Das Ringen um die Ostseeherrschaft: Schwedens Könige der Grossmachtzeit (German Edition) 3428074955, 9783428074952

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Das Ringen um die Ostseeherrschaft: Schwedens Könige der Grossmachtzeit (German Edition)
 3428074955, 9783428074952

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JÖRG-PETER FINDEISEN

Das Ringen um die Ostseeherrschaft

JÖRG-PETER FINDEISEN

Das Ringen

um die Ostseeherrschaft Schwedens Könige der Großmachtzeit

DUNCKER & HUMBLOT · BERLIN

Die Porträts auf den Seiten 23, 58, 79, 97, 109, 122, 167, 191, 208 und 220 sowie die Merian-Karte "Tabula exantissima Regnorum Sueciae et Norvegiae ... " auf dem Schutzumschlag stellte die Königliche Bibliothek Stockholm zur Verfügung.

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Findeisen, Jörg-Peter: Das Ringen um die Ostseeherrschaft : Schwedens Könige der Grossmachtzeit I Jörg-Peter Findeisen.Berlin : Duncker und Humblot, 1992 ISBN 3-428-07495-5

Alle Rechte vorbehalten

© 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Satz und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Schutzumschlag: Hauke Sturm Printed in Germany ISBN 3-428-07495-5

Vorbemerkung Für die Niederländer gelten noch heute das 16. und 17. Jahrhundert als "Goldenes Zeitalter" des Landes. Ähnliches ließe sich für Schweden formulieren. Die Entwicklung des Reiches zu einer europäischen Großmacht mit glanzvollen Siegen, der Herrschaft über die Ostsee und gewaltigem Landbesitz außerhalb der Grenzen des mittelalterlichen Schwedens ist ein bemerkenswerter Zeitabschnitt in der Geschichte dieses skandinavischen Staates. Die Großmachtperiode Schwedens ist eng verbunden mit seinen Heeren und Kriegerkönigen, undenkbar ohne Gustav II. Adolf und die bedeutenden Pfälzer Könige auf dem schwedischen Thron. Schwedens populärster Historiker des 19. Jahrhunderts, der" Vater" der modernen schwedischen Historiographie, der "schwedische Ranke", wie einige Geschichtswissenschafder noch heute Erik Gustav Geijer gerne titulieren, hat seinerzeit Schwedens Geschichte so bilanziert: "Die Nation ... folgte ihren Gustaven und Karlen zu Siegen, zu Ehren, bis an den Rand des Untergangs. Das ist weder ein Lob noch ein Tadel. Aber das ist so: und jetzt, wo ich die Geschichte des schwedischen Volkes schreibe, verstehe ich besser als irgend ein anderer, daß sie die Geschichte seiner Könige ist." 1 Ein faszinierendes Argument, so recht geeignet als Motto einer Sammlung von Biographien schwedischer Könige! Und doch, da bleibt ein ungutes Gefühl. Zwar hat noch in unserem Jahrhundert einer der viel gelesenen Historiker Schwedens, Carl Grimberg, auch deshalb Geijer den größten schwedischen Historiker genannt, doch kann auch das berechtigte Zweifel an seinem Fazit nicht ausräumen. Da scheint doch überzeugender der Gedanke, daßtrotzder erwähnten "Abgründe", an die beispielsweise Karl XII. das schwedische Volk führte, die Menschen in Schweden auch diese Katastrophe in der Geschichte des Königreichs überlebten; sie zwangen ihre späteren Könige, andere Wege zu gehen.

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Vorbemerkung

So bleibt Geijers Aussage bestenfalls eine Momentaufnahme; es läßt sich nicht leugnen, die Geschichte Schwedens ist vor allem die seiner Menschen, und hier hatten die Könige ihren Platz. Einige von ihnen leisteten Bemerkenswertes, schrieben auch deutsche und europäische Geschichte, Grund genug, ihren Platz in der schwedischen und europäischen Geschichte zu erfragen, an der Seite inmitten ihres Volkes.

Inhaltsverzeichnis Ein Reich drängt nach Europa. Schweden zwischen 1500 und 1700

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Gustav Vasa- Einiger Schwedens. Gustav Erikssons Weg von Dalarna auf Schwedens Thron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zeittafel der persönlichen Daten Gustavs I. Vasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

Erik XIV. - ein frühabsolutistischer Herrscher im Kampf mit seinem Hochadel .... .. .............. . . ... ............... . .... . ......... .. .. . .. . . .. .. .

58

Zeittafel der persönlichen Daten Eriks XIV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Von Adels Gnaden. Johan III., Gustav Vasas zweiter Sohn, König von Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

Zeittafel der persönlichen Daten Johans III. . .. . . . . .. . . . ... . . . . . . . . . . .. .

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Ein König ohne Land. Sigismund von Polen, König in Schweden "mit Vorbehalt" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zeittafel der persönlichen Daten Sigismunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107

Ein Usurpator auf dem Thron. Herzog Karl, der spätere König Karl IX.... . ................. .... .......................................... .. ..

109

Zeittafel der persönlichen Daten Karls IX. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

120

Gustav II. Adolf. König der Großmacht Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

122

Zeittafel der persönlichen Daten Gustavs II. Adolf..... ... .. .. .. .. . . .. .

165

Christina. Eine Königin sucht ihren Platz in der Geschichte . . .. .. .. . . .

167

Zeittafel der persönlichen Daten Christinas .. . . .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . .. . . .

189

Kar! X. Gustav. Mehr als ein "Condottiere" . . . .. . .. . . . . .. ... . . . . . . ... . . . .

191

Zeittafel der persönlichen Daten Karls X. Gustav . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

"König von Gottes Gnaden". Karl XI. ............. ........................

208

Zeittafel der persönlichen Daten Karls XI. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. . . . . ...

218

G:~af!Z und Elend der Großmacht Schweden. Karl XII., der Kriegerkonlg ......... . .................... .. ................... .. ........................

220

Zeittafel der persönlichen Daten Karls XII. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ein Reich drängt nach Europa Schweden zwischen 1500 und 1700 Schweden zähle "so viele weitgestreckte und gewaltige Landschaften, die von Lappen, Moskovitern, Svear, Göten, Värmern, Dalkerlen, den Menschen in den Berggebieten und Nordmännern bewohnt sind, ein Land, das in seiner Ausdehnung in Länge und Breite größer als ganz Italien, Spanien und Gallien zusammen ist", 1 schrieb 1555 der schwedische Geistliche Olaus Magnus im römischen Exil, Reminiszenzen an die ferne, verlorene Heimat, erste umfangreiche Information über das in weiten Teilen Europas noch gänzlich unbekannte Land. Es entsprach dem Geist dieser Epoche des Umbruchs in Europa, daß der fromme Mann in Rom ein wenig übertrieb, es mit der territorialen Ausdehnung so genau nicht nahm. Möglich, daß viele seiner Leser selbst nur sehr unvollkommene Raumvorstellungen hatten, im übrigen, wer wußte schon in Schweden selbst genau, wo das Reich endete, zu unscharf waren die Grenzen im Norden fixiert. Kaum ein schwedischer Reisender war bisher dorthin vorgedrungen, dichter Wald und ferne, auch im Sommer eisbedeckte Berge schirmten diesen Raum jenseits des Horizonts von der Welt des mittelalterlichen Schwedens ab. Dort konnten wohl nur die Lappen leben, jenes Wandervolk mit Zelten und Rentierherden, dem Stockholmer ebenso unbegreiflich wie den Bauern Süd- und Mittelschwedens. Wahrlich, es schien ein merkwürdiges Riesenreich, von dem Magnus berichten konnte. Begierig griffen viele auf dem Kontinent nach diesem umfangreichen Werk über das Land mit fürchterlich kalten Winden und langen, hellen Sommernächten. So jedenfalls lebte Schweden in den Erinnerungen des alten Mannes im sonnigen Süden weiter, vermittelte er seinen Lesern das Bild des Vaterlandes, der 1554 vom Papst ernannte Erzbischof von Uppsala, ein Kirchenfürst nur dem Namen nach, Gegner des Luthertums und der Reformation in Schweden, ein großer Mann der Feder zweifellos. Umso unverständlicher, daß seine "Historia über das nordische Volk" in Schweden erst Anfang unseres Jahrhunderts publiziert

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wurde, nun nur noch ein bewegendes Dokument schwedischer Selbstdarstellung im 16. Jahrhundert. Das "mächtige Geschichtswerk bestehe aus einer seltsamen Mischung exakter Beobachtungen wie auch zeitbedingter Anleihen an die gelehrten Schriften des Mittelalters und der Renaissance", 2 würdigten die Herausgeber der jüngsten umfangreichen Auflage 1982 das Schaffen des Olaus Magnus. Abgesehen von den recht verschwommenen Größendarstellungen und den üblichen zeitgemäßen Berichten über Fabelwesen sind es vor allem die Beschreibungen der Lebensgewohnheiten der Schweden, ihrer Kriegstechniken, des Alltags im hohen Norden, die den Wert dieses Werkes bestimmen. Neben der Schilderung eines höchst barbarisch anmutenden Lebens der Fischer und Jäger in jenem unvorstellbar weiten kalten Land mit Pferderennen auf den zugefrorenen Seen, den verschiedenartigsten Schneeformen und Eiskristallen, Bildern, die das Reich der Mitternachtssonne den Deutschen, Italienern, Spaniern und Franzosen noch fremdartiger erscheinen ließen, finden sich auch einige wenige Bemerkungen über den Reichtum des Landes. "Die Gruben der nordischen Länder sind ziemlich viele, verschiedenartig und reich", 3 hatte der gelehrte Schwede wissen lassen. Man fände "unerschöpfliche und weitgestreckte Gruben sowohl im oberen Svealand als auch in Götaland und Värmland nahe der norwegischen Grenze". 4 In der Umgebung des ausgedehnten Mälaren-Sees bei Stockholm betriebe man "unerschöpfliche Silber-, Kupfer- und Eisenerzgruben, unmöglich, deren Wert zu schätzen". Deshalb sei Schwedens König zu keiner Zeit "den übrigen Fürsten Europas in der Frage aller Arten von ... Reichtum unterlegen". 5 Stolze Worte in einer Zeit, in der auch die deutschen Fürsten und großen Handelshäuser einen bedeutenden Teil ihres Reichtums dem Silberbergbau Sachsens und Tirols, den Hütten und Eisenhämmern zahlreicher deutscher Wirtschaftszentren eines frühen Kapitalismus dankten, Ankündigung auch, daß dieses Land im Norden Europas künftig bald eine größere Rolle spielen würde. So führte Olaus Magnus bereits moderne Verhüttungsverfahren in seiner Heimat an. Schwedisches "Eisenerz läßt sich nicht anders schmelzen als mit Hilfe von Wasserrädern, die die Blasebälge antreiben", 6 erfuhr der aufmerksame Leser. Nein, ganz so barbarisch konnte dieses Land nicht sein ... Er schrieb aus der Erinnerung, hatte das eigene Land mehr als drei Jahrzehnte nicht mehr betreten dürfen, eine Entwicklung nicht registrieren können, die Schweden Wege in den Kreis der europäischen

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Mächte öffnete. Vielleicht hätte Olaus Magnus solche Veränderungen auch gar nicht bemerkt. Äußerlich hatte sich nicht viel geändert in den Jahren nach seinem Weggang. Seit etwa 1350 hatte Schweden seine relativ sicheren Grenzen erkämpft, die es noch zu Olaus Magnus' Zeiten verteidigte. Von der Stadt Kalmar an der Ostseeküste im Süden erstreckte sich das Land bis Lappland im Norden, besaß mit dem Hafen Älvsborg an der Mündung des Göta-Flusses in die Nordsee einen schmalen Streifen Land zwischen den dänischen Provinzen Südschwedens und Norwegens, dehnte sich im Osten bis zur Festung Viborg an der russischen Grenze aus, umfaßte weite Teile des heutigen Finnlands. Weniger sicher sind Angaben über die Zahl der Einwohner. Olaus Magnus versuchte erst gar nicht, hier Summen zu nennen. Es war ihm vielleicht auch nicht wichtig. Allzu häufig verödeten ganze Landstriche durch Pest und Hungersnöte. Und auch im übrigen Europa zählte man nur die Steuerzahler. Die moderne schwedische Historiographie rechnet auch in Schweden mit einem Bevölkerungsanstieg gegen Ende des 15. Jahrhunderts, einer Entwicklung, die hier in der zweiten Hälfte des folgenden Jahrhunderts kulminierte. Die wenigen vorhandenen Quellen belegen für diesen Zeitraum eine auffällige Siedlungsnahme in weiten Teilen Schwedens und Finnlands, eine Tendenz, die ab 1620 stagnierte, wahrscheinlich eine Folge der ununterbrochenen Kämpfe Schwedens gegen Dänen, Russen, Polen und des schwedischen Eingreifens in den Dreißigjährigen Krieg. Während man zwischen 1350 und 1400 nur mit 315 000 Menschen im schwedischen Kernland rechnete, schätzen die Historiker deren Zahl um 1571 aufgrunderhaltener Steuerregister auf 750 000. Zum gleichen Zeitpunkt könnten in Finnland etwa 250 000 Einwohner gelebt haben. Eine größere Bevölkerungsdichte gab es nur in den Ackerbaugebieten Süd- und Mittelschwedens. Vor allem die nördlichen Waldgebiete waren damals nahezu unbewohnt. Wenig nur berichtete Olaus Magnus über Städte in Schweden und ihre Gewerbe. Das Reich war ein Bauernland, wahrscheinlich lebten nicht einmal fünf Prozent in den wenigen Städten. Um 1500 sollen in der Hauptstadt Stockholm ungefähr 6 000 bis 7 000 Einwohner gelebt haben. Deren Zahl stieg bis 1580 lediglich auf 8 000, bis 1620 auf 10 000. Für 1660 rechnen die Historiker mit 40 000 Einwohnern in Stockholm,

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nun bereits das Zentrum einer europäischen Großmacht. Doch blieb die Residenz zunächst die einzige bedeutende Großstadt des Reiches. Abo, das heutige Turku am Finnischen Meerbusen, zählte um 1600 als zweitgrößte Stadt des schwedischen Reiches weniger als 4 000 Bewohner, war bis 1660 nur auf 6 000 angewachsen. In der Erzbischofsstadt Uppsala werden um 1600 nicht mehr als 2 000 Menschen gelebt haben. Im 16. und 17. Jahrhundert konnten besondere Impulse für eine frühkapitalistische Entwicklung des Landes kaum von den wenigen Städten ausgehen. Wie in allen feudalen Staaten Europas erschütterten Machtkämpfe zwischen der Krone und Hochadelsgeschlechtern zwischen 1350 und 1500 das Land, noch verschärft durch Auseinandersetzungen zwischen dänischen und schwedischen Adelsgruppierungen, die um Landübertragungen durch die Krone in diesemTeil des nordischen Unionsreiches stritten. Der 1364 von einigen Fraktionen des schwedischen Adels ins Land gerufene mecklenburgische Herzog Albrecht war schließlich als schwedischer König nach langen Kämpfen 1389 der Dänin Margarethe I. unterlegen. Sie konnte sich auf die unzufriedenen oppositionellen schwedischen Adelsfamilien stützen, versprach den Schweden großzügige Landschenkungen aus dem Besitz der Krone, schriftliche Zusagen über erbliche Lehen gab sie jedoch nicht, eine kluge Regentin. Ihr Neffe, Erich von Pommern, wurde 1397 in Kalmar zum König der Union der Nordischen Reiche gekrönt, vereinigte Dänemark, Norwegen und Schweden, regierte vor allem im Interesse seines dänischen Kernlandes, vergab zahlreiche schwedische Burgen an seine Vertrauten, gewöhnlich Dänen und Deutsche ... Bald mehrten sich wieder die Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden schwedischen und dänischen Aristokraten, fanden die Unionskönige offenen Widerstand, erwuchsen ihnen besonders in den schwedischen Reichsverwesern gefährliche Konkurrenten um die Macht in Schweden. Der Kampf Dänemarks gegen die Hanse führte den Reichsverwesern bald das Handelsbürgertum der schwedischen Hafenstädte und vor allem die einflußreiche Schicht der Bergwerksbesitzer, die Eigentümer der Eisen- und Kupferwerke zu. Einige schwedische Historiker sehen in der zentralisierten Handelspolitik der Reichsverweser eine entscheidende Ursache für die Zuspitzung der dänischen Konflikte, registrieren unüberwindliche Widersprüche zwischen ökonomischen Interessen der

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Dänen und einer eigenständigen schwedischen Warenproduktion für die europäische Nachfrage auf dem Eisen- und Kupfermarkt. Manche Fachleute vermerken sogar "Keime kapitalistischer Manufakturen" ,7 eine eigene marktorientierte Getreideproduktion in Süd- und Mittelschweden, vor allem einen schnell wachsenden "Metallexport aus dem Bergbaugebiet". 8 Damit seien Kräfte in Schweden gewachsen, die "in staatlicher Selbständigkeit mehr Sinn als in einer nordischen Union sahen", 9 wie es der Wirtschaftshistoriker Jan Peters vor einigen Jahren bilanzierte. Sicher, die Forschung steht hier noch immer vor zahlreichen offenen Fragen, unklar auch die Möglichkeiten der Hanse in diesem Prozeß, auffällig jedoch die Tatsache, daß der Unionskönig Christian II. neben zahlreichen schwedischen Aristokraten bedeutende Vertreter des deutschen Handelsbürgertums in Schweden hinrichten ließ. Dänemarks Wirtschaftspolitik und die offenbar störenden schwedischen Interessen, könnte man folgern. Zweifellos ein Grund mehr, die Entwicklung Schwedensam Beginn der frühen Neuzeit stärker in ihrer Einbindung in die frühkapitalistische Entwicklung auf dem europäischen Kontinent zu betrachten. Als erwiesen kann jedenfalls gelten, daß sich die Kämpfe zwischen den Unionskönigen und den schwedischen Reichsverwesern Ende des 15. Jahrhunderts und zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu verheerenden Kriegszügen der dänischen Truppen in Schweden entwickelt hatten, die Steuerbelastungen aller Bevölkerungsgruppen ständig wuchsen, sich jetzt vor allem schwedische Hochadelsgeschlechter und dänische Unterdrücker gegenüberstanden, so jedenfalls argumentierten die Reichsverweser und ließen es überall im Lande kundtun. Nationale Stimmungen wuchsen im schwedischen Volk, geschürt von jenen, die dabei wohl in erster Linie Dänen und Deutsche aus den Schlössern der Krone vertreiben, sich und ihre Familien hineinsetzen wollten. Bauern und Bürger waren es müde, beständig die herumstreifenden Heere unterhalten zu müssen, die große nationale Erhebung blieb aber aus. In manchen Landschaften Schwedens reagierten die arbeitenden Menschen wenig oder gar nicht auf die Appelle des Adels. Das war anders gegen Mittel des 15. Jahrhunderts. Der bedeutendste Bauernkrieg Schwedens wurde sowohl unter nationalem als auch sozialem Vorzeichen geführt. Die Ablehnung dänischer Steuerbedrückungen und Übergriffe der Bauern gegen gesteigerte Ansprüche ihrer schwedischen Herren einte die Bauernhaufen, in deren Reihen auch Bergknappen kämpften. Obwohl es dem Hochadel gelang, die Bauern ihrer

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beiden glänzenden Führer zu berauben, den Kampf teilweise in einen Krieg gegen die dänischen Söldnerhaufen zu lenken, den Aufstand schließlich zu ersticken, wirklich zerschlagen konnten sie die Bauern nicht, wollten es möglicherweise mit einem Seitenblick auf die gefährlichen dänischen Feinde nicht, vielleicht einer jener Gründe, warum es hier weder zur Ausbildung der Leibeigenschaft noch zu jener feudalen Abhängigkeit der Bauern vom Adel kam, wie in weiten Teilen des kontinentalen Europas, Schwedens Bauern stets ein Volk in Waffen blieben. Und auch das mag eine Folge der dokumentierten Kampfkraft schwedischer Bauern gewesen sein: seit dem 15. Jahrhundert gab es in Schweden eine Ständeversammlung, die auch Bauern und Bürger Mitspracherechte einräumte. Es war wohl ein selbstbewußtes Bauerntum, das in Schweden und Finnland dem Boden das Lebensnotwendige abrang. Um 1500 dominierten dort die freien steuerzahlenden Bauern. Die Steuerregister weisen für das eigentliche Schweden 52 % freie Bauernhöfe aus, 22 % des bebauten Landes bewirtschafteten Adelsbauern, 21 % waren in Kirchenbesitz. Die Krone gebot nur über 5 % der erschlossenen, landwirtschaftlich genutzten Fläche. In Finnland besaßen Adel und Kirche damals nur 2 bzw. 2,5 %des bewirtschafteten Landes, die Krone verfügte gar nur über 0,5 %. Alles andere Ackerland wurde von freien steuerpflichtigen Bauern bearbeitet, zweifellos Ausdruck der geringen Ergiebigkeit des finnischen Boden für Ackerbau und Viehzucht in jener Zeit. Aber auch in Schweden finden sich auffallende regionale Unterschiede. Überall dort, wo gewinnbringende Landwirtschaft möglich war, hatten sich die Feudalgewalten einen größeren Anteil an Grund und Boden gesichert. So waren in Südschweden die freien Steuerbauern bereits eine Minderheit, dominierten hier die Pachthöfe des Adels und der Kirche. In Östergötland sind um 1520 nur noch 11 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Besitz freier Bauern. Auf 35% des entsprechenden Landes saßen Adelsbauern, die Kirche eignete 43 %. Die Krone bezog hier Einkünfte von 11 %. Dagegen gab es in Nordland, ähnlich wie in Finnland, fast keine Adelshöfe und Kirchenländereien. Die Reformation brachte kaum Veränderungen im Verhältnis der freien Steuerbauern und der abhängigen Pachtbauern. Letztere lieferten ihre Naturalabgaben und Geldzahlungen nun vor allem an die Krone oder einzelne Adlige, selten belasteten Hofdienste die Bauern.

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Anders stellt sich die Lage der Bauern um 1650 dar. Damals besaß der Adel65 % des bebauten Landes in Schweden und 58 % in Finnland. Die Krone, die um 1560 Steuern und Naturalien von fast 80% aller Höfe des Reiches empfing, war nun auf Leistungen von 35% der landwirtschaftlich erschlossenen Fläche beschränkt, eine Tendenz, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann, als das Königtum adlige Leistungen in Verwaltung und Kriegsdienst mit Landverleihungen honorierte. Zwischen 1600 und 1650 wurde die sogenannte "Donationspolitik" das übliche Zahlungsmittel der Krone an den Adel und verdiente höhere, nichtadlige Beamte. Zunächst wurden die Kronenhöfe vergeben, später häufig auch die Steuer freier Steuerbauern. Dabei unterschieden die adligen Nutznießer nur ~elten zwischen Höfen, bei denen sie nur Eigentümer der Steuer waren, der Bauer Eigentümer des Hofes blieb und Adelshöfen, auf denen der Bauer nur als Pächter saß. Die finanziellen Schwierigkeiten der Krone bei Ende des Dreißigjährigen Krieges und die Günstlingswirtschaft einer hochadligen Vormundschaftsregierungnach 1632 bzw. der Königin Christinabedingten einen Höhepunkt in der Veräußerung der Domänen um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Waren im Mittelalter die Lehen in Schweden in der Regel nicht erblich gewesen, an eine bestimmte Funktion als territorialer Sachverwalter des Königs gebunden, so wurden nach 1560 umfangreiche Verleihungen mit der Vergabe des Freiherren- oder Grafentitel ausgesprochen, die erblich wurden und nun auch bedeutenden Landbesitz in Nordschweden und dem nördlichen Finnland einschlossen. Doch konnte auch im 17. Jahrhundert ein adliger Pachtbauer nach Zahlung seiner Schulden beim Grundherrn den Hof verlassen und sich andernorts niederlassen. Ebenso war der Adel keine festgeschlossene Gemeinschaft. So sanken verarmte Adlige in den Bauernstand ab, während die Nobilitierungen des 17. Jahrhunderts die Zahl der Adligen erheblich steigerte. Allein nach 1650 wuchs der Ritterstand um etwa 1450 Familien, vor allem Vertreter des reichen Bürgertums und besitzende Ausländer, die in frühkapitalistische Großunternehmen investierten. Andererseits gebot nur eine verhältnismäßig kleine Schicht des Adels, die Grafen und Freiherren - die sich scharf von der Mehrheit des niederen Adels abgrenzten- über die einflußreichen Ratsämter, entschied die Politik Schwedens. Und sie bestimmte zu ihren Gunsten, wohin die Steuergelder flossen, wie sich Schwedens Außenpolitik orientierte.

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Die Niederlage gegen die brandenburgischen Truppen bei Fehrbellin 1675 war ein erster sichtbarer Ausdruck der Folgen allgemeiner Mißwirtschaft einer hochadligen schwedischen Vormundschaftsregierung gewesen. Mangel herrschte überall. Es gab weder eine schlagkräftige Armee, noch war die Flotte einsatzbereit. Es fehlte an Waffen, Monturen, Proviant und vor allem an Geld. Die schwedische Krone war arm, die Staatskasse leer, die Domänen verpfändet oder vergeben. Der Versuch 1656, der Krone den notwendigen Güterbesitz Zurückzugewinnen, war nur ein kurzes Zwischenspiel gewesen. Nach 1660 hatten die Vormünder des minderjährigen Königs die Restaurierung der Macht des Hochadels begünstigt. Ja, die Herren wußten schon, was sie ihren Freunden und Verwandten schuldig waren. Von einer Rückgabe - der "Reduktion" - der Domänen war nun keine Rede mehr gewesen. Warum auch, man hatte über anderes zu sprechen. Beispielsweise darüber, ob man sich nicht wieder stärker Frankreich zuwenden sollte? Klingende Münze aus dem französischen Staatssäckel öffnete da manchem Mitglied des Reichsrates die Ohren. 1680 standen dann jene Reichsräte vor einem königlichen Gericht, die Schweden an der Seite Frankreichs in dessen Kriege hineingezogen hatten, für gutes französisches Geld, versteht sich. Die königlichen Vormünder hatten sich nämlich überreden lassen, Schwedens zahlreiche Grenzen durch eine, mit französischen Subsidien finanzierte schwedische Armee zu schützen. Und natürlich hatte mancher im Rat dem erst zugestimmt, als auch seine Börse etwas schwerer wog. Freilich, Schweden hatte lange, sehr lange Grenzen. Rund um die Ostsee mußte der Staat seine Eroberungen aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts verteidigen: Livland, Estland, Ingermanland, Karelien, auf deutschem Boden Teile Pommerns, die Herzogtümer Bremen und Verden, die Städte Wismar und Stettin. Nur in Kriegszeiten ernährte sich die schwedische Armee in Feindesland. Im Frieden war das benötigte große Heer nicht zu unterhalten. Jedenfalls nicht mit den bisherigen Mitteln und Methoden. Frankreichs Hilfe hatte sich für das Reich als teuer, allzu teuer bezahlt, erwiesen. Höchste Zeit also, wieder von anderem zu reden! So erhielten jene Sprecher auf dem Reichstag 1680 vor allem von den nichtadligen Ständevertretern lebhaften Beifall, die neuerlich eine "Reduktion" forderten. Schweden sollte nicht mehr von ausländischen

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Subsidien abhängen. Es sollte aus eigener finanzieller Kraft seine Probleme lösen. Allerdings, die friedensbewahrende Armee würde viel Geld kosten. Geld aber konnte die Krone im benötigten Umfang nur aus ihren ehemals so zahlreichen Gütern ziehen. Also mußte der König diesen Besitz zurückerhalten. Mit den Stimmen der steuerpflichtigen Stände - Priester, Bürger und Bauern- und einem Teil des niederen Adels im Ritterhaus wurde die Rückgabe der früheren Kronländereien durchgesetzt. Den Argumenten der um ihren Besitz bangenden Hocharistokraten hielten die Bauern auf dem Reichstag entgegen, daß "weder des Königs Autorität, des Vaterlandes Wohlfahrt und der Untertanen Freiheit lange währen könnten, wenn der Krone Güter und Höfe mit all ihrem Einkommen, die fest und stetig sind", privatem Nutzen dienten. Vor allem hätten die Herren im Reichsrat "gegen alles natürliche Recht und Billigkeit der Krone Güter", 10 wogegen die Stände schon von jeher "Einspruch erhoben" hätten. Nein, freundlich war das wirklich nicht, was sich die Herren Reichsräte und manche ihrer Freunde hier anhören mußten. Einwände und Proteste halfen da wenig. Mehr als die Hälfte der Besitzungen des Hochadels kamen so an die Krone zurück. Gleichzeitig wurde die Stellung der steuerpflichtigen Bauern gesichert, ihre Mehrheit dem Zugriff des Adels entzogen. Ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Sanierung und Stärkung des schwedischen Königtums. Die Bestimmungen über die "Reduktion" hatte der Reichstag 1680 noch durch das Gesetz über die "Einteilungen" ergänzt. Schon zu Beginn der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts entwickelte sich eine Heeresorganisation, die auf eine Art Landwehr aufbaute. Kriegserfahrene Adlige wurden für die einzelnen Regionen ausgewählt, hier kampfgeübte ehemalige Soldaten unter den Bauern und Knechten zu sammeln, mit ihnen stets verfügbare Landschaftskontingente, ähnlich der Schweizer und deutschen Landsknechtsfähnlein, aufzustellen. Jene "Knechte" lebten in Friedenszeiten auf den Bauernhöfen, erhielten aber ein bestimmtes jährliches Entgelt und wurden nur im Kriegsfall aufgeboten. 1536 wurde eine Verfügung erlassen, auf ähnliche Weise die Reiterei zu organisieren. Adlige, Bürger und vermögende Bauern wurden aufgerufen, Reiter auszurüsten, gegen bestimmte Freiheiten deren Verpflegung und Entlohnung zu übernehmen.

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Der Reichstag zu Västeras 1544 bekräftigte diese Heeresorganisation. In den folgenden Jahrzehnten regelten weitere Bestimmungen die Größe der Fähnlein der "Landsknechte" und "Landesreiter". Die Kampfkraft dieser Truppen war jedoch relativ gering, in Kriegszeiten wurde das Aufgebot durch geworbene Söldnerverbände ergänzt. Neue Anordnungen zu "Ausschreibungen" in den einzelnen Regionen Schwedens zu Beginn des 17. Jahrhunderts fixierten Zahlen für die einzelnen Kirchspiele, legten fest, daß vor allem Knechte, Häusler und Kleinbauern ausgewählt, die größeren Bauern nicht rekrutiert werden dudten. Die Kosten für die Krone beliefen sich nach 1620 auf 1,2Millionen Taler jährlich und belasteten die königliche Kammer, ständige Steuerausschreibungen waren die Folge. Erst durch die "Reduktion" gewann die Krone ein tragendes Fundament für ihre Organisation eines stehendes Heeres. Jeder schwedischen und finnischen Landschaft wurde 1680 auferlegt, Soldaten für die königliche Armee zu rekrutieren und zu versorgen. Zwölfhundert Soldaten zählte ein solches Landschaftsregiment im Schnitt. Die Bauern der entsprechenden Region waren verpflichtet, innerhalb ihres Rekrutierungsbezirks eine bestimmte Anzahl dieser Soldaten in Friedenszeiten durch ihre Arbeit zu unterhalten, deren Einsatzbereitschaft zu gewährleisten. Der Soldat saß - einer "Rotte" von Bauern zugeteilt - auf einem eigenen kleinen "Soldatenhof", oft nur eine Hütte, doch erhielt er einige Taler Sold jährlich von den Bauern, einen schmalen Ackerstreifen, etwas Garten und zwei Fuder Heu zugewiesen. An bestimmten Stellplätzen wurden die Regimentsmonturen aufbewahrt. Etwa im Alter von 45 Jahren wurden die Soldaten durch neue Rekruten abgelöst, die auf die gleiche Weise im entsprechenden Armeebezirk gestellt wurden. Dieses "Einteilungswerk" war größtenteils aus der Reduktion der adligen Bodenanteile der Krone geschaffen worden. Die Armee finanzierte sich solcher Art selbst in Friedenszeiten im Lande. Offiziere und Soldaten waren "Militärs" nur während der Manöverübungen und im Kriege. Dann wußten sie ihr Eigentum in guter Obhut ihrer "Gruppenbauern". Die Kavalleristen wie auch die Offiziere kamen gewöhnlich von einem sogenannten "Sattelgut". In verschiedenen Größen und Qualitäten geschaffene Amtsgüter waren der materielle Rückhalt der Offiziere

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verschiedenster Dienstgrade, der Korporale und Reiter. Sogenannte "rusthallare" -Besitzer eines Reiterhofes- hatten gegen Befreiung von den Steuern die Ausrüstung und den Unterhalt eines Kavalleristen übernommen. Eine solche Armee benötigte längere Zeit für die Mobilmachung als die üblichen stehenden Heere anderer europäischer Staaten. Aber einmal gesammelt und in Marsch gesetzt, war der Bestand dieser Armee weitaus weniger gefährdet durch Desertationen. Und die Generäle sorgten durch ständige Inspektionen dafür, daß sich Soldaten und Offiziere auch wirklich als Krieger übten und zum schlagkräftigen Heer zusammenwuchsen. Im schwedischen Kernland standen so gegen Ende des 17.Jahrhunderts neben einigen geworbenen Regimentern 18 000 "eingeteilte" Infanteristen und 8 000 Kavalleristen, in Finnland mehr als 7 000 Fußsoldaten und 3 000 Reiter zur Verfügung. Daneben war eine Flotte mit 7 200 Seeleuten in Schweden und Finnland geschaffen worden. Detaillierte Aufmarschpläne mit exakten Festlegungen über Marschziele, Quartiere und Einschiffungshäfen garantierten eine auch jenseits der Ostsee schnell verfügbare Armee. Die Frage, warum Bürger und Bauern das Königtum in Schweden um 1680 so massiv unterstützten, hat seit dem vorigen Jahrhundert die Historiker immer wieder beschäftigt. Die Kanonen der Waffenschmieden des in Schweden nobilitierten "Kanonenkönigs" Louis de Geer aus den Niederlanden wurden früh auf den europäischen Schlachtfeldern zum Symbol einer neuen Zeit in Schweden, rückten das Land aus dem Schatten seiner peripheren Lage plötzlich ins Licht europäischer Politik, erfüllten die Ankündigungen des Olaus Magnus. Schwedens Könige waren alles andere als belächelnswerte "Schneekönige" aus fernen unbedeutenden Regionen. Hervorragend gerüstete Armeen begründeten den Großmachtanspruch dieses skandinavischen Staates, vergangen der Ruf Dänemarks als erste nordische Macht. Schwedisches Eisen, Kupfer, Holz und Teer wurden geschätzte Produkte überall in Europa. Sicher ist es selbst der Mehrheit der gebildeten Zeitgenossen kaum bewußt geworden, daß mit dem Entstehen großer zentralisierter Manufakturen im Bergbau, Hüttenwesen und Textilgewerbe die frühkapitalistische Ära auch in Schweden begonnen hatte, zu dominierend waren die Waffenerfolge, wurden die Grenzen des Reiches vor allem durch

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Krieg und Diplomatie verändert, siegten die berühmten alten Geschlechter des Hochadels als Feldherren und Generäle auf den Schlachtfeldern Europas, brachten die Offiziere und Soldaten umfangreiche Beute ins Land, wuchsen an der Stelle kärglicher Holzhäuser des Adels steinerne Paläste des Hochadels und Gutshäuser des kleinen grundbesitzenden Adels. Und doch waren mit den sogenannten "brukspatroner"- den Hüttenbesitzern- und dem "skepsbroadel- den Großkaufleuten- vor allem in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Unternehmer gewachsen, die auf neue Weise produzierten und handelten. Das an den Schiffsbrücken Stockholms lebende reiche Handelsbürgertum, häufig geadelt, noch öfter aber einem neuen Adel auch materiell und geistig verbunden, verfügte über bedeutende Kapitalien. Gemeinsam mit zahlreichen ausländischen Unternehmern, aber auch mit weitsichtigen Vertretern des Hochadels investierten sie in Berg- und Hüttenwerke, beherrschten bald den europäischen Eisen- und Kupfermarkt. Schwedens Heere wurden hier ausgerüstet und später- mit der beginnenden Uniformierung - auch eingekleidet. Sie alle, ob Hüttenbesitzer oder Textilunternehmer, benötigten viele kleine Warenproduzenten in den wachsenden Städten und Kirchspielen des Landes. Eine Armee von Spinnern, Wehern, Holzknechten, Schmieden und Gießern wurde gebraucht, vieles für die - selbstverständlich zahlenmäßig noch immer wenigen - Manufakturen wurde unter den Dächern der bäuerlichen Hütten vorgefertigt. Es war ein einflußreiches Unternehmertum in den Eisen- und Kupferhütten, den privaten Waffenschmieden und ersten großen Textilmanufakturen, nicht mehr auszusparen in den politischen Kalkulationen derjenigen, die Schwedens Geschicke lenkten. Gedeih und Blüte des Landes waren unlösbar mit dessen Entwicklung verbunden, ihm mußte man Wege weisen, Schutz auf ausländischen Märkten garantieren. Der Reichstag 1686 beschloß die Begünstigung der einheimischen Manufakturen. Auch in der schwedischen Staatskanzlei, unter den Reichstagsabgeordneten und in der Umgebung des Königs fanden sich viele Bewunderer der englischen und holländischen Wirtschaftsentwicklung. Wie die dortigen Ökonomen strebten auch Schwedens Wirtschaftsfachleute nach einer positiven Handelsbilanz im Ex- und Import des Landes.

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Die Sache schien ja auch relativ einfach, mußte man doch nur die Ein- und Ausfuhrlisten der Zollstationen miteinander vergleichen. Hatten die Kaufleute mehr schwedische Produkte im Ausland abgesetzt als Waren aus Holland, England, Deutschland, dem Osten und Süden Europas ins Land gebracht, dann hatte das Land gewonnen, würde die Geldsumme in Schweden wachsen. Das schien so überzeugend, daß man das einfachen verstehen mußte. Wer da seinerseits alte Privilegien hervorsuchte, diese Entwicklung aufhalten wollte, den Kopf hochreckte, der mußte gebeugt werden. So leitete auch in Schweden der Absolutismus eine neue Entwicklung der Feudalordnung ein. Alte ständische Rechte galten nicht mehr, mancher Freiherr und Graf mußte sich unterordnen, sich auf seine Güter zurückziehen und auf den Ruf des Königs warten. Dort allerdings änderte sich nichts oder doch nur wenig, sieht man von dem selbstverständlich schmerzenden Verlust so vieler schöner Dörfer und Güter ab, ein Eingriff, den man nur zähneknirschend hinnahm. Erste Bestrebungen zur Erweiterung der Königsmacht gegenüber Reichsrat und Ständen lassen sich bereits vor 1550 nachweisen, vorübergehenden frühabsolutistischen Tendenzen folgten Perioden neuerlicher Triumphe des Hochadels. Erst nach 1680 können für Schweden stabile absolutistische Herrschaftsformen konstatiert werden. Der Skandinavien-Historiker Kan betont, daß die Entstehung des Absolutismus in Schweden "den ökonomischen und politischen Positionen der Feudalaristokratie einen harten Schlag versetzte", jedoch die Herrschaft des privilegierten Grundbesitzeradels insgesamt nicht erschütterte. Doch nahm Schwedens Gesellschaft nun eine ähnliche Entwicklung wie England in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor der Revolution. Auch dort bildete sich allmählich ein neuer Adel neben dem alten FeudaladeL Von nun an stiegen einerseits schneller Angehörige des Bürgertums in den Adelsstand auf, beschleunigte sich andererseits die Verbürgerlichung des Adels. Gleichzeitig begann eine Entwicklung, die jedoch erst nach dem Ende der Herrschaft Karls XII., dem Zusammenbruch des schwedischen Absolutismus, zum beschleunigten Wachstum frühkapitalistischer Formen führte. Der schwedische Absolutismus bewahrte die Bauern vor der drohenden Versklavung analog zur ostelbischen und baltischen Leibeigenschaft. Die Krone benötigte Steuerzahler und Soldaten für die Großmachtpolitik. Das aber lag auch im Interesse des gerade politisch ent-

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machteten schwedischen Feudaladels. Dieser war durch die bisherigen Eroberungen zu Reichtum und Landbesitz in Deutschland, dem Baltikum und Polen gelangt und versprach sich von einer Unterordnung unter das absolutistische Regime neue Eroberungen. So setzte sich die Krone auch mit dem Konsens der Mehrheit des Ritterhauses über die Interessen einzelner Aristokraten hinweg. Das Bürgertum in der Ständevertretung - dem Reichstag - unterstützte die Entwicklung absolutistischer Herrschaftsformen auf der Basis der "Reduktion" ebenso entschieden wie die Bauern. Es versprach sich Steuererleichterungen, wenn die Krone das Heer und sonstige Ausgaben aus den gestiegenen Einkünften der Domänen finanzieren konnte, erwartete außenpolitische Unterstützung durch eine starke Flotte und eine aktive Handelspolitik eines souveränen Königtums ebenso wie Privilegien zur weiteren Entwicklung ihrer Manufakturen, und die Sicherung des Binnenmarktes gegen Konkurrenz aus Deutschland, England und Frankreich. Allerdings wurde von den nichtadligen Ständen auch in Schweden im 17. Jahrhundert die Stellung des Adels, die Dominanz hochadliger Repräsentanten in den zentralen Behörden und im Rat nicht angezweifelt. Schweden blieb ein feudaler Staat in der hier behandelten Periode, der Zeit von Gustav Vasa bis zu Karl XII.

Gustav Vasa - Einiger Schwedens Gustav Erikssons Weg von Dalarna auf Schwedens Thron Es war um die Mittagsstunde des 7. November 1520, als die Torwachen plötzlich die schweren Türen versperrten, die Brücken über den Wallgräben hochzogen, "gerade zu der Zeit, da alle am lustigsten waren", 1 wie sich Gäste der Krönungsfeierlichkeiten im Stockholmer Schloß später erinnerten. Schon drei Tage hatte man den neuen schwedischen König, den Dänen Christian li., Herrscher über die drei skandinavischen Reiche, bei Musik und Tanz, Fleisch, Bier und Wein eifrig hochleben lassen, genoß selbst in vollen Zügen die im Überfluß bereitgestellten Köstlichkeiten der Schloßküche und Keller. Die Damen und Herren vom schwedischen und dänischen Hochadel, die Bischöfe und Domherren, niedere Geistliche und zahllose Herren vom Adel, Stockholms Rat mit seinen drei Bürgermeistern, viele vermögende Kaufleute der schwedischen Hauptstadt, sie alle waren versammelt, glaubten Grund zur Fröhlichkeit zu haben. Endlich schien doch ein dauerhafter Friede sicher, sollten die jahrelangen Kämpfe um die schwedische Krone beendet sein.

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Mehrfach in den letzten Jahren hatte König Christian II. von Dänemark und Norwegen seine Söldnerheere nach Schweden geführt, Stockholm belagert, seinen Anspruch auf die Herrschaft über Schweden für jedermann spürbar verkündet. Möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß nicht wenige unter den Festgästen an den langen Tafeln noch immer den Tod ihres fähigen Reichsverwesers und Heerführers Sten Sture beklagten, es keineswegs laut verkündeten, aber wohl doch im Geheimen die dänischen Herren ungern in Stockholm sahen, selbst die Macht ausüben wollten in diesem weitausgedehnten nordischen Land. König Christian li. wußte von solchen Bestrebungen. Hatten die Herren vom schwedischen Hochadel ihn doch vor der Krönung versichern lassen, er würde ihre alten Rechte achten, die Machtbefugnisse, die Sten Sture erzwingen konnte, wieder beschränken. Er, der Dänenherrscher, sollte nur mit ihrer Zustimmung Gesetze im Lande erlassen, Steuern ausschreiben dürfen. Christian II. hatte wohl verstanden, was die "Überläufer" aus der Sture-Partei von ihm erwarteten. Nur widerwillig hatte er den "Versicherungsbrief" unterzeichnet, eine allgemeine Amnestie verkündet ... Das "Spiel" war erfolgreich gewesen, nun mischte er die "Karten" neu, saßen die trotzigen Herren Schweden an seinem Tisch. Oh ja, König Christian wußte schon, was er nun tun würde, was geschehen mußte ... Schon am 4. November hatten sie ihm, dem neuen Herren über Stockholm und die anderen festen Schlösser und Plätze des Landes als "Erbkönig" huldigen müssen. Das aber war ein deutlicher Bruch der Vereinbarungen mit dem schwedischen Hochadel, widersprach den alten Gesetzen Schwedens, knüpfte da an, wo wohl auch Sten Sture hinsteuerte, räumte dem neuen König sogar größere Souveränitätsrechte ein, als sie der tote Reichsverweser Sture besessen hatte. Christian li. konnte nicht zweifeln, daß er schon bald nach den Feierlichkeiten mit der heftigen Opposition des hohen schwedischen Adels rechnen mußte. Er war deshalb entschlossen, schnell und kompromißlos zu handeln. Schwüre und Versprechungen galten da wenig. Und es eröffneten sich Möglichkeiten, die sofort genutzt werden sollten. So jedenfalls glaubten es König Christian II. und einige seiner Berater ... Seinerzeit hatte Sten Sture das Recht behauptet, im Interesse Schwedens über die Gelder der Kirche und ihre festen Burgen verfügen zu dürfen. Erzbischof Gustav Eriksson Trolle, der erbitterte Gegner des

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Reichsverwesers und Verteidiger der klerikalen Machtfülle, war gestürzt worden, außer Landes gejagt, ein ungeheuerlicher Vorgang auch in den Augen des Papstes. Eine Bannbulle drohte dem "Ketzer" Sten Sture und seinen Gefolgsleuten seit September 1519, ermöglichte es Christian II., als "Exekutor" das "allerchristlichste Urteil" des römischen Stuhls zu vollstrecken. Der Vorwurf der Ketzerei, so verstand es der König, konnte der Schlüssel sein, sollte die Trumpfkarte im "neuen Spiel" werden. Konnte man gegen den in der Schlacht auf dem Eis bei Asund am 20. Januar 1520 tödlich verwundeten und auf der Flucht am 3. Februar verschiedenen Sten Sture auch nichts mehr erwirken, seine Anhänger waren solcherart schnell und entschieden zu treffen ... Noch am Nachmittag dieses 7. November ließ Christian II. alle Gäste in den großen Schloßsaal treiben. Selbst demonstrativ auf dem "Richterstuhl" sitzend, übertrug der Herrscher dem DomherrenJon aus Uppsala dieVerlesungder Anklageschrift ErzbischofTrolles gegen den "toten Ketzer" Sten Sture und einige seiner Anhänger einschließlich der Stockholmer Bürgerrepräsentanten. Das Argument der Angeklagten, man habe den Erzbischof 1517 legal abgesetzt und seine Burg genommen, wurde von "Meister Jon" als überzeugender Beweis antichristlicher Verschwörung und allgemeiner Ketzerei beklagt. Alle Unterzeichner des "Verschwörerbriefes" wurden gefangengesetzt, die Verhandlungen auf den folgenden Tag anberaumt. Um ganz sicher zu gehen, ließen Christians II. Vertraute auch alle übrigen Gäste auf dem Schloß festgehalten. Am nächsten Morgen sprachen die geistlichen Richter die Angeklagten der "offensichtlichen Ketzerei gegen die römische Kirche" schuldig, fanden harte Worte gegen die Sture-Gefolgsleute. Alle wären in ihrem "unchristlichen Verbund" der augenscheinlichen Ketzerei verfallen, ein Urteil, das Christian II. die gewünschten Möglichkeiten eröffnete. Der König handelte sofort, vergessen war das Amnestieversprechen, schützte - welche Ironie - ohnehin nur jene, die ihre Waffen gegen Christian II. erhoben hatten, galt nicht für die Gegner des Erzbischofs, die "Ketzer". Wer denn als "Ketzer" schuldig geworden war, wer "nur" gegen den Monarchen gehandelt hatte, das bestimmte nun Christian II. selbst! Im übrigen waren es ja doch die gleichen Namen. Herolde wurden ausgesandt und verkündeten in Stockholms Straßen und Gassen

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bei Trommelwirbel und Hörnerklang, "daß niemand sein Haus verlassen, sondern alle da bleiben sollten, wo sie waren". 2 Der Hauptmarkt in Stockholm wurde durch eine große Streitmacht dänischer Söldner gesperrt, als erste Opfer die angeklagten Bischöfe Matthias von Strängnäs und Vincent von Skara zur Richtstätte geführt. In seinen Erinnerungen berichtete der Henker Jürgen Homuth, Bischof Vincent habe ihn nach Neuigkeiten befragt, als er ihn holte. Es seien nicht gerade gute, so habe er dem Geistlichen geantwortet. "Euer Gnaden mögen mir verzeihen, es ist mir befohlen worden, Euer Gnaden den Kopf abzuschlagen." 3 Um die Mittagszeit, so berichtete ein anderer Zeitgenosse, Schwedens Reformator Olaus Petri, wurden beide Würdenträger und weitere Angeklagte auf dem Schafott hingerichtet. Einige königliche dänische Räte beaufsichtigten das Blutgericht. Einer von ihnen beschuldigte die Opfer des Hochverrats, verkündete mit lauter Stimme, diese Verbrecher hätten ihre Strafe verdient, eine Provokation, die Bischof Vincent nicht schweigend hinnahm. Zornig entgegnete er, auch laut genug, um von vielen gehört zu werden, es sei der König, der mit Lüge und Verrat Schweden erobert habe, Gott würde diese Gewalt und dasUnrecht rächen. Worte, denen bald Taten folgen sollten, zu hoch war der Blutzoll der Schweden an diesem Nachmittag, zu früh hatte Christian II. alle Trümpfe ausgespielt. Unter den 82 Opfern, die Henker Hochmuth selbst zählte, waren viele gewesen, die gar nicht in der Anklageschrift des Erzbischofs verzeichnet waren, von Meister Jon nie benannt wurden. 32 Bürger Stockholms, mit den drei Bürgermeistern an der Spitze, starben an diesem Nachmittag ebenfalls, unter ihnen zahlreiche deutsche Kaufherren. Selbst einige Diener und ein Bauer, Gottfrid Carlsson, der als Freund und Vertrauter Sten Stures galt, "der erste politisch hervortretende Bauer" in der schwedischen Geschichte, 4 wie es die schwedische Historiographie unterstreicht, endeten in diesen Stunden auf dem Richtklotz. Es sei "ein erbärmlicher und jämmerlicher Anblick" gewesen, "Blut mit Wasser und Dreck" vermischt, sei durch die Rinnsteine vom Markt in die Gassen geflossen. "Ja, das war ein gräßlicher und unbarmherziger Mord," berichtete Olaus Petri. 5 Bis zum Sonnabend, dem 10. November, lagen die toten Körper auf dem Markt, dann wurden vor den Toren der Stadt, auf der Insel Södermalm, Scheiterhaufen aufgeschichtet, die Leichname gestapelt, die verwesten Reste Sten Stures und seines früher verstorbenen kleinen Sohnes aus dem Grab im Schwarzbrüderkloster Stockholms geholt und auf

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den Scheiterhaufen geworfen, eine weitere "Ketzerleiche" ausgebuddelt und mitverbrannt ... Vernichtet waren, so glaubte Christian Il., die Gegner. Im übrigen, und das war ja nun auch nicht unvorteilhaft, zog er die Güter der hingerichteten Ketzer ein, handelte so rechtens, meinte solcherart doppelten Nutzen gewonnen. Beruhigt reiste er wenige Tage nach dem Blutbad heim nach Dänemark, ließ in Vadstena und J önköping weitere Köpfe rollen. Die gesamte Opposition schien vernichtet, und wer da noch seinen Kopf auf den Schultern trug, der war doch kopflos gemacht. König Christian glaubte, sehr zufrieden sein zu können, er irrte gewaltig. Schnell brachen in diesen Wochen an mehreren Orten Aufstände aus. Damals, da der Schreck die Schweden überall im Lande lähmte, härte auch ein junger Mann aus dem schwedischen Hochadel die furchtbaren Neuigkeiten auf dem Familiengut Rävnäs nahe Mariefred am Mälaren, dem langgestreckten See vor den Toren Stockholms. Bestürzt vernahm Gustav Eriksson Vasa, daß sein Vater Erik Johansson und Schwager Joakim Brahe auf dem hauptstädtischen Markt ermordet, die Großmutter, seine Mutter, zwei Schwestern und seine Tante, Christina Gyllenstierna, die Witwe Sten Stures, von Christian II. gefangengesetzt, die Besitzungen der Familie eingezogen waren, dänische Häscher auch ihn jagten. Für den jungen Vasa gab es keine Wahl. Er mußte kämpfen oder als mittelloser Fremdling das Land schleunigst verlassen. Der letzte Vasa entschloß sich zum Widerstand, verließ in den letzten Novembertagen Rävnäs und floh nach Dalarna, einer Landschaft nördlich Stockholms, die Bauern und Bergleuten Heimat war, deren Freiheitswille, Mut und Kampfkraft schon mehrfach die Geschichte Schwedens beeinflußt hatte, wo Vasa auf Hilfe gegen Christian Il. hoffen konnte. Manches bleibt unsicher um die ersten Lebensjahre Gustav Eriksson Vasas. Man nahm es nicht sehr genau mit der Registratur von Ort und Zeit Neugeborener in Schweden in diesen Jahren, selbst nicht einmal in Hochadelskreisen. Kinder kamen und gingen, viele überlebten die ersten Wochen nicht. Es scheint aber doch gewiß, daß Cecilia Mansdotter auf Eka, die Gemahlin des Reichsrates Erik Johansson Vasa, am 12. Mai 1496 auf dem Gut Lindholm in Uppland von einem Knaben entbunden wurde, den die Eltern Gustav nannten. Genaueres weiß man schon über die Kinder- und Jugendjahre des jungen Vasas. Auf den Besitzungen des Vaters, Rydboholm nahe Uppsalas, spielte der Junge, lernte Lesen und Schreiben bei gelegentlichen Aufenthalten in Uppsala,

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einer Beschäftigung, der Gustav Vasa mit wenig Begeisterung nachlebte. Umso erleichterter folgte der junge Mann der Forderung Sten Stures 1512 an den Hof, wuchs in das Hofleben, vergaß jedochnie die Eindrükke aus dem väterlichen Gutsmilieu. War der Vater alles andere als ein Politiker, Reichsrat nur durch die hohe Geburt, so hatte er doch seinem Erben Erfahrungen in der Kontrolle der Vögte und Verwalter vermittelt, dessen ausschließliches Vertrauen in die eigene Kraft gefördert, Mißtrauen gegen jedermann eingeflößt, ein Zug, der durch die Ereignisse des Stockholmer Blutbades noch ausgeprägter wurde. Als Christian II. im Herbst 1518 vorübergehend nach Dänemark segelte, ein Waffenstilistand Stockholm und Sten Sture eine nötige Atempause einräumte, waren mehrere Geiseln aus dem schwedischen Hochadel an Bord der dänischen Kogge. Gustav Eriksson Vasa war einer der Mitgesandten. Im September folgenden Jahres war er als Ochsentreiber verkleidet, von Dänemark nach Lübeck geflohen. Seine dänischen Gegner sollten ihn später, wohl auch ein wenig hilflos, als "König Kuharsch" verhöhnen. Ändern konnten sie es zweifellos nicht, daß aus dem Lübecker Ochsenkutscher ein Herrscher gewachsen war, Herr über ein großes Land, um dessen Kühe und Ochsen -und nicht nur um sie, eben jene spottenden Dänen noch mehrfach kämpfen sollten. Daß ihn der Hohn trotzdem empfindlich traf, zeigte König Gustav I. Vasa 1543, als er einen Kalmarer Bürger hinrichten ließ, der den Landesherren auf einem Fest "Gustav Korumpa"- nun ja, eben ganz "dänisch" -als "Kuharsch" bezeichnete ... Vorerst aber, in den letzten Tagen des Jahres 1520, war Gustav Vasa noch auf ganz andere Verkleidungen und Hilfeleistungen der Bauern und kleinen Adligen Dalarnas angewiesen, verfügte über keine Machtmittel, Spottlustige zu bestrafen, konnte kaum das eigene Leben schützen. Die Legenden um Gustav Vasas Abenteuer in Dalarna im schwedischen Volk sind Legion. Kaum ein Ereignis der skandinavischen Geschichte ist derart breit und in zahlreichen Variationen berichtet worden. Gustav I. Vasa, schon auf dem schwedischen Thron, hat sehr bewußt an seinem eigenen Bild für die Nachwelt geformt, alles darangesetzt, daß seine Herrschaft möglichst licht in die schwedische Überlieferung hineinwachsen sollte, künftige Geschichtsschreiber nur Gutes von ihm berichten konnten.

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Die moderne schwedische Historiographie charakterisiert seine entsprechenden Weisungen treffend als Versuche, "sich mit Vorliebe als der patriarchalische bäuerliche Hausvater, als Landesvater darzustellen, der in allem für das Beste seines Volkes sorgte". Auch erinnerte Vasa beständig in allen Proklamationen an seine "Befreiungstaten" gegen den"Tyrannen Kristian" und die "verräterischen" katholischen Bischöfe. Immer war er, wie die Autoren der Nationalgeschichte Schwedens ironisch vermerken, "der große Freiheitsheld". Als König Gustav I. Vasa zu Beginn der vierziger Jahre hörte, daß Olaus Petri an einer Chronik Schwedens schrieb, sandte er dem Reformator Weisungen, wie dieser die Landesgeschichte zu schreiben hätte. Die Chronik müsse die Geschichtsereignisse spiegeln, "die Uns zukommen und Uns berühren", ließ er seinen einstigen Kanzler und Prediger an Stockholms Hauptkirche wissen. Vasa betonte, daß sich wiederfinden müsse, "welchen großen und urkomischen Gefahren Wir bis zur Herrschaft begegnen mußten". 6 Auch soll Gustav I. dem Reformator ein Inhaltsverzeichnis zugesandt haben, das jedoch verlorenging. Als Gustav I. Vasa die Chronik nach Petris Tod 1552 lesen konnte, sah er sich durch den Reformator getäuscht. Das ihm vorliegende Manuskript schloß mit dem Stockholmer Blutbad, sparte alle Glorifizierung seiner Regentschaft aus. Es "tauge nicht viel", 7 urteilte der verärgerte Monarch. Gustav I. Vasa las die vorliegenden Abschnitte mit ihrer Kritik an "den christlichen Herren und Fürsten, die in der Vorzeit ungestraft das Reich regiert hatten", als Spruch Petris über die eigene Herrschaftsperiode. So ließ er beständig nach einer Fortsetzung der Chronik über die eigene Zeit suchen, in der nicht alles für ihn "zur besten Meinung entziffert" würde, 8 wie er vermutete. Deshalb verfügte Vasa schließlich auch, daß alle Abschriften der Chronik eingezogen und verbrannt werden sollten. Erst 1818 konnte das Gesamtmanuskript Olaus Petris gedruckt werden. Seinerzeit hatte sich Gustav I. Vasa in dem Bischof von Västeras, Peder Swart, einen geeigneten Chronisten gesucht, einen Schönschreiber, der willfährig den Wünschen des Herrscher entsprach, die Selbstdarstellung Vasas notierte, hin und wieder auch das Urkundenmaterial der Königlichen Kanzlei nutzte, im allgemeinen dem König aufmerksam zuhörte und schrieb, ganz in jenem Sinne, wie es Gustav I. erwartete. Er dürfte sehr zufrieden gewesen sein, der alternde Vasa, nach den Enttäuschungen mit der Petri-Chronik, noch kurz vor seinem Tode eine der rasch fertiggestellten Versionen "seiner" Taten und Kriege

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lesen zu dürfen, sich so entdecken zu können, wie er sich denn sehen wollte, und wie ihn die anderen sehen sollten! Vermudich hat erst die Volksüberlieferung die Abenteuer Gustav Vasas in Dalarna ausgeschmückt, erzählte man sich später in den Hütten und Gutshäusern jene zahllosen Geschichten von den wiederholten wundersamen Rettungen des jungen Vasas, immer wiederkehrenden Motiven spontaner Hilfsaktionen einzelner Bauern und kleiner Adliger, fabulierte von dänischen Häschern, die dem Flüchtling dicht auf den Fersen folgten, ihn jeweils nur durch einen glücklichen Zufall und die hingebungsvolle Treue der "Dalkerle" nicht entdeckten ... Aus dem Munde des Herrschers erfuhr Peder Swart die in Schweden als verbürgt geltende Geschichte der Flucht Gustav Vasas zu dem Schulfreund Anders Pederson in Rankhyttan, einem niederen Adligen, der den als Bauern verkleideten Vasa vor den Verfolgern verbarg, eine Tat, die Gustav I. Vasa später mit dem Todesurteil vergalt, als Pederson gegen allzu weite Herrscherrechte des Königs rebellierte. Damals, als ein Mädchen dem Pederson erzählte, so berichtete es Peder Swart, sie habe unter dem Bauernrock einen goldbestickten Hemdkragen gesehen, war Vasa auch in Rankhyttan gefährdet. Mag sein, daß beide, der hochadlige Flüchtling und Anders Pederson, den schwedischen Frauen und Mädchen tatsächlich wenig Verschwiegenheit zutrauten, der Chronist suggerierte diese Folgerung, möglich auch, daß noch weitere Gefahren für Gustav Vasa auf Rankhyttan erwuchsen, jedenfalls floh der junge Mann weiter nach Ornäs an den Runnsee zu Arent Persson, auf einen Hof, der noch heute pietätvoll von den schwedischen Heimatforschern erhalten wird. Peder Swart vermeldete in seiner Chronik, Persson habe Vasa sofort an die Dänen verraten. Doch habe die Hausfrau den Gehetzten gewarnt, ihm ein Pferd satteln lassen, Vasa durch einen Knecht weiter zu Herrn Jon auf Svärdsjö führen lassen. Ein königliches Manifest aus dem Jahre 1547 verkündete, Christians Il. Männer hätten damals überall nach dem jungen Vasa gesucht, "der deshalb oft nahe daran war, in ihre Hände zu fallen". Besonders berühmt ist die Geschichte, nach der Vasa auf einem Wagen unter Strohbündeln verborgen lag, die dänischen Soldknechte mit ihren Piken und Degen in die Strohballen stießen, der Flüchtling verletzt wurde, das Blut tropfte. Der Kronjäger Sven, der das Gespann lenkte- so berichtete es ein Sammler der Vasa-Legenden, ein Student aus U ppsala Ende des 17. Jahrhunderts nach einer Dalarnareise -, habe

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sein Pferd geistesgegenwärtig am Bein verletzt und den Dänen damit die Blutspur erklärt. Wahrscheinlicher klingt die Sage von der "Schelte" der Haushälterin des Priesters Jon auf Svärdsjö. Auch sie habe in Vasa unter der Bauernkutte sofort den "Edlen" entdeckt. Als die Söldner in die Stube trampelten, habe sie den anwesenden Vasa als Faulpelz beschimpft, den "Knecht" demonstrativ geohrfeigt ... ja, es sind in der Tat unzählige Geschichten vor allem im 18. Jahrhundert aufgezeichnet worden. Als gesichert gilt die Episode auf dem Kirchhof von Mora an einem der Weihnachtstage. Dort sprach Gustav Vasa zu den versammelten Dalarnabauern des Kirchspiels. Viel ist berichtet worden über die ungewöhnliche Begabung des Königs als mitreißender Volksredner, nicht wenige seiner Briefe und erhaltenen Reichtagsreden lesen sich auch wirklich so. Hier in Mora aber, in diesen letzten Dezembertagen 1520, zündeten seine Worte nicht. Die Bauern hörten schweigend den Aufruf zum bewaffneten Widerstand, blieben unschlüssig ... Ein enttäuschter, hoffnungsloser Gustav Vasa hastete weiter, "an irgend einen sicheren Ort", 9 wie ihm die Dalarnabauern laut Swarts Chronik es empfohlen hätten. Doch sei ein entschlossener kampferprobter Schwede, Lars Olufsson, auf die Nachricht von der Anwesenheit Vasas nach Mora geeilt, habe die Illusionen der Dalarnabauern über den "Bauernkönig" Christian zerstört, den Anmarsch dänischer Strafexpeditionen berichtet und versichert, auf jedem größeren Hof der Kirchspiele würden Galgen errichtet werden, er wüßte es sicher. Dann sei noch ein zweiter bekannter Flüchtling eingetroffen und habe über das Blutbad in Stockholm berichtet und die Warnungen Olufssons bestätigt. Erregt hörten die Bauern die Nachrichten über die Leichenschändung Sten Stures, verstanden die Bedeutung der dänischen Forderung auf Ablieferung ihrer Waffen. Ein letzteres tat noch die Ankündigung hoher Steuern ... Von dem Gehörten überzeugt, sandten sie ihre besten Skiläufer dem Gejagten nach, ihn "wieder zurück" zu holen. "Sie fanden ihn oben im Lima-Kirchspiel. Und er wandte sich sofort mit ihnen zurück," vermerkt die Chronik. 10 Noch heute findet alljährlich der berühmte Vasa-Lauf von Sälen nach Mora statt, einer Distanz von fast 86 Kilometern, 1922 erstmalig gestartet, einer Strecke, die Gustav Vasa angeblich mit seinen Begleitern zurücklegte, ein Lauf, der Geschichte bedeutete,

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in dessen Folge die Bauern Dalarnas unter Vasas Kommando den Krieg gegen die dänischen Unterdrücker begannen. Im Januar 1521 wählten Bauern und A~lige Dalarnas Gustav Vasa zu ihrem Hauptmann. Christians II. Statthalter in Stockholm, Didrik Slagheck, konnte nur geringe Streitkräfte gegen die Aufständischen sammeln und unterlag bei Brunbäcks Fähre am Dalälv Anfang April. Am 29. April 1521 schlugen die "Dalkerle" bei Västeds eine weitere dänische Armee. Nachdem auch Erzbischof Gustav Trolle durch Vasa in Uppland besiegt wurde, ihm nur der Rückzug ins feste Stockholm blieb, wechselte der dänenverbundeneTeil des schwedischen Hochadels im Sommer des Jahres auf die Seite der Sieger. Im August 1521 wählten sie und die aufständischen Bauern Gustav Vasa zum Reichsverweser. Damals lebte die Mehrheit der Schweden in den Kirchenspielen Upplands, Östergötland, um Kalmar herum und in den Bergbaugebieten Dalarnas. Es gab nur wenige kleine Städte im Land, selbst Stockholm hatte damals unter seinen etwa 6000 Einwohnern nur 300 steuerpflichtige Bürger in seinen Mauern. Nahezu alle Städtebürger hielten Vieh, bestellten Äcker in der Stadtgemarkung. Andererseits lebten Kaufleute und Handwerker auch auf dem Lande, fertigten die Bauern gewerbliche Erzeugnisse an, vertauschten Holz- und Webprodukte gegen Getreide aus den südlichen Landesteilen. Noch dominierte hier die Zweifelderwirtschaft, nur in den südlichen Landesteilen waren die Bauern bereits zur Dreifelderwirtschaft übergegangen. In den nördlich gelegenen ausgedehnten Waldgebieten betrieben die Bauern häufig sogar noch eine extensive Feldgraswirtschaft. Schon im 15. Jahrhundert hatten sich in Bergslagen in Dalarna bedeutende Erzgruben und Hütten entwickelt. Seit etwa 1510 gewann man in Sala nordwestlich von Uppsala Silber, waren in Västmanland, Dalarna, aber auch in Närke, Värmland, U ppland, Södermanland und Östergötland zahlreiche neue Eisenhütten errichtet worden, drangen schwedische Kaufleute in den Danziger Handel ein, belieferten auch Lübecks Patrizier. Wohl berechtigt bemerkten die schwedischen Historiker in ihrer Nationalgeschichte, Vasas Erfolg "beruhte zum großen Teil auf Kristians lübeckfeindlicher Politik, die den Export der Grubeneigner bedrohte", 11 diese schon damals einflußreiche Schicht für den Aufstand gewann.

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Aber es waren wohl vor allem die frühabsolutistischen Bestrebungen Christians Il., die nicht allein den Widerstand des schwedischen Hochadels provozierten, sondern auch die Opposition des dänischen und schleswig-holsteinischen Adels gegen die Ausdehnung der königlichen Macht. Christian li. hatte die Privilegien der eigenen Nobilität eingeschränkt und die Freiheiten der Bauern erweitert, die dänische Kaufmannschaft und die städtischen Gewerbe im eigenen finanzpolitischen Interesse gefördert, sich der Ostseeherrschaft der hansischen Städte mit Lübeck an der Spitze entgegengestemmt. Das konnte das mächtige Lübeck nicht hinnehmen ... Bis Neujahr 1522 hatten Gustav Vasas Truppen einige wichtige Städte und feste Schlösser Mittelschwedens erobert, die starken Küstenfestungen Stockholm und Kalmar an der Ostsee und Älvsborg an der Nordsee blieben jedoch in dänischer Hand. König Christians li. Schiffe blokkierten den Handel Schwedens mit der Hanse. Wollte Vasa weiterhin Unterstützung durch die Berg- und Hüttenbesitzer, dann mußte auch er einen Weg zu den Lübeckern suchen. Seine Möglichkeiten schienen erfolgversprechend, hatte ihn die schwedenorientierte Partei im Lübekker Rathaus doch schon seinerzeit vor Christians Il. Zugriff geschützt, ihntrotzeines vorübergehenden Abkommens mit dem dänischen Herrscher nach Schweden segeln lassen, seine Aktivitäten im April1520 bei der Organisierung des Widerstandes in der Festung Kalmar ermutigt. Als Christian li. nach Stockholms Übergabe im September des Jahres dänischen und schwedischen Kaufleuten Pläne zur Verdrängung der Lübecker vortragen ließ, die Erhöhung des Öresundzolls verfügte und Verbindungen zu holländischen Kaufleuten knüpfte, aktivierte das Lübecker Patriziat seine Bemühungen um Christians Gegner. Die Deutschen führten ausführliche bedeutungsschwere Gespräche mit dem Onkel des dänischen Herrschers, Herzog Friedrich von Holstein, vereinbarten mit Danzig gemeinsame Maßnahmen, verhandelten auch mit dem neuen Reichsverweser Schwedens. Gustav Vasa bot zu Jahresbeginn 1522 der Hansemetropole über seine Lübecker Freunde aus der Exilzeit für Geld und deutsche Landsknechte die Zollfreiheit im Handel mit Schweden. Auch würde er die Handelstätigkeit der schwedischen Kaufleute auf den Ostseeraum begrenzen, keine schwedische Kogge dürfte durch den Öresund segeln, ließ Vasa die Lübecker Unterhändler Kort König und Hermann Iserkel wissen, ein "ewiger Verbund" Schwedens mit Lübeck sollte feierlich gesiegelt werden.

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Soweit wünschten die Lübecker denn doch nicht zu gehen! Die erbetene Hilfe aber wollte man, darüber waren sich die Herren Ratsverwandten schnell einig, den Aufständischen nicht verwehren, kalkulierte schnellen Gewinn sowohl für Lübecks Positionen im Ostseeraum als auch in den Bilanzen der einzelnen Patrizierhäuser. Noch im Frühjahr segelte eine erste Flotte mit Waffen und kampferprobten Kriegsknechten nach Schweden. Bald, im Herbst 1522, folgte eine zweite. Mit Lübecker Waffenhilfe eroberte Vasa 1523 die Festungen der Dänen in Schweden und Finnland. Damit war der Weg frei auf den Königsthron für Gustav Eriksson Vasa. Zwar zierte sich der Reichsverweser gebührend, ließ sich nur durch "eindringliches Flehen bewegen, die schweren Bürden auf sich zu nehmen", 12 eine "Lesart", die Peder Swart ganz im Geiste des Königs notierte. Angeblich benannte Vasa sogar statt seiner andere Edelleute, um sich schließlich der Einsicht zu "beugen", daß Schweden nicht länger "verteidigungslos bleiben, hin- und hergerückt und gestoßen werden dürfte, mehr als andere Königreiche". 13 Ja, der junge Reichsverweser wußte seine Bauern, Bürger, Priester und Adligen wohl zu nehmen! Am 6. Juni 1523 wählte eine Reichsversammlung in Strängnäs Gustav Eriksson Vasa zu Schwedens König, konnte er am 24. Juni mit großem Gepräge in Stockholm einziehen, in eine nahezu verödete Hauptstadt, deren Einwohnersumme damals auf etwas mehr als 300 Menschen zusammengeschmolzen sein soll, eine Zahl, die wohl doch anzuzweifeln ist, gar zu offenkundig wird hier Vasas Versuch, die Nöte und Auswirkungen des "Tyrannenregimes" zu illustrieren, die Härte des Kampfes um Stockholm auszumalen, die eigene Leistung in leuchtenden Farben hervorzuheben. Wenige waren es allerdings, die auf den Straßen und Gassen beim Einzug König Gustavs I. in die alte Königsburg, jubelten und winkten. So erließ der Herrscher sogleich ein Gebot, "daß einige gute Bürger" aus anderen Städten nach Stockholm kommen, "sich dort mit Häusern versehen sollten, die sie ausbauen und darin wohnen könnten". Wer also "ohne Säumen folge, sollte nicht gestraft, sondern aller Gnaden sicher sein" . 14 Inzwischen richtete der König sein Augenmerk bereits auf den neuen Gegner, auf König Friedrich I., der im März dieses Jahres Christian li. außer Landes getrieben hatte. Dieser, nun Dänemarks regierender Monarch, hatte ebenfalls mit Lübecker Geld siegen können, die hansestädtischen Sympathien durch großzügige Versprechungen gesichert, eine

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Entwicklung, die Gustav Vasa mit Sorge verfolgte, der er durch eigene Zugeständnisse entgegenwirken mußte. Geschickt hatte der schwedische Reichsverweser und künftige König Lübecker Wünschen nach einem schriftlich fixierten Vertrag über die Rechte der Hansestadt in Schweden eigene Forderungen nach einem offiziellen Bündnispapier der Kommune mit Schweden entgegengehalten. Lübecks U nterhändle·r schwankten. Wichtig schien ihnen vor allem, keine der beiden nordeuropäischen Mächte dürfte übermächtig werden. Bernd Bomhouwer und Hermann Plönnies, die Gesandten der Hansestadt zur Reichsversammlung in Strängnäs, entschieden sich schließlich gegen die Pläne Friedrich I. nach einer neuerlichen Union der skandinavischen Reiche, förderten die Entstehung eines unabhängigen Schwedens, hatten vielleicht auch gar keine andere Wahlangesichts der deutlich dokumentierten Freiheitsbestrebungen der Mehrheit der Anwesenden. Im übrigen schien beiden, mögen sie auch des Lateinischen wenig kundig gewesen sein, das alte römische Motto "Teile und herrsche" der sicherste Garant eigener städtischer Macht im Ostseeraum. Bomhouwer und Plönnies bestätigten sich zufrieden gegenseitig den Erfolg ihrer Diplomatie. Gustav I. händigte sofort nach seiner Königswahl den Hansestädten Lübeck und Danzig weitgehende Privilegien über die vollständige Zollfreiheit im Handel nach Schweden aus, beschränkte die Geschäfte der eigenen Kaufleute auf Lübeck, Danzig und einige andere Hansestädte, erließ das versprochene Verbot der Passage des Öresunds und des Belts für schwedische Koggen. Eine selbständige schwedische Handelspolitik mit Westeuropa schien somit unmöglich ~.eworden ... Unverständlich die Haltung Lübecks, dessen drückende Uberlegenheit im Ostseehandel sehr bald ärgerliche schwedische Reaktionen hervorrufen mußte, Widersprüche, die ein gemeinsames Vorgehen der Hansestadt mit Gustav I. in naher Zukunft erschweren, gefährden würden. 120 000 Lübische Mark Schulden berechneten die Unterhändler Lübecks, glaubten so, ein wirkungsvolles Druckmittel gefunden, voraussehbares Auflehnen der Schweden unterdrücken zu können. Interessanterweise hatte die Hansestadt noch kurz vor dem Sturz Christians II. und der vorübergehenden Annäherung Dänemarks an Lübeck an den Reichsverweser 'Gustav Vasa appelliert, Christians II. Admiral Sören Norby auf der Insel Godand anzugreifen. Seit 1517 kontrollierte der Däne diesen Teil der Ostsee, störte vor allem durch seineKapererden Handel Lübecks. Wohl wissend, daß Schweden seit langer Zeit Anspruch auf die südlichen Landesteile Skane, Blekinge,

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Hailand und Bohuslän erhob, Gotland zurückforderte, versprachen die Hanseaten Rückhalt bei künftigen Friedensverhandlungen Schwedens mit Dänemark, unterstützten Gustavs I. Rüstungen für einen Angriff auf Gotland. Im Herbst 1524 jedoch, während schwedische Söldner bereits vor Visby, der gotländischen Hauptstadt, schanzten, das flache Land der Insel beherrschten, initiierten die Lübecker in Malmö eine Friedenskonferenz, erwirkten dort aber nur einige unbefriedigende dänische Zugeständnisse. Ein verärgerter Gustav I. sollte Blekinge ebenso räumen wie Gotland, registrierte Lübecks Hinwendung zu Friedrich 1., fühlte sich verraten von den Hansen. Von nun ab empfand "Gustav Vasa tiefes Mißtrauen gegen deren Politik", 15 resümieren die Autoren der schwedischen N ationalgeschichte. Eine in Malmö vereinbarte Schiedskommission der wendischen Hansestädte, die alle Streitfragen zwischen Dänemark und Schweden schlichten sollte, wurde niemals einberufen, war wohl auch kaum das, was beide Herrscher, jeder für sich, von Lübeck erwarteten. So verhandelten Repräsentanten beider skandinavischer Mächte in den Jahren 1525 weiter, einigten sich schließlich auf Kompromisse, verbündeten sich gegen den gemeinsamen Feind Christian li. Der einstige Monarch war, von Kaiser Karl V. ermutigt, im November 1531 in Norwegen gelandet, drohte, von dort nach Skäne zu marschieren, fand schnell Zuspruch bei den Bauern und Besitzlosen. Lebendig war bei jenen noch die Erinnerung, daß es Christian li. war, der Dänemarks Bauern aus der Leibeigenschaft befreite, auch den dänischen Adel mit harter Hand beugte. Doch auch in Adelskreisen Dänemarks und Schwedens wuchs erneut die Opposition gegen beide Herrscher. Gustav Eriksson Trolle, für manchen noch immer rechtmäßiger Erzbischof Schwedens, und einige andere schwedische Gefolgsleute Christians II., die der Erfolg Gustav Vasas ins Exil getrieben hatte, warben eifrig unter den Unzufriedenen. Gemeinsam mit Lübecks Flotte und Soldknechten besiegten die Heere Friedrichs I. und Gustavs I. den gefährlichen Widersacher. Christian wurde gefangengenommen, nach Schloß Kaiundborg auf Seeland gebracht, wo er 1559 verstarb. Die beiden Skandinavier einigten sich schnell. Gegen eine größere Geldsumme verzichtete Gustav I. auf die territorialen Eroberungen. Wichtiger noch als die vereinbarte Summe war ihm jedoch die Versicherung Friedrichs I., in dem heraufziehenden Konflikt Schwedens mit Lübeck die Hansestadt nicht unterstützen zu

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wollen, gegebenenfalls Erklärungen zugunsten Schwedens abzugeben, möglicherweise handfeste Hilfe für den nördlichen Nachbarn nicht auszuschließen. Das war es, was Gustav I. erhoffte und erwartete. Groß waren auch Dänemarks Konflikte mit Lübeck, litt doch auch dieses Land unter dem Ostseediktat Lübecks. Das war in der königlichen Kanzlei wohl bekannt, ließ sich auch kaum verbergen. Schweden hatte bis Ende 1523 ein Drittel der vereinbarten Rückzahlungen an Lübeck aufgebracht, die Summen für die beiden folgenden Jahre aber verweigert. Die Lübecker hätten zu hohe Forderungen berechnet, die schwedischen Naturallieferungen willkürlich niedrig geschätzt, warf Gustav I. den Bündnispartnern an der Trave vor. Nur vorübergehend, während Christians II. Feldzug in Norwegen, waren die Debatten gedämpft worden, schien eine Einigung möglich, konnten neue Verbindlichkeiten ausgehandelt werden. Nach dem Sieg der Dänen und Lübecker über den früheren "Erbkönig" Skandinaviens hatte sich Gustav I. wiederum geweigert, seine Schulden ohne neuerliches Lübekker Entgegenkommen zurückzuzahlen. Nun bestand Schwedens Monarch auf einer Modifizierung der ausschließlichen Lübecker Privilegien, rächte sich die Politik der unmäßigen Sonderrechte 1523. Der Versuch, Gustav I. durch einen Aufstand zu stürzen, einen Sohn Sten Stures als Führer der Rebellion zu gewinnen, scheiterte kläglich. Eine Handelsblockade Schwedens entzweite Lübeck und Danzig. Schließlich vereinigte sich 1533 Christian III., der Sohn und Nachfolger Friedrichs I.- damals nur vom jütländischen Adel als Herrscher akzeptiert- mit Gustav I. zum erklärten Krieg gegen das mächtige Lübeck. Nach Niederlagen der Hanseaten in Südschweden und auf den dänischen Inseln schloß Schweden, durch eine neuerliche Annäherung Dänemarks und der Travestadt um reichere Früchte des Sieges betrogen, einen akzeptablen Frieden, aufgehoben wurden die Beschränkungen für Schwedens Kaufleute. Sie waren nun den Lübeckern gleichgestellt. Diese aber gaben sich optimistisch, glaubten die politische Situation bald wieder verändert. Gustav I. stand trotz seiner militärischen Erfolge jetzt nahezu allein, sah sich einer neuerlich wachsenden gefährlichen inneren Opposition gegenüber.

