existenzminimum des Steuerpflichtigen umfasst 322 Einen ähnlichen, wenn auch nicht auf der Menschenwürdegarantie und dem allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern allein auf dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG basierenden Ansatz stellt der bereits dargestellte funktionsbezogene Ansatz Lehners dar; Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 380 ff.; ähnlich auch die Grundfreibetragsentscheidung des BVerfGE 87, 153 ff.; siehe dazu bereits oben auf S. 81 ff. 323 Dazu ausführlich sogleich. 324 BVerfGE 87, 153 (170). 325 Dazu auf S. 148 ff. 326 In diesem Sinne auch das BVerfG 82, 60 ff.; anders jedoch in BVerfGE 1, 97 (104); aus der Literatur siehe nur Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 328 ff. mwN; Dreier, in: Dreier, Art. 1 GG, Rz. 94; Häberle, HdbStR I, § 20, Rz. 77; siehe auch Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 1 Rz. 43. 327 BVerfGE 82, 60 ff.; 99, 216 ff.; anders die Argumentation in BVerfGE 87, 153 ff.; siehe dazu stellvertretend für viele u. a. Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 337 ff.; Tipke, StRO I, S. 420 ff. Und dies gilt auch dann, wenn der Staat den auf das Existenzminimum entfallenden Steuerbetrag dem Steuerpflichtigen als sozialstaatliche Leistung wieder gewährte. Insoweit gilt ein Vorrang der eigenen Fürsorge, weil das selbsterwirtschaftete Einkommen einen gegenüber staatlichen Leistungen deutlich höheren Freiheitswert hat; dazu ausführlich Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 343 ff.; bedenklich daher die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Alternativität von sozialhilferechtlichem Kindergeld und steuerrechtlichem Kinderfreibetrag, BVerfGE 43, 108 ff.; 61, 319 ff.; 82, 60 ff.; 99, 246 ff. dazu Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 239 ff.
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dabei einerseits den physischen Bedarf, erstreckt sich andererseits aber auch auf ein in engen Grenzen anzuerkennendes sozio-kulturelles Existenzminimum.328 Anhaltspunkte für die Berechnung des Existenzminimums können dem Sozialhilferecht entnommen werden.329 Der sozialhilferechtlich gewährte Betrag darf einkommensteuerrechtlich zumindest nicht unterschritten werden.330 Dabei sind die Regelsätze, die Leistungen für Unterkunft und Heizung, Einmalbeihilfen für zusätzlichen Grundbedarf sowie der Mehrbedarf zur Berücksichtigung der durch die Erwerbstätigkeit bedingten erhöhten privaten Bedürfnisse zu berücksichtigen.331 Der in diesem Maße durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte, weil zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs des Steuerpflichtigen (und in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG auch der zur Deckung des Bedarfs seiner Familie) benötigte Betrag muss im Ergebnis steuerfrei bleiben.332
2. Der Schutz des disponiblen Einkommens durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht Einkommensteile, die das Existenzminimum nur geringfügig überschreiten, können für weitergehende Bedarfe, die der Entfaltung der Persönlichkeit dienen, verwendet werden. Auch diese Einkommensteile werden – wenn auch in abgestufter Form – aufgrund ihrer Funktion für den Steuerpflichtigen geschützt, sie werden durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Die Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes für die Besteuerung wurde bisher im Allgemeinen gering eingeschätzt. Sofern dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht für das Steuerrecht Bedeutung zugesprochen wurde, so geschah dies vor allem im Hinblick auf die Grenzen, die der Schutz der Privatsphäre steuerlicher Ermittlungstätigkeit zieht.333 Kirchhof versucht in einem materiellen Sinne aus dem Schutz der Privatsphäre auch die Differenzierung zwischen Betriebssphäre und Privatsphäre abzuleiten, und die besteuerbaren Einnahmen auf das Markteinkommen zu begrenzen.334 Eine darüber hinausgehende Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als materielle Besteuerungsgrenze wurde demgegenüber im Allgemeinen nicht in Erwägung gezogen.335 Eine nähere Dazu Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 178; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 191. BVerfGE 66, 214 (244); 82, 60 (94); 87, 153 (171); 99, 246 (260). 330 BVerfGE 87, 153 (171); 99, 246 (260). 331 In diesem Sinne BVerfGE 87, 153 (175); 99, 246 (260). 332 Zu den Konsequenzen für die steuertechnische Umsetzung siehe unten auf S. 166 ff. 333 So z. B. Kirchhof, NJW 1987, 3217 (3225 f.); kritisch dazu Tipke, StRO I, S. 425 ff.; ausführlich v. Hammerstein, S. 138 ff.; die Befürchtung inquisitorischer staatlicher Ermittlungstätigkeit ist ein tradierter Einwand, der bereits gegen die Einführung einer Einkommensteuer selbst, vorgebracht wurde; dazu Ossenbühl, S. 31; siehe auch Mann, S. 227 ff. 334 In diesem Sinne Kirchhof, FS für Tipke, S. 27 ff.; ders., NJW 1987, 3217 (3225 f.); ders., in: K / S / M, § 2 EStG, A 112 ff.; kritisch dazu Tipke, StRO I, S. 433 ff. 328 329
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Betrachtung des Verhältnisses des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum materiellen Steuerrecht findet sich – soweit ersichtlich – bisher nur in der Dissertation von Hammersteins.336 Auch er lehnt jedoch eine Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes für die Begrenzung der zulässigen Höhe einer Fiskalzweckbesteuerung ab, weil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Steuerrecht nicht greife. Auswirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes erkennt er daher nur hinsichtlich der Auswahl der Besteuerungsgegenstände an.337 Im Gegensatz dazu soll an dieser Stelle die Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Grenze für die Besteuerung des disponiblen Einkommens hervorgehoben werden.
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht – Grundlagen Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist eine Schöpfung der Rechtsprechung. Der BGH hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht bereits im Jahre 1954 in der Leserbrief-Entscheidung als absolutes Recht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt und in späteren Entscheidungen fortentwickelt.338 Die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als verfassungsrechtlich gewährleistetes Grundrecht erfolgte jedoch erst später. Nachdem das Bundesverfassungsgericht Art. 2 Abs. 1 GG trotz seines Wortlautes „Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ in der Elfes-Entscheidung als allgemeine Handlungsfreiheit interpretiert hatte,339 fand das allgemeine Persönlichkeitsrecht dann im Jahre 1973 Eingang in die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung.340 In dieser Entscheidung und seitdem in ständiger Rechtsprechung stützt das Bundesverfassungsgericht und ihm folgend die Literatur das allgemeine Persönlichkeitsrecht als unbenanntes Freiheitsrecht auf Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG.341 Der Schwerpunkt wird dabei in Art. 2 Abs. 1 GG gesehen, so dass Einschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich gerechtfertigt werden können.342 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nach eigenen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts noch nicht abschließend entwickelt, die Konturen noch nicht in 335 So fehlen z. B. bei Tipke, StRO I, S. 432, der sich ansonsten ausführlich mit Fragen des Privatsphärenschutzes im Steuerrecht befasst, Aussagen zu diesem Schutzaspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 336 v. Hammerstein, S. 197 ff. 337 v. Hammerstein, S. 209 ff., 238 ff. 338 BGHZ 13, 334 ff.; 20, 345; 26, 349; 35, 363; 39, 124; 128, 1; siehe zur Entwicklung der zivilrechtlichen Rechtsprechung Seifert, NJW 1999, 1889 ff.; aus der zivilrechtlichen Literatur siehe Hubmann. 339 BVerfGE 6, 32 ff. 340 BVerfGE 34, 239 (245 ff.). 341 Zur Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe Scholz, AöR 100 (1975), 80 ff.; 265 ff.; Duttge, Der Staat 36 (1997), 281 (286 ff.); Jarass, S. 89 ff.; dazu auch Degenhart, JuS 1992, 361 ff. 342 Allg.M., dazu nur Di Fabio, in: Maunz / Dürig, Art. 2 GG, Rz. 128.
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gleichem Maße wie bei anderen Grundrechten herausgearbeitet.343 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist damit entwicklungsoffen, um auf in der Zukunft entstehende Gefahren reagieren zu können.344 Es gewährt in seinem Kern einen Schutz der Privatsphäre, als sachlicher Bereich, aber auch in einem räumlich abgegrenzten Sinne.345 Über diesen von der Öffentlichkeit abschirmenden Aspekt hinaus werden vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch Aspekte des Schutzes der Darstellung in der Öffentlichkeit erfasst.346 Noch darüber hinausgehend hat das Bundesverfassungsgericht in einigen Entscheidungen vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch die Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung geschützt gesehen.347 Schon in einer frühen Entscheidung hatte das Gericht formuliert, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht „jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann“, sichert.348 In diesem Sinne hat das Gericht auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Ausstrahlung eines Dokumentarfilms untersagt, der die äußeren Bedingungen einer Resozialisierung des Straftäters deutlich zu beeinträchtigen drohte.349 Auch hat das Gericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht das Recht herleitet, dass der Strafvollzug auf Resozialisierung ausgerichtet ist. Daraus werden nun auch Anforderungen an die Höhe der Bezahlung im Strafvollzug erbrachter Arbeitsleistungen abgeleitet.350 Ebenfalls als Grundbedingung der Persönlichkeitsentfaltung hat das Gericht das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung angesehen.351 BVerfGE 54, 148 ff.; 72, 155 ff.; 79, 256 ff. Auch eine allgemein akzeptierte Kategorisierung der durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfassten Fallgruppen ist nicht gelungen, die folgenden Ausführungen lehnen sich an die Kategorisierung von Dreier, in: Dreier, Art. 2 Abs. 1 GG, Rz. 50 an. 345 So gewährt das Persönlichkeitsrecht u. a. Schutz gegen die Verwertung persönlicher Dokumente im Strafverfahren, BVerfGE 18, 146 ff.; 32, 373 (379); 44, 353 (372); 80, 367 (373 ff.); 89, 69 (82); siehe auch schon BVerfGE 27, 344 (350 f.); Schutz gegen staatliche Überwachung und heimliche Tonbandaufnahmen, BVerfGE 34, 238 ff.; BGH, NJW 1991, 2651 ff.; BGH, NJW 1994, 596 ff. und gewährt Schutz gegen das Eindringen in einen räumlich abgegrenzten Bereich der Privatsphäre, BVerfGE 101, 361 ff. 346 So schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Recht am eigenen Wort und das Recht am eigenen Bild, BVerfGE 34, 238 (246); 35, 202 (224); 54, 148 (154); 54, 208 (217); 87, 334 (340). Allgemein anerkannt ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung, BVerfGE 65, 1 (41 ff.); 78, 77 (84 ff.); 84, 192 ff., siehe dazu Duttge, Der Staat 36 (1997), 281 ff. 347 BVerfGE 72, 155 ff.; 79, 256 ff.; 90, 263 ff.; 96, 169 ff.; dazu Degenhart, JuS 1982, 361 (366). 348 BVerfGE 35, 202 (220). 349 BVerfGE 35, 202 ff. 350 BVerfGE 98, 169 ff. 351 BVerfGE 79, 256 ff.; 90, 263 ff.; 96, 169 ff.; dazu Enders, NJW 1989, 881 ff.; Giese, JZ 1989, 364 ff.; Mansees, NJW 1988, 2984 ff.; Schmidt-Didczuhn, JR 1989, 228 ff.; Smid, JR 1990, 221 ff. 343 344
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b) Der Schutz der – finanziellen – Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht Der Schutz der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung umfasst jedoch nicht nur die immateriellen Bedingungen der Persönlichkeitsentfaltung wie das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, sondern muss darüber hinaus auch die finanziellen Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung erfassen.352 Und diese durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten wirtschaftlichen Grundbedingungen müssen auch für das Steuerrecht Beachtung finden. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1986 anerkannt, dass auch die finanziellen Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst sind.353 In dieser Entscheidung stand die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Vertretungsmacht der Eltern, ihre Kinder bei der Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft finanziell unbegrenzt verpflichten zu können, im Raum. Das Gericht stellte dabei fest, dass durch die Möglichkeit der Eltern, die Kinder unbegrenzt finanziell verpflichten zu können, die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung, die engere persönliche Lebenssphäre junger Menschen betroffen werden können. Damit sei nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt, sondern das allgemeine Persönlichkeitsrecht.354 Das Gericht führte weiterhin aus, dass der Gesetzgeber dafür Sorge tragen müsse, dass den Kindern die Möglichkeit verbleibe, ihr Leben „ohne unzumutbare Belastungen zu gestalten“.355 Damit erkennt das Gericht an, dass – allgemein gesprochen – finanzielle Voraussetzungen einen Teil der Grundbedingungen freier Entfaltung der Persönlichkeit darstellen und daher vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt sind. In vorliegendem Zusammenhang ist besonders entscheidend, dass das Gericht damit finanzielle Voraussetzungen schützt, die über das reine Existenzminimum hinausgehen, denn auch das Zwangsvollstreckungsrecht sieht in § 850c der Zivilprozessordnung für das Arbeitseinkommen Pfändungsgrenzen für den existenznotwendigen Bedarf vor. Der existenznotwendige Bedarf wäre den Kindern daher unabhängig von den durch die Eltern für sie begründeten Verpflichtungen verblieben. In einer späteren Entscheidung aus dem Jahre 1998 ging es dann um die Frage, ob § 828 Abs. 2 BGB, der die – potentiell unbegrenzte – deliktsrechtliche Haftung von Minderjährigen nur für den Fall ausschließt, dass ihnen zum Zeitpunkt der 352 In diesem Sinne auch Canaris, JZ 1987, 993 (1002); ders., JZ 1988, 494 (497); ders., JZ 1990, 679 ff.; Goecke, NJW 1999, 2305 ff.; OLG Celle, JZ 1990, 294, mit anderer Begründung Fehnemann, JZ 1986, 1055. 353 BVerfGE 72, 155 (170 ff.); siehe zu dieser Entscheidung A. Schmidt; Fehnemann, JZ 1986, 1055; Ka. Schmidt, BB 1986, 1238 ff.; Wolf, AcP 187 (1987), 319 ff.; weitergehend Canaris, JZ 1987, 993 (1002); ders., JZ 1988, 494 (497); siehe auch Ramm, NJW 1989, 708 ff. 354 BVerfGE 72, 155 (171). 355 BVerfGE 72, 155 (173); zur gesetzlichen Neuregelung durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz, BGBl. I 1998, 2487, siehe Behnke, NJW 1998, 3078; Klüsener, RPfleger 1999, 55.
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Handlung die erforderliche Einsicht fehlte, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar ist oder ob dieses den Ausschluss einer unbegrenzten deliktischen Haftung Minderjähriger auch in anderen Fällen fordert. Das vorlegende LG Dessau hatte die Verfassungsmäßigkeit der bestehenden unbegrenzten Haftung bezweifelt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Normenkontrollantrag als unzulässig verworfen, denn § 828 Abs. 2 BGB stelle vorkonstitutionelles Recht dar und der Gesetzgeber habe diese Norm nicht erkennbar „in seinen Willen aufgenommen“.356 Deutlich wird jedoch auch in dieser Entscheidung, dass das Bundesverfassungsgericht auch die finanziellen Grundlagen der Persönlichkeitsentfaltung dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuweist. Denn im Hinblick auf den Verstoß der unbegrenzten Haftung Minderjähriger gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht sah das Gericht die Vorlage als – im Rahmen der Zulässigkeit – hinreichend begründet und plausibel an.357 In der verfassungsrechtlichen Literatur wurde dem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleisteten Schutz der (über das Existenzminimum hinausgehenden) finanziellen Grundlagen – anders als in der zivilrechtlichen Literatur – bisher relativ wenig Beachtung geschenkt.358 Dass die Möglichkeit, über finanzielle Mittel zu verfügen, für die Entfaltung der Persönlichkeit eine besondere Bedeutung hat, weil sie viele Möglichkeiten der Lebensführung erst eröffnet, kann jedoch kaum bestritten werden. Die finanziellen Grundlagen der Lebensführung sind daher – zumindest in begrenztem Umfange auch über das Existenzminimum hinaus – durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Und dieser Schutz muss auch Auswirkungen für die Begrenzung der staatlichen Besteuerungsgewalt haben, denn die erforderlichen finanziellen Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung können, wenn die Besteuerungsgewalt auf das disponible Einkommen unbegrenzt zugreift, durch diese in gleicher Weise beeinträchtigt werden, wie das durch eine Möglichkeit von Eltern, ihre Kinder unbegrenzt zu verpflichten oder durch eine unbegrenzte deliktische Haftung Minderjähriger denkbar ist. Dabei ist zu sehen, dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in steuerrechtlichem Zusammenhang noch über den Schutz in den beschriebenen Fällen hinausgehen kann. Denn im ersten Fall war neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes auch das durch Art. 6 Abs. 2 GG verbürgte elterliche Erziehungsrecht zu berücksichtigen. Insofern ist vom Gesetzgeber im Rahmen seiner bestehenden Schutzpflicht für das Kind ein Ausgleich zwischen diesen grundgesetzlich geschützten Rechten zu finden. Bei § 828 Abs. 2 BGB kann zumindest an ein deliktisches Verhalten des Kindes angeknüpft werden. Bei der Besteuerung entfällt demgegenüber beides, so dass der Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner abwehrrechtlichen Dimension voll zur Geltung kommt.
BVerfG, NJW 1998, 3557 ff.; dazu Goecke, NJW 1999, 2305 ff. So auch Goecke, NJW 1999, 2305 ff. 358 Siehe jedoch Degenhart, JuS 1992, 361 (367 f.); Dreier, in: Dreier, Art. 2 Abs. 1 GG, Rz. 54; zur zivilrechtlichen Literatur siehe vorstehende Nachweise. 356 357
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Im Ergebnis kommt damit neben der Menschenwürdegarantie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eine entscheidende Bedeutung als freiheitsrechtliche Besteuerungsgrenze zu.359 Einkommen, das dem Steuerpflichtigen über das indisponible Einkommen hinaus zur Verfügung steht, ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht als bedarfsorientierte freiheitsrechtliche Schranke geschützt. Und diese Grenzen, welche die Menschenwürdegarantie und das allgemeine Persönlichkeitsrecht als bedarfsorientierte freiheitsrechtliche Grenzen der Besteuerung ziehen, sollen hier unter dem Begriff des Leistungsfähigkeitsprinzips zusammengefasst werden. Das Leistungsfähigkeitsprinzip stellt sich damit als bedarfsorientiertes, originär freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip dar. Und dieses freiheitsrechtliche Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips steht nach hier vertretener Auffassung auch in Einklang mit seinen historischen Inhalten.
3. Das freiheitsrechtliche Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips in Einklang mit seinen historischen Inhalten Im 19. Jahrhundert hatte sich das Leistungsfähigkeitsprinzip als allgemeiner Besteuerungsgrundsatz in der Finanzwissenschaft durchgesetzt.360 Mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip als Prinzip einer gerechten Besteuerung wurden dabei im Hinblick auf die Erhebung der Einkommensteuer bei einem einzelnen Steuerpflichtigen vor allem zwei Forderungen verknüpft: einerseits die Forderung nach einer Steuerfreiheit des Existenzminimums und andererseits die Forderung nach einer progressiven Tarifgestaltung.361 Beide Forderungen wurden schon in älteren Zeiten und auch auf der Grundlage anderer Ansätze vorgetragen, angesichts der sich durch eine fortschreitende Industrialisierung verschärfenden sozialen Frage wurden sie vor allem ab Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt erhoben.362 Mit den 359 Zu den Schwierigkeiten der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes siehe auf S. 151 ff. 360 Siehe dazu nur die Beiträge von Meyer; Neumann, Progressive Einkommensteuer; ders., JbfNSt N.F. 1 (1880), 511 (577); Schäffle, Grundsätze, S. 22 ff.; ders., Die Steuern, Allg. Teil, § 189; ders., Die Steuern, Bes. Teil, S. 111 ff.; A. Wagner, S. 434 ff.; zu einem anderen Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe Seligman, S. 190 ff.; zur Geschichte des Leistungsfähigkeitsprinzips siehe auch Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 6 ff.; Mann; Pohmer / Jurke, FA 42 (1984), 445 (455); Seligman, S. 127 ff. 361 Zum Zusammenhang beider Forderungen siehe Schäffle, Die Steuern, Bes. Teil, S. 120 f.; Seligman, S. 130 ff.; 159 ff.; v. Beckerath, S. 416 (454); der Zusammenhang wird auch deutlich bei Neumann, Progressive Einkommensteuer, S. 112 ff. und S. 154 ff.; Ritschl, S. 200, 205; von manchen Autoren wurde auf der Basis des Leistungsfähigkeitsprinzips zusätzlich auch eine Begünstigung unfundierter Einkünfte befürwortet, siehe dazu auf S. 172 ff.; darüber hinaus die Berücksichtigung familiärer Belastungen, dazu Popitz, Einkommensteuer, S. 420 ff. 362 Beide Forderungen finden sich bereits bei Montesquieu, Buch XIII, 7. Kap.; dazu Mann, S. 161 ff.; ähnlich J. J. Rousseau, S. 268 f.; Say, S. 308 ff.; dazu Mann, S. 162 ff., 266 ff.; aus der finanzwissenschaftlichen Literatur des 19. Jahrhunderts siehe Schäffle, Die
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deutlichen Worten Schäffles gesprochen, müsse das Existenzminimum steuerfrei bleiben, „bloß aus Rücksicht auf Steuerschonung der mit der Not des Lebens ringenden Steuerkräfte“.363 Der progressive Tarifverlauf wurde demgegenüber auf der Grundlage der das Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisierenden Opfertheorien begründet: die Steuerbelastung solle von jedem Steuerpflichtigen ein gleiches Opfer verlangen. Da der Nutzen von zusätzlichem Einkommen sinke, wurde gefolgert, dass Einkommen progressiv besteuert werden müsse.364 Dieses historische Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips entspricht in seinen Ergebnissen – der Steuerfreiheit des Existenzminimums und der Progression des Tarifs – den in dieser Arbeit vorgestellten bedarfsorientierten, originär freiheitsrechtlichen Grenzen.365 Unterschiede bestehen – zumindest auf den ersten Blick – jedoch im Hinblick auf die (über den bloßen Hinweis auf das Leistungsfähigkeitsprinzip hinausgehende) Begründung: zwar wurde die Steuerfreiheit des Existenzminimums mit seiner Bedeutung für den Steuerpflichtigen begründet. Dahinter steht im Kern eine freiheitsrechtliche Argumentation. Der progressive Tarif hingegen beruht mit den Opfertheorien auf einer ausdrücklich gleichheitsrechtlichen Begründung. Diese Divergenz zu dem hier vertretenen rein freiheitsrechtlichen Ansatz relativiert sich jedoch, bedenkt man, dass gleichheitsrechtliche Schlussfolgerungen im Ergebnis – mangels Bestimmbarkeit der Nutzenkurve – für den Einkommensteuertarif nicht gezogen werden konnten. Bereits Cohen-Stuart hatte gezeigt, dass die Opfertheorien – je nach zu Grunde gelegter Nutzenkurve – zu einem progressiven, einem proportionalen oder auch einem regressiven Tarif führen können.366 Insoweit ergibt sich bereits eine Abweichung zwischen der mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Gestalt der Opfertheorien gegebenen Begründung und dem – gewünschten – Ergebnis eines (eindeutig) progressiven Tarifverlaufs. Unstimmigkeiten zwischen der mit den Opfertheorien gegebenen Begründung und dem gewünschten Ergebnis zeigten sich auch im Hinblick auf die Freistellung des Existenzminimums: soll jeder ein gleiches Opfer leisten, so ist nur schwer begründbar, dass derjenige, der nur über den existenznotwendigen Bedarf verfügt, überhaupt keinen Beitrag leisten soll.367 Meyer erkannte die Steuerfreiheit Steuern, Bes. Teil, S. 112 ff.; Meyer, S. 290 ff.; A. Wagner, S. 402 ff. hingegen kommt auf der Grundlage des „rein finanziellen“ Standpunkts der staatsbürgerlichen Periode zu einer Ablehnung der Steuerfreiheit des Existenzminimums und eines progressiven Tarifs, fordert beides jedoch auf der Basis seines sozialpolitischen Standpunktes. Beide Forderungen wurden auch auf der Basis der Äquivalenztheorie erhoben, dazu die Darstellung bei Seligman, S. 79 ff.; wie auf der Grundlage der sozialpolitischen Theorie, siehe dazu A. Wagner, S. 402 ff.; dazu Meyer, S. 152 ff., kritisch S. 290 ff. 363 Schäffle, Die Steuern, Bes. Teil, S. 112 f.; siehe dazu auch Meyer, S. 290 ff.; Neumann, Progressive Einkommensteuer; ders., JbfNSt N.F. 1 (1880), 511 (577). 364 Schäffle, Die Steuern, Bes. Teil, S. 52, 120 f.; ders., Die Steuern, Allg. Teil, § 193; Meyer, S. 329 ff.; Neumann, Progressive Einkommensteuer, S. 112 ff.; ders., JbfNSt N.F. 1 (1880), 511 (577); zu den Opfertheorien siehe S. 54 ff. 365 Siehe dazu ausführlich auf S. 161 ff. 366 Siehe zu den Erkenntnissen von Cohen-Stuart bereits auf S. 58 ff.
