Das Schuldenmachen der Justizbeamten: Beleuchtung der Allgemeinen Verfügung des Herrn Justiz-Minister Mühler vom 24. Januar 1843; gewidmet allen nichtetatsmäßigen Justizbeamten [Reprint 2022 ed.] 9783112670743, 9783112670736


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German Pages 25 [48] Year 1843

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Vorrede
Inhalt
Kapitel I. Das Urtheil über die Befähigung zur Staatsanstellung hängt nicht von Willkühr ab, sondern ist durch bestimmte Gesetze geregelt
Kapitel II. Die Allgemeine Verfügung vom 24. Zanuar 1843. bestimmt etwas Neues, von der bestehenden Gesetzgebung Abweichendes
Kapitel III. Die Allgemeine Verfügung vom 24. Zanuar 1843. hat keine verbindliche Kraft
Kapitel IV. Zweck und muthmaßliche Folgen dieser Beweisführung
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Das Schuldenmachen der Justizbeamten: Beleuchtung der Allgemeinen Verfügung des Herrn Justiz-Minister Mühler vom 24. Januar 1843; gewidmet allen nichtetatsmäßigen Justizbeamten [Reprint 2022 ed.]
 9783112670743, 9783112670736

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Schrrl-enmachen der Justhbeamten.

Beleuchtung der Allgemeinen Verfügung des Herrn Zustiz-Minister Mühler vom 24. Januar 1843.

Gewidmet allen nicht etatsmäßigen Justizbeamten!

P e r l i n. Verlag von Beit und Comp. 18*8.

Vorrede. jy»ti Monate find verflossen seit Publication der Allgemeinen

Verfügung vom 24. Zanuar 1843., betreffend das Schulden­

machen der Zustizbeamten.

Zwei Monate lang hört man

Besorgnisse aussprechen, und Klagen ausstoßen über die Unge­ rechtigkeit einer Maaßregel, welche vieljährigen Fleiß, vieljährige

Anstrengung und Entbehrung in dem Moment, wo in einer besoldeten Staatsstelle der Lohn für so große Aufopfemng wartet, mit einem Federstriche um ihre Lebenshoffnung täuscht. Orffentliche Zeitungen bringen die Gewißheit, daß man die

Verfügung mit aller Strenge ausführe; satyrische Blätter, wie die Lokomotive, geißeln die Maaßregel mit Spott: — und der Beamtenstand, der allein unter jener Verfügung leidet, verharrt im tiefstem Schweigen.

Zwar mögen Rückfichten

mannichfacher Art zur Vorsicht anrathen: allein tief durch­

drungen

von

unserer Beamtenpflicht, „dem

Staatsober­

haupte, außer den allgemeinen Unterthanenpflichten, noch

IV

besondere wir

Treue diesem

in

und

Gehorsam

lebendigen

unS einer Seits

vor

schuldig

Gefühle

zu

sein,"

Talisman,

einen

sehen

der

unerlaubter Opposition bewahren wird,

anderer Seits uns den Muth giebt, unsere Beschwerden offen und freimüthig zur Kenntniß des Herrn Zustiz-Ministers und

der höchsten Staatsbehörden zu bringen und auf diesem streng

bitten.

gesetzlichen Wege um Abhülfe zu

Gehören wir doch

mit stolzestem Bewußtsein dem Stande an, welcher als Richter

berufen ist, Recht ohne Ansehen der Person zu üben, und als Rechtsanwalt verpflichtet, das Recht ohne Menschenfurcht und Nebenrücksicht zu vertheidigen!

Wir haben lange gewartet, ob nicht eine gewandtere Feder die Vertheidigung übernehmen wird: sie ist ausgeblieben.

übergeben Allem

Wir

daher diese kleine Schrift dem Publikum und vor

unsern

Standesgenvffen,

zwar mit den bescheidensten

Ansprüchen auf die Güte der Arbeit, aber mit dem vollsten Ansprüche auf Anerkennung unserer redlichen

lind wohlwollen­

den Absicht.

Berlin, den 31. März 1843.

Gin Justizbeamter.

Inhalt. Seite.

Das Urtheil über die Befähigung zur Staats­ anstellung hängt nicht von Willkühr ab, sondern ist durch bestimmte Gesetze geregelt .... 7 Kapitel II. Die Allgemeine Verfügung vom 24. Zanuar 1843. bestimmt etwas Neues, von der bestehenden Ge­ setzgebung Abweichendes.................................... 13 Kapitel III. Die Allgemeine Verfügung vom 24. Zanuar 1843. hat keine verbindliche Kraft............................... 34 Kapitel IV. Zweck und muthmaßliche Folgen dieser Beweis­ führung ............................................................... 44

Kapitel I.

Kapitel I. DaS Urtheil über die Befähigung zur Staatsanstellmig hängt nicht von Willkühr ab, sondern ist -urch bestimmte Gesetze geregelt.

HDaS Zustiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege bringt unterm 3. Februar 1843.

S. 22.

eine „Allgemeine Verfügung vom 24. Januar 1843. — Schuldenmachen der Zustizbeamten betreffend".

das

Sie lautet:

Seine Majestät der König haben aus Veranlassung ein­

zelner Fälle zu befehlen geruht, daß dem höchst nachtheiligen

Schuldenmachen der Beamten fortwährend möglichst entgegen­ gewirkt werden soll. Zur Befolgung dieses Allerhöchsten Befehls werden auch die sämmtlichen Gerichtsbehörden angewiesen,

1) einen Jeden, der im Königlichen Zustizdienst als Aus­ kultator oder im Subalternfach angestellt sein will, zur Erklä­

rung

aufzufordern:

ob

er Schulden

habe

und

worin

diese

bestehen?

Des Herrn Kriegs-Ministers Excellenz hat die Militairbehörden angewiesen, den Civilbrhörden über das Schuldenwe­ sen

der

zum

Civildienst

geeigneten

MilitairS

die

nöthigen

Notizen mitzutheilen, und Zndividuen, welche durch unregel-

8 mäßigen Lebenswandel in Schulden gerathen sind, den Civilbehörden gar nicht zur Anstellung vorjuschlagen oder zu em­ pfehlen. 2) Sind die Schulden so bedeutend, daß derm Tilgung nicht binnen Jahresfrist erfolgen kann, so ist dem Imploranten die Annahme in den Zustijdienst zu versagen. 3) Sind sie nicht von dieser Bedeutung, so ist demselben zwar die Annahme nicht zu versagen, ihm jedoch zu eröffnen, daß er keine definitive Anstellung erhalten könne, als bis er seine Schulden vollständig getilgt haben werde. 4) Bei jeder ersten Anstellung mit Gehalt ist diese Aufforderung (§. 1.) zu wiederholen. 5) Betragen die Schulden des mit Gehalt Anzustellenden mehr als das ZahreSgehalt, was ihm zu Theil werden könnte, so ist er nicht anzustellen. 6) Betragen sie weniger, so ist der Beamte provisorisch anzustellen. 7) Eine definitive Anstellung findet nur erst statt, wenn er seine Schulden getilgt haben wird. 8) Ueberhaupt muß dem Schuldenmachen der Beamten durch Ermahnungen zu einer sparsamen, dem Einkommen ent­ sprechenden Lebensweise und durch sonstige angemessene Vorhal­ tungen sowohl bei der Diensteinführung der neu angestellten Beamten, als besonders dann entgegengewirkt werden, wenn die Vorgesetzten bemerken, daß der Beamt« die ihm ertheilten Ermahnungen nicht beachtet und Schulden gemacht hat. 9) Gegen unverbesserliche und leichtsinnige Schuldenmacher ist nach der ganzen Strenge des Gesetzes ohne Nachsicht einzuschreiten und «S ist ihre Entfernung aus dem Zustizdienst einzulriten.

9 10) Wenn dagegen Zustizbeamte ohne ihr eigenes Ver­ schulden durch Unglücksfälle und andere ungewöhnliche Ereig­ nisse in Schulden gerathen sind, so ist von ihren Vorgesetzten

darauf zu halten, daß diese Schulden nach und nach bezahlt und

die Beamten

dabei

möglichst erleichtert werden.

Dies

wird besonders dadurch geschehen können, wenn durch einen zu

ernennenden Commiffarius

eine außergerichtliche

kostenfrei zu

bearbeitende gütliche Bereinigung zwischen den Gläubigern und

dem Schuldner über deren Befriedigung durch freiwillige Ge­

haltsabzüge versucht, und falls diese Vereinigung gelingt, die

Befriedigung der Gläubiger in Quartal-Raten durch den Com­ miffarius bewirkt und dadurch die Einleitung eines förmlichen gerichtlichen Gehalts-Abzugsverfahrens vermieden wird.

