Das Römische Reich von Tiberius bis Nero 3534268768, 9783534268764

Die Kaiser des julisch-claudischen Kaiserhauses gehören zu den faszinierendsten Figuren der römischen Geschichte. August

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German Pages 176 [177] Year 2017

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Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Geschichte kompakt
Vorwort
I. Einleitung
II. Quellen
III. Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken
1.August 14 n.Chr. – Eine Ära geht zu Ende und ein Gott wird geschaffen
2. Das Testament des Augustus
3. Wer ist Tiberius? Sein Leben bis 14 n.Chr.
4. „Ich halte einen Wolf an den Ohren“ – Die entscheidende Senatssitzung nach dem Tod des Augustus
5. Am Anfang ein Mord: Was geschah mit Agrippa Postumus?
Literaturhinweise
IV. Kaiser, Gesellschaft, Reich – die Situation des Jahres 14 n.Chr.
1. Die Gesellschaft des frühen Prinzipats
2. Rom – das Gesicht der Hauptstadt verändert sich
3. Das Reich und die Provinzen
4. Militär und Grenzpolitik
Literaturhinweise
V. Tiberius
1. Familiäre Krisen und Innenpolitik
2. Die Provinzen und die Außengrenzen des Reiches
3. „Tiberius, der traurige Kaiser“? Der Charakter als Spiegel von Herrschaft
4. Der Machtwechsel 37 n.Chr.
Literaturhinweise
VI. Caligula
1. Der Beginn der Herrschaft – Sechs Monate Hoffnung
2. Krisen und Zäsuren 37 bis 39 n.Chr. – Verschwörungen und neue Wege
3. Germanien und Britannien – Neuauflage der augusteischen Eroberungspolitik?
4. Rückkehr nach Rom und Ermordung Caligulas
5.Caligula: Cäsarenwahn oder Umdeutung des Prinzipats?
Literaturhinweise
VII. Claudius
1. Der Herrschaftsantritt als Unfall?
2. Claudius: Ein Historiker mit Handicap und Vision
3. Eine neue Provinz – Britannien
4. Bürgerrechtspolitik und der Umgang mit den Provinzen
5. Claudius und die Frauen oder Die Frauen des Claudius?
6. Claudius und die kaiserlichen Freigelassenen
7. „Mann ohne eigenen Willen“? – Versuch einer Beurteilung
Literaturhinweise
VIII. Nero
1. Die Quellen und ihre Probleme
2. Quinquennium Neronis
3. Kunst und Tod
4. Der Brand Roms 64 n.Chr. und die Baupolitik Neros
5. Verschwörung und Opposition
6. Die Außen- und Provinzpolitik Neros
7. Neros Griechenlandreise
8. Aufstände in den Provinzen und Neros Tod
9. Künstler, Muttermörder, Christenverfolger – Neros Nachleben
Literaturhinweise
IX. Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats
1. Der Hof des Kaisers
2. Veränderte Rollen und Selbstbilder der römischen Aristokratie
3. Familien- und Nachfolgepolitik
4. Die Stellung der Frauen des Kaiserhauses
5. Die Bedeutung der Provinzen und der provinzialen Elite
6. Die Außen- und Militärpolitik der julisch-claudischen Epoche
7. Der Kaiser als Gott
8. Vom Unglück, nicht Augustus zu sein
Literaturhinweise
Auswahlbibliographie
Register
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Das Römische Reich von Tiberius bis Nero
 3534268768, 9783534268764

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GESCHICHTE KOMPAKT Babett Edelmann-Singer studierte Geschichte und Germanistik in Regensburg und Leicester. Nach ihrer Promotion im Jahr 2005 war sie Akademische Rätin an der Universität Regensburg und wurde 2013 mit einer Arbeit über die Provinziallandtage im Römischen Reich habilitiert. Von 2014 bis 2017 hatte sie Vertretungs- und Gastprofessuren an den Universitäten Regensburg, Erlangen-Nürnberg und Osnabrück inne. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die griechische und römische Religionsgeschichte, die vergleichende Geschichte monarchischer Herrschaftsstrukturen in antiken Kulturen sowie die Geschichte der Provinzen des Römischen Reiches. Herausgegeben von Kai Brodersen, Martin Kintzinger, Uwe Puschner, Volker Reinhardt Herausgeber für den Bereich Antike: Kai Brodersen Berater für den Bereich Antike: Ernst Baltrusch, Peter Funke, Charlotte Schubert, Aloys Winterling

GESCHICHTE KOMPAKT

Babett Edelmann-Singer

Das Römische Reich von Tiberius bis Nero

Abbildungsnachweis Abb. 1: nach Scheid, J./Jacques, F.: Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit 44 v. Chr.–260 n. Chr., Bd. 1: Die Struktur des Reiches, Stuttgart, Leipzig 1998, S. 335; Abb. 2: Photo Scala, Florenz; Abb. 3: akg-images; Abb. 4: Numismatica Ars Classica (NAC) AG, Auktion 92 vom 24.5.2016, Los 2060; Abb. 5: Classical Numismatic Group (CNG), Auktion 70 vom 21.9.2005, Los 531; Abb. 6: Classical Numismatic Group (CNG), Auktion 90, Los 1004; Abb. 7: WBG-Archiv; Abb. 8: Numismatica Ars Classica (NAC) AG, Auktion 92 vom 24.5.2016, Los 2066; Abb. 9: WBG-Archiv; Abb. 10: Anagoria/Wikimedia commons; Abb. 11: bpk/Münzkabinett SMB/ Dirk Sonnenwald; Abb. 12: Classical Numismatic Group (CNG), Auktion 87, Los 967; Abb. 13: WBG-Archiv. Karten: Peter Palm, Berlin

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2017 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe dieses Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Christina Kruschwitz, Berlin Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Einbandabbildung: Domus Aurea, Rekonstruktion i akg-images/Peter Connolly Einbandgestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-26876-4 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-74245-5 eBook (epub): 978-3-534-74246-2

Inhaltsverzeichnis Geschichte kompakt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken . . . . . . . . . . . . . . 1. August 14 n.Chr. – Eine Ära geht zu Ende und ein Gott wird geschaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Testament des Augustus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.Wer ist Tiberius? Sein Leben bis 14 n.Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Ich halte einen Wolf an den Ohren“ – Die entscheidende Senatssitzung nach dem Tod des Augustus . . . . . . . . 5. Am Anfang ein Mord: Was geschah mit Agrippa Postumus? . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Kaiser, Gesellschaft, Reich – die Situation des Jahres 14 n.Chr.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Gesellschaft des frühen Prinzipats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rom – das Gesicht der Hauptstadt verändert sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Reich und die Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Militär und Grenzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Tiberius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Familiäre Krisen und Innenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Provinzen und die Außengrenzen des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Tiberius, der traurige Kaiser“? Der Charakter als Spiegel von Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Machtwechsel 37 n.Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Caligula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Beginn der Herrschaft – Sechs Monate Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Krisen und Zäsuren 37 bis 39 n.Chr. – Verschwörungen und neue Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.Germanien und Britannien – Neuauflage der augusteischen Eroberungspolitik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rückkehr nach Rom und Ermordung Caligulas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.Caligula: Cäsarenwahn oder Umdeutung des Prinzipats? . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72 73

65 69 71

77 84 88 89 91

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Inhaltsverzeichnis

VII. Claudius. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Herrschaftsantritt als Unfall? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.Claudius: Ein Historiker mit Handicap und Vision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eine neue Provinz – Britannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bürgerrechtspolitik und der Umgang mit den Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . 5.Claudius und die Frauen oder Die Frauen des Claudius? . . . . . . . . . . . . . . . 6.Claudius und die kaiserlichen Freigelassenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. „Mann ohne eigenen Willen“? – Versuch einer Beurteilung . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92 92 96 103 105 109 118 121 124

VIII. Nero . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Quellen und ihre Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Quinquennium Neronis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kunst und Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Brand Roms 64 n.Chr. und die Baupolitik Neros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.Verschwörung und Opposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Außen- und Provinzpolitik Neros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Neros Griechenlandreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Aufstände in den Provinzen und Neros Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Künstler, Muttermörder, Christenverfolger – Neros Nachleben. . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125 126 127 130 133 139 142 146 148 149 150

IX. Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Hof des Kaisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.Veränderte Rollen und Selbstbilder der römischen Aristokratie . . . . . . 3. Familien- und Nachfolgepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Stellung der Frauen des Kaiserhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Bedeutung der Provinzen und der provinzialen Elite . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Außen- und Militärpolitik der julisch-claudischen Epoche . . . . . . . 7. Der Kaiser als Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.Vom Unglück, nicht Augustus zu sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 151 153 154 155 157 158 159 162 164

Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Geschichte kompakt Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden. Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europäischen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte. Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissensstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden. Kai Brodersen Martin Kintzinger Uwe Puschner Volker Reinhardt

In der Geschichte, wie auch sonst, dürfen Ursachen nicht postuliert werden, man muss sie suchen. (Marc Bloch)

Vorwort Die Kaiser der julisch-claudischen Dynastie gehören zu jenen antiken Herrscherfiguren, deren Bild in der Forschung sich in den letzten Jahren stark gewandelt hat. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) üben sie noch immer eine große Faszination auf all jene aus, die sich mit ihnen und ihrer Zeit befassen. In den wenigen Jahrzehnten zwischen dem Tod des ersten Kaisers Augustus (14 n.Chr.) und dem Ende der Dynastie (68 n.Chr.) lassen sich allerdings nicht nur die hochspannenden Lebensläufe der Kaiser Tiberius, Caligula, Claudius und Nero studieren. Es können auch die Konsolidierungsprozesse jener politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen beobachtet werden, die den Prinzipat ausmachten. Die biographischen wie strukturellen Linien unter Heranziehung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse zusammenzuführen und sie in einem Überblickswerk zu präsentieren, ist Ziel dieses Buches. Die Reihe „Geschichte kompakt“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft bietet dafür den idealen Ort. Der vorliegende Band begleitet mich seit mehreren Jahren in meinen Forschungen, vor allem aber auch in zahlreichen Lehrveranstaltungen. In Vorlesungen, Seminaren und Übungen an den Universitäten Passau, Regensburg und vor allem Erlangen-Nürnberg habe ich verschiedene Themenkomplexe des Bandes mit den Studierenden intensiv diskutiert. Diese Diskussionen haben mir im Entstehungsprozess des Buches oft geholfen und ich danke allen daran Beteiligten. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Hans-Ulrich Wiemer für die Möglichkeit, seinen Lehrstuhl für zwei Semester vertreten zu können, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls und den Studierenden in Erlangen. Insbesondere Herrn Dr. Bernhard Kremer und Frau Agnes Luk danke ich für die Lektüre des Manuskriptes und ihre wertvollen Hinweise, Herrn Felix Schmutterer für die Hilfe bei der Beschaffung der Bildrechte. Dank gebührt ferner Herrn Prof. Dr. Peter Herz, der schon im Studium mein Interesse für die frühe Kaiserzeit geweckt, manches Problem mit mir diskutiert und viele nützliche Ratschläge gegeben hat. Herrn Dr. Elmar Singer gilt ein ganz besonderer Dank für den unschätzbaren Blick von außen und seine umfassende Unterstützung. Herrn Prof. Dr. Kai Brodersen danke ich für die Aufnahme des Bandes in die Reihe „Geschichte kompakt“ und Frau Anna Frahm für die aufmerksame Betreuung meines Manuskriptes und die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Regensburg, im Dezember 2016

Babett Edelmann-Singer

I. Einleitung Ein heuchlerischer Tyrann, ein irrwitziger Jüngling mit Hang zu sadistischem Humor, ein physisch beeinträchtigter Wirrkopf, fremdgesteuert von raffgierigen ehemaligen Sklaven und nymphomanen Ehefrauen, am Ende ein Pseudokünstler mit Hang zur Megalomanie – so werden die Nachfolger des Augustus in unseren wichtigsten literarischen Quellen dargestellt. Tacitus, Sueton und Cassius Dio verfolgen zwar unterschiedliche Intentionen in ihren Werken, Einigkeit herrscht allerdings darin, dass diese vier Herrscher letztlich in den entscheidenden Herrscherqualitäten versagten. Zwar werden zumindest Tiberius und Claudius an der einen oder anderen Stelle positive Entwicklungsschübe für das Reich bescheinigt, auch den Anfängen des Caligula und des Nero konzedieren die genannten Autoren durchaus hoffnungsvolle Tendenzen, aus der Sicht der senatorisch geprägten Geschichtsschreibung und der antiken Biographie wurden aber letztlich doch alle vier Kaiser als Fehlgriffe verstanden. Das Versagen ist dabei immer ein persönliches, und der Maßstab richtiger Herrschaft liegt stets in einer imaginierten Vergangenheit, in der der mos maiorum (die Sitte der Vorfahren) die Geschicke Roms lenkte. Betrachtet man aber das Reich und seine Entwicklung im Ganzen, erweist sich die Zeit zwischen 14 und 68 n.Chr. als eine der stabilsten und sichersten in der römischen Geschichte bis dahin. Wir sehen eine florierende und expandierende Wirtschaft, Innovationen, beispielsweise in Architektur, Baupolitik oder Schifffahrtstechnik. Wir sehen Wohlstand auch an den Rändern des Imperiums. Wir sehen Provinzen, die sich die römische Kultur zu eigen machen, ohne die eigene aufzugeben, wir sehen eine Elite, die sich am Exemplum der Kaiser und ihrer Familienmitglieder ausrichtet. Betrachtet man zugleich das Bild der Herrscher in jenen Quellen, die neben der Geschichtsschreibung und der Biographie auf uns gekommen sind, dann sehen wir vier Herrscher, die in relativ ähnlicher Weise von der Bevölkerung des gesamten Reiches verehrt wurden, deren Konterfei nicht nur die Reichsmünzen, sondern auch die lokale Münzprägung zierte, die selbst genauso wie ihre Familien mit zahllosen Statuen geehrt und in Inschriften gepriesen wurden. Wie aber fügt man diese so unterschiedlichen Bilder zusammen? Lange hat auch die Forschung die Kaiser der julisch-claudischen Dynastie in den Schatten des Augustus gestellt und als mehr oder weniger erfolglose Epigonen wahrgenommen, die letztlich durch politisches oder persönliches Versagen den Fußspuren, die der Dynastiegründer hinterlassen hatte, nicht gerecht werden konnten. Jene vier Kaiser aus dem Haus der Julier und Claudier, die dem Augustus nachfolgten, wurden in der althistorischen Literatur unter Überschriften wie

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I.

Einleitung

„Die Nachfolger des Augustus – Tiberius bis Nero“ oder „The Augustan Empire BC 43–AD 69“ abgehandelt. Sie alle erlitten das unglückliche Schicksal, nicht Augustus zu sein. Dabei stand eine oft dezidiert biographisch-psychologische Sichtweise im Vordergrund, die strukturelle Gegebenheiten des Reiches vernachlässigte und entsprechend die Erfolge der julisch-claudischen Kaiser zu wenig zur Kenntnis nahm. Der an den literarischen Quellen ausgerichtete Blick auf die Persönlichkeiten der Kaiser führte allzu leicht dazu, ihr vermeintliches Versagen als historische Wahrheit weiterzuschreiben. Worin aber liegt ihr Versagen und ist es überhaupt eines, das den Protagonisten angelastet werden kann? Völlig zu Recht hat Karl Christ in seiner „Geschichte der römischen Kaiserzeit“ die Zeit des Tiberius als „Konsolidierung des Prinzipats“ beschrieben. Denn so schwierig es war, an die Stelle der faktisch in den Bürgerkriegen untergegangenen Republik ein neues politisches System zu setzen, um wie viel schwieriger musste es sein, dieses System nun zu stabilisieren? Augustus’ Regentschaft, die bald ein halbes Jahrhundert währte, war für die Nachfolger Segen und Fluch zugleich. Seine politischen Weichenstellungen und die Zugehörigkeit zu seiner Familie waren einerseits die Garantie ihrer Herrschaft. Auf der anderen Seite hatte Augustus mit dem Prinzipat ein ganz auf seine Person zugeschnittenes politisches und gesellschaftliches Gebilde geschaffen, das politisch-konzeptionell allerdings auf der Basis der römischen Republik aufbaute und seine Wertvorstellungen aus republikanischer Tradition speiste. Dementsprechend war die Zeit des frühen Prinzipats von der Paradoxie einer Gleichzeitigkeit traditioneller aristokratischer Verhaltenserwartungen und einer faktisch existierenden Monarchie geprägt. Augustus selbst hatte in seinem Tatenbericht geschrieben, der neue Staat beruhe zu einem großen Teil auf seiner auctoritas, der persönlichen Autorität. Damit führte er einen Parameter in den politischen Legitimationsdiskurs ein, der den Prinzipat aus der Summe rechtlicher Kompetenzen heraushob, die er vorgeblich war. Für die Nachfolger musste dieser Parameter persönlicher auctoritas das Maß ihrer Erfolge oder das Urteilskriterium ihrer Misserfolge werden. Man würde Tiberius, Caligula, Claudius und Nero und der Zeit, die sie prägten, nicht gerecht, stellte man sie nur in den Schatten des ersten Prinzeps. Die lange akzeptierte, heute aber zunehmend in Frage gestellte kritische Meinung über die Epoche zwischen 14 und 68 n.Chr. geht in erster Linie auf jene Informationen zurück, die antike Geschichtsschreiber, Biographen und Literaten liefern. Sie sind es, die das Bild eines Niedergangs prägten. Aber gerade diese Autoren sind es auch, die aus verschiedensten Gründen ein vitales Interesse daran hatten, die julisch-claudischen Herrscher in ein schlechtes Licht zu rücken. Bevor man sich also den Ereignissen und ihrer Beurteilung zuwenden kann, muss man nach den Quellen und den Motiven jener antiken Autoren fragen, auf denen diese Informationen beruhen. Gleichzeitig muss man danach fragen, welche Quellen helfen können, dieses Bild zu relativieren.

II. Quellen Unser Wissen entstammt in erster Linie Werken der Geschichtsschreibung und Biographien, die von antiken Autoren verfasst wurden. Alle diese Texte beschreiben das Wirken der Kaiser als politische sowie persönliche Lebensgeschichte und legen den Fokus auf Rom. Die antike Geschichtsschreibung funktioniert dabei stets nach dem gleichen Muster: Alle Ereignisse haben ihren Ursprung in einem persönlichen Erfolg oder einem individuellen Versagen von Menschen. Strukturelle Erklärungen gibt es nicht. Tacitus, Sueton und Cassius Dio haben das Bild dieser Epoche wohl am stärksten geprägt, von der sie allerdings ein großer zeitlicher Abstand trennt. Tacitus stammte wohl aus der Provinz Gallia Narbonensis (Südfrankreich) und gehörte zu jener Schicht provinzialer Senatoren, deren Aufstieg im 1. Jahrhundert n.Chr. stattfand. Er gilt als Vertreter der senatorischen Geschichtsschreibung, orientierte sich am Ideal der längst untergegangenen römischen Republik. Im Jahr 97 wurde er Konsul, später Statthalter der Provinz Asia. Seine für unsere Epoche wichtigsten Werke, die er in der Regierungszeit Trajans und Hadrians verfasste, sind die beiden Geschichtswerke, die heute unter dem Titel Annalen (ab excessu divi Augusti) und Historien firmieren. Vor allem die Annalen, die vom Tod des Augustus 14 n.Chr. bis zum Tod Neros 68 n.Chr. reichen (aber nur unvollständig vorliegen), haben das Bild dieser Epoche nachhaltig geprägt. Typisch für Tacitus ist die Technik des Innuendo, der diskreditierenden Andeutungen über eine Person, das Nicht-Aussprechen von angeblichen Wahrheiten, die er aber durch Gerüchte und das Zitieren von Volkes Stimme unterschwellig anlegt. Sein vielzitiertes „sine ira et studio“ (ohne Hass und Parteilichkeit) muss daher äußerst kritisch gesehen werden. Tacitus’ Absicht ging über das bloße Erzählen historischer Abläufe hinaus. Er wollte den Prinzipat als eine Zeit des Niedergangs beschreiben, der sich in zahlreichen Symptomen äußerte: Die Kaiser versagten angesichts der Fülle ihrer Macht, die Eliten versagten, indem sie ihre alten Freiheitsrechte für Sicherheit und Wohlstand verkauften. Dabei spiegelte seine Beschreibung mehr die selbsterlebten Jahre unter Domitian, der den Prinzipat in eine autokratische Monarchie umwandelte und die Senatoren politisch entmachtete. Tacitus aber hatte gerade unter Domitian die Karriereleiter erklommen. Seine Abrechnung mit dem unterwürfigen Senatorenstand des frühen Prinzipats war daher nicht zuletzt auch eine Selbstanklage. Der ebenfalls unter Trajan und Hadrian schreibende Sueton hinterließ eine Sammlung von 12 Kaiserviten, die von Caesar bis Domitian reicht. Aus dem Ritterstand stammend, hatte er eine erstaunliche Karriere bis zum Leiter

Annalistik und Biographie

Publius (?) Cornelius Tacitus (ca. 55–120 n.Chr.)

Gaius Suetonius Tranquillus (ca. 70–130 n.Chr.)

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II.

L. Claudius Cassius Dio Cocceianus (ca. 164–235 n.Chr.)

Velleius Paterculus (ca. 20 v.Chr.–nach 30 n.Chr.)

Quellen

des kaiserlichen Sekretariats (ab epistulis) hinter sich, als er im Jahr 122 von Hadrian unehrenhaft entlassen wurde. Durch seinen Posten hatte er Zugang zu den kaiserlichen Archiven und nutzte diesen für seine Lebensbeschreibungen. Sueton wurde in der Fachwelt nicht selten die nötige Ernsthaftigkeit und Reflexion abgesprochen. Man betrachtete sein Werk eher als Unterhaltungsliteratur, da er es für ebenso wichtig hielt, über das Aussehen, die persönlichen Marotten oder die Krankheiten der Kaiser zu berichten, wie über deren Außenpolitik und Gesetze. Suetons Ansatz war es dabei, den Prinzipat als Herrschaftssystem in seinen individuellen Ausprägungen unter den einzelnen Kaisern zu spiegeln. Im Gegensatz zu Tacitus’ Werken wurden seine Kaiserviten von der Antike bis ins Mittelalter vielfach wieder aufgelegt, rezipiert und nachgeahmt. Cassius Dio schrieb seine „Römische Geschichte“ mit deutlichem zeitlichem Abstand zu den Ereignissen. Er stammte aus der östlichen Provinz Bithynien, verfasste sein Werk entsprechend auf Griechisch. Auch er war Mitglied des Senates, seine Familie gehörte zur provinzialen Elite, so stieg er schnell auf und übernahm Spitzenpositionen im Reich unter den severischen Kaisern: Zweimal bekleidete er den Konsulat – einmal davon, 229 n.Chr., sogar gemeinsam mit dem Kaiser –, dreimal ist für ihn das Amt eines Statthalters überliefert. Cassius Dio stand in gewisser Hinsicht in der Tradition des Tacitus: In beiden Werken wurde die Politik eines Kaisers daran gemessen, wie er sich zum Senat verhielt. Ähnlich wie Tacitus stellte Cassius Dio die eigene Zeit als Abstieg dar, als Epoche eines ‚eisernen und rostigen Kaisertums‘. Auch sein Werk verfolgte also die Absicht, in der historischen Darstellung die eigene Zeit zu spiegeln. Velleius Paterculus ist ein Korrektiv zu den genannten drei Autoren – wenn auch ein durchaus problematisches. Seit der Entdeckung der Handschrift seiner „Römischen Geschichte“ im Jahr 1515 sind sein Werk und seine Person umstritten und wurden lange nicht genug gewürdigt. Dabei ist Velleius einer der wenigen Zeitzeugen unter den heute vorliegenden Autoren. Er kannte Tiberius persönlich und diente unter seinem Kommando mehrere Jahre in Germanien und Pannonien. Aber genau dieser Umstand hat ihm den Vorwurf eingebracht, ein Schmeichler und Parteigänger des Tiberius gewesen zu sein, der die historischen Fakten zugunsten des von ihm hochverehrten Kaisers Tiberius gefälscht habe. Velleius Paterculus stammte aus einer ritterlichen Familie mit langer republikanischer und militärischer Tradition. Wie seine Vorfahren schlug er die Offizierslaufbahn ein, begleitete auf dem Höhepunkt seiner militärischen Karriere den Tiberius als Stabsoffizier und Legat (Legionskommandant) in Pannonien und erreichte im Jahr 15 n.Chr. die Prätur. Zweifellos war Velleius ein Profiteur des Prinzipatssystems, aber gerade diese Tatsache eröffnete einen Blick auf Tiberius und seine Zeit, wie ihn die senatorische Geschichtsschreibung eines Tacitus nicht zuließ. Velleius blickte nicht idealisie-

Quellen

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rend zurück auf die Zeit der res publica. Für ihn lief die gesamte römische Geschichte auf ihren Höhepunkt in der Regierungszeit des Tiberius zu. Homines novi wie Velleius empfanden die neue Zeit des Prinzipats vielmehr als Chance denn als Verlust einer vermeintlichen Freiheit. Manche Analysten seines Werkes kamen sogar zu dem Ergebnis, dass Velleius die fundamentale Seite des Wesens und der Leistung des Tiberius sicher erfasst und plastisch gestaltet habe. In jedem Fall ist Velleius eine zeitgenössische Stimme, die zur meinungsbildenden kleinen Gruppe der Senatoren einen Gegenentwurf präsentiert und sicher eher die Mehrheitsmeinung der Reichsbewohner widerspiegelt. Stichwort

homo novus, Pl. homines novi Als „neue Männer“ werden Personen bezeichnet, die als erste ihrer Familien ein höheres Amt (Prätur oder Konsulat) bekleideten und damit Zugang zum Senat erhielten. Unter Augustus wurden ungewöhnlich viele Männer aus dem Ritterstand in den Senat erhoben und waren dem ersten Prinzeps daher in besonderer Weise zu Dank und Loyalität verpflichtet.

Flavius Josephus war ebenfalls persönlich in die Ereignisse am Ende der julisch-claudischen Herrschaft involviert, und auch seine Perspektive sollte als Korrektiv und Ergänzung verstanden werden. Josephus nämlich war kein Römer, zumindest nicht in den ersten 32 Jahren seines Lebens. So lange trug der aus einer einflussreichen jüdischen Priesterfamilie in Jerusalem stammende Mann den Namen Josephus ben Mattitjahu. Er unternahm als Mitglied der jüdischen Oberschicht diplomatische Missionen zu Kaiser Nero und beteiligte sich zunächst am großen Aufstand gegen Rom im Jahr 66 n.Chr. Dann aber wechselte er 67 n.Chr. die Seiten, da er erkannt hatte, wie er selbst schreibt, dass ein römischer Sieg Gottes Wille sei. Er prophezeite dem römischen Oberkommandierenden im Jüdischen Krieg, Flavius Vespasianus, die Kaiserwürde und erhielt, als dies tatsächlich eintrat, von ihm das römische Bürgerrecht. Flavius Josephus, wie er sich nun nannte, wirkte in der Folge als Vermittler zwischen Rom und Jerusalem. Vor allem sein Werk über den Jüdischen Krieg (Bellum Iudaicum), das in der Zerstörung des Tempels von Jerusalem gipfelte, und seine jüdische Geschichte von den biblischen Anfängen bis ins Jahr 66 n.Chr. (Antiquitates ludaicae) sind für die julisch-claudische Epoche relevant. Als Ergänzung zu diesen Autoren können philosophische Schriften, Dichtung und Fachschriftstellerei herangezogen werden. Als Erzieher und Berater Neros hat der römische Autor Seneca gewirkt. Seine literarischen Werke, Briefe und philosophischen Betrachtungen können zwar nur bedingt für die Rekonstruktion historischer Abläufe herangezogen werden, eröffnen aber einen Einblick in die Mentalität und Wertewelt der se-

Flavius Josephus (ca. 37/38–100 n.Chr.)

Dichtung, Philosophie, Fachschriftstellerei L. Annaeus Seneca (ca. 1–65 n.Chr.)

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II.

Dokumentarische Quellen

Quellen

natorischen Oberschicht. Auch in ihrer zum Teil dem Kaiser zugewandten, zum Teil ihn extrem ablehnenden Haltung spiegeln sie aufschlussreich die kulturhistorischen Entwicklungen in der Epoche der julisch-claudischen Kaiser wider. Die Dichter Martial (ca. 38–104 n.Chr.) und Juvenal (ca. 67–nach 138 n.Chr.) stehen zeitlich zwar eher in der Epoche der Flavier und Antonine, zeigen aber gerade in ihren historischen Rückgriffen auf die Vorgängerepoche, wie diese von der nachfolgenden Generation wahrgenommen wurde. Auch die Fachschriftsteller zu Geographie und Naturkunde erlauben uns recht oft Einblicke in die Gegebenheiten und Vorstellungen der Zeit. Als Autoren sind hier Plinius der Ältere (23–79 n.Chr.) mit seiner „Naturgeschichte“ zu nennen, einer enzyklopädischen Sammlung des bekannten Wissens über die Natur in 37 Büchern, oder Strabon von Amaseia (Mitte 1. Jh. v.Chr.–ca. 24 n.Chr.), der mit der „Geographika“ eine kulturgeographische Beschreibung der Mittelmeerwelt verfasste. Eine sehr gute Ergänzung, nicht selten auch ein Korrektiv zu den oft problematischen literarischen Quellen, können dokumentarische Quellen sein, also archäologische Überreste, Inschriften, Münzen oder Papyri. Reste kaiserlicher Palastanlagen in Rom – wie beispielsweise die sogenannte domus aurea des Kaisers Nero –, aber auch Bauten einzelner Kaiser außerhalb der urbs werden im Verlauf der Darstellung als monumentale Reste bestimmter Herrschaftskonzepte thematisiert werden. Vor allem die Kaiserbildnisse sowie die Kaiserinschriften, deren reichsweite Verbreitung von der herrscherlichen Durchdringung auch der Provinzen Zeugnis ablegen kann, werden heute als Elemente des öffentlichen Diskurses verstanden, die als Medium kaiserlicher Kommunikation und Repräsentation großen Einfluss ausüben konnten. Gleichzeitig erlauben uns die in den Provinzen aufgestellten Inschriften und Kaiserbildnisse aber auch einen seltenen Blick auf die Rezeption der Kaiser im Reich.

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III. Der Herrschaftsantritt des Tiberius:

Missverständnisse und Hypotheken

Überblick

Z

um Verständnis der Herrschaft des Tiberius wie der gesamten julisch-claudischen Epoche (14–68 n.Chr.) ist es unerlässlich, die Situation beim Herrschaftsantritt des Tiberius detailliert zu erfassen. Dies bedeutet einerseits, die politischen wie familiären Bedingungen beim Tod des Augustus im Jahr 14 n.Chr. zu skizzieren, unter denen Tiberius sein Prinzipat im September 14 n.Chr. antrat. Andererseits bedeutet es aber auch,

seine Lebensgeschichte bis zu diesem Punkt einfließen zu lassen und die problematischen historischen Ereignisse um die erste Machtübertragung zu schildern. In den Wochen zwischen dem 19. August und dem 17. September 14 n.Chr. erfolgten die Weichenstellungen in der dynastischen Nachfolgeregelung, im Umgang mit dem verstorbenen Herrscher und im politischen Verhältnis zum Senat.

Zeittafel 19.8.14 n.Chr.

Tod des Augustus in Nola

20.(?)8.14 n.Chr.

Ermordung des Agrippa Postumus

September 14 n.Chr. Beisetzung des Augustus im Mausoleum Augusti 17.9.14 n.Chr.

16.11.42 v.Chr.– 16.3.37 n.Chr.

Entscheidende Senatssitzung nach dem Tod des Augustus Konsekration des ersten Prinzeps zum Divus Augustus Erhebung des Tiberius zum Augustus und Verleihung des imperium proconsulare auf Lebenszeit Verleihung des imperium proconsulare an Germanicus und Ernennung zum flamen Augustalis Testamentarische Adoption der Livia in die julische Familie (Name: Julia Augusta), Ernennung zur sacerdos divi Augusti Lebensdaten des Tiberius

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III.

Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken

1. August 14 n.Chr. – Eine Ära geht zu Ende und ein Gott wird geschaffen Tod und Bestattung

Der Imperator Caesar Divi Iulii filius Augustus verstarb am 19. August 14 n.Chr. Bei seinem Tod war er fast 76 Jahre alt und hatte die Geschicke des römischen Reiches 58 Jahre lang bestimmt. 44 Jahre davon (ab 31 v.Chr.) war er im Grunde unumstrittener Alleinherrscher gewesen. Kaum ein Bewohner des römischen Reiches konnte sich im Sommer 14 n.Chr. an eine Zeit ohne Augustus erinnern oder war gar in der Zeit vor den Bürgerkriegen, die in Abgrenzung vom Prinzipat in Anlehnung an Cicero als libera res publica (freier Staat) bezeichnet wurde, politisch aktiv gewesen. Sein Tod stellte eine Zäsur dar, und die Ereignisse um die Bestattung des Augustus werden in den Quellen daher auch detailreich geschildert. Quelle Bestattung des Augustus Suet. Aug. 100, 2–4 Im Senat entbrannte in dem Bemühen um eine prachtvolle Ausrichtung der Beisetzungsfeierlichkeiten und darum, dem Andenken des Toten Ehre zu erweisen, ein regelrechter Wettstreit, so dass es so weit ging, dass unter vielem anderen einige Senatoren den Antrag stellten, der Leichenzug sollte durch das Triumphtor ziehen, dabei solle das Bild der Siegesgöttin vorangetragen werden, das in der Curia stehe, und Kinder beiderlei Geschlechts aus den vornehmsten Familien sollten das Trauerlied singen. Andere beantragten, am Tage des Begräbnisses solle man die goldenen Ringe ablegen und eiserne anstecken. Einige schlugen vor, die Priester der obersten Kollegien sollten die Gebeine aufsammeln. Einer empfahl, den Namen des Monats Augustus auf den September zu übertragen, weil in diesem Augustus geboren sei, in jenem gestorben. Ein anderer war der Meinung, man solle den gesamten Zeitraum vom Tag seiner Geburt bis zu seinem Todestag das Augusteische Zeitalter nennen und es so in den Kalender aufnehmen. Den Ehrungen hat man aber das rechte Maß gesetzt und nur zwei laudationes gehalten: die eine hielt Tiberius vor dem Tempel des Divus Julius, die andere Drusus, der Sohn des Tiberius, vorn auf der alten Rednertribüne, und Senatoren trugen den Leichnam auf ihren Schultern bis zum Marsfeld, dort wurde er verbrannt. Und es gab auch einen Mann im Range eines Prätors, der schwor, dass er gesehen habe, wie das Abbild des Verbrannten in den Himmel aufgestiegen sei. Die sterblichen Überreste sammelten die vornehmsten Angehörigen des Ritterstandes in der Tunika, ohne Gürtel und mit bloßen Füßen auf und setzten sie im Mausoleum bei. (Übersetzung H. Martinet)

Augustus hatte für den Fall seines Ablebens sowohl politisch wie auch persönlich präzise Vorkehrungen getroffen. Möglicherweise leitete ihn dabei die Erinnerung an Caesars plötzlichen Tod 44 v.Chr. und die chaotischen Szenen bei dessen Bestattung. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Augustus das von ihm erschaffene Herrschaftsgefüge nach seinen Vorstellungen weitergeführt

1. August 14 n.Chr. – Eine Ära geht zu Ende und ein Gott wird geschaffen

wissen wollte und daher über den eigenen Tod hinaus Anweisungen hinterlassen hatte, die unter anderem einen Tatenbericht (res gestae) enthielten, der sein Leben in der eigenen Deutung darstellte und prominent am Mausoleum in Rom angebracht werden sollte. Schon der Leichenzug (pompa funebris) erinnerte eher an einen Triumphzug als an die großen Leichenzüge berühmter Männer der Republik. Denn neben den üblichen Bildern der berühmten Vorfahren wurden auch die Bilder der von Augustus unterworfenen Völker mitgetragen. Der vergöttlichte Caesar fehlte zwar im Leichenzug, da die Leichenreden (laudationes funebris) des Adoptivsohnes und designierten Nachfolgers Tiberius und seines Sohnes Drusus des Jüngeren aber vor dem Tempel des Divus Julius gehalten wurden, war dieser wichtigste der augusteischen Vorfahren doch prominent genug vertreten. Cassius Dio berichtet, Tiberius habe den Augustus mit dem Halbgott Herakles verglichen, der wegen seiner Leistungen vom Scheiterhaufen auf den Olymp entrückt worden war. Diese Rede zielte bereits stark darauf ab, Augustus zum Staatsgott zu erheben. Nach Cassius Dio beendete Tiberius seine Rede mit den Worten: „Wir dürfen ihn darum auch nicht betrauern, sondern sollen nunmehr seinen Leib der Natur zurückgeben, während wir seine Seele gleich der eines Gottes für alle Zeit verherrlichen.“ (Cass. Dio 56, 41, 9) Nach der Zeremonie auf dem Forum trugen die Senatoren den Toten zum Marsfeld, wo außerhalb des pomerium, der sakralen Stadtgrenze, ein riesiger Scheiterhaufen errichtet war. Es folgten die Magistrate, die Priesterkollegien, die übrigen Senatoren, die Ritter, die Soldaten und die Bevölkerung. Der Leichnam des Augustus wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt und man ließ einen Adler steigen, um darzustellen, dass die Seele des Verstorbenen von den Göttern in den Himmel geholt worden sei. Es blieb damit auch kein Zweifel, dass die Erhebung zum Staatsgott ein Akt göttlichen Willens war, den der Senat nur bestätigte. Ein Mann im Rang eines Prätors schwor einen Eid, dass er den Aufstieg des Augustus vom Scheiterhaufen in den Himmel gesehen habe. Nachdem der Scheiterhaufen abgebrannt war, sammelten die führenden Ritter die Knochen des Toten ein und setzten diese im Mausoleum des Augustus bei. Am 17. September fand dann die erste Senatssitzung der nachaugusteischen Epoche statt, in der beschlossen wurde, dem Augustus einen offiziellen Staatskult einzurichten. Ähnlich wie bei der Divinisierung Caesars durch die lex Rufrena 42 v.Chr. wurde sicherlich ein Gesetz erlassen, das den Beschluss zur Vergöttlichung regelte und für alle Bürger verbindlich die Einrichtung eines neuen Kultes festschrieb. Augustus wurde nun zum Divus Augustus, zum göttlichen Augustus, er erhielt einen Priester, einen Tempel und Opfer zugesprochen. Leider gibt es von dem monumentalen Tempel, der in der Senke zwischen Palatin und Kapitol lag, keine Reste, sondern nur Abbildungen auf Münzen. Die relativ späte Weihung der aedes im Jahr 37 n.Chr. durch Kaiser Caligula, den Nachfolger des Tiberius, führt zu der Vermutung, dem Tiberius

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Konsekration

18

III.

Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken

habe wenig an der Vergöttlichung und kultischen Verehrung seines Vorgängers gelegen. Die Priesterschaft, die nun eingerichtet und mit dem Kult des Augustus betraut wurde, trug den Namen sodales Augustales, nach dem Vorbild einer Priesterschaft, die für den Stadtgründer Romulus in mythischer Zeit eingerichtet worden war. Zu den ersten Mitgliedern dieser neuen AugustusPriesterschaft gehörten die Angehörigen des Kaiserhauses (Tiberius, Germanicus, Claudius, Drusus der Jüngere) und wohl die höchste Führungsschicht des Reiches. Der erste Priester des Augustus (flamen Divi Augusti) wurde sein Adoptivenkel Germanicus, designierter Nachfolger des Tiberius. Interessanterweise wurde auch Livia, die Witwe des Augustus, zur Priesterin ihres verstorbenen Mannes ernannt (sacerdos divi Augusti). Zu den weiteren Ehrungen für den neuen Gott Augustus gehörte es, dass mehrtägige Feste und Spiele zu seinen Ehren in den römischen Festkalender integriert wurden: So feierte man von nun an die Augustalia zwischen dem 3. und 12. Oktober und die ludi Palatini vom 17. bis zum 19. Januar. So weit gab es im Senat Einigkeit, was die Beschlüsse über den toten Herrscher anging. Wie aber sollte es nun mit der Herrschaft, dem Prinzipat, weitergehen? Der 17. September 14 n.Chr. erscheint als historisch bedeutsamer Moment, denn zum ersten Mal musste das von Augustus geschaffene Herrschaftssystem an einen Nachfolger aus der Familie übertragen werden. Jenes Herrschaftssystem, das die moderne Forschung Prinzipat nennt, war eine kaum verhüllte Monarchie. Die Kaiser selbst stellten es aber als Fortsetzung der römischen Republik dar.

Stichwort

Prinzipat Bezeichnet die von Augustus 27 v.Chr. geschaffene Herrschaftsform, die als Kompromiss zwischen dem aus dem Bürgerkrieg siegreich hervorgegangenen Prinzeps Augustus und dem Senat inszeniert wurde. Rechtlich abgesichert wurde die führende Position des Prinzeps durch republikanische Amtsgewalten und Befugnisse, die allerdings modifiziert und damit ihres republikanischen Charakters entledigt wurden. Faktisch beruhte die Macht des Augustus auf seiner Kontrolle des Militärs, seiner Herkunft, seiner sakralen Sonderstellung, seinen Klientelbeziehungen und seinem Reichtum. Sozial resultierte die Führungsrolle aus der im pater patriae-Titel verankerten Schutzfunktion für das gesamte Reich.

Wie sollte die Herrschaft weiter ausgeübt werden? Gab es überhaupt einen Spielraum? Entscheidende Regelungen waren von Augustus bereits zu seinen Lebzeiten in die Wege geleitet worden: Er hatte dafür gesorgt, dass der designierte Nachfolger Tiberius die beiden entscheidenden Kompetenzen der Herrschaftsausübung bereits innehatte – seit seiner Adoption 4 n.Chr. besaß

2. Das Testament des Augustus

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er die tribunicia potestas und seit 13 n.Chr. war er Inhaber des imperium proconsulare maius. Entsprechend hatten bereits unmittelbar nach dem Tod des Augustus die beiden Konsuln sowie der Prätorianerpräfekt den Treueeid auf Tiberius abgelegt. Stichwort

tribunicia potestas Beinhaltet sämtliche Befugnisse und Privilegien der Volkstribunen, vor allem das Antragsrecht vor der Volksversammlung bezüglich Gesetzesinitiativen und Strafanklagen, das Recht, Senatssitzungen anzuberaumen, ein allgemeines Hilferecht gegenüber jedermann, das vor allem eine Schutzfunktion für betroffene Bürger gegenüber Willkürakten einzelner Magistrate einschloss, sowie das Vetorecht gegenüber allen Handlungen sämtlicher Magistrate bis hinauf zu den Konsuln.

imperium proconsulare maius Erstreckte sich auf das ganze Reichsgebiet und ermöglichte es dem Prinzeps, auch in Senatsprovinzen dem jeweiligen Statthalter übergeordnet zu sein.

Mit dieser staatsrechtlichen Übertragung der Macht musste auch die privatrechtliche einhergehen. Denn der Prinzipat beruhte eben nicht ausschließlich auf potestas, also Machtbefugnissen, sondern zu einem großen Teil auch auf weiteren zentralen Pfeilern: der auctoritas des Prinzeps, seinem sozialen Prestige und seinem wirtschaftlichen Vermögen.

2. Das Testament des Augustus Mit seinem Testament hatte Augustus auch privatrechtlich den Schritt der Machtübertragung abgesichert. Um einerseits verstehen zu können, wie Augustus über seinen Tod hinaus weiterwirkte, um andererseits aber auch zu begreifen, welche Zwänge auf Tiberius lasteten, muss man sich die Regelungen jenes privaten Testamentes vor Augen halten, das Augustus 13 n.Chr. verfasst hatte und das nun in der ersten Senatsdebatte nach seiner Konsekration verlesen wurde. Grundsätzlich muss man dem Testament eines Römers eine hohe soziale und kommunikative Bedeutung beimessen. Es repräsentiert nicht nur individuelle Wünsche, sondern gleichermaßen seine gesellschaftliche Eingebundenheit. Dieser letzte Wille verfügte, dass der Adoptivsohn Tiberius und die Witwe Livia als Haupterben – Livia zu einem Drittel, Tiberius zu zwei Dritteln – eingesetzt wurden. Die Enkel Germanicus und Drusus der Jüngere wurden als Erben zweiten Ranges bedacht. Daneben verfügte Augustus, dass 40 Millionen Sesterzen von seinen Erben an die stadtrömische Bürgerschaft (die tribus), die

Erben und Legate

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III.

Adoption der Livia

Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken

Militärs der Stadt (Prätorianer, römische Kohorten) und schließlich an alle in den Legionen dienenden Bürgersoldaten ausbezahlt werden sollten. Bei diesen Regelungen waren ihm sicherlich die positiven Auswirkungen der Legate (Vermächtnisse) im Testament Caesars in Erinnerung, die er selbst als Haupterbe im Jahr 44 v.Chr. ausgezahlt und mit denen er sich die Loyalität der zivilen und militärischen Anhänger Caesars gesichert hatte. Das private Testament stand also ganz klar unter der Maßgabe des reibungslosen Übergangs der Macht innerhalb der Familie an den vorgesehenen Nachfolger Tiberius. Sowohl staatsrechtlich als auch privatrechtlich hatte Augustus ihm den Weg geebnet. Die Rolle, die der Witwe des Augustus und Mutter des Tiberius, Livia (58 v.Chr.–29 n.Chr.), eingeräumt wurde, bedarf allerdings einiger Erklärungen: Das Testament legte nämlich für viele sicherlich überraschend fest, dass Livia in die julische Familie adoptiert werden und fortan den Namen Julia Augusta tragen sollte. Sowohl die hohe Summe der Erbschaft als auch diese testamentarische Adoption einer Frau bei gleichzeitigem Vorhandensein eines männlichen Erben und Nachfolgers waren in jeder Hinsicht ungewöhnlich. Seit 169 v.Chr. existierte infolge der Punischen Kriege ein Gesetz (lex Voconia), das es verbot, Frauen als Erben von Vermögen über 100000 Sesterzen einzusetzen. Im Falle der Livia berichtet Cassius Dio (56, 32, 1), dass der Senat diese Erbschaft durch eine Ausnahmeregelung abgesegnet hatte – der Senat war also in die Abfassung des Testaments zumindest in diesem Punkt eingebunden. Allerdings scheint es, als sei die testamentarische Adoption der Livia ein sozialer Akt ohne rechtliche Konsequenzen gewesen. Hätte Livia auf einem für Männer belegten Arrogationsverfahren bestanden, wären wohl die innerfamiliären Konsequenzen zu problematisch gewesen, schließlich wäre sie dann die Schwester ihres Sohnes geworden. Die Adoption der Livia muss daher weniger in einem juristischen Sinne verstanden werden, sondern mehr als Versuch, ihre Position sozial und sakral zu festigen. Die Versuche der Livia, aus dem neuen Namen Julia Augusta Kapital zu schlagen, veranschaulichen dies: Sie plante unter anderem einen Adoptionsaltar, eine ara adoptionis, zu errichten, was Tiberius allerdings verhinderte. Hier wird das Muster, das sich hinter dieser Adoption und Livias Einsetzung als Erbin verbarg, deutlich. Augustus scheint eine Art Kontrollinstanz für den von ihm wenig geliebten und vielleicht auch für wenig geeignet erachteten Tiberius geplant zu haben. Dafür stattete er Livia zusätzlich zu ihrem bereits bestehenden Besitz mit großen finanziellen Ressourcen, aber auch mit symbolischem Kapital in Form der Übertragung seines Namens und in Form des Priesteramts in seinem Kult aus. Dies sicherte ihr eine aktive Rolle im Prinzipat über seinen Tod hinaus.

3. Wer ist Tiberius? Sein Leben bis 14 n.Chr. Stichwort

Augustus-Name Der erstmals am 16. Januar 27 v.Chr. übertragene Name Augustus (der Erhabene) wertet seinen Träger sakral auf, da er an den mythischen Stadtgründer Romulus und das erste Augurium (augurium augustum), also die Einholung und Deutung des Götterwillens, erinnert und etymologisch in das religiös aufgeladene Wortfeld des Verbs augere (vermehren) gehört.

Mit der Adoption Livias setzte Augustus nicht nur ein Gegengewicht zu Tiberius innerhalb der Familie, es entstand auch – ob intendiert oder nicht – ein Graben zwischen Mutter und Sohn, der der Kaiserherrschaft des Tiberius real und in der Wahrnehmung der Zeitgenossen wie der antiken Autoren schadete. Denn die Erhebung Livias zur Augusta schuf ein machtinternes Gegengewicht, das auch vom Senat, von den Provinzen und den herrschaftsrelevanten Gruppen als Herabsetzung des Tiberius wahrgenommen wurde. Gleich nach der Bekanntmachung der Adoption Livias trug ihr dann auch der Senat den Titel der mater patriae an. Der Senat nahm also den Ball, den Augustus ins Feld geworfen hatte, auf und unterstützte dieses Gegengewicht zum neuen Kaiser. Die Senatoren forderten ferner, in Zukunft sollte Tiberius sich in seiner offiziellen Nomenklatur nicht nur Sohn des Augustus, sondern auch Sohn der Julia nennen. Außerdem sollte ein Monat nach ihr benannt werden, so wie es bereits mit Augustus und Caesar (Juli) geschehen war. Ihre Stellung sollte also über derartige kultische und soziale Ehrungen eine Art Verrechtlichung erfahren. All dies war ein Affront gegen Tiberius. Wäre er ein wenig souveräner gewesen, hätte er diesen ins Leere laufen lassen. Stattdessen lehnte er alle diese Vorschläge sofort und rundherum ab, indem er sagte, „die Ehrungen für Frauen seien einzuschränken“ (Tac. Ann. 1, 14, 2).

3. Wer ist Tiberius? Sein Leben bis 14 n.Chr. Das Verhältnis des Tiberius zu seiner Mutter Livia gestaltete sich ab 14 n.Chr. schwierig und war bereits vor diesen Ereignissen um die testamentarische Adoption kein einfaches gewesen. Grund genug, die Biographie dieses Mannes bis zum Jahr 14 n.Chr. genauer dar- und einige Überlegungen zu seiner Persönlichkeit anzustellen. Tiberius war zum Zeitpunkt seines Herrschaftsantritts 56 Jahre alt und hatte in seinem Leben einige prägende Erfahrungen machen müssen. Vorsicht ist bei der Beurteilung seines Charakters geboten, denn die kritische Reflexion der vorliegenden Quellen zeigt, dass sie Tiberius entweder ex post als gescheiterten Kaiser betrachten oder als Zeitgenossen ihren Kaiser glorifizieren. Den-

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III. Eltern und Kindheit

Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken

noch geben die Handlungen dieses Mannes vor Antritt der Herrschaft einige Anhaltspunkte zum Verständnis seiner Person. Tiberius wurde in krisengeschüttelten Zeiten geboren. Seine Mutter Livia Drusilla brachte ihn im Bürgerkrieg 42 v.Chr. zur Welt. Väterlicherseits entstammte er der alten patrizischen Familie der Claudier, was ihm den Ruf einbrachte, wie einige der Sprösslinge aus dieser gens hochmütig, grausam, stur und einzelgängerisch zu sein. Sein Vater, Tiberius Claudius Nero, war zunächst Parteigänger Caesars gewesen und hatte unter dem Diktator Karriere gemacht. Nach dessen Tod war er in das Lager der Republikaner und Caesarmörder gewechselt, war aber bald wieder zu Marcus Antonius umgeschwenkt. Nach dem Perusinischen Krieg musste er Italien verlassen und ins Exil gehen, aus dem er erst 39 v.Chr. aufgrund seiner Begnadigung nach Rom zurückkehrte. Er heiratete wohl 44 oder 43 v.Chr. seine entfernte Cousine Livia Drusilla, die zu diesem Zeitpunkt 13 oder 14 Jahre alt war. Der Altersunterschied betrug mindestens 15 Jahre, was den üblichen Verhältnissen der römischen Hocharistokratie entsprach. Livia Drusilla, die Mutter des Tiberius, entstammte ebenfalls republikanischem Adel. Ihr Vater, Marcus Livius Drusus Claudianus, war gebürtig aus der Familie der Claudier, war aber in die Familie der Livier adoptiert worden, eine plebejische Senatorenfamilie mit ebenfalls langer republikanischer Tradition. Die Adoption war in der römischen Gesellschaft eine übliche Form des Familienerhalts und wurde als Erhöhung des eigenen Sozialprestiges verstanden. So leitete Livia beispielsweise ihre hohe soziale Stellung aus beiden Herkunftsfamilien, der claudischen und der livischen, ab. Die Ehe der Eltern war wohl ein Versuch, in politisch schwierigen Zeiten Allianzen zu schmieden. Livias Vater hatte sich im Bürgerkrieg wie sein Schwiegersohn auf die Seite der Caesarmörder geschlagen und ging mit ihnen in der Schlacht von Philippi 42 v.Chr. unter. Nach der Niederlage nahm er sich das Leben. Wenige Wochen später gebar die gerade 16-jährige Livia ihren Sohn Tiberius. Seine ersten Lebensjahre verbrachte das Kind auf der Flucht und im Exil. 39 v.Chr. kehrte die Familie nach Rom zurück und zerbrach auch schon, denn noch im Oktober 39 v.Chr. heiratete Livia den neuen starken Mann in Rom, Octavian, den späteren Augustus (63 v.Chr.–14 n. Chr.). Bei ihrer Heirat war sie bereits mit ihrem zweiten Kind schwanger, und ihr erster Ehemann, Tiberius Claudius Nero, übernahm die Rolle des Brautführers. Das Kind Tiberius wuchs im Haus seines Vaters auf, auch seinen Bruder Drusus, der im Januar 38 v.Chr. geboren wurde, schickte man bald dorthin. Erst als ihr Vater 33 v.Chr. starb, kamen die Kinder zu ihrer Mutter Livia in das Haus des Octavian. Hier wuchsen sie gemeinsam mit Julia (39 v. Chr.–14 n. Chr.), der Tochter Octavians aus dessen Ehe mit Scribonia, auf. Auch diese Ehe war anlässlich der Heirat von Livia und Octavian geschieden worden. Nun darf man aber angesichts dieser ungewöhnlichen Konstellation nicht von einer großen romantischen Liebe zwischen Octavian und Livia ausgehen,

3. Wer ist Tiberius? Sein Leben bis 14 n.Chr.

wie sie uns manche antiken Autoren überliefern und wie sie dem modernen Verständnis von Liebe und Ehe vielleicht entspricht. Diese Ehe der Livia und des Octavian war am Beginn ein politisches Zweckbündnis, das neue Machtkonstellationen absichern sollte. Octavian war auf die alte römische Aristokratie angewiesen, und Livia galt als Vertreterin zweier der wichtigsten aristokratischen Familien der römischen Republik – der patrizischen Claudier und der plebejischen Livier. Der spätere Augustus heiratete weniger eine Frau, sondern eher das Prestige ihrer Familie und ihre Kontakte zu den führenden Schichten. Dies war in jenen Tagen durchaus üblich. Der Bräutigam selbst war gerade 24 und ging schon seine dritte Ehe ein, alle seine Ehen waren politische Zweckbündnisse gewesen. Diese Ehe zwischen Augustus und Livia hatte allerdings über 50 Jahre bis zum Tod des Augustus 14 n.Chr. Bestand, obwohl sie kinderlos blieb. Tiberius kam also 9-jährig in das Haus seines Stiefvaters und erlebte hier die wichtigen Jahre der politischen Entscheidungen in Rom mit. 31/30 v.Chr. besiegte Octavian seine Widersacher Marcus Antonius und Kleopatra, 27 v.Chr. begann mit dem großen Staatsakt der Prinzipat, und damit stellte sich auch bald die Frage, wer die Nachfolge des Augustus antreten könnte. Schließlich war seine Gesundheit nie die beste, und in den 20er Jahren hätte wohl kaum einer darauf gewettet, dass er bis ins hohe Alter von fast 76 Jahren leben und herrschen würde. Tiberius hatte von Beginn an nicht die besten Karten. Nicht nur sein eigener Bruder Drusus stand in der Beliebtheit weit vor ihm – angeblich besaß er das gewinnendere Wesen –, auch der Neffe des Augustus, Marcellus, wurde ihm vorgezogen. Dieser wurde mit der Augustus-Tochter Julia verheiratet, starb aber früh 23 v.Chr. Julia wurde nun weitergereicht an Agrippa (64/63 v. Chr.–12 v. Chr.), den engsten Vertrauten des Augustus, mit dem sie fünf Kinder bekam. Die beiden ältesten Söhne, Gaius und Lucius Caesar, adoptierte Augustus 17 v.Chr., was die Nachfolgefrage zu diesem Zeitpunkt klärte. Tiberius und sein Bruder Drusus wurden allerdings durchaus politisch und militärisch im Sinne des Reiches und der Dynastie eingesetzt. Tiberius erhielt 27 v.Chr. die Männertoga und erlangte bereits 23 v.Chr., also fünf Jahre vor dem Erreichen des Mindestalters, das Amt des Quästors. Seinen ersten außenpolitischen Erfolg erreichte er 20 v.Chr., als er in Armenien einen Thronwechsel im römischen Sinne organisierte. 16 v.Chr. wurde Tiberius Prätor. Gemeinsam unterwarfen Tiberius und Drusus 15 v.Chr. die rätischen Stämme in den Alpen, ein geostrategisch bedeutsamer Schritt in den auf Expansion in den germanischen Raum ausgelegten Planungen des Augustus. 13 v.Chr. erreichte Tiberius zum ersten Mal das Amt des Konsuls. Trotz dieser Erfolge verlief sein persönliches Leben zu dieser Zeit keineswegs in ruhigem Fahrwasser. 12 v.Chr. war Agrippa unerwartet gestorben und hatte nicht nur potentielle Nachfolger des Augustus hinterlassen, sondern auch eine Witwe Julia, die als einzige Tochter des Augustus und potentielle

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Tiberius in der domus Augusta

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III.

Rhodos

Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken

Mutter von Kaisernachwuchs dem Ehemarkt entzogen werden musste. Also verheiratete man sie mit Tiberius, der sich dafür von seiner Ehefrau Vipsania Agrippina (33 v.Chr.–20 n.Chr.), der Mutter des gemeinsamen Sohnes Drusus des Jüngeren, scheiden lassen musste. Für Tiberius war dies eine schwere Entscheidung, da er zum einen seiner Frau wohl tatsächlich verbunden war, zum anderen kein gutes Verhältnis zu Julia hatte. Die neue Ehe blieb dementsprechend für beide Seiten eine Enttäuschung. Ein gemeinsames Kind starb früh. Tiberius aber blieb nach Agrippas Tod der wichtigste Militär für Augustus. Ein Einschnitt in seinem Leben war sicher der unerwartete Tod des Drusus 9 v.Chr., der in Folge eines Sturzes vom Pferd in Germanien ums Leben kam. Tiberius trauerte sehr um seinen Bruder, zu dem er noch ans Sterbebett geeilt war. Für seine Erfolge 9 v.Chr. in Pannonien ehrte Augustus ihn mit einem kleinen Triumph (ovatio). Diese Tatsache und das zweite Konsulat für Tiberius 7 v.Chr. lassen die in den Quellen und auch in der modernen Literatur immer wieder strapazierte These von der offenen Zurücksetzung des Tiberius hinter die Kinder der Julia und des Agrippa nicht immer ganz plausibel erscheinen. 6 v.Chr. erhielt er dann auch einen ersten Teil der formellen Herrschergewalten des Prinzeps, die tribunicia potestas. Er stand auf dem Höhepunkt seiner Karriere, und an ihm schien kein Weg vorbeizuführen, wenn es um die Nachfolge des Augustus ging. Umso erstaunlicher erschien es dann, dass Tiberius im Jahr 6 v.Chr. darum bat, alle seine Ämter niederlegen und Urlaub nehmen zu dürfen. Er wollte nach Rhodos gehen und philosophische Studien aufnehmen. Eine erste Ablehnung seines Ansinnens durch Augustus und seine Mutter beantwortete er mit einem Hungerstreik, woraufhin man ihn gehen ließ. Die Gründe für diese Flucht sind nicht zu verstehen, ohne einen Blick auf die Beschreibungen von Tiberius’ Charakter bei den antiken Autoren zu werfen. Bis auf Velleius Paterculus sind sich die antiken Autoren einig darin, dass Tiberius von Beginn an ein problematischer Charakter war, dessen positive Anlagen, so man sie ihm denn zugesteht, im Laufe seines Lebens, spätestens mit Erreichen der Position des Thronfolgers, von den schlechten Charaktereigenschaften überlagert wurden. Heuchelei, Grausamkeit, Heimtücke und Unmenschlichkeit werden ihm als Eigenschaften zugeschrieben. Die Beurteilung erfolgte dabei vom Ende seiner Herrschaft her und vor allem unter dem Aspekt des Umgangs mit dem Senat. So deuteten diese Autoren den Weggang des Tiberius als Folge von Enttäuschung, Kränkung und verletzter Eitelkeit, weil er sich hinter die von Augustus adoptierten Kinder zurückgesetzt sah. Anders Velleius Paterculus, der Tiberius anhand seiner Taten, vor allem der militärischen Errungenschaften und seiner erfolgreichen Herrschaftssicherung nach dem Tod des Augustus, beurteilt. Bei ihm war es in Wirklichkeit erst Tiberius, der durch seine Siege den Prinzipat zu wirklicher Größe führte und

3. Wer ist Tiberius? Sein Leben bis 14 n.Chr.

durch seine Herrschaftsübernahme die problematische Politik des Augustus rettete. Dementsprechend gibt Velleius für den Weggang nach Rhodos einen anderen Grund an: Quelle Der Weggang des Tiberius nach Rhodos in der Darstellung des Velleius Paterculus (Vell. 2, 99, 2) Und dabei bewies er einen wundersamen, kaum glaublichen und in Worten fassbaren Familiensinn, der sich bald offenbaren sollte. Als nämlich Gaius Caesar soeben die Männertoga angelegt hatte und sich Lucius ebenfalls dem Erwachsenenalter näherte, da wollte Tiberius mit seinem Glanz nicht die ersten Anfänge der jungen Männer verdunkeln. Er verheimlichte seine wahre Absicht und erbat von seinem Schwieger- und Stiefvater einen Urlaub, um sich von seinen ununterbrochenen Strapazen auszuruhen. (Übersetzung M. Giebel)

Ohne zu stark Psychologie anhand der antiken Quellen betreiben zu wollen, scheint dieser Weggang des Tiberius doch einen deutlichen Bruch in seinem bisherigen Lebenslauf darzustellen. Selbst der ihm nicht wohlgesonnene Tacitus betont an vielen Stellen, dass Tiberius immer ein sehr korrekter und pflichtbewusster Mensch war. Sueton gibt einen gewissen Überdruss an, der einerseits gegen seine Frau Julia und ihren Lebensstil gerichtet, andererseits dem wenig moralischen Leben in Rom allgemein geschuldet war. Tiberius blieb acht Jahre in Rhodos, lebte als Privatmann, und man gewinnt den Eindruck, dass das wegen der Frage der Nachfolge belastete Verhältnis zu seinen Stiefsöhnen doch eines der Motive war, das ihn zum Weggang bewog. Entgegen den antiken Vorlagen muss man diesen Schritt aber weder als altruistisch noch als resignativ verstehen, sondern eher als fast schon modern anmutende innere Befreiung, die ihm zumindest für den Moment – und darauf deutet sein recht unbeschwertes Leben in Rhodos – ein Bedürfnis war. Aber auch wenn ihm das Exil auf Rhodos persönlich wichtig war, so schadete es seinem Ruf nachhaltig. Die eigene Familie empfand seinen Weggang als völlig unangemessene Pflichtverletzung und schloss ihn gänzlich aus ihrem inneren Zirkel aus; in der römischen Bevölkerung war seine Reputation langfristig beschädigt. Als Julia 2 v.Chr. wegen angeblich unmoralischen Verhaltens verbannt wurde, schickte Augustus ihr im Namen des Tiberius den Scheidebrief. Tiberius setzte sich in mehreren Schreiben an die Familie für sie ein, allerdings vergeblich. Gleichzeitig lief seine tribunizische Amtsgewalt aus, was seine Position doch erheblich zu erschweren drohte. Seine Bitte, angesichts dieser Entwicklungen zurückkehren zu dürfen, wurde recht brüsk abgelehnt. Seine Mutter erreichte im Jahr 1 v.Chr. wenigstens seine formale Ernennung zum legatus Augusti, so dass er sein Gesicht wahren konnte. Am Aufenthalt in Rhodos scheint sich ein Muster in dieser Vita zu erschließen, das in seiner Regierungszeit als Prinzeps immer wieder durch-

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III.