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
des Existenzminimums daher als Ausnahme an.368 Eine weitere Divergenz zwischen dem befürworteten Ergebnis und der gewählten opfertheoretischen Begründung zeigte sich darin, dass die Progression an irgendeinem Punkt unterbrochen werden musste, da eine auch nur annähernd 100 % Besteuerung zusätzlicher Einkommensteile auch bei sehr großen Einkommen im Allgemeinen nicht befürwortet wurde. Die auf Grenznutzenfunktionen gestützte Opfertheorie konnte dies nicht begründen.369 Im Ergebnis lassen sich daher bereits in der Argumentation der Finanzwissenschaft des 19. Jahrhunderts Unstimmigkeiten, stärker formuliert, Divergenzen zwischen dem als gerecht empfundenen Ergebnis und der mit den Opfertheorien gegebenen Begründung aufzeigen. Es spricht daher viel dafür, dass die den Gerechtigkeitswertungen entsprechende Begründung noch nicht gefunden war bzw. sich noch nicht durchgesetzt hatte.370 Neben diesen Divergenzen zwischen gleichheitsrechtlicher Begründung und dem vorgetragenen Ergebnis gibt es jedoch noch einen weiteren Anhaltspunkt dafür, dass diese (historischen) Gerechtigkeitswertungen statt gleichheitsrechtliche freiheitsrechtliche Wurzeln haben: so liegt der neben dem gleichheitsrechtlichen Ansatz zentrale Argumentationspunkt der Opfertheorien in dem abnehmenden Grenznutzen des Einkommens. Ein Schwerpunkt der Argumentation liegt also auf der Funktion der verschiedenen Einkommensteile für den Steuerpflichtigen, eine freiheitsrechtliche Fundierung liegt daher nahe. Auf eine freiheitsrechtliche Basis deuten auch Ausführungen Schäffles hin, wenn er zwar einerseits den progressiven Tarif auf der Grundlage der Opfertheorien begründet,371 an einer anderen Stelle jedoch den Zusammenhang von steuerfreiem Existenzminimum und Progression herausstreicht und dabei ausführt: „Die Progressivbesteuerung ist, . . . , nur die Fortsetzung der Schonung, welche auch dem Existenzminimum zugrunde liegt, in jene Schichten kleinerer und mittlerer Steuerkapitalgrößen hinein, welche zwar über das Existenzminimum hinausreichen, aber als immer noch relativ steuerunkräftig weiter und bis dahin zu schonen sind, wo ein Betrag des Steuerkapitals auftritt, bei welchem Schonung keinen Grund mehr hat.“372 Diese Argumentation erstreckt die freiheitsrechtliche Grundlage der Steuerfreiheit des Existenzminimums auf den progressiven Tarif und entspricht damit dem in dieser Untersuchung vertretenen freiheitsrechtlichen Verständnis. Diese Übereinstimmung des hier vertretenen freiheitsrechtlichen Verständnisses mit den historischen 367 Siehe dazu bereits auf S. 60 ff.; siehe auch Meyer, S. 290 ff.; kritisch daher auch Sax, ZfVSVw 1 (1892), 43 (63); aus jüngerer Zeit Jüptner, Leistungsfähigkeit, S. 29. 368 Meyer, S. 290 ff. 369 Siehe dazu bereits auf S. 60 ff.; siehe auch Jüptner, Leistungsfähigkeit, S. 84; Riedmaier, DStR 1976, 359 (364). 370 Zu einem in der Sache freiheitsrechtlichen Ansatz siehe Ritschl, S. 188 ff. 371 Schäffle, Die Steuern, Bes. Teil, S. 52. 372 Schäffle, Die Steuern, Bes. Teil, S. 121 f.; ein vom gleichheitsrechtlichen Gedanken deutlich abgegrenzte freiheitsrechtliche Fragestellung findet sich auch bei Neumann, JbfNSt N.F. 1 (1880), 511 (578); eine – von den Opfertheorien abweichende – im Kern freiheitsrechtliche Argumentation findet sich auch bei Ritschl, S. 188 ff.
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Gehalten des Leistungsfähigkeitsprinzips wird noch deutlicher, geht man mit Ritschl davon aus, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in seinem ursprünglichen Verständnis eine (freiheitsrechtliche) Besteuerung nach Kräften meinte, d. h. Leistungsfähigkeit den Betrag bezeichnete, der über den existenznotwendigen Betrag hinausging, und das Leistungsfähigkeitsprinzip erst später den gleichheitsrechtlichen Steuerverteilungsgedanken aufnahm und so zu einer Besteuerung im Verhältnis der Kräfte, im Verhältnis der Leistungsfähigkeit wurde.373 Damit wurden dem ursprünglich freiheitsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip die gleichheitsrechtlichen Ansätze der Steuerverteilung hinzugefügt. Der „Fehler“ lag damit in der Verbindung des Leistungsfähigkeitsprinzips mit gleichheitsrechtlichen Elementen, die sich insbesondere in der Verschmelzung des Leistungsfähigkeitsprinzips mit den Opfertheorien zeigte.374 Damit spricht viel dafür, dass den Ergebnissen, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip historisch zugeordnet wurden, kein gleichheitsrechtlicher Gedanke, sondern eine freiheitsrechtliche Wertung zugrunde lag. Aus diesem Grunde soll für die hier aufgezeigte, bedarfsorientierte, originär freiheitsrechtliche Argumentation – trotz der offensichtlichen Gefahr von Verwechslungen mit der bisherigen gleichheitsrechtlichen Konkretisierung – der Begriff des Leistungsfähigkeitsprinzips verwendet werden.
IV. Die Verhältnismäßigkeit des Einkommensteuertarifs Liberale und bedarfsorientierte Schranken können der Besteuerung effektiv jedoch erst in Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen setzen. Nach weit verbreiteter Auffassung kommt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Steuerrecht jedoch nur eine sehr untergeordnete Bedeutung zu.375 Für die allgemeine Skepsis der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Steuerrecht sind vor allem zwei Aspekte verantwortlich: Zum einen erschwert das haushaltsrechtliche Non-Affektationsprinzip mit der dadurch fehlenden Durchgriffsmöglichkeit auf materielle Ausgabenzwecke die Abwägung.376 Darüber Ritschl, S. 165 ff. Die Verbindung wird häufig auf die Ausführungen Neumanns, Progressive Einkommensteuer, S. 62 ff., zurückgeführt, so und dazu kritisch Ritschl, S. 172 ff. 375 Differenzierend Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 404 ff.; siehe auch Vogel, DStZ 1977, 5 (9); grundlegend Papier, Finanzrechtliche Gesetzesvorbehalte, S. 76 ff.; ders., in: Maunz / Dürig, Art. 14 GG, Rz. 177 ff.; ders., DVBl. 1980, 787 (792 f.); siehe auch Badura, Verhdl. des 49. Dt. Juristentages, T 5 ff.; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 187 f.; v. Hammerstein, S. 209 f.; Isensee, FS für Ipsen, S. 409 (434); Rodi, S. 49 ff.; Selmer, Steuerinterventionismus, S. 286; Tipke, StRO I, S. 418; Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 215 f.; zuletzt Waldhoff, StuW 2002, 285 (305); in diesem Sinne deutlich auch BVerfGE 63, 343 (367 f.); kritisch jedoch J. Lang, FS für Vogel, S. 173 (181 ff.); vgl. dazu schon oben auf S. 128 ff. sowie sogleich auf S. 152 ff. 376 Zu dem Prinzip der Non-Affektation und dem zumindest im Ansatz abweichenden Ansatz von Arnims, siehe sogleich auf S. 152 ff. 373 374
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hinaus besteht im Steuerrecht die Besonderheit, dass die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine quantitative Grenzziehung verlangt.377 Quantitative Begrenzungen lassen sich jedoch regelmäßig weniger plausibel begründen als qualitative.378 Sie erscheinen leicht als willkürlich. Soll der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einkommensteuerrecht angewendet werden, so müssen beide Fragen eine Antwort finden. Die Schwierigkeiten der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Steuerrecht und die darauf basierende, weitgehend akzeptierte Auffassung, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz komme im Steuerrecht keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung zu, erscheint maßgeblich dafür verantwortlich, dass die freiheitsrechtliche Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips bisher nicht aufgedeckt werden konnte. Im Folgenden wird argumentiert, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch eine Grenze für den Besteuerungszugriff darstellt. Zwar lassen sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wegen des Prinzips der Non-Affektation für die Besteuerung nicht in gleicher Weise wie bei sonstigen Grundrechtseingriffen Schranken entnehmen, seine Anwendung ist jedoch nicht vollständig ausgeschlossen. Im Ergebnis entspricht dies auch dem starken Meinungsstrang in der Literatur, der zwar einerseits die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verneint, letztendlich aber dennoch eine Grenze der übermäßigen Besteuerung zieht,379 oder – noch darüber hinausgehend – eine Grenze der hälftigen Teilung postuliert.380
1. Die Schwierigkeiten der Abwägung des Fiskalzwecks Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert allgemein, dass Eingriffe in Freiheitsrechte verhältnismäßig sind, d. h. zur Erreichung des gesetzgeberisch festgelegten, verfassungskonformen Zwecks geeignet und erforderlich sind und nicht außer Verhältnis zum zu erreichenden Zweck stehen. Im Steuerrecht besteht dabei jedoch die zentrale Schwierigkeit, dass der Fiskalzweck des Steuerzugriffs nicht abwägungsfähig erscheint.
Dazu sogleich auf S. 157 ff. So auch v. Arnim, VVDStRL 39 (1982), 286 (308). 379 So die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 10, 89 (116); 14, 221 (241); 19, 119 (128); 19, 253 (267 f.); 23, 288 (314 f.); 26, 327 (338); 27, 111 (131); 27, 326 (343); 28, 119 (142); 63, 343 (368); ähnlich die Argumentation im Hinblick auf die Berufsfreiheit BVerfGE 13, 181 ff.; ähnlich u. a. BVerfGE 14, 76 (100 f.); 16, 147 (162 f.); 31, 8 (26 ff.); 38, 61 (85 ff.); aus der Literatur siehe dazu nur stellvertretend für viele Friauf, StbJb 1971 / 72, 425 (430); Selmer, Steuerinterventionismus, S. 295 ff. 380 So das Bundesverfassungsgericht in seinem Vermögenssteuerbeschluss, BVerfGE 93, 121 (138); Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 57 ff.; im Ergebnis zustimmend auch Vogel, JZ 1996, 43 ff.; ders., NJW 1996, 1257 ff.; Jachmann, StuW 1996, 97 (105); Leisner, NJW 1995, 2591 ff.; kritisch hingegen auch Bull, NJW 1996, 281 ff.; Weber-Grellet, BB 1996, 1415 ff. 377 378
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a) Der Fiskalzweck und der haushaltsrechtliche Grundsatz der Gesamtdeckung Die Steuererhebung dient dazu, staatliche Einnahmen zu erzielen. Die Erzielung staatlicher Einnahmen ist jedoch nicht um ihrer selbst willen, sondern erst in Zusammenhang mit dem durch die Einnahmen verfolgten materiellen Ausgabezwecke gerechtfertigt. Der Fiskalzweck ist insoweit nur ein instrumenteller Zweck.381 Nach dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Gesamtdeckung, dem Prinzip der Non-Affektation, dienen alle Einnahmen der Deckung des gesamten Haushalts.382 Der Grundsatz der Gesamtdeckung schließt es daher aus, den Einnahmen aus einzelnen Steuern bestimmte Ausgaben zuzuordnen. Das Non-Affektationsprinzip führt damit dazu, dass die Verbindung zwischen der Steuererhebung auf der Einnahmenseite und den materiellen Ausgabezwecken nicht gezogen werden kann. Aus diesem Grund kann die bei der Abwägung regelmäßig einzubeziehende Bedeutung und Verwirklichung des angestrebten Zweckes, beim Fiskalzweck als Zwischenstufe zur Verwirklichung materieller Zwecke, nicht in gleicher Weise wie bei der Verfolgung materieller Zwecke ermittelt werden. Darin liegt das Problem einer Abwägung des Fiskalzwecks begründet und aus diesem Grund hält die traditionelle Lehre eine Verhältnismäßigkeitsprüfung für nicht durchführbar.383 Das Non-Affektationsprinzip dient durch die Trennung der Ausgaben- von der Einnahmenseite auch der Sicherung der Unabhängigkeit staatlicher Entscheidungen von der Finanzierung durch einzelne Bürger.384 In diesem Sinne formuliert das Bundesverfassungsgericht, dass der Staat durch diese Trennung von Ausgabenund Einnahmenseite „rechtsstaatliche Distanz und Unabhängigkeit“ von allen Steuerpflichtigen gewinnt und dadurch allen Bürgern unabhängig von ihrem finanziellen Beitrag gleich verantwortlich ist.385 Dem Prinzip der Gesamtdeckung, dem Prinzip der Non-Affektation, ist auch zumindest im Grundsatze Verfassungsrang zuzuerkennen.386 Aus diesem Grund muss ein Durchgriff auf die durch die staatliSiehe dazu Rodi, S. 144 ff. Auf einfachgesetzlicher Ebene ist das Prinzip der Gesamtdeckung in § 7 HGrG und in § 8 BHO festgeschrieben; zu den Änderungen des § 8 Satz 2 BHO durch das HaushaltsrechtsFortentwicklungsgesetz, BGBl. I 1997, 3251 siehe Mießen, in: Piduch / Dreßler, § 8 BHO, Rz. 1, 6; zum Grundsatz der Gesamtdeckung siehe Heller, Haushaltsgrundsätze, Kap. 4 Rz. 260 ff.; Nebel, in: Piduch / Dreßler, Art. 110 GG, Rz. 21; zur historischen Entwicklung vom Fondsystem zum Etatsystem siehe Strube; zu Zwecksteuern als Ausnahme des Grundsatzes der Gesamtdeckung siehe Waldhoff, StuW 2002, 285 ff. 383 Siehe dazu die Nachweise in FN 375. 384 Waldhoff, StuW 2002, 285 ff.; Fischer-Menshausen, in: v. Münch / Kunig, Art. 110 GG, Rz. 13; zum Prinzip der Gesamtdeckung siehe auch Heun, in: Dreier, Art. 110 GG, Rz 17; Kisker, HdbStR IV, § 89 Rz. 77; Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 110 GG, Rz. 43. 385 BVerfG, NJW 1993, 455. 386 Nachdem eine verfassungsrechtliche Fundierung des Non-Affektationsprinzips lange Zeit allgemein verneint wurde, siehe dazu Heun, in: Dreier, Art. 110 GG, Rz. 17; Kisker, HdbStR IV, § 89 Rz. 77; Maunz, in: Maunz / Dürig, Art. 105 GG, Rz. 10; Stern, Staatsrecht II, 381 382
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chen Einnahmen finanzierten Ausgabezwecke im Grundsatze, und das heißt zumindest bei so bedeutsamen Steuern wie der Einkommensteuer, aus verfassungsrechtlicher Sicht ausgeschlossen bleiben. Diese Schwierigkeit ist auch nicht durch den von von Arnim vorgeschlagenen Weg zu beseitigen: von Arnim versucht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch zu effektivieren, dass er einen „Durchgriff“ auf die hinter dem Fiskalzweck stehenden materiellen Ausgabezwecke zulässt.387 Dabei ordnet er nicht einzelnen Steuereinnahmen einzelne Ausgaben zu, er fordert jedoch, dass jede noch so belastende Steuer im Verhältnis zu jedem noch so unwichtigen Ausgabezweck angemessen ist. von Arnim stellt damit eine Verbindung zwischen den materiellen Ausgabezwecken und den Steuereinnahmen her. Zwar behält von Arnim mit seinem Ansatz das Non-Affektionsprinzip bei, es bleibt bei einer allgemeinen Gegenüberstellung von Einnahme- und Ausgabenseite. Allerdings weitet er die grundrechtliche Kontrolle aus, indem er nicht nur verlangt, dass jede Ausgabe, die getätigt wird, die diese tragende Steuererhebung rechtfertigt, sondern fordert, dass jede Steuererhebung jede Ausgabe rechtfertigen muss. Eine solche Ausweitung der durch die Grundrechte ermöglichten Kontrolle des Gesetzgebers ist durch das Non-Affektationsprinzip jedoch nicht gedeckt. Eine Begründung hierfür gibt auch von Arnim nicht. Gegen diese Ausweitung spricht darüber hinaus vor allem, dass damit eine Ausdehnung der gerichtlichen Kontrollbefugnisse zu Lasten des parlamentarischen Gesetzgebers einherginge. von Arnims Ansatz führte in der letzten Konsequenz zu einer grundlegenden Beschneidung des parlamentarischen Prozesses der Ausgabenbewilligung.388 von Arnim geht diesen Weg daher im Ergebnis auch selbst nicht zu Ende, sondern verneint die Geltendmachung einer Grundrechtsverletzung durch den einzelnen Steuerpflichtigen.389 Allerdings ist die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die aufgrund des Non-Affektationsprinzips bestehenden Schwierigkeiten der fehlenden konkreten Zuordnung von Einnahmen und Ausgabezwecken noch nicht vollständig ausgeschlossen. Abgewogen werden können dadurch jedoch nicht die einzelnen Ausgabezwecke mit ihrer eigenen Gewichtigkeit, sondern in der Tat nur der allgemeine Fiskalzweck bzw. die hinter diesem stehenden Ausgabezwecke in ihrer Gesamtheit. Dabei kann der „normale“, d. h. der gewöhnliche staatliche Finanzbedarf zugrunde gelegt werden. Für diesen bestehen Anhaltspunkte aus den jeweils vorangegangenen Jahren, wobei die Inflation berücksichtigt werden kann. Darüber § 50 III 7, S. 1244; siehe auch BVerfGE 7, 244 (254 f.); 9, 291 (300); wurde mittlerweile der verfassungsrechtliche Rang dieses Grundsatzes bejaht. So leitet Waldhoff diesen aus haushalts-, finanzverfassungs- und grundrechtlichen Erwägungen her; Waldhoff, StuW 2002, 285 (297 ff.); die ursprüngliche Auffassung für den Fall einschränkend, dass Zweckbindungen in unvertretbarem Ausmaße den Haushaltsgesetzgeber einengen, schon Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 383; in diesem Sinne auch BVerfGE 93, 319 (348). 387 v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), 286 (310 ff.); ders., Wirtschaftlichkeit; mit Einschränkungen zustimmend Rüfner, FS für Broermann, S. 356 f.; kritisch zu diesem Ansatz Wieland, DStJG 24 (2001), 29 (34); ders., Die Konzessionsabgaben, S. 215 f. 388 Kritisch insoweit Wieland, DStJG 24 (2001), 29 (34). 389 v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), 286 (317 f.); ders., Wirtschaftlichkeit, S. 72 ff.