Berlin, den 24. Januar 1843. Der Justiz-Minister Mähler.

An sämmtliche Gerichts-Behörden. Diese Verfügung zerfällt rücksichtlich der Beamten, über welche sie Bestimmungen trifft, wesentlich in zwei Theile.

Sie

handelt nämlich

a) von solchen Personen, die als Auskultatoren oder Subalternbeamte in den Justizdienst erst eintreten, das heißt, Justizbeamte erst werden wollen

b) von bereits gedienten Justizbeamten, die schon zu einer

Anstellung mit Gehalt berechtigt sind. Es ist dies wohl zu sondern.

Der Staat hat unbestreit­

bar das Recht, die Bedingungen festzusetzen, welche Jeder er­ füllen muß, der Ansprüche auf eine Anstellung im Staatsdienste

machen

Tit. 10.

will.

Es

bestimmt

daher

auch Landrecht Th. II.

10

H 70. Es soll Niemanden ein Amt aufgetragen werden, der sich dazu nicht hinlänglich qualificirt, und Proben seiner Geschicklichkeit abgelegt hat. H. 71. Wem die Besetzung der verschiedenen Arten von Civilbedienttngen zukomme? wer zu dergleichen Bedienungm gelangen könne? und was für Vorbereitun­ gen und Prüfungen dazu vorhergehen müssen? ist, nach Verschiedenheit der Fächer und Stufen solcher Bedienungen, durch specielle Gesetze und Instructionen bestimmt. Nun ist es zwar eine streitige und von Staatsrechtsleh­ rern sowohl als von Juristen vielfach erörterte Frage, ob die gesetzliche Qualifikation zu einem Amte auch einen rechtlichen Anspruch auf die Anstellung gebe? Einige Gesetze scheinen dies geradehin anzuerkennen. So befiehlt, beispielsweise, die an das Königl. Staats-Ministerium unter dem 7. August 1820. ergangene Kabinrtsordre: es solle, um den Eifer der Soldaten, längere Zeit als Untervfficiere zu dienen, zu beleben, den Unterofficieren der Armee die sichere Aussicht zur Anstellung im Civil­ dienst e eröffnet werden. v. Kamptz Zahrb. Bd.16. S.11. Gräff: Bd. 3. S. 167. So diSponirt Allg. G. O. Th. III. Tit. 4. §. 30. Diejenigen Referendarien, welche sich solchergestalt zu RathSstellen gehörig legitimirt haben, sollen bei erster Gele­ genheit versorgt werden und viele andere Gesetze AehnlicheS. Allein nehmen wir selbst an, die Verleihung d«S Amtes sei lediglich Sache der Willkühr von Seiten der Vorgesetzten und DepartementSchefs, oder, in den geeigneten Fällen, der

11

Gnade Sr. Majestät des Königs, der Art, daß unter den Anstellungsbefähigten eigenbeliebig, ohne gesetzliche Norm, ge­ wählt werde (ein Zustand, der in unserm Baterlande Gottlob!

nicht vorhanden): immerhin ist das Urtheil über die Anstellungs­

befähigung

weder

von Willkühr noch von Gnade abhängig.

Das Landrecht sagt vielmehr in dem oben allegirten §>. 71., „specielle Gesetze und Instructionen bestimmen,

wer zu

den Staatsbedicnungen gelangen könne und welche Borbereitun­

gen und Prüfungen voraufgehen müssen?" Wer sich also dem Staatsdienste widmen will,

mag zuvor überlegen,

ob er die

Qualifikation, welche der Staat in jenen „speciellen Gesetzen

und Instructionen" aufstellt, zu erfüllen Willens und im Stande sei, und wenn ihm die Erreichung der Qualifikation nicht zu­

sagt oder unmöglich erscheint, vom Staatsdienste fern bleiben. So lange daher der Staat jene „speciellen Gesetze und In­ structionen" rechtszeitig publicirt und zur Kenntniß seiner Un­

terthanen bringt, wird Niemand sich über eine Ungerechtigkeit

zu beschweren haben: der Staat zwingt ihn nicht, eine Staats­ stelle anzunehmen; und es bleibt in die freie Wahl jedes Ein­

zelnen gestellt, ob er das Ziel erstreben wolle oder nicht.

Aus

diesem Gesichtspunkte kann man die Allgemeine Verfügung vom 24. Januar 1843., insoweit sie sich ad a. auf solche Personen bezieht, die in den Zustizdienst erst eintketen wollen, zwar hart

aber nicht ungerecht finden.

Jedermann weiß, wer Schulden

hat, kann nicht Zustizbeamter werden.

Das mag nun zwar

für Manchen, der vorzugsweise Neigung und Talent für den

Zustizdienst hatte, sehr unbequem sein; es mag vielleicht auch eine Maaßregel sein, welche, indem sie

den Reichthum auf

Kosten der Intelligenz bevorzugt, vom staatsrechtlichen Stand­ punkte aus

manchem Tadel unterliegt

— diese publicistische

12 Frage intereffirt uns zunächst nicht — immer aber ist's be­ stimmt ausgesprochen: Schulden schließen, zeitweise oder gänzlich, vom Zustizdienst aus; und wer bisher sein Geschick betrauert hat, daß er wegen Mangels an Reichthum nicht Ritterguts­ besitzer, Banquier, Fabrikant oder wer sonst zu den reichen Ständen gehören mag, werden könne, der möge fortan den Zustizdienst mit hinzurechnen zu den Glücksgütern, die er nicht erreichen kann) Ganz anders verhält es sich aber mit dmjenigen Justiz­ beamten, welche vor Emanation der Allgemeinen Verfügung vom 24. Zanuar 1843. entweder die vollständige Qualifikation zur Anstellung bereits erlangt, oder doch einen Theil derjenigen „Vorbereitungen und Prüfungen" bestanden hatten, „welche nach Verschiedenheit der Fächer und Stufen solcher Bedienun­ gen durch specielle Gesetze und Instructionen bestimmt" waren. Für diese ist die qu. Allgemeine Verfügung offenbar rin neues Gesetz, das auf schon vorhin vorgefallene Hand­ lungen und Begebenheiten nicht angewendet werden kann. Allg. Landrecht Einl. §. 14. Hiergegen greift auch nicht die Bemerkung durch, daß die Anstellung selbst nur Gnadensache sei und daß daher, wer die neue Qualifikation nicht habe, jener Gnade, auf die man eben als Gnade kein erzwingbares Recht habe, niemals theilhaftig werden könne. Wir bedürfen behufs Zurückweisung solch' un­ würdiger Behauptung nicht der juristischen Schulweisheit, welche von einem Quasi-Contracts-Verhältniß zwischen dem Staate uud seinen Beamten spricht, das einseitig nicht verändert wer­ den könne; wir bedürfen keiner aus dem Privatrecht entlehn­ ten Rechtslehren; denn wissen wir gleich, daß die Verleihung von Staatsämtern und Würden ein MajestätSrecht sei, so

13

wissen wir zugleich mit stolzestem Bewußtsein, daß Gerechtigkeit Es würde aber

der Wahlspruch des Preußischen Staates ist.

gegen alle Gerechtigkeit verstoßen, wenn man von Beamten,

die nach der bestehenden Gesetzgebung

sich die

vollkommenste

Anstellungsfähigkeit erworben haben, in dem Augenblicke, wo ein Amt als Lohn für vieljährige Dienste ihnen verliehen wer­

den soll, neue Qualifikationen forderte, die bisher nicht bestanden. Als solche Ungerechtigkeit erscheint die Allgemeine Verfü­ gung vom 24. Zanuar 1843. und es soll nachgewiesen werden:

1) daß jene Verfügung thatsächlich etwas ganz Neues, von der bestehenden Gesetzgebung völlig Abweichendes verordnet 2) daß jene Verfügung keine verbindliche Kraft hat.

Kapitel II. Die Allgemeine Verfügung vom TL. Januar 1843. bestimmt etwas Neues, von der bestehenden Gesetz­ gebung Abweichendes.

Der Theil III. der Gerichts-Ordnung handelt „von den

Pflichten der bei der Justiz angesetzten Personen" und bestimmt darin unter Anderm, welcher Art die Beamten qlialificirt sein

müssen, um für die verschiedenen Aemter befähigt zu erscheinen. Wir übergehen hier Alles, was auf die wissenschaftliche Quali­ fikation Bezug hat, indem die Verfügung vom 24. Zanuar 1843. hierüber keine Anordnungen trifft. vorliegenden Falle einzig und allein

der

Beamten

zu Staatsstellen.