Rückkehr und Adoption

Politische Zukunftssicherung

Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken

scheint. Tiberius neigte dazu, in einer eigenbrötlerischen Art Dinge, die er für richtig hielt, ohne Rücksichten zu nehmen und ohne Kompromissbereitschaft durchsetzen zu wollen, oft ungeachtet der daraus folgenden Konsequenzen. Am Ende sah er sich aber nicht selten gezwungen, hinter seine Maximalforderungen zurückzugehen, was er dann als Niederlage empfand, auf die er entsprechend harsch und mit ganzer Ausnutzung seiner Herrschergewalt reagierte. Die Rückkehr nach Rom aus dem selbstgewählten Exil in Rhodos wurde Tiberius erst 2 n.Chr. gestattet, allerdings nur als privatus. Kurz nach seiner Rückkehr verstarb der jüngere der Augustus-Enkel, Lucius Caesar, auf dem Weg nach Spanien in Massilia (Marseille). Als dann 4 n.Chr. auch Gaius Caesar nach einer Verwundung bei Kämpfen in Armenien unerwartet verstarb, rückte Tiberius erneut ins Zentrum der Nachfolgefrage. Am 26. Juni 4 n.Chr. adoptierte ihn Augustus und machte ihn zu seinem präsumtiven Nachfolger. Gleichzeitig musste Tiberius seinen Neffen Germanicus adoptieren, den Sohn des 9 v.Chr. verstorbenen Drusus. Interessant und sehr oft unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten bewertet worden ist die öffentliche Haltung des Augustus zu diesem Schritt. Dabei sind vor allem zwei Äußerungen des Prinzeps mit größter Akribie durchleuchtet worden. Die erste findet sich in seinem Testament, in dem Augustus von einem grausamen Schicksal (atrox fortuna) spricht, das ihm die Enkel geraubt habe. Die andere Äußerung gibt Velleius Paterculus wieder, der die Adoption des Tiberius mit dem Zusatz „rei publicae causa„ („um des Staates willen“) versieht. Aus beiden Textstellen wollte man eine Herabwürdigung des Tiberius ablesen. Gegen eine solche Annahme sprechen allerdings das gewählte Datum der Adoption sowie der größere nachfolgepolitische Rahmen dieser Adoptionszeremonie. Der 26. Juni war ein für die augusteische Politik äußerst symbolträchtiger Tag: Am 26. Juni des Jahres 23 v.Chr. legte Augustus den Konsulat nieder und erhielt anschließend die tribunicia potestas. Noch in der nachaugusteischen Zeit wurden an diesem Tag regelmäßig öffentliche Opfer an der ara providentiae Augustae, dem der Voraussicht des Kaisers gewidmeten Altar, dargebracht. Jener Altar, der nicht erhalten, aber aufgrund von Münzabbildungen bekannt ist und große Ähnlichkeit mit dem bekannten Friedensaltar, der ara Pacis, aufwies, befand sich auf dem campus Agrippae. Die providentia Augusti betrifft dabei nicht nur die göttlich inspirierte Voraussicht des Herrschers, sondern sie bezeichnet auch seine Fähigkeit, für den Fortbestand der Dynastie zu sorgen. Dieser Altar stand auch bei vielen Zeremonien der Arvalbrüder im Mittelpunkt, einer Priesterschaft, die Augustus restaurierte und für seinen eigenen Herrscherkult instrumentalisierte. Datum und Kontext der Adoption sprechen also durchaus dafür, dass es sich weniger um eine „Notlösung“ als vielmehr um einen als Gesamtentwurf zu verstehenden Akt der politischen Zukunftssicherung handelte. Schließlich

4. „Ich halte einen Wolf an den Ohren“ – Die entscheidende Senatssitzung nach dem Tod des Augustus

rückten durch die Adoptionen des Tiberius und des Germanicus zwei weitere präsumtive Nachfolger in die zweite Reihe nach: Drusus der Jüngere (15 v.Chr.–23 n.Chr.), leiblicher Sohn des Tiberius, avancierte nun ebenso wie Germanicus zum Enkelsohn des Augustus, und der 15-jährige Agrippa Postumus (12 v.Chr.–14 n.Chr.), der letzte noch lebende Sohn aus der Ehe des Agrippa und der Julia, wurde ebenfalls 4 n.Chr. von Augustus adoptiert, was ihn – rein rechtlich gesehen – auf eine Stufe mit Tiberius stellte. Die Adoptionen des Jahres 4 n.Chr. erfüllten zwei zentrale Aufgaben: Zum Ersten sicherten sie durch die Übertragung des sozialen Beziehungsgeflechts (clientela-patronatus) und des wirtschaftlichen Reichtums des Prinzeps die durch rechtliche Kompetenzen definierte, aber keineswegs allein darauf beruhende Macht des Prinzeps privatrechtlich ab. Dieser entscheidende Teil der Macht konnte nur auf den etablierten Wegen der Vererbung weitergegeben und so in Zukunft für die Herrscherfamilie bewahrt werden. Darüber hinaus stellten die Adoptionen im Prozess der Konstruktion einer Kaiserfamilie, der domus Augusta, wie sie uns spätestens unter Tiberius auch in offiziellen Dokumenten des Senats entgegentritt, eine entscheidende Wegmarke dar. Dieser letzte Punkt unterschied die Adoptionen des Jahres 4 n.Chr. sicherlich von jenen Adoptionen der Enkel Gaius und Lucius Caesar 17 v.Chr. Nach diesem nun vollzogenen Akt der Rehabilitation übernahm Tiberius auch sofort wieder Aufgaben, die an seine militärischen Einsätze vor dem rhodischen Exil anknüpften. Zunächst übernahm er ein Kommando in Germanien (4–6 n.Chr.), zwischen 6 und 9 n.Chr. musste er den großen Aufstand in Pannonien niederwerfen, der das Reich personell und materiell an seine Grenzen brachte. Wenige Tage nachdem dieser Aufstand niedergerungen war, traf dann 9 n.Chr. in Rom die Nachricht von der verheerenden Niederlage des Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald ein. Auch hier griff nun wieder Tiberius ein und eilte erneut nach Germanien, wo er bis Anfang des Jahres 13 n.Chr. durch Truppenaushebungen einerseits sowie die Umorganisationen bestehender Armeen und disziplinarische Maßnahmen andererseits die Lage wieder stabilisieren konnte. Erst nach seiner Rückkehr 13 n.Chr. konnte er seinen pannonischen Triumph feiern. Im Sommer 14 n.Chr. war er gerade nach Illyrien aufgebrochen, um hier die Provinzialisierung voranzutreiben, als ihn die Nachricht erreichte, Augustus liege im Sterben.

4. „Ich halte einen Wolf an den Ohren“ – Die entscheidende Senatssitzung nach dem Tod des Augustus Der Senat begann nun in einer denkwürdigen Debatte mit den Beratungen, wie nach dem Tod, der Bestattung und Konsekration des Augustus die Herrschaft weiter ausgeübt werden sollte. Staatsrechtlich besaß Tiberius mit

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III.

Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken

der tribunicia potestas und dem imperium proconsulare maius die zentralen Kompetenzen, privatrechtlich hatte Augustus durch die Adoption und die Einsetzung als Haupterbe im Testament alle wesentlichen Voraussetzungen geschaffen, um einen reibungslosen ersten Herrscherwechsel zu garantieren – und dennoch ist uns bei Sueton die Aussage des Tiberius überliefert, „er halte einen Wolf an den Ohren“ (Suet. Tib. 25). Schenkt man dieser Aussage Glauben, so sah sich Tiberius im September 14 n.Chr. also einer kaum beherrschbaren Situation gegenüber. Eine Erklärung dafür mag in der Grundkonzeption des Prinzipats zu suchen sein. Diese verfassungsrechtlich so schwierige Stellung begründete sich nämlich gerade nicht nur in staatsrechtlich klar umrissenen Kompetenzen, sondern war aufs engste mit der auctoritas des Augustus verbunden. Der erste Prinzeps selbst hatte in seinen res gestae die zwei Säulen benannt, auf denen das von ihm geschaffene Herrschaftssystem beruhte: potestas und auctoritas. Quelle Die auctoritas des Augustus (Aug. res gestae 34) In meinem sechsten und siebten Konsulat habe ich, nachdem ich die Flammen der Bürgerkriege gelöscht hatte und mit der einmütigen Zustimmung der gesamten Bevölkerung in den Besitz der staatlichen Allgewalt gelangt war, das Gemeinwesen aus meiner Machtbefugnis wieder der Ermessensfreiheit des Senats und des römischen Volkes überantwortet. […] Seit dieser Zeit überragte ich alle übrigen an auctoritas, an Amtsgewalt (potestas) aber besaß ich nicht mehr als die anderen, die auch ich im Amt zu Kollegen hatte. (Übersetzung K. Bringmann/D. Wiegandt) Die auctoritas des Prinzeps beschreibt seine über die staatsrechtlich fassbaren Kompetenzen der potestas hinausgehende legitimatorische Basis. Sie lässt sich nicht klar definieren, umfasst aber unter anderem den Augustus-Namen, seine Stellung als Vater des Vaterlandes (pater patriae), die Anhäufung sakraler Ämter (u.a. pontifex maximus), die göttliche Abstammung der julischen Familie (Venus und Mars), seine Gottessohnschaft (divi filius), die Verehrung augusteischer Abstraktionen (pax Augusta, genius Augusti) oder auch die propagierte enge Verbindung zu bestimmten Göttern wie Apoll.

Die Debatte, die sich nun im Senat nach der Verlesung des Testaments um die Frage der Nachfolge entspann, muss immer unter der Prämisse betrachtet werden, dass alle beteiligten Personen und Gruppen genau wussten, dass sie nur diese Chance hatten, die Rahmenbedingungen für die nächsten Jahre festzulegen und Fehlentwicklungen des augusteischen Prinzipats zu korrigieren. Viele Historiker beschreiben die Diskussion um die Nachfolge durch Tiberius als Scheindebatte, die lediglich den Zweck hatte, die Fassade einer nach außen hin wiederhergestellten Republik zu wahren. Denn – so die Argumentation – man konnte schlecht eine Herrschaft übertragen, deren wichtigste

4. „Ich halte einen Wolf an den Ohren“ – Die entscheidende Senatssitzung nach dem Tod des Augustus

Bestandteile bereits an Tiberius verliehen worden waren. Diese Ansicht geht zurück auf Tacitus, die Hauptquelle dieser Ereignisse. Diese Erklärung ist aber zu einseitig und greift zu kurz. Sieht man sich die Debatte genauer an, ergibt sich folgendes Bild: Tiberius zögerte und ließ sich bitten. Er hatte bereits bei der Verlesung der augusteischen libelli aus physischen oder psychischen Gründen – die von den Autoren als vorgeschoben gegeißelt werden – abbrechen müssen und seinen Sohn Drusus gebeten weiterzulesen. Nun setzte er diese Strategie fort und erklärte auf die Bitten der Senatoren, „er sei zwar der Gesamtleitung des Staates nicht gewachsen, werde aber für jeden Teil, den man ihm übertrage, die Betreuung übernehmen“ (Tac. Ann. 1, 12, 1). Er lehnte also die Alleinherrschaft ab und beabsichtigte angeblich, die Herrschaft über das Reich zu teilen. Tacitus und Sueton werfen ihm reines Taktieren vor, da er ja bereits unmittelbar nach dem Tod des Augustus die Prätorianer und Legionen des Reiches auf sich eingeschworen hatte, die Amtsgewalten seit Jahren besaß und per Testament auch der Privaterbe des Augustus geworden war – kurz, de facto sei er bereits Alleinherrscher gewesen. Warum also spielte er dieses Schauspiel? Bösartigkeit und Heuchelei als Motiv lesen wir bei Tacitus. Angst und Furcht vor dem „Wolf, den er an den Ohren halte“, mischen sich bei Sueton und Cassius Dio in die Beschreibung, auch wenn sie die Charakterschwäche des Tiberius als Hauptgrund sehen. Bei Velleius wird das Zögern des Tiberius anders dargestellt: Zunächst schildert Velleius ausführlich die Stimmung nach dem Ableben des Augustus, die auf dem schmalen Grat zwischen Heil und Verderben stand. Man erwartete Auseinandersetzungen, ja den Zusammenbruch der Welt, aber es blieb – dank Tiberius – ruhig. Quelle Velleius Paterculus zur Senatssitzung (Vell. 2, 124, 2) Nur einen Kampf – wenn man einmal so sagen will – gab es in der Bürgerschaft: Senat und Volk kämpften nämlich mit Tiberius Caesar, dass er die Stellung seines Vaters übernehme. Er aber kämpfte darum, eher die Rolle eines Bürgers unter Bürgern als die des herausragenden ersten Mannes spielen zu dürfen. Endlich wurde er, mehr durch Vernunftgründe als durch die ihm angetragene Ehrenstellung, besiegt: Er sah nämlich ein, dass alles untergehen werde, wenn er es nicht unter seinen Schutz nähme. (Übersetzung M. Giebel)

Der Zeitzeuge Velleius Paterculus scheint die Lage treffender zu beschreiben als Tacitus oder Sueton. Keinesfalls darf außer Acht gelassen werden, dass im September 14 n.Chr. zum ersten Mal eine Übertragung der Prinzipatsherrschaft vollzogen wurde. Der erste Prinzeps hatte mit seiner Person den Prinzipat verkörpert. Das Urteil des Tacitus, es sei dem Tiberius um eine völlige Unterwerfung des Senats gegangen, scheint übertrieben und der tiberiusfeindlichen Tradition entsprungen. Auch die Angst vor den meuternden Truppen

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Das Zögern des Tiberius

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III. Gründe für Tiberius’ Handeln

Kritik an der Inszenierung der Machtübertragung

Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken

oder dem Konkurrenten Germanicus scheint kein hinreichendes Motiv für das Handeln des Tiberius zu sein. Tiberius’ Zögern lässt sich dennoch rational erklären: Ihm musste daran gelegen sein, von den Senatoren ein klares Bekenntnis zu erhalten, dass sie seine von Augustus verliehenen Kompetenzen und Ehrungen anerkannten, dass sie auch seine auctoritas respektierten. Ähnlich dem Staatsakt vom Januar 27 v.Chr., als Augustus seine Sonderstellung vom Senat dekretiert wurde, musste es Tiberius darum gehen, vom wichtigsten politischen Organ Anerkennung für seine Position zu erhalten. Die Idee, dies ganz nach dem Muster des Augustus zu tun, der am 13. Januar 27 v.Chr. vorgab, die res publica in die Hände des Senats zurückzulegen, um dann von eben diesem Gremium quasi mit der Herrschaft beauftragt zu werden, war aber insofern unklug, als Tiberius’ Ausgangssituation eine gänzlich andere war. Das Ritual der Zurückweisung der Herrschaft (recusatio imperii) war von vornherein auf einer anderen Basis angesiedelt. Denn zum einen hätte Tiberius seine Kompetenzen (tribunicia potestas und imperium proconsulare) zurückgeben müssen, um sie dann erneut vom Senat übertragen zu bekommen – dies wäre ein heikles Spiel gewesen. Zum anderen war durch die testamentarische Verfügung des Augustus, sowohl Tiberius als auch Livia den Augustus-Namen zu übertragen, eine Wiederholung des Erhebungsrituals von 27 v.Chr. ausgeschlossen. Insofern war das Empfinden der Senatoren nicht unberechtigt. Konnte man den Staatsakt von 27 v.Chr. noch als tatsächlichen Machtübertragungsakt verstehen, war dies 14 n.Chr. beim besten Willen nicht möglich. „Andere Menschen täten, was sie versprochen hätten, spät, er selbst aber verspreche nur spät, was er bereits tue.“ (Suet. Tib. 24,1) So lautete der Vorwurf eines der Senatoren in der Senatssitzung. Die Senatoren fühlten sich zu Recht in ihrer Würde und in der Würde ihrer Institution verletzt und degradiert. Man kann argumentieren, es sei dem Tiberius tatsächlich auch darum gegangen, den Senat einzubinden und ihm zumindest einen Teil der Verantwortung an der Regierung wieder zu übertragen. Dafür sprechen erste Regierungsmaßnahmen des Tiberius, die die Magistratswahlen aus der Volksversammlung an den Senat übertrugen. Tiberius stand schon aufgrund seiner familiären Herkunft aus dem Haus der Claudier in einer stark republikanischen Tradition. In dieser Hinsicht unterschied er sich von Augustus, der diese Dinge als ursprünglich von außen kommender Aufsteiger sehr pragmatisch gehandhabt hatte. Was man dem Tiberius vorwerfen kann und muss, ist, dass er dabei übersah oder übersehen wollte, dass der Senat ihm aufgrund der würdelosen Inszenierung der Machtübertragung keinen Glauben schenken konnte. Er vergaß aber auch, dass er rechtlich, sozial und familiär eine Stellung besaß, die es keinem anderen Organ wirklich erlaubt hätte, neben ihm gleichberechtigt zu existieren und zu agieren. Jeder Akt des Entgegenkommens war ein willkürlicher, der jederzeit von Tiberius aufgrund seiner Vollmachten und

5. Am Anfang ein Mord: Was geschah mit Agrippa Postumus?

Befehlsgewalten hätte widerrufen werden können. Ähnlich dem Philosophen Favorinus, der Kaiser Hadrian in einer Diskussion mit dem Argument nachgab, er erkenne denjenigen als Gelehrtesten an, der 30 Legionen befehlige (SHA Hadr. 15, 12-13), erkannten die Senatoren, dass dieses Angebot des Tiberius – selbst wenn er es ernst meinte – kein echtes Angebot zur Mitherrschaft sein konnte. In dem Moment, in dem Tiberius nach dem Tod des Augustus die Prätorianer und die Legionen im Reich auf seinen Namen vereidigt hatte, in dem die Konsekration des Augustus vollzogen und er divi filius war, in dem er den Augustus-Namen und das Testament mit dem Erbe und den Legaten akzeptiert hatte, gab es kein Zurück mehr zu einer wie auch immer gearteten Mitoder Teilregentschaft des Senats. Sollte Tiberius das nicht erkannt haben? Er scheint in diesem Punkt einem republikanischen Trugschluss erlegen zu sein. Er wollte ein Senatskaiser sein und öffnete daher nach seinem Verständnis den goldenen Käfig, um den Senatoren die Freiheit zu schenken. Sie aber wollten und konnten nicht frei sein. Das verübelte er ihnen und agierte in der Folge in vielen Situationen wie ein Autokrat. Damit rechtfertigte er im Nachhinein die Reaktion der Senatoren auf sein Ansinnen, sie an der Macht zu beteiligen. Am 17. September 14 n.Chr. begann das problematische Verhältnis des Tiberius zum Senat.

5. Am Anfang ein Mord: Was geschah mit Agrippa Postumus? Ein weiteres Ereignis überschattete den Beginn der Herrschaft des Tiberius. Wenige Tage nach dem Tod des Augustus wurde sein letzter lebender Enkel und Adoptivsohn Agrippa Postumus ermordet. Ob dieser Mord noch von Augustus in Auftrag gegeben worden war oder von Tiberius befohlen wurde, lässt sich kaum abschließend klären. Der Mord wirft allerdings ein Schlaglicht auf die Probleme beim Herrscherwechsel im Prinzipat. Agrippa Postumus war im Jahr 12 v.Chr. nur wenige Monate nach dem Tod seines Vaters Agrippa geboren worden. Aus diesem Grund erhielt dieses fünfte Kind der Augustus-Tochter Julia und des engsten Wegbegleiters des ersten Prinzeps den ungewöhnlichen Namen Agrippa Postumus. Er hatte nie die prominente Rolle seiner Brüder Gaius und Lucius in den Nachfolgeplänen des Augustus eingenommen. Die Quellen berichten wenig Positives über ihn, was nachträgliche Konstruktion sein mag. Nach dem Sturz seiner Mutter Julia, die 2 v.Chr. von Augustus verbannt worden war, und dem Tod seiner Brüder geriet dieser letzte Augustus-Enkel zwar in der großen Familienrochade 4 n.Chr. noch einmal in den Fokus, als er von Augustus adoptiert wurde, im Jahr 8 n.Chr. aber folgte er seiner Mutter in die Verbannung. Ebenso wie seine Mutter und seine Schwester, die jüngere Julia, war er unter dem Vorwand unmora-

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III.

Der Herrschaftsantritt des Tiberius: Missverständnisse und Hypotheken

lischen Verhaltens, wahrscheinlicher aber wegen eines geplanten Umsturzes gegen Augustus in die Verbannung geraten. Einige Autoren überliefern, Augustus habe sich kurz vor dem Ende seines Lebens heimlich zu ihm begeben, es habe eine tränenreiche Versöhnung gegeben und Agrippa sei wieder in den Kreis der Nachfolgekandidaten gerückt. Tiberius und seine Mutter Livia hätten dies erfahren und daraufhin sowohl den Augustus als auch den Agrippa Postumus umgebracht. Diese Erzählungen können wohl getrost als tiberiusfeindliche Überlieferung klassifiziert werden. Es gibt keinen Grund anzunehmen, Augustus habe sich von Tiberius entfernt und den jungen, unerfahrenen und aufgrund illoyalen oder sogar umstürzlerischen Verhaltens verbannten Agrippa Postumus als Nachfolger vorgesehen. Neben Augustus werden in der Forschung trotzdem auch Tiberius und Livia als Auftraggeber des Mordes diskutiert. Aber auch außerhalb der Familie hat man die Hintermänner vermutet: Sallustius Crispius, einer der engsten Berater des Augustus, – so eine These in der Forschung – habe die Anweisung im Namen des Augustus gegeben, um eine reibungslose Übergabe der Herrschaft zu garantieren. Letztlich muss man konstatieren, dass unsere Quellen viele Spekulationen, aber keine gesicherte Aussage zulassen, wer nun hinter der Ermordung des jungen Agrippa zu vermuten ist. Dass dieser Mord im Sinne der Nachfolgesicherung keine unbegründete Tat war, zeigen Ereignisse, die einige Zeit später zu verorten sind: Ein Sklave namens Clemens trat als Agrippa Postumus auf, erklärte, er sei in Wahrheit den Mördern entkommen, und forderte nun die Herrschaft ein. Es gibt Hinweise darauf, dass dieser Pseudo-Agrippa von einer Gruppe von Senatoren benutzt wurde, um die Herrschaft des Tiberius zu stürzen. Ein plötzlich auftretender Augustus-Erbe schien ihnen dazu geeignet. Es deutet einiges darauf hin, dass diese Gruppe bereits zu Lebzeiten des Augustus die Enkelsöhne – zunächst Gaius, dann Agrippa – gegen Tiberius in Stellung bringen wollte. Vor diesem Hintergrund scheint die vorsichtige Zurückhaltung des Tiberius im September 14 n.Chr. vielleicht ein wenig erklärbarer zu werden. Im Senat existierten Kräfte, die ernsthaft an der Wiederherstellung alter republikanischer Verhältnisse interessiert waren. Auch die Ermordung des seit 1 v.Chr. verbannten Senators Ti. Sempronius Gracchus, der im Zusammenhang mit der Exilierung der älteren Julia verurteilt worden war, fällt in die Monate nach der Regierungsübernahme 14 n.Chr. Die neue Herrschaft des Tiberius sah sich einer Bedrohung gegenüber, die mit jenen Namen verbunden war, die schon von Augustus als Feinde seines Prinzipats wahrgenommen und verurteilt worden waren. Das problematische Verhältnis des Tiberius zum Senat mag daher nicht nur ihm und seinem unglücklichen Agieren geschuldet gewesen sein. n

Literaturhinweise Auf einen Blick

Der Tod des Augustus kam nicht unerwartet. Der erste Prinzeps hatte durch die Übertragung zentraler Kompetenzen und Amtsgewalten, frühzeitige Adoptionen sowie testamentarische Regelungen – nicht zuletzt zu seiner Divinisierung und kultischen Verehrung – die Nachfolge durch Tiberius staatsrechtlich wie privatrechtlich langfristig vorbereitet. Dennoch erwies sich die Übertragung der Macht des Prinzeps als problematisch. Die Widersprüchlichkeiten einer vordergründig als Republik konzipierten Monarchie traten nun offen zutage, und es zeigte sich, dass der für das augusteische Prinzipat so zentrale Faktor der persönlichen auctoritas des Prinzeps kaum übertragbar war, sondern einer stetigen individuellen Erneuerung bedurfte. Hinzu traten persönliche Fehler des Tiberius, innerfamiliäre Konflikte und schwer fassbare Widerstände im Senat. Dieses Konglomerat von Problemen entwickelte sich zu einer schweren Hypothek der tiberianischen Regentschaft in den folgenden Jahren.

Literaturhinweise Bleicken, J.: Augustus – Eine Biographie, Berlin 31999. Umfangreiche Biographie mit materialreichem Anhang. Instinsky, H.U.: Augustus und die Adoption des Tiberius, Hermes 94, 1966, S. 324–343. Diskussion der einschlägigen Quellen zu den Adoptionen des Jahres 4 n.Chr. Kienast, D.: Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt 42009. Grundlegendes Standardwerk für die Auseinandersetzung mit Augustus und die Begründung des Prinzipats. Kunst, Ch.: Livia. Macht und Intrigen am Hof des Augustus, Stuttgart 2008. Ausführliche deutschsprachige Biographie Livias, die auch auf die veränderte Rolle der Frauen in der domus Augusta eingeht. Levick, B.: Tiberius the Politician, London, New York 21999. Grundlegende Biographie des Tiberius mit ausführlichem Anhang. Pettinger, A.: The Republic in Danger. Drusus Libo and the Succession of Tiberius, Oxford 2012. Detaillierte Untersuchung der Ereignisse am Hof zwischen 4 und 16 n.Chr., die die Herrschaft des Tiberius als fragiles Konstrukt zeigt. Schlange-Schöningen, H.: Augustus, Darmstadt 22012. Überblicksdarstellung. Timpe, D.: Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipats, Stuttgart 1962. Noch immer grundlegende Studie zum Herrscherwechsel in der julisch-claudischen Zeit.

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IV. Kaiser, Gesellschaft, Reich – die Situation des Jahres 14 n.Chr.

Überblick

N

achdem der Machtwechsel von Augustus zu Tiberius skizziert wurde, erscheint es angebracht, die Chronologie zu unterbrechen, um einen Blick auf strukturelle Gegebenheiten am Beginn der Kaiserzeit zu werfen. Mit Augustus hatten sich zwar die politischen Koordinaten des römischen Herrschaftssystems grundlegend gewandelt, die gesellschaftliche Struktur des Reiches allerdings war im Wesentlichen erhalten geblieben. Lediglich die höchste soziale Schicht hatte sich durch das Auftreten

der Kaiserfamilie (domus Augusta) vertikal ausdifferenziert, und die Einbindung der provinzialen Eliten in das römische Rangund Ehrensystem hatte zu einer horizontalen Verbreiterung aller gesellschaftlich relevanten Schichten geführt. Im folgenden Kapitel wird der Frage nach den strukturellen Gegebenheiten des Imperium Romanum nachgegangen und dargestellt, in welcher Weise sie Einfluss auf die Funktionsweise des Herrschaftssystems und die Handlungsspielräume einzelner Herrscher hatten.

1. Die Gesellschaft des frühen Prinzipats Moderne Schätzungen gehen von 60 bis 76 Millionen Menschen aus, die um das Jahr 14 n.Chr. unter der Herrschaft des Prinzeps lebten. Als römische Bürger allerdings erfasste die Volkszählung (census) im Jahr 14 n.Chr. nur einen Bruchteil davon. Augustus selbst berichtet in seinen res gestae von 4937000 römischen Bürgern, die Fasten von Ostia listen für dieselbe Volkszählung lediglich 4100900 Bürger auf, wobei die Ursache der Differenz umstritten ist. Ebenso unklar ist, ob Augustus nur die männlichen Bürger erfassen ließ oder alle Bürger, also auch Frauen und Kinder. Bei der Betrachtung der sozialen Struktur des römischen Reiches sollte man sich stets vor Augen halten, dass es die eine römische Gesellschaft nicht gab. Vielmehr handelte es sich wohl um ein Nebeneinander mehrerer oder sogar vieler Gesellschaften, die aber durchaus Schnittmengen aufweisen konnten. Um einen Überblick gewinnen zu können, ist es also notwendig, mit Modellen zu arbeiten, die diese komplexen Zusammenhänge erfassen und auf wesentliche Merkmale reduzieren. Am deutlichsten umrissen werden kann sicherlich aufgrund der relativ guten Quellenlage die stadtrömische Gesellschaft, die sich aus den Ständen (ordines) der Senatoren und Ritter sowie der

1. Die Gesellschaft des frühen Prinzipats

plebs urbana zusammensetzte. Außerhalb Roms bildeten die Eliten der Städte eine weitere herausgehobene Gruppe, die jedoch nur am jeweiligen Ort von wirklicher Bedeutung war. Die Reichselite bestand sicherlich aus dem Senatorenstand und dem Ritterstand. Sie werden auch in den Quellen in einen klaren Gegensatz zur übrigen Bevölkerung gestellt. Nach Herkunft, moralischer Untadeligkeit und Vermögen unterschieden, hoben sie sich ab. An der Spitze der römischen Gesellschaft stand der ordo senatorius, eine im Vergleich zur Zahl der römischen Bürger relativ kleine Gruppe von ca. 600 Personen mit ihren Familien. In der hierarchischen Gliederung darunter angesiedelt findet sich der ordo equester (Ritterstand), eine zahlenmäßig deutlich größere Gruppe von ca. 50000 bis 60000 Personen im gesamten Reich. Die decuriones, also die Stadträte, bildeten die lokale Oberschicht. Die Masse der römischen Bürger gehörte zur Gruppe der plebs, der einfachen römischen Bürger. Von ihnen unterschieden waren die liberti, rechtlich gesehen benachteiligte, da ursprünglich dem Sklavenstand angehörige Freigelassene. Die Benachteiligung dieser Gruppe war eine soziale, wirtschaftlich gesehen finden sich in der Gruppe der liberti durchaus wohlhabende Personen. Am unteren Ende der römischen Gesellschaft – sowohl sozial als auch ökonomisch gesehen – firmierten die servi, die Sklaven. Als Kriterien, um diese nach den Quellen wichtigsten Gruppen unterscheiden zu können, dienen einerseits ihr Vermögen, andererseits aber auch ihr rechtlicher Status (persönliche Freiheit oder Unfreiheit), ihre soziale Herkunft sowie ihr Zugang zu politischer Macht und Privilegien. In der althistorischen Forschung gab es diverse Versuche, diese Schichten aufeinander zu beziehen und in einem Modell zu veranschaulichen. Ein gelungenes Modell bieten Jacques und Scheid (s. Abb. 1). Für die Gestaltung ihres Modells gehen die Autoren von zwei Hauptkriterien aus. Erstens stützen sie sich auf eine binäre Gliederung der Gesellschaft, die von den Römern selbst verwendet wurde und den Begriff der „Ehre“ (honos) in den Mittelpunkt stellte. Die durch Vermögen und Abstammung privilegierten „ehrbaren Leute“, die honestiores, verfügen über Prestige und Einfluss (dignitas, auctoritas), die sie als soziales Kapital einsetzen können, um wiederum Ehrenämter (honores) auszuüben. Ein ehrbarer Mann ist dabei zwangsläufig auch ein vermögender Mann, seine persönliche Integrität steht aufgrund seiner Herkunft außer Frage. In einem hermeneutischen Zirkelschluss ergibt sich nach römischer Logik aus der Tatsache, dass man zu den honestiores gehört, auch der Anspruch auf Herrschaftsfähigkeit sowie soziale und rechtliche Privilegierung (s. Quelle). Die von dieser Gruppe unterschiedene Masse der Menschen (humiliores), die aufgrund ihrer geringen Herkunft diese den honestiores zugeschriebenen positiven Eigenschaften nicht besitzt, ist natürlichen Gesetzen folgend rechtlich, sozial und in Fragen der Ämterausübung untergeordnet und bedarf der Aufsicht durch die honestiores. Dieser

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Kaiser, Gesellschaft, Reich – die Situation des Jahres 14 n.Chr.

Logik entsprechend erscheint die Barriere zwischen den beiden Gruppen der honestiores und humiliores relativ undurchdringlich. Abb. 1 Modell der römischen Gesellschaft nach Scheid, J./Jacques, F.: Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit 44 v. Chr.–260 n. Chr., Bd. 1: Die Struktur des Reiches, Stuttgart, Leipzig 1998, S. 335.

Senatoren Dekurionen

Ritter Veteranen

Honestiores

Armeeangehörige

städtische Plebs

Humiliores

Freigelassene

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ländliche Plebs

Sklaven

Quelle Rede des Maecenas an Kaiser Augustus über die Rekrutierung und Auswahl von Senatoren und Rittern (uterque ordines) (Cass. Dio 52, 19, 1–4) Meine Ansicht geht nun dahin: Du musst an erster Stelle und sogleich die gesamte Senatorenschaft nach Herkunft unterscheiden und auslesen, da wegen der Bürgerkriege einige, ohne die nötige Eignung zu besitzen, Senatoren geworden sind; und solche Persönlichkeiten unter ihnen, die sich irgendwie auszeichnen, solltest du beibehalten, den Rest aber aus den Listen streichen. Entferne aber keinen braven Mann wegen geringen Besitzes, sondern gib ihm sogar noch das nötige Geld. An die Stelle der ausgebooteten Mitglieder setze dann die Vornehmsten, Besten und Reichsten, wobei du deine Auswahl nicht nur auf Italien, sondern auch auf die Bundesgenossen und die untertänigen Völker ausdehnst. Auf solche Weise wirst du nämlich über viele Mitarbeiter verfügen und die führenden Männer aus sämtlichen Provinzen in sicherer Hut haben; in Ermangelung von angesehenen Führern werden dann die Provinzen mit keinem Aufstand beginnen, statt dessen ihre Ersten dir zugetan sein, da sie ja mit dir zusammen Teilhaber an der Reichsregierung geworden sind. Verfahre genau so auch mit den Rittern, indem du diejenigen, die nach Herkunft, Tüchtigkeit und Reichtum in allen Gebieten den zweiten Platz einnehmen, in die Ritterschaft aufnimmst. Schreibe in beide Klassen so viele Mitglieder ein, als dir eben zusagen, und kümmere dich nicht näher um ihre Zahl, denn je mehr angesehene Männer dir zur Seite stehen, um so leichter wird es dir selbst, im Bedarfsfall alle Maßregeln zu treffen. (Übersetzung O. Veh)

1. Die Gesellschaft des frühen Prinzipats

Als zweites Hauptkriterium wird eine juristische Trennung zwischen freier und unfreier Herkunft angewandt. Damit werden die Gesellschaft der Sklaven und Freigelassenen und die Gesellschaft der Freigeborenen als parallel existierende und in ähnlichen Hierarchien funktionierende Gebilde zueinander in Bezug gesetzt. In gewisser Weise stellt sich die Teilgesellschaft der Sklaven und Freigelassenen als Kopie der Gesellschaft der Freigeborenen dar, die über parallele soziale Verbindungen wie Clientela verfügte und ihr soziales Prestige über gleiche Handlungsmuster wie den Euergetismus erzeugte, jenes hellenistische Prinzip des Wohltätertums, das die soziale und politische Vormachtstellung griechischer Honoratioren sicherte. Die trennenden Schranken in der römischen Gesellschaft waren sozialer Art. Das Vermögen spielte eine Nebenrolle. Augustus hatte für die Senatoren und Ritter einen Minimalzensus von 1 Million bzw. 400000 Sesterzen eingeführt, der regelmäßig überprüft wurde. Viele Ritter und Dekurionen erreichten allerdings durchaus den Senatorenzensus, hatten aber dennoch ein geringeres Ansehen. Nur innerhalb einer Gruppe diente das Vermögen als Differenzierungskriterium. Trotz der relativ klaren Trennung zwischen den Gruppen der honestiores und der humiliores bestanden vielfältige Beziehungen zwischen ihnen. Angehörige der humiliores wählten höhergestellte Personen als Patron oder amicus, um so zu einer gewissen Würde, aber auch Sicherheit zu gelangen. Stichwort

Römische Patronat-Klientel-Beziehung Römisches Abhängigkeitsverhältnis sozialen, rechtlichen und politischen Charakters, bei dem eine höherrangige Person (patronus, amicus) eine Schutzfunktion über eine freie, aber sozial abhängige Person (cliens) übernimmt und der Klient sich im Gegenzug in einem Treueverhältnis (fides) mit klar umrissenen Pflichten zum patronus befindet.

Die Überlegenheit der oberen Stände fand ihren repräsentativen Ausdruck in verschiedenen zwischenmenschlichen Interaktionen, spezifischen kommunikativen Ritualen und Handlungen. Das Ideal der Gleichheit und Gleichbehandlung aller Menschen war der Antike fremd. Die Trennung wurde visuell durch Rangabzeichen und Statussymbole deutlich gemacht, spiegelte sich also beispielsweise in der Kleidung, den für Senatoren und Rittern reservierten Sitzreihen im Theater und im Circus, der Reihenfolge bei religiösen Prozessionen oder Leichenbegängnissen wider. In den Provinzen war auch das römische Bürgerrecht zunehmend ein Statussymbol, wie sich in der Benutzung des römischen Namenssystems (tria nomina) zeigte.

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Kaiser, Gesellschaft, Reich – die Situation des Jahres 14 n.Chr. Quelle Der griechische Rhetor Aelius Aristides über die Vorzüge des römischen Bürgerrechts (2. Jh. n.Chr.) (Ael. Arist. or. 26, 59) Die bei weitem größte Aufmerksamkeit und Bewunderung verdient jedoch die Erhabenheit eures Bürgerrechts und der Gesinnung, die ihr damit verbindet. Es gibt wohl nichts, was insgesamt damit verglichen werden könnte. Ihr habt nämlich sämtliche Untertanen eures Reiches – wenn ich das sage, habe ich den ganzen Erdkreis gemeint – in zwei Gruppen eingeteilt und überall die Gebildeten, Edlen und Mächtigen zu Bürgern gemacht oder auch ganz und gar zu euren Verwandten, die übrigen Reichsbewohner gelten euch als Untertanen und Beherrschte. (Übersetzung R. Klein)

Abgeleitet von den bisher genannten Kategorien, mit denen in der Regel Männer erfasst werden, war auch der Status der Frauen in Abhängigkeit von dem ihres Ehemannes oder bei unverheirateten Frauen dem ihres Vaters festgelegt. Man übertrug die dignitas der Männer, die die Vormundschaft (tutela) ausübten, auf die Frauen der römischen Gesellschaft, die sich intern wiederum nach den ordines ihrer Männer und Väter gliederten. Die Bekleidung von Ämtern blieb ihnen weitgehend versagt, auch wenn es Beispiele dafür gibt, dass Frauen öffentliche Rollen ausfüllen konnten. Relativ häufig traten Frauen als Priesterinnen oder Patroninnen von Städten öffentlich in Erscheinung. Dabei agierten sie nach dem Vorbild der Kaiserfrauen. Gerade deren durch die Prinzipatsherrschaft neu definierte Rolle wurde dabei zum Motor einer Entwicklung, die Frauen mehr Spielraum für öffentliches Auftreten ermöglichte. So übernahmen die Kaiserfrauen nicht nur selbst neue Funktionen als Priesterinnen ihrer vergöttlichten Familienmitglieder, sie wurden auch für die Frauen der höheren Stände zu Fürsprecherinnen, Euergetinnen oder Leitfiguren. Im Sinne einer stabilen Machtausübung des Prinzeps waren neben dem Militär vor allem die Senatoren, die Ritter und die stadtrömische plebs herrschaftsrelevante Gruppen. Im täglichen ritualisierten Umgang mit ihnen musste der Kaiser seine Akzeptanz beständig aushandeln und seine Herrschaftsfähigkeit unter Beweis stellen. Die Stabilität der augusteischen Regentschaft hatte sich nicht zuletzt aus der Modifizierung des persönlichen Verhältnisses des Prinzeps zur Reichsaristokratie, aber auch zur plebs urbana ergeben und damit seinen Nachfolgern Wege gewiesen, aber auch Schranken gesetzt.

a. Der Prinzeps und sein Verhältnis zum Senat Personelle Umgestaltung

Traditionell lenkten die Senatoren die Geschicke Roms. Die Bürgerkriege nach dem Tod Caesars 44 v.Chr. hatten für das Gremium des Senats große personelle Veränderungen mit sich gebracht. Viele Männer der alten Republik waren gefallen, ganze Familien ausgelöscht. An ihre Stelle waren „neue Männer“, homines novi, getreten. Schließlich hatte Augustus den Senat grundlegen-

1. Die Gesellschaft des frühen Prinzipats

den Veränderungen unterzogen. Sein Ziel war es, möglichst viele der Senatoren in einem persönlichen Loyalitätsverhältnis an seine Person und sein Haus zu binden, worauf auch die zahlreichen Heiraten zwischen den Angehörigen der domus Augusta und Mitgliedern senatorischer Familien hinweisen. Insgesamt fünf Mal zwischen 28 v.Chr. und 14 n.Chr. nahm er Revisionen der Senatsliste (lectiones senatus) vor. Kein Kaiser nach ihm hat den Senat so massiv personell umgestaltet. Vor allem verdiente Männer aus dem Ritterstand erhielten nun Zugang zum Senat. Augustus beeinflusste zudem nicht nur die Wahlen der Beamten aus den Reihen des Senats, sondern er vergab auch wichtige Ämter in seinem Umfeld an ausgewählte Senatoren. Damit nahm er entscheidend Einfluss auf die senatorischen Karrieren. Man konnte nun im Dienst des Prinzeps nicht nur Legat einer Legion oder Provinz werden, sondern auch Verwalter einer der wichtigen hauptstädtischen curae (öffentliche Aufgabenbereiche, die nicht durch einen ordentlichen Magistrat ausgefüllt wurden, wie beispielsweise die stadtrömische Wasserversorgung, cura aquarum) und sich damit für die weitere Verwendung empfehlen. Dabei ist bezeichnend, dass Augustus keine Angehörigen der alten Nobilität zu seinen Legaten und Statthaltern machte, sondern sich ausschließlich auf homines novi stützte. Die früheren Amtsträger der libera res publica entwickelten sich unter Augustus in zunehmendem Maß zu Beamten des Kaisers. Dies lässt sich auch daran festmachen, dass Augustus sowohl für die Senatoren als auch für die ritterlichen Beamten eine feste Besoldung einrichtete, die offiziell aber nicht als Gehalt, sondern als Aufwandsentschädigung galt. Augustus band aber nicht nur den einzelnen Senator und seine Familie an sich, sondern er gab auch dem Senat als Institution eine neue Struktur. Seit dem Jahr 13 v.Chr. galt für die Senatoren ein verpflichtender Mindestzensus von 1 Million Sesterzen. Damit war die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Mitglieder dieses höchsten Gremiums sichergestellt und – in römischer Sichtweise – auch seine Würde untermauert. Durch die Ausweitung senatorischer Rechte und Standeszeichen auf die Senatorensöhne erschuf Augustus einen geschlossenen Senatorenstand. Dass es dem ersten Prinzeps durchaus darum ging, diesen Stand nicht nur rechtlich, sozial und ökonomisch als einen herausgehobenen zu verankern, sondern auch die moralischen Qualitäten zum Distinktionsmerkmal zu erheben, zeigt kaum etwas so klar wie die sogenannten augusteischen Ehe- und Sittengesetze. Mit ihnen griff Augustus erstmals systematisch in die Beziehung zwischen Staat und familia ein, um das von ihm geschaffene politische System auch gesellschaftspolitisch abzusichern. Ziel dieser Gesetzesmaßnahmen war es, die führenden Schichten des Reiches, vor allem den Senatorenstand, zu stabilisieren und nach unten abzugrenzen. Offenbar war Augustus der Meinung, es gäbe in den oberen Schichten der Gesellschaft eine sehr weitgehende Freizügigkeit im Bereich der sexuellen Moral, was zu einer bedenklichen Lockerung der Ehe geführt hätte. Für Augustus

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Neustrukturierung der Institution

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Kaiser, Gesellschaft, Reich – die Situation des Jahres 14 n.Chr.

bildeten die römische familia und die legitim in ihr geborenen Kinder das Fundament des Staates. Aber gerade die Kinderlosigkeit in den oberen Ständen erwies sich als ein Problem. Sie war die Folge einer zunehmenden Vermeidung der regulären Ehe durch die Senatoren, die oft in außerehelichen Verhältnissen mit freigelassenen Frauen oder Sklavinnen lebten. Die Ehe- und Sittengesetze des Augustus zielten nun darauf ab, das Ansehen der Ehe allgemein zu heben und die Kinderzahl vor allem in den oberen Ständen zu steigern, indem sie zuwiderlaufendes Verhalten hart sanktionierten. So wurden unter anderem der Ehebruch zum Kriminaldelikt erhoben, eine Ehepflicht für alle Männer von 25 bis 60 und für alle Frauen von 25 bis 50 Jahren erlassen, Scheidungen erschwert und generell Ehe- und Kinderlosigkeit mit Strafen belegt sowie eine große Kinderschar mit Ehrenplätzen im Theater und dem ius trium liberorum belohnt, also der Befreiung von der männlichen Vormundschaft für frei geborene Frauen, die die Geburt von drei Kindern nachweisen konnten. Zwar zeigten diese Gesetze kaum die gewünschten Erfolge – vielmehr öffneten sie natürlich auch die Möglichkeit des Missbrauchs gegen politische Gegner –, die Hartnäckigkeit, mit der Augustus an diesen Regelungen festhielt, gibt allerdings einen Hinweis auf seine konservative Haltung, was die moralisch führende Rolle der Senatoren anging. Augustus war bestrebt, den Senat als das Organ, das seine Herrschaft legitimierte, herauszustreichen. Er erschuf ja die Fiktion, die Herrschaft sei ihm vom Senat übertragen worden. Damit stärkte er das korporative Selbstvertrauen dieser Institution, die sich als eigentliche Fortsetzung der Republik und ihrer Traditionen verstand. Der Senat als Stand entwickelte unter diesen Voraussetzungen einen ungemein stabilen Korpsgeist und eine schwer zu kontrollierende Eigendynamik. Zwar war er nicht mehr in der Lage, selbst zu regieren. Eine Regierung ohne oder gegen ihn war aber auch nicht möglich.

b. Veränderungen des Ritterstandes im frühen Prinzipat Die augusteische Umgestaltung der Führungsschicht erstreckte sich auch auf die römischen Ritter. In der Republik bildeten die equites equo publico den Ritterstand, der in 18 Ritterzenturien gegliedert war. Für sie waren die ersten 14 Reihen im Theater reserviert. Eine eigene Organisation wie den Senat besaßen die Ritter aber nicht. Als Stand konnten sie nur in den Zenturien und bei der alljährlichen Reiterparade am 15. Juli in Erscheinung treten. Augustus vergrößerte nun die Zahl der Ritter, die ein Staatspferd besaßen, vielleicht sogar auf 5000. Diese enorme Erweiterung bot Augustus die Möglichkeit, die Zusammensetzung des Ritterstandes zu kontrollieren und fähige wie loyale Männer vor allem aus dem Militär (Zenturionen) mit dem Eintritt in den Ritterstand zu belohnen. Auch die Eignung der Ritter wurde durch einen Zensus überprüft. Der Ritterzensus lag bei 400000 Sesterzen, der Zugehörigkeit zu

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diesem Stand lag also ebenfalls die finanzielle Leistungsfähigkeit zugrunde. Seit Augustus entschied der Prinzeps persönlich über den Eintritt in diesen zweiten Stand der Reichsaristokratie. Obwohl die Zugehörigkeit de facto nicht vererbbar war, erfolgte oft die Aufnahme der Söhne von Rittern. Jedes Jahr von neuem musste die Zugehörigkeit überprüft werden. So waren die Angehörigen des Ritterstandes bei weitem stärker von der Gunst des Prinzeps abhängig als die Senatoren. Als positiv für die Kaiser erwies sich auch, dass der Ritterstand ein reiner Geldadel war, frei von politischen Traditionen und politischem Erbe – wie es beim Senat der Fall war. Unter dem ersten Kaiser erfuhr der Ritterstand eine enorme Aufwertung auch durch die Einbindung in zentrale Ämter der Reichs- und Militärverwaltung, in die Rechtspflege und die Verwaltung des kaiserlichen Privatvermögens. Auch zahlreiche Intellektuelle im Umfeld des Hofes wie die Dichter Vergil und Horaz oder der Historiker Livius zählten zum Ritterstand. Genau wie die Senatoren erhielten die ritterlichen Beamten eine feste Besoldung. Eine wichtige Entwicklung im frühen Prinzipat war die zunehmende Präsenz von Familien aus der provinzialen Oberschicht im Ritterstand. Stammte der Großteil der Ritter unter Augustus noch aus Italien, hatte sich bereits unter Tiberius das Verhältnis zugunsten der Provinzialen verschoben. Der Ritterstand wurde also deutlich erweitert – die soziale Mobilität für einfache Soldaten, Provinzbewohner oder Söhne von Freigelassenen dadurch erhöht – und er wurde zunehmend als fester ordo mit eigenen Rangabzeichen fixiert. Zwar zeigten gerade diese Rangabzeichen wie der schmale Purpurstreifen (clavus angustus) an der Toga die hierarchische Unterordnung unter die Senatoren, die Ritter wurden allerdings zum festen Bestandteil des augusteischen Machtapparates und als potentielle Aufsteiger in den Senat treue Anhänger der Principes. Dies spiegelt sich beispielsweise in der Rolle, die führende Männer des Ritterstandes im Bestattungsritual des Augustus erhielten.

c.

Der Prinzeps und die plebs urbana

Die städtische plebs entwickelte sich in der Prinzipatszeit zum wichtigen Ansprechpartner der Kaiser. Stichwort

plebs Die plebs im Sinne von „Menge“ bezeichnete ursprünglich alle Bürger außer den Patriziern, der frühen Adelsklasse. Als die Patrizier in der Nobilität aufgingen, nachdem führende plebejische Familien in diese Schicht aufgestiegen waren und die Ritter sich als eigene Gruppe herausbildeten, wurde die plebs zum Synonym für das „niedere Volk“. In der Kaiserzeit lässt sich die auch politisch einflussreiche plebs als jene Menge charakterisieren, die in Rom zum Empfang von kostenlosem Getreide (plebs frumentaria) berechtigt war.

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Seit Augustus büßte die plebs zwar politische Rechte ein, erlangte allerdings in der öffentlichen Kommunikation eine Schlüsselrolle. Nicht mehr das Forum, sondern Circus und Theater avancierten zu jenen Orten, an denen die plebs ihre Forderungen – in erster Linie die Sicherstellung ihrer Versorgung mit öffentlichem Getreide – artikulierte. Augustus hatte nach anfänglichen Schwierigkeiten die Gunst der Menge vor allem durch Schuldenerlässe und Steuergeschenke gewonnen. Ebenso trug die Verleihung der Unverletzlichkeit (sacrosanctitas) der Volkstribunen zu seinem Erfolg bei. Der Beginn eines großen Bauprogramms, kostenlose Lebensmittelverteilungen und Besuche von Bädern sowie große Spiele taten ihr Übriges. Die römische plebs konnte für die Kaiser Segen und Fluch sein. Einerseits war sie im Gegensatz zum Senat prinzepsfreundlich. Sie wollte einen Diktator, wie Caesar einer gewesen war, sie wollte einen Kaiser mit Sondervollmachten und außerordentlichen Kommandos. Die plebs tritt aber auch als Korrektiv kaiserlichen Handelns in unseren Quellen auf, vor allem wenn der Kaiser moralisch falsch handelte. Die plebs organisierte sich seit republikanischer Zeit in Vereinen, vor allem die Compitalvereine waren äußerst beliebt. Sie vollzogen den Kult der Lares Compitales (Schutzgeister der Nachbarschaften) und richteten die Compitalia aus, eine Art Neujahrsfest, das mit öffentlichen Feiertagen, Spielen und Opfern gefeiert wurde. Augustus gab diesen Vereinen eine neue Struktur im Rahmen seiner Verwaltungsreform der Stadt Rom im Jahr 7 v.Chr. Dabei wurde die Stadt in 14 Regionen gegliedert, jede Region wiederum in mehrere vici unterteilt. Die Regionen wurden einem Magistrat (Ädil oder Prätor) unterstellt, die insgesamt 265 vici jeweils einem Kollegium von vier vicomagistri. Die vicomagistri rekrutierten sich aus dem Stand der Freigelassenen und erhielten das Recht, eigene Fasten (Amtslisten) zu führen und Amtsinsignien zu tragen. Den vicomagistri wurde nun auch der Compitalkult übertragen, der in seiner kultischen Ausrichtung völlig verändert wurde. Die bisher verehrten Lares Compitales wurden mit den Lares Augusti verschmolzen und um eine weitere Gottheit ergänzt: den genius des Kaisers. Die Compitalheiligtümer der plebs wurden so zu Zentren der Kaiserverehrung. Augustus selbst schenkte den vicomagistri neue Statuetten der Lares Augusti und des genius Augusti, und er stiftete wohl auch 265 neue Larenaltäre, von denen einige Exemplare erhalten sind. Durch diese Verknüpfung von traditionellem Kult in ureigenen Institutionen der städtischen plebs mit dem Kult des Herrschers entstand eine enge politisch-religiöse Bindung zwischen Prinzeps, domus Augusta und plebs. Besonders die meist aus der sozial benachteiligten Gruppe der Freigelassenen rekrutierten vicomagistri erhielten Sonderrechte, die üblicherweise Vorrechte römischer Amtsträger waren. Dies bedeutete eine enorme Steigerung des Sozialprestiges dieser Personen, die im Gegenzug sicherlich gern und bereitwillig ihr Vermögen und ihren Einfluss in den Dienst des Prinzeps stellten. Augustus erschloss sich damit gleichzeitig ein neues finanzielles Reservoir: Die Freigelas-

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senen, die für diese Ämter nun rekrutiert wurden, verfügten über beträchtliche finanzielle Mittel und erreichten nicht selten den ritterlichen Zensus. Augustus kanalisierte diese Mittel nun zugunsten seiner Verehrung und der Verehrung seiner Familie. Neben diesem recht symptomatischen Beispiel für die augusteische Neuregelung im Bereich der plebs strukturierte Augustus die plebs auch an anderer Stelle um. Aus rein finanziellen Motiven reduzierte er 2 v.Chr. die Zahl der Getreideempfänger auf 200000. Nur mehr römische Bürger, die älter als zehn Jahre waren, wurden zugelassen und als plebs frumentaria definiert. Man wies diese privilegierte Schicht an, künftig Toga und Filzmütze (pileus) zu tragen, um auch nach außen zu demonstrieren, dass es sich um einen eigenen Stand handelte. Ihnen wurde die Mitte des Theaters reserviert. Damit etablierte der erste Prinzeps eine Art dritten Stand neben den Rittern und den Senatoren und schuf eine klare soziale Stratifizierung der stadtrömischen Gesellschaft. Für die senatorische Geschichtsschreibung war die plebs in ihrer Nähe zum Prinzeps und damit als Gegengewicht zum Senat Stein des Anstoßes. Quelle Die negative Bewertung der plebs durch Tacitus nach dem Tod Neros (Tac. Hist. 1 ,4, 3) Die Senatoren waren frohgemut, da sie […] ihre Unabhängigkeit geltend machen konnten […]. Die Ritter ersten Ranges freuten sich fast ebenso sehr wie die Senatoren. Der wohlbestallte, mit vornehmen Familien in enger Verbindung stehende Teil des Volkes, die Klienten und Freigelassenen verurteilter oder verbannter Herren gaben sich hochgespannten Hoffnungen hin; die ärmliche und an Circus und Theater gewöhnte Masse aber [plebs sordida et circo ac theatris sueta], ebenso das Lumpenpack der Sklaven oder das nach dem Verbrauch von Hab und Gut auf Kosten von Neros Ruf unterhaltene Gesindel war niedergeschlagen und nur auf Gerüchtemacherei aus. (Übersetzung J. Borst)

43 Abb. 2 Larenaltar, Museo Gregoriano Profano, Vatikan, ca. 7 v.Chr.

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2. Rom – das Gesicht der Hauptstadt verändert sich

Palatin

Augustusforum

Der erste Kaiser veränderte aber nicht nur die römische Gesellschaftsordnung, er gestaltete auch die Hauptstadt des Reiches tiefgreifend um. Für die antiken Autoren galt der Umgang mit der urbs, der Stadt Rom, als ein Ausweis der Herrschaftsfähigkeit der Kaiser. Den als positiv erachteten Kaisern wurde die Verschönerung der Hauptstadt des Reiches zugeschrieben, die schlechten Kaiser stellten ihre Unfähigkeit zu herrschen stets auch dadurch unter Beweis, dass sie als Bauherren im öffentlichen Raum versagten. Schon für die antiken Autoren galt Augustus als der Kaiser, der die Stadt am deutlichsten umgestaltet hatte. Laut Sueton durfte Augustus sich mit Recht rühmen, „an Stelle der Stadt aus Ziegeln, die er übernommen hatte, eine aus Marmor zu hinterlassen“ (Suet. Aug. 28, 3). Augustus selbst schrieb sich also die Gestaltung des städtischen Raumes als Errungenschaft zu. Tatsächlich hat Augustus die Stadt zur Metropole gemacht, ihr Äußeres ihrem politischen Stellenwert und dem Selbstverständnis der Römer angeglichen, sie aber vor allem architektonisch zur Repräsentantin einer Monarchie geformt. Dazu trug wohl am entscheidendsten die Verschiebung des politischen Zentrums weg vom Forum hin zum Palatin bei, wo das Haus des Augustus stand. Dabei repräsentierte weniger das eher bescheidene Haus des Prinzeps die neue Monarchie, vielmehr symbolisierte die Wahl des Ortes die neue Macht. Die Residenz, die in unmittelbarer Nähe zum und architektonisch verbunden mit dem Apollo-Tempel errichtet worden war, entstand an einem für die Stadt symbolisch extrem aufgeladenen Ort. Der Palatin als Ort, an dem die Hütte des Stadtgründers Romulus gestanden haben und der dem Augustus durch ein göttliches Zeichen gewiesen worden sein soll, markierte die räumliche Abwendung von der res publica und die Hinwendung zu einer neuen Herrschaftsauffassung. Damit entstand hier der Nukleus der julisch-claudischen Herrschaft in Rom. Der Palatin war vielleicht der wichtigste, aber längst nicht der einzige Ort in Rom, an dem das neue System seine Spuren hinterließ. Ein weiteres Beispiel für den symbolträchtigen Umgang mit Architektur stellte das Augustusforum dar. In der Nachahmung Caesars, der durch sein Forum Julium nördlich des Forum Romanum im Zentrum der Stadt Selbstdarstellung und politische Repräsentation verknüpft hatte, ließ Augustus sein nach ihm benanntes Forum unmittelbar daran anschließend errichten. Die 2 v.Chr. eingeweihte Anlage stellt das in Architektur umgesetzte Herrschaftsprogramm des Augustus dar. Der Tempel des Mars Ultor dominierte den Platz. Die umlaufenden Portiken und Exedren waren mit Statuen der berühmten Männer der römischen Geschichte geschmückt, zurückreichend bis zu Aeneas und Romulus. Im Zentrum der Anlage befand sich eine Statue des Augustus. In einer einzigen architektonischen Umarmung erklärte er sich kurzerhand

3. Das Reich und die Provinzen

zum Zentrum und Höhepunkt der römischen Geschichte seit der Gründung der Stadt, ja eigentlich seit den Ursprüngen in Troja. Diesen beiden Beispielen ließen sich zahlreiche weitere anschließen: das Augustusmausoleum und die Sonnenuhr auf dem Marsfeld, die ara Pacis, das Pantheon und der Tempel des Divus Julius, um nur einige weitere zu nennen. Es erschließt sich ein Eindruck davon, wie sich das Stadtbild in den 50 Jahren der Herrschaft des Augustus verändert hatte, wie sich die Architektur der politischen Veränderung angepasst hatte, wie tatsächlich eine Stadt aus Marmor entstanden war, wo das alte Rom aus Ziegeln gestanden hatte. Für die Nachfolger des Augustus war mit diesen baulichen Maßnahmen aber auch ein Maßstab geschaffen worden, an dem sie gemessen wurden. Die Baupolitik der Kaiser ist für antike wie moderne Autoren ein Paradigma, ihren Erfolg oder Misserfolg zu messen, aber auch ihre politischen Botschaften zu entschlüsseln.

3. Das Reich und die Provinzen Die Errichtung des Prinzipats hatte auch gravierende Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Rom und den Provinzen. Erstmals scheint sich unter Augustus ein systematischer Umgang mit den Provinzen und eine Herrschaftskonzeption für das gesamte Reich herausgebildet zu haben. Die Person des Herrschers als sakral überhöhtes Wesen wurde zum Zentrum einer gemeinsamen Identität ausgebaut. Die unter Augustus systematisch im Osten und zum Teil auch im Westen eingerichteten Provinziallandtage (Koina/Concilia) erweisen sich als proaktive römische Herrschaftsmaßnahme, die den Handlungskontext zwischen Rom und den Provinzen von einer in erster Linie politischen auf eine kultisch-religiöse Ebene verlagerte. Dieses Integrationsangebot wurde von den Provinzialen – von Ausnahmen abgesehen – bereitwillig angenommen. Die römische Kultur breitete sich in allen Facetten seit Augustus vom Atlantik bis an die Grenze des Partherreiches und von der Nordsee bis nach Nordafrika aus. Dabei hat sich die Forschung heute von Konzepten verabschiedet, die diese Entwicklung als „Romanisierung“ beschreiben. Die jüngere, stark kulturwissenschaftlich geprägte Sicht auf diese Entwicklungen fragt eher nach Kulturkontakten, Identitäten, Migration und betrachtet das Reich von der Peripherie her. Jene Entwicklungen, die das „Romanisierungs“-Konzept entweder positiv als Zivilisationsleistung oder negativ als Ausbeutungs- und Unterdrückungsprozess deutete, werden heute als Integrationsprozess verstanden, der maßgeblich von den provinzialen Eliten ausging.