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hinaus lässt sich bei der Abwägung einbeziehen, ob sich der Staatsbedarf im Rahmen des „normalen“ bewegt oder aufgrund besonderer Ursachen ein deutlich erhöhter Bedarf entstand. Dieser Ansatz an einem „normalen“ Finanzbedarf des Staates mit der Möglichkeit der Berücksichtigung spezieller Ausnahmesituationen liegt auch dem Vermögenssteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrunde.390 Dabei kommt dem Finanzbedarf bei einer durchzuführenden Abwägung mit steigender Höhe der Einnahmen, und damit auch mit steigender steuerlicher Belastung eine abnehmende Bedeutung zu. Dies ist darin begründet, dass davon ausgegangen werden kann, dass die nach der Einschätzung des Gesetzgebers vordringlichen Ausgabezwecke mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zuerst getätigt werden. Dieser Ansatzpunkt der Abwägung am „normalen“ staatlichen Finanzbedarf hat gegenüber dem Vorschlag von Arnims den Vorteil, dass er von den Gerichten nicht verlangt, die Bedeutung bestimmter Ausgaben zu gewichten, sondern dem Gesetzgeber die Ausgabenentscheidung überlässt, ihm aber gewisse Grenzen der steuerlichen Belastung insgesamt auferlegt. Im Ergebnis ist der Fiskalzweck dabei jedoch nur sehr eingeschränkt abwägungsfähig, dem Gesetzgeber muss ein großer Spielraum verbleiben. b) Das Mittel der Einkommensbesteuerung – der Belastungsgegenstand Durch die Entkoppelung von Einnahme- und Ausgabenseite durch den Grundsatz der Gesamtdeckung entsteht neben der Schwierigkeit der Festlegung eines konkreten legitimen Zwecks die komplementäre Frage auf der Einnahmenseite: der allgemeine Fiskalzweck steht einer Vielzahl von Steuern, anderen Abgaben und sonstigen Einnahmen gegenüber. Sollen Mittel und Zweck zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, stellt sich auch die Frage danach, welche Steuern und Abgaben dabei einzubeziehen sind. Diese Frage nach dem Bezugspunkt der grundrechtlichen Prüfung wurde bereits aus gleichheitsrechtlicher Perspektive gestellt: Aus gleichheitsrechtlicher Sicht konnte die Einkommensteuer als möglicher Bezugspunkt des Gleichheitssatzes durch die rechtfertigende Wirkung der finanzverfassungsrechtlichen Normen begründet werden.391 Aus freiheitsrechtlicher Sicht mag sich dies anders darstellen. Das Bundesverfassungsgericht hat bei der freiheitsrechtlichen Prüfung in seinem Vermögensteuerbeschluss nicht eine einzelne Steuer betrachtet, sondern mehrere Steuern in die Betrachtung einbezogen.392 Dieser Aspekt der Entscheidung wurde in der Literatur auch allgemein begrüßt.393 Einigkeit darüber, welche Steuern in BVerfGE 93, 121 (138), im Ergebnis ähnlich Jachmann, StuW 1996, 97 (105). Siehe dazu auf S. 110 ff. 392 BVerfGE 93, 121 (136 ff.). 393 Zustimmend Vogel, JZ 1996, 43 ff.; siehe auch Arndt / Schumacher, NJW 1995, 2603 ff.; Arndt, BB 1996, Beilage 7 zu Heft 14, S. 2 ff.; Bornheim, StuW 1998, 146 ff.; But390 391
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die – im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz erforderliche – Berechnung einzubeziehen sind, konnte jedoch bisher nicht erzielt werden: Das Bundesverfassungsgericht hatte die Gesamtsteuerbelastung auf die Ertragssteuern bezogen.394 Andere Stimmen wollen weder die indirekten Steuern noch den Solidarzuschlag berücksichtigen.395 Manche Autoren wollen demgegenüber grundsätzlich alle (staatlichen) Steuern zusammenrechnen, d. h. auch die indirekten Steuern einbeziehen.396 Bisweilen will man mit Ausnahme der Kirchensteuer überhaupt alle steuerlichen und nichtsteuerlichen Abgaben einbeziehen.397 Tipke macht jedoch eine Ausnahme für Sozialzwecknormen, im Ansatz aber auch für die Erbschaftssteuer.398 Es ist einsichtig, dass der Gesetzgeber sich seinen verfassungsrechtlichen Bindungen nicht dadurch entziehen kann, dass er statt mehrerer „großer“ Steuern eine Vielzahl, in ihrem Ausmaß unbedeutendere Steuern erhebt.399 Insoweit erscheint der Blick aus freiheitsrechtlicher Perspektive zutreffend auf die Gesamtheit der zu entrichtenden Steuern gerichtet. Eine Einbeziehung aller von einem Steuerpflichtigen zu entrichtenden Steuern ist dennoch abzulehnen. Denn entscheidend für die freiheitsrechtliche Prüfung ist der steuerliche Belastungsgegenstand: Verschiedene Steuern setzen an sehr unterschiedlichen Tatbeständen an, die Einkommensteuer belastet den Erwerb, andere Steuern, wie die Grundsteuer, den Vermögensbestand, Verbrauchs- und Aufwandsteuern belasten die Vermögensverwendung.400 Alle diese Steuern haben damit einen sehr unterschiedlichen Belastungsgegenstand. Eine freiheitsrechtliche Würdigung muss jedoch gerade diesen Belastungsgegenstand betrachten.401 Gerade auch aus der Tatsache, dass mit der Einkommensteuer das Einkommen belastet wird, das der Steuerpflichtige zur Deckung seines täglichen Bedarfs benötigt,402 folgen die für die Einkommensteuer erheblichen freiheitsrechtlichen Grenzen. Für die hier vorzunehmende freiheitsrechtliche Würdigung einbezogen werden können und müssen daher über die Einkommensteuer hinaus nur die staatlichen Steuern, die – wie die Einkommensteuer – das Einkommen treffen. zer, StuW 1999, 227 ff.; ders., Freiheitsrechtliche Grenzen, S. 88; Felix, NJW 1997, 304 ff.; Jachmann, StuW 1996, 97 ff.; dies., Steuergesetzgebung, S. 48 ff.; Krüger / Kalbfleisch / Köhler, DStR 1995, 1452 ff.; Leisner, NJW 1995, 2591 (2593); Tipke, StRO I, S. 450 f.; G. Rose, StuW 1999, 12 ff. 394 BVerfGE 93, 121 (137 ff.). 395 FG Münster, EFG 2000, 1335; siehe auch FG Köln, EFG 1998, 1289. 396 So im Grundsatz Tipke, GmbHR 1996, 8 (13); ähnlich auch Arndt, BB 1996, Beilage 7 zu Heft 14, 2 (6 f.); A. Klein, BB 1996, 1807 (1810). 397 Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen, S. 88 ff.; dazu Bornheim, StuW 1998, 146 (148); zu dieser Diskussion siehe G. Rose, StuW 1999, 12 ff. 398 Tipke, GmbHR 1996, 8 (13). 399 Deutlich insoweit Tipke, StRO I, S. 450 f. 400 Zur „Typologie der Steuerphasen“ ausführlich Kirchhof, Gutachten F für den 57. Dt. Juristentag, S. 13; ders., VVDStRL 39 (1981), 213 (243 ff.). 401 Siehe dazu bereits auf S. 139 ff. 402 Siehe dazu auf S. 142 ff.
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2. Die Schwierigkeiten der Quantifizierung: Ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit Aus den bisher erarbeiteten Abwägungspositionen, dem „normalen“ Finanzbedarf und der Belastung des Einkommens lassen sich konkrete Ergebnisse nur schwer begründen. Die Frage der Quantifizierung scheint sich weitgehend einer rationalen Argumentation zu entziehen. Rechtsprechung und Literatur haben daher – nicht nur in steuerrechtlichem Zusammenhang – auch häufig gezögert, aus der Verfassung selbst quantitative Grenzen abzuleiten. Das Bundesverfassungsgericht hat es im Allgemeinen vorgezogen, dem Gesetzgeber keine eigenen Grenzen vorzugeben, sondern diesen an seinen eigenen Wertungen festzuhalten. In diesem Sinne begann auch die Argumentation zur Steuerfreiheit des Existenzminimums: So begründete das Gericht den Zusammenhang zwischen steuerfreiem Existenzminimum und Sozialhilferecht in seiner Entscheidung zur Beschränkung des Abzugs zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen vor allem damit, dass der Gesetzgeber diese Verbindung selbst zuvor hergestellt hatte.403 Wenn das Gericht im Einzelfall dennoch selbst quantitative Grenzen gezogen hat, so handelte es sich meist um Grenzen am Rande des möglichen Spektrums, die dazu häufig „abgefedert“ wurden.404 Nur in wenigen Fällen wurden hingegen quantitative Grenzen gesetzt, die sich von den Randbereichen entfernten. Insoweit ist vor allem der Halbteilungsgrundsatz zu nennen.405 Der Grund für diese Zurückhaltung ist offenkundig: eine Quantifizierung von Grenzen bewegt sich am Rande dessen, was als Rechtsanwendung angesehen werden kann.406
a) Die Quantifizierung von Besteuerungsgrenzen als Konsequenz des grundrechtlichen Abwägungsmodells im Steuerrecht Die Anwendung von Grundrechten basiert durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in einem wichtigen Aspekt auf einer Abwägung dieser Grundrechte mit anderen Grundrechten oder kollidierenden Belangen. Dieses „Abwägungsmodell“ 403 BVerfGE 66, 214 (224 f.). Auch die vom Bundesverfassungsgericht gezogene quantitative Grenze von 33 1 / 3% für zulässige Abweichungen bei der Aufteilung von Wahlkreisen, BVerfGE 16, 130 (141); jetzt enger in BVerfGE 95, 335 (365); dazu Möstl, AöR 127 (2002), 401, beruhte auf einer vom Gesetzgeber in § 3 Abs. 3 Satz 2 BWG vorgezeichneten Grenze. 404 So hat das Gericht die Sperrklausel für Wahlen im Grundsatz bei 5% festgelegt. Auch diese Hürde hat das Gericht jedoch durch eine Bezugnahme auf landesrechtliche Regelungen gewonnen, und festgestellt, dass in besonderen Fällen auch höhere Klauseln zulässig sein können; BVerfGE 1, 208 (256 f.); 4, 31 (44); 51, 222 (237); 82, 322 (338), zurückhaltender jetzt VerfGH NW, NVwZ 1995, 579 ff.; VerfGH NW, DVBl. 1999, 1271 ff. 405 BVerfGE 93, 121 ff.; siehe dazu nur Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 57 ff.; im Ergebnis zustimmend auch Vogel, JZ 1996, 43 ff.; ders., NJW 1996, 1257 ff.; Jachmann, StuW 1996, 97 (105); Leisner, NJW 1995, 2591 ff.; kritisch hingegen Bull, NJW 1996, 281 ff.; WeberGrellet, BB 1996, 1415 ff. 406 Siehe dazu Sieckmann, Der Staat, 41 (2002), 385 ff.
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ist nicht unumstritten.407 So hält Schlink eine Abwägung methodisch für unzulässig. Eine Abwägung erfordere es, die abzuwägenden Verfassungswerte und jeweiligen Verwirklichungsintensitäten kardinal gewichten zu können. Eine solche kardinale Gewichtung sei dem Verfassungsrecht jedoch interpretatorisch nicht zu entnehmen.408 Eine ordinale Reihenfolge führe demgegenüber nach einer auf Nicolai Hartmann zurückgehenden Formulierung von Schmitt in die „Tyrannei der Werte“.409 Die Kritiker des Abwägungsmodells sehen in Abwägungen primär subjektive Dezisionen und bewerten die daraus folgende zunehmende Entscheidungsbefugnis der Gerichte kritisch.410 Es ist hier nicht der Ort, die Zulässigkeit der durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verursachten Abwägung grundsätzlich in Frage zu stellen. Das Abwägungsmodell hat sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und weiten Teilen der Literatur allgemein durchgesetzt.411 Es soll deshalb auch an dieser Stelle zugrunde gelegt werden: Abwägungen stellen danach keine rein subjektiven Vorgänge dar und können als Rechtsanwendung angesehen werden.412 Die Schwierigkeiten einer zu starken Machtbefugnis der Richter lassen sich dabei zumindest dadurch begrenzen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht positiv in dem Sinne formuliert wird, dass eine Angemessenheit der Mittel gefordert wird, sondern die Prüfung darauf beschränkt wird, zu fragen, ob das gewählte Mittel außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck steht.413 Hält man Abwägungen auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich für zulässig und notwendig, dann muss dies auch für die Frage der Begrenzung der Besteuerung durch Freiheitsrechte gelten.414 Ein qualitativer Unterschied von Abwägungsentscheidungen in anderen Fällen zu dem hier vorliegenden Fall besteht nicht. Dass dies eine Quantifizierung erfordert, macht die Schwierigkeiten der Abwägung nur offenkundiger, ohne sie jedoch grundsätzlich zu än407 Kritisch insoweit Schlink, S. 127 ff.; Böckenförde, S. 159 (189 f.); Leisner, Der Abwägungsstaat; ders., NJW 1997, 636. 408 Schlink, S. 127 ff., 134. 409 Schlink, S. 127 ff., 134; siehe auch Schmitt, S. 28 ff. 410 Deutlich insoweit Leisner, NJW 1997, 636 ff.; ders., Der Abwägungsstaat, S. 114 ff. 411 Zur Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe Grabitz, AöR 98 (1973), 568 ff.; Har. Schneider; aus der Literatur siehe stellvertretend für viele Dechsling; Häberle; Lerche, Übermaß; ders., HdbStR V, § 122; Hans Schneider, FS für das BVerfG, S. 390 ff.; siehe auch das weitergehende Verständnis der Grundrechte als Optimierungsgebote, dazu Alexy, Theorie der Grundrechte. 412 So für Quantifizierungen im Steuerrecht ausdrücklich Sieckmann, Der Staat 41 (2002), 385 ff. 413 So auch Lerche in seinen Bemerkungen zur Wiederauflage seiner Habilitationsschrift, Übermaß, S. VIII. 414 Quantifizierend BVerfGE 93, 121 ff.; einer Quantifizierung grundsätzlich zustimmend Sieckmann, Der Staat 41 (2002), 385 ff.; Vogel, NJW 1996, 1257 ff.; Vogel / Waldhoff, in: BK, Vorb. zu Art. 104a bis 115 GG, Rz. 546; siehe auch Draschka, S. 179 ff.; Kirchhof, Symposion für Vogel, S. 27 (45); Leisner, HdbStR VI, § 150, Rz. 27; Loritz, DStR 1995, Beihefter zu Heft 8, 1 ff.
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dern. Geht man davon aus, dass eine vollständige Besteuerung, d. h. ein Steuersatz von 100 % auf das über das Existenzminimum hinausgehende disponible Einkommen aus grundrechtlicher Sicht nicht zulässig ist, – was auch der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Grundfreibetragsentscheidung entspricht, wenn das Gericht formuliert, dass „von den das Existenzminimum übersteigenden Einkommensteilen den Steuerpflichtigen jeweils angemessene Beträge verbleiben“ müssen,415 – so ist eine quantitative Festlegung notwendig. An irgendeiner Stelle ist die Grenze zu ziehen, die Frage ist nur an welcher. Die Grenze einer übermäßigen Besteuerung muss in jedem Fall quantifiziert werden. Im Ergebnis entspricht dies auch der – bereits lange vor dem Vermögenssteuerbeschluss – anerkannten Rechtsprechung, dass eine übermäßige Besteuerung unzulässig ist.416 Und auch die Forderung nach der Steuerfreiheit des Existenzminimums kann im Übrigen als Quantifizierung – auf Null – betrachtet werden, wobei eine Quantifizierung von Besteuerungsgrenzen in den Bereichen des disponiblen Einkommens dem Gesetzgeber offenkundig deutlich mehr Spielraum lässt, als die (auf das Existenzminimum bezogene) Forderung nach völliger Steuerfreiheit. Dennoch ist die Forderung nach der Steuerfreiheit des Existenzminimums unbestritten. Eine Quantifizierung kann aber in jedem Fall nur äußerste Besteuerungsgrenzen markieren.
b) Die Gefahren einer fehlenden Quantifizierung Eine Quantifizierung verfassungsrechtlicher Besteuerungsgrenzen ist nicht nur zulässig und auch notwendig, weil sie den Wertungen der Verfassung entspricht. Sie ist auch erforderlich, weil mit der Verweigerung einer Quantifizierung andere Gefahren verbunden sein können: Der Verzicht auf eine Quantifizierung bedeutet ein Fehlen verfassungsrechtlicher Maßstäbe. Damit entsteht die Versuchung, dieses Defizit durch andere Argumentationsansätze zu kompensieren. Nach hier vertretener Auffassung lassen sich in vorliegendem Zusammenhang zumindest Anhaltspunkte für solche Ansätze aufzeigen. (1) Die gleichheitsrechtliche Forderung, das familiäre Existenzminimum als Abzug von der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen Ein solcher Argumentationsansatz mag in der allgemein anerkannten gleichheitsrechtlichen Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, dass das familiäre Existenzminimum vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden muss, gesehen werden.417 Die Forderung, dass Unterhaltsverpflichtungen vorab berückBVerfGE 87, 153 (170); siehe deutlich auch Kirchhof, Symposion für Vogel, S. 27 (45). So schon BVerfGE 14, 221 (241); ebenso u. a. 19, 119 (128); 19, 253 (267 f.); 23, 288 (314 f.); 27, 111 (131); 63, 343 (368); siehe dazu aus der Literatur stellvertretend für viele Friauf, StbJb 1971 / 72, 425 (430 ff.); Selmer, Steuerinterventionismus, S. 295 ff. 417 Dazu auf S. 80 ff. sowie auf S. 118 ff. 415 416
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
sichtigt werden müssen, beruht sicherlich zuerst auf dem Gedanken einer (gleichheitsrechtlich verstandenen) leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung: Steuerpflichtige mit Unterhaltslasten sollen gerade wegen dieser Unterhaltslasten weniger Steuern zahlen als Steuerpflichtige ohne solche Belastungen. Möglicherweise ist diese Forderung nach einem Abzug von der Bemessungsgrundlage jedoch zusätzlich auch dadurch motiviert, dass eine allein auf die materielle Steuerfreiheit des Existenzminimums bezogene Argumentation – wenn man keine freiheitsrechtlichen Grenzen für die Besteuerung des disponiblen Einkommens anerkennt – zu einer übermäßigen Besteuerung disponibler Einkommensteile führen könnte: Auf der Grundlage einer freiheitsrechtlichen Argumentation lassen sich keine über die materielle Steuerfreiheit hinausgehenden Folgerungen hinsichtlich der steuertechnischen Ausgestaltung ziehen.418 So kann insbesondere nicht gefordert werden, dass das Existenzminimum vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden muss. Diese fehlende Konsequenz auf der steuertechnischen Ebene führt, in Zusammenhang mit den fehlenden freiheitsrechtlichen Maßstäben für die Besteuerung des disponiblen Einkommens dazu, dass dem Steuerpflichtigen unter Umständen eine Besteuerung in einer Höhe droht, die im Sinne einer „Nachher-Theorie“ dem Steuerpflichtigen und seiner Familie das steuerfreie Existenzminimum nur im Ergebnis belässt und das disponible Einkommen vollständig „wegbesteuert“. Solange nach Steuern das (familiäre) Existenzminimum (oder nur wenig mehr) im Ergebnis verbleibt, ließe sich ein Verstoß gegen die Forderung eines steuerfreien Existenzminimums nicht feststellen.419 Diese Gefahr erscheint dabei – wenn Unterhaltsverpflichtungen nicht vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden können – umso größer, je mehr Unterhaltsberechtigte der Steuerpflichtige zu versorgen hat. Sie erscheint in der Tat auch einer der Gründe der Befürworter einer „Vorweg“-Theorie zu sein.420 Die gleichheitsrechtliche Argumentation führt nun dazu, diese Gefahr zumindest im Hinblick auf das familiäre Existenzminimum zu bannen: mit der gleichheitsrechtlichen Argumentation wird erreicht, dass das Existenzminimum vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird. Auf diese Weise ist einerseits seine Steuerfreiheit gesichert, andererseits reduziert sich jedoch auch die Grundlage für die Berechnung des geschuldeten Steuerbetrags. Die Gefahr einer vollständigen „Wegbesteuerung“ des disponiblen Einkommens wird damit vermieden. Aus diesem Grunde erscheint es zumindest denkbar, eine über den Gedanken einer (gleichheitsrechtlich verstandenen) leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung hinausgehende Ursache für die gewählte gleichheitsrechtliche Argumentation darin zu sehen, dass sie das disponible Einkommen des Steuerpflichtigen vor einer übermäßigen Besteuerung sichert. Wenn klare Grenzen der Besteuerung auch des disponiblen Einkommens Siehe dazu auf S. 97 ff. In diesem Sinne tatsächlich FG Köln, DStZ 1989, 126; der Entscheidung zustimmend Tipke, FR 90, 349 f. 420 Siehe dazu Felix, in: StRK, Allg.R. 87, S. 1 ff.; siehe auch Söhn, FA 51 (1993), 372 (392). 418 419
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anerkannt werden, ist eine solche Argumentation nicht mehr in gleichem Maße erforderlich. (2) Die Gefahr der Überdehnung des Existenzminimums Auch das sehr weite Verständnis des Existenzminimums kann im Zusammenhang mit den fehlenden Maßstäben für die Besteuerung des disponiblen Einkommens gesehen werden. Während nach allgemeiner Auffassung das Existenzminimum überhaupt nicht besteuert werden darf, sind die Grenzen der Besteuerung des disponiblen Einkommens bisher kaum ausgeprägt. Im Ergebnis konnte ein Einkommensteil daher als indisponibles Einkommen entweder überhaupt nicht besteuert werden, oder unterlag als disponibles Einkommen faktisch keinen Besteuerungsgrenzen. Mittlerweile wird der Begriff des Existenzminimums jedoch sehr weit verstanden: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterfällt diesem auch der Betreuungs- und der Erziehungsbedarf von Kindern.421 Bei diesem weiten Verständnis lässt sich zumindest die Frage stellen, ob das Gericht damit nicht über das hinausgegangen ist, was wirklich indisponibel ist422 und ob die Ursachen dafür nicht zumindest auch darin zu sehen sind, dass die Grenzen der Besteuerung disponiblen Einkommens bisher nicht hinreichend herausgearbeitet wurden.
3. Konsequenzen für die Einkommensbesteuerung: Die Progression als Ausdruck freiheitsrechtlicher Grenzen Im Ergebnis muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit daher prinzipiell auch im Einkommensteuerrecht Anwendung finden. Da der zur Sicherung des Existenzminimums erforderliche Betrag durch die – unantastbare – Menschenwürdegarantie geschützt ist,423 kann insoweit eine Besteuerung in keinem Fall zulässig sein. Die darüber hinausgehenden Einkommensteile sind demgegenüber nur in schwächerem Maße durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die liberalen Freiheitsrechte geschützt.424 Da diese einschränkbar sind, kommt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Tragen. Insoweit muss gefragt werden, ob der steuerliche Eingriff zur Erreichung des Fiskalzwecks geeignet und erforderlich ist425 und ob die jeweilige steuerliche Belastung angesichts der Funktion einzelner Einkommensteile nicht unverhältnismäßig ist.426 Im Ergebnis erscheint die Geeignetheit BVerfGE 99, 216 ff. In diesem Sinne kritisch H.-P. Schneider, NJW 1999, 1303; kritisch auch Ahmann, NJW 2002, 633 (634); Heuermann, DStR 2000, 1546 (1550); Sacksofsky, NJW 2000, 1896 ff.; Seer / V. Wendt, NJW 2000, 1904 (1908 f.); Tiedchen, BB 1999, 1681 (1684 f.). 423 Siehe dazu auf S. 142 ff. 424 Siehe dazu auf S. 143 ff. und S. 131 ff. 425 Siehe dazu sogleich auf S. 162 ff. 426 Dazu sogleich auf S. 164 ff. 421 422
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des steuerlichen Zugriffs spätestens zweifelhaft, sobald sich die Besteuerung bestimmter Einkommensteile einer Besteuerung von 100% annähert.427 Das Kriterium der Erforderlichkeit führt im Allgemeinen dazu, dass regressive Tarifverläufe ausgeschlossen sind.428 Die Angemessenheit auf dritter Stufe zeigt – soweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht Wirkung entfalten kann – nach der Funktion der Einkommensteile differenzierende und damit progressive Höchstgrenzen.429
a) Die Geeignetheit und Erforderlichkeit des Besteuerungszugriffs Auf der ersten Stufe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes steht die Geeignetheit des vom Gesetzgeber gewählten Mittels zur Erreichung des angestrebten Zieles in Frage. Danach ist zu fragen, ob mit dem gewählten Mittel der Erfolg gefördert werden kann.430 Zum Teil formuliert das Bundesverfassungsgerichts auch in einem negativen Sinne, ob eine Maßnahme „völlig ungeeignet“ zur Erreichung des angestrebten Zwecks sei.431 Nur in seltenen Fällen wird eine Maßnahme als völlig ungeeignet angesehen werden können.432 Neben den geringen Anforderungen an das Maß der Zielerreichung beruht dies auch darauf, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen Prognosespielraum einräumt.433 Stellt das Kriterium der Geeignetheit im Allgemeinen keine hohe Schranke dar, so gilt Gleiches auch im Rahmen der Besteuerung. So ist die Erhebung der Einkommensteuer zur Erzielung von staatlichen Einnahmen grundsätzlich geeignet. Allerdings erscheint es denkbar, in Grenzfällen, zumindest bei einer Besteuerung von 100 %, möglicherweise auch schon bei einer etwas geringeren Belastung bereits die Geeignetheit der Steuererhebung in Frage zu stellen: Eine Besteuerung von 100 % beseitigt den Anreiz zu arbeiten oder Kapital zu investieren. Eine solche Besteuerungshöhe kann daher dazu führen, dass Einkünfte überhaupt nicht mehr entstehen und eine Einkommensteuer in dieser Höhe damit keinen Ertrag erbringt. Daher muss bei einer Besteuerung von (annähernd) 100 % bereits die Geeignetheit der Steuererhebung zur Erreichung des Fiskalzwecks zweifelhaft erscheinen. Der Prüfungspunkt der Erforderlichkeit fragt danach, ob es ein anderes Mittel gibt, das den Zweck der Maßnahme in gleicher Weise erreicht, aber für den Bürger weniger belastend ist. Damit muss ein Vergleich aller denkbaren Mittel vorgenommen werden. Weisen die unterschiedlichen Mittel eine verschieden starke Belastungsintensität auf, so kann es im Grundsatze nur ein erforderliches Mittel ge427 Zur ökonomischen Diskussion um die Laffer-Kurve vgl. Stiglitz, S. 140 f.; zur Geeignetheitsprüfung siehe sogleich unter Pkt. a). 428 Siehe dazu sogleich unter Pkt. a). 429 Dazu sogleich auf S. 164 ff. 430 Siehe u. a. BVerfGE 30, 292 (316); 33, 171 (187); 39, 210 (230); 40, 196 (222). 431 So u. a. BVerfGE 13, 97 (113); 16, 147 (181); 29, 402 (410 f.). 432 So auch Hirschberg, S. 50 ff. 433 So deutlich BVerfGE 39, 210 (230).