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Schon 1524 hatte die Rückkehr der Witwe Sten Stures, Christine Gyllenstierna, aus dänischer Gefangenschaft nach Schweden, die alte Sture-Partei wieder erneut gesammelt. Es war in der Tat ein kluger Schachzug, als Gustav I. im Frühjahr 1525 dem Reichstag in Västeräs seine Abdankung anbot. Wohl kalkuliert, verfehlte eine solche Demonstration ihre Wirkung nicht. Die Mehrheit der Ständevertreter stellte sich hinter den Herrscher, versicherte in bewegenden Äußerungen, sie wolle keinen anderen, er, Gustav, sei der beste! Und drohend genug waren ihre Gebärden, so daß die Tante verstand, eine Restauration der Stureherrschaft würde es nicht geben, der Neffe saß doch sehr sicher auf dem höchsten Stuhl. Ohne größere Mühe wurde eine Erhebung armer Dalarnabauern niedergeworfen, deren Führer flohen nach Norwegen. Auf Drängen Gustavs I. wurden die Rebellen, der einstige Kanzler Sten Stures, Peter Jakobsson Sunnanväder, kurze Zeit auch Bischof von Västeräs, und der dortige Domherr, Meister Knut Mikaelsson, von den Norwegern ausgeliefert. Auf klapprigen Schindmähren rücklings kauernd, ließ der König beide nach Stockholm bringen, einem organisierten Hohngelächter ausgesetzt, standen sie dann am Pranger, bevor Sunnanväder am 18. Februar 1527 und Meister Knut drei Tage später hingerichtet wurden. Gustav Vasa wußte wohl, was das einfache Volk sehen und hören wollte. Als zu Jahresbeginn 1527 Boten Nachrichten von neuerlichen Ansammlungen Unzufriedener in Dalarna nach Stockholm trugen, sandte der König Schreiben an die dortigen Bauern. Er müsse sie warnen vor "dem Schalk, der da oben bei Euch in der Gegend das große Gerücht verbreitet, sich als Herrn Stens Sohn ausgibt", 16 ließ Gustav I. überall kundtun. Tatsächlich trat damals ein Mann, der in die schwedische Geschichtsschreibung als "Daljunker" eingegangen ist, als "Nils Sture, der rechte Erbe in Schweden und demnächst mit Gottes Hilfe Hauptmann" der Dalkerle auf. 17 Auch er versandte Aufrufe an den Adel, die Bürger und Bauern benachbarter Landschaften, behauptete, die Menschen in Dalarna seien entschlossen, sich gegen Vasa zu erheben. Dieser habe Kirchen und Klöster geplündert, zwinge das Volk, "unsern alten Glauben wegzuwerfen, in dem uns die Väter und Vorväter und heiligen Männer und die Heilige Schrift bestärkt haben" . 18 Auch versuche Gustav Vasa, dem Volk unerträgliche Steuern aufzubürden .. . Er und seine Hintermänner kannten offenbar ebenso wie der König die Gemütswelt schwe-

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diseher Bauern, wußten, wie die Unzufriedenheit geschürt werden konnte. Gustav I. verstand, daß er schnell handeln, geschickter als seine Gegner sein mußte. Aufrufe und kluge Ermahnungen würden hier nicht fruchten. Der König berief einen Reichstag nach Västeras unter starkem bewaffneten Schutz, ließ die Ständevertreter in scharfen Worten den Aufruhr verdammen, erstickte so das Feuer, bevor es richtig loderte ... Auch der "Daljunker" floh nach Norwegen. Bis heute ist es der schwedischen Historiographie nicht gelungen, Stand und Herkunft dieses Mannes zu bestimmen. Einige norwegische Hochadlige gaben sich, als glaubten sie an die hochadlige Herkunft des "Daljunkers", wollten in ihm einen Sture-Sprößling sehen. Der Erzbischof in Trondheim förderte insgeheim einen neuerlichen Angriff des angeblichen Nils Sture in Dalarna, suchte die fortwirkende Unzufriedenheit der Bauern und Bergleute zu erneutem Aufstand zu entflammen. Und wieder wurde die Situation kritisch für den schwedischen König. Unmittelbar nach dem feierlichen Krönungszeremoniell am 12. Januar 1528 im Dom zu Uppsala brach Gustav I., nun auch gesalbt, im Verständnis der Kirche der rechtmäßige Herrscher, mit einem kampfstarken Heer nach Dalarna auf. Auf dem seit alters berühmten Tingplatz neben der Kirche in Stora Tuna, fünf Kilometer südöstlich der Stadt Borlänge, ließ er die Bauern sammeln, schlossen seine Kriegsknechte einen festen Ring um die Wartenden, wurden Karrenbüchsen auf die Eingeschlossenen gerichtet. Nachdem ein "Ermahnungsschreiben" verlesen war, wurden einige Rädelsführer hingerichtet, dem Volk ein neuer Treueid abgefordert, ein milder Landesvater entließ scheinbar gütig die Verirrten. Sie waren ihm wichtig, die Bauern Dalarnas. Wichtig schien ihm auch der "Daljunker". Wohl konnte Gustav I. nicht verhindern, daß die Norweger den Flüchtenden nach Dänemark entkommen ließen, er dann weiter nach Rostock fliehen konnte. Dann aber löste der König auch dieses Problem. Christina Gyllenstierna schrieb dem Rostocker Rat einen Brief, mußte ihn schreiben, weil Gustav I. es wollte. Dieser Mann sei ein Betrüger, wäre nicht ihr Sohn, hatte die Sture-Witwe mitgeteilt. Dem noch immer zögernden Rat ließ Gustav I. gleichzeitig andeuten, keineswegs diplomatisch zurückhaltend, er werde Sanktionen gegen die Rostocker Handelsherren verhängen lassen, sollte ein ehrbarer Rat den Verbrecher

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nicht strafen. Am 25. September 1528 hörte der "Daljunker" den Todesspruch ... Er wird es zufrieden vermerkt haben, Gustav I. Vasa, daß auch dieser Gegner vernichtet war, ruhiger ist er wohl kaum geworden in jenen Tagen, denn schon zwang ihn ein weiterer Unruheherd zu neuerlichen schnellen Aktionen. Eine Kirchenversammlung in Örebro im Februar 1929 schied erneut die Parteien, sammelte eine starke Opposition unter den katholischen Priestern und den adligen Herren aus Västgötaland. Auch hier verteidigte man die alten Kirchenstrukturen, meinte vor allem die wirtschaftlichen Probleme, konnte Vasas lübeckfeindliche Politik nicht gutheißen. Die Bürgerschaft Jönköpings, auf den Export ihrer Fleisch- und Butterprodukte nach Lübeck angewiesen, schloß sich den Unzufriedenen, laut Murrenden an. Im April1529 begann der Aufstand im nördlichen Smaland, nahmen die Aufrührer die aus Deutschland heimkehrende Schwester des Königs, Margareta Vasa, gefangen, wurden scharfe Anklageschriften gegen die Willkür des Monarchen verbreitet und diskutiert. Er habe ein "unchristliches Regiment" eingeführt, vertreibe die Bischöfe, Mönche und Priester, setze "Ketzer" ein. 19 Mit Ture Jönsson, dem Reichshofmeister Gustavs I., stand einer der einflußreichsten Hocharistrokraten an der Spitze, hinter ihm der Bischof von Skara, Magnus Haraldsson, weitere Reichsräte ... Diesmal entsandte der König Unterhändler in die Aufstandsgebiete, ließ seine Repräsentanten versichern, alles bliebe so wie es "seit alten Zeiten" wäre, die neuen Steuern würden wieder gesenkt, der Besitz der Kirchen und Klöster solle nicht angetastet werden. Von einer "neuen Lehre" in Schweden könne keine Rede sein, beschwichtigende Versprechen, die schnell wirkten. Auch diesmal konnte ein offener Bürgerkrieg vermieden werden, die Mehrheit der Aufständischen wanderte zurück in die heimatlichen Kirchspiele, vertraute der königlichen Zusage, die "lutherische Ketzerei" würde unterdrückt, 20 vertraute dem Amnestieversprechen des Herrschers, hatte doch der König ausdrücklich verkünden lassen, breche er sein Wort, wolle er als Feind Schwedens behandelt werden .. . Als er die Verträge seiner Abgesandten bestätigte, vermied Gustav I. die schriftliche Verpflichtung zur Amnestie, berief sich auf die früher vereinbarten Abkommen des Reichstages zu Västeras 1527, mit dem "die guten alten christlichen Bräuche" festgeschrieben seien, 21 wissend, daß dies die Interpretation der Opposition war, gerade dort solches aber nicht notiert war. Doch wer kannte schon die genauen Formulie-

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rungen der Dokumente, die unruhigen Bauern gewiß nicht, und viele vom Adel wohl auch kaum. Und wieder blieb den Führern des Aufruhrs nur die Flucht. Bischof Haraldsson und Ture Jönsson schlossen sich dem gerade aktiv werdenden Christian Il. an, andere Empörer wurden auf dem Reichstag in Strängnäs 1529 verurteilt und bald darauf hingerichtet. Als Ture Jönsson den König bat, seiner Frau zu erlauben, Schweden zu verlassen, zu ihm zu reisen, die Bitte durch das Bibelwort stützte, "was Gott vereinigt hat, soll der Mensch nicht scheiden", höhnte Gustav I. in seiner Antwort, "was der Satan vereinigte, muß der Mensch scheiden. Lebwohl!" 22 Ja, hassen konnte er, Gustav Eriksson aus der Vasa-Familie, und das sicher nicht erst seit den Tagen des Stockholmer Blutbades, verfolgte nun seine Gegner ebenso wie Christian Il. die seinigen jagen und töten ließ. Und Gustav Vasa verzieh niemals, konnte sich wohl gelegentlich leutselig milde geben, so es ihm vorteilhaft dünkte. Immer dann strafte er gnadenlos, wenn ihn andere Rücksichten nicht hinderten. Eigentlich hatte er damals wahrlich andere Probleme, als so private heftige Briefe zu wechseln, dem einstigen Vertrauten und jetzigen Verräter die eigene Macht zu demonstrieren, eine Macht, die schon wieder auf schwankendem Grund baute. Christians Il. Landung in Norwegen zwang den Politiker Gustav, den Lübecker Forderungen wenigstens teilweise nachzukommen, Bereitschaft anzudeuten, die Rückzahlung der Schulden vorzubereiten. Eine Reichsversammlung in Örebro beschloß 1531 auf Drängen des Herrschers, überall im Lande sollten die größten und schönsten Glokken der Kirchen eingeschmolzen oder ihr Wert in Kupfer und Silber an die königliche Kammer entgolten werden, eine Entscheidung, die vor allem in Dalarna und Bergslagen Bauern und Bergleute erneut zu den Waffen greifen ließ. Die Empörten sammelten sich auf dem Tingfeld bei Stora Tunas Kirche, sandten Protestbriefe in die umliegenden Landschaften Gästrikland und Hälsingland,.berichteten von bewaffnetem Widerstand gegen die königlichen Vögte, "um Heidentum und Glocken und alle ungesetzlichen Steuern, die auferlegt sind". 23 Dem König hätten sie mitteilen lassen, sie würden eher bis auf den letzten Mann fallen, als sich dessen Maßnahmen zu fügen. Im übrigen forderten die Aufständischen einen Reichstag in Arboga.

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Einig sind sich die schwedischen Historiker, daß die "Glockensteuer" nur noch "die zündende Lunte zum dritten und letzten Dalaaufruhr" war. 24 Der Mangel an Getreide 1530 und der Rückgang der Kupferproduktion hatte Gustav I. bereits Ende 1530 einen Aufstand in den Kupfergruben fürchten, verschiedene Gegenmaßnahmen vorbereiten lassen. Auf die Forderung nach einer Zusammenkunft in Arboga antwortete der Monarch mit der Einberufung der Stände nach Uppsala. Wiederum stellten sich die Repräsentanten aller großen Bevölkerungsgruppen hinter Gustav I. und beschlossen die Einsammlung der Kirchenglocken. Das Wohl das Landes erforderte es, so der nahezu einhellige Tenor der Versammelten, die gleichzeitig auch die Unzufriedenen in Dalarna und Bergslagen verurteilten. Sie seien von "Ture Jönsson und anderen Verrätern in König Christians Interesse" angestiftet, 25 lauteten die Sendbriefe an die einzelnen Landschaften, dämpften auch sofort die Entschlossenheit der Empörer auf dem Tingplatz, zumal Gustav I. allen Beteiligten "volle Begnadigung" zusicherte. 26 Die Nachrichten von Christians Landung in Norwegen hatten ihn sehr sanft gestimmt, innere Unruhen konnte und wollte er jetzt nicht auskämpfen. Stattdessen verlangte er aus Dalarna 1 500 Armbrustschützen für den Angriff auf den gefährlichen Dänen, auch in den Augen der Dalkerle ein offenkundiger Vertrauensbeweis ... Nach Christians li. Gefangennahme stellten sich die Dinge dem König anders dar. Mit gewaltiger Kriegsmacht marschierte Vasa nun nach Kopparberget mitten in Dalarna, ins Unruhezentrum, drohte, er wolle "jedem, arm oder reich, Gesetz und Recht" schaffen, 27 ließ trotz des zugesicherten Pardons die Rädelsführer ergreifen, einige sofort hinrichten, schickte andere, darunter einige Helfer aus seinen Flüchtlingstagen zunächst nach Stockholm in den Kerker und später auch aufs Schafott. Diesmal wollte er richtig durchgreifen, Dalarna sollte aufhören, ein selbständiger und unberechenbarer Machtfaktor in Schweden zu sein. Der Freiheitswille der seit alters waffentragenden Dalkerle mußte gebrochen werden, wurde nun als lästig empfunden, vorbei die Jahre, wo er, Gustav Eriksson Vasa, diese Menschen und ihren Geist benötigte. Er wolle nicht betrachtet werden "als ein Spielvogel, mit dem man dort jedes Jahr spielen könne. Dies sollte das letzte Spiel sein, so daß er nun recht einen solchen Geist in der Sache haben wollte, daß es entweder eine gehorsame oder flache öde Gegend werden sollte. Aber den Geist eines Feindeslandes wolle er dort keineswegs haben," 28 polterte er allerortens vor den versammelten Zuhörern, die sich schweigend, gesenkten Hauptes, auch diesmal dem zornigen König beugten. Drohen und mit

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den Waffen klirren war eine Sache, sie auch zu nutzen, die Schwerter und Spieße gegen den eigenen Landesvater zu richten, war denn doch ein ganz ander Ding! Der dort war der König, kein Däne, kein deutscher Söldner, ihm mußte man wohl gehorchen. Und doch wußten die Lübecker während der Verhandlungen 1537 mit dem siegreichen Vasa, es mochte in Dalarna das "letzte Spiel" gewesen sein, andere waren da, die schienen recht begierig, ein neues zu wagen. Und sie hatten viele Informanten, die hochlöblichen Herren im Rathaus an der Trave. Die Jahre von 1538 bis 1543 bezeichnen die Historiker als "deutsche Periode" Gustavs I. Zahlreiche, vor allem deutsche Ratgeber dienten nun dem König und mancher unter den reichen Stockholmer Kaufleuten verstand sich gut mit den Lübecker Partnern. Der Herrscher brauchte sie alle, Berater und Organisatoren eines neuen, beständig verfügbaren Heeres, zunächst auch viele deutsche Landsknechte. Da waren ja die Erfahrungen mit dem stets von neuem unzuverlässigen Volksaufgebot, Männern, die ihre Waffen auch gegen die königlichen Steuereintreiber erhoben, benötigte Fachleute für den Aufbau effektiver Finanzverwaltungen, und wußte wohl, wie gut man in deutschen Kaufmannsstädten rechnen konnte. Geld, immer wieder Geld, das war es, was Gustav I. dringend benötigte, wo man ihn treffen konnte. Der hochverschuldete Monarch konnte neue Einnahmen im wesentlichen in diesen Jahren nur über Steuern erschließen. 1539 hatten ihn die deutschen Berater zu einer neuerlichen Extrasteuer überreden können. 1540 folgten weitere Maßnahmen der königlichen Kontrolle über das Wirtschaftsleben des Landes, wurden für einige Landschaften wiederum Sondersteuern verkündet. Gleichzeitig untersagte Gustav I. die Ausfuhr bestimmter Landesprodukte. Der König erklärte, offenbar von seinen deutschen Ratgebern beeinflußt, auch die schwedischen Bauern hätten nur ein "erbliches Nutzrecht" an Grund und Boden, "es gehöre Uns und Schwedens Krone". 29 Er könne daher zahlungssäumige Steuerbauern von Haus und Hof vertreiben, so sie seinen Anordnungen nicht folgten ... Das mochte ja den gesetzlichen Rahmen für eine neue Steuerpolitik fügen, Gustav I. sehr dienlich scheinen. Es war aber etwas, das Schwedens Bauern höchst willkürlich gelten mußte. Sie waren seit alters her im unbeschränkten Besitz ihres Landes, entrichteten Abgaben, oh ja, aber es gehörte ihnen doch, so lange man denken konnte. Gustavs I.

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Worte mußten schnell neuerlichen Widerstand der Bauern provozieren ... Ökonomisch war diese Politik edolgreich. Anfang 1539 fand sich bereits mindestens eine Million Mark in der königlichen Schatzkammer, eine stattliche Reserveangesichts der gespannten außenpolitischen Lage, wie der König meinte, eine Summe, die es aber unbedingt zu erhöhen galt. Vorerst waren jedoch neue Probleme zu lösen! Zu Sommeranfang 1542 erhoben sich die Bauern in Smaland. Die sofort entsandten königlichen Truppen waren machtlos. Gustavs I. Schwager, Gustav Olovsson Stenbock, konnte nur einen Waffenstillstand mit dem Bauernführer Nils Dacke vereinbaren. Es seien vor allem die erhöhten Steuern, die Eingriffe der Vögte ins bäuerliche Wirtschaftsleben mit den zahlreichen Vorschriften bis hin zu Kleiderordnungen und Hausbauregeln, die ihn und seine Bauern zum Widerstand reizten, erklärte Dacke dem königlichen Befehlshaber. Auch sei er gegen die Verödung der Kirchen durch die neue Lehre. Es wäre "bald so lieblich, durch einen öden Wald zu gehen wie in einer Kirche", auch sei der Gottesdienst jetzt so farblos, "ein Kind könne bald vom Mistwagen eine Messe pfeifen", der König müsse beides, Gottesdienst und die Auflagen nach den alten Gepflogenheiten garantieren. 30 Es war vor allem Gustavs I. Entscheidung 1541, den Vieh- und Butterhandel Västergötlands und Smalands vom dänischen Markt Ronneby in Blekinge auf die schwedischen Häfen Kalmar und Lödölse umzulenken. Zu drückenden Steuerauflagen kamen nun schwindende Einkünfte, es mangelte an Getreide. Nils Dacke war Herr in Südschweden. Das konnte der König nicht dulden. In Linköping sammelte Gustav I. trotzdes Waffenstillstandes Truppen zur Niederschlagung des smaländischen Aufstandes. Der Bauernführerreagierte seinerseits prompt und edolgreich, knüpfte Verbindungen zu deutschen Fürsten, die ihrerseits Ansprüche auf den schwedischen Thron erhoben, die den deutschen Kaiser hinter sich wußten. Ja, die Lübecker konnten zufrieden sein, Gustavs I. Lage war alles andere als gut! Im Februar 1543 versuchte Dacke, Kalmar zu erobern, hier einen Hafen zu gewinnen, über den seine deutschen Verbündeten Truppen nach Schweden schicken konnten. Der Angriff auf Kalmar mißlang, die versprochenen Landsknechte des mecklenburgischen Herzogs und des Pfalzgrafen blieben aus. Gustav I. Vasa war es auf einer Adelsversammlung in Örebro im Ja-

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nuar 1543 gelungen, den schwedischen Herrenstand hinter sich zu sammeln, ein neues Heer auszurüsten. Auch der dänische Monarch hatte Solidarität versprochen. Gemeinsam mit dänischen Kräften besiegte Vasas Feldherr Lars Siggesson am 20. März 1543 bei Virserum Dackes Verbände, zerstreute das Bauernheer. Dacke selbst wurde schwer verletzt, konnte aber entkommen, wurde von sympathisierenden katholischen Geistlichen und smaländischen Anhängern verborgen, konnte aber nach seiner Genesung im Juni nur noch wenige Kämpfer aufbieten, und fand in den letzten blutigen Kämpfen in den Wäldern um Rödby in N ordblekinge auf dänischem Territorium den Tod. Besiegt war Vasas gefährlichster Gegner aus der einheimischen Opposition, der "typische Vertreter für das Bauernproletariat der smaländischen Grenzgebiete", 31 wie ihn die moderne schwedische Historiographie charakterisiert, einem Bild entgegenwirkt, das Dacke über Jahrhunderte hinweg in den schwärzesten Farben malte, der Propaganda Gustavs I. Vasa folgte. Der König hat diesen Feind gefürchtet und gehaßt. Gustav I. ließ selbst den zehnjährigen Sohn Dackes auf Schloß Stegeborg gefangensetzen. Eine Chronik vermerkt lakonisch, er sei später im Stockholmer Kerker an "Pestilentia" verstorben. 32 Möglich, daß es wirklich eine Seuche war, sicher ist aber, daß Vasas Richter den Onkel des Nils Dacke aufs Rad flechten ließen, die Dacke-Familie auslöschten. Immer wieder waren die Aufstände bzw. Zusammenrottungen unter der Losung geführt worden, der König achte die gute alte Lehre nicht, versündigte sich an der Kirche. Und jedesmal waren auch ökonomische Forderungen der Beteiligten artikuliert worden. Tatsächlich bestand auch für Gustav I. ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen beiden Faktoren. Er wünschte eine "Reformation" aus wirtschaftspolitischen Erwägungen, erkannte frühzeitig die Möglichkeiten, die Luthers "Ketzerei" seinem schwedischen Königtum eröffnete. Aber er wußte auch, welche Risiken aus einer gar zu offenkundigen Unterstützung dieser neuen Lehre für ihn und seinen Thron erwuchsen. Es waren andere gesellschaftliche Bedingungen in Schweden. Bauernheere waren hier nicht für diesen Kampf zu mobilisieren, hielten im Gegenteil an der katholischen Kirche fest . .. Schon Sten Sture hatte seinerzeit, lange vor dem weltverändernden 31. Oktober 1517, erklärt, in Notzeiten müsse der Staat auch über das Geld der Kirche verlügen düden, ein Grundsatz, der vielen in diesem skandinavischen Reich auch recht und billig erschien, besaß doch auch hier die Kirche fast ein Viertel des gesamten schwedischen Landes. Da

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nahmen sich die seinerzeitigen 5,5 % Anteile der Krone wahrlich bescheiden aus, wohl doch ein überzeugendes Argument für den jungen Herrscher Gustav I. Vasa, daß er, der Schützerund Wahrer der Reichsinteressen, über die festen Burgen und Schlösser der Kirche zur Verteidigung des Landes verlügen müsse, gelegentlich auch mal in die Schatztruhe der Bischöfe greifen düdte. Soweit waren wohl auch die Bauern einsichtig. Anfangs stand ja der König hier auch nur in der Tradition Sten Stures, begründete Maßnahmen damit, er wolle das Volk nicht zusätzlich belasten, tat nichts, was man nicht schließlich auch dem Reichsverweser im Kampf gegen die dänischen Invasoren zugebilligt hatte. Das schien umso begründeter, als viele der dänentreuen Bischöfe nach Christians li. Niederlagen das Land verlassen hatten, Gustav I. nun auch direkt über freie Bischofspfründen vedügte. Nachdem Erzbischof Johannes Magnus, der Nachfolger des gestürzten Gustav Eriksson Trolle, nicht das päpstliche Jawort erhielt, 1526 als Brautwerber für Gustav I. nach Polen gesandt, dort verblieben war, wegen der beginnenden Reformation nicht nach Schweden zurückkehren wollte, gewann der König weiteren Spielraum. Gestützt auf die Luther-Schüler Olaus Petri und Laurentius Andreae förderte Gustav I. Mitte der zwanziger Jahre eine vorsichtige Umgestaltung der schwedischen Kirchenorganisation, immer wieder erschreckt durch heftige Gegenreaktionen bäuerlicher und auch adliger U nzufriedener. Erst der Reichstag zu Västeräs 1527 brachte eine Entscheidung. Seit etwa 1524 hatte Laurentius Andreae wieder und wieder erklärt, der Besitz der Kirche sei Eigentum des Volkes. In diesen schweren Zeiten müsse ein Großteil des Zehnten in die Staatskasse fließen, forderte er, Erzdiakon des Domkapitels von Strängnäs und seit 1523 Sekretär des Königs, zu Jahresbeginn 1526. Und der König ließ ihn gewähren, ermunterte ihn heimlich. Eine Adelsversammlung in Vadstena beschloß in diesem Jahr, es sei besser, die notwendigen Erhebungen aus den Kircheneinkünften zu ziehen als das Volk damit zu belasten, wußte hier wohl auch die Mehrheit der Bauern hinter sich. Auch wurden die Herren sich einig, das Kloster in Gripsholm aufzulösen. Es sei seinerzeit gegen den Willen des Vaters der Kirche aus dem Vasaeigentum geschenkt worden, argumentierte der König. Adelsboden düde überhaupt nicht mehr in Kirchenbesitz übergehen, eine Forderung, die manchem der Herren von Adel sehr überzeugend klang, einige grübeln ließ, wer denn von den Vodahren leichtsinnig und unverständlich kostbaren Familiengrund der Kirche übertragen hatte. In der Tat, das Argument

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des Königs war wahrlich einleuchtend! Und mancher von ihnen reiste im Juni 1527 zum einberufenen Reichstag nach Västeras, Gustav I. Vasa hier beizupflichten. Es sind nicht viele Quellen über den Verlauf der Debatten auf diesem Reichstag erhalten geblieben. Vor allem stützte sich die schwedische Historiographie bisher auf Peder Swarts Schilderungen, zeichnete so das Bild einer entscheidenden Auseinandersetzung zwischen König und Ständeversammlung, ließ Gustav I. schließlich in einer bewegenden Rede sein Königtum hinwerfen, die Versammlung "bitterlich weinend" verlassen, jeder Schritt ein gebrochener, mißverstandener Landesvater. Er "wolle kein Wort mehr mit ihnen wechseln", 33 so habe es Gustav I. verkündet und sich auf sein Schloß zurückgezogen, nur seine eigenen Auslagen für das Wohl des Reiches verlange er, dann gedenke er, außer Landes z~ gehen ... Nach mehreren Tagen stimmgewaltiger Streitereien habe schließlich einer der Ständevertreter in einer zündenden Ansprache die Unterwerfung der Versammlung unter den Königswillen erzwungen, man habe Abordnungen über Abordnungen aufs Schloß gesandt, den Zorn des Monarchen schließlich besänftigt. Dem wieder in den Reichstag zurückkehrenden Gustav I. hätte die Versammlung dann einhellig alle Forderungen auf Verfügung über die Kirchenbesitzungen gebilligt ... So wollte es der König offensichdich der Nachweit suggerieren, hatte er es dem Chronisten diktiert. Die Wirklichkeit scheint weniger dramatisch verlaufen, den erwarteten Zuspitzungen, wie sie die Chronik schildert, hatte der königliche Regisseur offenbar erfolgreich entgegengewirkt. Er wolle fragen, so offenbart es das erhaltene Redekonzept des Herrschers, wie die Finanzen der Krone und die Ökonomie des Adels verbessert, die Unruhen im Lande gedämpft werden könnten. Er erwarte Vorschläge von der Versammlung, ließ der Monarch wissen. Die Antwort des Adels, des Bürger- und Bauernstandes konnte nur lauten, daß der König die Selbständigkeit der Kirche beschränken müsse ... Und so geschah es! Der Västeras-Rezeß vermerkt ausdrücklich die Rückgabe aller Ländereien, die nach 1454 in den Besitz der Kirche gekommen waren. Die Einkünfte der Krone sollten aus kirchlichem Vermögen gestützt werden, Bischöfe künftig keine prächtigere Hofhaltung als der König entfalten dürfen. Alle Schlösser und Burgen des Klerus sollten dem Herrscher, die Klöster der Verwaltung eines adligen Vormundes unterstellt, alle überschüssigen Klöstereinnahmen Gu-

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stav I. zugeleitet werden. Im übrigen müsse Gottes Wort "rein" im ganzen schwedischen Reich gepredigt werden ... 34 Das war in der Tat ein vollständiger Sieg Gustavs I. Vasa über die bisherige Machtvollkommenheit der katholischen Kirche in Schweden, provozierte allerdings die katholische Geistlichkeit zu langjährigem Widerstand, lieferte Argumente für alle jene, die an der Religion der Väter und Vorväter festhalten wollten, vereinigte die Aufständischen von Dalarna bis Smaland. DenWechsel des Kirchenbodens in die Hände des Königs konnten die Erhebungen jedoch nicht verhindern. 1560 verfügte die Krone über mehr als 28 % des schwedischen Landes, der Besitz des Adels war dagegen nur unbedeutend angestiegen, die Kirche hatte aufgehört, als selbständiger Eigner von Grund und Boden das schwedische Wirtschaftsleben zu dominieren. Doch auch nach den Beschlüssen von Västeras gab sich Gustav Vasa weiterhin zurückhaltend in der Fortführung der Reformation, hielt seine lutherischen Geistlichen immer wieder zurück, bremste Veränderungen des kirchlichen Zeremoniells, schreckte vor der Trennung von Rom zurück. Wohl wissend, wie stark breite bäuerliche Kreise weiterhin am Althergebrachten festhielten, hemmte der König den Eifer der Reformatoren. So erlaubte er erst 1536, daß die Messe nur noch in schwedischer Sprache zelebriert werden durfte. Andererseits schwor Gustav I. den Königseid zu Neujahr 1528 bereits nicht mehr auf den Schutz der Privilegien der Kirche. Und 1531 ließ er Laurentius Petri, einen Bruder des ReformatorsOlaus Petri, zum neuen Erzbischof wählen, den ersten erklärten Lutheraner auf dem höchsten kirchlichen Stuhl Schwedens. Der Bruch mit dem Papsttum war damit vollzogen. Auf der Kirchenversammlung in Uppsala 1536 siegten die "Lutheraner" und die Kirche wuchs zur schwedischen Nationalkirche, ein Prozeß, der allerdings erst mit der Kirchenversammlung in Uppsala 1593 abgeschlossen war. Die Einführung des Psalmgesanges veränderte 1536 den Gottesdienst in den schwedischen Kirchen. Auf dem Reichstag 1544 in Västeräs ließ Gustav I. Vasa Schweden offiziell als evangelisches Reich erklären, der Heiligenkult wurde abgeschafft und die Kruzifixe an den Weggabelungen entfernt. Allmählich wurde Kloster für Kloster zu Hospitälern umgewandelt oder aufgelöst. Als letzte Hochburg des Katholizismus blieb das Kloster in Vadstena erhalten. Obwohl die Mönche dort bereits 1549 verjagt waren, durften die Nonnen in ihrem dortigen Domizil noch bis Ende

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1595 bleiben, dann war auch hier das evangelische Bekenntnis durchgesetzt. Es war wohl vor allem dem innenpolitischen Geschick und dem staatsmännischen Weitblick Gustavs I. zuzuschreiben, daß sich die Entwicklung langsam und nicht als Bruch vollzog, noch jahrzehntelang evangelische und katholische Formen und Rituale nebeneinander bestanden. Der König selbst faßte seinen Kampf um Schweden immer auch als ein Ringen mit den "verräterischen katholischen Bischöfen" auf, 35 wollte ihn wenigstens so verstanden wissen, betonte nie vordergründig religiöse Motive, hatte sie möglicherweise auch nie. Viel lag dem König auch daran, sich seinem Volk als prächtiger machtpräsentierender Landesherr zu zeigen. Ein großer Herrscher war auch ein reicher Herrscher, so sollte das Volk denken und so fühlte man auch in Schwedens Bauernhütten, Bürgerhäusern und an den Adelshöfen, dem wollte und mußte Gustav I. entsprechen. Gewaltige Feste wurden auf der Königsburg gefeiert, Höhepunkte waren die Hochzeiten des Königs, hier galt es, der Welt zu zeigen, wer denn nun als rechtmäßiger Herrscher auf dem Schwedenthron saß. Für den jungen Gustav I. Vasa war die Ehe zunächst eine günstige Gelegenheit, jenseits der Ostsee unter den Landesfürsten einen Rückhalt zu gewinnen, sein Königtum zu legalisieren. So ließ er Kontakte zu den Mecklenburgern, Pommern und Polen knüpfen, entschied sich jedoch nach den Auseinandersetzungen mit den einheimischen Anhängern der katholischen Kirche 1528 für Katharina von Sachsen-Lauenburg. Am 24. September 1531 feierte er die Eheschließung mit der gerade erst Achtzehnjährigen. Und auch hier ist mehr unbekannt als gesichert. Die Legende weiß zu berichten, der jähzornige Herrscher hätte bereits 1534 die Gemahlin mit einem Hammer erschlagen. Es ist keineswegs unwahrscheinlich, daß Gustav I. Vasa dieser Ehe nicht sonderlich viel Zeit und Aufwand widmen konnte und wollte. Die Jahre des Kampfes mit Lübeck, die Sorgen wegen Christians II. Feldzug in Norwegen und innenpolitische Probleme mögen auch die Geburt des Sohnes Erik am 13. Dezember 1533 überschattet haben. König Gustavs I. Aufmerksamkeit galt damals vor allem der Allianz gegen die mächtige Hansemetropole, da blieb offenbar wenig Muße für eheliche Beilager, mußte Katharina wohl schwermütig werden, wie die Zeitgenossen berichteten.

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Kaum, daß die Gefahr vorüber war, Lübecks Flotte im Juni 1534 besiegt werden konnte, feierte Gustav I. ein rauschendes Fest zu Ehren König Christians III. von Dänemark und Katharina, wieder schwanger, soll stürmisch getanzt haben. Eine Fehlgeburt und ihr Tod wenige Wochen später scheinen wohl doch eine plausiblere Erklärung als die grausige Geschichte vom hammerschwingenden Ehemann. Als man zu Jahresende 1945 auch das Grab der Katharina öffnete, konnten die Wissenschaftler keine entsprechenden Verletzungen am Schädel der Verblichenen entdecken. Schon 1535 hatte Gustav I. erneut Grund zur Freude, feierte der Hof wieder einmal mit großem Pomp, sah sich auch die schwedische Hocharistokratie geehrt. Der Herrscher hatte sich, nun aus innenpolitischen Erwägungen, die Braut im Lande gewählt. Die 20 Jahre alte Margareta Leijonhufvud entwickelte als Königin ein reges Hofleben, wie die Inventarverzeichnisse und Haushaltsbücher ausweisen. Gefeiert wurde nun häufiger und es scheint, als habe sich Gustav I. hier glücklicher gefühlt, mehr Zeit gefunden. Als die Königin am 26. August 1551 auf Tynnelsö-Schloß verstarb, hatte sie zehn Kinder geboren und ließ, wie die Zeitgenossen vermerken, einen unglücklichen Gatten zurück. Seitdem "war der König nie mehr so lustig zu seinen Gefährten wie früher" 36 berichtete ein Höfling in seinen Erinnerungen. Offenbleiben muß jedoch, ob es nicht vor allem schreckliche Zahnschmerzen und andere körperliche Gebrechen waren, die den Gemütszustand des Königs zunehmend belasteten. Die erst am 9. Mai 1946 abgeschlossene medizinische Untersuchung des Leichnams von Gustav Vasa erbrachte eindeutige Belege für zahlreiche schmerzliche Leiden des alten Königs. Alleinsein war jedoch Vasas Stärke auch nach 1551 nicht. Ein knappes Jahr nach dem Tode Margaretas endete für Gustav I. die Trauerzeit, heiratete er zum dritten Mal. Die sechzehnjährige Katharina Stenbock, die Nichte der verstorbenen Margareta, blieb kinderlos, hatte wohl auch kein besonders leichtes Los an der Seite des kränkelnden, immer unberechenbarer reagierenden Herrschers. Hinzu kamen recht laut geäußerte Bedenken des Priesterstandes, die in der Ehe unter so nahen Verwandten eine Mißachtung göttlicher Gebote beklagten. Vasas Argument, das Alte Testament mit seinen entsprechenden Warnungen gelte nur für die Juden, verlor viel an Gewicht für die beobachtenden Zeitgenossen angesichts der Kinderlosigkeit dieser Ehe, aufbrechender Widrigkeiten zwischen Vater und Söhnen in den Spätjahren der Regentschaft Gustavs I. Das konnte und mußte schon als Fingerzeig Gottes

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gedeutet werden, strafte auch einige der kirchenpolitischen Entscheidungen des Königs. Der auffallende Mißwuchs des 1542 geborenen Magnus und der schließliehe Wahnsinn dieses Sohnes, selbst ähnliche Erscheinungen bei König Erik, dem Sohn aus erster Ehe, wurden wohl berechtigt der nahen Verwandtschaft Gustavs I. zu Königin Margareta, einer Tochter der Nichte des Königs, angerechnet. Konnte man diese Entwicklung 1552 auch erst nur ahnen, die neue Verbindung Gustavs I. mit Margaretas Nichte wurde als weitere Herausforderung Gottes empfunden, schlimm für das Königshaus ... Fortwährende Skandale rankten sich um nahezu alle Kinder aus der Ehe mit Margareta. Die Tochter Cecilia sorgte bereits als Neunzehnjährige für unerwünschtes Aufsehen, als Bruder Erik, der darin offenbar keinen Spaß vertrug, sie mit Johann von Ostfriesland in unzweideutiger Gemeinschaft fand und dieses auch lauthals verkündete, sehr zum Ärger des Vaters Gustav. Später, nachdem Cecilia in London hoch verschuldete, auch so ungewöhnlich nicht, gab sie den Gerüchten neuen Auftrieb. Nach Schweden zurückgekehrt, rüstete sie Seeräuber für ihre persönliche Hofhaltung aus, eine Haltung, die man der englischen Elisabeth nachsehen konnte, in Schweden empfand man es als unehrenhaft. Schließlich konvertierte sie zum Katholizismus, ein Vergehen, das ihr der evangelische Hofstaat verübelte. Die 1547 geborene Sofia wurde 1578 von ihrem Gemahl Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg offiziell verlassen, galt ebenfalls als gebrandmarkt ... Und auch das Schicksal der jüngsten Tochter, Elisabet, erschien manchem Höfling in vieler Hinsicht bemerkenswert, ein weiterer Beweis, daß Gott den Vasas zürnte. 1562, damals erst 13 Jahre alt, war sie Herzog Christoph von Mecklenburg verlobt worden. Und es war nun keineswegs der klugen Zurückhaltung der Vasa-Familie zuzurechnen, daß auf die Hochzeit gewartet werden mußte. Der Bräutigam fiel seinen politischen Gegnern in die Hände, wurde lange Zeit gefangengehalten, konnte erst 1581 die nun wesentlich reifere Elisabet heimführen. Das nun doch schon recht ältliche Mädchen mag selbst kaum Trost darin gefunden haben, daß Bruder Johann, damals König in Schweden, vorübergehend auch Eheprojekte mit König Heinrich 111. von Frankreich diskutierte. Elisabet wurde dabei nicht jünger und Königin von Frankreich schließlich auch nicht. Gebrochen war dagegen - wenn auch nur zeitweilig- der Verlobungsvertrag mit dem Mecklenburger. Im übrigen konnte Elisabet dann auch nur 11 Jahre als Herzogin in

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Gadebusch residieren, 1592 verschied der Gatte, sie kehrte zurück nach Schweden. Als sie 1597 kinderlos verschied, war man sich in manchem Priesterhof klar, daß auch dieses etwas mit den Sünden des Vaters zu tun hatte. Und so dachte auch mancher im Hochadel! Natürlich nahm man fleischliche Sünden auch unter den Edlen in Schweden nicht weiter tragisch. Schlimmer schon dachte man über jene Maßnahmen Gustavs I., die ins eigene adlige Fleisch schnitten. Niemand von jenen, die 1523 für die Königswahl des Vasa stimmten, wünschte einen Erbkönig. 1540 zeigte sich, daß man den "Erbkönig Christian" lediglich gegen den Eriksson Vasa eingetauscht hatte. Am 4. Januar dieses Jahres hatte sich Gustav I. in Örebro als Erbkönig huldigen lassen und auf dem Reichstag in Västeras am 13. Januar 1544 war diese Entscheidung bestätigt worden. Mit den Stimmen des Priesterstandes, der an die Stelle der früheren Bischöfe getreten war, konnte ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu einem frühabsolutistischen Staatsgebilde getan werden. Von nun an regierte König Gustav I. noch souveräner, befragte den Reichsrat immer seltener. Die "Erbvereinigung" - das entsprechende Schriftstück - hatte klar umrissen, daß Gustav Vasas Söhne "rechte Erbkönige zu Schwedens Krone" waren, 37 niemand mit der Wahl anderer Souveräne dieses Recht anzweifeln konnte. Ja, Gustav I. saß nun recht sicher auf dem Königsthron, brauchte auch das alte Volksaufgebot und die Waffendienste der adligen Vasallen kaum noch. Ein stehendes, kampferprobtes Heer schützte den Thron. An die Stelle deutscher Landsknechte waren schwedische Söldner getreten. Hier in Västeras wurde 1544 auch bestätigt, daß fortan jede Landschaft Schwedens eine bestimmte Anzahl ständig verfügbarer Kriegsknechte zu stellen habe. Mochten auch seine Feinde innerhalb und außerhalb Schwedens triumphiert haben, als der Schmalkaldische Bund - die Vereinigung der deutschen protestantischen Fürsten- 1538 den Beitritt Gustavs I. ablehnte, die Fortsetzung der Reformation und eine Annäherung des schwedischen Herrschers an die schmalkaldische Vereinigung nach 1540 konnten sie nicht verhindern. Letztendlich erwies es sich bei den Verhandlungen mit Kaiser Karl V. 1550 und 1551 als förderlich, nicht gar zu eng an die kaiserlichen Gegner gebunden zu sein. Andererseits mußte sich der alternde Vasa eingestehen, daß ihm gegen Ende seiner Herrschaft manches in Schweden gelungen war, die Furcht vor einem neuerlichen dänischen Angriff aber war geblieben, trotz zeitweiligem gemeinschaftlichen Vorgehens war kein dauerhaftes Bündnis mit Ko-

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penhagen geknüpft. Verbündete auf dem ,.Kontinent" hatte Gustav I. nicht finden können. Und neue Feinde waren an die Stelle Lübecks getreten. Die Auflösung des deutschen Ordensstaates hatte ein machtpolitisches Vakuum an der Ostsee erzeugt, Polen und Rußland, ebenso landhungrig wie Schweden und Dänemark, hatten ihre Interessen nachdrücklich angemeldet. Vor allem der russische Feudalstaat strebte nach besseren Handelsbedingungen, wollte seine Produkte den Engländern und Holländern möglichst gewinnträchtig verkaufen. Mochte Gustav I. zunächst auch beruhigt die Rivalität zwischen Polen und Rußland beobachten, mit Zar Ivan IV. saß seit 1547 ein energischer Gegenspieler auf dem russischen Thron. Und es war abzusehen, daß die anderen Mächte nicht tatenlos zusehen würden, wie Gustav I. versuchte, den russischen Warenstrom auf seinen Hafen Viborg und das gerade gegründete Helsingsfors - das heutige Helsinki - umzulenken. Er war in der Tat ein weitblickender kluger Rechner, Gustav I. Vasa. Schon damals dachte dieser König an eine Verbindung zwischen den beiden großen schwedischen Binnenseen Vänern und Vättern, wollte den gesamten Osthandel der Engländer auf diesem Wege nach Älvsborg an der schwedischen Nordseeküste leiten, den dänischen Öresundzoll umgehen. Solchen Plänen stand nicht zuletzt die neue russische Außenpolitik unter Ivan IV. entgegen. Äußerst beunruhigt registrierte Gustav I. den Aufmarsch russischer Truppen an Finnlands Grenze, sah sich seit 1555 im Krieg mit dem ständig wachsenden östlichen Nachbarn, konnte auch im Frieden zu Moskau 1557 keine verbindlichen Grenzregelungen vereinbaren. Der Konflikt schwelte weiter, wurde an den Sohn Erik vererbt, mußte von den Nachfolgern ausgefochten werden. Er war alt und müde geworden, er, Gustav Eriksson Vasa, König aus eigener Macht, Erbkönig in Schweden nun gar! Doch mehrten sich die Zeichen für künftige Unruhe im Reich. Die Zeitgenossen glaubten später, für 1559 viele unheilverkündende Vorboten erwähnen zu müssen. Da war in Stockholm eine gerade aufgeführte Mauer niedergestürzt, hatte mehrere Menschen unter sich begraben. Auch glaubte man, Himmelszeichen wahrzunehmen, die Böses ahnen ließen, hörte unerklärliche Töne in der Luft, bemerkte Wetterleuchten am Himmel, dazu Wetterkatastrophen mit tausenden toten Elchen, Überschwemmungen in Finnland. Und auch Gustav I. spürte

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sein Ende nahen. So soll er seinem Beichtvater zu Jahresschluß 1559 angekündigt haben, er wüßte, ihm bliebe nur noch ein Lebensjahr, er "sehe bereits in den Himmel hinein", fühle die Bewegung der Planeten in seinem Körper. 38 Und auch in seinen Briefen 1560 berichtete der König immer wieder über den körperlichen Zerfall, erwähnte schwere Krämpfe. Der ältesten Tochter schrieb er damals, "Wir befinden uns irgendwo schwach im Kopf und Magen, doch rührt es mehr von Kummer und Sorge her als von anderem". 39 Auch der Schwiegervater und ein Neffe empfingen ähnliche Mitteilungen. Zu Mittsommer 1560 trat König Gustav I. vor die Stände und hielt eine Abschiedsrede, duldete wenig später nur noch den Apotheker, den Barbier und den Beichtvater, Meister Hans, um sich. Von Fieber, Durchfall und Kopfschmerzen geplagt, bereitete sich Vasa auf das nahende Ende vor, berührt nun auch zunehmend von der Sorge, vor dem himmlischen Gericht nicht bestehen zu können. Immer häufiger litt der Herrscher jetzt unter Schlaflosigkeit, schlief er endlich doch, schüttelten ihn Angstträume. Beichtvater Hans wird mit einer gewissen Zufriedenheit den Tod am 29. September 1560 registriert haben. Gar zu beschwerlich war dieses nie ganz leicht zu nehmende Beichtkind in den letzten Wochen und Monaten gewesen. So scheint es doch etwas unwahrscheinlich, "daß niemals ein Mensch mit größerer Ruhe aus diesem elenden Leben verschied" 40 wie es Hans in seinen Aufzeichnungen vermerkte. Wir wissen nicht, ob der König tatsächlich so ruhig und würdig eingeschlafen ist, zu heftig war sein Temperament, zu groß die Schmerzen, zu umfangreich aber wohl auch die Liste persönlicher Schuld gegenüber Freunden, Vertrauten, Gegnern, schwer denkbar, daß der alte Mann ohne Angst vor göttlichen Strafen verstarb. Meister Hans wußte wohl, was er dem großen Vasa schuldig war, ein solcher Herrscher mußte in Frieden sterben. Für manchen schwedischen Historiker lebt er weiter als der bedeutendste König in der Geschichte des Landes. Das mag man anzweifeln, die Reihenfolge anders wählen. Es bleibt jedoch unumstritten, daß Gustav Vasa einen zentralisierten Staat mit wachsender Bindung an die kontinentalen europäischen Staaten zu Beginn des Frühkapitalismus schuf, dem schwedischen Handelskapital die Märkte Deutschlands, Englands und Hollands öffnete, den Bergbau und das Hüttengewerbe förderte, eine neuartige lokale und überregionale Verwaltung organisierte, bedeutende finanzielle Gewinne für den weiteren Staatsaufbau erwirtschaftete. Feudalem Denken verwurzelt,

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fundamentierte er die Grundlagen für den raschen Anschluß Schwedens an die höher entwickelten westeuropäischen Staaten im 17. Jahrhundert, bereitete eine neue Ära in der Geschichte des schwedischen Volkes vor, obwohl erst der Enkel das Land in die Reihe der europäischen Großmächte führte, die Schwächen seiner Söhne das Werk des Vaters gefährdeten.

Zeittafel der persönlichen Daten Gustavs I. Vasa 12.5.1496

Geburt auf Lindholmen oder R ydboholm nahe Stockholms

1503

Unterricht in Uppsala

1512

Höfling bei Sten Sture dem Jüngeren, Schwedens Reichsverweser

1518

Träger des schwedischen Hauptbanners in der Schlacht bei Brännkyrka gegen die Dänen

2. 10. 1518 1519

als Gefangener Christians II. nach Dänemark gebracht Flucht von Kalö-Schloß auf Jütland

30. 9. 1519

Ankunft des flüchtigen Vasa in Lübeck

31. 5. 1520

Landung bei Kalmar

1521 1. 1. 1521 29. 4. 1521 August 1521 6. 6. 1523

verschiedene Verstecke in Dalarna Wahl zum Landeshauptmann in Dalarna Sieg Vasas über ein dänisches Heer bei Västeras in Vadstena zum Reichsverweser Schwedens ausgerufen in Strängnäs zum König gewählt

17. 6. 1527

Vasa entmachtet die katholischen Bischöfe auf dem Reichstag zu Västeräs

12. 1. 1528

Krönung im Dom zu U ppsala

24.9.1531

Ehe mit Katharina von Sachsen-Lauenburg

Januar 1533

blutige Abrechnung mit Dalarnas Aufständischen

13. 12. 1533

Geburt Eriks

2.2.1534

Vasa vereinbart Allianz mit Dänemark gegen Lübeck

23.9.1535

Tod der Königin Katharina

1. 10. 1536

Ehe mit Margaretha Leijonhufvud

20. 12. 1537

Geburt Jobans

Zeittafel der persönlichen Daten Gustavs I. Vasa

4. 1. 1540

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Proklamation in Orebro als "Erbkönig"

März 1543

Sieg über den gefährlichen Opponenten, den Bauernführer Nils Dacke

13. 1. 1544

Anerkennung des Erbkönigtums durch den Reichstag in Västeras

4. 10. 1550

Geburt Karls

16. 8.1551

Tod der Königin Margaretha

22.8.1552

Ehe mit Katharina Stenbock

25.9.1544

Vasa beginnt den Aufbau einer starken Flotte

Sommer 1555 1557

Der Zar erklärt Vasa den Krieg Vasa vereinbart einen Waffenstillstand mit dem Zaren

25.6.1560

Abschiedsrede vor dem Reichstag

29.9.1560

Tod Gustavs I.

Erik XIV. - ein frühabsolutistischer Herrscher im Kampf mit seinem Hochadel In den ersten Oktobertagen 1560 erreichten die hastig reitenden Boten aus Stockholms Königsburg den Hafen Älvsborg am Skagerak. Eile war geboten, wollte man Kronprinz Erik noch im Lande erreichen. Gerade waren die Vorbereitungen für die große Reise abgeschlossen, lag das prächtige schwedische Kriegsschiff "Elefant" segelfertig auf der Rede, ausgerüstet, vollgetakelt, mit wohl gewählter Mannschaft versehen, sollte nach England segeln, Erik nach London zur Königin Elisabeth bringen. Heiraten wollte er, England an Schweden binden, so wünschte es schließlich auch der lange widerstrebende totkranke Vater, dachte es vor allem Erik. Deshalb sandte er der kühlen Engländerin zahlreiche Briefe, schrieb Gedichte, hielt in ganz ungewöhnlicher Korrespondenz um die Hand der Tudorfürstin an. Nun wollte er sie erobern, die Zögernde, durch seinen Charme besiegen ... Sie müsse warten, entschied Erik, der junge würdige Regent, bei dessen eingesandtem Porträt Elisabeth beeindruckt geäußert haben soll,

Erik XIV.

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wäre der junge Nordländer diesem Bilde wirklich ähnlich, so sei er unwiderstehlich. Das jedenfalls berichtete der schwedische Gesandte in die Heimat und Erik wollte es nur zu gerne glauben. Für einmalig hielt er sich, der neue König von Schweden, konnte kaum zweifeln, daß die Engländerio warten würde. Ihn jedenfalls trieb es vorerst zurück nach Stockholm, zur Krönung nach Uppsala. Zugegeben, sehr eilig hatte er es wiederum auch nicht, dem verstorbenen Vater noch einmal ins tote greise Antlitz zu blicken. Mochte Bruder Johan alles ordnen, er, Erik, genoß derweil auf der Heimreise die Huldigungen als Erbkönig, als neuer Monarch aus dem Hause Vasa. Fast zwei Monate benötigte er für die etwa 500 Kilometer von Älvborg nach Stockholm. Tatsächlich war das Verhältnis zwischen Vater und Sohn in den letzten Jahren nicht mehr das beste gewesen. Äußerst verstimmt hatte der in Kalmar residierende Erik zu Mitsommer dieses Jahres dem während des letzten Reichstages von Gustav Vasa verlesenen Testament entnehmen müssen, daß der Vater bei seinem Entschluß geblieben war, die Brüder zu Herzögen zu erheben, sie ihm als relativ souveräne Herren an die Seite zu stellen. In brüderlicher Eintracht und Verantwortung sollten sie gemeinsam das Land Schweden regieren und mehren. Erik war nicht so naiv, in der Einsetzung seines Halbbruders Johan als Herzog von Finnland keinen gefährlichen Nebenbuhler um die Macht im Reich zu sehen. Die beiden anderen aus der zweiten Ehe des Vaters, der offensichdich schwachsinnige Magnus und der noch minderjährige Karl von Södermanland, mochten vorerst bedeutungslos sein, später aber könnte auch in Karlein weiterer Kontrahent entstehen, das ließ sich erahnen, mußte so werden. Nein, der gestrenge Herr Vater hatte ihm hier, so meinte Erik, nicht viel Gutes getan, die Abneigungen gegen die Mutter, Katharina von Sachsen-Lauenburg, deutlich spüren lassen. Andererseits konnte und wollte Erik keineswegs behaupten, Gustav Vasa hätte die väterlichen Pflichten gegen seinen Erstgeborenen vernachlässigt . . . Sehr früh bereits ließ König Gustav I. den am 13. Dezember 1533 geborenen Erik auf die Aufgaben als künftiger König in Schweden vorbereiten, für ein Herrscheramt, das unantastbar sein sollte, göttlich legitimiert in den Augen der Umwelt. Ganz dieser Verantwortung für den Sohn lebend, unternahm Gustav I. vieles, jegliche Opposition gegen seine Machtfülle und das Erbkönigtum auszuräumen.

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Im Kampf gegen den rebellierenden Adel und die entmachteten Kirchenfürsten stützte sich König Gustav I. wieder und wieder auf jene Kräfte, die an einem zentralisierten Nationalstaat interessiert waren, konnte das, weil nicht wenige der alten mächtigen Hochadelsgeschlechter durch Christian II. vernichtet, andere als Parteigänger des Dänen außer Landes flüchten mußten, Bürger und vor allem die streitbaren Bauern die Krone in diesem Kampf unterstützten. Er scheute sich andererseits nicht, dann im Bündnis mit dem erschreckten Adel jene zu zerschlagen, auf deren Waffen sich sein Triumpf gegen frondierende Adelsgruppen aufbaute. Gustav I. Vasa hatte durch seine Handelspolitik nicht allein die eigene Kasse gefüllt, zweifellos das eigentliche Anliegen des königlichen Kaufmanns auf dem schwedischen Thron, er förderte auch die Entwicklung nationaler Marktbeziehungen im Lande, dirigierte neuartige gewinnbringende Ansätze in der Warenproduktion der einheimischen Montangewerke. Doch kontrollierte er die Wirtschaftsentwicklung mit stark reglementierender Hand, hinderte beispielsweise den regionalen Fernhandel mehr als er ihn unterstützte, schimpfte die eigenen Kaufleute dumm und unfähig. Und doch, J an Peters ist zuzustimmen, daß sich Schweden "unter Gustav Vasa stärker als je zuvor zum zentralisierten Feudalstaat wandelte", 1 das königliche Finanzinteresse alles begünstigte, "was mit Geld, Handel und Wirtschaft zusammenhing". 2 Aber natürlich war dieser Staat keine analoge Entsprechung zu Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und England mit frühkapitalistischen Tendenzen im 16. Jahrhundert, konnte bestenfalls ein spätfeudales zentralisiertes Reich mit ersten Ansätzen einer auf den europäischen Markt strebenden Warenproduktion in bestimmten - für die europäische frühkapitalistische Entwicklung sehr wichtigen - Wirtschaftszweigen genannt werden. So gesehen war der Boden wenig fruchtbar, frühabsolutistische Strukturen durchzusetzen, trotz der Erfolge Gustavs I. Vasa auf dem Wege zu eigener Machtfülle, vor allem das Produkt geschickter Drohgebärden, wiederholter Rücktrittsankündigungen im rechten Augenblick und selbstgefällig verlauteter Versicherungen seiner Verdienste um Schwedens Volk, ein Instrumentarium, das Erik kaum verfügbar sein würde. Hier konnte auch der Vater nicht helfen. Ein zahlenmäßig starkes frühkapitalistisches Handelspatriziat als interessierter Helfer gegen den keineswegs domestizierten Adel existierte bestenfalls in Stockholm, das Bergunternehmertum entwickelte sich

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erst, basierte gewöhnlich noch auf bäuerlichen Bergleuten, war noch nicht jenes "brukspatronat" des folgenden Jahrhunderts. Noch existierte hier kein neuer Adel aus nobilitierten ausländischen Handelskapitalisten und einheimischen Großkaufleuten, wandte sich der schwedische Altadel noch nicht der gewinnträchtigen Produktion von Eisen und Kupfer zu. Der modernen Historiographie fällt es leicht zu folgern, daß Erik sich bald in harten Auseinandersetzungen mit den hochadligen Gegnern königlicher Souveränität finden mußte. Erik konnte sich nur auf jenes stützen, was der Vater mit Geduld und Schläue aufbaute, dem Sohn vererbte, dazu noch ein schwaches Bergunternehmertum, welches jedoch ein Zurück in das alte feudalanarchistische Schweden der VorvasaPeriode nicht dulden durfte, weiter ein Bauernstand, der in Feudalisierungsbestrebungen des schwedischen Hochadels größere Gefahren sehen würde als in Willkürakten eines mehr oder weniger absoluten Herrschers. In der Tat hatte Vater Gustav Vasa alles getan, dem Sohn Perspektiven vorzuzeichnen. Erik war, darüber konnte kein Zweifel herrschen, ein geistig überaus reger Knabe gewesen, brachte natürliche Veranlagungen mit, den Weg fortzusetzen, den Gustav I. zu bahnen begann. Und auch das konnte niemand leugnen, König Erik XIV. glaubte aus tiefer Überzeugung, seine Maßnahmen, die Machtvollkommenheiten seines Herrscheramtes auszubauen, seien rechtens. Ihm schien, der Zweck heilige die Mittel, Aufgabe des Herrschers wäre die Stärkung des Staates, was immer das auch an Unrecht und Willkür für den Einzelnen bedeuten könnte. Er lebte in einer Zeit, da viele herrschaftliche Berater Machiavellis Überlegungen von fürstlicher Souveränität jenseits moralischer Skrupel und Bedenken allein im Sinn einer so verstandenen Staatsraison interpretierten. Und auch das vermerkten zahlreiche Zeitgenossen, Erik XIV. war klug genug, solche Gedanken zu zitieren, seine Weisungen zu rechtfertigen, die frühabsolutistischen Ansätze in der Politik des Vaters aufzugreifen. Ehrlich beeindruckt schrieb der französische Humanist Hubertus Languetus 1559, der "ungewöhnlich begabte" Erik spreche "Latein, nicht einfach nur fließend, sondern auch elegant, und er hat, scheint es, ein lebendiges Redetalent". Ebenso majestätisch wirke er äußerlich, sei "von geradem und stattlichem Wuchs mit heller Haut", könne sich bewegen, ein wirklicher Regent. 3

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Wie kaum ein anderer Fürst seiner Zeit schrieb Erik XIV. zahlreiche Briefe und füllte Tagebücher, Quellen von unschätzbarem Wert für ein realistisches Urteil über diesen Herrscher, dessen Bild durch die Darstellungen seiner Gegner mehr als verdunkelt scheint, dessen Erinnerung im schwedischen Volk aber bis heute -wohl auch wegen seines unglücklichen Endes, mehr noch wegen seiner Kämpfe mit dem Hochadel - sehr lebendig ist. Schon die Zeitgenossen an den europäischen Höfen wie auch in Schweden beschäftigten sich intensiv mit der widersprüchlichen Persönlichkeit des neuen Monarchen. Bereits als Kronprinz lud Erik an seinen Hof nach Kalmar Künstler, malte selbst, komponierte, sang, züchtete fremdartiges Getier, eine Renaissance-Persönlichkeit, wie die moderne schwedische Geschichtsschreibung Gustav Vasas Sohn wertet. Neben Latein beherrschte er Griechisch, sprach Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Finnisch, interessierte sich für Geschichte und Geographie, galt als genialer Mathematiker und Logiker, hatte Jura, Wirtschaftsführung und Militärwissenschaften studiert, schien wie vor ihm kein anderer Herrscher Schwedens für die Regentschaft geeignet. Andererseits beklagten Höflinge und Gesandte schon früh das unstete Wesen, das krankhaft entwickelte Mißtrauen der Vasa bei Erik. Eine ausführliche, jedoch wohl wenig objektive Schilderung des jungen Herrschers wurde Ende 1563 von seinem Schwager, dem Pfalzgrafen Georg J ohann, überliefert. Sonderlich gewogen scheint der Pfälzer dem Schweden nicht gewesen zu sein. Hier dominieren Beschreibungen der negativen Charakterzüge Eriks XIV. Er sei "spitzfindig und vertraut niemandem. Er ist auch unbeständig in allem seinen Tun. Seine ältesten und vornehmsten Ratgeber hat er verabschiedet". 4 Auch habe er die einzige T achter seines Admirals vedührt, während dieser ihm Sieg auf Sieg erringe. Die Frage stellt sich, ob der Seeheld darin einen Widerspruch, einen Verrat des Königs an seiner Familie gesehen hat. Dem Pfalzgrafen jedenfalls schien dieses wohl damals kaum sonderlich bemerkenswerte Ereignis immerhin so gewichtig, daß er es in eine Reihe mit Bemerkungen über die Kriegsstrategie des Königs stellte. Angeblich hatte Erik XIV. dem Pfalzgrafen enthüllt, er wolle ganz Schweden verbrennen, wenn er die kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem dänischen Nachbarn nicht anders gewinnen könne. Georg Johann war Erik XIV. ein Tyrann, der- wie der Pfalzgraf empört schloß- "allzeit frisches Fleisch und schöne Frauen" benötigte, 5 einer überdrüssig geworden,

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entledige er sich ihrer, indem er sie an seine Gefolgsleute weiterreiche ... so jedenfalls steht es in dem Papier des pfälzer Schwagers. Ganz sicher blieb Erik XIV. dem Pfalzgrafen auch wirklich unheimlich in der Konsequenz seiner Deutung vom Recht des Herrschers. Die "Vernichtungsstrategie" in der Kriegführung des schwedischen Königs, das Streben, dem Feind keine Lebensbasis zu überlassen, dafür die eigenen Bauern und Bürger zu opfern, deren Vorräte und Häuser zu vernichten, entsprachen Eriks XIV. Überzeugung, das Wohl Schwedens bestimme sich aus seinen Interessen, verständlich, daß solche EntscheidungenUnwillen und wohl auch Entsetzen bei vielen Zeitgenossen hervorriefen. Doch sollte nicht vergessen werden, diese boshafte Analyse schrieb ein deutscher Territorialfürst. Georg Johann verband gewiß Sympathien für den Kampf des schwedischen Hochadels um dessen Privilegien mit der Ablehnung jeglichen absolutistischen Strebens, zielte auch auf das eigene Kaiserhaus. Die Hervorhebung, Erik habe die "vornehmsten" Ratgeber entfernt- zweifellos auf entmachtete hochadlige Reichsräte bezogen - deutet wohl eine Parteinahme im Ringen Eriks XIV. gegen die hochadlige Opposition an. Wen will es wundern, daß der Schwager den Herrscher auch sonst nicht loben wollte! "So geschickt und klug er ist, so ist er doch andererseits sehr komisch, unbeständig und mißtrauisch, dabei auch so macht- und ehrlustig." 6 Ja, machtbesessen war er wohl, der König Erik XIV. Auch da war er der Sohn seines Vaters, dem Erik am 17. Dezember 1560 ein prunkvolles Begräbnis ausstattete. Gemeinsam mit dem königlichen Leichnam wurden auch die Sarkophage der beiden früher verstorbenen Gemahlinnen Gustav Vasas, die bisher in Stockholms großer Stadtkirche standen, nach Uppsala in den Dom überführt. Drei Tage währte der Trauermarsch, dem Erik XIV., hinter ihm die drei herzöglichen Brüder, die Königswitwe, die Prinzessinnen, der Hofstaat, der Reichsrat, Adel, Geistlichkeit, Bürger und Bauern folgten. Gustav Vasas Chronist, Peder Svart, hielt die Leichenpredigt, war ja auch besser als jeder andere geeignet, das vorzutragen, was Gustav I. Vasa bei seiner Bestattung gewünscht hatte. Es war ein würdiges Zeremoniell, das der neue Regent dem Vater und sich bereitete. Svante Sture aus dem berühmten hochadligen Geschlecht trug das Reichsschwert, stieß es dreimal auf den steinernen Kirchenboden und rief mit lauter Stimme, König Gustav sei tot, übergab dann Erik- der schon zu Lebzeiten des Vaters den Titel "auserkorener König" führte 7 - symbolisch das oberste Machtinstrument Schwedens,

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vielleicht schon fürchtend, daß Erik entschlossen war, es auch gegen ihn und seinesgleichen zu handhaben. Erhalten blieb das Register über all jene Gegenstände, die König Erik XIV. für die feierliche Krönung in Auftrag gab, dokumentieren wollte, wie souverän diese Krone war. Niederländische Goldschmiede fertigten die Krone, das Zepter, den Reichsapfel und einen Reichsschlüssel für das Zeremoniell am 29. Juni 1561 im Dom zu Uppsala. Jahrhundertelang wurden Schwedens Könige dann mit Eriks Krone geschmückt. Besonders originell wurde der Reichsapfel gestaltet, ein Globus mit der damals bekannten Erde, über 16 cm im Durchmesser, heute mit den anderen Reichsregalien im Safe der schwedischen Reichsbank gehütet. Nach dem Krönungseid, der Salbung, Kleidung mit dem eigens geschaffenen Königsmantel und der Krönung durch den Erzbischof hatte ein Herold laut verkünden müssen, nun sei "der großmächtigste, hochgeborene Fürst und Herr Erik XIV. gesalbt und zu Schwedens König ausgerufen" und ein vielstimmiger Chor der Anwesenden geantwortet: "Gott gebe unserem König Glück und Seligkeit". 8 Glück brauchte er wohl mehr als andere, der neue König in Schweden, und die Kanonenschläge des Königssaluts mögen so manchem prophetisch in den Ohren geklungen haben. Krieg zeichnete sich ab, nach innen und nach außen. Zwar hatte Erik XIV. auf dem großen Festessen zu seiner Krönung noch am 13. Juli dem preußischen Gesandten Georg Gabelentz verkündet, er würde einen Krieg gegen die gefährlichen Türken zu Ehren Gottes führen, doch deuteten alle Zeichen zunächst auf eine Auseinandersetzung mit den Dänen und weitere Verwicklungen im Ostseeraum hin. Als die Truppen Ivans des Schrecklichen 1558 Narva am Finnischen Meerbusen eroberten, zahlreiche Kaufleute sofort diesen neuen Weg ins Innere Rußlands nutzten, reagierten die baltischen Handelsstädte, suchten Livland und Kurland Schutz vor der neuen Ostseemacht, wollten alte Rechte unter der polnischen und dänischen Krone gegen die russischen Bestrebungen sichern. Als in Stockholm verlautete, Reval habe dem alten Dänenkönig Christian III. das Angebot unterbreitet, Schutztruppen des Inselreiches aufzunehmen, hatte Gustav I. den Sohn bereits 1558 gefragt, ob es nicht besser sei, schnell zu handeln, "dem Hund zur Zeit das Stück zu nehmen, als von ihm gebissen zu werden"? Wie der Vater wollte Erik

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beizeiten Reval besetzen, konnte das 1561 auch ohne Zögern, da Christian III. auf Reval verzichtete. Der Däne wollte keinen neuen Konflikt mit dem schwedischen Nachbarn, anders der künftige Nachfolger, Prinz Friedrich, der sich nur verärgert dem Vater beugte. Der Zusammenstoß schien unausweichlich, auch der dänische Reichsrat wünschte den neuen Krieg. Vorerst aber schien Zeit gewonnen, die Erik XIV. erneut für seine schwärmerische Freierei um Elisabeth nutzen wollte. Mitte Mai 1561 stach er von Älvsborg aus in See. Ein heftiger Sturm zwang den jungen Herrscher, in Höhe des dänischen Skagen wenden zu lassen. So groß war denn die Leidenschaft nun auch wieder nicht, daß Erik der Seekrankheit trotzen wollte. Heimgekehrt nach Schweden, wünschte er jetzt über Dänemark, Deutschland und die Niederlande zu reisen, erst dann den kurzen Weg über den Kanal nach England zu segeln. T eure Geschenke und hingebungsvolle Liebesbriefe sollten Englands Regentin weiterhin gewogen halten, selbst vor einem Mordbefehl gegen einen vermeintlichen hochadligen englischen Rivalen schreckte Erik XIV. damals nicht zurück, ein romantischer Jüngling auf dem schwedischen Thron? Wohl kaum, und doch, die Antwort fällt schwer. Sicher ließ Eriks Überzeugung, ein ganz besonderer Mensch zu sein, den Verzieht zugunsten eines anderen nicht zu, glaubte er, seine Wünsche um jeden Preis durchsetzen zu dütfen, vielleicht schon ein Zeichen künftiger geistiger Verwirrungen. Andererseits leitete ihn eine "höhere Idee": Das isolierte Schweden brauchte Englands Hilfe. Aber es war ihm zweifellos ernst, hatte sich der König wirklich in dieses Heiratsprojekt auch persönlich verstrickt, sah wohl eine Abweisung als empfindliche Kränkung, glaubte, die Schmach nicht ertragen zu können. Gleichzeitig führten seine Gesandten jedoch weitere Eheverhandlungen, beispielsweise mit der schönen Schottin Maria Stuart, eine Maßnahme, die Elisabeth sofort verärgert handeln ließ, ihr wohl den gewünschten Grund lieferte. Eine höfliche, aber bestimmte Absage an Eriks Hochzeitswünsche war die Folge. Die Forderung an Nils Gyllenstierna, seinen Gesandten in London, die Bemühungen bei Elisabeth zu erneuern, erweiterte Erik gleichermaßen nun auch um Anfragen an den hessischen Hof. Prinzessin Christines Vater, Landgraf Philipp, nickte bereits, die neunzehnjährige Braut sollte im Frühjahr 1563 in Rostock abgeholt werden, da scheiterte auch dieses Projekt. Offiziell wurde Eriks XIV. Wunsch auf einen Bündnisvertrag Hessens mit Schweden

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gegen Dänemark als Grund für Philipps Entscheidung angegeben, vertraulicher, und durchaus verständlich, waren weitere Gründe. Dänische Kaperer hatten einen Brief Eriks XIV. an Elisabeth von England erbeutet, worin der Schwede der Königin in gefühlvollen Worten bedeutete, die Werbung um Hessens Christine sei so ernst nicht gemeint, nur ein Druckmittel, um sie, Elisabeth, zum Nachgeben zu veranlassen. Der neue dänische König, Friedrich II., ließ dieses sehr persönliche Schreiben Eriks an die Hessen weiterleiten, kaum die feine Art! Liest man in diesem Zusammenhang noch die Charakteristik des Pfalzgrafen, ahnt, daß dieser seine Auffassungen auch in Hessen bekannte, dann blieb Philipp wohl kaum eine andere Entscheidung, als das schwedische Heiratsangebot abzulehnen. Georg Johann war nämlich überzeugt, König Erik XIV. "wird wahrscheinlich die Werbung um die Tochter des hessischen Landgrafen nicht erfüllen .. . Er soll auch gesagt haben, daß er, wenn sie nicht schön ist, sie einem anderen geben will." 9 - Möglicherweise nur Worte, gedankenlos dahin gesagt, vielleicht auch nur als Spaß gedacht, kaum wirklich ernst gemeint, wenn sie denn überhaupt so geäußert wurden. Andererseits, auszuschließen als eventuelle Tat bei einem fast absolut regierenden Herrscher im Zeitalter Heinrichs VIII. waren sie wohl doch nicht! Den Ruf Eriks XIV. als seriösem Freier jedenfalls waren Gedanken dieser Art wohl kaum förderlich. So war wahrscheinlich auch der letzte größere Versuch, am Iothringischen Hof doch noch eine Frau zu gewinnen, bereits zum Scheitern verurteilt, bevor der Brautwerber, Nils Sture, seine delikate Mission begonnen hatte. Mißmutig war er ohnehin, der Graf aus dem alten hochadligen schwedischen Geschlecht, der für seinen König freien sollte. Es war zweifellos kein Zufall, daß sich König Erik XIV. nun an Christina von Lothringen wandte. DieTochter des einstigen Dänenkönigs Christian II. träumte wohl gelegentlich die Pläne ihres Vaters, wünschte Dänemark, Norwegen und Schweden in ihrer Hand vereint. Der inzwischen im offenen Konflikt mit Dänemark liegende Erik XIV. würde durch die Ehe mit der Tochter Renate von Lothringen einen juristischen Anspruch für die Erben formulieren, vielleicht selbst nach der Krone in Dänemark streben können. Christina von Lothringen kam damit jedoch kaum auf den Stuhl des gestürzten Vaters, Grund genug für sie, das Projekt nicht sonderlich ernsthaft zu fördern. Im übrigen blieb Erik XIV. auch diesmal ein unsicherer Ehekandidat. Der

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anspruchsvolle Freier ließ sich wiederum vorher berichten, ob das "Fräulein wohlbehalten und gesund, nicht zu mager ... wohl gewachsen" sei. 10 Insbesondere fürchtete Erik XIV. - möglicherweise nur schlecht informiert -, die Prinzessin könne durch die Überfahrt nach Schweden unfruchtbar werden. Vielleicht war auch das schon ein frühes Zeichen der bald ausbrechenden Geistesverwirrung, dokumentierte deutlich, daß dieser so selbstherrliche Herrscher auch in seinem Kampf gegen den eigenen Hochadel unberechenbar, schwankend, ja, kaum fähig sein würde, zielgerichtet das Werk Gustav I. Vasa fortzuführen. Es scheint sicher, daß sich in diesem Hin und Her der Eheprojekte bereits alle Schwächen des zunächst so souverän thronenden Eriks XIV. offenbarten. Ein solcher Herrscher war kaum berufen, seinen widerstrebenden Adel in die Knie zu zwingen, fand - selbst unzuverlässig keine Bündnispartner im In- und Ausland. Wahrscheinlich betrachtete auch die gut informierte Christina von Lothringen Eriks Antrag nur als eine Variante im europäischen diplomatischen Spiel, erwog sie tatsächlich nur als Möglichkeit für einen eigenständigen Anspruch auf den dänischen Thron, suchte eine Verbindung mit Schweden nicht ernsthaft. Für König Erik XIV. war das Mißlingen dagegen der sichtbarste Beweis einer hochadligen Verschwörung gegen ihn und das Haus Vasa. Die Feinde seiner Familie, so glaubte der König ernsthaft, trug es auch den Ständen vor, strebten nach einer Restaurierung der Macht der Sturefamilie, wollten erreichen, daß "das Geschlecht des seligen Königs Gustav ausgerottet werden sollte". Möglich, daß der vorher von Erik XIV. gedemütigte Nils Sture in Nancy das seine tat, diesen Ehevertrag zu verhindern. Die Schuld aber lag doch vor allem beim König selbst. Eine Polin aus dem Hofstaat der Katharina Jagellonica, der Gemahlin des Bruders Johan, schrieb damals zutreffend, zwar schicke der Herrscher Angebote über Angebote an alle europäischen Höfe, "um zu sehen, ob nicht irgend eine ihm gefallen könne. Aber bei allen fände er Fehler: eine war zu bleich, eine andere zu mager, eine dritte zu weiß, eine vierte zu schwach - keine war gut genug für ihn". 11 Tatsächlich fand er die richtige Frau erst im schwedischen Volk, eine Entscheidung, die diesen König vor allem unter den schwedischen Bauern und Bürgern ungewöhnlich populär werden ließ.

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Nicht, daßer-wie auch andere Renaissancefürsten-früher Frauen des Volkes verschmähte. Das verübelte ihm der schwedische Adel kaum. Das erste Kind, eine Tochter, gebar ihm eine Mätresse, die Bürgerstochter Agda Persdotter aus Stockholm, kaum ein Grund besonderer Aufmerksamkeit in Schweden. Anders wurde es mit Karin Mansdotter. Bis in unsere Tage lebt im schwedischen Volk die Erinnerung an Eriks Verhältnis zu ihr. Die Legende hat wahrscheinlich die Beziehungen zu dieser ungewöhnlichen Frau verklärt. Es scheint fast unvorstellbar, daß die im Juli 1568 gekrönte Karin Mansdotter tatsächlich die Tochter eines einfachen Soldknechtes oder eines Büttels gewesen sein soll. Ebenso unglaublich klingt die Geschichte vom nüsseverkaufenden kleinen Mädchen auf dem Stockholmer Markt, von dessen kindlicher Anmut Erik XIV. so verzaubert gewesen wäre, daß er sie an den Hof holte, eine Art reales Aschenputtelmärchen? Ja, auch das ist bei einem Erik XIV. nicht völlig auszuschließen! Andererseits hat die schwedische Historiographie trotz intensiver Bemühungen bis heute nur sicherstellen können, daß Karin Mansdotter als "armes junges Mädchen"- zu ihrer Hochzeit mit König Erik 1568 waren mehrere bäuerliche Verwandte geladen, vielleicht doch ein Hinweis auf die bäuerliche Herkunft Karins-bei Eriks Schwester Elisabet "Kammerjungfrau" wurde, dort gemeinsam mit der Vasa-Tochter "eine ausgewählte Erziehung" erhielt, 12 lesen und schreiben lernte. Doch war es offenbar Karins besondere Ausstrahlung, die König Erik XIV. anzog, die junge, hochgewachsene, üppige Schönheit bald zur ersten und schließlich einzigen Favoritin werden ließ. Bei ihr fand Eriks "unstetes Herz Ruhe vor der Macht böser Gedanken", 13 wie es der schwedische Historiker Carl Grimberg in der populärsten Kulturgeschichte Schwedens formulierte. Als König Erik XIV. von der Ständeversammlung 1566 endlich die Zustimmung erhielt, seine Frau auch im schwedischen Volk- egal, aus welchem Stand - auswählen zu dürfen, hatte ihm Karin bereits, noch vor Vollendung ihres sechzehnten Lebensjahres, die Tochter Sigrid geboren. Ein halbes Jahr vor der Hochzeit im Juli 1568 wurde der Sohn Gustav Eriksson geboren. Manche Zeitgenossen wußten sich Eriks Entscheidung für Karin Mansdotter nur durch Zauberei und Liebestränke zu erklären. Den Mythos der Hexenkunst mag noch das ungewöhnliche Vermögen der

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jungen Frau begründet haben, Eriks ungestüme Sinne lenken zu können, ihn 1568 aus längerer tiefer geistigerUmnachtungSchritt für Schritt zurückzuholen. Doch liegen auch Dokumente gebildeter Ausländer vor, die ein höchstinteressantes Karin-Bild vermitteln. Der französische Gesandte berichtete damals nach Paris, man sage, "daß sie eine sehr tüchtige Frau sei, die fast jedem in seiner Not helfe und die viele unschuldige Personen vor der Hinrichtung bewahrt habe", auch manchen Gefährdeten rechtzeitig warnte. 14 Weitere Zeugnisse einer ungewöhnlichen Freundlichkeit und Güte gegen jedermann ergänzen dieses Bild, erklären vielleicht, warum man Karin Mansdotter auch nach Eriks Sturz schonte, König Johan III. ihr sogar den Königshof Liuksida in Finnland am Strand bei Roine überließ, die Tochter Sigrid in den finnischen Altadel einheiraten konnte. Allerdings ließ Johan III. Eriks Sohn Gustav, den eigentlichen Thronerben, in Polen als Katholiken und Jesuiten erziehen, wohl auch - selbst wenn man J ohans Toleranz gegenüber dieser Religion berücksichtigt - kein ganz uneigennütziger Zug des neuen Herrschers. Und er war erfolgreich! Zar Boris Godunov bemühte sich 1599, Gustav Eriksson in Rußland zu bewegen, seinen Anspruch auf das schwedische Erbe zu verkünden, ließ ihn wieder fallen, als sich der gläubige Eiferer nicht vom Katholizismus lösen wollte, eine Voraussetzung für die schwedische Krone. In der kleinen Stadt Kasjin, etwa 150 Kilometer nördlich Moskaus, verstarb Gustav Eriksson, politisch unbedeutend, im Jahre 1607. Zu dieser Zeit war es König Karl IX. bereits gelungen, Schwedens Stellung im Ostseeraum auszubauen, war greifbar nahe, was Erik XIV. bis 1568 nicht erreichen konnte. Damals, im Sommer dieses Jahres, lehnten es die Herzöge J ohan und Karl ab, Eriks XIV. Vermählung mit Karin Mansdotter zu feiern. Selbst Gustav II. Adolf glaubte, in dieser Eheschließung die Ursachen für den Sturz Eriks sehen zu müssen. In seinem Versuch einer schwedischen Geschichte schrieb er, der "Adel scheute davor zurück, einer solchen Königin zu dienen, die Herzöge konnten es nicht dulden, daß eine Dirne zu ihrer Schwägerin gemacht wurde" . 15 Unmittelbar nach der Krönung der Frau aus dem einfachen Volk riefen beide den Aufstand in Östergötland aus, eroberten bald darauf Vadstena, zogen im September 1568 in Stockholm ein, nahmen König Erik XIV. gefangen. Sicherlich haben Johan und Karl die Verbindung des Bruders mit Karin als Schmach für die Vasa empfunden, die Gründe für die Erhebung aber lagen tiefer, Gustav II. Adolf sollte es eigentlich besser gewußt haben.