Uns interesfirt im

die sittliche Befähigung

Zu dem Ende stellen wir

zunächst die gesetzlichen Bestimmungen zusammen.

14 G.-O. Th. III. Tit. 2. handelt von dem Amte der Präpdenten und Direktoren.

$. 9.

Auf diejenigen Mitglieder oder Subalternen des Kollegii, welche sich in übertriebenen, ihrem Stande, Ver­ mögen und Einkünften nicht angemessenen Aufwand

einlaffen; ingleichen auf diejenigen, von welchen verlau­

tet, daß sie mit Schulden belastet sind, müffm die

Präsidenten besonders genau Acht haben, da dergleichen in ihren häuslichen und Vermögens-Umständen zerrüt­ tete Leute nicht nur gemeiniglich allzusehr zerstreut und

beunruhigt sind, als daß sie ihren AmtSgeschäften mit der erforderlichen Aufmerksamkeit und Application ob­ liegen könnten; sondern auch Zustizbediente, die durch

Verschwendung und Schulden in Verlegenheit gerathen, ihre Pflichten den Versuchen des Eigennutzes und der

Korruption aufzuopfern,

am ersten bewogen werden

können. G.-O. Th. III. Tit. 3. handelt „von dem Amte der

Räthe bei den Zustiz-Kollegien." 5.

Auch außerhalb ihres Amtes müssen sie sich eines an­ ständigen, gesitteten und regelmäßigen Lebenswandels

befleißigen, nicht nur grober, ihr Amt entehrender Aus­ schweifungen sich enthalten, sondern auch ihr ganze-

Betragen Andern zum Muster der Redlichkeit, Uneigen­ nützigkeit, Verträglichkeit und aller übrigen bürgerlichen

und christlichen Tugenden dienen lassen.

H. 6.

Auch in ihrer häuslichen Oekonomie müssen sie sich der Ordnung und Regelmäßigkeit befleißigen, und vor Schul-

denmachtn sorgfältig hüten.

Sollte es mit einem

Rathe bei der Justiz, den Präsidenten mit eingefchlof-

15 sen, soweit kommen, daß er, durch daS Zudringen sei­

ner Gläubiger,

auf einen Zndult,

eine Behandlung,

oder die Rechtswohlthat der BermögenSabtretung

zu

provociren genöthigt würde; oder daß sein Schulden­ wesen

zur

Konkurseröffnung

sich anließe;

oder

Personalarrest gegen ihn verhängt werden müßte;

daß

so

kann er seine Zustizbedienung nicht ferner beibehalten, sondern eS muß bei Sr. König!. Majestät auf seine Entlassung angetragen werden.

Tit. 4. handelt „von dem Amte der Referendarien und Auskultatoren".

H. 1.

Zunge Leute, welche sich der Justiz widmen wollen,

müssen sich, nach absolvirten Studien, bei dem Präsi­ denten oder Chef eines Zustizkollegii schriftlich melden,

beglaubte Zeugnisse ihres Fleißes und Wohl verhal­ tens auf Akademieen beibringen.

Dergleichen Zeug­

nisse müssen nicht bloß von einzelnen Professoren, oder

andern akademischen Lehrern ausgestellt sein,

sondern

der Studirende muß dergleichen Atteste vor seinem Ab­ gänge von der Akademie, dem Rector oder Prorector

derselben vorlegen, seinen

dadurch

und sich von diesem sowohl über

nachgewiesenen

Fleiß,

als

über sein

während des Aufenthalts auf der Akademie beobachte­

tes sittliches Betragen, ein pflichrmäßiges Zeugniß

unter dem Siegel der Universität ertheilen lassen. $. 2.

Ein solcher Kandidat muß hiernächst von Mitteln und

Unterstützungen nicht ganz entblößt sein, damit er wäh­

rend der zu seiner Vorbereitung und Prüfung erforder­

lichen Zeit sich seinen Unterhalt verschaffen,

und die

Gelegenheit zu feiner Versorgung abwarten könne.

16 Zst nun ein solcher Kandidat als Auskultator angenom­

men worden, so geht die pflichtmäßige Beaufsichtigung von Seiten seiner Vorgesetzten an.

Um Referendarius zu werden,

verordnet demnächst, 12.

Ein wesentliches Erforderniß bei der Zulassung jnni Referendariat ist jedoch ein ordentlicher Lebenswandel

und ein nach den Vorschriften der gesunden Bemunst und des Christenthums eingerichtetes Betragen. Leute also, welche sich liederlichen oder niederträchtigen Aus­

schweifungen ergeben haben, müssen nicht zugelaffen werden, wenn es ihnen auch sonst an der erforderli­

chen Geschicklichkeit nicht mangeln sollte; und die

Kollegien müssen von dem Charakter und der Auf­ führung der bei ihnen sich meldenden Kandidaten sichere Nachricht einjuziehen suchen, auch was sie da­

durch in Erfahrung gebracht haben, jedesmal in

ihrem Berichte anzeigen.

§. 18.

UebrigenS müssen die den Zustizbedienten überhaupt

vorgeschriebenen Pflichten der Rechtschaffenheit, Akkura­ tesse, Arbeitsamkeit und Verschwiegenheit auch von den

Referendarien heilig beobachtet werden; und sie müs­ sen während der Zeit, da sie auf dieser Stufe stehen,

sich einer fortgesetzt regelmäßigen und stillen Auffüh­

rung befleißigen; widrigenfalls, wenn sie sich zum unordentlichen Leben,

Schuldenmachen und andern

Excessen hinreißen lassen, oder sonst die von ihnen

geschöpfte Hoffnung ihrer künftigen Brauchbarkeit durch unverbesserlichen Leichtsinn, Trägheit oder Zerstreuun­ gen vereiteln, die Präsidenten auf die Ausstoßung

solcher unwürdiger und untauglicher Subjecte, sonder

17 Anstand oder Schonung in Zeiten anzutragen schuldig sind.

Aus solchen Referendarien nun, welche bei wissenschaftli­

cher

Befähigung

ihren ordentlichen

Lebenswandel auf diese

Weise bethätigt haben, werden die Assessoren und Räthe für die Obergerichte gebildet.

für die

Eine besondere Vorschrift

Assessoren, rücksichtlich ihres sittlichen Verhaltens, existirt nicht.

Sie folgt von selbst aus den Bestimmungen für die Referen-

darien und Räthe, zwischen welchen die Assessoren die Mittel­ stufe bilden.

§. 32.

Zu bemerken ist noch

Referendarien,

die

zwar

Kenntniß der Gesetze,

und

ebenfalls

eine gründliche

eine gute Fertigkeit

in

Anwendung der Vorschriften der Prozeßordnung sich

durch mehrjährige Uebung erworben, auch sich durch

Fleiß und Applikation, und durch einen stillen regel­ mäßigen

Lebenswandel

ausgezeichnet

haben,

denen

aber ein geringeres Maaß an natürlichen Fähigkeiten

zu Theil geworden ist; oder deren häusliche oder

Familienzustände es nicht gestatten, daß sie die Versorgung bei einem Landesjustiz-Kol-

legio abwarten können, sollen

nach dem Ver­

hältniß ihrer Tüchtigkeit, als Räthe bei minder wich­ tigen Zustiz-Kollegien rc. re. ihre Versorgung erhalten.

§. 33.

Denn es ist Sr. König!. Majestät Allerhöchste und

ernstliche Willensmeinung, daß in Höchstdero Landen

niemand zu irgend einer Zustizbedienung,

sie

habe

Namen wie sie wolle, zugelaffen werden soll, welcher

sich nicht zuvor bei einem Zustizkvllegio praktisch formirt

hat; und dabei

in

Ansehung

seiner

Talente

und Kenntnisse sowohl, als in Ansehung seiner mora-

2

18 lischt« Grundsätze und Konduite, hinlänglich geprüft worden ist. Hiermit sind eigentlich die gesetzlichen Bestimmungen über die sittliche Qualifikation der Zustizbeamten Behufs einer Staats­ anstellung erschöpft. Der Tit. 5., welcher „ von den Subal­ ternen bei dem Zustizeollegium" handelt, verlangt, daß die Secretarien aus den Referendarien entnommen werden sollen, und giebt dadurch hinreichende Norm über ihre sittliche Befä­ higung. Die andern Subalternbeamten unterliegen den allge­ meinen Bestimmungen über das ordentliche Betragen der StaatSdiener; mindestens giebt die GerichtSordnling für sie keine be­ sondere Vorschriften. Die Fiskalischen Bedienten, von denen Tit. 6. handelt, existiern nicht mehr. Die Zustizkommiffarien (Tit. 7.) müssen vorher Referendarien gewesen sein. Auf sie paßt daher gleichfalls dasjenige, was von den Referendarien an sittlicher Qualifikation gefordert wird. ES bestimmt: Tit. 7. §>. 12. Es soll Niemand zu einem Zustizkommiffario bestellt werden, der nicht zuvor eine Zeitlang bei einem Justizeollegio als ReferendariuS gestanden; nnverdäch. tige Proben von Geschicklichkeit und Betriebsamkeit abgelegt; und sich übrigens jeder Zeit eines stillen, regelmäßigen und durchaus rechtschaffenen Verhaltens beflissen hat. Endlich verordnet Tit. 8. §. 5. Alle Zustizbedienten bei Untergerichten, ohne Unterschied und Ausnahme, haben eben dieselben Pflich­ ten eines pünktlichen Gehorsams und Folgsamkeit ge­ gen die Gesetze; eines ernstlichen Eifers, Fleißes lind aufmerksamen Bestrebens zur Beförderung der gott­ gefälligen Justiz; einer unverdrossenen und anhalten-