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ben.434 Anders als das Kriterium der Geeignetheit erscheint das Kriterium der Erforderlichkeit daher als ein schärferes Schwert. Dieses wird allerdings auch an dieser Stelle durch die Anerkennung eines gesetzgeberischen Prognosespielraums gemildert.435 Die Frage der Belastungsintensität der Steuerpflichtigen bemisst sich nach den beschriebenen Funktionen der einzelnen Einkommensteile. Die Belastung von Einkommensteilen, die eine für den Steuerpflichtigen wichtigere Funktion erfüllen, ist belastender als die Besteuerung solcher Einkommensteile, denen eine weniger bedeutsame Funktion zukommt. Berücksichtigte man dabei allein die Funktion bestimmter Einkommensteile für die Steuerpflichtigen, so ließe sich argumentieren, dass eine Besteuerung von notwendigeren Einkommensteilen nicht erforderlich sei, wenn dem Steuerpflichtigen noch Einkommensteile verbleiben, die für die Entfaltung der Persönlichkeit weniger relevant sind. Diese Argumentation müsste dazu führen, dass bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe überhaupt nicht besteuert werden dürfte, alle über dieser Grenze liegenden Einkommensteile hingegen vollständig der Steuer anheim fielen.436 Ein solches Ergebnis kann jedoch nicht überzeugen, denn diese Argumentation lässt die liberalen freiheitsrechtlichen Grenzen unberücksichtigt: die bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen überlagern und verstärken die liberalen freiheitsrechtlichen Grenzen, sie verdrängen sie jedoch nicht.437 Diese liberalen Grenzen stehen einer vollständigen Wegbesteuerung entgegen, denn eine solche stellt – angesichts einer ansonsten völligen Beseitigung liberaler Rechte – kein milderes Mittel dar.438 Die Höherbesteuerung „unwichtigerer Einkommensteile“ stellt aus diesem Grund kein unbegrenzt milderes Mittel dar. Allerdings wird eine Grenze zumindest in dem Fall erreicht, d. h. ist ein weniger belastendes Mittel gegeben, wenn Einkommensteile, die bei bedarfsorientierter Betrachtung wenig bedeutsam sind, dennoch prozentual weniger stark belastet werden als andere Einkommensteile mit wichtigeren Funktionen. Aus diesem Grunde muss ein regressiver Tarifverlauf, d. h. ein Tarifverlauf, der im Gegensatz zu einem progressiven Verlauf mit steigendem Einkommen nicht ansteigt, sondern abnimmt, im Grundsatze als dem Verhältnismäßigkeitsprinzip widersprechend, da nicht erforderlich angesehen werden. Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn sich darlegen ließe, dass eine regressive Besteuerung zu deutlich höheren Finanzeinnahmen führte.
Hirschberg, S. 58. So z. B. BVerfGE 30, 292 (319); ebenso Hirschberg, S. 62 f.; daher lässt sich im Hinblick auf unterschiedliche Steuern kaum argumentieren, die Erhebung einer anderen Steuer sei weniger belastend, die erhobene Steuer daher nicht erforderlich. Insoweit ist dem Gesetzgeber ein weitgehender Gestaltungsspielraum gegeben. 436 Ritschl, S. 188 ff. 437 Siehe dazu schon auf S. 128 ff. 438 Im Ergebnis dann auch ähnlich Ritschl, S. 188 ff. 434 435
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b) Die angemessene progressive Besteuerung Jeder Eingriff, auch der Besteuerungszugriff, muss angemessen sein. Dabei wird zum Teil in einer positiven Beschreibung formuliert, das Mittel müsse in einem angemessenen Verhältnis zu dem zu erreichenden Zweck stehen. Um das dezisionistische Element jedoch gering zu halten, ist eine negative Umschreibung dahingehend, dass das Mittel nicht außer Verhältnis zum zu erreichenden Zweck stehen darf, vorzuziehen.439 Im Ergebnis sind damit das Mittel und der zu erreichende Zweck abzuwägen. Dabei ist einerseits der „gewöhnliche“ Finanzbedarf des Staates zu berücksichtigen.440 Auf der anderen Seite ist die Beeinträchtigung durch die Besteuerung des Einkommens zu beachten,441 wobei im Sinne des hier vorgestellten bedarfsorientierten Ansatzes die jeweilige Funktion eines bestimmten Einkommensteiles für den Steuerpflichtigen Bedeutung erlangt. Dabei ergibt sich, dass der Einkommensbesteuerung des disponiblen Einkommens in den Bereichen größere Schranken gesetzt sind, in denen das Einkommen, weil es nach den konkreten allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen bei typisierender Betrachtung der Entfaltung der Persönlichkeit dient, durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt ist. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass dabei innerhalb dieses durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Bereiches dem Gesetzgeber in den Bereichen des Einkommens größere Schranken gezogen sind, die näher an die Einkommensteile heranreichen, die zur Sicherung des Existenzminimums verwendet werden. Die bedarfsgerechten, freiheitsrechtlichen Besteuerungsgrenzen verlaufen damit von dem durch die Menschenwürdegarantie geschützten, indisponiblen Einkommen zu den der Persönlichkeitsentfaltung dienenden, durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Einkommensteilen progressiv. Dem entspricht es, wenn das Bundesverfassungsgericht – wenn auch in gleichheitsrechtlichem Zusammenhang – bei Beziehern hoher Einkommen von einem Lebensbereich spricht, „in dem eine Beschränkung eher zulässig erscheint“.442 Soweit jedoch Einkommensteile erreicht werden, in denen die bedarfsorientierten Grenzen der Besteuerung keine Bedeutung mehr entfalten können, gewähren allein die liberalen freiheitsrechtlichen Grenzen Schutz. Die Grundlage einer progressiven Belastung (von dem höchsten proportionalen Steuersatz aus betrachtet: einer degressiven Entlastung), die allein in den bedarfsorientierten Grenzen, in der Staffelung nach dem Bedarf liegt, entfällt damit. In diesen Bereichen sollte die Besteuerung daher proportional ausgestaltet sein. Damit ist die Grundstruktur der freiheitsrechtlichen Grenzen der Einkommensbesteuerung offen gelegt: die Steuerfreiheit des Existenzminimums und der pro439 Siehe auch Lerche in seinen Bemerkungen zur Wiederauflage seiner Habilitationsschrift, Übermaß, S. VIII. 440 Dazu ausführlich auf S. 153 ff. 441 Dazu auf S. 155 ff. 442 BVerfGE 43, 108 (125).
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gressiv ansteigende Tarif sind Ausdruck der bedarfsorientierten Grenzen des originär freiheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzips, darüber hinaus entspricht eine proportionale Besteuerung der darüber hinausgehenden Einkommensteilen den Vorgaben der liberalen Besteuerungsgrenzen. Über die konkrete Höhe der daraus ableitbaren Besteuerungsgrenzen wird sich intensiv streiten lassen. Angesichts der Schwierigkeiten, die sich durch das Non-Affektationsprinzip ergeben,443 können diese nach hier vertretener Auffassung nur als äußerste Grenzen verstanden werden. In dieser Untersuchung wird daher vorgeschlagen, eine Besteuerung im Allgemeinen als außer Verhältnis zu dem Fiskalzweck stehend anzusehen, wenn Einkommensteile, die das Existenzminimum nur wenig übersteigen, mit mehr als 25 % belastet werden. Es wird weiterhin vorgeschlagen, eine Besteuerung als unverhältnismäßig anzusehen, welche Einkommensteile, die sich stärker vom Existenzminimum entfernen, aber bei den gegebenen Lebensverhältnissen im Durchschnitt der Bevölkerung noch für Ausgaben verwendet werden, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen, mit einer über 50 % hinausgehenden Steuer belastet werden. Liberale Besteuerungsgrenzen können demgegenüber nur einen geringeren Schutzstandard gewährleisten. Anders als vom Bundesverfassungsgericht in seinem Vermögensteuerbeschluss und den dem Gericht folgenden Autoren in der Literatur,444 wird die Besteuerungsgrenze hier nicht bei 50 %, sondern – sofern kein außergewöhnlicher Finanzbedarf besteht – erst bei ca. 80 % gezogen. Der Halbteilungsgrundsatz, der die Grenze der steuerlichen Belastung445 „in der Nähe einer hälftigen Teilung“ sieht,446 kann demgegenüber im Ergebnis nicht überzeugen. Bereits die Ausführungen zum Eigentumsgrundrecht haben gezeigt, 443 Siehe dazu auf S. 152 ff. Die Schwierigkeiten der Quantifizierung beziehen sich dabei vor allem auf die Frage nach der Höhe der zulässigen Besteuerung, zum anderen aber auch auf die Frage, bis zu welchen Einkommensbereichen diese Grenzen wirken. 444 BVerfGE 93, 121 (138); Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 57 ff.; siehe schon ders., StbJb 1994 / 1995, 5 ff.; im Ergebnis zustimmend auch Vogel, JZ 1996, 43 ff.; ders., NJW 1996, 1257 ff.; Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen, S. 77 ff.; ders., StuW 1999, 227 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 56; dies., StuW 1996, 97 (105); Leisner, NJW 1995, 2591 ff.; siehe auch J. Lang, FS für Vogel, S. 173 (181 ff.); eine 50%-Grenze befürwortend bereits früher Draschka, S. 179 ff. 445 Zu den Schwierigkeiten der Bestimmung der dabei einzubeziehenden Steuern siehe bereits auf S. 155 ff. 446 BVerfGE 93, 121 ff.; Kirchhof, Verfassungsstaat, S. 57 ff.; siehe schon ders., StbJb 1994 / 1995, 5 ff.; im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung zustimmend Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen, S. 77 ff.; ders., StuW 1999, 227 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 56; dies., StuW 1996, 97 (105); den Halbteilungsgrundsatz aus dem Subsidiaritätsprinzip und dem Übermaßverbot ableitend J. Lang, FS für Vogel, S. 173 (181 ff.); kritisch zum Halbteilungsgrundsatz schon das Sondervotum von Böckenförde, BVerfGE 93, 149 ff.; kritisch auch Bull, NJW 1996, 281 ff.; Weber-Grellet, BB 1996, 1415 ff.; kritisch in dieser Hinsicht auch Arndt / Schumacher, NJW 1995, 2603 (2604); kritisch auch BFHE 186, 394; 189, 413; BFH / NV 1998, 746; FG Münster, EFG 1998, 1656; 2000, 130; 2000, 1335; 2000, 1337.
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dass Art. 14 GG nicht in jedem Fall Schutz gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten gewährt.447 Damit ist dem Halbteilungsgrundsatz bereits insoweit der Boden entzogen, als er durch eine Auslegung von Art. 14 Abs. 2 GG gewonnen wird.448 Aber auch, wenn man diese Besteuerungsgrenze durch andere grundgesetzliche Normen herleiten möchte,449 kommt der so gezogenen Grenze nur wenig Überzeugungskraft zu. Dabei liegt der zentrale Kritikpunkt gegenüber dem Halbteilungsgrundsatz, obwohl in dieser Untersuchung im Hinblick auf liberale Grenzen eine deutlich zurückhaltendere Grenzziehung befürwortet wird, nach hier vertretener Auffassung nicht zuvörderst darin, dass die Grenze einer hälftigen Teilung den Gesetzgeber in seiner wirtschaftspolitischen Gestaltungsfreiheit zu stark einengt.450 Wie weit der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers geht, ist eine Frage der Auslegung verschiedener Normen des Grundgesetzes. Liest man Art. 14 GG so, dass er nur eine Besteuerung in Höhe von maximal 50 % erlaubt, so ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers dadurch begrenzt. Jeder Grenzziehung, jeder Quantifizierung, ist ein sehr großer dezisionistischer Anteil eigen.451 Über jede quantitative Grenzziehung kann im Einzelnen gestritten werden. Im Falle der 50% Grenze mag der Streit zwar sehr berechtigt erscheinen, eine Quantifizierung ist jedoch notwendig und eine Grenze der hälftigen Teilung kann vertretbar erscheinen. Der zentrale Einwand gegen die Grenze einer hälftigen Teilung liegt hingegen darin, dass sie zu undifferenziert ist, weil sie die unterschiedliche Bedeutung einzelner Einkommensteile für den Steuerpflichtigen, die bedarfsorientierten Grenzen, nicht hinreichend berücksichtigt. V. Konsequenzen des freiheitsrechtlichen Begründungsansatzes steuerlicher Belastungsgrenzen Im Verlauf der bisherigen Untersuchung wurde die Bedeutung der Freiheitsrechte für die Begrenzung der Besteuerungsgewalt betont, insbesondere das Leistungsfähigkeitsprinzip als freiheitsrechtliches und nicht als gleichheitsrechtliches Besteuerungsprinzip verstanden. Aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip als freiheitsrechtliche Besteuerungsgrenze ergeben sich jedoch zum Teil andere Konsequenzen als sie bei einer gleichheitsrechtlichen Argumentationsbasis gezogen werden könnten. Siehe dazu ausführlich auf S. 131 ff. Aber selbst wenn man Art. 14 GG als Grenze der Besteuerung heranziehen wollte, so kann eine Auslegung im Sinne von „zu gleichen Teilen“ dem Wort „zugleich“ nicht entnommen werden; kritisch insoweit auch Bull, NJW 1996, 281 (282); Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen, S. 76; Weber-Grellet, BB 1996, 1415 ff. 449 Dazu Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen, S. 77 ff.; ders., StuW 1999, 227 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 56; dies., StuW 1996, 97 (105); J. Lang, FS für Vogel, S. 173 (181 ff.). 450 Siehe dazu das Sondervotum von Böckenförde, BVerfGE 93, 149 ff.; siehe auch die Kritik von Bull, NJW 1996, 281 ff.; Weber-Grellet, BB 1996, 1415 ff. 451 Siehe dazu auf S. 157 ff. 447 448
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1. Freiheitsrechtliche Grenzen als maximale Besteuerungsgrenzen Die aufgezeigten freiheitsrechtlichen Grenzen deuten – wie dargestellt – auf eine ausgehend von der Steuerfreiheit des Existenzminimums progressive Belastung bestimmter Einkommensteile hin, die ab einem bestimmten Punkt, sobald eine bedarfsorientierte Sichtweise keine Grenzen mehr errichtet, proportional ausläuft.452 Beruhte ein solches Ergebnis – eine progressive Tarifgestaltung – auf einer gleichheitsrechtlichen Argumentationsbasis, so könnte die gefundene Ausgestaltung (vorbehaltlich möglicher gerechtfertigter Abweichungen) als verfassungsrechtlich zwingend erscheinen, denn der allgemeine Gleichheitssatz stellt, sobald das Vergleichskriterium festgestellt ist, klare Anforderungen an den Gesetzgeber.453 Bei einer freiheitsrechtlichen Argumentation hingegen stellt sich die Situation anders da: freiheitsrechtliche Besteuerungsgrenzen können in jedem Fall nur Höchstgrenzen einer zulässigen Besteuerung darstellen. Als Höchstgrenzen können diese selbstverständlich – und aus freiheitsrechtlicher Perspektive sollten diese auch – unterschritten werden. Im Ergebnis stellen freiheitsrechtliche bedarfsorientierte Grenzen daher in einem engen Bereich progressive Grenzen auf. Unterhalb dieser Höchstgrenzen ist jedoch in jedem Falle auch eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende, proportionale Tarifgestaltung zulässig.454
2. Freiheitsrechtliche Grenzen als ergebnisbezogene Grenzen – Konsequenzen für die Berücksichtigung des Existenzminimums Da das Leistungsfähigkeitsprinzip nach hier vertretener Auffassung nur freiheits- nicht aber gleichheitsrechtlich begründet werden kann, können sich die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Einkommensteuer nicht auf die steuertechnische Ausgestaltung beziehen. Wie dargestellt, können aus Freiheitsrechten keine Vorgaben für die steuertechnische Gestaltung gezogen werden, da diese als solche keine freiheitsrechtlich relevanten Auswirkungen haben.455 Aus freiheitsrechtlicher Perspektive kann und muss gefordert werden, dass auf den existenznotwendigen Bedarf im Ergebnis keine Steuer entfällt und die das Existenzminimum übersteigenden Beträge im Ergebnis nicht stärker belastet werden als dies nach dem freiheitsrechtlich verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzip zulässig ist.456 Dies entspricht im Ergebnis auch der Grundfreibetragsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts: in dieser hatte das Gericht die Notwendigkeit eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage abgelehnt, da die gleichheitsrechtliche Argumentation im Siehe dazu S. 161 ff. Siehe dazu bereits auf S. 106 ff., zu den Schwierigkeiten des Nutzenkriteriums siehe S. 57 ff., zu der damit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragestellung siehe S. 116 ff. 454 Zur gleichheitsrechtlichen Situation siehe S. 106 ff. 455 Siehe dazu S. 97 ff. 456 Dazu ausführlich S. 141 ff. 452 453
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
Falle des existenznotwendigen Bedarfs des Steuerpflichtigen selbst nicht überzeugen konnte.457 Andererseits hat es das Gericht jedoch nicht als ausreichend angesehen, dass dem Steuerpflichtigen das Existenzminimum nur im Ergebnis verbleibt, sondern – entsprechend dem hier vorgetragenen Verständnis – gefordert, dass dem Steuerpflichtigen im Hinblick auf das Einkommen, das den existenznotwendigen Bedarf übersteigt, „angemessene Beträge“ verbleiben.458 Zur Veranschaulichung der Anforderungen des freiheitsrechtlichen Ansatzes dazu ein – sehr einfach gehaltenes – fiktives Beispiel: Der ledige, kinderlose (unbeschränkt) Steuerpflichtige S hat ein Jahreseinkommen in Höhe von 12.500 A. Für seinen existenznotwendigen Bedarf muss S jährlich 7500 A aufwenden. Als Betrag, der das Existenzminimum nur wenig übersteigt (und damit nach hier vorgeschlagener Grenze mit max. 25% belastet werden kann), werden weitere 5000 A anerkannt.
Geht man – wie in dieser Untersuchung vorgeschlagen – davon aus, dass der existenznotwendige Bedarf überhaupt nicht besteuert werden darf, Einkommensteile, die das Existenzminimum gerade übersteigen, nur mit maximal 25 %, so ergibt sich aus freiheitsrechtlicher Perspektive in jedem Fall eine maximal zulässige Steuerbelastung des S in Höhe von 1250 A (0 % von 7500 A plus 25 % von 5.000 A). Wenn sich der Gesetzgeber daher dafür entscheiden sollte, das objektive Markteinkommen proportional mit 30 % zu besteuern, und damit S eine Steuerlast in Höhe von 3750 A aufbürdete, könnte S aus freiheitsrechtlicher Perspektive eine Entlastung in Höhe von (im Ergebnis) mindestens 2500 A fordern, aus gleichheitsrechtlicher Sicht könnte S hingegen keine Einwände erheben. Zieht man die Grenze, die das freiheitsrechtlich verstandene Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung von Einkommensteilen, die typischerweise für die Entfaltung der Persönlichkeit verwendet werden, allgemein oder im Hinblick auf bestimmte Einkommensteile enger, so reduziert sich die maximal zulässige Belastung nach Maßgabe der Grenze weiter. Auf welche steuertechnische Art und Weise die Reduktion der Steuerlast erreicht wird, ob durch Abzug von der Bemessungsgrundlage oder als Abzug von der Steuerschuld oder auf andere Art, kann aus freiheitsrechtlicher Perspektive hingegen nicht vorgegeben werden. Die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger mit einem höheren Jahreseinkommen aus freiheitsrechtlicher Sicht keine Reduktion fordern könnte, zeigt, dass steuertechnisch auch eine Freigrenze bzw. ein Auslaufen von Freibeträgen den freiheitsrechtlichen Vorgaben gerecht werden kann.
3. Konsequenzen für die Berücksichtigung des familiären Existenzminimums Die dargestellten freiheitsrechtlichen bedarfsorientierten Besteuerungsgrenzen gelten wegen Art. 6 Abs. 1 GG auch für die Familie des Steuerpflichtigen. Damit 457 458
BVerfGE 87, 153 ff.; siehe auch S. 82 ff. Diese übersieht Felix, StRK, EStG 1975, Allg.R. 87, S. 1 ff.
C. (Originär) freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip!
169
ist zum einen – in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und weiten Teilen der Literatur459 – auch das Existenzminimum der Unterhaltsberechtigten im Ergebnis steuerfrei zu belassen. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können – wegen der freiheitsrechtlichen Begründung – allerdings keine Konsequenzen im Hinblick auf eine bestimmte Art und Weise der Berücksichtigung gezogen werden.460 Zum anderen sind jedoch auch die in dieser Untersuchung aufgezeigten, darüber hinausgehenden freiheitsrechtlichen bedarfsorientierten Besteuerungsgrenzen im Hinblick auf die Familie des Steuerpflichtigen einzuhalten. Zur Verdeutlichung ein wiederum sehr einfach gehaltenes fiktives Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat ein Jahreseinkommen von 19.000 A. S hat ein unterhaltsberechtigtes Kind. Für seinen existenznotwendigen Bedarf muss S jährlich 7500 A aufwenden, der existenznotwendige Bedarf des Kindes liegt bei 4000 A. Als Betrag, der das Existenzminimum gerade übersteigt, werden wiederum weitere 5000 A anerkannt.
Bei diesen Annahmen muss das Einkommen in Höhe von 11500 A, d. h. das Existenzminimum des Steuerpflichtigen selbst, zuzüglich des Existenzminimums des Kindes, im Ergebnis steuerfrei gestellt werden. Geht man auch in diesem Beispiel davon aus, dass Einkommensteile, die das Existenzminimum gerade übersteigen und daher nur mit maximal 25 % besteuert werden können, so können von den darüber hinausgehenden 5.000 A vom Staat als Steuerbelastung maximal 1250 A beansprucht werden. Da die freiheitsrechtlichen bedarfsorientierten Besteuerungsschranken aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG auch Geltung für die Familie des Steuerpflichtigen haben, können die von S erworbenen weiteren 2500 A ebenfalls nur mit maximal 25% belastet werden. Auch an diesem Beispiel zeigt sich, dass die Frage, an welcher Stelle die freiheitsrechtlichen Grenzen der Besteuerung zu ziehen sind, die entscheidende ist. Zieht man die bedarfsorientierten Grenzen der Besteuerung dieser Einkommensteile sehr eng, so können sich in bestimmten Fallkonstellationen, in Abhängigkeit von der Höhe des Einkommens und der Kinderzahl Besteuerungsgrenzen ergeben, die bei der momentanen Besteuerungshöhe praktisch relevant werden können. Als verfassungsrechtliche Grenzen können die aufgezeigten freiheitsrechtlichen Grenzen jedoch nur äußerste Grenzen darstellen.