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Schon Gustav I. Vasa hatte Schwedens Isolierung gefürchtet, erwartete beständig einen neuen Krieg mit Dänemark und Lübeck. Mit Schwedens Einmarsch in Reval1561 durch Erik XIV. begann der Kampf um das "Dominium maris Baltici", um die Ostseeherrschaft, war unvermeidlich geworden, auch wenn die Kriegshandlungen erst einige Jahre später eröffnet wurden. Den ersten, Schwedens Wirtschaft schmerzlich belastenden Höhepunkt dieses mehr als 150 Jahre währenden Ringens brachte der Nordische Siebenjährige Krieg. Anfang August 1563 verlasen die dänischen Herolde vor König Erik XIV. im Stockholmer Schloß König Friedrichs II. Kriegserklärung, zeitgleich überbrachten Lübecker Abgesandte den Bürgermeistern auf dem Stockholmer Rathaus die Kampfansage der Travestadt. Den Krieg wünschten sie alle, Dänemark, Lübeck und Schweden. Erik XIV. erstrebte die Beherrschungen der Handelswege von Rußland über die Ostsee, während Lübeck seinerseits die Bestätigung früherer Machtpositionen erhoffte. Friedrich II. verband mit seinen kriegerischen Aktivitäten Hoffnungen auf eine Erneuerung dänischer Rechtstitel auf die Krone Schwedens, wollte das einstige Unionskönigtum wieder errichten, da anknüpfen, wo Christian II., wo der Großvater Friedrich I. und Vater Christian III. an dem großen Vasa scheiterten. Kaum hatte Friedrich II. Schwedens Wappen, die drei Kronen, in sein Siegel aufnehmen lassen, antwortete Erik XIV. mit dem Befehl, die drei nordischen Löwen, das Wappen Dänemarks, in das seinige zu malen. Beide Könige bekundeten solcherart ihren Anspruch auf ein nordisches Großkönigtum. Abgesehen von der Besatzung Revals, war Erik XIV. keinesfalls schuldlos an der Zuspitzung des Konflikts, seine Antwort die Reaktion auf Provokationen durch König Friedrich II. Schon am 30. Mai 1563 griff eine schwedische Flotte ein dänisches Geschwader bei Bornholm unter nichtigem Vorwand an. Schwedens Herrscher vertraute, daß die intensiven Seerüstungen des Vaters Schweden ein Übergewicht auf der Ostsee sicherten. König Eriks XIV. Idee kombinierter See- und Landangriffe auf das dänische Blekinge konnte aber auch während der nächsten Jahre nicht umgesetzt werden. Der baldige Fall der hervorragend ausgerüsteten schwedischen Nordseefestung Älvsborg, der Einmarsch eines größeren, kriegsgeübten dänischen Söldnerheeres, unfähige schwedische Heerführer und Auseinandersetzungen Eriks XIV. mit dem Bruder Johan um die Souveränität des Herzogtums Finnland erschwerten die schwedische Kriegsführung. Verheerungsfeldzüge, ab-

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wechselnd durch schwedische und dänische Landschaften getragen, verschlechterten die Lebensbedingungen der Bauern, Bürger und kleinen Adligen beider Staaten. Einem schwedischen Seesieg am 7. Juli 1565 bei Bornholm folgte ein dänischer Erfolg in Halland am 20. Oktober des gleichen Jahres. Nach weiteren wechselnden Triumphen verfiel König Erik XIV. im Mai 1567 in tiefe geistige Umnachtung, mußte der schwedische Reichsrat die weitere Kriegsführung organisieren, kamen Gegner des Königs in die Regierung, die Eriks XIV. absolutistische Tendenzen ablehnten, die Macht des Herrschers beschneiden wollten. Die sogenannten Sturemorde König Eriks XIV. bestärkten sie in ihrem Streben, sicherten ihnen breite Zustimmung im Adel und im reichen Handelsbürgertum. Im Sommer 1566 sollen sich auf einer Schäreninsel adlige Frondeure getroffen haben, unter ihnen auch Karl, der junge Herzog von Södermanland, wenigstens behaupten es einige Historiker, andere zweifeln, daß es eine solche Zusammenkunft überhaupt gab, nennen alles ein Produkt der Einbildung Eriks und schreiben entsprechende Geständnisse der Folter zu. Natürlich, Gegner hatte Erik XIV. zweifellos, der Haß auf den Vertrauten des Königs, Göran Persson, ·und den "Obersten Gerichtshof" -eine Analogie zur "Star chamber" des ersten Tudor -,in Schweden das Organ zur Beseitigung aller, die Eriks XIV. Herrschaftsformen ablehnten, einte sie. Perssen und der Gerichtshof müssen fort, das mögen viele gedacht, manche auch geäußert, wenige nur werden es ernsthaft versucht haben, die Machtfülle des Vasa-Sohnes hinderte sie alle an wirklichen Aktionen. Niemand wagte ernsthaft zu opponieren, als ErikXIV. das väterliche Testament kurzerhand änderte, die Macht der Brüder beschnitt. Und auch die Ratsmitglieder beugten sich gewöhnlich den Fesdegungen des Königs, lernten schnell. Manche vorsichtige Opposition wurde schon im Keim erstickt, bis 1567 sprach der Gerichtshof etwa 300 Todesurteile aus, die jedoch häufig in Geldstrafen umgewandelt wurden. Freunde gewann Erik XIV. mit solchen Willkürentscheidungen allerdings kaum. Als besonders lästig empfanden die oft wenig gebildeten Aristokraten die berechtigte Forderung des Herrschers, die Adelsprivilegien durch Leistungen im Staats- und Kriegsdienst zu rechtfertigen. Als der König auch deshalb Todesurteile aussprechen und Lehen einziehen ließ, fühlten sich viele Adlige in ihrer Existenz bedroht.

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Wahrscheinlich wünschten die Frondeure, so es sie denn gab, damals nur den Sturz des Sekretärs des Monarchen und die Beschränkung der königlichen Rechte, wollten die Person des Königs nicht antasten. Für den kranken Erik XIV. aber stellten sich die Dinge anders dar! Bereits in zunehmendem Maße unter Verfolgungswahn leidend, erzwang er unter der Folter ein Geständnis eines Lakaien, die Sture hätten sich gegen ihn verschworen, wollten ihn zur Ehe mit einer Tochter ihnen nahestehenden Familien zwingen, solcherart den Thron ursupieren. Graf Svante Sture, sein Sohn Erik und weitere Herren des hohen Adels wurden ins Gefängnis geworfen, des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. Erik XIV. ließ auch Nils Sture, aus Lothringen von der ergebnislosen Heiratsmission zurückgekehrt, sofort einkerkern. Ein offenbar im höchsten Grade verwirrter König appellierte an die versammelten Reichstagsmitglieder, Nils Sture nicht zum König zu erheben, wußte wohl selber nicht, was er redete, vermochte noch weniger den Zuhörern zu erklären, was er denn eigentlich wolle. Am Morgen des 24. Mai 1567 suchte der König Svante Sture im Gefängnis des Uppsalaer Schlosses auf, sank vor ihm auf die Knie und erbat Verzeihung. Nach versöhnlichen Gesprächen verließ Erik XIV. befriedigt die glücklich Aufatmenden, versprach, alle Inhaftierten in den nächsten Stunden feizugeben. Als sich wenig später die Kerkertore erneut für den König öffneten, war es ein anderer Erik, der diesmal zu den Gefangenen stürzte, freilassen wollte er seine Feinde nun auf keinen Fall. Nach kurzem, heftigen WOrtwechsel stieß er Nils Sture einen Dolch in den Arm, befahl den Mord aller Sture und der anderen inhaftierten Aristokraten, zwei nur blieben verschont, unklar war die Order! Der geistesgestörte Herrscher hatte, bevor er wieder aus dem Gefängnis hastete, noch kurz gerufen, "Herrn Sten" zu schonen. 16 So überlebten Sten Eriksson und Sten Baner. Erik XIV. selbst war in die Wälder um Uppsala geflohen, irrte alleine herum, bis ihn die Suchtrupps endlich fanden und ins Schloß zu Karin Mansdotter brachten. Noch während der geistigen Umnachtung des Königs befreite der Reichsrat im Oktober 1567 den seit vier Jahren auf Schloß Gripsholm bewachten J ohan und seine Gemahlin Katharina J agellonica. Und wieder mußten die Höflinge bestürzt registrieren, wie krank der Herrscher war. Erik XIV. wähnte sich selbst in Gefangenschaft des Bruders. Und doch, an Absetzung und Inhaftierung des gesalbten, rechtmäßigen Kö-

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nigs dachte auch jetzt keiner der einflußreichen Männer in der Regierung. Als Schuldigen der Sturemorde verhaftete man den Sekretär Göran Persson. Langsam fand der Monarch wieder zu sich, möglicherweise tatsächlich ein Erfolg Karin Mansdotters. Anfang 1568 galt Erik XIV. als genesen, reiste nun zur Armee, leitete persönlich den Kampf gegen die dänischen Eindringlinge. Der fähige dänische Feldherr Daniel Rantzau war im Oktober 1567 in Västergötland eingefallen, eroberte Jonköping, brannte Vadstena und Alvastra nieder, bedrohte Linköping, Norrköping und Söderköping, näherte sich bereits Stockholm. Die Vernichtung der eingelagerten Vorräte durch die schwedischen Truppen, eine Art Krieg mit "verbrannter Erde", zwang Rantzau im Januar 1568 zum Rückzug, eröffnete ErikXIV. neue Möglichkeiten, das Land aus dem dänischen Würgegriff zu befreien. Noch einmal schien der Stern des Königs zu leuchten, sah sich Schwedens Herrscher in seinen Auffassungen bestätigt, alles zu dürfen, was den Vasas nützte, seinem Königreich Vorteile brachte. Nichts belegt, daß Erik XIV. tatsächlich die Überlegungen Machiavellis gelesen hat. Und doch, vieles von dem, was der geniale Italiener den absolutistischen Herrschern an Rechten zubilligte, der "Staatsraison" unterordnete, schien auch Erik XIV. selbstverständlich. In diesem Geiste verteidigte er in seinen Briefen und Tagebuchnotizen Entscheidungen, formulierte seine Überzeugungen, daß selbst seine Grausamkeiten dem Lande nützten. Schweden aber litt unter dem verheerenden Krieg. Zu Beginn der Kampfhandlungen schöpfte Erik XIV. aus den gefüllten Schatztruhen des Vaters, gegen Ende seiner Herrschaft war das Land ausgeblutet, klagten Kaufleute und Gewerbetreibende über Münzverschlechterungen und damit verbundene Preissteigerungen. Ständig ließ der Monarch weitere Münzen prägen, erhöhte die Geldmenge ohne zu fragen, ob eine Warendeckung vorhanden war, konnte diese Zusammenhänge wohl auch nicht verstehen, wurden solche Erkenntnisse doch erst in diesen Jahren Allgemeingut der Ökonomen. Sieben mal so viel Münzen wie zur Zeit Gustavs I. Vasa kursierten nun im Land. Auch der Adel blieb unzufrieden. Erik XIV. stützte sich zunehmend auf eine Reihe fähiger nichtadliger Sekretäre, eine Schicht akademisch geschulter Berufsbeamter bildete sich heraus. Daneben hielten sich aber feudale Strukturen in der Landwirtschaft, erhöhte sich die Zahl der

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Hand- und Spanndienste der Bauern für die wachsenden adligen Eigenwirtschaften und Krongüter auch hier. In den Städten wurde beispielsweise der Zunftzwang sogar noch verschärft, konzentrierte Erik XIV. den Handel auf wenige Stapelstädte, begünstigte die städtische Kaufmannschaft, Widersprüche, die auch durch frühabsolutistische Herrschaftsmethoden nicht überbrückt werden konnten. Erik XIV. kopierte weiterentwickelte europäische Staaten, ohne bereits die ökonomische Basis für solche Strukturen in Schweden vorzufinden. So nimmt es nicht wunder, daß seine Gegner im Herbst 1568 triumphieren konnten, obwohl er gewiß nicht grausamer als Heinrich VIII. von England und die zeitgenössischen französischen Herrscher war. Zunächst hielten die hochadligen Rebellen Erik XIV. im Stockholmer Schloßkerker gemeinsam mit Karin Mansdotter und den Kindern gefangen, später trennte man den Entmachteten von der Familie. Der Reichstag im Januar 1569 in Stockholm fand Erik XIV. schuldig, die Grundgesetze Schwedens mißachtet, sein königliches Amt mißbraucht zu haben. Die Ständevertreter entschieden sich für Johan als neuen König, unterstützten dessen Forderung auf beständige Inhaftierung des gefährlichen Eriks. Für diesen begann nun eine Odyssee durch verschiedene Kerker des Reiches. Im Juli 1570 brachte man ihn ins Schloß von Abo, am 4.August 1571 nach Kastelholm und schon im November des gleichen Jahres nach Gripsholm. Weitere Stationen waren im Juni 1573 Schloß Västeras und im Herbst 1574 Örbyhus. Johan und seine Vertrauten fürchteten ständig, die verbliebenen Anhänger Eriks könnten versuchen, den Gestürzten zu befreien. Es existiert ein anonymer Bericht über Eriks ersten Gefängnisjahre. Er schreibe und lese viel, fände "sonderliches Vergnügen in der Astronomie". Der frühere Herrscher wisse, daß "man ihn für wahnsinnig halte", glaube jedoch selbst, "daß er niemals geistesgestört war". ErikXIV. hätte allerdings eingestanden, er sei wohl verrückt gewesen, "daß er alle Herren des Reiches morden konnte und es nicht tat, zum andern, als er seinen Bruder Johan aus dem Gefängnis ließ", auch sei es ein Fehler gewesen, die "Geliebte krönen" zu lassen, weil das "nicht notwendig" war. 17 Natürlich handelt es sich hier um die "Lesart" der Gegner König Eriks. Auch begnadigte er Johan kaum aus freien Stücken, wußte möglicherweise nicht einmal, was er unterschrieb, als ihm die Ratsmitglieder das entsprechende Papier vorlegten. Seine Angst, er sei der Gefangene Johans, ist da doch überzeugender Beleg. Ebenso undiskutabel die

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Behauptung, er habe alle Aristokraten des Landes töten lassen können, wenn er es gewollt hätte. Vielleicht äußerte Erik in Trotzminuten wirklich solche Gedanken, über die Machtfülle verfügte er aber zu keiner Zeit. Das wußte die Mehrheit der Ratsmitglieder. Andererseits blieb er für die Frondeure weiterhin gefährlich. Auch im Gefängnis war er nach zeitgenössischem Verständnis der rechtmäßige Herrscher, ein Widerstandsrecht gegen ihn umstritten. Johan und seine Helfer lebten in ständiger Furcht. Im Oktober 1575 notierte ein Augenzeuge, Arvid Gutavsson Stenbock aus dem Hochadel, der König sei gut gekleidet, erhalte "ausreichend" Essen und Bier, gebärde "sich mitunter wie ein Rasender", 18 Grund genug für König J ohan I II., sich in diesem Jahr von dem Reichstag bestätigen zu lassen, den gefährlichen Widersacher - immerhin der gesalbte König- gegebenenfalls töten lassen zu dürfen. Hartnäckig hielt sich dann auch die Überzeugung, daß Johan Ill. den Halbbruder im Februar 1577 vergiften ließ. Selbst Karl, der Herzog von Södermanland, scheint es geglaubt zu haben. Der Priester Johan Persson wurde am 24. Februar 1577 an das Sterbebett gerufen. Erik beichtete, vergab allen Gegnern und verstarb gegen 2.00 Uhr morgens am 25. Februar, wie es der Geistliche berichtete, am 26. Februar, wie es die schwedische Nationalgeschichte vermerkt. Eine Andeutung einer Vergiftung findet sich nicht im Bericht des Priesters. Die schwedische Historiographie glaubt, es existierte "möglicherweise eine Instruktion für Eriks Wärter, den Bruder zu töten, wenn es notwendig wurde". 19 Erhalten sind Andeutungen in Eriks XIV. Aufzeichnungen, Gedanken eines Mannes, der zweifellos wiederholt von Wahnsinn befallen, beständig unter Verfolgungswahn litt, gaben den Gerüchten im Volk um eine mit Arsen vergiftete Erbsensuppe Nahrung. Tatsächlich haben auch moderne gerichtsmedizinische Untersuchungen keinen schlüssigen Nachweis erbracht, obwohl mancher Biograph entsprechende Behauptungen kritiklos übernahm. Mit Eriks XIV. Entthronung wehrte der schwedische Hochadel den ersten ernsthaften Angriff der Krone auf seine ständischen Sonderrechte ab, triumphierte die feudale Opposition gegen das nach absolutistischer Herrschaft strebende Königtum. Sieht man von Eriks zeitweiliger Geistesverwirrung ab, summiert die ansonsten bedeutsamen Herrscherqualitäten des ältesten Sohnes Gustavs 1., die Vorleistungen des Vaters auf dem Wege zum Erbkönigtum und der Souveränität des schwedischen Herrscheramtes, dann muß gerechterweise betont werden, daß auch

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ein geistig gesunder König Erik seinen Hochadel schwerlich dauerhaft entmachten konnte. Die sozialökonomischen Verhältnisse des Landes hemmten den notwendigen Machtzuwachs der Krone. Weder in den Bauern, deren persönliche Freiheit damals nicht so sehr durch adlige Grundbesitzer als vielmehr durch feudale Rentenansprüche der Krone bedroht wurde, noch in dem zahlenmäßig unbedeutenden und auch ökonomisch noch schwachen Bürgertum erwuchs eine Basis für den Souverän im Kampf mit dem frondierenden Adel. Militärische Mißerfolge des noch ungefestigten jungen Nationalstaates vertieften die Krise des frühabsolutistischen Königtums in Schweden, ließen Erik XIV. scheitern, verloren schienen die Positionen der schwedischen Krone aus den Anfangsjahren der Herrschaft Eriks.

Zeittafel der persönlichen Daten Eriks XIV. 13. 12. 1533 23.9.1535

Geburt im Stockholmer Schloß Tod der Mutter, Katharina von Sachsen-Lauenburg

1557

"Auserkorener König" in Schweden mit Residenz als Kronprinz in Kalmar

um 1560

Göran Persson wird persönlicher Sekretär Eriks in Kalmar

Oktober 1560

Erik bereitet eine England-Reise zur Königin Elisabeth vor

Frühjahr 1561

Einsetzung des Obersten Gerichtshofes als königliches Machtorgan gegen Oppositionelle

29.6.1561

Krönung im Dom zu Uppsala

April1561

Erik XIV. setzt auf dem Reichstag zu Arboga eine Änderung des väterlichen Testaments durch, beschränkt die Souveränität der Brüder

Mai 1561

vergeblicher Versuch einer Seereise nach England zur Werbung um Elisabeth

Herbst 1562

Scheitern des hessischen Eheprojektes

7.6.1563

Erik XIV. begnadigt seinen zumTodeverurteilten Bruder, den Herzog von Finnland, läßt ihn auf Gripsholm einkerkern

30. 5.1563

Angriff einer schwedischen Flotte auf ein dänisches Geschwader bei Bornholm

August 1563

Kriegserklärungen Dänemarks und Lübecks an Erik XIV.

September 1563 1564 Sommer 1566 1566

Erik XIV. greift die Festung Halmstad ergebnislos an Erik XIV. verheert Blekinge angebliche Verschwörung des Hochadels gegen Erik XIV. Geburt der Tochter Sigrid

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Zeittafel der persönlichen Daten Eriks XIV.

April 1567

Eriks XIV. Oberster Gerichtshof beginnt mit umfangreichen Untersuchungen des angeblichen hochadligen Komplotts gegen den König

Mai 1567

Verhaftung einiger Aristokraten, Hochverratsprozesse gegen verschiedene Hochadlige auf dem Reichstag in Uppsala. Rückkehr Nils Stures nach gescheiterter lothringischer Ehemission

24.5.1567

Mord einiger Repräsentanten des Hochadels auf Befehl des geisteskranken Königs

1568

Geburt des Sohnes Gustav Eriksson

Oktober 1567

der Reichsrat setzt die Freilassung des Herzogs von Finnland bei dem geisteskranken Erik XIV. durch

Januar 1568

der genesene Erik XIV. marschiert in Hailand und Skane ein, verheert erneut die dänischen Provinzen

1568

Befreiung und Wiederberufung des vom Reichsrat während der geistigen Umnachtung Eriks gestürzten Persson durch den König

4.7.1568

Hochzeit mit Karin Mansdotter und Krönung Karins als Schwedens Königin

29.9.1568

Gefangennahme Eriks XIV. durch die hochadlige Fronde

1570 4. 8.1571 November 1571 Juni 1573 Herbst 1574 25.o.26.Februar1577

Erik als Gefangener auf Abo-Schloß Erik nach Kastelholm gebracht Gefangener in Gripsholm ins Schloß Väster:is gebracht Überführung ins Schloß von Örbyhus Tod Eriks XIV. im Kerker von Örbyhus-Schloß

Von Adels Gnaden Johan 111., Gustav Vasas zweiter Sohn, König von Schweden König Johan III. habe selbst sein Bild für die Nachwelt fixiert, sei "sein eigener erster Historiker"' gewesen, 1 charakterisiert die moderne schwedische Geschichtsschreibung diesen dritten Herrscher aus dem Hause der Vasa. Wie der Bruder schrieb auch er gerne, arbeitete aber mit Vorliebe im stillen Studierstübchen, neigte zu tiefsinnigen philosophischen Betrachtungen. Dabei verstand sich Johan III. selbst immer als "christlichen Musterkönig" entsprechend dem Ideal des Erasmus von Rotterdam, 2 nannte den Bruder Erik einen Tyrannen. Wie Vater Gustav I. las J ohan schon als Prinz die Chronik der schwedischen Herrschergeschichte bei Olaus Petri sehr gründlich, wenn auch mit anderer Motivation. Dort und in der anderen großen zeitgenössischen Geschichtsbetrachtung, dem Werk des Johannes Magnus, suchte der neue Monarch seine Leitbilder, glaubte hier Parallelen zur eigenen Auseinandersetzung gefunden in dem Bürgerkrieg 1275 zwischen König Waldemar und dessen Bruder Magnus Ladulas und Erik, einem

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Aufstand, der damals ebenfalls mit dem Sturz des Herrschers und der Wahl des Zweitältesten zum König endete. Mit Magnus Ladulas wuchs das mittelalterliche Schweden zu einem bedeutenden Reich im Norden, eine Perspektive, die Johan nur zu gerne für sich ableitete. Vor allem aber wollte er dem legendären König Erik dem Heiligen gleiche, jenem christlichen Herrscher Schwedens aus der Mitte 12. Jahrhunderts, der jahrhundertelang als Schwedens Schutzheiliger verehrt wurde, dem Reichsbanner den Namen gab, dessen angebliches Bild das Reichssiegel seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zierte, der dem schwedischen Reich Finnland gewann. Gerade in diesem Bezug sah der fromme J ohan III. als Herzog von Finnland eine Tradition, der er nachleben wollte. Schon dem Vater Gustav I. war dieses verbisseneVertiefen des Sohnes in historische Ereignisse bisweilen unverständlich, ja bedenklich erschienen. 1558 hatte der alte Mann den Sohn gerügt und geschrieben, "wohl können solche alten Geschichten nützlich sein, doch dünkt uns, daß die heutigen Zeiten so sehr verschieden von den alten sind und die Welt sich ständig verändert". 3 J ohan solle sich dem wirklichen Leben zuwenden, ermahnte ihn der König und sandte eine Schrift mit, in der Söhne an die Pflicht erinnert wurden, ihren Vätern zu gehorchen. Der damals 20jährige Johan, Herzog von Finnland, folgte schon lange nicht mehr so, wie es der König wünschte. Darin ähnelten sich die Brüder Erik und Johan. Der am 20. Dezember 1537 geborene Prinz Johan war gemeinsam mit dem vier Jahre älteren Halbbruder Erik erzogen worden. Bei ihrem deutschen Erzieher Georg Normann und weiteren Lehrern erhielten beide die gleiche Ausbildung, war immer wieder betont worden, daß sie einander lieben und sich gegenseitig helfen sollten. Von dieser Hoffnung beseelt, hatte der Vater Johan zum Herzog von Finnland ernannt, ihm selbständige Aufgaben in der Verwaltung dieses Reichsgebietes übertragen, ihm schließlich 1557 den Oberbefehl über das finnische Heer im Krieg gegen Rußland übertragen. Gustav I. glaubte, den Sohn auf diese Weise mehr in das politische Leben zu zwingen, denn - so schrieb er dem Sohn 1558 - es sei ihm bekannt, daß der Herzog "ziemlich wenige um sich habe", mit denen er sich abstimmen könne. Er "halte sich einsam und spekuliereTagund Nacht". Solche Zurückgezogenheit erzeugte Melancholie und "seltsame Gedanken", die Kümmernisse verursachten, "wovor wir dich väterlich beraten und ermahnt haben wollen". 4 Vor allem sollte J ohan ständig Menschen um sich dulden.

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Es muß dahin gestellt bleiben, ob es das angeborene Mißtrauen der Vasa oder tief verwurzeltes Bedürfnis war, sich Wissen anzueignen, ungestört lesen und studieren zu können, was Johan in das selbstgewählte Alleinsein trieb. Eine Distanz zum Bruder, dem künftigen König, konnte der Vater jedenfalls in dieser Zeit bei seinem Zweitgeborenen wirklich nicht beklagen. Der junge Herzog von Finnland stellte bereitwillig eigene Pläne zurück, im Baltikum Fuß zu fassen, reiste für den Bruder nach London, wollte Eriks Werben um Königin Elisabeth unterstützen, hatte den Älteren gebeten, seine Politik neuer Erwerbungen im Osten fortzusetzen. Vertrauen war es wohl, was J ohan dem Erik entgegenbrachte. Im übrigen, sonderlich einsam lebte der nun 22jährige in England auch keineswegs. Der viermonatige Aufenthalt in London kostete nicht wenig Geld. Ein Fest reihte sich an das andere, Audienz auf Audienz folgte bei der jungen Königin. Wie Bruder Erik beherrschte auchJohan die lateinische Sprache, wurde gleichfalls für seine Bildung gerühmt. Der Sekretär der Königin, William Cecil, äußerte sich entsprechend beeindruckt. Ein anderer Höfling, Sir Thomas Smith, berichtete, der Herzog gewönne von Tag zu Tag mehr durch sein Auftreten und die Art, "wie er sich englische Umgangsformen aneigne". Insbesondere (!rweise er sich "als guter Kumpel, wie wir es scherzhaft in England nennen", 5 nun in der Tat kein Grund für den Vater, sonderlich besorgt nachzusinnen über die Neigungen des Sohnes, seine Umgebung zu meiden. Da schienen es wohl eher der fehlende Umgang in Schweden und Finnland und auch der Mangel an Aufgaben zu sein, die Johan zu den Büchern zogen. Nach Schweden zurückgekehrt, unterstützte Johan den Bruder eifrig bei dessen Erklärungen, nun selbst nach England zu reisen, die Königin zu freien, wirkte wohl seinerseits auf den vergrämten, todkranken Vater ein, der Ehe nicht entgegenzutreten. Es scheint, als habe hier schon der Gedanke gekeimt, Kronprinz Erik könne in England bleiben und er,Johan, dann als eine Art Vizekönig Schweden und Finnland regieren. Auch der Tod des Vaters, Eriks XIV. Krönung und Regierungsantritt änderten wenig am Einvernehmen der Brüder. Als Statthalter des Königs in Finnland wirkte Johan zunächst in scheinbarem Gleichklang mit Erik an der Ausweitung schwedischer Macht in Estland. Anders wurde es, als schwedische Truppen 1561 in Reval einmarschierten, König Erik XIV. seine politischen Zielsetzungen im Baltikum

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durchsetzte. Während des Londoner Aufenthaltes von Johan erkannte der Ältere die Bedeutung Estlands für das erstrebte künftige schwedische Ostseeimperium voll, war jedoch anders als Johan auf eine vorsichtige Politik gegen den russischen Nachbarn eingeschworen, wünschte vor allem keine eigenständige Machterweiterung des Herzogs von Finnland. Johans Orientierung auf König Sigismund August in Polen war nicht das, was Erik XIV. gutheißen konnte. Da stand Johan gesamtschwedischen Interessen im Wege, mußten die vom Vater übertragenen Mitspracherechte des Bruders als Herzog von Finnland beschränkt werden! · Die Bestimmungen des Reichstages von Arboga 1561 erlaubten dem neuen König in Schweden die Annulierung der testamentarischen Verfügungen des Vaters, schränktenlohans Rechte beträchtlich ein, unterbanden die weitere Zusammenarbeit mit dem polnischen Monarchen. Und sie ermöglichten die Klage auf Hochverrat, als J ohan gegen den Willen des Bruders nach Polen-Litauen reiste, dort über einen Pakt mit Sigismund verhandelte. Während Erik XIV. Estland seinem Königreich einverleiben wollte, gedachte Johan dort Gebiete zu erwerben, die nur seiner Herrschaft unterstanden. Die Eingliederung Revals in das schwedische Reich traf Johan und Sigismund August gleichermaßen. Auch der Pole unterstützte Johans Territorialpolitik im Baltikum. Konnte er Reval und Estland nicht für seine Krone erwerben, war es schon besser, dieses Gebiet dem Herzog von Finnland zuzuerkennen, so dessen Souveränität gegenüber Erik XIV. zu fördern, ein einheitliches Vorgehen der beiden Schweden im Osten zu verhindern. Es war unschwer vorauszusehen, daß die Interessen der Vasa-Söhne unvereinbar waren, Erik XIV. und Johan zusammenstoßen mußten. Innere Konflikte Schwedens aber würden, das erwartete man am polnischen Hof, allzu ausgreifende Aktionen König Eriks an Polens Grenzen erschweren. Im übrigen suchte Sigismund August den Herzog von Finnland auch direkt an Polen zu binden, förderte nach Kräften die sich anbahnende eheliche Verbindunglohans mit seiner Schwester KatharinaJagellonica, tat das um so eifriger, als sich Erik XIV. zunächst ebenso entschieden einer polnischen Heirat Johans widersetzte. Der Herzog von Finnland bestand jedoch auf seinem verbrieften Recht, Eheprojekte souverän verhandeln zu dürfen, heiratete im Oktober 1562 in Vilnius die elf Jahre ältere Katharina, ignorierte offen das Verbot Eriks XIV., nach Litauen zu retsen.

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Möglich, daß Johan trotz des Altersunterschieds für die Polin mehr als nur staatspolitische Gefühle hegte, Bilder weisen Katharina damals noch als attraktive Frau aus. Ganz sicher aber war es auch die ansehnliche Mitgift von sieben Schlössern in Mittellivland, die J ohans U ngehorsam gegenüber Eriks Entscheidungen nährte. Es war ein ernster Verstoß gegen die Bestimmungen von Arboga. Erik XIV. hatte in Abänderung des väterlichen Testamentes die Zustimmung der Stände erwirkt, daß keiner der Herzöge in Schweden eine selbständige Außenpolitik zur Ausdehnung des eigenen territorialen Besitzes führen, niemand Verbindungen zu Reichsfeinden knüpfen dürfe. Polen aber war neben Dänemark und Lübeck erklärter Gegner des schwedischen Expansionsstrebens im Ostseeraum, mußte es sein. Das wußte selbstverständlich auch Herzog Johan, konnte kaum zweifeln, daß der Bruder nicht handeln würde. Erik XIV. reagierte schnell. Johan wurde in Abwesenheit von den versammelten Ständen als Hochverräter verurteilt. Gleichzeitig bot der König dem Bruder Aussöhnung an, wenn dieser zukünftig auf jede Souveränität in seinem Herzogtum verzichtete. Johan weigerte sich, verschanzte sich im festen Schloß Abo, wandte sich auch an den polnischen Schwager um Hilfe und suchte einflußreiche Freunde im Hochadel zur Opposition gegen Erik XIV. zu sammeln. Wieder war der König schneller. Ehe noch polnische Hilfe eintreffen, J ohan ausreichende Kräfte um Abo konzentrieren konnte, landete ein königliches Heer, wurde die Burg eingeschlossen, Johan am 12. April 1563 zur Kapitulation gezwungen. Erik XIV. schonte das Leben des Bruders, das seiner Gefolgsleute aber nicht. Als der Herzog von Finnland auf dem Weg ins Gefängnis von Gripsholm den Söderstrom am Mälarensee passierte, mußte er, auf dem Deck seines Schiffes sitzend, die toten Körper von 30 seiner Vertrauten zählen, die auf dem Galgenberg von Södermalm herumlagen, Johan eine deutliche Warnung sein sollten. Katharina J agellonica war dem Gatten freiwillig nach Gripsholm gefolgt, gebar ihm dort ein Mädchen und einen Sohn. Während die Tochter nach kurzer Zeit verstarb, wuchs der Junge, Sigismund Vasa, heran, zärtlich geliebt vom Vater. Anders als Erik XIV. in seinen späteren Gefängnisjahren lebte Johan ein Familienidyll, las viel und schrieb, vervollständigte seine humanistischen Studien, erlebte schließlich Befreiung und Versöhnung mit dem seiner Sinne nur wenig mächtigen

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Halbbruder. Und doch blieb Johan nach seiner Freilassung im Oktober 1567 in ständiger Furcht, Erik könne ihn wieder arrestieren lassen, die Kerkerhaft verschärfen. Daher knüpfte der Freigelassene sofort Kontakte zu dem herangewachsenen Karl, dem jüngsten Bruder und Herzog von Södermanland, und zahlreichen unzufriedenen Repräsentanten des Hochadels. Anders als 1563 hatten die Sturemorde die Kluft zwischen König und Aristokratie unüberbrückbar geweitet, wünschten nahezu alle die Beschränkung der königlichen Macht, fürchteten den unberechenbaren Herrscher, sahen injohan einen natürlichen Bündnispartner und legitimen Erben der Vasaherrschaft. Vor allem haßten sie den Sekretär des Königs, Göran Persson. Erik XIV. befreite ihm, kaum wieder bei Sinnen, aus vorübergehender Haft des Reichsrates, setzte ihn mit allen Befugnissen erneut in sein Amt ein. Nun fürchteten alle Gegner Perssons die Rache des einflußreichen Mannes, mußten auch mit dem Todesurteil rechnen, kannten die Möglichkeiten des Obersten Gerichtshofes nur zu gut, begreiflich, daß die Aufständischen Eriks Vertrauten sofort hinrichten ließen, als sie seiner mit dem Fall Stockholms habhaft wurden. Im Januar 1569 wurde Johan, seit Beginn des Aufruhrs im Sommer 1568 als Reichsverweser anerkannt, zum Nachfolger des abgesetzten Königs ausgerufen. Im Sommer 1569 schwor Johan 111. den Königseid, verpflichtete sich, den Hochadel zu ehren, hohe Reichsämter nicht "an Ausländer oder Niedriggborene" zu vergeben, sondern sie den "vornehmsten Geschlechtern und dem Reichsrat" vorzubehalten. Krieg durfte der neue Herrscher nur mit Zustimmung "der führenden Stände" und des Reichsrates erklären. Außerdem beschwor Johan 111. einen "Privilegienbrief" des Adels. 6 Den Grafen, Freiherren und Rittern wurde eingeräumt, künftig den königlichen Anteil aus Strafgeldern der Landbevölkerung zu empfangen. Landeshauptleute in den Grafschaften sollten durch die Grafen selbst eingesetzt, Adlige den Vorrang bei solchen Berufungen haben. Besonders befriedigt registrierte der adlige Stand die Befreiung seiner abhängigen Bauern von Arbeitsleistungen für die Krone und den Kriegsdienst. Weniger glücklich waren die Herren, daß Johan den Verzicht auf die Rekrutierung der Bauern nur auf die Adelsbauern beschränkte, die innerhalb einer Meile- zehn Kilometer - um den adligen Hof herum lebten. Da wirkte die Bestimmung, daß alle vom Adel nur zwei Wochen unentgeltlich zum Ritterdienst verpflichtet seien, dann von der Krone besoldet werden mußten, schon weitaus tröstlicher angesichts des langandauernden Krieges mit Dänemark und sich anbahnender neuer Verwicklungen im Osten.

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In der schwedischen Historiographie wird Johans III. Politik der Spaltung des Adels in einen privilegierten Hochadel und eine Mehrheit politisch bedeutungsloser niedriger Adliger, deren Forderungen weniger berücksichtigt wurden, als Erfolg des Königs gewertet. Dem Recht des Adelsstandes, nur von ihresgleichen vor Gericht abgeurteilt zu werden, stand Johans Triumph entgegen, nicht an gesetzliche Bestimmungen über die Schaffung neuer Adelslehen gebunden zu sein. Andererseits hatte er sich verpflichten müssen, die Anzahl der Grafschaften beträchtlich zu erhöhen, zahlreiche neue Freiherrensitze einzurichten. Konnte Erik XIV. die Grafenlehen noch auf 150 Bauernhöfe beschränken, mußte J ohan III. Grafen und Freiherren die Verfügung über mehr als "2 000 Höfe" einräumen. 7 Der neue König stimmte den Forderungen auf erweiterte Mitbestimmung des Reichsrates zu, dessen Mitglieder ab 1573 eine permanente Regierungsmitsprache zugestanden wurde. Herzog Karl von Södermanland kann wohl als der eigentliche Sieger des Machtkampfes zwischen Hochadel und frühabsolutistischem Königtum in Schweden gelten. Die Bestimmungen von Arboga über die Beschränkung der Souveränität der Herzogtümer wurden aufgehoben. Karl konnte seinen Besitz "so frei halten wie seine Majestät das Königreich". 8 König Johan III. war tatsächlich nicht viel mehr als ein "Wahlkönig", fürchtete auch beständig um den Thron, sah sich nahezu in allen Entscheidungen an den Hochadel gebunden, mußte Karls Reaktionen berechnen, wohl kaum ein überzeugendes Argument, von einem Erfolg Johans III. zu sprechen. Einschränkungen des Einflusses des adligen Standes in seiner Gesamtheit standen bedeutende Machterweiterungen des Hochadels entgegen. König Johan III. war kaum mehr als der Erste unter Gleichen. Zunächst benötigte das Land dringend eine Atempause im Krieg um die "Ostseeherrschaft". Die vorübergehenden Erfolge Eriks XIV. konnten eine erfolgreiche Beendigung des dänischen Krieges nicht erzwingen. Und Zar Ivan der Schreckliche stand bereit, in Estland,Johans livländischen Besitzungen und in Finnland einzufallen. König Erik XIV. hatte Ivans Neutralität durch zahlreiche Zugeständnisse im Baltikum erkauft, Engländern und Holländern freien Zugang zum russischen Ostseehafen Narva einräumen müssen, schließlich sogar zugestimmt, dem Zaren Katharina J agellonica als Pfand gegen Polen auszuliefern. Eine russische Sondergesandtschaft war bereits angereist, die Polin abzuholen. Nur Johans Freilassung und der Sturz Eriks XIV. verhinderten entsprechende Maßnahmen.

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Nun war mit Johan III. eine Neuorientierung Schwedens zu erwarten, sollte ein Bündnis mit dem bisherigen Feind Polen gesucht, Rußland folgerichtig zum neuen direkten Gegner werden. Ein Frieden mit Dänemark und Lübeck wurde dringend erforderlich angesichts der schnell wachsenden russischen Militärpräsenz an Finnlands Grenzen. Noch ehe der Krieg auf schwedischem Boden beendete werden konnte, Dänemarks Truppen sich zurückzogen, griffen die Streitkräfte des Zaren Schwedens estnische Besitzungen an. Tröstlich war, daß Johan III. und seine Ratgeber auf das Entgegenkommen der Dänen und Lübecker zählen konnten. Beide Seiten waren ausgeblutet, wirtschafdich geschwächt, der befähigte dänische Heerführer Daniel Rantzau vor der Festung Varberg gefallen. Der Frieden von Stettin am 13. Oktober 1570 beendete den Krieg ohne entscheidende Vorteile für eine der kämpfenden Seiten. Johan III. verzichtete auf die südlichen Landschaften, Dänemark gab den Anspruch auf die Herrschaft über Schweden auf, endgültig dahin war die Hoffnung auf ein großes Nordisches Königreich unter dem Zepter Friedrichs II. von Dänemark. Schwedens Stellung als bedeutende Ostseemacht wurde bestätigt. Ein "ewiger Friede", 9 wie es die Herren in Stettin prophezeiten, würde es allerdings mit Sicherheit nicht werden, das wußten Johan III. und seine Berater nur zu genau. Dieser Friede kostete den schwedischen Staat einiges. Johan III. bestätigte Dänen und Lübeckern den freien Zugang ins russische Narva, vereinbarte die Auslösung der Nordseefestung Alvsborg gegen eine Zahlung von 1SO 000 Reichstalern an Dänemark, eine schwere finanzielle Belastung für das verarmte Schweden. Die Legende weiß zu berichten, Johan III. habe Karin Mansdotter hohe Belohnungen versprochen, falls sie verrate, wo Erik XIV. den Schatz des Vaters verborgen hielte. Immer wieder habe jener forschen lassen, wohin diese bedeutenden Geldsummen geflossen seien, sich nicht erklären können, daß der Krieg alles in kurzer Frist verschlang. Tatsächlich konnte Johan III. Kosten nicht bilanzieren, lebte in beständiger Geldnot, setzte die Münzpolitik des Bruders fort, verschrieb stets neue Steuern, unfähig zu verstehen, daß Bauern und Bürger immer weniger aufbringen konnten, war doch nie in der Lage, wenigstens seine kostspieligen Bauprojekte zu finanzieren. Neue kriegerische Verwicklungen Schwedens verschlechterten die Lage der Bauern und kleinen städtischen Gewerbetreibenden weiter.

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Viele Höfe wurden aufgegeben, ganze Landstriche verödeten. Wohl hatte sich Sigismund August für Johan III. erklärt, waren die insgesamt ohnehin nur wenig bedeutsamen Kämpfe zwischen polnischen und schwedischen Truppen in Estland und Livland sofort eingestellt worden. Eine zuverlässige Hilfe gegen Ivan IV. war der polnische Schwager jedoch nicht, Versprechungen, vorsichtige Interventionen am russischen Hof erleichterten Johans Lage nur wenig, zu stark blieben die Rivalitäten Schwedens und Polen-Litauens im Ostseeraum. Im Heer des Zaren erwuchs Johan III, nun eine weitaus größere Gefahr als es die zögerliche polnische Kriegsführung im Baltikum Schweden bisher war. lvan der Schreckliche war auch persönlich entschlossen, den schwedischen Herrscher zu demütigen, fühlte sich von Johan III. aufs Äußerste gereizt. Empörte Anhänger des Herzogs von Finnland hatten lvans IV. Gesandtschaft im Herbst 1568 übel mitgespielt, den Zorn über das Ansinnen des Zaren, Katharina J agellonica auszuliefern, auch in Mißhandlungen und Plünderungen der Russen ausgetobt. Der listige russische Herrscher bedauerte sofort brieflich das Mißverständnis und versicherte, er habe die polnische Fürstin nur schützen, sie vor Eriks Unberechenbarkeit in ein russisches Asyl retten wollen. Er schlug daher nun seinerseits die Entsendung einer schwedischen Delegation nach Rußland zur Vereinbarung freundschaftlicher Beziehungen vor. Erfreut war Johan auf den Vorschlag eingegangen, hatte eine hochrangige Gesandtschaft ausgerüstet. Als die Schweden Novgorod erreichten, war von Freundschaft, nicht einmal mehr von Beziehungen die Rede gewesen. Ivan IV. ließ die Gäste plündern und prügeln, als Gefangene nach Moskau bringen, verbannte sie später an die Oka. Ein äußerst bösartiger Briefwechsel zwischen beiden Herrschern war diesen Ereignissen zwischen 1572 und 1573 gefolgt. Die Forderung des Zaren, Katharina und zwei Söhne als Geiseln nach Moskau zu senden, erzürnte Johan III. besonders. Gleichzeitig behauptete der Zar, Johan sei von niedriger Herkunft. Der Schwede antwortete 1573, er entnehme dem Zarenschreiben, "welchen unvernünftigen bäurischen Hochmut, Lüge und Verachtung du gegen Uns brauchtest. Wenn wir nicht gehört hätten, daß dein Vater Großfürst in Rußland war, hätten Wir wohl Ursache anzunehmen, daß irgend ein Mönch oder Bauernkerl dein Vater gewesen sei". Und Johan verstieg sich zu der Äußerung, Ivan habe einen "höheren Schweineverstand", sei ein "stinkender Lügner". 10

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Eine Ausweitung des Krieges war so nicht mehr zu vermeiden, wurde auch von beiden Herrschern gewünscht. Der Krieg zog sich lange hin, gefährdete die Besitzungen Schwedens in Estland. Die vereinbarte politische Hilfe blieb nach dem Tode Sigismund Augusts 1572 aus. Reval, bereits 1570 viele Monate von einem russischen Heer belagert, wurde im Dezember 1572 erneut eingeschlossen, konnte aber wiederum gehalten werden. Zar Ivan IV. eroberte jedoch nahezu alle festen Burgen und Schlösser Johans III., verheerte nun auch Livland. Endlich vereinigten sich die polnischen und schwedischen Heere, stürmte der schwedische Feldherr Pontus de la Gardie 1581 Narva und weitere russische Festungen, gewann Estland zurück, eroberte Ingermanland. Da aber schlossen Rußland und Polen-Litauen schnell wieder Frieden, fürchteten die Herren in Warschau und Krakau den beunruhigenden Machtzuwachs Schwedens im Baltikum mehr als die Russen, stand doch Gardie nun bereits vor Pskov und Novgorod, beides Städte, die auch Polens König Stephan Batory seinem Reich einverleiben wollte. Von weiteren gemeinsamen Aktionen gegen das geschwächte Rußland konnte nun am polnischen Hof keine Rede mehr sein. Allein aber konnten und wollten auch die Schweden nicht weiter marschieren. 1583 schlossen die erschöpften Gegner, Russen und Schweden, einen Waffenstillstand. Endlich stabilisierte sich die Lage im Osten auch für König Johan III. Am Ziel seiner Wünsche war er jedoch keineswegs. Der Hochadel strebte nach weiteren ausgedehnten Ländereien im Osten, die eigene Kammerverwaltung verlangte die Zollkontrolle über den Seehandel mit dem russischen Staat. Rußlands Handel mit Westeuropa war jedoch seit dem Fall von Narva auf den Mündungsraum der Dvina verlagert, wo 1584 Archangelsk gegründet wurde. Diesen Seeweg kontrollierte Schweden nicht. Russische Waren wurden auch in die polnischen Häfen gefahren. So hielt die Waffenpause nur bis 1590, verheerten dann erneut russische und schwedische Armeen die Landschaften im baltischen Raum, konnten aber trotz wechselseitiger Erfolge wiederum keine Entscheidung erzwingen. Die Union Schwedens und Polen-Litauens- ein erklärtes Ziel Johans und Sigismund August schon in den sechziger Jahren- stand nach wie vor nur auf dem Papier. Und das, obwohl Johans III. Sohn Sigismund inzwischen sogar als König in Warschau residierte. Im Jahre 1586 war Stephan Batory verstorben. Bereits 1572, beim Tode des Schwagers Sigismund August, hatte sich Johan III. auch um den polnischen Thron beworben, hoffte, so eine Personalunion beider Kronen gegen Rußland vereinbaren zu können. Trotz seiner Wahlnie-

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derlagegab er den Gedanken nie auf, bemühte sich um gute Verbindungen zu den einflußreichen polnischen Magnaten und Stephan Batory, dem erfolgreichen Konkurrenten in der Wahl 1572. Nun, vierzehn Jahre später, schien ihm die Zeit reif, mit dem Sohn Sigismund als Kandidaten die Idee zu verwirklichen. Als enger Verbündeter sollte der Sohn an seiner Seite dem Kampf fortsetzen und später als Herrscher in Stockholm den Triumph über Rußland vollenden, ein in der Tat vielversprechender Gedanke. Sigismund war auf Wunsch KatharinaJagellonicas katholisch erzogen worden. Polens Magnaten sahen so ein wesentliches Hindernis für die Königswahl des Vasas weggeräumt, mehr noch interessierte sie die Zusicherung der schwedischen Unterhändler, Johan beabsichtige, König Sigismund Estland als ,.Morgengabe" an die polnische Krone mitzugeben. Johan Ill. hatte seine Diplomaten angewiesen, in allgemeinen Worten unverbindliches Einverständnis vorzutäuschen, verpflichtende Formulierungen aber zu vermeiden. Der Plan war aufgegangen. König Johan III. konnte befriedigt den Sieg seines Sohnes auf dem traditionellen Wahlfeld bei Warschau im Sommer 1587 registrieren, abgewehrt war die gefährliche Kandidatur des Zaren Fjodors, niedergestimmt auch ein Habsburger Bewerber. Als die polnischen Gesandten ihren neuen König in Kalmar abholen wollten, lehnte sich Vater Johan jedoch plötzlich auf, wollte den Sohn um keinen Preis nach Warschau reisen lassen. Ein kurzes ärgerliches Intermezzo mit den erschreckten Polen, fast ein Aufruhr der Vertrauten und hochadligen Ratgeber in Schweden, folgten. Nur mühsam konnte der Monarch überredet werden, das Interesse an der schwedischen Krone über väterliche Gefühle zu stellen. König J ohan liebte diesen Sohn wirklich, glaubte, die Trennung nicht verschmerzen zu können. Unerwartete Probleme solcher Art wie auch die Ankündigung Sigismunds, Estland nicht an Polen zu binden, eher nach Schweden zurückkehren zu wollen, wie er in Danzig erklärte, kaum dort gelandet, ließen die polnischen Verärgerungen wachsen. Bald lehnte eine bedeutende Mehrheit des polnischen Adels den inzwischen gekrönten Sigismund als ,.unpolitisch" ab. Hinzu kamen ständige Versuche Jobans III., den Sohn zu sich zurück nach Schweden zu bringen. Im August 1589 reiste der König von Stockholm gegen den Willen des Reichsrates nach Reval, um dort Sigismund zu treffen, fest entschlossen, den geliebten Sohn zur Heimkehr zu überreden. Jeder seiner

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opponierenden Ratsmitglieder "sei ihm so willkommen wie jene, die ihm ein Messer ... in den Körper stoßen wollten, und sollen so abgewiesen werden, daß sie keine Lust haben, öfter wiederzukommen", 11 ließ Johan III. verlauten, hoffte, damit den allgemeinen Widerstand zu brechen. Er wollte die Argumente nicht gelten lassen, daß eine Flucht des polnischen Monarchen nach Stockholm die Polen verbittern, die derart gedemütigten Magnaten zu offener Feindschaft gegen Schweden provozieren, die erwünschte Personalunion Schwedens und Polen-Litauens in das direkte Gegenteil verkehren würde. Schwedens Reichsrat erwies sich jedoch als ebenso hartnäckig wie der König, konnte Johans III. Drohungen, er würde "souverän" regieren, 12 den Rat entmachten, mit ruhiger Gelassenheit übergehen. Dem Herrscher fehlten die rechtlichen und materiellen Mittel, seine Warnungen wahrzumachen. Ein wohl auch innerlich gebrochener Monarch mußte unverrichteter Dinge aus Reval abreisen, der Sohn blieb auf dem polnischen Thron, vom Vater viele hunderte Meilen getrennt. Seinen Beratern verzieh Johan III. die "Kränkungen" nie, 13 drohte wieder und wieder, sie einzukerkern, wandte sich Neujahr 1590 auch an die versammelten Stände mit der Klage, die schon Bruder Erik führte, behauptete, der Hochadel verfolge die Vasas. Seine Rachepläne konnte er nicht verwirklichen, eine Entmachtung der hochadligen Opposition schon gar nicht erzwingen. Zwar bekamen einige Herren tatsächlich Schwierigkeiten, verfolgte sie der König mit ärgerlichen Schikanen, die Stände äußerten auch Verständnis für J ohans väterlichen Gefühle. Den Sohn aber bekam er trotzdem nicht wieder! So mögen es tatsächlich "seine schweren und tiefen Gedanken" 14 gewesen sein, die ihn im Februar 1585, allerdings noch vor der Thronkandidatur des Sohnes, bewegten, die damals 16jährige Gunila Bielke zu ehelichen. Katharina Jagellonica war zwei Jahre vorher verstorben. Auf einer Besuchsreise in Schweden vermeldete 1578 ein Mittelsmann des Papstes, der frühere Generalsekretär des Jesuitenordens, Antonio Possevino, dem römischen Stuhl, der in voller Manneskraft stehende Johan III. verharre in wirklicher ehelicher Treue, "obwohl seine Gemahlin nahezu ständig an Gicht leide". 15 Es scheint, als habe sich J ohan dieser Frau sehr nahe gefühlt, ihren Tod als schweren Verlust empfunden, in Gunila Bielke einen Trost gesucht, ihn jedoch kaum gefunden. So hat er auch dem 1589 geborenen Sohn Johan nicht ähnlich starke Gefühle entgegenbringen können wie Sigismund. Zweifellos betrachte-

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te er die Krönung Sigismunds auch als erfülltes Vermächtnis der Hoffnungen KatharinaJagellonicas, bedachte nicht, daß ihm nach dem Verlust dieser Frau die Entfernung vom geliebten Sohn noch schwerer erscheinen mußte. Mehr als andere Herrscher ließ sich dieser Vasakönig von Emotionen, vor allem aber von religiösen Gefühlen leiten. Neben seiner "Baulust" beschäftigten ihn besonders theologische Neigungen, hier wollte er bleibende Verdienste um die Christenheit erringen, reagierte empfindlich auf alle Zurückweisungen. Es kann als sicher gelten, daß Katharina J agellonicas tiefempfundener Katholizismus schon den Herzog von Finnland und später auch den MonarchenJohan III. beeindruckte, ihn zeitlebens vor allem die feierlichen Rituale der katholischen Kirche ansprachen, vermutlich auch ein Grund für seine Zustimmung, den Sohn katholisch erziehen zu lassen, wenngleich hier machtpolitische Ansprüche und die Hoffnung auf die polnische Krone dominierten. Insbesondere beherrschte Johan III. bei seinen Studien der Wunsch, die gefährlichen Zwistigkeiten aus der Spaltung des christlichen Bekenntnisses zu überwinden. Ihm und vielen seiner Zeitgenossen waren der Schmalkaldische Krieg, die Entwicklung in den Niederlanden und die Morde der Bartholomäus-Nacht in Frankreich vor allem Ausdruck weitgehender religiöser Differenzen. Hier erwuchs ihm die große, selbst gestellte Lebensaufgabe. Im Geiste Eriks des Heiligen wollte Johan III. die beiden großen Bekenntnisse zusammenführen, als Protestant dem Papst die Aussöhnung anbieten. 1576 reiste sein Sekretär, Petrus Michael Flecht, einst Schüler Melanchthons, im Auftrage des Monarchen nach Rom, dort Verbindungen zu knüpfen, möglicherweise die päpstliche Bischofsweihe zu erhalten. Vergebens, denn Flecht kam bei einem Schiffbruch vor der Küste Bornholm ums Leben, Johan III. mußte andere Wege zum apostolischen Stuhl nehmen.

Der Vatikan sah schon seit geraumer Zeit mit besonderem Wohlwollen nach Stockholm. Die auf Betreiben Johans III. 1575 erlassene Neuordnung der schwedischen Kirchenverfassung hatte einige Elemente des Katholizismus aufgenommen. In der Weisung an die Geistlichen, die Kirchenväter zu beachten und die "Streitereien" der Reformatoren weniger ernst zu nehmen, vermuteten einige Protestanten in Schweden die Rückkehr zur "Papisterei". Ein Jahr später ließ der Monarch eine neue Lithurgie drucken, das sogenannte "Rote Buch". Die roteingebun-

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dene erste Auflage propagierte lithurgische Formen, die sich stark an die katholische Messe anlehnten, provozierten den offenen Widerstand vieler Geistlicher. Johan III. ließ alle Gegner aus ihren pfarren vertreiben, registrierte zähneknirschend, daß sie vor allem beim Bruder Karl, dem Herzog von Södermanland, Zuflucht fanden. Erfreulicher war, daß auch Rom reagierte, ihm entgegenkam, ohne daß er neuerlich einen Vertrauten mit einer so delikaten Mission beauftragen mußte, der Tod des Petrus Michael Flecht weniger wog. Der Vatikan entsandte 1577 den Jesuiten Laurentius Nicolai Norvegus mit dem Auftrag, als scheinbarer protestantischer Theologe für die Rekatholisierung zu wirken. Kaum zu glauben, daß König Johan III. entging, wie der zum Rektor des Priesterseminars in Stockholm berufene "Klosterlasse", 16 wie man ihn hier bald nannte, das Schwergewicht seiner Lehre auf die Kirchenväter legte, ganze Scharen seiner Schüler zum weiteren Unterricht an Jesuitenschulen des Auslands wanderten. Als "Klosterlasse" entlarvt wurde, war vielen bereits aufgefallen, daß Johan III. protestantische Gottesdienste seit längerer Zeit mied, wurde die Überzeugung des Königs heftig diskutiert, ein "großer Teil der Frömmigkeit bestehe in Zeremonien, und Gott solle man nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit Händen und Füßen dienen"Y Das war ja nun offensichtlich die Aufkündigung prinzipieller protestantischer Glaubenssätze, erinnerte die Gläubigen an Kniefälle und Bekreuzigungen, unverständliche Gebete und Meßgesänge. Beunruhigt nahmen die Geistlichen auch den Gedanken auf, die Abendmahlsmesse nicht mehr als Beköstigung der Gemeindemitglieder mit Christi Leib und Blut zu feiern, sondern sie als Zeremonie zu verstehen, die auch ohne die Gläubigen als Messe des Priesters gehalten werden könnte. Noch 1571 hatte die Kirchenordnung ausdrücklich vermerkt, "die Messe solle auch nicht gehalten werden, wenn nicht jemand da ist, der das Sakrament annehmen will" . 18 Der päpstliche Sondergesandte Possevino jedenfalls reiste in der Überzeugung zurück nach Rom, Johan III. würde demnächst in den Schoß der katholischen Kirche zurückfinden, in Schweden sei eine Gegenreformation vorbereitet. Die Tumulte um "Klosterlasses" Entlarvung und die wachsende laute Opposition im schwedischen Volk veranJaßten den Monarchen, Papst Gregor XIII. einige weitreichende Kompromisse nahezulegen. Der König bestand auf dem sogenannten Laienkelch, der Verabreichung des Abendmalweines an Laien, der Messe in schwedischer Sprache und der Anerkennung der Enteignung der

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kirchlichen Besitzungen durch die Reformation, Forderungen, die der Papst nicht akzeptieren konnte, wohl kaum für den Realismus König Johans III. sprechen. Tatsächlich wurde selbst das "Rote Buch" in Rom als Ketzerei abgelehnt. Die Mehrheit der schwedischen Historiker bezweifelt, daß Johan III. mehr wollte als einen Kompromiß zwischen Protestanten und Katholiken. Vieles spricht dafür, daß der König wünschte, den ihm trist scheinenden lutherischen Gottesdienst stärker durch äußerliche Momente zu beleben. Andererseits scheint es ebenso sicher, daß sich Johan 111. eine Annäherung an die katholischen Mächte auf dem Kontinent versprach. Und es ist wohl auch nicht auszuschließen, daß persönliche Eitelkeiten mitschwangen, er sich wirklich für berufen hielt, die Konfessionen zu einigen, vor Gott und den Menschen bleibende Verdienste zu erlangen. Die schroffe ReaktionJobans III. auf die päpstliche Ablehnung seiner Lithurgie erlaubt solche Deutung. Im Juli 1579 nahm er demonstrativ am Abendmahl nach lutherischem Ritus teil, distanzierte sich öffentlich von allen Gerüchten, ein Anhänger Roms zu sein. "Klosterlasses" Schriften wurden verboten und eingesammelt, das Priesterseminar geschlossen. Allerdings verfolgte Johan 111. auch weiterhin alle Gegner des "Roten Buches", jagte die oppositionellen Geistlichen aus ihren Pfründen. Eine Gegenreformation war aber undenkbar geworden. Vor allem zwang Johan auch der wachsende Einfluß Herzog Karls zu dieser Haltung. 1585 hatte der Bruder einen seiner geistlichen Gegner zum Bischof von Strängnäs wählen lassen, das "Rote Buch" für Södermanland, Närke und Wärmland abgelehnt. Früher als Johan 111. begriff der Herzog die Bedeutung des Protestantismus für das schwedische Königtum, deutete die Gefahren, die einem Bekenntnis zum Katholizismus für das Vasa-Königtum in seinem Land erwuchsen. Eine starke Herrschaft mußte auf die protestantische Landeskirche und die Masse der Gläubigen bauen, schnell konnte sonst die Krone verloren, ein neuer König aus einer anderen Familie ausgerufen werden. Die Opposition des Hochadels trieb Johan 111. an die Seite Karls. Schließlich verzichtete er, alt und verbraucht, auf die Einführung der Lithurgie, überließ dem Bruder mehr und mehr die Regierungsgeschäfte. Gemeinsam brachen sie die Macht des Reichsrates, Johan auch aus Rachedurst für den erzwungenen Verzieht auf eine Rückkehr Sigismunds, Karl aus der Erkenntnis heraus, daß der Weg zu souveräner Herrschaft nur über politische Bedeutungslosigkeit der großen adligen Geschlechter, ihre Unterwerfung sowohl im Herzogtum als auch in

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Schweden, führte. Ein Teil der Hocharistokratie wurde verjagt, die Übriggebliebenen beeideten, die Entscheidungen des Königs auch dann zu akzeptieren, wenn er ihren Rat mißachtete, seinem "höheren, von Gott gegebenen Verstand" folgte. 19 Das war wieder das Königtum von Gottes Gnaden, der Legitimitätsanspruch des souverän herrschenden Fürsten. Karl erstrebte nun, worüber Bruder Erik gestürzt war. J ohan 111. resignierte, zog sich wieder zurück in die Studierstube, überließ das Land seiner Not, sah nur von Zeit zu Zeit verbittert und wahrscheinlich auch verständnislos auf das wohl verwaltete Södermanland, den Staat im Staate Schweden. Der Reichstag im Frühjahr 1590 nahm ein Gesetz an, das die Erbfolge auch für die weibliche Vasa-Linie garantierte, ein neuer Erfolg Herzog Karls. Zugleich bestätigten die Ständevertreter, daß bei Unmündigkeit des Thronfolgers "der älteste und nächste Angehörige" des jungen Herrschers die Regierung übernehmen sollte, 20 ein für Karl von Södermanland bald sehr wichtiges Dokument. Ende August 1592 erlittJohan III. auf einem Ausflug ins nahe Drottningholm einen Herzanfall. Als er sich etwas erholt hatte, brachte man ihn im Oktober zurück nach Stockholm. Am 17. November 1592 verstarb er, nachdem er noch einmal das Sakrament nach dem lutherischen Brauch empfangen hatte, "endlich frei von der Krone, die er erobert hatte, derer er so gründlich müde geworden war", 21 wie die Autoren der schwedischen Nationalgeschichte bilanzieren. Carl Grimberg, der Verlasser der populärsten Geschichte über den Alltag des schwedischen Volkes resümierte in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts, Gustavs I. Warnungen hätten sich voll bewahrheitet, Johan III. erlebte "eine Laufbahn voll Fehlrechnungen und Enttäuschungen". Wie der alte Vasa befürchtete, folgte der Sohn leichtfertig seinem "Eigensinn". 22 An innenpolitischen Fehlleistungen übertraf ihn wohl nur sein Sohn Sigismund. Ohne tatkräftige, wenn auch sehr eigennützige Unterstützung des jüngsten Bruders hätte Johan 111. vermutlich alle Positionen des Erbkönigs in Schweden an den Hochadel verloren, möglicherweise sogar den Anspruch der Vasa auf die Krone verspielt. Es mangelte ihm vor allem an Realismus in seinen Aktionen. Seine hochfliegenden theologischenTräume lösten sich ebenso in Nichts auf wie seine Vorstellungen von einem schwedisch-polnischen Großreich.

Zeittafel der persönlichen Daten Jobans I/I. 20. 12. 1537

als zweitältester Sohn Gustavs I. in Stockholm geboren

1556

vom Vater mit dem Herzogtum Finnland belehnt

1557

Oberbefehlshaber der schwedischen Truppen im finnischen Krieg gegen Rußland

1559

Englandreise als Brautwerber für Kronprinz Erik, den älteren Bruder

0 ktober 1562

Hochzeit mit KatharinaJagellonica, der Schwester des polnischen König Sigismund August

23.4.1563

vor dem schwedischen Reichstag als Hochverräter angeklagt

7.6.1563

zum Tode verurteilt

12.4.1563

Kapitulation von Abo-Schloß und Gefangennahme Johans, Inhaftierung auf Schloß Gripsholm zusammen mit Katharina Jagellonica

20.7.1566

Geburt seines Sohnes Sigismund auf Gripsholm

Oktober 1567

FreisetzungJohans und seiner Familie durch den geistesverwirrten Erik XIV. auf Veranlassung des regierenden Reichsrates

Juli 1568

Beginn des Adelsaufruhrs gegen Erik XIV. unter Führung von Johan und Karl, den Brüdern des Königs

Januar 1569 10.6.1569 13. 10. 1570

J ohan wird vom Reichstag als neuer König bestätigt Krönung Johans Johan erkämpft im Frieden zu Stettin die Aufgabe des dänischen Union-Königtums

1570

neuerlicher Krieg mit Rußland um Estland

1572

Beginn des berüchtigten Briefwechsels Johans III. mit Ivan IV. von Rußland

1572

Bewerbung Johans III. um den polnischen Thron

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Zeittafel der persönlichen Daten Johans III.

1575

Reform der Kirchenordnung auf Befehl J ohans 111.

1576

Druck des ,.Roten Buches" Jobans III., der Lithurgie des Gottesdienstes nach katholischem Vorbild

1581

Johan III. nennt sich ,.Großfürst von Finnland, Karelien, Ingermanland und Kexholms Län in Rußland"

1583

Waffenstilistand J ohans III. mit Rußland, Tod der Katharina J agellonica

1585

Hochzeit mit Gunila Bielke

1587

Abschied vom Sohn Sigismund, dem neuen König von Polen

1589

Reise Jobans III. nach Reval und Treffen mit Sigismund, Versuch, den Sohn zu überzeugen, mit ihm nach Stockholm zurückzukehren Geburt des Sohnes Johan offener Bruch mit dem Hochadel und Union mit dem Bruder, Herzog Karl von Södermanland, gegen den Reichsrat

Neujahr 1590

Klage vor den Reichsständen gegen den Hochadel als Gegner der Vasa

Frühjahr 1590

Gesetz über die Erbfolge in Schweden auch für die weibliche Vasa-Linie

August 1592 17. 11. 1592

Herzanfall Jobans III. in Drottningholm Tod Jobans III. in Stockholm

Ein König ohne Land Sigismund von Polen, König in Schweden "mit Vorbehalt" König Sigismund "war eine schwache Natur, schwach sowohl an Geist und Körper", 1 heißt es in einer fast zeitgenössischen Charakteristik zu Johans IIL erstgeborenem Sohn. In einer Zeit, in der Glaubensfragen die Haltung der Autoren und Berichterstatter beeinflußten, das Bild einer Persönlichkeit abhängig vom jeweiligen Bekenntnis gerühmt oder verdammt wurde, mögen solche Bemerkungen wenig treffend, ja sogar falsch sein. Auch dieser Text verdeutlicht, daß der Haß auf den Katholizismus den Autor leitete, ihm die Feder führte, ein anderes Mitglied der Vasa-Königsfamilie wäre kaum so beschrieben worden. Hier aber wußte der Hofhistoriker Arnold Johan Messenius, daß die schwedischen Vasa die polnische Linie haßten, Bosheiten nicht geahndet, ja sogar gern gelesen wurden. Groß war im übrigen die Furcht in Schweden gewesen, daß Jesuiten an der Seite des eifernden Sigismund in Schweden Scheiterhaufen entzünden, Ketzer verfolgen würden. Herzog Karl von Södermanland ließ

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damals auch wenig unversucht, sich selbst als Hort des Protestantismus darzustellen, setzte die Politik fort, in seinem Einflußbereich bekannte evangelische Geistliche durch hohe Ämter zu belohnen, nutzte die Befugnisse des Reichsverwesers für ganz Schweden nach J ohans III. Tode. Er schürte die Angst vor Sigismund, hörte nicht ungern Gerüchte, der Erbe des König Johans habe dem Papst gelobt, Schweden wieder in die Gemeinschaft der römischen Kirche zurückzuführen. Herzog Karl wußte wohl, daß das evangelische Bekenntnis die Mehrheit der Schweden auch über Standesgrenzen hinweg einte, notierte befriedigt die geringe Zuneigung im Lande für den katholischen Sigismund Vasa. Es scheint kaum glaubhaft, daß Karl dies alles ohne die feste Absicht tat, sich und sein Haus früher oder später auf den schwedischen Thron zu setzen. Und doch, der Herzog von Södermanland war auch selbst ein überzeugter Feind der katholischen Heilslehre, lehnte die Bindung des Neffen an die römische Kurie aus tiefster Seele ab. Im Januar 1593 versandte Herzog KarlEinladungen an alle Priester und Bischöfe wie auch einige Repräsentanten des Adels und des Bürgerstandes, gebot zu einer Kirchenversammlung nach U ppsala. Als Ziel führte er die Klärung der strittigen Fragen zu den Formen des evangelischen Bekenntnisses und der Lithurgie der schwedischen Landeskirche an. Als Vorsitzender der Kirchenversammlung fungierte Nicolaus Bohniensis, der unter Johan III. eingekerkert war, von Karl anschließend zum Professor für Theologie an die wiedereröffnete Universität Uppsala berufen wurde und den Grundsatz für die Zusammenkunft verkündete: die "Heilige Schrift ist die einzige Richtschnur für den Glauben der Menschheit". 2 Gemeinsam verpflichteten sich die Teilnehmer des Treffens am Abend des 5. März 1593 in einem Beschluß dem Augsburger Bekenntnis in seiner ursprünglichen Form von 1530. Einig war man sich auch, für die Reinheit des evangelischen Glaubens kämpfen zu wollen, "Gut und Blut" einzusetzen. Die Herren verurteiltenlohans III. "Rotes Buch" als Werkzeug des Papstes, "ein Tor und Eingang zu allem anderen", 3 verdeutlichten so, daß sie dem katholischen Sigismund die Tore zu Schwedens Kirchen verschlossen halten wollten. Herzog Karl konnte zufrieden sein, Bruder Johans Werk war in starken Worten sogar als "abscheuliches Untier" verworfen worden. 4 Im übrigen mußte der Beschluß von Uppsala, alle katholischen ritualen Überbleibsel abzuschaffen, die Knochenreste der Heiligen einzugra-

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ben, als weiterer Angriff auf König Sigismund verstanden werden. Abschriften des weitreichenden Beschlusses der Kirchenversammlung von U ppsala wurden im Lande herumgereicht, Unterschriften von Vertretern aller Stände gesammelt, schon vor der erwarteten Landung Sigismunds in Schweden eine breite antikatholische Front geschaffen. Sofort, nachdem der polnische König im Herbst 1593 in Stockholm eingetroffen war, legte ihm Herzog Karl den Uppsala-Beschluß vor, forderte seine Bestätigung. Möglich, daß sich Sigismund solcherart veranlaßt fühlte, nun gerade seinen katholischen Glauben zu dokumentieren, daß Karls Plan aufging, wenn es denn eine derartige Absicht des Reichsverwesers gab. Jedenfalls registrierten die argwöhnisch alle Handlungen Sigismunds beäugenden Stockholmer rasch, daß der designierte Herrscher trotz ihrer deutlich artikulierten Erwartungen nur katholische Gottesdienste besuchte, bei der Bestattung eines seiner Priester Kreuz, Fahnen und Kerzen vor dem Leichnam durch die Gassen zur Ritterholmskirche hertragen ließ, einen Zusammenstoß der aufgebrachten Menge mit seinen polnischen Reisigen provozierte. Einem ängstlichen Rat und den Bürgermeistern gelang es, die sich schnell sammelnden Bürger wieder nach Hause zu schicken, für diesmal war das schlimmste abgewendet. Aber Sigismund tat auch in der Folge wenig oder gar nichts, die Stockholmer für sich zu gewinnen. Als er zu Neujahr 1594 zur bevorstehenden Krönung nach Uppsala ritt, hatte er die Religionsfreiheiten für das evangelische Bekenntnis noch immer nicht bestätigt, noch weniger zu erkennen gegeben, daß ihm die schwedische Krone einen Wechsel ins protestantische Lager wert wäre. So entschieden die versammelten Stände schließlich, Sigismund habe einen Religionseid zu schwören, sollte bekräftigen, kein Katholik würde ein Amt in Schweden erhalten. Ebenso beschloß man demonstrativ, daß jedermann, der "von dieser unserer christlichen Lehre und ihrer Reinheit" abfalle, sein Erbe verwirke, 5 eine nun wahrlich überdeutliche Warnung an König Sigismund! Aber noch immer wand sich der polnische Vasa, wollte diesen Schwur nicht sprechen. Erst als Herzog Karl am 15. Februar aufgebrachten Abgeordneten der Stände aus dem offenen Fenster seinen Hauses in U ppsala heraus gelobte, die Stände zu entlassen und die Krönung zu verschieben, falls Sigismund nicht bis zum nächsten Tag die Entscheidungen der Kirchenversammlung von Uppsala bekräftige, blieb dem polnischen Herrscher keine andere Wahl mehr. Wollte er die schwedische Krone gewinnen, den gefährlichen Einfluß des Reichsverwesers,

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seines Onkels, beschränken, dann mußte er sich beugen. Noch am gleichen Tag konnte Herzog Karl verkünden, Sigismund erkenne die Forderungen der Herren Stände an, wolle sich eidlich binden. Der Reichsverweser bekräftigte das umso lauter, als ihm klar gewesen sein dürfte, daß Sigismund dieses Versprechen nicht halten würde, es nicht konnte. Erik Sparre, der Sprecher des Adelsstandes, Mitglied des Reichsrates, zwang König Sigismund am 16. Februar 1594 zum Schwur, "gemäß den Gesetzen des Landes und mit des Rates Rat" zu regieren. 6 Auch mußte Sigismund bestätigen, daß er neue Gesetze nur im Einverständnis mit den Ständen erlassen wolle, die zentralen und lokalen Verwaltungen dem Adel vorbehalten blieben. War das schon nahezu unerträglich, so dürfte er mit äußerst gemischten Gefühlen beeidigt haben, die evangelische Religion sei nach dem Augsburger Bekenntnis in Schweden Landesreligion. "Fremde Glaubensbekenner" würden keine Ämter erhalten, andere Religionsgemeinschaften in Schweden nur geduldet, "wenn sie sich angenehm und still" verhielten. 7 Worte, die Sigismunds Absichten so völlig widersprachen! Diejenigen, die mit der Krönung Sigismunds zum Herrscher auch in Schweden Gefahren für ihre Religion, Leib und Leben befürchteten, täuschten sich wohl kaum. Die Gerüchte über ein Bündnis des Papstes mit Sigismund waren nicht unbegründet. Im päpstlichen Archiv in Rom liegt ein geheimer schriftlicher Protest, den Sigismund gegen die "schwedische Erpressung" verfaßte. Er gelobte dort "vor Gott, den Engeln, dem Apostolischen Stuhl und dem Papst, unserem allerheiligsten Herrn, sowie allen geistlichen wie weltlichen Katholiken . . . , daß er, wenn er wohl die Macht über Schweden bekommen hat, den katholischen Gottesdienst im Land einführen und sorgen wird, daß seine treuen Anhänger dort nicht ihren notwendigen Unterhalt entbehren müssen". 8 Sigismund, ein Sprößling der Jesuiten, war überzeugt, ein gläubiger Katholik sei Ketzern gegenüber nicht an den Eid gebunden. Schon König Gustav II. Adolf wies wenige Jahrzehnte später vor allem dem jesuitischen Beichtvater Geronimo Malaspina die Schuld an diesem frommen Betrug zu. "Malaspina, der böse Dorn, der in des Königs Fuß steckte, wirkte sehr auf den König, ihn von seinem Versprechen abzuhalten", 9 wertete der Sohn Herzog Karls die bald nach der Krönung einsetzenden katholischen Statthalter und weitere, sich gegen die Protestanten richtende Maßnahmen. Doch war es kaum dieser Ratgeber allein, der Sigismunds Unredlichkeit trug, ihn von der Bindung an den Eid freisprach. Der Herrscher war überzeugt, recht zu tun!