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4. Militär und Grenzpolitik Militärische Krisen der letzten Jahre des Augustus

Das römische Reich hatte in den letzten zehn Jahren der augusteischen Herrschaft mit Krisen zu kämpfen, die durch Aufstände im Grenzraum oder innerhalb der Provinzen ausgelöst wurden. Ein Problemherd war Germanien, das seit seiner teilweisen Unterwerfung zwischen 12 und 9 v.Chr. am Beginn eines Provinzialisierungsprozesses stand. Geplante militärische Aktionen in den Krisengebieten wurden 6 n.Chr. aber von schweren Aufständen im Illyricum vereitelt. Die Niederschlagung des pannonischen Aufstands (6–9 n.Chr.) kostete Rom enorme Kräfte, riss große personelle Lücken in die Legionen und brachte das Reich auch an den Rand seiner finanziellen Leistungskraft. Ein dramatisches Ereignis mit gravierenden Folgen für die römische Militärstrategie in Germanien war die römische Niederlage 9 n.Chr. im Teutoburger Wald. P. Quinctilius Varus, der Statthalter des germanischen Kriegsschauplatzes, war zusammen mit drei kompletten Legionen inklusive Hilfstruppen östlich des Rheins von aufständischen germanischen Stämmen, angeführt vom Cheruskerfürsten und römischen Ritter Arminius, vernichtet worden. Lange Zeit glaubte die Forschung, dass als unmittelbare Folge die römischen Positionen östlich des Rheins aufgegeben wurden. Neueste Befunde aus Waldgirmes an der Lahn zeigen allerdings, dass diese ab 4 v.Chr. gegründete zivile Siedlung erst 17 n.Chr. verlassen wurde, die Römer sich also nach der Niederlage des Varus nicht sofort vollständig bis an den Rhein zurückzogen. Psychologisch scheint sich die Niederlage allerdings bis nach Rom ausgewirkt zu haben, wo man ein Eindringen der Germanen – ähnlich dem Keltensturm 387 v.Chr. – befürchtete, vor allem aber nun zusätzlich zu den gerade aktuellen Folgen der Pannonischen Kriege auch die Nachwirkungen dieser Katastrophe finanziell, personell und mental bewältigen musste. Augustus war nämlich nicht gewillt, die Offensive in den rechtsrheinischen Raum zu diesem Zeitpunkt zu beenden. Die Zahl der in Germanien eingesetzten Legionen wurde – zum Teil durch Verlegungen, zum Teil durch Neuaushebungen – auf sechs erhöht. Tiberius begab sich unmittelbar nach der Varusschlacht an den Rhein, und es gelang ihm offensichtlich innerhalb kurzer Zeit, die Lage zu stabilisieren, genügend Truppen heranzuziehen und die neu ausgehobenen Truppeneinheiten kampffähig zu machen. Dennoch gehörten diese Ereignisse zu den Hypotheken, mit denen die Herrschaft des Tiberius von Beginn an belastet war. Sowohl in Germanien als auch in Pannonien hatte Rom im ersten Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts n.Chr. die Grenzen einer expansiven Politik aufgezeigt bekommen. In anderen Teilen des Reiches war die Lage stabiler, aber auch hier war nicht alles gut. Das Partherreich entwickelte sich zu dem großen Kontrahenten im Osten. Augustus hatte zwar in einem gefeierten diplomatischen Akt jene Feldzeichen zurückgewonnen, die 53 v.Chr. bei Carrhae schmachvoll verloren-

4. Militär und Grenzpolitik

gegangen waren. Die bedrohliche Machtzunahme des parthischen Reiches konnte er allerdings nicht einschränken. Ungehindert von Rom hatte sich mit Artabanos II. ein neuer Herrscher durchgesetzt, der allmählich begann, sich als gefährlicher Gegenspieler im Nahen Osten zu profilieren. Der Konflikt zwischen Rom und den Parthern blieb immer virulent, beschränkte sich unter Augustus aber auf das Gebiet Armenien, wo beide Seiten die Souveränität über diesen Raum zum außenpolitischen Prinzip erklärten. Sowohl im Osten als auch in Germanien und auf dem Balkan war die Lage also alles andere als stabil. Nicht nur die unterworfenen Völker und angrenzenden Reiche stellten dabei eine potentielle Gefahr für die künftigen Herrscher dar, sondern auch die Überforderung der eigenen Ressourcen. Augustus hatte diese Probleme erkannt und zu ihrer Lösung die wohl bedeutendste Reform im militärischen Bereich seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. in die Wege geleitet, nämlich die Umwandlung des bis dato existierenden Milizheeres in eine Berufsarmee. Ziel dieser Reform war es, ein Heer zu schaffen, das für die Sicherung und Verteidigung des Reiches groß genug war, gleichzeitig aber auch bezahlbar blieb. Die Berufsarmee bot die Chance der Kontinuität und Kalkulierbarkeit. Sie bot vor allem die Möglichkeit, den verheerenden Konsequenzen zu entgehen, in die die Neuaufstellung und Entlassung von Massenheeren die alte Republik gestürzt hatten. Diese Reform war eine notwendige Umstrukturierung, sie brachte allerdings auch Probleme mit sich. Vor allem die finanzielle Belastung war immens. Die Versorgung der Armee im laufenden Dienst sowie der Veteranen nach Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis war eine finanzielle Herkulesaufgabe. Die laufenden Kosten der Berufsarmee wurden dabei durch das Steueraufkommen gedeckt, nicht aber die Altersversorgung der Legionäre. Bei den Entlassungen wurden die Veteranen nun mit Geld abgefunden. Man hatte sich daher im Jahr 6 n.Chr. entschlossen, mit einer kaiserlichen Anschubfinanzierung von 170 Millionen Sesterzen eine Militärpensionskasse zu gründen. Diese zeigte erst nach anfänglichen Schwierigkeiten, die Augustus mit dem Einsatz seines Privatvermögens abfederte, positive Wirkungen. Für die langfristige Finanzierung dieser Kasse wurde eine Erbschaftssteuer in Höhe von 5 Prozent auf große Vermögen sowie eine Verkaufssteuer von 1 Prozent erhoben. Gleichzeitig wurde die Dienstzeit auf 20 Jahre verlängert. In Krisenzeiten konnte es aber vorkommen, dass die Verbände über diese Zeit hinaus im Dienst gehalten wurden, was regelmäßig zu n Aufständen und Meutereien führte. Auf einen Blick

Das Imperium Romanum war zwischen 44 v.Chr. und 14 n.Chr. einem grundlegenden Wandlungsprozess unterworfen, der in erster Linie die politischen Strukturen betraf. Darüber hinaus formierten sich aber auch entscheidende gesellschaftliche Gruppen wie die Stände der Senatoren und der Ritter neu, indem ihr Verhältnis zum Prinzeps definiert wurde. Dieser Prozess beinhaltete eine politische

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Umstrukturierungen im Heer unter Augustus

48

IV.

Kaiser, Gesellschaft, Reich – die Situation des Jahres 14 n.Chr.

Entmachtung des Senats, ging aber mit einer gleichzeitigen sozialen Aufwertung einher. Der ordo equester erfuhr im Prinzipat eine generelle Aufwertung, allerdings nicht in Konkurrenz zum Senat, sondern in Ergänzung des höchsten Standes. Die plebs urbana wurde zum eigenen Stand geformt und gewann durch die Möglichkeiten, als Kollektiv in einer veränderten öffentlichen Kommunikation zwischen Prinzeps und Volk in Erscheinung zu treten, an Gewicht. Augustus veränderte während der langen Dauer seiner Herrschaft zudem die Hauptstadt Rom maßgeblich, indem er sie den Ansprüchen der Alleinherrschaft gemäß ausgestaltete. Jahrhundertelang waren Bauen und Wohnen in Rom der Ausdruck republikanischer Lebensform, Raum aristokratischer Konkurrenz und Selbstbestätigung gewesen. Diese Möglichkeiten wurden seit dem Beginn der Kaiserzeit systematisch eingeschränkt. Der Prinzipat, wie er von Augustus angelegt wurde, strukturierte das Verhältnis zwischen Reich und Peripherie neu und ermöglichte erstmals einen systematischen Umgang mit den Provinzen und eine Herrschaftskonzeption für das gesamte Reich. Neben einem kulturellen begann damit auch ein politischer Integrationsprozess der Provinzen und ihrer Eliten, der sich in der julisch-claudischen Zeit rasant beschleunigte. Als langfristige militärische Krisenherde kristallisierten sich die Rhein-Donau-Grenze sowie die Grenze zum Partherreich heraus. Diesen sich abzeichnenden Entwicklungen, vor allem aber den weiter existierenden Belastungen der Bürgerkriegszeit trat Augustus mit einer Umstrukturierungspolitik der Armee entgegen, die militärische Flexibilität und finanzielle Stabilität sicherte.

Literaturhinweise Demougin, S.: L’ordre équestre sous les Julio-Claudiens, Paris, Rom 1988. Noch immer umfänglichste Studie zum Ritterstand dieser Zeit, mit zahlreichen Verweisen auf literarische und epigraphische Quellen sowie Forschungsliteratur. Eck, W.: Die Ausformung der ritterlichen Administration als Antisenatspolitik?, in: ders. (Hg.): Die Verwaltung des römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit. Ausgewählte und erweiterte Beiträge I, Basel, Berlin 1995, S. 29–54. Eck bezweifelt die in der Forschung häufig zu findende Ansicht, ein zunehmener Einsatz ritterlicher Amtsträger in der Kaiserzeit spiegele eine gegen den Senat gerichtete Politik wider. Edelmann-Singer, B.: Koina und Concilia. Genese, Organisation und sozioökonomische Funktion der Provinziallandtage im römischen Reich, Stuttgart 2015. Untersuchung der Provinziallandtage als Herrschaftsmaßnahme und Integrationsplattform im frühen Prinzipat. Gilliver, K.: The Augustan Reform and the Structure of the Imperial Army, in: Erdkamp, P. (Hg.): A Companion to the Roman Army, Chichester 2001, S. 183–200. Kompakter Überblick über die Reformen des Augustus und die römische Armee zu Beginn der Kaiserzeit. Kröss, K.: Die politische Rolle der stadtrömischen plebs in der Kaiserzeit, Leiden 2017. Untersuchung der politischen Kommunikationsmechanismen zwischen Plebs und Kaiser. Scheid, J./Jacques, F.: Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit 44 v.Chr. – 260 n.Chr., Bd. 1: Die Struktur des Reiches, Stuttgart, Leipzig 1998, S. 317–411. Das Kapitel zur römischen Gesellschaft bietet in diesem Band zur Strukturgeschichte des römischen Reiches eine sehr gute Einführung in die Thematik. Yavetz, Z.: Plebs and Princeps, New Brunswick 21988. Grundlegende, durch neuere Forschungen in vielen Aspekten aber präzisierte Arbeit zur plebs der frühen Kaiserzeit.

V. Tiberius Überblick

D

as folgende Kapitel gibt einen chronologisch-thematischen Überblick über die Jahre des tiberianischen Prinzipats. Im Mittelpunkt stehen – den Quellen geschuldet – die Familienpolitik und die innen- wie außenpolitischen Krisen jener Jahre. Die Familienpolitik ist geprägt durch das Erstarken des dynastischen Faktors, der sich im Auftreten der Person des Germanicus sowie im Umgang mit seinen Nachkommen manifestiert. Außenpolitisch widmete sich Tiberius erfolgreich dem von Augustus hinterlassenen Krisenherd Ger-

manien, Aufständen in Gallien und Nordafrika sowie dem Konflikt um Armenien an der Grenze zum Partherreich. Aus Sicht der senatorischen Geschichtsschreibung dominierte das Fehlverhalten des Prinzeps gegenüber dem Senat diese Phase der römischen Geschichte, und es ist mangels anderer Perspektiven in den Quellen schwierig, dem ein abweichendes Bild entgegenzustellen. Es wird aber zu überprüfen sein, inwieweit die dem Tiberius zugeschriebenen Krisen nicht eher dem System des Prinzipats anzulasten sind.

Zeittafel 14 n.Chr.

Aufstände der Legionen am Rhein und in Pannonien

14/15–16 n.Chr.

Feldzüge des Germanicus ins rechtsrheinische Gebiet

26.5.17 n.Chr.

Germanicus’ Triumph de Germanis

17–19 n.Chr.

Germanicus im Osten

17 n.Chr.

Einrichtung der Provinzen Kappadokien und Kommagene

17–23 n.Chr.

Aufstand des Tacfarinas in Nordafrika

10.10.19 n.Chr.

Tod des Germanicus in Antiochia in Syrien

21 n.Chr.

Aufstände in Gallien

23 n.Chr.

Tod Drusus’ des Jüngeren

26 n.Chr.

Weggang des Tiberius nach Capri

29 n.Chr.

Tod der Livia (Julia Augusta)

31 n.Chr.

Tod des Nero Julius Caesar

18.10.31 n.Chr.

Sturz des Prätorianerpräfekten Seian

33 n.Chr.

Tod der Agrippina und des Drusus Julius Caesar

35 n.Chr.

Armenien-Krise

16.3.37 n.Chr.

Tod des Tiberius in Misenum

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V.

Tiberius

1. Familiäre Krisen und Innenpolitik a. Germanicus und Drusus

Germanicus bei den Rheinlegionen

Abb. 3 Marmorbüste des Tiberius, ca. 13–9 v.Chr. Ny Carlsberg Glyptothek Kopenhagen.

Bezeichnenderweise waren es gerade die Legionen am Rhein und in Pannonien, die nach dem Tod des Augustus rebellierten. Eine Belastung über Gebühr in strapaziösen Kriegen, harte Dienstbedingungen und die Rekrutierung ungeeigneter Personen in den letzten Herrschaftsjahren des Augustus bildeten eine gefährliche Mischung an Unruhepotential, das sich nun ein Ventil suchte. Die von den Legionären formulierten Forderungen zeigen aber, dass dies keine Revolte gegen den neuen Machthaber Tiberius war, sondern ein Aufbegehren zutiefst unzufriedener Soldaten: Man forderte die Entlassung der Veteranen, Bestrafungen grausamer Offiziere und eine Verbesserung der Dienstbedingungen. Die Aufstände wurden mit einer Mischung aus Nachgeben und harten Strafen niedergeschlagen. Germanicus, der Neffe und Adoptivsohn des Tiberius, trat bei diesen Ereignissen deutlich in einer ambivalenten Rolle hervor. Er führte das Kommando am Rhein gegen die Aufständischen, die ihm, laut Tacitus, die Akklamation zum imperator anboten, ihn also gegen Tiberius zum Kaiser erheben wollten. An der Historizität dieses Angebots sind Zweifel angebracht, stellt Tacitus den Germanicus doch von Beginn an als Kontrahenten des Tiberius dar. Auch die bei Tacitus überlieferte Hoffnung im Hinblick auf Germanicus, er werde „die Freiheit zurückbringen“ (Tac. Ann. 1, 33), trägt nicht zur Glaubwürdigkeit dieser Episode bei. Hier reflektiert eher Tacitus seine Sicht auf den Herrscherwechsel von 14 n.Chr., denn die libertas rei publicae war nicht das, was die Soldaten zufriedenstellen konnte. Die von Tacitus geschilderten Ereignisse bei den Rheinlegionen im Herbst 14 n.Chr. spiegelten in besonderer Weise die Rolle des Germanicus innerhalb der domus Augusta wider. Nero Claudius Drusus Germani-

1. Familiäre Krisen und Innenpolitik

cus (15 v.Chr.–19 n.Chr.) war der Sohn des älteren Drusus – seinerseits Sohn der Livia und Bruder des Tiberius – und der Antonia Minor, einer Tochter des Marcus Antonius und der Augustus-Schwester Octavia. Seinen Siegesbeinamen Germanicus hatte er von seinem Vater geerbt, dem äußerst beliebten Drusus dem Älteren, der 9 v.Chr. in Germanien ums Leben gekommen war. Bei der Neuordnung der Nachfolge 4 n.Chr. war er von Tiberius adoptiert worden und als Germanicus Julius Caesar in die julische Familie eingetreten. Er war also als Nachfolger des Tiberius designiert. Unterstrichen wird dies durch seine Eheschließung mit Vipsania Agrippina der Älteren (14 v.Chr.–33 n.Chr.), einer Tochter der Augustus-Tochter Julia und des Agrippa. Bereits mit 19 Jahren hatte er militärische Erfolge bei der Bekämpfung des pannonischen Aufstandes errungen, beim Tod des Augustus war er zum ersten flamen Divi Augusti bestimmt worden. Germanicus verkörperte all das, was Tiberius fehlte. Er besaß ein gewinnendes Wesen, eine gewisse jugendliche Unbeschwertheit und konnte seine familiäre Herkunft sowie die eigenen Erfolge in ein positives öffentliches Erscheinungsbild ummünzen. Sowohl sein Sohn Gaius, der spätere Kaiser Caligula, als auch sein Bruder Claudius sollen ihre Thronerhebung nicht zuletzt der Verwandtschaft mit Germanicus verdankt haben. Aber selbst bei Tacitus lassen sich auch kritische Töne vernehmen. Bereits bei der Niederschlagung der Aufstände am Rhein deutet sich an, dass Germanicus zu eigenmächtigem und vorschnellem Handeln neigte und um seinen besonderen Ruf wusste. Nach Beendigung der Unruhen weitete Germanicus seine Mission am Rhein in den Jahren 14/15 bis 16 n.Chr. weiter aus und startete einen Krieg gegen die Germanen rechts des Rheins. Diese Feldzüge der Jahre 15 und vor allem 16 waren extrem verlustreich und kostspielig. Tiberius stand ihnen daher mit großer Skepsis gegenüber. Germanicus gestaltete seinen Krieg auch als Schauspiel für die römische Öffentlichkeit, indem er bewusst bis zum Ort der Varusschlacht vorstieß, um hier die Überreste der gefallenen römischen Legionäre zu bestatten. Trotz dieser öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen berief ihn Tiberius 16/17 n.Chr. vom germanischen Kriegsschauplatz ab und beendete damit die römische Expansion in den germanischen Raum fürs Erste. Germanicus durfte zwar einen Triumph abhalten, im Grunde schloss man aber das Kapitel Germanien als letztlich gescheitertes. Zwar war die römische Ehre nach der Katastrophe der clades Variana (Varusniederlage) wiederhergestellt – dass dies ein ganz zentrales Element dieses Krieges war, verdeutlicht die Beschreibung des Triumphzuges bei Strabon, der davon berichtet, dass Thusnelda, die Frau des Arminius, und ihr Sohn mitgeführt wurden –, an eine Wiederherstellung der römischen Positionen östlich des Rheins war aber nicht mehr ernsthaft zu denken.

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Feldzüge gegen die Germanen

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V.

Tiberius Quelle Triumphzug des Germanicus (Strab. 7, 1, 4) Misstrauen ist gegen sie [die germanischen Völker] von großem Nutzen. Die, denen man vertraute, haben den schwersten Schaden gestiftet, wie die Cherusker und ihre Untertanen, bei denen drei Legionen der Römer zusammen mit ihrem Feldherrn Quintilius Varus vertragsbrecherisch aus dem Hinterhalt vernichtet wurden. Sie haben alle dafür gebüßt und dem jüngeren Germanicus den glänzendsten Triumph bereitet, bei dem die angesehensten Personen, Männer und Frauen, vorgeführt wurden: Segimuntos, Segestes’ Sohn, Anführer der Cherusker, und seine Schwester – die Frau des Arminius, der bei dem Bruch des mit Quintilius Varus geschlossenen Vertrages Oberbefehlshaber der Cherusker gewesen war und noch jetzt den Krieg fortsetzte –, Thusnelda genannt und ihr dreijähriger Sohn Thumelikos; […]. (Übersetzung S. Radt)

Germanicus im Osten

Die meinungsbildenden Kreise der römischen Öffentlichkeit goutierten den Abbruch der Offensive gegen die Germanen nicht. Ihre Haltung gibt uns Tacitus in seinem knapp einhundert Jahre später veröffentlichten Werk wieder, wenn er über den Triumph des Germanicus schreibt: „[…] und den Krieg nahm man, weil Germanicus an der Beendigung gehindert worden war, als wirklich beendet an“ (Tac. Ann. 2, 41). Die nun folgende Mission des Germanicus im Osten wurde von der tiberiusfeindlichen Geschichtsschreibung oft als Versuch des Prinzeps gewertet, den beliebteren Germanicus aus Rom zu entfernen. Zumal Germanicus diese Reise nicht überlebte, interpretierte man sie gern von ihrem schrecklichen Ende her als Versuch des Tiberius, den Widersacher zu beseitigen. Aber es gab gute Gründe dafür, den zweiten Mann im Staat 17 n.Chr. mit dieser dringenden Mission zu betrauen. Die armenische Frage war noch immer ungeklärt, ein neuer, romfreundlicher Herrscher musste hier dringend gegen parthische Interessen installiert werden. In anderen kleinasiatischen Klientelreichen wie Kappadokien und Kommagene mussten ebenfalls nach dem Tod der Klientelherrscher Regelungen im Sinne Roms getroffen werden. Um seine Mission mit der nötigen rechtlichen Befugnis ausführen zu können, stattete Tiberius den Germanicus mit einem imperium proconsulare maius aus, einem Oberkommando, das ihn in der Befehlshierarchie über alle im Osten des Reiches eingesetzten Statthalter (legati Augusti pro praetore – also Stellvertreter des eigentlichen proconsul Tiberius) stellte. Einer dieser Statthalter, Cn. Calpurnius Piso (ca. 42 v.Chr.–20 n.Chr.), konsularer Legat von Syrien, ein enger Vertrauter des Tiberius und ein Mann aus einer der angesehensten Familien, sollte Germanicus im Osten beratend zur Seite stehen. Zunächst wandte man sich Armenien zu, setzte hier den Sohn des pontischen Herrschers Polemon I., Artaxias III. (Zenon), als Klientelfürsten ein und überführte die Gebiete von Kommagene und Kappadokien in den Status einer römischen Provinz. Diese Maßnahmen dienten dazu, die

1. Familiäre Krisen und Innenpolitik

am Euphrat gelegenen Gebiete stärker der Kontrolle Roms zu unterstellen und somit die Grenzsicherung besser zu gewährleisten. Bereits in dieser ersten Zeit der Ostmission begann sich das Verhältnis zwischen Germanicus und Piso einzutrüben. Germanicus ließ sich von den Griechen im östlichen Reichsteil feiern, während Piso dies missbilligte und die Hellenen ganz im Stil des alten Adels offen herabwürdigte. Zu dem immer deutlicher zutage tretenden Zerwürfnis der beiden Männer trugen auch die politischen Entscheidungen des Germanicus bei. Er trat in Verhandlungen mit dem neuen parthischen König Artabanos II. und verbannte den von diesem gestürzten früheren parthischen Herrscher Vonones, der sich des armenischen Throns bemächtigt hatte, nach Kilikien. Piso aber unterstützte dessen Anspruch auf den Thron. Im Frühjahr 19 n.Chr. begab sich Germanicus nach Alexandria in Ägypten und reiste von dort aus weiter bis nach Oberägypten. Mit dieser Reise maßte er sich allerdings Kompetenzen an, die ihm nicht zustanden. Ägypten war die einzige Provinz, in die Senatoren und höherrangige Ritter seit der Eroberung durch Augustus 30 v.Chr. nur mit Erlaubnis des Prinzeps einreisen durften. Obwohl es zunächst eine Garnison mit drei Legionen erhielt, wurde es einem ritterlichen praefectus Alexandriae et Aegypti unterstellt, und der Aufenthalt für Senatoren und die führenden Ritter ohne spezielle Genehmigung in dieser Provinz wurde untersagt. Der Prinzeps übernahm de facto die Rechtsnachfolge der ptolemäischen Herrscher, das alte Königsland war jetzt Privatbesitz des römischen Kaisers. Die Nutzung der ägyptischen Reichtümer sicherte die Herrschaft des Prinzeps und seiner Familie. Die Ausfuhr des ägyptischen Getreides wurde unter staatliche Aufsicht gestellt. Dieses wichtigste Produkt Ägyptens durfte erst nach Sicherstellung der Versorgung Italiens an andere Interessenten verkauft werden. Der Prinzeps übernahm auch Herstellung und Verkauf von Papyrus in Form eines Monopols und unterstellte sie dem kaiserlichen Haushalt. Germanicus war nun in diese spezielle Provinz ohne Erlaubnis des Prinzeps eingereist und wurde von Tiberius dafür offiziell gerügt, vor allem, um den Unmut anderer Senatoren zu beschwichtigen, denen dieses Reiserecht nicht gewährt wurde. Einen weiteren diplomatischen Fehlgriff beging Germanicus in Alexandria selbst. Da die lokale Getreideversorgung nicht gewährleistet war, öffnete er die Speicher von Alexandria, in denen das für die annona Roms bestimmte Getreide lagerte, und verteilte aus diesen Beständen Getreide an die Bevölkerung. Damit griff er in die Kompetenzen des von Tiberius direkt eingesetzten Statthalters ein. Tiberius’ Misstrauen erregte vielleicht auch ein anderer Aspekt dieser Reise: Germanicus war ein Enkel des Triumvirn Marcus Antonius. Dessen Machtbasis im Kampf gegen Augustus war Ägypten gewesen, damals noch das Reich der Kleopatra. Die ägyptischen Maßnahmen des Germanicus mussten also fast zwangsläufig zu Konflikten mit dem Kaiser führen.

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Sonderstatus Ägyptens

Germanicus in Ägypten

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V.

Tiberius

Nach seiner Rückkehr nach Syrien im Herbst 19 n.Chr. kam es dann zum offenen Bruch mit Cn. Calpurnius Piso, denn Piso hatte Anweisungen des Germanicus außer Kraft gesetzt. Germanicus kündigte dem Piso die Freundschaft auf und verwies ihn der Provinz. Zu diesem Zeitpunkt war Germanicus bereits schwer erkrankt. Quelle Die Erkrankung des Germanicus (Tac. Ann. 2, 69, 3) Die wilde Heftigkeit der Krankheit verschlimmerte sich noch durch die Überzeugung, er sei von Piso vergiftet worden; und wirklich fanden sich, aus dem Fußboden und den Wänden herausgeholt, menschliche Leichenreste, Zaubersprüche mit Verwünschungen sowie der Name Germanicus, auf Bleitäfelchen eingeritzt, Asche, halbverbrannte Körperteile, mit Jauche beschmiert, und andere Zaubermittel, durch die nach allgemeinem Glauben Seelen den Göttern der Unterwelt geweiht werden. (Übersetzung E. Heller)

Bei den von Tacitus beschriebenen Objekten handelte es sich wohl unter anderem um sogenannte Fluchtafeln (tabellae defixionum). Stichwort Fluchtafeln entstammen dem Bereich religiös-magischer Praktiken. Ein Schadenzauber soll Leben oder Gesundheit des Verfluchten negativ beeinflussen. Bekannt sind derartige Verfluchungen u.a. aus dem Bereich des Sports, der Politik, der Liebe und der Geschäftswelt. Es existieren heute ca. 1500 sogenannter tabellae defixionum. Die Täfelchen waren meist aus Blei; rituell festgelegte, eingeritzte Formulierungen, oft unterstützt durch Abbildungen, sollten den Zauber in Gang setzen. Man musste die Fluchtafeln im Wasser (Quellen) versenken oder in Gräbern jung Verstorbener platzieren, auch im Haus des Opfers – wie im Fall des Germanicus angeblich geschehen –, in Heiligtümern oder im Stadion. Die antiken Zeitgenossen glaubten, dass diese Täfelchen enorme Schäden anrichten können bis hin zur physischen Vernichtung des Betroffenen. Damit hatte die Handlung, wenn man sie nachweisen konnte, strafrechtliche Konsequenzen.

Tod des Germanicus und Prozess gegen Piso

Am 10. Oktober 19 n.Chr. verstarb Germanicus in Antiochia in Syrien. Da die Giftmord-Theorie von seiner Familie und Anhängern öffentlich gegen Piso vorgebracht wurde, wurde aus dieser in Syrien spielenden Affäre ein ernstes politisches Problem in Rom. Denn es entwickelte sich aus der Trauer um den beliebten Germanicus der Vorwurf eines Komplotts: Tiberius, Livia und Piso hätten von Anfang der Ostmission an seine Ermordung geplant. Die Zurückhaltung des Tiberius, der gewohnt nüchtern und staatsmännisch erklärte, die Männer in den höchsten Stellungen seien sterblich, nur der Staat ewig – principes mortales, rem publicam aeternam esse (Tac. Ann. 3, 6, 3) –, legte man ihm als heimliche Freude aus. Tiberius sah sich durch die öffentliche Meinung in die Ecke gedrängt und ließ seinen Vertrauten Piso wie auch dessen Frau vor

1. Familiäre Krisen und Innenpolitik

ein Senatsgericht stellen. Dieser Prozess im Jahr 20 n.Chr. war im Grunde entschieden, bevor er begann. Die öffentliche Meinung war extrem feindlich gegenüber Piso. Gleichzeitig hatte der Senat mit einer Fülle von Ehrenbeschlüssen für den toten Germanicus reichsweit einen regelrechten Erinnerungskult geschaffen. Die Überlieferungslage zum Prozess selbst ist schwierig. Bei Cassius Dio und Sueton erscheint Piso als der ausführende Arm des Mordes und wird von Tiberius vor Gericht fallengelassen. Sein angeblicher Selbstmord verhinderte, dass er Tiberius als Hintermann entlarven konnte. Tacitus, die ausführlichste Quelle, berichtet vergleichsweise neutral. Eine in der spanischen Provinz Baetica in mehreren Kopien gefundene Inschrift mit dem abschließenden Urteil des Senats (Senatus consultum de Cn. Pisone patre) zeigt dennoch deutlich die manipulativen Eingriffe des Tacitus in den Text. Der zentrale Punkt, der eine Verurteilung nach sich zog, war die Aufstellung eines Heeres und der Versuch Pisos, die Provinz Syrien nach dem Tod des Germanicus gewaltsam unter seine Kontrolle zu bringen. Dies betrachtete man als Aufruf zum Bürgerkrieg. Piso brachte sich noch vor Ende des Prozesses um, sein Name fiel der damnatio memoriae anheim. Die Familie wurde aber zum Teil rehabilitiert. Die Ereignisse um Germanicus dominieren die Quellen für die ersten sechs Regierungsjahre des Tiberius. Deutlich weniger Raum in der Darstellung nimmt daher der zweite Mann in der Nachfolge, Drusus der Jüngere (15 v.Chr.–23 n.Chr.), ein, der leibliche Sohn des Tiberius. Er war nur unwesentlich jünger als Germanicus und entstammte der ersten Ehe des Prinzeps mit Vipsania Agrippina. Augustus favorisierte zunächst Germanicus deutlich gegenüber Drusus, denn während Ersterer stets alle Ämter und Kommandos weit vor dem üblichen Alter erreichte, erlangte Letzterer diese Ehren erst im vorgesehenen Alter. Erst in den letzten beiden Lebensjahren des Augustus rückte auch Drusus in den inneren Zirkel der Macht auf, und die ihm verliehenen Ämter, Ehrungen und Rechte wurden denen des Germanicus angeglichen. Nach dem Tod des Augustus war Drusus zunächst aktiv in die Leichenfeierlichkeiten und die nachfolgenden politischen Regelungen involviert, repräsentierte also stellvertretend und sicherlich von seinem Vater Tiberius bewusst so inszeniert die Enkelgeneration, während Germanicus nicht nach Rom beordert wurde. Drusus war – wie Germanicus – 14 n.Chr. zu den meuternden Legionen geschickt worden und hatte bei den pannonischen Truppen als kluger Diplomat überzeugt. Als Germanicus 17 n.Chr. in den Osten reiste, erhielt Drusus die Aufgabe, Illyrien zu stabilisieren. Er war mit einer Schwester des Germanicus, Julia Livilla, verheiratet. Nach dem Tod des Germanicus fiel ihm natürlicherweise die Position des Nachfolgers im Prinzipat zu. Als er 19 n.Chr. Vater

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Drusus der Jüngere

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V.

Abb. 4 Sesterz, Rom 22–23 n. Chr., Vorderseite: Einander zugewandte Köpfe des Tiberius Gemellus und des Germanicus, der Söhne des Drusus Minor, auf gekreuzten Füllhörnern (cornucopiae). Dazwischen ein geflügelter Merkurstab (caduceus). Rückseite: DRVSVS CAESAR TI AVG F DIVI AVG N PONT TR POT II. Großformatiges S C umgeben von der Umschrift; RIC I Nr. 42

Tiberius

von Zwillingen wurde, war dies Anlass, diese Nachfolgesituation durch eine eigene Münzprägung herauszustellen. Im Jahr 22 n.Chr. erhielt Drusus die tribunizische Gewalt als offizielles Zeichen seiner Ansprüche auf die Nachfolge. Aber die Eindeutigkeit der Nachfolge wurde möglicherweise innerfamiliär in Zweifel gezogen. Die Witwe des Germanicus, Agrippina die Ältere, wollte ihre drei Söhne, Gaius, Drusus und Nero, stärker gefördert wissen. Die familiäre Dramatik spitzte sich schließlich zu, als im Jahr 23 n.Chr. sowohl Drusus der Jüngere als auch einer seiner Zwillingssöhne starben. Tiberius sah sich plötzlich zurückgeworfen auf seine Enkel, wobei allein die Söhne des Germanicus das notwendige Alter hatten. Die familiäre Situation richtig einzuschätzen, erweist sich in dieser Situation aufgrund der Quellen als schwierig. Die antiken Autoren reduzieren die Ereignisse auf den Machtkampf der Frauen am Kaiserhof. Sie sehen Tiberius eingeengt zwischen seiner hochbetagten, aber immer noch agilen Mutter Livia (Julia Augusta) und den beiden verwitweten Schwiegertöchtern Agrippina der Älteren und Julia Livilla. Aus diesem familiären Druck soll sich Tiberius nun befreit haben, indem er einen Mann förderte, der die Jahre zwischen 23 und 30 n.Chr. dominieren sollte: L. Aelius Seianus.

b. Aufstieg und Fall des L. Aelius Seianus Aufstieg des Seian

L. Aelius Seianus (um 20 v.Chr.–31 n.Chr.) war Präfekt der Prätorianergarde, also der Leibwache des Kaisers. Er war kein Mitglied des Senats, sondern entstammte dem Ritterstand. Dennoch war er familiär mit den höchsten Kreisen der politischen und gesellschaftlichen Elite verbunden. Sein Vater hatte es bis zum ritterlichen Präfekten von Ägypten gebracht, dem höchsten Amt, das ein römischer Ritter erreichen konnte. Er war in die senatorische Familie der Aelier adoptiert worden, seine Adoptivbrüder waren Konsuln und die Familie seiner Mutter gehörte zu den alten senatorischen gentes. Der Aufstieg des Seian wirft ein Schlaglicht auf die Rolle und Funktion des Prätorianerpräfekten.

1. Familiäre Krisen und Innenpolitik

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Stichwort

praefectus praetorio Das Amt des Prätorianerpräfekten entstand unter Augustus im Jahr 2 v.Chr. Ursprünglich Kommandeur der kaiserlichen Leibgarde, entwickelte sich das Amt zunehmend zu einer Vertrauensposition im direkten Umfeld des Prinzeps. Dieser allein entschied über die Amtsträger und ihre Amtsdauer. War Augustus noch darum bemüht, den Milizencharakter der 4500 Prätorianer zu verschleiern und ihr Machtpotential durch eine dezentrale Stationierung zu begrenzen, errichtete Tiberius unter dem Einfluss Seians die castra praetoria (Prätorianerlager) in Rom. Der politische Einfluss der Prätorianerpräfekten und der von ihnen befehligten Kohorten entfaltete seine Wirkung in der frühen Kaiserzeit vor allem beim Herrscherwechsel, aber auch bei der Niederschlagung von Umsturzversuchen.

Seian als Nicht-Senatsmitglied und Aufsteiger wurde vor allem bei Tacitus zum Schuldigen für die negativen Entwicklungen der 20er Jahre. Allerdings vernachlässigte der römische Autor damit die Spannungen innerhalb der senatorischen Führungsschicht in dieser Zeit, die an Intrigen reich war. Dennoch kommt man nicht umhin, Seians Aufstieg als ungewöhnlich zu beschreiben. Er ist vielleicht am ehesten dem des Agrippa unter Augustus zu vergleichen. Allerdings war Tiberius zu sehr Aristokrat, um Seian tatsächlich bis an die Spitze vordringen zu lassen; und sicherlich besaß Seian zu wenig von der Selbstlosigkeit eines Agrippa, um sich mit einer Rolle im Hintergrund zu begnügen. Die Karriere des Seian begann bereits im Jahr 1 v.Chr., als er Gaius Caesar auf seiner Ostmission begleitete, später war er an der Seite des jüngeren Drusus in Pannonien. Nach dessen Tod ersuchte er mehrfach vergeblich beim Prinzeps um Erlaubnis, dessen Witwe Julia Livilla heiraten zu dürfen. Die Querelen in der Familie scheinen Tiberius, der bald 70 Jahre alt war, zugesetzt zu haben. 25 n.Chr. verließ er Rom und begab sich 26 n.Chr. nach Capri, wo er bis zu seinem Tod blieb. Eine Parallele zu seinem selbstgewählten Exil 6 v.Chr. in Rhodos scheint sich aufzudrängen. Die Regierungsgeschäfte in Rom übernahm ab diesem Zeitpunkt Seian, dem der Kaiser in dieser Phase blind vertraute. Der Grund für das Vertrauen lag angeblich in einem einschneidenden Erlebnis: Seian soll dem Kaiser beim Einsturz einer Grotte das Leben gerettet haben, indem er sich schützend über ihn warf. Seian kontrollierte von nun an den Zugang zum Prinzeps, hielt mit ihm brieflichen Kontakt und damit alle Fäden in der Hand. Mit der Herrschaft des Seian begann in Rom nun auch ein erst verdeckter, dann offener Kampf gegen Agrippina und ihre Kinder. Sie soll geklagt haben, es finde in Rom ein Krieg gegen die Blutsverwandten des Augustus statt – ein Vorwurf, der nur Tiberius treffen konnte, dem hier implizit vorgeworfen wurde, die leiblichen Nachfahren des Augustus zugunsten der Claudier zu entmachten. Nach dem Tod der Livia (Julia Augusta) im Jahr 29 n.Chr. ging

Tiberius auf Capri

Entmachtung der Familie des Germanicus

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V.

Sturz des Seian

Tiberius

Seian – wohl mit Wissen und vielleicht im Auftrag des Tiberius – gegen Agrippina und ihre Söhne Nero und Drusus vor: Sie wurden inhaftiert oder verbannt und starben grausam. Obwohl sie als leibliche Verwandte des Augustus unter der städtischen plebs viele Anhänger hatten und diese auch mobilisierten, konnten sie nicht gerettet werden. Seians Machtstellung trug ihm zahlreiche Anhänger unter den Senatoren und in anderen Gruppen der römischen Gesellschaft ein. An seiner Nachfolge schien kein Weg mehr vorbeizuführen. Umso unerwarteter kam das Ende des Aufsteigers Seian. Sein Sturz soll entscheidend angestoßen worden sein von Antonia der Jüngeren (36 v.Chr.–37 n.Chr.), einer Tochter der Octavia und des Marcus Antonius. Hochbetagt und angesehen hatte sie nach dem Tod der Livia eine zentrale Rolle innerhalb des Machtgefüges des augusteischen Hauses eingenommen. Sie war die Mutter des Germanicus und der Julia Livilla, und einige Autoren vermuten darin das Motiv für ihre Tat. Flavius Josephus zufolge schickte Antonia einen ihrer engsten Vertrauten nach Capri zu Tiberius und lieferte dem Prinzeps Informationen über das tatsächliche Gebaren und die umstürzlerischen Absichten Seians. Tiberius demonstrierte daraufhin aus der Ferne und unter Mithilfe des neuen Prätorianerpräfekten Macro, dass er noch immer Herr der Lage war. Er rief Seian unter der Ankündigung, ihm werde die tribunicia potestas verliehen, am 18. Oktober 31 in den Senat. Tatsächlich ließ er einen Brief verlesen, an dessen Ende er die Verhaftung Seians forderte. Dieser wurde noch in der Kurie festgenommen und am selben Tag hingerichtet. Mit ihm starben auch seine Kinder. Seian verfiel der damnatio memoriae. Den letzten lebenden Sohn des Germanicus und der Agrippina Maior, Gaius Caesar, hatte Tiberius bereits vorsorglich nach Capri kommen lassen, wo ihm die toga virilis und ein Priesteramt verliehen wurden und er dem Zugriff des Seian entzogen war. Stichwort

damnatio memoriae Die damnatio memoriae – ein Begriff, der einen modernen Neologismus, keinen antiken Terminus wiedergibt – stellt einen Akt des negativen Erinnerns dar. Mit dieser juristischen Maßnahme wollte der römische Senat ein Anti-Exemplum für die römische Öffentlichkeit schaffen. Das dahinterstehende Ziel war also nicht, wie lange in der Forschung angenommen, die Tilgung einer Person, meist des Kaisers, aus dem kollektiven Gedächtnis durch die Zerstörung seiner Erinnerung. Vielmehr wurde durch die sichtbare Entfernung des Namens der Person aus öffentlichen Inschriften oder Zerstörung ihres Bildnisses u.a. auf Münzen eine postmortale Strafe vollzogen, die in einer auf den Erhalt der memoria ausgerichteten Gesellschaft wie der römischen extrem abschreckend gewirkt haben muss.

1. Familiäre Krisen und Innenpolitik

59 Abb. 5 AE (As), 31 n.Chr., aus Bilbilis (Spanien) mit dem getilgten Namen des Seian, Vorderseite: TI CAESAR DIVI AVGVSTI F AVGVSTVS, Rückseite: AVGVSTA BILBILIS TI CAESARE V [L AEL]IO 0 [SEIAN]O, COS; RPC I 398

c. Tiberius und der Senat – Machtvakuum und Terrorherrschaft? „Der Senat war Tiberius’ unglückliche Liebe.“ Dieser Satz aus der klassischen deutschsprachigen Tiberius-Biographie von Ernst Kornemann (2. Auflage 1980) bündelt auf originelle Weise die Beziehung des zweiten Prinzeps zum Senat. Hatte das Verhältnis zwischen dem höchsten politischen Gremium des römischen Reiches und Tiberius bereits mit der ereignisreichen Senatssitzung vom 17. September 14 n.Chr. einen schlechten Start genommen, entwickelte es sich in den folgenden Jahren in stetem Wechsel zwischen dem Versuch einer Reaktivierung dieses politischen Gremiums in seiner traditionellen Rolle und dem Scheitern dieser Bemühungen. Trotz des problematischen Beginns legte Tiberius in den ersten Jahren seiner Herrschaft großen Wert auf die demonstrative Beteiligung des Senats an den Regierungsgeschäften. Der Kaiserbiograph Sueton betont, es sei Tiberius daran gelegen gewesen, die Würde (maiestas) und Macht (potestas) des hohen Hauses wiederzubeleben. Tiberius war sogar bereit, sich dem Diktum des Senats unterzuordnen, er suchte den Ausgleich mit den Senatoren und stand damit ganz deutlich in der republikanischen Tradition. Das Verhältnis des Prinzeps Tiberius zum Senat ist ein viel diskutiertes in den antiken Quellen. So überliefert Sueton einige durchaus glaubhafte Aussprüche des Kaisers, die seine nach außen getragene Unterordnung unter den Willen der Senatoren demonstrieren. Quelle Tiberius und der Senat (Suet. Tib. 29) „Ich habe heute und häufig auch bei anderen Gelegenheiten gesagt, verehrte Senatoren, dass ein guter und heilbringender Kaiser, den ihr mit so gewaltigen und weitreichenden Vollmachten ausgestattet habt, dem Senat dienen müsse, oft auch den Bürgern in ihrer Gesamtheit und in einer großen Anzahl von Fällen sogar einzelnen Bürgern. Und ich bereue keineswegs, dass ich das gesagt habe, und in euch habe ich gute und gerechte und wohlwollende Herren gehabt und habe es noch.“ (Übersetzung H. Martinet)

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Tiberius

Allerdings zweifeln sowohl Sueton als auch Tacitus und Cassius Dio an der Ernsthaftigkeit dieser Haltung des Tiberius. Sueton wertet sie als Heuchelei und spricht von species libertatis, dem Schein der Freiheit. Dies ist eine Bewertung, die ganz aus der tiberiusfeindlichen Haltung der späteren Zeit und der späteren Quellen zu erklären ist. Vieles spricht aber dafür, dass Tiberius zunächst tatsächlich den durchaus ernst gemeinten Versuch unternahm, den Senat insgesamt wieder stärker an der Leitung der politischen Geschäfte zu beteiligen. Aber dieser Versuch schlug aus mehreren Gründen relativ bald fehl. Zum einen scheiterte er an der Person des Prinzeps selbst, dessen schwieriger Charakter eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kaiser und Senat unmöglich machte. Er scheiterte aber vor allem am System des Prinzipats und an seinen inneren Widersprüchen. Denn dem öffentlichen Bekenntnis des Tiberius zum Trotz war der Senat abhängig vom Willen des Kaisers, sei es bei Beschlüssen, sei es bei der Wahl von Beamten. Vor allem war der Senat nicht frei in seinen Entscheidungen, weil über ihm das Damoklesschwert der Majestätsprozesse schwebte. Quelle Majestätsprozesse unter Tiberius (Tac. Ann. 1, 72) Den Titel ‚Vater des Vaterlandes‘, der ihm vom Volk des öfteren angetragen worden war, wies Tiberius zurück; auch dass man den Eid auf seine Verordnungen leiste, gestattete er nicht, obwohl der Senat dafür stimmte: alles auf Erden sei unsicher, sagte er wiederholt, und je mehr einer erreiche, auf desto schlüpfrigerem Boden stehe er. Doch erweckte er dadurch nicht das Zutrauen zu seiner bürgerlichen Gesinnung; denn er hatte das Majestätsgesetz wieder in Gebrauch genommen [legem maiestatis reduxerat]. Dieses hatte zwar bei den Vorfahren die gleiche Bezeichnung, doch kamen damals andere Verfehlungen vor Gericht: falls nämlich einer etwa durch Verrat das Heer oder die plebs durch aufhetzende Tätigkeit, schließlich durch verwerfliche Staatsführung die Hoheit des römischen Volkes beeinträchtigt hatte: aber nur Taten kamen unter Anklage, Worte blieben ungestraft. Als erster ließ Augustus eine Untersuchung über Schmähschriften unter dem Deckmantel dieses Gesetzes anstellen […] Später gab Tiberius auf die Anfrage des Prätors Pompeius Macer, ob gerichtliche Verhandlungen über Majestätsverbrechen zugelassen werden sollten, zur Antwort, Gesetze müsse man anwenden. (Übersetzung E. Heller)

Majestätsprozesse

Majestätsprozesse, also Hochverratsprozesse auf der Grundlage von Gesetzen zum Schutz der maiestas, waren bereits alte republikanische Tradition. Sie dienten dem Schutz von Beamten und sollten das Volk als Ganzes vor Beleidigungen schützen. Ein sehr flexibel anwendbarer juristischer Sachverhalt also, der schon in der Republik je nach politischer Konstellation gedehnt werden konnte und sich mal gegen unfähige Feldherren (104/03 v.Chr.), mal gegen Angriffe auf die römische Nobilität (Sulla) richtete. Bereits Augustus hatte diese Schutzfunktion auf den Prinzeps als Verkörperung des Staates und damit

1. Familiäre Krisen und Innenpolitik

auf seine Person bezogen. Auf der rechtlichen Basis der lex Julia maiestatis ging man unter dem Vorwand, die maiestas des Staates zu schützen, gegen diejenigen vor, die Schmähschriften gegen Augustus verfassten, oder man bemühte diese rechtliche Konstruktion gegen Personen, die in den Sturz der älteren Julia verwickelt waren. Tiberius hatte sich noch am Beginn seiner Herrschaft gegen diese Art der Verfahren gewandt, musste aber schnell erkennen, dass sie im System des Prinzipats verankert waren. Als er 15 n.Chr. vom zuständigen Prätor explizit gefragt wurde, ob persönliche Beleidigung des Prinzeps wie unter Augustus als Hochverratsverbrechen zu bestrafen sei, konnte er nur antworten, dass man die Gesetze anwenden müsse. An dieser Einstellung hielt er auch noch fest, als nach 24 n.Chr. die Zahl der Anklagen auf dieser rechtlichen Basis sprunghaft zunahm. Dies lag nun nicht daran, wie die ältere, stark an Tacitus angelehnte Geschichtswissenschaft behauptete, dass hier ein pathologischer Tyrann und Misanthrop wütete, sondern es war Ausdruck eines komplizierten Systems. Zum einen war der Begriff der laesa maiestas extrem unscharf gefasst. Es konnte der Verkauf einer Augustus-Statue oder der Besuch einer öffentlichen Toilette mit einer Münze, die das Abbild des Kaisers zeigte, ausreichen, um wegen Majestätsverbrechen angeklagt zu werden. Zum anderen wurde derjenige, der die Anzeige erstattete, der delator, mit dem Viertel des Vermögens des Angeklagten belohnt, wenn der Prozess erfolgreich geführt und zur Verurteilung gebracht wurde. Da es in Rom keinen Staatsanwalt im modernen Sinn gab, keine Anklagebehörde also, war der Staat auf die privaten Anzeigen angewiesen, was dem Denunziantentum Tür und Tor öffnete. Dieses durch das maiestas-Gesetz geschaffene Klima der Angst verhinderte neben dem persönlichen Auftreten des Tiberius eine echte und faire Einbindung des Senats. Hinzu kam, dass der Kaiser nicht gegen dieses Unwesen einschritt, sondern im Gegenteil auf strikter Einhaltung der Gesetze beharrte, obwohl die Auswüchse mit belegten 60 Majestätsprozessen in den Jahren zwischen 24 und 37 n.Chr. deutlich sichtbar waren. Aber das System des Prinzipats funktionierte eben nur, wenn die Stellung des Prinzeps garantiert war und allgemein akzeptiert wurde. Die Sanktionierung dieser notwendig überhöhten Position musste zwangsläufig auch zur Anwendung der maiestas-Klauseln führen. Der Prinzeps durfte nicht in Frage gestellt werden. Missbrauch war kaum zu verhindern. Die legale Anwendung der einschlägigen Gesetze diskreditierte das System aber. Das Phänomen der Majestätsprozesse ist ein weiteres Indiz für den Zwang zur Heuchelei und Unaufrichtigkeit, in die Prinzeps und Führungsschicht hineingerieten, indem sie offiziell die res publica zelebrierten, tatsächlich aber eine Monarchie lebten.

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Tiberius

2. Die Provinzen und die Außengrenzen des Reiches Die gesamte Regierungszeit des Tiberius war in Fragen der Provinzialund Außenpolitik von den Spätfolgen der augusteischen Epoche bestimmt. Tiberius verfuhr nach dem Prinzip der Konsolidierung des Erreichten und verzichtete weitgehend auf große militärische Unternehmungen. Eine Ausnahme bildeten lediglich die Feldzüge des Germanicus, deren Ziel aber weniger eine Erweiterung des Reiches war, als vielmehr Rache und Gesichtswahrung. Allerdings gestaltete sich für Tiberius selbst die Konzentration auf die Sicherung des römischen Territoriums schwierig, was sich anhand von zwei militärischen Unternehmungen darstellen lässt, die exemplarisch die Auswirkungen der römischen Herrschaft auf die einheimische Bevölkerung in vielen Gebieten verdeutlichen.

a. Der Aufstand des Sacrovir in Gallien (21 n.Chr.) Im Jahr 21 n.Chr. erhoben sich Teile Galliens unter Führung des Häduers Julius Sacrovir und des Treverers Julius Florus gegen Rom. Der Aufstand erwuchs aus dem Inneren der lange romanisierten gallischen Provinzen und wurde von Männern angeführt, die selbst wohl als Auxiliaroffiziere im römischen Dienst standen und deren Familien offensichtlich schon in der zweiten oder dritten Generation mit römischem Bürgerrecht ausgestattet waren. Dies führt recht deutlich vor Augen, dass hier wohl schon während der Regierung des Augustus ein Gefahrenpotential für die römische Herrschaft entstanden war, das sich zum einen aus der als zu hoch empfundenen Abgabenlast speiste, zum anderen auch von jenen Bevölkerungsteilen ausging, die die vermeintlichen Profiteure einer römischen Herrschaft waren. Die ökonomischen Belastungen ergaben sich für die gallischen Stämme wohl in erster Linie aus den Spätfolgen der Varus-Katastrophe sowie den Germanicus-Feldzügen. Die römischen Truppen in Lyon (Lugdunum) sowie militärische Einheiten vom Niederrhein konnten den Aufstand relativ schnell niederwerfen. Die Entscheidungsschlacht fand bei Autun (Augustodunum) statt, wo ein zahlenmäßig zwar überlegenes, aber nur unzureichend ausgerüstetes gallisches Heer unter Führung des Sacrovir von zwei Legionen des obergermanischen Heeres unter dem Kommando des C. Silius geschlagen wurde.

b. Der Aufstand des Tacfarinas in Nordafrika (17–23 n.Chr.) Strukturelle Schwächen der römischen Provinzialverwaltung offenbarte der Krieg gegen Tacfarinas in Nordafrika. Hinzu kam die Schwierigkeit, dass die Aufständischen in einem äußerst schwer zu kontrollierenden Terrain agierten. Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen waren wohl römische Straßen-

2. Die Provinzen und die Außengrenzen des Reiches

bauten, die von der Küste in das Landesinnere führten. Die mit diesen Straßenbauten verbundene Vermessung und Katastrierung des Landes rief den Widerstand der einheimischen Bevölkerung hervor, die als Halbnomaden lebte. Im Gegensatz zu den urbanisierten Regionen an der Küste besaßen diese Gebiete des Landes weder städtische Gesellschaften noch administrative Strukturen und wurden daher von den Römern dem Eigentum des römischen Volkes oder des Kaisers zugeschlagen. Hinzu kamen Versuche Roms, die Wanderungsbewegungen der Stämme kontrollieren zu wollen. So wird erklärlich, dass die Stämme der Musulamier und Garamanten unter Führung eines Mannes namens Tacfarinas gegen die Römer rebellierten und einen Krieg begannen, der rund sieben Jahre andauerte und erst durch das Heranziehen von Truppen aus Europa beendet werden konnte. Tacfarinas wird bei Tacitus als Einheimischer beschrieben, der auf eine Dienstzeit als Auxiliarsoldat in der römischen Armee zurückblicken konnte – eine häufiger belegte Biographie bei Anführern aufständischer Bewegungen gegen Rom.

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Die Armenien-Frage

Das Eingreifen des Tiberius in das an die neu eingerichtete Provinz Kappadokien angrenzende Klientelreich Armenien verdeutlicht, welchen Prinzipien der Prinzeps an den Reichsgrenzen folgte. Auch die armenische Frage kann dabei als ein Erbe des Augustus angesehen werden. In Armenien überschnitten sich die Einflusssphären Roms und des Partherreiches, des größten Gegners Roms in dieser Zeit. Tiberius selbst war 20 v.Chr. damit betraut worden, die armenische Frage im römischen Sinne zu lösen und die 53 v.Chr. in der Schlacht von Carrhae verlorenen Feldzeichen auf diplomatischem Weg von den Parthern zurückzugewinnen. Dieser Erfolg des Tiberius war von Augustus als großer symbolischer Sieg in der römischen Öffentlichkeit dargestellt worden. Im Jahr 2 n.Chr. wurde der Thronfolger Gaius Caesar nach Armenien geschickt, um die römischen Interessen zu wahren. Auch Germanicus war 17 n.Chr. als Diplomat in den Osten entsandt worden, um Armenien für die Römer zu sichern. Das erneute Eingreifen datiert nun in die Spätzeit der tiberianischen Herrschaft, in das Jahr 35 n.Chr. Nach dem Tod des armenischen Königs Artaxias III. hatten die Parther einmal mehr – wie bereits 20 v.Chr. und 2 n.Chr. – ihre Chance ergriffen, den armenischen Thron mit einem eigenen Mann zu besetzen, Arsakes, einem Sohn des Partherkönigs. Tiberius reagierte in dieser bedrohlichen Lage trotz seines hohen Alters und trotz seiner Entfernung vom römischen Geschehen im selbstgewählten Exil auf Capri sehr deutlich: Er blieb dem Leitsatz der römischen Ostpolitik – kein armenischer König ohne römische Zustimmung – treu und installierte mit Hilfe des Stammes der im heutigen Georgien lebenden Iberer einen prorömischen Gegenkönig, den auch die Parther in Friedensverhandlungen mit Rom anerkannten. Dieser Er-

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Tiberius

folg war sicherlich ein wichtiger Sieg des Tiberius, der in diesem Punkt auch im hohen Alter durchaus seine Bereitschaft erkennen ließ, zentrale außenpolitische römische Interessen zu wahren.

d. Politikwechsel in Germanien Mit der Abberufung des Germanicus aus dem rechtsrheinischen Germanien im Jahr 16 n.Chr. endete eine römische Politik, die Augustus im Jahr 12 v.Chr. begonnen hatte und die nicht zuletzt mit der Varusschlacht 9 n.Chr. gescheitert war. Dank neuerer archäologischer Ausgrabungen, unter anderen in Waldgirmes, gilt es heute als erwiesen, dass Augustus die Provinzialisierung des rechtsrheinischen Gebietes bis zur Elbe zum Ziel hatte. Nach der ersten Phase der militärischen Eroberungen, die mit den Feldzügen des Drusus 12 v.Chr. ihren Anfang nahmen, gingen die Römer mehr und mehr dazu über, zivile Städte zu gründen und administrative Strukturen aufzubauen. Die Provinzialisierung Germaniens im Sinne einer ökonomischen, fiskalpolitischen, rechtlichen, verwaltungstechnischen, religiösen und kulturellen Durchdringung war also im Jahr 9 n.Chr. in vollem Gange, wenn auch noch lange nicht abgeschlossen. All diese Prozesse gerieten mit der Niederlage des Varus im Teutoburger Wald ins Stocken, scheinen aber noch nicht sofort zum Erliegen gekommen zu sein. In den folgenden Jahren musste Rom in erster Linie durch militärische Operationen, die zunächst von Tiberius und Germanicus, ab 14 n.Chr. von Germanicus als selbstständigem Oberbefehlshaber geführt wurden, die Truppen am Rhein reorganisieren sowie grenznahe Stützpunkte sichern. Erschwerend kamen im Jahr 14 n.Chr. Aufstände innerhalb der römischen Truppen am Rhein hinzu, die nach dem Tod des Augustus ausgebrochen waren und in denen sich jahrelang angestaute Konflikte um die schlechte Behandlung der Soldaten entluden. Germanicus konnte diese für Rom gefährlichen Meutereien niederschlagen, handelte dabei allerdings nicht immer im Einklang mit den Anweisungen des Tiberius. In den Jahren 15 und 16 fielen die Truppen des Germanicus immer wieder in das rechtsrheinische Gebiet ein und lieferten sich Auseinandersetzungen mit germanischen Stämmen, dabei drangen sie sogar bis zum Ort der Varusschlacht vor, wo der Feldherr selbst die Knochen der toten Soldaten eingesammelt und bestattet haben soll. Die Strategie der römischen Germanienpolitik in den Jahren zwischen 10 und 16 n.Chr. ist heute umstritten. Rache für die Niederlage in der Varusschlacht war sicherlich eines der Motive, strategisch wollte man wohl auch die Koalition der Cherusker zerschlagen. Die persönlichen Ziele des Germanicus, der das Recht auf seinen vom Vater geerbten Ehrennamen unter Beweis stellen wollte, sollte man ebenfalls nicht außer Acht lassen. Das Vorgehen des noch jungen Feldherrn wird in den Quellen als grausam den Germanen gegenüber

3. „Tiberius, der traurige Kaiser“? Der Charakter als Spiegel von Herrschaft

und verlustreich auf römischer Seite dargestellt. Schätzungen gehen davon aus, dass er zwischen 20000 und 25000 seiner Soldaten verlor. Manche seiner militärischen Manöver erwecken den Eindruck eines verbissenen Festhaltens an einer gescheiterten Taktik. Dabei brachte das Vorgehen nicht nur kaum militärische Erfolge, es stärkte sogar die Truppen des Arminius, und durch die rücksichtslose Ausbeutung der gallischen Provinzen zur Beschaffung militärischer Ressourcen drohte auch in diesem Raum Gegenwehr. Im Gegensatz zu Germanicus scheint Tiberius erkannt zu haben, dass die Spirale der Gewalt zu keinem Erfolg führte, und so ordnete er im Jahr 16 n.Chr. die Einstellung der germanischen Offensive und die Rückbeorderung seines Sohnes und potentiellen Nachfolgers an. Dieser Befehl leitete eine Wende in der römischen Germanienpolitik ein. Zwar wurde auf Münzen offiziell verkündet „SIGNIS RECEPT(is) – DEVICTIS GERM(anis) (Rückgewinnung der Feldzeichen – völliger Sieg über die Germanen)“ und damit der römischen Erwartungshaltung entsprochen, de facto verzichtete Rom aber von nun an auf die Eroberung der rechtsrheinischen Gebiete und setzte auf eine defensive Strategie an der Rheingrenze. Die Kommandostruktur der Rheinlegionen wurde regionalisiert, das übergreifende Kommando, das mit der Statthalterschaft Galliens verknüpft war, abgeschafft. Dennoch verblieben die Truppen in der gewohnten Stärke an der Grenze. Tiberius’ Strategie zeigte indes Wirkung, denn kurz nach dem Rückzug der Römer – und damit dem Wegfall des die germanischen Stämme einigenden Gegners – fiel Arminius einer Intrige zum Opfer, und die Germanen schwächten sich durch innere Streitigkeiten zunehmend selbst. Der Verzicht auf militärische Eroberung bedeutete auch keineswegs den gänzlichen Rückzug aus dem germanischen Gebiet. Germanien blieb ein für die Römer wichtiger Wirtschaftsraum, diplomatische Kontakte zu einzelnen Stämmen wurden gepflegt, und Rom griff immer wieder als Ordnungsmacht in interne Streitigkeiten ein. Die Attraktivität des römischen Nachbarn mit seinen zivilisatorischen Errungenschaften, seinen rechtlichen Grundsätzen und auch seinen militärischen Möglichkeiten blieb für die Germanen erhalten. Die Abkehr von einer offensiven römischen Germanienpolitik, die Tiberius 16 n.Chr. vollzogen hatte, wurde von keinem seiner Nachfolger aus dem julischclaudischen Haus ernsthaft in Frage gestellt.

3. „Tiberius, der traurige Kaiser“? Der Charakter als Spiegel von Herrschaft Abgesehen von den notwendigen Reaktionen auf zentrale Bedrohungen römischer Einflusssphären wie in Gallien, Nordafrika oder Armenien, muss man die Politik des Tiberius in Fragen der Provinzial- und Außenpolitik eher

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Beendigung der Offensivstrategie in Germanien

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Tiberius

Abb. 6 Münze des Provinziallandtags von Asia, Dank für Hilfsleistungen nach dem Erdbeben 17 n.Chr., geprägt 23–26 n.Chr. / Neuprägung 28/29 n.Chr.; Avers: Drusus und Germanicus in Toga, sitzend auf kurulischen Stühlen, DQOTROR JAI CEQLAMIJOR JAIRAQER MEOI HEOI UIKADEKUOI, Revers: Eichenkranz, im Inneren: JOIMOT ARIAR EPI AQVIEQEXR AKENAMDQOT JKEXMOR RAQDIAMOT, RPC I 2994

Sparsamkeit als Herrschaftsprinzip

als Konsolidierungsphase beschreiben. Zwar reagierte er auf plötzlich auftretende Probleme entschlossen, handelte aber selbst kaum proaktiv. Diese auffällige Zurückhaltung lässt sich auch im Bereich der Staatsfinanzen nachweisen, deren Situation nach dem letzten Jahrzehnt der augusteischen Herrschaft desolat gewesen sein muss. Während Augustus zu seinen Lebzeiten große finanzielle Spielräume besaß und sie zu nutzen wusste, war die Haushaltspolitik des Tiberius dem Prinzip der Sparsamkeit verpflichtet. Aus seiner Regierungszeit ist kein einziges größeres Bauvorhaben in der Stadt Rom bekannt. Sogar der Bau des Tempels für den vergöttlichten Augustus benötigte mehr als zwei Jahrzehnte und wurde erst nach Tiberius’ Tod vollendet. Neue Einnahmen erschloss Tiberius dem Reich und dem kaiserlichen Privatschatz durch die Einrichtung neuer Provinzen. So wandelte er die Klientelreiche Kappadokien und Kommagene in römische Provinzen um und stellte Gebiete aus dem Herrschaftsbereich der Könige von Judäa unter direkte römische Verwaltung. Damit sicherte er deren Steuereinnahmen für die römische Staatskasse, während der Privatbesitz der Könige in den kaiserlichen Besitz überführt wurde. Direkter kaiserlicher Verwaltung wurden seit Tiberius auch die gewinnbringendsten Bergwerke und Marmorbrüche des Reiches unterstellt. All diese Maßnahmen dienten der finanziellen Vorsorge und Kontrolle und waren kein Selbstzweck. Tiberius nutzte seine finanziellen Möglichkeiten durchaus dann, wenn er es für nötig und geboten hielt. Im Jahr 17 n.Chr. richtete ein schweres Erdbeben in der Provinz Asia weitreichende Schäden an und zerstörte ganze Städte. Hier zeigte Tiberius sich großzügig und gewährte diesen Städten den Erlass der Steuern für die Dauer von fünf Jahren. Den Verlust ersetzte er der Staatskasse aus seinem Privatvermögen. Auch in Rom griff er

3. „Tiberius, der traurige Kaiser“? Der Charakter als Spiegel von Herrschaft

bei einem Versorgungsengpass ein, setzte einen Höchstpreis für Getreide fest und entschädigte die Händler für ihre Verluste. Tiberius soll seinem Nachfolger die enorme Summe von 2,3 Milliarden Sesterzen an öffentlichen Geldern hinterlassen haben. Dass es sinnvoller gewesen wäre, zumindest einen Teil dieser Summe in öffentliche Bauten oder zur Steigerung des eigenen Prestiges zu investieren – eine Kunst, die Augustus virtuos beherrscht hatte –, ist sicher eine zutreffende Vermutung. Persönliche Zurückhaltung zeigte Tiberius immer wieder, wenn es um die religiöse Überhöhung seiner Person ging. Ein repräsentatives Beispiel für diese Haltung ist seine Reaktion auf eine Anfrage der griechischen Stadt Gytheion im Jahr 15 n.Chr. Die Stadt auf der Peloponnes schickte eine Gesandtschaft nach Rom, um die Erlaubnis zu erbitten, für Augustus, Tiberius und Livia einen Kult, also göttliche Verehrung, einrichten zu dürfen. Die Antwort des Tiberius ist inschriftlich erhalten. Darin schrieb er, dass er den Kult für den Divus Augustus zwar genehmige, ihn aber für die eigene Person ablehne. Seiner Mutter Livia überließ er es, selbst zu entscheiden. 23 n.Chr. erlaubte er dann zwar in Smyrna in der Provinz Asia die Errichtung eines Tempels für seine Person, seine Mutter Livia und den Senat. Als aber zwei Jahre später die spanische Provinz Baetica nach dem Vorbild der Asia einen Kaiserkulttempel einrichten wollte, verbat er sich dies mit folgenden Worten: „Ich bin ein sterblicher Mensch. Menschliche Pflichten habe ich zu erfüllen, und mir ist es genug, wenn ich den Platz eines Prinzeps ausfüllen kann.“ (Tac. Ann. 4, 37) Allgemein war er also ein recht konservativer Politiker in Fragen der Religion. So ist es auch durchaus glaubhaft, wenn die Quellen aus den ersten Jahren seiner Herrschaft von einigen Anordnungen gegen religiöse Randgruppen berichten, in denen er offenbar eine Gefahr erblickte. So soll es Ausweisungen von Magiern und Astrologen aus Italien sowie von Anhängern des Isiskultes und des Judentums aus Rom gegeben haben. Neben diesen wissenschaftlich nachvollziehbaren Charaktereigenschaften des Tiberius ist in der Forschung immer wieder versucht worden, nicht nur den Herrscher in seinem Handeln für das Reich und den Prinzipat zu würdigen, sondern auch seine Persönlichkeit einem abschließenden Urteil zu unterwerfen. Nicht selten wurde Tiberius dabei in eine Beziehung zum monumentalen Bild des Augustus gesetzt, was ihn für die einen zur misslungenen Kopie, für die anderen zum Opfer des Augustus machte. Das grundsätzliche Problem bei der Beurteilung dieses Herrschers – und aller anderen des julisch-claudischen Hauses – liegt dabei in der Gewichtung der Quellen. Es lässt sich leicht beobachten, dass die Bewertung der einzelnen Kaiser in der Tendenz immer an die Bewertung der antiken Autoren geknüpft ist. Je stärker man einem Bild des Tiberius folgt, das die wohl aus gemeinsamen nachtiberianischen Überlieferungen schöpfenden Autoren Tacitus, Sueton und Cassius Dio zeichnen und das einer lange eingeübten antiken Tyran-

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Zurückhaltung in der religiösen Überhöhung der eigenen Person

Die Persönlichkeit des Tiberius und die strukturellen Voraussetzungen des Prinzipats

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Quellenkritik

Tiberius

nentypologie folgt, umso mehr erblickt man in der tiberianischen Herrschaft ein persönliches und politisches Scheitern. Werden die Schilderungen der genannten Autoren, vor allem des Tacitus, eher kritisch beurteilt oder neigt man dazu, dem lange zu wenig beachteten Velleius Paterculus eine historische Glaubwürdigkeit und realistische Perspektive zuzuerkennen, dann gewinnt auch Tiberius in seiner schwierigen Aufgabe, als erster Prinzeps nach Augustus die Herrschaftsform des Prinzipats auszufüllen, an Format. Die kritische Reflexion der antiken Quellen erscheint dabei zentral und verweist den modernen Historiker auf die Grenzen seines Zugangs. Bei allem Verständnis für die Suche nach Erklärungsmustern des tiberianischen Handelns erscheint es wenig hilfreich, Tacitus so weit zu folgen, mit der dissimulatio, dem Verbergen tatsächlicher Absichten, das Verhalten des Tiberius in weiten Teilen erklären zu wollen. Ebenso führen Versuche in Leere, seine Karriere als Feldherr als Erklärungsmuster heranzuziehen und anzunehmen, ein Mann, der im militärischen System von Befehl und Gehorsam Erfolge feierte, sei dem System des Prinzipats, das auf der Fiktion einer Monarchie im Gewand einer Republik beruhte und daher einer beständigen (Selbst-)Täuschung aller Beteiligten bedurfte, nicht gewachsen gewesen. Derartige Ansätze vernachlässigen zu stark die Narrativität und Intertextualität der Quellen, die eben keine historischen Abhandlungen im modernen wissenschaftlichen Sinn sind, sondern historiographische Literatur. Aus ihr historische Realitäten zu konstruieren und in Kombination mit psychoanalytischen Allgemeinplätzen ein Charakterbild eines antiken Menschen zu formen, scheint gewagt und kann kaum gelingen. Statt nach dem Menschen Tiberius zu fragen, kann es sich als sinnvoll erweisen, nach historischen Prozessen, Veränderungen und Kontinuitäten zu fragen, die in den Jahren zwischen 14 und 37 n.Chr. greifbar wurden. Dabei erweist es sich, dass der Prinzipat unter Tiberius als äußerst stabiles Herrschaftssystem erscheint, das allem Anschein nach nicht einmal die Anwesenheit des Prinzeps in Rom benötigte. Wenn also in der Forschung die kommunikative Praxis des Prinzipats in den Mittelpunkt von Erklärungsversuchen gestellt wird und auf die „Paradoxien“ dieser Kommunikationssituation hingewiesen wird, so scheint die elf Jahre währende Abwesenheit des Tiberius von Rom doch ein interessantes Phänomen in den Fokus zu stellen. Anscheinend bedurfte es nur einer sehr eingeschränkten Kommunikation zwischen Prinzeps und herrschaftsrelevanten Gruppen wie Senat, Militär oder plebs, um die Prinzipatsherrschaft stabil zu halten. Die Institutionalisierung des Prinzipats war also bereits unter dem zweiten Kaiser so weit fortgeschritten, dass es in gewissen Grenzen ein sich selbst erhaltendes System war. Dies mag man zum einen auf die klaren Anweisungen des Augustus zurückführen, die Tiberius für sich als bindend ansah, man muss aber sicherlich auch die Kooperationsbereitschaft von Senat, Reichs- und Provinzialverwaltung als entscheidenden Faktor im Auge behalten.