VI. Zusammenfassung der Ergebnisse von Punkt C. Aus freiheitsrechtlicher Perspektive lassen sich liberale und bedarfsorientierte Grenzen unterscheiden.461 Die Berufsfreiheit als liberale freiheitsrechtliche Grenze gewährt gegenüber der Besteuerung Schutz, weil und soweit das Einkommen durch berufliche Betätigung erworben wurde. Das Eigentumsgrundrecht des 459 Siehe dazu BVerfGE 82, 60 ff.; 99, 216 ff.; sowie auf S. 80 ff.; aus der Literatur siehe nur Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 307 ff.; sowie die weiteren Nachweise auf S. 83 ff. 460 Dazu zuvor auf S. 167 ff. 461 Siehe dazu S. 128 ff.
170
3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
Art. 14 GG schützt gegenüber der Besteuerung, soweit das Einkommen durch die Nutzung bestehender Eigentumsrechte entstanden ist und die allgemeine Handlungsfreiheit subsidiär einfach deshalb, weil der Steuerpflichtige eigenes Einkommen hat.462 Das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG gewährt nach hier vertretener Auffassung allerdings keinen allgemeinen Schutz gegenüber der Auferlegung von Zahlungspflichten. Diese liberalen freiheitsrechtlichen Grenzen werden von bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen überlagert und verstärkt. Bedarfsorientierte freiheitsrechtliche Grenzen gewähren Schutz, weil und soweit der Steuerpflichtige (und seine Familie) bei typisierender Betrachtung für seine Lebensführung auf das Einkommen angewiesen ist: die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG (iVm Art. 6 GG), soweit das Einkommen zur Sicherung seiner und seiner Familie Existenz benötigt wird; das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG, soweit das Einkommen der Entfaltung der Persönlichkeit in einem weiteren Sinne dient.463 Diese bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen, welche die Menschenwürdegarantie und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Einkommensbesteuerung ziehen, werden in dieser Untersuchung unter dem Begriff des Leistungsfähigkeitsprinzips zusammengefasst. Dies begründet sich dadurch, dass nach hier vertretener Auffassung diese bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen im Ergebnis, wenn auch nicht in der Argumentation, den Grenzen entsprechen, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner insbesondere seit Ende des 19. Jahrhunderts von Finanzwissenschaftlern herausgearbeiteten Fassung zugeschrieben werden.464 Freiheitsrechte können der Besteuerung effektiv erst in Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen setzen. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt entgegen einer starken Auffassung in der Literatur auch im Steuerrecht eine große Bedeutung zu.465 Zwar kann der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Steuerrecht wegen der Geltung des Non-Affektationsprinzips nur unter Schwierigkeiten konkretisiert werden. Nach hier vertretener Auffassung ist eine Quantifizierung von Besteuerungsgrenzen jedoch erforderlich. Diese Notwendigkeit einer vorsichtigen, äußerste Besteuerungsgrenzen absteckenden Quantifizierung ergibt sich aus der Anwendung des grundrechtlichen Abwägungsmodells im Steuerrecht. Sind die einer Quantifizierung innewohnenden Gefahren offenkundig, so brächte jedoch die Ablehnung einer Quantifizierung ebenfalls Gefahren mit sich, wenn auch anderer Art. Wendet man den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit daher auf die bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen an, so führen diese von der Steuerfreiheit des Existenzminimums zu einem – soweit sie reichen – progressiven Einkommensteuertarif, der anschließend proportional ausläuft.466 In der vorliegen462 463 464 465 466
Siehe dazu S. 131 ff. Siehe dazu S. 141 ff. Siehe dazu S. 148 ff. Siehe dazu S. 151 ff. Siehe dazu S. 161 ff.
D. Ausblick auf weitere Konsequenzen
171
den Untersuchung wurde neben der absoluten Grenze des indisponiblen Einkommens vorgeschlagen, eine Besteuerung im Allgemeinen als außer Verhältnis zu dem Fiskalzweck stehend anzusehen, wenn Einkommensteile, die das Existenzminimum gerade übersteigen, mit mehr als 25 % belastet werden. Es wurde weiterhin vorgeschlagen, eine Besteuerung dann als unverhältnismäßig anzusehen, wenn Einkommensteile, die sich stärker vom Existenzminimum entfernen, aber bei den gegebenen Lebensverhältnissen im Durchschnitt der Bevölkerung noch für Ausgaben verwendet werden, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen, mit einer über 50 % hinausgehenden Steuer belastet werden. Die liberalen Höchstgrenzen wurden bei 80 % angesetzt. Ein freiheitsrechtlicher Begründungsansatz zieht aufgrund einer anderen Argumentationsstruktur andere Konsequenzen nach sich als ein gleichheitsrechtlicher Ansatz dies tut: Als Höchstgrenzen der Besteuerung müssen freiheitsrechtliche Grenzen nicht ausgeschöpft werden. Auf niedrigem Niveau ist daher in jedem Fall auch eine proportionale Besteuerung verfassungsgemäß. Aus freiheitsrechtlicher Perspektive kann zudem nur die Einhaltung der aufgezeigten Höchstgrenzen gefordert werden, darüber hinaus können keine Vorgaben für die steuertechnische Ausgestaltung getroffen werden. Freiheitsrechtliche bedarfsorientierte Besteuerungsgrenzen gelten aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG auch im Hinblick auf die Familie des Steuerpflichtigen. Dabei kann auf freiheitsrechtlicher Grundlage nicht gefordert werden, dass das familiäre Existenzminimum vorab von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden muss. Die bedarfsorientierten Besteuerungsgrenzen können allerdings – in Abhängigkeit von der Höhe des Einkommens des Steuerpflichtigen und der Anzahl der Unterhaltsberechtigten – dem Gesetzgeber unter Umständen stärkere Schranken setzen als sie bisher anerkannt sind.
D. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als bedarfsorientiertes, originär freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip – Ausblick auf weitere Konsequenzen Die bisher konturierten freiheitsrechtlichen Besteuerungsgrenzen belassen dem Gesetzgeber im Ergebnis einen sehr weiten Gestaltungsspielraum. Dem hier vorgestellten freiheitsrechtlichen Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips kommt jedoch – über diese Besteuerungsgrenzen hinaus – auch deshalb Bedeutung zu, weil durch dieses freiheitsrechtliche Verständnis die dem Leistungsfähigkeitsprinzip zugrunde liegende Argumentationsstruktur aufgedeckt wird, die den Blick frei gibt auf Antworten zu weiteren Fragen im Zusammenhang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, die unter der bisherigen gleichheitsrechtlichen Argumentation offen bleiben mussten: Diese Antworten resultieren zum einen – negativ – daraus, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip keine gleichheitsrechtlichen Wurzeln hat. Damit entfällt die in der Literatur vorherrschende gleichheitsrechtliche Festlegung des Gesetzgebers
172
3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
und zeigen sich Möglichkeiten einer Schedularisierung.467 Zum anderen ergeben sich jedoch in einem positiven Sinne auch Folgerungen aus dem freiheitsrechtlichen Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips. Als bedarfsorientiertes, originär freiheitsrechtliches Besteuerungsprinzip muss das Leistungsfähigkeitsprinzip periodenbezogen sein.468 I. Die Zulässigkeit einer Schedularisierung Dem bestehenden „Idealbild“ einer leistungsfähigkeitsgerecht ausgestalteten Einkommensteuer entspricht ein progressiver Tarifverlauf,469 vor allem aber eine Tarifgestaltung auf der Grundlage eines für alle Einkunftsarten einheitlichen Tarifs.470 Eine Schedulenbesteuerung gilt demgegenüber manchen als veraltet.471 Damit scheint über jeder im Ansatz schedulenhaft ausgestalteten Regelung, über jeder Abweichung von einer einheitlichen Tarifgestaltung, regelmäßig das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit zu hängen. Im deutschen Einkommensteuergesetz finden sich jedoch trotz der Regelung des § 2 Abs. 3 EStG, nach der die Summe der Einkünfte gebildet werden muss, zahlreiche Vorschriften, die unterschiedliche Regelungen für bestimmte Einkunftsarten vorsehen.472 Die wichtigsten davon betreffen unterschiedliche Einkunftsermittlungsmethoden bei den Gewinnund den Überschusseinkünften,473 unterschiedliche Erhebungsarten,474 unterschiedliche Freibeträge,475 unterschiedliche Regelungen des Verlustausgleichs476 und auch unterschiedliche Arten der Behandlung der Alterseinkünfte.477 Manchmal wird daher sogar von einem „Einkünfteartenrecht“ gesprochen.478 Noch offenkundiger ist die Differenzierung nach Einkunftsarten allerdings, wenn sie – wie in manchen anderen Ländern – auf der Ebene des Tarifs vorgenommen wird. Besonders deutlich ist dies u. a. bei der in skandinavischen Ländern zu findenden unterschiedlichen Besteuerung von Kapital- und Arbeitseinkommen.479 Dazu sogleich unter Pkt. I. Dazu sogleich auf S. 176 ff. 469 Siehe dazu schon die Nachweise in der Einleitung; zur verfassungsrechtlichen Lage siehe auf S. 161 ff. 470 Siehe dazu J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 218; Tipke, StRO II, S. 594 ff.; Tipke / J. Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 1; siehe dazu auch Faltlhauser, FS für Ritter, S. 511 ff.; Giloy, FR 1978, 205 ff.; Kanzler, FR 1999, 363 ff.; Thiel, FS – 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V., S. 75 ff. 471 Mennel, StuW 1973, 1 (5 ff.); R. Wendt, FR 1993, 1 (5); siehe dazu auch Dziadkowski, BB 1997, 1018 (1021); Kanzler, FR 1999, 363 (365); Ritzer / Stangl, DStR 1999, 1 (9). 472 Siehe dazu auch die Hinweise bei Thiel, FS – 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e.V., S. 75 ff.; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 224 ff. 473 Siehe §§ 4 ff. EStG und §§ 8 ff. EStG. 474 Siehe § 37, §§ 38 ff. oder §§ 43 EStG. 475 Siehe § 9a, § 20 Abs. 4 EStG. 476 Siehe §§ 2a, 15 Abs. 4, 22 Nr. 3, 23 Abs. 4 EStG. 477 Siehe §§ 19 Abs. 2, 22 Nr. 1, 24a EStG. 478 So Tipke, StRO II, S. 594 ff. 467 468
D. Ausblick auf weitere Konsequenzen
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Auf der Grundlage eines gleichheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, muss eine Differenzierung zwischen verschiedenen Einkunftsarten rechtfertigungsbedürftig erscheinen: Denn der in bestimmten Einkommensteilen verkörperte Nutzen für den Steuerpflichtigen ist unabhängig davon, aus welcher Einkunftsart das Einkommen stammt.480 Das Bundesverfassungsgericht hat das – gleichheitsrechtlich verstandene – Leistungsfähigkeitsprinzip bisher vor allem im Hinblick auf die Berücksichtigung leistungsfähigkeitsmindernder Umstände entfaltet.481 Ob mit dieser Festlegung einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit aus verfassungsrechtlicher Sicht auch Aussagen hinsichtlich der Rechtfertigungsbedürftigkeit einer Schedularisierung verbunden sind, ist damit nicht zwingend gesagt. In seiner Entscheidung über die Zinsbesteuerung hat das Gericht ausgeführt, dass bei der Besteuerung von Kapitalvermögen die Geldwertabhängigkeit, d. h. die Inflationsanfälligkeit des Kapitalvermögens berücksichtigt werden könne. Im Rahmen einer zulässigen Typisierung könne der Gesetzgeber auch eine Abgeltungssteuer wählen, die den absetzbaren Aufwand und den Progressionssatz typisierend berücksichtige. Dabei sei es folgerichtig, auch einen möglicherweise geringen Steuersatz der Kleinsparer durch höhere Freibeträge in Ansatz zu bringen.482 In seiner Entscheidung über den Ausschluss der Eintragung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf der Lohnsteuerkarte stellte das Gericht dann klar, dass die im Einkommensteuergesetz getroffene Unterscheidung zwischen verschiedenen Einkunftsarten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und dass daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden können. Für diese unterschiedlichen Regelungen müssten jedoch sachliche Gründe bestehen, die steuersystematische Unterscheidung allein reiche zur Rechtfertigung nicht aus.483 In späteren Entscheidungen hat das Gericht diese Aussagen bestätigt.484 In seiner Entscheidung zum Ausschluss der Verlustberücksichtigung bei der Vermietung beweglicher Gegenstände spricht das Gericht dabei ausdrücklich von dem Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten.485 Im Er479 Zu den Ansätzen der skandinavischen Länder, die Kapitaleinkommen gegenüber den Arbeitseinkommen zu privilegieren, siehe Muten, RIW 1993, 119; Stevens, EC Tax Rev. 1996, 6 ff.; Sorensen, The Nordic Dual Income Tax – In or Out?; Tanzi, BIFD 1998, 338 (341); Viherkenttä, IStR 1994, 414 ff.; ders., Nordisches Modell, S. 117 ff.; Kiesewetter, StuW 2000, 24 (30 ff.); Jacobs, S. 286 ff.; Schön, DStJG 23 (2000), 191 (202); dazu auch J. Lang, DStJG 24 (2001), 49 (50, 121); zur Einführung des „Boxen-Systems“ durch die Einkommensteuerreform 2001 in den Niederlanden siehe von den Tillart / Lohuis / Stevens, IStR 2001, 171 ff.; zur österreichischen Abgeltungsregelung der Kapitalertragssteuer siehe Kiesewetter, StuW 2000, 24 (30 ff.); anders Genser, S. 13; Gassner, ÖStZ 1993, 4 ff. sowie jeweils die weiteren Hinweise zu den einzelnen Ländern in der Einleitung. 480 So ein häufiges Argument in der Literatur, ausdrücklich bei Tipke, StRO II, S. 595 ff., siehe auch Kirchhof, in: K / S / M, § 2 EStG, A 94; ders., JZ 1982, 305 (306). 481 Ausführlich dazu auf S. 80 ff. 482 BVerfGE 84, 239 (282 f.). 483 BVerfGE 84, 348 (363 f.). 484 BVerfGE 96, 1 (6); BVerfG, FR 1998, 1028 ff. 485 BVerfG, FR 1998, 1028 (1031).
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
gebnis scheint das Gericht daher zumindest in den letzten Entscheidungen Abweichungen von einer einheitlichen Tarifgestaltung als rechtfertigungsbedürftig anzusehen.486 Dabei stützt sich das Gericht in seiner Argumentation jedoch nicht ausdrücklich auf das Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern auf den allgemeinen Gleichheitssatz. Ähnliche Ergebnisse finden sich in der Literatur: Der einheitliche Tarif wird von manchen aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips als verfassungsrechtlich gefordert angesehen, Abweichungen erscheinen dementsprechend rechtfertigungsbedürftig.487 Aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips könne als relevantes Vergleichskriterium nur die von dem Einkommen verkörperte Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden. Daher müssten andere Kriterien, die Differenzierungen nach Einkunftsarten ermöglichten, unberücksichtigt bleiben.488 Andere Autoren halten demgegenüber die Berücksichtigung weiterer Aspekte für zulässig, so dass aufgrund dieser Kriterien nach Einkunftsarten differenziert werden könne. Das sind zum einen Autoren, die bereits im Grundsatze bestreiten, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip die verfassungsrechtlich allein zulässige Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes darstellt.489 Das sind darüber hinaus diejenigen Autoren, die das – gleichheitsrechtlich verstandene – Leistungsfähigkeitsprinzip ihrer Argumentation zwar grundsätzlich zugrundelegen, die aber davon ausgehen, dass die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig nur von der Höhe des Einkommens und der Größe des Bedarfs abhängt, sondern weitere Kriterien anerkennen, die einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung gerecht werden. Insoweit ist vor allem die Differenzierung zwischen fundiertem und unfundiertem Einkommen angesprochen.490 Im Ergebnis scheinen die aufgezeigten Auf486 Eine Differenzierung in dieser Hinsicht findet sich bei Huster, Rechte und Ziele, ders., JZ 1994, 541 ff.; dazu sogleich. 487 Gaddum, Steuerreform, S. 14 ff.; Kirchhof, in: K / S / M, § 2 EStG, Rz. A 672 f.; ders., Gutachten F für den 57. Dt. Juristentag, S. 31; ders., JZ 1982, 305 (306); Tipke, StRO II, S. 595 ff.; ähnlich wohl Herzog, StbJb 1985 / 86, 27 (35 f.); Rendels, DStR 1993, 1053 (1056); M. Wendt, FR 1997, 298 ff.; R. Wendt, FR 1993, 1 (4 ff.); zurückhaltend Faltlhauser, FS für Ritter, S. 511 ff.; Kanzler, FR 1999, 363 ff.; in diesem Sinne auch J. Lang, StuW 1975, 113 ff.; siehe auch die Vorlage des BFH an das Bundesverfassungsgerichts, BFHE 188, 96 ff. sowie FG Münster, EFG 1998, 1647. 488 Deutlich insoweit Tipke, StRO II, S. 595 ff.; siehe auch Kirchhof, in: K / S / M, § 2 EStG, A 94 und A 170, 184; Gaddum, Steuerreform, S. 14 ff. 489 Siehe dazu die Nachweise auf S. 79 ff. 490 So Ruppe, S. 112 ff.; ähnlich Haller, Die Steuern, S. 46 ff.; Neumark, Probleme, S. 398 (405); die Differenzierung zwischen fundiertem und unfundiertem Einkommen wurde in früherer Zeit häufig als dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechend angesehen, siehe z. B. Popitz, Einkommensteuer, S. 420 ff.; siehe auch A. Wagner, S. 384 ff., zu unterschiedlichen Begründungen siehe Ruppe, S. 111 ff.; zur heutigen verfassungsrechtlichen Diskussion um die mögliche Berücksichtigung des Arbeitsleides siehe auch BVerfGE 43, 1 (7); Kirchhof, in: K / S / M, § 2 EStG, A 94; ders., JZ 1982, 305 (306); Tipke, StRO II, S. 595 ff. sowie die Diskussion um § 3 b EStG, BVerfG, HFR 1976, 332; BFHE 142, 146; Erhard, in: Blümich, EStG § 3b Rz. 5 ff.; Handzik, in: Littmann, § 3 b EStG, Rz. 8 ff.; Moritz, in: H / H / R, § 3b EStG, Rz. 6.