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Als KönigJohan III. KatharinaJagellonica ehelichte, waren sich beide einig, daß eventuelle Nachkommen den litauischen Thron beanspruchen konnten. Anders als das Wahlreich Polen war Litauen damals noch ein Erbreich der Jagellonen-Dynastie innerhalb der polnischlitauischen Personalunion. Und König Sigismund August war kinderlos geblieben . .. Die Lubliner Union 1569 änderte diesen Status des Großfürstentums Litauen, ab 1572 galt auch hier ein Wahlrecht des Adels. Diese Entwicklung hattenJohan und Katharina nicht voraussehen können, zu kompliziert waren die Geschehnisse in Schweden selbst. Aber auch später hielten beide fest an dem Ziel, Sigismund die Krone von Polen-Litauen zu sichern. Sigismund erhielt eine gründliche schulische Ausbildung, bis 1577 durch den erfahrenen schwedischen Diplomaten und Höfling Niklas Rask. Nach dessen Tode übernahm Arnold Grothusen diese Aufgabe. Obwohl für Rask katholische Bindungen vermutet werden, sind solche Bekundungen nur für den in Reval geborenen Grothusen belegt. Da jedoch KatharinaJagellonica sich seit 1574 mit jesuitischen Seelsorgern umgab, Sigismund unter ihrer Obhut blieb, ist auch hier ein entsprechender Einfluß auf den Thronfolger naheliegend. Doch existieren vergleichsweise wenige Quellen, hat die schwedische Historiographie diesen Herrscher relativ vernachlässigt, haben sich schon die Zeitgenossen kaum über die Jugendjahre Kronprinz Sigismunds geäußert. Während sich der Prinz wenig den Wissenschaften öffnete, Interesse für Geschichte, Politik, Philosophie und Naturwissenschaften nicht bemerkt wurde, registrierte man früh künstlerische Neigungen. Johans III. Leidenschaft für die Architektur äußerte sich bei Sigismund in der Liebe zur Malerei. Bald malte der Thronerbe auch selbst. Bis zur Königswahl in Warschau 1587 artikulierte er in keiner Weise politische Haltungen, kümmerte sich nicht um die Regierung des Landes, wünschte das wohl auch nicht. Möglich, daß Sigismund nicht an der Seite Herzog Karls, des Ketzers, regieren mochte, die wachsende Resignation des Vaters empfand, vielleicht auch schlicht keine Bereitschaft entwickelte, seinen künstlerischen Alltag zu belasten. Jetzt jedenfalls mangelte es ihm an notwendigen Erfahrungen für ein so kompliziertes Herrscheramt. Noch schwerer wog, daß sich in Polen ohnehin ungleiche Parteien gegenüberstanden, ein selbstbewußter Adel und ein Monarch, der sich zurück nach Schwe-

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den in den Schutz des Vaters sehnte, seiner Kunst leben wollte. Im übrigen spürte Sigismund die Feindschaft einflußreicher polnischer Magnaten, sah die Thronfolge seiner Familie im polnischen Großreich gefährdet, neigte daher auch gefühlsmäßig zur Sicherung der schwedischen Krone, dem Erbe der Vasa. Nach dem Treffen mit dem Vater in Reval 1589 hatte sich König Sigismund stärker politischen Problemen zugewandt, gleichzeitig bei den Österreichischen Habsburgern nach Bündnispartnern gesucht, im dortigen Katholizismus begierige Helfer gefunden. Im Frühjahr 1592 war die Ehe mit der strengkatholischen Anna von Habsburg, der Tochter des Erzherzogs Karl von Steiermark, geschlossen worden. Mit Anna kamen jesuitische Ratgeber, und bald debattierte man im polnischen Adel, Sigismund strebte nach souveräner Herrschaft über das Reich. Seine Vertrauten seien bessere Kenner der Lehren des Italieners Machiavelli - der damals bekannteste Verfechter unumschränkter Herrschergewalt-, als der Gesetze Polens. Auf dem Reichstag des seihen Jahres verlor der König weiter an Einfluß, konnte nur mit kaiserlicher und päpstlicher Hilfe Kompromisse vereinbaren. Polens Adel schritt fort auf dem Weg zur Adelsrepublik Die schwedische Krone blieb die Alternative für Sigismund. Und auch deshalb schwor er wissentlich einen Meineid, verband sich bei seinem "christlichen Glauben, königlicher Ehre und Wahrheit", die schwedischen Grundgesetze zu achten. 10 Die Anwesenden vermerkten damals in Uppsala während des Krönungszeremoniells mit besonderer Genugtuung, daß Karl den König zwang, die Schwurhand hochzustrecken, als Sigismund sie scheinbar ermattet während des langen Rituals sinken ließ. Und man verstand auch, warum der Herzog von Södermanland den Treueid aufrechtstehend leistete, König Sigismund demonstrativ nur seinen Hut zu Füßen legte, Gesten, die vieles über das Verhältnis der beiden zueinander enthüllten. Erik Sparre hatte bereits im Spätherbst 1593 König Sigismund die adligen Forderungen vorgetragen. In Schweden sei es nicht üblich, "daß Erbkönige absolut regieren sollen", eine Reaktion auf frühere Bestrebungen König Eriks XIV., Jobans 111. und immer wieder auch auf Herzog Karls Versuche, der so eigene Machtpositionen in Schweden ausbauen wollte. Sparre und die anderen Herren sahen es dann auch keineswegs gerne, daß Herzog Karl von Sigismund eine Bestätigung als "Regent und Reichsverweser", 11 eine Stellvertreterrolle für sich während der Abwesenheit des Monarchen forderte.

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Die offenkundigen Gegensätze zwischen Onkel und Neffen eröffneten dem Hochadel im Reichsrat, der nur widerstrebend jeden Machtzuwachs Herzog Karls in der Regierung hinnahm, neue Möglichkeiten der Opposition und eigener Machtfülle. Und König Sigismund glaubte sich gut beraten, als er mit einer Regierungsordnung reagierte, unmittelbar vor seiner plötzlichen Rückreise nach Polen jede Entscheidung des Reichsrates an die Einmütigkeit der Räte band, die Einberufung eines Reichstages ohne seine Zustimmung untersagte, ihm gefügige Statthalter benannte, Herzog Karl lediglich als den "Vornehmsten im Rate nach König Gustavs Testament" titulierte, 12 eine scheinbar salomonische Entscheidung, die alles in der Schwebe halten sollte, jedoch kaum die Zielstrebigkeit und Unnachgiebigkeit des Herzogs berücksichtigte. Kaum war Sigismund abgesegelt, erzwang Karl von den übrigen Reichsräten die Anerkennung als "Reichsverweser". Da mochte der Einwand der widerstrebenden Räte, König Sigismund müsse das aber noch bestätigen, manchem den Rücken freihalten, Illusionen wecken. Herzog Karl jedenfalls handelte schnell. Zunächst beschränkte er Erik Brahes Einfluß. Sigismunds katholischer Statthalter in Stockholm war zur Untätigkeit verurteilt, resignierte bald. Anders Klas Fleming, der Vertraute des Königs in Finnland! Dieser erkannte die "Regierungsvereinigung" vom September 1594 nicht an, berief sich auf seine Pflicht allein König Sigismund gegenüber, bestärkte weitere Gegner des Herzogs. Als 1595 ein von Sigismund verbotener Reichstag in Söderköping Herzog Karl als "Reichsverweser mit des Rates Rat" bestätigte, 13 kriselte es in Schweden. Karl ermutigte rebellische Bauern in Finnland zum sogenannten "Keulenkrieg" gegen die Krone. Als die Aufständischen von Flemings Söldnern massakriert wurden, untersagte der Reichsrat einen Heereszug Herzogs Karls nach Finnland. Nach anfänglich versteckter Opposition fanden die Herren zum offenen Widerstand gegen den Reichsverweser, boykottierten nahezu geschlossen einen neuerlichen Reichstag zu Jahresbeginn 1597 in Arboga. Auch ein vorübergehender Erfolg Herzog Karls in Finnland nach Flemings Tod brachte keine Entscheidung. Die Mehrheit der Ratsaristokratie emigrierte zum König nach Polen, wähnte in dem machthungrigen Herzog den eigentlichen Gegner, vertraute, daß Sigismund in Polen gebunden, sich wenig um seinen schwedischen Besitz kümmern konnte. Der Bürgerkrieg war unvermeidlich geworden. Herzog

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Karl bereitete die Auseinandersetzung vor, suchte vor allem unter den Bauern Gefolgsleute. Dalarnas Bauern sandten 1597 einen offenen Brief nach Stockholm, beriefen sich auf das alte schwedische Grundgesetz, es dürfe nur einen König für "ganz Schweden" geben. Da Sigismund "selbst nicht im Reich, sein Sohn und sein Bruder aber, unmündig "seien, wollte man als Reichsverweser nur "seine fürstlichen Gnaden, den Herzog Karl" anerkennen. 14 Dieses Schreiben war die Frucht eines unermüdlichen öffentlichen Wirkens des Herzogs um die Jahreswende 1596 I 97. Auf den zahlreichen Wintermärkten trat Karl vor die Bauern, organisierte Treuebekundungen, schreckte seine Zuhörer mit Andeutungen katholischer Verschwörungen gegen alle schwedischen Lutheraner, beschwor grausige Zukunftsvisionen eines künftigen Terrorregimes König Sigismunds. Auf dem Reichstag in Arboga konnte er durchsetzen, daß die niederen Stände die abwesenden Reichsräte verurteilten, jeden zum Reichsfeind erklären wollten, der das Beschlußpapier der Versammlung nicht binnen sechs Wochen unterzeichnete. Nun war auch der Monarch zum Kampf entschlossen. Im Sommer 1598 sammelte Sigismund eine Flotte in Danzig, segelte mit 5 000 Soldaten nach Kalmar, eroberte die Feste, zog wenig später in Stockholm ein, das sich gegen Herzog Karl erklärte. Sigismund blieb der Mehrheit der Ratsmitglieder der Hauptstadt der rechtmäßige König. Nahe Norrköpings bei dem starken Schloß Stegeborg standen sich Anfang September beide Heere gegenüber. Am 8. September erlitt Herzog Karl eine Niederlage, konnte jedoch im Morgennebel des 28. September die beiden Brücken über den Stangefluß stürmen, die Schlacht bei Stangebro für sich entscheiden. König Sigismund mußte Anfang Oktober die oppositionellen Aristokraten dem Sieger ausliefern, der Einberufung eines Reichstages nach Stockholms zustimmen, sich zur Auflösung seines ausländischen Söldnerheeres verpflichten. Karl erzwang die Zustimmung des Monarchen, vor den Reichsständen aufzutreten und seinen Feldzug zu rechtfertigen, ein Abkommen, das der jüngere Vasa nicht erfüllen konnte, zu offenkundig die Absicht des siegreichen Onkels, den Neffen zu demütigen. Statt nach Stockholm segelte der geschlagene König über Kalmar nach Polen zurück, plante nun eine Handelsblockade gegen sein eigenes Land, wollte den Herzog von Södermanland ökonomisch in die Knie

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zwingen. Sigismund veranlaßte entsprechende Verhandlungen mit Dänemark und den Hansestädten, vertraute auf seine Besatzungen in Stockholm, Kalmar, Älvsborg und den festen finnischen Plätzen. Wieder handelt Karl entschlossener, schneller als der König, eroberte Stockholm und das finnische Abo, zwang Kalmar im Frühjahr 1599 zur Kapitulation. Das Schicksal des Königtums von Sigismund war .entschieden. Ein Reichstag Mitte September des gleichen Jahres erklärte den Herrscher für abgesetzt, folgte bereitwillig und sicher auch zufrieden der Empfehlung des Herzogs, bot Sigismunds vierjährigem Sohn das Erbe an, bestand nur auf einer protestantischen Erziehung des Prinzen in Schweden. Herzog Karl wußte, wie man die Schweden gewinnen konnte, war auch hier ganz der Sohn seines großen Vaters. Die kluge Mäßigung seines Auftretens, der vorläufige Verzicht auf die angebotene Krone straften scheinbar jene Lügen, die Gustav Vasas jüngstem Sohn eigene Thronintensionen nachredeten, ihm den blutigen Konflikt mit Sigismund anrechneten. Es bleibt befremdlich, daß König Sigismund vor dem Onkel zurückwich, ihm ohne stärkere Gegenwehr die Herrschaft in Schweden überließ. Er war wohl wirklich nicht für den Krieg oder zähes politisches Taktieren geboren, umso erstaunlicher, daß er die entsprechenden politischen und militärischen Probleme nicht seinen zahlreichen erfahrenen Ratgebern und Feldherren übertrug. Stattdessen konzentrierte er sich in der Folgezeit auch aus innerem Antrieb mehr auf die Gegenreformation in seinem Wahlreich, ein Beleg, daß er es für aussichtslos wähnte, seine schwedischen Untertanen dem Katholizismus zurückzugewinnen. Er konnte es wohl nicht mit seiner eigenen religiösen Bindung vereinbaren, Herrscher über ein evangelisches Schweden zu sei, in der Tat ein interessantes Phänomen königlicher Skrupel! Allerdings verzichtete er nie auf den Thron in Schweden, beanspruchte zeitlebens sein Erb reich, mußte sich aber nun der Verteidigung der baltischen Provinzen Polens zuwenden, Karls ausgreifende Initiativen im Ostseeraum abwehren. Seine Feldherren verdrängten die angreifenden Schweden zwar bald wieder aus Livland, konnten weite Teile Estlands besetzen, doch lähmte die große Erhebung des polnischen Adels 1606, der sogenannte "Rokosz", einen neuerlichen, mehr Erfolg versprechenden Versuch Sigismunds, Schweden zurückzugewinnen. Schwedens Krone war verloren für diesen Zweig der Vasa, war das schon, noch ehe der katholische König Sigismund auf schwedischem Boden seinen Anspruch durchsetzen wollte. Die Pläne einer Personalunion Polens und

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Schwedens mußten scheitern an derUnvereinbarkeitder ökonomischen und politischen Ziele der Herrschenden in beiden Reichen, blieben auch Illusionaufgrund des tiefverwurzelten Katholizismus König Sigismunds. Es spricht wohl vieles dafür, daß Sigismund weder die rhetorische Begabung der Vasa erbte noch die Konsequenz eines Gustavs I., eines Eriks XIV., schon gar nicht die Skrupellosigkeit seines Onkels Karl von Södermanland, auch weniger beharrlich als die anderen Vasa politische Ziele verfolgte, sowohl in Schweden als auch in Polen wenig Anerkennung fand. Die moderne polnische Historiographie weiß dem zeitweiligen König von Polen und Schweden wenig Gutes nachzurühmen. Er sei kalt und "unzugänglich" gewesen, "in der Politik nicht sonderlich geschickt ... war er bei den meisten Adligen unbeliebt". 15 Auch als polnischer König sei er eigentlich nur eifrig in der Verfolgung der Protestanten gewesen, urteilten schwedische Historiker in unserem Jahrhundert. Als Monarch in Schweden habe ihn die selbstgestellte Aufgabe beseelt, seine Untertanen zu rekatholisieren. Das Reich Schweden und das Wohl und Wehe seines Volkes blieben ihm unwichtig.

Zeittafel der persönlichen Daten König Sigismunds 20. 6.1566

Geburt Sigismunds auf Schloß Gripsholm

seit 1574

Einfluß jesuitischer Seelsorger der Mutter Katharina Jagellonica auf die Erziehung des Kronprinzen

1577

Unterricht durch den Revaler Arnold Grothusen nach dem Tode des ersten Lehrers, des Diplomaten Niklas Rask

1587

Wahl Sigismunds zum König von Polen

27. 12. 1587 1589

Frühjahr 1592

Krönung Sigismunds Treffen Sigismunds mit dem Vater, Johan 111. von Schweden, in Reval; Diskussion der beiden über die Rückkehr Sigismunds nach Schweden Ehe mit Anna von Habsburg

Spätherbst 1593

Reichsrat Erik Sparre trägt Sigismund in Warschau die adligen Mitspracheforderungen vor

Herbst 1593

Sigismund segelt nach Stockholm, bereitet seine Krönung als König in Schweden vor

Neujahr 1594

Reise Sigismunds nach Uppsala zum Krönungsreichstag

15.2.1594

Sigismund akzeptiert die Forderungen des Reichstages auf Anerkennung des Protestantismus

16. 2.1594

Sigismund bestätigt die ständischen Rechte des Adels und die protestantische Landesreligion nach dem Augsburger Bekenntnis

19.4.1595

Geburt des Sohnes Wladislaw

Sommer 1598

Sigismund sammelt ein polnisches Heer, beginnt den Bürgerkrieg in Schweden mit der Besetzung Kalmars und Stockholms

8.9.1598

Sieg Sigismund bei Stegeborg über das Heer des H erzogs von Södermanland

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Zeittafel der persönlichen Daten König Sigismunds

28. 9.1598

entscheidende Niederlage König Sigismunds bei Stängebro und Auslieferung der königstreuen Hochadligen an den Herzog von Södermanland

Mitte September 1598

Absetzung König Sigismunds durch die schwedischen Reichsstände in Stockholm Tod der Anna von Steiermark

März 1600

Bestätigung der Absetzung durch den Reichstag von Linköping

1605

Ehe mit Konstantia von Steiermark

1606

Beginn eines Adelsaufstandes in Polen gegen König Sigismund

1607

Sieg Sigismunds über die Erhebung des protestantischen polnischen Adels

1609

König Sigismund belagert Smolensk im Krieg gegen Rußland ·

21. 3. 1609

Geburt des Sohnes Johan Kasimir in Krakow

19.4.1632

Tod Sigismunds

Ein Usurpator auf dem Thron Herzog Karl, der spätere König Karl IX. Begann der Weg des ersten Vasa auf den Thron mit dem "Stockholmer Blutbad", so markierte der Herzog von Södermanland seinen politischen Triumph nach Sigismunds Niederlage bei Stangebro mit dem "Blutbad von Linköping", scheinbare historische Parallele, die sich nur dadurch unterschied, daß Gustav I. Vasa damals ein Gejagter, vor dem Scharfrichter Fliehender war, der Sohn achtzig Jahre später aber als Jäger und Henker fungierte. Und doch hatten beide vieles gemein, war Herzog Karl von Södermanland Gustav I. am ähnlichsten, kämpfte wohl auch denselben Kampf, mußte da wieder beginnen, wo der Vater erfolgreich endete, Bruder Erik scheiterte,Johan nicht konnte, vielleicht auch nicht wirklich wollte, war im übrigen keineswegs grausamer, bedenkt man die,Todesurteile Gustavs I. gegen die Freunde und Helfer aus den Fluchttagen. Beide bedeutende Vasa-Herrscher vernichteten konsequent jene, die sich dermonarchischen Souveränität nicht beugen wollten.

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Mit der Drohung, er lasse die emigrierten Reichsräte mit Gewalt aus dem königlichen Lager holen, zwang Herzog Karl seinerzeit den zögernden König Sigismund zum Nachgeben. Als man die Inhaftierten vor ihn führte, herrschte sie der Sieger an, ob sie "vor Gott und den Menschen" ihre Verbrechen verantworten könnten, 1 ließ damit keinen Zweifel, daß er die Unterwerfung des Hochadels erzwingen wollte. Zu Jahresbeginn 1600 wählte der Reichsverweser aus den versammelten Ständevertretern in Linköping 155 aus, entband sie zwar ihrer Verpflichtung ihm gegenüber, trat jedoch selbst als Ankläger auf. So verstanden die Richter und Ausschußmitglieder bald, daß Herzog Karl keinen Rechtsspruch wünschte, nicht zu entscheiden war, ob die zehn Angeklagten Gesetze gebrochen hatten. Hier galt es den Machtkampf zwischen Krone und hochadligem Mitspracherecht, stand die adlige Ständeherrschaft zur Diskussion. Und der Reichsverweser deutete unmißverständlich an, was zu verurteilen war. Die Herren vom Reichsrat hätten Zwietracht zwischen den Vasas gesäet, Widersprüche zwischen Onkel und Neffen boshaft vertieft, ihm selbst, dem eigentlichen Wahrer des schwedischen Reiches, nach dem Leben getrachtet, König Sigismund geraten, mit fremden Söldnern Schweden zu überfallen, sein eigenes Land zu verderben. Im scharfen Wortwechsel mit den keineswegs furchtsamen adelsstolzen Reichsräten dröhnte der Herzog wieder und wieder, daß er seine Gegner als Hochverräter betrachte, nur jenen vergeben wolle, die ihre Schuld eingestanden, sich seinem Gnadenspruch auslieferten. Ture Bielke, die beiden Baner und der ideologische Kopf des Hochadels, Erik Sparre, verteidigten sich mit dem Argument, sie hätten dem gekrönten Herrscher gedient, "konnten nicht zwei Herren gleichzeitig" gehorchen.2 Umsonst, Herzog Karl setzte das Todesurteil am 17. März 1600 durch, ignorierte die im Schnee vor der Burg auf Knien um die Männer und Väter bittenden Frauen und Kinder. Noch heute sieht man auf dem Marktplatz in Linköping jene Stelle im Pflaster, wo das Gerüst aufgebaut war, der Riebtklotz stand. Am 20. März fielen die Köpfe der Opposition. Schuldig waren sie, weil "sie sich mehr treu dem König als ihrem Vaterland erwiesen", 3 urteilte einer der bedeutendsten älteren schwedisehen Historiker. Möglich, daß die Herren Reichsräte sich dem König verpflichtet fühlten, richtig ist aber wohl auch, daß sie vor allem ihren eigenen aristokratischen Sonderinteressen treu blieben.

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Herzog Karl gewann den Machtkampf um den Preis zahlreicher Schmähschriften. Am prägnantesten spiegelte "Herzog Karls Schlachtbank", eines jener Pamphlete, den Blick des Adels auf den nun nahezu unumschränkt herrschenden Regenten. Bauern, auch manche Städtebürger, sahen die Auseinandersetzungen des Reichsverwesers mit dem Hochadel mit anderen Augen! "Bauernkönig" spottete der Adel heimlich, 4 grollte dem Herzog und späteren König zeitlebens für das Bündnis der Krone mit dem waffengeübten Bauernstand, vergaß Karl den blutigen Beginn niemals, suchte sein Andenken als tyrannischer Herrscher zu verunglimpfen, hatte wohl auch recht, was die Entschiedenheit betraf, mit der Karl IX. politische Gegner bekämpfte. So lebte auch die Legende vom unheilverkündenden Traum des Herzogs kurz vor dem Reichstag zu Söderköping 1595 fort bis in unsere Tage. Angeblich träumte Karl damals, er sei Gast eines.livländischen Adligen in Reval, saß dort zu Tisch und deckte hungrig die hereingetragenen Schüsseln auf. Da wäre in einer Terrine Schwedens Königwappen, die andere mit einem Totenschädel und Gebeinen gefüllt gewesen, soll der entsetzt erwachte Herzog tief beunruhigt seinen Kammerherrn berichtet haben. Ein erschreckendes Omen für diesen Vasa auf dem Weg zur schwedischen Krone, kündete an, nur über Blut und Tod war das erstrebte Ziel zu erreichen. Karl entschied sich, so ereiferten sich die Gegner, scheinbar unberührt für diesen blutigen Gang. Sicher kann nicht beurteilt werden, ob Herzog Karl damals wirklich solche Gedanken beherrschten, Alpträume ihn heimsuchten. Er hinterließ keine Tagebuchaufzeichnungen dazu. Gustav Erik Geijer, derberühmte schwedische Nationalhistoriker des 19. Jahrhunderts griff diese Überlieferung auf, wertete sie als "innere Zeichen einer großen Unruhe, von der die Herzen angefüllt waren. Seit Schweden gefügt wurde, hatte es schwerlich so in seinen Grundfesten gebebt." 5 Karl IX. dürfte diese Zeichen gedeutet, selbst gefühlt haben, daß er am Scheideweg stand, nicht auszuschließen, daß ihn die Entscheidung peinigte, Traumvisionen den Herzog heimsuchten. Die Konsequenzen ahnte er zweifellos, als er sich zum Kampf gegen König Sigismund entschloß, den Hochadel ausschalten mußte, dem der ferne König näher als der machthungrige Herzog von Södermanland stand. Viele politisch denkende Zeitgenossen erwarteten diesen Kampf, Traum und Realität vermischten sich. Schnell und energische Entschlüsse waren in der Tat nötig, sollte Schwedens Stellung im Ostseeraum gesichert, die Idee des "Dominium

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maris Baltici" verwirklicht werden. Mit Karl IX. erwuchs Schweden eine solche Herrschergestalt. Anders als Erik XIV. und Johan III. konnte der jüngste Bruder die angestrebte breite Ausbildung nicht vollenden, stand Karl schon als Fünfzehnjähriger im Kampf um Varberg, kommandierte hier 1565 die Artillerie, zwangen die innenpolitischen Wirren im Sommer und Herbst 1568 den jungen Herzog von Södermanland zu frühen politischen Entscheidungen. Obgleich wie die Brüder auch theologischen Überlegungen aufgeschlossen, erbte Karl den praktischen Sinn des Vaters, wandte sich frühzeitig dem ökonomischen Ausbau seines Herzogtums zu, sah sich dort als "Landesvater", verantwortlich für den Wohlstand seines Volkes, verstand das als notwendige Basis eigener Macht. Der vierte Sohn König Gustavs I. und Margaretha Leijonhufvud war am 4. Oktober 1550 geboren, 1569 als souveräner Herzog von Södermanland von König J ohan III. bestätigt worden, sein Preis für die Hilfe gegen den Bruder Erik. Karl widmete sich in den nächsten Jahren vor allem der eigenen Hausmacht, insbesondere "dem Bergbau" und baute das Hüttenwesen in Värmland aus. Er könne "der eigentliche Schöpfer des Bergbaus in Värmland genannt" werden, schätzte ihn schon die ältere schwedische Historiographie hoch, wußte zu berichten, daß er in den Häusern der Värmländer ein- und ausging, durch Steuerbefreiungen Gewerbe und Rodungen stimulierte, nachlässige Bauern als "patriarchalischer Hausvater" ebenso bestrafte wie er erfolgreiche lohnte. So galt der leutselige Regent vor allem den Bauern als "der große Karl". 6 Ein Mißverständnis, so scheint es, denn offenbar waren ihm die Bauern nur Werkzeuge, unverzichtbar im Kampf gegen die adlige Opposition. Rebellische Bauern aber blieben HerzogKarlein Greuel. Den Nationalhelden Engelbrekt und dessen großen Aufstand Mitte des 15. Jahrhunderts hat er immer sehr kritisch gewertet, trotzlaut bekundeter Sympathien für die "Keulenbauern" Finnlands, im allgemeinen mißtrauisch von dem "Bauern und seinen aufrührerischen Parteien" gesprochen, mit "demagogischer Kraft" aber diese Menschen immer wieder für seine Ziele genutzt, wie die moderne schwedische Geschichtsschreibung den Herrscher charakterisiert. Wie der Vater griff Herzog Karl überall ein, reglementierte alles, verachtete insbesondere die Vögte, seine Beamten, die er gerne und häufig als "Diebeshaufen" bezeichnete, sie manchmal serienweise hängen ließ, oft auch zur Zufriedenheit der geplagten Bauern, die nun ihr Loblied des gerechten Landesherrn umso kräftiger anstimmten. Über-

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liefert ist Karls Äußerung, "daß die meisten, die sechs Jahre Vogt waren, ohne Urteil und Untersuchung gehängt werden könnten". 7 Nie konnte König Karl IX. vergessen, daß zahlreiche Vögte sich König Sigismund als rechtmäßigem Herrscher verbunden fühlten, in den Landesteilen außerhalb seines Herzogtums erst allmählich auf seine Seite wechselten. Andererseits zählte der Aufbau einer zuverlässigen lokalen Beamtenschaft zu den Aufgaben, die Karl in der Auseinandersetzung mit den feudalständischen Herrschaftsstrukturen erwuchsen. Mißtrauisch setzte er die Vögte beständig um, immer fürchtend, seine Beamten könnten in einer Region heimisch werden, sich mit dem dortigen alteingesessen Adel verbinden. Doch schuf der König mit der Berufung von Schloßvögten und Wirtschaftsvögten neue Aufgabenbereiche, unterhöhlte das überlieferte mittelalterliche Lehnssystem mit seinen traditionellen Leitungsfunktionen weiter. Die Vögte blieben ihm persönlich für den rechtzeitigen Eingang der Steuern verantwortlich. Die Stockholmer Kammer forderte in seinem Auftrag ständige Rechenschaft von ihnen. Auch hatte der Regent einigen von ihnen die Verantwortung für den Wegebau, die Post- und Fuhrdienste zugeordnet, anderen die Auswahl der Ständevertreter für die Reichstage und die Ausschreibungen der Soldaten in den Kirchspielen aufgetragen, so die allmähliche Entwicklung eines speziellen Berufsbeamtenturns eingeleitet. Auf die Dauer gesehen erwiesen sich diese Staatsdiener verläßlicher als der 1602 neugeschaffene Reichsrat. Auf die Stände gestützt, hatte Herzog Karl neben die alten Geschlechter neue Repräsentanten berufen. Und doch, bald opponierten die neuen Herren wieder gegen die Krone, wünschten die Außenpolitik auf die Auseinandersetzung mit Dänemark orientiert, den Frieden im Osten erhalten, blieben aber vor allem weiterhin Sprachrohr des adligen Widerstandes gegen frühabsolutistische Bestrebungen des zunächst noch immer ungekrönten Reichsverwesers, gewannen besonders mit dem Reichsrat Axel Oxenstierna ab 1606 eine herausragende Persönlichkeit. Der Reichstag Anfang März 1600 hatte nicht nur dem Prozeß gegen die angeklagten Reichsräte gegolten. Die etwa 800 Vertreter aller Stände sprachen dort König Sigismund und seinen Erben "für ewig" jedes Thronrecht ab. Herzog Karl von Södermanland bot seinerseits an, das Land zu regieren, bis Sigismunds jüngerer Bruder J ohan "oder sein eigener Sohn, Gustav Adolf, mündig wären". Und ebenso selbstverständlich trug das Forum dem Reichsverweser die Krone an, bot an,

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"bis auf weiteres die Linie Johans III. von der Thronfolge auszuschließen". 8 Es ist kaum zu entscheiden, ob es Taktik war oder legitimistische Überzeugungen des Herzogs wirkten, als sich Karl erneut an Sigismund wandte, wiederum vorschlug, den SQhn Wladislaw zur Erziehung nach Schweden zu senden, versprach, daß der protestantische Thronprätendent dann von ihm, dem Vormund, die Krone empfangen würde. Der Reichsverweser verfolgte auch nach Sigismunds Niederlage jene Gefolgsleute König Johans III., die seinerzeit den gestürzten Erik XIV. bewachten, ließ sie hinrichten, bestrafte selbst Johans Widersacher in Reval, die auf eine Rückkehr Sigismunds nach Polen bestanden hatten. Sie alle, so verkündete es der Herzog, waren schuldig des Angriffs auf den Herrscher, versündigten sich an königlichem Blut. Sicher, Äußerungen dieser Art können der Überzeugung erwachsen sein, der Herrscher sei durch Gott legitimiert, in seiner Würde unantastbar, nötigenfalls nur durch seinesgleichen zu entthronen, wie es Johan und Karl gegen Erik XIV. wagten. Aber alle waren sie Vasa, Söhne eines Königs, gewöhnliche Sterbliche entbehrten dieser göttlichen Vorbestimmung, andere zu beherrschen. Im übrigen wußte der Reichsverweser, daß Sigismund der protestantischen Erziehung seines Sohnes nicht zustimmen würde. Da ließ sich großzügig anbieten, auf die Krone verzichten zu wollen. Natürlich kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß Herzog Karl bei der Verfolgung der Feinde Eriks und Johans einfach Entrüstung heuchelte, so gefährliche Widersacher seines Thronanspruches einfach beseitigte. Räumt man dem Reichsverweser tatsächlich Unsicherheit, Zögern und gewisse Skrupel vor der Usurpation der Krone ein, dann mag Karl wirklich mit dem Gedanken gespielt haben, für sich auf die Krönung zu verzichten. Die wirkliche Macht lag bei ihm, der Titel zählte weniger. Tatsächlich verzichtete der Reichsverweser bis 1603 auf die Majestät. Erst auf dem Reichstag in Nyköping 1604 nahm er die Huldigung als König an, vereinbarte in einerneuen "Erb-Einigung", daß die Krone an seine männlichen Erben, erst danach an den Neffen Johan und dessen männliche Nachkommen, sonst auch an Frauen und Mädchen seiner Familie überginge. Krönen ließ sich der neue König in Schweden erst am 15. März 1607, nun schon ein alter Mann an der Schwelle des Todes. Karl IX. blieb allen - ungekrönt und dann auch als Monarch - ein unnachgiebiger Herrscher, prügelte wie der Vater nicht selten auch

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hohe Beamte wegen Versagens, manchmal bei geringen Verfehlungen, fand insbesondere für den illegitimen Sohn mit der Priestertochter Karin Nilsdotter, Karl Karlsson Gyllenhielm, harte Vorwürfe, wenn sein Ältester übertragene Aufgaben ungenügend löste. Besonders verärgert reagierte der despotische Vater auf Gyllenhielms zögerliche Haltung im Krieg gegen das übermächtige Polen. Mit der durchsichtigen Behauptung, man müsse einem Angriff König Sigismunds auf das von Polen beanspruchte Estland zuvorkommen, landete Herzog Karl im August 1600 etwa 12 000 Soldaten in Reval, war dann in Livland eingefallen. Die geringen polnischen Verbände wurden schnell überrannt, Festung auf Festung fiel den Schweden zu. Im Dezember 1600 zog Herzog Karl in Dorpat ein, zu Neujahr eroberte er Wolmar und Wenden. Im Februar 1601leisteten nur noch Riga und Kockenhusen Widerstand. Wenig später marschierte jedoch ein polnisches Heer gegen die Schweden, hatte der polnische Reichstag, der Sejm, seinen Widerstand gegen Sigismunds Estlandpläne aufgegeben. Erst jetzt, als Reaktion auf Karls Angriff, entschieden sich die Polen für den Krieg, erwuchs Schwedens Reichsverweser eine wirkliche Gefahr. Herzog Karls Befehlshaber vor Kockenhusen, sein Sohn Karl Karlsson Gyllenhielm und der junge Jakob Pontus De Ia Gardie, konnten im April1601 in die Stadt eindringen, das feste Schloß aber widerstand allen schwedischen Angriffen, Verärgert schrieb der Vater dem Sohn, er vermisse Mut und Entschlossenheit. Karl Karlsson Gyllenhielm habe beständig Entschuldigungen parat, um seine Inaktivität zu rechtfertigen. "Wenn Du Sold bekommst, so fehlt Dir Volk; wenn Du Volk hast, so fehlt Dir Fourage, wenn Du Fourage bekommen hast, so hast Du weder Pulver noch Kugeln ... ", 9 harte Vorwürfe, die Karl Karlsson Gyllenhielm schließlich zu einem verzweifelten Angriff auf das gut gerüstete, heranmarschierende polnische Entsatzheer zwangen. Zwei Monate widerstanden anschließend Gyllenhielm und Gardie den Polen, fielen dann, halb verhungert und ohne ausreichende Vorräte an Munition und Waffen, dem Gegner in die Hände. Er dürfe keinen anderen beschuldigen als sich selbst, behauptete Herzog Karl in einem weiteren Brief an den Sohn. Gyllenhielm hätte sich "besser versehen müssen" mit Vorräten, "das Haus mit mehr Ernst und Mannhaftigkeit verteidigen müssen", 10 klagte höchst ungerecht der unzufriedene Vater. Karl von Södermanland hatte sich selbst vor dem polnischen Heer nach Schweden zurückgezogen, den Sohn in seinem

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hoffnungslosen Kampf allein gelassen, umso unbegreiflicher die Schelte des Reichsverwesers. Nein, bauen konnte niemand auf ihn! Selbst der eigene Sohn galt ihm wenig, störte er die Pläne des Vaters. Und Herzog Karl war offenbar nie bereit, Fehler bei sich selbst zu suchen. Auch hierin erinnerte er an Gustav I. Vasa. Erst zwölf Jahre später wurde der unglückliche Gyllenhielm aus polnischer Haft entlassen. Das Versprechen, er wolle seine Freilassung erzwingen, konnte Karl IX. nicht erfüllen, bemühte sich möglicherweise auch weniger ernsthaft, als er vorgab. Ein erfolgloser Sohn bedeutete dem Vater offenbar wenig. Auch neigte der Reichsverweser zu sehr unrealistischen Einschätzungen des polnischen Widerstandes, überschätzte sich als Feldherr maßlos. Er wolle, so versicherte er Gyllenhielm in jenem "Trostbrief", bald wieder nach Livland kommen, selbst nach dem Rechten sehen und zeigen, daß der Krieg bisher "nichts anderes als ein Kinderspiel und Spiegelfechterei" gewesen sei.'' Doch landete König Karl IX. erst 1605 erneut ein Heer in Livland, marschierte wiederum vor Riga, suchte am 16. September bei Kirkholm nahe der starken polnischen Festung die Entscheidung. Seinen etwa 15000 Schweden konnte der polnische Feldherr nur 5 000 Soldaten entgegenstellen. Ein siegessicherer schwedischer Herrscher wähnte sich am Ziel seiner Wünsche, wollte der Welt- und wohl auch dem gefangengehaltenen Sohn- beweisen, wie gering die Kampfkraft des polnischen Gegners zu werten war. Alkohol wurde in großen Mengen auf Weisung des Königs ausgeschenkt, sollte die Todesverachtung der schwedischen Truppen steigern. Offenbar ahnte Karl IX. die Diskrepanz zwischen seinen großen Worten, den einstigen Vorhaltungen dem Sohn gegenüber, und den tatsächlichen Möglichkeiten seines Heeres. Die moderne schwedische Historiographie ist eins in der Einschätzung, daß Karl IX. kein begabter Heerführer war, sich selbst über seine Fähigkeiten als Feldherr täuschte. Wie der König auch im Reich und früher im Herzogtum keinen Widerspruch duldete, selbstkritischen Überlegungen wenig aufgeschlossen schien, so neigte er auch jetzt zu Selbstüberschätzungen, griff die kleine polnische Armee überhastet an, gab eine vorteilhafte Höhenstellung unüberlegt auf. Karl IX. wurde total geschlagen. Oberst Anders Lennartsson klagte noch kurz vor seinem Tode in der Schlacht über die verheerende Wirkung des starken Rotweins auf seine Soldaten. Das Volk sei "so schwer und schläfrig, daß einige von den Pferden fielen und einige unserer

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schwedischen Fußknechte sich niederlegten". 12 Angeblich standen nach diesem Treffen mehr als 7 600 Schweden nie wieder auf. Der König selbst rettete nur mit Mühe das eigene Leben. Ein livländischer Ritter an seiner Seite überließ ihm sein Pferd für die Flucht, zahlte mit dem eigenen Leben. Und wieder suchte der Herrscher die Schuld bei anderen. Sieben Tage nach der Niederlage klagte Karl IX. in einem Schreiben an den Rat in Stockholm, die Soldaten seien feige geflohen, "ließen sich in den Nacken hauen wie ein Haufen Hühner". Der Ritterschaft Östergötlands sandte der König einen offenen Brief, tadelte den Adel für die Niederlage in Livland. Einige von ihnen waren "unvermögend gewesen, und alle habt ihr gerufen: heim!" 13 Schuld sei der unbefriedigende adlige Rüstdienst, ließ Karl IX. seine Nobilität wissen, griff damit Unzulänglichkeiten der Adelspflichten auf, die schon Bruder Erik XIV. tadelte, die seinerzeit die Privilegierten verstimmten, Irritationen unter dem Adel hervorriefen, das Bündnis gegen den Herrscher förderten. Auch König Karl IX. wünschte nun, den Adel in die Pflicht zu nehmen. Ein allgemeiner Angriff Polens auf Schwedens baltische Besitzungen, auf Finnland stand bevor, Karls weitgefaßte Ziele waren gefährdet. Da erhob sich ein Teil des polnischen Adels gegen König Sigismund, wandten sich die polnischen Truppen zurück in die Heimat. Auch reizte nun das krisengeschüttelte Zarentum die polnische Schlacht mehr als der nordische Nachbar jenseits der Ostsee. Zeit war gewonnen, den eigenen schwedischen Adel stärker einzubinden in den großen Plan der schwedischen Ostseeherrschaft, eine Atempause für König Karl IX., Zeit für eine Neuorientierung des Ehrgeizigen. Als polnische Heere in Rußland einmarschierten, vereinbarte Karl IX. mit den Zaren Schuiski im Februar 1609 ein Bündnis, sandte ein kleines Heer unter Jakob De la Gardie nach Rußland. Im März 1610 feierte der Zar in Moskau die Schweden als Helfer in der Not, konnte sich aber nur kurze Zeit freuen. Schon am 24. Juni 1610 unterlag Gardie bei Kluschino dem Heer der Polen und oppositionellen Bojaren, konnte die Entthronung Schuiskis nicht verhindern. Eine polnische Garnison schützte Sigismunds Sohn Wladislaw, den neuen Zaren in Rußland. König Karl IX. blieb wenig Zeit, die Entwicklung in Rußland zu bedauern. Eine dänische Armee war in Südschweden eingefallen, zwang den König zur Umorientierung auf den neuen mächtigen Feind. Schon 1604 hatte der junge dänische Herrscher Christan IV. seinen Reichsrat befragt, ob der Einmarsch in Südschweden die Billigung der

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Herren fände. Und alsbald ließ er verkünden, Schweden habe keinen Anspruch auf das Reichssymbol der drei Kronen. Einig war man sich in Kopenhagen, daß Karls IX. Städtegründung am Götafluß, Göteborg, eine ernstzunehmende Konkurrenz für Kopenhagen sei, notfalls zerstört werden sollte. Am 4. April1611 erklärte Dänemark den Krieg; im Mai des Jahres lagerten die Dänen vor Kalmar, durchkreuzten ein weiteres Mal die Pläne des schwedischen Königs. Karl IX. hatte sich, nachdem die dänischen Drohungen nicht mehr überhört werden konnten, auf einen Schlag gegen Göteborg vorbereitet, dort Abwehrmaßnahmen ergreifen lassen. Völlig überrascht mußte er erfahren, daß Christian IV. auf Kalmar zielte, nach kurzer Belagerung die Stadt stürmte. In Eilmärschen führte der schwedische Monarch ein Heer heran. Während eine kleine schwedische Abteilung vorübergehend erfolgreich operierte, erlitt Karl IX. vor Kalmar am 17. Juli 1611 eine schwere Niederlage, konnte die Kapitulation des Kalmarer Schlosses nicht verhindern. Er war alt geworden, der König Karl IX. Schon auf dem Reichstag im Herbst 1610, unmittelbar nach der Katastrophe von Kirkholm, konnte er nach einem Schlaganfall nur hilflos stammeln, als er am 30. November vor die Stände trat. "Gott hat mich gestraft", 14 brachte er mit Mühe vor, erinnerte sich möglicherweise der unzähligen Ungerechtigkeiten seiner Herrschaft, der verlorenen Schlachten, sinnlosen Opfern seines "Ostseetraumes", vielleicht auch des noch immer inhaftierten Sohnes. Er konnte nicht mehr sprechen, mußte am 13. Dezember 1610 den Kronprinzen Gustav Adolf reden lassen, Geld für ein Heer gegen einen erwarteten dänischen Angriff erbitten. Gott strafte das Versagen in Livland, zürnte vielleicht auch der Unfähigkeit Karls IX. Es bleibt dem Historiker überlassen, wofür sich Karl IX. von Gott gestraft fühlte. Er hat darüber nichts geäußert. Der Einsatz des halbwüchsigen Sohnes brachte wenig. Hilflos stand der alte Mann und Herrscher im Sommer 1611 in den Trümmern seiner Armee, forderte verzweifelt König Christian IV. zum Zweikampf, ein Totkranker, dessen Ansinnen der siegreiche Däne hohnvoll abwies. Wenige Wochen später, Anfang Oktober, mußten die Getreuen den König nach Nyköping tragen, heim in die alte Herzogsresidenz. Von hier war er aufgebrochen, hatte den Thron Schwedens erobert, große Pläne gedacht und doch nur wenig verwirklichen können. Am 30. Oktober 1611 starb Karl IX., hinterließ dem Sohn Gustav Adolf nahezu ein Chaos.

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Vielleicht erklärt dies, warum viele schwedische Historiker wenig über ihn berichten, das Bild dieses Herrschers fast nur Grautöne kennt. Er sei eine "Karrikatur" Gustavs I. Vasa, seines Vaters gewesen, formulierte seinerzeit ein schwedischer Historiker. Dieser König war ohne "alle Selbstbeherrschung und Würde", "ein rasender Fanatiker ohne Verständnis für Überlegungen der Vernunft", 15 vor allem habe er sich am Adel vergangen. Gerechter das Urteil der modernen Historiographie! Trotz unübersehbarer charakterlicher Schwächen, der dämagogischen Züge des angeblichen "Bauernkönigs", würdigen die Geschichtswissenschaftler Karls unleugbare Verdienste um die Entwicklung von Landwirtschaft, Handel und Gewerbe Schwedens. Das rasche Wachstum des schwedischen Bergbaus und Hüttengewerbes ist ohne die zielstrebige Förderung durch den Herzog von Södermanland und späteren König von Schweden, Karl IX., kaum denkbar. Obwohl der Monarch als Feldherr scheiterte, die Idee des "Dominium maris Baltici" nicht verwirklichen konnte, bei seinem Tode Schwedens Erwerbungen seit 1561 gefährdet schienen, das Land in drei Kriege verwickelt war, hatte der energievolle Herrscher feudale Anarchiebestrebungen des Hochadels zerschlagen, die Souveränität der Krone durchgesetzt. Das war die Basis, auf der sein genialer Sohn den schwedischen Großmachttraum realisieren konnte, Karl IX. war das, "was Schweden in so stürmischen Tagen vor allem anderen bedurfte: ein Kerl." 16 So die Wertung Carl Grimbergs, die manches idealisiert, als Kriterium die Großmachtidee wählt. Sieht man davon ab, muß doch bestätigt werden, daß Karl IX. sein Reich näher an Europa führte, Schweden ein Stück Weg in die Moderne wies.

Zeittafel der persönlichen Daten König Karls IX. 4. 10. 1550

Geburt Karls als vierter Sohn Gustavs I. Vasa

1565

Kommandeur der schwedischen Artillerie bei der Belagerung von Varberg

1568

Mitverschworener gegen König Erik XIV.

1569

Nach Aufhebung der Arboga-Bestimmungen souveräner Herzog von Södermanland, Värmland und Närke

August 1579 10. 11. 1584 29. 6. 1589 1592 Januar 1593

9. 12. 1594 Jahresbeginn 1597

25.9.1598 1599

Ehe mit Maria von der Pfalz Geburt der Tochter Katharina, der Mutter des späteren Königs Karl X. Gustav Tod der Maria von der Pfalz Ehe mit Christina von Holstein-Gottorp Herzog Karl lädt zu einer Kirchenversammlung nach U ppsala ein, um den Protestantismus als Landesreligion festschreiben zu lassen Geburt des Sohnes Gustav Adolf der Reichstag in Arboga polarisiert die Stände in Anhänger Herzog Karls und Gegner. Der Reichsverweser setzt sich durch mit Zustimmung des Reichstages zieht Karl nach Finnland und erobert Abo-Schloß Karl siegt bei Stangebro über König Sigismund Karl belagert Abo-Schloß zum zweiten Mal der Reichstag setzt König Sigismund ab

17. 3.1600

der Reichstag in Linköping verurteilt die hochadligen oppositionellen Reichsräte zum Tode

20.3.1600

das "Blutbad von Linköping" auf Befehl des Reichsverwesers

Zeittafel der persönlichen Daten König Karls IX.

August 1600

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Herzog Karl marschiert mit 12 000 Soldaten in das polnische Livland ein

1602

Herzog Karl setzt einen neuen Reichsrat ein

1603

Karl wird als König in Schweden durch die Stände anerkannt

1604

der Reichstag in Nyköping huldigt Karl IX. und nimmt eine neue ,.Erb-Einigung" zugunsten der Söhne Karl IX. an

1605

Karl führt erneut ein Heer von etwa 15 000 Soldaten nach Livland

16.9.1605

König Karl IX. wird bei Kirkholm nahe Rigas vernichtend geschlagen

15.3. 1607

Krönung Karls IX.

Februar 1609

Karl IX. verbündet sich mit dem Zaren Schuiski

24.6.1610

Niederlage des schwedischen Heeres bei Kluschina und Sturz des Zaren

4.4.1611

Christian IV. von Dänemark erklärt Karl IX. den Krieg

17. 7. 1611 30. 10. 1611

Niederlage Karls IX. gegen Christian IV. bei Kalmar Tod Karls IX. im Schloß von Nyköping

Gustav II. Adolf König der Großmacht Schweden König Gustav II. Adolf wußte um den Ernst der Stunde, als er am 19. Mai 1630 in Stockholm vor die versammelten Reichsstände trat. Intensive Diskussionen im Reichsrat waren diesem Tag vorausgegangen, Entscheidungen gefallen. Die Herren hatten einer Landung auf deutschem Boden zugestimmt, wohl wissend, was in den Häusern und Hütten Schwedens gegen die langwährenden Kriege gedacht und geredet wurde, offenkundig die Unruhe im Reich. Die Menschen sehnten sich nach Frieden in diesem jahrzehntelangen Ringen mit Dänen, Russen und Polen, nur unterbrochen durch gelegentliche kurze Verhandlungspausen, das Ausscheiden des einen Gegners aus der Front der Feinde, eine Atempause nur, von neuen blutigen Kampfhandlungen der verbliebenen Feinde gefolgt. Nein, die Herren im Reichsrat waren trotzdem keineswegs zögerlich gewesen, drängten in den "deutschen Krieg". Seine knapp vierjährige Tochter im Arm, wandte sich der Herrscher an die aufmerksam lauschenden Bauern, Bürger, Geistlichen und die

Gustav II. Adolf

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Herren vom Adel, klug kalkulierend, daß die Geste des treusorgenden Vaters vielen der Zuhörer auch und vor allem das Bild vom Landesvater suggerierte, jenen entgegenwirkte, die ob der schier erdrückenden Kriegskosten, der ständig wachsenden Steuerlasten und Verödungen des Landes - immer spürbarer wurde der Mangel an arbeitsfähigen Knechten, selbst Bauern fehlten mancherorts bereits - heimlich murrten, manchmal auch wieder besonders in Dalarna von Widerstand redeten, immer lauter Sorgen über die Zukunft Schwedens äußerten, oft auch schon bedeuteten, der Monarch liebe offenbar Pulver und Schwerterklirren mehr als Frieden und Wohlfahrt des Landes. Solche Reden waren gefährlich in einem Land, wo seit alters Bauern und Bürger wieder und wieder in Waffen trotzten, konnten nicht nur in Dalarna oder Smaland offenen Aufruhr auslösen. Dem galt es auch nach Überzeugung Gustavs li. Adolf und seiner engsten Vertrauten energisch entgegenzutreten, war das feierliche Zeremoniell mit der Rede des Königs zugedacht. Mit der ihm eigenen mitreißenden Rhetorik, mit klug bedachtem Gestus und anschwellender Stimmhöhe, benannte der Landesherr Gott als Zeugen, er führe "diesen Krieg nicht aus eigenem Antrieb oder Lust am Kriege", dränge nicht grundlos auf deutschen Boden. Ihn zwängen die internationale Lage, das Bündnis des Kaisers mit dem gefährlichen polnischen Erbfeind, auch die Bitten der "schwer bedrängten Nachbarn, Verwandten und Schwäger" zum neuen Kampf. Schweden müsse im eigenen Überlebensinteresse "die bedrückten Glaubensbrüder von dem päpstlichen Joch" befreien. 1 Das klang überzeugend, gewann an Kraft in dem Maße, wie sich der König weiter steigerte, mitgerissen von den eigenen Worten! Gustav li. Adolf verstand sich zweifellos als opferbringender Landesvater, konnte so auch die große Mehrheit der Ständevertreter gewinnen. Und wer sollte denn auch nicht zustimmend nicken, als der Herrscher schließlich ausbrach, ein Krug gehe gewöhnlich so lange zu Wasser, bis er breche, und "so mag es auch mir zum Schluße beschieden sein, daß, nachdem ich in so vielen Gefahren für die Wohlfahrt des Reiches Schweden mein Blut vergießen mußte - doch bisher immer durch Gottes gnädigen Schutz am Leben verschont - ich dies zuletzt doch werde lassen müssen. 2 Wer da noch gezögert hatte, der mußte jetzt zustimmen! So dürften es auch jene befriedigt registriert haben, die diesen Krieg wollten. Der König hatte nahezu alle gewonnen. Wenigstens wagte niemand Widerspruch, konnte es wohl auch nicht, nachdem Gustav li.

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Adolf seine Tochter dem Schutz der Stände anvertraute. Wer so sichtbar das ihm Teuerste zurückließ, der bewies doch überzeugend, daß er auch in diesem neuen Krieg alle persönlichen Interessen zurückstellte, nur dem Wohle Schwedens dienen wollte. Wer konnte da zweifeln? Der Landesvater kämpfte für die eigene Tochter, für die Kinder der Abgesandten, für alle. So jedenfalls sollten es die Anwesenden verstehen, wollte Gustav II. Adolf gesehen werden an diesem bedeutsamen Tag schwedischer und europäischer Geschichte- und vielleicht glaubte er es auch selber, vieles spricht dafür. Schwedens König brach auf in die Entscheidungen um das Schicksal Europas, wollte nunmehr direkt in das große Ringen auf deutschem Boden eingreifen. Und er brachte militärische und politische Erfahrungen ein wie kaum ein anderer der beteiligten Souveräne. Zwei Jahrzehnte waren vergangen, seit der damals Fünfzehnjährige auf dem Reichstag an Stelle des erkrankten Vaters sprach, ein Jahr später dann erstmalig während des dänischen Krieges um Kalmar 1611 als Befehlshaber eines kleinen Armeekorps selbständig operierte. Ein kurzer schneller Zug ins dänische Blekinge brachte Gustav Adolf den ersten militärischen Triumph. In bleischwarzer Nacht überrumpelten seine 1 500 Soldaten die kleine Festung Kristianopel. Der Kronprinz ließ ein Tor durch eine Pulverladung aufsprengen, weckte mit einem Donnerschlag die im tiefen Schlaf ruhenden Dänen. Schnell waren die verstört und kopflos hin und her Hastenden überwältigt. Damals war er kein milder Eroberer gewesen, keiner, der künftiges schwedisches Land und seine Bewohner schonte, war schon gar nicht ein klug abwägender Politiker, der hier strafte und dort vergab. Den Bitten des Stadtpfarrers um Gnade für die Einwohner folgte eine zornige Strafrede des jugendlichen Kommandeurs, ein Schmähen des dänischen Königs, des verruchten Angreifers, der grundlos, wie Gustav Adolf behauptete, das friedfertige Schweden mit Krieg überzogen habe. Dann ließ der Prinz den Geistlichen vertreiben, die kleine Stadt plündern und anzünden. Andere Forscher erklären entschuldigend, der junge Gustav Adolf hätte seinen Soldaten "bei Todesstrafe" verboten, Gewaltakte gegen Frauen, Kinder oder Greise zu verüben, "wie schwer und wie ungewöhnlich es auch war, die Reiter davon abzuhalten" 3 • • • einerlei, die kleine Stadt brannte! Nur wenige Wochen später standen Gustav Adolf, die Mutter, der Onkel, Herzog J ohan von Östergötland, zweiter Sohn J ohans III., und der Bruder Karl Filipp am Totenbett Karls IX. Nun galt es nicht mehr

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einer kleinen Festung irgendwo in Blekinge oder Skane, jetzt mußten drei Kriege entschieden, wenn schon nicht siegreich, so doch möglichst wenig belastend für das schwer erschütterte Schweden beendet werden. Und Gustav Adolf war jung, viel zu unreif noch, das Erbe anzutreten, meinten die einen und wiesen auf das Testament des Vaters, reif genug, dachten die anderen, die in seinem Schatten regieren wollten. Wieder andere waren unschlüssig, niemand wagte vorauszusagen, wie alles enden würde. Schweden, das konnte niemand leugnen, durchlebte eine tiefe Krise. EinigeJahre später resümierte der junge König im Dom von U ppsala treffend vor den versammelten Reichsständen, nun schon auf erste Erfolge als Herrscher verweisend, er sei ein Niemand gewesen, damals Ende des Jahres 1611. "War ich nicht ein Jüngling von 17 Jahren, der keine Autorität hatte, durch die jemand gezwungen werden konnte?" 4 Doch habe er sich niemals auf andere verlassen als auf die schwedischen Männer, und so Erfolge erreicht. Ja, Gustav li. Adolf war vom Thronerben zum König gereift, das dürfte die Mehrheit der Ständerepräsentanten an diesem Tage empfunden haben. Besonders zufrieden mit dem jungen König war in diesen Tagen der Adel. Das dokumentierten die Herren am 12. Oktober 1617 in einem prächtigen Ritterspalier vom Schloß zum Dom, jubelten auf diese Weise dem Herrscher begeistert zu, als er nach einer kurzen Ansprache vor dem mächtigsten Stand Schwedens durch die festlich geschmückten Reihen schritt, den Würdenträgern mit Krone und Reichsinsignien folgend. Sie hatten allen Grund zur Freude, hatte doch der König bereits mit seinem "Königsversprechen" am Neujahrstag 1612 und der Bestätigung der Adelsprivilegien zehn Tage später der "Alleinherrschaft" des Vaters abgeschworen, den Grafen, Freiherren und Rittern weitgehende Rechte und Mitbestimmung eingeräumt. Und jetzt, an diesem Oktobertag 1617 beschwor er erneut die Freiheiten des Adels in seinem Treueschwur vor den Ständen. Später, viel später, nannte Schwedens bedeutendster Politiker, Axel Oxenstierna, den Gustav II. Adolf am 6. Januar 1612 zum Reichskanzler ernannte, seinen Herrscher einen "Adelskönig". 5 Da allerdings lebte dieser nur noch verklärt in der Erinnerung der Mächtigen Schwedens, war der "Krug" schon lange zerbrochen, der Leichnam in der Ritterholmskirche begraben. Und doch, dieser große Beamte, den der Niederländer Hugo Grotius kurze Zeit später den bedeutendsten europäischen Politiker seines Jahrhunderts nannte, mußte es wohl am besten wissen, hatte er doch den Text

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des "Königsversprechens" entworfen, die Rechte des Adels, seines Standes festgeschrieben. König Gustav II. Adolf bestätigte mit dem Treuebekenntnis hier im Dom von Uppsala erneut, daß er keine Gesetze ohne Mitwirkung der Stände und des hochadligen Reichsrates erlassen, Kriegshandlungen und Bündnisverträge nur mit deren Zustimmung beschließen, neue Steuern nicht ohne Konsens der Stände ausschreiben, Rekrutierungen der Knechte, Bauern und Bürger erst nach Diskussion im Reichstag verfügen würde. Und er bestätigte jetzt sogar dem Adel ein ausschließliches Recht auf höhere Ämter in der Regierungskanzlei und der Kammer, "überhaupt dürfte kein gewöhnlich Gebürtiger dem Adel vorgezogen werden". Die Pächter und Adelsbauern innerhalb der "Freiheitsmeile" adliger Güter sollten von Extrasteuern und Rekrutierungen ausgenommen sein. 6 Die Herren konnten in der Tat zufrieden sein! Am 27. Februar 1617 hatte Schweden mit Rußland den Frieden von Stolbovo geschlossen, Gustav II. Adolf diesen Krieg erfolgreich beendet, einen Siegfrieden erzwungen. Rußlands Zar, von polnischen Truppen hart bedrängt, brauchte diesen Frieden, benötigte ihn mehr denn Schweden. Und so hatten die Unterhändler Gustavs II. Adolf ihren Preis gefordert. Für den schwedischen Verzieht auf die besetzten Gebiete um N ovgorod, den Ladoga-See, Starija Russa, Pskov und Schorr hatte der König Ivangorod, Jarma, Korporje, Nöteborg und Kexholm behalten dürfen. 20000 Goldrubel mußten an Schweden gezahlt werden. Die Repräsentanten der Stände nickten befriedigt, als Gustav II. Adolf am 26. August 1617 den Reichstag mit den Worten eröffnete, der Russe sei nun "durch Seen, Sümpfe und Ströme von uns geschieden ... , über die er nicht so leicht herankommen wird, um uns Schaden zuzufügen". 7 Auch den Kaufleuten eröffneten sich nun große Möglichkeiten, versicherte der Monarch weiter. Schwedische Handelshäuser hätten Privilegien in Novgorod, Pskov und Moskau zugestanden bekommen. Besondere Aktivitäten erwartete er aber vom Adel, setzte der König fort, sich direkt den Herren zuwendend, auch den wachsenden Neuadel einschließend. "Ihr vom Adel und Ihr anderen, die Ihr freie Güter begehrt. Was drängt Ihr Euch hier, reißt und verschleißt Euch wegen ein paar armseliger Güter. Zieht hin in diese Länder und rodet Euch so große Güter, wie es Euch selbst gelüstet und eines jeden Macht

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zuläßt. Ich werde Euch mit Privilegien und Freiheiten versorgen, helfen und alle Gunst beweisen. Ist das nicht ein großer Nutzen, den diese Länder dem Vaterland bringen?" 8 Eine Aufforderung zum "Tanz", fürwahr, das wollten sich die Edlen nicht zweimal sagen lassen, konnte es einem doch wirklich fröhlich ums Herz werden bei so nützlicher vaterländischer Politik des Herrschers. Es war doch ein anderer König, dieser Gustav II. Adolf, der Sohn des "Bauernkönigs". Er wußte treue Dienste zu lohnen, vergab da neue Lehen, wo sie mühelos zu holen waren, im weiten fruchtbaren östlichen Ostseeraum. Diesem Vasa fühlte man sich zunehmend verbunden! Als der König am folgenden Tag erneut das Wort nahm, mögen sich auch jene angesprochen gefühlt haben, die in Erinnerung an das "Blutbad von Linköping" noch zögerten und zweifelten. Wer "sich nicht selbst hilft, obwohl er es vermag", sei schlimmer "als einer, der Vater und Mutter ermordet hat", verkündete Gustav II. Adolf ein "Selbsthilfe-Programm" der schwedischen Feudalität, deutete neue, gewinnversprechende Annexionen an. Seit Gott ihn "als Fürsten hat auf die Welt kommen lassen", habe er sich "auf Gedeih und Verderb ... dem Gemeinen Besten verbunden gefühlt". 9 Das klang nun wirklich gut in den Ohrenall jener, die längst für sich entschieden hatten, was das "Gemeine Beste" war. Die Wohlfahrt Schwedens, so dachten und fühlten es die Stände, war vor allem auch ihr Gedeih, zu allererst war es die Wohlfahrt des Adels, an dessen Schwerter der König appellierte, auf dessen Mut und Blut sich das Programm des Herrschers gründete. Da ertrug man schon die Drangsale des unglücklichen Friedens mit dem dänischen Nachbarn. Im Frieden zu Knäröd 1613 mußte das Land harte Bedingungen akzeptieren, Schwedens Anspruch auf Nordnorwegen aufgeben, Dänemark der freie Ostseehandel im Baltikum zugestanden werden. Am drückendsten empfand man aber die Zahlungen von einer Million Reichstaler bis 1619 an die "Jüten", die bis zur Tilgung dieser Schuld den einzigen Nordseehafen, Älvsborg, als Pfand besetzten. Andererseits hatte dieser Friede den Erfolg gegen Rußland gesichert, konnte man nun in Polen nach dem Rechten sehen, würde sich die "dänische Frage" irgendwann auch lösen lassen. Niemand konnte es leugnen, der junge König hatte 1614 am Ladoga und am Peipussee die Truppen zu Siegen geführt, trotz einiger Mißerfolge der nächsten beiden Jahre das Abkommen von Stolbovo gesichert. Er, dessen militärische Talente offenkundig waren, gab wohl doch die Gewähr, den

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gewaltigen Nachbarn und östlichen Konkurrenten Polen niederzuringen, den letzten der verbliebenen Gegner Karls IX. Da nahm man auch in Adelskreisen den Waffenstillstand im November 1618 mit Polen gelassen hin, ein kurzes Verweilen vor neuen, erfolgversprechenden Waffengängen. Gut Ding brauchte Zeit, die Armee mußte gestärkt werden. Im übrigen versprach der König am 18. Februar 1622 den Ständen, Schweden vor erwarteten polnischen Angriffen zu sichern und, was wohl wichtiger war, wenn die Polen vielleicht nicht kamen, auch "sonst das Reich erweitern und verbessern" zu wollen. 10 Nein, Sorge mußte niemand haben, daß das polnische Feuer ersticken könnte. Gustav II. Adolf tat alles, daß es weiter glimmte, jederzeit erneut hell auflodern konnte. Und man wärmte sich wahrlich gut an dieser Flamme! Im Herbst 1621 eroberte Schweden Riga, entriß König Sigismund auch diese Festung am wichtigen Dwina-Strom. Zu neuen Siegen waren nach kurzem Waffenstillstand Gustavs II. Adolf Truppen erneut um die Jahreswende 1625 I 26 aufgebrochen. Am 7. Januar 1626 siegte der schwedische König in Kurland bei Wallhof, vollendete der Triumph der schwedischen Kavallerie über die noch immer gefürchtete polnische Reiterei die Eroberung der baltischen Ostseeprovinzen. Gustav II. Adolf löste sein Versprechen ein, das Annexionsprogramm, 1617 in allgemeinen Wendungen skizziert, schien erfüllt, Schwedens Grenzen neu gesteckt, größer denn je zuvor war das Reich gewachsen. Und doch, es trieb ihn fort, eifrig gefolgt von jenen, die weiter "tanzen" wollten, denen der Sinn nach noch größeren Gütern stand. Im Sommer 1626 marschierte Gustav II. Adolf ins polnische Preußen ein, wollte die dortigen Häfen besetzen, auch Danzig kontrollieren. Und immer zog der König an der Spitze seiner angreifenden Truppen ins Feld, teilte auch sichtbar alle Gefahren in den Scharmützeln und Schlachten. Schon in Kurland konnten polnische Schützen dem Herrscher das Pferd unter dem Leib während eines Gefechts an der Dwina erschießen. Bei einem nächtlichen Angriff auf der Weichsel Ende Mai traf ihn eine Kugel in den Bauch, brachten die Ruderer den König nur unter Lebensgefahr mühsam an Land. Erleichtert notierte Axel Oxenstierna damals in seinen persönlichen Aufzeichnungen, daß "das Blei im Fettpolster sitzengeblieben war". 11 Am 7. August 1627 verwundete eine Musketenkugel den König in der Nähe von Dirschau, schlug das Projektil dicht neben dem Kehlkopf durch den Hals, blieb in der Schultermuskulatur stecken, erwartete Gustav II. Adolf den Tod, traf bereits

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Vorkehrungen gegen das befürchtete Chaos nach seinem Ableben. Erneut erwiesen sich die Verletzungen als harmloser als befürchtet. Bald saß der König wieder im Sattel. Doch konnte er fortan nur noch einen Lederkoller tragen, der schwere schützende Metallharnisch verursachte unerträgliche Schmerzen, blieben zwei Finger an der rechten Hand gelähmt, "zur Erinnerung an ein Leben, das nicht in Müßiggang und Weichlichkeit verlief", 12 wie es der Monarch verkündete, auch diesmal wohl wissend, welche Wirkung sein eigener Mut und diese Zuversicht auf Offiziere und Soldaten haben sollte. Anspornende Beispiele dieser Art schienen umso nötiger, als es zur gleichen Zeit in Schweden zu ersten Unruhen und Erhebungen kam, Bauern und Bürger ihren Unmut über Rekrutierungen und Steuernöte auch lauthals artikulierten, den königlichen Beamten immer häufiger mit der Waffe in der Hand entgegentraten. Da war es angebracht, überall im Lande sehr laut von königlichen Leistungen und Opfern zu sprechen. Der Krieg in Polen, das war im Herbst des Jahres schon offenkundig, würde weitergehen, Entscheidungen brachte auch das Jahr 1627 nicht. Als Gustav II. Adolf im Spätherbst nach Stockholm zurückkehrte, blieb nicht zufällig mit Axel Oxenstierna Schwedens fähigster Kopf in Preußen zurück. Der Krieg forderte einen hohen Tribut. Dort mußte das Heer erneut über den Winter gerettet werden und aus der Heimat war kaum Hilfe zu erhoffen. Oxenstierna schaffte das nahezu Unmögliche. Er und der König waren eins in der Gewißheit, daß "die Sachen soweit gekommen, daß alle die Kriege, die in Europageführt werden, mit einander vermischt sind und sich zu einem entwickeln". 13 So registrierte man auch im schwedischen Reichsrat mit Sorge, aber wohl auch ein wenig Zufriedenheit, daß König Sigismund in Polen seit 1627 kaiserliche Hilfe erhielt, der kaiserliche Feldherr Albrecht von Wallenstein den dänischen Rivalen Christian IV. schlug, nach und nach ganz Jütland besetzte, 1629 ein Hilfskorps unter Wallensteins fähigem Obristen von Arnim in Preußen einmarschierte, Gustav li. Adolf bei Stuhm in einer Reiterschlacht von polnischen und kaiserlichen Völkern besiegt, sich in die Festung Marienburg zurückziehen mußte, dort von Arnims Soldaten belagert wurde. Schwere Zeiten für Schweden, zweifellos, aber doch auch Grund zur Freude. Der Kaiser war der Angreifer, bei passender Gelegenheit würde man nicht nach Vorwänden suchen müssen. Im übrigen war es Glück im Unglück. Der heftigen Gegnerschaft zwischen den polnischen und kaiserlichen Feldherren war es zu danken, daß

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dieser Rückzug nur mit dem Verlust von zehn Geschützen und allerlei persönlicher Habe der schwedischen Offiziere und Soldaten bezahlt wurde. Zugegeben, Gustav II. Adolf war sehr heftig fortgeritten, hatte sich wohl auch sehr beeilen müssen. Da war keine Zeit geblieben, die Kleidung zu ordnen, gar für den zu Boden fliegenden Hut aus dem Sattel zu springen. Mochte Arnim die königliche Beute auch voller Stolz an Walleostein senden, der große europäische Krieg begann erst. Gustav li. Adolf wußte schon, warum er anordnete, seine im Sommer 1627 von feindlichen Kugeln durchlöcherten Kleider in Stockholm "zu ewigem Andenken" in der Leibrüstkammer aufzubewahren, ein sichtbares Zeugnis königlichen Einsatzes für das "Wohl" aller im Reich. Jedermann mußte Opfer bringen, es dem König nachtun und das Schlimmste stand noch bevor. Für Oxenstierna wurde es der Winter 1628 I 29. Am 20. Januar 1629 schrieb der erschöpfte Reichskanzler aus Preußen an seinen Bruder, er versicherte ihm, "alles, was ich für Seine Königliche Majestät und das Vaterland bis jetzt im achtzehntenJahrgetan habe, war ein Kinderspiel, verglichen mit dem, was ich im Herbst und zu Beginn des Winters durchgemacht habe". 14 Es wurde Zeit für Schwedens König, das polnische Feuer auszutreten, den Krieg um neue Provinzen südlich der Ostsee zu führen, jenen entgegenzutreten, die einer schwedischen Großmachtposition wirklich gefährlich werden konnten. Da galt es, sich früherer, wenn auch wenig ernstzunehmender Angebote zu erinnern, nachzufragen, ob der Wert schwedischer Hilfe nun höher veranschlagt wurde, nachdem Christian IV. geschlagen, die Unionstruppen der deutschen Protestanten zerstreut, die Macht der Habsburger ins Unermeßliche gewachsen schien. Oxenstierna und Gustav li. Adolf waren entschlossen, das schwedische Heer nun auf deutschem Boden kämpfen zu lassen. Frankreichs Sonderbotschafter Hereule de Charnace vermittelte den Waffenstillstand zu Altmark. Am 16. September 1629 vereinbarten Schweden und Polen, daß Gustav II. Adolf seine Erwerbungen in Preußen an Brandenburg abtreten, dafür aber Schweden die Ostseeküste zwischen Pillau und Memel verbleibe, die Zolleinnahmen der kurländischen Häfen Libau und Windau bzw. der Hauptanteil des Danziger Zolls an die Schweden fiele ... So war nun auch dieser Krieg erfolgreich beendet, kontrollierte die schwedische Krone die Ostseeküste zwischen Reval und Danzig. Vermerkte die Kammer schon 1628 die gewaltige Summe von 329 000 Reichstaler

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als Zollgewinne, so flossen 1632 etwa 660 000 Reichstaler in das schwedische Staatssäckel. Niemand konnte zweifeln, daß Gustav II. Adolf es tatsächlich "gemacht" hatte, wie es seinerzeit Vater Karl IX. prophetisch vorausgesagt haben soll. Kein Gustav-Adolf-Biograph vergißt, auf jenen berühmten Satz zu verweisen, den Karl IX. - von allen Seiten bedrängt, auf den jungen Gustav Adolf verweisend - geäußert hätte, "ille faciet" - er wird es machen! 15 Durchaus denkbar, daß König Karl solche Worte wirklich brauchte, sie nicht erst von einer Historiographie gefügt wurden, die alles tat, den besonderen Weg Gustavs II. Adolf zum europäischen Großmachtherrscher zu verklären. Vieles spricht dafür, daß der Reichsverweser Herzog Karl vonSödermanland schon sehr frühzeitig in seinem Sohn Gustav Adolf den künftigen König von Schweden sah. Da scheint es fast wie ein organisiertes Omen, ein Zeichen für alle in Schweden, die sehen sollten, daß Karls Gattin, Christine von Holstein-Gottorp, den Knaben am 9. Dezember 1594 im alten Stockholmer Schloß, der königlichen Residenz, gebar. Durchaus denkbar, daß der Reichsverweser der Herzogin aus diesem Grunde befahl, ihn nach Stockholm zu begleiten, die Niederkunft nicht im festen Herzogsschloß zu Nyköping zu erwarten. Und er ließ die Mutter und das Baby am 4. Oktober 1595 demonstrativ nach Söderköping reisen, wünschte den Sohn den versammelten Ständen zu zeigen, ein Kleinkind, für das am 9. Oktober dieses Jahres noch die Kosten für die Fertigung einer Wiege abgerechnet wurden. Gustav Adolf erhielt, der Tradition der Vasa folgend, eine hervorragende, vielseitige Ausbildung. Zunächst lernte er bei der Mutter die deutsche Sprache, erst sprechen, später auch schreiben, erwies sich schon früh als furchtloses Kind. Einige entsprechende Anekdoten zeichnete der ältere Halbbruder, Karl Karlsson Gyllenhielm, noch vor dem Mißgeschick im Livlandkrieg auf. So wollte man einmal den Fünfjährigen im feuchtsumpfigen Gelände vor den Wällen des Schlosses in Nyköping hindern, in ein dichtes Gebüsch zu drängen. Dort lebten Schlangen, warnten die Erwachsenen. "Einen Stock her, damit ich sie erschlagen kann", 16 reagierte der Kleine ... Manche Historiker spötteln, daß auch um Gustav II. Adolf zahllose Legenden entstanden, die zur Verklärung des großen Königs dienen sollten. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, daß Gyllenhielm seine persönlichen Aufzeichnungen aus der Jugendzeit in diesem Sinne

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überarbeitete, bevor er neben den Schilderungen der Kämpfe zwischen König Sigismund und Herzog Karl- heute eine der wichtigsten Quellen für diese Zeit- auch diese Notizen über das Kindheitsverhalten Gustav Adolfs veröffentlichte. Folgt man dem Eindruck - und so Ungewöhnliches wird dort nicht erzählt-, dann läßt sich sagen, hier wuchs ein lebhafter, früh zum Herrscher geformter Knabe heran, offenbarte manche Eigenschaft, die ihn später befähigte, Hoffnungen des Vaters zu erfüllen. Als gesichert gilt, daß Herzog Karl Mutter und Sohn auf eine Seereise nach Estland im Sommer 1600 mitnahm, den Winter in Reval gemeinsam mit der Familie verbrachte, hier im Frühjahr 1601 Christine den zweiten Sohn, Karl Filipp, gebar. Die Flucht vor den siegreich vorrükkenden polnischen Truppen im Spätherbst 1601, ein Schiffbruch vor der südwestlichen Küste Finnlands bei Ekenäs am 20. November und die wenig komfortable Reise durch das winterliche Finnland und Nordschweden rund um den finnischen Meerbusen im Schlitten prägten die Erfahrungswelt des Kindes, erlaubten die allgemein geäußerte Überzeugung der Historiker, daß der künftige Thronfolger spartanisch erzogen wurde, hier Charaktereigenschaften vorgeprägt werden konnten, die später den König Gustav II. Adolf befähigten, die Strapazen der ständigen Feldlager und Märsche durch weite Teile Europas zu ertragen. Im März 1602 nach Stockholm zurückgekehrt, beschloß der Vater, dem Sohn einen der besten Gelehrten des Reiches als Erzieher und Lehrer an die Seite zu stellen. Im Mai 1602 wurde der in Deutschland gebildete Johan Schroderus, der Sohn des Nyköpinger Bürgermeisters, mit dieser Aufgabe betraut. Der 1604 als Johan Skytte nobilitierte Gelehrte veröffentlichte seine Grundsätze, "in welcherlei Künsten und Tugenden eine fürstliche Person, so mit der Zeit Land und Reich glückselig zu regieren gedenkt, sich üben und betätigen muß", 17 in einer Schrift kurze Zeit nach seiner Berufung. Skytte betrachtete das Herrscheramt als gottverliehen mit dem königlichen Auftrag, diese Aufgabe als Pflicht vor Gott zu verstehen, den Wohlstand seiner Untertanen zu mehren. Es scheint nur natürlich, daß Skytte auf das offenkundige Mißtrauen Karls IX. gegenüber adligen Herrschaftsansprüchen mit entsprechenden Erziehungsmaßnahmen beim Thronfolger reagierte. So ließ er beispielsweise den zehnjährigen Prinzen 1605 eine umfangreiche Anklage gegen den hocharistokratischen Gegner des Vaters, Hogenskild Bielke, entwerfen. Hochadlige Notizen aus jener Zeit belegen eine auffällige

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Haßfeindschaft des Knaben für die Opponenten aus dem hohen Adel, die 1600 in Linköping hingerichtet wurden. Tatsächlich hat Gustav II. Adolf das Blutgericht des Vaters niemals verworfen. Auch das mag Skyttes Einfluß zuzuschreiben sein. Selbst aus dem späteren Wirken Skyttes und ständiger Opposition zu Oxenstierna läßt sich schließen, daß dieser Lehrer die bürgerliche Herkunft nie vergaß, in steter Distanz zum Hochadel stand. Andererseits schwand Skyttes Einfluß später hinter Oxenstiernas Möglichkeiten, verband sich Gustav II. Adolf zunehmend mit seinem Adel, ließ seinem einstigen Erzieher jedoch zeitlebens Aufgabenbereiche, in denen dieser seiner Überzeugung einer Einheit von Herrscher und Volk nachleben konnte. Skytte schuf in späteren Jahren einen besonderen Schultyp, der offen für breite Schichten des schwedischen Volkes sein sollte, Bildung auch außerhalb der privilegierten Schichten erstrebte. Zweifellos, manches im Verhältnis des Monarchen zu seinen Untertanen wurde in dieser Idealwelt des jungen Skytte in Gustav Adolfs Kindertagen vorgeformt. Bei ihm lernte Gustav Adolf Latein durch das Studium antiker Autoren, Mathematik, Mechanik, Optik, Rechtswesen. Die Zeitgenossen berichteten später, daß der König neben den Muttersprachen Deutsch und Schwedisch das Französische, Italienisch und Holländisch beherrschte. Er verstand Spanisch, Englisch, soll auch Grundkenntnisse des Russischen und Polnischen erworben haben. Eine Sprachbegabung, wahrscheinlich, aber auch als Historiker und Politiker bewies er frühzeitig Talent. Besonderes Gewicht legte Skytte auf die Ausbildung der rhetorischen Fähigkeiten des Prinzen. Mehrfach mußte der Knabe sorgfältig vorbereitete Festreden halten. Skytte zur Seite stand mit Johannes Bureus einer der originellsten schwedischen Gelehrten seiner Zeit. Bureus gilt als der Entschlüsseler der Runenschrift, Vater einer schwedischen Grammatik, schrieb ein schwedisches Wörterbuch und sammelte vorgeschichtliche Zeugnisse des schwedischen Volkes. Er vermittelte Gustav Adolf seine historische Lesart schwedischer Geschichte, glaubte an eine Tradition von den Goten zur zeitgenössischen Geschichte und diskutierte mit dem Thronfolger Königslisten, die von sagenhaften Gotenherrschern bis zu KarliX. reichten. Gustav II. Adolf blieb zeitlebens überzeugt, die Geschichte des schwedischen Volkes reiche bis zu Magog, dem alttestamentarischen Enkel Noahs, und damit bis in die Tage der biblischen Sintflut zurück. In diesem Sinne fühlte sich der Schwedenkönig als Erbe gotischer Heldengeschichte, kämpfte auch anläßlich seiner Krö-

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nung als sagenumwobeuer König Berik auf dem damaligen Turnier, ließ das Admiralsschiff "Vasa" mit schreckerregenden Figuren schmükken, die gotische Krieger darstellen sollten. Frühzeitig wurde der Prinz auch in den "ritterlichen" Künsten ausgebildet. Von dem Hofmeister, Bernt Dietrich von Mörner, einem Brandenburger, lernte er Reiten, Fechten, Schießen, wurden ihm frühbarokke höfische Sitten gelehrt. Als Vierzehnjähriger lauschte er begierig Jakob De la Gardie, einem Offizier, der in den Niederlanden unter Moritz von Oranien diente, einem der berühmtesten Feldherren zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Mit Vollendung des zehnten Lebensjahres ließ der Vater Gustav Adolf an den Reichsratssitzungen teilnehmen. Wie Oxenstierna berichtete, mußte er "allzeit zur Stelle sein beim Anhören von Gesandten; und wurde ihm schließlich vom Herrn Vater aufgetragen, den Gesandten zu antworten und sich so an wichtige Dinge zu gewöhnen und an ihre Behandlung". 18 Es existieren auch ausländische Notizen über den Umfang des Lernpensums und die Forderungen der Erziehenden an den Thronfolger. Einig sind sich die Historiker, daß Gustav Adolf etwa im Alter von fünfzehn Jahren aus diesem strengen System des verordneten Sollen und Müssen, Dürfen und Nichtdürfen ausbrach, Karten spielte, die Lehrbücher vernachlässigte, lieber den Frauen nachschaute als den Lektionen der Lehrer folgen wollte, wie der Hofmarschall klagte. Das Jahr 1609 wurde die Zäsur zwischen Kindheit und Aufbegehren des Halbwüchsigen. Im übrigen engte die Realität Gustav Adolf sehr bald in einem neuen Zwangssystem ein, mußte er schnell wirkliche Regierungsverantwortung übernehmen. Nach dem ersten Schlaganfall des Vaters trat der Kronprinz vor die Stände, sprach an Stelle des Vaters. Ende 1610 mußte er erneut vor den Repräsentanten des Adels, der Geistlichkeit, Bürger und Bauern den Herrscher vertreten, im Frühjahr 1611 während des Kalmarkrieges ernannte ihn der Vater zum regionalen Befehlshaber. So gesehen blieb wohl tatsächlich wenig Zeit für pubertäres Aufbegehren. Und doch, als Königin Christina von Schweden, Gustavs li. Adolf berühmte Tochter, in ihren Memoiren vermerkte, der Vater sei "zu schwach gegenüber den Frauen" gewesen, 19 da dachte sie sicher auch an jene romantische erste Liebe des jungen Königs, die immer wieder Schriftsteller und Biographen beschäftigte. Jüngst nun vermeinte

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einer der deutschen Historiker, die vieldiskutierte Beziehung zu Ebba Brahe sei rein platonisch geblieben, hatte "alle Anzeichen eines ritterlichen Rituals". 20 Ein Rückfall in die Zeiten mittelalterlicherHoher Minne also? Nun ja, schon denkbar, und doch bleiben da Fragen, sind Briefe erhalten, die auch andere Deutungen ermöglichen. Fest steht jedenfalls, daß die fast gleichaltrige Tochter des Grafen von Visingborg als Hofdame der Mutter dem jungen Monarchen bereits 1612 aufgefallen war. Und eine besorgte, dann höchst verärgerte Königinmutter registrierte offenbar einiges im Verhalten des Sohnes, das wenig mit platonischem Verzicht gemein hatte. Zeitweilig tyrannisierte Christine von Holstein-Gottorp das junge Mädchen so, daß es in den Schutz der noch lebenden dritten Gemahlin Gustavs I. Vasa floh. Der Zorn der Mutter steigerte sich in dem Maße, wie der Sohn auf einer Ehe mit Ebba Brahe bestand. Gustav II. Adolf gewann keinen geringeren als seinen Kanzler Oxenstierna als Fürsprecher, wohl auch nicht gerade ein überzeugender Beleg für "rituale" Werbungen. Da ändert wahrscheinlich auch jene Zeile eines Briefes aus dem soeben eroberten Narva wenig, als Gustav II. Adolf am 20. September Ebba schrieb, er habe die Feinde zu ihrer Ehre überwunden. Mag sein, daß der junge Herrscher sich auch als "Troubadour" fühlte, ernst war es ihm allemal und sein Trachten richtete sich auf mehr als ein freundliches Lächeln seiner "Dame". Erst 1617 scheint er endgültig auf die gewünschte Verbindung verzichtet zu haben, erhob sogar Ebba Brahes Freier Jakob De la Gardie im Mai dieses Jahres mit einem umfangreichen Lehen zum Grafen, erfüllte so ein Neujahrsversprechen von 1615, alles zu tun, daß seine Liebe Ebba Brahe "nicht zum Unheil gerate". 21 Inzwischen hatte die mitreisende Ehefrau eines Offiziers im schwedischen Heerlager von Pskov Gustav II. Adolf am 24. Mai 1616 einen Sohn geboren, Gustav Gustavsson wurde vom König als Graf Vasaborg legitimiert, begleitete später den Vater nach Deutschland, studierte in Wittenberg, blieb dann in Deutschland ... sicher auch kein Beweis für besondere Zurückhaltung des Herrschers. Nein, Gustav II. Adolf war kein Mann, der Liebe nur besang und sich an gefühlvollen Briefen wärmte. Hier, bei der Frau eines anderen wäre Schwärmerei und "Hohe Minne" zweifellos angebrachter gewesen als bei der ungebundenen Ebba. Gustav II. Adolf mochte gelegentlich bei Turnieren an "ritterliche Zeiten" erinnern, im wirklichen Leben wußte er mehr zu beginnen, als sich mit unerfüllten Seufzern zu bescheiden. Während jedoch andere Herrscher seiner Zeit zahlreiche Mätressen hielten, die Aufzählung der Frucht dieser Liebe manchmal mehrere

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Blätter füllte, nahm Gustav II. Adolf die scharfen Vorwürfe der erhaltengebliebenen Predigt seines Beichtvaters damals im Feldlager vor der russischen Feste offenbar ernster. Und auch hier schrieb er wieder in bemerkenswerter Weise seine ganz individuelle Geschichte, ließ sich sogar nicht in die zeitgenössischen Bräuche einzwängen. Er wählte selbst die Frau für sich, beugte sich nur sehr bedingt der Staatsräson, folgte der Vasa-Tradition. Der in Ehefragen zweifellos sehr bedächtig entscheidende Onkel, König Erik XIV., hatte ja seinerzeit auch mehrfach nach England reisen wollen, Onkel J ohan III. folgte auf seine Weise. Der Neffe, König Gustav II. Adolf, begab sich im Spätfrühling 1620 inkognito auf Brautschau nach Deutschland, verband das Angenehme mit dem Nützlichen und warf nicht nur Blicke auf die heiratsfähigen Töchter verschiedener deutscher Potentaten im unruhigen Deutschland, sondern sondierte eifrig unter den Fürsten der protestantischen Union, suchte Verbündete für eine Schweden genehme Deutschlandpolitik. Er registrierte die Unfähigkeit des evangelischen Bündnisses, dem habsburgisch-katholischen Lager nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen, verstand, daß seine Stunde kommen würde. Konnte er auch damals keine Verbindungen knüpfen, die offenbar schönste Kandidatin für den schwedischen Thron jedenfalls gewann er für sich. Und auch das zählt schon in allen Biographien des Schwedenkönigs zum Repertoire genüßlich ausgebreiteter Schilderungen. Maria Eleonore von Brandenburg wurde erobert, erklärte bereits entschieden, sie wolle Gustav II. Adolf und sonst keinen, bevor der attraktive blonde Schwede die zunächst hartnäckig ablehnende Schwiegermutter für sich gewann. Dieser Triumph war mehr als nachwirkend! Als Axel Oxenstierna im September 1620 in Berlin den offiziellen Ehekontrakt aushandelte, Gustav II. Adolf in Stockholm bereits ungeduldig auf die hübsche Braut wartete, war schon entschieden, daß Kurfürstin Anna die Tochter persönlich dem Schwiegersohn zuführen würde. Und sie blieb auf Jahre an der Seite der Tochter, kehrte erst im April1624 nach Brandenburg zurück. Abgesehen davon, brachte die Brautschau dem jungen König nur bedingtes Glück. Später sollte er mehrfach den Kanzler Oxenstierna um Vermittlung gegen allzu Drängendes, Beschwerliches seines leidenschaftlichen "Hauskreuzes" bitten müssen. 22 Ihrer Emotionen wenig mächtig, glaubte und wollte Maria Eleonore immer dann zerbrechen, wenn sich der König wieder ins Feldlager begeben mußte. Hysterische

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Anfälle und quälende Vorwürfe der sich vernachlässigt Fühlenden mögen ihn ebenso belastet haben wie verfehlte Hoffnungen auf einen baldigen Thronerben. Eine Fehlgeburt, der frühe Tod der Tochter Christina Augusta und eine neuerliche Fehlgeburt belasteten das Privatleben des Königs spürbar. Hinzu kamen außenpolitische Sorgen. Wohl boten Engländer und Holländer Gustav II. Adolf einen Platz in der großen europäischen antikaiserlichen Allianz, doch war es eben nur ein zweiter Rang hinter dem Dänenkönig Christian IV., Folge auch des unglücklichen Friedens von Knäröd. Schwedens Herrscher mußte lernen, "daß man ihm, der doch als der Allererste sich und seinVermögen dem König von England anbot, gegen das Versprechen den König von Dänemark vorgezogen habe", wie Ludwig Camerarius, ein pfälzischer Beamter und einer der bedeutendsten Diplomaten seiner Zeit, als Beauftragter für das geplante Bündnis seine Eindrücke in Stockholm zusammenfaßte. Gustav II. Adolf würde nicht in Deutschland einmarschieren, schon gar nicht "dem Dänen einen Teil seines Heeres überlassen". 23 Er wolle selbst den Oberbefehl führen. Es war eine bittere Pille für den schwedischen Herrscher, den meisten europäischen Fürsten für den großen Krieg noch immer nur als "Helfer" zu gelten, als "Statist", auf dessen Mitwirkung im "Theatrum Europaeum" man nur ungern verzichtete, nötigenfalls aber das "Spiel" auch alleine trieb. So blieb Gustav II. Adolf nur ein neuerlicher Feldzug in Polen, war in Deutschland vorläufig nichts zu gewinnen, konnte ein weiterer Erfolg im Osten künftigem Eingreifen in Mitteleuropa dienlich sem. Seit Jahrhunderten beschäftigt die Historiker die Frage, warum Gustav II. Adolf seine Truppen nach Pommern führte, weshalb Schweden im Sommer 1628 in die Kämpfe um Stralsund eingriff. Kürzlich hat der evangelische Schriftsteller und Biograph Gustav II. Adolf, Alfred Otto Schwede, eine Traditionslinie evangelischer Gustav-Adolf-Biographien in der These umrissen, nur "als cleverer Politiker, mit dem lutherischen Glauben als Deckmantel, hat der König von Schweden seinen Einsatz nicht gewagt und sein Leben nicht in die Waagschale geworfen. Starkes religiöses Sendungsbewußtsein und politische Erwägungen zu Nutz und Frommen seines Reiches und seiner jungen Dynastie waren in seinen Entscheidungen und Aktionen auf das innigste miteinander verflochten". 2~

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In seiner bemerkenswerten Biographie zu diesem Schwedenkönig relativierte Felix Berner eine solche Auffassung dahingehend, daß er betonte, es sei nicht allein "die Sorge um Schwedens Wohlfahrt und Sicherheit, die zu dem einstimmig gefaßten Entschluß führte, den als Verteidigung entstandenen Feldzug offensiv zu führen, sondern auch die Lage der deutschen Protestanten" gewesen, 25 zweifellos eine weniger starke Gewichtung religiöser Motive. Jan Peters ist 1981 noch einen Schritt weiter gegangen, indem er ausdrücklich betonte, daß der Gedanke der Religion bei den Reichsratdiskussionen nur eine sehr untergeordnete Rolle spielte. Doch wollte auch Peters nicht ausschließen, daß möglicherweise religiöses Sendungsbewußtsein bei Gustav II. Adolf stärker ausgeprägt war als bei der Mehrheit seiner Generäle und Reichsräte. Andererseits billigte auch der König die Meinungen im Reichsrat, "allein der Nutzen und die Sicherheit des Vaterlandes" sei das Motiv für das Eingreifen in Deutschland. Wie die Protokolle der Reichsratdiskussionen belegen, betonten die Räte zwei Ziele, "die Verteidigung Schwedens, die Besetzung Deutschlands". Später erklärte Gustav II. Adolf sogar, wäre die Religion der Kriegsgrund gewesen, "so müssen wir auch dem Papst, den Franzosen und allen Papisten den Krieg ankündigen". Nach seinem Tode vermerkt das Reichstagsprotokoll, nicht die Verteidigung der Protestanten "ist ... unser HauptzieL Sondern Ihre seel. Kgl. Maj. hatte andere Gründe für den Krieg". Und 1645, nun schon mit besonderer Distanz zum Kriegseintritt und vermutlich auch zu Gustavs II. Adolf Überlegungen, wird dort betont, der Kampf um die protestantische Freiheit sei "blosser Vorwand" und nur zweckdienlich gewesen! 26 Mag sein, daß die Jahrzehnte des blutigen Ringens auf deutschem Boden allmählich jede religiöse Verklärung verdrängten, allzu deutlich der machtpolitische Faktor in den Bilanzen aller kriegführenden Parteien dominierte, auch jene jetzt nur noch den "Nutzen und die Sicherheit des Vaterlandes" propagieren, 27 die zwischen 1628 und 1638 noch geglaubt haben mögen, auch ihrem Glaubensbekenntnis verpflichtet sein zu sollen. Uns Heutigen scheint es schwer begreiflich, daß man damals von Geld und Gütern reden und religiöse Überzeugungen gleichermaßen meinen konnte, Bekenntnisse zumindest unterschwellig das Denken und Handeln beeinflußten. Primär allerdings zählten wohl doch die Hoffnungen auf Vergrößerung Schwedens und neue Einkunftsquellen für die Krone, den Adel und das besitzende Handelsbürgertum. So gesehen, blieb Gustav II. Adolf auch in dieser Hinsicht der König der Schweden, die im Krieg materielle Gewinne suchten.