4. Der Machtwechsel 37 n.Chr.

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4. Der Machtwechsel 37 n.Chr. Tiberius hatte sich seit seinem Weggang aus Rom im Jahr 26 n.Chr. nie wieder in die Stadt begeben, einige wenige Male war er bis an die Grenze des pomerium gereist, hatte es aber niemals übertreten. Seine Einstellung zur Hauptstadt änderte sich auch nach dem Sturz des Seian nicht, ebensowenig wie seine Einstellung gegenüber der Familie des Germanicus. Agrippina die Ältere und Drusus Caesar, Ehefrau und Sohn des Germanicus, blieben inhaftiert und starben 33 n.Chr. Aus der Familie des Germanicus blieb nur der jüngste Sohn, Gaius, genannt Caligula, verschont und erhielt fortan neben dem leiblichen Enkel des Tiberius, dem erst 20 n.Chr. geborenen Tiberius Gemellus, eine Rolle in der Nachfolge. Seine beiden Enkel zog der Kaiser nach den Ereignissen um Seian am Hof in Capri auf, wo sie unter permanenter Beobachtung und Bewachung standen. So konnte er sie zwar kontrollieren und beeinflussen, entzog ihnen aber auch jede Möglichkeit, Erfahrung im Umgang mit den staatlichen Organen wie Senat oder Heer zu sammeln. Am 16. März 37 n.Chr. starb Tiberius in Misenum. Wie so oft wird auch sein Ableben umrankt von Gerüchten, er sei keines natürlichen Todes gestorben. Diesen Berichten entgegen steht allerdings mit dem Jahresprotokoll der Arvalbrüder eine in ihrer Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel zu ziehende epigraphische Quelle. Quelle Auszug aus dem Protokoll der Priesterschaft der fratres Arvales für das Jahr 37 n.Chr. (CIL 6, 2027, Scheid, AFA (1998), Nr. 8) Idibus Ianuaris [13. Januar] in Capito[lio] / [Taurus Sta]tilius Corvinus magister frat[rum arvalium] / [ex ius]su consulum collegas convocav[it ad vota solvenda] / [et sus]cipienda pro salute Ti. Caesaris. A(nte) d(iem) (decimum) k(alendas) Febr(uarias) [23. Januar] in Capitolio / [Taurus Stat]ilius Corvinus magister fratrum A[rvalium] / [ex ius]su consulis et ex consensu senatus c[ollegas] / [con]vocavit et ob securitatem et salut[em Ti(beri)] / [Caesar]is Augusti boves mares duo[s] Iovi O[(ptimo) M(aximo)] / [immolav]it […]

Die von den Konsuln und dem Senat angeordneten Gelübde und Opfer für das Wohlergehen und die Sicherheit des Tiberius bereits im Januar des Jahres 37 n.Chr. deuten darauf hin, dass sich der Gesundheitszustand des bald 80jährigen Prinzeps schon mehrere Wochen vor seinem Tod verschlechtert hatte und er für die Öffentlichkeit nicht überraschend verstarb. Bei den nun folgenden Ereignissen wird die Rolle des Prätorianerpräfekten für den Herrscherwechsel deutlich. Diese Funktion übte im Jahr 37 n.Chr. noch immer Naevius Sutorius Macro aus, der das Amt beim Sturz des Seian 31 n.Chr. übernommen hatte. Er stellte sich nach dem Tod des Prinzeps hinter

Der Tod des Tiberius

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Tiberius

Caligula, den älteren der Tiberius-Enkel und Sohn des Germanicus. Traditionell erwies sich die Treue der Prätorianer gegenüber den Nachkommen des Germanicus bis zum Ende der julisch-claudischen Zeit als sehr stabil. Noch am 16. März proklamierten die Prätorianer Caligula zum neuen Kaiser. Der Senat beugte sich den geschaffenen Fakten und erhob bereits am 18. März Caligula offiziell zum Augustus. Der Prätorianerpräfekt musste aber nicht nur die staatsrechtliche Machtübernahme sichern, sondern auch die privatrechtliche, um seinem Kandidaten die alleinige Verfügungsgewalt über das kaiserliche Privatvermögen zu garantieren. Dieser Absicht stand der Wortlaut des kaiserlichen Testamentes entgegen, in dem Tiberius seine Enkel Caligula und Tiberius Gemellus als gleichberechtigte Erben eingesetzt hatte. Unter dem Vorwand, Tiberius sei zum Zeitpunkt der Abfassung nicht testierfähig gewesen, erklärte der Senat das Testament für ungültig und setzte Caligula als alleinigen Erben ein. Caligula erhielt ebenfalls die für die Ausübung der Herrschaft zentralen politischen Vollmachten, also die tribunicia potestas, das imperium proconsulare maius sowie das imperium consulare. Die Verleihung des Titels pater patriae, dessen Annahme Tiberius stets verweigert hatte, erfolgte im September 37 n.Chr. Am 28. März zog Caligula nach sechsjähriger Abwesenheit feierlich in Rom ein. In einer ersten programmatischen Rede im Senat erklärte er eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Senatoren zur Maxime seiner Herrschaft und demonstrierte dies auch sogleich, indem er anhängliche Majestätsprozesse einstellen ließ, die Freilassung inhaftierter Personen anordnete und die entsprechenden Gerichtsakten vernichten ließ. Seinen verstorbenen Adoptivgroßvater ließ Caligula in einem großen Staatsbegräbnis beisetzen und hielt selbst die Leichenrede. Eine Konsekration des Tiberius fand nicht statt. Weder Caligula noch der Senat hatten ein gesteigertes Interesse daran, diesen Mann n über die nötigen Pflichten hinaus zu ehren. Auf einen Blick

Die Herrschaftszeit des Tiberius erweist sich innen- wie außenpolitisch als Zeit des Aufbrechens von Konflikten und Krisen, die ihren Ursprung in der Herrschaftszeit des Augustus hatten. Die Dynamisierung der von Augustus getroffenen Nachfolgeregelungen, die Nachwirkungen militärischer Fehlentscheidungen oder eine repressive Politik in den Provinzen gegenüber der einheimischen Bevölkerung können dabei als Erbe des Augustus betrachtet werden, das die Handlungsspielräume des Tiberius deutlich einengte. In der Bekämpfung der Krisen in den Provinzen und an den Grenzen zeigt sich das Geschick des Tiberius. Gleichzeitig verweigerte er sich der öffentlich-repräsentativen Rolle des Prinzeps. Insbesondere im Umgang mit dem Senat, aber auch mit anderen herrschaftsrelevanten Gruppen wie der plebs erwies sich sein von republikanischer Tradition geprägter Herrschaftsstil einerseits als untauglich, da er die Erfordernisse der unter Augustus praktizierten Kommunikation negierte, andererseits als unglaubwürdig, da gerade Tiberius auf der Anwendung der maiestas-Klausel bestand

Literaturhinweise

und sich damit als Willkürherrscher präsentierte. Personelle Fehlentscheidungen wie die Einsetzung des Prätorianerpräfekten Seian als eine Art Stellvertreter in Rom mit beinahe unbegrenzter Machtstellung verschärften die innerfamiliären Konflikte weiter und verdeutlichten, welche machtpolitischen Spielräume sich für die Prätorianerpräfekten öffnen konnten, wenn der Prinzeps schwach und sein Verhältnis zur Reichsaristokratie gestört war. Obwohl sich Tiberius dem Kosmos Rom ab 26 n.Chr. entzog und als Prinzeps persönlich scheiterte, gelang ihm die Konsolidierung des von Augustus geschaffenen Prinzipatssystems.

Literaturhinweise Bellemore, J.: The Identity of Drusus: The Making of a Princeps, in: Gibson, A.G.G. (Hg.): The JulioClaudian Succession. Reality and Perception of the „Augustan Model“, Leiden 2013, S. 79–94. Versuch, die Rolle des Drusus in der Nachfolgepolitik unter Augustus und Tiberius zu erläutern. Burmeister, S./Rottmann, J. (Hgg.): Ich Germanicus. Feldherr, Priester, Superstar, Sonderheft der Zeitschrift Archäologie in Deutschland, Darmstadt 2015. Begleitband zur gleichnamigen Sonderausstellung im Museum Kalkriese, der neueste Forschung überblicksartig bündelt und weiterführende Literatur bietet. Eck, W./Caballos, A./Fernàndez, F.: Das Senatus consultum de Cn. Pisone patre, München 1996. Text, Übersetzung und Kommentar des inschriftlich überlieferten Senatsbeschlusses aus dem Jahr 20 n.Chr., der die Verhandlung gegen Cn. Calpurnius Piso und das Urteil des Senats wiedergibt. Eck, W.: Mord im Kaiserhaus? Ein politischer Prozess im Rom des Jahres 20 n.Chr., Jahrbuch des Historischen Kollegs 1995/1996 (München 1997), S. 99–132. Zusammenfassende quellenkritische Analyse des Prozesses gegen Gnaeus Calpurnius Piso. Levick, B.: Tiberius the Politician, London 21999. Neuauflage der erstmals 1976 erschienenen politischen Biographie des Tiberius. Hertel, D.: Die Bildnisse des Tiberius, Wiesbaden 2013. Typologische Untersuchung der Herrscherbildnisse, sehr gut in Zusammenschau mit jenen des Augustus (Boschung 1993) und des Caligula (Boschung 1989). Vout, C.: Tiberius and the Invention of Succession, in: Gibson, A.G.G. (Hg.): The Julio-Claudian succession. Reality and Perception of the „Augustan Model“, Leiden 2013, S. 59–77. Diskussion der problematischen Situation, in der sich Tiberius als erster Nachfolger des Augustus befand. Yavetz, Z.: Tiberius, der traurige Kaiser. Biographie, München 1999. Knappe, stark an Tacitus orientierte biographische Skizze, die auf einer publizierten Vorlesungsreihe basiert.

71

VI. Caligula Überblick

C.

Caesar Germanicus, der seit einem Auftritt in Soldatenuniform in frühester Kindheit nur Caligula („Stiefelchen“) genannt wurde, herrschte nicht einmal vier Jahre, starb durch eine Revolte der Prätorianer und galt schon kurz nach seinem Tod als Inbegriff des tyrannischen Prinzeps. In der modernen Forschung wurde er lange als „Betriebsunfall“ des frühen Prinzipats betrachtet, neuere Studien versuchen zu zeigen, dass hinter seinem scheinbaren Wahn-

sinn ein konzeptionell anderes Modell der Herrschaft gestanden haben könnte, das er gegen den Widerstand der herrschaftsrelevanten Gruppen wie Senat und Militär, aber auch gegen die Mitglieder der eigenen Familie durchsetzen wollte. Die problematische Quellenlage macht eine letztgültige Beurteilung seiner Herrschaft unmöglich und stellt einmal mehr die Frage nach dem Sinn biographischer Zugänge.

Zeittafel 31.8.12 n.Chr.

Geburt in Antium

30 n.Chr.

Tiberius holt Caligula nach Capri

31 n.Chr.

Caligula erhält die toga virilis

33 n.Chr.

Quästur

18.3.37 n.Chr.

dies imperii – Erhebung zum Augustus durch den Senat

30.8.37 n.Chr.

Dedikation des Tempels des Divus Augustus

Oktober 37 n.Chr.

Schwere Erkrankung Caligulas

10.6.38 n.Chr.

Tod der Kaiserschwester Drusilla, die als erste Frau des Kaiserhauses vergöttlicht wurde (Diva Drusilla)

39 n.Chr.

Verschwörung im Senat

Oktober 39 n.Chr.

Aufdeckung der Verschwörung des Lentulus Gaetulicus

Ende 39 n.Chr.

Geburt einer Tochter (Julia Drusilla)

39/40 n.Chr.

Militärische Manöver in Germanien und gescheiterter Britannienfeldzug

40 n.Chr.

Rückkehr nach Rom

24.1.41 n.Chr.

Ermordung des Caligula in Rom

1. Der Beginn der Herrschaft – Sechs Monate Hoffnung

73

1. Der Beginn der Herrschaft – Sechs Monate Hoffnung Nachdem Caligula die Herrschergewalten vom Senat en bloc verliehen worden waren, war es für ihn von zentraler Bedeutung, dieser politischen Legitimation auch die dauerhafte Sicherung seiner Position in Rom folgen zu lassen. Dabei kam ihm die Sparsamkeit seines Vorgängers Tiberius zugute. Großzügige Geldgeschenke an die Prätorianer, die plebs urbana und die Truppen sowie die nachträgliche Auszahlung der Legate aus dem Testament der 29 n.Chr. verstorbenen Livia sicherten ihm das Wohlwollen dieser herrschaftsrelevanten Gruppen. Gleichzeitig agierte der junge Prinzeps öffentlichkeitswirksam in einer Weise, die Rom lange schmerzlich vermisst hatte. Die Legate ans Volk verteilte er anlässlich der ludi Victoriae Caesaris im Juli 37 n.Chr. und erinnerte damit an die großen Spiele, die Augustus 44 v.Chr. zu Ehren Caesars abgehalten hatte. Im August 37 n.Chr. weihte er den seit 14 n.Chr. im Bau befindlichen Tempel des Divus Augustus. Beide Maßnahmen betonten den Vorbildcharakter des Dynastiegründers Augustus, seines leiblichen Urgroßvaters, für den jungen Prinzeps. Die Quellen betonen darüber hinaus die Ehrenbezeugungen den noch lebenden und toten Mitgliedern seiner Familie gegenüber, die in völligem Gegensatz zum Verhalten des Tiberius standen und für die römische Öffentlichkeit zelebriert wurden. Seine Großmutter Antonia erhob er zur Augusta, ernannte sie in der Nachfolge der Livia zur Priesterin des Divus Augustus und verlieh ihr zusätzlich die Ehrenrechte der Vestalinnen (Priesterinnen der Göttin Vesta). Seine drei Schwestern, Agrippina die Jüngere, Drusilla und Livilla, wurden in den jährlichen Treueeid aufgenommen und ebenfalls mit den Rechten der Vestalinnen ausgestattet. Dies unterstützte allerdings nicht allein die Erhöhung des familiären Prestiges, sondern diente unter politischen und finanziellen Gesichtspunkten auch der Machtsicherung, entzog der Prinzeps damit doch das Vermögen der Frauen dem Zugriff ihrer Ehemänner, da die Ves-

Familiäre Legitimation

Abb. 7 Marmorbüste Caligulas, zwischen 37 und 41 n.Chr. Metropolitan Museum of Art, New York.

74

VI.

Caligula

Abb. 8 Sesterz, Rom 37/38 n.Chr., Caligula beim Opfer im Tempel des Divus Augustus (RIC Nr. 36)

talinnen uneingeschränkte persönliche und vermögensrechtliche Freiheit besaßen. Gleichzeitig übernahm Caligula selbst in seiner Funktion als pontifex maximus eine religiös aufgeladene Vormundschaft. Caligula rehabilitierte in einer seiner ersten Handlungen als Prinzeps auch seine Mutter Agrippina die Ältere und seine Brüder Drusus und Nero. Ihre sterblichen Überreste überführte er persönlich nach Rom und bestattete sie im Mausoleum des Augustus. Der erhaltene Grabstein der Agrippina Maior verdeutlicht bis zum heutigen Tag, wie geschickt Caligula die unter Tiberius umgekommene Verwandtschaft instrumentalisierte, um seine direkte Abstammung vom Dynastiegründer herzuleiten. Quelle Grabplatte der Agrippina Maior (CIL 6, 886, s. Abb. 9) Ossa Agrippinae M(arci) Agrippae [f(iliae)] divi Aug(usti) neptis uxoris Germanici Caesaris matris C(ai) Caesaris Aug(usti) Germanici principis S(enatus) p(opulus)q(ue) R(omanus) p(opuli) R(omani) a(uctoritate) Die Gebeine der Agrippina, der Tochter des Marcus Agrippa, der Enkelin des vergöttlichten Augustus, der Gattin des Germanicus Caesar, der Mutter des Prinzeps Gaius Caesar Augustus Germanicus (liegen hier) Auf Beschluss von Senat und Volk von Rom

Die familiäre Eintracht schien nach außen auch die Adoption des Tiberius Gemellus anzuzeigen, den man durch die Annullierung des Testamentes zunächst von der Nachfolge ausgeschlossen hatte. Allerdings wechselte der zweite Tiberius-Enkel als Adoptivsohn des Caligula in dessen patria potestas und stand

1. Der Beginn der Herrschaft – Sechs Monate Hoffnung

nun unter der rechtlichen Aufsicht des Prinzeps, konnte also nicht über sein Vermögen verfügen und auch keine vom Willen des Prinzeps unabhängigen Entscheidungen treffen. Zwar wurde er zum princeps iuventutis ernannt, erhielt aber nicht die Sonderrechte, die frühere präsumtive Nachfolger wie Gaius und Lucius Caesar als principes iuventutis erhalten hatten. Caligula plante, die Nachfolgefrage innerhalb der eigenen, julischen Familie zu lösen. Da er selbst noch kinderlos war – ein Umstand, den er durch vier Eheversuche innerhalb weniger Jahre ändern wollte –, fiel seiner Schwester Drusilla zunächst die Rolle zu, für einen Erben zu sorgen. Sie wurde daher relativ bald nach dem Herrschaftsantritt ihres Bruders mit M. Aemilius Lepidus verheiratet, einem engen Freund des Prinzeps. Der von den Zeitgenossen bejubelte hoffnungsvolle Beginn des dritten Prinzeps aus dem julisch-claudischen Haus war also zu einem guten Teil Inszenierung und folgte dem Muster des Augustus. Die Hauptquellen, die über die kurze Regierungszeit des Caligula berichten, Tacitus und Sueton, deuten dabei einmal mehr diese Herrschaft von ihrem Ende her und sehen schon in den Jahren, die Caligula unter Tiberius auf Capri verbringen musste, eine prägende Zeit. Quelle Tacitus und Sueton über die angebliche Verstellungskunst des Caligula Seinen grausamen Charakter verbarg er hinter einer heuchlerischen Bescheidenheit und gab nicht bei der Verurteilung der Mutter, nicht beim Sturz der Brüder einen Ton von sich; welche Stimmung Tiberius sich auch an einem Tag zugelegt haben mochte, er zeigte die gleiche Haltung, verwendete nicht wesentlich verschiedene Ausdrücke. (Tac. Ann. 6, 20, 1, Übersetzung E. Heller) Er schien das, was seiner Familie widerfahren war, aus seinem Gedächtnis getilgt zu haben, so als sei überhaupt niemandem etwas passiert; doch das, was er persönlich hinnehmen musste, ließ er über sich mit unglaublicher Verstellung ergehen und war gegenüber seinem Großvater und dessen engerer Umgebung dermaßen unterwürfig, dass er nicht ganz unschuldig war, wenn man von ihm behauptete, noch nie habe jemand einen besseren Sklaven und einen schlechteren Herrn abgegeben. (Suet. Cal. 10, 2–11,1, Übersetzung H. Martinet)

75 Abb. 9 Grabplatte der Agrippina Maior (CIL 6, 886)

Die Weichenstellungen von Capri und ihre Bedeutung für den Prinzipat

76

VI.

Caligula

Bereits während der Jahre auf Capri, so beide Autoren übereinstimmend, habe sich der heuchlerische Charakter Caligulas offenbart, und es sei ihm so gelungen, seine wahren Absichten und Gefühlsregungen zu verbergen. Beide Autoren verfolgen in ihren Werken die Intention, die von Beginn an schlechten Anlagen in der Persönlichkeit des Caligula herauszustreichen. Historische Ereignisse werden damit kaum abgebildet, dennoch lässt sich erkennen, dass bereits die Autoren des 2. Jahrhunderts n.Chr. die eigenwillige Nachfolgeregelung des Jahres 37 n.Chr. für erklärungsbedürftig hielten. Tiberius hatte mit seinem Testament seinen leiblichen Enkel, Tiberius Gemellus, und seinen Großneffen, Caligula, als gleichberechtigte Erben eingesetzt, wohl wissend, dass es eine Teilung der kaiserlichen Macht nicht geben konnte. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Wollte man ein dem Tiberius wohlgesonnenes Urteil fällen, könnte man die Uneindeutigkeit in der Nachfolgeregelung als Option für die Wiederherstellung einer Senatsherrschaft deuten. Aber wie wahrscheinlich ist es anzunehmen, Tiberius habe in jenen Senat, vor dessen Agitation er sich nach Capri geflüchtet hatte, eine echte Hoffnung gesetzt? Tiberius mag aufgrund seines Alters die Kraft zu dieser letzten Entscheidung gefehlt haben, aber mit dem Verzicht auf eine Entscheidung hat er dennoch entschieden und – bewusst oder unbewusst – „die Dolche aufs Forum“ geworfen. Ihm musste klar sein, dass es nicht zwei Principes geben konnte, und er opferte bewusst einen der Kandidaten – mit größerer Wahrscheinlichkeit seinen Enkel Tiberius Gemellus, den er vielleicht, wie Cassius Dio berichtet, für einen Bastard hielt. Wollte er damit einen letzten Beweis antreten, dass das von ihm wenig geliebte System des Prinzipats nicht dem römischen Herkommen entsprach und versagen musste? Betrachtet man die Ereignisse der nun folgenden Monate und Jahre, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass jenes Gift, das Tiberius mit seinem Testament in die römische Politik injiziert hatte, langsam seine Wirkung entfaltete. Denn trotz aller Versuche des jungen Caligula, sich als neuer Augustus zu präsentieren, blieb das Misstrauen der Senatoren zu Recht bestehen. Zwar ging Caligula in vielen Punkten auf die Senatoren zu, indem er die Majestätsprozesse beenden ließ, sich als einfacher Bürger gerierte oder zeremonielle Rituale zur Kaiserbegrüßung teilweise aufhob, am System des Prinzipats, das sich als Adelsrepublik gab und doch eine Monarchie war, änderte sich jedoch nichts. Das System wurde nie in Frage gestellt, nur die unter Tiberius ins Wanken geratene Fassade wieder erneuert. Dass die Senatoren sehr wohl ein Bewusstsein für diese doppelbödigen Vorgänge hatten, zeigt der Vermerk Cassius Dios, die Senatoren hätten darauf bestanden, die erste Rede, die Caligula als Konsul im Senat gehalten und in der er programmatisch seine Herrschaft in der Nachfolge des Augustus umrissen hatte, aufzuzeichnen und jährlich öffentlich verlesen zu lassen: ein deutli-

2. Krisen und Zäsuren 37 bis 39 n.Chr. – Verschwörungen und neue Wege

77

ches Zeichen, dass man an der langfristigen Sicherheit unter Caligula zweifelte. Diese Zweifel waren auch angebracht, da Caligula zu keinem Zeitpunkt frei in seinen Entscheidungen war, sondern mit Sicherheit von Gruppen und Personen aus seiner Umgebung, die eigene Interessen verfolgten, beeinflusst und gesteuert wurde. Der Prätorianerpräfekt Macro, der maßgeblich an der Thronbesteigung beteiligt war, war einer dieser einflussreichen Männer, einen zweiten sehen die Quellen in seinem ehemaligen Schwiegervater, dem Tiberius-Vertrauten und Konsular M. Iunius Silanus. Ihnen verdankte Caligula seine Herrschaft und sie hatten ihn in der Hand, denn mit der Adoption des jungen Tiberius Gemellus war eine Nachfolge sichergestellt. Die Gruppe im Hintergrund war nicht auf Caligula angewiesen.

2. Krisen und Zäsuren 37 bis 39 n.Chr. – Verschwörungen und neue Wege a. Die Erkrankung des Prinzeps im Oktober 37 n.Chr. Mit einer gewissen Zwangsläufigkeit musste also die Erkrankung, die Caligula im Oktober 37 n.Chr. befiel, all diese nur unzulänglich verdeckten Probleme ans Tageslicht befördern und eine Krise der Herrschaft auslösen. Der Prinzeps erkrankte so schwer, dass sein Tod für wahrscheinlich gehalten wurde. Wie stark die Inszenierungen der ersten Monate seiner Herrschaft gefruchtet hatten, zeigt die Reaktion in der römischen Öffentlichkeit. Eine fast hysterische Stimmung brach aus, so dass besorgte Römer gelobten, ihr Leben für das des Herrschers zu geben. In einer innenpolitisch höchst angespannten Situation, in der die Frage einer möglichen Nachfolge des Prinzeps völlig offen war, musste eine Krankheit des Herrschers bei Senat und Volk die schlimmsten Befürchtungen für die Zukunft des Imperium Romanum hervorrufen. Erkrankungen eines Herrschers in auf Einzelpersonen ausgerichteten Machtsystemen lenken die politische Diskussion unweigerlich auf die Frage nach den potentiellen Nachfolgern. Der Machtzirkel um Silanus und Macro musste nun handeln, wollte man nicht Handlungsoptionen einbüßen. So bereitete man die Thronübernahme durch Tiberius Gemellus vor. Aber der Prinzeps erholte sich von seiner Krankheit und noch auf dem Krankenbett begann er, Maßnahmen gegen die aus seiner Perspektive verschwörerische Intrige zu treffen. Er übertrug seiner Schwester Drusilla das kaiserliche Vermögen und die Herrschaft.

Reaktionen in den Führungskreisen

Caligulas Gegenmaßnahmen

78

VI.

Caligula Quelle Drusilla als Erbin und Nachfolgerin (Suet. Cal. 24, 1) Auch als Erbin seines Vermögens und als Nachfolgerin in der Regentschaft setzte er sie ein, als er erkrankte. (Übersetzung H. Martinet)

Caligula agiert verändert

Darüber hinaus startete er ein Säuberungsprogramm, dem als erster Tiberius Gemellus zum Opfer fiel. Dieser politische Mord war eine Reaktion des Caligula auf die innenpolitischen Gefahren und beraubte die politische Gruppe im Hintergrund ihres potentiellen Kandidaten um die Nachfolge. Zu den prominenten Opfern der Säuberungswelle zählten auch der Prätorianerpräfekt Macro und M. Iunius Silanus, die Caligula zur Herrschaft verholfen hatten. Mit ihnen wurden jeweils ihre Unterstützergruppen gestürzt und aus dem Machtgefüge gedrängt. Das System des Prinzipats kannte in diesen Fällen der politischen Illoyalität nur Repressionen als Antwort. Caligulas längerfristige Maßnahmen zielten nun darauf ab, die Basis seiner Herrschaft zu erweitern und zu stärken. Er bemühte sich, sehr schnell eine neue Ehe einzugehen, um die Herrschaft durch einen leiblichen Nachfolger abzusichern. Seine Schwestern und vor allem der Ehemann der Drusilla rückten in den engsten Beraterkreis auf. Daneben richtete er seine Politik darauf aus, wichtige Gruppen im Machtgefüge Roms für sich zu gewinnen. Dem Volk von Rom stiftete er Spiele und Bauten und übertrug ihm wieder die Wahlrechte bei den Magistratswahlen. Dem Senat kam er durch Offenlegung der kaiserlichen Finanzen und die Aufwertung senatorischer Amtsträger entgegen. Die provinziale Oberschicht wurde durch die Aufnahme neuer Männer in die Reichsaristokratie belohnt, aber auch zur Loyalität verpflichtet, und der Ritterstand durch neue Männer ergänzt. Mit der Erkrankung Caligulas im Herbst des Jahres 37 n.Chr. ging nach übereinstimmender Darstellung aller antiker Autoren eine starke Veränderung seiner Persönlichkeit einher. Unisono erklären sie die verbleibende Zeit seiner Herrschaft zum Terrorregime eines wahnsinnigen Kaisers. Dieser Ansammlung von Grausamkeiten und Absurditäten in den Berichten Sinn zu verleihen, erweist sich als schwierig, wenn auch in Ansätzen möglich. Die bei Sueton und Cassius Dio überlieferten Ereignisse um einen Plebejer namens Publius Afranius Potitus und den Ritter Atanius Secundus können als Ausgangspunkt einer Erklärung dafür dienen, dass die Erkrankung und die damit im Zusammenhang stehenden politischen Verwerfungen zu einer neuen Einstellung des jungen Kaisers gegenüber dem System des Prinzipats führten.

2. Krisen und Zäsuren 37 bis 39 n.Chr. – Verschwörungen und neue Wege

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Quelle Caligulas Umgang mit den Schmeichlern (Cass. Dio 59, 8, 3–4) Tiberius [Gemellus] musste denn auf bloßen Verdacht hin sterben, als habe er aus der Erkrankung des Kaisers tückisch Nutzen ziehen wollen, und ebenso erging es Publius Afranius Potitus, einem Plebejer. Dieser hatte aus einfältiger Schmeichelei heraus nicht nur freiwillig, sondern sogar noch unter Eid versprochen, sein Leben zu opfern, wenn nur Gaius wieder gesunde. Das gleiche Schicksal teilte ein gewisser Ritter Atanius Secundus, der in diesem Falle als Gladiator auftreten wollte. Denn statt nun das Geld, das sie vom Herrscher für ihre Todesbereitschaft erwarteten, in Empfang zu nehmen, wurden sie zur Einhaltung ihres Versprechens gezwungen, damit sie nicht als Eidbrüchige dastünden. Das war nun der Grund, dass diese Männer ihr Leben verloren. (Übersetzung O. Veh)

Derartige Vorgänge waren eine typische Begleiterscheinung des Prinzipatssystems und kennzeichneten die ihm innewohnende doppelbödige Kommunikation. Beiden Seiten war bewusst, dass der eigentliche Wunsch nicht die Gesundung des Kaisers, sondern die Belohnung des Schmeichlers war. Diese Art der Kommunikation war seit Augustus bestens erprobt. Der erste Prinzeps hatte diese Schauspielerei bis zur Vollendung praktiziert, Tiberius hatte sich ihr entzogen, Caligula aber veränderte jetzt die Parameter, indem er die Schmeichler beim Wort nahm und die Einhaltung des Eides forderte. Er verweigerte sich der doppelbödigen Kommunikation, indem er sie ernst nahm. Er demonstrierte damit für alle sichtbar, dass er in dem Verhältnis von Schein und Sein des Prinzipats etwas zu ändern gedachte. Lange hat die Forschung ein einheitlich ablehnendes Bild des Caligula gezeichnet und Episoden wie die gerade beschriebene ganz in der Nachfolge der antiken Quellen als Hinweise auf die moralische Verkommenheit, ja den Wahnsinn des Prinzeps gedeutet. Deutlicher noch als alle anderen Kaiser wurde Caligula zum Inbegriff des antiken Tyrannen auf dem Kaiserthron. Seit Seneca attribuierten ihn die antiken Autoren auch als geisteskrank. Dies machte es der vorwiegend senatorischen Geschichtsschreibung einfacher, das Versagen der eigenen politischen Klasse als Zurückweichen vor einem wahnsinnigen Kaiser zu erklären. Der heutige Historiker sieht sich damit der Aufgabe gegenüber, aus einem Geflecht von Stereotypen historische Abläufe zu rekonstruieren. In einer klugen und breit rezipierten Caligula-Biographie hat der Berliner Althistoriker Aloys Winterling 2003 eine neue Interpretation der Herrschaft dieses Prinzeps vorgelegt. Winterling unternimmt den Versuch, die Handlungen Caligulas rational zu erklären und als logische Konsequenz der paradoxen Struktur des Prinzipats als Herrschaftssystem zu deuten. Caligula habe die doppelbödige Kommunikation aufgegeben und als Monarch gehandelt. Berichte wie jener über Afranius Potitus, der geschworen hatte, sein Leben zu opfern, und seinen Eid schließlich auch einlösen musste, erhalten in diesem Erklärungskonzept einen Sinn.

Versuch einer Deutung

80

VI.

Caligula

b. Der Tod Drusillas 38 n.Chr. und ihre Vergöttlichung

Drusillas Tod als Quellenproblem

Konsekration der Drusilla

Caligulas Handlungen eine rationale Komponente zuzuschreiben, erleichtert den Zugang zu seiner Herrschaft einerseits. Andererseits erklärt der auf strukturelle Erklärungsmuster ausgerichtete Zugang den Faktor Mensch doch nicht in jedem Fall. Dass Ereignisse in der Herrschaft des Caligula – wie innerhalb der Herrschaft aller Kaiser dieser Dynastie – sowohl eine durch strukturelle Erklärungen erschließbare Komponente haben können, zugleich aber schwerlich ohne das biographische Momentum gedeutet werden können, wird durch die Geschehnisse um den Tod der Kaiserschwester Drusilla am 10. Juni 38 n.Chr. deutlich. Der unerwartete Tod seiner Schwester Drusilla, die ihm menschlich wohl am nächsten stand, beraubte den Kaiser einer engen Vertrauten innerhalb der Familie, ließ aber gleichzeitig auch die Nachfolgefrage wieder virulent werden. Die Quellen erschweren hier den Blick auf die Ereignisse besonders stark, da die Berichte um Drusillas Tod von einer extrem caligulakritischen Überlieferung stets verknüpft werden mit einer angeblich intimen Beziehung zwischen Bruder und Schwester; bei Cassius Dio wird ihr Ehemann, M. Aemilius Lepidus, sogar zum Geliebten des Kaisers. Die Behauptung sexuell devianten Verhaltens war für die antiken Autoren ein Stilmittel, um ein vermeintlich persönliches und damit immer auch politisches Scheitern der Kaiser deutlich zu machen. Unterstellte man dem Tiberius Pädophilie, zog man bei Caligula und Nero Inzestvorwürfe heran, im Fall des Kaisers Claudius richtete sich das Augenmerk der Autoren auf die angebliche Nymphomanie seiner Ehefrau Messalina, hatte aber damit implizit auch den Kaiser selbst zum Ziel, der ein solches Verhalten tolerierte. Diese stetig sich nach dem gleichen Muster wiederholenden Vorwürfe dürfen daher wohl getrost dem Bereich der literarischen Fiktion zugewiesen werden. Zusätzlich wird die besondere politische Rolle einer Frau – Caligula hatte Drusilla als Nachfolgerin designiert – von den antiken Autoren immer mit Argwohn gesehen. So erschweren sexuelle und misogyne Stereotype hier den Zugang zu den Ereignissen gleich in zweifacher Weise. Aus den Protokollen der Arvalbrüder geht gesichert hervor, dass Drusilla eine ganz besondere Ehre nach ihrem Tod zuteilwurde: Als erste Frau des Kaiserhauses wurde sie als Diva Drusilla offiziell zur Staatsgöttin erhoben, erhielt also eine kultische Verehrung mit eigenem Tempel, einer eigenen Priesterschaft, Spielen, Opfern und reichsweiter Verehrung. Dieser Vorgang erklärt sich in seiner Außergewöhnlichkeit, wenn man sich vor Augen hält, dass bis zum Jahr 38 n.Chr. lediglich Caesar (42 v.Chr.) und Augustus (14 n.Chr.) diese Ehre in Rom zuerkannt geworden war. Selbst Tiberius war eine Konsekration in stillschweigender Übereinkunft zwischen Senat und Prinzeps verweigert worden. Das Misstrauen gegen einen Kaiser, der die Grundlagen des Staates derart radikal in Frage stellte, musste ins Unermessliche wachsen. Dass dies der Tenor zumindest

2. Krisen und Zäsuren 37 bis 39 n.Chr. – Verschwörungen und neue Wege

81

in Rom war, lesen wir in den Quellen seit Seneca. Interessanterweise scheint die Sichtweise in den römischen Provinzen, vor allem den östlichen, auf die Erhebung der Drusilla zur Göttin eine ganz andere gewesen zu sein. Parallel zu den Ereignissen in Rom treten in Kleinasien möglicherweise erstmals Frauen der lokalen und provinzialen Elite als Kaiserpriesterinnen in Erscheinung. Die kaiserliche Entscheidung, die eigene Schwester zu vergöttlichen, fiel hier auf den fruchtbaren Boden einer provinzialen Elite, die in der Verehrung der Herrscherfamilie ihre Loyalität mit Rom bewies, aber auch ihre inneren Hierarchien definierte. Herausgehobene Familien präsentierten ihre männlichen wie weiblichen Mitglieder als Kaiserpriester und Kaiserpriesterinnen und förderten so ihr eigenes Prestige. Von den Bedenken und der Kritik, die in den literarischen, auf Rom konzentrierten Quellen transportiert werden, fehlt hier jede Spur. Quelle Juliane aus Magnesia am Mäander als eine der ersten Kaiserpriesterinnen (Archiereia) in der Provinz Asia in der Zeit der julisch-claudischen Dynastie (IvMagnesia 158) Juliane fungierte als Oberpriesterin (Archiereia) im Kaiserkult und Priesterin der Göttin Agrippina, bei der es sich entweder um die Mutter des Caligula, Agrippina Maior, oder seine Schwester, Agrippina Minor, die Mutter Neros, handelte. „Rat und Volk ehrten Juliane – Tochter des Eustratos, Sohn des Phanostratos, Ehefrau des Alkiphranos, Oberpriester von Asia, Oberpriesterin (Archiereia) von Asia, Erste der Frauen, Stephanephorin, Gymnasiarchin, Priesterin der Aphrodite und der Göttin Agrippina, der Mutter, auf Lebenszeit und Priesterin auf Lebenszeit der Demeter von Ephesos – aufgrund all ihrer Tugend.“

Wie stark auch immer der Verlust der Schwester und Vertrauten den Kaiser erschüttert haben mochte, sein Handeln in den folgenden Monaten ist rational nachvollziehbar. Wohl im Herbst 38 n.Chr. heiratete er ein drittes Mal. Als Ziel der Ehe mit einer Frau namens Lollia Paulina darf mit Sicherheit die Lösung der noch immer offenen Nachfolgefrage angesehen werden. Die relativ schnelle Trennung von ihr erklärt sich daher auch mit ihrer Kinderlosigkeit und weniger mit dem von Cassius Dio angeführten irrationalen Grund, Caligula sei ihrer schnell überdrüssig gewesen.

c.

39 n. Chr. – Der Wahnsinn hat Methode

Für das Jahr 39 n.Chr. berichten die antiken Quellen von einer Welle plötzlich hereinbrechender Gewalt gegen den Senat. Scheinbar grundlos werden führende Senatoren hingerichtet, die Autoren schreiben diese Gewaltexzesse dem Wahnsinn des Caligula zu. Bei genauerem Hinsehen allerdings zeichnen sich hinter dem vermeintlich unerklärbaren Verhalten des Kaisers die Spuren einer oder mehrerer Verschwörungen ab. Diese Verschwörungen, die aus den vorhandenen

Verschwörungen 39 n.Chr.

82

VI.

Reaktion des Caligula – Rede im Senat

Caligula

Quellen nur sehr schwierig zu rekonstruieren sind, scheinen von mehreren für die Macht des Prinzeps relevanten Gruppen ausgegangen zu sein. Zunächst dürften einige Konsulare, also Männer der führenden Rangklasse des Senats, verwickelt gewesen sein. Daneben war der äußerst einflussreiche Befehlshaber des obergermanischen Heeres Lentulus Gaetulicus involviert. Er hatte sich an der Rheingrenze seit 29/30 n.Chr. eine Machtbasis aufgebaut, die selbst Tiberius nicht in Frage zu stellen gewagt hatte. Caligula plante nun ganz in der Tradition seines Vaters Germanicus für das Jahr 40 n.Chr. einen neuen Germanienfeldzug und bedrohte damit die Machtstellung des Gaetulicus. Schließlich entwickelte sich eine Opposition gegen Caligula wohl auch innerhalb der eigenen Familie. Seine beiden noch lebenden Schwestern, Agrippina Minor – die im Dezember 37 n.Chr. einen Sohn geboren hatte und sich Hoffnungen auf eine Rolle dieses Kindes in der Nachfolgeregelung machen konnte – und Livilla, sowie deren Ehemänner sahen sich durch die Bemühungen des Kaisers, eigene Kinder zu bekommen, in ihren Hoffnungen auf die Nachfolge zurückgesetzt. Wohl im Sommer 39 n.Chr. wurde dem Kaiser dann tatsächlich von seiner vierten Ehefrau, Milonia Caesonia, eine Tochter geboren – das Kind erhielt den programmatischen Namen Julia Drusilla –, was der Opposition innerhalb der eigenen Familie weitere Gründe lieferte, die Verschwörung voranzutreiben und sich mit anderen oppositionellen Gruppen zu verbinden. Im Jahr 39 n.Chr. sah sich Caligula also von verschiedenen mächtigen Gruppen bedroht: Senat, einflussreiche militärische Kreise und die Kaiserfamilie konspirierten teilweise gemeinsam gegen ihn, und damit stand seine Herrschaft vor einer ernsthaften Gefahr. Caligulas Reaktion richtete sich nun zunächst gegen die senatorische Opposition und zielte genau in jene Richtung, die bereits im Fall jenes Schmeichlers, den Caligula zur Opferung seines Lebens gezwungen hatte, thematisiert wurde. Er verweigerte sich der doppelbödigen Kommunikation, er änderte die Regeln. In diesem Gremium, in dem die Senatoren wussten, dass der Kaiser die eigentliche Macht hatte, sich aber als Mitregierende gaben, in dem der Kaiser wusste, dass er letztlich die Macht in den Händen hielt, sich aber nach außen stets als Erster unter Gleichen präsentierte, in einem Gremium, das Loyalität heuchelte und Verschwörungen plante, das den Kaiser mit Ehrungen überschüttete, aber nur darauf wartete, gegen ihn zu intrigieren, in diesem Gremium also, in dem nie die Wahrheit über die tatsächlichen Machtverhältnisse ausgesprochen wurde, sondern stets gut eingeübte Regeln der verschleierten Kommunikation galten, hielt Caligula eine Rede, die die Dinge beim Namen nannte und die als Generalabrechnung verstanden werden muss. Cassius Dio überliefert diese Rede recht ausführlich und ist aufgrund seines Zugangs zu den Senatsakten hier durchaus glaubwürdig. In der Rede hielt Caligula dem Senat seine Verbrechen und die Heuchelei der letzten Jahrzehnte vor. Er ließ die Gerichtsakten aller Fälle von Majestätsverbrechen unter Tibe-

2. Krisen und Zäsuren 37 bis 39 n.Chr. – Verschwörungen und neue Wege

rius verlesen – vor der öffentlichkeitswirksamen Verbrennung der Akten am Beginn seiner Herrschaft hatte er wohlweislich Kopien anfertigen lassen – und legte in jedem Fall dar, inwiefern der Senat selbst eine Mitschuld an diesen Verurteilungen trug, weil seine Mitglieder aus Opportunismus und Gier zu Denunzianten geworden waren. Quelle Die Rede des Caligula im Senat (Cass. Dio 59, 16, 2–4) Wenn Tiberius wirklich ein solcher Bösewicht war, dann hättet ihr ihn bei Gott zeit seines Lebens nicht mit Ehren überschütten dürfen […] Indes ihr seid nicht allein mit Tiberius auf solch widersprüchliche Weise verfahren, auch Seian habt ihr zunächst aufgebläht und verdorben, um ihn dann hinzurichten; so habe auch ich nichts Gutes von euch zu erwarten. (Übersetzung O. Veh)

Mit dieser Rede tritt uns ein Kaiser entgegen, wie ihn das Reich noch nicht gesehen hatte. Kein Augustus, der am Ende seines Lebens fragt, ob er seine Rolle gut gespielt habe, kein Tiberius, der lieber flieht, weil er sich nicht im Stande sieht, Änderungen zu bewirken. Hier spricht ein Kaiser, der den Senatoren den Spiegel ihres Versagens vorhält und die Aristokratie demaskiert. Er wirft ihnen in aller Deutlichkeit vor, seinen Untergang zu betreiben. Dazu zitiert er eine imaginierte Rede des Tiberius an sich selbst: Quelle Die fiktive Rede des Tiberius an Caligula über den Umgang mit den Senat (Cass. Dio 59, 16, 5–7) „Gut und wahrheitsgetreu ist alles, was du da gesprochen hast, und daher schenke keinem von ihnen deine Zuneigung und schone auch niemand. Denn sie hassen dich alle und beten um deinen Tod; und wenn sie dazu im Stande sind, werden sie dich ermorden. Mach dir also keine Gedanken, welche deiner Maßnahmen ihnen passen, und kümmere dich auch nicht darum, wenn sie etwas schwatzen, behalte vielmehr nur dein eigenes Vergnügen und deine eigene Sicherheit im Auge, denn darauf hast du den gerechtesten Anspruch. […] Denn magst du auch zum Schein eitlen Ruhm einheimsen, ein Vorteil wird dir daraus nicht erwachsen, im Gegenteil, als Opfer von Anschlägen wirst du ein schmähliches Ende finden. Denn kein Mensch lässt sich gern regieren; er macht vielmehr nur, solange er in Angst lebt, dem Stärkeren den Hof, fasst er hingegen Mut, dann rächt er sich am Schwächeren.“ (Übersetzung O. Veh)

Sollte die Rede tatsächlich in dieser Form gehalten worden sein, dann stellt sie die einseitige Aufkündigung des Kompromisses von 27 v.Chr. dar, der im Prinzipatssystem festgeschrieben war. Caligula inszenierte nun tatsächlich eine neue Form der Herrschaft, die vor allem darin bestand, den Senat, den er verachtete und der sich selbst nach außen weiter erniedrigte, zu demütigen und lächerlich zu machen. Er forcierte beispielsweise traditionelle

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VI.

Caligula

Verhaltensweisen des Senats und steigerte sie ins Absurde. So wurde unter anderem der üblicherweise praktizierte Tausch von Geschenken im Rahmen der römischen amicitia von ihm benutzt, um Senatoren, die er zu „Freunden“ erklärte, finanziell zu ruinieren. Die soziale Aufwertung eines kaiserlichen Rennpferdes durch maßlose Geschenke wie einen marmornen Stall, Diener und Tafelgeschirr sowie die Ankündigung, das Tier in den Rang eines Konsuls zu erheben, dienten der Demaskierung und Entwertung aristokratischer Lebensverhältnisse. Unnötig zu erwähnen scheint es, dass derlei Überlieferung bei den antiken Autoren stets den Wahnsinn des Kaisers untermauern sollte. Caligulas offen betriebener Bruch mit Teilen der Reichsaristokratie hatte für die Verwaltung des Reiches und das Umfeld des Kaisers weitreichende Konsequenzen, die erst unter seinen Nachfolgern deutlich hervortraten. Caligula berief vermehrt ritterliche Prokuratoren in zentrale Positionen der Reichsverwaltung und umgab sich zunehmend mit Beratern aus dem Stand der Freigelassenen. Diese Entwicklung schritt vor allem unter Claudius weiter fort und bildete in den senatorischen Quellen immer wieder einen zentralen Kritikpunkt. Die Verschwörung, die sich um Lentulus Gaetulicus und die Kaiserschwestern gebildet hatte, wurde im Jahr 39 n.Chr. niedergeschlagen. Unmittelbar nach seiner Rede vor dem Senat brach Caligula nach Norden auf, möglicherweise unterstützt von zwei für den Germanienfeldzug neu ausgehobenen Legionen, und beendete die Herrschaft des Gaetulicus in Obergermanien. Die Arvalakten verzeichnen dieses Ereignis im Oktober 39 n.Chr., Gaetulicus wurde hingerichtet, Agrippina und Livilla wurden verbannt.

3. Germanien und Britannien – Neuauflage der augusteischen Eroberungspolitik? Caligula in Germanien

Der von Caligula bereits seit 38 n.Chr. geplante Feldzug in das germanische Gebiet hat in den literarischen Quellen kaum Spuren hinterlassen. Tacitus, Sueton und Cassius Dio bemühen sich in ihren Darstellungen, ihr Narrativ vom wahnsinnigen Kaiser Caligula fortzuschreiben, und gestalten die scheinbar irrwitzigen Aktionen des Kaisers phantasiereich literarisch aus. Nur sehr vereinzelte epigraphische Zeugnisse oder unverdächtige Quellenstellen weisen darauf hin, dass es in den Jahren 39 und 40 n.Chr. zu vereinzelten Kampfhandlungen kam. Ob dieser Germanienfeldzug lediglich als öffentliche Inszenierung zur Erlangung militärischen Prestiges und damit legitimatorischen Anspruchs konzipiert war oder ob tatsächlich Pläne für einen neuen Vorstoß in das germanische Gebiet existierten, die allerdings wegen der Verschwörung des Lentulus Gaetulicus und des desolaten Zustands der Truppen

3. Germanien und Britannien – Neuauflage der augusteischen Eroberungspolitik?

am Rhein nicht zur Ausführung kamen, lässt sich nicht mit abschließender Sicherheit rekonstruieren. Eine glaubhafte Überlieferung scheint dieses Unterfangen allerdings aus mehreren Gründen zu sein. Zum einen war die Beendigung der von Augustus gestarteten rechtsrheinischen Offensive unter Tiberius 16 n.Chr. stets auf große Kritik gestoßen. Mit der Wiederaufnahme dieser Pläne konnte Caligula sich von seinem in der Öffentlichkeit und beim Senat so unbeliebten Vorgänger absetzen, gleichzeitig römische Herrschertugenden für sich reklamieren und nicht zuletzt an seinen gerade im Militär hoch geschätzten Vater Germanicus anknüpfen. Die dynastische Bedeutung des Germanicus für die Principes seiner Familie – seinen Sohn Caligula und seinen Bruder Claudius – lässt sich nicht zuletzt in der repräsentativen römischen Kunst ablesen, in der eine Adaption der Darstellungen des Caligula und des Claudius an den letzten, nach der Adoption 4 n.Chr. geschaffenen Bildnistypus des Germanicus erkennbar ist. Caligula begab sich nach der Neuordnung der Heeresstruktur am Rhein, bei der unter anderem der spätere Kaiser Galba den Verschwörer Gaetulicus ablöste, nach Gallien, um dort zu überwintern. Im Frühjahr 40 n.Chr. wandte er sich dann einem neuen Eroberungsziel zu und zog an die englische Kanalküste, um mit seinen Truppen nach Britannien überzusetzen. Die Hintergründe dieser Entscheidung wurzelten wohl einerseits in der Erkenntnis, dass es wenig erfolgversprechend sei, an den germanischen Schauplatz zurückzukehren, andererseits brauchte Caligula dringend einen militärischen Erfolg, wollte er nicht geschwächt nach Rom zurückkehren. Britannien war seit Caesar in den Fokus militärischer Überlegungen gerückt und stellte zunehmend ein neues Interessengebiet römischer Außenpolitik dar. Möglicherweise aufgrund der Erfolglosigkeit der germanischen Expedition wollte Caligula nun in der Tradition des Augustus bis an die Grenzen der bekannten Welt vorstoßen. Leider überlagern auch im Fall des Britannienzuges anekdotenhafte Erzählungen historisch verlässliche Berichte. Quelle Der Britannienfeldzug in der Darstellung des Cassius Dio (Cass. Dio 59, 25, 1–3) Wie er nun an den Ozean angelangt war, so als wollte er auch in Britannien einen Feldzug unternehmen, und sämtliche Soldaten am Strand hatte Aufstellung nehmen lassen, bestieg er eine Triere, fuhr ein kurzes Stück vom Lande weg und kehrte dann wieder zurück. Hierauf nahm er auf einer hohen Tribüne Platz, gab den Soldaten das Losungswort wie zur Schlacht und ließ sie durch die Trompeter aufmuntern, doch dann kam plötzlich sein Befehl, sie sollten die Muscheln sammeln. Nachdem er diese Beutestücke entgegengenommen hatte – er brauchte sie ja offensichtlich für seinen Triumphzug –, war er mächtig stolz, wie wenn er den Ozean selbst unterworfen hätte, und verteilte viele Geschenke unter die Soldaten. Die Muscheln aber brachte er nach Rom zurück, um auch dem Volke dort die Beutestücke vorzuweisen. (Übersetzung O.Veh)

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Der gescheiterte Britannienfeldzug

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VI.

Rückkehr nach Italien

Caligula

Ein Kaiser, der seine Soldaten in Kampfformation Aufstellung nehmen lässt, um dann den Befehl zum Muschelsammeln zu geben – kann es in den Augen eines römischen Senators ein Verhalten geben, das unkaiserlicher ist und den Wahnsinn dieses Mannes besser belegt? Genau dieses Bild zu transportieren, scheint die Absicht des griechischen Senators aus dem 3. Jahrhundert n.Chr. gewesen zu sein. Was aber steckte tatsächlich hinter der Episode an der Kanalküste im Jahr 40 n.Chr.? Die glaubhafteste Erklärung scheint zu sein, Caligula habe mit dem Befehl zur Muschelsuche die Soldaten, die sich aus Furcht vor dem Unbekannten weigerten, auf die Insel überzusetzen, demütigen wollen. Auch der Nachfolger des Caligula, Kaiser Claudius, hatte bei seiner schließlich im Jahr 43 erfolgten Eroberung Britanniens größte Schwierigkeiten, die Truppen zur Überfahrt zu motivieren. Auch damals zeigten die Soldaten sich „empört darüber, dass sie über die Grenzen der bewohnten Welt hinaus einen Feldzug unternehmen sollten“ (Cass. Dio 60, 19, 2). Caligulas Pläne in Germanien und Britannien verweisen deutlich auf seine außenpolitischen Ambitionen, die zum einen in der Tradition seines Vaters Germanicus standen, zum anderen aber auch in der großen Linie des Augustus. Die Versuche, fehlenden politischen Rückhalt durch militärische Erfolge zu kompensieren, wären durchaus dazu angetan gewesen, seine Stellung nach den Verschwörungen zu stabilisieren, führten allerdings aufgrund ihrer relativen Erfolglosigkeit nicht zum gewünschten Ergebnis. Ähnlich ambivalent fällt die Analyse seiner Politik in anderen Provinzen aus. Einerseits betrieb Caligula – im Gegensatz zur Politik seines Vorgängers Tiberius – im Osten des Reiches die Rückgabe von römischer Verwaltung unterstellten Territorien an Klientelfürsten. Dies betraf das Königreich von Kommagene und Teile Judäas, Thrakien und Kilikien. In Nordafrika dagegen wurde der mit Caligula weitläufig verwandte mauretanische Herrscher abgesetzt und hingerichtet. Sein Königreich ging später in den Provinzen Mauretania Caesariensis und Mauretania Tingitana auf. Die Rückkehr des Prinzeps nach Italien im Jahr 40 n.Chr. schmücken die Quellen durch die Schilderung zahlreicher Ereignisse aus, die den Wahn Caligulas belegen sollen, tatsächlich aber wohl – wenn sie denn mehr sind als literarische Bearbeitungen des Tyrannentopos – als Manifestation des neuen Herrschaftsverständnisses gewertet werden müssen. So ließ Caligula über den Golf von Baiae eine Schiffsbrücke errichten, über die er angekleidet mit dem Brustpanzer Alexanders des Großen ritt. Die angeblich durch die fehlenden Schiffe eintretende Versorgungskrise in Rom darf getrost als literarischer Topos verstanden werden, der für alle schlechten Kaiser belegt ist. Glaubwürdigkeit gewinnt dieser Bericht des Cassius Dio erst, wenn man ihn als weiteres Indiz für die Symbolsprache der neuen monarchischen Konzeption von Herrschaft im hellenistischen Stil deutet. Die Schiffsbrücke, die den Sieg des Britannienbezwingers über den Oceanus symbolisierte, müsste dann wohl als

3. Germanien und Britannien – Neuauflage der augusteischen Eroberungspolitik?

Imitation der Brücke über den Hellespont verstanden werden, die der persische Großkönig Xerxes 480 v.Chr. schlagen ließ. Der Brustpanzer Alexanders des Großen wies wohl noch deutlicher auf die hellenistische Tradition hin. Caligula hatte zudem die Absicht, diese monarchische Herrschaft durch eine göttliche Legitimation abzusichern. Dabei gab er das von seinen Vorgängern praktizierte Konzept des Verzichts auf göttliche Verehrung zu Lebzeiten in Rom auf und beanspruchte eigene Göttlichkeit im gesamten Reich. Als Ausweis dieser Idee eigener Göttlichkeit darf der Bericht über den Brückenbau vom Palatin auf das Kapitol über die Senke des Forum hinweg angesehen werden. Der göttliche Kaiser wollte damit seine Nähe zu Jupiter demonstrieren. Eine Abwendung von bisheriger Herrschaftspraxis stellte in diesem Zusammenhang auch die Einforderung göttlicher Verehrung durch die im Reich lebenden Juden dar. Eine jüdische Gesandtschaft, die im Jahr 40 n.Chr. seine Hilfe gegen antisemitische Ausschreitungen in Alexandria erbat, wies er mit harschen Worten zurück. Quelle Der jüdische Theologe Philon von Alexandria berichtet über seine Begegnung mit Caligula (Philo, Leg. 353; 357) Denn mit einem höhnischen Lächeln bemerkte er [Caligula]: „Ihr seid also die Gottesverächter, die nicht glauben, ich sei ein Gott, ich, der ich schon bei allen anderen anerkannt bin, sondern ihr glaubt an den für Euch unbenennbaren Gott!“ […] „Ihr habt geopfert, aber einem anderen Gott, wenn es auch für meine Person gewesen ist. Was hilft das, ihr habt ja nicht mir geopfert.“ (Übersetzung L. Cohn)

In dieser kurzen Episode spiegelt sich ein theologischer Grundkonflikt zwischen der polytheistisch angelegten griechisch-römischen Religion und dem monotheistischen jüdischen Glauben. In den Augen eines Juden waren diese Worte des Kaisers Caligula ein Verstoß gegen das erste Gebot, das allein Jahwe als Gott duldete. In den Augen des Kaisers aber musste die jüdische Verweigerung, ihm als Gott Opfer darzubringen, ebenfalls problematisch erscheinen. Zwar hatten die Vorgänger des Caligula gegenüber den Juden eine erstaunliche Zurückhaltung an den Tag gelegt und auf die Aufstellung von Kaiserbildern und das Einfordern von Opfern verzichtet, dies war aber mehr ein politisches Entgegenkommen als ein religiöses Zugeständnis gewesen. In weiten Teilen des römischen Reiches, vor allem im griechischsprachigen Osten, wurde der Kaiser bereits zu Lebzeiten mit Kulten verehrt, ihm wurden Tempel geweiht und Opfer dargebracht, er wurde in Gebeten angerufen und als Gott angesehen. Nach seinem Tod verehrte man ihn im gesamten Reich als Divus.

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Caligula fordert göttliche Verehrung ein

Caligula und die Juden

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VI.

Caligula Quelle Göttliche Verehrung Caligulas in Assos in Kleinasien (Syll. 3797 = IGRR IV 251) Da der Herrschaftsantritt des Gaius Caesar Germanicus Augustus, der von allen Menschen mit Gebet erwartet wurde, gemeldet wird, […] und da jede Stadt und jedes Volk sich beeilt, das Antlitz des Gottes zu schauen, da gleichsam die seligste Zeit für die Menschheit bevorsteht, erging folgender Beschluss […]. (Übersetzung H. Freis)

Was Caligula einforderte, entsprach also durchaus den Gepflogenheiten in weiten Teilen des Reiches – aber eben nicht in Rom. Dementsprechend verschärften alle diese Maßnahmen Caligulas – selbst wenn sie rational und nicht durch einen vermeintlichen Wahnsinn des Kaisers gedeutet werden können – das innenpolitische Klima.