D. Ausblick auf weitere Konsequenzen
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fassungen jedoch für die hier entscheidende Frage nach möglichen Abweichungen von einer einheitlichen Tarifgestaltung kaum zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen: Auch die Kritiker des Leistungsfähigkeitsprinzips fordern zumindest einen sachlichen Grund für die gesetzliche Differenzierung491 und die Verfechter des gleichheitsrechtlichen Leistungsfähigkeitsgedankens lassen Abweichungen als Sozialzweck- bzw. Lenkungsnormen zu.492 Auf der Grundlage des in dieser Arbeit vorgestellten freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips wird deutlich, dass der Ausgangspunkt dieser verfassungsrechtlichen Fragestellung der allgemeine Gleichheitssatz (und nicht das Leistungsfähigkeitsprinzip) sein muss. Huster hat in seiner Dissertation aus dem Jahre 1993 die im Folgenden zugrunde gelegte Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes herausgearbeitet: 493 Danach sind zwei Arten von Gründen, die eine Abweichung von einer schematischen Gleichbehandlung darstellen, zu unterscheiden: so kann es Differenzierungen geben, die als Inhalt des allgemeinen Gleichheitssatzes eine Abweichung von einer schematischen Gleichbehandlung fordern und andere, die als Abweichung von der gleichheitsrechtlich geforderten Behandlung anzusehen sind. Huster bezeichnet erstere als interne, letztere als externe Zwecke.494 Unter internen Zwecken versteht er Differenzierungen nach tatsächlichen, im konkreten Zusammenhang relevanten Unterschieden der Vergleichspersonen, die konkreten Gerechtigkeitsmaßstäben entsprechen. Externe Zwecke sind demgegenüber wirtschaftspolitische oder verwaltungstechnische Zwecke, die in keiner Verbindung zu den Eigenschaften der Vergleichspersonen stehen. Der allgemeine Gleichheitssatz fordert seiner Ansicht nach eine Behandlung entsprechend dieser internen Zwecke. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass es dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Perspektive offen steht, als gleichheitsrechtliches Anknüpfungskriterium der Einkommensteuer im Sinne des (gleichheitsrechtlich verstandenen) Leistungsfähigkeitsprinzips den im Einkommen verkörperten Nutzen, andererseits aber auch das objektive Markteinkommen zu wählen. Beide Kriterien finden ihre Rechtfertigung in den freiheitsrechtlichen Grundlagen des Grundgesetzes, sie stellen „interne Zwecke“ im Sinne Husters dar. Als weitere „interne“, weil auf Gerechtigkeitserwägungen beruhende Zwecke kommen vor allem eine Berücksichtigung des „Arbeitsleides“, und die Berücksichtigung der InflaKruse, DStJG 5 (1982), 71 ff. Siehe dazu ausführlich Osterloh, DStJG 24 (2001), 383 ff.; zu Lenkungsnormen siehe auch Vogel, StuW 1977, 97 ff.; Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S, 232 ff.; Scholz / Aulehner, BB 1991, 73 ff.; Tipke, StRO I, S. 361 ff.; Weber-Grellet, NJW 2001, 3657 ff. 493 Zum Verständnis des allgemeinen Gleichheitssatzes im Sinne verhältnismäßiger, im Gegensatz zu schematischer Gleichheit siehe bereits auf S. 106 ff.; siehe auch Huster, Rechte und Ziele, S. 165 ff.; ders., JZ 1994, 541; siehe schon Leibholz, S. 38; ebenso J. Becker, Transfergerechtigkeit, S. 151 ff.; Hesse, AöR 77 (1951 / 52), 167 (207 f.); Papier, KritV 1987, 140 ff.; Stern, FS für Dürig, S. 212 ff.; anders jedoch Gusy, JuS 1982, 30 (35); Heun, in: Dreier, Art. 3 GG, Rz. 21 f.; Rüfner, in: BK, Art 3 GG, Rz. 15; vermittelnd Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 370. 494 Huster, Rechte und Ziele, S. 165 ff.; ders., JZ 1994, 541 ff. 491 492
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
tionsanfälligkeit von Kapitalvermögen in Betracht. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die Berücksichtigung dieser zusätzlichen internen Aspekte möglich, zwingend erscheint sie jedoch nicht. Darüber hinaus sind Abweichungen aufgrund von „externen Zwecken“, d. h. vor allem wirtschaftspolitische Zielsetzungen grundsätzlich rechtfertigungsfähig, aber auch rechtfertigungsbedürftig. Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass der allgemeine Gleichheitssatz nicht zwingend eine einheitliche Tarifgestaltung fordert. Unterschiedliche Steuersätze können sich bereits aus „internen Zwecken“ ergeben. Darüber hinaus können sich weitere Änderungen durch externe wirtschafts- oder gesellschaftspolitische Zielsetzungen ergeben. Im Ergebnis sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Differenzierung zwischen internen und externen Zwecken, zwischen grundsätzlich zulässigen Ansatzpunkten und anderen, rechtfertigungsbedürftigen Abweichungen zwar einen anderen theoretischen Ausgangspunkt darstellt, dass dieser jedoch wegen der relativ geringfügigen Anforderungen, die an die Zulässigkeit von Lenkungsnormen gestellt werden,495 im Hinblick auf die Zulässigkeit unterschiedlicher Tarifregelungen kaum zu anderen Ergebnissen als die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führen wird. II. Die Periodenbezogenheit der Einkommensbesteuerung Die freiheitsrechtliche Fundierung des Leistungsfähigkeitsprinzips führt auch zu der Lösung einer anderen, mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip verbundenen, bisher umstrittenen Frage, der Frage danach, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip als periodenbezogenes Besteuerungsprinzip zu verstehen ist oder ob sich das Leistungsfähigkeitsprinzip im Grundsatz auf das Lebenseinkommen bezieht und der Periodenbezug der Einkommensteuer nur durch erhebungstechnische Aspekte begründet ist. Die Einkommensteuer ist nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG eine Jahressteuer, d. h. die Besteuerung richtet sich nach dem jeweiligen Einkommen eines Kalenderjahres. Dieser Periodenbezug der Einkommensteuer führt unabhängig von der gewählten Länge der Periode dazu, dass die Höhe der Steuerpflicht davon abhängen kann, zu welchem Zeitpunkt bestimmte Einkünfte entstanden sind.496 Dies gilt in jedem Fall immer dann, wenn der Einkommensteuertarif progressiv ausgestaltet ist.497 Als steuertechnisches Prinzip wird die Periodenbezogenheit der Einkommensteuer allgemein akzeptiert.498 Unterschiedlich bewertet wird in der Literatur aber die Siehe dazu ausführlich Osterloh, DStJG 24 (2001), 383 ff. Siehe dazu ausführlich Birtel, S. 156 ff. 497 Siehe dazu bereits S. 65 ff. 498 Lehner, JZ 2002, 774; Birk, Altersvorsorge, S. 30; Kirchhof, in: K / S / M, § 2 EStG, A 135 ff. und A 359 ff.; Liesenfeld, DStR 2002, 1833 (1835 f.); Schick, S. 12 ff.; dies gilt auch für die Autoren, die materiell eine Lebenseinkommensbesteuerung befürworten, siehe dazu die Nachweise in der nachfolgenden Fußnote. 495 496
D. Ausblick auf weitere Konsequenzen
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Frage, ob dem Periodenbezug auch ein materieller Wert zukommt oder die beschriebenen Wirkungen durch andere Regelungen ausgeglichen werden müssen. Als verfassungsrechtliche Fragestellung wird damit nach dem Periodenbezug des Leistungsfähigkeitsprinzips gefragt. Von manchen Autoren wird das Leistungsfähigkeitsprinzip dabei materiell auf die Lebenszeit bezogen, die Periodenbezogenheit stelle nur eine steuertechnische Regelung dar.499 Da eine Zerlegung in Zeitabschnitte immer etwas Willkürliches habe, sei der Periodenbezug nicht gerecht: Er führe dazu, dass mit einer erhöhten Progressionsbelastung u. a. solche Steuerpflichtige benachteiligt würden, die eine lange Ausbildungszeit hätten.500 Andere sehen die Periodenbezogenheit hingegen als Teil des materiellen Gehaltes des Leistungsfähigkeitsprinzips.501 Die Finanzkraft des Staates setze regelmäßig fließende Einnahmen voraus. Zudem gewährleiste der Periodenbezug eine zeit- und bedarfsgerechte Lastenverteilung.502 Der allgemeine Gleichheitssatz erweist sich auch in diesem Zusammenhang als zu inhaltsarm, um daraus materielle Vorgaben für den Gesetzgeber abzuleiten. Ob als maßgebliches Vergleichskriterium im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes das Lebenseinkommen oder ein in einem bestimmten Abschnitt erzieltes Einkommen gewählt werden muss, lässt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht nur unter Schwierigkeiten begründen. Für beide Sichtweisen lassen sich Gerechtigkeitsaspekte anführen: Aus liberaler Perspektive mag die Orientierung am Lebenseinkommen, aus bedarfsorientierter Perspektive wird die Anknüpfung an in einer Periode erworbenem Einkommen gerecht erscheinen. Gleichheitsrechtlich zwingend erscheint jedoch keiner dieser Anknüpfungspunkte. Das bedarfsorientierte, originär freiheitsrechtliche Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips offenbart jedoch, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als bedarfsorientiertes Prinzip periodenbezogen ist: das Existenzminimum muss dem Steuerpflichtigen jeweils für eine bestimmte Periode zeitnah steuerfrei belassen werden. Gleiches gilt für die sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip als freiheitsrechtlichem Besteuerungsprinzip ergebenden, bedarfsorientierten Grenzen der Besteuerung des disponiblen Einkommens. Die Bedeutung dieses durch das freiheitsrechtliche Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips begründeten Periodenbezugs ist jedoch begrenzt: Er bezieht sich nur auf die Einhaltung der bedarfsorientierten, originär freiheitsrecht499 Gröpl, DRV-Schriften, S. 88 (100 f.); J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 186 ff.; ders., Einkommensteuer, S. 29; Tipke, StRO II, S. 668 ff.; Tipke / J. Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 119; § 8 Rz. 33; § 9 Rz. 44 ff.; ähnlich v. Groll, in: K / S / M, § 10d EStG, A 43; Ruppe, in: H / H / R, Einf. EStG, Rz. 33; aus finanzwissenschaftlicher Sicht siehe nur Birtel, S. 156 ff.; Hackmann; Haller, Die Steuern, S. 90 ff.; Mitschke, StuW 1980, 122 ff., 252 ff.; eine Besteuerung des Lebenseinkommens entspricht auch dem in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre vertretenen Gedanken der Entscheidungsneutralität, siehe dazu S. 64 ff. 500 Birtel, S. 161; zu Quantifizierungen des Ausbildungsprogressionseffektes siehe Eggesiecker, StuW 1971, 253 ff. 501 Lehner, JZ 2002, 774; Birk, Altersvorsorge, S. 30; Kirchhof, in: K / S / M, § 2 EStG, A 135 ff. und A 359 ff.; Liesenfeld, DStR 2002, 1833 (1835 f.); Schick, S. 12 ff. 502 Lehner, JZ 2002, 774; Liesenfeld, DStR 2002, 1833 (1835 f.).
12 Liesenfeld
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3. Teil, 2. Kap.: Leistungsfähigkeitsprinzip als Besteuerungsprinzip
lichen Grenzen. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber frei, aus gleichheitsrechtlicher Perspektive auch das Lebenseinkommen als Anknüpfungspunkt zu wählen und damit einen Ausgleich zwischen verschiedenen Perioden vorzunehmen. Um Missverständnisse zu vermeiden sei noch betont, dass sich aus der Periodenbezogenheit des subjektiven Leistungsfähigkeitsprinzips auf der Grundlage der hier vorgetragenen Begründung keine Schlussfolgerungen für die Notwendigkeit oder Zulässigkeit eines überperiodischen Verlustausgleichs entnehmen lassen. Dies sind Fragen, die nur auf der Grundlage des objektiven Nettoprinzips,503 nicht aber auf der Basis des subjektiven Leistungsfähigkeitsprinzips beantwortet werden können.
503
Dazu Lehner, MSIStR 25 (2004), S. 1 ff.
Zusammenfassung der Ergebnisse In vorliegender Untersuchung wurde die Frage nach den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Berücksichtigung des Existenzminimums und für den Einkommensteuertarif gestellt. Der historische Überblick hat gezeigt, dass die Höhe des Einkommensteuertarifs vor allem von der Größe des staatlichen Finanzbedarfs abhängt. Die höchsten Steuersätze finden sich daher in Zeiten außergewöhnlicher, kriegsbedingter Lasten. Die absolut höchsten Steuersätze waren nach dem Zweiten Weltkrieg zu verzeichnen.1 Bis zum Jahre 1958 wies der Einkommensteuertarif im Allgemeinen einen – mehr oder weniger starken – progressiven Verlauf auf, der regelmäßig ab einem bestimmten Punkt proportional auslief. Ausnahmen stellten insoweit nur die proportionale Besteuerung von Einkünften aus Häusern, Kapital und landwirtschaftlichen Gütern in Ostpreußen im Jahre 1808 und die proportionale Besteuerung des Vermögens im Jahre 1812 dar.2 Seit 1958 bestand hingegen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine ausgedehnte untere Proportionalzone, die das Einkommen vieler Einkommensteuerpflichtiger vollständig erfasste und damit faktisch einen proportionalen Tarif bedeutete.3 Spätestens mit Beginn der Einführung eines linear-progressiven Tarifs im Jahre 1986 verlor der proportionale Eingangssatz jedoch an Bedeutung und wurde im Jahre 1996 auch vollständig abgeschafft.4 Insoweit lässt sich in der Zeit des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland ein Wandel des Tarifverlaufs von einem progressiven Tarif der Nachkriegszeit über einen weitgehend proportionalen Tarifverlauf seit 1958 zurück zu einer erneut progressiven Tarifgestaltung feststellen. Deutlich wurde im historischen Überblick auch, dass das Ideal eines Einheitstarifs im Allgemeinen nicht verwirklicht wurde, sich vielmehr seit den Anfängen der Einkommensteuer häufig Tendenzen zu einer stärkeren Belastung fundierter Einkünfte bzw. einer geringeren Belastung von Arbeitseinkünften und andere Tarifdifferenzierungen fanden. Im Hinblick auf die steuertechnische Ausgestaltung des Einkommensteuersatzes lässt sich bei einer globalen Betrachtungsweise eine Entwicklungslinie von Stufenbetragstarifen über oft als Teilmengenstaffeltarife ausgestaltete Stufensatztarife zu Formeltarifen erkennen. Der existenznotwendige Bedarf wurde zumindest in der Zeit nach 1891 regelmäßig und mit im Zeitablauf ansteigender Höhe berücksichtigt.5 In den Anfängen der 1 2 3 4 5
12*
Siehe dazu S. 41 ff. Siehe dazu S. 26 ff., 30 ff. Siehe dazu S. 44 ff. Siehe dazu S. 48 ff. Siehe dazu S. 34 ff.
180
Zusammenfassung der Ergebnisse
Einkommensteuerentwicklung, in der Zeit der Kriegssteuern wurde der existenznotwendige Bedarf hingegen nicht immer steuerfrei gestellt.6 Im Allgemeinen war der existenznotwendige Bedarf in die Tarifgestaltung integriert oder wurde als Abzug von der Bemessungsgrundlage berücksichtigt. Die Einkommensteuer des Jahres 1925, die einen solchen Abzug von der Bemessungsgrundlage enthielt, gestaltete diesen jedoch einkommensabhängig.7 Die Regelung des Reichseinkommensteuergesetzes in den Jahren 1921 bis 1925 stellte hingegen einen Abzug von der Steuerschuld dar.8 Zu vergleichbaren Ergebnissen wie ein Abzug von der Steuerschuld, wenn auch durch eine sozialrechtliche und keine steuerliche Regelung, führte die 1974 eingeführte Kindergeldlösung.9 Schon vor Entstehen der Steuerrechtswissenschaft hat sich die (ältere) Finanzwissenschaft mit Fragen der gerechten Besteuerung befasst. Zur Rechtfertigung eines progressiven Tarifverlaufs hat sie vor allem zwei Ansätze entwickelt: So wurde versucht, den progressiven Tarifverlauf auf der Basis der so genannten Opfertheorien zu begründen. Nach diesen sollte die Steuer ein für alle Steuerpflichtigen – relativ oder absolut – gleiches Opfer darstellen.10 Dabei wurde der Gossen’sche Gedanke des sinkenden Grenznutzens, der sich in seinem Ursprung auf jede zusätzliche Einheit konsumierbarer Güter bezog, auf das Einkommen angewendet. Die sinkende Bedeutung jeder zusätzlichen Einkommenseinheit schien dann die Notwendigkeit der Progression des Tarifverlaufs zu begründen. Die Opfertheorien waren jedoch auch Kritik ausgesetzt:11 So wurde einerseits die Übertragbarkeit der für konsumierbare Güter aufgestellten Theorie des sinkenden Grenznutzens auf das Einkommen, andererseits aber auch die Vergleichbarkeit der Nutzenkurven verschiedener Individuen angezweifelt. Die zentrale Schwierigkeit der Opfertheorien wurde offenbar, nachdem Cohen-Stuart aufgezeigt hatte, dass allein mit dem Hinweis auf den sinkenden Grenznutzen zusätzlichen Einkommens der progressive Tarif nicht gefordert werden kann und der Tarifverlauf von dem konkreten Verlauf der Grenznutzenfunktion abhängt. Da jedoch die Nutzenfunktion (und damit auch die Grenznutzenfunktion) mangels einer Möglichkeit einer kardinalen Nutzenmessung nicht hinreichend bestimmt werden kann, lässt sich die Notwendigkeit eines progressiven Tarifverlaufs im Ergebnis aus den Opfertheorien nicht begründen. Der zweite angesprochene Ansatz der älteren Finanzwissenschaft versuchte den progressiven Tarif mit dem Argument zu begründen, dass die den indirekten Steuern zugeschriebenen regressiven Wirkungen durch den progressiven Verlauf des Einkommensteuertarifs ausgeglichen werden müssten.12 Beide Ansätze finden sich auch in der heutigen verfassungsrechtlichen Literatur wieder. Siehe dazu S. 26 ff. Siehe dazu S. 38 ff. 8 Siehe dazu S. 36 ff. 9 Siehe dazu S. 47 ff. 10 Siehe dazu S. 54 ff. 11 Siehe dazu S. 57 ff. 12 Siehe dazu S. 60 ff. 6 7
Zusammenfassung der Ergebnisse
181
Die Untersuchungen der jüngeren betriebswirtschaftlichen Steuerlehre beruhen – anders als diejenigen der rechtswissenschaftlichen Literatur, in denen eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gefordert wird – auf dem Gedanken der Entscheidungsneutralität des Steuersystems. Ein entscheidungsneutral ausgestaltetes Besteuerungssystem zielt darauf ab, die Entscheidung von Marktteilnehmern zwischen unterschiedlichen Handlungsoptionen durch die Besteuerung unbeeinflusst zu lassen.13 Die Anforderungen, aufgrund derer eine entscheidungsneutrale Besteuerung verwirklicht werden soll, differieren dabei nach der Komplexität des gewählten Modells: in einem einperiodigen Modell unter Sicherheit ist Entscheidungsneutralität gewährleistet, sofern zwischen den verschiedenen Einkunftsarten nicht differenziert wird.14 In einem mehrperiodigen Modell ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich die Auswirkungen bestimmter Handlungsoptionen über mehrere Perioden erstrecken können. Ein entscheidungsneutral ausgestaltetes System darf daher nicht progressiv ausgestaltet sein.15 Auch im realistischeren Modell unter Unsicherheit wird von Vertretern der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre – auf der Basis der Risikoneutralität der Handelnden – die Notwendigkeit einer Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Abzug von der Steuerschuld und der Proportionalität des Einkommensteuertarifs begründet.16 Im Ergebnis muss danach bei einem entscheidungsneutral ausgestalteten Einkommensteuerrecht Ansatzpunkt der Besteuerung das objektive Markteinkommen sein. Bei einem Vergleich von einer Besteuerungskonzeption, die eine (gleichheitsrechtlich verstandene) leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung zu verwirklichen sucht, mit einem entscheidungsneutral ausgestalteten Einkommensteuerrecht zeigen sich Gemeinsamkeiten, es werden aber auch Unterschiede deutlich.17 Ausgangspunkt beider Konzeptionen ist der Gedanke der Gleichbehandlung. Eine entscheidungsneutrale Besteuerung zielt dabei darauf ab, verschiedene Handlungsoptionen gleich zu behandeln. Die von Vertretern der Rechtswissenschaft geforderte Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen erscheint dabei nur als Reflex. Darüber hinaus richtet eine entscheidungsneutrale Besteuerungskonzeption, anders als eine Konzeption, die auf dem Gedanken der Leistungsfähigkeit aufbaut, den Blick ex ante auf den Zeitpunkt der Ausübung der Handlungsoptionen, nicht ex post auf das Ergebnis der Markttätigkeit. Eine Bedeutung für die Auslegung des Rechts kann diesen Aussagen der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre jedoch nur im Rahmen der traditionellen Auslegungsmethoden zukommen.18 Auch offene Wertbegriffe, wie das Verfassungsrecht sie enthält, müssen nicht – wie die ökonomische Theorie des Rechts dies vorschlägt – zwingend im Sinne ökonomischer Aspekte verstanden werden.19 13 14 15 16 17 18 19
Siehe dazu S. 61 ff. Siehe dazu S. 64 f. Siehe dazu S. 65. Siehe dazu S. 65 ff. Siehe dazu S. 68 ff. Siehe dazu S. 70 ff. Siehe dazu S. 71 ff.
182
Zusammenfassung der Ergebnisse
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der verfassungsrechtlichen Literatur wird das Leistungsfähigkeitsprinzip – wenn auch nicht unwidersprochen – als verfassungsrechtliches Gebot anerkannt.20 Der Begriff des Leistungsfähigkeitsprinzips wird jedoch unterschiedlich verwendet. Allgemein werden aus ihm Anforderungen an die Einkommensteuer hergeleitet. Manche Autoren beziehen das Leistungsfähigkeitsprinzip aber zusätzlich auch auf die Gesamtsteuerbelastung. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird generell gleichheitsrechtlich fundiert, wobei die Wahl des Vergleichskriteriums mit den Wertungen der Freiheitsrechte begründet wird. In Rechtsprechung und Literatur bleibt jedoch bisweilen ungeklärt, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip neben gleichheitsrechtlichen auch originär freiheitsrechtliche Gehalte umfasst. Unterschiedliche Auffassungen bestehen auch im Hinblick auf die Frage, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf das Existenzminimum und den Steuertarif bestehen. Ist allgemein anerkannt, dass der existenznotwendige Bedarf steuerfrei belassen werden muss, so zeigen sich dennoch Divergenzen im Detail. So ist man sich nicht darüber einig, welche Umstände steuerfrei gestellt werden müssen, ob der Betreuungsaufwand auch dann steuerfrei zu stellen ist, wenn tatsächlich keine finanzielle Belastung entstanden ist, in welcher Höhe die Umstände zu berücksichtigen sind und welche Vorgaben für die Art und Weise ihrer Berücksichtigung abgeleitet werden können.21 Ebenfalls kein Konsens besteht über die Vorgaben für die Tarifgestaltung.22 Die Analyse der Diskussion in Rechtsprechung und Wissenschaft hat gezeigt, dass zentrale verfassungsrechtliche Fragestellungen ungeklärt bleiben.23 So zeigt sich, dass in der Diskussion häufig nicht ausreichend zwischen originär freiheitsrechtlicher und gleichheitsrechtlicher (aber freiheitsrechtlich anknüpfender) Argumentation unterschieden wird.24 Auch wird die gleichheitsrechtlich entscheidende Fragestellung nach dem zulässigen Vergleichskriterium nicht immer in ausreichendem Maße ergebnisoffen diskutiert.25 So wird die Möglichkeit einer gleichheitsrechtlichen Anknüpfung am „objektiven Markteinkommen“, wie sie von Vertretern der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre vorgeschlagen wird, häufig nicht untersucht. Wenig Klarheit besteht auch hinsichtlich der Frage, ob Vorgaben für die steuertechnische Ausgestaltung verfassungsrechtlich begründet werden können.26 Die Analyse der konkreten Ergebnisse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat darüber hinaus gezeigt, dass diese trotz einer allgemein zu findenden Betonung des allgemeinen Gleichheitssatzes fast ausschließlich freiheits20 21 22 23 24 25 26
Siehe dazu S. 74 ff. Siehe dazu S. 80 ff. Siehe dazu S. 86 ff. Siehe dazu S. 92 ff. Siehe dazu S. 92 f. Siehe dazu S. 93 ff. Siehe dazu S. 95 f.
Zusammenfassung der Ergebnisse
183
rechtlichen Wertungen entsprechen.27 Auf einer gleichheitsrechtlichen Begründung beruht allein die Forderung, das familiäre Existenzminimum vorab von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass das Gericht bestimmte gleichheitsrechtlich gebotene Konsequenzen nicht zieht. Das Leistungsfähigkeitsprinzip kann, da es grundgesetzlich nicht ausdrücklich normiert ist, nur dann als Teil des geschriebenen Verfassungsrechts angesehen werden, wenn es sich – im Sinne eines summarischen Prinzips – aus den einzelnen Normen des Grundgesetzes herleiten lässt.28 Ausgangspunkt der Untersuchung waren daher die einzelnen Normen des Grundgesetzes. Die für die Vorgaben an den Gesetzgeber im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG maßgebliche Fragestellung ist auch im Bereich des Einkommensteuerrechts diejenige nach den Vorgaben für die Wahl des Vergleichskriteriums.29 Dem allgemeinen Gleichheitssatz allein lassen sich nur wenige Vorgaben entnehmen. Aus den Wertungen anderer Grundgesetznormen können jedoch Anhaltspunkte für die Wahl des Vergleichskriteriums gewonnen werden. Im Hinblick auf die Einkommensteuer kann in den Normen der Finanzverfassung ein erster Hinweis gefunden werden.30 Wegen ihrer zumindest in begrenztem Umfange anzuerkennenden materiellen Wirkung kann der maßgebliche gleichheitsrechtliche Bezugspunkt die Einkommensteuer sein. Aus gleichheitsrechtlicher Perspektive ist daher nicht zwingend die Gesamtbelastung der Steuerpflichtigen zu betrachten. Weitere Anhaltspunkte für die Wahl zulässiger Vergleichskriterien lassen sich in den Freiheitsrechten des Grundgesetzes finden. Die Wertungen der Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG deuten auf das Vergleichskriterium des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens hin, das allgemein mit dem Begriff des Leistungsfähigkeitsprinzips verbunden ist.31 Der Wahl des Nutzens disponiblen Einkommens liegt eine Sichtweise zugrunde, welche die Funktion des erworbenen Einkommens für den Steuerpflichtigen als maßgeblich ansieht. Entscheidend ist danach die gleiche Einbuße aller Steuerpflichtigen an im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzen. Die Wettbewerbsfreiheit, grundgesetzlich verankert in Art. 12 und Art. 2 Abs. 1 GG, zeigt hingegen, dass es dem Gesetzgeber auch möglich ist, das objektive Markteinkommen der Steuerpflichtigen als Vergleichskriterium zu wählen.32 Während bei der Wahl des im disponiblen Einkommen verkörperten Nutzens an dem in einer Periode bezogenen Einkommen als Ergebnis einer (häufig marktwirtschaftlichen) Tätigkeit angesetzt wird, wird das in dieser Periode erzielte objektive Markteinkommen dadurch freiheitsrechtlich relevant, dass das marktwirtschaftliche Handeln bei 27 28 29 30 31 32
Siehe dazu S. 96 ff. Siehe dazu S. 104 ff. Siehe dazu S. 106 ff. Siehe dazu S. 108 ff. Siehe dazu S. 114 ff. Siehe dazu S. 122 ff.