19 den Betriebsamkeit in Ansehung aller und

jeder zu

ihrem Amte gehörigen Verrichtungen; einer durchaus untadelhasteu Rechtschaffenheit

und strengen Unpar-

theilichkeit zu beobachten, welche in den vorigen Titeln

den bei den Landes-Zustizkollegien «»gesetzten Perso­ nen umständlich vorgeschrieben worden ist.

Andere Gesetze als diese angeführten bestehen nicht, inso­ weit nämlich von der Anstellung von Zustizbeamten in sitt­

licher Rücksicht die Rede ist.

Die gesetzlichen Bestimmungen

wegen Entsetzung von bereits angestellten Beamten wegen

unordentlicher Lebensart

gehören zlinächst

werden weiter unten besprochen.

nicht

Zwar existiren

hierher

eine

und

große

Menge von Ministerial-Rescripten; allein sie kündigen sich selbst nicht als Gesetze an, bezwecken vielmehr lediglich nur, die Aus­

führung der angeführten Gesetze durch angemessene Znstructionen zu sichern und zu erleichtern.

Sie sind also eigentlich eine

Bestätigung der gesetzlichen Vorschriften.

Ueberblicken wir nun die Reihe dieser Bestimmungen, so erscheint als die wesentlichste Qualifikation in sittlicher Bezie­ hung ein ordentlicher Lebenswandel; und der Schulden ist nur insoweit Erwähnung geschehen,

als sie die Folge oder ein

Merkmal eines liederlichen Lebens sind.

Die Reskripte, derer

wir gedacht und die wir sogleich anführen wollen, bestätigen dies.

ES sei »«ns gestattet, das in der Gerichts-Ordnung be­ folgte System zu verlassen, und anstatt vom Rathe abwärts

bis zum Auskultator hinabzusteigen, mit diesem anzufangen und

nachzuweisen, wir

sein Leben von dieser niedrigsten Stufe bis

zur höchsten Staffel hinauf überwacht wird. — Bei dem Eintritt

in den Zustizdicnst, d. h. bevor man

zum Auskultator angestellt wird, verlangt das Gesetz allerdings

2"

20

eine gewisse VermögenSqualification. tenso

Der oben bereits in ex­

mitgethcilte §. 2. Tit. 4. Th. HI. G.-O- verordnet

mit dürren Worten: „der Kandidat muß von Mitteln und Unterstützungen nicht ganz entblößt sein, damit er während der

zu seiner Vorbereitung

und Prüfung

erforderlichen Zeit sich

seinen Unterhalt verschaffen, und die Gelegenheit zu seiner Ver­

sorgung abwarten könne." Ganz in diesem Sinne verordnet ein Rescript des ZuflizMinisterinmS an das Kammcrgcricht vom

2.

April

1810.,

bei Gelegenheit, daß ein Auskultator die Ausfertigungsgebühren für seine Ernennung zum Referendarius nicht bezahlen konnte,

daß ein solch Unbemittelter als Auskultator nicht angenommen

werden solle.

Es heißt darin wörtlich:

Da indessen junge Leute, welche nicht einmal so viel Ver­

mögen haben, die Kosten ihrer Anstellung bezahlen zu kön­

nen, noch weniger im Stande sind, sich während ihrer Bil­ dungsperiode zu unterhalten, und daher leicht auf Abwege

gerathen, oder vor vollendeter Ausbildung Versorgung suchen müssen; so

werdet Ihr bei dieser Veranlassung darauf auf­

merksam gemacht, bei der Anstellung der sich zu Auskultato­ ren meldenden Kandidaten, die Vorschrift der Allgemeinen

G.-O. Th. III. Tit. 4. §. 2. zu befolgen und in deren Gemäßheit junge Leute, die von allem Vermögen entblößt

sind, nicht znznlaffen, damit sie noch zeitig für ihr Fortkom­ men auf andere Art sorgen können. Rabe Bd. 10.'S. 310.

Matthis Bd. 9. S. 62.

Eben diese Vorschrift wird durch ein Rescript vom 19.

Oktober 1831. den OberlandcSgerichtcn von Neuem eingeschärft. Es lautet wörtlich:

Dies Erfvrderniß eines RechtSkandidaten (es geht vor-

21 her der wörtliche Abdruck des qu. §. 2.) scheint in vielen Fällen übersehen worden zu sein, da in neuerer Zeit Unter­

stützungsgesuche von Auskultatoren und Referendarien eiugc-

hen, und mehrere der letzteren sogar um Erlaß oder Stun­ dung der Bestallungsgcbühren wegen Dürftigkeit gebeten ha­ ben, und auch von andern Seiten Spuren ihrer für den öffent­

lichen Dienst nachthcilige» äußersten Dürftigkeit sich zeigen. Es geht daraus hervor, daß das Rechtsstudium sehr oft ohne Rücksicht auf die Zukunft und bloß in der Hoffnung

gewählt wird, um nur recht bald zu irgend einer Anstellung

zu gelangen und dadurch von Nahrungssorgen sich zu be­ freien.

Wie nachtheilig dies auf den Dienst selbst wirken

müsse, und wie wenig sich von solchen Staatsdienern in der Regel erwarten lasse, leuchtet ein, und es ist bei der jetzigen großen Zahl der Bewerber besonders wichtig, auf obige gesetzliche Vorschrift aufmerksam zu machen.

Das König!,

u. hat daher bei den Anmeldungen zur

erste» Prüfung den Nachweis des gedachten Erfor­

dernisses zu verlangen, und in den Berichten nach

erfolgter zweiter Prüfung, daß demselben genügt sei, zu bemerken.

Zahrb. Bd. 38. S. 386. Wie

aber

dieser

Nachweis

Gräff Bd. 6. S. 492.

geführt

werden

soll,

dies

schreibt weder das Gesetz vor, noch die beiden oben angeführtcit

Rescripte.

Es mag darüber wohl bei den Oberlandesgerichten

eine sehr verschiedene Praxis herrschen.

Soviel uns bekannt

geworden, fordern die Präsidien bei der Anmeldung zum Aus­ kultator-Examen

eine

schriftliche

Erklärung

der Eltern oder

daß sie

ihn während der Zeit

seiner Ausbildung unterhalten würde».

Es erscheint dies auch

Vorgesetzten des Kandidaten,

22 am natürlichsten, weil die Rechts-Kandidaten meisthin in einem Alter von 20 Zähren oder wenig darüber zur Auscnltatnr sich melden und daher eigenes Vermögen schwerlich Nachweisen können. Ob aber jene schriftliche Erklärung der Eltern oder Vorgesetzten mehr als eine leere Form ist, könnte fast bezwei­ felt werden. Es entsteht kein erzwingbares Recht aus jener Verpflichtung, ja es wird nicht einmal die Verwarnung daran geknüpft, daß im Unterlassungsfälle der Kandidat aus dem Zustizdienst entlasse» werden würde. Auch mag wohl nie, oder doch in den seltensten Fällen nur, von den Eltern ein strikter Nachweis gefordert werden, daß sie ihrer übernommenen Berpflichtting zu genügen im Stande seien, ja eS ist mit gutem Grunde zu bezweifeln, daß sie die Größe dieser ihrer VerpflichtungS-Uebernahme auch nur im Entferntesten kennen. Man muß aber zugeben, daß in dieser Beziehung der gegenwärtige Chef der Justiz die entfernte Aussicht auf Anstellung im Zu­ stizdienst mit preiswürdiger Offenheit zur Kenntniß des größer« Publikums gebracht hat. Zn der Verfügung vom 5. Decem­ ber 1839. wird eine Uebersicht der m den Zähren 1835 bis 1839 hinzugtkommenen und abgegangenen Affefform, Referendarien und Auskultatoren veröffentlicht, und daran als Resul­ tat die Bemerkung geknüpft: ES sind demnach „für alle diejenigen, welche sich erst jetzt dem Zustijdienste widmen, nur sehr entfernte Aussichten zu einer künftigen Versorgung vorhandeli, daher Eltern und Vormündern solcher jungen Männer mir empfohlen werden kann, dieselben von dem Rechtsstudium abzuhalten, wenn sie nicht vorzügliche Anlagen besitzen und nach Vollendung ihrer UniversitätS-Studien sich nicht noch JO Zahr lang aus eignen Mitteln zu erhalten im Stande sind." Ministerial-Blatt pro 1839. S. 415. 416.