4. Rückkehr nach Rom und Ermordung Caligulas Die Konflikte zwischen Kaiser und Aristokratie verschärfen sich

Breite Verschwörung gegen Caligula und Tod des Herrschers

Im August 40 n.Chr. kehrte Caligula nach Rom zurück. Das politische Klima scheint höchst angespannt gewesen zu sein, Prozesse und Denunziationen stellten eher die Regel als die Ausnahme dar. Offensichtlich förderte der Kaiser die inneraristokratischen Konflikte geradezu, um die Verkommenheit des Standes sichtbar zu machen. Es hat den Anschein, als habe er nicht nur eine politische, sondern auch eine gesellschaftliche Umstrukturierung geplant. Caligula unterminierte systematisch das alte Ständesystem, indem er beispielsweise die Ehrenplätze für Senatoren und Ritter im Theater abschaffen ließ. Auch andere Maßnahmen können auf die Beseitigung traditioneller aristokratischer Strukturen innerhalb der römischen Gesellschaft hinweisen und lassen vermuten, dass sich hinter Caligulas Verhalten ein grundsätzlicher Konflikt zwischen Aristokratie und Monarchie verbarg, der hier ausgetragen wurde. Ende des Jahres 40 n.Chr. lassen sich dann erneut Ansätze einer Verschwörung gegen den Herrscher erkennen, die nun allerdings eine deutlich breitere Resonanz erfuhr. Ausgangspunkt der Verschwörung waren senatorische Kreise, angeführt von einflussreichen Senatoren wie M. Vinicius, Valerius Asiaticus oder L. Annius Vinicianus. Einige dieser Männer scheinen selbst Ansprüche auf die Herrschaft erhoben zu haben, wobei M. Vinicius, der Schwager des Kaisers, sein Anrecht offenbar mit der Tatsache begründete, dass er mit Caligulas Schwester Livilla, einer Urenkelin des Augustus, verheiratet war. Eingebunden waren aber wohl auch Teile der kaiserlichen Freigelassenen und vor allem der Prätorianer. Diese letzteren beiden Gruppen, zumindest einzelne einflussreiche Personen unter ihnen, die bislang stets loyal zu Caligula gestanden hatten, wandten sich Ende des Jahres 40 n.Chr. von ihm ab. Diese Tatsache lässt den Schluss zu, man habe der neuen Ausrichtung von Caligulas Herr-

5. Caligula: Cäsarenwahn oder Umdeutung des Prinzipats?

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schaft in jenen Kreisen, die unmittelbar von der Gunst der Herrscherperson abhingen, keine Erfolgsaussichten eingeräumt und sich daher entschlossen, rechtzeitig zu handeln. Allerdings zählten weder die kaiserlichen Freigelassenen noch die Prätorianer zu jenen Gruppen, die sich Hoffnung auf eine eigene Thronbesteigung machen konnten. Wandten sie sich also gegen Caligula, taten sie dies sicherlich nicht ohne Absicherung bei einer anderen Person, die für ihre Weiterverwendung am Hof Sorge tragen konnte. Am 24. Januar 41 n.Chr. wurde Caligula im Palast von Mitgliedern der Prätorianergarde getötet, auch seine Frau und seine Tochter fielen der Verschwörung zum Opfer. Eine Beteiligung oder zumindest Mitwisserschaft des Nachfolgers Claudius darf angenommen werden. Die Mär vom seltsamen Onkel Claudius, den die Prätorianer angeblich im Palast hinter einem Vorhang versteckt fanden, als „Bruder des Germanicus“ begrüßten und schließlich als Kaiser akklamierten, scheint wenig glaubhaft.

5. Caligula: Cäsarenwahn oder Umdeutung des Prinzipats? Das Bild, das die antiken literarischen Quellen von der Persönlichkeit Caligulas zeichnen, ist einheitlich negativ: Er sei ein wahres Monster gewesen, der eher als ein Tier denn als ein Mensch beschrieben werden müsse. Mit zunehmendem Abstand erhält diese negative Konnotation auch eine krankhafte psychologische Komponente, Caligula wird zum Kaiser, der vom Caesarenwahn gepackt gewesen sei. Diese Darstellung des Herrschers setzte unmittelbar nach seinem Tode mit den Schriften des Philosophen Seneca ein. Die politische Rolle Senecas in dieser Zeit ist dabei allerdings alles andere als neutral und offenbart eine bisweilen deutliche Differenz zwischen den Werten, die er in seinen philosophischen Schriften vertrat, und seinem öffentlich-politischen Verhalten. Seneca suchte bewusst die Nähe der Mächtigen und profitierte von dieser Nähe vor allem finanziell. Sein Privatvermögen soll bei seinem Tod mehrere hundert Millionen Sesterzen betragen haben, von denen zumindest ein Teil auf die skrupellose finanzielle Ausbeutung römischer Provinzen zurückging. Seneca geriet unter Caligula in den Strudel um die politischen Affären der Kaiserschwestern Livilla und Agrippina Minor, wofür er sich nach Caligulas Tod mit hasserfüllten Kommentaren und verzerrenden Darstellungen rächte. Seneca steht mit diesem Verhalten stellvertretend für einen großen Teil der römischen Aristokratie. Das politische und gesellschaftliche Klima der Zeit förderte eine Elite, die opportunistisch agierte, sich zum Teil maßlos persönlich bereicherte und denunziatorisch gegen die Standesgenossen vorging, wenn es dem eigenen Weiterkommen diente. Literarische Topoi bei der Darstellung monarchischer Herrschaft taten ein Übriges, das Bild des dritten Prinzeps der julisch-claudischen Dynastie zu

Die Konstruktion des Caesarenwahns

Topische Herrschercharaktere

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VI.

Ludwig Quidde und der Caesarenwahn

Caligula

verzerren. Der als Tyrann zu entlarvende Herrscher zeigt dabei bestimmte Verhaltensmuster, die von der Norm abweichen und in den Texten in Variation durchdekliniert werden: Er umgibt sich mit Personen, die nicht standesgemäß sind, er ist genusssüchtig, verschwenderisch und grausam. Insbesondere seine ins Extreme gesteigerte Freude an Spielen und Theater sowie sein deviantes sexuelles Verhalten offenbaren seinen schlechten Charakter. Nicht selten ist dieser Charakter seit frühester Kindheit oder bereits im familiären Erbe angelegt. Eine Persönlichkeitsentwicklung gesteht die antike Autorenschaft keinem ihrer Protagonisten zu. Der Caligula der Quellen ist also ein Kunstprodukt, das mit der realen Persönlichkeit kaum noch Gemeinsamkeiten aufweist. Damit bot sich diese Kunstfigur auch der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts als Projektionsfläche an, um Kritik an der Monarchie und dem Monarchen zu üben. Der Mediävist Ludwig Quidde veröffentlichte 1894 eine bis zum heutigen Tag das Bild Caligulas prägende Biographie mit dem bezeichnenden Untertitel „Eine Studie über den römischen Caesarenwahn“. Dabei ging es ihm nur am Rande um die Person des römischen Prinzeps und schon gar nicht um eine kritische Reflexion der Quellen, sondern er suchte lediglich eine historische Vorlage, um seine scharfe Kritik am jungen Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) abzubilden. Das Buch bedeutete das Ende der Karriere Quiddes in der Geschichtswissenschaft des deutschen Kaiserreiches und den Beginn seines Wirkens in der Friedensbewegung, das ihm 1927 den Friedensnobelpreis eintrug. Caligulas kurze Regentschaft offenbart trotz ihrer problematischen Quellenlage tiefe Einblicke in die Strukturen und Prozesse des frühen Prinzipats. Viel stärker noch als bei Tiberius legte Caligulas Herrschaft offen, welcher Anstrengungen es bedurfte, das Herrschaftssystem des Prinzipats aufrechtzuhalten, und wie wichtig die Persönlichkeit des Kaisers für eine funktionierende Balance zwischen den herrschaftsrelevanten Gruppen war. Daneben zeigt aber gerade das persönliche Scheitern des Prinzeps Caligula die Stabilität dieser n Herrschaftsform auf der Ebene des Reiches. Auf einen Blick

Mit Caligula, dem Sohn des Germanicus und der älteren Agrippina, gelangte ein direkter Nachfahre des Augustus auf den Thron, der diese familiäre Legitimation stark betonte und sich von seinem Vorgänger Tiberius deutlich distanzierte. Nach einem in den Quellen positiv dargestellten Beginn seiner Regierungszeit kam es durch eine lebensgefährliche Erkrankung des Prinzeps noch im Jahr 37 n.Chr. zu einer ersten Krise der Herrschaft. Jene Unterstützergruppen, die ihm zur Macht verholfen hatten, wandten sich von ihm ab. In der Folge kündigte Caligula den Kompromiss mit den traditionell herrschaftsrelevanten Gruppen Senat und Militär auf und agierte in der Tradition hellenistischer Monarchen. Fehlende Zustimmung wurde durch die Überhöhung der eigenen Person als Gott, eine Entaristokratisierung seines Umfeldes und Repression kompensiert. Versuche, die Basis seiner Legitimation durch siegreiche Feldzüge in Germanien und Britannien zu erweitern, schlugen fehl. Immer

Literaturhinweise

wieder sah er sich Verschwörungen gegenüber. Sein Sturz scheint durch ein Zusammenwirken verschiedener Gruppen wie Senatoren, Militärs und Mitglieder der eigenen Familie zustande gekommen zu sein. Alle Informationen über diesen Herrscher werden allerdings durch die Verzerrung seiner Person in den Quellen überschattet.

Literaturhinweise Barrett, A.A.: Caligula. The Abuse of Power, London, New York 2015. Zweite Auflage der 1989 erstmals unter dem Titel „Caligula. The Corruption of Power“ erschienenen Biographie. Im Gegensatz zu Winterlings rationalisiertem Caligula ist derjenige Barretts – trotz aller Kritik an den Quellen – zur Herrschaft persönlich schlicht nicht befähigt. Boschung, D.: Die Bildnisse des Caligula, Berlin 1989. Typologische Untersuchung der Herrscherbildnisse, sehr gut in Zusammenschau mit jenen des Augustus (Boschung 1993) und des Tiberius (Hertel 2013). Quidde, L.: Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahn, Leipzig 1894. In mindestens 30 Auflagen erschienene Studie über Wilhelm II., bewusst unzureichend kaschiert als Abhandlung über Caligula. Ronning, C.: Zwischen ratio und Wahn: Caligula, Claudius und Nero in der altertumswissenschaftlichen Forschung, in: Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte, hrsg. v. A. Winterling, München 2011, S. 253–276. Untersuchung moderner Biographien zu den genannten Kaisern und Erörterung der Frage nach dem wissenschaftlichen Sinn des biographischen Zugangs. Winterling, A.: Caligula. Eine Biographie, München 2003 (ND 2012). Versuch, in radikaler Weise mit den Zerrbildern der Quellen aufzuräumen. Winterling beschreibt einen Caligula, der den wahren Charakter der Regierungsform Prinzipat als Lüge und Heuchelei entlarvt, ihn konsequent zu Ende denkt und dabei fast schon modern und rational anmutet. Witschel, C.: ,Verrückte Kaiser‘? Zur Selbststilisierung und Außenwahrnehmung nonkonformer Herrscherfiguren in der römischen Kaiserzeit, in: Einblicke in die Antike. Orte – Praktiken – Strukturen, hrsg. v. C. Ronning, München 2006, S. 87–129. Caligulas Scheitern wird im Vergleich mit anderen negativen Kaiserfiguren als Folge einer Nichterfüllung von Erwartungshaltungen und Überbetonung des östlichen Gott-Kaisertums interpretiert. Yavetz, Z.: Caligula, Imperial Madness and Modern Historiography, Klio 78 (1996), S. 105–129. Bewusstes Abwenden von der Frage nach der Persönlichkeit des Caligula und Hinwendung zur Frage nach dem gesellschaftlichen Umfeld, insbesondere dem Senat, der diesen Herrscher duldete.

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VII. Claudius Überblick

D

ie Herrschaft des Claudius gilt als eine jener Phasen der julisch-claudischen Dynastie, die zur Stabilisierung des Prinzipatssystems und zur Prosperität des Reiches beitrugen. Unter schwierigen Umständen auf den Thron gehoben, gelang es Claudius, durch weitsichtige politische, ökonomische, soziale und rechtliche Maßnahmen, eigene Akzente mit langfristigen Konsequenzen zu setzen. Stärker noch als bei anderen Kaisern aus dieser Familie muss die Biographie des Claudius Eingang in das Thema finden, da sie erstens einen gänzlich unerwarteten

Verlauf nahm und niemals in der Rolle des Prinzeps enden sollte, zweitens aber vor allem den Blick der Quellen auf Claudius dominiert. Claudius’ physisches Handicap diente den antiken Autoren dazu, seine Herrschaft als passiv und ineffektiv abzuqualifizieren und ihn als willfähriges Instrument von Frauen und Freigelassenen darzustellen. Diesem Bild hat die moderne Forschung vor allem anhand dokumentarischer Quellen, aber auch durch neuere Beurteilungen von Machtstrukturen am Hof eine andere Perspektive entgegenzusetzen.

Zeittafel 1.8.10 v.Chr.

Geburt in Lugdunum (Lyon) in Gallien

1.7.–12.9.37 n.Chr.

consul suffectus

24./25.1.41 n.Chr.

Akklamation durch die Prätorianer, Anerkennung durch den Senat

43 n.Chr.

Triumph über Britannien

47 n.Chr.

ludi saeculares

47/48 n.Chr.

Censur

48 n.Chr.

Sturz der Messalina

49 n.Chr.

Heirat mit Agrippina der Jüngeren

25.2.50 n.Chr.

Adoption Neros

13.10.54 n.Chr.

Tod des Claudius

1. Der Herrschaftsantritt als Unfall? Der Kaiserbiograph Sueton vermittelt dem Leser seines Werkes den Eindruck, Claudius’ Herrschaftsantritt sei ein Unfall der Geschichte gewesen:

1. Der Herrschaftsantritt als Unfall?

„[…] die Herrschaft ergriff Claudius durch einen ganz seltsamen Zufall.“ (Suet. Claud. 10, 1) Diese angeblich zufällige und ungeplante Thronerhebung bildet bei dem Autor des 2. Jahrhunderts n.Chr. den logischen Beginn eines überwiegend desaströsen Abschnitts des Prinzipats. Suetons Claudius erweist sich als unfähig, das eigene Haus in Ordnung zu halten, wie sollte er das Reich als guter Prinzeps regieren können? Diese Sichtweise auf Claudius hat ihren Ursprung wiederum in den Schilderungen Senecas und anderer uns nicht mehr zugänglicher Zeitgenossen, die unmittelbar nach dem Tod dieses Kaisers damit begannen, seine Herrschaft zu verunglimpfen, und jede positive Seite negierten. Dies taten sie, indem sie Claudius auf seine physischen und psychischen Schwächen reduzierten. War Caligula ein kranker Geist gewesen, so wurde Claudius zum schwachen Charakter in einem deformierten Körper. Tatsächlich gibt es gute Gründe anzunehmen, dass Claudius’ Thronerhebung nicht ganz so zufällig war, wie es die Quellen darstellen. Vor allem die recht ausführliche Schilderung der Situation in den Tagen nach der Ermordung Caligulas durch den jüdischen Autor Flavius Josephus bietet einige Ansatzpunkte dafür, seine Rolle anders zu bewerten. Am 24. Januar 41 n.Chr. wurde Caligula von zwei Offizieren der Prätorianergarde in den Katakomben des Palastes ermordet. Sein Onkel Claudius war nach der Nachricht vom Mord geflüchtet und hatte sich im Palast hinter einem Vorhang versteckt, wurde aber von einem Prätorianer gefunden und als „Bruder des Germanicus“ begrüßt. Die Prätorianer brachten ihn in ihr Lager, wo er als imperator akklamiert wurde und sofort den Beinamen Caesar annahm – damit war für die Öffentlichkeit bereits deutlich sichtbar, dass Claudius zwei zentrale Elemente der Prinzipatsherrschaft unter seine Kontrolle gebracht hatte: die Prätorianer und die domus Caesaris. In der Zwischenzeit war der Senat zusammengetreten und diskutierte über die Gestaltung der zukünftigen Herrschaft: Einige plädierten für eine

93 Abb. 10 Marmorbüste von Kaiser Claudius, zwischen 37 und 54 n.Chr. Altes Museum, Berlin.

Zwischen republikanischer Fiktion und Realitäten des Prinzipats

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VII.

Claudius

Wiederherstellung der libera res publica, andere wollten einen Senatskaiser aus den eigenen Reihen an der Spitze des Staates sehen. Keine der beiden Optionen stand dabei jemals tatsächlich zur Disposition – vermutlich wussten das auch die Wortführer. Vor allem die Debatte um die Rückkehr zur freien Republik darf wohl als Manöver der Claudius-Fraktion verstanden werden, um einen Prinzeps aus den Reihen der Verschwörer zu verhindern. Die Fakten wurden nicht im Senat geschaffen, sondern in der Kaserne der Prätorianer. Claudius hatte sich die Macht durch ein Geldgeschenk von mindestens 15000 Sesterzen pro Mann bereits erkauft. Eine bald nach dem Januar 41 n.Chr. geprägte erste Münzserie des Claudius mit der Darstellung des Prinzeps im Handschlag mit einem Mitglied der Prätorianergarde und der Umschrift PRAETOR(ianis) RECEPT(is) („nach Aufnahme der Prätorianer in das Treuebündnis“) verdeutlicht die enge Bindung des neuen Herrschers an die Prätorianergarde. Dem Senat blieb letztlich keine Wahl, als seine Herrschaft durch die Übertragung der üblichen Kompetenzen und Titel anzuerkennen, lediglich den Titel pater patriae akzeptierte Claudius mit einiger Verzögerung erst im Januar 42 n.Chr. Abb. 11 Handschlag des Claudius mit einem Soldaten der Prätorianergarde und Umschrift PRAETOR RECEPT; RIC Claudius 11

Claudius’ Handicap

Claudius war wie kein Kaiser vor ihm darauf angewiesen, seine Herrschaft breit zu legitimieren. Ihm fehlte im Jahr 41 n.Chr. nahezu alles, was einen adäquaten Nachfolger im Prinzipat bis dahin ausgemacht hatte. Claudius war kein Mitglied der julischen Familie, sondern ein Claudier und somit abgeschnitten von der Legitimation über die Augustus-Linie. Er war daneben bis zum Jahr 41 n.Chr. – mit einer kurzen Ausnahme unter Caligula – ohne politisches Amt und ohne öffentliche Rolle in der kaiserlichen Familie gewesen. Immerhin war der im Jahr 10 v.Chr. in Lyon geborene Claudius ein Sohn des älteren Drusus und der Antonia Minor und damit ein jüngerer Bruder des Germanicus. Seine Großeltern waren M. Antonius und Octavia, die Schwester des Augustus. Dennoch war er niemals vor dem Jahr 41 n.Chr. auch nur erwähnt worden, wenn es um die Frage einer Nachfolge ging, was seine Ursache in einer körperlichen Beeinträchtigung des Claudius hatte. Sueton berichtet von seiner Kindheit, seiner Krankheit und der Reaktion seiner Familie.

1. Der Herrschaftsantritt als Unfall? Quelle Sueton über die Krankheit des Claudius und die Folgen (Suet. Claud. 2) […] als Knabe und junger Mann wurde er fast ständig von allen möglichen und hartnäckigen Krankheiten heimgesucht, so sehr, dass er geistig und auch körperlich zurückblieb und man ihn nicht einmal, als er älter war, für tauglich hielt, irgendeine öffentliche oder private Aufgabe zu übernehmen. Lange noch, auch nachdem er bereits mündig geworden war, konnte er nicht selbstständig Entscheidungen treffen und stand unter der Aufsicht eines Erziehers. Der war ein Barbar und ein ehemaliger Aufseher über die Lasttierknechte; solch einen Mann hatte man ihm mit Absicht an die Seite gestellt, damit er ihn wegen jeder Kleinigkeit möglichst grausam zurechtweise. Es gibt einen Brief, in dem er sich darüber beklagt. Seine schlechte gesundheitliche Verfassung war auch der Grund dafür, dass er bei einem Gladiatorenkampf, den er zusammen mit seinem Bruder zum Gedenken an seinen Vater veranstaltete, in einem Kapuzenmantel den Vorsitz führte, das hatte es noch nie gegeben. Auch am Tag, an dem er volljährig wurde, trug man ihn um Mitternacht in einer Sänfte ohne feierliche Zeremonie auf das Kapitol. (Übersetzung H. Martinet)

Die Auswirkungen der Krankheit waren gravierend: Stottern, Hinken, zuckende Bewegungen von Kopf und Gliedmaßen, fehlende Kontrolle über den Körper. Die Gründe dafür sind unbekannt, manche Historiker gehen von einer Frühgeburt aus, andere sprechen von einer Hirnhautentzündung in der frühen Jugend. Neueste medizinische Studien gehen aufgrund der beschriebenen Symptome von einer Krankheit aus, die heute als Dystonie bezeichnet wird. Stichwort

Dystonie als mögliche Erklärung der körperlichen Fehlfunktionen des Claudius Unter Dystonie versteht man eine Fehlfunktion die Kontrolle von Bewegungen betreffend, die vom Gehirn ausgeht und unbeeinflussbar ist. Die Folgen sind unwillkürlich auftretende Fehlhaltungen oder Fehlbewegungen, die sehr schmerzhaft sein können, z.B. Fehlhaltung des Kopfes, häufiges unregelmäßiges Blinzeln, gepresstes oder verhauchtes Sprechen, eine verkrampfte Hand beim Schreiben. Die Ursache von Dystonien liegt in einer Störung der Regulation der unbewussten Motorik im Bereich des Gehirns. (Quelle: Deutsche Dystonie Gesellschaft e.V.; www.dystonie.de/krankheitsbilder.html)

Bei Claudius trat diese Krankheit bereits früh auf und scheint sich auch auf seine Persönlichkeit ausgewirkt zu haben, zumindest beschwerte sich schon Augustus in Briefen über seinen sprunghaften Charakter. Er wurde von der Kaiserfamilie als Bedrohung ihres öffentlichen Images angesehen. Augustus schrieb in einem Brief an Livia, man dürfe der Öffentlichkeit nicht die Chance geben, sich über Claudius lustig zu machen, und damit die Kaiserfamilie der Lächerlichkeit preisgeben. Claudius wurde aus diesem Grund eine offizielle Rolle verwehrt, und er war bis zum 1. Juli 37 n.Chr. lediglich dem Ritter-

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VII.

Claudius

stand zugehörig. Sein wenige Wochen andauerndes Suffektkonsulat unter Caligula blieb Episode. Sein Handicap scheint allerdings keinen Einfluss auf seine kognitiven Fähigkeiten gehabt zu haben, denn Claudius betrieb intensive wissenschaftliche Studien, die unter anderem in einem umfangreichen Werk zur Geschichte der Etrusker ihren Niederschlag fanden. Trotz seiner Zurückstellung durch die Familie bei der Besetzung öffentlicher Ämter oder der Nachfolgefrage wurde er für dynastische Ehen eingesetzt und insgesamt dreimal verheiratet. Seit dem Jahr 39 n.Chr. war Valeria Messalina seine Gemahlin, eine Frau aus der höchsten patrizischen Aristokratie, die – im Gegensatz zu Claudius – auf eine Verwandtschaft mit Augustus verweisen konnte. Aus dieser Ehe war bereits eine Tochter, Octavia, hervorgegangen; kurz nach dem Herrschaftsantritt des Claudius brachte Messalina einen Sohn zur Welt, den späteren Britannicus. Diese Kinder, die über ihre Mutter mit dem ersten Prinzeps Augustus verwandt waren, könnten von Caligula durchaus als Bedrohung der eigenen Familiennachfolge angesehen worden sein.

2. Claudius: Ein Historiker mit Handicap und Vision a. Auf der Suche nach auctoritas Verschwörungen

Claudius war vom Tag seines Herrschaftsantritts an auf der Suche nach Machtabsicherung und breiter Legitimation. Dass seine Macht alles andere als sicher war, zeigte sich bereits in den ersten Monaten des Jahres 41 n.Chr. Allein vier Verschwörungen wurden aufgedeckt und niedergeschlagen, darunter ein Aufstand der Legionen in Dalmatien, der angeführt wurde von Lucius Arruntius Camillus Scribonianus, Konsular, legatus Augusti pro praetore in der Provinz Dalmatia und einer jener einflussreichen Legionskommandanten, die vom Putsch gegen Caligula überrascht worden waren und nur zähneknirschend die Einsetzung des Claudius akzeptiert hatten. Für diese erfahrenen Militärs, zu denen sicherlich auch der Kommandeur der Rheintruppen, Servius Sulpicius Galba, zählte, musste die Thronbesteigung eines politisch und militärisch unerfahrenen Außenseiters ein Affront sein. Aber auch aus der eigenen Familie und aus den Reihen des Senats sah sich Claudius in den Jahren 41 und 42 n.Chr. Putschversuchen gegenüber. Appius Iunius Silanus, ein Mitglied der angesehenen patrizischen gens Iunia, ehemaliger Konsul unter Tiberius, früherer Statthalter der Provinz Hispania Tarraconensis und Ehemann von Messalinas Mutter, Domitia Lepida – selbst eine Großnichte des Augustus –, plante den Umsturz und die Übernahme der kaiserlichen Position, seine Pläne wurden aber verraten und er wurde von Claudius in einem nichtöffentlichen Prozess verurteilt und hingerichtet.

2. Claudius: Ein Historiker mit Handicap und Vision

Claudius favorisierte vor allem seine familiären Traditionen und das Vorbild des Augustus als Legitimationsbasis. Seine Eltern, Drusus der Ältere und Antonia Minor, aber auch sein Bruder Germanicus wurden durch Spiele an ihren Geburtstagen geehrt, seine 29 n.Chr. verstorbene Großmutter Livia am 17. Januar 42 n.Chr. als zweite Frau nach Drusilla zur Diva Augusta erhoben und unter die Staatsgötter aufgenommen. Ungewöhnlich und vielleicht ein Zeichen an die republikanisch gesinnten Senatoren war die Rehabilitation seines Großvaters Marcus Antonius. Insbesondere in der Münzprägung standen die augusteischen Personifikationen im Zentrum: libertas Augusta, pax Augusta, constantia Augusta. Als Versuch, sich von der Herrschaft des Caligula zu distanzieren, müssen sicherlich auch die Rückholungen verbannter Familienmitglieder und Senatoren, darunter die Caligula-Schwestern Agrippina und Julia Livilla, verstanden werden. Claudius grenzte sich deutlich von den Selbstvergöttlichungstendenzen des Caligula ab. Ein Brief an die Alexandriner, der als Antwort auf eine Gesandtschaft der ägyptischen Stadt anlässlich seiner Thronbesteigung verfasst wurde und in Form eines Papyrus erhalten blieb, erweist sich als aufschlussreiches Dokument seiner persönlichen Haltung. Quelle Brief des Claudius an die Alexandriner (10.11.41 n.Chr.) (P. Lond. 1912) Deshalb nehme ich mit Freuden die mir von euch erwiesenen Ehren an, obwohl ich solchen Dingen nicht sehr zugänglich bin. Zuerst erlaube ich euch, meinen Geburtstag als dies Augustus zu feiern, wie ihr es vorgeschlagen habt, und ich stimme der Errichtung von Statuen meiner Person und meiner Familie an ihren verschiedenen Plätzen zu; denn ich sehe, dass ihr sehr gerne auf diese Weise Gedächtnisstätten eurer Verehrung für mein Haus erbauen wollt. Von den beiden goldenen Statuen soll die eine, die die Pax Augusta Claudiana darstellt, wie mein sehr geschätzter Barbillus vorschlug und mich drängte, als ich es aus Furcht, sie könnte prahlerisch erscheinen, abschlagen wollte, der Roma geweiht werden, und die andere soll, wie ihr es wünscht, an Namenstagen bei euch in der Prozession getragen werden; und mit ihr soll ein Thron getragen werden, der mit Schmuck nach eurem Wunsch versehen sei. Vielleicht wäre es töricht, gleichzeitig solche Ehrungen anzunehmen, aber die Einrichtung eines claudianischen Stammes zu untersagen und die Anlage von Hainen nach ägyptischer Art zu verbieten; weshalb ich euch auch diese Bitte erfülle, und wenn ihr wollt, mögt ihr auch die von Vitrasius Pollio, meinem Prokurator, geschenkten Reiterstatuen aufstellen. Was die Errichtung der Statuen mit Viergespannen betrifft, die ihr am Eingang des Landes für mich aufzustellen wünscht, erlaube ich, dass eine bei Taposiris, der lybischen Stadt dieses Namens, eine andere bei Pharus bei Alexandria und eine dritte beim ägyptischen Pelusium aufgestellt werde; aber ich billige nicht die Ernennung eines Oberpriesters für mich und den Bau von Tempeln; denn ich wünsche nicht bei meinen Zeitgenossen Anstoß zu erregen, und meine Ansicht ist, dass Heiligtümer und ähnliches allein ein Vorrecht der Götter sind, das ihnen zu allen Zeiten gebührt. (Übersetzung C.K. Barrett)

97 Dynastische Legitimation

Abgrenzung von Caligula

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VII. Ägypten

Claudius

Claudius vermied also selbst in der Provinz alle Ehrungen, die an jene nun als Hybris definierte Vergöttlichung des Caligula erinnerten. Aber dieser Brief muss auch als ein erstes Zeugnis des politischen Programms des Claudius gedeutet werden. Die Ablehnung der höchsten Ehren von Oberpriester und Tempel in Alexandria ist eine Fortschreibung des Sonderstatus’ dieser Provinz, der seit Augustus zu den Herrschaftsprinzipien gehörte: Das Verbot eines provinzialen Kultes ist gleichzusetzen mit dem Verbot einer repräsentativen Vertreterversammlung der provinzialen Elite, eines Provinziallandtages. Der im Ton so wohlwollend daherkommende Brief des Claudius ist eine Zementierung der politischen Entrechtung der Provinz Ägypten. Nach den Vorstellungen des neuen Prinzeps Claudius sollte Ägypten auch in Zukunft lediglich einen Zweck erfüllen, nämlich durch seine Reichtümer die Macht der herrschenden Familie zu sichern. Stichwort

Provinziallandtag (griech. koinon / lat. concilium) Versammlung von Vertretern der Städte und Gemeinden, der Stämme und Ethnien, also der Konstituenten einer Provinz, die sich einmal jährlich trafen, um Opfer und Spiele für den Kaiser zu zelebrieren. Neben diesen religiösen Aufgaben besaßen sie aber auch politische Rechte (Repetundenklagen), trugen zur Herausbildung einer provinzialen Identität bei und hatten ein oft unterschätztes ökonomisches Potential.

b. Das kaiserliche Bauprogramm und die Sorge für die annona In der Regierungszeit des Claudius begann erstmals seit Augustus wieder ein großes kaiserliches Bauprogramm. Bereits in den antiken Quellen wird dabei die Zweckgerichtetheit, aber auch die Prestigehaftigkeit der Bauten betont. Quelle Sueton über die Bautätigkeit des Claudius (Suet. Claud. 20, 1) Er hat eher große und zweckdienliche als viele Bauten errichten lassen; aber wohl am bedeutendsten waren die folgenden: der Aquädukt, den Caligula begonnen hatte, ferner der Abflusskanal des Fuciner Sees und der Hafen von Ostia; er ließ diese bauen, obwohl er wusste, dass der eine Bau von Augustus den Marsern, die ihm deswegen mit ihren Bitten ständig in den Ohren gelegen hatten, abgelehnt worden war und der andere Bau vom göttlichen Iulius mehr als einmal geplant und schließlich wegen Schwierigkeiten aufgegeben worden war. (Übersetzung H. Martinet)

Fuciner See

Kaiser Claudius ließ ab 41 n.Chr. unter enormen Kosten einen Abfluss für den Fuciner See, das größte Binnengewässer Mittelitaliens in der Antike, bauen,

2. Claudius: Ein Historiker mit Handicap und Vision

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durch den das fruchtbare Land in Ufernähe für den Ackerbau erschlossen und gleichzeitig der Wasserspiegel des Sees reguliert werden sollte. Nach antiken Berichten trat der See regelmäßig während der Schneeschmelze im Frühjahr über die Ufer und überflutete weite Gebiete des flachen Umlandes. Mit diesem Projekt, dessen Realisierung bereits Caesar anvisiert haben soll, bot sich für Claudius die Chance, die Abhängigkeit Italiens und vor allem Roms von Getreide aus den afrikanischen Provinzen und aus Ägypten zu minimieren. Quelle Die Regulierung des Fuciner Sees (Suet. Claud. 20, 3) Die Arbeiten am Fuciner See nahm er in Angriff, weil er sich davon gleichermaßen materiellen Gewinn als auch Ruhm versprach, da einige Leute die Zusage machten, auf eigene Kosten das Wasser abzulassen, wenn ihnen als Gegenleistung das trockengelegte Gebiet überlassen werde. Auf eine Strecke von viereinhalb Kilometer musste teils der Berg durchstochen, teils gesprengt werden; der Kanal wurde nur mit Mühe fertiggestellt und zwar nach elf Jahren, obwohl ständig dreißigtausend Leute ohne Unterbrechung am Werke waren. (Übersetzung H. Martinet)

Die antiken Quellen geben einen Eindruck davon, welche Ingenieurleistung die Ableitung dieses Sees darstellte, aber auch welche Schwierigkeiten damit verbunden waren und welche Ressourcen verschlungen wurden. Während der ältere Plinius die technische Seite zu würdigen weiß, betten die übrigen Autoren, allen voran Tacitus und Sueton, das letztliche Scheitern dieses Projektes in das allgemeine Scheitern des Kaisers Claudius ein und lassen es in einem Akt des Misslingens bei der Einweihung des Kanals gipfeln. Tatsächlich schlug das Projekt in erster Linie wegen der enormen Kosten fehl, die durch die Nutzung des gewonnenen Landes nicht gedeckt wurden. Zum Zweiten bot ein solches Großprojekt vielfältigen Raum für Korruption und Misswirtschaft, die in den Quellen mit dem Namen des kaiserlichen Freigelassenen Narcissus verbunden werden. Er soll sich persönlich bereichert haben und legte damit für die senatorische Geschichtsschreibung einmal mehr die Schwachstelle des claudischen Regiments offen. Unter Claudius wurde die Zuleitung von Frischwasser in die Stadt Rom enorm ausgebaut. Mit den Aquaedukten setzte Claudius Bauprojekte fort, die Caligula bereits im Jahr 38 n.Chr. begonnen hatte. Er ließ zunächst die von Marcus Agrippa errichtete Aqua Virgo wieder in Stand setzen und vollendete mit der Aqua Claudia und dem Anio Novus zwei weitere Aquaedukte, die insgesamt eine Länge von über 90 Kilometern aufwiesen. Die Gesamtkosten für die Neubauten sollen bei 350 Millionen Sesterzen gelegen haben. Claudius reorganisierte auch die für das Management der Wasserversorgung zuständige familia aquarum, verdoppelte ihre Größe auf beinahe 500 Mann und erweiterte die administrative Spitze, indem er zusätzlich zu den senatorischen curatores aquarum einen ritterlichen procurator aquarum einsetzte.

Die neuen Aquaedukte

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VII. Der Hafen von Ostia

Abb. 12 Der neue Hafen von Ostia in der Münzprägung Neros, Sesterz, Rom 54–68 n.Chr., RIC I2 178; Umschrift AVGVSTI PORTVS SC; dargestellt ist der Hafen von Ostia in der Vogelperspektive, sieben Schiffe liegen vor Anker, oben Neptun, unten der Flussgott Tiber.

Claudius

Die Verbesserung der Versorgung Roms mit Getreide war stets ein Parameter, der den Erfolg einer Kaiserherrschaft messbar machte. So hatte sich eine der gefährlichsten politischen Situationen in der Herrschaft des Augustus im Jahr 22 v.Chr. aus einer Versorgungskrise mit ägyptischem Getreide entwickelt, und so war Caligulas Schiffsbrücke über den Golf von Baiae nicht nur als hypertrophe Geste eines despotischen Herrschers auf Kritik gestoßen, sondern sie soll auch die Getreideversorgung Roms gefährdet haben. Daher war das große Hafenbauprojekt des Claudius eine für die Absicherung der Herrschaft notwendige infrastrukturelle Maßnahme. Claudius demonstrierte damit wie kaum ein Kaiser vor ihm die Fürsorge für die römische plebs und ihre Anliegen. Ostia, das in seiner Bedeutung für die Versorgung Roms bislang hinter der am Golf von Baiae gelegenen Stadt Puteoli zurückgestanden hatte, wurde zum wichtigsten Hafen der Hauptstadt ausgebaut. Dieses Projekt war unbestritten eines der ambitioniertesten kaiserlicher Bautätigkeit im 1. nachchristlichen Jahrhundert. Zunächst sorgte Claudius für eine Erweiterung der bisherigen Hafenkapazitäten von Ostia, um auch größeren Schiffen eine ungehinderte Zufahrt zu ermöglichen. Der alte Flusshafen von Ostia, der allmählich durch die Sedimente des Tiber verlandete und eine unsichere Wasserführung hatte, wurde durch einen neuen Hafen etwa 2 Kilometer nördlich der Tibermündung ersetzt. Das neue Hafenbecken, das entlang einer Küstenlagune entstand und so die natürlichen Gegebenheiten nutzen konnte, umfasste nach der Fertigstellung eine Grundfläche von 80 Hektar und hatte eine durchschnittliche Wassertiefe von rund 5 Metern. Dieser neue Hafen war durch einen großen Wellenbrecher von etwa 800 Metern Länge und 3 Metern Breite vom Meer getrennt und sollte so Schutz vor Stürmen bieten. Als Kopf des Wellenbrechers verwendete man ein großes Transportschiff, das aus Alexandria stammte und in der Regierungszeit des Caligula einen großen Obelisken nach Rom geliefert hatte. Es wurde mit Beton gefüllt, anschließend versenkt und bildete so eine ausreichend große Plattform, auf der ein weithin sichtbarer vierstöckiger Leuchtturm thronte, der ähnlich dem berühmten Pharos von Alexandria als

2. Claudius: Ein Historiker mit Handicap und Vision

Sinnbild des neuen Hafens galt und das Ansteuern der Hafeneinfahrt auch während der Dunkelheit ermöglichte. Mit diesen prestigeträchtigen Großbauten gelang es Claudius, sich in der öffentlichen Meinung in die Tradition eines Caesar und Augustus zu stellen, seine Sorge für das Gemeinwohl, vor allem die plebs zu demonstrieren und nicht zuletzt ein ökonomisches Investitionsprogramm zu starten. Er ließ mit diesen Projekten aber auch einen an ihm immer wieder zu beobachtenden pragmatischen Zug erkennen. Claudius’ Zugang zur Welt war der eines Historikers, der vielleicht die längerfristigen Erfolge derartiger Großprojekte besser einzuschätzen wusste und sie ebenso erfolgreich inszenierte wie kurzfristig angelegte Massenspektakel, denen er ebenfalls viel abgewinnen konnte. Wie Claudius seine Ideen einerseits aus historischer Anschauung entwickelte, andererseits Vergangenes in die Zukunft projizierte, lässt sich unter anderem an der regulativen Baugesetzgebung aus seiner Zeit ablesen. Dazu muss man sich vor Augen halten, dass es die römischen Autoritäten traditionell vermieden, regulierend in die private Bautätigkeit einzugreifen. Seit den frühesten Zeiten der römischen Republik hatte sich im römischen Rechtsdenken eine Haltung herausgebildet, die dem Privateigentum höchste Priorität zuerkannte. Obwohl die Zustände teilweise skandalös und lebensgefährlich waren, vermied man es von staatlicher Seite, strikte Bauvorgaben zu erlassen. Erst mit Beginn der Kaiserzeit änderte sich dies in Ansätzen. Eine erste staatliche Baugesetzgebung lässt sich unter Kaiser Augustus nach einem Brand in Rom im Jahr 6 n.Chr. feststellen. Allerdings waren diese Eingriffe äußerst sparsam. Sie betrafen lediglich Neubauten und diese auch nur dann, wenn sie Anrainer öffentlicher Straßen waren. Seit Kaiser Claudius werden neue Leitlinien sichtbar. Zwei vollständig überlieferte Senatsbeschlüsse zur Baugesetzgebung im Bereich der Privatbauten zeigen, dass die Eingriffe staatlicherseits zunahmen und man verstärkt gegen Bau- und Grundstücksspekulation vorging, die weit verbreitet war. Das Senatus consultum Hosidianum aus dem Jahr 45 n.Chr. bekämpfte ein offensichtlich weit verbreitetes Phänomen spezifisch antiker Bauspekulation. Das Gesetz verbot den Kauf von Häusern zum Zweck der Ausschlachtung wertvoller Baumaterialien, wandte sich aber auch explizit gegen Grundstücksspekulation. Bemerkenswert ist es, weil ausdrücklich hervorgehoben wird, dass es auf eine Initiative des Kaisers Claudius zurückging. Wir haben es hier mit einem Gesetz zu tun, das eine staatliche Intervention in den privaten Bausektor darstellte. Der Kaiser griff damit regulierend in ein ökonomisches Feld ein, das von den Senatoren dominiert wurde, die ihr Einkommen eben nicht nur aus dem agrarischen Sektor zogen, sondern zu großen Teilen auch aus dem Immobiliengeschäft in Rom. Zum vollständigen Bild der Bautätigkeit des Claudius gehört ebenfalls die Erwähnung seiner im gesamten Reich durch zahlreiche Meilensteine belegten

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Baugesetzgebung des Claudius

Straßenbau

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VII.

Neuorganisation der annona

Claudius

Straßenbauprojekte. So ließ er beispielsweise mit der via Claudia Augusta eine Reichsstraße ausbauen, die als Verbindung zwischen Oberitalien und der in Süddeutschland gelegenen Provinz Raetien zentrale militärische und strategische Bedeutung für die Kontrolle des Voralpenraumes, aber auch die Sicherung der gesamten Rhein-Donau-Linie erlangte. Von einer Neuorganisation war auch die annona betroffen, die staatlich organisierte Getreideversorgung der ca. 200000 Menschen umfassenden plebs frumentaria, also jener Menge an römischen Bürgern, die Anspruch auf eine Versorgung mit kostenlosem Getreide hatten. Die Sicherstellung der regelmäßigen Getreidespenden und damit auch die Abwendung von politischen Gefahren durch Hungersnöte war seit der Übernahme der cura annonae durch Augustus 22 v.Chr. zu einem Indikator der realen Beziehung zwischen plebs und Prinzeps geworden, bildet sich aber vor allem in den Quellen als Gradmesser guter Herrschaft ab. In der Sicherstellung der annona lag ein Schlüssel für die Akzeptanz, im Auftreten von Versorgungsengpässen immer auch eine Gefahr für die kaiserliche Herrschaft. Claudius wurde mit diesem Problem bereits in den ersten Tagen nach Herrschaftsantritt konfrontiert. Einige Quellen berichten, dass die Getreideversorgung der Stadt nur mehr für eine Woche gewährleistet war. Der neue Prinzeps reagierte umgehend und zahlte Prämien für jene Transportunternehmen, die die gefährliche Überfahrt von Ägypten auch in den Wintermonaten wagten. So wurde die Fürsorge für die Getreideversorgung für Claudius während der gesamten Zeit seiner Regentschaft zu einem zentralen Anliegen, was sich in baulichen wie administrativen Weichenstellungen niederschlug. Neben der bereits angesprochenen Hafenerweiterung in Ostia schuf Claudius soziale Anreize und rechtliche Privilegien für den Bau großer Transportschiffe mit einer Ladekapazität von 70 Tonnen. So sollten Bürger, die in den Bau dieser Schiffe investierten und sie für sechs Jahre betrieben, Ausnahmeregelungen von den augusteischen Ehegesetzen erhalten. Peregrini (Freie ohne römisches Bürgerrecht) wurden sogar mit der Aussicht auf das römische Bürgerrecht zum Bau solcher Schiffe animiert. Auch die Verteilung des Getreides in Rom wurde neu geregelt. Augustus hatte diese Aufgabe zunächst zwei senatorischen praefecti frumenti dandi übertragen und sie gegen Ende seiner Herrschaft einem ritterlichen Präfekten in die Hände gelegt. Claudius änderte dieses offensichtlich unzureichend organisierte System und unterstellte die Getreideversorgung Roms einem kaiserlichen Prokurator. Diese verschiedenen Eingriffe in die annona, die letztlich zu einer grundlegenden Reorganisation des Systems führten, stellen sich aus heutiger Perspektive als eine Herrschaftsmaßnahme dar, die ein reflektiertes Gespür für notwendige und weitsichtige Maßnahmen erkennen lässt.

3. Eine neue Provinz – Britannien

c.

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Rechtsprechung

Zu jenen Bereichen der Herrschaft, die Claudius ein persönliches Anliegen waren und die zumindest in Ansätzen positiv in den Quellen vermerkt werden, gehört die Rechtsprechung. Der Prinzeps galt als unermüdlich im Hinblick auf die eigene Tätigkeit als Richter, unternahm aber auch Vorstöße für die Verbesserung der allgemeinen Rechtssicherheit. Generell hatte jeder Bürger das Recht, sich an den Kaiser zu wenden. Claudius’ Rechtsprechung galt als moderat und gerecht, diente aber den Autoren des 2. Jahrhunderts n.Chr. auch dazu, seine Persönlichkeit als sprunghaft und unzuverlässig zu charakterisieren. Quelle Claudius als Richter (Suet. 14) Nicht immer ist er dem Buchstaben des Gesetzes gefolgt; die Strafen fielen vielmehr hart oder milde aus, je nachdem wie es ihm recht und billig schien, nämlich so wie ihn der jeweilige Fall berührte. Denn er ließ sogar für solche Leute den Prozess wieder aufnehmen, die bei privaten Richtern den Prozess verloren hatten, weil sie zu hohe Forderungen gestellt hatten; hatte er Leute eines schwereren Vergehens überführt, lag sein Strafmaß über dem, was das Gesetz vorsah, sie wurden verurteilt, in der Arena mit den wilden Tieren zu kämpfen. (Übersetzung H. Martinet)

3. Eine neue Provinz – Britannien All diese Infrastrukturmaßnahmen, die zum großen Teil unmittelbar nach dem Antritt seiner Herrschaft begonnen wurden, konnten allerdings über ein gravierendes Problem nicht hinwegtäuschen: die fehlende militärische Legitimation dieses Kaisers. Spätestens der Aufstand des Scribonianus in Dalmatien hatte gezeigt, dass es ihm gelingen musste, die Legionen und ihre Kommandeure mit seinem Prinzipat auszusöhnen. Dies war umso notwendiger, als jene direkten männlichen Verwandten, auf die er sich stets berief – Männer wie sein Vater Drusus der Ältere oder sein Bruder Germanicus –, vor allem aufgrund ihrer militärischen Erfolge eine herausragende Stellung im kollektiven Gedächtnis der Römer einnahmen. Daher lenkte Claudius seine Aufmerksamkeit auf Britannien und damit auf ein Gebiet, dessen Eroberung wenige Jahre zuvor unter Caligula misslungen war, das allerdings bereits seit gut 100 Jahren im Fokus des militärischen Interesses der Römer stand. Bereits Caesar hatte während seiner gallischen Statthalterschaft zweimal eine Invasion der Insel unternommen und einige Stämme der Briten unterworfen. Die innere Situation in Britannien bot den Römern im Jahr 43 n.Chr. die Möglichkeit einzugreifen. Im 1. Jahrhundert v.Chr. waren größere Gruppen

Notwendigkeit militärischer Legitimation

Britannien

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VII.

Triumph

Claudius

von Galliern vor den Römern auf die Insel geflohen, unter ihnen ein gallischer Adeliger namens Commius, der das Königreich der Atrebaten begründet hatte. Zur Zeit des Claudius regierte dessen Sohn Verica, den die Römer als rex anerkannt hatten. Wesentlich einflussreicher war das Reich der Catuvellauni mit dem Zentrum um Verulamium, die unter dem König Cunobellinus ihren Einfluss über die Themse in Richtung Südosten erweiterten. Während Cunobellinus im Einklang mit römischer Politik stand, änderte sich die Lage nach seinem Tod unter seinen Söhnen Caratacus und Togodumnus. Sie fielen in das Gebiet des Stammes der Atrebaten ein, dessen König Verica auf den Kontinent floh. Claudius nutzte diese inneren Streitigkeiten als offiziellen Kriegsgrund und entsandte im Jahr 43 n.Chr. A. Plautius mit vier Legionen und etwa 1000 Schiffen nach Britannien. Er eroberte das Gebiet bis zur Themse, ließ Straßen und Brücken errichten und bereitete so die Ankunft des Kaisers vor, der selbst erst nach Abschluss der Eroberungsphase zur Siegesfeier in Camulodunum eintraf. Sein eigentlicher Aufenthalt in Britannien währte nur 16 Tage. Das Ziel war aber erreicht, Britannien wurde zur neuen römischen Provinz erklärt, noch unter Claudius richtete man in der neugegründeten Colonia Claudia Camulodunum einen Provinziallandtag (concilium) ein, der sich unter dem Vorsitz eines Priesters (sacerdos) regelmäßig am neuerrichteten Tempel für Claudius und Roma traf. Gerade mit der Maßnahme, Provinziallandtage einzurichten und bei den provinzialen Eliten so einerseits über den Kult des Kaisers Loyalität zu erreichen, andererseits durch die Aussicht auf prestigeträchtige Ehrenposten, wie jenen des provinzialen Kaiserpriesters, stellte sich Claudius ganz in die Nachfolge des Augustus, der dieses Instrument der Herrschaftssicherung gezielt und mit Erfolg eingesetzt hatte. Claudius konnte Anfang des Jahres 44 n.Chr. seinen Triumph über Britannien feiern. Die Siegesfeierlichkeiten wurden von ihm geradezu zelebriert, da er nun in seinem eigenen Selbstverständnis an die Familientradition anknüpfen konnte und zu den Leistungen seines Vaters und Bruders aufschloss. In der Münzprägung trat der neue Sieg gleichwertig neben die früheren Siege der Familienmitglieder und ebenso wie der Name Germanicus in der Familie zu einem erblichen cognomen geworden war, sollte auch Britannicus diese Bedeutung in der Zukunft haben. Der 41 n.Chr. geborene Sohn des Claudius erhielt im Herbst 43 n.Chr. den neuen Beinamen und wurde zu T. Claudius Caesar Britannicus. Im gesamten Reich fand die Eroberung ihren Niederschlag. Eines der aussagekräftigsten Beispiele findet sich in Aphrodisias in Karien, wo ein Relief die Unterwerfung Britanniens, allegorisch dargestellt als Frauenfigur, eindrücklich versinnbildlichte. Claudius stellte sich mit dieser Eroberung einmal mehr in die Tradition des Augustus, der die Eroberung und Provinzialisierung der Alpen 16/15 v.Chr. ebenfalls zum Anlass genommen hatte, sein Image als Welteroberer in der Nachfolge Alexanders des Großen zu stilisieren.

4. Bürgerrechtspolitik und der Umgang mit den Provinzen

Der im Wissen um historische Bezugspunkte geschulte Kaiser griff in der Umsetzung des militärischen Sieges in öffentliches Prestige auf ein Ritual zurück, das an die Gründung der Stadt durch Romulus erinnerte, aber seit Caesar nicht mehr praktiziert worden war: Er erweiterte das pomerium.

105 Ausdehnung des pomerium

Stichwort

pomerium Sakrale Stadtgrenze Roms, welche die urbs, also das eigentliche Stadtgebiet, vom ager, dem umliegenden Territorium, trennte. Das ursprüngliche pomerium legte der mythische Stadtgründer Romulus fest, indem er in einem religiösen Ritual mit dem Pflug eine Furche – wohl um den Palatin – zog. Diese sakrale Grenze war von religiöser, politischer und militärischer Bedeutung. So trat bei Überschreiten des pomerium das imperium militiae in Kraft und erlosch ebenso wieder bei der Rückkehr. Die Kompetenz der Volkstribunen hatte ebenfalls nur innerhalb des pomerium Geltung. Es war nicht zulässig, Bestattungen innerhalb des pomerium vorzunehmen oder Kultstätten fremder Götter zu errichten. Eine Ausdehnung des pomerium war extrem selten und stand nur demjenigen zu, der das römische Territorium durch Eroberung vergrößert hatte.

4. Bürgerrechtspolitik und der Umgang mit den Provinzen Diese bewusste Adaption an die Vorbilder der Vergangenheit zeigte Claudius auch in anderen Bereichen. Er führte beispielsweise im Jahre 47/48 n.Chr. erstmals seit Augustus (13/14 n.Chr.) einen regelgerechten census durch und nutzte damit die Chance, eine ganze Reihe von ritterlichen Familien in den Senat aufzunehmen. Dabei handelte es sich häufig um angesehene Familien aus den Provinzen. Daneben erweiterte er auch das zahlenmäßig reduzierte Patriziat durch die Aufnahme neuer Familien. Hier präsentierte sich Claudius wiederum als Herrscher mit einer durchdachten politischen Agenda, der das Reich ganz im Sinne seiner Vorgänger Augustus und Tiberius regierte. Während Caligula eher das System der Klientelfürsten bevorzugt hatte, kehrte Claudius zur Maxime des Tiberius zurück und förderte die Provinzialisierung neuerworbener oder bisher unter dem Einfluss von Klientelherrschern stehender Gebiete. Er erweiterte damit den direkten Einfluss der römischen Administration erheblich. So wurde neben Britannien die Provinz Lykien 43 n.Chr. eingerichtet, nachdem innere Unruhen das Gebiet erschüttert und ein römisches Eingreifen nötig gemacht hatten. In Lykien wie in Britannien lässt sich die Einbindung der lokalen Aristokratie in die neuen Herrschaftsstrukturen nachvollziehen. Das bereits bestehende hellenistische Koinon wurde in eine nach dem bekannten römischen Muster organisierte Städtevereinigung

census

Provinzpolitik

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VII.

Aufnahme der Gallier in den Senat

Claudius

umgewandelt, die den provinzialen Kaiserkult als zentrale Funktion übernahm und an deren Spitze ein Kaiserpriester (Archiereus) stand. Seinen architektonischen Niederschlag fand der Kaiserkult im Bau eines Sebasteions (Kaiserkulttempel) innerhalb des lykischen Bundesheiligtums. Claudius richtete mit Mauretania Caesariensis und Mauretania Tingitana ebenfalls zwei neue Provinzen in Nordafrika ein. Auch hier waren Aufstände, die von Rom militärisch niedergeschlagen wurden, vorausgegangen. Während Lykien zu einer kaiserlichen prätorischen Provinz gemacht wurde, unterstellte man die beiden mauretanischen Provinzen ritterlichen Prokuratoren. Ebenso verfuhr Claudius mit Thrakien und Noricum – beides Klientelkönigreiche –, die jeweils zu einer prokuratorischen Provinz umgewandelt wurden. Auch der überweigende Teil Judäas wurde ab 44 n.Chr. einem kaiserlichen Prokurator unterstellt. Das authentischste, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten zu verstehende Zeugnis des Umgangs mit den Provinzialen stellt sicherlich die sowohl bei Tacitus als auch zumindest in Teilen im Wortlaut inschriftlich überlieferte Rede des Kaisers über die Aufnahme der gallischen Honoratioren in den Senat aus dem Jahr 48 n.Chr. dar. Offensichtlich hatten die im Provinziallandtag der Tres Galliae (concilium Galliarum) in Lyon versammelten Vertreter der gallischen Städte aus den drei gallischen Provinzen (Belgica, Lugdunensis und Aquitania) den Kaiser anlässlich der Zensur gebeten, den Würdigsten aus ihren Reihen das Recht zu geben, in den Stand der Senatoren aufgenommen zu werden. Sie forderten damit im Grunde nur das ein, was ihnen aufgrund ihres Status als römische Bürger und romanisierte provinziale Eliten zustand. Dieses Ansinnen stieß allerdings auf den Widerstand der Senatoren. Claudius setzte sich in einer Rede vor dem Senat für die Gallier ein, indem er die Fähigkeit zur Integration neuer Bevölkerungsgruppen in die römische Ordnung zum charakteristischen Erfolgskriterium des römischen Staates von seinen Ursprüngen an erklärte. Diese Rede, die aufgrund ihrer Bedeutung für die Provinzialen in wörtlicher Wiedergabe im Heiligtum des concilium Galliarum auf einer Bronzetafel ausgestellt war und dort 1528 gefunden wurde, offenbart nicht nur interessante Aspekte der weitsichtigen Provinzialpolitik des Claudius, sondern stellt auch eines der wenigen Dokumente dar, die Claudius als Menschen präsentieren. Eine deutlich gestraffte Version der Rede überliefert Tacitus im 11. Buch der Annalen. Inhaltlich befürwortete Claudius das Ansinnen der gallischen Notabeln unter Hinweis auf die römische Geschichte, berief sich auf Roms Gründungsmythen und auf das Vorbild des Augustus und des Tiberius, die jeweils Männer aus den Eliten des Reiches in den Senat aufgenommen hatten. Er betonte, dass bereits Männer aus der Gallia Narbonensis im Senat säßen, und bemühte nicht zuletzt das exemplum-Denken der Römer, um diese Neuerung nun auch für die Männer aus den Tres Galliae zu begründen. Daneben führte er als Argument an, die gallische Oberschicht sei inzwischen kulturell in einem Maß

4. Bürgerrechtspolitik und der Umgang mit den Provinzen

romanisiert, dass man ihr diese Bitte nicht abschlagen könne. Claudius machte deutlich, dass Veränderungen unter Beibehaltung der traditionellen Prinzipien richtig und nützlich seien, und erklärte die vorliegenden Neuerungen wiederum zum exemplum für die römische Nachwelt. Der Wortlaut der Inschrift führt allerdings einen Kaiser vor, dessen rhetorische Fähigkeiten in deutlichem Kontrast zu seinen inhaltlichen Argumenten stehen. Für nicht wenige moderne Historiker war diese Rede daher ausschlaggebend dafür, Claudius die Eignung zum Staatsmann abzusprechen und sämtliche positiven Auswirkungen seiner Herrschaft dem Wirken seiner Administration oder seiner Freigelassenen zuzusprechen. Quelle Die Rede des Claudius zur Aufnahme der gallischen Notabeln in den Senat (ILS 212 = CIL 13, 1668) In der Tat vor allem jene erste Überlegung der Leue, die, wie ich voraussehe, mir in erster Linie begegnen wird, bitte ich Euch fallenzulassen, damit Ihr nicht voller Entsetzen empfindet, dass dies als eine Neuerung eingeführt werde, vielmehr bitte ich Euch, eher daran zu denken, wie viel Neuerungen in dieser Stadt eingeführt wurden und zu wie vielen Formen und Verfassungen unser Staat, und zwar sogleich von Anbeginn unserer Stadt an, hingeführt wurde. Einstmals hatten Könige diese Stadt in ihrem Besitz; es gelang ihnen jedoch nicht, die Herrschaft über sie Nachfolgern aus ihrem Hause zu übertragen. Fremde traten an ihre Stelle und sogar Ausländer, so dass Numa, der aus dem Sabinerland kam, auf Romulus folgte; er war zwar uns benachbart, aber war damals ein Mann von auswärts. Ebenso folgte dem Ancus Marcius Tarquinius Priscus. Da [ihm] wegen seiner mit einem Makel behafteten Herkunft – er stammte nämlich väterlicherseits von Demarathus aus Korinth und mütterlicherseits von einer Frau aus Tarquinia, die zwar edlen Geblüts, aber verarmt war, so dass sie notgedrungen einen solchen Mann heiratete – in seiner Heimat die Übernahme der Ehrenämter verwehrt wurde, wanderte er nach Rom aus und errang die Königsherrschaft. […] Sicherlich führte man einen neuen Brauch ein, als der vergöttlichte Augustus, mein Großonkel, und mein Onkel Tiberius Caesar den Willen äußerten, die gesamte Blüte der Kolonien und Municipien von überall her, d.h. die besten und wohlhabendsten Männer, sollte in dieser Kurie einen Sitz erhalten. Wie? Ist uns nicht ein Senator aus Italien lieber als einer aus den Provinzen? Wenn ich anfange, diesen Teil meiner Zensorentätigkeit zu rechtfertigen, werde ich Euch durch Fakten zeigen, was ich darüber denke. Aber meiner Ansicht nach darf man nicht einmal Provinzialen zurückweisen, sofern sie nur das Ansehen der Kurie erhöhen können. […] Schon längst ist es Zeit, Tiberius Caesar Germanicus, den versammelten Vätern zu enthüllen, wohin Du mit Deiner Rede abzielst; denn Du bist schon an die äußersten Grenzen der Gallia Narbonensis gekommen. Seht diese vielen ausgezeichneten Männer, die ich vor Augen habe. Ihr braucht ebenso wenig zu bedauern, dass sie Senatoren werden, wie mein Freund, der hochedle Persicus, Bedauern empfindet, unter den Ahnenbildern seiner Vorfahren den Namen „Allobrogicus“ zu lesen. Wenn Ihr aber darin mit mir einer Meinung seid, was verlangt Ihr noch zusätzlich, dass ich Euch mit dem Finger darauf hinweise, dass sogar der Boden außerhalb des Gebietes der Narbonensis Euch schon Senatoren stellt, zumal wir, ohne es zu bedauern,

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VII.

Claudius Angehörige unseres Standes aus Lugdunum haben? Freilich, ein wenig zaghaft, versammelte Väter, bin ich über die Euch gewohnten, bekannten Grenzen der Provinzen hinweggeschritten, aber jetzt muss ich entschieden die Sache der Gallia Comata vertreten. Wenn jemand bei ihr auf den Umstand schaut, dass ihre Bevölkerung dem vergöttlichten Julius in einem zehnjährigen Krieg zu schaffen machte, dann möge er zugleich ihre hundertjährige unerschütterliche Treue dem entgegenstellen und ihren Gehorsam, der in vielen Krisen von uns mehr als erprobt worden ist. (Übersetzung H. Freis)

Der kurze Auszug kann in Ansätzen zeigen, wie fahrig, wenig stilsicher und mit welchen unnötigen Längen die Rede von Claudius vorgetragen wurde: Die von ihm verwendeten Beispiele sind nicht immer treffsicher gewählt. Er versteigt sich zu teilweise entehrenden Scherzen – etwa wenn er den Senator Paullus Fabius Persicus an einen Vorfahr mit dem vermeintlich gallischen Beinamen Allobrogicus erinnert, der diesen Namen aber, wie jeder wusste, als Siegesbeinamen trug. Selbst dem Ernst der Situation kaum angemessene Kalauer fehlen nicht, etwa wenn er die „Männer aus Lugdunum“, für die man sich nicht zu schämen brauche, anspricht und damit wohl einen Selbstbezug herstellt, war Lugdunum/Lyon doch sein eigener Geburtsort. Dass diese Rede keineswegs allein aus dem Grund gehalten worden sein dürfte, die Zweifler im Senat mit begründeten Argumenten zu überzeugen, sondern vielmehr auch eine Machtdemonstration des kaiserlichen Willens darstellte, dem die Zustimmung zu seinen Vorschlägen sicher war, zeigt am deutlichsten die Nichterwähnung des gallischen Aufstandes im Jahr 21 n.Chr. unter Julius Florus und Julius Sacrovir. Claudius überging dieses vielen sicherlich noch im Gedächtnis verhaftete Ereignis und erklärte stattdessen die Gallier zu treuen Verbündeten seit 100 Jahren. Damit setzte er sein Geschichtsverständnis zum Maßstab des politischen Handelns für das Reich. Im Ergebnis gewährte der Senat das erbetene Recht, allerdings beschränkte er es zunächst auf die Häduer. Trotz dieses in den persönlichen Belangen zweifelhaften Eindrucks der Rede fügt sie sich politisch in ein Gesamtkonzept im Umgang mit den Provinzen und ihren Bewohnern ein. Claudius wirkte stark auf deren Integration in das Reich hin und beförderte das Zusammenwachsen zu einer Reichsbevölkerung. Weitere Maßnahmen flankierten seine provinzialenfreundliche Bürgerrechtspolitik; eine Vielzahl neugegründeter Bürgerkolonien und Munizipien auch in abgelegenen Gegenden des Reiches gingen auf seine Initiative zurück. Die Integration der provinzialen Elite nicht zuletzt über die Provinziallandtage war ihm ein Anliegen und keine rein reaktive Politik. In diesem Sinne wurde Claudius ein Gestalter, wie Augustus es gewesen war, und stieß gerade mit diesen Maßnahmen zukunftsweisende Entwicklungen an.