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In der Tat waren der Herrscher und seine engsten Vertrauten nicht so einfältig, der Stadt Stralsund im Kampf gegen Wallensteins Belagerungstruppen im Sommer 1628 uneigennützige Hilfe zu senden. Damals standen bereits etwa 1 300 Dänen unter dem fähigen, zupackenden, wenig fragenden Heinrich Holk, dem späteren Feldherren Wallensteins, in Stralsund, benötigt, aber wenig gern gelitten. Schweden mußte folglich seinerseits eingreifen, sollte nicht wiederum eine Möglichkeit vertan werden, unter plausiblem Vorwand in den Krieg eingreifen zu können. Und kein geringerer als Wallenstein selbst leitete seit dem 23. Juni 1628 die Vorbereitungen zum Sturm auf die Stadt. Mit dem Fall dieser "letzten Bastion" eines kämpferischen evangelischen Widerstandes mußte die Wahrscheinlichkeit schwinden, von den Protestanten als Helfer gerufen zu werden. Wahrlich Grund genug für die kriegsentschlossenen Schweden, schnell zu handeln. Und doch ankerten seit dem 19. Juni acht schwedische Schiffe untätig im Neuen Tief vor Stralsund, warteten die Kommandeure auf das Resultat der Verhandlungen zwischen König Gustavs II. Adolf Unterhändler Philipp Sadler und dem Rat der Stadt. Erst nach der Unterschrift der Bürgermeister auf dem Vertragspapier am 23. Juni waren die Schweden eingerückt, band die Nachricht von Wallensteins Ankunft Bürgermeister und Ratsverwandte an eine Allianz auf zwanzig Jahre mit der schwedischen Krone. Stralsund hatte sich verpflichten müssen, das Bündnis einzuhalten, "sich in keine Tractate mit dem Feind einzulassen, außer mit Bewilligung Schwedens und Einschluß Schwedens in die Tractate". 28 Gustav II. Adolf hatte, wie der bedeutende deutsche Historiker Gustav Droysen seinerzeit vermerkte, "eine Schlinge" geknüpft, "sicher genestelt und sicher ausgeworfen", 29 die Stralsund zur ersten Beute schwedischer Kriegspolitik in Deutschland werden ließ. Als Mitte Juli 1628 weitere schwedische Truppenkontingente in der Stadt am Sund eintrafen, war alles entschieden. Schweden hatte den Fuß in der deutschen Tür, war diese weit geöffnet. Nun lag es beim König, dem Reichsrat und den Ständen Schwedens zu bestimmen, wann die Armee auf dem Hauptkriegsschauplatz des "einzigen großen europäischen Krieges" aufmarschieren, Gustav II. Adolf es auch hier "machen" würde. Schwedens König konnte nun ernsthaft daran denken, die Idee des "Dominium maris Baltici" zu verwirklichen, dem Reich einen festen Platz unter den europäischen Großmächten zu erobern.

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Zunächst bemühte sich Gustav li. Adolf noch, die hart bedrängten Dänen in eine Allianz zu zwingen, unter schwedischer Führung selbstredend! So trafen sich beide Herrscher am 22. Februar 1629 in Ulvsbäck, dem PEarrhof des smäländischen Kirchspiels Makaryd zu entsprechenden Verhandlungen. Welch eine veränderte Situation! Sechzehn Jahre vorher debattierten die Dänen an gleicher Stelle lange, ob Gustav II. Adolf überhaupt als Verhandlungspartner Christians IV. anerkannt werden sollte, mußte Oxenstierna geraume Zeit feilschen, die dänischen Friedensbedingungen auf ein erträgliches Maß herunter zu handeln. Jetzt war der alte "Jüte" nur noch Herr über die dänische Inselwelt, im eigenen Jütland schanzten Wallensteins Heere. Nun diktierte Gustav II. Adolf die Bedingungen, bot dem Besiegten die helfende Hand. Vergebens, der Däne war ebenso wenig wie seinerzeit der schwedische Monarch bereit, in dem angebotenen Bündnis den Nebenpart zu übernehmen. Und außerdem, er traute dem Schweden ebenso wenig wie dieser ihm. Ein enttäuschter Gustav II. Adolf schrieb anschließend verärgert an seinen Kanzler Oxenstierna, Christian "muß betrunken gewesen sein", 30 zu überraschend war Dänemarks ablehnende Haltung gewesen. Hier allerdings irrte der Schwede gewaltig, Christian IV. - während der Gespräche merkwürdig abwesend und desinteressiert wirkend wußte wohl, was er wollte. Er war noch immer der alte Fuchs, den man in Schweden zurecht fürchtete. Und er konnte wohl noch immer mehr vertragen als mancher seiner Gegner an der Tafel. Zwar war der Wein durch die knirschende Februarkälte gefroren in Ulvsbäck eingetroffen, mußte aufgetaut werden, aber der Däne wußte schon, warum er Schwedens Monarchen scheinbar ein Bündnis anbot, dann bei den Verhandlungen seiner Sinne so wenig mächtig schien. Wien reagierte sofort, schloß am 5. Juni 1629 in Lübeck mit Dänemark einen Frieden, der Christian IV. äußerst vorteilhafte Bedingungen bot, die schwedischen Pläne aufs Äußerste gefährdete. Bald schon deutete sich sogar ein eventueller Vertrag zwischen dem Kaiser und Kopenhagen an. Nach der Niederlage Gustavs II. Adolf bei Stuhm schien im Sommer 1629 wieder vieles offen, war selbst das Stralsunder Abkommen möglicherweise nur ein lästiges Stück Papier, belastete Schweden gefährlich. Allerdings blieb Hoffnung, das fast ausgetretene deutsche Feuer könne zu gegebener Zeit erneut hell auflodern. Am 6. März dieses Jahres hatte Kaiser Ferdinand li. das berüchtigte Restitutionsedikt im Gefühl des vollständigen Sieges erlassen. Der seit 1552 säkularisierte

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Kirchenbesitz sollte den katholischen Würdenträgern wieder zurückgegeben werden. Das mußte die deutschen protestantischen Fürsten und Reichsstädte in die weitgeöffneten Arme des kriegsinteressierten schwedischen Herrschers treiben, mochten sie sich auch zieren und winden. Früher oder später würde er ihre Hoffnung werden müssen. Und da war natürlich auch noch Frankreich, dessen Gesandter Gustav II. Adolf in den deutschen Krieg lockte. Im Frühjahr 1630 waren die Verhandlungen über französische Subsidien allerdings abgebrochen worden, gar zu hoch schienen den Franzosen die Forderungen der Schweden. Gustav Il. Adolf blieb fest entschlossen, Schwedens Teilnahme am Krieg hatte seinen Preis. Und der König verfügte über hervorragende Diplomaten. Scheinbar bahnten sich neue Koalitionen an. Angekündigte und kurzfristig vorbereitete Verhandlungen mit einem Sonderbevollmächtigten des Kaisers in Danzig, von Dänemark mitinitiiert, kamen zwar nicht zustande, waren von Gustav Il. Adolf offenbar auch nur als Druckmittel auf Frankreich und gleichzeitig besonders gegen den unruhigen Dänenkönig gedacht, der Schwedens Kriegsvorbereitungen mit Sorge verfolgte, wissend, daß jeder schwedische Erfolg in Deutschland sich gegen Dänemark kehren würde, deshalb einen Ausgleich kaiserlicher und schwedischer Interessen wünschte ... In Paris jedenfalls atmete man erleichtert auf, als Gustav II. Adolf am 19. Mai in Stockholm die Abschiedsrede vor dem Reichstag hielt, während in Danzig Graf Hannibal von Dohna und die Dänen noch auf die schwedischen Gesprächspartner warteten. Inzwischen war die schwedische Armee eingeschifft, wurden die Segel gesetzt, steuerte der schwedische König Usedom an. Am 26. Juni erreichte die Flotte Peenemünde, stießen die ersten Schaluppen mit dem König und schwedischen Soldaten auf den Strand, der Schritt in den deutschen Krieg war getan. Interessanterweise betonten die schwedischen Propagandisten in ihren ersten Erklärungen zur Landung nur, man reagiere auf die kaiserliche Ostseepolitik, einem "Beginnen aber der König zu Schweden wegen seiner selbst und seiner von Gott anvertrauten Reiche Heil, Wohlfahrt und an der Ostsee habende Interesse, nicht nachsehen können". 31 Wenig Eifer zeigten auch die protestantischen Fürsten, die "Glaubensstreiter" aus Schweden willkommen zu heißen.

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Pommerns Herzog Bogislaw XIV. mußte am 10. Juli durch eine militärische Demonstration vor Stettin an die Seite Schwedens gezwungen werden. Vor den Stettiner Bürgern allerdings erläuterte Gustav II. Adolf in mehreren kurzen Ansprachen sogleich, "er wäre als ein Freund, keineswegs als ein Feind in diese Länder gekommen, die heilige reine Religion augsburgischer Konfession erhalten zu helfen". 32 Den pommerschen Ständen erklärte der König am 22. August, nach Kriegsrecht wäre Pommern sein Eigentum, er aber suche ein Bündnis mit ihnen. Kanzler Oxenstierna begründete später diese Absichtsbekundung mit dem Ziel, Gustav II. Adolf habe so die anderen protestantischen Fürsten und Städte für eine breite antikaiserliche Koalition gewinnen wollen. In diesem Geiste verkündete der Herrscher dem brandenburgischen Gesandten noch in Stettin die Botschaft für Georg Wilhelm, den Kurfürsten in Berlin. Auch hier bedeutete Gustav II. Adolf, er sei nicht als Feind gelandet, "sondern wie ein Freund des Reiches, die Räuber und Verderber des Reiches zu vertilgen ... nicht etwas im Reich zu verändern, sondern es zu konservieren". 33 Wenigstens zu Beginn dieses Feldzuges war der König vom Gesagten selbst überzeugt, wünschte die Stabilisierung der traditionellen deutschen Strukturen, wollte verhindern, "daß der Stände Freiheit in Deutschland nicht in eine Knechtschaft und in des Hauses Österreich absolutes Dominat verwandelt werde". 34 Er appellierte auch sofort an den Berliner Schwager, "nicht länger nur ein Statthalter des Kaisers" zu bleiben, bedeutete Georg Wilhelms Gesandten Hans von Wilmersdorf auf Französisch, "Wer sich wie ein Schaf benimmt, den frißt der Wolf". 35 Abgesehen von dem wenig schmeichelhaften Vergleich war dabei auch offen geblieben, wer der freßgierige Wolf sein sollte. Der Brandenburger jedenfalls zögerte lange. Zu gefährlich schien ihm die pommersehe Vereinbarung, die dem kleinen Land gewaltige finanzielle Belastungen auferlegte, die Konföderation erschreckend offen als "ewig" verkündete. Die, die niemand rief, würde möglicherweise auch niemand wieder wegschicken können! Da blieb Vorsicht geboten. Nur Magdeburg schloß sich am 1. August bereitwillig Schweden an. Am 11. November vereinbarte Hessen-Kassel ein Offensivbündnis mit Schweden, unterstellte seine Festungen und Truppen dem Oberbefehl des schwedischen Königs. Und doch, zufrieden konnte Gustav II. Adolf zunächst wahrlich nicht sein. Es geschah wenig, die Gegner sammelten inzwischen ihre Kräfte. Zwar war der gefährliche Wallen-

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stein entmachtet, im kampferfahrenen Johann Tserclaes Tilly stand Schweden ein kaum weniger ernst zu nehmender Gegner gegenüber. Erst gegen Ende des Jahres rückte die schwedische Armee entlang der Oder nach Süden, siegte über ein kaiserliches Kontingent bei Greifenberg, erreichten erste schwedische Einheiten Küstrin, die brandenburgisehe Festung an der Mündung der Warte in die Oder, trieben die kaiserliche Nordarmee bis Frankfurt an der Oder zurück. Diese Erfolge intensivierten die neuen Verhandlungen mit Frankreich. Am 13. Januar 1631 unterschrieb Charnace in Bärwalde in der Neumark eine Vereinbarung, daß Schweden in den folgenden sechs Jahren jährlich mit 400 000 Reichstalern unterstützt werde, dafür 30 000 Mann Fußvolk und 6 000 Reiter gegen den Kaiser führen, die "Libertät" der deutschen Regionalgewalten schützen sollte. Beide, Frankreich und Schweden, wünschten die territoriale Souveränität der deutschen Fürsten zu erhalten. Paris zahlte sofort noch rückwirkend für 1630 weitere 120 000 Reichstaler in die schwedische Kriegskasse. Ein Zusätzliches bewirkte schließlich die Verheerung Magdeburgs. Vielleicht war Gustav II. Adolf tatsächlich schwer erschüttert, als ihn die Nachricht von der Katastrophe Magdeburgs im Lager zu Potsdam erreichte. Immer wieder hat er die Schuld von sich gewiesen, die Unentschlossenheit der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg als Hauptursache seines zögerlichen Vormarsches zur Entlastung der Stadt angeführt. Dem ist wenig entgegenzusetzen und doch, Gustav II. Adolf versprach den Magdeburgern mehr als er erfüllen konnte, weckte Hoffnungen, die das reale Kräfteverhältnis um die Elbmetropole in jenen April- und Maitagen 1631 nicht berücksichtigte. So gesehen wurde er schuldig, klagten die überlebenden Magdeburger zu Recht über getäuschtes Vertrauen. Die Einäscherung dieser starken Feste, wer immer auch das Feuer legte, schadete Gustavs II. Adolf Ruf als verläßlicher Partner in Deutschland schwer, und führte keineswegs sofort die protestantischen Kernländer rückhaltlos hinter die Schweden. Fast vier Wochen nach der Tragödie um Magdeburg mußte der Schwedenkönig mit seinem Heer erneut nach Berlin marschieren, die Kanonen auf die Stadt richten lassen, um Georg Wilhelm endlich zu einer eindeutigen Bündniserklärung zu zwingen. Und dieser Vertrag sicherte Gustav II. Adolf keineswegs die Verfügungsgewalt über die Brandenburger Festungen und Truppen. Die Schweden erhielten Quartierrechte, Zahlungen zum Unterhalt ihrer Armee, die Festung Spandau, eine formale "Allianz" wurde nicht festgeschrieben an diesem 10. Juni

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1631. Zur gleichen Zeit unterwarfen sich die protestantischen Städte Südwestdeutschlands, die eben noch den Widerstand propagierten, nahezu kampflos den kaiserlichen Truppen nach dem Fall Magdeburgs. Nur ein überraschender Erfolg Gustavs II. Adolf bei Taugermünde gegen Tillys Unterfeldherrn Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim zwang den kaiserlichen Oberbefehlshaber, den geplanten Einmarsch in Hessen aufzuschieben. Es spricht für den Realismus des alten Grafen Tilly, daß er nach Wallensteins Entlassung nur nach längerem Zögern den Befehl über das kaiserliche Aufgebot übernahm. Erhalten sind seine Bedenken, Gustav II. Adolf sei "ein Feind von ebenso großer Klugheit wie Tapferkeit, abgehärtet vom Krieg, in der besten Blüte seiner Jahre". Er verfüge über eine hervorragende Armee, "ein Spieler, gegen welchen nicht verloren zu haben schon überaus viel gewonnen ist". 36 Wahrlich prophetisehe Worte des erfahrenen Kriegsmannes! Als er im November 1630 doch das Kommando übernahm, ahnte er zweifellos, daß es kein leichtes "Spiel" würde, ihm jetzt ein ebenbürtiger Gegner entgegentrat. Immer wieder haben Historikergenerationen Gustavs II. Adolf militärische Begabungen hinterfragt, zählte auch Carl von Clausewitz den Schwedenkönig zu den bedeutendsten Heerführern seit der Antike. In der Tat studierte schon der junge Prinz mit großem Interesse die antiken Feldzüge, diskutierte mit seinen Lehrern die Taktiken eines Alexanders, Hannibals. ebenso wie die zeitgenössischen Auffassungen der Spanier und Niederländer. Selbst auf seiner Deutschlandreise 1620 befragte er in Heidelberg Johann von Nassau-Siegen über dessen niederländische Erfahrungen, debattierte Methoden des Kampfes gegen die dichtgefügten Blöcke der gefürchteten spanischen Fußtruppen, wußte, auf welche Weise der "Spanier" Tilly seine Truppen gegen die Schweden formieren, nach welchen Prinzipien kaiserliche Armeen kämpfen würden. Und er gab sich nicht zufrieden mit den niederländischen Auffassungen, suchte immer wieder nach eigenen, dem schwedischen Heer entsprechenden Kampfesweisen. In den Jahren der Auseinandersetzungen mit Russen und Polen reformierte der junge Herrscher seine Armee, schuf kleinere bewegliche Einheiten. Zur Schlacht marschierten die schwedischen Truppen in zweiTreffen auf. Infanteriebrigaden als kleinste selbständig operierende taktische Einheiten wurden gebildet. Im Verhältnis dreizehn zu acht dominieren schließlich die Musketiere über die Pikeniere. Während des Kampfes feuerten jeweils drei Reihen Musketiere, die erste knieend,

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die zweite hockend, die dritte stehend, erschütterte anreitende feindliche Kavallerie durch einen "Feuerschock". Mußten die Musketiere laden, griffen die Pikeniere an, zogen sich anschließend geordnet wieder zurück, wenn die Musketiere wieder feuern konnten. Noch stark an die niederländische Taktik angelehnt, orientierte sich Gustav II. Adolf in seiner Kampfesführung zunächst auf die Abwehr gegnerischer Attakken, angreifen ließ er seine Soldaten erst, wenn der Feind zurückgeworfen war. Allerdings entwickelte der schwedische König schon früh eine neue Form des Kavallerieschlages. Musketiere unterstützten den Angriff der schweren Reiterei, die nur noch selten zum üblichen Anritt mit der Pistole, dem sogenannten "Karakoll" geführt wurde, statt dessen nach der Musketensalve mit dem blanken Degen auf die gelichteten Haufen der Gegner einhieb. Obwohl die legendären "Lederkanonen", leichte Geschütze, deren Rohre zusätzlich mit einer Lederhaut überspannt waren, sich kaum bewährten, geht der Einsatz von Feldgeschützen in den Schlachten des Dreißigjährigen Krieges vor allem auf die schwedischen Erfahrungen zurück. Gustav II. Adolf teilte jedem Regiment mehrere Geschütze zu, die "Regimentsstücke", leichte Dreipfünder. Die schnellfeuernden Kanonen unterstützten die agierenden Infanterieeinheiten wirkungsvoll, schossen Breschen in die dichtgefügten Gevierte des Feindes. Auch der Schwedenkönig suchte in großen Schlachten die Entscheidung, hatte andererseits eine Feldzugsstrategie entwickelt, die von der modernen Historiographie als "Territorialstrategie" charakterisiert wird. Gustav II. Adolf ließ in den besetzten Regionen gesicherte Vorratslager anlegen, erschloß die lokalen Geldquellen zur Finanzierung seiner Kriegsführung. Ursprünglich kontrollierte die schwedische Armee auf deutschem Boden nur einen schmalen Küstenstreifen zwischen Oder und Peene, erweiterte in den nächsten Monaten dieses Gebiet auf ein Territorium zwischen Oder, Spree, Havel und Elbe. Innerhalb dieses Raumes, durch die Flüsse geschützt, schufen die Schweden ein Stützpunktsystem mit Garnisonen, gesicherten Magazinen und Werbeplätzen für neue Soldaten. Sondersteuern erschlossen die notwendigen Finanzen. Keineswegs originell, aber neu in der Kombination mit der Territorialstrategie war die sogenannte "Ermattungsstrategie". Dabei versuchte die schwedische Armee, die kaiserlichen Truppen von ihren Versorgungsgebieten abzuschneiden, deren Räume durch systematische Verheerungen einzuengen. Ein solcherart geschwächter Gegner sollte dann in der Entscheidungsschlacht vernichtet werden.

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Nach diesem Konzept stießen die Schweden aus dem gesicherten nordöstlichen Raum nach Sachsen, später dann auch in den Raum zwischen Alpen, Lech und Donau, versuchten Analoges zwischen Rhein und Main. Im Sommer 1631 zeigte die erfolglose Kanonade der kaiserlichen Armee auf das befestigte Basislager Werben in Brandenburg, daß selbst die Hauptarmee unter Graf Tilly dieser Strategie des Schwedenkönigs nichts Entscheidendes entgegensetzen konnte. Mit Tillys Rückzug Ende Juli eröffneten sich Gustav II. Adolf neue Möglichkeiten, den Kurfürsten von Sachsen und dessen auf fast 20 000 Soldaten angewachsene Armee als Bündnispartner zu gewinnen. Grundsätzlich hatte sich die Lage weiter zugunsten der schwedischen Invasoren verändert. In Pommern waren 6 000 Schotten und Engländer gelandet, reihten sich in das stetig wachsende schwedische Heer ein. Als Graf Tilly seinerseits den sächsischen Kurfürsten Johann Georg in barschen Weisungen zur Allianz zwingen wollte, gleichzeitig die säkularisierten katholischen Enklaven zurückforderte, Sachsen so oder so -als Verbündeten oder Feindesland- als Basis für seine ausgehungerten Truppen gewinnen mußte, die kaiserliche Armee bedrohlich an dessen Grenzen aufmarschierte, am 14. August 1631 ultimativ jede weitere sächsische Truppenwerbung untersagte, da wandte sich Johann Georg an den wartenden schwedischen König. Gustav II. Adolf handelte schnell. Seine Truppen rückten nach Coswig an die sächsische Grenze vor. Befriedigt registrierten die Schweden Pappenheims Einmarsch in Kursachsen und die Eroberung Merseburgs. Die Entscheidung war gefallen. Sachsens Kurfürst hatte keine andere Wahl, er mußte sich an die Schweden binden. Als Tilly am 5. September Leipzig besetzte, vereinigten sich Sachsen und Schweden bei Düben, war der Allianzvertrag bereits drei Tage alt. Nun konnte Gustav li. Adolf den etwa 35 000 Kaiserlichen 42 000 Schweden und Sachsen entgegenwerfen, eine Entscheidungsschlacht wagen. Es war zweifellos eine wohlberechnete Geste des schwedischen Monarchen, während des gemeinsamen Kriegsrates mit J ohann Georg von Sachsen und Georg Wilhelm von Brandenburg beiden Kurfürsten die Entscheidung über die mögliche Schlacht anzubieten. Die Herren sollten "bedenken, wie leis ihr Kurhut säße, da es übel abliefe". Er selbst, so bedeutete der König, fürchte die Schlacht nicht, ließ damit dem Sachsen wenig Freiheit, ängstlich abzulehnen. Er kalkulierte richtig,

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"Bierjörge", der sächsische Kurfürst, soll entschlossen erwidert haben, dann wolle er auch fest bleiben, "als Soldat" in offener Feldschlacht "handeln". Am 7. September rückten bei Breitenfeld in der Nähe Leipzigs beide Heere gegeneinander vor. Die meisten schwedischen Kriegshistoriker unterstreichen, daß Gustav II. Adolf mit seinem Sieg bei Breitenfeld als Feldherr Weltgeltung gewann. Seine zahlenmäßig überlegene Armee mußte gegen die auf einer Anhöhe klug aufgestellten "Terzios" des kaiserlichen Feldherren geführt werden. Während der schwedische König neben dem Oberbefehl die Truppen auf dem rechten Flügel kommandierte, befehligte Johann Georg seine sächsischen Regimenter auf den linken Flügel. Zur Mittagszeit marschierten die Alliierten auf. Gegen 14.00 Uhr erteilte Tilly seinen Kanonieren, die traditionell ihre Geschütze vor dem Zentrum aufgestellt hatten, den FeuerbefehL Mehrere Stunden währte die Kanonade, deutlich wurde bald die Überlegenheit der schwedischen Artillerie. Gustavs II. Adolf leichte Feldgeschütze schossen dreimal so schnell und ihre Kugeln rissen sichtbare Lücken in die dichtgeschlossenen kaiserlichen Gevierte. Dagegen waren die weitauseinandergezogenen schwedischen Brigaden nur schwer zu treffen. Hinter den wahrscheinlich t-förmig aufgestellten Kontingenten standen Reserveeinheiten, Kavalleristen und Musketiere, die schnell jede Lücke stopfen konnten, deren Kanonen beweglich hin und her geführt wurden. Immer wieder ist Breitenfeld mit der klassischen Umgehungsschlacht des Hannibals bei Cannäe 216 v. d. Ztr. verglichen worden. Wenn Gustav II. Adolf eine solche Einkreisung und Vernichtung Tillys tatsächlich plante, dann ist dieses Konzept nicht umgesetzt worden. Das Manöver des Schwedenkönigs zur Umgehung der linken Flanke der Kaiserlichen verhinderte Pappenheim mit einem Gegenstoß in den Rücken der vorreitenden Schweden. Nur der kombinierte Einsatz der Musketiere und Reiter zwang Pappenheims Kürassiere nach sieben vergeblichen Attacken schließlich zum Rückzug. Hier entschied sich die Schlacht, denn der sächsische Flügel zerbrach im ersten Anrennen der kaiserlichen Truppen. Das Gros der sächsischen Armee floh mitJohann Georg nach Eilenburg. Aber selbst in dieser kritischen Phase der Schlacht bewährte sich die flexible Kampfweise der schwedischen Armee, die sofort schwenkte, eine neue Front aufbaute, es Gustav II. Adolf ermöglichte, Reserven heranzuführen. Der schottische Befehlshaber Robert Monroe berichte-

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te nach dem Treffen, die langsam vorrückenden kaiserlichen Truppen hätten ihrerseits versucht, gegen die neuen Linien der Schweden zu schwenken, sich vorbereitet, "uns mit Geschütz- und Musketensalven zu empfangen. Nachdem aber unsere leichten Geschütze gegen sie abgefeuert waren und vor dem Antreten auch die Musketen eine Salve abgegeben hatten, die erwidert wurde, ging unsere Brigade unaufhaltsam mit der Pike gegen sie vor . . . begann, sie zu vernichten". 37 In diesem Augenblick führte Gustav II. Adolf selbst seine Kavalleriereserve gegen den linken Flügel Tillys, stürmte mit seinen Reitern die Kanonenstellung, ließ die eroberten Geschütze drehen und in die noch immer Widerstand leistenden Karrees des Feindes feuern, die psychologische Wirkung einer solchen Entscheidung wohl berechnend. Als der verwundete Tilly vom Schlachtfeld geführt werden mußte, wandte sich die Mehrheit der geschlagenen kaiserlichen Söldner zur Flucht, endete gegen 19.00 Uhr die für beide Seiten sehr blutige Schlacht mit dem vollständigen Erfolg der protestantischen Allianz. Einem Bericht der Feldkanzlei der Schweden an Kanzler Oxenstierna kann man entnehmen, daß Gustav II. Adolf etwa 2 100 Infanteristen und 1 450 Reiter verlor. Allerdings nahmen die Sieger fast 6 000 kaiserliche Soldaten gefangen, die bald darauf in die schwedische Armee eingegliedert wurden. Stolz vermerkte Gustav II. Adolf: "Wir haben so viele Gefangene gemacht, daß wir sowohl unsere alten Regimenter auffüllen als auch ganz neue aufstellen können". 38 Tilly hatte außerdem noch 7600 Tote zu beklagen. In Halberstadt konnten er und Pappenheim etwa 8 000 Infanteristen und 5 000 Kavalleristen sammeln. Es war tatsächlich ein "überwältigender Sieg", der "der Schlußpunkt des schwedischen Eingreifens" bedeuten konnte, wie Jan Peters bilanziert. Das "protestantische Deutschland war 'befreit', die 'Sicherheit Schwedens' hergestellt". Man wird wohl kaum widersprechen können, daß es Gustav II. Adolf "darum ... eben nicht ... ging". 39 Otto Schwede resümiert sehr richtig, man könne "von einem Schwedenkönig vor und nach Breitenfeld reden". 40 Möglicherweise habe er jetzt erstmalig an die deutsche Kaiserkrone gedacht. Jedenfalls soll der auf die Siegesnachricht ängstlich nach Halle gerittene sächsische Kurfürst, ob weinselig oder nicht, Gustav II. Adolf zugetrunken und versichert haben, er wolle nun mithelfen, "daß ihm die römische Krone auf das Haupt gesetzt werde". 41 Eine folgenschwere Äußerung, gewiß! Vielleicht nur daher geschwatzt, möglicherweise auch als ängstliche Frage von dem Sachsen

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gedacht, der sofort die politischen Folgen dieses großen Sieges erfaßte. Und er blieb nicht der Einzige in diesen Tagen. Überall in Deutschland bewegte die Politiker, ob Gustav li. Adolf sofort in die ungeschützten Erblande marschieren, den Kaiser demütigen, vielleicht selbst die Herrschaft an sich reißen würde. Vielen schien auffällig, daß der schwedische Monarch nun alle Bündniswilligen zwang, sich von Kaiser und Reich zu distanzieren. Überlegungen, ob Gustav li. Adolf zeitweilig statt des kaiserlichen "dominium absolutum" eine entsprechende schwedische Machtfülle anstrebte, beherrscht seither auch die Diskussionen der Historiker. Jene, die dieses verneinen, führten immer an, der König hätte Johann Georgs Bemerkung mit einer ärgerlichen Replik abgewiesen. Einig sind sich allerdings alle Kenner, daß mit den Erfolgen des schwedischen Herrschers dessen Pläne und Ziele wuchsen. Kurz nach Gustavs II. Adolf Tode bemerkte Axel Oxenstierna, anfangs habe der Herrscher "so weit zu kommen nicht vermeinet", 42 sich dann aber von augenblicklichen Erfolgen immer weiter treiben lassen. Ganz sicher kann eine solche Äußerung als vorsichtige Bestätigung allmählich gereifter Ideen und Überlegungen eines evangelischen Kaisertums in der Gedankenwelt des schwedischen Königs gelesen werden. Die ältere schwedische Historiographie betonte übrigens, daß sich solche Konzepte "in seiner unablässig arbeitenden Phantasie ... überschlugen", 43 zeitweilig auch dieser Gedanke den König bewegt haben dürfte. Flugblätter wiesen ihn "als Löwen aus Mitternacht" aus, der die geknechteten evangelischen Fürstentümer und Reichsstädte einigen werde. Auch lassen sich gelegentliche Bemerkungen Gustavs II. Adolfs anführen, wie er "das römisch-teutsche Kaisertum" verstünde, so er die Krone trüge. Im Januar 1632 drohte er jedenfalls dem Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg, sollte er "Kaiser werden, so sind euer Liebden mein Fürst". 44 Abgesehen davon, daß Adolf Friedrich seine eigenen Gedanken mit der Macht eines deutschen Kaisers verband, Mecklenburg gleichermaßen weit entfernt von Stockholm oder Wien lag, dokumentierte dieser Ausbruch des zornigen Monarchen doch, daß Gustav II. Adolf mit dieser Möglichkeit diplomatisch spielte. Tatsächlich diskutierte man auch im Reichsrat in Stockholm 1632 beunruhigt, welche Folgen für Schweden aus einer eventuellen "Universalherrschaft" des Königs in Mitteleuropa erwüchsen. Ja, es ließe sich einiges auflisten, wenngleich auch manches dagegen spricht, daß Gustav II. Adolf jemals ernsthaft an die Kaiserkrone dachte.

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Die neuere schwedische Forschung verzichtet auf derartige Spekulationen und unterstreicht sicher nicht grundlos, der König sei als Staatsmann und Politiker "realistisch" gewesen, eine Wertung, die dann wohl jegliche ernsthaften Bestrebungen nach Universalherrschaft ausschließen. Andererseits erwähnen auch diese Biographen, daß er 1632 auf ein "corpus evangelicorum" orientierte, 45 unter schwedischer Führung einen Bund der deutschen protestantischen Fürstentümer schaffen wollte. Realistischer war dagegen wohl eine andere "Vision". Mitte März 1632 notierte Gustav II. Adolf Gedanken über ein Eheprojekt, sandte Oxenstierna seine diesbezüglichen Überlegungen. Der Brandenburger Erbprinz Friedrich Wilhelm sollte mit Prinzessin Christina von Schweden verheiratet werden. Der König erteilte seinem Kanzler Weisungen, ein Papier zu entwerfen, wie entsprechende Verhandlungen mit Brandenburg geführt werden sollten. Vielleicht auch wieder nur einer jener plötzlichen phantastischen Einfälle des Herrschers, nicht unbedingt ein ausschließender Beleg für andere zeitweilige Absichten. Und es bedeutet auch nicht, daß die ~erson des Königs nicht immer das eine und die Sicherung des Erbes der Tochter das andere blieb. Auch ein "Kaiser" Gustav II. Adolf hatte die Zukunft Christinas zu planen, was er vorübergehend durch das Schwert schuf, mußte nicht beständig sein. Das Hauptziel schwedischer Politik blieb die Ostseeherrschaft und eine enge Union Brandenburgs und Schwedens war ein wichtiger Schritt. Realität wurde auch dieses nicht, die Entscheidungen des Herbstes 1631 bewirkten anderes. Gustav II. Adolf marschierte damals nicht nach Wien, wie es später nach seinem Tode wiederholt der Kanzler kritisierte. Der Sieger von Breitenfeld stand am 22. September 1631 auf dem Erfurter Markt, eroberte Anfang Oktober Würzburgs Festung Marienberg, sicherte die Mainlinie, rückte anschließend auf Frankfurt vor. Am 22. Januar 1632 traf ihn Axel Oxenstierna dort, soll hier kühl geäußert haben, lieber hätte er dem König in Wien zu dem großen Erfolg bei Breitenfeld gratuliert. Einige Jahre später erläuterte der Kanzler den Reichsräten, er wünschte bereits in Frankfurt, nach Breitenfeld Frieden zu schließen, "die deutschen Stände ihre Angelegenheiten unter sich" regeln zu lassen. 46 In diesen Tagen hatten die Schweden allerdings schon weitere MainFestungen besetzt, waren am 7. Dezember 1631 bei Mainz über den Rhein gesetzt, konnte Gustav II. Adolf nach kurzer Belagerung am 14. Dezember als Sieger in die Bischofsstadt einmarschieren. Während

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die schwedischen Regimenter in diesem, bisher nahezu kriegsfreien Raum hervorragende Winterquartiere fanden, residierte der Monarch ein Vierteljahr abwechselnd in Frankfurt und Mainz, empfing hier Frankreichs Gesandten, mußte befremdet Richelieus Wunsch hören, Bauern baldmöglichst als neutrale Macht zu betrachten. Ende Dezember ließ Hereule de Charnace Schwedens Herrscher die Bedingungen Herzog Maximilians von Bayern wissen. Gustav li. Adolf dürfte sich verhöhnt gefühlt haben. Tillys Kriegsherr formulierte Forderungen wie ein Sieger, bestand auf der Räumung aller Territorien der Liga-Mitglieder, der Vereinigung der katholischen Fürsten, wünschte die Garantie des Kurhuts für Bayern und die Überlassung der Pfalz. Recht merkwürdig für schwedische Ohren auch das Anliegen Bayerns, die kaiserlichen Truppen unbehelligt in die Habsburger Erblande ziehen zu lassen. Weder der französische Bericht noch das schwedische Protokoll verzeichnen, ob Gustav II. Adolf den französischen Vermitder ausreden ließ, bekannt nur die kurze Entgegnung: "Das wird nicht sein!" Dabei blieb es auch, als die französischen Gesandten Drohungen formulierten, einen Angriff französischer Truppen auf die schwedische Rheinarmee ankündigten, verdeutlichten, daß Frankreich den "Juniorpartner" keineswegs an seiner Grenze dulden würde. Überraschend für Richelieu die Antwort Schwedens, König Ludwig möge "zusehen, daß er meiner Armee nicht zu nahe kommt, oder er muß ein rencontre mit mir halten"Y Es war klar, der Schwede wußte seinen Sieg einzuordnen. Gustav II. Adolf verstand sich zu keiner Zeit als Vollstrecker französischer Politik und der Wünsche Richelieus. Habsburg war der gemeinsame Gegner, mehr verband beideMächte nicht. Und Schweden war nun zur europäischen Großmacht gewachsen, war vielleicht in dieser Phase dominierend in Europa. So sah sich Schwedens König und entsprechend formulierte er seine Forderungen an die Bayern. Waffenstillstand mit Maximilian nur nach Reduzierung des Liga-Heeres auf 12 000 Soldaten, deren Verteilung auf die Liga-Staaten, Räumung aller protestantischen Territorien, Distanzierung vom Kaiser, so lautete das Gebot Gustavs II. Adolf. Er wolle, ließ er den französischen Vermitder wissen, lediglich den Kurfürsten von Trier und Köln ihre schwedisch besetzten Länder zurückgeben, wünschte Speyer und Bamberg als Pfänder. Die Pfalzfrage sollte zwischen Friedrich V., dem sogenannten "Winterkönig" und vertriebenen Kurfürsten von der Pfalz, dem einstigen Ober-

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hauptder protestantischen Union, und dem Bayernherzog unter englisch-französischer Vermitdung verhandelt werden. Die schließlich erfolgte Unterschrift des französischen Bevollmächtigten unter dieses Papier dokumentiert einen Höhepunkt schwedischer Macht in Deutschland und Europa. Nicht Frankreich diktierte Schweden die Bedingungen für die geplanten Friedensgespräche, Gustav II. Adolf bestimmte das Geschehen. Andererseits hatte Tilly bereits im Oktober erneut eine Armee von etwa 40 000 Soldaten gesammelt, eine Streitmacht, die nicht allein zur Verteidigung Bayern bereit stand, sondern auch Nürnberg, die freie protestantische Reichsstadt, bedrohte. Man wußte in München, daß Richelieu kaum interessiert sein konnte, Gustavs II. Adolf Einfluß in Deutschland zu stärken. Da blieben Maximilian Möglichkeiten, das ohnehin brüchige Einvernehmen zwischen Frankreich und Schweden zu stören. Der Bayernherzog erteilte Pappenheim die Weisung, trotz der französisch-schwedischen Absprachen in Niedersachsen weiter zu operieren, die vereinbarte Waffenruhe zu brechen, ein Brief, der den Schweden in die Hände fiel, vielleicht auch fallen sollte. Im übrigen zögerten auch die Schweden, ihre Aktionen in Süddeutschland einzustellen. Die parallel zu den Waffenstillstandsverhandlungen und dem Versuch, Bayern zu neutralisieren, betriebenen allgemeinen Friedenssondierungen in Frankfurt am Main versandeten ebenfalls. Gustav II. Adolf fand hier die Zustimmung zahlreicher anwesender protestantischer Fürsten, doch wurde schnell bekannt, daß Sachsen und der Kaiser über einen Separatfrieden debattierten, eine Wende, die Schweden nicht akzeptieren konnte. Gustav II. Adolf war wohl doch noch nicht Herr in Deutschland, eine schmerzliche Erkenntnis, die den schwedischen König am 25. Februar 1632 während eines Festessens in der alten Kaiserstadt zu der Äußerung bewegte, er wolle gern Frieden schließen, doch scheine die Zeit nicht reif. Er selbst sei "also gesonnen, daß so nur Gott ferner die Gnade ... geben möchte", er alle Katholiken "wohl aus der Welt, so es möglich, jagen wolle". 48 Damit war auch das entschieden! Der Krieg würde fortdauern. Schweden war bereit, die Satelliten an der Frankfurter Tafel wurden ohnehin nur angehört, entscheiden würde Gustav II. Adolf, Axel Oxenstierna und die Herren Reichsräte im fernen Stockholm. Zu Jahresbeginn 1632 verfügte Schweden über acht Feldarmeen mit etwa 90 000 Soldaten, verstärkte seine Kriegsmacht bis zum Frühjahr durch intensive Werbungen auf mehr als 120 000 Mann. Sächsische

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Truppen sicherten die Oderlinie, die schwedischen Generäle Johan Baner und Ake Tott verteidigten die Elbe, ermöglichten Gustav II. Adolf den Einmarsch in Bayern. Eine Niederlage Gustav Horns bei Bamberg gegen den alten Tilly zwang die Schweden allerdings zum Abbruch der Rheinoffensive. Gustav II. Adolf führte selbst die Hauptarmee in das Gebiet zwischen Lech und Donau. Die Karwoche wurde den Einwohnern Donauwörths zur ganz persönlichen Klagezeit. Schwedische Truppen stürmten die einst protestantische Stadt, plünderten sie gründlich, bereiteten Anfang April den Übergang über den Lech vor. Bei Rain am rechten Ufer warteten die Bayern in einer vorteilhaften Stellung hinter dem angeschwollenen, reißendes Wasser führenden Fluß. In das steil ansteigende Ufer hatte Tilly Artillerie eingraben lassen, Schanzen angelegt, die Brücken und Boote zerstören lassen. Ein erfolgversprechender Angriff schien unmöglich. So dachten auch die schwedischen Befehlshaber, nicht so ihr König! den Rat seiner Generäle entschied sich Gustav II. Adolf für den Ubergang. Nach gründlicher eigener Geländeerkundung ließ er eine Schiffsbrücke anfertigen, befahl verschiedene Ablenkungsmanöver, hieß die Soldaten nasses Stroh abbrennen, hinter dichten Rauchschleiern die Brücke über den Lech schlagen. Derbayerische Gegenstoß scheiterte an einer finnischen Eliteeinheit, die den Brückenkopf standhaft verteidigte, so daß die Schweden nahezu ungehindert Verstärkungen über die Pontons führten, die Kavallerie den herbeieilenden Bayern in die Flanken fiel. Als Tilly mit zerschmettertem rechten Bein aus dem Getümmel getragen wurde, brach Herzog Maximilian den aussichtslosen Kampf ab, folgte dem Rat seines sterbenden Oberbefehlshabers und führte die Reste der bayerischen Armee nach Ingolstadt. Ge~en

Und wieder sprach man erschrocken in Wien, Rom, Madrid und Paris über den scheinbar Unbesiegbaren, fürchtete die Verheerung Bayerns, erwartete bereits einen Marsch auf Rom. Dem Kaiser mögen die Absprachen in Göllersdorf, zwei Tage vor Gustavs II. Adolf Sieg bei Rain, im nachhinein recht glücklich erschienen sein, war doch nun mit Albrecht von Wallenstein wieder jener fähige Feldherr gewonnen, der nach Überzeugung der verängstigten Majestäten und Würdenträger der katholischen Welt allein dem schwedischen "Löwen" Paroli bieten konnte. Anfang April sagten dann die kaiserlichen Unterhändler dem "Generalissimus" zu, was dieser verlangte, versprachen, was sie wohl nie zu halten gedachten. Schriftlich erhielt der Böhme nichts, benötigte

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solches kaum, kommandierte er doch eine Armee, die der schwedischen ebenbürtig schien. Nach Edolgen in Böhmen gegen die Sachsen marschierte das kaiserliche Heer, das sich mit Maximilians Truppen vereinigte, auf Nürnberg zu, den wichtigsten schwedischen Stützpunkt zwischen Süddeutschland und Sachsen, zwang die schwedische Hauptarmee zum Entsatz. Als Wallenstein Nürnberg am 8. Juli erreichte, hatte Gustav II. Adolf bereits die Befestigungen der Stadt verstärken lassen, mehrere Schanzen angelegt, wie einst bei Werben seine Truppen geschützt, mit der Verödung des kaiserlichen Aufmarsches begonnen. Im kaiserlichen Oberbefehlshaber fand er jedoch seinen Meister. Auch dieser verschanzte sich bei Zirndod, südlich der alten Reichsstadt, zerstörte seinerseits die Versorgungswege der Schweden. 20 000 Soldaten Gustavs II. Adolf standen etwa 45 000 Wallensteinern und Bayern gegenüber, führten eifrig einen wechselseitigen Vernichtungskrieg der Magazine. Das schwedische Feldtagebuch beispielsweise verzeichnet für den 31 . Juli die Zerstörung bedeutender Vorräte des Gegners in Freistadt, etwa 30 Kilometer von Wallensteins Basis entfernt. Die Versorgungslage Nürnbergs und der schwedischen Armee verbesserte sich jedoch kaum. Am 21. August 1632 brach Gustav II. Adolf gegen das kaiserliche Lager auf, in direktem Gegensatz zu früherem Verhalten, gegen eigene militärstrategische Einsichten. Not kennt kein Gebot, die schwedische Armee hungerte. Nach konzentriertem Artilleriefeuer während des 22. Augusts setzten die Schweden in der Nacht über die Recknitz bei Führt nördlich des Wallensteinseben Lagers. Wegen der erschreckend hohen Verluste beschloß Gustav II. Adolf, die feindlichen Schanzen zu umgehen und aus südlicher Richtung anzugreifen. Hier hatte der kaiserliche Feldherr seine Hauptstellungen auf einer Anhöhe nahe einer zedallenen mittelalterlichen Burg angelegt. Am frühen Morgen des 24. August eröffneten die Schweden eine neue Kanonade gegen die "Alte Veste", erlitten aber durch einen überraschenden Reiterangriff erneut erhebliche Verluste. Während des ganzen 25. August versuchten die besten schwedischen Regimenter, zu den Ruinen der Burg vorzudringen. Vergebens, Gustav II. Adolf wurde mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Nun wiederholte sich das "Spiel um Werben" diesmal mit vertauschten Rollen. Mehr als 600 Gefallene und doppelt so viele Verletzte zählte der Oberst Nils Brahe am Abend.

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Der fähige schwedische General Lennart T orstensson war einer der wenigen, der bis zu Wallenstein vordringen konnte, allerdings nur als Gefangener! Unzufrieden brach der Schwedenkönig am folgenden Tag den hoffnungslosen Kampf ab, zog sich aufNürnberg zurück, verließ am 8. September unter klingendem Spiel den Raum, der ihm und den Nürnbergern keine Lebensmöglichkeiten mehr bot, noch immer ein kampfkräftiges Heer kommandierend. In der deutschen Historiographie wird dem Geschehen um Nürnberg besonderes Gewicht beigemessen. Der Wallenstein-Biograph Golo Mann resümierte, der Ausgang "war für den König von Schweden ärger als Niederlage in offener Feldschlacht", 49 ein Argument, das man in dieser Gegenüberstellung anzweifeln kann. Die Auswirkungen aber waren tatsächlich bedrückend für Gustav II. Adolf. Der Beherrscher Deutschlands war zum konfusen Marschierer geworden, wie es Mann doch recht treffend charakterisiert, "hin und herziehen ohne Zweck, je nachdem, was der Feind tat; Sterben und verbrannte Erde". 50 Nun war deutlich geworden, daß auch das Eingreifen Schwedens den Krieg nicht entschieden hatte. Die Chance zum Siegfrieden nach dem großen Tag von Breitenfeld schien vertan, die Schlacht war nur noch Geschichte, Gustavs Il. Adolf Nimbus als ewig siegreicher Feldherr dahin, wahrscheinlich, daß es der Monarch ehrlich meinte, als er am 3. September dem Kurfürsten von Sachsen schrieb, er begehre einen Gott gefälligen und für die "evangelischen Stände zu beständiger Sicherheit" notwendigen Frieden. 51 Auch hatte er bereits im Juni 1632, noch vor Wallensteins Ankunft vor Nürnberg, der Reichsstadt einen Friedensentwurf übergeben lassen, die Auffassungen der Ratsverwandten eingefordert. Was damals dem Schweden noch selbstverständlich schien, Pommern und die Direktion des "corpus evangelorium", war nun nach Zirndorf möglicherweise nur noch ein Traum, auch wenn sich Gustav Il. Adolf entschlossen erneut nach Süden wandte, Habsburg in den Erblanden angreifen wollte. Ein frommer Wunsch nur, schnell verflüchtigtangesichtsder Realitäten einer intakten Armee Wallensteins. Die strategische Initiative verlor der schwedische Monarch bereits vor dem Marsch auf Nürnberg, seine Entscheidung lenkte Wallenstein. Würde dieser nun nach Sachsen marschieren, müßte die schwedische Armee schließlich folgen, da half wenig, daß Gustav Il. Adolf die Wirklichkeit ignorierte.

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Am 29. September 1632 schrieb der König dem Kanzler Oxenstierna, er habe vernehmen müssen, Wallenstein sei "mit seiner Armee nach Bamberg aufgebrochen, Pappenheim aber im Anzug auf das Land Hessen". Doch glaube er, weiter zum Bodensee vorrücken zu können, Kursachsen wäre "bei dieser andringenden Winterzeit" wenig gefährdet, 52 gewollte Illusion, Hoffnung auf ein Wunder, trotziges Beharren und die Selbsttäuschung, in diesem Feldzug noch immer der Initiator zu sein! War es das, dann revidierte sich der König schnell, schon am 3. Oktober erreichte er Neuburg an der Donau, verstand, daß Albrecht von Wallenstein ihm nicht folgen würde. Der Friedländer ließ sich von ihm das Handeln nicht vorschreiben, folgte eigenen Entschlüssen, konnte es. Das vor allem war die wohl bitterste Erfahrung Gustavs II. Adolf in diesen Herbsttagen. Er kannte des Friedländers Brief an seine gegen die Sachsen bereits operierenden Unterfeldherrn Gallas und Holk nicht, wußte nicht, daß Wallenstein glaubte, wolle Gustav II. Adolf "sich nicht verlieren, so muß er dem Kurfürsten sekundieren", schlagen wir den Schweden in Sachsen, "so sind alle seine Sachen in Schwaben, Bayern und Franken gefallen". 53 Der König begriff aber zweifellos, der Plan eines Vormarsches in den Süden war sinnlos geworden, wiederum konnte er nur reagieren. Erst in Nördlingen erfuhr er am 10. Oktober, daß sich die Lage verändert hatte, jetzt reale Aussichten erwuchsen, Wallenstein in Sachsen anzugreifen. Von neuer Zuversicht getrieben, hastete Gustav II. Adolf mit seinen Truppen nach Norden. Er wußte nun, daß sich die bayerischen Regimenter von Wallensteins Hauptarmee getrennt hatten, Pappenheim in Niedersachsen Krieg führte, Gallas fernab in Schlesien operierte. Ein plötzlicher Erfolg über den kaiserlichen Generalissimus konnte alles verändern, mußte 'es! Von einem fast unverständlichen Optimismus getrieben, entwickelte er neue, weittragende Pläne, ließ seinen Kanzler wissen, er solle Konzepte finden, in den oberdeutschen Kreisen eine neue Armee- Gustav II. Adolf dachte an 130 000 Mann- zu rekrutieren, aus den kriegsverschonten südlichen Territorien Proviant und Geld für den Feldzug des Jahres 1633 gegen Habsburg bereitzustellen. Gleichzeitig trieb er seine Soldaten zu immer größerer Eile, legte in 17 Tagen fast 650 Kilometer zurück, stand am 23. Oktober bei Arnstadt, eine kurze Ruhepause nur für die erschöpften Pferde und Mannschaften. Derzeit reiste Axel Oxenstierna nach Süden, die Weisungen des Königs umzu-

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setzen, berief am 1. November aus Würzburg mit einem Rundschreiben die oberdeutschen Kreisvertreter zu einem Treffen nach Ulm. Alles deutet daraufhin, daß Gustav li. Adolf noch einmal voller Zuversicht an die Entscheidung glaubte. Der König erreichte Naumburg, legte dort am 31. Oktober auf dem rechten Saaleufer ein befestigtes Lager an, täuschte Wallenstein, der an Werben und Nürnberg dachte, reagierte auch nicht, als das kaiserliche Heer, inzwischen wieder durch Pappenheim verstärkt, bis Weißenfels vorrückte, eine Schlacht anbot. Offenbar ein letzter genialer Zug Gustavs li. Adolf. Wallenstein verteilte nun seine Truppen in die Winterquartiere, entließ Pappenheim nach Niedersachsen, rechnete für die nächsten Monate nicht mehr mit einem schwedischen Angriff. Doch hielt der Generalissimus das Gros der Truppen zusammen, sandte Rudolf von Colloredo mit stärkeren Kräften zurück nach Weißenfels, ein "Horchposten" nahe dem schwedischen Lager, blieb selbst im Schloß zu Lützen. Vielleicht entschied sich mit der Mission Colloredos das Leben Gustavs IL Adolf. Manche Historiker meinen, ohne dessen Abteilungen wäre die kaiserliche Armee überrannt, vom Schwedenkönig zu Paaren getrieben, Wallenstein im Schlaf überrascht worden, das allseits bekannte "wenn und hätte". Er aber "hatte", Albrecht von Wallenstein ignorierte trotz der erwarteten Winterruhe den gefährlichen Widersacher nicht, sandte ihm mit Coloredo einen seiner besten Unterführer entgegen, wünschte die Garnison in Weißenfels in unmittelbarer Nähe des schwedi~chen Lagers zu verstärken. Colloredo deutete die Konzentration der schwedischen Hauptarmee am Ufer der Rippach beim gleichnamigen Dorf richtig, Gustav IL Adolf marschierte an diesem 5. November mit seinem Heer auf Lützen zu. Eilboten warnten Wallenstein, selbst verteidigte Colloredo mit seinen geringen Truppen eine Anhöhe zwischen Lützen und Rippach auf der anderen Flußseite, täuschte Gustav li. Adolf, der stärkere Kontingente vermutete, seine Truppen zur Schlacht aufstellte. Mehrere Stunden gingen verloren. Erst gegen Abend setzte die schwedische Armee über die Rippach, Wallenstein blieb eine Nacht zur Vorbereitung, Zeit genug, Pappenheim von Halle zurückzuordern, sich auf die Schlacht in der Ebene um Lützen vorzubereiten. Noch in der Nacht erreichte Pappenheim der eigenhändig von Wallenstein geschriebene Befehl, blutbefleckt in Pappenheims Rocktasche gefunden und heute in Wien aufbewahrt: "der feindt marchirt hereinwarths derherrlasse alles stehen undt liegen undt incaminire sich herzu mitt allem volck und stücken, auf das er morgen frue bey uns sich befünden, ich aber verbleibe hiemitt des herrn dienstwilliger A. H. z.

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M., Lützen den 15 Novemb. Ao 1632. Er ist schon an dem Pas wo gestern der bese weg gewest ist". 54 Ohne Pappenheims 2 300 Reiter und 2 700 Mann Fußvolk verfügte Wallenstein zu Schlachtbeginn nur über 10 000 Infanteristen, knapp 7000 Kavalleristen und 24 Geschütze. Gustav II. Adolf konnte 12 800 Musketiere und Pikeniere, 6 200 Reiter, 20 schwedische Geschütze und 40 Feldkanonen einsetzen. Anders als bei Breitenfeld formierte auch der kaiserliche Feldherr seine Truppen in Anlehnung an die schwedische Taktik in zwei Treffen, hatte kleinere bewegliche Einheiten geschaffen, den einzelnen Verbänden einige der Geschütze zugeteilt, die Kavallerie auf beide Flügel verteilt. Erneut mußte Gustav II. Adolf gegen einen Gegner antreten, der von ihm gelernt hatte, den Meister übertreffen wollte. Gewöhnlich berichten die Historiker, dichter Nebel hätte am 6. November - dem 16. November "neuen Stils" - den Schlachtbeginn verzögert. Erst zwischen 7.00 und 8.00 Uhr konnte die schwedische Armee aus dem Raum Rippach aufbrechen und nach Lützen marschieren. Gegen 11.00 Uhr griff das erste schwedische Treffen die Kaiserlichen an. Noch immer verhüllten Nebelschwaden weite Teile des Schlachtfeldes. Interessanterweise behauptet jener Historiker, der das Verhältnis Gustavs II. Adolfs zu Ebba Brahe als "platonisches Minnespiel" empfindet, es habe verläßlichen Angaben zufolge . . . den oft erwähnten Nebel beim Aufmarsch der Royal-Armee nicht gegeben". 55 Erstaunlich und eigentlich so bedeutsam, daß Günter Barudio diese wichtige Quelle im Wortlaut anführen müßte. Für die Mehrheit der Historiker- auch die Autoren der schwedischen Nationalgeschichte halten daran festentwickelte sich das blutigste Treffen des Dreißigjährigen Krieges jedenfalls auch derzeit noch unter erschwerten Naturbedingungen. Der Pulverdampf und die Rauchschwaden des brennenden Lützen mögen dann die Sicht noch erheblich verschlechtert haben. Die Bemerkung eines Chronisten, daß nun "ein solch dicker Nebel einfiel, daß einer den anderen auf vier Schritt kaum zu sehen vermochte", schließt ja nicht aus, es wäre nicht vorher bereits wenig Sicht gewesen. Die Nebel kamen und gingen. Gegen 11.00 Uhr war ein Vormarsch möglich, der Blick auf das Gelände mag trotzdem erschwert worden sein. Offen bleibt auch, ob es am frühen Morgen nicht ähnlich undurchdringlich gewesen ist wie während der entscheidenden Augenblicke des Schlacht-

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getümmels. Zu denken gibt Golo Manns Feststellung, die schwedische Armee habe die Nacht "ein paar Hundert Schritt vom Feind entfernt" verbracht, 56 zweifellos eine vage Schätzung. Und doch, der Aufbruch der Armee Gustavs II. Adolf zwischen 7.00 und 8.00 Uhr und der Schlachtbeginn zwei bis drei Stunden später erlauben dann wohl doch die Vermutung, es sei Nebel gewesen, der die Aufstellung des Treffens des Schwedenkönigs trotz der Nähe beider Armeen so verzögerte. Eine letzte Gewißheit wird schwerlich gewonnen werden, zu widersprüchlich lesen sich die vielen Augenzeugenberichte, oftmals später und ohne Aufzeichnungen angefertigt, schon beeinflußt von anderen veröffentlichten Darstellungen, dazu Erinnerungen, zeitgenössischen Wiedergaben des angeblichen Geschehens. Es bleiben Fragen für den Historiker bei dem Versuch, die Schlacht und die Leistung Gustavs II. Adolf als schwedischer Oberbefehlshaber zu rekonstruieren. Im Kriegsarchiv zu Stockholm wird eine Skizze der Schlachtordnung von Lützen aufbewahrt, die man bei einem getöteten Soldaten fand. In Wien ist ein blutbefleckter Schlachtplan archiviert, der aus demNachlaß Pappenheims stammen soll, von Wallenstein bereits Anfang November entworfen sei. Der Reitergeneral soll ihn mit auf den Weg nach Halle genommen haben, ein Zeugnis, das für die Umsicht Wallensteins spricht. Der kaiserliche Feldherr rechnete mit einem möglichen Marsch der Schweden auf Leipzig und hatte Lützen als eventuelles Schlachtfeld ausgewählt. Es kann wohl vermutet werden, daß sich Wallenstein in der Nacht vom 5. zum 6 November an diese Überlegungen hielt. Pappenheim scheint es geglaubt zu haben, als er zielgerichtet von Halle kommend, auf das Schlachtfeld ritt, seinen Flügel und die geplanten Stellräume sofort fand. Im übrigen decken sich dieser Plan und die Soldatenskizze in wesentlichen Punkten. Als gesichert gilt, daß gegen 10.00 Uhr morgens die Schweden im Gelände zwischen einem Wassergraben und der Straße von Lützen nach Leipzig ihre Truppen in zwei Treffen geordnet hatten. Nils Brahe, der während des Kampfes fiel, das schwedische Zentrum kommandierte, Bernhard von Weimar den linken Flügel, Gustav II. Adolf selbst den rechten Flügel übernahm. Es scheint, als habe der Schwedenkönig bei dem sich vorübergehend lichtenden Nebel die Schwäche des linken kaiserlichen Flügels ausgemacht. Von Gefangenen wußte er, daß Pappenheim auf dem Wege nach Halle war. Wallenstein soll zur Täuschung des Gegners Troßsoldaten auf Nerde gesetzt, so von seinen Schwächen abgelenkt, mit einem Angriff auf den rechten Flügel gerechnet haben.

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Gustav II. Adolf warf jedoch sein Leibregiment und die Eliteverbände gegen 11.00 Uhr, nachdem er erneut wegen des dichter werdenden Nebels Zeit verlor, gegen Wallensteins schwächste Position. Gleichzeitig marschierte auch Bernhard von Weimar gegen die kaiserlichen Stellungen vor ... vielleicht nur der zeitgleiche Angriff und Zufall, daß der König den eigenen rechten Flügel befehligte, dann doch kein scharfer Blick des stark kurzsichtigen Königs gegen 9.00 Uhr, schon gar nicht das frühzeitige Erkennen der aufgestellten Troßsoldatenabteilung, der Schwäche in Wallensteins Aufstellung, am ehesten noch das Wissen um das Fehlen Pappenheims? Schon möglich, sogar wahrscheinlicher! Während etwa um die Mittagsstunde die kaiserlichen Truppen in Unordnung unter dem Druck der schwedischen Verbände zurückwichen, ein Chaos sich auf Wallensteins linkem Flügel anbahnte, hetzte ein Kurier Bernhards von Weimar zu Gustav I I. Adolf, vermeldete das Scheitern des Angriffs auf dem eigenen linken Flügel, verkündete gar, der Herzog fürchte, die Stellung nicht mehr lange halten zu können. Immer wieder ist über die tolldreisten, manchmal wenig überlegt scheinenden Angriffe und Einsätze des schwedischen Königs im dichtesten Kampfgewühl diskutiert worden. Schon die Zeitgenossen beklagten zuweilen die Waghalsigkeit des Herrschers, wünschten den Feldherrn weniger exponiert, vermeinten, er solle den Einsatz der Truppen aus sicheren Positionen koordinieren. Doch sah sich auch Wallenstein, schwer gichtkrank, im Laufe des Kampfes bei Lützen gezwungen, inmitten seiner wankenden Regimenter zu fechten, ein Beispiel an Tapferkeit zu geben, verhinderte die frühe tödliche Wunde Pappenheims einen Schlachtverlauf, der für Schwedens Armee wahrscheinlich katastrophal geworden wäre. So hat sich auch die neuere schwedische Geschichtsschreibung zu der Folgerung bekannt, die Krise der Armee am kaiserlichen rechten Flügel rechtfertige den Gegenstoß des Königs mit den Smäländer Reitern. Es war kaum vorauszusehen, daß der Herrscher und seine Begleiter von den schützenden Schwadronen getrennt, so hilflos den kaiserlichen Pulks ausgeliefert sein würden. Einig sind sich alle Experten, daß Gustav Il. Adolf bei Lützen die Entscheidung durch die Offensive suchte, Wallenstein seine Stellungen verteidigte, erstmalig auch Schützengräben für seine Musketiere ausheben ließ bzw. den neben der Straße angelegten Graben nutzte. Das schwedische Feldtagebuch vermerkt, die kaiserlichen Geschütze hätten beim ersten schwedischen Angriff "ohne sonderlich zu schaden"

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geschossen, 57 Gustav li. Adolf sofort eine Batteriestellung mit sieben Kanonen gestürmt, als ihn Bernhard von Weimars Hilferuf erreichte. Wahrscheinlich ritt er im Gefühl des sicheren Sieges auf seinem Flügel dem Thüringer zu Hilfe, erfuhr nicht mehr, daß die eroberten Geschütze bald wieder an die Kaiserlichen fallen sollten. Man bekäme kein klares Bild aus den eigenen Schilderungen, klagen die Autoren der schwedischen Nationalgeschichte, auch das Feldtagebuch konzentrierte sich nur auf Darstellungen über denToddes Königs. Es scheint aber sicher, daß Gustav II. Adolf noch das Scheitern des Gegenstoßes der Pappenheimsehen Kürassiere wahrnahm, deren panikartige Flucht nach dem Fall ihres gefürchteten Befehlshabers registrierte. Erwiesen ist es nicht. Es spricht einiges dafür, als haben neuerliche dichte Nebelschwaden die Schlacht in dieser entscheidenden Phase auf dem siegreichen linken schwedischen Flügel unterbrochen, sei Gustav li. Adolf tatsächlich genau in diesem Moment mit den Smaländern hilflos ins Ungewisse geritten. Ein Schuß in den linken Arm, nicht gefährlich aber stark blutend, schwächte den Herrscher schnell. Versuche, den Blutfluß zu stoppen, mißlangen offenbar. Gustav II. Adolf bat schließlich seinen Begleiter, den Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg, ihn aus dem Kampf zu führen. Ein neuerlicher Zusammenstoß der kleinen Gruppe um den König mit einem Pulk kaiserlicher Kürassiere, ein Pistolenschuß in den Rücken, die Flucht des Herzogs, der Tod des Reitknechts, weitere Verletzungen des schon hilflos am Boden liegenden Königs, das ist das Ende, so hat es der sterbende Page Leubelfing seinem Vater in Naumburg berichtet, wenigstens hat dieser das behauptet. Doch fürchten die Historiker heute, auch diese Augenzeugendarstellung ist phantastisch ausgeschmückt, Widersprüche ebenso über den Zeitpunkt des Auffindens der königlichen Leiche. Während einige Zeitgenossen behaupten, man habe den Körper erst spät abends entdeckt, gaben andere bereits den Moment an, als sich der Nebel wieder lichtete, General Octavio Piccolomini in mehreren Attacken die siegreichen Schweden des rechten Flügels zurückwarf, der Befehlshaber des zweiten Treffens, General Dodo von Knyphausen, dem neuen Oberkommandierenden, Bernhard von Weimar, bereits zum Abbruch der Schlacht rief. Letztlich ist das auch unwichtig. Weimar führte die Regimenter bis zum Einbruch der Dunkelheit tief in die kaiserlichen Linien, die Entscheidung konnte er nicht erzwingen. Als Pappenheims Infanterieregi-

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menter Lützen erreichten, war der Kampf noch immer "nahezu unentschieden", 58 wie es die moderne schwedische Historiographie beurteilt. Golo Mann folgert aus den Berichten der Augenzeugen, daß Pappenheims Infanteristen die Kanonen Wallensteins einsam auf dem Schlachtfeld entdeckten, daß sich die schwedischen Truppen ebenfalls in ihre Ausgangsstellungen zurückzogen, nicht einmal den Abzug Wallensteins bemerkten. Erst am nächsten Morgen konnte sich Bernhard von Weimar der herrenlosen Geschütze bemächtigen, den Abmarsch der Kaiserlichen feiern, sich als Sieger fühlen. Die Geschichte der nächtlings auf dem Schlachtfeld ausharrenden erschöpften schwedischen Soldaten ist also Legende. DerTod ihres Königs dagegen wurde bald in ganz Europa Gewißheit. Richelieu wird der berühmte Ausspruch nachgesagt, Gustav Il. Adolf "allein sei mehr wert als die beiden Armeen", 59 vielleicht ebenso Saga wie das Gerücht, der französische Kardinal solle den Herzog von Sachsen-Lauenburg gewonnen haben, den für Frankreichs Interessen inzwischen gefährlichen Schweden zu ermorden, ganz sicher aber Ausdruck jener Überzeugung in der gesamten katholischen Welt, die Lützen gerade wegen Gustavs II. Adolf Tod als Sieg feierte, mit Ehrenschreiben und Glückwünschen an Wallenstein nicht geizte. Vergessen waren darüber die mehr als 9 000 Toten, unter ihnen vermutlich mehr Soldaten der schwedischen Armee als kaiserliche Söldner. Wallenstein fürchtete die sächsische Armee General von Arnims, deren Aufmarsch ihm gemeldet war, glaubte offensichtlich trotz der intakten Regimenter Pappenheims und seiner eigenen ermatteten, aber nicht gebrochenen Einheiten das Risiko eines weiteren Schlachttages zu hoch. So war eine Entscheidung wiederum nicht erreicht, rückten an die Stelle des gefallenen Herrschers fähige Generäle, wurde der überragende Axel Oxenstierna zum politischen Kopf der schwedischen Invasion. Derweil fuhr man den Leichnam des toten Königs in einem triumphalen Trauerzug durch Deutschland. Unzählige Gedenksteine erinnern noch heute, helfen jenen, die dieser gemeinsamen Geschichtsperiode des deutschen und schwedischen Volkes nachspüren: das Dorf Meuchen in unmittelbarer Nähe der Wallstatt, wo der Leichnam gesäubert wurde, Weißenfels, Ort der ersten Aufbahrung und Einbalsamierung, ein Zimmer in einem Gasthaus, in dem wenigeTage vorher Pappenheim geruht hatte, jener erbitterte Gegner des Schwedenkönigs, der - Ironie der Geschichte - fast zur gleichen Stunde verschied. Unklar bleibt bis

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heute, ob er tatsächlich noch vom Tode des Königs erfuhr, seine Befriedigung seufzen konnte. Weitere Stationen waren Wittenberg, wo der Sohn Gustav Gustavsson, Frucht der kurzen Lagerliebe von Pskov, die Totenwache hielt, damals Student an der geistigen protestantischen Hochburg, dann das Wolgaster Schloß, wo der Sarg bis in den Sommer 1633 stand, die Überführung nach Schweden, nach langen Auseinandersetzungen mit Maria Eleonore, der Königin, schließlich die Beisetzung im Sommer 1634 in der Ritterholmkirche in Stockholm. Der "Krug" war in Deutschland zerbrochen, Gustav Il. Adolf gefallen in jenem Land, dessen Sprache ihm so vertraut war, dessen Probleme er kaum weniger gut kannte. Gelöst hat er sie nicht, wollte es wohl auch nicht. Seine Siege beendeten weder das massenhafte Morden auf deutschem Boden, noch haben seine Soldaten die Deutschen evangelischen Glaubens schützen können und wollen. Toleranz sei angesagt gewesen in der Armee Gustavs Il. Adolf, so sagen jene, die sich der Würdigung des Schwedenkönigs verpflichtet fühlen. Beute sei auch hier das einzige Maß aller Dinge geblieben, das die Soldaten bei den schwedischen Fahnen hielt, meinen die anderen. So unrecht scheint das nicht zu sein. Seinem Adel hatte der König nun auch große Güter in Norddeutschland geschenkt, manche Ladung wertvoller Beute, darunter unschätzbare Bücher, war über die Ostsee verschifft, bereicherte auch manchen Bürgerhaushalt. Am wenigsten von allem erhielten Bauern und Handwerker und jene schwedischen und finnischen Soldaten, die die Kämpfe auf den europäischen Schlachtfeldern überlebten. Selbst bei Kriegsende, als Schweden fünf Millionen Reichstaler Entschädigung für die Zahlung der Soldrückstände zugesprochen erhielt, floß die Hälfte des dann tatsächlich Gezahlten in die Taschen der Diplomaten und hohen Offiziere. Vielleicht hätte Gustav Il. Adolf diesen Raub an seinen Soldaten nicht zugelassen, wie Jan Peters einräumt, sicher ist auch das nicht. Immer hat der König beklagt, daß sein Volk die schwere Kriegsbürde tragen mußte, erlassen hat er die Steuern nicht, obwohl sein Krieg sich vor allem in Feindesland ernährte. Ein König der Besitzlosen ist er nie gewesen, weder der Schweden noch der Deutschen. Nach seinem Tod trieben es seine Soldaten noch ärger als die Kaiserlichen und Franzosen, sagen manche Historiker, deuten an, wie sehr er auf Recht und Ordnung hielt, vergessen, daß auch Gustav II. Adolf Plünderungen nicht verhindern konnte, kaum anzunehmen, daß Leid und Elend in den zunehmend verwüsteten Landschaften ihm eine andere Wahl gelassen hätten.