23

Wir bezweifel», daß den Eltern bei der Erklärung, wel­ che ihnen Behufs Unterhaltung ihrer dem Zustizdienst sich wid­ menden Söhne durch die Präsidien abgefordert wird, diese amt­ liche Notiz des Zustizministeriums bekannt gemacht werde. In­ dessen wir wollen eben so ehrlich bekennen, daß die Unterlassung von keinem sonderlichen Nachtheil sein möchte, weil jene Verpstichtungs- Uebernahme doch immer nur leere Form bleibt. Wollen oder können die Eltern ihrer Verpflichtung im Laufe der Zeit nicht genügen, so hat man eben so wenig Mittel, sie dazu zu zwingen, als Gesetze, den hilfsbedürftigen Kandidaten deshalb aus dem Zustizdienst auszustoßen. Za, weit ent­ fernt, daß es Gesetze giebt, welche den Unbemittelten aus dem Dienst entfernen, existiren vielmehr ausdrückliche Bestimmungen, denen zufolge „notorisch" Armen und mit Schulden Belasteten der Eintritt in den Zustizdienst gleichwohl gestattet wird. Es klingt dies nach dem Vorangeführten paradox, ist aber dar­ um nicht minder wahr. Der Anhang 141. Nr. 1. zum Allgemeinen Landrecht bestimmt wörtlich: Zn Fällen, wo Lehrer bei dem, durch ein gerichtli­ ches Attest von der Obrigkeit des Geburtsortes bescheinigten, Unvermögen eines Studirrnden genöthigt sind, ihm die Honoraria für die Collegia so lange zu stun­ den, bis er durch Beförderung zu einem öffentlichen Amte oder durch sonstige Verbesserung seiner VermögensUmstände in den Stand gekommen, dieselben zu bezahlen, verbleibt ihnen bis dahin ihr Anspruch an solchen ungekränkt. Sie müssen aber dafür besorgt sein, daß beim Abgänge des Studirrnden der Betrag der Schuld, gleich anderen, von

24

dem akademischen Gerichte registrirt, und zugleich in dem akademischen Zeugnisse iiotirt wird. Dieses akademische Zeugniß, in welchem von der Obrig­ keit das Unvermögen amtlich bescheinigt ist, wird bei der An­ meldung zur Auscultatur den Präsidien vorgelegt: sie kennen also amtlich das Unvermögen deS Kandidaten, und werden gleichwohl ihn nicht zurückweisen können, weil er mit Erfolg auf die eben allegitte Bestimmung sich berufen würde, wonach er die gestundeten Collegia erst aus deu Einkünften des Am­ tes, das in dieser Allgemeinheit offenbar auch das Zustizamt umfaßt, zu bezahlen gehalten ist. Wie dies freilich mit der gesetzlichen Vorschrift zu vereinen, daß der Kandidat „von Mitteln und Unterstützungen nicht ganz entblößt sein soll'', ist schwer zu begreifen; allein die Praxis findet es vereinbar: wenigstens ist uns kein Fall bekannt geworden, daß der Präsi­ dent um deshalb einen Kandidaten zurückgewiesen, oder, falls er doch bedenklich gewesen, sich nicht mit der effektlosen Erklä­ rung irgend eines Dritten oder gar der „unvermögenden" Eltern selbst, den Kandidaten zu unterstützen, begnügt hätte. Man kann dies den Präsidien auch nicht zur Last legen. Der Chef der Zustiz hat die Zulässigkeit in vielen Rescripten aus­ drücklich anerkannt. Zuerst verordnete der Minister Kirche« stir unter dem 4. August 1810 : Die Zuristeu-Fakultät der Universität zu Frankfurt a.d.O hat zur Anzeige gebracht, daß diejenigen Studirenden, wel­ chen wegen ihres Unvermögens die Honoraria für die Collegien gestundet werden, in der Folge die schuldige Zahlung, wenn sie auch zu öffentlichen Aemtern befördert oder sonst in bessere Vermögens-Umstände gesetzt worden, gänzlich zu versäumen, kein Bedenken tragen. Da nun der Anspruch

25

auf dergleichen gestundete Honoraria den akademischen Leh­ rern in dem H. 141. des erste» Anhangs zum Allgemeinen

Landrecht, ausdrücklich Vorbehalten lind es anch an sich höchst

billig ist, denselben den, zu ihrem eigenen Unterhalte nöthigen Lohn ihrer Bemühungen zu verschaffen, so befehlen wir Erich

hiermit, wenn künftig ein Referendarius oder anderer Zustiz-

bedienter zu einem öffentlichen Amte befördert wird, von ihm unmittelbar nach seiner Vereidigung, die Anzeige darüber: ob und wie viel er feinen Lehrern auf Preußischen Univer­

sitäten für gehörte Collegia schuldig fei?

auf feinen Amtseid zu erfordern und diese Anzeige, wenn er

Schuldner ist, der Universität abschriftlich mit utheilen, und dadurch die Professoren in den Stand zu setzen, sich mit ihm zu vereinigen oder die allenfalls nöthigen Anträge bei dem vorgesetzten Landes-Zustizcollegio zu machen. Rabe, Bd. 10. S. 395.

Matthis, Bd. 9. S. 247.

Man glaube aber nicht, daß sich etwa seit diesem Rescripte aus dem Zahre 1810. bei der zu- und überhand neh­

menden Anzahl von Zustizbedienten eine strengere Praxis gebil­ det habe: im Gegentheil sind von Zeit zu Zeit die Bestimmun­

gen dieses RescripteS den

Präsidien

eingeschärst

und zuletzt

verordnet das Rescript vom 20. Januar 1837., wie folgt:

Die Königlichen Gerichts-Behörden sind bereits unterm 4. August 1810., 15. October 1821.*), 21. September

1827.”) und 17. December 1829. *•*) aufgefordert worden,

°) Zahrb. Bd. 18. S. 278. Gräf , Bd. 1. S. 228. ") Zahrb. Bd. 30. S. 134. Gräff, Bd. 1. S. 229.

»*») Zahrb. Bd. 34. S. 467. Gräff, Bd. 6. S. 112. E« ist hierbei noch da« Rescript vom16. Ziuii 1831, Zahrb.Bd. 37. S. 377.Gräff,

Bd, 6. S. 112. übersehen worden, welche« dieselbe Bestimmung trifft

— 26 —

den betreffenden Universitäten von der Anstellung derjenigen Kandidaten der Rechte, denen bei ihrem Abgänge von den Universitäten Honorar für gehörte Collegia gestundet, und als gestundet in den bei ihrer Prüfung vorzulegenden Abgangszeugnissen bemerkt sind, die nöthige Anzeige mit Angabe des ihnen verliehenen Amtes und des OrteS ihrer amtlichen Anstellling zu machen. Da diese Verordnungen nach Anzeige der hiesigen Univer­ sität nicht stetS befolgt worden sind, so werden solche den Königlichen Ober-Zustizbehörden hierdurch in Ertünerung gebracht. Jahrb. Bd. 49. S. 219. Gräff, Bd 10. S. 60. Wiederholen wir mit kurzen Worten die eben entwickel­ ten gesetzlichen Bestimmungen, so werden a) nur demjenigen die Collegien-Honorare gestundet, dessen Unvermögen amtlich bescheinigt ist. b) Diese Bescheinung wird zur amtlichen Kenntniß der Gerichts-Behörden gebracht; c) der Kandidat wird gleichwohl nicht nur in den Justiz­ dienst aufgeiwmmen, sondern unerachtet der Armuth und der Schulden mit einem Amte beliehen; denn d) aus den Einkünften dieses Amtes sollen jene Schulden bezahlt werden. Die Allgemeine Verfüglmg vom 24. Januar 1843., zu der wir zurückkehren, ordnet dagegen an: 1) Jeden, der als Auskultator oder im Subalternfach an­ gestellt sein will, zur Erklärung aufzufordern: ob er Schulden habe und worin diese bestehen? 2) Sind die Schulden so bedeutend, daß deren Tilgung nicht binnen Jahresfrist erfolgen kann, so isi dem Im-

27 ploranten

die

Annahme

in

den

Zustizdicnst

zu ver­

sage»,

so ist demselben

3) sind sie nicht von dieser Bedeutung,

zwar die Annahme nicht zu versagen, ihm jedoch zu er­

öffnen, daß er keine definitive Anstellung erhalten könne, als bis er. seine Schulden vollständig getilgt haben werde.