5. Claudius und die Frauen oder Die Frauen des Claudius?

5. Claudius und die Frauen oder Die Frauen des Claudius? Während die Ergebnisse seiner Regierungszeit auf den Feldern der Bürgerrechts- und Provinzialpolitik beachtlich waren und selbst von kritischen Beobachtern durchaus anerkannt wurden, wird Claudius’ Bild in den Quellen wie in der modernen Forschung überschattet von familiären Ereignissen, die ein sehr schlechtes Licht auf diesen Kaiser werfen (sollen). Zentral ist dabei der Vorwurf, Claudius sei ein Spielball seiner Ehefrauen gewesen.

a. Die Kaiserfrauen durch die Augen antiker Autoren Die Frauen der römischen Kaiser begegnen uns in den Quellen in der Regel nicht als Individuen, sondern stets als Stereotype. Sie entsprechen entweder dem gesellschaftlichen Ideal, sind tugendsame Matronen, die ihre häuslichen Pflichten erfüllen, sich aber jeder Art öffentlicher oder politischer Einflussnahme enthalten, oder sie sind machtgierig, versuchen in die den Männern vorbehaltenen Bereiche der Macht einzudringen, zeigen männliche (und damit verwerfliche) Charaktereigenschaften und sind sexuell ungezügelte Wesen. Es muss vor allem als Ergebnis kluger Öffentlichkeitsarbeit des Augustus gesehen werden, dass seine Ehefrau Livia in der Außendarstellung die beschriebene positive Rolle einnahm und so zum Paradigma der römischen Kaisergattin avancierte. Quelle Das Ideal der römischen Ehefrau – Livias Selbstcharakterisierung (Cass. Dio, 58, 2, 5) [Livias Einfluss auf Augustus ergab sich daraus,] dass sie selbst peinlich auf ein sittlich einwandfreies Benehmen gesehen, gerne die Wünsche des Augustus erfüllt, sich nicht in seine Angelegenheiten gemischt und vor allem den Anschein erweckt habe, als höre und merke sie nichts von seinen Liebesaffären. (Übersetzung O. Veh) Das Gegenbild: Fulvia, die Ehefrau des M. Antonius, überschreitet durch das Geschlecht definierte Grenzen (Cass. Dio 48, 4, 1–3; 10, 3) Dies spielte sich damals ab, im Jahre darauf [41 v.Chr.] wurden dem Namen nach P. Servilius und L. Antonius Konsuln, in Wirklichkeit aber führten Antonius und Fulvia das Amt. Diese Frau […] missachtete nämlich Lepidus wegen seiner Trägheit und leitete die Geschäfte selbstständig, so dass sich weder der Senat noch das Volk mit irgendeinem Gegenstand befasste, der ihr missfiel. […] So war es dem Namen nach Antonius, der über die angeblich von ihm besiegten Völker einen Triumph feierte […], doch der wirkliche Triumphator hieß Fulvia. […] Zu diesem Zweck durchquerte Lucius in allen Richtungen das Land […], während Fulvia Praeneste in Besitz nahm und im Kreise ihr ergebener Senatoren und Ritter sämtliche Beratungen gemeinsam durchzuführen pflegte, ja sie ließ sogar überallhin, wo es nötig war, Weisungen ergehen. Und was sollte sich jemand darüber wundern, wo sie sich doch gewöhnlich mit einem Schwert gürtete, Parolen an die Soldaten ausgab und oft sogar Ansprachen an sie richtete […]. (Übersetzung O. Veh)

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VII. Frauen in den antiken Quellen

Claudius

Dass diese Bilder für die heutigen Leser der Quellen selten aufzulösen sind, liegt auch an der Tatsache, dass es in beinahe keinem Fall eigene Überlieferungen der Kaiserfrauen gibt. Sie treten stets durch die Augen der antiken Autoren in Erscheinung. Die nicht selten misogyne Haltung dieser Männer hat verschiedene Ursachen. Im Fall der senatorischen Geschichtsschreibung eines Tacitus oder Cassius Dio liegt ein Hauptgrund wohl darin, dass der nicht kontrollierbare Einfluss der Frauen auf die Kaiser die Machtstellung der ihn umgebenden Senatoren schmälerte, die für sich reklamierten, die Herrschaft gemeinsam mit dem Prinzeps auszuüben. Bei anderen Autoren, wie beispielsweise dem flavischen Hofdichter Juvenal, dem wir einige der bösartigsten Anekdoten über Messalina verdanken, bildete den Hintergrund wohl die Tatsache, dass es am Beginn der flavischen Epoche zu den karrierefördernden Themen zählte, Verunglimpfungen gegen bestimmte Kaiser – hier vor allem Nero und Caligula – und die Frauen des julisch-claudischen Hauses zum Thema der öffentlichen Debatte zu erheben. Diese Entwicklung lässt sich nicht nur bei Juvenal, sondern auch bei Martial oder Plinius dem Älteren zeigen. Dabei entwickelten sich bestimmte Stereotype, wie jener von der meretrix Augusta, der „kaiserlichen Hure“ (Juv. 6, 118), die dann von der nachfolgenden Geschichtsschreibung oder Biographie weitertransportiert und nicht selten noch ausgeschmückt wurden. Interessanterweise zählt in Senecas Schmähschrift gegen Claudius (Apokolok yntosis), die unmittelbar nach dessen Ableben 54 n.Chr. entstand, Messalina noch zu seinen unschuldigen Opfern. Der Beginn der flavischen Zeit markiert also eindeutig einen Einschnitt in der Neuausrichtung des Diskurses um die Mitglieder der julisch-claudischen Familie. Den dritten Grund kann man darin erblicken, dass sich das nächste Umfeld der Kaiser dem Autor einer historiographischen oder biographischen Darstellung immer anbot, als Spiegel der Befähigung oder des Versagens des jeweiligen Herrschers zu fungieren. Ein guter Kaiser ließ sich stets dadurch kennzeichnen, dass er seine domus kontrollierte, ein schlechter Kaiser wurde dagegen von seinem Umfeld, in der Regel den Frauen oder Freigelassenen, beherrscht. Die Faustformel lautete dabei: je sozial degradierter der Einfluss, umso schlechter der Kaiser. Eine Kaiserin wie Messalina, die sich angeblich freiwillig auf die allerniedrigste soziale Stufe einer Hafenprostituierten stellte, zog in der literarischen Interpretation auch den Kaiser mit sich hinunter. Eine letzte, aber nicht unwichtige Ursache der extrem negativen Beurteilung der Frauenfiguren in den Quellen ist eine grundsätzliche Ablehnung des Einflusses von Frauen auf öffentliche oder politische Prozesse. Die kulturelle Tradition der alten Republik, die sich hier fortsetzte, stand dabei im Widerspruch zu den Realitäten der Prinzipatsherrschaft, denn jede Monarchie muss notwendigerweise mit dem dynastischen Prinzip auch die Frauen in eine öffentliche Rolle stellen. Selbst wenn man ihnen keine tatsächliche politische

5. Claudius und die Frauen oder Die Frauen des Claudius?

Macht einräumte, nahmen die Frauen als kaiserliche Gemahlinnen, Mütter der Thronfolger und Repräsentantinnen der Familie öffentliche Rollen ein. Die Kaisergattin Messalina ist also aus den literarischen Quellen heraus nicht als eine real existierende Frau, sondern als literarische Rolle zu verstehen und entsprechend zu entschlüsseln. Dabei ist der Name der Messalina durch die antike Geschichtsschreibung hindurch gewissermaßen zum Prototyp einer sexuelle Normen verletzenden Kaiserin geworden. Tacitus, dessen Geschichtswerk für die frühen Jahre des Claudius leider verloren ist, der aber trotzdem reichlich Material über sie bereithält, ist neben Cassius Dio eine Hauptquelle. Dabei muss man sich aber immer vergegenwärtigen, dass gerade Tacitus mit den Annalen auch ein Sittengemälde zeichnen will, das die moralische Dekadenz und den Niedergang der aristokratischen Schicht in julisch-claudischer Zeit als Subtext mitformuliert. Messalina ist auch in der satirischen Überzeichnung des Dichters Juvenal eine ganz ihren sexuellen Trieben folgende Frau. Gerade in einigen Quellen zum Leben der Messalina offenbart sich ein unmittelbar nach ihrem Tod im Jahr 48 n.Chr. einsetzender Diskurs, der von ihrer Nachfolgerin an der Seite des Claudius, Agrippina der Jüngeren, angestoßen wurde, um die Ehelichkeit ihres Sohnes Britannicus in Zweifel zu ziehen. Messalina zu diffamieren, bedeutete auch ihrem Sohn die Legitimität abzusprechen und den neuen Adoptivsohn Nero in der Nachfolgefrage herauszustellen. Wirft man einen Blick auf die dokumentarischen Quellen, bietet sich ein vollkommen anderes Bild: Messalina erhielt genau wie Livia, die Ehefrau des Augustus, in den ersten Jahren der Kaiserherrschaft des Claudius höchste Auszeichnungen. Sie wurde mit den Ehrenrechten der Vestalinnen ausgestattet, mit Statuen geehrt, ihr Kopf zierte Münzen reichsweit, Gelübde wurden für sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Kindern abgelegt, Ehreninschriften für sie errichtet. Kein zeitgenössischer Bericht ist überliefert, der ihre Rolle in Frage stellte. Ihre Herkunft aus der Familie des Augustus war das Pfund, mit dem Claudius bei seinem Herrschaftsantritt wuchern konnte, sie gebar ihm einen Thronfolger, der seiner Macht Stabilität verlieh.

b. Valeria Messalina (ca. 20–48 n.Chr.) Messalina war die dritte Ehefrau des Claudius, sie war ca. 20 n.Chr. geboren und damit 30 Jahre jünger als ihr Mann. Zum Zeitpunkt der Eheschließung muss sie etwa 18 oder 19 Jahre alt gewesen sein, sie hatte im Jahr der Thronbesteigung des Claudius bereits eine Tochter geboren, 41 n.Chr. brachte sie einen Sohn, T. Claudius Caesar, den späteren Britannicus, zur Welt. Messalina stammte über beide Elternteile von der Augustus-Schwester Octavia ab, war also – im Vergleich zu Claudius – direkt mit Augustus verwandt, was für ihr Schicksal nicht unbedeutend ist. Die Machtstellung dieser Frau hing damit

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Messalina in den literarischen Quellen

Messalina in den zeitgenössischen dokumentarischen Quellen

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VII.

Der Sturz des Valerius Asiaticus …

… in der Deutung der Messalinafeindlichen Quellen …

… und als politische Intrige

Claudius

nämlich nicht allein von ihrer Ehe ab, sondern entsprang auch der eigenen Herkunft. Unter dem Einfluss Messalinas soll Claudius eine ganze Reihe potentieller Konkurrenten innerhalb und außerhalb des kaiserlichen Hauses beseitigt haben: So seine Nichte, die Germanicus-Tochter Julia Livilla, und den Ehemann seiner Schwiegermutter, C. Appius Iunius Silanus, im Jahr 42 n.Chr., die Enkelin des Tiberius, Julia, und einige mächtige Senatoren im Jahr 43 n.Chr., Marcus Vinicius 46 n.Chr. oder den eigenen Schwiegersohn C. Pompeius Magnus 47 n.Chr. Dass die Berichte über Messalina bewusst übertrieben und falsch sind, wird schon daran deutlich, dass ihr quasi alle politischen Morde der ersten Regierungsjahre zugeschrieben werden. Als Motive werden ihr dabei stets Machtgier, Eifersucht oder die Zurückweisung von Avancen unterstellt. Anhand der politischen Affäre um den Konsular Valerius Asiaticus, die von den antiken Autoren Tacitus und Cassius Dio überliefert wird, kann exemplarisch dargestellt werden, wie die Verantwortung am Sturz eines Mitgliedes der Hocharistokratie der Messalina zugeschrieben wurde, die tatsächlichen Abläufe aber in gänzlich anderer Weise rekonstruiert werden können. Asiaticus gehörte zu den führenden römischen Senatoren, er entstammte einer provinzialen Familie aus der römischen Kolonie Vienne in Gallien. Die antiken Autoren unterstellten Messalina, aus Habgier und Eifersucht eine Intrige gegen Asiaticus inszeniert zu haben: Ihr Ziel sei es gewesen, in den Besitz der römischen Gärten des Lucullus zu gelangen und die Ausschaltung einer Konkurrentin um die Gunst des berühmten Pantomimen Mnester zu erreichen. In der dem antiken Leser suggerierten Erklärung musste Valerius Asiaticus sterben, weil ihm die horti Luculli gehörten und weil seine Geliebte, Poppaea Sabina, mit ihm beseitigt werden sollte. Tatsächlich wurde Asiaticus im Jahr 47 n.Chr. verhaftet, wegen Disziplinlosigkeit in den von ihm kommandierten Truppenteilen sowie einer geplanten Reise zu den germanischen Heeren angeklagt und schließlich gemeinsam mit Poppaea Sabina zum Selbstmord gezwungen. Die Ereignisse werden von Tacitus alles andere als schlüssig dargestellt. Skepsis gegenüber der Erklärung, die Einflüsterungen der Kaisergattin hätten das Leben eines der einflussreichsten Senatoren beendet, ist angebracht. Asiaticus scheint viel eher die Herrschaft des Claudius bedroht zu haben, wofür auch die Anklagepunkte sprechen. Immerhin war er zweimal Konsul gewesen – eine seltene Ausnahme für einen Mann, der nicht der Kaiserfamilie angehörte – und war zudem ein ehemals enger Freund des Caligula, später vielleicht in seine Ermordung involviert. Valerius Asiaticus entstammte gallischem Adel und verfügte in diesem Milieu über großen Rückhalt und großen Besitz. Er war ein Vertrauter der Kaisermutter Antonia und sogar familiär mit der domus Augusta verbunden. Diese Verbindung hatte es ihm nach der Ermordung des Caligula Anfang 41 n.Chr. ermöglicht, eine führende Rolle in

5. Claudius und die Frauen oder Die Frauen des Claudius?

den Debatten des Senats um die Wiederherstellung der res publica einzunehmen und sogar als einer der senatorischen Aspiranten auf den Thron gehandelt zu werden. Für die These, die Asiaticus-Affäre sei eine hochpolitische Angelegenheit gewesen, spricht auch, dass der Bruder des Asiaticus in der Folge ebenfalls ums Leben kam und der Prätorianerpräfekt Crispinus nach dem Tod des Asiaticus eine Belohnung von 1,5 Millionen Sesterzen erhielt. Der Sturz des Asiaticus entsprang also mit großer Sicherheit nicht einer erotischen Laune der Messalina, sondern war die Beseitigung eines tatsächlichen oder vermeintlichen Konkurrenten um den Thron, der zu viel politische Macht, Reichtum, Prestige und vielleicht auch militärische Gefolgschaft angehäuft hatte und damit zu einer potentiellen Gefahr für Claudius und die herrschende Gruppe geworden war. Messalina war – wenn überhaupt – lediglich eine von mehreren beteiligten Personen, was insofern verständlich erscheint, als der Sturz des Claudius auch ihren Tod und das Ende aller Hoffnungen auf eine Thronbesteigung ihres Sohnes bedeutet hätte. Die Sicherung des Thronanspruchs ihres Sohnes Britannicus und die Sicherung der eigenen Stellung sind also Motive, die Messalinas Handeln rational erklärbar machen. Es liegt nah, diese Motive nun auch hinter jenen in enger zeitlicher Korrelation zur Affäre um Asiaticus stehenden Ereignissen 48 n.Chr. zu vermuten, die mit dem Tod der Messalina endeten. Bei Tacitus, wiederum die Hauptquelle des Geschehens, wird dieser ganze Komplex einmal mehr darauf reduziert, dass Messalina eine „an Wahnsinn grenzende Liebschaft“ (Tac. Ann. 11, 12, 1) mit dem designierten Konsul C. Silius begann. Die beiden sollen – so die antiken Quellen – sogar in der Abwesenheit des Claudius ein öffentliches Hochzeitsfest in Rom gefeiert haben. Die Ehefrau des Prinzeps heiratete also einen anderen Mann aus der römischen Hocharistokratie. Claudius, der sich in Ostia aufhielt und von all dem nichts bemerkt haben soll, wird erst durch seine Freigelassenen informiert und zu einer Reaktion gedrängt. Der Kaiser erscheint bei Tacitus zu keiner eigenen Handlung fähig, Narcissus – einer seiner Freigelassenen – bringt ihn ins Lager der Prätorianer, übernimmt für einen Tag das Kommando über die Garde, diese schwört Claudius ihre Treue und ermordet zunächst Silius und seine Komplizen, dann fällt auch Messalina selbst ihnen zum Opfer. Sie stirbt – die literarische Konstruktion macht es möglich – in den Gärten des Lucullus, die sie dem Asiaticus abgenommen hatte. Ihr Name fiel der damnatio memoriae anheim. Wenig an dieser Episode erweist sich als logisch nachvollziehbare, hinreichende Erklärung des Verhaltens der beteiligten Personen, und so finden sich in der modernen Geschichtswissenschaft zahlreiche Versuche, ihr dennoch einen Sinn zu geben. Diese Versuche reichen von der tatsächlichen Verblendung zweier Liebender bis hin zum politischen Komplott, das mal von Silius, mal von Messalina, mal von beiden allein, mal von einem größeren Kreis ausgegangen sein soll. Gewissheit lässt sich hier nicht erzielen. Eine gewisse Plau-

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Die Heirat mit Silius und Messalinas Sturz

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VII. Eine moderne Deutung der Ereignisse

Claudius

sibilität besitzt aber die These, dass Messalina ihre Stellung als Ehefrau des Prinzeps nicht aus einer Laune heraus riskierte, sondern sich gezwungen sah, so zu handeln, um nicht unterzugehen. Die Lage im Jahr 48 n.Chr. war nämlich für sie nicht mehr so stabil wie am Beginn der Herrschaft des Claudius. Claudius versuchte nach all den Bedrohungen seiner Person und seiner Herrschaft, die eigene Position zu festigen. Darauf deuten auch der census des Jahres 47 n.Chr. und die im Jahr 48 n.Chr. veranstaltete 800-Jahr-Feier Roms (ludi saeculares) hin. Er tat dies, indem er die Affinität der Römer zu den letzten Nachkommen des Germanicus, Agrippina und ihrem Sohn Nero, nutzte. Messalina hatte eine Konkurrentin um die Rolle der Ehefrau bekommen und ihr Sohn Britannicus einen ernstzunehmenden Konkurrenten um die Nachfolge. Zwar mag es den modernen Leser verwundern, dass ein Kaiser seinen leiblichen Sohn zurücksetzte, andere Beispiele aus der julisch-claudischen Dynastie zeigen jedoch, dass dies nicht unüblich war. Augustus zog den adoptierten Tiberius dem eigenen Enkel Agrippa Postumus vor, Tiberius stellte Caligula zumindest gleichberechtigt neben den leiblichen Enkel Gemellus. Die Sicherung der dynastischen Linie hatte eine klare Priorität vor der verwandtschaftlichen Nähe. Agrippina die Jüngere, die über ihre Mutter Agrippina die Ältere, eine Tochter aus der Ehe des Marcus Vipsanius Agrippa und der älteren Julia, direkt von Augustus abstammte und zudem das letzte lebende Kind des Germanicus war, bot dem Claudius eine bessere Absicherung der eigenen Position als Messalina, die möglicherweise auch innerhalb der Freigelassenen und Berater des Kaisers diskreditiert war. Agrippinas Sohn, der 37 n.Chr. geborene Lucius Domitius Ahenobarbus, der spätere Nero, stand bei der Bevölkerung ebenfalls in großem Ansehen. Hatten Messalina und Britannicus dem Claudius für einige Jahre in der öffentlichen Darstellung und vielleicht auch in internen Machtkämpfen als Argument gedient, so bedurfte er nun – tatsächlich oder in der eigenen Wahrnehmung – einer neuen Absicherung. Agrippina schien dem Claudius in dieser Situation von größerem Nutzen. Messalinas scheinbar unerklärliches und irrationales Verhalten gewinnt vor diesem Hintergrund also eine gewisse Logik. Sie musste ihre Position neu justieren, um ihren Sohn und vielleicht auch ihr Leben zu schützen. Dabei scheint Silius die entscheidende Rolle in ihren Plänen gespielt zu haben, wobei der Anteil an Beziehungsmotiven von den politischen Gründen kaum zu trennen ist. Vor allem die Motive des Silius bleiben unklar, ebenso wie eine mögliche Verwicklung weiterer Kreise in diese Verschwörung. Dass sie das Leben des Kaisers bedrohte, zeigen die deutliche Reaktion des kaiserlichen Umfeldes sowie sein Rückzug ins Lager der Prätorianer.

5. Claudius und die Frauen oder Die Frauen des Claudius?

c.

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Agrippina die Jüngere (15/16–59 n.Chr.)

Allem Anschein nach hatte sich also die Annäherung zwischen Claudius und seiner Nichte Agrippina bereits angedeutet und Messalinas Handeln provoziert. In den Annalen des Tacitus liest man allerdings eine andere, sehr phantasievolle Geschichte, wie die Eheschließung zwischen den beiden 49 n.Chr. zustande kam. Der Grundtenor der taciteischen Aussage, Claudius sei ein gefügiges Werkzeug seiner Ehefrauen gewesen, wird dabei nur um eine Komponente erweitert: Seine Freigelassenen, so Tacitus, hätten es nämlich nun übernommen, ihm eine neue Ehefrau zu suchen. Quelle Die Freigelassenen des Claudius und die Suche nach der vierten Ehefrau (Tac. Ann. 12, 1–3) Durch die Hinrichtung Messalinas wurde das Haus des Princeps schwer erschüttert, da es unter den Freigelassenen zu einem Wettstreit kam, wer eine Gattin für Claudius auswählen solle, der ein eheloses Leben nicht gewöhnt und von den Weisungen seiner Gemahlinnen abhängig war. In nicht geringerem Ehrgeiz waren die Frauen entbrannt: jede stellte ihren Adel, ihre Schönheit, ihren Reichtum zum Vergleich und wies darauf hin, dass dies alles würdig sei einer so hohen Eheverbindung. Doch am meisten schwankte man zwischen Lollia Paulina, des Konsulars M. Lollius Enkelin, und Iulia Agrippina, des Germanicus Tochter: dieser stand Pallas, jener Callistus fördernd zur Seite; hingegen wurde Aelia Paetina aus der Familie der Tuberones von Narcissus in den Vordergrund geschoben. Claudius selbst, der einen bald, bald der anderen zugeneigt, je nachdem, welchen Ratgeber er gerade gehört hatte, berief die Uneinigen zu einer Beratung und hieß sie ihre Ansicht vortragen und die Gründe beibringen. [Die Vorzüge der drei Kandidatinnen, jede protegiert von einem der drei großen Freigelassenen des Claudius, wurden abgewogen. Schließlich fiel die Entscheidung zu Gunsten Agrippinas, als deren Vorteil betont wurde,] dass sie einen Enkel des Germanicus mit in die Ehe bringe: wahrhaftig würdig des kaiserlichen Hauses sei es, den edlen Spross unter die Nachkommen der julischen und claudischen Familie aufzunehmen; auch dürfe eine Frau von erwiesener Fruchtbarkeit und voller Jugendkraft den erlauchten Glanz der Caesaren nicht in ein anderes Haus einbringen. (Übersetzung E. Heller)

Ist Tacitus in der Wiedergabe jener Informationen, die sich auf Senatsprotokolle stützen, eine durchaus vertrauenswürdige Quelle, schöpft er in jenen Dingen, deren Hintergründe sich seinem Wissen naturgemäß entziehen, weil sie hinter den Mauern des Kaiserpalastes stattfinden, aus literarischen Vorbildern. So spiegelt diese Debatte zwischen den Freigelassenen Pallas, Callistus und Narcissus ohne Zweifel die mythologische Sage vom Urteil des Paris wider, also jenen Streit zwischen den Göttinnen Aphrodite, Pallas Athene und Hera um den Apfel der Eris mit der Aufschrift „der Schönsten“. In der mythischen Sage legt Zeus das Urteil in die Hand eines Sterblichen und bestimmt

Das Urteil des Claudius

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VII.

Agrippina und ihre Rolle in der domus Augusta

Politisch Sicherungsmaßnahmen

Claudius

den unschuldigen Jüngling Paris, den schönen, wenngleich verstoßenen Sohn des trojanischen Königs Priamos, zum Schiedsrichter. Um Paris für sich zu gewinnen, versucht jede der Göttinnen, ihn zu bestechen, und bietet ihm einen Preis an. Hera verspricht ihm die Herrschaft über die Welt, Athene verspricht Weisheit, Aphrodite hingegen bietet Paris die Liebe der schönsten Frau. Mit dieser Belohnung kann Aphrodite das Urteil für sich entscheiden, verschweigt aber, dass die schönste Sterbliche, Helena, bereits mit Menelaos, dem mächtigen König von Sparta, verheiratet ist. Dieses tückische Versprechen und der zur Erfüllung notwendige Raub der Helena lösen den Trojanischen Krieg aus und damit den Untergang Trojas. Die Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten in der Handlung dieser beiden Geschichten lassen hier wohl nur den Schluss zu, Tacitus mehr als Literaten denn als Geschichtsschreiber zu sehen. Er stellt die Entscheidung des Claudius für Agrippina auf eine Stufe mit der Entscheidung des Paris, die zum Ausbruch des Trojanischen Krieges führte, zur Vernichtung der Herrscherfamilie und des Volkes der Trojer. Paris, der eigentlich Ausgestoßene, aber in die Familie Zurückgeholte, wird zum Auslöser des Untergangs der Seinen, ebenso wie Claudius für Tacitus diese Rolle in der Geschichte des julisch-claudischen Hauses einnimmt. Diese Episode hat eine enorme Bedeutung für die Intention des Tacitus, eine Geschichte des Verfalls zu schreiben, sie gibt aber wohl kaum die historische Realität wieder. Für die Heirat mit Agrippina sprachen letztendlich ihre Abstammung von Germanicus und der älteren Agrippina und damit die augusteische Blutlinie. Da diese Ehe allerdings bedeutete, dass der Onkel seine Nichte heiratete, musste ein eigenes Sondergesetz eingebracht werden, das den Prinzeps von den üblichen Regeln der römischen Ehegesetze befreite, da er sich sonst des Inzests schuldig gemacht hätte. Agrippina war eine Frau, die seit ihrer Geburt 15 oder 16 n.Chr. im heutigen Köln die Herrschaftsphasen dreier eng mit ihr verwandter Kaiser – Tiberius, Caligula und Claudius – erlebt, zum Teil erlitten hatte. Als einziges Kind des Germanicus hatte sie Verbannung und dynastische Machtkämpfe überlebt und aus den vermeintlichen Fehlern ihrer Vorgängerin gelernt. Sie schien nicht bereit, diese einmal erreichte Stellung wieder aufzugeben. Da sie sich bei aller öffentlichen Herausstellung ihrer Person keine Hoffnung auf eine eigene Herrschaft machen konnte, war es ihr mit allen Mitteln angestrebtes Ziel, ihren inzwischen fast zwölfjährigen Sohn zum Nachfolger des Claudius aufzubauen. Glaubt man den Quellen, bediente sie sich dabei derselben Methode der politischen Intrige, der sich alle Frauen ohne potestas und imperium bedienen mussten, wollten sie eigene Ambitionen umsetzen. Um Nero die Einheirat in die Familie des Claudius zu ermöglichen, wurde dem Verlobten der Octavia, L. Iunius Silanus, vorgeworfen, Inzest mit der eigenen Schwester begangen zu haben. Sein Selbstmord öffnete den Weg für die

5. Claudius und die Frauen oder Die Frauen des Claudius?

Verlobung der Claudius-Tochter mit Agrippinas Sohn Nero. Dies kam einer doppelten dynastischen Absicherung gleich: Die eigenen Ansprüche auf die Nachfolge wurden vermehrt und anderen potentiellen Konkurrenten die Möglichkeit geraubt, sich selbst über eine Einheirat in die domus des Kaisers den Zugang zur Macht zu eröffnen. Der junge Nero hatte gegenüber dem leiblichen Sohn des Claudius den entscheidenden Vorteil, gut drei Jahre älter zu sein, und konnte so an Britannicus vorbei als präsumtiver Nachfolger aufgebaut werden. Ganz in diesem Sinne muss auch die Rehabilitierung des Seneca verstanden werden. Agrippina ließ ihn aus der Verbannung holen und machte ihn zum Erzieher ihres Sohnes. Die Allianz mit der Kaiserin beschleunigte die Karriere Senecas erheblich und katapultierte ihn in den Beraterkreis des Claudius. Agrippinas Sinn für Machtstrukturen verdeutlichte sich ebenfalls in der ihr zugeschriebenen Umorganisation der Prätorianergarde. Offiziere, bei denen zu große Sympathien für Britannicus vermutet wurden, ließ man ersetzen, und die bisherige Doppelspitze gab man zugunsten eines einzigen Präfekten, Afranius Burrus, auf, der ein Vertrauter der Agrippina war. Die Erinnerung an Germanicus, dem die Prätorianer sich noch immer verpflichtet fühlten, tat hier ihren Dienst. Innerhalb kürzester Zeit gelang es Agrippina, das Umfeld des Claudius in ihrem Sinne personell umzugestalten. Welchem langfristigen Ziel dies diente, wurde am 25. Februar 50 n.Chr. deutlich, als Claudius ihren Sohn unter dem vielsagenden Namen Nero Claudius Drusus Germanicus Caesar adoptierte. Gleichzeitig erhielt Agrippina selbst den Ehrentitel Augusta – eine Auszeichnung, die Livia erst nach ihrem Tod und Messalina niemals erhalten hatte. Weitere Ehrungen, wie die Platzierung auf einem eigenen Tribunal bei gemeinsamen Auftritten mit ihrem Mann, die Benutzung des carpentum, einer Kutsche, oder das Tragen eines mit Goldfäden verzierten Feldherrenmantels (paludamentum) sowie der eigenständige Empfang von Gesandtschaften, nährten in der römischen Öffentlichkeit den Eindruck, Agrippina habe mehr die Rolle einer Mitregentin als die einer traditionell zurückhaltender agierenden Ehefrau. Auch in der Münzprägung nahm sie eine dem Herrscher fast gleichrangige Position ein. Als eine absolute Ausnahme unter den Herrscherfrauen zeigte sie sich als Verfasserin einer Autobiographie, die dem Tacitus bei der Abfassung seiner Annalen vorlag und auch vom älteren Plinius in seiner Naturkunde zitiert wird. Dies gibt einen Einblick in die Selbstwahrnehmung dieser Frau, galt die Abfassung der eigenen Lebensgeschichte doch seit Augustus als ein Herrscherprivileg. Vermutlich entstand das Werk nach ihrer Entmachtung 55 n.Chr. und muss als eine Art Generalabrechnung verstanden werden. Agrippinas eigene Handschrift in einem übertragenen Sinn zeigte sich auch in der Einrichtung einer römischen Veteranenkolonie in einer Stadt, in der ihre Eltern einen Teil ihres Lebens verbracht hatten, der Hauptstadt der civitas Ubiorum, die ab

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Autobiographie

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VII. Agrippinas Rolle beim Machtwechsel

Claudius

dem Jahr 50 n.Chr. den Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensium (heute Köln) erhielt. Die Aufwertung der eigenen Person nutzte Agrippina stets auch zur Erhöhung ihres Sohnes Nero. Im Jahr 51 n.Chr. erhielt Nero die Männertoga, obwohl er noch nicht sein 14. Lebensjahr vollendet hatte, und wurde anschließend supra numerum in alle vier großen römischen Priesterkollegien aufgenommen. Diese Ehrung übertraf selbst das, was Augustus jemals für seine Adoptivsöhne an Ehrungen gestattet hatte. Auf Anregung des Senates erhielt der junge Mann auch das Privileg, bereits mit 19 Jahren ein Konsulat zu bekleiden, bis dahin sollte er princeps iuventutis sein. Neros Position als Nachfolger wurde schließlich durch ein imperium proconsulare extra urbem gefestigt. Er verteilte auch bereits Geldgeschenke an die Soldaten und die plebs urbana und hielt eine Dankesrede im Senat. 53 n.Chr. heiratete er schließlich die Kaisertochter Octavia und war damit dank seiner Mutter Agrippina bereit zur Übernahme der Herrschaft. Glaubt man den Quellen, so verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Claudius und Agrippina im Laufe des Jahres 54 n.Chr. dramatisch. Ein Grund für dieses Zerwürfnis mag im Heranwachsen des Britannicus gelegen haben, der nun auch bald die Männertoga anlegen sollte und damit eine Gefahr für Neros Machtansprüche geworden wäre. Diese Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, ist ebenso unmöglich wie die Überprüfung der angeblichen Vergiftung des Claudius mit einem Pilzgericht am 13. Oktober 54 n.Chr. durch Agrippina. Der Tod des Claudius soll vor der Öffentlichkeit noch einige Stunden geheimgehalten worden sein, um die Vorbereitungen für Neros Thronbesteigung treffen zu können. Nero wurde in die Kaserne der Prätorianer gebracht, wo er sich die Unterstützung der Soldaten durch eine wohl von Seneca vorbereitete Rede und ein Geldgeschenk sicherte. Genau wie beim Herrschaftsantritt des Claudius akklamierten auch ihn zunächst die Prätorianer zum imperator. Anschließend begab Nero sich in den Senat, der entsprechend vorbereitet war und ihm die tribunicia potestas und weitere nötige Kompetenzen verlieh. Nun informierte man die Öffentlichkeit über den Tod des Claudius und die Ernennung des Nachfolgers Nero. Agrippina blieb beim reibungslosesten Herrschaftswechsel in der Geschichte der julisch-claudischen Dynastie im Hintergrund. Die erste Parole, die Nero den Prätorianern bei der Wachablösung erteilt haben soll, offenbarte allerdings ihre Rolle und das Wissen ihres Sohnes um diese Rolle, sie lautete „Die beste Mutter!“.

6. Claudius und die kaiserlichen Freigelassenen Eine realistische Einschätzung der so widersprüchlichen Herrscherfigur des Claudius kann nur gelingen, wenn man auch der zweiten Gruppe die nö-

6. Claudius und die kaiserlichen Freigelassenen

tige Aufmerksamkeit schenkt, die in den Quellen übereinstimmend als äußerst einflussreich am Hof dieses Kaisers beschrieben wird. Mehrfach bereits ist die Rolle der liberti, der großen Freigelassenen des Claudius angeklungen, die unter ihm in zentrale Positionen nicht nur innerhalb der kaiserlichen domus oder in der Verwaltung seiner Besitzungen, sondern auch in der Politik gelangten, und sie soll an dieser Stelle einer systematischen Betrachtung unterzogen werden. Bereits in den Zeiten der römischen Republik griffen die römischen Aristokraten auf die Hilfe von Freigelassenen zurück, um private oder geschäftliche Arbeiten erledigen zu lassen. Diese Männer waren hochgebildet und genossen eine Vertrauensstellung. Da die römischen Amtsträger kaum auf eine administrative Infrastruktur zurückgreifen konnten und vor allem die römischen Provinzen keine öffentliche Verwaltung im modernen Sinne besaßen, waren die Freigelassenen für ihre Herren auch bei der Amtsführung in Rom und in den Provinzen unersetzlich. Durch die Doppelfunktion des kaiserlichen Haushaltes, der einerseits stets aristokratische domus blieb, auf der anderen Seite aber zur politischen Schaltzentrale wurde, begannen diese Freigelassenen zunehmend auch politische Aufgaben zu übernehmen. Dabei ergab sich aus der ambivalenten Rolle des Prinzeps eine Schnittstelle zwischen privater und öffentlicher Person. Eine solche Ambivalenz spiegelt sich auch in der folgenden Inschrift wider.

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Freigelassene in Republik und frühem Prinzipat

Quelle Grabinschrift eines Freigelassenen des Kaisers Claudius (AE 1990, 72) Ti(berius) Claudius / Aug(usti) l(ibertus) Aesius / a memoria / accensus et / procurator aedium / sacrarum locorumq(ue) publicorum. Tiberius Claudius Aesius, kaiserlicher Freigelassener, Leiter (des Verwaltungsbereichs) a memoria, Amtsdiener und Verwalter der Tempel und öffentlichen Plätze.

Die römische Grabinschrift beschreibt die Karriere des Tiberius Claudius Aesius, eines Freigelassenen des Kaisers Claudius. Die Inschrift gibt seinen beruflichen Werdegang in umgekehrter Reihenfolge wieder (cursus inversus). Zunächst bekleidete er demzufolge den Posten eines Verwalters der Tempel und öffentlichen Plätze – ein eindeutig dem öffentlichen Bereich zuzuordnendes Amt –, um dann als persönlicher Referent (accensus) dem Kaiser zuzuarbeiten und schließlich von diesem mit der Leitung des Amtsbereichs a memoria betraut zu werden, was wohl bedeutete, dass er das kaiserliche Archiv führte. Dieser zuletzt genannte Posten war die höchste Stufe seiner Karriereleiter. Bereits unter Caligula hatte die Rolle der Freigelassenen des kaiserlichen Haushalts eine neue Qualität erhalten. Nach der Verschwörung des Jahres 39 n.Chr. gestaltete Caligula sein persönliches Umfeld völlig um. Dieser Schritt,

Neue Funktionen seit Caligula

120

VII.

Senatorische Kritik

Claudius

der in der Forschung als „Entaristokratisierung“ bezeichnet wurde, hob unter anderem die Freigelassenen systematisch in eine neue Vertrauensposition, indem ihnen politische Aufgaben übertragen wurden. Männer wie Helikon, Protogenes oder Callistus, der unter Claudius noch von sich Reden machen sollte, wurden nun in den Quellen häufig erwähnt und vor allem in der senatorischen Geschichtsschreibung aufs schärfste kritisiert und diffamiert. Die Senatoren, die aufgrund ihrer höchsten gesellschaftlichen Stellung für sich die politische und soziale Position an der Seite des Prinzeps reklamierten, konnten diese Aufsteiger aus der sozial stigmatisierten Gruppe der ehemaligen Sklaven, die beinahe uneingeschränktes Zugangsrecht zum Kaiser besaßen und nun auch die politischen Weichen stellten, nur schwer ertragen. Zudem erschlossen sich diese Männer natürlich auch finanzielle Ressourcen, die bislang der Oberschicht vorbehalten waren. Aufschlussreich für die Entwicklungen unter Claudius und die senatorische Kritik daran ist wiederum Tacitus. Quelle Kritik an der Rolle der kaiserlichen Freigelassenen unter Claudius (Tac. Ann. 12, 53) Für [den kaiserlichen Freigelassenen] Pallas, den der Kaiser als geistigen Vater dieses Antrags bezeichnet hatte, beantragte der designierte Konsul Barea Soranus die Insignien eines Prätors und die Zahlung von 15 Millionen Sesterzen. Hinzugefügt wurde von Scipio Cornelius, man müsse ihm öffentlichen Dank sagen, dass er trotz seiner Abkunft von den Königen Arkadiens seinen uralten Adel dem Staatswohl hintansetze und sich zu den Dienern des Prinzeps zählen lasse. Da versicherte Claudius, zufrieden mit seiner Ehrung sei Pallas und wolle in seiner bisherigen Armut verbleiben. Und wirklich wurde auf einer Erztafel der Senatsbeschluss öffentlich angebracht, wonach der Freigelassene, Eigentümer von 300 Millionen Sesterzen, wegen seiner Sparsamkeit mit Lobsprüchen überhäuft wurde. (Übersetzung E. Heller)

Die Beziehung von Prinzeps und Freigelassenen

Für die Principes besaßen die kaiserlichen Freigelassenen aber unbestreitbare Vorteile gegenüber Mitarbeitern aus den Reihen der Senatoren oder der Ritter. Durch ihre spezielle Bindung an den Kaiser als Patron waren sie gänzlich von dessen Gunst abhängig. Der Prinzeps konnte sie jederzeit ersetzen, ohne auf öffentliche Belange Rücksicht nehmen zu müssen. Als Patronus besaß der Kaiser zudem ein Zugriffsrecht auf die Vermögen der Freigelassenen. Während sich die senatorischen und ritterlichen Amtsträger jederzeit auf ihren gesellschaftlichen Rang zurückziehen konnten, der ihnen eine gewisse Sicherheit gab, war die persönliche Sicherheit der Freigelassenen direkt vom Prinzeps abhängig. Ihre gesamte Existenz hing am Leben und Überleben des jeweiligen Kaisers, an dessen Wohlergehen sie darum in der Regel – hier gibt es Ausnahmen – ein großes Interesse hatten. Nicht selten benutzte der Kaiser die Freigelassenen auch als Bauernopfer, um einer aufgebrachten römischen

7. „Mann ohne eigenen Willen“? – Versuch einer Beurteilung

Öffentlichkeit einen Schuldigen für Fehlleistungen des kaiserlichen Hauses bieten zu können. Unter Claudius stiegen Männer aus dem Stand der Freigelassenen in zentrale Ämter in der Reichsverwaltung auf. Claudius selbst verfügte über wenig Erfahrung in der praktischen Ausübung des Herrscheramtes und griff aus diesem Grund auf die Freigelassenen seines Vorgängers zurück. Für seine Herrschaftszeit sind mehrfach Namen und Ämter von Freigelassenen belegt. So bekleidete Narcissus das Amt ab epistulis, war also verantwortlich für die Korrespondenz des Kaisers. Pallas hatte das Amt a rationibus inne und war damit für die Finanzen des Kaisers zuständig. Callistus bearbeitete als a libellis die Eingaben und Petitionen, die an Claudius gerichtet wurden, und Polybius war als a studiis mit Archivaufgaben betraut. Dass Claudius sich damit in eine Abhängigkeit begab, steht außer Frage, dass diese Abhängigkeit zwangsläufig einen „schwachen Kaiser“ produzierte, trifft nicht zu. Ganz ähnlich wie im Fall der kaiserlichen Frauen war die Sonderstellung dieser Männer nicht durch ein reguläres Amt legalisiert. Sie unterlag daher zwar nicht den damit verbundenen Beschränkungen, hatte aber außer dem Vertrauen des Kaisers auch keine anderen Sicherheiten zu bieten. Drohte dieses zu schwinden oder sahen die Freigelassenen die Position ihres Patronus gefährdet, wandten sie sich daher auch neuen Thronaspiranten zu oder suchten sich Verbündete innerhalb des kaiserlichen Haushalts oder im Umfeld des Herrschers. Je stärker diese Verbündeten waren, umso sicherer schien die Position der Freigelassenen, und so lassen sich die Allianzen zwischen Freigelassenen und Herrscherfrauen oder Prätorianern erklären. Die eigenen Netzwerke und sozialen Beziehungen ersetzten die Sicherheit einer Rangstellung. Was in den Quellen als Hofintrige, sexuelles Verhältnis oder korrupte Machenschaften rein negativ dargestellt wird, muss wohl eher als Versuch gewertet werden, die eigenen Handlungsspielräume zu nutzen.

7. „Mann ohne eigenen Willen“? – Versuch einer Beurteilung Welchen Stellenwert muss man Claudius in der Reihe der julisch-claudischen Herrscher einräumen? Es erweist sich als schwierig, dieser Herrschergestalt mit einem eindimensionalen Urteil gerecht zu werden, auch wenn die Forschung dies von ganz unterschiedlichen Ansätzen ausgehend und ganz unterschiedliche Ergebnisse erzielend immer wieder versucht hat. Ältere Verdikte, etwa Claudius sei ein „Mann ohne eigenen Willen“ gewesen (Mommsen), stehen neueren Meinungen gegenüber, die Claudius zum „first Roman emperor“ erklären (Levick, in der Nachfolge C.E. Stevens) und seiner Regierungszeit den Charakter einer Zeitenwende verleihen wollen. Dass ein Urteil über Claudius alles andere als einfach zu fällen ist, liegt in erster Linie an der

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Claudius und die Freigelassenen

122

VII.

Körperliche Defizite in der Antike

Claudius

Widersprüchlichkeit der Quellen. Bei allen Autoren finden wir Berichte über die offenbar unbestreitbaren Leistungen des Claudius neben Beschreibungen eines im besten Fall seltsamen, im schlimmsten Fall bösartigen und blutrünstigen Charakters. Mit Blick auf seine Bildung muss man Claudius sicherlich eine Sonderstellung in der Reihe der julisch-claudischen Herrscher einräumen. In der Provinzialverwaltung, in der Baupolitik und in der Gesetzgebung verdankte ihm das Reich zahlreiche Entscheidungen, die nachhaltige Entwicklungen anstießen. Bereits zu Lebzeiten, vor allem aber in den Augen der Nachwelt prägte das schwierige Verhältnis zum Senat die Sicht auf den Prinzipat des Claudius. In dieser Gruppe hatte Claudius ein Akzeptanzproblem, das durch seine Biographie und eine Reihe von Prozessen gegen mutmaßliche oder tatsächliche Konkurrenten aus den Reihen der Senatoren bestimmt war. Aus heutiger Sicht problematisch erscheint die starke Ablehnung dieses Kaisers in den Quellen aufgrund seiner körperlichen Defizite. Allerdings muss man sich dabei vor Augen halten, dass die Antike ein anderes Körper- und Menschenbild besaß. Positive und zur Herrschaft befähigende Eigenschaften spiegelten sich nach antiken Maßstäben immer auch im äußeren Erscheinungsbild eines Menschen. Ein physisches Handicap war in vormodernen Gesellschaften weitaus mehr als eine Einschränkung des Lebens, es stigmatisierte den Menschen in seiner sozialen Rolle. Wenn Personen mit körperlichen Missbildungen in der antiken Kunst abgebildet wurden, stellte dies in der Regel einen Ausdruck des fremden und sozial Andersartigen dar, zu dem man auf Distanz ging. Der degradierende und ausgrenzende Umgang mit Körperbehinderten hatte eine lange Tradition in der römischen Gesellschaft. Bereits in der ältesten römischen Rechtskodifikation, dem 12-Tafel-Gesetz, wurde die Aussetzung oder gar Tötung behinderter Kinder erlaubt. Gleichzeitig galt körperliche Missbildung als warnendes Zeichen der Götter, war also religiös aufgeladen. Aber die Römer hatten auch eine für uns heute schwer nachvollziehbare Freude daran, sich an Missgebildeten zu ergötzen und sie zu ihrer Belustigung einzusetzen. Man ließ kleinwüchsige Menschen zur Unterhaltung auftreten oder in der Arena kämpfen. Ein römischer Aristokrat, der eine körperliche Behinderung hatte, musste in besonderer Weise seine Befähigung zur Wahrnehmung seiner gesellschaftlichen und politischen Rolle unter Beweis stellen. Er stand unter einem ständigen Rechtfertigungszwang. Dies traf natürlich umso mehr für den Kaiser selbst zu. Vor diesem Hintergrund wird auch der Konflikt verständlich, in dem sich die Familie des Claudius befand. Sie verwehrte ihm eine öffentliche Rolle, weil sie eben besonders unter dem Druck der öffentlichen Meinung und Wahrnehmung stand. Für die Familie war Claudius aufgrund seiner physischen Einschränkungen niemals ein ernsthafter Kandidat für ein Amt, geschweige denn für die Nachfolge im Prinzipat.

7. „Mann ohne eigenen Willen“? – Versuch einer Beurteilung

Kein Urteil über den Kaiser Claudius kann vollständig sein, ohne auf jenes Schmähgedicht des zeitgenössischen Dichters Seneca einzugehen, welches das Bild des Claudius in der Nachwelt prägte und für das Cassius Dio den Titel „Verkürbissung des Claudius“ (Apokoloky´ntosis) überliefert. Es wirft ein Schlaglicht auf den Umgang senatorischer Kreise mit Claudius und seiner Behinderung. Seneca, der mit Hilfe der Agrippina zum wichtigsten Berater des jungen Nero aufgestiegen war, hatte zunächst mit dafür gesorgt, dass der verstorbene Claudius ein angemessenes Staatsbegräbnis erhielt. Die Leichenrede, die Nero bei der Trauerfeier verlas, soll von ihm verfasst worden sein. Relativ bald nach diesem Ereignis zirkulierte aber am Hof eine wohl ebenfalls von Seneca verfasste Satire, deren Titel in Anspielung auf die Apothéosis, also die offizielle Vergöttlichung des Claudius, gewählt worden war und diesen verunglimpfte. Das mit viel Liebe zum Detail in Form einer Menippeischen Satire verfasste Stück beschreibt die gescheiterte Himmelfahrt des Claudius mit zahlreichen politischen, familiären, religiösen und literarischen Anspielungen. Höhepunkt ist ein Göttergericht, in dem die Olympier über die Aufnahme des Claudius in ihren Kreis debattieren. Als es Streit darüber gibt, ergreift der ebenfalls anwesende göttliche Augustus das Wort: Quelle Augustus über Claudius in Senecas Apokoloky´ntosis (Sen. apocol. 11, 3) „Diesen Menschen wollt ihr jetzt zum Gott machen? Seht seinen Körper an: Der Zorn der Götter stand über seiner Geburt! Kurz gesagt: Drei Wörter mag er ohne Stocken aussprechen, dann kann er mich als Sklaven mitnehmen. Wer wird denn diesen Typ als Gott verehren? Wer wird an ihn glauben?“ (Übersetzung G. Binder)

Die Rede des Augustus gibt den Ausschlag, Claudius den Zugang zum Olymp zu verweigern und ihn in die Unterwelt zu verbannen, wo er mit seinen Opfern konfrontiert wird und schließlich als Sklave des Caligula endet. Seneca – so einige seiner modernen Interpretatoren entschuldigend – schrieb diese Polemik, die doch so wenig dem Ideal stoischer Gelassenheit entsprach, für den hofinternen Gebrauch. Sie sei angeblich niemals für die breite Öffentlichkeit gedacht gewesen und müsse als Ventil begriffen werden, mit dem der Hof den unter Claudius unerträglich gewordenen psychischen Druck verarbeitet habe. Es bedarf allerdings keiner Entschuldigung Senecas, da dies implizieren würde, die Apokoloky´ntosis sei eine Abweichung von dem gewesen, was bei Hof über (den toten) Claudius kolportiert wurde. Viel eher jedoch als die bald nach dem Tod des Claudius verfasste Schrift de clementia, jene von der Philosophie der Stoa getragene Anleitung zur maßvollen Amtsführung an den jungen Herrscher Nero aus der Feder des Seneca, spiegelt dieses Werk die Stimmung am Hof und bei vielen Senatoren wider, unter der Neros Prinzipat sein nen Anfang nahm.

123 Senecas Apokoloky´ntosis

124

VII.

Claudius Auf einen Blick

Der Prinzipat des Claudius ermöglicht einen Einblick in die Voraussetzungen erfolgreicher Machtpolitik: Seine Thronerhebung erfolgte mit Hilfe der Prätorianer, die eine Stütze seiner Herrschaft blieben. Legitimation erlangte er durch kluge innen- und außenpolitische Maßnahmen, wie beispielsweise die Neuorganisation der Getreideversorgung und der Rechtsprechung, ein umfangreiches Bauprogramm mit stark utilitaristischem Charakter, durchdachte Personalpolitik, einen Verzicht auf religiöse Überhöhung der eigenen Position, eine erfolgreiche Eroberungspolitik mit entsprechender propagandistischer Darstellung der Siege und eine Aufwertung der Provinzialen durch Aufnahme in die Reichsaristokratie, vor allem in den Senat. Inschriften und Münzen deuten darauf hin, dass es Claudius gelang, die eigene Person, die Erfolge seiner Herrschaft sowie seine Familienpolitik positiv darzustellen. Dennoch findet sich Claudius’ Name in der Betrachtung späterer Quellen stets unter jenen Herrscherfiguren, die negativ beurteilt werden. Diese Diskrepanz ist einmal mehr den Quellen geschuldet. Die senatorische Perspektive stellt die aus Gründen der Machtsicherung erfolgten politischen Prozesse und Hinrichtungen in den Fokus ihrer Beurteilung und konzentriert sich vor allem auf den Hof und das vermeintliche Versagen des Claudius seinen Frauen und Freigelassenen gegenüber.

Literaturhinweise Ginsburg, J.: Representing Agrippina: Constructions of Female Power in the Early Roman Empire, Oxford 2006. Exemplarische Studie zur Rolle der Kaiserfrauen in der antiken Literatur. Kolb, A. (Hg.): Augustae. Machtbewusste Frauen am römischen Kaiserhof? Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis II, Akten der Tagung in Zürich 18.–20.9.2008, Berlin 2010. Untersuchungen zu den politischen Einflussmöglichkeiten von Kaiserfrauen und den sozialen, ökonomischen sowie dynastischen Grundlagen ihrer Macht. Levick, B.: Claudius, London, New York 22015. Aktualisierte Überarbeitung der 1990 erstmals vorgelegten exzellenten Studie zur Evolution des frühen Prinzipats anhand der politischen Biographie des Kaisers Claudius. Osgood, J.: Claudius Caesar: Image and Power in the Early Roman Empire, Cambridge, New York 2011. Sehr gut lesbare Biographie des Claudius mit einer erfrischenden Skepsis den literarischen Quellen gegenüber, starkem Fokus auf den dokumentarischen Quellen und der Frage nach Kommunikation, Repräsentation und Symbolik von Herrschaft im Mittelpunkt. Ronning, C.: Zwischen ratio und Wahn: Caligula, Claudius und Nero in der altertumswissenschaftlichen Forschung, in: Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte, hrsg. v. A. Winterling, München 2011, S. 253–276. Untersuchung moderner Biographien zu den genannten Kaisern und Erörterung der Frage nach dem wissenschaftlichen Sinn des biographischen Zugangs. Strocka, V.M. (Hg.): Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41–54 n.Chr.). Umbruch oder Episode? Internationales, interdisziplinäres Symposion aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums des Archäologischen Instituts der Universität Freiburg i. Br., 16.–18. Februar 1991, Mainz 1994. Interdisziplinärer Sammelband, der historische, archäologische und kunsthistorische Fragestellungen in einem holistischen Ansatz vereint.

VIII. Nero Überblick

N

ero, der letzte Kaiser der julisch-claudischen Dynastie, gehört sicherlich zu den bekanntesten Herrschergestalten der Antike. Dies hat seine Ursachen in der in vieler Hinsicht unkonventionellen Persönlichkeit dieses Kaisers, die im Zusammenspiel verschiedener Überlieferungstraditionen eine extreme Ablehnung in den Quellen erfuhr. Im Hinblick auf dynastische Legitimation, reibungslosen Herrschaftsantritt, Umfeld und Akzeptanz bei Senat, Militär und Bevölkerung schien seine Regierung eine ideale

Ausgangsbasis zu haben. Dennoch endete sie nach knapp 14 Jahren durch einen Putsch militärischer Verbände, weil es Nero nicht gelang, die Erwartungshaltungen an seine Person zu erfüllen. Seine sich stetig steigernden künstlerischen Ambitionen und eine schon von Zeitgenossen als exzessiv empfundene Ausgabenpolitik, u.a. für Bauprojekte, die auch mit einer finanziellen Überlastung der Reichskassen einherging, brachten ihm Kritik und Akzeptanzverlust bei den herrschaftsrelevanten Gruppen ein.

Zeittafel 15.12.37 n.Chr.

Geburt in Antium

39 n.Chr.

Tod des leiblichen Vaters, Verbannung der Mutter Agrippina Minor

49 n.Chr.

Verlobung mit der Claudius-Tochter Octavia

25.2.50 n.Chr.

Adoption durch Claudius, neuer Name: Nero Claudius Caesar Drusus Germanicus

51 n.Chr.

Ernennung zum princeps iuventutis und Übertragung eines imperium proconsulare extra urbem, Aufnahme in alle Priesterkollegien

53 n.Chr.

Heirat mit Octavia

13.10.54 n.Chr.

Erhebung zum Kaiser

55 n.Chr.

Wahl zum pontifex maximus, Annahme des pater patriae-Titels

März 59 n.Chr.

Ermordung der Agrippina

60 n.Chr.

Einrichtung neuer Spiele (Neronia) in Rom

61 n.Chr.

Aufstand in Britannien

62 n.Chr.

Heirat mit Poppaea Sabina

Juli 64 n.Chr.

Brand Roms

126

VIII.

Nero

65 n.Chr.

Aufdeckung der Pisonischen Verschwörung

66 n.Chr.

Empfang des armenischen Königs Tiridates in Rom

66–67 n.Chr.

Griechenland-Tournee

66–71/74 n.Chr.

Jüdischer Krieg

9.6.68 n.Chr.

Tod Neros und damnatio memoriae

1. Die Quellen und ihre Probleme Das negative Bild Neros in den antiken Quellen

Abb. 13 Kopf des Nero von einer überlebensgroßen, etwa 2,40 m hohen Statue, nach 64 n.Chr. Glyptothek, München.

Wie kein anderer Prinzeps steht Nero im Ruf, ein miserabler Prinzeps, ein narzistischer Künstler-Kaiser und ein grausamer Mensch gewesen zu sein. Dieses Bild ist eine von den Quellen erschaffene Fiktion ex eventu. Hatten die antiken Autoren bei den bisher behandelten Kaisern der julisch-claudischen Dynastie bereits stark manipulativ in die Gestaltung von Figuren und Ereignissen eingegriffen, so konstruierten sie um die Person Neros herum eine geradezu dystopische Gegenwelt. Dies taten sie mit verschiedensten Intentionen und aus unterschiedlichsten Motiven. Politische Gründe hatten vor allem die Schriftsteller der flavischen Epoche (69–96 n.Chr.), allen voran die Dichter Martial und Juvenal, aber auch Plinius der Ältere oder Flavius Josephus. Ihnen war daran gelegen, eine möglichst große Distanz zwischen dem letzten Spross der Julier und Claudier und den neuen flavischen Herrschern zu erschaffen. Plinius der Ältere kann als exemplarisch gelten. In seiner Naturkunde erklärte er Nero zum Feind des Menschengeschlechts (hostis generis humani). Der Beginn der flavischen Herrschaft markierte offenbar einen Wendepunkt, an dem der extrem negativ gestaltete Diskurs um die Person Neros begann, der sich später in eine geradezu hasserfüllte Ablehnung dieses Kaisers steigerte. Die Autoren des 2. und 3. Jahrhunderts n.Chr. – Tacitus, Sueton oder Cassius Dio – griffen also in ihren Werken auf ein bewährtes und beim Publikum antizipiertes Nerobild zurück, schmückten es aus, trieben es nicht selten literarisch auf die Spitze, bewegten sich dabei aber immer in bekannten Bahnen

2. Quinquennium Neronis

tyrannischer Topoi: Nero der Muttermörder, der Bruder- und Gattenmörder, der despotische Herrscher, der Brandstifter und exzentrische Künstler. Diese negative römische Tradition bildete gemeinsam mit einer einflussreichen jüdischen antirömischen Polemik den Grundstein einer christlichen Überlieferung, die Nero als vermeintlich ersten Verfolger der Christen verurteilte und in ihm einen Vorläufer des Antichristen sah. Dem gegenüber steht allerdings eine Reihe von zeitgenössischen oder unverdächtigen späteren Zeugnissen der Literatur und der materiellen Überlieferung, die mit diesem Nerobild nur schwer in Einklang zu bringen sind. Das von Aurelius Victor dem Trajan zugeschriebene dictum, Neros Herrschaft habe in den ersten fünf Jahren diejenige aller anderen Kaiser von Augustus bis Hadrian übertroffen, konterkariert das Nerobild eines Tacitus, Sueton oder Cassius Dio wohl am stärksten. Hier und vor allem in den dokumentarischen Quellen begegnet man einem Kaiser Nero, der eine durchdachte Sachpolitik betrieb, die vor allem geprägt war von einer innovativen und umfassenden Baupolitik, aber auch von stringenten außenpolitischen Handlungen, problemorientiertem Agieren in der Fiskal- und Steuerpolitik und konsequenter Einbindung der provinzialen Eliten. Teile der Forschung neigen in jüngerer Zeit sogar dazu, Neros vermeintlich irrationale Herrschaftsweise als den Versuch einer konzeptionell eigenen, an hellenistischen Vorbildern orientierten Ausgestaltung des Prinzipats zu deuten, und knüpfen damit an die Neubewertung des Caligula an. Dafür gibt es durchaus gute Gründe, wie im Folgenden immer wieder deutlich werden wird. Letztendlich lässt sich die negative Umdeutung Neros aber niemals in Gänze aufheben, und jeder Versuch einer Rehabilitierung, der immer mit der Dekonstruktion der vorliegenden Hauptquellen einhergeht, erschafft eine Leerstelle, die mit nur wenigen verlässlichen Informationen zu füllen ist. Stärker als für jeden anderen Kaiser ist es also für Nero angebracht, die Überlieferung zu hinterfragen, ohne sie jedoch gänzlich ablehnen zu können. Punktuell – wie im Fall seiner Baupolitik – erscheint es möglich, Neros Verhalten rational zu deuten, Ablehnung in den Quellen erklärbar zu machen oder als Erfindung zu entlarven. Bei anderen überlieferten Ereignissen – wie dem Mord an seiner Mutter – bietet sich kaum Raum für Interpretation und es bleibt unmöglich, durch das Geflecht der antiken Stimmen zu einer historischen Wahrheit vorzudringen, auch wenn die Forschung zahlreiche Versuche unternommen hat, Nero zu entlasten.

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Die Schwierigkeit der Dekonstruktion

2. Quinquennium Neronis Schenkt man jener dem Kaiser Trajan zugeschriebenen und ausschließlich von Aurelius Victor, dem spätantiken Verfasser eines kurzgefassten Geschichtswerks (Breviarium), überlieferten Aussage vom quinquennium Neronis

Aurelius Victor und die guten fünf Jahre

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VIII.

Nero

Glauben, erwies sich Neros Herrschaftsbeginn als Segen für Rom und das Reich. Quelle Trajan über Neros Herrschaftsbeginn (Aur. Vict. Caes. 5, 2) Er, der in noch sehr jugendlichem Alter ebensolange an Jahren wie sein Stiefvater die Herrschaft innehatte, zeichnete sich immerhin fünf Jahre lang [quinquennium] derart aus, zumal durch die Verschönerung der Stadt, dass Trajan mit Recht des öfteren bekräftigte, alle Kaiser blieben weit hinter Neros ersten fünf Jahren zurück. (Übersetzung Groß-Albenhausen/Fuhrmann)

Die memoria des Claudius

Bei der Deutung dieser Quelle sollte man nicht außer Acht lassen, dass schon die Zeitgenossen bewusst versuchten, jene Jahre, in denen Nero unter Anleitung seines Erziehers Seneca, des Prätorianerpräfekten Burrus und seiner Mutter Agrippina regierte, als positiv zu stilisieren, um damit seine Grausamkeiten, aber auch die zweifellos vorhandene Kooperation des Senats in späteren Jahren zu relativieren. Auch scheint es gerade für die jung auf den Thron gelangten Herrscher ein erzählerisches Muster in den Quellen gegeben zu haben, das schon bei Caligula sichtbar wurde: Den jugendlichen Kaisern wurde häufig ein gelungener Beginn konzediert, der aber den Durchbruch des wahren Charakters nur umso dramatischer wirken ließ. Dennoch spricht einiges dafür, Trajans Worten Glauben zu schenken, bezog er sich doch in erster Linie auf die im Stadtbild sichtbare Baupolitik und wurden sie doch mit Trajan einem in der Baupolitik selbst äußerst engagierten Kaiser in den Mund gelegt. Nero profitierte bei seinem Herrschaftsantritt ganz erheblich von seiner direkten Abstammung von Augustus, während seinem jüngeren Konkurrenten Britannicus sowohl seine weniger herausragende Abkunft als auch die Ressentiments der Senatoren dem Claudius-Sohn gegenüber schadeten. Die von Seneca verfasste Satire auf Claudius traf wohl die Stimmungslage der Senatoren, die jenen Prinzeps aus aristokratischer Perspektive für den Tiefpunkt der Dynastie hielten. Offiziell allerdings erhielt Claudius ein Staatsbegräbnis, wurde anschließend durch die Erhebung unter die Götter zum Divus Claudius und man dekretierte ihm einen Tempel. Sein offizieller Kult in Rom wurde in die bereits bestehende Priesterschaft für den vergöttlichten Augustus integriert, die sich nun Augustales Claudiales nannte. Die Überreste des heute noch in Teilen existierenden templum divi Claudii kann man als außergewöhnliche Architektur bezeichnen, die im Widerspruch zu jenen Quellen steht, die diese Ehrung des verstorbenen Claudius als bloße Inszenierung verunglimpfen. Sowohl die Monumentalität der gesamten Anlage als auch ihre Lage sprechen eher dafür, dass man hier neben dem Tempel des vergöttlichten Augustus, in dem auch Livia als Diva Augusta mitverehrt wurde, einen weiteren architektonischen Ankerpunkt des julisch-claudischen Kaiserkultes in der Stadt erschaffen wollte. Vor allem Agrippina wird als Gestalterin der postumen clau-

2. Quinquennium Neronis

dischen Erinnerung dargestellt und erweist sich damit einmal mehr als Frau mit politischem Weitblick. Erst unter Vespasian (69–79 n.Chr.) wurde der Tempel des vergöttlichten Claudius vollendet. Der Begründer der flavischen Dynastie demonstrierte damit explizit seine Kontinuität zu Claudius unter Umgehung des der damnatio memoriae anheimgefallenen Nero. Wie stark der Einfluss Neros selbst in dieser Zeit auf die Staatsgeschäfte war, ist kaum mehr nachzuvollziehen. Generell vermitteln die Quellen den Eindruck, Burrus und Seneca hätten sich gemeinsam mit Agrippina um die Abwicklung des Tagesgeschäftes gekümmert und dabei auch den Senat eingebunden. Diese Darstellung scheint angesichts des Alters des gerade 17-jährigen Nero sowie der Erfahrenheit seiner Mutter und seiner Berater durchaus glaubhaft. Keine einzige politische Entscheidung der ersten fünf Jahre lässt sich allerdings gesichert mit der Person Senecas oder Burrus’ verbinden, lediglich die exponierte Stellung Agrippinas in der frühen neronischen Münzprägung mag dem Einfluss der Mutter zugeschrieben werden. Wie glaubhaft jene Nachrichten sind, denen zufolge Agrippina auch im Prinzipat Neros vor politischen Morden zur Absicherung der Macht ihres Sohnes nicht zurückschreckte und denen zufolge Nero sich ganz den Ausschweifungen eines jugendlichen Aristokratenlebens widmete, muss offenbleiben. Zerwürfnisse im inneren Machtzirkel scheinen aber bald zutage getreten zu sein. Agrippina erscheint in der Münzprägung Neros in einer Art halboffizieller Stellung, die für die Kaisermutter nicht vorgesehen war und die ihr Burrus oder Seneca auch nicht zugestehen wollten. Als Augusta, Kaiserwitwe, Kaisermutter, Priesterin des vergöttlichten Claudius und einflussreiche Patronin verfügte Agrippina einerseits über realpolitische Einflussmöglichkeiten, andererseits aber auch über eine Fülle an symbolischem Kapital, das sie einsetzen konnte, um die Dinge in ihrem Sinne zu steuern. In politischen Fragen allerdings, die mit Amtsgewalt und Befehlsausübung verbunden waren, war sie zwingend darauf angewiesen, über ihren Sohn Einfluss zu nehmen. Hier verliefen die Grenzen ihrer Macht, die für sie nicht zu überschreiten waren, und hier verschwammen gleichzeitig die Grenzen zwischen der offiziellen Rolle des Prinzeps und der privaten Rolle des Sohnes. Die Quellen suggerieren ein daraus erwachsendes Dilemma. Agrippina, die sich und ihren Sohn mit großer Zähigkeit, persönlichen Opfern und einem hohen Maß an Skrupellosigkeit an die Macht gebracht hatte, musste nun zusehen, wie ihr Zugriff auf den Prinzeps Nero schwand. Glaubt man den Quellen, stieß Neros außereheliche Beziehung zu einer Freigelassenen namens Acte auf den Unmut der Mutter. Agrippina soll auf diese Liaison, die sie als Beeinträchtigung ihres persönlichen Einflusses verstand, ausgesprochen verärgert reagiert haben, während Burrus und Seneca ihr positiv gegenüberstanden. Eine Frau aus dem Stand der Freigelassenen galt als rechtlich infame Person, mit der aus formaljuristischer Perspektive kein Ehebruch möglich war.