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So urteilte auch die Mehrheit der deutschen Historiker sehr kritisch, "der größte Dienst, den er der Freiheit des deutschen Reiches noch erzeigen konnte, ist- zu sterben", 60 lautete beispielsweise die scharfe Wertung Gustav Droysens. Der sozialdemokratische Historiker Franz Mehring sah ihn gar als "Todfeind" des deutschen Volkes, billigte ihm aber edlere Züge zu als der Masse der "deutschen Zwergdespoten", 61 die sich um ihn scharten. Dieneuere schwedische Historiographie hebt vor allem die ökonomischen und machtpolitischen Ziele seines Handeins hervor, unterstreicht, ein stark wirkendes Motiv für die Landung in Deutschland war, den Ausbau der Machtstellung an der Ostsee dadurch auszubauen, sich der Gebiete an der deutschen Ostseeküste zu bemächtigen. Dem ist wohl beizupflichten. Gustav II. Adolf war der starke Arm jener, die diesem Streben nachlebten, bereitwillig in die eroberten Gebiete zogen und sich Güter nahmen, so ausgedehnt, wie sie nur immer bekamen. Der König war durchdrungen von der Idee eines mächtigen Schwedens, fühlte sich in der Tradition der "Goten", lebte andererseits auch dem Gedanken, einem gottgefälligen Werk verpflichtet zu sein, "ein Don Quichote", 62 wie ihn ein deutscher Historiker kürzlich auch nannte, eine "Einheit aus Widersprüchen, deren Ausstrahlung die Zeitgenossen spürten und die bis heute anhält", 63 wie es Felix Berner sehr philosophisch formulierte. Gustavs II. Adolf Tochter Christina bemerkte ihrerseits, ihr Vater sei groß gewesen "wegen seines Pflichteifers, seiner Taten, seines Blutes und seines eigenen Lebens", 64 eine sehr schwedische aristokratische Sicht. In der Tat muß man vor allem schwedische Kriterien aus dem Blickwinkel jener finden, denen Gustavs II. Adolf Kriege nützen. "Bäuerliche Proteste im eigenen Land störten ihn ebensowenig wie die Angst der protestantischen Fürsten Norddeutschlands", 65 resümiert der Historiker Richard van Dülmen. Man wird ergänzen müssen, daß sich der Schwedenkönig auch als protestantischer Kämpfer fühlte. Vor allem aber kämpfte er um die Machterweiterung Schwedens, um den Führungsanspruch auch im deutschen Norden, um europäische Großmachtpositionen seines Landes, ganz zuerst doch um die Dominanz der Vasa. Dabei haben das schwedische und das deutsche Volk große Opfer bringen müssen, Gustav li. Adolf hat für kurze Zeit europäische Geschichte geschrieben, den Frieden in Europa nicht bringen können, weiter brannten nach seinem Tode deutsche Städte und Dörfer. Er mag ein bedeutender Heerführer gewesen sein, "der Große" war er wohl doch nur für die Großen seines Landes.

Zeittafel der persönlichen Daten Gustavs 11. Adolf 9. 12. 1594

Geburt Gustav Adolfs im Stockholmer Schloß als Sohn Herzog Karls von Södermanland und Christine von Holstein-Gottorp

4. 10. 1595

Herzog Karl zeigt demonstrativ dem Reichstag in Söderköping seinen Sohn, deutet Thronansprüche für seine Linie an

Mai 1602

Johan Skytte wird Gustav Adolfs Lehrer

Frühjahr 1611

Gustav Adolf befehligt ein Armeekorps 1m KalmarKrieg

1612

Beginn der unglücklichen Liebesbeziehungen zu Ebba Brahe

24.5. 1616

Geburt des illegitimen Sohnes Gustav Gustavsson im Feldlager von Pskov

Neujahrstag 1612

Gustav 11. Adolf verliest sein "Königsversprechen"

6. 1. 1612

Gustav 11. Adolf ernennt Axel Oxenstierna zum Reichskanzler·

26.8.1617

Gustav II. Adolf verkündet vor dem Reichstag ein Annexionsprogramm Schwedens im Kampf um die Ostseeherrschaft

12. 10. 1617

Krönung Gustavs Il. Adolf im Dom zu Uppsala

Herbst 1621

Gustav II. Adolf erobert Riga

18.2.1622

der König entwickelt neue Annexionspläne vor den Ständen

7. 1. 1626

Sieg Gustavs II. Adolf über das polnische Heer bei Wallhof in Kurland

7.4.1627

Verletzung Gustavs Il. Adolf im Gefecht bei Dirschau

22.2.1629

Treffen Gustavs II. Adolf mit Christian IV. von Dänemark zu Allianzverhandlungen in Ulvsbäck bei Makaryd in Südschweden

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Zeittafel der persönlichen Daten Gustavs II. Adolf

Juni 1629

Niederlage Gustavs II. Adolf bei Stuhm gegen ein polnisch-kaiserliches Heer

19.5.1630

Abschiedsrede Gustavs IL Adolf vor den Ständen

26.6.1630

Landung bei Peenemünde

10. 7. 1630

Gustav II. Adolf zwingt Bogislaw XIV. von Pommern in Stettin zur Allianz mit Schweden

13. 1. 1631

Subsidienvertrag Schwedens und Frankreichs zu Bärwalde

10. 6. 1631

Bündnisvertrag Gustavs II. Adolf mit Georg Wilhelm von Brandenburg-Preußen

Sommer 1631

Gustav II. Adolf verteidigt das Basislager Werben in Brandenburg gegen Tilly

2.9.1631

Allianzvertrag Gustavs II. Adolf mit Johann Georg von Sachsen

7. 9. 1631

Sieg des Schwedenkönigs bei Breitenfeld über Tilly

7. 12. 1631

Gustav II. Adolf geht mit seiner Armee bei Mainz über den Rhein

15.4.1632

Sieg der schwedischen Armee über Tilly bei Rain am Lech

21. 8. 1632

Angriff Gustavs Il. Adolf auf Wallensteins Lager bei Nürnberg

25.8.1632

Gustav Il. Adolf bricht den verlustreichen Angriff auf Wallensteins Lager ab

8.9.1632 6. 11. 1632 Sommer 1633

Abzug Gustavs II. Adolf aus dem Raum Nürnberg Tod Gustavs Il. Adolf bei Lützen Beisetzung in der Ritterholmskirche in Stockholm

Christina Eine Königin sucht ihren Platz in der Geschichte Kaum eine Königin der Vergangenheit ist bereits zu ihren Lebzeiten widersprüchlicher dargestellt worden, war den einen verehrungswürdiges Genie, Schutzpatronin und Mäzenatin, Ausdruck der Unmoral, Verlogenheit, ja eine Verbrecherio den anderen. Zahllose zeitgenössische Aufzeichnungen, Briefe und offizielle Berichte spiegeln das Bild Christinas von Schweden, dokumentieren manchmal eine kluge, erfolgreiche Politikerin, des öfteren aber auch eine gewissenlose egozentrische Frau, deren wichtigste selbstgestellte Aufgabe die Gestaltung des eigenen Lebens war, ein Anliegen, das sie rücksichtslos gegen die Interessen des eigenen Vaterlandes durchsetzte, einem Gefühl folgend, das ihr Rechte einräumte, die anderen Menschen versagt blieben, in der Tat, so oder so eine faszinierende Persönlichkeit! Für die ersten Lebensjahre liegt ein unvollendetes Papier Christinas vor, eine Autobiographie, die sie als reife Frau schrieb, ein Konglomerat eigener Erinnerungen und Gehörtem, in Form eines Dialogs mit Gott wiedergegeben, auch in dieser Selbsterhöhung ein aufschlußreiches Do-

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kument für die Gefühle und Empfindungen der Königin Christina, datiert mit dem 11. Juni 1681, das Produkt einer langen, gründlichen schriftstellerischen Hinterfragung des eigenen Ichs. Es gilt als gesichert, daß Christina um 1658 erstmalig in Rom begann, Material für eine Selbstbiographie zu sammeln. Mitte der sechziger Jahre soll sie während eines längeren Aufenthaltes in Harnburg intensiv geschrieben, vieles jedoch bald wieder vernichtet haben. Um 1680 wandte sich Christina dann erneut ihrer Selbstdarstellung zu, reflektierte besonders die Ereignisse zwischen 1626 und 1633. Aufschlußreich für eine Charakteristik der Königin erscheinen Christinas Bemerkungen über ihr erstes Zeremoniell als Herrscherin, der Empfang einer russischen Gesandtschaft zu Beginn des Jahres 1633. Die vielköpfige russische Abordnung bärtiger, fremdartig gekleideter Männer könne die Sechsjährige verwirren, eine weinende Königin auf dem schwedischen Thron dem Ansehen des Landes schaden, fürchteten Reichsrat und Hof. So meinte man, die kleine Christina vorbereiten zu müssen, "ermahnte mich, ohne Furcht aufzutreten", erinnert sich die Königin 1681. Lächelnd habe sie ihre Vormünder gefragt, warum sie bärtige Männer scheuen solle. "Sagt mir alles genau und überlaßt mir das weitere" 1 will sie dem Reichsmarschall Jakob de Ia Gardie, und dem Reichsadmiral, Karl Karlsson Gyllenhielm, ihrem Onkel, bedeutet haben, wohl doch vor allem die "Erinnerung" einer herrschgewohnten, gereiften Königin knapp fünfzig Jahre später, kaum die Reaktion eines sechsjährigen Kindes, das zwar durch die Geburt zur Regentschaft bestimmt, doch sehr plötzlich auf den Thron gesetzt werden mußte, lange, bevor die Erziehung zur Herrseherin beginnen konnte. Der frühe Tod des Vaters überraschte alle. Die wenigen Wochen seit der Nachricht ermöglichten kaum jene Prägung des von Christinas angeführten angeblichen Herrschergestus bei dem kleinen Mädchen. "Überlaßt mir das weitere" steht im Widerspruch zu der ebenfalls berichteten Erinnerung an die ersten Tage als schwedische Königin. Sie sei "noch ein solches Kind" gewesen, "daß ich nicht erkennen konnte, ob das nun Glück oder Unglück für mich bedeutete", das Erbe des Vaters anzutreten. "Doch erinnere ich mich, daß es mir zauberhaft vorkam, alle diese Leute mir zu Füßen zu sehen, die mir die Hand küssen wollten", 2 das Königtum als schmeichelhaftes kindliches Spiel! Und doch enthüllt gerade diese Beschreibung des Empfangs der Russen Christinas Selbstüberschätzung.

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Sie habe gehalten, was sie den Räten versprach, thronte würdevoll auf dem Herrscherstuhl, "mit einer so sicheren, hoheitsvollen Gebärde, daß ich, anstatt mich zu fürchten, wie es wohl andere Kinder bei solcher Gelegenheit getan hätten, den Gesandten vielmehr das Gefühl einflößte, das alle Menschen überkommt, wenn sie etwas Höherem gegenübertreten".3 Christina blieb zeitlebens überzeugt, als Vasa göttlich legitimiert, etwas besonderes zu sein, die übergroße Mehrheit der Menschen durch ihre königliche Geburt himmelweit zu überragen. Immer wieder verglich sie sich "ungeniert mit den Größten der Geschichte und wähnte sich Alexander gleich. Wie Ludwig XIV. und der Stuartkönig Jakob I. hielt sie sich für eine Stellvertreterin Gottes und betonte stets, sie sei keinem Menschen Rechenschaft schuldig", 4 wie einer der besten Kenner schwedischer Geschichte dieses Zeitraums, Sven Stolpe, 1961 betonte. Sie war überzeugt, "kein Zeitgenosse glich ihr", 5 vor ihr als Königin der - wie sie meinte - stärksten Militärmacht Europas mußten alle zittern und erbleichen, so wünschte sie, wollte es selbst am Verhalten der russischen Gesandtschaft bemerkt haben, glaubte es wohl auch wirklich. Es spricht tatsächlich einiges dafür, daß Christina auch als Fünfzigjährige überzeugt blieb, sie habe seinerzeit durch ihre stolzen Gebärden die Fremden erschreckt. Der englische Gesandte in Stockholm, Bulstrode Whitelocke, notierte 1654 in sein Tagebuch, Don Antonio Pimente!, der spanische Sonderbotschafter, ein fast fünfzigjähriger, kampfgestählter Offizier, aufgewachsen als Untertan eines absolutistischen Herrschers, wäre tief verstört bei seiner Abschiedsaudienz am 29. März Königin Christina gegenübergetreten. Er stammelte, wagte bleichen Antlitzes nicht, der Herrseherin in die Augen zu blicken. Später entschuldigte sich der Spanier, er sei von Christinas Auftreten so beeindruckt gewesen, daß er die Sprache verlor. Whitelocke vermerkte, das war "peinlich für einen Mann seiner Statur, doch sagen einige, er habe damit der Königin zu Gefallen sein wollen, die doch durch ihr majestätisches Wesen und ihre bloße Gegenwart Ausländer einschüchtern zu können glaubte". 6 Ihm selbst widerfuhr Ähnliches, formulierte der Brite weiter. Christina sei bei seinem Antrittsbesuch nahe an ihn herangetreten, wollte "durch ihren Blick und ihre Gesten . . . mich einschüchtern". Doch lasse sich ein Mann wie er "nicht so leicht durch eine junge Frau und ihre Leute in Schreck versetzen"/

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Es war die "ungeheure Selbstvoreingenommenheit für ihre Person", die sich neben anderen Fehlern besonders an Christina rächte, folgerte eine englische Biographin vor einigen Jahren. Christina bewahrte lebenslang ein "überstarkes Bewußtsein ihres eigenen königlichen Ranges". 8 Ganz sicher wirkte der frühe Tod des Vaters, die daraus resultierende Doppelrolle als kindliche Königin und Schülerin, formte die Erkenntnis der kleinen Christina, lernen zu müssen und doch schon gebieten zu können, prägte jene Gefühle, ließ frühzeitig die Überzeugung wachsen, unfehlbar zu sein, nur sich selbst und bestenfalls Gott Rechenschaft leisten zu müssen. Überliefert ist, daß einer ihrer Lehrer der Neunjährigen für eine angebliche Gotteslästerung mit der Rute drohte. Sie habe zornig erwidert, berichtet Christina in ihrer Autobiographie, sie wolle sich nicht schlagen lassen. Er müsse es ",bereuen . . . , wenn so etwas geschähe'. Das sagte ich auf so gebieterische Art, daß er vor mir zitterte". 9 Zweifellos genoß die Königin Macht, blieb sich stets während der Jahre in Schweden bewußt, als Tochter Gustavs II. Adolf Regentin eines mächtigen europäischen Staates zu sein. Das hatten ihr die Lehrer wieder und wieder betont, so ihren Ehrgeiz geweckt, alles wissen zu wollen, überall die Beste zu sein. 1648 berichtete der französische Gesandte Pierre Chanut nach Paris, Königin Christina spreche "ausgezeichnet Latein ... Französisch, Flämisch, Deutsch und Schwedisch", lerne sogar Griechisch, lese täglich einige Seiten im Tacitus, beherrsche das Latein so gut, daß sie die schwierigsten Textstellen verstünde, sie dann auf Französisch diskutieren könne, 10 eine Idealisierung Christinas, die bis heute das Bild der Königin wesentlich prägte, wie Sven Stolpe resümiert. Christina war "begabt", jedoch "keinesfalls genial, belesen, aber eigentlich nicht ... intellektuell". Sie wurde als Politikerin ausgebildet, "mehr nicht" . 11 Auch berichtete bereits Axel Oxenstierna 1642 dem Rat, Christina gebe Anlaß zu großen Hoffnungen, wenn sie nicht verdorben würde, eine Sorge, die der Kanzler nicht näher erklärte, es offenbar nicht mußte, weil ihn die anderen Ratsmitglieder verstanden, nicht auszuschließen, daß der bedeutendste Repräsentant ständischer Rechte des schwedischen Hochadels im 17. Jahrhundert absolutistische Bestrebungen der Königin voraussah. Aber auch er lobte die Fähigkeiten Christinas nicht so überschwenglich wie der Franzose.

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1636 wurde Christina auf Beschluß des Reichsrates von ihrer depressiven Mutter, Maria Eleonore von Brandenburg-Preußen, getrennt. Bis zu ihrem Ableben 1639 erzog die Tante, die Pfalzgräfin Katharina, Gustavs II. Adolf Halbschwester, das Mädchen auf Schloß Stegeborg in der Nähe Norrköpings. Noch kurz vor seinem Tode bei Lützen verfügte Christinas Vater, die Tochter soll wie "ein Mann" erzogen werden, 12 um ihren Aufgaben als künftige Königin gewachsen zu sein. Der Reichsrat entsprach diesem Wunsch, bestätigte im März 1635 als Erzieher den erfahrenen Kavallerieoffizier Axel Baner und den Höfling Gustav Horn, ernannte als eigentlichen Lehrer Johan Matthiae am 27. August 1635. Der religiös als tolerant geltende Theologe hatte an deutschen U niversitäten studiert, sich in Leiden weitergebildet, England und Frankreich bereist, als Rektor die Adelsakademie in Stockholm zwischen 1625 und 1629 geleitet. Als Lateinlehrer Christinas konzipierte er ein spezielles Lehrbuch, das noch heute Fachleuten als pädagogisch-didaktisch wohldurchdachtes Werk gilt. Matthiae unterrichtete ab 1636 die junge Herrseherin systematisch in Sprachen, Religion, Geschichte, Arithmetik, Astronomie und Geographie. Seinen Aufzeichnungen ist zu entnehmen, daß Christina täglich etwa 12 Stunden lernte, seit 1639 sich auch Axel Oxenstierna drei bis vier Stunden am Tag der staatspolitischen Bildung widmete. Auf Weisung des Reichskanzlers nahm die Heranwachsende seit 1642 an den Beratungen des Reichsrates teil. Die Zeitgenossen registrierten, daß die junge Königin gewöhnlich nur wenige Stunden schlief, sich auch im Winter um 4.00 Uhr morgens erhob und den Tag begann. Pierre Chanut lobte begeistert, Christina sei "unermüdlich, wenn sie auf dem Lande ist, und sie kann auf der Jagd zehn Stunden hintereinander im Sattel sitzen. Weder Kälte noch Hitze machen ihr das geringste aus ... Es gibt niemanden in Schweden, der sicherer als sie einen Hasen im Sprung mit einer einzigen Kugel ihrer Büchse zu erlegen imstande wäre". 13 Worte, die wohl schon überlegt gewählt wurden, als der Gesandte sie diktierte, druckreif wirken, die Frucht diplomatischen Mühens um eine Verbindung beider europäischer Mächte sein wollen, in dieser Form für ein breites zeitgenössisches Publikum gedacht waren. Merkwürdig, daß so viele Historiker diese Charakteristik ernstnahmen, sich damit beschieden, Chanut habe es wirklich so gefühlt, diesen Bericht für Kardinal Mazarin formuliert. So konnten sich erste Legen-

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den um Königin Christina bilden. Kaum vorstellbar, daß Mazarin das Fazit anders als belustigt gelesen haben sollte, wenn es nicht erst später für die Veröffentlichung hinzugefügt wurde. Christina bedeute nichts anderes "auch nur das geringste neben ihrer heißen Liebe, die sie Ehre und den Tugenden - 'la vertu - entgegenbringt", 14 so jedenfalls in der noch zu Lebzeiten Christinas publizierten Charakteristik des französischen Gesandten, denkbar nur, daß der geheime Bericht an den Kardinal derartige Äußerungen sparte. Das Bild der amazonenhaften Königin vertrug sich so gar nicht mit der Wirklichkeit um die kleine, etwas verwachsene Herrseherin auf dem schwedischen Thron. Bedeutungsvoller ist dagegen die Feststellung, die Königin verfüge "über die gleiche Kraft und das gleiche Zielbewußtsein wie ein Fürst, was darauf beruhe, daß ihr die Natur alle Vorzüge eines jungen Mannes geschenkt habe", 15 zweifellos einer der wesentlichsten Gründe für die noch heute dominierende Frage aller Biographen nach den Ursachen des merkwürdigen, so ganz unspezifischen Geschlechtsverhalten der Herrscherin. Bis heute ist kein Augenzeugenbericht über Christinas Geburt gefunden worden, wohl aber briefliche Andeutungen der nächsten Verwandten, auch sind gelegentliche Bemerkungen Axel Oxenstiernas bekannt, daß Christina von Natur aus anders sei als andere Frauen, ein offenbar heikles Thema, dem sich Königin Christina in ihrer Autobiographie selber sehr ausführlich zuwandte, bis heute die einzige authentische Quelle. Natürlich kannte die Königin die zeitgenössischen Vermutungen, wußte, daß ihre offen bekundete Ablehnung der Frauenrolle, der Ekel vor Schwangeren, vermutlich auch vor intimen Beziehungen, nicht nur den Hofklatsch der meisten Residenzen Europas bereicherte, Gegenstand offizieller Botschafterrapporte war, Schmähschriften füllte, sie ahnte auch, daß ihr äußeres Erscheinungsbild derartige Erörterungen förderte, sicher ein Grund, warum sie ihre Geburt ausführlich darstellte. Sie sei "mit der Glückshaube geboren, und bloß Gesicht, Arme und Beine waren frei", behauptete die Herrseherin 1681. "Ich war am ganzen Körper behaart und hatte eine tiefe, starke Stimme. Dies bewirkte, daß mich die Geburtshelferinnen, die mich entgegennahmen, für einen Knaben hielten". Entsetzt erkannten diese wenig später das Mißverständnis, baten Prinzessin Katharina, ihrem königlichen Bruder den Irrtum darzustellen. "Sie zeigte mich dem König so, daß er selbst sehen konnte,

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was sie ihm nicht zu gestehen wagte". 16 Der Herrscher wäre jedoch sehr gefaßt gewesen und bekundete seine Zufriedenheittrotz der Enttäuschung... soweit Christina selbst! Sven Stolpe folgerte seinerzeit, was die Königin "von Behaarung, Glückshaube und tiefer Stimme berichtet ... , hat nichts zu bedeuten" . 17 Die Britin Georgia Masson bot ihrerseits mit der Erklärung, Christina sei mit einem "Schaffell" geboren worden, eine Lesart an, 18 die das Mißverständnis um den angeblichen Knaben erhellen sollte. Offen bleibt aber, warum die Hebammen die Geburt mit einem solchen Vorgang belasteten. Einerlei, ob nun eine Täuschung vorlag, man es nur später so ausschmückte, bedeutsam wurden die Vorgänge um die Geburt erst, als die spätere Entwicklung Christinas zeigte, "daß ihr Körper und ihre geistigen Anlagen eher männlich waren, ja so sehr männlich, daß, so viel man weiß, ihr nie ein Mann erotisches Interesse" bekundete, viele Männer sich "von ihr abgestoßen fühlten", 19 wie Stolpe wohl zu recht vermutet. Selbst Pierre Chanut unterstrich seinerzeit die männlichen Veranlagungen besonders, betonte hier aber naturgemäß mehr das Verhalten der jungen Herrscherin. Christina lehnte alles ab, "worüber Damen reden und was sie tun. In weiblichen Handarbeiten und Beschäftigungen erwies ich mich als gänzlich ungeschickt und sah keine Möglichkeiten, mich in dieser Hinsicht zu bessern". Sie danke Gott, daß er sie "in seiner Gnade sehr männlich" machte, "wie auch meinen übrigen Körper". 20 Chanut erwähnte, Christina sprach gewöhnlich mit weiblicher Stimme, doch klang die erregte Königin "lauter, größer und befehlender", fiel aber schnell "in ihre gewöhnliche Höhe, ihren Mädchenalt" zurück. 21 Anders eine Beschreibung aus dem Jahre 1654, wo ein Beobachter zusammenfaßte, Christina "besitzt nichts Frauliches; ihr Auftreten, ihre Art sich zu geben, ja ihre Stimme sind ganz und gar männlich". In einer italienischen Charakteristik schwärmt der Schreiber zwar von den schönen roten Lippen der Königin, schließt dann aber lakonisch, er möchte "aufgrund so vieler anderer Einzelheiten ihrer körperlichen Beschaffenheit und ihrer Haltung schwören ... , sie sei ein Mars. Kurz gesagt, sie ist mehr Mann als Frau." Ein weiterer Zeitgenosse, ein Priester, notierte, "Frauliches besitzt diese Fürstin nicht; ihr Gang, ihre Gesichtszüge und ihr ganzes Auftreten haben etwas Männliches. Ich behaupte nur das, was ich mit eigenen Augen gesehen habe". Der Herzog von Guise registrierte während der ersten Frankreichreise Chri-

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stinas, selbst ihre Hände wirkten "mehr männlich als weiblich", eine "merkwürdige Haartracht, die einer sehr gewöhnlichen männlichen Perücke gleicht . . . hat eine Männerstimme und fast ausschließlich männliche Gebärden". 22 Andererseits läßt sich nicht leugnen, daß die junge Christina tiefe Gefühle für ihren Cousin, den Pfalzgrafen Karl Gustav, empfand. Einige Briefe aus den Jahren 1643 und 1644 belegen, daß die Heranwachsende glaubte, den Vetter zu lieben, einen gebildeten, damals gut aussehenden jungen Mann. Christinaschrieb ihm am 1. Mai 1643, sie könne ihn nicht vergessen, wie fern er auch immer sei. Gut ein Jahr später versicherte sie dem im fernen Deutschland weilenden Pfälzer, sie würde ihn bis in den Tod lieben, sicher typische Jungmädchenbriefe, gewiß nicht überzubewerten, aber wohl doch Beleg für eine Gefühlswelt, die ein normales Liebesleben erwarten ließ. Als jedoch Karl Gustav 1645 nach Schweden zurückkehrte, fand er eine reservierte Christina vor, entdeckte bald, daß sich die Königin für den Schönling Magnus de la Gardie erwärmte, den Sohn der Ebba Brahe, der Jugendliebe Gustavs II. Adolf. Christina begünstigte Magnus, fand sehr schnell ein äußerst herzliches Verhältnis zu ihm. 1646 informierte Pierre Chanut Kardinal Mazarin, Graf de la Gardie liebe die schöne Pfälzerin Maria Euphrosine, "mit der er sich auf Befehl der Königin verlobte, als deren Neigung zu ihm noch nicht so stark war, und nun sieht er sich von der Königin glühend geliebt". Doch glaubte Chanut zu wissen, de la Gardie wünsche, "die Leidenschaft der Königin wäre weniger stark". 23 Die moderne schwedische Historiographie, gestützt auf Zeugnisse der Psychologen, glaubt heute, Königin Christina habe nie verwinden können, von de la Gardie abgewiesen, hier keine Erwiderung der Gefühle gefunden zu haben. Zwar förderte sie ihn weiter, beglich sogar Anfang 1647 seine erdrückenden Schulden, duldete die Hochzeit mit Maria Euphrosine, doch sei es wie ein Schock für sie gewesen, daß sie zurückstehen mußte. Erst jetzt habe die Umwelt jene Ablehnung der Ehe und Schwangerschaft erkennen müssen, die in den folgenden Jahrzehnten die Zeitgenossen beschäftigte. Hatte Pierre Chanut noch im Frühjahr 1646 nach Frankreich berichtet, er erwarte trotz der wirklich tiefen Liebe Christinas zu de la Gardie eine Ehe mit Karl Gustav, die Königin sei zu vernünftig, als das sie vergesse,"was sich schickt", schrieb er Ende Juli dieses Jahres an Maza-

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rin, die Königin "wisse zwar, daß sie einen Gemahl nehmen und Kinder bekommen müsse, doch fehle ihr dafür die ,Affection'". Im Dezember konnte er mitteilen, Christina habe ihm ihre Leidenschaft für de la Gardie offenbart, sie wisse aber, daß der Graf die Pfälzerin heiraten wolle. Er bewundere- so teilte Chanut im Februar 1647 mit- die Kraft der Königin, deren Neigung zu Gardie "mit jedem Tag" wachse, die sich aber "auf ihre Tugend und Stärke" verlasse. Ein halbes Jahr später äußerte Chanut befriedigt, die Monarehin bekämpfe erfolgreich "die starke Ergebenheit, die sie für Graf Magnus fühlt". Ihm scheine, "sie empfinde Freude bei dem Gedanken, trotzihrer starken Hingabe nie die geringste Handlung begangen zu haben, die sie bereuen müßte". Das Ende dieser Entwicklung reflektierte Chanut dann in einem Rapport am 15. Oktober 1650, als er resümierte, Christina werde "sich niemals einem Gatten unterordnen", 24 belegt - vielleicht unbewußt -in dieser Folge eine tiefgreifende Gefühlswandlung der Königin. Immer wieder ist gerätselt worden, warum die Königin neben dieser Gefühlstiefe für den "Mann de la Gardie" eine ebenso starke Leidenschaft zu einer Frau entwickelte, Gräfin Ebba Sparre, eine der schönsten Frauen Schwedens um die Mitte des 17. Jahrhunderts, eine Frage, die heutige Sexologen vermutlich weit weniger überrascht als Zeitgenossen und Historiker in der Vergangenheit. Bemerkenswerterweise war auch Ebba Sparre seitJahresbeginn 1653 mit Magnus de la Gardies Bruder Jakob Kasimir verheiratet, eine Ehe, die Graf Magnus 1654 in der Bemerkung kritisierte, er könne nicht verstehen, daß der Bruder "seiner Frau erlaubt", ständig bei Christina zu sein, mit ihr "so zu reisen ... Wenn schon aus keinem anderen Grund, so muß man doch Rücksicht auf das merkwürdige Gerede der Leute nehmen". 25 Geredet wurde in derTat sehr viel in Stockholm und anderen europäisehen Hauptstädten über das Verhältnis Königin Christinas zu Ebba Sparre. Vor allem Dänemarks Gesandter Peder Juelleitete eifrig Vermutungen und Gerüchte über das höchst ungewöhnliche Zusammenleben der beiden Frauen an seine Regierung weiter. In den Jahren 1653 und 1654 notierte auch Englands Gesandter, daß Ebba "die Bettgenossin der Königin war", 26 jedoch nicht unbedingt ein Beleg für entsprechende Beziehungen, weil die Funktion der "Bettgenossen" auch für die Könige bekannt ist, gewöhnlich bedeutete, daß er oder sie das herrschaftliche Lager vorwärmte. Whitelocke registrierte aber auch andere Intimitäten, die er kommentarlos aufschrieb.

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Auch sind Briefe Christinas erhalten, die zumindest ein tiefes Gefühl der Königin für die schöne Frau dokumentieren. Kurz nach der spektakulären Abdankung ließ Christina Ebba Sparre wissen, daß sie ohne die Freundin unglücklich wäre. "Ich schwöre Ihnen, ich wäre wert, von den Göttern beneidet zu werden, wenn ich die Freude hätte, Sie zu sehen; da ich aber allen Grund habe, an diesem Glück zu zweifeln, müssen Sie mir wenigstens die Befriedigung schenken, mir zu glauben, wenn ich sage, daß ich Ihre Verdienste niemals vergessen werde, wo immer ich mich auch befinde". 27 Es sind Briefe veröffentlicht worden, die eindeutige lesbische Fälschungen sind, als solche schon früh entlarvt wurden. Der Brief vom Juli 1656 ist aber von Christinas Hand. Sie wäre glücklich, die Freundin zu treffen, schrieb die Königin an Ebba, ihre "Belle". Sie sei "dazu verurteilt, Sie ewig zu lieben und anzubeten", bitte nur, daß Ebba ihr die Illusion lasse, auch von ihr noch immer geliebt zu werden. Sie, Christina, werde Belle lieben, was ihr auch zustoßen möge, küsse sie "tausendmal". 28 Im März 1657 erklärte Christina in einem weiteren Brief, niemand könne sich mit Belle "in den Vorzügen messen ... , die Sie in der Welt, die unsere Bewunderung wert ist, besitzen ... Wenn Sie das Recht, das Sie über mich besitzen, nicht vergessen haben, werden Sie sich auch erinnern, daß es bereits zwölf Jahre her ist, seit ich den Vorzug genoß, von Ihnen geliebt zu werden, und daß ich Ihnen kurz gesagt auf eine Art und Weise angehöre, die es Ihnen unmöglich macht, mich aufzugeben ... " 29 1661 versuchte Christina, Ebba Sparre, inzwischen verwitwet, zu sich nach Rom zu holen. Belle bereitete offenbar damals ihre Reise vor, verstarb aber bald darauf. Bedenkt man, daß Christina gewöhnlich Frauen verachtete, bleibt diese Beziehung eine höchst rätselhafte Problematik. In Frankreich, so erwähnte es die schöne Madame de Thianges, warb Christina auch um sie. Kein Mann sei es wert, bei ihm zu bleiben, soll Christina bedeutet haben. Die Königin "schmähte ... die Ehe und riet mir, niemals zu heiraten; sie fand es widerwärtig, Kinder zu gebären". 30 • Sven Stolpe vermutet, Christina habe nur geschwärmt, niemals "eine wirkliche ... Vereinigung" gesucht, sich damit jedoch in eine Neurose gesteigert, sich selbst "den Seelenfrieden" geraubt. 31 Unbefriedigt sowohl in ihrer Liebe zu Magnus de la Gardie als auch "Belle" Sparre stürzte die Königin in eine Krise, aus der sie sich schließlich nur durch die Flucht aus Schweden retten konnte, wahrlich eine interessante Inter-

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pretation des Materials um diese rätselhafte Herrscherin, vielleicht auch ein Schlüssel zur Thronentsagung und der Konversion zum Katholizismus. Am 7. August 1651 teilte Christina dem Reichsrat mit, sie wünsche abzudanken, sei es dem" Wohl des Reiches" schuldig, 32 Schweden benötige einen Feldherrn als König, sie selbst suche Ruhe. Später hat sie als eine ihrer Lebensmaximen verkündet, sie hasse die Stille, liebe den Sturm - und lebte tatsächlich immer diesem Motto, wahrlich kein sehr überzeugendes Argument vor dem Rat, dessen Mitglieder die Königin wohl besser kannten. Sie behauptete dort, es sei ein jahrelang gewachsener Entschluß, nun habe sie entschieden, der Rat möge zustimmen. Obwohl Gerüchte über entsprechende Wünsche manchem unter den Räten längst vertraut waren, überraschte die Nachricht alle, weigerten sich die Herren nahezu einmütig zuzustimmen. In der Antwort des Rates an Christina am 12. August 1651, von Axel Oxenstierna formuliert, appellierten alle an die Monarchin, sie sei Königin Schwedens, habe sich in ihrem Königsversprechen verpflichtet, das Land nach seinen alten Gesetzen zu regieren. Greift man Christinas Aussage auf, sie habe bereits seit fünf, sechs Jahren an ihre Abdankung gedacht, erscheinen Mündigkeitserklärung am 8. Dezember 1644, vor allem aber die Krönungsfeierlichkeiten am 20. Oktober 1650, das Königsversprechen Christinas unverständlich. Die Königin hat später mehrfach auch das Jahr 1648 als "Wendepunkt in ihrem Leben" bezeichnet, 33 ein malariaähnliches Fieber quälte sie damals so, daß sie gelobte, sollte sie sich erholen, werde sie Katholikin, eine "hausgemachte Altersbegründung", so scheint es, analog der Mehrheit der üblichen Mysterien und Bekehrungsgeschichten, gern geglaubt von allen, die ein "Offenbarungsdatum" suchten, ein bestimmtes fixiertes "Erlebnis" für den Glaubenswandel wünschen. Im Februar 1649 erklärte Christina erstmal einer Deputation des Reichstages, sie würde nicht heiraten, Karl Gustav, der Pfälzer Cousin, sei ein würdiger Nachfolger auf dem Thron. Im April und Juni 1649 berichtete auch Chanut nach Paris, die Zeichen für einen baldigen Thronwechsel in Schweden mehrten sich, alles spräche für eine Krönung Karl Gustavs. Zunächst verweigerten Reichsrat und Adel die Zustimmung, wohl verstehend, daß eine Bejahung der Thronfolge ihre Möglichkeiten be-

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schränkte, dem neuen König die Bestätigung der Privilegien und des Güterbesitzes abzuringen. Damals konnte Christina diese Opposition mit der Erklärung beschwichtigen, Karl Gustav dürfe als ihr Nachfolger nur mit dem königlichen Konsens regieren, falls er den Thron einnehme, müsse er entsprechend den Landesgesetzen herrschen, die Vorrechte des Adels bestätigen. Im feierlichen Krönungszeremoniell Christinas Ende 1650 durfte der Pfälzer der Monarehin mit einer kleinen spitzen Krone auf dem Hut folgen, so sein Anrecht auf die Regentschaft dokumentieren. So gesehen ergibt sich also kein Widerspruch zwischen der Krönung und heimlich vorbereiteter Abdankung. Wollte Christina den Vetter als König sehen, mußte sie selbst zunächst souverän die Entscheidung bestimmen. Die Frage bleibt natürlich, warum die Erbkönigin diese Entwicklung einleitete? Will man die persönlichen Gefühlsverwirrungen, die keimende Überdrüssigkeit zu Krone und Land nicht akzeptieren, bleibt die oft geäußerte Erklärung des Glaubenswechsel Christinas. Das katholische Bekenntnis war unvereinbar mit dem schwedischen Königtum, folglich mußte Christina abdanken, eine Heilige, so meinten einige glaubenseifrige Katholiken. Soviel scheint sicher, eine überzeugte Protestamin war die Königin nicht, offen bleibt, ob auch das Mädchen Christina dieses Bekenntnis so haßte, wie es die Monarehin 1681 verkündete. Sie konnte die "langen, stets gleichen Predigten der Lutheraner nicht ausstehen", "hielt nichts von der Religion, in der ich auferzogen wurde" . Als Heranwachsende schuf sie sich "eine eigene Religion" in Erwartung der wahren Heilslehre, des Katholizismus, 34 wie es die Königin in ihrer Autobiographie Gott anvertraute, wohl mehr die Zeitgenossen meinte, ihnen die Tiefe ihrer Konversion darstellen wollte. Tatsächlich stieß Christina sich frühzeitig an der lutherischen Orthodoxie, wehrte sich gegen die Intoleranz der schwedischen Staatskirche, schützte auch als Herrseherin ihren früheren Lehrer Matthiae, seit 1644 Bischof von Strängnäs und Wortführer der inneren kirchlichen Opposition gegen die übermächtige Orthodoxie, verteidigte Matthiaes Toleranzschriften selbst gegen den von Axel Oxenstierna unterstützten orthodoxen Flügel des Priesterstandes. 1647 behauptete sich die Königin im Streit um die "Konkordienformel", verhinderte dessen Annahme als Glaubensgrundlage in Schweden. Damals setzte sie auch die Erklärung durch, die Krone stünde über dem Konsistorium, duldete in

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Schweden keine souveräne Kirche. Nur widerstrebend beugten sich die orthodoxen Eiferer Christinas Entscheidung, Katholiken und Kalvinisten dürften in Schweden Privatpersonen dienen, Formeln wie "Abgötterei und der Aberglaube der Papisten" seien aus der Grundsatzerklärung des Konsistorium zu streichen. 35 Der Königin waren Katholizismus, Kalvinismus und Schwedens evangelische Lehre gleichberechtigte christliche Bekenntnisse. Vermutlich drängten ihre naturwissenschaftlichen Studien Christina Fragen nach dem Ursprung und Sinn der Religion auf. Bald suchte sie unter den gebildeten Ausländern in Stockholm Antwort auf dieses Drängen, fand zunächst in Pierre Chanut einen aufgeschlossenen Gesprächspartner, konnte Zweifel äußern, die ihren einheimischen Theologen nur Gotteslästerung schienen. Den Berichten einiger ihrer früheren Diskussionspartner ist zu entnehmen, Christina argwöhnte zunächst, alle Religionen seien "nur politische Erfindungen, die dazu dienen sollten, das dumme Volk zu täuschen", 36 wie Sven Stolpe zusammenfaßt. Wohl glaubte sie an die Existenz Gottes, lehnte jedoch die Erlösungslehre mit Auferstehung und Wundern ab, soll auch noch lange nach Annahme des katholischen Glaubensbekenntnisses daran festgehalten haben, dann doch wohl kaum jene Konvertantin aus Glaubensnot, nicht plötzlich erleuchtet von der katholischen Heilslehre, wie es das römische Lager immer wieder gerne verkündete. Folgt man Christinas Alterserklärungen, dann nahm sie vor allem das Zölibat und der Mythos der Jungfräulichkeit für den Katholizismus ein, sicher ein Beleg für den angeblichen Zusammenhang zwischen Konversion und Abdankung, aber doch wohl nur eine Folge ihrer neurotischen Ablehnung der Ehe und Zeugung, entsprach dieses katholische Dogma nur vorangegangenen Entscheidungen, sich den Erwartungen an eine schwedische Königin zu versagen. Gewichtiger auf dem Wege zur Konversion bleibt der Drang, auf ihre erkenntnistheoretischen Fragen überzeugende Antworten zu finden, ohne ins atheistische Lager wechseln zu müssen. 1667 behauptete Christina, Descartes habe durch seine Gespräche mit ihr "in hohem Grad zu unserer ehrenvollen Konversion beigetragen", 37 eine Erklärung, die sich überzeugender läse, hätte Christina die kurze Anwesenheit des Mathematikers und Philosophen im StockholmerSchloß tatsächlich entsprechend genutzt. So bleiben interessante briefliche Dis-

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kussionen, durch Chanut vermittelt, in Stockholm selbst beschäftigte Christina Descartes als Textautoren zu Theateraufführungen, empfing den Franzosen nur im Beisein ihres Reichshistorikers Freinshemius, kaum eine geeignete Gelegenheit für Diskussionen über die Religion. Dagegen übten die sogenannten französischen Libertiner besondere Anziehung auf die Königin aus. Es waren gebildete Freidenker, die an den Dogmen der katholischen Kirche zweifelten, aber in der Kirche verblieben. Der Jesuitenorden vedolgte mit besonderem Interesse Christinas Bemühungen, ausländische Gelehrte in Schweden über Religion zu befragen, die Probleme "rein rationalistisch" zu beurteilen, wie sie später italienischen Jesuiten in Stockholm heimlich gestand. Die lutherisch-orthodoxen Hofkreise nannten den Leibarzt der Königin, den Franzosen Pierre Bourdelot, den "leibhaftigen bösen Geist" Christinas. 38 Ihm wurde nachgesagt, er habe in Frankreich versucht, Holz des heiligen Kreuzes, einer der bedeutendsten Reliquien der katholischen Kirche, anzuzünden, um so zu prüfen, ob dieses tatsächlich nicht brennen würde. Aus Frankreich geflohen, heilte er nicht nur die seit längerer Zeit sich krank fühlende Herrscherin, er erwies sich auch bald als geistvoller Unterhalter, religiöser Freidenker, der sich jedoch stets als Christ bezeichnete, später in Paris als Abbe ein Kloster leitete, ohne bestimmten atheistischen Überlegungen zu entsagen. Um den Arzt bildete sich in Stockholm ein Kreis von Libertinern. Durch sie lernte Christina die Werke der bedeutendsten französischen Freidenker kennen. Berechtigt resümierte Stolpe, es zog Christina schließlich zum Katholizismus, "weil sie bei ihm größere geistige T oleranz als beim Lutherismus zu finden glaubte". 39 Im Februar 1648 berichtete Pierre Chanut an Kardinal Mazarin über häufige religiöse Dialoge mit der Königin, deutete an, Christina sei für den Katholizismus offen. Am 5. Juni 1648 berichtete Chanuts Legationspriester, Pater Francois Viogues, nach Rom, die Königin wünsche, Katholikin zu werden. Auch Christine suchte Verbindungen zumJesuitenorden. In einem besonderen Schreiben bat sie den General des Jesuitenordens, zwei naturwissenschaftlich gebildete Patres nach Stockholm zu senden. Sie sollten als geheime Emissionäre des Katholizismus Fragen der schwedischen Monarehin beantworten, den Glaubenswechsel erkenntnistheoretisch vorbereiten. Man hoffte in Rom, Paris und auch im fernen Madrid, an das sich Christina selbst gewandt hatte, mit der Konversion der legitimen Königin in Stockholm größere Glaubensfreiheit durchzusetzen, dem Katholizismus in Schweden wieder Tor und

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Tür zu öffnen. Eine Abdankung der Konvertitin Christina war selbstverständlich unerwünscht, mußte die geplante Gegenreformation in Schweden erschweren. Die moderne schwedische Geschichtsschreibung weist nach, daß es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Glaubenswechsel und Abdankungsplänen Christinas gibt, im Gegenteil, als die Königin die finanziellen Konsequenzen aus der Konversion fürchtete, zog sie ihre erste offizielle Abdankungsabsicht im November 1651 zurück, deutete in mehreren Briefen an, sie wolle doch Protestantin bleiben. Im übrigen erklärte die Königin lange vor ihrem Entschluß, Katholikin zu werden, wiederholt, sie wolle die Krone niederlegen. So schrieb sie auch 1654 Pierre Chanut, er wüßte ja, wie lange sie diesen Gedanken hegte, "daß ich aber erst acht Jahre später beschloß, ihn zu verwirklichen". 40 Diese Äußerung neben anderen Erklärungen Christinas deutet auf das Jahr 1646 als Schlußpunkt einer langen Reifezeit hin. Bereits 1649 vermerkte der Protokollant des Reichsrates, die Königin wünsche abzudanken, denke bereits "drei Jahre lang daran", kein Tag verstreiche, "ohne daß Ihre Majestät die Sache überlegt hat". 41 Berücksichtigt man, daß zu diesem Zeitpunkt Abdankungspläne Christinas bereits aktenkundig sind, ist weder das Fieberjahr 1648 noch der Beginn erster Religionsdebatten mit dieser Entscheidung zu verbinden. Andererseits schwärmte die Königin bereits als unmündiges Mädchen für Italien, träumte von längeren Reisen zu den antiken Kunstdenkmälern, beschäftigte sich intensiv mit ihren "Helden" Alexander und Cyrus, wähnte sich ihnen überlegen, da sie tugendhafter als jene sei, ihre Liebe beherrsche, niedrige Triebe bekämpfe. Sie werde beide durch wahre Größe übertreffen, der Macht entsagen, als "Königin mit absoluter Gewalt über die ruhmreichste Nation der Welt" werde sie selbst diese Leidenschaft besiegen. 42 Es scheint, als sei Christina schon früh von dem Gedanken beherrscht worden, Schweden unbedingt verlassen zu müssen. Im Januar 1654 suchte sie Bulstrode Whitelocke zu überzeugen, Englands Flotte müsse Seeland erobern, Cromwell solle "mir dieses Land .. . geben, damit ich dort lebe". 43 Sie würde dann die schwedische "Krone niederlegen und dort ansässig werden". Nichts deutet daraufhin, daß Christina scherzte. Fort aus Schweden trieb es sie, konnte sie sich den Italientraum nicht erfüllen, blieb selbst ein anderes protestantisches Land die Alternative. Kann es noch Zweifel geben, daß es andere Gründe waren als religiöse Überzeugungen, die die Königin zur Thronentsagung trieben, selbst

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Dänemark eine Lösung schien? Muß nicht tatsächlich in der Persönlichkeitskrisedie wirkliche Motivation gesucht werden? Dem Briefwechsel der Jesuitenoberen mit französischen Geistlichen kann man die Zweifel an der Echtheit des Glaubenswechsels Christinas entnehmen. Auch nach ihrer Ankunft in Flandern, Monate nach der Abdankung, bezeichneten Beobachter ihre Haltung in Glaubensfragen als "libertinisch". Einige ihrer Biographen führen an, Christina habe wiederholt geäußert, Frauen seien unfähig, Staaten zu regieren. Ja, sie bemerkte Ähnliches in Gesprächen mit ausländischen Gesandten, blieb andererseits immer überzeugt, es sei ihr persönliches Verdienst, den Friedensvertrag in Osnabrück 1648 beschleunigt, das kriegsmüde Europa gerettet zu haben. Auch bot sie sich später Kardinal Mazarin als Königin von Neapel an, bewarb sich 1668 um die polnische Krone. Zweifellos war sie eine begabte Politikerin, Wirtschaftspolitik aber blieb ihr fremd. Immer mangelte es an Geld, Christinas · kulturelle Extravaganzen trugen weder der schwedische Staatshaushalt noch die späteren Rentenzahlungen Schwedens an die Königin, die verschiedenen Pensionen und Zuwendungen des Papstes und anderer europäischer Herrscher. Finanzprobleme überschatteten bereits die Mündigkeitserklärung im Dezember 1644. Extrasteuern mußten ausgeschrieben, die Domänenverkäufe intensiviert werden. Königin Christina teilte Axel Oxenstiernas Auffassungen, "daß die Krone auf lange Sicht an einein reichen Adelsstand gewinnen würde", förderte daher zielstrebig die Entwicklung des Adels, nobilitierte Beamte, Kaufleute und Gelehrte wie kein anderer schwedischer Herrscher vor ihr, belehnte die vielen neuen Freiherren und Grafen mit umfangreichem Landbesitz, versechsfachte so die Zahl hochadliger Familien. Im Krisenjahr 1651, als die Kammer vielen Beamten keine Gehälter mehr zahlen konnte, nicht wenige in Schweden verhungerten, verschrieb Christina mehr als 2 200 Höfe der Krone an die neuen hochadligen Familien, suchte Verbündete gegen Axel Oxenstierna und seine Anhänger im Reichstag. Obwohl Christina ihren Kanzler zeitlebens schätzte, fürchtete sie, er wünsche die Beschränkung der Königsmacht, hintertreibe die Institution des Erbreiches in Schweden. Etwa seit 1647 sind Versuche der Königin belegbar, den Einfluß des fast allmächtigen Reichskanzlers und der anderen Oxenstierna im Reichsrat zurückzudrängen. Christina äußerte 1654 gegenüber Whitelocke, Axel Oxenstierna wäre ähnlich

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wie Cromwell gerne Lordprotektor während ihrer Minderjährigkeit geworden, eine Vermutung, die der Politik des Reichskanzlers wenig gerecht wird, nur begreiflich aus der Verärgerung der Herrscherin, in Axel Oxenstierna einen beharrlichen Gegner absolutistischer Befugnisse zu finden. Einem Brief Christinas vom 12. April1645 an den Reichskanzler ist bereits das neue Herrschaftsverständnis der jungen Regentin zu entnehmen. Bei Brömsebro hatte Axel Oxenstierna am 25. Februar des Jahres Friedensverhandlungen mit Dänemark begonnen und Christina ließ ihn nur wenige Wochen später wissen, sie entnehme seinem Vorgehen, "daß Ihr mich vollständig verstanden habt", 44 signalisiert dem erfahrenen Politiker, sie erwarte, daß er sich mühe, die Wünsche seiner Königin zu verstehen, entsprechend zu handeln. Kurze Zeit danach erhob Christina Axel Oxenstierna zum Grafen, leitete aber gleichzeitig gegen dessen Willen eine Annäherung an Frankreich ein. Der Kanzler hatte verstanden, daß sich Frankreichs und Schwedens Interessen nicht mehr vereinen ließen. Mazarin mußte neben Spanien im Kaiser seinen Gegner sehen, Schweden als neuer deutscher "Reichsstand" fürchtete nun die Opposition der norddeutschen Territorialfürsten, ahnte Hannovers, vor allem Brandenburg-Preußens künftige Feindschaft, suchte den Kaiser als Mittler. Hier mußten sich Königin und Kanzler reiben. Paris reagierte schnell, Mazarin sandte den erfahrenen Pierre Chanut zu Jahresende 1645 nach Stockholm mit dem Auftrag auszuloten, welche frankreichfreundliche Politik mit der jungen Herrseherin gegen Oxenstiernas Überzeugungen durchzusetzen war, eine glückliche Entscheidung des Kardinals! Christinas Glaube an die göttliche Weihe souveräner Monarchen entsprachen Verfügungen zurVeränderungdes Hoflebens. Die Königin führte das französische Hofzeremoniell ein, teilte den Hofbeamten verschiedene Rangstufen zu, schuf eine Leibgarde aus adligen Offizieren. Kostete 1644 die Hofhaltung das Land 167 000 Taler Silbermünze, so steigerte Christina die Ausgaben bis 1653 auf jährlich 520 000 Silbertaler, circa 12 Prozent der Gesamtausgaben der Krone in diesem Jahr, der "teuerste europäische Hof", 45 wie die Zeitgenossen in Schweden behaupteten, Gegenstand ständigen Murrens der Steuerzahler im Land. Und der Adel zahlte nichts! Das adlige "Ja" zu Karl Gustav als Nachfolger Christinas honorierte die Königin mit weiteren Gutsveräußerungen, verschärfte damit den

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Gegensatz zu den nichtadligen Ständen. Dem Gesetzesvorschlag über die Pflichten der adligen Steuerbauern 1651, einem neuen Zugeständnis Christinas an den Adel, begegneten die Bauern - unterstützt von Priestern und Bürgern- mit der Forderung nach "Reduktion" der Domänen auf dem folgenden Reichstag. Der Gedanke nach Rückgabe der Krongüter war deshalb besonders populär bei den steuerzahlenden Schichten, da eine Revision des Kammerkollegiums die katastrophale Finanzlage des Reiches offenlegte, Sondersteuern zu erwarten waren. Keine neuen Donationen mehr, forderten die nichtadligen Sprecher, - und das unüberhörbar! Axel Oxenstierna vermittelte einen Kompromiß. Der Adel verzichtete auf neue Steuereinnahmen von seinen abhängigen Bauern, die Krone versicherte, trotzder Unterstützung durch die nichtadligen Stände die Reduktionsidee nicht weiter zu debattieren. Im Gegenzug verpflichtete sich der verängstigte Adel, für jeden Hof in Schweden und Finnland aus eigener Tasche vier Taler Silbermünze aufzubringen, seine Bauern nicht zu belasten. Auch senkten die Gutsbesitzer die Arbeitsverpflichtungen ihrer Hofbauern um ein Drittel. Christina konnte zufrieden sein. Der nächste Schritt mußte die Thronentsagung zu ihren Bedingungen bringen, das wußte sie, darauf konzentrierte sie nun alle Energie. Am 11. Februar 1654 kündigte die Königin im Reichsrat erneut ihre Demission an. Wiederum appellierte der Rat an sie, die Krone nicht niederzulegen. Gleichzeitig begannen aber intensive Verhandlungen über den künftigen Unterhalt Christinas. Die Herrseherin erwartete die gewaltige Summe von 200 000 Reichstalern jährlich, wünschte die Titel und Rechte einer Königin zu bewahren. Wo immer sie leben würde, es sollte die Residenz einer souveränen Herrseherin sein, niemandem unterstellt, weiterhin nur Gott rechenschaftspflichtig, daran ließ Christina in den folgenden Wochen und Monaten keinen Zweifel. Und sie scheute sich nicht, alle Wege und Mittel zu nutzen, die ihr möglich waren. Noch immer schwelte die Unruhe unter den Bauern weiter. Die Zugeständnisse des Adels, das verstanden die anderen Stände wohl, milderten nur vorübergehend die äußerste Not, Schwedens Finanzprobleme lösten sie nicht. Die Nichtadligen sprachen auf dem Reichstag 1654 erneut die Domänenrückgabe an. Wiederum bot der Adel eigene Kontributionen an, einmalige Zahlungen selbstverständlich, keine dau-

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erhaften Abgaben, das Recht der adligen Steuerfreiheit blieb unangetastet. Man half aus patriotischer Pflicht, mehr doch nicht! Diesmal allerdings zeigte sich auch Christina selbst interessiert, "offenbar nicht aus Sorge um die Finanzen der Krone, sondern im Hinblick auf ihre eigene ökonomische Stellung nach der Thronentsagung", umreißt die moderne schwedische Historiographie das Verhalten der Königin im Frühjahr 1654. 46 Christina wünschte unter anderem die Einnahmen der sogenannten pommerschen Tafelgüter, der einstigen Besitzungen der Herzöge. Diese Ländereien waren an Offiziere und Beamte des Hochadels vergeben worden, nach wie vor das wichtigste Zahlungsmittel Christinas. Nun aber benötigte sie diese" Währung" selbst. Damit wurde eine Teilreduktion für die Herrseherin unumgänglich. Zwar gelobte Christina dem verunsicherten Adel, diese "Reduktion" solle kein Präzedenzfall werden, 47 die Folgen einer solchen Entscheidung waren aber voraussehbar. Und Christina tat ein Übriges! Sie händigte dem Direktor des Kammerkollegiums, Herman Fleming, einem der wenigen Aristokraten, die sich für die Reduktion aussprachen, ein Schreiben aus, das ihrem Nachfolger Karl Gustav freistellte, ihre Verleihungen und Schenkungen anzufechten, hinterging ihren Adel bewußt. Der Betrug dürfte sie kaum belastet haben. Handelte es sich um Geldfragen und persönliche Annehmlichkeiten, entwickelte Christina merkwürdige Vorstellungen von "Tugend und Ehre", weniger hehr, als es Pierre Chanut seinerzeit der Königin bescheinigte. Räumt man ein, der Franzose konnte spätere Verfehlungen der Herrseherin nicht voraussehen, als er jene erste Charakteristik skizzierte, er tatsächlich beeindruckt war von manchem im Habitus der Schwedin, läßt sich jedoch nicht verschweigen, daß sich die Dinge grundsätzlich verändert hatten, als er seine Erfahrungen mit Christina veröffentlichte. Aufmerksame Beobachter hatten registriert, daß Christina schon vor ihrer Abdankung heimlich Kunstwerke ins Ausland schickte. Niemand wußte im übrigen besser als der französische Botschafter, wie weit die Königin zu gehen bereit war, wenn es die Regelung ihrer Bedürfnisse betraf. Als Mazarin den inzwischen nach Paris zurückgekehrten Pierre Chanut 1653 als Sonderbotschafter zu Christina schickte, die damals offenkundig werdenden Verbindungen der Königin zu Spanien zu sondieren, da bot Christina Frankreich den Verkauf schwedischer Kriegsschiffe für 300 000 Reichstaler an, um ihre Reiseschatulle zu füllen. Kaum

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vorstellbar, daß solch königlicher Egoismus den Franzosen unbeeindruckt ließ. Um die Jahreswende 1656 I 57 wandte sich Christina an Mazarin, forderte die ausstehenden Subsidienschulden Frankreichs für Leistungen Schwedens im Dreißigjährigen Krieg, vermeinte auch jetzt wieder, Schwedens Rechte seien vor allem ihre privaten Ansprüche. Offenbar plagten sie auch keine Skrupel, 1668 Schwedens Reichsrat vorzuschlagen, das Herzogtum Bremen gegen ihre sonstigen verbrieften Ansprüche einzutauschen, sie liebe "ihr Heimatland", würde es "bis zum Tode lieben", Wendungen, die manchen der Reichsräte bitter lachen machten. Es sei diese "Vaterlandsliebe" gewesen, die "sie alles mit einer Geduld erleiden" ließ, "die umso bewundernswerter ist, da sie sich doch auf hundert verschiedene Weisen rächen könnte. Aber immer wird ihr die Liebe zu ihrem Vaterland am höchsten stehen ... " 48 Kaum zu glauben, daß Christina solche Gefühle je empfand. Sie hat wiederholt verkündet, sie hätte früh gelernt, sich zu verstellen, Gefühle zu verheimlichen, sei eine Meisterin dieser Kunst geworden. Falls sie denn je welche bewegten, Heimatgefühle haben sie nach 1654 zweifellos wenig bedrückt. Im September 1655, gut ein Jahr nach ihrer Abdankung und sofortiger Abreise aus Schweden, übergab sie in Brüssel dem Grafen Raimondo Montecuccoli einen Brief an den Kaiser, deutete dort unmißverständlich an, für entsprechendes Honorar schwedische Staatsgeheimnisse verraten zu wollen, forderte den Habsburger gar auf, Pommern zu besetzen, ihr, Christina, so die dortigen Ländereien zu sichern. Auch empfahl sie dem Kaiser in diesem Schriftstück, er solle Dänemark und Holland zum Krieg gegen Schweden ermutigen, wahrlich eine merkwürdige "Vaterlandsliebe" der Königin. Georgia Masson versteht diese Zeilen als Beweis, "wie weit Christina zur Verteidigung ihrer rein persönlichen Ziele zu gehen bereit war", 49 ein Urteil, dem kaum etwas hinzuzufügen ist. Dem Lande Schweden geriet zum Vorteil, was Christina mit ihrer Abdankung einleitete. Nach längeren Verhandlungen über Christinas Forderungen und die Wünsche des Reichsrates an den neuen König konnten am 6. Juni 1654 im Schloß zu Uppsala die Urkunde über die Thronentsagung und die Regelungen des künftigen Unterhalts der Königin gesiegelt werden. Der Reichsrat und die Ritterschaft hatten auf dem gleichzeitig versammelten Reichstag in U ppsala erwirken können, daß Karl Gustav

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als Nachfolger Christinas vor der Krönung ein Königsversprechen abgeben mußte. Die Herren wünschten die Eidesformel, die seinerzeit Gustav II. Adolf sprach. Doch wurde diese Erklärung auf Druck Christinas so allgemein formuliert, daß der Pfälzer keine bindenden Zusagen beschwörte. Die Autoren der schwedischen Nationalgeschichte resümieren, es scheine, als hätte der greise Axel Oxenstierna in diesen Tagen nicht mehr versucht, die Macht der Krone zu beschränken, die alten ständischen Rechte zu verteidigen. Offenbar glaubte er, "daß das Reich eine ziemlich starke Königsmacht brauche", 50 sollte die drohende soziale Unruhe gedämpft, der Gegensatz zwischen Adel und Nichtadel im Reichstag überbrückt, die Grundlagen der Adelsgesellschaft überhaupt gerettet werden. Christina hatte den Boden vorbereitet für bestimmte absolutistische Entscheidungen ihres Nachfolgers, war wohl tatsächlich nach dem Einlenken des Adels 1651 während der Reduktionsdebatte nahezu souverän geworden, wie Pierre Chanut im März dieses Jahres Paris berichtete, als er schrieb, Christina "besitze nun praktisch die absolute Gewalt". 51 Der Widerstand Oxenstiernas, den der Franzose damals voraussah, war allerdings kaum noch möglich, wurde gefährlich für den Adel in seiner Gesamtheit, einte auch nur noch hochadlige Fraktionen, sah die Mehrheit des niederen Adel auf Seiten der Monarchin. Das verstand der alte Reichskanzler besser als der französische Gesandte. Im übrigen starb Axel Oxenstierna zwei Monate nach dem folgenreichen Reichstag zu U ppsala. Er hatte noch einmal die Adelsprivilegien verteidigen, vor einer künftigen allgemeinen Reduktion seinen Stand aber nicht schützen können, hätte wohl auch nicht mehr erreicht, wenn er an Karl Gustavs Seite nach 1654 gestanden hätte. Schwedens sozialökonomischen Widersprüche erlaubten keine Fortsetzung der Donationspolitik Königin Christinas. So gesehen war ihre Abdankung auch ein notwendiger Schlußpunkt hinter ein feudales Stadium in der Geschichte des Reiches. Fortan hatte die Krone neue Wege zu gehen! Christina ging die ihrigen, lebte nun in Flandern, später in Italien, kurze Zeit auch in Hamburg, besuchte noch zweimal Schweden, um Geldforderungen zu stellen, war ihren kurzzeitigen spanischen Freunden bald "die größte Hure, die je auf Erden lebte", 52 wie es Spaniens Botschafter völlig unbegründet nach Madrid vermeldete, schnell ein Todfeind der exaltierten Monarchin, die verärgert die Verbindungen abbrach, als Philipp IV. kein Geld sandte, galt dem Papst Alexander

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im Juni 1658 "eine als Barbarin geborene Frau, die barbarisch erzogen wurde und in barbarischen Gedanken lebt", 53 wie er dem Gesandten Venedigs offenbarte. Die Königin setzte ihr verschwenderisches Leben fort, umgab sich ständig mit Abenteurern, jungen, schönen Männern, die Christinas italienische Residenz füllten, der Herrseherin ohne Thron schmeichelten, ihrem Ruf so gründlich schadeten, daß Christina auf ihrer zweiten Frankreichreise schließlich nicht einmal mehr Zugang zum französischen Hof fand, eine souveräne Königin, der ein anderer, keineswegs tugendhafter Monarch die üblichen Ehrungen verweigerte, es für ratsam hielt, nachdem politische Abenteuer Christinas scheiterten, weder der Thron in Neapel, noch eine Statthalterschaft in den südlichen Niederlanden oder die polnische Krone je wirklich zur Disposition standen. Ihre letzte große Liebe zu Kardinal Azzolini in Rom brachte der reifen Christina möglicherweise eine vorübergehende persönliche Erfüllung, wenngleich auch hier nicht alle Fragen beantwortet sind, der Geistliche möglicherweise die Hoffnungen Christinas nur als zuverlässiger ökonomischer und politischer Ratgeber erfüllte. Das war im übrigen schon schwer genug bei dieser Frau, die niemals lernte, sich mit der Realität abzufinden, immer auf der Suche, einen vorderen Platz in der Weltgeschichte zu markieren, in die Geschichtsbücher einzugehen als die bedeutendste Frauenpersönlichkeit der Zivilisation. Sie war, wie ihr Freund Pierre Chanut einmal notierte, einfach "zu ruhmselig". Christina formulierte es poetischer. In ihrem Zwiegespräch mit Gott schrieb die Königin 1681, "Du weißt Herr, daß Du mir ein Herz gabst, das kein irdisches Gut zufriedenstellen kann". 54 Sicher, sie hat anderes suggerieren wollen, das Streben nach Göttlichkeit. Zufriedenstellen konnte sie das irdische Leben jedenfalls nicht. Die Suchen nach mehr aber brachte kaum wirklich das, was Christina zeitlebens erstrebte. Am 19. April1689 starb in Rom eine Königin von Schweden, die den Zeitgenossen unzählige Rätsel aufgab, ein Erbe, das die Nachwelt bis heute nur unvollkommen einlöste. Eine ihrer Maximen, eine Sammlung von Lebensweisheiten der königlichen Schriftstellerin Christina für die Nachgeborenen, nimmt die Losungen des aufgeklärten Absolutismus voraus. "Ein Fürst muß sich als der gekrönte Diener der Öffentlichkeit ansehen". Sie hat die Öffentlichkeit immer nur als Dienerin ihrer Interessen verstanden.

Zeittafel der persönlichen Daten Christinas 8. 12. 1626

Geburt Christinas als drittes und einziges überlebendes Kind Gustavs li. Adolf und Maria Eleonore von Brandenburg

seit Sommer 1630

Christina verbringt fast drei Jahre bei der Tante, Katharina von der Pfalz, auf Schloß Stegeborg

Frühjahr 1633

Christina repräsentiert beim Empfang der russischen Gesandtschaft

März 1635

Reichstagsentscheid über Christinas Erziehung durch Axel Baner, Gustav Horn und den Geistlichen Johan Matthiae

seit 1642

Teilnahme Christinas an den Sitzungen des Reichsrates

8. 12. 1644 Frühjahr 1645

Mündigkeitserklärung der Königin Christina Ebba Sparre wird Hofdame und Freundin Christinas

Januar 1647

erste Auseinandersetzungen Christinas mit Axel Oxenstierna

März 1649

Bestätigung Karl Gustavs von der Pfalz als Nachfolger Christinas durch die Stände

20. 10. 1650

Krönung durch die Stände

7.9.1651

Christina informiert Reichsrat und Stände über ihre Abdankungsabsichten

März 1653

Brief Christinas an Philipp IV. von Spanien über die Absicht, zum Katholizismus zu konvertieren

Mai 1654

Zustimmung des Reichsrates zur Abdankung Christinas

6.6.1654

Abdankungszeremoniell im Schloß zu Uppsala

24. 12. 1654

Heimliche Konversion Christinas in Brüssel

3. 11. 1655

offizielle Konversion Christinas in Innsbruck

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Zeittafel der persönlichen Daten Christinas

20. 12. 1655

Ankunft Christinas in Rom

22. 9. 1656

Geheimvertrag Christinas mit Kardinal Mazarin über die Königskrone Neapels

1658

Christina beginnt, Materialien für ihre Memoiren zu sammeln

22. 6. 1666 Herbst 1668 1680 19.4.1689

Christinas Ankunft in Schweden Bemühungen Christinas um die polnische Krone Christina arbeitet an der überlieferten Fassung ihrer Memmren Tod Christinas in Rom

Karl X. Gustav Mehr als ein "Condottiere"

Als Königin Christina 1648 die Ernennung ihres Cousins, des jungen Pfalzgrafen Karl Gustav, als Oberbefehlshaber der schwedischen Truppen in Deutschland gegen den Widerstand der Herren im Reichsrat um den alten Axel Oxenstierna durchsetzte, berichtete Frankreichs damaliger Gesandter in Stockholm, Pierre Chanut, der Pfälzer sei "großzügig, aber kein Verschwender, entschlossenen Willens, aber maßvoll und sehr fähig als Ratgeber", 1 ein Urteil, das durch einen Brief des berühmten Österreichischen Diplomaten Franz von Lisola ergänzt wird. Dieser beschrieb dem Kaiser 1655 nach einem Treffen mit König Karl X. Gustav in Thorn Schwedens Monarchen "als reich begabt, klug, arbeitsam und lebhaft". 2 Der Nachwelt ist dieser "Deutsche" auf dem schwedischen Thron vor allem durch das Gemälde des holländischen Malers Abraham Wuchters in der Porträtsammlung Schloß Gripsholms bekannt. So kennt ihn auch die Mehrheit der schwedischen Schuljugend von Ausflügen in das berühmte alte Königsschloß, belächeln die Mädchen und Jungen ge-

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wöhnlich die bullige, stark vedettete Gestalt mit dem feisten Gesicht und den kleinen Augen, verstehen ihn manchmal nach wenig kundigen Bemerkungen ihrer Begleiter als abenteuerlichen Söldnerführer und Kriegerkönig. Ein "Condottiere" also, dieser gepanzerte Monarch, zu Hause auf vielen Schlachtfeldern? Zweifellos - und so wissen die Schüler denn meistens nur einige Legenden über die Trinkgelage Karls X. Gustav, ein besonders delikates Thema für viele Schweden und die Frauengeschichten in den Feldlagern Deutschlands, Polens und Dänemarks zu berichten. Wohl nicht grundlos leiten die Autoren der schwedischen Nationalgeschichte den entsprechenden Abschnitt mit der Bemerkung ein, dieses Bild sei "grob vereinfacht und die Person des Königs weise Nuancen auf, die ihn ... interessanter erscheinen lassen". 3 Der junge Pfalzgraf selbst verstand sich zeitweilig gern als Leidender, gefiel sich in Formulierungen, er wäre einer der "Ärmsten auf Erden", 4 verdammt zu ewiger Hoffnungslosigkeit in seiner unglücklichen Liebe zu Christina, der Königin. Sicher, es wirkt kaum glaubhaft, dieses Liebeselend, und doch, manches spricht schon dafür, daß die bezeugten tiefen Depressionen des jungen Mannes nicht gespielte Verzweiflung für den Hof und die Herrseherin waren. Pierre Chanut registrierte offenbar verständnislos die vollständige Unterordnung des Pfälzers unter Christinas Launen. Der Kardinal "könne sich nicht vorstellen, wie klein und scheu der Herzog vor der Königin" auftrete, 5 unterrichtete der Gesandte Mazarin in Paris. Deutlicher noch dokumentiert der Vergleich eines Jugendbildes des Pfalzgrafen mit Wuchters Gemälde Veränderungen, Ausdruck einer tiefen seelischen Krise Karl Gustavs, der auszog, ein jugendlicher strahlender Kavalier, im großen europäischen Krieg auf deutschem Boden Ehre und Ansehen zu erringen, ein Hans-im-Glück, der zurückgekehrt, an der Seite der heimlich Verlobten Schweden regieren wollte. Ein schöner Traum nur, heimgekommen erlebte er eine kühle, reservierte Christina, sah sich zurückgestoßen, flüchtete der Abgewiesene in Alkoholorgien, die selbst den trinkfesten Zeitgenossen bemerkenswert erschienen, veränderte sich sein Äußeres. Schwer zu entscheiden, ob es gekränkte Eitelkeit oder Herz~nsgefühle waren, vielleicht beides! Karl Gustav schwemmte in kürzester Zeit auf, zog sich aus Stockholm zurück, widmete sich lokalen Aufgaben auf Öland, der langgestreckten Insel vor der südlichen schwedischen Ostküste. Belegt ist, daß er zeitlebens Christina schätzte, auch nach der Hochzeit mit der schönen Hed-

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wig Eleonore von Holstein-Gottorp weder Geringschätzung noch Rachegefühle demonstrierte, Christina offenbar aus gemeinsamen Kindheitstagen wirkliche Gefühle bewahrte. Der Pfalzgraf, am 8. November 1622 im Schloß zu Nyköping geboren, war im Sommer 1630 fast acht Jahre alt, als die vierjährige Thronerbin Christina nach Stegeborg in die Residenz der Eltern Karl Gustavs gebracht wurde. Gustav II. Adolf wünschte, daß das Mädchen während des Deutschlandfeldzuges bei der Halbschwester erzogen werden sollte. Katharina Vasa, die 1615 den Pfalzgrafen Johann Kasimir ehelichte, mit dem Gemahl bald nach 1620 Deutschland verließ, vor den Kriegswirren nach Schweden floh, mußte Christina die Mutter ersetzen. Königin Eleonore von Brandenburg folgte dem Gatten in den Krieg. So wurden das Schloß und die umliegenden Schäreninseln bei Stegeborg bis zum Frühjahr 1633 beiden Kindern erste Gemeinsamkeit, keimte kindliche Zuneigung, die früh in erste zärtliche Gefühle hinüberwuchs, nachdem Karl Gustav und Christina später auch in Stockholm häufig zusammenkamen. Die Pfalzgrafenfamilie war nach der Überführung des Leichnams Gustavs II. Adolf und der Heimkehr der Königinwitwe ebenfalls in die Hauptstadt üoergesiedelt. Bald danach übertrug der Reichsrat Katharina Vasa erneut die Erziehung Christinas, fürchtete den Einfluß der unberechenbaren Brandenburgerin. J ohan Skytte, der Lehrer und Erzieher des toten Königs, stand der P{alzgräfin Katharina Vasa als Ratgeber zur Seite, tat das Seine, die Ausbildung Karl Gustavs nach jenen Prinzipien zu organisieren, die Gustavs II. Adolf Bildungsweg bestimmten; wurde wirkungsvoll ergänzt durch die Anteilnahme Axel Oxenstiernas, der sich gelegentlich auch um die Ausbildung des jungen Pfälzers kümmerte, sich der Schwester seines großen Herrschers sehr verbunden fühlte, befriedigt bemerkte, daß Karl Gustav sich eifrig umfangreiche Kenntnisse in den Schulfächern aneignete, rasche Fortschritte erzielte. Die Zeitgenossen registrierten, daß er auch an der Universität von Uppsala fleißig studierte, "mit solchem Erfolg, daß man ihn als den Kenntnisreichsten der schwedischen Regenten" bis Mitte des 19. Jahrhunderts lobte, 6 ein Urteil der älteren schwedischen Historiographie, das umso schwerer wiegt, als Erik XIV., Johan III., Gustav II. Adolf, Christina, Karl XII., später vor allem Gustav III. um die Mitte des 18. Jahrhunderts Vergleiehe mit anderen europäischen Herrschern kaum scheuen mußten, manche der Altvorderen die Wissenfülle einiger schwedischer Könige ehrlich bewunderten.

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Karl Gustav jedenfalls bereitete sich ernsthaft auf künftige Aufgaben als Mitregent vor, versuchte ein Jahr nach dem Tode der Mutter auf einer Bildungsreise 1640 nach Paris jene Lücken zu füllen, die an der Universität Uppsala auch durch Fleiß nicht zu schließen waren. Umso bitterer für den Verliebten, daß Schwedens Reichsrat ihm, dem Fremden, dem pfälzer, kein Regierungsamt anvertraute, der Hochadel sich auf die beschworenen Privilegien berief, Kanzlei und Kammer sich und seinesgleichen vorbehielt. Da tröstete die offenkundige Zuneigung Christinas, das Eingeständnis ihrer Liebe zu ihm. Die Bewährung für den jungen Karl Gustav konnte - das glaubten beide - nur der Kriegsdienst sein. Stolz lehnte der Pfälzer Axel Oxenstiernas Angebot ab, als Befehlshaber das schwedische Reserveheer nach Deutschland zu führen. Karl Gustav wünschte als Freiwilliger Erfahrungen zu sammeln, wollte sich wohl auch hier erproben, aus eigener Kraft aufsteigen, sich Christinas Hand als erfolgreicher Krieger und Feldherr erobern. Im Oktober 1642 meldete er sich als Lernender bei Schwedens bedeutendem Heerführer Lennart Torstenson, kämpfte am 23. Oktober 1642 in der zweiten Schlacht bei Breitenfeld, erwies sich auch hier als umsichtig, dann wohl kaum eingesetzt als einfacher Pikenträger, imponierte durch Unerschrockenheit. Lennart T orstenson empfand wohl b'ald ehrliche Zuneigung für den jungen Grafen, lehrte ihn bereitwillig Kriegführung, die schwedischen Militärtaktiken, bildete einen hervorragenden Unterführer heran. Noch im Oktober 1642 - zu rasch, um es als eigenes Verdienst Karl Gustavs zu erklären- ernannte der Oberbefehlshaber den Pfälzer zum Obristen des Kurländischen Reiterregiments, notierte mit persönlicher Genugtuung die Bewährung seines jüngsten Kavalleriekommandeurs in der Schlacht beiJankau. Die heimliche Verlobung mit Christina, kurz vor deren Mündigkeitserklärung, schien diesem der schönste Lohn. U mso ernüchternder die Haltung der Herrscherin, als Karl Gustav im Herbst 1645 nach Schweden zurückkehrte. Nicht, daß sich der junge Mann beständig in Liebesleid verzehrte. 1647 gebar ihm eine Bürgerstochter, Brita Allert, den Sohn Gustav. Der Pfälzer legitimierte ihn, gab den Jungen zu dem alten Karl Karlsson Gyllenhielm, KarlsiX. illegitimen Sohn, dem vertrauen väterlichen Freund, der vermutlich besser als andere fühlte, was die Welt hochadligen "Bastarden" zugestand. Christina störte es offensichtlich wenig. Als Mann war ihr Karl Gustav gleichgültig geworden, als Nachfolger blieb er ihr unersetzlich. Mit ihrer Entscheidung, früher oder

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später abzudanken, bereitete sie zielstrebig und beharrlich den Weg des Cousins zum Erbfürsten, setzte bald nach der Ernennung zum höchsten Militär Schwedens in Deutschland auch die Bestätigung der Stände durch, den Pfalzgrafen als Thronfolger anzuerkennen, störte sich auch wenig, daß Karl Gustav tief bestürzt reagierte, immer wieder auf einer Ehe mit ihr beharrte, der Nominierung wenig Bedeutung beimaß. Für den Historiker bleibt es riskant, die Haltungen Karl Gustavs aufgrundder erschlossenen Quellen zu analysieren, die wahren Motive zu werten. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Pfälzer mit den Heiratsbekundungen lediglich auf die Krone zielte, Unlust und Protest nur Verärgerung und Verstellung, vor allem Enttäuschung eines Machthungrigen bedeuteten. Es war ja kaum vorstellbar, daß der Ältere die jüngere Königin beerben, jemals zum Monarchen gekrönt würde. Und Christina offenbarte sich ihm wahrscheinlich sehr spät. 1651 jedenfalls flüchtete der Neuernannte tief bekümmert auf den Lehnsbesitz, widmete sich aber bald mit der ihm eigenen Energie und Überlegung der inneren Verwaltung Ölands. Schon hier bekundete er besondere ökonomische Neigungen, sollte sich auch später, selbst während der Feldzüge, stundenlang der Regierungsarbeit widmen. Seine kaum leserlichen, flüchtig hingekritzelten Anmerkungen gelten der Mehrheit der schwedischen Historiker als überzeugender Beleg der Dynamik dieses Herrschers, dessen Tatkraft und Entschlußkraft immer erneut besonders hervorgehoben werden. Trotz schnell wechselnder, manchmal phantasievoller Pläne und Zielsetzungen gilt Karl X. Gustav den Autoren der schwedischen Nationalgeschichte als kühler Rechner, "war inmitten seines Phantasiereichtums ein Mann der Realität". 7 Zahlreiche eigenhändige Promemoria an die Reichsräte zu organisatorischen und verwaltungstechnischen Problemen Ölands, später auch Schwedens, bestätigen dieses Urteil. Vielleicht war er nicht der gebildetste schwedische Monarch zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert, ein hervorragender Feldherr und Wirtschaftspolitiker war er zweifellos, eine charismatische Führernatur. Mit der Krönung am 6. Juni 1654 im Dom zu Uppsala gewann die schwer erschütterte Großmacht Schweden einen Herrscher, der jene Fähigkeiten mitbrachte, die ihm die scheidende Königin Christina in ihrer Abschiedsrede bescheinigte. "Ich gebe Euch in diesem Fürsten ... einen König, der so große Eigenschaften besitzt, daß er gewißlich den Fußstapfen meines Vaters folgen, und Euch Wohlstand schenken

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wird", 8 prophetische Worte, die wohl berechtigt als Versprechen verstanden wurden, Schweden auszudehnen, Wohlstand als Gewinn neuer Ländereien definierten. Karl X. Gustav nahm diese Erklärung ernst, versuchte das Seine. Mag sein, daß Christina damals vermeinte, aus gutem Grund Karl X. Gustav über Gebühr loben zu müssen, argumentierte sie doch vor dem Reichsrat und den Ständen, Schweden könne die notwendige Machtpolitik nicht auf eine schwache Frau bauen, bedürfe eines zupackenden königlichen Feldherrn. Wenn dem so war und die Königin übertreiben wollte, dann gab ihr die weitere Geschichte recht. Schwedens Thron war einem Fürsten zugefallen, der als Mann der Stunde bereit schien, "die sich aus Schwedens imperialer Expansion begründeten weitreichenden außenpolitischen Spannungen" auszugleichen, 9 den beraubten, raubgierigen Nachbarn entgegenzutreten, Schwedens Beute zu behaupten. Axel Oxenstiernas Hoffnung nach 1648, nun den wirtschaftlichen Aufbau Schwedens forcieren, dem Lande weitere gefährliche kriegerische Auseinandersetzungen ersparen zu können, blieb Illusion, nicht zu verwirklichen in dem Anspruch des Reiches, europäische Großmacht zu sein und es bleiben zu wollen. Das verstanden die klügsten Repräsentanten des schwedischen Hochadels schnell, neigten daher schließlich dazu, einer notwendigen Teilreduktion der Adelsgüter zu entsprechen. Im übrigen wirkten unübersehbar "antiaristokratische Stimmungen des niederen Adels und der nichtadligen Stände", die jeden Machtzuwachs des Hochadels fürchteten, wie der Berliner Historiker Klaus Zernack unterstreicht, deren Vertreter "so für das verfassungspolitische Bündnis mit der Krone gegen die Reichsaristokratie gewonnen werden konnten". 10 Nach teilweise turbulenten Szenen billigte der Reichstag im März 1655 den Reduktionsbeschluß, akzeptierte der Adel die Rückgabe zahlreicher Kronverleihungen an den König, betrachtete diese Entscheidung wohl dadurch erträglicher, als die Stände gleichzeitig einem Angriffsplan Karls X. Gustav gegen Rußland oder Polen beipflichteten. Hoffnung keimte auf, das Werk Gustavs II. Adolf fortzusetzen, für verlorene Güter Ausgleich im Osten zu finden. Man glaubte sich wieder dort, wo mancher hinwollte, rechnete zuversichtlich mit neuer, reichlicher Kriegsbeute. Noch lebte die Erinnerung an die Gewinne in Deutschland, kaum überraschend, daß der Hochadel diesem König schnell die ohnehin nur zögernde Reduktion verzieh. Karl X. Gustav nahm, versprach doch reichlichen Ausgleich dafür.