Hierin sind offenbar neue, von der bisher bestehenden Ge­

setzgebung abweichende Grundsätze enthalten.

Man kann hier­

gegen nicht einwenden, daß die bisherigen Bestimmungen nur aus Ministerial-Rescripten basirten, die durch Ministcrial-Rescripte auch wieder aufgehoben werden könnten.

Die Verord­

nung des §. 141. Anhang zum Allgemeinen Landrecht, wonach

Collegien-Honorare gestundet werden sollen, bis dieselben „durch Beförderung zu einem öffentlichen Amte" bezahlt werden kön­ nen, ist kein Ministerial-Rescript, sondern ein laut Publications­

Patent vom 1. April 1803. gültiges Gesetz.

Der ganz all­

gemein gewählte Ausdruck „Beförderung zu einem öffentli­ chen Amte" umfaßt in dieser Allgemeinheit offenbar auch ein Amt im Zustizfache.

Folgerecht find diese Gattung von Uni­

versitätsschulden, obschon sie zugleich den Beweis eines amtlich

constatirten Unvermögens in sich tragen, nicht geeignet, den Eintritt in den Zustizdienst zu verschränken.

Es ist dies wohl

festzuhalten.

Wenn hiermit aber die Bestimmung der Gerichts-Ordnung, daß der Kandidat von „Mitteln uird Unterstützung nicht ganz

entblößt sein soll", in

vollem Widerspruche zu stehen scheint,

so bleibt nichts übrig, als den Sinn dieser etwas vagen und unbestimmten Verordnung dem deutlich ausgesprochenen Sinn des Anhanges §. 141. anzupasse»: nicht umgekehrt, das Bestimmte und

Unzweifelhafte einer vagen Gesetzstelle auszuopfern. Man wird also

annehmen müssen, daß wenn der Kandidat Nachweise, die ersten

26 Lebensbedürfnisse, als Wohnung, Kost und Kleidung, sich selbst

oder durch Andere beschaffen zu können, er als ein solcher gel­ ten müsse, welcher, als von Mitteln und Unterstützung nicht

ganz entblößt, rücksichtlich seiner Vermögenslage zum Zustiz-

dienste ganz wohl qualificirt sei.

Allein da es im Entferntesten nicht unsere Absicht ist, die Allgemeine Verfügung vom 24. Januar 1843. bloß aus

Lust an juristischer Rabulisterei einer Kritik zu unterwerfen,

wir vielmehr zu den aufrichtigen Verehrern des Chefs der Zllstiz gehören, aus dessen Ministerium jene Verfügung hervorgegan­ gen, so wollen wir gern anerkennen, daß die Maaßregel, ob­

schon sie nett und mit manchen gesetzlichen Bestimmungen nicht ganz in Einklang ju bringen ist, gleichwohl praktisch von guten

Folgen sein möge.

Dieses Anerkenntniß erstreckt

sich jedoch

lediglich und ganz allein auf denjenigen Theil der Verfügung,

welcher von den Kandidaten handelt, die erst in den Zustizdienst eintreten wollen.

Wenn es nämlich richtig ist, was die oben angeführte Verfügung vom 5. December 1839. ausspricht, daß die Zahl der Assessoren „den Bedarf mindestens um das vierfache über­

steige" und daß man „nach Vollendung seiner Universitäts-

studien sich noch 10 Zahr lang aus eignen Mitteln zu erhal­ ten im Stande sein

müsse", so erscheint es

gewiß dankens-

und anerkennungswerth, wenn diejenigen vom Zustizdienst fern

gehalten werden, welche schon mit Schulden ihre Laufbahn an­ fangen.

Alich läßt sich vom streng juristischen Standpunkte

aus Nichts gegen die Interpretation des oft erwähnten §. 2. Tit. 4. Th. III. G.-O. cinwenden, wonach ein „Freisein von Schulden" als Kriterium dafür gelten soll, daß der Kandidat

von Mitteln und Unterstützung nicht ganz entblößt sei,

29

Wir wünschen nur, daß diese Bestimmung nicht auf solche Kandidaten angewendet wurde, welche bereits Triennium

ihr juristisches

auf der Universität absolvirt haben.

Allein die

aiierkannte Einsicht und Milde des Chefs der Justiz bürgt dafür,

daß in den geeigneten Fällen eine Berücksichtigung eintreten

wird. Ganz anders aber erscheinen die Bestimmungen der 4. bis 7. in der Verfügung vom 24. Zanuar 1843.

Wir

müssen sie nicht nur als neu, sondern auch als völlig unver­

einbar mit der bestehenden Gesetzgebung erklären.

§. 4.

Sie lauten:

Bei jeder ersten Anstellung mit Gehalt ist diese Auf­ forderung (§. 1.) zu wiederholen.

§. 5.

Betragen die Schulden des mit Gehalt Anzustelleu-

den mehr als das Zahresgehalt, was ihm zu Theil

werden könnte, so ist er nicht anzustellen. §. 6.

Betragen sie weniger, so ist der Beamte provisorisch

anzustellen. §. 7.

Eine definitive Anstellung findet nur erst statt, wenn

er seine Schulden getilgt haben wird. Es ist bereits zur Genüge hervorgehoben, daß vor der

ersten Annahme in den Znstizdienst als AuScultator der Nach­

weis einer gewissen Vermögens-Qualifikation erfordert werde;

es ist hervorgehoben, daß nachG.-O. Th. IIL Tit. 4. §. 12. die Collegia „ von dem Charakter und der Aufführung der bei ihnen sich meldenden Kandidaten (zum Referendariate nämlich)

sichere Nachricht einziehen; auch was sie dadurch in Erfahrung

gebracht haben, jedesmal in ihrem Berichte anzeigen sollen" (f. oben S. 16.).

Das Reskript vom 27. Februar 1835. ordnet

an, daß diesem Berichte die Dienst-Akten beizulegen seien und

„es ist von den Präsidien darauf zü halten, daß zu diesen

30

Akten Alles gebracht wird, was auf die Beurtheilung: ob der Kandidat Beweise von Fleiß und Diensteifer gegeben

und einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat, von Ein­ fluß sein kann." Zahrb. Bd. 45. S. 229.

Gräff, Bd. 8. S. 374.

Es ist ferner oben das Rescript vom 19. October 1831.

angeführt (S. 21.), wonach die Präsidien bei ihren Berichten

für die Anstellung als Referendarius bemerken sollen, daß sie vor dem Auskultator-Examen die qu. VermögenS-Oualification

sich hätten nachweisen lassen.

Aber außerdem ist nirgend ein

Bermögensnachweis angeordnet; und es existirt überall nicht,

weder in Gesetzen noch in Rescripten, irgend eine Bestimmung,

daß der zum Referendarius ernannte Zustizbeamte noch jemals

seine Vermögenslage nachzuweisen oder irgend ein Vorgesetzter sich darum jti bekümmern habe.

Zwar

wird

der Referendarius

nach

wie

vor auf das

Strengste von seinen Vorgesetzten überwacht, daß er nach §. 18.

1. c. (S. 16.), „sich einer fortgesetzt regelmäßigen und stillen Aufführung befleißige; widrigenfalls, wenn er sich zum unor­

dentlichen Leben, Schuldenmachen und andern Excessen hin­ reißen lasse", seine Ausstoßung aus dem Zustizdienste erfolgen solle; allein an dieser Stelle, wie an allen andern, wo vom Schuldenmachen der Beamten die Rede ist, handelt es sich nur

nm Schulden, welche die Folge eines unordentlichen Le­

bens sind.

Der Beweis liegt zu Tage.

Tit. 2. §. 9. I. c. spricht von Zustizbedienlen, „welche durch

Verschwendung u n d S ch u l d e n in Verlegenheit gerathen" sind.

Tit. 3. §>. 6. I. c. sagt von den Räthen bei dm Landes-Znstizcollegien (S. 14.):

Auch in ihrer häuslichen Oeconomie müssen sie sich der

31

Ordnung

und Regelmäßigkeit befleißigen,

und

vor

Schuldenmachen sorgfältig hüten. Am Klarsten folgt unsere Behauptung aus den» Straf­

recht.