129

Die Berater

130

VIII. Erste Auftritte als Künstler

Nero

Agrippina aber soll nun zum Beweis ihrer Macht den zweiten Claudius-Sohn, Britannicus, nachdrücklich gefördert haben. Nero verstand diesen Versuch seiner Mutter, ihre Macht als Königsmacherin zu demonstrieren, und ließ – so der Tenor der antiken Quellen – Britannicus vergiften. Das Narrativ der neronischen Herrschaft lässt auch bereits in den frühen Jahren Neros Leidenschaft für die Kunst, insbesondere die Musik, eine wichtige Stellung in seinem Leben einnehmen. Interessanterweise stellte aber gerade Sueton, dessen Nero-Biographie ganz stark in zwei Herrschaftszeiträume zerfällt – einen positiv bewerteten bis zum Jahr 59 n.Chr. und einen als negativ erachteten von 59 bis 68 n.Chr. –, die künstlerischen Ambitionen Neros im quinquennium in positive erzählerische Kontexte. Sogar die später so scharf kritisierten öffentlichen Auftritte erfahren Anerkennung. Quelle Nero und die Kunst am Beginn seiner Herrschaft (Suet. Nero 10, 2) Bei seinen Übungen auf dem Marsfeld durfte auch das Volk hinzukommen, und Redeübungen betrieb er oft vor Publikum. Er las auch Gedichte vor, und das nicht nur zu Hause, sondern auch im Theater; er begeisterte alle so sehr, dass man für ihn wegen einer solchen Lesung ein Dankfest beschloss und die Verse, die er aus Gedichten rezitiert hatte, in goldenen Buchstaben dem Jupiter Capitolinus weihte. (Übersetzung H. Martinet)

Der erzählerische Kontext forderte es hier offenbar, die künstlerischen Ambitionen des jungen Herrschers als kulturelle Aktivität zu schildern, die in der Tradition aristokratischen Verhaltens stand. Weder die Öffentlichkeit des Auftritts noch die Umgebung des Theaters scheinen Sueton hier anstößig. Im Gegenteil scheint Neros Erfolg in der Darbietung seine auctoritas als Prinzeps in ähnlicher Weise vermehrt zu haben wie militärische Sieghaftigkeit oder rhetorische Fähigkeiten im Falle anderer Kaiser.

3. Kunst und Tod a. Der Prinzeps als Künstler Kunst und Politik

Nero pflegte also von Beginn seiner Herrschaft an eine Obsession für die Kunst und konzentrierte sich auf seine Ausbildung zum Künstler, vor allem zum Sänger und Musiker. So engagierte er den besten Lyraspieler seiner Zeit und befolgte mit großer Konsequenz dessen Anweisungen, um seine Stimme zu schulen. Diese Vorliebe für die Kunst, das Theater und auch Spiele war in den Augen konservativer Senatoren, aber auch seiner Mutter Agrippina wenig geeignet, die Erwartungen an einen Prinzeps zu erfüllen. Dabei zeigen neuere Forschungen, die sich intensiv mit der Frage der zeitgenössischen Beurteilung der

3. Kunst und Tod

neronischen Leistungen als Künstler befasst haben, dass weniger der Auftritt in der Öffentlichkeit das eigentlich kritikfähige Verhalten Neros darstellte. Da die Öffentlichkeit zentrales Kriterium aristokratischer Existenz war, konnte sich daran keine Kritik entzünden. Ebenso wenig wurde der Auftritt als Künstler grundsätzlich abgelehnt. Hier hatte sich in der Wahrnehmung aristokratischer Betätigungsfelder seit den Zeiten der römischen Republik ein Wandel vollzogen. Die traditionell als standesgemäß geltenden Betätigungen als Redner und Historiker waren seit dem Ende des 1. Jahrhunderts v.Chr. durch literarische Übungen erweitert worden. Seit dem Beginn des Prinzipats traten auch die Dichtkunst sowie der Vortrag literarischer Werke vor Publikum neben die althergebrachten aristokratischen Betätigungsfelder und gewannen an Bedeutung, wenn es darum ging, sich innerhalb der Gruppe der Nobilität auszuzeichnen. Allerdings verletzte es gesellschaftliche Normen, wenn der adelige Künstler die Schwelle zum professionellen Berufskünstlertum überschritt. Die Professionalisierung der künstlerischen Ambitionen, wie Nero sie vollzog, wird in den Quellen als unlösbarer Rollenkonflikt angelegt, der sich schrittweise entwickelte. Nero richtete bereits 59 n.Chr. mit den Iuvenalia neue Spiele in Rom ein, die noch in der römischen Tradition der ludi standen. Im Jahr 60 n.Chr. bereits brach Nero aber mit römischen Sitten und installierte mit den nach ihm benannten Neronia einen alle fünf Jahre stattfindenden griechischen Agon. Seine künstlerischen Ambitionen schienen mehr und mehr eine griechischhellenistische Ausrichtung gewonnen zu haben. Quelle Nero als Veranstalter griechischer Spiele in Rom (Suet. Nero 12, 3) Er veranstaltete auch als erster von allen in Rom einen Wettkampf, der alle fünf Jahre stattfand und wie bei den Griechen aus drei Disziplinen bestand: einer musischen, einer athletischen und einer Disziplin zu Pferde. Dieser Wettkampf erhielt den Namen Neronia. […] Dann stieg er auf die Orchestra und zu den Senatoren herab und wurde mit dem Siegeskranz für römische Rede- und Dichtkunst ausgezeichnet; darum hatten Koryphäen gewetteifert, sie alle aber hatten einstimmig ihm die Auszeichnung zuerkannt. Dafür, dass ihm die Richter auch noch den Siegespreis für das Kitharaspiel überbrachten, zollte er ihnen Respekt und befahl, den Kranz zur Statue des Augustus zu bringen. (Übersetzung H. Martinet)

Die Grenze zwischen begeistertem Amateur und professionellem Künstler überschritt Nero erst im Jahr 64 n.Chr., wobei ihm die Verletzung der aristokratischen Norm bewusst gewesen zu sein scheint, wählte er für seinen ersten Auftritt doch Neapel und nicht Rom. Neapel veranstaltete als griechische Polis einen bekannten penteterischen Agon, der dort seit Augustus gefeiert wurde, wobei der jeweilige Kaiser als offizieller Spielegeber auftrat. Bei diesen Spielen zu Ehren des Kaisers (Sebasta) traten auch Künstler aus dem griechischen Reichsteil auf, für die die Regeln der römischen Gesetzgebung nicht galten,

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Neue Spiele

132

VIII.

Nero

d.h. die Teilnahme an solchen Agonen brachte nicht automatisch die Infamie mit sich. Dies war eine eindeutige Konzession an die kulturelle Tradition des griechischen Reichsteils, wo Sportler und Künstler hochangesehene Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft waren.

b. Die Morde Neros Tod der Agrippina

Weitere Opfer

Der Auftritt des Jahres 64 n.Chr. bildete den Höhepunkt einer Entwicklung, die ab 59 n.Chr. mehr und mehr zutage trat. Die Quellen stellen dabei eine enge Relation zwischen dem Tod seiner Mutter und der Wandlung zum Künstler-Kaiser her. Bereits im Jahr 55 n.Chr. hatten Neros künstlerische Ambitionen zu einem weiteren Zerwürfnis mit seiner Mutter geführt, das unter Vermittlung von Seneca noch einmal beigelegt werden konnte. Den eigentlichen Anstoß, sich von der Mutter zu befreien, soll die Liaison zu einer neuen Frau, Poppaea Sabina, gegeben haben. Sie entstammte einer alten und angesehenen Familie der senatorischen Aristokratie, stellte für seine Ehe mit Octavia eine ernsthafte Gefahr dar und stieß daher bei Agrippina auf große Ablehnung. Diese Ablehnung soll für Nero nun ausschlaggebend gewesen sein, den Plan des Muttermordes zu fassen. Die Quellen überbieten sich an abenteuerlichen Geschichten, wie dieser Plan umgesetzt wurde. Wie in einer Theaterinszenierung wurde ein Schiff präpariert, das auf dem Golf von Baiae auseinanderbrechen und Agrippinas Tod wie einen Unfall erscheinen lassen sollte. Dieser Plan aber misslang, und so wurde sie schließlich in ihrem Haus von einem Soldaten erstochen. Nach der Ermordung der Mutter im März 59 n.Chr. wurde offiziell verlautbart, sie habe Selbstmord begangen, nachdem ihr Plan, Nero zu töten, gescheitert sei. Dass dies die Version der Geschichte war, die von den Zeitgenossen als akzeptierte Historizität verbreitet wurde, zeigen die offiziellen Protokolle der Arvalbrüder. Der Senat beschloss Agrippinas damnatio memoriae, so zumindest berichten es die schriftlichen Quellen. In verschiedenen Regionen des Reiches aber hielt man Neros Mutter offenbar in bester Erinnerung: In Germanien überlebte ihr Name. Ihr Geburtsort, das heutige Köln, war von ihr zur Kolonie erhoben worden und verehrte sie über ihren Tod hinaus. In Herculaneum wurden mehrere Statuen der Agrippina entdeckt, die bei Ausbruch des Vesuv 79 n.Chr. noch intakt waren, wohl Agrippina als Priesterin des Claudius zeigten und sich in unmittelbarer Nähe zu anderen Mitgliedern der domus Augusta wie Augustus oder Livia befanden. Hier scheint die verwandtschaftliche Nähe der Agrippina zur julischen Familie deutlich schwerer zu ihren Gunsten gewogen zu haben als die von Kaiser und Senat angeordnete Tilgung aus dem kollektiven Gedächtnis. Nach dem Tod Agrippinas zog sich auch Seneca mehr und mehr zurück. Im Jahr 62 n.Chr. starb der noch immer mächtige Prätorianerpräfekt Burrus und wurde durch Tigellinus ersetzt, den die Quellen als loyalen und skrupello-

4. Der Brand Roms 64 n.Chr. und die Baupolitik Neros

133

sen Nero-Getreuen beschreiben. Auch die offizielle Ehefrau Octavia wurde nun vom Hof entfernt und schließlich ermordet. Die antiken Autoren sahen in Octavia eines der tragischsten Opfer Neros. Selbst das römische Volk soll gegen die grausame Behandlung der Claudius-Tochter protestiert haben. Ihr Schicksal bewegte die Zeitgenossen offenbar sehr, wie eine wenige Jahre nach ihrem Tod erschienene Tragödie eines unbekannten Autors mit dem Titel Octavia zeigt. Ihr Leben und Sterben wurde bereits zu Lebzeiten Neros bewusst instrumentalisiert, um seinen Ruf zu schädigen, und fand beim römischen Publikum durchaus Anklang. Nero heiratete nun seine Favoritin Poppaea Sabina, die 63 n.Chr. eine gemeinsame Tochter zur Welt brachte. Das Mädchen verstarb allerdings wenige Monate nach ihrer Geburt und wurde als Diva Claudia virgo mit einem offiziellen Götterkult geehrt. Poppaea selbst, der in den Quellen großer Einfluss auf den Kaiser zugeschrieben wird, verstarb im Jahr 65 n.Chr., wahrscheinlich an den Begleitumständen einer erneuten Schwangerschaft. Auch hier sollte die spätere Geschichtsschreibung Nero zum Mörder und Poppaea zum Opfer eines Zornausbruchs des Prinzeps machen. Tatsächlich ließ Nero sie als Diva Sabina vergöttlichen und mit einem Tempel ehren. Das Narrativ der Quellen zeichnet also die Hinwendung zur Kunst parallel zur politischen und persönlichen Entwicklung des Kaisers nach, die als Fehlentwicklung und Entmenschlichung dargestellt wird. Dieser Prozess findet seinen scheinbaren Höhepunkt in einem wahrhaft apokalyptischen Szenario im Juli 64 n.Chr.

4. Der Brand Roms 64 n.Chr. und die Baupolitik Neros a. Der Brand des Jahres 64 n.Chr. Bis heute gilt der Brand des Jahres 64 n.Chr. als jene Katastrophe der stadtrömischen Geschichte, die aufs engste mit dem Namen Nero verbunden ist. Für den eigentlichen Verlauf der Brandkatastrophe, deren Beginn auf den 18. Juli datiert wird, bietet Tacitus eine ausführliche Beschreibung der Ereignisse (Tac. Ann. 15, 38–41). Das Feuer brach unmittelbar am Circus Maximus aus, breitete sich zunächst in den engbebauten und dichtbevölkerten Stadtteilen nach Norden und schließlich in Richtung Subura aus, den am dichtesten besiedelten Teil Roms. Laut Tacitus wurden zunächst Siedlungsgebiete in der Ebene vernichtet, danach raste das Feuer die Hügel empor, um anschließend die dahinterliegenden Stadtteile zu vernichten. Erst nach sechs Tagen kam es durch umfängliche Lösch- und Abrissarbeiten zum Stillstand. Dem Brand fielen unter anderem die kaiserlichen Paläste auf dem Palatin, die Regia, der frühere Amtssitz des pontifex maximus am Rande des Forum Romanum, sowie

Verlauf

134

VIII.

Das Gerücht um den Brandstifter Nero

Nero

der Tempel der Vesta an der sacra via zum Opfer. Die Aussage des Tacitus, von den 14 innerstädtischen Regionen sollen sieben völlig vernichtet worden und lediglich vier gänzlich unversehrt geblieben sein, muss nach Ausweis der archäologischen Forschung als eine polemische Übertreibung des an realen Schadensmeldungen wenig interessierten Autors angesehen werden. Tacitus hatte wie alle anderen antiken Autoren, die von diesem Feuer berichteten, ein dezidiertes Interesse daran, seine Größe zu einer Katastrophe von beispiellosem Ausmaß zu steigern, um die Monstrosität des Verbrechens, das man Nero anlastete, herauszustreichen. Relativ schnell stellte sich nämlich die Frage nach den für das Feuer Verantwortlichen. Zwar spricht aus heutiger Sicht vieles dafür, dass ein Unfall als Ursache gelten kann und dass eine Verkettung unglücklicher Umstände zu seiner raschen und schwer kontrollierbaren Ausbreitung führte, zu verlockend war aber für die Zeitgenossen und die Geschichtsschreibung der postneronischen Zeit die Verknüpfung eines apokalyptischen Brandszenarios mit der Person des verhassten Kaisers. So ging Nero in die Geschichte als jener Herrscher ein, der Rom in Brand stecken ließ, um eine neue Stadt nach seinen Idealvorstellungen zu schaffen. Quelle Sueton erklärt Nero zum Brandstifter (Suet. Nero 38, 1) Aber nicht einmal das Volk oder die Mauern seiner Vaterstadt blieben von ihm verschont. Als einmal jemand in einem leutseligen Gespräch den griechischen Vers zitierte: „Wenn ich tot bin, da soll sich doch ruhig Erde mit Feuer mischen!“ entgegnete er: „Ganz im Gegenteil, das soll noch zu meinen Lebzeiten passieren!“ Und genau das brachte er dann auch wirklich zustande. Er gab nämlich vor, die Schäbigkeit der alten Gebäude und die engen und gewundenen Gässchen erregten sein Missfallen; also ließ er die Stadt in Brand stecken. Das konnte jeder mitbekommen: eine ganze Reihe ehemaliger Konsuln ertappten seine Kammerdiener mit Pechkränzen und Fackeln auf ihrem Grund und Boden, wagten aber nicht, sie anzurühren. (Übersetzung H. Martinet)

Christen als Sündenböcke

Von allen Autoren ist es allein Tacitus, der im Kontext des Brandes eine weitere Episode berichtet, die Neros Grausamkeit untermauern und den Herrscher diskreditieren soll. Der Prinzeps soll – um von den Anschuldigungen gegen seine eigene Person abzulenken – die Christen als Brandstifter angeklagt und aufs grausamste bestraft haben. Relativ umstritten ist es dabei, wie groß und wie strukturiert diese Gruppe im Jahr 64 n.Chr. war. Der römischen Öffentlichkeit waren diese Anhänger eines Mannes, der unter Tiberius als Aufrührer in einer unruhigen Provinz hingerichtet worden war, bereits seit einigen Jahren bekannt, weil sie unter Kaiser Claudius durch Auseinandersetzungen innerhalb der jüdischen Gemeinde Roms aufgefallen waren. Tacitus selbst bezichtigte die Christen des Hasses auf das Menschengeschlecht, fällte

4. Der Brand Roms 64 n.Chr. und die Baupolitik Neros

135

also in der grundsätzlichen Beurteilung der Christen ein unzweifelhaft negatives Urteil. Mitleid erregte in seinem Bericht lediglich die übertriebene Grausamkeit, mit der die Christen von Nero bestraft wurden. Quelle Tacitus über die Christen (Tac. Ann. 15, 44) Aber nicht durch menschliche Hilfeleistung, nicht durch die Spenden des Kaisers oder die Maßnahmen zur Beschwichtigung der Götter ließ sich das böse Gerücht unterdrücken, man glaubte vielmehr fest daran: befohlen worden sei der Brand. Daher schob Nero, um dem Gerede ein Ende zu machen, andere als Schuldige vor und belegte die mit den ausgesuchtesten Strafen, die, wegen ihrer Schandtaten verhasst, vom Volk Chrestianer genannt wurden. Der Mann, von dem sich dieser Name herleitet, Christus, war unter der Herrschaft des Tiberius auf Veranlassung des Prokurators Pontius Pilatus hingerichtet worden; und für den Augenblick unterdrückt, brach der unheilvolle Aberglaube wieder hervor, nicht nur in Judäa, dem Ursprungsland dieses Übels, sondern auch in Rom, wo aus der ganzen Welt alle Gräuel und Scheußlichkeiten zusammenströmen und gefeiert werden. So verhaftete man zunächst diejenigen, die ein Geständnis ablegten, dann wurde auf ihre Anzeige hin eine ungeheure Menge nicht so sehr des Verbrechens der Brandstiftung als einer hasserfüllten Einstellung gegenüber dem Menschengeschlecht schuldig gesprochen. Und als sie in den Tod gingen, trieb man noch seinen Spott mit ihnen in der Weise, dass sie, in die Felle wilder Tiere gehüllt, von Hunden zerfleischt umkamen oder, ans Kreuz geschlagen und zum Feuertod bestimmt, sobald sich der Tag neigte, als nächtliche Beleuchtung verbrannt wurden. Seinen Park hatte Nero für dieses Schauspiel zur Verfügung gestellt und gab zugleich ein Circusspiel, bei dem er sich in der Tracht eines Wagenlenkers unters Volk mischte oder sich auf einen Rennwagen stellte. Daraus entwickelte sich Mitgefühl, wenngleich gegenüber Schuldigen, die die härtesten Strafen verdient hätten: denn man glaubte, nicht dem öffentlichen Interesse, sondern der Grausamkeit eines Einzelnen würden sie geopfert. (Übersetzung E. Heller)

Die Grausamkeit bei der Bestrafung der Christen erscheint aus heutiger Sicht exzessiv, doch dies entsprach nicht dem Rechtsempfinden der damaligen Zeit. Das Kapitalverbrechen der Brandstiftung, nicht die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Christen wurde hier bestraft. Kreuzigung oder Verurteilung zum Tod in der Arena (ad bestias) entsprachen den römischen Gesetzen. Für die pagane Antike war die Hinrichtung der Christen von keinerlei Relevanz, im Werk des Tacitus diente der Text lediglich dazu, die Grausamkeit Neros herauszustreichen und sie an einer Gruppe zu exemplifizieren, die in ihrem Hass auf die Menschheit dem Kaiser ebenbürtig schien. Die spätantiken Kirchenhistoriker und christlichen Schriftsteller aber formten aus dieser Episode ein Nerobild, das diesen Kaiser zum Antichristen schlechthin stilisierte, der am Beginn der römischen Verfolgungsgeschichte ihrer Glaubensgemeinschaft stand. Die christlichen Autoren schufen einen Nero, der durch das gesamte Mittelalter und die Neuzeit hinweg zum Stereotyp des satanischen Christenverfolgers, zur Inkarnation des Bösen wurde. Zusammen mit den ne-

Keine Christenverfolgung

136

VIII.

Nero

gativ wertenden Quellen der römischen Historiographie und einer nerofeindlichen jüdischen Überlieferung entstand so ein Bild, das es für heutige Historiker kaum noch möglich macht, eine historische Realität zu erkennen. Umso wichtiger erscheint es, Aspekte zu beleuchten, die den historischen Nero noch im Ansatz sichtbar machen können. Einer dieser Aspekte ist das öffentliche und private Bauprogramm, das Nero nach dem Brand begann.

b. Neros Baupolitik nach dem Brand domus transitoria

domus aurea

Baupolitik stellte für Nero ein zentrales Anliegen während seiner gesamten Regierungszeit dar. Dies zeigen seine städtischen Bauprojekte, die vom Beginn seiner Herrschaft an quantitativ, aber vor allem qualitativ Akzente setzten. Bereits einige Jahre vor dem Brand von 64 n.Chr. hatte Nero mit dem Bau einer neuen Palastanlage begonnen. Die heute noch in Teilen erhaltene domus aurea, die Nero angeblich auf den Resten des alten Rom errichtete, war folglich kein völlig neuartiger Baukomplex. Ausgangspunkt dieses „Goldenen Hauses“ war sein bereits im Bau befindlicher und beim Brand völlig zerstörter Palastkomplex, die domus transitoria, die ihren Namen dem Umstand verdankte, dass sie als Verbindung zwischen den kaiserlichen Besitzungen auf dem Palatin und dem Esquilin fungieren sollte. Mit der Idee, sich eine repräsentative Anlage zu errichten, setzte Nero die Tradition seiner Vorgänger fort. Die Palastanlagen der julisch-claudischen Kaiser auf dem Palatin wurden durch neueste archäologische Befunde aus dem östlichen Bereich des Palatinhügels als deutlich aufwendiger und luxuriöser ausgewiesen, als bislang angenommen. Die Zeiten eines Augustus, der in einer eher schlichten, aristokratischen domus auf dem Palatin gelebt hatte, gehörten der Vergangenheit an. Neros domus transitoria verschob allerdings erstmals den Fokus der Kaiserresidenz weg vom Palatin und erhielt somit eine zusätzliche symbolische Komponente: Nero bewegte sich mit diesem Bau nicht nur weg von der angestammten Residenz seiner unmittelbaren Vorgänger und dem übermächtigen Vorbild des Augustus, sondern er verließ auch einen für die Geschichte der Stadt extrem aufgeladenen Ort. Der Palatin als jener Ort, auf dem die Romulus-Hütte stand und den Augustus für sein Haus gewählt hatte, nachdem ein Blitzschlag als göttliches Zeichen ihm diesen Ort gewiesen hatte, bildete den Kern der julisch-claudischen Herrschaft in Rom. Eine Abwendung von diesem Ort bedeutete auch eine Abwendung von den bislang praktizierten Herrschaftsauffassungen. Die domus aurea beruhte nun auf diesem beim Brand vernichteten Vorgängerbau. Damit wird der oftmals in der antiken Dichtung und Geschichtsschreibung vorgebrachte Vorwurf, Nero habe „den Armen ihr Heim entrissen“ und „ganz Rom zu seinem Haus gemacht“ als literarische Fiktion entlarvt. Die Vorwürfe der Brandstiftung und der Enteignung zur Schaffung von Raum für den Bau der neuen Palastanlage scheinen also kaum haltbar. Auch archäologi-

4. Der Brand Roms 64 n.Chr. und die Baupolitik Neros

137

VI

Grabbau der Domitier

er Tib

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(Neros Grab)

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Prätorianerlager

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(später Stadion des Domitian)

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(Festhalle)

Pompeiustheater Circus Flaminius

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Kapitol

Bauten der Forum Romanum Domus Aurea 1 2 3

Palatin

Circus Maximus

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Domus Tiberiana (erhaltene) Reste der Domus Transitoria

See (später Kolosseum) 4 Aquädukt des Claudius Macellum Magnum

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(Markthalle) VI

VI

A

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4 Tempel des Divus Claudius

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(später Roma- und Venustempel)

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Stadtmauer

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Nekropolen 1 Ehrenbogen des Nero 2 Vestatempel und Haus der Vestalinnen 3 Vorhalle der Domus Aurea

(aus der Zeit der Republik)

0

500

1000

1500 m

sche Befunde zu den Häusern der senatorischen Familien im 1. Jahrhundert n.Chr. sprechen dafür, dass die Region auf dem Palatin und im Bereich des Forums mehr und mehr in den Besitz der Kaiser überging und zwar durch Vererbung und Kauf. Seit der Zeit des Augustus konzentrierten sich die Stadthäuser der führenden Familien nicht mehr im direkten politischen Zentrum, zumindest nicht in der Region der späteren domus aurea. Zu den Vorwürfen der Monopolisierung des öffentlichen Raumes wollen dann auch nicht die Berichte passen, die Neros Pläne für die Wiederherstellung der Stadt als großes urbanistisches, nicht nur privates Neugestaltungsprojekt beschreiben. Dieses nach dem Brand gestartete Wiederaufbauprogramm, das nicht nur auf den Neubau der Herrschaftsarchitektur konzentriert war, sondern eine völlig neue urbanistische Gestaltung der vernichteten Stadtviertel vorsah, griff nicht unerheblich in die römischen Besitzverhältnisse ein. Nero erließ eine Vielzahl neuer Regelungen, die dazu dienen sollten, eine erneute Brandkatastrophe zu verhindern und grundsätzlich bessere Wohn- und Lebensbedingungen zu schaffen. Kein Kaiser vor ihm hatte so umfassend in die städtebauliche Gestaltung auch im privaten Bausektor eingegriffen, und

Neugestaltung der Stadt

138

VIII.

Breite Kritik an Neros Bauten

Nero

keine gesetzliche Regelung vorher konnte in einer solchen Dimension umgesetzt werden. Dabei sehen wir einen Kaiser, der durchaus eine Gesamtkonzeption in der Stadtplanung verfolgte: Tacitus beschreibt, dass nun nicht mehr planlos gebaut, sondern „sorgsam ausgemessene Häuserzeilen und breite Straßen“ angelegt werden sollten, dass die Höhe begrenzt, Innenhöfe und Säulengänge angelegt sowie Brandschutzmaßnahmen umgesetzt werden mussten. So förderlich diese Maßnahmen auch für die oft beklagte Sicherheit der Wohngebäude, den Brandschutz, die Hygiene und den Verkehr waren, so dürften sie doch auch großen Unmut unter den Besitzern von Grundstücken und Immobilien nach sich gezogen haben, da ihnen ökonomische Verluste drohten. Neros städtebauliche Neugestaltung stieß also bei jenen, die Besitz in der Stadt hatten, auf Vorbehalte und Kritik. Ferner förderte er mit den Latini Iuniani ehemalige Sklaven und erhob sie zu Hausbesitzern in Rom. Stichwort

Latini Iuniani Die Latini Iuniani waren Freigelassene mit einer minderen Rechtsstellung. Nero verfügte nach dem Brand, dass sie das volle Bürgerrecht erhalten sollten, wenn sie von einem Mindestvermögen von 200000 Sesterzen mindestens die Hälfte in den Neubau eines Hauses in Rom investierten (Gaius, Institutiones I 33). Er griff damit auf zwei Arten in die Rechte der städtischen Eliten ein: Er erhob die ehemaligen Sklaven zu Hausbesitzern im Zentrum Roms, was ein Affront gegenüber alteingesessenen Adelsfamilien war. Und er verhinderte, dass die früheren Besitzer dieser Latini Iuniani deren Vermögen erbten, denn ihre mindere Rechtsstellung drückte sich vor allem darin aus, dass sie testamentarisch nicht über ihr Vermögen verfügen konnten, sondern dieses im Fall ihres Todes an ihre früheren Besitzer fiel.

Der postneronische Diskurs

Hinzu trat mit der domus aurea ein Bauprojekt, das letztlich nur in den Dimensionen einer hellenistischen Palastanlage beschrieben werden kann. Neros neue repräsentative Architektur unterstreicht einmal mehr in ihrer Formensprache die veränderte, hellenisierte Herrschaftsauffassung. Diese Vision des neuen Rom in all ihren Facetten – nicht nur die domus aurea – stieß also aus ökonomischen, sozialen und politischen Gründen auf größte Ablehnung innerhalb der römischen Elite. Nach Neros Tod konzentrierte sich der Diskurs aber vor allem darauf, die neronische Stadtgestaltung zur politischen Schreckensvision zu erklären. Der römische Dichter Martial, der am Hof der flavischen Kaiser seinen Aufstieg gemacht hatte, stand am Beginn der Debatte. Eines der offensichtlich karrierefördernden Themen jener Zeit war die Verurteilung der großen neronischen Bauprojekte in Rom. Zu den besonders häufig gepflegten Stereotypen zählte offenbar der Hinweis darauf, dass Nero mit seinem „Goldenen Haus“ die armen Stadtbewohner ihrer Heimat beraubt habe und die gesamte Stadt für sich okkupieren wollte.

5. Verschwörung und Opposition

139

Quelle Martial und der Diskurs über die domus aurea (Mart. de spectaculis 2) Hier, […], strahlte vordem der verhasste Palast des grausamen Herrschers; und auf dem Raume der Stadt gab’s nur ein einziges Haus. Hier, wo die wuchtige Masse des herrlichen Amphitheaters aufstrebt voll Majestät, hatte einst Nero den See. Hier, wo wir jetzt die rasch entstandenen Bäder bewundern, hatte ein prächtiger Park Armen entrissen ihr Heim […] Rom ist sich wiedergeschenkt, und, Caesar, in deiner Regierung dient zum Entzücken des Volks, was nur dem Herrscher gedient. (Übersetzung R. Helm)

Martial suggeriert, die flavischen Kaiser hätten die von Nero geraubte Stadt dem Volk zurückgegeben. Plinius der Ältere gibt seine Sicht auf Neros Palast in ähnlicher Weise in seiner Naturkunde wieder. Er verknüpft schlechte Herrschaft mit Maßlosigkeit beim Bauen: Nur unter den beiden schlechten Kaisern Caligula und Nero sei ganz Rom von Palästen umgeben gewesen. Der Diskurs lässt sich dann bei Tacitus weiterverfolgen, der mit der engen textlichen Korrelation von Brand und Palastbau nahelegt, Nero habe Rom in Brand stecken lassen, um seinen neuen Palast zu errichten. Einige Jahre später macht der Kaiserbiograph Sueton aus diesem Gerücht dann eine Tatsache. Hinzu trat die Verdammung Neros in der christlichen Geschichtsschreibung, und so schufen die antiken Autoren das Bild eines Monsters, das ein Neropolis aus Selbstsucht und Hypertrophie heraus zu erschaffen suchte. Die modernen Medien griffen diese Vorlage auf. Das wohl berühmteste Beispiel ist die Darstellung Neros im Hollywood-Klassiker „Quo Vadis?“ aus dem Jahr 1951, der auf dem gleichnamigen Roman des polnischen Literaturnobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz aus dem Jahr 1896 basiert. Die Okkupation und Umgestaltung der römischen Innenstadt wurden für antike wie moderne Historiker zu Neros größten Verfehlungen als Herrscher.

5. Verschwörung und Opposition Unmittelbar nach der Brandkatastrophe des Jahres 64 n.Chr. scheint es zunehmend zu Spannungen zwischen dem Prinzeps und verschiedenen Gruppen, die oftmals etwas verallgemeinernd als „Opposition“ bezeichnet werden, gekommen zu sein. Zwei Bewegungen treten dabei deutlich hervor, die vor allem bei Tacitus sehr genau beleuchtet werden: die sogenannte „Pisonische Verschwörung“ des Jahres 65 n.Chr. und eine Gruppe um die Senatoren Publius Clodius Thrasea Paetus und Marcius Barea Soranus im Jahr 66 n.Chr.

a. Die Pisonische Verschwörung Folgt man dem ausführlichen Bericht des Tacitus, bildete sich ab dem Jahr 64 n.Chr. eine oppositionelle Bewegung um den Senator C. Calpurnius Piso.

Beteiligte

140

VIII.

Die Motive

Nero

Diese Gruppe war extrem heterogen, es finden sich in ihr Angehörige des Senatorenstandes, Ritter, Prätorianer, Dichter wie Lukan und sogar Frauen aus dem Stand der Freigelassenen – ein Umstand, der Zweifel an der Historizität der Details, die Tacitus liefert, aufkommen lässt. Diese Menschen verband – so Tacitus – der Hass gegen Nero und die Anhängerschaft zu Piso, der wohl auserwählt wurde, nach einem erfolgreichen Attentat als neuer Prinzeps die Nachfolge Neros anzutreten. Die Motivlage erscheint so heterogen wie die Gruppe selbst, in den Quellen kristallisiert sich eine Mischung aus verletzter Ehre, Zurückweisung und Tyrannenmörder-Habitus heraus. Abweichend zu Tacitus berichtet Cassius Dio, der für diese Zeit leider nur epitomarisch überliefert ist, an der Spitze der Bewegung hätten Seneca und einer der Prätorianerpräfekten, ein Mann namens Rufus, gestanden. Den einzigen gemeinsamen Nenner der Gruppe bildete wohl der Wunsch, Nero zu beseitigen. Politische Ambitionen beschränkten sich darauf, den Prinzeps auszutauschen, wobei Piso in der Charakterisierung des Tacitus als durchaus zweifelhafte Alternative dargestellt wird. Unter den Verschwörern erweisen sich lediglich die Freigelassene Epicharis und Teile der Prätorianer als Personen, die entsprechend dem aristokratischen Wertekanon handeln: Epicharis verrät nach Aufdeckung der Attentatspläne im Gegensatz zu ihren senatorischen und ritterlichen Mitverschwörern selbst unter Folter keine Namen und wählt schließlich den Freitod als Ausweg. Quelle Die Freigelassene Epicharis und ihr standhaftes Verhalten im Urteil des Tacitus (Tac. Ann. 15, 57) […] ein umso leuchtenderes Vorbild, als es eine Freigelassene, eine Frau gab, indem sie in solcher Bedrängnis Fremde und fast Unbekannte schützte, während Freigeborene, Männer, römische Ritter und Senatoren, von der Folter unberührt, jeweils die teuersten ihrer Angehörigen verrieten. (Übersetzung E. Heller)

Zweifel an der Schilderung des Tacitus

Angesichts dieser Schilderung muss man die Frage stellen, inwieweit es Tacitus mit seiner Darstellung um historische Fakten ging. Viel eher scheint er die tatsächlichen oder vermeintlichen Ereignisse um eine aufgedeckte Verschwörung als Folie zu benutzen, um die römische Aristokratie in ihrem Niedergang und in ihrer Unfähigkeit der Lächerlichkeit preiszugeben. Ganz im Bild einer literarischen Bearbeitung eines historischen Stoffes bleibt auch die äußerst theatralische Schilderung vom Ende der Verschwörung, die bereits vor ihrer spektakulär nach dem Vorbild des Caesar-Attentats geplanten Ausführung scheiterte. Einer der Mittäter, ein Senator namens Flavius Scaevinus, ein Mann, der „durch sein ausschweifendes Leben jegliche Energie eingebüßt [hatte] und […] daher sein träges Leben im Halbschlaf [verbrachte]“ (Tac. Ann. 15, 49), wollte den ersten Dolchstoß gegen Nero mit einem extra aus

5. Verschwörung und Opposition

141

dem Tempel der Fortuna in Ferentinum herangeschafften Dolch ausführen. Allerdings ließ er die altertümliche und wohl schon etwas stumpfe Waffe bedeutungsvoll schärfen und verhielt sich wohl auch sonst so auffällig, dass ein Freigelassener Verdacht schöpfte und sein Wissen an die Freigelassenen des Nero weitergab. Schnell brachen die vermeintlichen Attentäter unter dem Verhör zusammen und verrieten Freunde, Familienmitglieder und sogar Unschuldige, nur um das eigene Leben zu retten. Nero nutzte diese Situation – so scheint es – um zahlreiche tatsächliche oder vermutete Gegner töten zu lassen. Auch Seneca wurde im Zuge dieser Verschwörung in den Selbstmord getrieben. Einige Indizien weisen darauf hin, dass er mehr als ein am Rande Informierter der Planungen war. In einigen Fällen lässt sich auch nachzeichnen, dass hinter den Morden, die Nero nun anordnete, finanzielle Motive standen.

b. Die Opposition der Stoiker Eine Gruppe von Senatoren um Thrasea Paetus und Barea Soranus, die bei Tacitus als dezidierte Anhänger der stoischen Philosophenschule beschrieben und in ihrem Handeln als diesen Werten verbunden dargestellt werden, bildeten ein zweites Zentrum von „Opposition“ gegen Nero. Im Gegensatz zu C. Calpurnius Piso werden diese Senatoren von Tacitus als „die Tugend selbst“ (Ann. 16, 21) beschrieben. Die beiden Männer scheinen den Hass des Prinzeps vor allem durch eine relativ offen nach außen getragene Ablehnung des neronischen Herrschaftsstils auf sich gezogen zu haben. Zum konkreten Vorwurf machte man dem Thrasea Paetus dann aber in einem offiziellen Prozess einerseits die Vernachlässigung seiner Amtspflichten als Senator und Priester. So habe er Senatssitzungen versäumt und Opfer nicht vollzogen und damit andere ermutigt, sich ebenfalls an diesem sektiererischen, auf einen Bürgerkrieg ausgerichteten Verhalten zu beteiligen. Andererseits sah man bei ihm Verstöße gegen den Herrscherkult. Er habe nicht an die Göttlichkeit der verstorbenen Kaisergattin Poppaea geglaubt, die in einem offiziellen Staatsakt vom Senat als Diva Sabina unter die Götter erhoben worden war, und habe sich geweigert, auf die Verordnungen des Divus Julius und des Divus Augustus zu schwören. Dem Barea Soranus warf man vor, sein Prokonsulat in der wichtigen Provinz Asia genutzt zu haben, um von dort aus einen Umsturz zu planen, seine Tochter soll sogar magische Rituale vollzogen haben, um Nero zu schaden. Der Senat verurteilte beide Senatoren und die Tochter des Soranus zum Tod. Diese zunächst seltsam anmutenden Vorwürfe sind, was ihre potentiell umstürzlerischen Aspekte betrifft, ernst zu nehmen. Auch die religiösen Verfehlungen der beiden Angeklagten müssen in der Konsequenz einer Überhöhung des Prinzipats, wie sie unter Nero wohl stattfand, durchaus als nachvollziehbar angenommen werden. Tacitus’ Beschreibung beider Männer als Inbegriff römi-

Personen

Vorwürfe

142

VIII.

Nero

scher virtus versuchte natürlich, die Urteile des Senats, der auf Anweisung Neros handelte, als gravierende Fehlentscheidungen umzudeuten.

6. Die Außen- und Provinzpolitik Neros Außenpolitisch-militärische Erfolge bildeten im Prinzipat, wie er von Augustus angelegt und von seinen Nachfolgern fortgeführt worden war, einen zentralen Aspekt der Legitimation des Herrschers in der Öffentlichkeit. Die Meriten, die sich Tiberius als Militär vor allem vor seinem Herrschaftsantritt erworben hatte, waren unbestritten. Caligula wollte sich durch militärische Erfolge in Germanien und Britannien profilieren. Selbst Claudius hatte durch die Eroberung Britanniens seine Sieghaftigkeit und damit seine Herrschaftsfähigkeit unter Beweis gestellt. Für Nero dagegen scheint die offensive Suche nach militärischer Legitimation nicht zu seiner Vorstellung von den zentralen Aufgaben des Prinzeps gehört zu haben. Quelle Sueton über Neros Zurückhaltung in der Eroberungspolitik (Suet. Nero 18) Er hatte niemals vor, das Reich noch weiter über seine Grenzen auszudehnen, noch versprach er sich etwas davon; er hat sogar daran gedacht, das Heer aus Britannien abzuziehen. Nur weil er fürchtete, das könne so aussehen, als wolle er den Ruhm seines Vaters schmälern, ließ er diese Überlegung fallen. Zu Provinzen machte er nur das Königreich Pontus, als Polemon es ihm abtrat, und noch das Reich des Cottius in den Alpen, als dieser verstarb. (Übersetzung H. Martinet)

Dass Neros Eingreifen aber doch an zwei Schauplätzen – in Armenien und in Britannien – notwendig wurde, war den Ereignissen vor Ort geschuldet, auf die der Prinzeps reagieren musste. Dabei bewies Nero, dass er durchaus fähig war, militärische Konflikte zu lösen und fähige Personen mit diesen Aufgaben zu betrauen. Auch auf dem Feld der Militärpolitik zeigte sich sein Hang zur künstlerisch-theatralischen Inszenierung. Auf einem dritten Schauplatz, in Judäa, das sich ab 66 n.Chr. in einem großen Aufstand gegen die römische Herrschaft erhob, wurde Nero mit einem Krisenherd konfrontiert, dessen Wurzeln weit in die Zeit seiner Vorgänger zurückreichten. Auch hier agierte der Kaiser mit klugen Personalentscheidungen und stellte damit unbewusst die Weichen für die Zukunft des Prinzipats.

a. Armenien Nachdem zu Beginn der Regierungszeit Caligulas der damalige Statthalter Lucius Vitellius in einem Treffen am Euphrat den Grenzkonflikt mit den Parthern entschärft hatte, war die armenische Frage längere Zeit ohne Relevanz ge-

6. Die Außen- und Provinzpolitik Neros

wesen, da der armenische Thron anschließend durch Mithradates von Iberien besetzt blieb, der von Claudius dort eingesetzt worden war. Erst im Jahr 51 n.Chr. war Armenien erneut in den Fokus von Spannungen zwischen Rom und dem Partherreich gerückt. Pharasmanes, der König von Iberien und zugleich Bruder des armenischen Königs, hatte Mithradates trotz römischer Hilfe stürzen können. Das Machtvakuum nutzte der parthische Großkönig Vologaeses I., um wiederum seinen eigenen Bruder auf dem armenischen Thron zu installieren. Während andere Kaiser vor Nero sich eher auf Diplomatie verlegt hatten, um dieses Problem im Sinne Roms zu beeinflussen, waren Nero und sein Beraterstab der Meinung, dass ein energisches militärisches Eingreifen die einzig richtige Antwort sei. Nero stattete in der Folge den Feldherrn Domitius Corbulo mit einem Sonderkommando für den Osten aus und entsandte ihn nach Armenien. Die Kämpfe zogen sich beinahe ein Jahrzehnt hin, Rom musste einige empfindliche Rückschläge hinnehmen, so dass man schließlich auf beiden Seiten bereit war, einen Kompromiss als Lösung zu akzeptieren: Tiridates, der Bruder des parthischen Königs Vologaeses I., sollte über Armenien herrschen, seine Einsetzung allerdings sollte von Nero ausgehen, der ihm das Diadem als Zeichen der Herrschaft überreichen würde. Diese Einsetzung des Parthers in Armenien durch Nero kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ergebnis des langen Krieges für Rom kein positives war. Die Römer hatten es trotz großen Einsatzes nicht vermocht, Tiridates vom armenischen Thron zu verdrängen. Vor allem die öffentlichkeitswirksame Inszenierung der Ereignisse sollte über den tatsächlich eingetretenen Schaden hinwegtäuschen. Im Jahr 66 n.Chr., drei Jahre nach Ende des Krieges, reiste Tiridates in die römische Hauptstadt und erhielt in einer großartig ausgestalteten Zeremonie von Nero das Diadem. Der Kaiser inszenierte diese Inthronisierung als Schauspiel für die römische Öffentlichkeit und trat in diesem Rahmen auch als Sänger auf – seinen größten außenpolitischen Erfolg feierte er mit einem Auftritt als Künstler vor dem Staatsgast und der römischen Öffentlichkeit. Neros Künstlertum war mehr als eine Rolle, die er bisweilen spielte, Nero der Prinzeps war Nero der Künstler.

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Tiridates in Rom

b. Der Aufstand der Boudicca in Britannien Nach der Eroberung Britanniens durch Claudius im Jahr 43 n.Chr. war die Provinzialisierung dieses Gebietes schnell vorangekommen. Diese Erfolge standen aber im Jahr 61 n.Chr. durch das Versagen der römischen Provinzialadministration und die zum Teil skrupellose Ausbeutung des Gebietes in Frage. So war es beispielsweise bei der Anlage der römischen Kolonie Camulodunum zu völlig überzogenen Forderungen an die Leistungsfähigkeit der Einheimischen gekommen. Sie mussten Land abtreten und Leistungen für den Aufbau der colonia erbringen.

Problematische Entwicklungen seit Claudius

144

VIII. Römische Provokationen

Die Rolle Senecas

Nero

Als Prasutagus, der König der mit Rom verbündeten Iceni im heutigen Norfolk, ohne männliche Erben starb, hinterließ er sein Reich testamentarisch zu gleichen Teilen dem Kaiser und seinen beiden Töchtern. Die im Vergleich zum römischen Verständnis sehr starke Position von Frauen entsprach ganz der keltischen Rechtstradition. Der zuständige römische Prokurator allerdings nahm darauf keine Rücksicht, zog den gesamten Besitz des Königs ein und behandelte die Iceni laut Tacitus wie im Kampf unterworfene Feinde und Sklaven. Er ließ die Königswitwe Boudicca und die beiden Töchter schwer misshandeln. Diese Ereignisse verstärkten die in Teilen schon ablehnende Stimmung in der Bevölkerung gegenüber Rom. Die Mischung aus Demütigung der Königsfamilie und drückenden Leistungsforderungen führte zur offenen Rebellion der Iceni unter Führung der Boudicca, der sich bald andere Stämme anschlossen. Die römische Kolonie Camulodunum mit dem Kaiserkultzentrum für den Divus Claudius wurde angegriffen und zerstört. Erst der Einsatz des Statthalters Suetonius Paulinus stabilisierte die Lage wieder. Als eine jener verantwortlichen Personen, die durch ihr Verhalten zu der brisanten Situation auf der Insel beigetragen hatten, wird bei Cassius Dio Seneca genannt, bei dem große Teile der aufständischen Britannier offensichtlich hoch verschuldet waren und der die gegen Wucherzinsen geliehenen Gelder nun auf einen Schlag zurückforderte. Damit erhöhte sich der ökonomische Druck auf die Einheimischen in einer Weise, die ihnen einen Aufstand als einzigen Ausweg erscheinen ließ.

c. Gründe

Der Aufstand in Judäa

In der römischen Provinz Judäa, die seit 6 n.Chr. unter Führung eines ritterlichen Präfekten bzw. seit Claudius unter der Aufsicht eines Prokurators stand, existierten seit Jahrzehnten Konflikte, die sich im Jahr 66 n.Chr. in einem großen Aufstand gegen Rom entluden. Die Gründe, die zu dessen Ausbruch führten, waren vielfältig und können nicht Nero allein angelastet werden. Die Provinz war geprägt von gravierenden sozialen, religiösen, ökonomischen und politischen Verwerfungen. Innerjüdische Spannungen wurden überlagert und befeuert durch die Frage des Umgangs mit den römischen Besatzern. Teile der jüdischen Bevölkerung opponierten mit sozialen und messianischen Parolen gegen die römische Oberhoheit. Insbesondere die Zeloten schürten messianische Hoffnungen und verknüpften sie mit politischen Erwartungshaltungen, wonach die Römer vertrieben und ein Gottesreich eingerichtet werden würde. Stichwort

Messianismus Als Messias (Gesalbter) wird ursprünglich der jüdische König bezeichnet. Seit dem Frühjudentum (6. Jh. v.Chr.) wird der Begriff des Messias mit der Heilserwartung

6. Die Außen- und Provinzpolitik Neros

145

verknüpft und auf einen zukünftig kommenden Retter gemünzt, mit dem die Gottesherrschaft anbrechen wird. Durch die römische Herrschaft gewann die traditionell eher religiös gedeutete Rettergestalt eine politisch-soziale Dimension. Von ihr wurde die Beendigung der römischen Okkupation erwartet, also eine Erlösung im Sinne einer Befreiung.

Ein großer Teil der jüdischen Oberschicht aber stand den Römern durchaus positiv gegenüber und kooperierte mit ihnen. Gerade in dieser Phase des sich anbahnenden Konfliktes erweist sich nun die römische Provinzialverwaltung als besonders skrupellos und unfähig, die traditionell respektierte religiöse Autonomie der jüdischen Bevölkerung auch in Krisensituationen zu handhaben. Den unmittelbaren Auslöser des Aufstands soll die Plünderung des Tempelschatzes in Jerusalem durch den römischen Prokurator Gessius Florus gebildet haben. Im Verlauf der daraufhin ausbrechenden Unruhen musste Florus Jerusalem verlassen, die Festung Masada wurde von den Zeloten erobert, und der Hohepriester stellte das tägliche Opfer für den Kaiser ein. Dies war das Zeichen zum offenen Aufstand gegen Rom. Selbst das Eingreifen der in Syrien stationierten Legion brachte keinen Erfolg. Der Aufruhr breitete sich wie ein Flächenbrand über die gesamte Provinz Judäa aus. Nero betraute nach den anfänglichen Misserfolgen den erfahrenen Militär Titus Flavius Vespasianus mit dem Kommando des Krieges. Gemeinsam mit seinem Sohn Titus sollte er mit drei kompletten Legionen die Lage wieder unter Kontrolle bringen. Vespasian gelang es bereits im Jahr 67 n.Chr., das aufständische Gebiet Galiläa zurückzuerobern, im Laufe der nächsten Jahre gewann er das gesamte Gebiet von Judäa wieder für Rom, dabei wurde im Jahr 70 n.Chr. auch der Tempel in Jerusalem völlig zerstört. Die Legionen, die Nero dem Kommando des Vespasian unterstellt hatte, wurden im Machtkampf um die Nachfolge des letzten Kaisers der julisch-claudischen Dynastie zum entscheidenden Faktor. Sie bestätigten wohl am 3. Juli 69 n.Chr. die Erhebung Vespasians zum Kaiser, nachdem er von den Legionen in Alexandria zwei Tage zuvor zum imperator akklamiert worden war. Informationen aus erster Hand über diesen Krieg liefert der jüdische Autor Joseph ben Mattitjahu, der später den römischen Namen Flavius Josephus annahm. Er war als jüdischer Kommandant des Gebietes von Galiläa direkt in die Kämpfe involviert. Sein Renegatentum begründete er mit einer Prophezeiung, die ihm Vespasian als Nachfolger Neros verkündet und damit die eigene Rettung sowie den Sieg der Römer als göttlichen Willen offenbart habe. Da Josephus sein Werk über die „Geschichte des jüdischen Krieges“ erst unter den flavischen Kaisern veröffentlichte, bietet er mit Sicherheit eine Interpretation der Ereignisse, die einerseits die eigene Rolle positiv färbte, andererseits die von Nero eingesetzten Amtsträger als die wahren Schuldigen betonte. Beides muss nicht der historischen Wahrheit entsprechen.

Vespasian

Flavius Josephus

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VIII.

Nero

7. Neros Griechenlandreise

Freiheitsdekret

Als der Aufstand in Judäa im Jahr 66 n.Chr. ausbrach, befand sich Nero auf einer Reise durch Griechenland. Zutreffend ist diese Reise immer wieder als „Tournee“ bezeichnet worden. Es war Neros erste und einzige Reise in die Gebiete außerhalb Italiens, und sie diente ganz und gar seiner Darstellung als Künstler und Athlet. Entsprechend negativen Nachhall hat sie in den literarischen Quellen erfahren. Da zudem die Annalen des Tacitus für die Jahre nach 66 n.Chr. verloren sind, bleibt diese Reise Neros stark verzerrt und kann nur unzureichend in ihrem Sinn und ihrem genauen Ablauf rekonstruiert werden. Für die Griechen war der Besuch des Kaisers die erste direkte Begegnung mit einem Herrscher seit Augustus. Sie stieß bei den Bewohnern der Provinz auf großen Zuspruch, zumal sich Nero als ausgesprochener Verehrer griechischer Kultur und Geschichte präsentierte. Den politischen Höhepunkt der Reise bildete sicherlich die öffentliche Verkündigung eines Freiheitsdekretes durch den Kaiser, ein Akt, den er in bewusster Nachahmung des berühmten Freiheitsdekretes des Flamininus 196 v.Chr. am Isthmos von Korinth vollzog und in dem er der Provinz Achaia Autonomie und Steuerfreiheit dekretierte. Quelle Neros Freiheitsdekret für die Griechen (SIG 814) Ein unerwartetes, wenn auch von meiner Großherzigkeit durchaus nicht unerhoffbares Geschenk, Männer von Griechenland, mache ich euch, so groß, dass ihr es nicht zu erbitten wagtet. Ihr Griechen alle, die ihr Achaia und die bisher so genannte Peloponnes bewohnt, empfangt Freiheit und Steuerbefreiung, die ihr auch in euren gesamten glücklichsten Zeiten niemals besessen habt […] Denn andere Herrscher haben Städten die Freiheit gegeben, allein Nero jedoch einer ganzen Provinz. […] (Übersetzung M. Bergmann)

Der Prinzeps als „Periodonike“

Der riesige Umfang des kaiserlichen Trosses, die Teilnahme Neros an zahlreichen Spielen sowie Münzprägungen und Baumaßnahmen beispielsweise in Olympia deuten darauf hin, dass diese Reise von langer Hand geplant war. Nero legte großen Wert darauf, an möglichst vielen Wettkämpfen teilzunehmen, und kehrte laut Cassius Dio mit 1808 Siegerkränzen zurück. Mit Sicherheit gehörten die großen panhellenischen Spiele in Olympia, Delphi, Korinth und Nemea sowie die Actia in Nikopolis zu seinem Programm. Um die Teilnahme Neros an allen von ihm gewünschten Wettkämpfen möglich zu machen, mussten die traditionellen Termine der einzelnen Agone geändert werden. Auch der Katalog der einzelnen Wettkämpfe wurde nach seinen Vorstellungen erweitert oder umgestaltet. Zwar absolvierte Nero auf seiner Tournee sowohl musische und dramatische als auch hippische Agone, seine Vorliebe galt aber Schauspiel und Gesang.

7. Neros Griechenlandreise

Das letztliche Motiv der Reise bleibt verschwommen, auch wenn es nicht an Erklärungen in der Forschung fehlt. Sollte ein politisches Motiv dahinter zu suchen sein, lässt es sich nicht überzeugend rekonstruieren. Weder der Philhellenismus des Kaisers, der eine kulturelle Symbiose oder gar Gleichstellung von Griechentum und Römertum herstellen wollte, noch die Suche nach einer neuen Akzeptanzbasis seiner Herrschaft oder der Aufbruch zu einer militärischen Kampagne in den Kaukasus und nach Äthiopien scheinen als Erklärungsmuster schlüssig. Im Zentrum der Reise scheint die persönliche künstlerische und sportliche Ambition des Kaisers zu stehen, der seine agonistische Sieghaftigkeit auch bei seiner Rückkehr 67 n.Chr. in einer Adaption militärischer Triumphe zelebrierte. Neros Griechenlandreise sollte also einmal mehr den Blick auf seinen Versuch lenken, das Feld der Kunst zum Aspekt herrscherlicher Legitimation im Prinzipat zu machen. Dabei sind aber die Adressaten dieser vom Prinzeps ausgehenden Interaktion weniger im aristokratischen Publikum römischer Senatoren oder in der stadtrömischen plebs zu suchen, als vielmehr in den Griechen als durch Mythos und Kunst idealiter aufgeladener Ethnie und in Griechenland als kulturellem Raum. Nero selbst soll sich dazu wie folgt geäußert haben:

147 Motiv der Reise

Quelle Nero und die Griechen (Suet. Nero 22, 3) […] er wurde so stürmisch aufgenommen, dass er sagte, nur die Griechen verstünden zuzuhören, und nur sie seien auch seiner Kunst würdig (Übersetzung H. Martinet)

Dass diese Reise nicht nur bei den postneronischen Autoren, sondern schon bei den Zeitgenossen als verstörend empfunden wurde, zeigen verschiedene Berichte. Zunächst scheint es als großer Affront in Rom aufgefasst worden zu sein, dass Nero die politische Verantwortung für die Tagesgeschäfte an den kaiserlichen Freigelassenen Helios delegierte. Der Kaiser nahm inzwischen in seinen öffentlichen Auftritten keine Rücksicht mehr auf die Meinung der Senatoren, von deren Mehrheit Nero offensichtlich keine positiven Reaktionen mehr erwartete und die zum Teil auch trotz seiner Abwesenheit weiter verfolgt wurden. Daneben erwies sich die Anwesenheit Neros auch für die Provinz als zweischneidiges Schwert. Denn zum einen mussten die Kosten weitgehend von den einheimischen Eliten getragen werden, zum anderen plünderten die Beauftragten und Freunde des Prinzeps ohne Rücksicht die wichtigsten Städte und Heiligtümer vor allem Südgriechenlands, um die berühmtesten Kunstwerke nach Rom bringen zu lassen, wo sie die domus aurea und die Villen und Gärten der Kaiserfreunde schmücken sollten. So sollen allein aus dem Heiligtum von Delphi 500 Kunstwerke geraubt worden sein. In Rom spitzte sich die Lage immer weiter zu. Der kaiserliche Freigelassene Helios schickte im Verlauf des Jahres 67 n.Chr. immer dringlichere Ap-

Reaktionen

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VIII.

Nero

pelle nach Griechenland, um den Kaiser zur Rückkehr zu bewegen. Im Gegensatz zu Nero hatte er erkannt, welche Gefahren die bald einjährige Abwesenheit barg und welche Kräfte sich in Rom, Italien und den Provinzen gegen Nero formierten. Erst als Helios persönlich bei Nero erschien, ließ dieser sich allerdings überzeugen und zog – ohne Eile – in einem triumphartigen Marsch von Neapel über die Städte Italiens nach Rom, wo er Ende 67/Anfang 68 n.Chr. eintraf. In einer letzten großen Inszenierung feierte er seine „siegreiche“ Reise in der Art eines militärischen Triumphes.

8. Aufstände in den Provinzen und Neros Tod

Der Aufstand des Vindex

Der Abfall des Galba

Bereits wenige Wochen nach seiner Rückkehr aus Griechenland formierten sich in den westlichen Provinzen Aufstände gegen Neros Herrschaft. Der entscheidende Aufstand brach im März des Jahres 68 n.Chr. unter Gaius Julius Vindex, dem Statthalter der Gallia Lugdunensis, aus. Die Gründe, die die römische Historiographie dafür anführt, dass gerade in Gallien die Abfallbewegung von Nero begann, bewegen sich im Rahmen der üblichen Tyrannen-Vorwürfe gegen den Kaiser. Tatsächlich lassen sich aber auch wirtschaftliche Motive erkennen, denn Neros finanzielles Gebaren schlug sich in der Abgabenlast der Provinzen einerseits und in ausstehenden Zahlungen an das Militär andererseits nieder. Darüber hinaus scheint die deutliche Bevorzugung der östlichen Reichshälfte durch Nero eine gewisse Frustration unter den Bewohnern des von allen Vorgängerkaisern privilegierten Gallien hervorgerufen zu haben. Die Nachricht von der Revolte erreichte Nero im März 68 n.Chr. in Neapel, wohin er erneut gereist war. Neros Ruhe im Angesicht des Aufstands deutet darauf hin, dass er die militärische Bedrohung als gering und die Loyalität seiner Truppen in den anderen westlichen Provinzen als hoch einschätzte. Tatsächlich stellte sich der Kommandant der obergermanischen Truppen, Verginius Rufus, gegen Vindex und besiegte dessen Heer bei Vesontio. Zwischenzeitlich hatte allerdings der spanische Statthalter Sulpicius Galba, ein Senator aus einer alten patrizischen Familie mit einer langen Karriere, seine Gefolgschaft aufgekündigt, sich zum Legaten des Senates und des römischen Volkes erklärt und damit das Zeichen für eine Abfallbewegung in anderen Provinzen und unter den in Norditalien stationierten Truppen gegeben. Nun liefen auch die Prätorianer zu Galba über, der Senat erklärte Nero zum hostis publicus, und ihm blieb nichts als die Flucht, die der Kaiserbiograph Sueton mit allen Elementen eines typischen Tyrannentodes literarisch inszeniert: Nero flieht mit nur wenigen Getreuen in die villa seines Freigelassenen Phaon, die Flucht wird ganz im Stil einer Unterweltsfahrt dargestellt. Dort angekommen, bringt Nero nicht den Mut auf, sich selbst zu töten, und lässt sich von einem seiner Freigelassenen einen Dolch in den Hals stoßen. Am

9. Künstler, Muttermörder, Christenverfolger – Neros Nachleben

9. Juni 68 n.Chr. stirbt Nero. Er soll mit den Worten „Was für ein Künstler geht mit mir zugrunde!“ (Suet. Nero 49, 1) aus dem Leben geschieden sein. Der Senat verhängte über Nero die damnatio memoriae.

9. Künstler, Muttermörder, Christenverfolger – Neros Nachleben Nero, der Mörder und Sänger, der megalomane Bauherr und Christenverfolger, der Inbegriff von Spielen, Luxus und Verschwendung, hat die Phantasie der Nachwelt immer wieder beschäftigt. Betrauert wurde er besonders im griechischen Osten, wo drei Mal ein „falscher Nero“ behaupten konnte, er sei seinen Mördern entkommen, und bei Teilen der römischen plebs. Auch die unmittelbaren Nachfolger Neros aus dem Vierkaiserjahr 68/69 n.Chr. distanzierten sich nicht oder nur bedingt von ihm. Erst mit Vespasian fand ein deutlicher Bruch mit der neronischen Zeit statt, am deutlichsten versinnbildlicht in der Architektur. Die flavischen Kaiser setzten mit dem Bau ihres Amphitheaters (amphitheatrum Flavium), des Kolosseums, eine öffentliche, römisch geprägte Unterhaltungsarchitektur gegen Neros hellenistische Herrschaftsarchitektur. Sie nutzten den von Nero und seinen Vorgängern geschaffenen Raum zur Legitimation der eigenen Dynastie. Von den römischen Eliten der flavischen Epoche – von denen nicht wenige unter Nero ihre Karrieren vorangetrieben hatten – wurde sein Bild ganz im Sinne der neuen Dynastie ebenfalls negativ gezeichnet: Flavius Josephus, Martial, Juvenal, später Tacitus, Sueton, Cassius Dio oder Aurelius Victor erschufen das Bild des enthemmten Künstlers, Tyrannen und Mörders. Auch das jüdische Nerobild war und blieb in der Nachfolge des jüdischen Aufstandes immer negativ: Er galt als Feind des jüdischen Volkes und blieb es durch die Jahrhunderte. In der Figur Neros subsumierte sich für die Juden ihr Hass auf den römischen Staat, der ihnen die Existenz raubte. Für die Christen war Nero der erste Verfolger ihrer Religionsgemeinschaft, der Rom zur Stätte der Märtyrer machte. In diesem Kontext allerdings konnte Nero am Ende des 4. Jahrhunderts n.Chr. noch einmal ein positives Image erlangen: Er wurde zum Symbol der Auseinandersetzungen zwischen den paganen Römern und den Christen. Die Anhänger der alten Traditionen und des polytheistischen Glaubens feierten Nero als Repräsentanten von Spielen und Rennen, jener Bereiche also, die für die antike Zivilisation stets zentral waren, während sie für die Christen eine Provokation darstellten. Nero blieb Polarisationsfigur über die Antike hinaus. Für das 20. Jahrhundert entscheidend wurde eine literarische Verarbeitung der neronischen Christenverfolgung aus dem Jahr 1896. Der polnische Schriftsteller Henryk Sienkiewicz schuf mit seinem Roman „Quo vadis“, der die Anfänge des Christentums

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VIII.