184
Zusammenfassung der Ergebnisse
dieser gleichheitsrechtlichen Anknüpfung im Sinne einer entscheidungsneutralen Besteuerung nicht oder so wenig wie möglich durch die Steuerlast beeinträchtigt wird. Dem Gesetzgeber bleibt damit die Wahl zwischen diesen Vergleichskriterien. Ihre Zulässigkeit ist durch die Freiheitsrechte verbürgt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass anders als nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gleichheitsrechtlich nicht zwingend an einer im Sinne eines subjektiven Nutzens disponiblen Einkommens verstandenen Leistungsfähigkeit angeknüpft werden muss. Kann das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz hergeleitet werden, so ist es dennoch keinesfalls obsolet, denn es hat freiheitsrechtliche Wurzeln. Aus freiheitsrechtlicher Perspektive kann zwischen liberalen und bedarfsorientierten Grenzen unterschieden werden.33 Die Berufsfreiheit als liberale freiheitsrechtliche Grenze gewährt gegenüber der Besteuerung Schutz, weil und soweit das Einkommen durch berufliche Betätigung erworben wurde, das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG, soweit das Einkommen durch die Nutzung bestehender Eigentumsrechte entstanden ist. Die allgemeine Handlungsfreiheit gewährt subsidiär Schutz deshalb, weil der Steuerpflichtige eigenes Einkommen hat. Das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG schützt nach hier vertretener Auffassung hingegen nicht allgemein gegenüber der Auferlegung von Zahlungspflichten.34 Diese liberalen freiheitsrechtlichen Grenzen werden von bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen überlagert und verstärkt. Bedarfsorientierte freiheitsrechtliche Grenzen gewähren Schutz, weil und soweit der Steuerpflichtige (und seine Familie) bei typisierender Betrachtung für seine Lebensführung auf das Einkommen angewiesen ist: die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG (iVm Art. 6 GG), soweit das Einkommen zur Sicherung seiner und seiner Familie Existenz benötigt wird; und in abgeschwächtem Maße das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG, soweit das Einkommen der Entfaltung der Persönlichkeit in einem weiteren Sinne dient.35 Diese bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen entsprechen nach hier vertretener Auffassung im Ergebnis, wenn auch nicht in der Argumentation, den Grenzen, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner insbesondere seit Ende des 19. Jahrhunderts von Finanzwissenschaftlern herausgearbeiteten Fassung zugeschrieben werden.36 Sie werden deshalb in dieser Untersuchung – trotz einer offenkundigen Verwechselungsgefahr mit dem bisherigen gleichheitsrechtlichen Verständnis – unter dem (freiheitsrechtlich verstandenen) Begriff des Leistungsfähigkeitsprinzips zusammengefasst. Freiheitsrechte können der Besteuerung effektive Grenzen jedoch erst in Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzen.37 Dem Grundsatz der 33 34 35 36 37
Siehe dazu S. 128 ff. Siehe dazu S. 131 ff. Siehe dazu S. 141 ff. Siehe dazu S. 148 ff. Siehe dazu S. 151 ff.
Zusammenfassung der Ergebnisse
185
Verhältnismäßigkeit kommt entgegen einer starken Auffassung in der Literatur auch im Steuerrecht eine wichtige Stellung zu. Zwar kann der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Steuerrecht wegen der Geltung des Non-Affektationsprinzips nur unter Schwierigkeiten konkretisiert werden.38 Nach hier vertretener Auffassung ist eine Quantifizierung von Besteuerungsgrenzen jedoch erforderlich.39 Die Notwendigkeit einer vorsichtigen, äußerste Besteuerungsgrenzen absteckenden Quantifizierung ergibt sich aus der Anwendung des grundrechtlichen Abwägungsmodells im Steuerrecht.40 Die mit einer Quantifizierung verbundenen Risiken sind offenkundig. Eine Ablehnung einer Quantifizierung brächte jedoch ebenfalls Gefahren mit sich, wenn auch anderer Art.41 Wendet man den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die liberalen und bedarfsorientierten freiheitsrechtlichen Grenzen an, so führen diese von der Steuerfreiheit des Existenzminimums zu einem – soweit sie reichen – progressiven Einkommensteuertarif, der anschließend, den liberalen Grenzen entsprechend, proportional ausläuft.42 In der vorliegenden Untersuchung wurde neben der absoluten Grenze des indisponiblen Einkommens vorgeschlagen, eine Besteuerung im Allgemeinen als außer Verhältnis zu dem Fiskalzweck stehend anzusehen, wenn Einkommensteile, die das Existenzminimum gerade übersteigen, mit mehr als 25 % belastet werden. Es wurde weiterhin vorgeschlagen, eine Besteuerung als unverhältnismäßig anzusehen, welche Einkommensteile, die sich stärker vom Existenzminimum entfernen, aber bei den gegebenen allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Durchschnitt der Bevölkerung noch für Ausgaben verwendet werden, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen, mit einer über 50 % hinausgehenden Steuer belastet werden. Die liberalen Höchstgrenzen wurden hingegen erst bei 80 % angesetzt.43 Ein freiheitsrechtlicher Begründungsansatz zieht aufgrund einer anderen Argumentationsstruktur auch adere Konsequenzen nach sich als ein gleichheitsrechtlicher Ansatz dies tut: Als Höchstgrenzen der Besteuerung müssen freiheitsrechtliche Grenzen nicht ausgeschöpft werden. Auf niedrigem Niveau ist damit auch eine proportionale Besteuerung verfassungsgemäß.44 Aus freiheitsrechtlicher Perspektive kann auch nur die Einhaltung der aufgezeigten Höchstgrenzen gefordert werden, Vorgaben für die steuertechnische Ausgestaltung der Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs (als Abzug von der Bemessungsgrundlage) können nicht begründet werden.45 Freiheitsrechtliche bedarfsorientierte Besteuerungsgrenzen gelten aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG auch im Hinblick auf die Familie des Steuerpflichtigen.46 Dabei kann 38 39 40 41 42 43 44 45 46
Siehe dazu S. 152 ff. Siehe dazu S. 157 ff. Siehe dazu S. 157 ff. Siehe dazu S. 159 ff. Siehe dazu S. 161 ff. Siehe dazu S. 164 ff. Siehe dazu S. 167. Siehe dazu S. 167 f. Siehe dazu S. 168 f.
186
Zusammenfassung der Ergebnisse
aus freiheitsrechtlicher Perspektive allerdings nicht gefordert werden, dass das familiäre Existenzminimum vorab als Abzug von der Bemessungsgrundlage berücksichtigt wird. Die bedarfsorientierten Besteuerungsschranken können dem Gesetzgeber bei kinderreichen Familien unter Umständen auch stärkere Schranken setzen als sie bisher anerkannt sind. Aus dem freiheitsrechtlichen Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips ergeben sich weitere Folgerungen: Diese resultieren zum einen – negativ – daraus, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip keine gleichheitsrechtlichen Wurzeln hat. Damit entfällt die in der Literatur vorherrschende gleichheitsrechtliche Festlegung des Gesetzgebers. Eine Schedularisierung ist nicht notwendig gleichheitswidrig.47 Zum anderen ergeben sich jedoch in einem positiven Sinne auch Folgerungen aus dem freiheitsrechtlichen Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips. Als freiheitsrechtliches bedarfsorientiertes Besteuerungsprinzip ist im Grundsatz der aktuelle Bedarf des Steuerpflichtigen entscheidend. Das Leistungsfähigkeitsprinzip erweist sich daher als periodenbezogene Besteuerungsgrenze.48
47 48
Siehe dazu S. 172 ff. Siehe dazu S. 176 ff.
Anhang
Definitionen und Erläuterungen zur steuertechnischen Tarifgestaltung1 A. Steuersatzdefinitionen Unter dem Durchschnittssteuersatz versteht man den Steuersatz, der das Verhältnis zwischen Steuerbetrag und zu versteuerndem Einkommen wiedergibt. Mathematisch lässt sich die Durchschittssteuersatzfunktion durch TD (x) = T(x) / x darstellen. Unter einem Grenzsteuersatz versteht man demgegenüber den Steuersatz, der auf die letzte hinzugewonnene Einkommenseinheit angewendet wird. Die Grenzsteuersatzfunktion entspricht der ersten Ableitung der Steuerbetragsfunktion, 0 sie lautet demnach, wiederum mathematisch ausgedrückt T (x) = dT(x) / d(x). Hinter dem Begriff des Spitzensteuersatzes verbirgt sich der höchste Grenzsteuersatz eines bestimmten Steuertarifs.
B. Tarifformen Von einem proportionalen Tarifverlauf wird in dieser Arbeit gesprochen, wenn der Grenzsteuersatz bei steigender Bemessungsgrundlage gleich bleibt, unabhängig von möglichen Veränderungen des Durchschnittssteuersatzes.2 Unter einem
1 Allgemein zur Steuertariflehre siehe Pollak, WISU 1976, 73 ff.; dies., WISU 1976, 121 ff.; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 66 ff.; Reding / Müller, S. 101 ff.; Bös / Genser, S. 412 ff.; Wittmann, S. 17 ff.; Andel, S. 303 ff.; aus älterer Zeit siehe auch Bräuer, Umrisse; ders., Steuertarife, S. 1102 ff.; Kipke; Bickel, S. 164 ff.; Wick; siehe auch schon Voigt; Günther. 2 Im Allgemeinen werden die Begriffe proportional, progressiv und regressiv – anders als in vorliegender Arbeit – nicht in Abhängigkeit von der Änderung der Grenzsteuersätze, sondern des Durchschnittssteuersatzes definiert; dazu Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 66; Reding / Müller, S. 107 ff.; unterschiedliche Definitionsmöglichkeiten finden sich bei Bös / Genser, S. 412 ff. In vorliegender Arbeit wurde demgegenüber der Grenzsteuersatz als Referenzpunkt gewählt, zum einen weil die Bezeichnungen auf dieser Basis einer im allgemeinen Sprachgebrauch häufig bewusst oder unbewusst verwendeten Terminologie entsprechen. So wird die obere Zone des Einkommensteuertarifs als „obere Proportionalzone“ bezeichnet, obwohl der Tarifverlauf auf der Basis des Durchschnittssteuersatzes progressiv ist. Dieser Sprachgebrauch ist eng verbunden mit der Tatsache, dass die Steigerung des Durchschnittssteuersatzes bei gleich bleibendem Grenzsteuersatz im deutschen Einkommensteuerrecht
188
Anhang: Definitionen zur steuertechnischen Tarifgestaltung
progressiven Tarifverlauf wird dementsprechend ein Tarifverlauf verstanden, bei dem der Grenzsteuersatz bei steigender Bemessungsgrundlage ansteigt. Als regressiv wird ein Tarifverlauf bezeichnet, bei dem bei steigender Bemessungsgrundlage die Grenzsteuersatzbelastung sinkt.3 Bei einer progressiven bzw. einer regressiven Gestaltung werden zusätzlich bestimmte Progressions- bzw. Regressionstypen unterschieden. So wird eine Progression als gleichmäßig oder auch linear bezeichnet, wenn der Grenzsteuersatz bei jeweils gleichen Einheiten der Bemessungsgrundlage um die gleiche Anzahl von Prozentpunkten ansteigt. Steigt der Grenzsteuersatz mit steigender Bemessungsgrundlage stärker an, so wird von beschleunigter Progression gesprochen, wird die Progression schwächer, wird sie als verzögert bezeichnet. In vergleichbarer Weise wird von verzögerter, gleichmäßiger (linearer) oder beschleunigter Regression gesprochen. Ein degressiver Tarifverlauf entspricht der hier gegebenen Definition eines progressiven Tarifs. Der Unterschied liegt in einer unterschiedlichen Betrachtungsweise: Ausgangspunkt einer degressiven Tarifgestaltung ist ein allgemeiner, proportionaler Tarif. Dieser erscheint in den unteren Einkommensbereichen ermäßigt. Bei einem progressiven Tarif wird die Progression demgegenüber als Tarifverschärfung wahrgenommen.
C. Tarifgestaltungen Steuertarife werden als Stufen- bzw. Staffeltarife oder als Formeltarife klassifiziert. Diese Unterscheidung setzt bei der Frage an, ob die Steuer in Abhängigkeit bestimmter Steuerstufen berechnet wird oder sie in idealtypischer Weise – punktgenau – nach einer bestimmten Formel erhoben wird.
bereits darauf beruht, dass der steuerfreie existenznotwendige Bedarf als „Nullzone“ in den Tarif eingearbeitet und nicht als Abzug von der Bemessungsgrundlage ausgestaltet ist. Eine solche steuertechnische Zufälligkeit ohne Auswirkungen auf das Ergebnis, dazu Homburg, FA 52 (1995), 182 (187 ff.), sollte die Bezeichnung des Tarifverlaufs als progressiv oder proportional aber nicht beeinflussen. Zum anderen lässt die Definition auf der Basis der Entwicklung des Grenzsteuersatzes und nicht des Durchschnittssteuersatzes die Beurteilung der Entwicklung des Tarifverlaufs in einzelnen Einkommensabschnitten unabhängig von der Entwicklung der Gesamtsteuerbelastung zu und entspricht damit dem in dieser Arbeit vertretenen Ansatz, die Funktion bestimmter Einkommenseinheiten für den einzelnen Steuerpflichtigen hervorzuheben. 3 Der Begriff „regressiv“ wird in manchen Arbeiten auch in etwas anderem Zusammenhang verwendet. Mit dem Hinweis auf die „regressiven Wirkungen“ der Verbrauchssteuern wird auf die Tatsache hingewiesen, dass die durchschnittliche Konsumquote bei steigenden Einkommen sinkt, Andel, S. 306. Bei einer solchen Aussage wird das Einkommen als Bemessungsgrundlage gedacht, obwohl dies bei den Verbrauchssteuern tariftechnisch nicht der Fall ist, Bickel, S. 164 (168). Zu diesem Argument siehe S. 60 und S. 108 ff.
C. Tarifgestaltungen
189
I. Stufentarife Stufentarife lassen sich in Stufenbetrags- und Stufensatztarife, in Gesamtmengen- und Teilmengenstaffeltarife unterscheiden.
1. Stufenbetrags- und Stufensatztarife Stufenbetragstarife unterscheiden sich von Stufensatztarifen dadurch, dass sie den jeweiligen Stufen einen konkreten, vom Steuerpflichtigen zu entrichtenden Steuerbetrag festlegen. Steuersatztarife bestimmen demgegenüber einen (proportionalen) Steuersatz, der zur Feststellung des zu zahlenden Steuerbetrags auf das konkrete, in jedem Fall zu versteuernde Einkommen angewandt wird. Stufenbetragstarife haben den Vorteil der Einfachheit und Klarheit. Ihr aus der Sicht der Steuergerechtigkeit nicht zu unterschätzender Nachteil liegt jedoch in der Unvermeidlichkeit einer „inneren Regression“.4 Als „innere Regression“ bezeichnet man die Tatsache, dass bei einem Stufenbetragstarif der Durchschnittssteuersatz zwar von Stufe zu Stufe ansteigt, er jedoch innerhalb einer Stufe sinkt und der Grenzsteuersatz Null beträgt. Dieses Ergebnis wird bei einem Stufensatztarif vermieden.
2. Gesamtmengen- und Teilmengenstaffeltarife Ein Gesamtmengenstaffeltarif zeichnet sich dadurch aus, dass jeweils die gesamte Bemessungsgrundlage nach der jeweiligen Stufe besteuert wird. Anders als bei Gesamtmengenstaffeltarifen wird bei einem Teilmengenstaffeltarif, häufig auch als Stufengrenzsatztarif oder Anstoßtarif bezeichnet, das zu versteuernde Einkommen in Teilmengen unterteilt. Diesen verschiedenen Teilmengen wird jeweils ein Steuersatz bzw. Steuerbetrag zugeordnet. Der im Ergebnis geschuldete Steuerbetrag ergibt sich aufgrund der Addition der auf die verschiedenen Teilmengen entfallenden einzelnen Steuerbeträge. Ein Vorteil von Gesamtmengenstaffeltarifen liegt in der Einfachheit der Steuerberechnung. Ein Nachteil dieser Gestaltungen liegt jedoch in den zu verzeichnenden Tarifsprüngen. Jedem Stufentarif ist gemein, dass er – je nach der Ausdifferenzierung der Stufen – größere oder kleinere Tarifsprünge zwischen den Stufen zur Folge hat. Da bei einem Gesamtmengenstaffeltarif bei Überschreiten einer Tarifstufe das gesamte zu versteuernde Einkommen dem höheren Steuersatz unterworfen ist bzw. der höhere Steuerbetrag in toto zu zahlen ist, sind diese Tarifsprünge bei Gesamtmengenstaffeltarifen tendenziell größer als bei Teilmengenstaffeltarifen. In der Nähe der Grenze zweier Stufen kann es dabei zu einer Umkehr der Reihenfolge kommen, vergleicht man die Einkommensverhältnisse einzelner Steuerpflichtiger vor und nach der Besteuerung.5 Diese 4 5
Siehe dazu Bräuer, Umrisse, S. 28 ff.; siehe auch Bickel, S. 164 (166). Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 84.
190
Anhang: Definitionen zur steuertechnischen Tarifgestaltung
Probleme können nur durch komplizierte Grenzberichtigungen behoben werden.6 Auch der Teilmengenstaffeltarif kann bei einem Übergang von einer Teilmenge zur nächsten zu Tarifsprüngen führen, die je nach Ausgestaltung unterschiedlich groß sind. Gegenüber einem Gesamtmengenstaffeltarif werden jedoch dadurch größere Ungerechtigkeiten auf vertikaler Ebene vermieden, dass bei einem Tarifsprung nur die jeweils über die bisherigen Stufen hinausgehende Einkommensteilmenge dem höheren Steuersatz unterworfen wird. Insofern ist eine Umkehr der Reihenfolge des Einkommens an den Stufenübergängen (bei Grenzsteuersätzen zwischen 0 und 100) ausgeschlossen.7 Der Nachteil eines Teilmengenstaffeltarifs liegt in seiner gegenüber Gesamtmengenstaffeltarifen höheren Komplexität. Diese Schwierigkeiten können jedoch durch die Verwendung von Einkommensteuertabellen gemildert werden.
II. Formeltarife Der Formeltarif zeichnet sich im Gegensatz zu Stufentarifen dadurch aus, dass das Verhältnis des Steuerbetrags und der Bemessungsgrundlage durch eine mathematische Formel, der Steuerbetragsfunktion, bestimmt wird. Als mathematische Formel können sowohl eine einfache Formel wie z. B. ein einfacher Steuersatz als auch komplexe Formeln wie z. B. logarithmische oder polynome Formeln jeder Art gewählt werden. Die Grundform des Formeltarifs wird dann verwirklicht, wenn der geschuldete Steuerbetrag für alle Einkommen anhand einer einzigen Steuerbetragsfunktion bestimmt werden kann. Werden demgegenüber mehrere Formeln für unterschiedliche Tarifzonen verwendet, so handelt es sich um eine Kombination eines Stufen- und eines Formeltarifs. Der Vorteil eines Formeltarifs liegt in der Bestimmung des Steuerbetrages anhand des jeweils individuell zu versteuernden Einkommens. Insofern erscheint ein Formeltarif als punktgenaue und damit möglicherweise besonders gerechte Besteuerung.8 Ein Nachteil dieser Tarifgestaltung liegt darin, dass sich eine Besteuerung auf der Grundlage eines Formeltarifs als verwaltungstechnisch schwierig erweist. Diese Schwierigkeiten werden häufig durch die Erstellung von Tabellen auf der Grundlage geringfügiger Typisierungen überwunden. Da Formeltarife daher im Allgemeinen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in Tabellen dargestellt werden und dies eine Festlegung von – engen Stufen – bedingt, sind die idealtypischen Unterschiede zwischen Formelund Stufentarif in der Realität so nicht gegeben.9
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Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 81; siehe dazu auch Bräuer, Umrisse, S. 32, 38 ff. Siehe Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 84. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 87. Siehe dazu Pollak, Steuertarife, S. 239 (253); Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 88.
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Sachverzeichnis Abgeltungssteuer (siehe auch Schedularisierung) 21, 172 ff. Abzug von der Bemessungsgrundlage (siehe auch Abzug von der Steuerschuld; Freigrenze) 51 ff., 82 ff., 95 ff., 97 f., 99 ff., 101 f., 118 ff., 159 ff., 167 ff. – Auswirkungen auf das Besteuerungsergebnis 118 ff. – Einkommensteuergesetz von 1920 37 – Einkommensteuergesetz von 1925 39 – Existenzminimum, familiäres 82 f., 83 f., 85 f., 95 f., 97 f., 101 ff., 118 ff., 124 ff., 159 ff., 168 f. – Existenzminimum, steuerfreies 82 f., 83 f., 85 f., 95 f., 97 f., 99 ff., 118 ff., 124 ff., 167 f. – Freiheitsrechte 97 f., 99 ff., 101 ff., 167 f., 168 f. – Gleichheitssatz, allgemeiner 82 f., 83 f., 85 f., 97 f., 99 ff., 101 ff., 118 ff., 124 ff., 159 ff. – Grundfreibetrag, tariflicher 82 f., 83 f., 85 f., 95 f., 97 f., 99 ff., 118 ff., 124 ff., 167 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 97 f., 99 ff., 101 ff., 167 f., 168 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 82 f., 83 f., 85 f., 95 f., 97 f., 99 ff., 101 ff., 118 ff., 159 ff. – Tariffreibetrag von 1977 47 Abzug von der Steuerschuld (siehe auch Abzug von der Bemessungsgrundlage; Freigrenze) 51 ff., 64 ff., 95 ff., 97 f., 99 ff., 101 ff., 124 ff., 159 ff., 167 ff. – Auswirkungen auf das Besteuerungsergebnis 118 ff. – Einkommensteuergesetz von 1921 37 – Existenzminimum, familiäres 64 ff., 95 f., 97 f., 101 ff., 124 ff., 159 ff., 168 f.