Es bestimmt Landrecht Th. II. Tit. 20.

§>. 363.

Beamte,

die sich

durch

Lebensart,

unregelmäßige

Spiel oder Verschwendung in Schulden stürzen; oder

sich durch niederträchtige Aufführung verächtlich ma­

chen, sollen ihres Amtes entsetzt werden. §>. 364.

Können sie solche (!) Schulden nicht bezahlen; so

bleiben sie auf immer zu den Diensten des Staats unfähig. Erweisliche Gründe der Schulden müssen also sein: un­

regelmäßige Lebensart,

Spiel,

Verschwcndling,

wenn sie als

Motiv zur Entsetzung des Beamten gelten sollen"). Der gegenwärtige Chef der Justiz hat dies auch selbst in

verschiedenen Reseripten anerkannt.

Wir heben nur aus der

allerjüngsten Zeit die Verfügung vom 6. Mai 1840. hervor.

Dort heißt es unter Nr. 2.: Auch solche junge Männer, die durch häufige Verzögerun­ gen, durch Unfleiß,

Mangel

an Diensteifer,

Unsittlichkeit

oder muthwilliges (!) Schuldenmachen zu Rügen Ver­

anlassung, und nicht überzeugende Beweise ihrer Besserung geben, müssen ans dem Staatsdienst entfernt werden. Ministerial-Blatt für 1840. S. 220.

Aber mehr noch als alle diese Bestimmungeit beweiset die

Verordnung vom 28. Februar 1806., „betreffend: die Ver-

*) Vergl. den Aufsatz vom Oberlandesgerichts" Assessor A. Funk ln Magdeburg zur Erläuterung der dtirtcn §§. 363,, 364. in der juristischen Wochenschrift für 1838. S. 447. sq.

32 kümmerung der Besoldungen lind Pensionen der Civil-Bedienten und Pensionisten, desgleichen deren Befreiung vom Perso­

nalarrest", daß Schulden an sich so wenig ein Hinderniß für den Staatsdienst sind, daß die Beamten vielmehr, zum Nach­

theil ihrer Gläubiger, vom Staate in Schutz genommen wer­ den.

Zn den Motiven zu der Verordnung heißt es wörtlich: Es kommt darauf an, auf der einen Seite Unseren Dienst

vor den mit der persönlichen Verhaftung

der Officianten

oder der Beschlagnahme ihrer Besoldung unvermeidlich ver­ knüpften nachtheiligen Folgen sicher zu stellen re. rc., auf der andern Seite aber leichtsinnige oder gar betrügerische

Schuldner nicht gegen die gemachten Ansprüche ihrer Gläu­

biger in Schutz zu nehmen. Rabe Bd. 8. S. 484.

MatthiS Bd. 2. S. 396. Das Gesetz stellt auf die „eine Seite" diejenigen Schul­

den, gegen welche es die Beamten schützt; ans die „andere Seite" „leichtsinnige oder gar rentwegen

betrügerische Schulden",

de­

es gemäß §>. 9 der Verordnung die Untersuchung

einleiten läßt. Aus dem Allen geht unwiderleglich hervor, daß Schul­

den, welche nicht die Folge eines unordentlichen Lebenswandels

sind, in Bezug auf die amtliche Stellung des Staatsdieners nicht nur nicht gerügt, sondern im Interesse des Staatsdien­ stes mit wesentlicher Bevorzugung geschützt werden.

ES ist dies wohl festzuhalten und mit aller Bestimmtheit der Satz hervorzuheben: 1)

Nur einer

solche Schulden, unregelmäßigen

sind strafbar.

welche

die Folge

Lebensart

sind,

33

und 2) Nur insoweit, als der Beamte seiner Schul­ den Halder strafbar ist, haben seine Vorge­ setzten oder der Staat davon Kenntniß zu nehmen. Die Allgemeine Verfügung vom 24. Zanuar 1843. ver­ ordnet aber: 1) eine Untersuchung bei jedem neu anzustellenden Beam­ ten, ob er Schulden habe? und 2) bestraft den Beamten, wenn er erlaubte Schul­ den hat, dadurch, daß er von einer mit Geldeinkünften dotirten Anstellung, zeitweise oder ganz, ausgeschlossen wird. Sie stellt dadurch eine neue, bisher unerhörte Qualificationsbedingung für die Zustizbeamten auf. Nach der bestehen­ den Gesetzgebung war derjenige anstellungSfähig, welcher 1) die wissenschaftliche Qualifikation sich erworben 2) einen ordentlichen Lebenswandel geführt hatte. Nach der Verfügung vom 24. Zanuar 1843 aber muß man 1) die wissenschaftliche Qualifikation erworben 2) einen ordentlichen Lebenswandel geführt haben und 3) keine Schulden haben. Die Verfügung vom 24. Zanuar 1843. hat da­ her etwas Neues, von der bestehenden Gesetzgebung Abweichendes, .angeordnet.

34

Kapitel

III.

Dke AllgemeineVerfügung vom Tck. Januar 1M8. hat keine verbindliche Kraft.

Die Allgemeine Verfügung kündigt sich selbst nach dieser ihrer Benennung und nach der Unterschrift: „Der Zufliz-Minister Mähler", in formeller Bejiehung, als Verordnung des Zustiz-Ministers an. Aber auch materiell — und dies ist wich­ tig — läßt sich mit Sicherheit Nachweisen, daß die Verfügung lediglich eine Anordnung drS Chefs der Justiz ist und der König­ lichen Sanction entbehrt. Sie giebt nämlich das Motiv ihrer Entstehung an, indem es im Eingänge heißt: Seine Majestät der König haben aus Veranlassung ein­ zelner Fälle zu befehlen geruht, daß dem höchst nachtheiligen Schuldenmachen der Beamten fortwährend möglichst entge­ gen gearbeitet werden soll. Diese Worte könnten zu der Vermuthung führen, als habe Seine Majestät der König die nachstehenden Bestimmungen, gegen welche diese Schrift gerichtet ist, zu befehlen geruhet. Allein diese Annahme wäre irrig. Die unmittelbar darauf fol­ genden Worte der Verfügung: Zur Befolgung dieses (!) Allerhöchsten Befehls werden auch (!) die sämmtlichen Gerichtsbehörden angewiesen rc. zeigen mit Sicherheit, daß Seine Majestät aus Veran­ lassung einzelner Fälle den verschiedenen Ministerien im Allge­ meinen zur Pflicht gemacht habe, dem Schuldenmachen des ganzen Beamtenstandes entgegen zu wirken, ohne deshalb neue Bestimmunaen über das Schtildenwesen der Beamten zu erlab

35 Eine richtige grammatische Znterpretatioii

fen.

dere Auslegung zu.

läßt keine an­

Aber mit noch größerer Evidenz geht dies

aus der Circular-Berfügung hervor, welche die Herren Minister v. Bodelschwingh und Graf v. Arnim erlassen haben.

Wir

geben sie vollständig:

Circular-Berfügnug an sämmtliche König!. Regierungen, wegen der gegen das Schuldenmachen der Beamten zu tref­

fenden Maaßregeln, vom 16. December 1842. Des Königs Majestät haben

bei einer vor einiger Zeit

vorgekommenen Beranlaffung zu befehlen geruhet,

höchst nachtheiligen Schuldemnachen

daß deni

der Beamten fortwäh­

rend möglichst entgegen gewirkt werden soll. Den König!. Regierungen empfehlen wir daher, sich dies

angelegen

sein zu

lassen und bemerken zu deni Ende, daß

es zur Erreichung des Zweckes auch nöthig ist, die Anstel­

lung von Personen zu vermeiden, die schon mit bedeutenden

Schulden belastet sind. Der Herr Kriegs-Minister hat deshalb unterm 5. v. M.

die Militairbehörden angewiesen, den Civilbehörden über das Schnldenwesen der zum Civildienst geeigneten MilitairS die nöthigen Notizen mitzutheilen, und Individuen, welche durch

unregelmäßigen den

Lebenswandel

Civilbehörden

oder zu empfehlen. weisung

gar nicht

in

zur

Schulden

gerathen sind,

Anstellung

vorzuschlagen

Da aber von dem Zeitpunkte der Ueber-

und Notinmg an, bis zu dem der Anstellung in

der Regel eine geraume Zeit vergeht, so muß bei der Be-

rufung von Anwärtern deS stehenden Heeres, deren Annahme . zum

Probedienst

mit

an die Bedingung geknüpft werden,

daß sie auch jetzt keine bedeMende Schulden haben.