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Schnell wurden die Stände einig in der Erklärung, daß die instabile Lage in Polens östlichen Besitzungen ein Eingreifen Schwedens bedingten. Unruhen der ukrainischen Kosaken erschütterten den ungeliebten Nachbarn und Konkurrenten um die Herrschaft im Baltikum, voraussehbar, daß das erstarkte Zarenreich seinerseits die Schwäche Polens nutzen, seinen Einfluß weiter nach Westen ausdehnen, bald wieder um den Zugang zur Ostsee streiten würde. Ein Bündnisangebot an die Adelsrepublik war die logische Konsequenz schwedischer Ostpolitik, vor allem, nachdem erste russische Erfolge im Krieg gegen Polen kurze Zeit später belegten, welcher Gegner Schwedens Ostseedominium auf lange Sicht gefährlicher werde. Doch lehnte das arg geschüttelte Polen solchen "Bärendienst" der Schweden ab, wünschte keine Helfer im Land, deren Hilfe teuer wurde, "Freunde", die kaum wieder gehen würden. Karl X. Gustav und seine Ratgeber wurden rasch eins. Der König soll, wie Carl Grimberg berichtet, im Rat bedeutet haben, es sei besser, "daß wir ein Stück" Polens nehmen, "als daß ein anderer es wegholt", 11 Bemerkungen, die an den Schriftwechsel Gustav Vasas mit Prinz Erik über Reval erinnern. Vielleicht auch bewußt als Parallele gedacht, Logik der Handlung des Jahres 1655 aus den Entschlüssen von 1561. Revals Besitznahme durch das Vasa-Königtum bedingte nun Schwedens Eingreifen in Polen, eine Kette fast ununterbrochener Kriege mit dem südöstlichen Nachbarn. Diesmal marschierte eine schwedische Armee in die zentralen Teile Polens, die schwedischen Grenzen im Baltikum zu sichern, in Kurland und Westpreußen neue Ansprüche Schwedens zu unterstreichen. Von Livland aus fiel im Sommer 1655 ein schwedisches Heer unter Magnus Gabriel De Ia Gardie in Litauen ein, eine zweite Armee, von Feldmarschall Arvid Wittenberg kommandiert, drang von Hinterpommern kommend, in Zentralpolen ein, während Karl X. Gustav die dritte zur Weichsel führte, sich dort mit Wittenberg vereinte, Warschau besetzte. Wenig später eroberte der König auch Krakow, wandte sich dann wieder nach Norden, stand im Spätherbst 1655 in Westpreußen, besetzte Thorn und Elbing, beabsichtigte, Danzig zu belagern. Doch zwangen der sich ausbreitende landesweite polnische Volkswiderstand und eine Offensive des polnischen Königs Johann Kazimir in Südpolen den schwedischen Herrscher im Januar 1656 zum Marsch nach Süden. Die kleine schwedische Armee von etwa 10 000 Soldaten wurde bei Jaroslav abgeschnitten, "nur durch einen taktisch geschickt durchgeführten Rückzug" rettete Karl X. Gustav sein Heer, 12 konnte aber den

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polnischen Vormarsch auf Warschau und den Verlust der Residenz nicht verhindern. Im Juli 1656 unterlag jedoch die zahlenmäßig doppelt so starke polnische Armee den vereinigten Heeren Karls X. Gustav und des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg in der mehrtägigen blutigen Schlacht bei Warschau. Schwedens Positionen in Polen verbesserten sich jedoch kaum. Wieder einmal waren die Resourcen des Landes zu gering, die eroberten Territorien Westpreußens zu verteidigen, zumalsich das Zarenreich mit Polen auf einen Waffenstillstand einigte, russische Streifkorps seit dem Sommer 1656 in Finnland und Ingermanland operierten. Schon 1617, als Gustav II. Adolf das geschwächte Rußland im Frieden zu Stolbovo aus dem Ostseeraum drängte, drohten die russischen Unterhändler unverhohlen, sie würden wiederkommen, wenn nicht morgen, dann übermorgen, Schweden die Beute abzujagen. Nun waren sie da, eroberten einige Grenzfestungen Schwedens, zogen in Dorpat ein. Als im Herbst 1657 auch Österreich in den Krieg gegen Karl X. Gustav eintrat, war die militärische Niederlage Schwedens in Polen unausweichlich geworden, nur noch eine Frage der Zeit. Beabsichtigte der schwedische Monarch anfangs die Auflösung der polnischen Adelsrepublik, wollte das Land unter Brandenburg und Schweden teilen, erstrebte Karl X. Gustav später nur noch die Sicherung der schwedischen Eroberungen in Westpreußen und Kurland, suchte schließlich, wenigstens die schwedischen Interessen in diesem Teil des Ostseeraumes in Verhandlungen mit den Niederlanden und Brandenburg zu sichern. Unter dem Schutz einer starken holländischen Flotte erzwangen Schwedens Gegner die Zusicherung Karls X. Gustav, den Handel in der Ostsee freizugeben, die Zollgebühren zu senken. Wohl nicht unberechtigt vermuten die Autoren der schwedischen Nationalgeschichte, daß der Monarch im Juni 1657 die dänische Kriegserklärung an Schweden "mit einer gewissen Erleichterung" vernahm, 13 zumal KarlX. Gustav wußte, der neue Feind war nur ungenügend gerüstet, leicht niederzuwerfen, ungeübte dänische Rekruten standen gegen seine kriegserfahrenen geworbenen Söldner. Nach dänischen Anfangserfolgen in Süd- und Westschweden und der Besetzung des schwedischen Bremens führte Karl X. Gustav seine Polenarmee in Eilmärschen nach Jütland, stürmte im Oktober 1657 die wichtige Festung Fredriksodde, das heutige Fredericia, beherrschte nun Dänemarks Festlandterritorien, wandte sich dann an Cromwell, Englands Protektor, bat um englische Flottenunterstützung, wollte schnell

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und überraschend Kopenhagen belagern, hoffte auf Widersprüche zwischen Holland und England. Umsonst, der Brite lehnte ab. Eisige Kälte schloß im Dezember ohnehin jegliche Flottenbewegung aus. Die Ostsee gefror. Seit Menschengedenken hatte es solchen Frost nicht mehr gegeben. Möglichkeiten eröffneten sich Karl X. Gustav, so kühn, daß er und seine Generäle zunächst schauderten. Konnte man eine viertausendköpfige Armee mit Pferden, Wagen und Kanonen über den Kleinen und Großen Belt nach Seeland führen, ein Wagnis, einzigstehend in der Geschichte Nordeuropas, "das große Abenteuer in der schwedischen Kriegsgeschichte", wie in der Nationalgeschichte bilanziert wird. Ja, es war in der Tat ein außergewöhnliches Unternehmen, das in der europäischen Geschichte kaum vergleichbar scheint, im Zug des Groß Kurfürsten, des Brandenburger Friedrich Wilhelm, über das Frische und das Kurische Haff 1679 nur eine schwache zeitgenössische Entsprechung fand. Mehr als begreiflich das Grauen des französischen Gesandten, der Karl X. Gustav in der Kalesche begleitete, dem Kardinal das Erlebte schilderte. "Das war etwas Schreckliches", schrieb Botschafter Terlon, "in der Nacht über dieses zugefrorene Meer zu ziehen, wo das Getrampel der Pferde den Schnee aufgeweicht hatte, so daß das Wasser eine halbe Elle hoch über dem Eise stand und man jeden Augenblick fürchten mußte, an irgend einer Stelle das Meer offen zu finden". 14 Er wußte schon, was er überlebte, der Monsieur aus Paris. Beim Marsch über den Kleinen Belt am frühen Morgen des 30. Januar 1658 war er dem Tode näher gewesen als in mancher Schlacht. Das Eis war so dünn, daß die Regimenter nur in größeren Abständen auf dem zugefrorenen Belt marschierten, König und Gesandter die schwere Kutsche verließen, sich auf Pferde schwangen, keinen Moment zu früh, denn plötzlich barst mit gewaltigem Krach das Eis, verschwanden Zugpferde und Kalesche in den kalten Fluten. Zwei Kompagnien deutscher Reiter tauchten ebenso überraschend im offenen Wasser unter, niemand konnte sich retten. Und alles war nur ein Vorspiel gewesen zu jener Entscheidung, mit der Karl X. Gustav Großmachtgeschichte schrieb. Der Marsch über den Großen Belt führte über weite uferferne Wasserräume und die Temperaturen stiegen, schwerer Sturm kam auf, steigerte das Risiko einer Eisüberquerung um ein Vielfaches. Schon überdachten König und Generäle, ob ein Rückzug über den Kleinen Belt

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der einzige Ausweg blieb, bevor die gesamte schwedische Armee auf der Insel Fünen inmitten des dänischen Reiches abgeschnitten, hilflos einem gegnerischen Angriff der Alliierten ausgeliefert wäre. König KarlX. Gustav befahl am Abend des 5. Februar den Weitermarsch, stürzte Botschafter Terlon in neues Entsetzen. Wieder war "alles unbeschreiblich schwer", "nur der König glaubte, daß es glücken würde und lachte über alle Kleinmütigen", notierte der überglückliche Franzose nach jener Nacht. "Es war erstaunlich, daß man mitten auf dem Eis war und das weite Meer auf beiden Seiten sah", 15 ein Resümee des Parisers, nachdem er wider Erwarten überlebte, gegen Mittag des 6. Februar alles überstanden schien, die schwedische Armee beim Gut Grimstadt die Insel Lolland erreichte. Das ganze feudale Europa bewunderte Mut und Entschlußkraft des schwedischen Monarchen, zumal die gut versorgte Festung Nakskov, der letzte dänische Rückhalt mit bedeutenden Vorröten an Munition und Geschützen in die Hände der Schweden fiel. Am 11. Februar vereinigten sich alle schwedischen Korps auf der Insel Falster, "Karl Gustav hatte seines Lebens höchstes Spiel gewonnen", 16 wie der Militärhistoriker Alf Aberg treffend bemerkt. Der Pfälzer, ein Spieler, glücklich über den Gewinn mit schier aussichtslosen Karten? Nein, gewiß nicht! KarlX. Gustav wußte, daß der dänische Staat in jenen Jahren schwer erschüttert, das schwächste Glied in der Reihe der Opponenten schwedischer Machtpolitik war. Ein Siegfrieden über Dänemark kompensierte die Mißerfolge Schwedens in Polen. Mit dem Frieden zu Roskilde am 26. Februar 1658 gewann der schwedische Staat seine größte Ausdehnung. Das Inselreich trat Skane, Halland, Blekinge, Bornholm und Trondheim an Karl X. Gustav ab. Schwedens uralter Wunsch natürlicher Grenzen am Öresund war Realität geworden. Zeitweilig überlegte der Pfälzer die Auflösung des dänischen Staates, bot Cromwell die Teilung des Landes unter England, Schweden und Holstein-Gottorp an. Karl X. Gustav wünschte den Besitz aller dänischen Inseln an den Zugängen zur Ostsee. Auch hier, urteilen die Autoren der schwedischen Nationalgeschichte, leiteten den Herrscher "dieselben radikalen Tendenzen" wie während des polnischen Feldzuges. 17 Waren es dort die Mündungen zwischen Dwina und Oder, sollten es jetzt die noch vereisten Tiefen zwischen Langeland, Lolland, Falster, Mön und Seeland sein. Wiederum opponierten die Niederländer, wollten solchen schwedischen Machtzuwachs unbedingt ausschließen, rüsteten eine starke Kriegsflotte aus. Gefährlicher noch schienen die her-

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anmarschierenden Österreichischen und brandenburgischen Heere, die bald darauf Schwedisch-Pommern besetzten. Karl X. Gustav reduzierte seine Zielstellungen, Analogie zum polnischen Geschehen, bot Dänemark nun die Zusammenarbeit an, wollte gemeinsam mit dem alten Rivalen die Ostsee in ein skandinavisches Binnenmeer verwandeln. König Friedrich III. mußte geloben, keine fremden Kriegsschiffe durch den Sund oder Beltin die Ostsee zu lassen, ein gezielter Hieb gegen die drohende niederländische Intervention. Schwedens Truppen auf Seeland blieben ein starkes Argument, nahezu überzeugend für Dänemarks Reichsrat und den Monarchen. Der Waffenstillstand Rußlands und Schwedens minderte die Sorge der Dänen wahrlich nicht, dahin ein Hoffnungsschimmer auf baldige Schwierigkeiten des nur höchst ungern geduldeten Siegers in Finnland, Estland und Livland. Gut nur, daß Karl X. Gustav Probleme mit Brandenburgs Kudürsten Friedrich Wilhelm, dem einstigen Verbündeten, wuchsen. Die Schwierigkeiten patentierten sich zur Freude der hart bedrängten Dänen, denen der Sinn so gar nicht nach herzlicher Freundschaft mit dem schwedischen Bezwinger stand, als es Friedrich Wilhelm von Brandenburg gelang, den neuen Kaiser, Leopold 1., England und Frankreich in einer Defensivallianz zu binden. Für das Versprechen des Österreichischen Habsburgers, Spanien gegen Frankreich nicht zu helfen, gelobten Frankreich und England, ihrerseits die Gegner des Kaisers nicht zu unterstützen. Schwedens deutsche Besitzungen waren somit Österreich und Brandenburg preisgegeben, ebenso unbehelligt konnten die Niederländer operieren. War dies allein schon edreuliche Kunde für die Herren in Kopenhagen, düdten Dänemarks Reichsräte und der König die schwedischen Gegenmaßnahmen mit großer Erleichterung diskutiert haben. Der schwedische Reichstag entschied auf Anregung Karls X. Gustav, eine Armee nach Brandenburg zu führen. Schweden blieb in der Tat keine Wahl. Das Heer konnte nicht reduziert werden, das drohende Übergewicht der Gegner zwang sogar zu weiteren Werbungen. Umso bestürzter reagierte man in Dänemark, als der schwedische Herrscher im Juli 1658 eine neuerliche Kriegserklärung an Kopenhagen sandte, die vollständige Unterordnung der "Jüten" unter Schwedens großmachtpolitische Ziele erzwingen wollte, die geheimen Konzeptionspapiere der Dänen nur noch Makulatur waren. Im August besetzten die Schweden Insel für Insel, marschierten vor Kopenhagen auf. Zu den gern und oft reflektierten Erörterungen zählt

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die Frage, warum König Karl X. Gustav keinen sofortigen Sturm auf die wenig geschützte Hauptstadt wagte. Entgegen sonstiger Gewohnheiten zauderte der Monarch, alles sei verloren gewesen, kritisieren jene, die an eine zeitweilig erdrückende Übermacht der kampfgeübten schwedischen Truppen glauben, ein "verhängnisvoller Beschluß", 18 wie Carl Grimberg beklagte. Möglich, daß Karl X. Gustav in einem schnellen Angriff die Verteidiger bezwungen hätte. Doch fürchtete der königliche Feldherr den Widerstandswillen der Kopenhagener Bürger wohl kaum grundlos, wußte, warum er zögerte, der wahrlich nicht ängstliche Pfälzer. Eine Armee todesmutiger Hauptstädter, an der Spitze die Studenten der dortigen Universität, schanzte, legte neue Gräben an, selbst "die Frauen schoben Karren und halfen, die Verteidigungswerke instand zu setzen". 19 Gegen diesen Mut der Verzweiflung anzurennen, mußte viel Blut kosten, KarlX. Gustav wußte, daß er seine Grenadiere und Pikeniere für weitere Schlachten benötigte, nicht unsinnigen hohen Blutzoll kalkulieren dudte. Ein schneller Sturm konnte mehr Trupp~n kosten als Schweden sie ersetzen konnte. Eine Belagerung und der Angriff über schützende Laufgräben schienen Karl X. Gustav edolgversprechender, zumal die schwedische Flotte, gut gerüstet, die Reede vor Kopenhagen sperrte, auch der erwarteten holländischen Seemacht widerstehen sollte. Da war es klug zu warten, bis den hungernden Dänen der Mut sank, Kopenhagen als leichte Beute Schweden zufiel. Im Herbst 1658 siegten die Niederländer im Öresund über Karl Gustav Wrangeis Schiffe, nur ein Teiledolg zwar, doch erzwangen sie die Einfahrt in die Kopenhagener Hafengewässer, entsetzten die Belagerten. Mißmutig lockerte Karl X. Gustav den Ring um die Stadt. Weitere Hiobsbotschaften steigerten die Sorge des Herrschers. Jütland war bereits an Österreicher und Brandenburger verloren. In den neuerworbenen Provinzen Skane und Blekinge mehrten sich lokale Erhebungen gegen die neuen schwedischen Herren, Trondheim ging verloren, auf Bornholm verjagten die Dänen die schwedische Besatzung. Im Februar 1659 entschied sich Karl X. Gustav plötzlich doch für einen Sturm der Wälle und Bastionen Kopenhagens, scheiterte aber am Mut der ungebrochenen dänischen Verteidiger. In diesen Tagen "vollbrachte das dänische Volk seine größte kriegerische Heldentat", 20 lobte der dänische Historiker Troels Lund die Entschlossenheit der hauptstädtischen Bürger. Mehr als 1 500 Schweden zahlten mit dem Leben, nur wenige der Verteidiger fielen hinter den schützenden Wällen und

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Mauern. Dahin die Hoffnungen Karls X. Gustav, Dänemark in ein Bündnis mit Schweden zwingen, gemeinsam den Vormarsch der Österreicher, Brandenburger und Polen stoppen zu können! Was im Sommer 1658 möglich schien, erwies sich nun als Illusion. Schwedens Herrscher blieben nur Aussichten auf diplomatische, vielleicht militärische Hilfe der Engländer, die ihrerseits holländische Erfolge im Ostseeraum nicht dulden konnten. Schon frühzeitig bot Schweden den Engländern Bremen und Verden als Ausgleich für schwedische Landgewinne in Dänemark, vertraute, daß Frankreich kaiserliche Machtfülle an Ost- und Nordsee nicht hinnehmen werde, rechnete mit Mazarins Einspruch. Tatsächlich vermittelten die Franzosen im niederländischen Haag Verhandlungen Hollands, Englands und Frankreichs über Friedensbedingungen im Norden. Zu Karls X. Gustav Erleichterung einigten sich die Großmächte auf die Bestätigung des Roskilder Friedens, gestanden Dänemark lediglich die Rückgabe Trondheims zu, vereinbarten sogar, eventuellen dänischen oder schwedischen Widerstand gegen den Haager Beschluß gewaltsam zu brechen, eine glückliche Stunde für Schwedens König, der keineswegs daran dachte, sich dem Spruch der drei westeuropäischen Mächte zu verschließen. Mit der Unterzeichnung des spanisch-französischen Friedens im Herbst 1659 intensivierte Frankreich seine Anstrengungen, Dänemark aus dem antischwedischen Bündnis herauszuzwingen. Schweden sollte, so wünschte es Kardinal Mazarin, seine Truppen gegen die beunruhigend erfolgreichen kaiserlichen Heere führen, den offenkundigen Siegeszug der Österreicher und ihrer brandenburgischen und polnischen Verbündeten auf Jütland, Fyn, in Pommern und Westpreußen aufhalten. Unangenehm - und keineswegs in die französischen Pläne passend, daß Karl X. Gustav auf Schließung des Öresunds für fremde Flotten bestand, "etwas, was hinsichtlich der Interessen der Westmächte ganz und gar unrealistisch war", 21 wie die schwedischen Historiker zusammenfassen. Nein, niederzuringen war Schwedens König auch durch mißliche Umstände nicht. Zeit gewinnen war die Devise, nach der Karl X. Gustav nun mit Frankreich und Dänemark verhandelte. Die gewonnene Frist wollte er nutzen, den Reichstag zu Jahresbeginn 1660 in Göteborg zu versammeln, hier notwendige Ausschreibungen neuer Rekruten und finanzielle Aufwendungen diskutieren lassen. Der Pfälzer träumte wohl

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noch immer von neuen, entscheidenden militärischen Erfolgen, vertraute seinem Feldherrngeschick. Wenn er es wirklich tat, so blieben ihm nur noch wenige Wochen zwischen Hoffen und Verzweifeln, konnten solche Wunschträume nicht mehr reifen. In Göteborg eingetroffen, erkrankte der König, verschlechterte sich sein Zustand rasch. Am 13. Februar 1660 verschied Karl X. Gustav, der Schweden "rasche und glänzende Erfolge ... wie nie zuvor" erkämpfte, 22 die "Festlegung der nationalen Grenzen Schwedens" sicherte. 23 Das eigentliche Ziel, die Verwirklichung des "Dominium maris Baltici" für das schwedische Reich konnte auch er nicht durchsetzen. Doch blieb er der Mehrheit seiner Gegner ein Alptraum, fürchteten sie das neuformierte schwedische Heer auch ohne den königlichen Feldherrn. So sicherte gerade sein plötzlicher Tod dem Land den erhofften glücklichen Frieden, gaben sich die Reichsräte schnell mit dem Machbaren zufrieden, beharrten nicht auf den Maximalforderungen des Herrschers. Polen vereinbarte im Frieden zu Oliva am 3. Mai 1660 den endgültigen Verzicht auf Livland, die polnischen Vasa entsagten dem Anspruch auf die schwedische Krone. Brandenburg mußte sich mit der Souveränität über das Herzogtum Preußen begnügen, die pommerscheu Eroberungen an Schweden zurückgeben. Auch Österreich beorderte die Truppen zurück. Dänemark bestätigte wenige Wochen später im Frieden zu Kopenhagen den Verlust Südschwedens, mußte sich mit der Rückgabe Bornholms bescheiden. Mut faßten nur die Russen, als ihnen der Tod des gefürchteten Pfälzers bekannt wurde. Ihre Abgesandten brachen im Frühjahr 1660 die Friedensgespräche in Kardis ab, ohnehin nur zähes Beharren auf Forderungen nach Revision der Stolbovobestimmungen, den Schweden ebenso unannehmbar wie den Russen ein neuerlicher Verzicht. Nach mehreren Mißerfolgen gegen die polnischen Truppen kehrten im Sommer 1661 Moskaus Delegierte an den Verhandlungstisch zurück, unterzeichneten widerwillig am 21. Juni 1661 das Abkommen von Kardis, verzichteten auf territoriale Revisionen. Auch ohne den König blieben die schwedischen Generäle gefährlich, wirkte das Erbe Karls X. Gustav nach. Natürlich war es vor allem das Gewicht Frankreichs und Englands, das solche günstigen Friedensvereinbarungen bedingte. Schweden blieb jedoch als Folge der zeitweiligen militärischen Siege Karls X. Gustav eine Trumpfkarte im europäischen Machtspiel zwischen Frankreich, England, den Niederlanden und dem Kaiser. Allen Großmächten erschien die schwedische Armee ein wichtiger potentieller Bündnispart-

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ner im voraussehbaren nächsten Ringen um die europäische Herrschaft. Wohl stand "Schweden als Großmacht auf brüchigem Grund", wie Alf Aberg vermerkt, doch bedeuteten die drei Friedensabkommen mit den Ostseerivalen Dänemark, Polen und Rußland unmittelbar nach dem Ableben Karls X. Gustav "den Höhepunkt der schwedischen Ostseedominanz", 24 eine Wertung in der schwedischen N ationalgeschichte, der zugestimmt werden kann, die auch als Anerkennung der Verdienste des Pfälzers verstanden werden sollte. So gesehen erfüllten sich Christinas Verheißungen am Tage ihrer Abdankung, hatte sie die Krone an einen Herrscher weitergereicht, der Schwedens Großmachtintensionen zu seinen eigenen machte, dem Lande neue territoriale Erwerbungen hinzufügte.

Zeittafel der persönlichen Daten Karls X. Gustav 8. 11. 1622

als Sohn des Pfalzgrafen Johann Kasimir und Katharina Vasa im Schloß zu Nyköping geboren

Sommer 1639

erstes Zusammentreffen mit der Kronprinzessin Christina

Frühjahr 1633

die Pfalzgrafenfamilie übersiedelt nach Stockholm

Neujahr 1638

Immatrikulation Karl Gustavs an der Universität Uppsala

1640 Oktober 1642

Parisreise Karl Gustavs Freiwilliger in der schwedischen Deutschlandarmee

23. 10. 1642

Feuertaufe in der 2. Schlacht bei Breitenfeld

1644

heimliche Verlobung mit Königin Christina

Herbst 1645

Rückkehr nach Schweden, wo Christina die Verlobung löst

1647

Brita Allert, eine Bürgerliche, gebärt Karl Gustav einen illegitimen Sohn

Januar 1648

Christina setzt Karl Gustavs Ernennung zum Oberbefehlhaber der schwedischen Truppen in Deutschland durch

März 1649 1651 6.6.1654 24. 10. 1654 März 1655

der Reichstag akzeptiert Karl Gustav als Erbfürsten Belehnung mit Öland Krönung Karl Gustavs im Dom zu Uppsala Hochzeit mit Hedwig Eleonora von Holstein-Gottorp Karl X. Gustav gewinnt den Reichstag für eine Teilreduktion der Adelsgüter

Herbst 1655

Eroberung W arschaus und Krakows

24. 11. 1655

Geburt des Sohnes Karl im Stockholmer Schloß

Januar 1656

Vertrag zu Königsberg über Allianz mit Brandenburg gegen Polen

28.-30. 7. 1656

Sieg Karls X. Gustav und des Großen Kurfürsten über das polnische Heer bei Warschau

Zeittafel der persönlichen Daten Karls X. Gustav

Juni 1657 Sommer 1657 27. 1. 1658 4.2.1658

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dänische Kriegserklärung an Schweden Karl X. Gustav marschiert von Polen nach Jütland Karl X. Gustav befiehlt den Marsch über den zugefrorenen Kleinen Belt Entscheidung für den Marsch über den Großen Belt

11. 2. 1658

KarlX. Gustav erreicht Vordingborg auf Seeland

26.2.1658

Frieden von Roskilde

11. 8. 1658

Karl X. Gustav marschiert erneut nach Kopenhagen, hebt die Belagerung aber im Herbst vorübergehend auf

Februar 1659

vergeblicher Sturm Karls X. Gustav auf Kopenhagen

1659

Besetzung Schwedisch-Pommerns durch Österreichische und brandenburgische Truppen, Verlust der meisten Positionen in Dänemark

Januar 1660

Einberufung des Reichstages nach Göteborg und Reise KarlsX. Gustav zum Ständetag

13. 2. 1660

Tod Karls X. Gustav in Göteborg

König von Gottes Gnaden Karl XI. Nichts ist bekannt über Gefühle und Gedanken Hedwig Eleonoras von Holstein-Gottorp, als sie mit dem vierjährigen Sohn am Totenbett Karls X. Gustav stand. Vermutlich waren ihr die historischen Analogien vertraut, wußte sie, daß 1611 Gustav Adolf noch unmündig, 1632 Christina gar erst sechs Jahre zählte. Sicher ermutigte sie der sterbende König, verwies sie auf ihr Pflichten als Vormund des Prinzen. Karl X. Gustav unterzeichnete noch am Vorabend des Sterbetages, am 12. Februar, ein politisches Testament. Hedwig Eleonora präsidierte mit zwei Stimmen die Vormundschaftsregierung, sollte sich auf die Repräsentanten der fünf höchsten Reichsämter stützen. Sie sei sehr bedrückt gewesen, vermerkt ein zeitgenössischer Bericht, läßt offen, ob es wirkliche Trauer oder Bestürzung war. "Ihre Majestät ist sehr betrübt ... und liegt still in ihrem Bett", 1 notierte der Höfling Johan Ekeblad. Bilanzierte sie in diesen Stunden ihr bisheriges Eheleben, bedachte, daß sie mit dem Sohn nach Göteborg reiste, um den nahezu ständig abwesenden Gatten zu treffen, erinnerte sich möglicherweise der wenigen kurzen Besuche während der polnischen und däni-

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sehen Feldzüge, da kann ihr der tote Herrscher kaum mehr als ein Fremder gewesen sein, Königinnenschicksal, das Leben einer Frau, die aus dynastischen Überlegungen verheiratet wurde, Holstein-Gottorps Wohl und Wehe an Schweden binden, dem Pfälzer den Nachfolger schenken sollte. Andererseits existieren zahlreiche leidenschaftliche Briefe des Monarchen an die Königin. Hedwig Eleonora war Karl X. Gustav allzeit "Mein lieber Herz", wobei unklar scheint, ob diese Formulierung dem mangelhaften Deutsch des Pfälzer zuzuschreiben ist oder Ausdruck besonderer Zuneigung sein soll, vermutlich wohl das letztere. Gefallen habe ihm Hedwig Eleonora sehr, er sei "ganz zufrieden mit ihr" gewesen, 2 berichtete Johan Ekeblad seinerzeit über die ersten gemeinsamen Stunden der beiden, ließ in dieser kurzen Mitteilung offen, was immer denn die Geneigtheit des Herrschers bewirkte. Sie, die gewöhnlich den Höflingen als lebenslustige und ansehnliche Frau galt, widmete sich künftig nur noch der Erziehung des Prinzen, war wahrscheinlich zur Regierungsarbeit wenig befähigt. Karl X. Gustav hatte wenige Tage vor seinem Ableben die Königin, die Reichsräte und weitere hohe Würdenträger zu sich befohlen, baldige Friedensvereinbarungen angeregt, die Aristokraten verpflichten wollen, die Souveränität der Krone zu achten. Sein Bruder, Adolf Johann, sollte neben Herman Fleming, dem Organisator des Reduktionswerkes von 1655, die Kontinuität der Regierungsentscheidungen wahren, erwartetes und gefürchtetes Aufbegehren des Hochadels abwehren. Ernste Sorgen bewegten den Sterbenden zu diesen Entscheidungen. Das Reich durchlebte eine neuerliche äußere und innere Krise. Eine starke, dem Königtum verpflichtete Persönlichkeit als Stütze für Sohn und Gattin war nicht zu benennen. Karl X. Gustav hatte ausgeprägt absolutistische Tendenzen entwickelt, die Reichsräte weitgehend entmachtet. Die fortdauernden Gegensätze innerhalb der Ständevertretung ließen erwarten, daß die Diskussionen über die unvermeidlichen finanziellen Belastungen der steuerpflichtigen Stände die Kluft zwischen Ritterhaus und Nichtadligen weiter vertiefen, wiederum die Reduktionsdebatten beleben wü~den. Mehr noch fürchtete Karl X. Gustav ein Aufschwappen der Streitereien im Ritterhaus über Rechte und Privilegien des Hochadels gemäß der Regierungsreform des Jahres 1634, eines Dokumentes, das Axel Oxenstierna nach der Schlacht bei Lützen als Gustav II. Adolf Willen präsentierte, weder von Christina noch Karl X. Gustav jemals als Überlegungen des toten Königs akzeptiert. Eine solche Beschränkug seiner Macht billigte kein König, äußerte der Pfälzer noch zu Lebzeiten Oxenstiernas, bezichtigte solcherart den

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Kanzler der Fälschung, betrachtete eine Begrenzung seiner Herrschaft als unzumutbar. Adolf Johann, sein Schwager Magnus Gabriel De la Gardie als Reichskanzler, der ältliche Carl Gustav Wrangel, sein bewährter Admiral, und Herman Fleming, der vielgehaßte "Räuber" adliger Besitzungen, sollten den Fürsprecher hochadliger Rechte, den Drosten Per Brahe, überstimmen können, Hedwig Eleonora der natürliche Interessenvertreter ihres künftig souverän herrschenden Sohnes werden, wahrlich ein wohldurchdachter politischer Zug des Sterbenden. Karl X. Gustav wußte, warum er in seinem politischen Testament noch einmal ausdrücklich die Regierungsform von 1634 verwarf. Claes Ralamb, einer der hochadligen Sprecher, griff sofort nach dem Ableben des Monarchen das Papier an, nannte Testamente privatrechtlich bedeutungsvoll, ordnete aber die königliche Willensäußerung den Bestimmungen von 1634 unter. War König Karl X. Gustav klug gewesen, so bedeutete die aristokratische Opposition ihrerseits Schläue, setzte dagegen. Ralamb und andere stimmten überein, daß Schweden nur von Männern regiert werden könne, die Königin keine entsprechenden Rechte beanspruchen dürfe, die Benennung des Pfalzgrafen Adolf Johann als "Deutscher" ebenfalls gegen die Fundamentalgesetze des Landes verstoße. Höchst unangenehm für die hochadligen Redner war nur, daß die nichtadligen Vertreter verstockt reagierten, sich weigerten das Testament Karls X. Gustav zu verwerfen. Die Entschlossenheit einiger weniger begüteter Adliger der dritten Klasse des Ritterhauses, die Argumentationen des Hochadels zu verwerfen, sich einzureihen hinter jene, die für das absolutistische Königtum stimmten, erzwang einen Kompromiß. Der Reichstag entschied, daß die Königinwitwe bis zur nächsten Ständezusammenkunft regieren sollte. Die Herren Reichsräte konnten trotzdem erleichtert aufatmen. Durch die Friedensverträge mit Polen und Dänemark sicherten sie sich in den nächsten Monaten breite Zustimmung im schwedischen Volk, vertrauten auf den StimmungswechseL Tatsächlich beugten sich die Abgeordneten eines neuen Reichstages, schieden Adolf J ohann aus dem Gremium der Vormünder aus, drängten trotz der Sympathiekundgebungen nicht weniger nichtadliger Repräsentanten Herman Fleming hinaus, erzwangen Umbesetzungen der Reichsämter. Schließlich erreichte der Hochadel, daß die Ratsmehrheit Regierungsentscheidungen aufheben konnte, durchkreuzt waren Karls X. Absichten, wieder verstellt der Weg zu absolutistischer Macht des Monarchen in Schweden. Im übrigen zeigte sich der junge Karl XI. nicht sonderlich geneigt, eigene Entscheidungen zu treffen. Der Reichstag 1672 sprach ihn mün-

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dig, zweifellos eine delikate Angelegenheit. Als 1671 die Ausbildung des Thronfolgers abgeschlossen wurde, äußerten manche berechtigte Bedenken. Der Prinz schrieb mühsam nur wenige Worte, blieb auch später vor allem auf mündliche Berichte seiner Vertrauten angewiesen, konnte möglicherweise überhaupt nicht lesen. Bewunderer dieses Herrschers betonten allerdings immer wieder entschuldigend, Karl XL habe aber mühelos Gehörtes wiedergeben können, wie lang auch immer der Text gewesen sei. Außerdem müsse man berücksichtigen, daß die Mutter, besorgt um ihr einziges zartes Kind, die körperliche Ertüchtigung über die geistigen Fächer stellte, ein "unbeschriebenes Blatt" für die Mehrheit der Ständevertreter, formbar in den Händen der Reichsräte, so mochte Karl XL manchem aus der näheren Umgebung des Hofes erscheinen, einigen der nichtadligen Oppositionellen auch Sorgen bereiten. Mit diesem Herrscher war wohl kaum der gefährliche Einfluß des Hochadels im Rat zurückzudrängen! Als der Reichstag an die Mündigkeitserklärung 1672 das Königsversprechen band, äußerte man allgemein Verwunderung über die Forderung Karls XL, er wünsche den Eid des Vaters abzulegen. "Das hat er nicht von sich selbst", 3 klagten die Gegner einer neuaufgelegten souveränen Herrschaft der Krone in Schweden, vermuteten den energischen Johan Gyllenstierna hinter solchen Erklärungen des Jünglings, sahen auch einen Zusammenhang zu den Reduktionsforderungen der nichtadligen Stände, der Akzeptanz durch einige hochadlige Beamte in unmittelbarer Nähe des Königs, eines linkischen, gehemmt auftretenden, leicht lenkbaren erwachsenen Kindes, der insbesondere dem Einfluß der Mutter unterlag, selbständig wenig oder gar nichts bewegte. Und doch keimte nun Hoffnung beim Nichtadel, der junge Monarch könne auch sonst in manchem bei dem Vater anknüpfen, dem Reichsrat trotzen, so ihn fähige Berater bestärkten. Die ersten Regierungsjahre Karls XL waren angefüllt mit schmerzlichen militärischen Niederlagen. Dahin schien der Ruhm der schwedischen Waffen. Und König Karl XL glich so gar nicht dem energischen, zupackenden Vater. Der knapp 19jährige Monarch war noch im Sommer 1674 von dem Italiener Magalotti so beschrieben worden, wie ihn auch die Mehrheit der hohen Räte sah. Der König wirke, "als fürchte er sich vor allem". Er wage niemandem ins Gesicht zu sehen und "bewege sich ständig, als ginge er auf Glas. Aber wenn er zu Pferde sitze, scheine er ein völlig anderer Mensch zu sein, da sehe er wirklich wie ein König aus". 4 Reiten

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konnte er und für die schwedische Militärmacht bekundete er lebhaftes Interesse. Das konnte ein jeder wahrnehmen. So mußte der traurige Zustand der Armee, der wichtigsten Säule des schwedischen Ostsee-Imperiums, den jungen König besonders treffen. Und nach der unerwarteten Niederlage gegen die bedeutungslos scheinenden Brandenburger erst recht! Es mußte etwas getan werden. Auf die Herren Reichsräte schien wohl weniger Verlaß, als der noch unerfahrene Monarch bisher glaubte. Da blieb wenig Zeit für scheue Zurückhaltung. Und so zeigte er sich nun verändert, gar nicht mehr linkisch und verschüchtert. Die blutige Schlacht bei Lund im äußersten Süden Schwedens zwischen Dänen und Karls XI. Truppen am Morgen des 4. Dezember 1676 entschied endgültig über den Besitz Südschwedens. Es war vor allem das Verdienst des jungen Regenten, der sich hier keineswegs furchtsam zeigte. Sein kühner Ritt an der Spitze der schwedischen Kavallerie beflügelte das Heer. Im erbitterten Kampf Mann gegen Mann wurden die dänischen Eindringlinge besiegt, eine der blutigsten Schlachten des Jahrhunderts. Von etwa 16 000 Kämpfenden fielen 8 933 Dänen und Schweden auf dem Schlachtfeld. Gegen alle Warnungen seiner Generäle hatte Karl XI. diesen Kampf gewagt, wohl in der Gewißheit, unbedingt siegen zu müssen. Zwei schwere Niederlagen der schwedischen Flotte gegen die vereinigte holländische und dänische Übermacht ließen ihm keine Wahl. Getrieben von der Verzweiflung und tiefverwurzelter Überzeugung, auf heimatlichem schwedischen Boden siegen zu können, schlug Karl XI. kurze Zeit später mit 9 000 Schweden bei Landskrona 12000 Dänen in einem neuerlichen achtstündigen blutigen Kampf, befreite alle eroberten Festungen Südschwedens. Nach Niederlagen, Rückzügen, desparaten Zweifeln und Todesabsichten war das Karls XI. letzter Sieg im Felde. Sein Schlachtfeld wurde nun das Reich in seinem inneren Zustand. Hier sollte er nun bald von Triumph zu Triumph schreiten, mehr erreichen als seine Vorgänger, Grund legen für künftige schwedische Kriegserfolge. Einig sind sich die schwedischen Historiker darüber, daß die Schlacht bei Lund auch der Wendepunkt im persönlichen Verhalten Karls XI. war. Der König besiegte sich selbst, gewann Selbstvertrauen und zog Konsequenzen. Fortan wollte er persönlich entscheiden, ohne die Herren im Reichsrat regieren, souverän bestimmen, wie es der König in Dänemark, wie es Ludwig in Frankreich konnte.

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Kaum war der Friede 1679 mit Dänemark vereinbart, ehelichte Karl XI. die Schwester seines dänischen Rivalen. Er wählte Ulrika Eleonora von Dänemark, ohne zuvor die Herren im Reichsrat zu hören. Seiner auch geistig regen Gemahlin soll er gleichzeitig bedeutet haben, sie hätte "Uns Kinder zu gebären" und nicht mitzuregieren. Im Reich regierte nur einer, er, König Karl XI. Das spürten auch jene Reichsräte, die Schwedens Niederlagen an der Seite Frankreichs verschuldeten. Der Reichstag beschloß auf Vorschlag des Monarchen und seiner Vertrauten am 9. Dezember 1680, daß Karl XI. als "mündiger König . . . sein Reich als sein eigenes von Gott verlehntes Erbreich steuert, einzig und allein vor Gott für seine Aktionen resonbabel". 5 Schon ein Jahr später ändert der Herrscher den Titel des Reichsrates in "Königlichen Rat". 6 Dessen Mitglieder sollten nun nicht mehr das Reich vertreten, sondern nur noch als Berater des Königs fungieren. Noch vor der Geburt des Thronfolgers stimmten 1682 Königlicher Rat und Reichstag zu, daß die Gesetzgebung an den König gebunden werde. Geschickt verwies der enge Vertraute des Monarchen, Erik Lindschöld, selbst der Sohn eines Schmiedes, auf einen "Unterschied zwischen Gesetz und Verordnungen", so das Einverständnis auch der Adelsopposition erlangend, das prinzipielle Recht der Stände auf Zustimmung zu Gesetzesvorlagen aufzugeben. Von nun an durfte Karl XI. unter der Rubrik "Ausführungsbestimmungen" Gesetze "nach Behagen" verfügen. 7 Schon damals berichtete der dänische Gesandte in Stockholm dem Kopenhagener Hof, "der König wäre nun an keine Gesetze mehr gebunden, sondern souverän geworden, weil er der Untertanen Konsens in den wichtigsten Dingen nicht mehr nötig hat". 8 Das war nun allerdings ein bißchen übertrieben, zumindest voreilig formuliert gewesen. Erst im Jahre 1693 stimmte der Reichstag anläßlich der Trauerfeierlichkeiten beim Ableben Ulrika Eleonoras einer Formulierung zu, die Karl XI. zum absoluten Herrscher erklärte Während die Prediger in diesen Tagen von allen Kanzeln der Stockholmer Kirchen das Samuel-Wort verkündeten: "Ihr sollt seine Knechte sein", verabschiedete der Reichstag die "Souveränitätserklärung". Karl XI. war "zu einem ... allen gebietenden und beherrschenden souveränen König geworden, der keinem auf Erden für seine Aktionen resonabel ist, sondern Macht und Gewalt hat, nach seinem Behagen sein Reich wie ein christlicher König zu steuern und zu regieren". 9 So war der Thronfolger, der künftige zwölfte Karl, am 17. Juni 1682 bereits als potentieller Alleinherrscher geboren. Über ihm würde nach

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zeitgenössischem Verständnis nur noch Gott stehen. Sein kommendes Königtum war von Gottes Gnaden, nur diesem war er verantwortlich. Vorläufig allerdings erwuchs dem Prinzen noch eine andere strenge Autorität: der Vater. Ihm und seinem ehrenden Andenken blieb der Sohnzeit seines Lebens in tiefer Bewunderung zugetan. Streng war er, der Königsvater Karl XI. Zielstrebig wirkte er auf sein großes, seit der Lunder Schlacht fixiertes Ziel hin, Schweden wieder eine schlagkräftige Armee zu schaffen. Dafür arbeitete er diszipliniert nach einem strengen Tagesrhythmus. Morgens zwischen 3.00 und 4.00 Uhr erhob er sich. Bereits gegen 5.00 Uhr füllten sich auch die Vorzimmer seiner Räte. Die Zeitgenossen erwähnten verwundert, daß Karl XI. selbst am Morgen nach seiner Hochzeitsnacht mit Ulrika Eleonora um 5.00 Uhr in der Frühe aufgestanden und die Soldaten der Wache inspiziert habe. Möglich, daß der Monarch die Ehe tatsächlich nur als Instrumentarium zur Sicherung des königlichen Nachwuchses betrachtete, im Ehebett nur ein Notwendiges an Zeit und Kraft verschwenden wollte. Was daraus wurde, war ohnehin für die häufig kränkelnde Gattin zu viel. In weniger als sieben Jahren gebar Ulrika Eleonora sieben Kinder. Auf die erstgeborene Tochter Hedwig Sophia am 26. Juli 1681 folgte der Thronfolger ein knappes Jahr später. Dann wurden drei weitere Prinzen geboren, die alle jedoch bis 1686 wieder verstarben. Die am 23. Januar 1688 geborene Ulrika Eleonora, nach der Mutter benannt, wurde die einzige, die schließlich Karl XII. überleben sollte. So war es insbesondere die Sorge um das Schicksal ihrer beiden Töchter, mit der Karls XI. Gemahlin am 26. März 1693 aus dem Leben schied. Überhaupt scheint Ulrika Eleonora, vom König in das "Kinderzimmer" verwiesen, die wenigen Jahre ihres Ehelebens der Pflege und Erziehung der Kinder gewidmet zu haben, ein erwähnenswerter Umstand, der an den meisten Höfen jener Jahre offenbar nicht die Norm war. "Sie war beliebt und verehrt von allen, weil sie freundlich und gut war", 10 schrieb der französische Botschafter in Stockholm, Graf Jean Antoine de Mesme D'Avaux unmittelbar nach ihrem Tode. Fühlte sich Karl XI. vor allem als Landesvater, so nahm Ulrika Eleonora den ihr gewiesenen Platz als Mutter und Hort der Familie sehr ernst. Der König - so dokumentieren es zeitgenössische Quellen fand in seiner Frau einen Rückhalt, einen Punkt der Besinnung, wenn

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er von seinen beständigen, ermüdenden Inspektionsreisen ausruhen mußte. Anders als die übergroße Mehrheit der europäischen Regenten jener Zeit lebte Karl XI. dem Kronprinzen nicht das Bild eines von Mätressen umgebenen Herrschers vor. Der König habe sich nach dem Ableben Ulrika Eleonoras- so erzählte man sich damals am schwedischen Hofe - mit schweren Selbstvorwüden geplagt, quälte sich mit der Erkenntnis, seiner Gemahlin viel zu wenig Zeit erübrigt zu haben. So mag es auch Reue über unwiederbringliches Versagen gewesen sein, was den Monarchen bewegte, die Erziehung des Thronfolgers nun selbst zu übernehmen, ihm besondere Zuneigung zuzuwenden, den Jungen selbst bei anstrengenden Ritten durch das ausgedehnte Königreich an seiner Seite zu wissen, ihn Reiten, Fechten, Schießen, vor allem aber Disziplin und Selbstüberwindung zu lehren. Im übrigen, auch dem Vater war nicht mehr viel Zeit beschieden. Und doch, als Karl XI. am 5. April1697 um 22.00 Uhr nach schwerem, qualvollen Krebsleiden im alten Stockholmer Schloß verschied, schien vieles angepackt, manches geregelt. Die Armee war reorganisiert, eine zeitgemäße Erziehung und Bildung des Thronfolgers gesichert. Schwedens bedeutendster König am Beginn der bürgerlichen Umwälzung des Landes, der 1792 durch eine Adelsverschwörung ermordete Gustav III., hatte nur Hohn für den wenig gebildeten Karl XI . übrig. Der königliche "Quartiermeister" war schon dem Kronprinzen Gustav zutiefst verhaßt. Ihm lastete er die beginnende "Vedremdung" zwischen König und Adel in Schweden an. Die Notwendigkeit des Reduktionswerkes für die Heeresorganisation Ende des 17. Jahrhunderts und die außerordentlichen Verdienste Karls XI. hat dieser kluge und weitblickende König nicht verstehen wollen. Der damalige französische Botschafter hielt die Galoppritte Karls XI. und die häufigen Stürze für die Ursache der todbringenden Krankheit des Königs. Seit Jahren habe sich der Monarch Reitstrapazen über 500 und 600 Kilometer in solcher Hast zugemutet, "daß ein guter Kurier das in zwei Tagen nicht bewältigen konnte, was er in einem tat". 11 Und der Vater versuchte alles, den Sohn zu ähnlichen Leistungen zu befähigen. Dieser ritt als Vierjähriger unter den stolzen Blicken des Königs während des Exerzierens der königlichen Garde erstmalig auf einem Pony um das Regiment, eine prägende Begegnung für seine künftige "Berufung". Damals führte noch ein Offizier das Pferdchen am Zügel, später lenkte der Kronprinz an der Seite des Vaters sein Tier allein.

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AufWeisung des Herrschers erlebte er im August 1695 das erste Reitergefecht während einer Übungzweier Schwadronen der Gardekavallerie und war begeistert. Karl XI. konnte zufrieden sein. Als sein Lehrer, der Oberstleutnant Karl Magnus Stuart, im Frühjahr 1697 eine neue Lafette vorführte, erlaubte der Vater, daß der Prinz bei der Erprobung dabei sein durfte. Ein Besuch der königlichen Kanonengießereien Stockholms blieb ihm ebenso unvergeßlich wie das Erlebnis, als der Vater vor den Toren der Hauptstadt persönlich "die ganze Garde im Djurgarden drillte", 12 wie der Thronfolger in ein gelegentlich benutztes Tagebuch notierte. Auch sein Vater empfand zunehmend Freude über diesen Sohn, dessen Fortschritte er sorgfältig in seinen persönlichen Aufzeichnungen vermerkte. Besonderes Glück bereitete dem strengen Erzieher, wenn sein Sohn ihn übertraf. So schrieb er mit väterlichem Stolz, daß der Zehnjährige im felsigen Waldgebiet Lidingö nahe Stockholms einen Wolf traf, den der Vater vorher verfehlte. Im Jahre 1695 registrierte Vater Karl, daß der Sohn einen Damhirsch "auf 96 Schritt" erlegte. Mehr und mehr wurde der Sohn ihm ähnlich, empfand Karl XI. mit großer Zufriedenheit. Ostern 1697 rückte heran. Der vom Tode gezeichnete König konzentrierte alle verbliebene Lebenskraft auf das letzte große gemeinsame Erlebnis mit dem Thronfolger, auf Karls Konfirmation. Ein gemeinsames Abendmahl, die bedeutendste religiöse Feierlichkeit im Leben protestantischer Gemeinden, sollte symbolisch die Kindheit Karls beenden und andeuten, daß ihn nun auch der Vater, schweren Herzens zwar, aus seiner Obhut in das Leben entlassen wollte. Der väterliche Wunsch blieb unerfüllt. Von unerträglichen Schmerzen geschüttelt, konnte sich Karl XL nicht mehr vom Krankenlager erheben. Wenige Tage später, am Ostermontag, verstarb er, zufrieden mit seinem Gott und einem Leben, das ihm so viele Siege und einen so würdigen Nachfolger schenkte. Viele vom Adel werden aufgeatmet haben, zeichneten sich doch deutliche Parallelen zum Ende der Herrschaft Karls X. Gustav ab. Wieder übernahm ein minderjähriger Kronprinz das Reich. Hoffnung keimte auf bei einigen Aristokraten, daß einige der für sie furchtbaren Maßnahmen des verstorbenen Königs, die schreckliche "Reduktion", nun rückgängig, wenigstens aber gemindert würden. Derlei Hoffnungen wurden noch genährt durch die Einsetzung einer neuerlichen Vor-

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mundschaftsregierung. Wie seinerzeit Karl X. Gustav bestimmte auch Karl XI. in seinem Testament, nach welchen Richtlinien die Vormünder im Namen des Thronfolgers zu regieren hätten. Und wieder war auch die alte Königinwitwe, die Gemahlin Karls X. Gustav und Großmutter Karls XII., neben die fünf ausgewählten königlichen Räte gesetzt, die Interessen von König und Reich wahrzunehmen. Alles schien so wie damals, 1660, als Karl XI. dem Vater folgte. Und doch waren jetzt andere Zeiten! Niemand im Hochadel konnte vergessen, welche überraschende Wendung Karls XL den alten Vormündern mehr als nur Verdruß und Unbequemlichkeiten bereitete, aus dem scheuen Jüngling plötzlich ein energischer Herrscher wurde. Hochverratsprozesse, unnachgiebige Forderungen gerade an jene, die im Namen des Königs entschieden hatten. Karls fünfzehnjähriger Sohn würde bald, nur zu schnell, die Herrschaft selbst übernehmen. Und seine Krone war nun absolut .. . Das bleibende Verdienst Karls XL erwächst aus der Durchsetzung der Reduktion, der Sanierung der Reichsfinanzen und Brechung aristokratischer Machtfülle in Schweden. Er formte den absolutistischen schwedischen Großmachtstaat des endenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, sicherte seinem Nachfolger ein besonders effektives Heereswesen, das "Indelningssystem", das bis ins 19. Jahrhundert beibehalten wurde, den schwedischen Fahnen in der ersten Phase des Nordischen Krieges überwältigende Erfolge ermöglichte. Obwohl Karl XL anfangs blutige Schlachten führen mußte, förderte seine Politik der "inneren Kolonisation" den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes, sicherte die Stellung eines zahlenmäßig bedeutenden Standes persönlich freier Steuerbauern.

Zeittafel der persönlichen Daten Karls XI. 24. 11. 1655 13. 2. 1660

Hedwig Eleonora von Holistein Gottorp gebärt Karl X. Gustav den Thronfolger Karl Tod Karls X. Gustav in Göteborg

1661

Beginn des Unterrichts Karls XI. durch den Geschichtsprofessor Edmund Gripenhielm

1671

die Ausbildung Karls XI. wird beendet

18. 12. 1672 Sommer 1674 28.6.1675 Juni 1676

Mündigkeitserklärung Karls XI. durch den Reichstag der Italiener Magalotti charakterisiert Karl XI. als "Karrikatur" eines Herrschers Niederlage der schwedischen Truppen bei Fehrbellin Landung von 14 000 Dänen bei Helsingborg

4. 12. 1676

Karl XI. siegt in der Schlacht bei Lund

14.7.1677

Sieg Karls XI. bei Landskrona

24. 11. 1680

Ulrika Eleonora, die Schwester des Dänenkönigs, trifft als Braut Karls XI. in Stockholm ein

25. 11. 1680

Krönung Ulrika Eleonoras zur schwedischen Königin in Stockholms Storkyrkan

9. 12. 1680

der Reichstag bestätigt das Gottesgnadentum Karls XI als Herrscher, verabschiedet das Programm einer allgemeinen "Reduktion" verschenkter Krongüter

26.6.1681

Geburt der Tochter Hedwig Sophia

1681 17.6.1682 16. 11. 1682 23. 1. 1688

Karl XI. wandelt den Reichsrat in ein beratendes Organ zum .,Königlichen Rat" um Geburt des Thronfolgers, des Prinzen Karl der Reichstag überträgt die Gesetzgebung an den König Geburt der Tochter Ulrika Eleonora

Zeittafel der persönlichen Daten Karls XI.

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26.7.1693

Tod der Gemahlin, Ulrika Eleonora von Dänemark, auf Schloß Karlberg bei Stockholm

Dezember 1693

Bestätigung Karls XI. als absolutistischer Herrscher durch den Reichstag

Sommer 1694 5.4.1697

Musterungsreise Karls XI. nach Nordschweden Tod Karls XI. im StockholmerSchloß

Glanz und Elend der Großmacht Schweden Karl XII., der Kriegerkönig

Zu Beginn des Jahres 1697 herrschte nach mehreren Mißernten in weiten Teilen Schwedens schreckliche Hungersnot. Im Frühjahr raffte eine Epidemie die Erschöpften familienweise dahin. Und auch die internationale Lage schien wenig erfreulich für Schweden und dessen Besitzansprüche. So mag es schon zutreffen, daß es vorrangig die wieder zunehmenden innenpolitischen Gegensätze waren, die eine schnelle Krönung des jungen Karls XII. begünstigten. Hinter den kindlichen Herrscher gestellt, glaubte die eine oder andere Adelsfamilie ihre Ziele desto sicherer erreichen zu können. Doch demonstrierte schon der fünfzehnjährige Knabe, was er unter einem souverän regierenden König verstand, zeigte, daß er sich nur Gott verantwortlich fühlte. Das hatten die Herren vom Hochadel sehr wohl verstanden. Als Karl XII. den traditionellen Königseid unterließ, sei ihnen "ein bestürzend qualvoller Schmerz durch Mark und Bein gegangen", 1 wie einer der Aristokraten nach den Krönungsfeierlichkeiten vom 29. November 1697 vermerkte. Der junge

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König nahm sie fest in die Pflicht, wünschte jedoch eigene Beschränkungen selbst zu bestimmen. Ende des vorigen Jahrhunderts publizierte der schwedische Historiker Ernst Carlson die Briefe Karls XII. Erfreulicherweise ergänzte er diese Sammlung noch durch die erhaltenen Schreibübungen des Kronprinzen, erklärte, die "Denkübungen" des Prinzenerziehers Andreas Nordenhielm belegen, "welch gefährliche Meinung von seiner hohen Urteilsfähigkeit man dem Kronprinzen schon in seiner Kindheit beigebracht und wie man ihn nach den Grundsätzen des absolutistischen Regierungssystems darangewöhnt hatte, die Umgebung in demütiger Nachgiebigkeit vor seinem erleuchteten Verstande sich beugen zu sehen. Fast alle diese Denkübungen oder moralischen Dialoge werden so geführt, daß der Prinz im Meinungsaustausch die Oberhand behält und sein Lehrer sich für kläglich besiegt erklärt". 2 Kenner der schwedischen Geschichte weisen besonders Nordenhielm bis in unsere Tage wesentlichen Anteil an der Ausprägung absolutistischer Überzeugungen des Kronprinzen zu. Doch auch das läßt sich nicht leugnen: Wesentliche Charakterzüge Karls wie Wahrheitsliebe, ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, ein besonderes Ehrgefühl und Charakterfestigkeit wurden hier vorgeformt. Als Nordenhielm jene Dispute führte, war er alles andere als ein Einzelfall, seine Stimme nur eine im Chor der überzeugten Verfechter absolutistischer Herrschaftsstrukturen in Schweden. Als "Propagandist" des schwedischen Absolutismus in der Erziehung des Thronfolgers leiteten jenen möglicherweise nur die spürbaren Vorteile durch die Gunst des Königs. Im übrigen blieben ihm nur noch wenige Jahre der Einflußnahme auf den kleinen Karl, schon 1694 verstarb Nordenhielm. Neue Lehrer traten an seine Stelle, berühmte Männer wie der Artillerie- und Festungsexperte Karl Magnus Stuartund derfähige Staatssekretär Thomas Polus. Auch hier konnte der Vater zufrieden sein, die schulischen Fortschritte des Prinzen überraschten, die Erzieher lobten seinen Eifer in Theologie, Latein, Deutsch und Französisch, schwedischer und Weltgeschichte, Staats- und Rechtswissenschaft, Mathematik und Fortifikationstechnik. Es wuchs ein Knabe heran, der über ungewöhnliche Geistesgaben verfügte, ein begabter Schüler, der früh die Kriegs- und Heldenbeschreibungen der Römer im Original las, sich für die Alexander-Biographie des Quintus Curtius begeisterte, sich wohl selbst als neuer Alexander fühlte.

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So fand das "Einteilungswerk", das militärische Vermächtnis Karls XI., die besondere Aufmerksamkeit des jungen Monarchen. Sofort nach der Krönung bestimmte er, daß die solcherart geschaffene Armee zu vergrößern sei, befand, daß immer drei Bauern gemeinsam für einen zusätzlichen Soldaten verantwortlich sein sollten. Sie mußten ihn rekrutieren und versorgen. Bald entstanden die ersten "Dreimänner-Regimenter" in Schweden, denen in Finnland auf königlichen Befehl die sogenannten "Verdopplungsregimenter" zur Seite traten. Gleichzeitig verpflichtete Karl XII. alle "Standespersonen", aus eigenen Mitteln Dragonerregimenter aufzustellen. Ein gigantisches Rüstungsprogramm fand so seinen Abschluß. Karl XII. verfügte Ende 1700 über mehr als 85000 "eingeschriebene" Soldaten. Sogleich befahl der junge Souverän auch Schritte zur weiteren Förderung von Handel und Gewerbe, wohl verstehend, daß seine Rüstungspolitik mehr Geld kosten würde, als es Bauern und "Standespersonen" aus ihren privaten Schatullen aufbringen konnten. Vor allem die Haltung der Mächte rings um Schweden, der alten Rivalen, bereitete den schwedischen Politikern an der Seite des Herrschers Sorge. Noch während einer kurzen Vormundschaftsregierung war das außenpolitische Prestige allerdings weiter gestiegen. Das Land erwirkte als Mittler den Frieden von Ryswijk zwischen den verfeindeten europäischen Großmächten Frankreich und Deutschland, Holland, England im Oktober 1697. Schweden warwieder eine geachtete europäische Macht geworden! Und doch mehrten sich bedrohliche Zeichen, zogen sich Gewitterwolken zusammen, deren Blitze auch Schweden treffen konnten. Seit langem belastete die sogenannte holsteinische Frage die Beziehungen Dänemarks und Schwedens. Gar zu bedrohlich nahm sich die Union Holstein-Gottorps mit dem großen Nachbarn Schweden für das solcherart in die Zange genommene Dänemark aus. Schon Karl XI. ermutigte den Herzog, sein Land zu befestigen und eigenen Truppen aufzustellen. Die "Jüten" hatten diese Allianz als wenig freundlich empfinden müssen, betrachte Dänemark Holstein-Gottorp doch als mehr oder weniger autonomen- Teil seines Territoriums und sah in der Militarisierung der Herzogtümer einen Schritt zur endgültigen Abtrennung vom "Mutterland". Daher handelte man in Kopenhagen sofort, nachdem sich die Nachricht vom Ableben Karls XI. bestätigte. Die zahlreichen ökonomischen

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Probleme und die Jugend Karls XII. ließen eine sofortige schwedische Reaktion kaum erwarten. Schnell wurden dänische Truppen aufgeboten, leisteten gründliche Zerstörungsarbeit. Friedrich IV. von HolsteinGottorp stand hilflos in seinen zertrümmerten Festungswerken, reiste dann jedoch entschlossen nach Stockholm. Hier gewann er die Zuneigung Karls XII. und die Hand dessen Schwester, vergrößerte solcherart die dänischen Befürchtungen. Nicht auszudenken, wenn sich die neue Freundschaft in Märschen holsteinischer und schwedischer Truppen ins Innere Dänemarks konkretisierte. Quälende Gedanken, die nicht nur den König in Dänemark beunruhigten. Auch Frankreich empfahl daher dem jungen Monarchen auf Schwedens Thron eine Ehe mit einer dänischen Prinzessin. Umso betrüblicher, daß König Karl und seine Ratgeber so gar nicht empfänglich schienen, desto ungewisser die Zukunft Dänemarks. Wußte man doch auch am dänischen Hof, mit welcher Hingabe Karl XII. an seiner Schwester hing. Schwager Friedrich jedenfalls reiste als Oberbefehlshaber der schwedischen Truppen auf deutschem Boden beruhigt zurück. Seinem Befehl würden gegebenenfalls die schwedischen Armeen folgen, ein Federstrich mußte das mächtige Schweden in eine neuerliche dänisch-holsteinische Affäre ziehen. Und Frankreich - so bedauerte man in Paris - würde auf einen starken Bundesgenossen gegen Holland, England und den Kaiser verzichten müssen. Der bevorstehende Krieg um das spanische Erbe beherrschte die Politiker aller europäischen Staaten. Ein Kampf zwischen Österreich und Frankreich war unvermeidlich. Holland und England würden Partei ergreifen müssen, sollte Frankreich nicht übermächtig werden. Eine Auseinandersetzung im Norden war folglich wenig erwünscht, beide Gruppierungen strebten vielmehr nach einem Bündnis mit Schweden, suchten die Vedügungsgewalt über die neuformierten Regimenter Karls XII. Tatsächlich blieben zunächst 6 000 schwedische Soldaten gemäß eines Vertrages vom März 1698 weiterhin im Dienste der Generalstaaten. Karl XII. dachte nicht an eine baldige schwedische Offensive im Norden. Aber es war wohl trotzdem auch der "frühzeitig erkennbare Drang des jungen Königs nach Kriegsruhm" 3 - um mit Jan Peters zu sprechen-, der eine weitere Zuspitzung der Konflikte im Norden förderte. Karl XII. und seine engsten Vertrauten unternahmen wenig oder nichts, die Spannungen mit Dänemark zu mindern. Gespräche Dänemarks mit Rußland offenbarten ein gemeinsames Interesse an Beschränkungen

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des schwedischen Einflusses. Auch konnte erwartet werden, daß der neugewählte König von Polen, Kurfürst August von Sachsen, ähnlichen Argumenten aufgeschlossen sein sollte. Hatte er sich doch verpflichten müssen, der Krone Polens einige frühere Besitzungen zurückzugewinnen. Und hier nun stand wiederum Schweden sichtbar genug im Wege. Als das dänische Eheprojekt in Schweden abgewiesen wurde, ein Teil der deutschen Regimenter Schwedens in Holstein einrückte, intensivierte Kopenhagen seine Bemühungen in Moskau, jetzt wurde Gestalt, was bisher in Kopenhagen, Dresden und der Zarenmetropole nur vage gedacht war. Im Jahre 1699 wuchs ein geheimes Angriffsbündnis gegen den verhaßten schwedischen Nachbarn, dessen Grenzen allen zu weit und gar zu schwach verteidigt erschienen. Wer eigentlich sollte einen Achtzehnjährigen ernsthaft fürchten, wenn Männer gegen ihn antraten, die über schier unbegrenzte Mittel verfügten wie Zar Peter oder auf eigene Kriegserfahrungen verwiesen wie König August. Und hatte nicht Zar Peter gerade erst die gefährlichen Türken besiegt, die Festung Asov mit 136 Kanonen erobert? Vereint schien es ein leichtes Spiel. Natürlich blieben Unternehmungen dieser Art, so verschwiegen sie auch immer angelegt sein mochten, den erfahrenen Politikern in Stockholm nicht verborgen. Was lag näher, als seinerseits anzufragen, ob Vetter August nicht für ein Bündnis mit Schweden zu gewinnen war. Und bei dieser Gelegenheit konnte man ihn doch gleich weiter hören über seine prinzipielle Haltung zu Schweden ... Karls XII. Gesandter Graf Mauritz Vellingk wußte denn auch bald über besonders warme Gefühle König Augusts zu seinem jungen schwedischen Verwandten zu berichten. Wenig später traf auch eine große polnische Gesandtschaft in Stockholm ein und versicherte den gastfreundlichen Schweden die ewige Zuneigung der polnischen Adelsrepublik. Reich beschenkt, unter anderem mit zehn schwedischen Kronen, verließen die Gäste das Land, ließen beruhigte Gastgeber zurück. Alles schien sich auf Auseinandersetzungen mit Dänemark zu beschränken, denn auch eine schwedische Gesandtschaft ins weite Rußland war nach langen, aufreibenden Verhandlungen mit sehr verbindlichen Beteuerungen zaristischer Friedensliebe zurückgekehrt. Allerdings berichteten sie über sonderbare Klagen Zar Peters über schwere Beleidigungen während des Riga-Aufenthaltes am Beginn seiner Europareise im Frühjahr 1697. Die große Gesandtschaft war damals daran gehindert worden, dieFestungsanlagen zu vermessen, in höflichen Wor-

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ten zwar, wie es die schwedischen Offiziere der Garnison Riga versicherten, aber doch zum Mißfallen des inkognito reisenden Zaren, wie es die Diplomaten aus Moskau mitbrachten. Auch gab es beim Aufbruch der illustren Gesellschaft allerlei Forderungen der Händler und Gastwirte, wahrlich viel Geschrei. Doch sei alles von Schwedens altem Feldmarschall in Riga, Graf Erik Dahlberg, anstandslos beglichen worden, so daß man auch diesbezüglich Zar Peters Verärgerung für bedeutungslos hielt, kein Grund, an den freundlichen Abschiedsworten des Zaren zu zweifeln. Nein, der Stockholmer Hof war überzeugt, alles sei geregelt, man könne zufrieden sein. Und die Herren im holländischen Haag bestärkten König Karl und seine Ratgeber darin. Die Dänen allerdings bereiteten ernsthaft einen Krieg vor, das war nun keineswegs zu übersehen. Schon am 24. Oktober 1699 informierten ihre Gesandten alle europäischen Höfe entsprechend. Im sicheren Gefühl der Neutralität Sachsen-Polens und Rußlands nahm man in Schweden derartige Ankündigungen gelassen auf. Beruhigt brach Karl XII. zu Jahresbeginn 1700 zur Bärenjagd nach Kungsör auf. Da überbrachte ihm völlig überraschend, am 9. März ein Kurier, der quer durch Finnland und rund um den Bottnischen Meerbusen gehastet war, die Nachricht vom Angriff sächsischer Truppen in Livland. Wenige Tage später, am 11. März 1700, marschierten dänische Truppen in Holstein ein. Nun zeigte sich, wie wohlüberlegt Vater Karl XI. die Aufmarschpläne entworfen hatte. Auf dieser Basis konnte Generalleutnant Karl Gustav Rehnsköld den Einsatz der Regimenter exakt festlegen. An der Spitze seiner Leibtrabanten verließ Karl XII. am 14. April1700 Stockholm, wohl kaum ahnend, daß er seine Hauptstadt nie wieder sehen sollte. Im Troß des jungen Königs auf dem Weg nach Dänemark führten die Reitknechte den "Brandklepper", das legendäre Pferd Karls XII. Es war dem Monarchen zu Beginn des Kampfes bei Lund von dem Korporal des smaländischen Reiterregiments Hakan Stahle überlassen worden, als das Pferd des Königs im ersten Schlachtgetümmel erschossen worden war. Nun wurde es- 24 Jahre später- stolz als Symbol alter und künftiger Siege über die Dänen mitgeführt. Niemand konnte damals wissen, daß es noch über weite Wege traben mußte, Siege und Niederlagen erleben, vor Poltava ebenso wie im türkischen Bender grasen und schließlich 1718, im Todesjahr Karls XII., in Lund verenden werde. Wahrlich eine Pferdegeschichte, die gleichzeitig die Geschichte schwedischer Größe und Tragik sein sollte, Symbol für Aufstieg und Untergang des schwedischen Absolutismus.