– Existenzminimum, steuerfreies 64 ff., 95 f., 97 f., 99 ff., 124 ff., 167 f. – Freiheitsrechte 97 f., 99 ff., 101 ff., 167 f., 168 f. – Gleichheitssatz, allgemeiner 82 f., 83 f., 85 f., 95 f., 97 f., 99 ff., 101 ff., 118 ff., 124 ff., 159 ff. – Kindergeldregelung 47 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 97 f., 99 ff., 101 ff., 167 f., 168 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 82 f., 83 f., 85 f., 95 f., 97 f., 99 ff., 101 ff., 118 ff., 159 ff. Allgemeine Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich (siehe auch liberale Besteuerungsgrenzen) 131 ff., 134 Allgemeines Persönlichkeitsrecht (siehe auch Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes; Menschenwürdegarantie) 114 ff., 143 ff. Allokationseffizienz (siehe auch Entscheidungsneutralität; Neutralität der Besteuerung) 61 ff., 122 ff. Anstoßtarif (siehe auch Tarifgestaltung, steuertechnische) 120, 189 f. – Begriff 189 f. – Einkommensteuergesetz von 1920 37 – Gleichheitssatz, allgemeiner 120 – Preußisches Reglement von 1808 27 Arbeitseinkünfte 21, 51 ff., 172 ff. (siehe auch Schedularisierung) – Ergänzungssteuer von 1893 35 – Kapitalertragssteuer von 1920 38 – Kontrollratsgesetz Nr. 12 41 – Preußische Vermögens- und Einkommensteuer von 1812 31 – Preußisches Reglement von 1808 28 Äquivalenztheorie (siehe auch Entscheidungsneutralität) 15
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Sachverzeichnis
Berufsfreiheit (siehe auch Liberale Besteuerungsgrenzen) 131 ff., 140 Betreuungs- und Erziehungsbedarf (siehe auch Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes; Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes) 82, 84 f., 95, 101 f., 161 – Fehlende finanzielle Belastung 82, 84 f., 95, 101 f. – Freiheitsrechte 95, 101 f., – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 82, 84 f., 101 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 95, 101 f. Durchschnittssteuersatz
187
Eigentumsgrundrecht (siehe auch Liberale Besteuerungsgrenzen) 131 ff. – Funktion des Eigentumsrechtes 135 ff. – Funktionswandel 135 ff. – Gegenstandsbezogener Schutzbereich 129, 132 ff. – Theorie des mittelbaren Vermögensschutzes 139 ff. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 163 Einheitstarif (siehe auch Schedularisierung) 21, 51 f., 172 ff. Einkommen, disponibles (siehe auch Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes) 80 ff., 93 ff., 106 ff. – Betreuungs- und Erziehungsbedarf 82, 84 f., 95, 101 f., 161 – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 80 ff., 106 ff. – Mehrdeutigkeit des Kriteriums 95 – Unterhaltsanspruch, zivilrechtliche Höhe 81, 85, 95, 101 f., 114 ff. Einkommensteuergesetz von 1920 36 ff. Einkommensteuergesetz von 1925 38 f. Einkommensteuergesetz von 1934 39 f. Einkommensteuerhöhe 37, 41 ff., 52, 151 ff., 164 ff. Einkommensteuertarif (siehe auch Einkommensteuertarif, linear-progressiver; Einkommensteuertarif, progressiver; Einkommensteuertarif, proportionaler; Einkommensteuertarif, regressiver) 86 ff., 114 ff., 124 ff., 161 ff.
– Entscheidungsneutralität 64 ff., 122 ff. – Flat tax 19 f. – Gleichheitssatz, allgemeiner 86 ff., 114 ff., 122 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 161 ff., 164 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 86 ff., 121 f. – Linear-progressiver Tarif 15, 48 ff. – Opfertheorien 54 ff., 86 ff., 121 f. – Progressiver Tarif 54 ff., 86 ff., 88 ff., 102 f., 114 ff., 161 ff., 188 – Proportionaler Tarif 19 f., 54 ff., 64 ff., 86 ff., 88 ff., 102 f., 114 ff., 122 ff., 167, 187 – Regressiver Tarif 54 ff., 102 f., 114 ff., 163, 188 – Tarifsprung 121 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 161 ff., 164 ff. – Willkürverbot 121 Einkommensteuertarif von 1958 44 ff. Einkommensteuertarif von 1975 46 f. Einkommensteuertarif, linear-progressiver (siehe auch Einkommensteuertarif) 15, 48 ff. Einkommensteuertarif, progressiver (siehe auch Einkommensteuertarif) 54 ff., 86 ff., 88 ff., 102 f., 114 ff., 161 ff., 188 Ausgleich regressiver Wirkungen indirekter Steuern 60 f., 108 ff. – Begriff 189 – Gebotenheit 87, 89 f. – Gleichheitssatz, allgemeiner 86 ff., 114 ff., 122 ff. – „Heimliche“ Progression 45, 89 – „Kalte“ Progression 45, 89 – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 102 f., 161 ff., 164 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 86 ff., 121 f. – Opfertheorien 54 ff., 86 ff., 121 f. – Tarifsprung 121 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 161 ff., 164 ff. – Willkürverbot 121 – Zulässigkeit 86 ff., 88 ff., 90 f., 102 f., 114 ff.
Sachverzeichnis Einkommensteuertarif, proportionaler (siehe auch Einkommensteuertarif) 19 f., 54 ff., 64 ff., 86 ff., 88 ff., 102 f., 114 ff., 122 ff., 167, 187 – Begriff 187 – Entscheidungsneutralität 61 ff., 64 ff., 122 ff. – Flat tax 19 f. – Gleichheitssatz, allgemeiner 6 ff., 114 ff., 122 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 161 ff., 164 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 86 ff., 121 f. – Markteinkommen, objektives 68, 93, 122 ff. – Opfertheorien 54 ff., 86 ff., 121 f. Einkommensteuertarif, proportionaler mit degressiver Entlastung 19 f., 90, 164 ff., 188 Einkommensteuertarif, regressiver (siehe auch Einkommensteuertarif) 54 ff., 102 f., 114 ff., 163, 188 – Begriff 188 – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 161 ff., 164 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 86 ff., 121 f. – Unzulässigkeit 163 Einkunftsarten (siehe auch Schedularisierung) 21, 51 f., 172 ff. Entscheidungsneutralität (siehe auch Neutralität der Besteuerung) 61 ff., 64 ff., 122 ff. – Allokationseffizienz 61 ff., 63 – Einkommensteuertarif 64 ff., 124 ff. – Existenzminimum, familiäres 64 ff., 122 ff. – Existenzminimum, steuerfreies 64 ff., 124 ff. – Gleichheitssatz, allgemeiner 122 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 68 ff. – Markteinkommen, objektives 68, 93, 122 ff. – Schedularisierung 64 ff. – Verfassungsrecht 122 ff. – Wettbewerbsfreiheit 122 ff.
219
Erzberger, Matthias 36 Existenzminimum, familiäres (siehe auch Existenzminimum, steuerfreies) 80 ff., 114 ff., 122 ff., 141 ff. – Abzug von der Bemessungsgrundlage 82 f., 83 f., 85 f., 95 f., 97 f., 101 f., 118 ff., 124 ff., 159 ff., 168 f. – Abzug von der Steuerschuld 64 ff., 95 f., 97 f., 101 f., 124 ff., 159 ff., 168 f. – Betreuungs- und Erziehungsbedarf 82, 84 f., 95, 101 f.,161 – Entscheidungsneutralität 64 ff., 124 ff. – Kindergeldregelung 48, 80 – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 97 f., 101 f., 141 ff., 168 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 82 f., 85 f., 97 f., 101 f., 114 ff., 118 ff. – Menschenwürdegarantie 80 ff., 114 ff., 141 ff. – „Nachher“-Theorie 159 ff. – Realitätsgerechte Höhe 81, 85 – Sozialrechtliche Berücksichtigung 80 – Unterhaltsanspruch, zivilrechtliche Höhe 81, 85, 95, 101 f., 114 ff. – „Vorweg“-Theorie 159 ff. Existenzminimum, steuerfreies (siehe auch Existenzminimum, familiäres) 80 ff., 114 ff., 122 ff., 141 ff. – Abzug von der Bemessungsgrundlage 82 f., 83 f., 85 f., 95 f., 97 f., 99 f., 118 ff., 124, 167 – Abzug von der Steuerschuld 64 ff., 95 f., 97 f., 99 f., 124 ff., 167 f. – Entlastungswirkung, progressionsunabhängige 83 ff., 118 f. – Entscheidungsneutralität 64 ff., 124 ff. – Existenzminimum, familiäres 80 ff., 82 f., 83 ff., 85 f., 114 ff., 124 ff., 141 f. – Grundfreibetrag, tariflicher 35, 44, 82 f., 85 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 97 f., 99 ff., 141 ff., 167 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 80 ff., 83 f., 95 f., 97 f., 99 ff., 114 ff., 118 ff. – Menschenwürdegarantie 114 ff., 141 ff.
220
Sachverzeichnis
Flat Tax (siehe auch Einkommensteuertarif; Einkommensteuertarif, proportionaler) 19 f. Formeltarif (siehe auch Tarifgestaltung, steuertechnische) 190 – Begriff 190 – Einkommensteuergesetz von 1958 44 – Steuerreform, große von 1954 44 Freigrenze (siehe auch Abzug von der Bemessungsgrundlage; Abzug von der Steuerschuld) 51 ff., 167 ff.; – Einkommensteuergesetz von 1925 39 – Preußische Klassensteuer von 1811 30 – Zulässigkeit 167 f. Freiheitsrechtliche Besteuerungsgrenzen (siehe auch Liberale Besteuerungsgrenzen; Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes) 128 ff., 131 ff., 141 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 128 ff., 141 ff. – Liberale Besteuerungsgrenzen 128 ff., 131 ff. Fundierte Einkünfte (siehe Kapitaleinkünfte) Funktion von Einkommensteilen 128 ff. Gesamtmengenstaffeltarif (siehe auch Tarifgestaltung, steuertechnische) 189 f. – Begriff 189 f. – Gleichheitssatz, allgemeiner 120 – Preußische Einkommensteuer von 1891 35 – Preußische Vermögens- und Einkommensteuer von 1812 31 Gesetz zur Neuordnung von Steuern von 1954 43 Gestaltungsspielraum, gesetzgeberischer 17 f., 86 ff., 88 ff. Gleichheitssatz, allgemeiner (siehe auch Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes) 106 ff. – Bezugspunkt 108 ff. – Einkommen, disponibles 80 ff., 93 ff., 114 ff. – Einkommensteuerbelastung 108 ff. – Einkommensteuertarif 86 ff., 114 ff., 122 ff. – Existenzminimum, familiäres 80 ff., 114 ff., 122 ff.
– Existenzminimum, steuerfreies 80 ff., 114 ff., 122 ff. – Gesamtsteuerbelastung 108 ff. – Gestaltungsspielraum, gesetzgeberischer 107 – Kriterium, nicht messbares 116 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 76 ff., 78 ff., 114 ff. – Markteinkommen, objektives 68, 93 ff., 122 ff. – Materieller Gehalt 106 ff. – Menschenwürdegarantie 114 ff. – „Neue“ Formel 107 f. – Schutz der Ehe und der Familie 76 ff., 78 ff. – Sozialstaatsprinzip 76 ff., 78 ff., 89 – Steuergerechtigkeit 76 ff., 78 ff., 89 – Vergleichskriterium 93 ff., 100 f., 106 ff., 110 ff., 114 ff., 122 ff. – Verhältnismäßige Gleichheit 106 – Wertmaßstäbe des Grundgesetzes 76 ff., 78 ff., 108 – Willkürformel 107 Grenznutzentheorie (siehe auch Opfertheorien) 57 ff., 116 f. – Anwendbarkeit auf das Einkommen 57 f. – Fehlende Bestimmbarkeit 57 ff., 90 f., 116 f. – Opfertheorien 54 ff., 86 ff., 114 ff. Grenzsteuersatz 187 Grundfreibetrag, tariflicher (siehe auch Abzug von der Bemessungsgrundlage) 82 f., 83 f., 85 f., 95 f., 97 f., 99 ff., 118 ff., 124 ff., 167 f. Grundfreibetragsentscheidung 23, 50, 78, 81, 82, 98, 99, 121, 142, 159, 167 f. Grundsatz der Gesamtdeckung 151 f., 152 ff. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 129 f., 151 ff. Halbteilungsgrundsatz 156, 165 f. „Heimliche“ Progression 45, 89 Jahressteuergesetz 1996 50 „Kalte“ Progression 45, 89 Kapitaleinkünfte (siehe auch Arbeitseinkünfte; Schedularisierung) 21, 51 f., 172 ff.
Sachverzeichnis Kindergeldkürzungsentscheidung 23, 77 f., 81, 82, 88, 102 Kindergeldregelung, sozialrechtliche 48, 80 Kompetenznormen 109 ff., 112 ff. – Freiheitsrechte 109 ff. – Gleichheitsrechte 112 ff. – Materielle Wirkung 109 ff., 112 ff. Kontrollratsgesetze 41 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip (siehe auch Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes; Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes) 76 ff., 80 ff., 104 ff., 106 ff., 128 ff. – Bezugspunkt 75 ff. – Einkommensteuerbelastung 75 ff. – Forderung, rechtspolitische 75 – Freiheitsrechtliche Fundierung 128 ff., 141 ff. – Gesamtsteuerbelastung 75 f. – Gleichheitsrechtliche Fundierung 76 ff., 80 ff., 106 ff. – Historisches Verständnis 23, 148 ff. – Leistungsfähigkeitsindikatoren 76, 109 ff. – Leistungsfähigkeitsmindernde Umstände 80 ff., 118 ff. – Objektives Nettoprinzip 16, 84 – Periodenbezogenheit 176 ff. – Prinzip des überpositiven Rechts 75 – Rechtspolitische Forderung 75 – Schedularisierung 172 ff. – Selbstständiges Prinzip 104 ff. – Steuergerechtigkeit 15, 87 – Strukturprinzip des einfachen Rechts 75 – Summarisches Prinzip 104 ff. – Ungeschriebenes Verfassungsrecht 105 – Verfassungsrechtliches Prinzip 15, 76 ff., 104 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes (siehe auch Leistungsfähigkeitsprinzip; Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes) 128 ff., 141 ff. – Abzug von der Bemessungsgrundlage 97 f., 99 ff., 101 ff., 167 f., 168 f. – Abzug von der Steuerschuld 97 f., 99 ff., 101 ff., 167 f., 168 f.
221
– Allgemeines Persönlichkeitsrecht 143 ff. – Betreuungs- und Erziehungsbedarf 95, 101 f. – Einkommensteuertarif 161 ff., 164 ff. – Ergebnisbezogene Grenzen 167 f. – Existenzminimum, familiäres 141 ff., 168 f. – Existenzminimum, steuerfreies 141 ff., 167 f. – Funktion von Einkommensteilen 141 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 76 ff., 80 ff., 106 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, historisches Verständnis 148 ff. – Liberale Besteuerungsgrenzen 128 ff., 131 ff. – Menschenwürdegarantie 142 f. – Periodenbezogenheit 176 ff. – Quantifizierung 128 ff., 157 ff. – Schedularisierung 172 ff. – Unterhaltsanspruch, zivilrechtliche Höhe 95, 101 f. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 151 ff. – Vorgaben für die Besteuerung 161 ff., 166 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes (siehe auch Gleichheitssatz, allgemeiner; Leistungsfähigkeitsprinzip; Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes) 76 ff., 80 ff., 106 ff. – Abzug von der Bemessungsgrundlage 80 ff., 83 ff., 97 f., 99 ff., 101 ff. – Abzug von der Steuerschuld 80 ff., 83 ff., 97 f., 99 ff., 101 ff. – Allgemeines Persönlichkeitsrecht 114 ff. – Ausgleich regressiver Wirkungen indirekter Steuern 17, 60 f., 89 f., 108 ff., 113 – Betreuungs- und Erziehungsbedarf 82, 84 f., 161 – Bezugspunkt 75 f. – Einkommen, disponibles 76 ff., 80 ff., 83 ff., 93 ff. – Einkommensteuerbelastung 75 f., 108 ff. – Einkommensteuertarif 86 ff., 88 ff., 102 f. – Einkommensteuertarif, linear-progressiver 15
222
Sachverzeichnis
– Einkommensteuertarif, progressiver 15 ff., 86 ff., 88 ff., 161 ff. – Einkommensteuertarif, proportionaler 15 ff., 86 ff., 88 ff., 90 – Entscheidungsneutralität 68 ff. – Existenzminimum, familiäres 82 f., 85 f., 97 f., 101 f., 114 ff., 118 ff. – Existenzminimum, steuerfreies 80 ff., 83 f., 95 f., 97 f., 99 ff., 114 ff., 118 ff. – Freiheitsrechtliche Gehalte 76 ff., 78 ff., 92 ff., 114 ff. – Funktion des Einkommens 114 ff. – Gesamtsteuerbelastung 75 f., 108 ff. – Gleichheitssatz, allgemeiner 76, 106 ff. – Leistungsfähigkeitsindikatoren 76, 109 ff. – Leistungsfähigkeitsmindernde Umstände 80 ff., 118 ff. – Menschenwürdegarantie 76 – Nutzen disponiblen Einkommens 86 ff., 94 ff. – Opfertheorien 54 ff., 86 ff., 114 ff. – Periodenbezug 176 ff. – Realitätsgerechte Berücksichtigung 81 – Schedularisierung 172 ff. – Sozialstaatsprinzip 76 – Steuergerechtigkeit 15, 87 – Stufengrenzsatztarif 120 – Tarifsprung 121 – Unterhaltsanspruch, zivilrechtliche Höhe 81, 85, 95, 101 f., 114 ff. – Vorgaben für die Besteuerung 117 ff. Liberale Besteuerungsgrenzen (siehe auch Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes) 128 ff., 131 ff. – Allgemeine Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich 134 – Belastungsgegenstand 139 ff. – Berufsfreiheit 140 – Eigentumsgrundrecht 131 ff. – Einkommensteuertarif, proportionaler 164 ff. – Funktion des Eigentumsrechtes 135 ff. – Funktionswandel 135 ff. – Gegenstandsbezogener Schutzbereich 129, 132 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 128 ff., 141 ff. – Quantifizierung 129 f.
– Theorie des mittelbaren Vermögensschutzes 139 ff. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 163 Markteinkommen, objektives (siehe auch Entscheidungsneutralität) 68, 93 f., 122 ff. – Entscheidungsneutralität 64 ff. – Gleichheitssatz, allgemeiner 122 ff. – Verfassungsrecht 122 ff. – Vorgaben für die Besteuerung 124 ff. – Wettbewerbsfreiheit 122 ff. Marktwirtschaft 122 ff. Menschenwürdegarantie (siehe auch Allgemeines Persönlichkeitsrecht; Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes; Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes) 114 ff., 142 f. Miquel, Johannes von 34 Neutralität der Besteuerung (siehe auch Entscheidungsneutralität) 61 ff., 63 – Allokationseffizienz 63 – Belastungswirkung 61 ff. – Entscheidungsfixe Steuern 62 – Entscheidungsneutralität 63, 64 ff. – Gestaltungswirkung 61 ff. – Verfassungsrecht 122 ff. – Zielorientierte Steuern 62 Non-Affektationsprinzip (siehe Grundsatz der Gesamtdeckung) Nutzen disponiblen Einkommens 54 ff., 94 ff., 114 ff. – Fehlende Messbarkeit 57 ff., 116 f. – Gleichheitssatz, allgemeiner 86 ff., 94 ff., 114 ff. – Grenznutzentheorie 54 ff., 116 f. – Opfertheorien 54 ff., 86 ff., 121 f. Ökonomische Analyse des Rechts 71 ff. Opfertheorien (siehe auch Grenznutzentheorie) 54 ff., 86 ff., 114 ff. – Fehlende Bestimmbarkeit 57 ff., 90 f., 116 f. – Grenznutzentheorie 54 ff., 57, 88 – Inkonsistenzen 60 – Interindividuelle Vergleichbarkeit 54 ff., 59
Sachverzeichnis – – – –
Theorie des „equal sacrifice“ 56 Theorie des „minimum of sacrifice“ 56 f. Theorie des „proportionate sacrifice“ 56 Voraussetzungen 54 ff.
Periodenbezogenheit des Leistungsfähigkeitsprinzips 176 ff. Popitz, Johannes 38 Preußische Einkommensteuer von 1891 34 f. Preußische Klassen- und klassifizierte Einkommensteuer von 1851 33 f. Preußische Klassensteuer von 1811 29 f. Preußische Kriegssteuern 26 ff. Preußische Vermögens- und Einkommensteuer von 1812 30 ff. Preußisches Reglement von 1808 26 ff. Prinzipien gerechter Besteuerung 15 ff. Quantifizierung 129, 152 ff. – Abwägungsmodell 157 ff. – Gefahren fehlender Quantifizierung 159 ff. – Schwierigkeiten der Quantifizierung 129, 152 ff. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 157 ff. Reform des Einkommensteuerrechts der USA von 1981 / 1986 18 Reform des Einkommensteuerrechts in Norwegen von 1992 21 Regressive Wirkungen indirekter Steuern 17, 60 f., 89 f., 108 ff., 113 Schedularisierung (siehe auch Arbeitseinkünfte; Kapitaleinkünfte) 21, 51 f., 172 ff. – Historische Entwicklung 26 ff., 51 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 172 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 172 ff. – Verfassungsmäßigkeit 172 ff. Sozialstaatsprinzip 76 ff., 78 ff., 89, 90 Spitzensteuersatz 187 Steueränderungsgesetz 1964 45 Steuerentlastungsgesetz 1999 50 Steuergerechtigkeit 15 ff., 87 Steuerreform, große von 1954 43
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Steuerreform, kleine von 1953 43 Steuerreformgesetz 1990 49 Steuersenkungsgesetz 1986 / 1988 48 ff. Steuerstaatlichkeit 129 Stufenbetragstarif (siehe auch Tarifgestaltung, steuertechnische) 189 – Begriff 189 – Einkommensteuergesetz von 1934 40 – Preußische Klassensteuer von 1811 30 – Preußisches Einkommensteuergesetz von 1891 35 Stufengrenzsatztarif (siehe Anstoßtarif; siehe auch Tarifgestaltung, steuertechnische) Stufensatztarif (siehe auch Tarifgestaltung, steuertechnische) 189 f. – Begriff 189 f. – Einkommensteuergesetz von 1920 37 – Preußisches Reglement von 1808 27 Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte 49 Tarifgestaltung, steuertechnische 52 f., 189 f. – Anstoßtarif 120, 189 f. – Formeltarif 44, 190 – Historische Entwicklung 26 ff., 52 f. – Stufenbetragstarif 189 – Stufengrenzsatztarif 120, 189 f. – Stufensatztarif 189 – Teilmengenstaffeltarif 120, 189 f. Tarifsprung 31, 45, 46 f., 121, 189 f. – Unzulässigkeit 121 Teilmengenstaffeltarif (siehe Anstoßtarif; siehe auch Tarifgestaltung, steuertechnische) Theorie des „equal sacrifice“ (siehe auch Opfertheorien) 56 Theorie des „minimum of sacrifice“ (siehe auch Opfertheorien) 56 f. Theorie des „proportionate sacrifice“ (siehe auch Opfertheorien) 56 Unfundierte Einkünfte (siehe Arbeitseinkünfte) Unterhaltsanspruch, zivilrechtliche Höhe 81, 85, 95, 101 f., 114 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 95, 101 f.
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Sachverzeichnis
– Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 81, 85, 95, 101 f., 114 ff. Unterhaltspflichten 80 ff., 83 ff., 114 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, freiheitsrechtlich fundiertes 141 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip, gleichheitsrechtlich fundiertes 80 ff., 83 ff., 114 ff. – Realitätsgerechte Berücksichtigung 81 – Sozialrechtliche Berücksichtigung 80 – Unterhaltsanspruch, zivilrechtliche Höhe 81, 85, 95, 101 f., 114 ff. Verbreiterung der Bemessungsgrundlage 18 Vergleichskriterium (siehe Gleichheitssatz, allgemeiner) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 129 f., 151 ff. – Angemessenheit 164 ff. – Belastungsgegenstand 155 ff.
– Besteuerung 129 f., 151 ff. – Einkommensteuerbelastung 155 ff. – Einkommensteuertarif, progressiver 164 ff. – Einkommensteuertarif, proportionaler 167 ff. – Einkommensteuertarif, regressiver 163 – Erforderlichkeit 162 f. – Fiskalzweck 153 ff. – Geeignetheit 162 – Gesamtsteuerbelastung 155 ff. – Grundsatz der Gesamtdeckung 153 ff. – Halbteilungsgrundsatz 156, 165 f. – Quantifizierung 128 ff., 157 ff. Vollständige Besteuerung bestimmter Einkommensteile 40, 163 Wettbewerbsfreiheit (siehe auch Entscheidungsneutralität) 122 ff. Wirtschaftsverfassung 123