Bei der Anstellung solcher Anwärter aber, die ans dem

3*



3. Th. III. Tit. 3. §. 3. *•) Ebcnd. TU. 7 §. 25.

bei

UnS

vor­

43

Noch schärfer und bestimmter treten die Befugnisse des Justiz - Ministers in der Allerhöchsten Cabinets - Ordre vom 24. August 1837 hervor. Sie lautet: Auf Ihren Bericht vom 31. v. M. genehmige ich, nach Ihrem Anträge, daß an die Stelle der nach §>. 99 der Criminalordnung vom 11. December 1805 durch die Unter­ gerichte in UnterstichungSsachen einzureichenden Geschäfts­ tabellen diejenigen Ästen treten, die Sie in Ihrer GeneralVerfügung vom 31. Oktober v. Z. Liltr. a. Nr. 111 vor­ geschrieben haben. Uebrigens hat es -u dieser Abänderung Meiner Autorisation nicht bedurft, da die Bestimmung in §. 99 der Crim. O. keine materielle Vorschrift der Legislation, sondem eine Geschäfts-Instruktion enthält, die der Justiz-Minister in pflichtmäßiger Erwägung der Umstände modificiren darf, ohne nach dem organischen Gesetz vom 27. Lktohev 1810 Meine unmittel­ bare Genehmigung einzuholen. Ges. Samml. für 1837 S. 143.e) Materielle Vorschriften der Legislation darf der JustizMinister darnach nicht ändern. Nun wird aber Niemand zu bestreiten wagen, daß die Gesetze über die Oualißkation der Beamten;u Staatsstellen zu den materiellen Vorschriften der Legislation gehören. Eine Abänderung in den BcamtenOualificatione» würde unmittelbar eine Abänderung in der Berfassung zu Folge haben; und diese muß allererst im Staatsrathe berathen lind dann von dem Könige als alleinigem Gesetzgeber *) Die Kabinets-Ordre vom G. September 1815. (Gesetz-Sammlung für 1815. S. 198.) dehnt diese Befugnisse nicht aus. Sie bestimmt auch nur über die Einwirkung des Chefs der Justiz auf die formellen Verfügun­ gen der Gerichtsbehörden.

44 sanctionirt werde».

Wir verweisen ohne alle nochmalige Wie­

derholung, auf unsere Ausführung im vorigen Kapitel, daß die Verfügung vom 24. Januar 1843 etwas Neues, von der bestehenden Gesetzgebung Abweichendes angeordnet habe,

und müssen, da diese Abänderung die Befugnisse eines Preußi­ schen Zustiz-Ministers überschreitet, die Behauptung aufstellen, daß die Allgemeine Verfügung vom 24. Januar

1843 keine verbindliche Kraft habe.

Kapitel

IV.

Zweck und muthmaßliche Folgen dieser Beweis­ führung.

Zlniächst erwarten wir von dem Herrn Ches der Justiz, daß er von

dieser durch

den Buchhandel

debitirten Schrift

amtliche Kenntniß nehmen und sie einer Beurtheilung würdi­ gen werde.

Zu dieser Annahme berechtige« uns frühere Vor­

gänge gleicher Art *) **).

Entweder wird man uns dann wider­

legen und unsere Irrthümer nachweisen, oder jene Verfügung, über die wir uns beschweren, wenn nicht aufheben, doch we­ sentlich abändern.

ständig erreicht;

Im letzteren Falle wäre unser Zweck voll­ im ersteren Falle würde die Maaßregel uns

als nothwendig und zweckmäßig motivirt werden: und tausend

*) a. Amtliche Erklärung auf den Angriff im Fränkischen Courier. Just. Minist. Bl. für 1840 S. 87. b. Beantwortung der Brochure „Aphorismen über den Rechtszustand

in Preußen." Aus amtlichen Quellen. Beilage zur Allg. Preuß. Staats-Zeitung Rr. 341. Berlin 1842.

45 von Beamten würden, gleich uns, fich in eine aus höher», bisher uns unbekannten, Staatsjweckrn gebotene Nothwendig­

keit leichter ergeben und über ihr ferneres Schicksal entschlossener eine Maaßnahme treffen, während sie jetzt in Unmuth sich über eine unbillige Berwaltungsmaaßregel beklagen und sich trostlos

mit Zweifeln quälen, Mit Einem Worte:

lernen, anklagen.

und

wie dieselbe umgangen werden könne.

man würde die Maaßregel begreifen

das Schicksal,

aber nicht die Verwaltung

Wir sind überzeugt, daß der Herr Zustiz- Minister

die Erreichung selbst dieses secundären Vortheils

schon

einer

Beantwortung werth erachten wird. Sodann aber lag uns daran, den dumpfen Unmuth zu verscheuchen, den die ministerielle Verfügung hervorgerufen, in­

dem wir die körper- und gestaltlosen Klagen, welche, Gespen­

stern gleich, scheu und unheimlich herumwandelten, durch die

Guttenberg-Magie dauernd fixirten.

Jetzt steht die Beschwerde

klar, ehrlich, offen und handfest da.

Wir behaupten,

daß

eine Verfügung

welche rechtsunverbindlich sei,

ein Gesetz

erlassen

worden,

ohne Gesetzeskraft!

Dies interessirt nicht mehr die Beamten allein,

welche durch

die neue Maaßregel verletzt sind; es gehet den ganzen Zuristen­ stand an; cs interessirt zunächst die einzelnen Präsidenten der Gerichtshöfe, welche nicht bloß Rechte, sondern auch Pflichten

gegen ihre Untergebenen haben und welche in ihrem Dienst­

eide geschworen haben: „allen Fleiß anzuwenden, daß die Ge­ rechtigkeit nach Vorschrift der Gesetze gehandhabt werde" #);

•) Allgemeine Gericht«-Ordnung Archiv §. 445. Die durch die Gab.» Ord. v. 5. Novbr. 1833. (Ges.-Sammlg. S. 291.) vorgeschriebene, bedeu­ tend abgekürzte Eidesformel enthält zwar nicht mehr die Worte de« Texte«; die darin ausgesprochene Pflicht der Präsidenten dauert aber gleichwohl fort.

46 eS intereffirt de.l

Staat-rath,

zu

dessen Wirkungskreis laut

Verordnung vom 20. Mai 1817. gehören sollen: Alle Gesetze, Berfaffungß- und Verwaltungs-Normen, durch welche die

Plane über Verwaltungs-Gegenstände,

Verwaltungs-Grundsätze abgeändert werden, und Berathun­

gen über allgemeine Berwaltungs-Maaßregeln, zu wel­ chen

die

Ministerial - Behörden

verfassungs­

mäßig noch nicht autorisirt sind,

dergestalt,

daß

sämmtliche Vorschläge zu neuen oder zur Aufhebung, Ab­ änderung und authentischer Deklaration von bestehenden Gesetzen und Einrichtlingen, durch ihn an uns (Sr. Ma­

jestät den König) zur Sanktion gelangen müssen.")

Diese Angelegenheit aber dem engen Kreise der zunächst Betheiligten zu entziehen und sie als Gesetz von allgemeiner

Bedeutsamkeit auch der Aufmerksamkeit uud Beurtheilung der obersten Staatsbehörde zu empfehlen, dies war unser dritter

und letzter Endzweck.

Es ist mit Bestimmtheit zu erwarten, daß jene MinisterialVerfügnng, von Sr. Majestät niemals Sanction erlangen wird. Sie macht die Anstellung im Zustizdienste geradezu von dem Ver­

mögen

abhängig.

Dieses

näher auszuführen und überhaupt

die praktischen Folgen und den Nachtheil darzuthun, der aus jener

Verfügung unmittelbar entstehen würde, stände im offenbaren Widersprüche mit unserm Bestreben, die Verfügnng als rechts­ unverbindlich darzustellen.

Man wird uns nicht zumuthen, den

Nachtheil eines Gesetzes darzuthun, das wir als Gesetz nicht

anerkennen.

Nur die einzige Bemerkung finde Raum: wenn

die Verordnung

vom 28. Februar

) Gesetzsammlung für 1817. S. 67.

1806.

die Beamten vor

47 allen Exemtionen und Andringen ihrer Gläubiger schützt, in­ dem sie ihnen ein gewisses Minimum an Gehalt garantirt, welches unangreifbar von den Gläubigern ist, so erkennt sie damit an, und spricht eS überdies wörtlich aus, daß auf diese Weise „der Dienst vor nachtheiligen Folgen sicher gestellt sei." (S. 32.). WaS über diesen Schutz zum Besten des Staatsdienstes hinausgeht, wie die Verfügung vom 24. Januar 1843., trägt den Character nnnöthiger Härte an sich.