Nero

in Rom beschreibt, das Bild des wahnsinnigen Nero schlechthin. Durch die mehrfache Verfilmung des Stoffes und seine Verbreitung in modernen Massenmedien wie Film und Fernsehen erhielt Nero ein schwer aus dem Gedächtnis zu entfernendes Gesicht. Prägend wurde die Darstellung Neros durch den englischen Schauspieler Sir Peter Ustinov in einer oscarprämierten Hollywood-Vern filmung aus dem Jahr 1951 unter der Regie von Mervyn LeRoy. Auf einen Blick

Neros Herrschaft zerfällt in der Darstellung der Quellen in zwei Teile. Einem als positiv erachteten ersten Zeitraum von fünf Jahren folgten weitere neun Jahre tyrannischer Exzesse. Der Mord an seiner Mutter wird als Zäsur dargestellt. Mit ihm begann jene Zeit Neros, die von künstlerischen Ambitionen, politischen Morden, hypertrophen Bauprojekten und schließlich einer gänzlich der agonistischen Selbstverwirklichung dienenden, 15-monatigen Griechenlandreise geprägt war. Ein gravierendes Ereignis für die stadtrömische Geschichte war der Brand Roms im Jahr 64 n.Chr., der Nero die Möglichkeit gab, ein umfassendes Bauprogramm zu starten. Teil dieses Programms war der Neubau seines Palastes, der domus aurea. Gerüchten, er selbst habe den Brand gelegt, soll er mit der Beschuldigung der Christen begegnet sein. Die christliche Geschichtsschreibung formte diese Episode zur ersten römischen Christenverfolgung um. Unter seiner Herrschaft kam es zu Aufständen in den Provinzen Britannien und Judäa, seine außenpolitischen Erfolge beschränkten sich auf die Lösung der Armenienkrise, die zwar als römischer Sieg propagiert wurde, tatsächlich aber ein Zugeständnis an die Parther war. Eine breite Oppositionsbewegung wird in den Quellen suggeriert, lässt sich aber nur schwer fassen. Am Ende scheiterte die Herrschaft Neros an einem Putsch des Militärs, dem sich die Prätorianer anschlossen. Mit Nero endet die julisch-claudische Dynastie. Als Stereotyp des tyrannischen Herrschers, Christenverfolgers und Brandstifters erlebte Nero eine breite Rezeption bis in die Moderne.

Literaturhinweise Böhnisch-Meyer, S. u.a. (Hgg.): Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich, Tübingen 2014. Sammelband, der zahlreiche Aspekte der neronischen Herrschaft im Vergleich zu Domitian aufarbeitet. Buckley, E./Dinter, M.T. (Hgg.): A Companion to the Neronian Age, Chichester 2013. Weitgespanntes Kompendium mit Schwerpunkten auf Literatur- und Rezeptionsgeschichte. Champlin, E.: Nero, Cambridge, MA, London 2003. Empfehlenswerte Studie zu Neros Selbststilisierung und Versuch, diese rational zu deuten. Elsner, J./Masters, J. (Hgg.): Reflections of Nero. Culture, History and Representation, London 1994. Überzeugende Sammlung von Beiträgen, die am Beginn einer neuen, kritischen Auseinandersetzung mit den Quellen zu Nero stand. Nero. Kaiser, Künstler und Tyrann. Begleitband zur Ausstellung in Trier 14. Mai bis 16. Oktober 2016, Darmstadt 2016. Knappe, aber auf aktueller Forschung basierende Beiträge zu Neros Leben, dem römischen Reich unter seiner Herrschaft und seiner Rezeption, mit zahlreichen Abbildungen versehen. Sonnabend, H.: Nero. Inszenierung der Macht, Darmstadt 2016. Die schwierige Aufgabe, angesichts der problematischen Quellen eine gelungene Nero-Biographie zu schreiben, wird von Sonnabend überzeugend gemeistert.

IX. Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats

Überblick

D

ie Frage, was diese 54 Jahre von Tiberius bis Nero zu einer Epoche formt, richtet den Blick zwangsläufig auf spezifische Entwicklungen, in denen sich gerade diese Jahre zwischen 14 und 68 n.Chr. von der vorhergehenden Herrschaftszeit des Augustus, aber auch von der nachfolgenden Dynastie der Flavier abgrenzen lassen. Die julisch-claudischen Herrscher standen am Beginn der römischen Kaiserzeit und legten den Grundstein für Entwicklungen, die über mehrere Jahrhunderte relativ stabil blieben. Dazu gehörten beispielsweise die Ausbildung eines kaiserlichen Hofes, der Umgang

mit den Provinzen, die Außenpolitik oder die Ausgestaltung der sakralen Rolle des Herrschers. Nach der prägenden Phase der augusteischen Herrschaft stellte die Zeit zwischen 14 und 68 n.Chr. aber auch eine Findungsphase dar, in der die Prinzipien des Augustus entpersonalisiert und damit für eine langfristige Stabilisierung nutzbar gemacht werden mussten. Wie kaum eine andere der nachfolgenden Kaiserdynastien zeichnete sich die julisch-claudische daher durch die Versuche einzelner Kaiser aus, die Rolle des Prinzeps neu zu definieren.

1. Der Hof des Kaisers Trotz der von Augustus inszenierten und propagierten Wiederherstellung der Republik kann es keinen Zweifel daran geben, dass es sich beim Staatsakt von 27 v.Chr. um das Gründungsereignis der augusteischen Monarchie handelte, die als Prinzipat bezeichnet wird. Die Vorherrschaft des Kaisers strukturierte die römische Innenpolitik völlig um. Politische Macht war nicht länger abhängig von der Ausübung eines Amtes oder vom Einfluss des Einzelnen im Senat, sondern konnte zunehmend ausschließlich durch den Kaiser erreicht werden. Politische Machtausübung verlagerte sich vom Forum und dem Senat weg an den Hof des Herrschers, der sich nun seit Augustus herausbildete und unter seinen Nachfolgern weiter ausgebaut wurde. Als Institution wie als Wort war der Hof, die aula, neu und der römischen Republik wesensfremd. Sie unterschied sich in Funktion und Struktur von einer aristokratischen domus. Hier entstand mit der Kaiserzeit ein völlig neues soziales Gebilde mit eigenen personellen, rituellen und architektonischen Strukturen. Aula ist eine direkte Ableitung des griechischen Wortes aulé, des Ausdrucks für den hellenistischen

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IX.

Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats

und orientalischen Königshof. Unter den julisch-claudischen Kaisern entwickelte sich der Begriff rasch zu jenem Terminus, der sowohl den Ort der Kaisermacht bezeichnen konnte als auch den Typus von Herrschaft, das Personal oder den Lebensstil, der damit verbunden war. In der historischen Entwicklung unter den einzelnen Kaisern zeigen die Veränderungen des Hofes unter Claudius die nachhaltigsten Spuren. Zunächst waren die unter Tiberius und Caligula feststellbaren Tendenzen ins Extreme eher gescheitert. Während Tiberius sich dem von Augustus in die Wege geleiteten Prozess der Etablierung eines Hofes verweigerte und damit Raum für Nebenzentren entstand, übte Caligula sich in einer bewussten Distanzierung durch übertriebene höfische Rituale. Erst Claudius gelang eine institutionelle Verfestigung des Hofes. Für das Verständnis der Funktionsweise dieses neuen Machtzentrums sind vor allem die Rollen der kaiserlichen Freigelassenen am Hof, der kaiserlichen amici aus dem Ritterstand, aber auch die Einbindung der senatorischen Elite in die Hofhaltung der Kaiser von Belang. Die Formen des Kontaktes der Kaiser zu ihren Untertanen, der Prozess der Entscheidungsfindung am Hof, die Verteilung von Ressourcen im höfischen Leben oder das System der Patronage weisen dabei das vielschichtige Netzwerk des Hofes und seine Abhängigkeiten aus. Dennoch bleibt das Innenleben des Kaiserhofes bis zu einem gewissen Grad immer eine Blackbox. Cassius Dio beschreibt die Schwierigkeiten des Historikers, damit umzugehen: Quelle Cassius Dio über den Umgang des Historikers mit der Abgeschlossenheit des Hofes (Cass. Dio 53, 19, 2f.) […] früher wurden bekanntlich sämtliche Vorkommnisse […] vor den Senat und das Volk gebracht. Und so erfuhren alle davon und viele berichteten schriftlich darüber, wodurch sich die Wahrheit über den Ablauf der Dinge […] bis zu einem gewissen Grad wenigstens […] feststellen ließ. Doch seit jener Zeit [dem Beginn des Prinzipats] begann man, die meisten Ereignisse heimlich und verborgen zu behandeln, und wenn trotzdem einige Dinge zufällig in die Öffentlichkeit drangen, so finden sie keinen Glauben, weil man sie jedenfalls auf ihren Wahrheitsgehalt nicht prüfen kann; […]. Und so schwatzt man von vielen Dingen, die sich gar nicht zutrugen, während man von anderem, was sich bestimmt ereignet, nichts weiß; jedenfalls laufen fast sämtliche Geschehnisse in einer Version um, die sich mit den Tatsachen nicht deckt. (Übersetzung O. Veh)

Diese höchst interessante Selbsterkenntnis des antiken Historikers sollte als Leitmotiv der Auseinandersetzung mit der julisch-claudischen Zeit gelten. Die Historiographie beschreibt die dem Rückzug von Entscheidungsprozessen in den höfischen Raum geschuldete Wissenslücke und wie sie damit umgeht: Sie greift auf kursierende oder erfundene Anekdoten zurück, um das zu beschreiben, was sie nicht wissen kann. Dabei vereinfacht sie oft stark oder greift auf literarische Erzählmuster zurück. So entsteht eine Kaisergeschichte, die

2. Veränderte Rollen und Selbstbilder der römischen Aristokratie

von Palastintrigen, verrückten oder unfähigen Kaisern, macht- und geldgierigen Freigelassenen und stereotypen Frauenfiguren nur so wimmelt.

2. Veränderte Rollen und Selbstbilder der römischen Aristokratie Augustus’ Umgang mit dem Senat zeichnete sich durch eine politische Entmachtung aus, der eine soziale und moralische Aufwertung entgegenstand. Unter Tiberius und vor allem Claudius wurde der Senat daneben in seinen juristischen und gesetzgeberischen Kompetenzen gestärkt. Mit Caligula und Nero waren es interessanterweise gerade die jüngeren, im römischen Herrschaftssystem unerfahrenen Kaiser, die sich damit schwertaten, den Senat als ihre Macht – wenn auch nur formal – begrenzende Institution zu akzeptieren. Ihre offensichtlichen Versuche, sich dieses Einflusses teilweise zu entledigen, schlugen indes fehl. Beide Herrscher wurden allerdings bezeichnenderweise gerade nicht von einer vordergründig dem Senat entspringenden Verschwörergruppe entmachtet, sondern von den Prätorianern bzw. den Militärkommandeuren in den Provinzen. Der Senat als Institution bezog sein Selbstbild als Kollektiv nach wie vor aus seiner republikanischen Tradition. Mit der Öffnung hin zu neuen Mitgliedern aus den Provinzen änderte sich an diesem Selbstbild kaum etwas. Der einzelne Senator jedoch fühlte sich sicherlich mehr dem Kaiser verpflichtet als dem Stand, da der Prinzeps allein Quelle von Macht, Reichtum und lukrativen Posten war. Denn bei aller Einbuße an kollektiver Macht bildeten die senatorischen Vertreter im Militär, in den Provinzen und in der Administration des Reiches und der Hauptstadt doch die entscheidende Gruppe, ohne deren Erfahrung und Kompetenz eine Herrschaft über das Reich kaum möglich war. Abgesehen davon waren es in der Regel Senatoren, die dem Prinzeps als Berater zur Seite standen, ohne dass sie dafür einen eigenen Posten bekleidet hätten. Daran änderte auch die quantitative Zunahme ritterlicher Dienststellungen im Laufe der julisch-claudischen Zeit nichts. Diese Entwicklung, die bereits unter Augustus ihren Anfang genommen hatte, spiegelt in keiner Weise eine antisenatorische Politik der Kaiser wider, sondern hat ihren Ursprung vielmehr in administrativen Notwendigkeiten. Zu beobachten ist zudem seit Nero eine zunehmende Besetzung von Funktionsstellen mit Rittern gerade dort, wo kaiserliche Freigelassene agiert hatten. Insofern ist diese Entwicklung weniger eine Aufwertung des ritterlichen Standes gegen den Senat, sondern eher eine Aristokratisierung sämtlicher öffentlicher und kaiserlicher Funktionen.

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IX.

Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats

3. Familien- und Nachfolgepolitik

Das domus AugustaPrinzip und die matrimonialen Linien

Neben dem höfischen Leben und seinen spezifischen Ausprägungen, die man bei der Beurteilung des Prinzipats berücksichtigen muss, zeigt sich der monarchische Charakter der von Augustus geschaffenen Herrschaftsform vor allem in der Familien- und Nachfolgepolitik deutlich. Die immer neue Präsentation von Nachfolgern aus der domus Augusta ließ keinen Zweifel daran, dass schon Augustus die Herrschaft als Eigentum seiner Familie betrachtete. Tacitus lässt den späteren Kaiser Galba sagen: „Unter Tiberius, Gaius und Claudius waren wir sozusagen das Erbstück einer einzigen Familie“ (Tac. Hist. 1, 16), und stellt damit die Zeit der Julier und Claudier in Kontrast zum Prinzip des Adoptivkaisertums und damit der Nachfolge des vermeintlich besten Kandidaten. Die domus Augusta, wie unter anderem die Tabula Siarensis die zeitgenössische Bezeichnung für die kaiserliche Familie wiedergibt, war mehr als eine gens oder familia. Sie stand hierarchisch über den anderen aristokratischen Familien Roms und war – wie schon die Terminologie suggeriert – sowohl mit dem Gründer des Prinzipats als auch mit dem Herrschaftssystem verknüpft. Damit wurde die domus Augusta zwangsläufig zum Bestandteil des Prinzipats, wie die Ausdehnung der maiestas-Klausel auf ihre Angehörigen verdeutlicht. Und sie schloss auch die matrimonialen Linien ein, was den Kreis der potentiellen Nachfolgekandidaten erheblich erweiterte, in letzter Konsequenz aber vor allem die Position der weiblichen Familienmitglieder stark aufwertete. Denn dieses domus Augusta-Prinzip, wie es Augustus eingeführt und seine Nachfolger unhinterfragt übernommen hatten, führte dazu, dass die Frauen in der julisch-claudischen Dynastie ebenso wie die Männer als Träger des familiären Prestiges galten. Da Augustus selbst keinen Sohn hatte, gelangten sämtliche seiner präsumtiven Nachfolger über ihre weiblichen Verwandten in die Position von Adoptivsöhnen des Augustus. Diese Linie setzte sich unter den Kaisern der julischclaudischen Dynastie fort. Caligulas Herrschaftsanspruch leitete sich neben seiner Stellung als Sohn des beliebten Germanicus, der selbst ein Sohn der Augustus-Nichte Antonia Minor war, über seine Mutter Agrippina die Ältere, eine Enkelin des Augustus, ab. Nero verdankte seine Adoption dem Argument, er stamme über Agrippina die Jüngere in direkter Linie von Augustus ab. Deren Eheschließung mit Claudius war mit demselben Argument forciert worden. Lediglich Claudius fiel aus dieser Linie heraus – ein Makel, den er wohl selbst empfand und zu beheben suchte, indem er zum einen mit Messalina und Agrippina zwei Frauen mit direkter verwandtschaftlicher Verbindung zu Augustus heiratete und zum anderen seinen Töchtern die programmatischen Namen Antonia und Octavia gab. Die Akzeptanz des domus Augusta-Prinzips war auch in der Bevölkerung und unter den herrschaftsrelevanten Gruppen wie den Prätorianern verbreitet,

4. Die Stellung der Frauen des Kaiserhauses

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wie die Einsetzung des Claudius oder die in den Quellen überlieferten Argumente für die Ehe mit Agrippina und die Adoption Neros zeigen. In diesem Punkt wirken die Versuche, eine Kompromisspolitik mit dem Senat zu betreiben, seit Augustus und bei allen seinen Nachfolgern unglaubwürdig. Entgegen der Behauptung, die Macht im Staate werde vom Senat übertragen, lagen die eigentlichen Grundlagen für die Herrschaft des jeweiligen Nachfolgers in der Abstammung aus der julischen oder wenigstens claudischen Familie, in der Zustimmung der wichtigsten Gruppen (Militär, Prätorianer) und in der Sicherung des Vermögens der Herrscherfamilie. Verfügte ein potentieller Kandidat für die Nachfolge über dieses reale wie symbolische Kapital, war die Übertragung der tatsächlichen Machtbefugnisse durch den Senat unausweichlich, wie das Beispiel des Claudius zeigt.

4. Die Stellung der Frauen des Kaiserhauses Ganz im Gegensatz zur gerade beschriebenen zentralen Position der Frauen innerhalb der domus Augusta stand ihr vom Kaiserhaus gezeichnetes Bild in der Öffentlichkeit, das jene den gesellschaftlichen Konventionen und Normen verpflichteten weiblichen Tugenden pries. Gerade Augustus war akribisch darum bemüht, die Frauen seines Hauses als tugendhafte Matronen darzustellen, bis hin zu der von Sueton verbreiteten Legende, sie würden die Kleider des Kaisers in Handarbeit selbst fertigen. Die politischen Ambitionen seiner Tochter behandelte er als sittliche Vergehen und bestrafte sie als pater familias. Gleichzeitig schuf er aber mit der testamentarischen Adoption seiner Witwe Livia und der Verleihung des Augusta-Titels an sie ein völlig neues Konzept der Frau an der Seite des Prinzeps. Die monarchische Realität und die damit verbundene dynastische Ausrichtung der Nachfolge führte zwangsläufig und langfristig zu einer politisch aufgeladenen Position der Frauen des Kaiserhauses. Dabei konnte sich diese Rolle nicht in den üblichen Bahnen politischer Macht, also Ämtern und Kompetenzen oder militärischer Führung, bewegen. All dies war für Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht vorgesehen. Als Machtoptionen standen ihnen die Ausübung ihres familiär-persönlichen Einflusses aufgrund ihres engen Verhältnisses zu ihren Ehemännern, Söhnen, Vätern oder Brüdern zur Verfügung, daneben aber auch der Aufbau eines reichsweiten Netzwerkes an patronalen Beziehungen, die in ihrer spezifisch weiblichen Form in der Forschung als Matronage bezeichnet werden, und die Einflussnahme über ihren Reichtum, der sich aus Landbesitz, dem Eigentum an landwirtschaftlichen und handwerklichen Großbetrieben sowie Erbschaften speiste. Auf einem Feld öffentlicher Funktion allerdings agierten die Frauen des frühen Prinzipats ihren männlichen Familienangehörigen erstaunlich gleich-

Politisch aufgeladene Rollen

Religiös aufgeladene Rollen

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IX.

Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats

gestellt, nämlich dem der Priesterämter im Kult der verstorbenen und divinisierten Kaiser. Livia übte neben Germanicus das Amt der ersten Priesterin des vergöttlichten Augustus in Rom aus, Claudius bestellte Antonia Minor 41 n.Chr. ebenfalls in dieses Amt. Agrippina die Jüngere wurde zur Priesterin des Divus Claudius. Die Übertragung eines derart hohen Amtes im Staatskult, das auch mit der Wahrnehmung öffentlicher Rituale wie Opfer und Gebete einhergegangen sein dürfte, ordnete sich dabei ein in eine bereits seit der Zeit des Triumvirats zu beobachtende religiöse Aufwertung der Frauen innerhalb der domus Augusta. Augustus hatte im Jahr 35 v.Chr. seiner Ehefrau und seiner Schwester die Unverletzlichkeit der Volkstribunen (sacrosanctitas) verliehen sowie das Recht, juristisch selbstständig handeln zu dürfen – ein Recht, über das bis dato nur die Priesterinnen der Göttin Vesta verfügten. Die Frauen der domus Augusta erlangten damit einen privilegierten Status, wie ihn zuvor nur die höchsten weiblichen Priesterinnen besessen hatten. Als sakral überhöhte Figuren wurden sie seit Caligula dann auch in das Götterprogramm der domus Augusta aufgenommen und zu Divae konsekriert. Drusilla, die 38 n.Chr. verstorbene Schwester des Prinzeps Caligula, war die erste Frau der Dynastie, der diese Ehre zuteil wurde. 42 n.Chr. folgte Livia, die als Diva Augusta zur Göttin mit Staatskult erhoben und im Tempel des Divus Augustus gemeinsam mit diesem verehrt wurde. Nero ließ dann seine im Säuglingsalter verstorbene Tochter zur Diva Claudia erheben, und auch ihre Mutter Poppaea erhielt als Diva Sabina einen Staatskult und einen Tempel in Rom. Die Frauen der Dynastie erreichten so zu Lebzeiten und nach ihrem Tod in der öffentlichen Darstellung einzigartige Rollen, die sich in zahlreichen Ehrungen in Form von Statuen, Inschriften, Tempeln oder in der Münzprägung sehr gut rekonstruieren lassen. Dabei wird deutlich, dass ihre Vorbildrolle gerade für die Frauen der provinzialen und lokalen Elite sehr wirksam wurde. Vor allem in den Provinzen des Ostens stand sowohl die Rolle der Herrscherfrauen als auch ihre religiöse Verehrung bereits zu Lebzeiten in hellenistischer Tradition. Beurteilt man die Bedeutung der Frauen der domus Augusta im Kontext der gesamten Kaisergeschichte, zeigt sich ihre Rolle als verbindliches Vorbild – und hier ist ausdrücklich ihr öffentlich propagiertes Bild und nicht ihre pejorative Darstellung in den schriftlichen Quellen gemeint – zumindest bis in die Zeit der Severer (193–235 n.Chr.). In der Lobrede des jüngeren Plinius auf Kaiser Trajan am Beginn des 2. Jahrhunderts n.Chr. thematisiert der römische Autor auch die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit an das Auftreten der Kaiserfrau und dessen Rückwirkung auf den Prinzeps.

5. Die Bedeutung der Provinzen und der provinzialen Elite

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Quelle Plinius über die Rolle der Kaiserfrau (Plin. pan. 83, 4–6) Viele sonst angesehene Männer gerieten in schiefes Licht durch eine Ehefrau, die sie unüberlegt geheiratet hatten oder an der sie mit zu viel Nachsicht festhielten; so erstickte die Schande ihres Hauses ihren draußen erworbenen Ruhm, und dass sie nicht zu den großen Bürgern gezählt wurden, geschah darum, weil sie als Ehemänner weniger groß waren. Dir aber bringt Deine Gattin Ruhm und Ehre. Denn wer ist sittenreiner als sie, wer verkörpert mehr die altüberkommenen Ideale? […] Nichts verlangt sie von Deiner hohen Stellung für sich, außer dass sie Freude darüber fühle! (Übersetzung W. Kühn)

5. Die Bedeutung der Provinzen und der provinzialen Elite Die Rolle der Provinzen und vor allem die Integration der provinzialen Eliten erfuhren in der Kaiserzeit völlig neue Impulse. Die julisch-claudische Dynastie leitete mit ihrer Politik Entwicklungen ein, die es langfristig ermöglichten, dass Familien aus den Randzonen des Reiches, wie Nordafrika oder Syrien, zur Herrschaft gelangen konnten. Dies geschah nicht ohne Rückschläge, wie die Aufstände in Gallien und Nordafrika unter Tiberius oder in Britannien und Judäa unter Nero zeigen. Auf lange Sicht allerdings sicherte die Übertragung des Modells der Integration Italiens, das die römische Republik geprägt hatte, auf das gesamte Reich vom Atlantik bis an den Euphrat und von der Nordsee bis zur Sahel-Zone die Existenz des Imperium Romanum über Jahrhunderte. Die Integration vollzog sich dabei einerseits auf einer rechtlichen Ebene – mit der Verleihung des Bürgerrechts an die Eliten, später an ganze Gemeinden, oder der von Claudius vorgenommenen Vergabe des ius honorum (Zugang zum Senat und Recht, sich um senatorische Ämter bewerben zu können) an die gallischen Notabeln –, andererseits auf einer kulturellen Ebene. Zum Ausgangspunkt der Integration wurden die provinzialen Eliten, die sich dem julisch-claudischen Kaiserhaus verpflichtet fühlten. Führende Vertreter der Provinzen verdankten ihren Aufstieg in den Reichsadel – in erster Linie in den Ritterstand – dem Wohlwollen und der Förderung des Prinzeps. Ebenso verbanden sich innerhalb der Provinzen Aufstieg und Karrieren mit der persönlichen Freundschaft (amicitia) zum Kaiser. Dies offenbart ein Blick auf die führenden Vertreter der Provinziallandtage, die Provinzialpriester, am Beginn des Prinzipats. Der erste Provinzialpriester von Asia, C. Julius Epikrates, war ein persönlicher Freund des Augustus und wurde von ihm mit dem Bürgerrecht ausgezeichnet. Der erste Provinzialpriester des syrischen Koinon, ein Mann namens Dexandros, stammte nicht nur aus einer lokalen Dynastie, sondern war auch ein enger Vertrauter des M. Agrippa. Als ersten Provinzial-

Integration provinzialer Eliten

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IX.

Integration durch Provinzialisierung

Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats

priester des concilium trium Galliarum (gallischer Provinziallandtag) überliefern die Quellen C. Julius Vercondaridubnus; sein Name steht ebenfalls für die enge Beziehung zur julischen Familie. Vor allem Claudius setzte diesen von Augustus eingeschlagenen Kurs konsequent fort, indem er die Mitgliedschaft im Senat auch auf gebürtige Gallier ausdehnte. Die von Augustus eingeführte Teilung der Provinzen in jene, die unter senatorischer Aufsicht standen, und jene, die vom Kaiser kontrolliert wurden, behielt man in julisch-claudischer Zeit bei. Das Konzept wurde relativ flexibel gehandhabt. Insgesamt zeigt sich unter den julisch-claudischen Herrschern der Trend zur direkten Kontrolle, also Provinzialisierung, anstelle der indirekten Einflussnahme durch Klientelherrscher. Die Dynamik dieser integrativen Politik, wie sie Augustus betrieben hatte, stagnierte unter Tiberius etwas, der lediglich die Klientelreiche Kappadokien und Kommagene in Provinzen umwandelte. Caligulas kurze Regierungszeit schlug sich in der Provinzialisierungspolitik kaum nieder, er scheint aber ganz in der Tradition seines Urgroßvaters M. Antonius eine gewisse Präferenz dafür gehabt zu haben, ihm persönlich bekannte und verpflichtete Klientelkönige großzügig in ihre Herrschaften einzusetzen. Vor allem Claudius konnte den von Augustus angestoßenen Prozess effektiv vorantreiben. Britannien, Noricum, Thrakien und Lykien wurden als Provinzen eingerichtet, ebenso fiel Judäa zeitweise unter die Kontrolle des syrischen Statthalters. Neros Provinzpolitik wird im Osten überlagert durch die Armenienkrise und den jüdischen Aufstand. Eine Bevorzugung der östlichen Reichshälfte lässt sich aber schon an der Steuerbefreiung für die Provinz Achaia sowie die epigraphisch überlieferten Zollgesetze der Provinzen Asia und Lykia ablesen. Die westlichen Provinzen, wo in Britannien und schließlich auch in Gallien unter seiner Herrschaft Aufstände und Rebellionen ausbrachen, blieben diesem Kaiser fremd.

6. Die Außen- und Militärpolitik der julisch-claudischen Epoche Die Außenpolitik der Kaiser von Tiberius bis Nero kann in ihrer Gesamtheit als Konsolidierungsprozess beschrieben werden. Abgesehen von der Eroberung Britanniens unter Claudius gingen vom Imperium Romanum zwischen 14 und 68 n.Chr. keine expansiven Militärkampagnen aus. Vielmehr lässt sich die Sicherung des Erreichten auch in der Politik der Stationierungen der Legionen ablesen: Truppenkonzentrationen lassen sich an den strategisch wichtigen Punkten in Syrien, in den beiden germanischen Provinzen und an der Donau festmachen. Im Falle militärischer Erhebungen in einzelnen Provinzen – wie beim Aufstand des Tacfarinas in Nordafrika in der Regierungszeit des Tiberius – oder von Konflikten in Grenzregionen – wie jenem um Armenien unter Nero – verlegte man einzelne Legionen und Auxiliartruppen in die

7. Der Kaiser als Gott

umkämpften Gebiete und verstärkte so die dort stationierten Einheiten. Man schuf also ein System der Grenzverteidigung, das im Bedarfsfall flexibel reagieren konnte. Allerdings offenbarten sich bereits in der relativ friedlichen Epoche zwischen Tiberius und Nero Defizite. Denn dieses System funktionierte nur dann optimal, wenn es auf einen einzelnen größeren Konflikt reagieren musste. Traten dagegen mehrere kriegerische Ereignisse auf, geriet es schnell an seine Kapazitätsgrenzen. Eine Veränderung im Vergleich zur Zeit der römischen Republik und auch zu den Prinzipien des Augustus lässt sich bei der Rekrutierungsbasis der Legionäre feststellen: Bei der Rekrutierung regulärer Einheiten griffen die Kaiser der julisch-claudischen Zeit zunehmend auf Nichtbürger außeritalischer Herkunft zurück, denen bei der Einschreibung das römische Bürgerrecht verliehen wurde. Der Umgang mit den nichtrömischen Hilfstruppen erhielt unter Claudius wegweisende Impulse. Nach einer Dienstzeit von 25 Jahren erhielten Auxiliarsoldaten (ebenso wie Flottensoldaten und Prätorianer) nun verbindlich das römische Bürgerrecht, ihre während der Dienstzeit geschlossenen Ehen wurden legalisiert und damit ihre Kinder als römische Bürger anerkannt. Beurkundet wurden diese Privilegien in den seit Claudius ausgestellten Militärdiplomata, bronzenen Täfelchen, die der Soldat am Ende seiner Dienstzeit überreicht bekam und von denen bis heute ca. 1000 Exemplare bekannt sind. Claudius war es möglicherweise auch, der eine reguläre Besoldung der Auxiliareinheiten einführte, die Kommandoposten einem cursus unterwarf und sie für ritterliche Offiziere reservierte. Die Konzentration der neun Prätorianerkohorten sowie der drei in Rom stationierten cohortes urbanae in den unter Tiberius errichteten castra praetoria am nördlichen Stadtrand bedeutete eine deutliche Fokussierung der kaiserlichen Macht auf die städtischen Einheiten, die noch unter Augustus eher dem Blick der Öffentlichkeit entzogen waren.

7. Der Kaiser als Gott Die religiöse Legitimation von Herrschaft bildete im Prinzipat von Beginn an einen zentralen Eckpfeiler der Macht. Die julisch-claudischen Kaiser folgten in der sakralen Überhöhung der Person des Prinzeps grundsätzlich dem von Augustus vorgegebenen Modell, auch wenn einzelne Vertreter der Dynastie starke Ausschläge in die eine oder andere Richtung produzierten. Augustus hatte die göttliche Verehrung seiner Person in den Provinzen generell erlaubt, förderte diese Verehrung auf lokaler und provinzialer Ebene und verband sie mit der Integration einheimischer Eliten. In Rom vollzog sich die Sakralisierung seiner Person über die Verehrung von augusteischen Abstraktionen wie der pax Augusta, des genius Augusti oder der Lares Augusti. Die sakrale Son-

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Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats

derstellung der julischen Familie wurde in repräsentativer Architektur, in der Literatur oder in der Kunst, in Inschriften und auf Münzen öffentlich dargestellt, der Prinzeps selbst als Divi filius in die Nähe göttlicher Verehrung gerückt. Gleichzeitig häufte Augustus religiöse Autorität durch die Mitgliedschaft in allen amplissima collegia an, vor allem aber durch die Übernahme des Oberpontifikats seit 12 v.Chr. Seine offizielle Konsekration allerdings wurde erst nach seinem Tod in Rom durch einen Senatsbeschluss vollzogen, was die Einrichtung eines Kultes mit Tempel, Priestern und Opfern nach sich zog. Stichwort

amplissima collegia In der Kaiserzeit hatte der Herrscher neben dem Amt des pontifex maximus in der Regel auch die Mitgliedschaft in den vier höchsten Priesterkollegien (amplissima collegia) inne. Dazu zählten die pontifices, die augures, die quindecimviri sacris faciundis und die septemviri epulonum. Die pontifices übten eine generelle Aufsicht über das religiöse Leben Roms aus. Die augures waren zuständig für die Deutung des Götterwillens. Den quindecimviri oblag als wichtigste Aufgabe die Interpretation der sibyllinischen Bücher, einer Orakelsammlung in griechischer Sprache. Die septemviri erfüllten kultische Aufgaben bei den Spielen, so beispielsweise die Ausrichtung der Opfermahlzeit für Jupiter, Juno und Minerva.

Diese Formen der religiösen Verehrung des Herrschers erlangten eine gewisse Eigendynamik, auf die die Herrscher nur punktuell Einfluss nehmen konnten. Tiberius war für seine eher reservierte Haltung in diesen Dingen bekannt. Als die griechische Stadt Gytheion um die Erlaubnis bat, für Augustus, Tiberius und Livia einen Kult einrichten zu dürfen, erlaubte Tiberius zwar die Verehrung seines Adoptivvaters und überließ Livia selbst die Entscheidung über die Verehrung ihrer Person, für sich selbst lehnte er einen Kult allerdings ab. Im Jahr 23 n.Chr. erlaubte er dann zwar in der Provinz Asia die Errichtung eines Tempels in Smyrna für sich selbst, seine Mutter Livia und den Senat. Als aber zwei Jahre später die Provinz Baetica in Spanien nach dem Vorbild von Asia einen Kaiserkulttempel einrichten wollte, verbat er sich dies mit den Worten: „Ich bin ein sterblicher Mensch. Menschliche Pflichten habe ich zu erfüllen, und mir ist es genug, wenn ich den Platz eines Prinzeps ausfüllen kann.“ (Tac. Ann. 4, 38, 1) Diese Art der Selbststilisierung und individuellen Zurückhaltung verhinderte allerdings nicht, dass er in seiner Rolle als Prinzeps dieselbe Verehrung im Reich erfuhr wie Augustus. Konzeptionell wurde die Herrschaft aller Principes vor allem außerhalb Roms viel stärker sakral als rechtlich aufgefasst. Opfer und Gelübde für die Kaiser wurden nicht selten dazu benutzt, eine Verbindung zwischen der Sicherheit des gesamten Reiches und der Lebensdauer des jeweiligen Herrschers herzustellen. Insofern war der Wunsch des Caligula, eine sehr viel stärker im Sakralen verankerte Position als Prinzeps auch in Rom zu installieren und sich

7. Der Kaiser als Gott

hierbei an hellenistischen Traditionen zu orientieren, eine Neuerung, die weniger die grundlegende Konzeption des Prinzipats als vielmehr die unmittelbare Formensprache betraf. Im Osten des Reiches erfuhren die Kaiser seit Augustus göttliche Verehrung. Dies zeigen Inschriften wie jene aus Ephesos, welche die offiziellen Beschlüsse der Provinz aus dem Jahr 9 v.Chr. zur Verlegung des Neujahrstages auf den Geburtstag des Augustus wiedergibt. Quelle Kalenderdekret der Provinz Asia, 9 v.Chr. (Dreyer, B./Engelmann, H.: Augustus und Germanicus im ionischen Metropolis, ZPE 158 (2006), S. 173–182 = AE 2006, 1449–50) Da die Vorsehung […] den Augustus für uns und unsere Nachkommen wie einen Gott an ihrer Stelle hervorgebracht hat, und uns den Mann geschenkt hat, der dem Krieg ein Ende setzen und den Frieden in schöner Ordnung gestalten sollte […] [Augustus hat] der ganzen Welt ein anderes Antlitz gegeben […], [der Welt], die am liebsten ihren Untergang gewünscht hätte, wenn nicht Caesar [= Augustus], das gemeinsame Glück aller, geboren wäre. (Übersetzung B. Dreyer/H. Engelmann)

Die Übertragung derartiger Ideen auf Rom scheint aus der Sicht einer hellenistisch geprägten Herrschaftskonzeption weniger abwegig, als es die Quellen suggerieren, wenn sie beispielsweise berichten, Caligula habe eine jüdische Gesandtschaft, die seine Hilfe gegen antisemitische Ausschreitungen in Alexandria erbat, mit den Worten zurückgewiesen, sie seien „die Gottverhassten, die ihn nicht für einen Gott hielten“. Caligulas Projekt eines – nach Augustus und Tiberius – dritten provinzialen Heiligtums für den Herrscherkult in der Provinz Asia liegt jedenfalls auf der Linie seiner Vorgänger. So sollte mit dem didymeischen Apolltempel bei Milet der neue Neokorietempel des provinzialen Herrscherkultes entstehen, in dem Caligula in Tempelgemeinschaft mit dem didymeischen Apoll verehrt werden wollte. Münzen und Inschriften geben Auskunft darüber, dass das Projekt, obwohl bereits fortgeschritten, mit der Ermordung des Prinzeps 41 n.Chr. ein Ende fand. Caligulas Versuche, den monarchischen Charakter des Prinzipats herauszustellen und sich dabei von der vorgeblich restaurierten Republik zu lösen, bildeten wohl den Hintergrund der von den Quellen oft entstellt berichteten Versuche, sich selbst religiös zu legitimieren und diese Politik auch auf die Familie zu übertragen. Die erste Divinisierung einer Frau aus der Kaiserfamilie fiel in seine Herrschaftszeit und wurde zum Vorbild für die Verehrung nachfolgender Kaiserfrauen. Claudius zog sich – wohl auch in Abgrenzung von seinem Vorgänger – eher auf die Politik des Augustus zurück und agierte zurückhaltend, wenn es um die eigene sakrale Überhöhung ging. In den Provinzen förderte er allerdings ganz in der Tradition des ersten Prinzeps die kultische Verehrung seiner Person und des Kaiserhauses im Sinne einer politischen Herrschaftsmaß-

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Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats

nahme. Dort, wo er sie bewusst unterband – wie im Falle Ägyptens – können politische Gründe als Erklärung herangezogen werden. Seine Divinisierung 54 n.Chr. wurde von Nero bewusst in Anlehnung an die Apotheose des Augustus eingesetzt, um Legitimität für sich zu kreieren. Die sakrale Aufwertung der eigenen Person in Rom scheint sich parallel zur Konzeption des Künstler-Kaisers vollzogen zu haben. Auf römischen Münzen stilisierte Nero sich in Anlehnung an den Kithara spielenden Apoll, im Osten identifizierte man ihn mit dem Sonnengott Helios oder titulierte ihn aus Dankbarkeit für die im Freiheitsdekret von 67 n.Chr. erlassenen Sonderrechte als „befreienden Zeus, Nero“. Die religiöse Einbindung der Familie setzte er mit der Divinisierung seiner als Kleinkind verstorbenen Tochter sowie seiner Ehefrau Poppaea fort. Generell erweist sich die sakrale Überhöhung des Prinzeps im Herrscherkult als weit mehr als eine „Loyalitätsreligion“, die die Forschung lange postuliert hat. Die Tatsache, dass nicht nur Städte, Provinzen und Institutionen des öffentlichen Lebens den Herrscher verehrten, sondern auch Privatleute den Kult der Kaiser pflegten, Gebete an die Herrscher richteten und den lebenden und toten Kaisern für erbrachte Wohltaten dankten, spricht für eine bislang wenig beachtete individuelle Glaubensebene dieser Kulte. Quelle Weihinschrift für Augustus und Livia aus der Provinz Aquitania (CIL 13, 1366) Caesari Augusto / Atespatus Crixi fil(ius) v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito) // Liviae Augustae / Atespatus Crixi fil(ius) v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito) Dem Caesar Augustus hat Atespatus, des Crixus Sohn, sein Gelübde für erwiesene Wohltaten gern erfüllt. Der Livia Augusta hat Atespatus, des Crixus Sohn, sein Gelübde für erwiesene Wohltaten gern erfüllt.

8. Vom Unglück, nicht Augustus zu sein Die Kaiser der julisch-claudischen Dynastie von Tiberius bis Nero standen und stehen im Schatten des Begründers der römischen Monarchie Augustus. Er ist die dominante Figur in der antiken wie in der modernen Wahrnehmung seiner Nachfolger. Die Einrichtung des Prinzipats zwischen 27 v.Chr. und 14 n.Chr. überlagert in der Rezeption die Sicherung seiner Kontinuität durch die ersten Generationen von Nachfolgern. Der Maßstab, an dem die nachfolgenden Kaiser gemessen werden, ist weniger ihr objektiver Erfolg, als vielmehr ihr scheinbares Versagen im Vergleich zu Augustus. Dabei wird oft mit zweierlei Maß gemessen. Augustus genießt aufgrund seiner über 40 Jahre andauernden Alleinherrschaft den Ruf, erfolgreich geherrscht zu haben. Unübertroffen geschickt verstand er es bereits zu Lebzeiten, dieses Bild seiner Person und seiner Herrschaft überall im Reich verbreiten zu lassen. Seine Nachfolger bauten an

8. Vom Unglück, nicht Augustus zu sein

diesem Mythos fort, um sich selbst zu legitimieren. Auch für die antiken Autoren wurden Augustus und sein Zeitalter zum Fixpunkt – nicht immer positiv, aber in jedem Fall positiv im Vergleich zu den Nachfolgern. Gerade diese Überhöhung und Größe des Augustusbildes in der Wahrnehmung der antiken Zeitgenossen entwickelten sich aber zur Bürde für die Nachfolger. Je besser die Kopie, je näher am Original, umso positiver in der Wahrnehmung. Allerdings lagen die vermeintlichen Schwächen der Nachfolger nicht selten in den Problemen begründet, die Augustus hinterlassen hatte: So war beispielsweise das Konzept der auctoritas aufs engste mit seiner Person verbunden und stellte für jeden der Nachfolger eine legitimatorische Herausforderung dar. Durch die Adoption mehrerer Nachfolgekandidaten entstand ferner ein innerfamiliäres Konfliktfeld, das durch die Übertragung familiären Prestiges auf die Frauen der domus Augusta noch zusätzlich erweitert wurde. Das alles überlagernde Dilemma der Nachfolger bestand allerdings darin, die Herrschaft auf der von Augustus geschaffenen Basis ausschließlich weiter innerhalb jener Fiktion von republikanischer Tradition ausüben zu können, die das monarchische Element negierte. Die Fähigkeit, mit diesem Widerspruch umgehen zu können oder umgehen zu wollen, wurde zum Prüfstein für alle Nachfolger. Der Vorteil einer gemeinsamen Betrachtung aller Nachfolger des Augustus aus dem julisch-claudischen Haus liegt auf der Hand: In der Zusammenschau wird umso deutlicher, wie die Quellen die immer gleichen Stereotype tyrannischer Herrscher variieren. Im direkten Vergleich erscheinen die teilweise parallel angelegten Lebensläufe (Nero/Caligula) umso stärker in ihrem Konstruktcharakter. In der Betrachtung der gesamten Epoche zwischen 14 und 68 n.Chr. wird ebenfalls deutlich, dass wir es kaum mit Individuen in der Umgebung des Kaisers zu tun haben, sondern mit immer wiederkehrenden topischen Problemfiguren an einem ebenfalls fiktionalen Hof, nämlich Freigelassenen und Frauen. Auch die vermeintlichen und tatsächlichen Opfer der Kaiser treten stets in ähnlichen Rollen auf und tragen kaum individuelle Züge. Dieser Blick auf das Ganze ermöglicht es, die Quellen in ihrer manipulativen Funktionsweise besser zu verstehen und hinterfragen zu können. Am Ende bleibt als vielleicht wichtigste Erkenntnis, dass das gesamte Bild, welches uns so facettenreich gezeichnet wird, in Frage zu stellen ist. An wenigen Stellen können wir den literarischen Quellen archäologische oder inschriftliche Quellen als Kontrast entgegensetzen – leider zu wenige, um das Bild realistischer zu zeichnen. So muss am Ende eher die Frage nach dem Hintergrund und der Inn tention der Quellen stehen, als die Frage danach, „wie es wirklich war“.

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Entwicklungen und Charakteristika des frühen Prinzipats Auf einen Blick

Der Epochencharakter des frühen Prinzipats zwischen Tiberius und Nero (14–68 n.Chr.) zeichnet sich in drei Entwicklungslinien ab: Erstens gehörten die Kaiser Tiberius, Caligula, Claudius und Nero wie Augustus zum Familienverbund der Julier und Claudier und leiteten ihre Herrschaft zweitens von Augustus als Begründer des Prinzipats rechtlich und religiös ab. Zum Dritten prägen charakteristische politische, soziale und kulturelle Entwicklungen diese Zeit, die insgesamt als Stabilisierung und Konsolidierung des Prinzipats aufgefasst werden kann. Denn mit dem Tod Neros endet zwar die julisch-claudische Dynastie, der Prinzipat als Herrschaftsform wurde von den nachfolgenden flavischen Kaisern allerdings nahtlos fortgesetzt und in deutlicher Kontinuität zur Vorgängerdynastie, vor allem zu Augustus und Claudius, gestaltet. Insofern lässt sich konstatieren, dass trotz des in den Quellen stark betonten individuellen Scheiterns der Herrscher von Tiberius bis Nero das System der Prinzipatsherrschaft zu keiner Zeit zur Disposition stand.

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Stammtafel der julisch-claudischen Dynastie

165

M AU R E TA N I A CAESARIENSIS

Kaiserliche Provinzen Prokonsulare Provinzen

M AU R E TA N I A T I N G I TA N A

Tingis

BAETICA

Corduba

ro

H I S PA N I A CITERIOR

Eb

Augusta Emerita Roma

I TA L I A

AFRICA

Carthago

PA N N O N I A

Mittelmeer

Syracusae

Ägäis

Kreta

C R E TA

C Y R E NA E

I U DA E A AEGYPTUS

Alexandrea ad Agyptum

Caesarea

Zypern

C Y P RU S Nea Paphos

Patara

Antiochia

SY R IA

Tarsos

C I L IC IA

G A L AT I A

LY C I A

Ephesos

A SIA

Ancyra C A P PA D O C I A Caesarea

B I T H Y N IA ET PONTUS

Schwarzes Meer

r

Dnj ep

Perinthos Nikomedia

Gortyn

Corinthus

Cyrene

AC HA E A

Tessalonica

tr

jes

Dn

T H R AC IA

MOE SIA

Donau

Viminacium

M AC E D ON IA

Ionisches Meer

Adria

Salona

D A L M AT I A

SIC I L IA Sizilien

Carnuntum

Virunum

NORICUM

Ty rrhenisches Carales Meer

Sardinien

S A R DI N IA

Korsika

CORSICA

1 ALPES GRAIAE ET POENINAE 2 ALPES COTTIAE 3 ALPES MARITIMAE

Iol Caesarea

Balearen

Tarraco

NA R B ON E N SI S

Lugdunum 1 Octodurus Axima Segusio 2 Po Narbo G A L L I A 3 Cemenelum

u

Dona

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Cambodunum

R A ET IA

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Tajo

Burdigala

G A L L IA E

GERMANIA

Augusta Treverorum

Rhein

Loire

Durocortorum

Camulodunum Do

L U S I TA N I A

Atlantischer Ozean

B R I TA N N I A

ph ra t

Eu

IX.

Rhône

166 Das Römische Reich unter Nero

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Register

Register A a libellis 121 a rationibus 121 a studiis 121 ab epistulis 12, 121 Acte 129 Actia 146 Adoption 15, 18, 20, 21, 22, 26, 28, 33, 74, 77, 85, 92, 125, 154, 155, 163 Aelius Aristides 38 L. Aelius Seianus 56–59, 69, 71, 83 M. Aemilius Lepidus 75, 80 aerarium 66 P. Afranius Potitus 78, 79 Africa 45, 49, 62, 65, 86, 106, 157, 158 Agrippa 23, 24, 27, 31, 51, 57, 74, 99, 114, 157, 165 Agrippa Postumus 15, 27, 31–32, 114, 165 Agrippina die Ältere 49, 51, 56, 57, 58, 69, 74, 75, 81, 90, 154, 165 Agrippina die Jüngere 73, 81, 82, 84, 89, 92, 97, 111, 114, 115–118, 123, 124, 125, 128, 129, 130, 132, 154, 155, 156, 165 Ägypten 53, 56, 97, 98, 99, 100, 102, 162 Alexander der Große 86, 87, 104 Alexandria 53, 87, 97, 98, 100, 145, 161 Alexandriner 97 Alpeneroberung 23, 104 amicitia 84, 157 amphitheatrum Flavium 149 amplissima collegia 160 annona 53, 98, 102 L. Annius Vinicianus 88 Antium 72, 125 Antonia Minor 51, 58, 73, 94, 97, 112, 154, 156, 165 M. Antonius 22, 23, 51, 53, 58, 94, 97, 109, 158, 165 Apokoloky´ntosis 110, 123 C. Appius Iunius Silanus 96, 112 ara adoptionis 20 ara Pacis 26, 45 ara providentiae Augustae 26 Archiereia 81 Archiereus 106 Armenien 23, 26, 47, 49, 52, 63, 65, 142, 143, 158 Arminius 46, 51, 52, 65 L. Arruntius Camillus Scribonianus 96, 103 Arsakes 63 Artabanos II. 47, 53 Artaxias III. (Zenon) 52, 63 Arvalbrüder 26, 69, 80, 84, 132 Asia 11, 66, 67, 81, 141, 157, 158, 160, 161 Assos 88 Atanius Secundus 78, 79 auctoritas 10, 19, 28, 30, 33, 35, 96, 130, 163

augures 160 Augusta 15, 20, 21, 23, 49, 50, 56, 57, 73, 97, 117, 128, 129, 155, 156, 162 Augustus 9, 10, 11, 13, 15, 16–21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 53, 55, 57, 58, 60, 61, 62, 63, 64, 66, 67, 68, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 79, 80, 83, 85, 86, 88, 90, 94, 95, 96, 97, 98, 100, 101, 102, 104, 106, 107, 108, 109, 111, 114, 117, 118, 123, 127, 128, 131, 132, 136, 137, 141, 142, 146, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165 Aurelius Victor 127, 149

Baetica 55, 67, 160 Barea Soranus 120, 139, 141 Bestattung 16, 27 Boudicca 143–144 Brand 101, 125, 133–136, 137, 138, 139, 150 Britannicus 96, 104, 111, 113, 114, 117, 118, 128, 130, 165 Britannien 84–86, 91, 92, 103–105, 125, 142, 143–144, 150, 157, 158 Bürgerrecht 13, 37, 38, 62, 102, 105–108, 109, 138, 157, 159 Caesar 11, 16, 17, 21, 42, 80, 85, 93, 99, 101, 103, 105, 140, 165 Caesarenwahn 89, 90 Caligula 9, 10, 17, 51, 58, 69, 70, 72–91, 93, 94, 96, 97, 98, 99, 100, 103, 105, 110, 112, 116, 119, 123, 127, 128, 139, 142, 152, 153, 154, 156, 158, 160, 161, 163, 164, 165 Callistus 115, 120, 121 C. Calpurnius Piso 139, 141 Cn. Calpurnius Piso 52, 54, 71 campus Agrippae 26 Capri 49, 57, 58, 63, 69, 72, 75, 76 carpentum 117 Carrhae 46, 63 Cassius Dio 9, 11, 12, 17, 20, 29, 36, 55, 60, 67, 76, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 109, 110, 111, 112, 123, 126, 127, 140, 144, 146, 149, 152 census 35, 105, 114 Cherusker 52, 64 Christen 127, 134, 135, 149, 150 civitas Ubiorum 117 Claudius 9, 10, 18, 51, 80, 84, 85, 86, 89, 92–124, 125, 128, 129, 130, 132, 133, 134, 142, 143, 144, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 161, 164, 165 Ti. Claudius Aesius 119 Clemens 32

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Register Colonia Claudia Ara Agrippinensium 118 Compitalia 42 concilium 98, 104, 106, 158 cura annonae 102

Dalmatien 96, 103 damnatio memoriae 55, 58, 113, 126, 129, 132, 149 de clementia 123 decuriones 115 dies imperii 72 dignitas 35, 38 Diva Augusta 97, 128, 156 Diva Claudia 133, 156, 165 Diva Drusilla 72, 80 Divinisierung 17, 33, 161, 162 Divus Augustus 15, 17, 67, 72, 73, 74, 141, 156 Divus Claudius 128, 144, 156 Divus Julius 16, 17, 45, 141 Domitia Lepida 96 domus Augusta 23, 27, 33, 34, 39, 42, 50, 112, 116, 132, 154, 155, 156, 163, 164 domus aurea 14, 136–139, 147, 150 domus transitoria 136 Drusilla 72, 73, 75, 77, 78, 80, 81, 82, 97, 156, 165 Drusus der Ältere 22, 23, 24, 26, 51, 64, 94, 97, 103, 165 Drusus der Jüngere 16, 17, 18, 19, 24, 27, 29, 49, 55–56, 57, 66, 71, 165 Dystonie 95

Epicharis 140 equites 40 Eris 115 Esquilin 136 Exil 22, 25, 26, 27, 57, 63

Falsche Nerones 149 familia 39, 40, 154 flamen 15, 18, 51 flaminica 156 Flavische Dynastie 14 Flavius Josephus 13, 58, 93, 126, 146, 149 Fluchtafeln (tabellae defixionum) 154 Forum Romanum 44, 133 Freiheitsdekret 146, 162 Fuciner See 98, 99 Fulvia 109

Gaius Caesar 25, 26, 57, 63, 165 Galba 85, 96, 148, 154 Gallia Lugdunensis 148 genius Augusti 28, 42, 159 Germanicus 15, 18, 19, 26, 27, 30, 49, 50–55, 56, 57, 58, 62, 63, 64, 65, 66, 69, 70, 71, 72, 74, 82, 85, 86, 88, 89, 90, 93, 94, 97, 103, 104, 107, 112, 114, 115, 116, 117, 125, 154, 156, 161, 165

Germanien 12, 24, 27, 46, 47, 49, 51, 64–65, 72, 84–85, 86, 91, 132, 142 Gesellschaft 22, 34–38, 39, 43, 58, 88, 122, 132 Gessius Florus 145 Griechenland 126, 146–148 Gytheion 67, 160 Hadrian 11, 12, 31, 127 Häduer 108 Hafen 98, 100 Helena 116 Helios 147, 148, 162, Hispania Tarraconensis 96 Hof 33, 69, 83, 89, 92, 119, 123, 124, 133, 138, 151–153, 163

H homo novus 13, 38 honestiores 35, 36, 37 honos 35 hostis publicus 148 humiliores 35, 36, 37

Illyrien 27, 55 imperium proconsulare maius 15, 19, 28, 30, 52, 70, 118, 125 Inceni 144 Inschriften 9, 14, 55, 58, 107, 119, 124, 156, 160, 161 Isthmos 146 L. Iunius Silanus 116 M. Iunius Silanus 77, 78 ius honorum 157 ius trium liberorum 40 Iuvenalia 131

Judäa 66, 86, 106, 135, 142, 144–145, 146, 150, 157, 158 Juden 87, 149 Jüdischer Krieg 13, 126, 145 Julia die Ältere 22, 23, 24, 25, 27, 31, 32, 51, 61, 114, 165 Julia die Jüngere 31, 165 Juliane 81 C. Julius Epikrates 157 Julius Florus 62, 108 Julius Sacrovir 62, 108 C. Julius Vercondaridubnus 158 C. Julius Vindex 148

Kaiserkult 26, 81, 106, 141, 161, 162, 164 Kapitol 17, 87, 95 Kappadokien 49, 52, 63, 66, 158 Kleopatra 23, 53 Klientel 37 koinon 98, 106, 157 Kolosseum 149

Register Kommagene 49, 52, 66, 86, 158 Konsekration 15, 17, 19, 27, 31, 70, 80, 160 Konsul 11, 12, 13, 19, 23, 24, 26, 28, 56, 69, 76, 77, 82, 84, 96, 109, 112, 113, 115, 118, 120, 134 Korinth 107, 146

Laren 42, 43, 159 Lares Augusti 42, 159 Lares Compitales 42 Latini Iuniani 138 laudatio funebris 16, 18 lectio senatus 39 legatus Augusti pro praetore 96 Lentulus Gaetulicus 72, 82, 84, 85 lex Rufrena 17 lex Voconia 20 liberti 35, 119 Livia 15, 18, 19, 20–21, 22, 23, 30, 32, 33, 49, 51, 54, 56, 57, 58, 67, 73, 95, 97, 109, 111, 117, 128, 132, 155, 156, 160, 162, 165 Lucius Caesar 23, 25, 26, 27, 31, 75, 165 ludi Palatini 18 ludi Victoriae Caesaris 73 ludi saeculares 92, 114 Lugdunum 62, 92, 108 Lykien 105, 106, 158

Maecenas 36 Magnesia 81 maiestas 59, 60, 61, 70, 154 Majestätsprozesse 60, 61, 70, 76 Martial 14, 109, 126, 138, 139, 149 Masada 145 mater patriae 21 Mauretania Caesariensis 86, 106 Mauretania Tingitana 86, 106 Mausoleum Augusti 15, 16, 17, 45, 74 Messalina 80, 92, 96, 110, 111–114, 115, 117, 154, 165 Messianismus 114–115 Milet 161 Militärdiplom 159 Mindestvermögen 37, 39, 40, 138 Misenum 49, 69 mos maiorum 9 Muscheln 85, 86

Narcissus 99, 113, 115, 121 Nemea 146 Neokorie 161 Nero 9, 10, 11, 13, 14, 22, 43, 80, 81, 92, 100, 110, 112, 114, 116, 117, 118, 123, 125–150, 151, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 162, 163, 164, 165, 166 Nero Julius Caesar 49, 56, 58, 74, 165 Neronia 125, 131 Nola 15

Octavia (Schwester des Augustus) 51, 58, 94, 111, 165 Octavia (Tochter des Claudius) 96, 116, 118, 125, 132, 133, 154, 165 Olympia 146 ordo equester 35, 41, 48 ordo senatorius 35 Ostia 34, 98, 100, 102, 113

Palatin 17, 44, 87, 105, 133, 136, 137 Pallas 115, 120, 121 paludamentum 117 Pannonien 12, 24, 27, 46, 49, 50, 57 Papyrus 53, 97 Paris 115, 116 Parther 45, 46, 47, 48, 49, 63, 142, 143, 150 pater patriae 18, 28, 70, 94, 125 Patronat-Klientel-Bezieung 37 Patronus 37, 120, 121 pax Augusta 28, 97, 159 Peregrini 102 Philippi 22 Philon von Alexandria 87 Pisonische Verschwörung 126, 139–141 plebs 35, 38, 41–43, 48, 58, 60, 68, 70, 73, 100, 101, 102, 118, 147, 149 plebs frumentaria 41, 43, 102 Plinius der Ältere 14, 99, 110, 117, 126, 139 Plinius der Jüngere 156, 157 Polemon I. 52 Polemon II. 142 pomerium 17, 69, 105 pompa funebris 17 pontifex maximus 28, 74, 125, 133, 160 pontifices 160 Pontus 52, 142 Poppaea Sabina 112, 125, 132, 133, 141, 156, 162, 165 praefectus Alexandriae et Aegypti 53 praefectus praetorio / Prätorianerpräfekt 19, 49, 56, 57, 58, 69, 70, 71, 77, 78, 113, 128, 132, 140 Prätorianer 20, 29, 31, 56, 57, 70, 72, 73, 88, 89, 92, 93, 94, 113, 114, 117, 118, 121, 124, 140, 148, 150, 153, 154, 155, 159 Prätur 12, 13, 16, 17, 23, 42, 60, 61 Priester 13, 16, 17, 18, 20, 26, 58, 69, 71, 80, 81, 97, 98, 104, 106, 118, 125, 128, 141, 145, 157, 158, 160 Priesterin 18, 38, 73, 81, 129, 132, 156 princeps iuventutis 75, 118, 125 Prinzeps 10, 13, 15, 18, 19, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 31, 33, 34, 38, 39, 41, 42, 43, 44, 47, 48, 49, 52, 53, 55, 57, 58, 59, 60, 63, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 77, 79, 80, 82, 86, 89, 90, 92, 93, 94, 96, 98, 102, 103, 110, 113, 114, 116, 119, 120, 126, 128, 129, 130, 133, 134, 139, 140, 141, 142, 143, 146, 147, 151, 153, 155, 156, 157, 159, 160, 161, 162

175

176

Register Prinzipat 10, 11, 12, 15, 16, 18, 19, 20, 23, 24, 29, 31, 33, 40, 41, 48, 55, 67, 68, 75, 91, 94, 103, 119, 122, 123, 124, 129, 142, 147, 151, 159, 164 providentia Augusta 26 Provinziallandtag 98, 104, 106, 158 Puteoli 100

Stoa 123 Subura 133 Sueton 9, 11–12, 25, 28, 29, 44, 55, 59, 60, 67, 75, 78, 84, 92, 94, 95, 98, 99, 126, 127, 130, 134, 139, 142, 148, 149, 155 Syrien 49, 52, 54, 55, 145, 157, 158

Quästur 23, 72 Quidde, Ludwig 90 quindecimviri sacris faciundis 160 quinquennium 127–130 Quo vadis? 139, 149

Tacfarinas 49, 62–63, 158

Raetien 102 recusatio imperii 30 res gestae 17, 28, 34 res publica 13, 16, 30, 39, 44, 61, 94, 113 Rezeption 14, 150, 162 Rhodos 24–26, 57 Ritter 17, 34, 37, 38, 40–41, 43, 46, 47, 53, 56, 78, 79, 88, 95, 109, 120, 140 Rom 11, 13, 14, 17, 22, 23, 25, 26, 27, 41, 42, 43, 44–45, 46, 47, 48, 52, 55, 57, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 78, 80, 81, 85, 86, 87, 88, 99, 100, 101, 102, 106, 107, 113, 119, 125, 126, 128, 131, 134, 135, 136, 138, 139, 143, 144, 145, 147, 148, 149, 150, 156, 159, 160, 161, 162

S sacerdos divi Augusti 15, 18, 104 sacrosanctitas 42, 156 Sallustius Crispius 32 Ti. Sempronius Gracchus 32 Senat 12, 13, 15, 16, 17, 18, 20, 21, 24, 27–31, 32, 33, 38–40, 41, 42, 43, 48, 49, 55, 58, 59–61, 67, 68, 69, 70, 72, 73, 74, 76, 77, 78, 80, 81, 82–84, 85, 90, 91, 92, 93, 94, 105, 106–108, 109, 118, 122, 124, 125, 129, 132, 141, 148, 149, 151, 152, 153, 155, 157, 158, 160 Senatus consultum de Cn. Pisone patre 55, 71 Senatus consultum Hosidianum 101 Seneca 13, 79, 81, 89, 117, 118, 123, 128, 129, 132, 140, 141, 144 septemviri epulonum 160 Sienkiewicz, Henryk 139, 140 C. Silius 113–114 Smyrna 67, 160 sodales Augustales 18 Staatsakt 27 v.Chr. 23, 30, 141, 151

Tacitus 9, 11, 12, 25, 29, 43, 50, 51, 52, 54, 55, 57, 60, 61, 63, 67, 68, 71, 75, 84, 99, 106, 110, 111, 112, 113, 115, 116, 117, 120, 126, 127, 133, 134, 135, 138, 139, 140, 141, 144, 146, 149, 154 Testament 19–21, 26, 28, 29, 31, 70, 73, 76 Teutoburger Wald 27, 46, 64 Thrasea Paetus 139, 141–142 Thusnelda 51, 52 Tiberius 9, 10, 12, 13, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21–31, 32, 33, 34, 41, 46, 49–71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 82, 83, 85, 86, 90, 91, 96, 105, 106, 107, 112, 114, 116, 134, 135, 142, 151, 152, 153, 154, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 164, 165 Tiberius Gemellus 56, 69, 70, 74, 76, 77, 78, 79, 114, 165 Tiridates 126, 143 Titus 145 Trajan 11, 127, 128, 156 tribunicia potestas 19, 24, 26, 28, 30, 58, 70, 118 Triumph 24, 27, 49, 51, 52, 92, 104, 109 Trojanischer Krieg 116 M. Tullius Cicero 16 tutela 38

Valerius Asiaticus 88, 112–113 Varusschlacht 27, 46, 51, 52, 62, 64 Velleius Paterculus 12–13, 24, 25, 26, 29, 68 Verginius Rufus 148 Verschwörung 72, 77, 81, 82, 84, 85, 86, 88, 89, 91, 94, 96, 114, 119, 126, 139, 140, 141, 153 Vesontio 148 Vespasian 13, 129, 145, 149 Vestalin 73, 111 Veteranen 47, 50, 117 vicomagistri 42 vicus 42 M. Vinicius 88, 112 Vipsania Agrippina 24, 55, 165 Vitellius 142

Waldgirmes 46, 64