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Der 25. Juli 1700 begründete den Ruhm des jungen schwedischen Königs. Nach längeren verwirrenden Bootsmanövern vor der dänischen Küste, auf die Dänemarks schwache Abwehrkräfte verzweifelt reagierten, stießen die flachen Landungsboote auf Seelands Strand. Karl XII. war einer der ersten auf dänischem Boden. Vergebens der Abwehrkampf der Dänen. Nach knapp zwei Wochen hatte Karl XII. 10 000 Soldaten zum Angriff auf Kopenhagen gesammelt, marschierten in der Frühe des 11. August 1700 drei Kolonnen schwedischer Truppen unter dem Befehl des Monarchen auf Kopenhagen. Sah sich der junge Schwedenkönig bereits als Erbe und Testamentvollstrecker des Großvaters, Karls X. Gustav, glaubte er, den uralten schwedischen Traum eines siegreichen Einzugs in Kopenhagen endlich verwirklicht? Er hat uns keine direkte Antwort auf diese Frage gegeben, sicher ist nur, der schon am 8. Juli vereinbarte Frieden von Travendal traf ihn empfindlich. Tagelang weigerte sich Karl XII., die Konsequenzen dieses Abkommens zwischen Dänen und Holsteinern zu akzeptieren. Doch blieb ihm nichts mehr zu tun. Im übrigen lauteten die Nachrichten über den livländischen Krieg keineswegs mehr so günstig wie nach den ersten schwedischen Erfolgen im Frühsommer. Die sächsische Armee war verstärkt worden, kampferprobte Truppenkontingente bewegten sich erneut auf Riga zu, führten schweres Belagerungsgeschütz mit. Da traf eine neue Hiobsbotschaft im schwedischen Hauptquartier ein. Am 19. August erklärte Rußland Schweden den Krieg, griff eine große russische Armee die wichtige schwedische Grenzfestung Narva an. Und erbittert registrierte Karl XII. eine besondere Tücke des Zaren. Dieser sandte ihm, schon auf dem Marsch nach Livland, noch einen Sonderbotschafter, der herzliche Friedensbeteuerungen überbrachte. Der Schwede fand sich ein zweites Mal gefoppt. Karl XII. sah sich nun unvermutet zwei Gegnern in Livland gegenüber. Als er mit seiner eilig eingeschifften kleinen Armee am 6. Oktober 1700 bei Pernau landete, hatte sich aber König August bereits hinter die polnische Grenze zurückgezogen. Der Beichtvater Karls XII. berichtete 1740 in der ersten bedeutenden schwedischen Biographie über den letzten schwedischen Pfälzer, der junge Monarch hätte in Kungsör auf die Nachricht vom sächsischen Einfall ruhig geäußert, "König August hat seyn Wort gebrochen", Gott würde mit seinem gerechten

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Kampf sein. Er wolle erst mit dem dänischen Vetter "die Sache ernstlich ... abthun", anschließend mit dem Sachsen "sprechen". 4 Nun ja, mit König Friedrich von Dänemark hatte er sehr zornig und wohl auch recht laut gesprochen. Glücklich der Däne, daß er weit entfernt zuhören konnte. August schien da übler dran zu sein. Auch ihm war offensichtlich nicht nach einem "Gespräch von Mann zu Mann" mit dem heranhastenden, ungewöhnlich "redesüchtigen" Karl, zumal der junge Schwede fraglos nur den Degen sprechen lassen wollte, wie man August inzwischen hinterbracht hatte. Zar Peter mußte seinerseits heftig auf August einreden. Von viel Geld war gesprochen worden, so "laut", daß der Inhalt der "Rede" den Generalstaaten zu Ohren gekommen war und schließlich sah sich der Zar veranlaßt, selbst an der Spitze einer großen Armee näher an seinen wankelmütigen Verbündeten heranzumarschieren. Auch er wollte seinen Krieg! König Karl XII. entschied sehr schnell, der Zar sollte ihn haben, ein Entschluß, der umso leichter fiel, als sich die Situation Narvas von Tag zu Tag verschärfte, die Lebensmittel knapp wurden. Zweifellos war es das Verdienst des jungen königlichen Heerführers, seine Armee in Gewaltmärschen an das russische Lager herangetrieben zu haben. Unglaubliches leisteten die schwedischen Soldaten, ungewöhnliches vollbrachte auch ihr König. Am Morgen des 13. Novemberwar Karl XII. mit 10 537 Mann aufgebrochen. Nur jeden zweiten Tag erhielten die Schweden etwas Verpflegung aus den mühsam durch knietiefen Schlamm mitgeführten Bagagewagen. Vier Tage später vertrieben Karls Voraustruppen, 400 Mann mit dem König an der Spitze, 6 000 Kosaken. Abends kampierten die schwedischen Soldaten bei strömendem Regen meist stehend im Schlamm. Karl XII. selbst nächtigte auf etwas Stroh inmitten seiner Truppen. Der Zar und die Generäle kommandierten mindestens 40 000 Mann. Peter selbst verstand sich gerne als furchtloser "Bombardier", berichtete seiner Schwester Natalja vom eigenen Einsatz in vorderster Linie vor Asov, rechnete vermutlich mit einem leichten Erfolg überNarvas Besatzung. Doch war ihm und anderen nur zu gegenwärtig, daß Peter 1689, nur im Nachthemd und fast wahnsinnig vor Angst, vor seiner Halbschwester Sofija, die ihm angeblich nach dem Leben trachtete, in einen nahen Wald geflohen war. Und auch jetzt, über Nachrichten vom Heranrücken des jungen schrecklichen Schweden nachsinnend, den

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offenbar nichts aufhalten konnte, überwältigte den Zaren wieder die Furcht. Er fand plötzlich, daß dringende Gespräche mit August von Sachsen-Polen nicht länger aufzuschieben waren, übergab, wie Augenzeugen berichten, unter hysterischem Weinen und Flehen dem wohl kaum weniger ängstlichen ältlichen Herzog Charles Eugene von Croy den Oberbefehl und verließ seine Armee. Höhnend prägten die Schweden später eine Münze, die den Zaren als bitterlich weinenden Feigling verspottete. Mag sein, daß sich die völlig versagenden ausländischen Offiziere im Heer des Zaren mit Schilderungen dieser Art reinwaschen wollten. Unverständlich bleibt die überstürzte Abreise Peters dennoch. Die russische Armee, auf seine Anwesenheit und Unfehlbarkeit als" Väterchen Zar" fixierte Masse, voll tiefen Mißtrauens gegen "gottlose Ausländer", mußte auf die Nachricht von seinem Weggang erschrocken reagieren. Es ist viel geschrieben worden über die Katastrophe der Zarenarmee am 20. und 21. November 1700 bei Narva. Der schwedische Plan, die Kolonnen unter dem Schutz konzentrierten Kanonenfeuers an zwei relativ schwach geschützten Punkten direkt neben der russischen Artilleriebasis in das russische Schanzenlager zu führen, den Gegner in den eigenen Linien aufzurollen, war einfach, aber genial, widersprach so völlig dem Regelwerk der damaligen Kriegskunst, daß der Herzog von Croy die schwedischen Vorbereitungen verständnislos verfolgte. Während eines plötzlichen dichten Schneetreibens drangen die Schweden ins russische Lager ein, gerieten die entsetzten Verteidiger in Panik, flohen kopflos. 230 Truppenfahnen des russischen Heeres, 180 Geschütze, 18 Generäle, dazu große Vorräte an Handfeuerwaffen, Munition und die Kriegskasse des Zaren mit 32 000 Goldrubel fielen dem Sieger in die Hände. Aber auch Karls XII. Armee hatte hohe Verluste zu beklagen, mußte die entwaffneten russischen Kontingente sofort fortschicken, da die siegreichen Schweden kaum noch fähig waren, die Russen zu bewachen. So konnte Zar Peter schon am 16. Dezember den Generalstaaten mitteilen lassen, die Narva-Niederlage sei für ihn bedeutungslos. Im Bündnis mit Sachsen-Polen und Dänemark würde er bald wieder vorrücken. Bis in unsere Tage diskutieren Historiker und Militärexperten über die Entscheidung Karls XII., die Reste der Zarenarmee nicht weiter zu jagen, Schwedens Grenzen im Baltikum so schlecht zu schützen. Sicher war der schwedische Monarch überzeugt, durch den großen Sieg seine

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Ostseeprovinzen auf längere Zeit gegen weitere russische Vorstöße gesichert zu haben. Doch wird man Erklärungen nicht allein in fehlerhaften Einschätzungen der russischen Kräfte finden können, fragen wird man müssen, welche Alternativen Karl XII. Ende November 1700 in Ingermanland wirklich blieben. General Otto Vellingk überreichte bereits wenige Tage nach dem Sieg bei Narva seinem jungen König ein Memorandum, das noch für den Winter Vorstöße auf Novgorod und Pskov vorsah. Nach einer kurzen Erholungspause sollten die schwedischen Truppen wieder angreifen und dem Zaren einen Siegfrieden aufzwingen. Doch war im Raum Narva eine entsprechende Formierung der schwedischen Armee undenkbar. Schon griff die Ruhr um sich. Der neuernannte Generalmajor Magnus Stenbock schrieb seiner Frau nach Schweden, seine "Kranken und Pferde krepieren wegen der schweren, ausgestandenen Strapazen. Ich habe nicht mehr als 200 Mann, die Dienst tun in meinem Regiment". Und seinem Schwiegervater, dem alten Grafen Bengt Oxenstierna, Schwedens höchstem Kanzleibeamten im Königlichen Rat, klagte Stenbock, sie seien dort bei N arva, um sich zu erholen. Doch wisse nur Gott allein, welches magere Weihnachten sie feiern würden". 5 Hier sei wirklich guter Rat nötig. Raten wollten sie ihrem jungen König, die Herren Generäle und hohen Beamten. Es war Zeit geworden für einen guten Frieden. Das dachten viele im Heer und in der Staatskanzlei. Die Stockholmer Regierung schlug dem Herrscher Friedensverhandlungen mit August von Sachsen-Polen vor. Auch der Rat Graf Karl Piper, der engste Vertraute Karls XII., in der Feldkanzlei, stimmte für die Annahme des vorteilhaften Friedensangebotes des sächsischen Gegners. Frankreichs Gesandter winkte mit Subsidien für Karl'XII. Schweden benötigte Geld dringender denn je. Selbst hohe Offiziere erhielten bereits längere Zeit keine Löhnung mehr. Im übrigen unterbreitete auch der kaiserliche Gesandte günstige Friedensvorschläge, die Graf Oxenstiernas volle Unterstützung fanden. König Karl XII. lehnte jedoch alle Angebote ab. Er wollte weitermarschieren, den Gegner vernichten. So schrieb selbst General Stenbock betrübt dem Schwiegervater, man könne mit dem jungen Regenten nicht reden. Hier gehe es "wunderlich zu. Nichts gilt mehr an Rat oder Fakten. Es scheint, als empfange der König allein von Gott, was er unternehmen solle". 6

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Der uneinsichtige, vernünftigen Argumenten verschlossene absolutistische Herrscher Schwedens zwang seine Gegner in eine neue Allianz. August von Sachsen-Polen und Zar Peter festigten auf Schloß Birsen in Samogitien am 16. Februar 1701 ihr Bündnis, das nun zum Kampf ums Überleben beider Herrscher wurde. Am Morgen des 9. Juli 1701 krachten wieder Salven sächsischer und schwedischer Geschütze, verhüllte Pulverdampf und Rauch die Schanzen hüben und drüben des Dwinastromes bei Riga. Im Frühnebel, um 4.00 Uhr, begann Karl XII. den Tag auf seine Weise, entflammte der Krieg von neuem. Trotz eines überwältigenden Erfolges konnten die Schweden den Gegner jedoch nicht vernichten. Gegen 7.00 Uhr morgens, mit dem Auseinanderbrechen einer Schiffsbrücke, damit verbundenen Schwierigkeiten, rasch notwendige Verstärkungen für die vorwärtsstürzenden Sturmtruppen ins sächsische Lager zu führen, war die Chance vertan, an der Dwina den Krieg zu entscheiden. Die Sachsen zogen sich geordnet zurück, räumten in den nächsten Wochen Kurland, marschierten in geschlossenen Kolonnen hinter die polnischen Grenzen in Preußen. Wieder erbeuteten Karls Truppen größere Mengen an Lebensmitteln und Waffen. Und auch jetzt plädierten alle Vertrauten des Schwedenkönigs für einen guten Frieden mit August. Hatte man doch nun auch noch Kurland erworben, galt es, Schweden abzurunden, die Beute aufzuteilen. Das war doch der Sinn des Krieges, was galt da Rache an August, was sollte ein totaler Sieg über die Sachsen. Generäle und Kanzleiräte wollten ihren Anteil am Erfolg. Dieser Friede, so glaubten sie, sollte sehr ergiebig werden, gerade jetzt, nach dem neuerlichen Triumph. Verwirrt mußten alle erfahren, daß Karl XII. den Krieg gegen König August auf polnisches Gebiet tragen, den Feldzug gegen Rußland aufschieben wollte. Und völlig unverständlich die neue Forderung Karls XII. nach Absetzung Königs Augusts! Karl XII. beantwortete tatsächlich ein Schreiben des Kardinalprimas, des höchsten Beamten der polnischen Adelsrepublik, mit Friedensvorschlägen König Augusts am 30. Juli 1701 mit der Forderung, "den König in Polen zu nöthigen, von dem Throne herunter zu steigen, dessen er sich dadurch unwürdig gemacht, weil er die Gesetze und beschworenen Verträge gebrochen habe". 7 Nahezu alle Historiker stimmen überein, daß Karls XII. Polenpolitik dem Zaren die notwendige Reorganisation der russischen Armee er-

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möglichte. Offen bleibt bis heute, welche Hoffnungen der schwedische König mit dem Einmarsch in Polen verband, warum er sich mit dem sinnlosen Entschluß zur Absetzung Augusts selbst die Hände fesselte, in einem jahrelangen Marsch kreuz und quer durch das polnische Riesenreich den Feind jagte. Immer wieder siegte der Schwede, immer wieder entwischte König August. Umso unbegreiflicher, daß Karl XII. an seinen Racheplänen festhielt, keinen seiner Siege für einen vorteilhaften Frieden nutzen konnte, es noch immer nicht wollte. Es scheint deshalb berechtigt, mit Jan Peters zu betonen, Karl XII. fehlte der "Sinn für die Möglichkeiten eigener Fehler". 8 Wie es der Knabe lernte, wußte es der Erwachsene: Er hatte immer recht! Auf für uns heute kaum nachvollziehbare Weise blieb Karl XII. überzeugt, von Gott zur Ausübung seines königlichen Amtes bestimmt zu sein, unter seinem Schutz zu stehen, keines Menschen Urteil und Rat zu bedürfen; Gott allein verantwortlich, glaubte er, unschlagbar zu sein, jeden Gegner beliebig besiegen zu können. Nach einem weiteren, am Ende wiederum ergebnislosen Zug Karls XII. nach Litauen, dem neuen, bedeutenden Sieg schwedischer Truppen bei Fraustadt nahe der schlesischen Grenze am 3. Februar 1706 über die letzte größere sächsische Feldarmee unter General Johann Matthias von der Schulenburg, entschied sich Karl XII. zum Einmarsch in Sachsen. Am 12. September bezog der schwedische König in Altranstädt bei Leipzig Quartier. Zwei Tage später unterzeichneten die sächsischen Unterhändler das Friedensdokument. August verzichtete im Frieden von Altranstädt auf den polnischen Thron, Stanislaus Leszczynski, König von Schwedens Gnaden, schien vorerst seines gefährlichsten Gegners entledigt. Andererseits legte Karl XII. durch die harten Friedensbedingungen selbst den Grund, daß König August diesen Frieden nur als vorübergehenden Waffenstillstand betrachten konnte. Bei passender Gelegenheit mußte der sächsische Kurfürst und König ohne Land nachVerbündeten gegen den Schwedenherrscher suchen, den Krieg erneut beginnen. Wenig war also erreicht. Während eines Rußlandkrieges blieb mit Sachsen ein Feind im Rücken. Und König Stanislaus war so gar keine Hilfe! Schon wenige Tage nach der Ratifikation des Friedensvertrages von Altranstädt mußte der neue polnische Monarch um schwedische Truppen ersuchen. Weite Teile Polens und des Baltikums wurden von russi-

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sehen Heeren beherrscht. Karl XII. bezahlte seinen Sieg über den sächsischen Vetter mit dem Verlust nahezu aller polnischen und litauischen Positionen und der baltischen Provinzen Schwedens. Viel ist berichtet worden über die letzte Visite des Schwedenkönigs beim sächsischen Monarchen, als Karl XII. am 22. August 1707 aus Sachsen aufbrach, seine Heere erneut gegen Zar Peter führte. Bekanntlich soll Karl XII. August den Starken um eine Probe seiner Kraft gebeten, sich freiwillig durch eine gebogene Eisenstange fesseln lassen haben. Sicher ein eindrucksvolles Bild, so recht geeignet, den Leichtsinn des schwedischen Herrschers zu illustrieren, aber auch ein Beleg für Karls XII. Überzeugung, daß Souveräne eine besondere Art Menschen seien. So soll der schwedische König einst in Polen seinem treuen Leibknecht Mans Lang mit dem Galgen gedroht haben, als dieser mit einer Muskete König August am Weichselstrand auflauern wollte. Was Karl XII. in jenen Oktobertagen 1704 ausschloß, das mußte auch für August 1707 selbstverständlich sein. Auch dieser, manchmal skrupellose T aktierer konnte seinen königlichen Gast nicht einfach einkerkern oder gar ermorden lassen. Eine Art Ehrenkodex der Herrschenden also? Vielleicht! Möglicherweise auch nur das Wissen um die gefährliche Nähe der schwedischen Armee mit ihren äußerst fähigen Heerführern. Es war offenkundig, daß die dem Sachsenherrscher schwer begreiflichen schwedischen Untertanen sehr an ihrem König hingen ... August jedenfalls soll die Stange wieder aufgehoben haben! J öran N ordberg, dem wir die genaue Schilderung des kurzen Ausfluges nach Dresden verdanken, erwähnt diese Episode nicht. Das Spiel Karls XII. war wohl wirklich nicht gefährlich für den Schweden. Eine solche, bedingungslos auf seinen Herrscher eingeschworene Armee hatte bis dahin kein schwedischer König sammeln können. Jenseits der Grenze warteten bereits die Rekruten der Einteilungsbezirke der schwedischen Heimat. Zu dieser Zeit verfügte Karl XII., rechnet man hinzu die Regimenter in seinen deutschen Besitzungen, die Heimatgarnisonen und die Kampftruppen in Polen, zur Unterstützung König Stanislaus bestimmt, über mehr als 110 000 Kavalleristen und Infanteristen. Nie wieder sollte der schwedische Monarch eine solche Streitmacht kommandieren. Viele hohe Offiziere hatten in Sachsen auf den endgültigen Frieden gewartet, den wartenden Frauen in der Heimat die baldige Heimreise gemeldet. Und wiederum wurden sie alle enttäuscht. Karl XII. war erneut nicht zu raten. Es bestätigte sich, daß gegen den Willen und

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Eigensinn dieses absolutistischen Monarchen jeder noch so gute Vorschlag, alle Einwände vergeblich waren. Nun dachte Karl bereits an eine Absetzung Zar Peters, wurden solche Pläne sogar dem preußischen Hof kurze Zeit nach dem schwedischen Abmarsch aus Sachsen bekannt. Als Rußlands Herrscher mit Friedenswünschen reagierte, nur auf Ingermanland mit dem Zugang zur Ostsee bestand, Kompensationen in Polen anbot, verkündete Karl XII. seinen Offizieren und Politikern, lieber wolle er "den letzten Schweden opfern, als Nöteborg abtreten". Das meinte er durchaus ernst. Ein absolutistischer Monarch also, der sich über den Willen der Mehrheit seines feudalen Standes hinwegsetzte, ein schwedischer Sonderfall der Machtfülle eines Königs? Es scheint fast so! Schon vor Beginn des neuen Feldzuges erbaten so bewährte Generäle wie Magnus Stenbock und andere ihren Abschied, kehrten nach Schweden zurück, die einzig mögliche Form des Protestes gegen den königlichen Starrsinn. Karls Festhalten an dem machtlosen Stanislaus verbitterte sie umso mehr, als der hilflose Pole selbst immer wieder die Thronentsagung anbot. Und Stanislaus warnte seinerseits Karl XII. vor dem Plan einer Absetzung Zar Peters, sah neue schwere Verwicklungen voraus, bat um Frieden. Vergeblich! Schließlich schrieb sogar Graf Piper sein Abschiedsgesuch, einer der Treuesten, dem absolutistischen Königtum in Schweden besonders verbunden. Auch er ahnte kommendes Unheil. Besser als mancher jener hohen Offiziere, die nun die Armee beim Abmarsch aus Sachsen verließen, kannte Graf Piper den Preis der glänzenden Machtstellung seines Königs. Nahezu alle Geldquellen Schwedens waren verpfändet, selbst die Zölle und Steuern für die Erzproduktion und den Verkauf schwedischen Kupfers in Europa flossen nicht mehr in die leeren Staatskassen. König Karl wollte nicht begreifen, daß jahrelange Unregelmäßigkeiten in der Auszahlung der Beamtengehälter, deren Reduzierung um die Hälfte dem Wachstum patriotischer Gefühle und Neigungen zum Herrscher in dieser einflußreichen Schicht kaum sonderlich förderlich sein konnten. Drückende Geldnot belastete das Handelsleben, erschwerte die Arbeit der Gewerbetätigen, verärgerte auch das einflußreiche Besitzbürgertum und den Adel auf seinen Gütern. Nein, es herrschte nicht mehr jene Zustimmung des Jahres 1700, damals, als viele meinten, man müsse das von den Vätern Ererbte verteidigen. Wohl niemand in Schweden verstand den Herrscher, hieß den Krieg um die Absetzung König Augusts und die gleichzeitige Preisgabe

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schwedischer Ostseeprovinzen gut. "Das Volk", schrieb ein Freund aus Stockholm an den Staatssekretär Olof Hermelin, "beginnt zu murren, daß der König im fremden Land herumzieht, und sein eigenes in den Händen der Barbaren läßt". 9 Zur gleichen Zeit beschrieb auch der Königliche Rat dem Monarchen in einem umfangreichen Rapport die Not des Landes, bat Karl XII., "das Reich vor seinem Untergang zu retten", Frieden zu schließen. 10 Solche Appelle wies der König ebenso verärgert zurück wie alle Erklärungen, aus dem erschöpften Schweden keine weiteren Geldreserven erschließen zu können. Karl XII. konnte und wollte in diesen Klagen nur Zeugnisse mangelnder Einsatzbereitschaft und Nachlässigkeit seiner Beamten sehen. Das Volk hatte alles zu geben für ihn, er war Schwedens König, Gottes verlängerter Rachearm und im übrigen unfehlbar, vieles im Verhalten des Herrschers rechtfertigt eine solche Lesart. Seine künftigen Siege würden alle entschädigen, die jetzt zahlen sollten. Karl XII. zweifelte nicht, daß er unbesiegbar sei, ein neuer Alexander, wie er es selbst bei den Friedensverhandlungen in Altranstädt hörbar gemurmelt hatte, zwar auf Latein, in ein Zitat gekleidet, aber doch verkündet. Gott war mit ihm, selbst in scheinbar aussichtslosen .Unternehmungen. Und so ließ er weitermarschieren, errang im Laufe des Jahres 1708 neue Siege über die Zarenarmee, trieb den Gegner bis zum Herbst in den Raum Smolensk zurück, war sich seiner Soldaten und ihres Vertrauens sicher. Immer wieder ist von den Fachhistorikern vermerkt worden, daß die Rolle der Feldgeistlichen in der schwedischen Armee kaum überschätzt werden könne. Ständige Gottesdienste, selbst bei Schnee und grimmiger Kälte, bei strömendem Regen gehalten, tägliche Predigten über die besonderen Aufgaben der schwedischen Armee, trugen ihre Früchte. Die Masse der Soldaten glaubte, daß Karl XII. einen gerechten Krieg zur Bestrafung seiner Gegner führte. Nicht wenige fühlten sich als Kinder Gottes auf der Suche nach dem gelobten Land, König Karl war ihnen Moses. Seine Angriffsbefehle besaßen göttliche Weihe. Und die Prediger wurden nicht müde, das Alte Testament in diesem Sinne zu deuten. Wieder und wieder hörten die Soldaten und Offiziere in den Gebetsstunden, daß schon die Israeliten auf Gottes Geheiß die Feinde gnadenlos töteten, deren Städte und Dörfer verheerten. War das nicht Erklärung und Entschuldigung genug für eigenes Verhalten, rechtfertigte die Bibel nicht die Konsequenz des Königs? Das Karl XII. Gottes Gebote von Strafe und Vergeltung gründlich befolgte, davon

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zeugten die brennenden Dörfer des Feindes ebenso wie die fliehenden Armeen. Gott war sichtlich auch weiterhin mit den siegreichen Schweden! Wohl niemand in jener Welt des beginnenden 18. Jahrhunderts, ausgenommen einige wenige aufgeklärte Denker und Atheisten, zweifelte damals in Schweden, daß Gottes Hilfe und Eingreifen sehr unmittelbar waren. Die Feldprediger verwiesen in ihren Auslegungen der Worte und Taten Gottes auf so überraschende Wetterwunder wie das sich plötzlich beruhigende Wasser im Sund vor Seelands Küste, just in dem Augenblick, als Karl seine Regimenter landete, auf die dichten Schneewolken bei Narva und Fraustadt ... wahrlich überzeugende Argumente, von nicht wenigen in der Armee Karls XII. persönlich erlebt. Und immer wieder sandte Gott auch im letzten Augenblick seiner hungernden Armee Beweise seiner Anteilnahme, entscheidende Siege über die Feinde und gefüllte Vorratslager. Natürlich erlebten die Soldaten mit Unruhe und Furcht die Strapazen und Entbehrungen des neuen Feldzuges gegen Rußland, wußten aus eigener Erfahrung nur zu gut, wieviele Kameraden nicht in den Genuß der Früchte des verheißenden schließliehen Endsieges kommen würden. Aber für "Gottes Kinder" öffnete sich doch die Pforte zum Paradies. Und sie würde sehr weit geöffnet sein für alle, dietreuund ohne Murren König Karls Befehle befolgten. So jedenfalls wußten es die schwedischen Prediger unermüdlich zu verkünden. Das sagten sie den Sterbenden, denen sie auf den Schlachtfeldern, in den Krankenzelten und Hütten das Abendmahl reichten, damit richteten sie die Zurückgebliebenen auf, mit diesen Worten ermunterten sie die Zaghaften, Fluchtbereiten. Eine kleine Armee schwedischer Feldgeistlicher war immer dabei, begleitete die Soldaten sogar in das Kampfgetümmel, trieb die Zurückweichenden wieder vorwärts. Es waren in derTat keine Heuchler, die hier das Wort Gottes verkündeten, ein Wort, welches auch das des Königs, seines Hochadels und des Besitzbürgertums war, dessen Botschaft lautete: Züchtige die Feinde und mehre Schwedens Reichtum und Macht! So wurden Schwedens Bauern zu Heldentod und anspruchslosem Feldleben stimuliert- und König Karl XII. war immer dabei, überzeugte durch sein Beispiel, versprach, sie glücklich nach Moskau zu führen, dem Ende allen Sterbens. Als sich nahe Smolensk vor den Schweden die befürchtete Feuerwand ausbreitete, Zar Peter sein eigenes Land verbrannte, ein Vorwärtskom-

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men der Armee ohne Verpflegungsbasis unmöglich schien, entschied Karl XII. den Marsch nach Süden in die Ukraine, überließ die heranmarschierende große Reservearmee ungewollt ihrem Schicksal. Am 29. September vernichtete Zar Peter bei Lesnaja den Troßzug mit dringend benötigten Lebensmitteln, Pulver und Munition. Triumphierend verkündete später der Zar, der Sieg bei Lesnaja war "die Mutter des Sieges bei Pultawa, und diese Schlacht nur ein Kinderspiel gegen jene". 11 Und diesmal war selbst Karl XII. sichtbar erschüttert. Generalquartiermeister Axel Gyllenkrock vermerkte in einer späteren "Relation", er habe damals den König mehrere Nächte durch Gespräche ablenken müssen. Allzu düster erschien in diesen Tagen die Zukunft der schwedischen Armee. Im Sommer 1709 war auch das schon wieder vergessen, hoffte Karl XII. auf den entscheidenden Sieg über den Zaren, wollte bei der kleinen, unbedeutenden Festung Poltava mit dem letzten seiner Gegner abrechnen, die Großmachtpositionen Schwedens auf lange Zeit festigen. Immer wieder war der Zar der Schlacht ausgewichen. Erst Ende Juni konzentrierte das russische Oberkommando seine Truppen zum Entsatz der belagerten Festung. Karls XII. Hoffnungen erfüllten sich, der bewußt hinausgezögerte Sturm der zerschossenen Erdwälle täuschte den russischen Herrscher, ließ ihn die Schwäche der schwedischen Armee glauben. Angreifen wollte er dennoch nicht, erwartete den Rückzug des gefürchteten Gegners, konnte dessen fast sicher sein, denn Karl XII. war am 17. Juni während eines Gefechtes verwundet worden, unfähig, seine Soldaten in gewohnter Weise in die Schlacht zu führen. Trotzdem entschieden sich die Schweden für den Angriff. Ihr Plan baute auf die offensichtlichen Schwächen des russischen Lagers. Zar Peter hatte fast 30 000 Soldaten auf der Fläche eines Quadratkilometers in einem unregelmäßigen Viereck verschanzt, das Lager an drei Seiten durch Gräben und Wälle geschützt, 73 Geschütze aufgestellt und die Angriffsseite durch spanische Reiter weiter sichern lassen. Die der Vorskla zugewandte, hier etwa 60 Meter steil über dem Ufer des Flusses aufsteigende vierte Seite blieb unbefestigt. Das schwedische Oberkommando entdeckte zufrieden, daß nur ein nördlicher Weg aus der Verschanzung führte, der sich durch zahlreiche Erhebungen wand und beständig von oben beschossen werden konnte. Auch der zweite Fluchtweg direkt zum Strand hinunter konnte einen Übergang einer so großen Armee über den Fluß nicht sichern. Ohne Brücke mußten

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sich hier demoralisierte Massen hilflos verkeilen, ein Opfer der durchbrechenden schwedischen Angreifer werden. Probleme erwuchsen nur, daß der Weg zum Lager über eine etwa 1 200 bis 1 500 Meter breite, mit spärlichem Buschbestand bewachsene Anhöhe zwischen undurchdringlichen dichten Wäldern führte. Hier batte Zar Peter sogleich schanzen lassen. Sechs Redouten, in einer Linie im Abstand von nur 150 bis 170 Metern errichtet, kanonenbestückt, sperrten den Zugang ins freie ausgedehnte Gelände vor dem russischen Feldlager. Wollten die Schweden hier wirklich durchbrechen, liefen sie durch eine Feuerwand. Wenig später begannen die russischen Soldaten, vier neue Schanzen im rechten Winkel zu der Längssperrung anzulegen. Das Redoutensystem bildete nun die Form eines riesigen "T", würde eine angreifende schwedische Armee schon vor den sechs Hauptbastionen in zwei Teile spalten "gleich einem Wellenbrecher", wie der schwedische Historiker Peter Englund kürzlich treffend charakterisierte. Und diese "Wellen" schwedischer Angreifer konnten während des Vorrückens auf die Redoutenlinie ständig seitlich beschossen werden. Als Schutz für seine Schanzensperre postierte der Zar noch seine Kavallerie. Eventuell durchbrechende schwedische Kolonnen würden so auf herangaloppierende Kavallerie treffen. Ein Überraschungsangriff auf das russische Feldlager schien damit ausgeschlossen. Obwohl frühzeitig entdeckt, gelang es der schwedischen Führung dennoch, am Morgen des 28. Juni 1709 das Gros der Armee durch das Abwehrsystem zu führen, die russische Kavallerie zu vertreiben, zum Lager vorzustoßen, in dem die russische Hauptarmee dichtgedrängt den Angriff erwartete. Unglücklicherweise für Karl XII. und seinen Feldmarschall Rehnsköld, der für den auf einer Bahre getragenen König kommandierte, blieb ein Drittel der Infanterie im Schanzengürtel zurück. Schlecht informiert versuchten diese Bataillone, mit völlig ungeeigneten Mitteln ohne Artillerieunterstützung und Sturmtechnik die kanonenbewehrten Wälle zu ersteigen, verbluteten sinnlos. Die schwedische Führung unterband den sofortigen Angriff auf das Lager, verlor mehrere Stunden im unsinnigen Warten auf die verschwundenen Einheiten, wurde dann vom Ausmarsch der russischen Hauptarmee aus der Enge des Lagers überrascht, durch die Übermacht schließlich erdrückt. Gescheitert war der geniale Plan eines Überraschungsschlages und der Versuch, die russische Armee zu vernichten. Karl XII. blieb nur die Flucht in die Türkei mit geringen Resten seines

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Heeres. Die Mehrheit der Schweden kapitulierte wenige Tage später bei Perevolotnaja am Dnepr. 983 Offiziere, unter ihnen drei Generäle, 12 575 Soldaten, 1407Zivilbeamte des Heeres mit Handwerkern, Kutschern und Troßknechten gingen in russische Gefangenschaft. Hinzu kamen noch weitere tausendemitgereister Personen, allein 1 657 Frauen und Kinder unter ihnen. Poltava und die Kapitulation von Perevolotnaja waren die Wende in der Geschichte der schwedischen Großmachtzeit, auch Zäsur im Leben Karls XII. Für immer dahin war der Nimbus der Unbesiegbarkeit des noch immer jungen "Heldenkönigs". Schon die Zeitgenossen bewegte, daß der König trotz des Verlustes so vieler seiner Untertanen bei Poltava ungerührt neue Kriegsvorbereitungen traf, "die auch seine nächste Umgebung zu der Überzeugung kommen ließ, daß er nunmehr vollkommen gefühllos sei", 12 ein bitteres Eingeständnis des konservativen Historikers und Karl-Verehrers Frans G. Bengtsson. In seinem Brief an die Verteidigungskommission forderte Karl XII. neue Rekruten. Das Schicksal der Angehörigen der toten Soldaten berührte er mit keinem Wort. Karls Befehle füllten die Gutshäuser und Soldatenhöfe; aber "die alten Familien mußten sich schnell auf den Weg in ein ungewisses Schicksal begeben. Niemand wußte, wie viele noch vom Offizierskorps und den Mannschaften der verschwundenen Armee lebten. Nur eins war sicher: Der Staat übernahm keine Verantwortung für deren Familien", resümierte Alf Aberg, einer der besten Kenner der schwedischen Militärgeschichte des 18. Jahrhunderts. Aber gerade in der Gewißheit, ihre Familien in heimatlicher Sicherheit zu wissen, unterschied sich die schwedische Armee grundlegend von den Söldnerformationen anderer absolutistischer Staaten. Hierin lag eine Stärke der Heeresreform Karls XI. Eine Aufgabe dieses Prinzips mußte eine weitere Säule untergraben, auf die sich Macht und U nbesiegbarkeit des schwedischen Staates gründeten. Eine neue Armee, wie bereitwillig sie sich auch immer den Befehlen Karls XII. fügen würde, konnte nicht mehr mit der gleichen Zuversicht marschieren, wie es jene taten, die bei Poltava oder in russischer Gefangenschaft geblieben waren. Schon der Publizist der Briefe Karls XII. äußerte sich seinerzeit unangenehm berührt über die Gefühlskälte des Monarchen in einem Brief

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über das Elend des Winterfeldzuges in der Ukraine um die Jahreswende von 1708 auf 1709. Karl berichtete damals seiner Schwester, "obwohl Einige" -und Carlson merkte verbittert in einer Fußnote an, daß es mehrere tausend waren, die erfroren- "unglücklich waren, und ihnen die scharfe Kälte Schaden zufügte", sei es doch "etwas Zeitvertreib", der "Winter doch ein fröhlicher" gewesen. 13 In ähnlichem Geiste scheint auch der erste Brief nach der Katastrophe an die Schwester geschrieben. Alles sei gut gegangen, nur gegen "Jahresende und durch einen besonderen Zufall hatte die Armee das Unglück, Verluste zu erleiden, die, wie ich hoffe, binnen Kurzem wieder gut gemacht sein werden". 14 Er selbst sei kurz vor der Schlacht verwundet worden, habe daher einige Tage nicht reiten können, das sei nun jedoch hoffentlich bald wieder möglich. Selbst, wenn man berücksichtigt, daß Karl XII. seine Schwester beruhigen wollte, bleibt dieses Dokument doch ein Zeugnis erschreckender Gleichgültigkeit für die vielen Tausend, die ihr Leben geopfert hatten für eben jenen König. Und es mutet in der Tat merkwürdig an, daß der Monarch im gleichen Brief der Schwester tief erschüttert mitteilt, ein "böses Gerücht" über den Tod der älteren Schwester hätte ihn sehr beunruhigt. 15 Doch habe er es schließlich als unmöglich zurückgewiesen, so nach ~chweren inneren Qualen wieder Frieden gefunden. Hedwig Sophia war bereits am 11. Dezember 1708 in Stockholm an den Masern verstorben. Graf Piper entschied, dem schwerverwundeten König vorerst die niederschmetternde Kunde zu verheimlichen, als ein Bote am 22. Juni mit der Nachricht im Feldlager vor Poltava eintraf. Erst auf türkischem Boden erfuhr Karl XII. vom Ableben der Schwester. Er habe "keine sichtbare Gemütsbewegung" wegen der Niederlage gezeigt, sei aber durch die Todesnachricht so erschüttert gewesen, daß er "wie ein Kind weinte", 16 faßte Carlson den auch von Karls Umgebung registrierten offenkundigen Widerspruch im Verhalten des Monarchen zusammen. Noch knapp ein Jahr später drückte Karl XII. eine tiefe Betroffenheit über Hedwig Sophias Tod in einem weiteren Brief an Ulrika Eleonora aus. Nur einmal, Jahre später, berührte der König gegenüber der Schwester schließlich auch die Ereignisse nach Poltava. Obwohl er dort ausdrücklich eine Schuld der Offiziere und Soldaten an der Kapitulation von Perevolotnaja verneinte, findet sich auch hier keine Andeutung, daß Karl XII. die sinnlos geopfertenToten beklage, das Leid der Hinterbliebenen bedauere, Maßnahmen für sie ergriffen hätte oder beabsichtige. Nein, derselbe Herrscher, der Mühsal und Kampf mit seinen Trup-

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pen teilte, den nicht wenige von ihnen auch jetzt noch verehrten, vergaß sie ungerührt, wenn sie seinen Zielen nicht mehr dienlich erschienen. Andererseits hielt der Monarch an König Stanislaus fest, als diese Entscheidung ihm auch die letzten günstigen Friedensmöglichkeiten raubte. Doch scheint Karls Beharren auf Stanislaus vor allem seiner tiefen Überzeugung erwachsen, Gott habe ihn in das schwedische Herrscheramt berufen und dürfe ihn nur vorübergehend prüfen. Alles würde sich schließlich zum Guten fügen müssen. Am 19. Dezember 1710 erklärte Karl XII. seiner Schwester in einem neuen Brief aus Bender, er sei "überzeugt, daß es binnen Kurzem geschehen wird", daß "die Feinde ebenso wie früher zu Kreuze kriechen werden. Unser Herr wird Schweden wie ehedem so auch jetzt beistehen, so daß der Schaden, der nun einmal angerichtet ist, Schweden zu umso größerer Förderung und Ehre gereichen wird". 17 Diese Illusion, die derzeitige Situation werde sich schnell zu seinen Gunsten ändern, hielt Karl XII. für Jahre im türkischen Exil fest. Allerdings blieb dem schwedischen König, wollte er den Krieg fortsetzen, nun nur noch die Möglichkeit, in der Türkei das Bündnis mit der Pforte zu vereinbaren, das Land schleunigst zu verlassen und dann an der Spitze seiner Polenarmee die türkisch-schwedische Allianz durch eine Offensive im Nordosten zu festigen. Der türkische Großwesir tat zunächst alles, dem schwedischen Monarchen die Bereitschaft der Pforte zu kombinierten militärischen Aktionen vorzuspiegeln. Zu spät verstand Ali Tschurlili, daß dieser Herrscher Betrug nie verzieh, sich nicht mißbrauchen ließ, den türkischen Unterhändlern Vorteile in den Friedensverhandlungen mit Rußland zu sichern. Als zu Jahresbeginn 1710 der Großwesir dem hohen schwedischen Gast in Bender überraschend den Abschluß des Friedensvertrages mitteilte, ihn wissen ließ, seine Abreise solle nun möglichst bald geschehen, selbstverständlich ohne das vorher zugesicherte Heer, da hatte Ali Tschurlili selbst den eigenen Untergang eingeleitet. Der völlig unerwartete Triumph einer neuaufgestellten schwedischen Armee unter General Magnus Stenbock bei Helsingborg am Öresund über eine überlegene, Anfang des Jahres in Skane gelandete dänische Armee stärkte auch in Konstantinopel die schwedische Fraktion im Diwan, dem obersten Regierungsorgan der Pforte. Der Großwesir sei von den Russen bestochen worden, verlauteten bald Gerüchte im Serail, eifrig von Karls Vertrauten in der türkischen Hauptstadt weitergetragen. Wenig später

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sandte der Sultan seinem höchsten Beamten die berüchtigte Seidenschnur. Nachdem auch ein weiterer Großwesir wieder stürzte, erklärte der neue oberste Würdenträger; Mehemet Baltadschi, Rußland am 21. November 1710 den Krieg, tat das wenig glücklich, fürchtete aber das Schicksal Tschurlilis. Am Prut traf das türkisch-tatarische Heer im Juli 1611 auf Zar Peters Armee, umzingelte die russischen Truppen. Tatsächlich "hatte die Pforte in diesem Augenblick, wie niemals zuvor und zu keiner Zeit später, alle Trümpfe in der Hand. Es lag in ihrer Macht, Rußland, wenn nicht schon für immer, so doch für lange Zeit zu schwächen", 18 resümiert der Hallenser Historiker Erich Donnert wohl zu recht. Damals bot sich Schwedens "Alliertem"- es gab allerdings keinen Bündnisvertrag zwischen Karl XII. und dem Sultan Achmed III. - die Chance, die mit Poltava begonnene welthistorische Entwicklung zu stoppen, Schwedens gefährlichsten Gegner auszuschalten, Rußlands Aufstieg zur europäischen Großmacht aufzuhalten. Insofern war "Poltava kein irreparables Unglück", um eine Erkenntnis des schwedischen Historikers Nisbet Bain aufzugreifen, die jener bereits 1895 formulierte. Aber Baltadschi nutzte diese Möglichkeit nicht, wollte sie nicht nutzen. Wahrlich ein"Wunder" am Prut, wie die Zeitgenossen ironisch bemerkten, das "Miracel des Zaren Peter". Unwiderruflich dahin war die letzte große Chance Karls XII., den Erfolg Rußlands aufzuhalten, Zar Peters Sieg über die Großmacht Schweden zu verhindern, den Lauf der Geschichte noch einmal nach seinen Wünschen zu lenken. Vertan war- so können wir heute konstatieren - die Jahre im türkischen Exil. Ein weiteres Mal würde der große Zar solche Fehler nicht wiederholen. Spätestens jetzt hätte der schwedische Monarch in sein Reich zurückkehren müssen. Doch blieb Karl XII. weiterhin in Bender, in der Illusion gefangen, jetzt erst recht den großen Krieg der Türkei mit Rußland entfachen zu könne, wohl aus der gewohnten Unnachgiebigkeit heraus, keinerlei Zugeständnisse einzuräumen, den Zaren total vernichten zu müssen. Derweilen versank sein Reich weiter. Immer offensichtlicher wurde der Widerspruch zwischen Karls XII. Interessen und denen seines Volkes. Zu den populärsten Themen schwedischer Geschichtsschreibung zählen auch heute noch Darstellungen des sogenannten Handgemenges von Bender, der Kalabalik, wie es die Schweden nennen. Mit bemer-

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kenswerter ironischer Distanz verfilmten schwedische Regisseure diesen griffigen Stoff vor einigen Jahren. Es wurde ein Welterfolg, der vor allem aus der schonungslosen Entlarvung des Königs erwuchs. Einigen konservativen Historikern war die Kalabalik allerdings immer die Konsequenz des unbeugsamen Willens König Karls XII. und Ausdruck besonderer Pflichterfüllung sowie bewundernswürdiger T odesverachtung. Der Monarch hätte, wollte er nicht seinen Widersachern in Polen ausgeliefert werden, keine andere Wahl gehabt. Als Gefangener des Sultans sei er sicher gewesen, eine zweifelhafte Lesart. Es war wohl doch vor allem Starrsinn, unbegreifliche Arroganz und Verachtung der Türken. Auch glaubte der König, die Janitscharen würden das Lager nicht angreifen, überzeugt, er, Demir-Bachi, der Eisenkopf, sei auch den türkischen Soldaten ein unantastbares Ideal. Immer wieder hatten ihn diese Soldaten gefeiert, manchmal sogar gerufen, er solle ihr Pascha sein, sie zu großen Siegen gegen die Russen führen. Tatsächlich weigerten sich die Janitscharen, das Lager zu stürmen. Karl XII. triumphierte an jenem 31. Januar 1713. Am nächsten Morgen, während des Gottesdienstes der Schweden, erscholl dann aber vieltausendfach das "Allah-ill-akbar", stürmten die türkischen und tatarischen Soldaten ins Lager. Während die Mehrheit der Offiziere und Soldaten auf den Wällen sofort die Waffen streckte, verteidigte der Monarch das sogenannte Königshaus mit etwa 50 seiner Getreuen sieben Stunden lang. Mit der blanken Waffe in der Hand hatte er sich zum Haus durchgeschlagen, ein Schuß einen Teil seines Ohres weggerissen. Verbrecher zeichnete man in diesen Tagen in weiten Teilen Europas durch Verstümmelung der Ohren, welche Symbolik in diesem Schuß! Vielleicht traf es hier wirklich einen Schuldigen. Der König hatte seine Getreuen kaltblütig geopfert, er, der durch ein einziges Wort ihr Leben retten konnte, der Herrscher und Feldherr, dem sie blindlings vertrauten. War dies so etwas wie ein Urteil der Geschichte? Karl XII. war nun auch äußerlich ein Gezeichneter. Als der brennende Palast in der achten Stunde des ungleichen Gemetzels den Rest der Schweden mit ihrem König zum Ausfall zwang, verwickelte sich Karl XII. in seine Sporen, stürzte zu Boden, war endlich gefangen, vorüber das Handgemenge von Bender. Manche Historiker fühlten sich "an die alten Sagen", "an berühmte Bilder des altgermanischen Heldenzeitalters" erinnert. Ein deutscher

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Historiker, Otto Haintz, sah gar in Karl XII. den "Sieger", als der "Vorhang vor das großartige Schauspiel der Kalabalik gefallen war". 19 Der Sondergesandte der Seemächte, der Engländer Jefferyes, urteilte realistischer. Er könne nicht genug bedauern, wie traurig das Schauspiel ihm schien, "der früher diesen Fürsten in seiner größten Gloria und als Schrecken fast ganz Europas gesehen habe, ihn jetzt so tief gefallen zu sehen". 20 Der schwäbische Wissenschaftler J acob Stählin überlieferte in seiner berühmten Anekdotensammlung auch die Reaktionen Zar Peters. Er sehe, soll der russische Herrscher erschrocken auf die Neuigkeiten der Kalabalik bemerkt haben, daß Gott den schwedischen König verlassen habe. Zunächst im Schloß Demotika und seit April in Timurtasch bei Adrianopel verbrachte der schwedische König den größten Teil des Jahres 1713. Der Nachricht vom Sieg seiner Pommernarmee bei Gadebusch am 9. Dezember 1712 waren schnell die Kunde vom Einmarsch General Stenbocks in Holstein und endlich der Kapitulationsbericht von Tönningen gefolgt. Nur wenige Wochen später, am 5.Juni 1713, schloß Ali Pascha, nunmehr der siebente Großwesir seit Karls XII. Ankunft in der Türkei, einen auf 25 Jahre anberaumten Frieden mit Rußland. Endgültig gescheitert war damit der Versuch des schwedischen Herrschers, Zar Peter im Bündnis mit der Türkei zu entthronen. Am 15. März 1714 war General Liewen in Demotika bei Karl XII. eingetroffen, trug den Wunsch der Stände auf Rückkehr des Monarchen vor, eine unmißverständliche Forderung trotz der bittenden Worte. Mutig berichtete der alte General, daß viele Ständevertreter in Stockholm bereits ernsthaft einen Friedensschluß selbst gegen den Willen des Herrschers diskutierten, entsprechende anonyme Denkschriften in der Hauptstadt kursieren. Es drohe ein Bürgerkrieg und die Absetzung des fernen Königs. So willigte Karl XII. schließlich ein, ungehalten und grollend zwar, die Heimreise vorzubereiten. Auch die Pforte atmete befreit auf, als der schwedische König wissen ließ, er werde inkognito über die Besitzungen des Kaisers reisen, nicht auf der vereinbarten Eskorte durch Polen bestehen, die Türkei keine neuerlichen kriegerischen Verwicklungen fürchten müsse. Geehrt durch kostbare Geschenke und von einer Rieseneskorte seiner türkischen "Gastgeber" geleitet, brach Karl XII. am 20. Dezember 1714 von Demotika auf, reiste nach Pitesti an der Grenze der Habsburger Erblande. Hier traf er am 10. Oktober seine aus Bender heranmarschie-

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renden Truppenreste, die Höflinge und polnischen Getreuen, insgesamt 1162 Personen, organisierte deren Durchreise über Ungarn und Österreich nach Pommern. Immer wieder, weil orientalisch fremd anmutend, ist auch berichtet worden, daß eine Armee von Gläubigern aus Bender folgte. Noch Anfang dieses Jahrhunderts rechneten Historiker 60 bis 70 Vertreter jener Gruppe, die Ansprüche an den schwedischen Staat oder einzelne Schweden stellten. Solche Schilderungen reflektieren jene Atmosphäre voller Exotik, die in Schweden an "Tausend und eine Nacht" erinnerten, das Bild Karls XII. um einige weitere ungewöhnliche Farbtupfer bereichern sollten. Die Forschungen der Gegenwart reduzieren den Gläubigertroß auf 29 Türken, Juden und armenische Christen, die Karls XII. heimziehendes Gefolge bis in den Norden Europas begleiteten, dort teilweise auf Jahrzehnte blieben, vom schwedischen Staat mehr oder weniger großzügig versorgt. In der Nacht vom 10. zum 11. November klopften zwei angebliche Eilkuriere an die verriegelte Pforte des Tribseer Tors in Stralsund, begehrten, mit wichtiger Botschaft vor General Dücker, den Kommandanten, geführt zu werden. Niemand erwartete zu dieser Stunde bereits den Monarchen. Um Tage war der König der Nachricht von seiner Abreise voraus. Erst nach Stunden standen beide, der König und sein Adjutant, vor dem General. Todmüde nickte der Monarch wenig später am Tisch in der Badestube des Kommandanten ein, eine Viertelstunde nur, wie es einige Historiker ehrfurchtsvoll vermerken, solcherart andeuten, daß auch dieser König nicht frei von menschlichen Bedürfnissen war, doch andererseits sein mächtiger Wille eben nur wenige Minuten der Ruhe erlaubte ... einerlei, sicher ist, die Fußwunde von Poltava war aufgescheuert, die Beine geschwollen, so daß man dem König die Stiefel aufschneiden mußte. Zwei Wochen waren weder Karl XII. noch sein Begleiter aus Schuhwerk und Kleidern gekommen. Exakt 13 Tage und 4 1/2 Stunden dauerte die Reise. Die Strecke von Wien nach Stralsund waren beide in sechs Tagen geritten, etwa 1 500 Kilometer saßen sie im Sattel, durchschnittlich bewältigten Karl XII. und der Adjutant täglich 250 Kilometer. Karl XII. saß bereits am Nachmittag des 11. November wieder am Schreibpult und diktierte Briefe. Mag sein, daß die Zeitgenossen übertrieben, die königstreue Haltung des schwedischen Volkes glorifizierten. Für uns heute scheint es nahezu

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undenkbar, daß allein die Nachricht der Ankunft Karls XII. in Pommern die Volksmassen für kurze Zeit den Groll und die Unzufriedenheit vergessen ließ. Überall im Lande sollen die Menschen aufrichtig froh reagiert haben, als die Kunde eintraf. Ein naiver Königsglaube, offenbar tief verwurzelt im schwedischen Volk, wohl vor allem dem Ruf des Vaters geschuldet? Vermutlich dachten auch viele, der Held so zahlreicher siegreicher Schlachten würde nun, endlich heimgekehrt, jene Hoffnungen erfüllen, die man auf ihn so lange in der Erinnerung an jene glanzvollen Anfangsjahre seiner Herrschaftsperiode begründete. Außerdem saß die Überzeugung tief, nicht nur in Schweden, die Monarchie sei die beste, die gottesgefälligste Regierungsform, Grund genug also, daß man in Schweden jauchzte. Bald zeigte sich jedoch, Karl XII. dachte nicht daran, Schweden den lang ersehnten, dringend benötigten Frieden zu bringen. Er veranlaßte sofort Maßnahmen, die Rüstungen und Rekrutierungen zu beschleunigen, eine neue große Armee sollte formiert werden. So wuchs die Enttäuschung in Schweden schnell. Den Zeitgenossen und späteren Historikergenerationen wurde diese neue Periode im Leben Karls XII. gleichbedeutend mit dem Beginn der "Ära Görtz". Der geniale führende diplomatische Kopf HolsteinGottorps, Baron Heinrich von Görtz, traf im Dezember 1714 in Stralsund ein und gewann schnell das Vertrauen des Königs. Bald wurde er Karl XII. der wichtigste Mitarbeiter in der Entwicklung neuer Methoden der kriegswirtschaftlichen Reorganisation des Landes. Schon in Bender verfügte Karl XII. die Ausarbeitung der Grundlinien einerneuen Kanzleiordnung. Die bisherigen Entscheidungsbefugnisse des Kanzleikollegium in Stockholm wurden "Delegierten" des Königs zugeordnet. Die beabsichtigte Veränderung entsprach einer Form der Kabinettsminister-Regierung aller innen- und außenpolitischen Angelegenheiten des Landes und kam einer weiteren Entmachtung des Rates gleich. Baron Görtz erwies sich als der geeignete Mann, Karls Wünsche zur Umgestaltung der schwedischen Verwaltungsstruktur durchzusetzen. Zunächst vereinbarte er mit dem König einen Kontrakt für ein Jahr persönlicher Dienste für Karl XII. und verband sich, notwendige Gelder zur Aufrüstung des Landes zu beschaffen. König Karl XII. entschied sich zur gleichen Zeit, vorerst in Stralsund zu bleiben. So wollte er einerseits alle Gegner auf Schwedisch-Pommern lenken, Schweden eine Atempause sichern, glaubte andererseits, den

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europäischen Entscheidungen auf dem Kontinent näher als in Stockholm zu sein. Der Tod Ludwig XIV. am 1. September 1715 beraubte Schweden in diesen Tagen seines letzten mächtigen Verbündeten. Karl XII. sah voraus, daß König Friedrich Wilhelm I. von Preußen ins Feindeslager schwenken würde. Oberst Axel Löwen zeichnete nach dem pommerseben Krieg ein bilanzierendes Gespräch auf, in dem Karl XII. seine Moralauffassung umriß und Preußens Entscheidung verurteilte. "Haben Fürsten das Recht, Dinge zu tun, die für gewöhnliche Menschen unehrenhaft sind? Ich wäre nicht imstande und wenn es um zehn Königskronen ginge. Und wenn ich hundert Städte gewinnen könne, möchte ich es nicht auf die Weise tun wie der König von Preußen, als er sich Stettins und Hinterpommerns bemächtigte oder später, um das unrechtmäßig Erworbene zu behalten, sich ohne jede Berechtigung offen meinen Feinden anschloß" . 21 Handlungen dieser Art waren Karl XII. in der Tat unmöglich. Obwohl manche Historiker ihm im Zusammenhang mit dem Rußlandfeldzug auch Eroberungsabsichten unterstellen, in seiner Umgebung zweifellos an eine weitere Ausdehnung Schwedens im Baltikum gedacht wurde, sind Pläne und Methoden, wie sie der preußische König anwandte, dem schwedischen Monarchen nicht nachzuweisen, entsprachen auch nicht seiner Gedankenwelt. Es kann kein Zweifel sein, daß Karls XII. Verachtung für den hinterhältigen Preußenkönig ehrlich war, eine wirkliche Sinnesäußerung dieses Monarchen. Sein Wort und seine Ehre als König waren unantastbar. Seiner Schwester berichtete Karl XII. bereits am 2. Mai 1715, der "Brandenburger" beginne, "Händel mit uns zu suchen. Er hat bereits verschiedene Feindseeligkeiten verübt, noch ehe der Krieg schriftlich erklärt worden ist". 22 Zu dieser Zeit bereitete Friedrich Wilhelm die Besetzung der Inseln Wollin und Usedom vor, wünschte, sich seinerseits ein Stück aus dem "schwedischen Kuchen" herauszutrennen. Schon am 7. April vereinbarten Dänemark und Preußen, daß Stralsund und Rügen an die Dänen, Bremen und Verden an Hanover fallen, Preußen im Besitz Stettins verbleiben sollte. Um seinen Krieg zu rechtfertigen, ließ Preußens König in Wien erklären, Schwedens Monarch zeige "zu keinem Vergleiche im allergeringsten Neigung", seinem "blutdürstigen Gemüthe" entspreche der Kampf bis zum letzten Mann. 23 Karl XII. hatte jedoch angeboten, Schwedisch-Pommern nicht als Basis für einen Angriff auf Polen oder Sachsen zu nutzen, Preußen für bisherige Kosten zu entschädigen, um Friedrich Wilhelm I. nicht zu Kriegshandlungen zu provozieren.

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Umsonst, Sachsen, Preußen und Dänen marschierten in SchwedischPommern ein, zwangen Karl XII. zu einem verzweifelten Abwehrkampf. Am 12. Dezember fügte sich der schwedische König schließlich ins Unabänderliche, verließ über das Eis des Strelasunds seine Festung. Nach mehr als fünfzehn Jahren betrat der Herrscher wieder schwedisehen Boden, erreichteamspäten Nachmittag des 13. Dezember unerkannt Ystad, stieg in jenem Haus ab, das er im Oktober 1700 zwischen dem dänischen und dem russischen Siegeszug einige Tage bewohnte. Nun war er nicht mehr der hoffnungsvolle Jüngling, der auszog, europäische Geschichte zu diktieren, jetzt schrieben sie andere, war er ein Besiegter, dem die Feinde das Handeln aufzwangen. Nach einem ergebnislosen Norwegen-Feldzug 1716 sammelte Karl XII. im Herbst des Jahres seine Truppen zur Abwehr angekündigter Landeoperationen der Alliierten in Südschweden. Es liest sich jedoch wie ein Treppenwitz der Geschichte, daß der schwedische König ausgerechnet am 6. September 1716 in Lund eintraf, als Zar Peter Engländern und Dänen bekundete, für dieses Jahr sei es bereits zu spät, das Landungsunternehmen zu wagen. Zurück blieben verstimmte Engländer und empörte Dänen, als die Russen absegelten. Nicht wenige Kenner der schwedischen Geschichte vermuten, daß König Karl XII. eine Landung seiner Feinde direkt erhofft habe. Eine mit dem Rücken zur heimatlichen Hütte kämpfende, von ihm geführte schwedische Armee sollte wohl zu ähnlichen Leistungen fähig sein, wie es seinerzeit Karl XI. bei Lund und General Stenbock bei Helsingborg demonstrierten. Die Landung russischer Truppen, deren Kampfesweise in Finnland schreckliche Verwüstungen zurückließ, mußte den Widerstandswillen des schwedischen Volkes in besonderem Maße stimulieren. Zar Peter wußte wohl, daß der Schwedenkönig nicht besiegt und ein Angriff in der Höhle des schwedischen Löwen ein lebensbedrohliches Unterfangen blieb. Längst war den Koalitionspartnern klar geworden, daß ihre Hoffnungen Illusionen waren, Karl XII. könne nach dem Fall Stralsunds zu einem Verzichtsfrieden geneigter sein. So bröckelte das Bündnis schnell. Preußen erklärte, daß es zu einem Krieg in Schweden nicht bereit wäre. Ebenso zog sich August von Sachsen-Polen zurück. England-Hanover und Rußland wünschten ihrerseits, die Eroberungen möglichst in einem günstigen Friedensvertrag mit Karl XII. zu sichern und beideMächte waren bereit, die Interessen des anderen des eigenen Vorteils wegen zu opfern.

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Der schwedische König und Baron Görtz begriffen schnell die Chancen Schwedens, die rivalisierenden Feinde gegen einander auszuspielen. Mit der neugeschaffenen Armee wuchsen die Machtpositionen Karls XII. Sein Konzept eines günstigen Friedens nach einer neuerlichen, diesmal wohlvorbereiteten Waffendemonstration in Norwegen und der Drohung, wieder auf dem Kontinent zu landen, den Krieg dorthin zu tragen, bereitete den Boden für vorteilhafte Friedensangebote Rußlands und Englands. Die Jahre intensiver Vorbereitungen des schwedischen Angriffs 1718 auf Norwegen in Lund trugen nun Früchte. Manche der Biographen Karls XII. erschienen die Jahre des Königs in der südschwedischen Universitätsstadt fast wie eine "Idylle", die Bestätigung der großen Begabungen des Herrschers für Mathematik und Landeskultur, Beweis der Fähigkeiten, unter Friedensbedingungen das Erbe des Vaters zum Wohle des Landes fortzusetzen. Sich selbst einer eisernen Disziplin unterwerfend, begann der Monarch den Tag um 3.00 Uhr morgens mit Audienzen und Vorträgen seiner Beamten. Manchmal tagte er bis in die späten Abendstunden. Gewöhnlich ritt er bei jedem Wetter aus, kontrollierte wie früher die Rekrutierungen und Befestigungen der Umgebung. Der König besuchte des öfteren akademische Dispute, verfaßte selbst eine kleine philosophische Abhandlung im Geiste Thomasius, kam dabei Spinozas Lehrsätzen gefährlich nahe, so dicht, daß der Sekretär Carsten Feif von einer Veröffentlichung oder gar einer Zusendung an Thomasius abriet. Karl solle sich nicht als "Lehrjunge" des Thomasius ausweisen, argumentierte der geschickte Politiker. Feif fürchtete beunruhigende Reaktionen der orthodoxen schwedischen Geistlichkeit auf das offensichtlich aufklärerisch beeinflußte Denken des Monarchen. Obwohl tief religiös, neigte er wenigstens in den späteren Jahren, vielleicht aufgrundislamischer Erfahrungen, zur Toleranz. Sein Beichtvater in Lund, der Hofprediger Anders Rhyzelius, unterstrich auch später immer wieder, der König habe sich aufrichtig "Gott rechenschaftspflichtig" gewähnt. 24 Berichte norwegischer Bauern und Priester bestätigen ebenfalls die tiefe Gläubigkeit, das vollständige Aufgehen in Gebeten und Bibeltexten. Die Vorlesungen in lateinischer Sprache bereiteten Karl XII. keine Schwierigkeiten, er empfahl jedoch, sie einem breiteren Publikum in schwedischer Übersetzung anzubieten, interessierte sich damals sehr für etymologische Probleme der schwedischen Sprache. Auf Anregung Karls XII. begann der Physiker und Mathematiker Christopher Polhem im Januar 1718 mit den Arbeiten zum Götakanal,

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ein für Schwedens Wirtschaftsentwicklung außerordentlich wichtiges Projekt, das nach dem Tode des Königs abgebrochen, erst 1832 vollendet wurde. In Lund widmete sich Karl XII. besonders der Reorganisation der Armee. Er faßte die Regimenter zu Brigaden zusammen. Die bisherige Regimentsverfassung, wonach ein Regimentschef gleichzeitig ein höheres Kommando führen konnte, wurde aufgehoben. Zwei oder drei Regimenter waren nun als Brigade einem Generalleutnant unterstellt, diese Verbände wiederum zu Divisionen zusammengefaßt, ein permanenter Generalstab geschaffen. Mißt man Zar Peters Leistungen unter anderem auch an der Entwicklung der modernen russischen Armee und formuliert hier das Wort "genial", ist auch für Karls Neuformierung eine entsprechende Überlegung angebracht. Karl XII. erwies sich als lernfähig, förderte den Generalmajor Karl Cronstedt und dessen Projekt einer Reorganisation der schwedischen Artillerie. In den Jahren 1717 und 1718 wurden ein Artilleriekorps mit 3 380 Artilleristen aufgebaut, Verbesserungen durch die Einfuhr der "Einheitspatrone" mit einer Pergamenthülle von Ladung und Projektil erzielt, Cronstedts "Schnellschußgeschütz" in der Armee eingeführt. Der König ehrte seinen höchsten Kanonier im August 1718 mit der Ernennung zum Freiherrn. Umfangreiche- man muß es wohl so nennen- ideologische Vorbereitungen kennzeichneten die letzten Monate vor dem Angriff auf Norwegen, nachdem der Herrscher am 11. Juli 1718 Lund verlassen und nach Bohuslän geritten war. Immer wieder suchte Karl XII. Gespräche mit einfachen schwedischen und norwegischen Menschen, unterhielt sich mit den Bauern. Ein adelsstolzer Offizier vermerkte damals verächtlich in seinem Tagebuch, der Monarch habe mit einer alten Frau "geschwatzt", als wären sie beide alte teure Freunde. Den aus PoltavaGefangenschaft ausgewechselten deutschen Feldscher Schultz, der 1718 nach Strömstad reiste, Karl XII. persönlich danken wollte, empfing der Monarch mit dem deutschen Satz:"Wir erkennen Euch wieder!" 25 Und Feldscher Schultz ließ sich verklärten Gesichts umgehend erneut als Sanitäter einschreiben. Karl XII. wußte wahrlich seine Soldaten zu nehmen. Wenig später richtete der Schwedenkönig sein Hauptquartier in Tistedal nahe der norwegischen Festung Fredriksten ein. Schnell sollte es gehen, die kleine Festung mußte bald fallen, der Vormarsch auf Christiania, das heutige Oslo, war wichtiger.

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Und wieder versuchte der Monarch, durch das persönliche Beispiel die Schanzarbeiten vor den Außenforts des Fredrikstens zu beschleunigen, beaufsichtigte "Tag und Nacht in Regen und Kühle" die Arbeiten im Laufgraben, 26 wie ein zeitgenössischer Bericht vermeldet. Eigentlich wollte der König bereits am Morgen des 29. November den Befehl über die Sturmvorbereitungen an General Dücker übergeben. Er selbst wollte das Gros der Armee über den Glommen führen. Der Fall der Festung konnte nur noch eine Frage von wenigen Tagen sein. Da erreichte ihn die Nachricht, Baron Görtz sei unterwegs, ihn über dieVerhandlungenmit Rußland auf den Alandinseln zu unterrichten. So entschied der Herrscher, den Beginn der Schanzarbeiten an der neuen Linie, wenige hundert Meter von den Festungsmauern entfernt, am Abend des letzten Novembertages zu kontrollieren. Es sollte sein letzter Abend werden. Es war der erste Advent. Karl XII. hörte den Prediger am Vormittag und war nachmittags zum Adventsingen gegangen. Beim anschließenden Befehlsempfang baten die Generäle wieder einmal, der Monarch möge sich mehr schonen. Karl winkte ab, stieg aufs Pferd, schwenkte den Hut, "als wenn er Abschied von ihnen nehmen wollte", 27 wie sie später alle vermeinten. Vermutlich empfanden die Offiziere wirklich ähnliches in ihren Erinnerungen an jenes Ereignis, das schlagartig die Geschichte Schwedens veränderte, nicht auszuschließen, daß Karl XII. an diesem Adventsonntag selbst von besonderen Gefühlen bewegt war, sich der Größe bewußt war oder es doch demonstrieren wollte. Die Trasse der neuen Linie wurde markiert, der Anfang vom Ende der Festung Frediksten eingeleitet. Nach dem Eintreffen der Arbeitsmannschaft begab sich Karl XII. in eine Hütte in der Nähe der Laufgräben, nahm dort das Abendessen ein. Und wieder glauben einige Historiker, besonderes vermerken zu müssen. Der Monarch habe den Tafeldecker Johan Hultgren am Rockknopf gepackt, ihm gnädigen Tonfalls eröffnet, er werde jetzt zum Küchenmeister befördert. Sollte das wirklich ein Zufall sein, fragen diese Biographien? Doch ist sicher, daß Karl XII. versprach, er wolle den Wunsch des Tafeldeckers, darüber eine Urkunde zu erhalten, sofort bei seiner Rückkehr nach Tistedal erfüllen, wohl auch kein Beleg für Todesahnungen des Königs. Gegen 21.00 Uhr in den Laufgraben zurückgekehrt, fand der Monarch die Soldaten bei intensiver Arbeit. Um besser sehen zu können,

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die Grabenden durch seine Todesverachtung erneut anzufeuern, kletterte der König auf die Erdaufschüttungen des Laufgrabens, trat die Erde auf der inneren Seite fest, lag nun oben auf dem Wall, den Mantel ausgebreitet, den Kopf auf die Arme gestützt, frei und ungeschützt für feindliches Feuer. Man habe plötzlich "einen dumpfen Aufschlag" gehört, "als wenn ein großer Stein auf feuchte Erde fällt, und im seihen Moment sank der Kopf des Königs auf seinen Mantel nieder, während seine linke Hand kraftlos zur Seite fiel, obwohl sein Körper exakt in der gleichen Stellung wie vorher verblieb", 28 wie es der französische Ingenieur Philipp Maigrat 1723 niederschrieb, eine Version, die vieles offen ließ. Noch in der Todesnacht entschieden die Generäle den sofortigen Rückzug der schwedischen Armee. Dem Heer wurde verkündet, die Führung habe sichere Informationen über eine Invasion russischer und dänischer Truppen in Schweden, daher müsse die Belagerung sofort abgebrochen werden. Inzwischen trugen die Gardesoldaten Karls Leichnam nach U ddevalla, wo der Leibmedikus um die Weihnachtszeit den toten Körper einbalsamierte, ein Bildhauer die Totenmaske modellierte. Am 27. Januar erreichte der Trauerzug Schloß Karlberg bei Stockholm. Mehr als 18 Jahre waren vergangen, seit Karl XII. zum letzten Mal durch Stockholms Straßen geritten war. Nun kehrte er heim, anders, als es viele im Land erhofften, nicht mehr hoch zu Roß, still und für immer schweigend, wie es viele nun auch heimlich begrüßten. Mit höchsten militärischen Ehren wurde Schwedens bedeutendster Kriegerkönig am 27. Februar 1719 in der Riddarholmskirche bestattet. Schon damals waren Stimmen im Heer und im Volk laut geworden, der König sei durch Mörderhand gefallen, Äußerungen, die nie mehr verstummen sollten. Hier soll nicht dargestellt werden, welch heftige Kontroversen bis heute um die Einschußstelle und die Schußrichtung geführt werden. Es bleiben viele Ungereimtheiten in der Diskussion, deren Ende nicht abzusehen ist. "Einig sind sich alle, Befürworter und Gegner der Mordtheorie, das ,Rätsel wird wohl bleiben', wie Jan Peters 1981 zusammenfaßte". 29 Der Krieg der Generäle und des Erbprinzen Friedrich I. von HessenKassel sollte sich noch bis 1721 hinziehen, und erfolgreicher als Karl XII. 1718 waren die Militärs nicht. Gustav III. von Schweden war der Ahnherr "eher außergewöhnlich denn groß. Er hatte sicher nicht

252

Glanz und Elend der Großmacht Schweden

das richtige Eroberertemperament, das einfach auf den Gewinn von Territorien zielt. Karl XII. nahm Gebiete mit der einen Hand nur, um sie mit der anderen fortzugeben. Besser als Alexander, mit dem es ungerecht wäre ihn zu vergleichen, war er viel weniger gegenüber seinem Rivalen Peter in den Qualitäten, die einen großen Regenten machen, wie er ihn in jenen Qualitäten übertraf, die einen großen Helden machen". 30 Mit Alexander dem Großen verglich ihn auch einer, der es wohl wissen mußte. Der bis in unsere Tage nachwirkende Militärtheoretiker Carl von Clausewitz nannte ihn einen der "neuen Alexander", einen der "Vorläufer Bonapartes". 31 Kaum einer der berühmten Feldherrn der Weltgeschichte erzwang so viele überraschende Waffenerfolge, war seinen Soldaten so sehr Symbol der Unbesiegbarkeit wie dieser Herrscher. Wählt man die bekannte Formel, Genie ist zu 90 Prozent Fleiß, dann ist die Unbeirrbarkeit Karls XII., die Ausdauer und Willensstärke dieses Monarchen- selbst, wenn alles auf "Halsstarrigkeit" reduziert wird - ein überzeugender Beleg. Natürlich ist nicht zu leugnen, daß der schwedische König ebenso grausam Krieg führte wie andere Feldherren, seine Soldaten ihm letztlich nur Mittel zum Zweck blieben. Aber Karl XII. sagte eben nicht: Geht und macht! Er rief seinen Soldaten zu: Kommt mit und war der Erste. Diesem Credo seines ersten großen Biographel;l ist wohl wenig hinzuzufügen. Dem Land bekam nicht gut, was Karl XII. versuchte. Ihm die Schuld anzulasten, daß Schwedens Großmachtpositionen verloren gingen, scheint aber ungerecht. Er verteidigte, was nicht zu halten war. Und er war lange Zeit erfolgreich dabei.

Zeittafel der persönlichen Daten Karls XII. 17. 4. 1682

Geburt des Prinzen Karl in Stockholm

26. 3. 1693

Tod der Mutter, Ulrika Eleonora d. Älteren

5. 4. 1697 9. 11. 1697 14. 12. 1697

Tod des Vaters, Karls XI. von Schweden Einmütige Entscheidung der Stände für die Mündigkeitserklärung Karls XII. Krönung Karls XII. in Stockholm

24. 8. 1699

Geheimes Bündnis Dänemarks und Rußlands gegen Schweden

25. 9. 1699

Bündnis Dänemark und Sachsens gegen Schweden

11. 11. 1699

Bündnis Rußlands und Sachsens gegen Schweden

9. 3. 1700

Karl XII. erfährtauf der Jagd vomAngriff sächsischer Truppen auf Riga

14. 3. 1700

Karl XII. verläßt für immer seine Hauptstadt

25. 7. 1700

Landung Karls XII. auf Seeland

19. 8. 1700

Zar Peter erklärt in Moskau öffentlich Schweden den Krieg

20. 11. 1700 9. 7. 1701 14. 5. 1702 9. 7. 1702

Sieg Karls XII. bei N arva über die russische Armee Sieg Karls XII. an der Dwina bei Riga Einmarsch Karls XII. in Warschau Wahl Stanislaus Leszcynskis zum König von Polen und Großfürsten von Litauen

27. 8. 1706

Einmarsch Karls XII. in Sachsen

14. 9. 1706

Frieden von Altranstädt

27. 8. 1707

Abschiedsvisite Karls XII. bei König August in Dresden

4. 7. 1708 29. 9. 1708

Sieg Karls XII. über die russische Armee bei Holovzin Zar Peter vernichtet bei Lesnaja die schwedische Entsatzarmee unter General Lewenhaupt

Zeittafel der persönlichen Daten Karls XII.

254

1. 5. 1709 17. 6.1709 27./28. 7. 1709

Beginn der Belagerung Poltavas durch Karl XII. Verwundung Karls XII. an der Vorskla Niederlage Karls XII. bei Poltava

1. 8. 1709

Kapitulation der schwedischen Armee unter General Lewenhaupt bei Perevolotnaja nach Karls XII. Flucht über den Dnejpr

8.7.1709

Karl XII. erreicht die türkische Grenzfestung Otjakov

13. 7. 1711

Zar Peter unterzeichnet den Prut-Frieden, erlebt das "Wunder am Prut"

1. 2. 1713

Kalabalik in Bender und Gefangennahme Karls XII. durch das türkisch-tatarische Heer

14. 12. 1713

Eröffnung eines Krisenreichstages in Stockholm gegen den Willen Karls XII.

20. 9. 1714

Aufbruch Karls XII. aus dem türkischen Exil in Demotika

27. 10. 1714

Beginn des legendären Rittes Karls XII.

10. 11. 1714

Ankunft Karls XII. und seines Begleiters in Stralsund

5. 11. 1715 12. 12. 1715

Niederlage Karls XII. bei Groß-Stresow auf Rügen gegen die dänisch-preußischen Truppen Karl XII. verläßt Stralsund über das Eis

26. 2. 1716

Karl XII. marschiert in Norwegen ein

18.4.1716

Karl XII. muß Christiania (Oslo) wieder räumen

6. 9. 1716 11. 7.1718 Oktober 1718 30. 11. 1718 27. 2. 1719

Karl XII. beginnt in Lund mit den Vorbereitungen eines neuen Norwegen-Feldzuges Karl XII. reitet zur norwegischen Grenze Beginn der Belagerung des Fredikstens Tod Karls XII. im Laufgraben vor dem Frediksten Bestattung Karls XII. in der Riddarholmskirche in Stockholm

Anmerkungen Vorbemerkung 1

Erik Gustav Geijer, Svenska folkets historia, Bd. 3, Malmö 1929, S. 373.

Ein Reich drängt nach Europa

Olaus Magnus, Historia om den Nordiska folken, Malmö 1982, S. 178. Ebd., Vorwort. 3 Ebd., S. 266. 4 Ebd. 5 Ebd., S. 107. 6 Ebd., S. 276. 7 A. S. Kan, Geschichte der skandinavischen Länder (Dänemark, Norwegen, Schweden), Berlin 1978, S. 50 I Jan Peters, Die alten Schweden. Über Wikingerkrieger, Bauernrebellen und Heldenkönige, Berlin 1981, S. 47. 8 Peters, S. 47. 9 Ebd. 1o Svenska riksriidets protokoll, 1680, S. 290-311. 1

2

Gustav Vasa - Einiger Schwedens 1 2

3

4 5 6 7 8

Den svenska historien, Bd. 3, Stockholm 1987, S. 204. Ebd., S. 205. Ebd. Ebd., S. 207. Ebd. Ebd., Bd. 4, Stockholm 1987, S. 36. Ebd. Ebd.

Anmerkungen

256

9 Peder Svart, Gustav Vasa Krönika, utg. av Gunnar T. Westin, Stockholm 1964, 37. 10 Ebd., S. 39.

s.

Den svenska historien, Bd. 4, S. 17. Peder Svart, S. 90- 91. 13 Carl Grimberg, Svenska folkets underbara öden, Bd. 2, Stockholm 1924, s. 36. 14 Ebd., S. 37. 11

12

15 16 17

18

19

20 21 22 23

24

25 26 27

28 29

3o 31 32 33

34 35 36 37

38 39

Den svenska historien, Bd. 4, S. 23. Ebd., S. 75-76. Ebd., S. 76. Ebd. Ebd., S. 78. Ebd. Ebd., S. 79. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 25. Ebd., S. 26. Ebd., S. 81. Peter Svart, S. 184. Den svenska historien, Bd. 4, S. 115. Ebd., 5.115-116. Ebd., S. 118. Peder Svart, S. 114. Den svenska historien, Bd. 4, S. 47. Ebd., S. 47. Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.

S. 159. S. 31 . S. 151. S. 170.

4o Ebd., S. 171.

Anmerkungen

257

Erik XIV. - ein frühabsolutistischer Herrscher im Kampf mit seinem Hochadel Peters, S. 80. Ebd., S. 81. 3 Den svenska historien, Bd. 4, S. 177. 4 Ebd., S. 178. 5 Ebd. 6 Ebd. 7 Ingvar Andersson. Erik XIV., Stockholm 1963, S. 19. 8 Grimberg, Bd. 2, S. 263. 9 Den svenska historien, Bd. 4, S. 178. to Grimberg, Bd. 2, S. 273. II Ebd. 12 Den svenska historien, Bd. 5, Stockholm 1988, S. 10. 13 Grimberg, Bd. 2, S. 276. t4 Ebd. t5 Ebd., S. 327. t6 Ebd., S. 318. 17 Den svenska historien, Bd. 4, S. 180. Siehe auch Grimberg, Bd. 2, S. 329 u. 334. 18 Den svenska historien, Bd. 4, S. 180. t9 Ebd., Bd. 5, S. 17. 1

2

Von Adels Gnaden. Johan 111., Gustav Vasas zweiter Sohn, König von Schweden Den svenska historien, Bd. 5, S. 18. 2 Ebd. 3 Grimberg, Bd. 2, S. 240. 4 Den svenska historien, Bd. 5, S. 18. 5 Ebd. 6 Ebd., S. 38. 7 Ebd., S. 40. 8 Ebd. 9 Ebd., Bd. 4, S. 202. to Ebd., Bd. 5, S. 69. II Grimberg, Bd. 2, S. 400. t

Anmerkungen

258

Ebd. o Ebd., S. 401. 14 Ebd., S. 373. 1s Den svenska historien, Bd. 5, S. 19. 16 Ebd., S. 51 -52. 11 Ebd., S. 54. 18 Ebd., S. 58. 19 Ebd., S. 44. 20 Ebd., S. 45. 21 Ebd., S. 20. 22 Grimberg, Bd. 2, S. 404. 12

Ein König ohne Land. Sigismund von Polen, König in Schweden "mit Vorbehalt" Grimberg, Bd. 2, S. 415. Ebd., S. 418. 3 Ebd., S. 419-420. Siehe auch Den svenska historien, Bd. 5, S. 70-71. 4 Grimberg, Bd. 2, S. 420. 5 Den svenska historien, Bd. 5, S. 74. 6 Ebd., S. 73. 7 Ebd., S. 74. Siehe auch Grimberg" Bd. 2, S. 426. 8 Grimberg, Bd. 2, S. 427. 9 Ebd. 10 Ebd., S. 426. 11 Den svenska historien, Bd. 5, S. 72-73. 12 Ebd., S. 75. 13 Ebd., S. 76. 14 Sendschreiben aus Dalarna, in: Felix Berner, Gustav Adolf, der Löwe aus Mitternacht, Stuttgart 1985, S. 69. 15 Polen. Ein geschichtliches Panorama, Warzawa 1983, S. 75. 1

2

Ein Ursurpator auf dem Thron. Herzog Karl, der spätere König Karl IX. 1

2

Grimberg, Bd. 2, S. 461. Ebd., S. 469.

Anmerkungen

259

Ebd., S. 477. 4 Geijer, Bd. 3, S. 338. Siehe auch Den svenska historien, Bd. 5, S. 94-95. 5 Geijer, Bd. 3, S. 330-331. 6 Grimberg, Bd. 2, S. 483. 1 Ebd., S. 495. 8 Den svenska historien, Bd. 5, S. 80- 81. 9 Grimberg, Bd. 2, S. 506. to Ebd., S. 508. II Ebd. 12 Ebd., S. 510. 13 Ebd., S. 511. t4 Ebd., S. 530. 15 J. Öhquist, Das nordische Dreigestirn, Gustav Vasa, Gustav li. Adolf, KarlXII., Stuttgart 1941, S. 103. t6 Grimberg, S. 539. 3

Gustav li. Adolf. König der Großmacht Schweden Grimberg, Bd. 2, S. 109. Ebd. 3 Ebd. 4 Günter Barudio, Gustav Adolf der Große. Eine politische Biographie, Frankfurt IM. 1985, S. 181. 5 Ebd., S. 117. Siehe auch Svenska riksddets protokoll, 1643, S. 160. 6 Den svenska historien, Bd. 5, S. 102-103. 7 Grimberg, Bd. 3, S. 49. 8 Ebd., S. 50. 9 Barudio, S. 227. to Ebd., S. 254. II Grimberg, Bd. 3, S. 62. 12 Ebd., S. 64. t3 Den svenska historien, Bd. 5, S. 150. t4 Berner, S. 363. 15 Grimberg, Bd. 2, S. 539 I Berner, S. 94 I Öhquist, S. 104. t6 Grimberg, Bd. 3, S. 6. t7 Berner, S. 104. t

2

260

Anmerkungen

Ebd., S. 111. 19 Christina, Självbiografi och aforismer, utg. av Marianne Rappe och Magnus von Platen, Stockholm 1957, S. 21, bes. 56. 20 Barudio, S. 153. 21 Ebd.; siehe auch Berner, S. 153 I Grimberg, Bd. 3, S. 19. 22 Sven Stolpe, Königin Christine von Schweden, Frankfurt I Main 1962, S. 48 I Grimberg, Bd. 3, S. 205. 23 Berner, S. 305. 24 Alfred Otto Schwede, Gustav Il. Adolf von Schweden. Ein Lebensbild, Berlin 1982, Vorwort, S. 2. 25 Berner, S. 395. 26 Peters, S.116-117. 27 Ebd., S. 117. 28 Berner, S. 357. 29 Gustav Droysen, Gustav Adolf, 2 Bde, Leipzig 1869 I 70, zit. nach Berner, s. 357. 30 Berner, S. 375. Siehe die umfangreiche Gesprächsschilderung bei Grimberg, Bd. 3, S. 93- 94. 31 Bogislaff Phillipp von Chemnitz, Königlichen Schwedischen in Teutschland geführten Krieges erster Theil, Stettin 1648, S. 38. 32 Berner, S. 414. 33 Ebd., S. 412. 34 Ebd., S. 414. 35 Ebd., S. 415-416. 36 Ebd., S. 409. 37 Ebd., S. 463. Siehe auch Den svenska historien, Bd. 5, S. 168-169. 38 Den svenska historien, Bd. 5, S. 169. 39 Peters, S. 124. 40 Schwede, S. 171. 41 Öhquist, S. 172. Siehe auch Schwede, S. 171 I K. Pfister, Königin Christina. Mensch, Staat und Kultur der Welt des Hochbarocks, München 1949. Dort wird ein Brief des schwedischen Diplomaten Adler Salvius vom 24. 10. 1631 zitiert. Siehe S. 18. Kurfürst Johann Georg von Sachsen habe sich nach der Schlacht bei Leipzig "präsentiert als derjenige, der treulich raten und helfen wolle, daß Seiner Majestät die Römische Krone auf das Haupt gesetzt werde". Auch wird weiter behauptet, Gustav II. Adolf habe Frankreich die "Annektion des linken Rheinufers" angeboten, "Wenn man seine Kaiserwahl unterstütze. Richelieu lehnt aber ab". 42 Berner, S. 505. 18

Anmerkungen

261

Öhquist, S. 189. 44 Ebd., S. 184. 45 Den svenska historien, Bd. 5, S. 154. 46 Öhquist, S. 172. 47 Berner, S. 491-492. 48 Ebd., S. 497. 49 Gala Mann, Wallenstein. Sein Leben erzählt von ... , Bd. 2, Berlin 1989, s. 205. 5o Ebd. 51 Berner, S. 522. 52 Ebd., S. 548. 53 Ebd., S. 549. 54 Den svenska historien, Bd. 5, S. 194. 55 Barudio, S. 609. 56 Mann, Bd. 2, S. 224. 57 Den svenska historien, Bd. 5, S. 195. 5s Ebd., S. 154. 59 Berner, S. 568. 60 Droysen, zit. nach Berner, S. 537. 61 Franz Mehring, Gustav Adolf. Ein Fürstenspiegel zu Lehr und Nutzen der deutschen Arbeiter, Berlin 1908, S. 57. 62 Mann, Bd. 2, S. 232. 63 Berner, S. 576. 64 Christina, Självbiografi, S. 17. 65 Richard van Dülmen, Entstehung des frühneuzeitlichen Europa. 11501648 (Fischer Weltgeschichte, 24), Frankfurt I Main 1982, S. 406. 43

Christina. Eine Königin sucht ihren Platz in der Geschichte Christina, Självbiografi, S. 68. Ebd., S. 45. 3 Ebd., S. 68. 4 Stolpe, S. 115. 5 Ebd. 6 Bulstrode Whitelockes Dag-Bok öfver dess Ambassade till Sverige aren 1653 och 1654, oversatt ifran Engelskan, Uppsala 1777, S. 492. 7 Ebd., S. 194. t

2

262

Anmerkungen

8 Georgina Masson, Christina von Schweden, Königin zwischen Stolz und Tragik, München 1983, S. 377.

Christina, Självbiografi. Zitat nach Stolpe, S. 15-16. 11 Ebd., S. 18. 12 Christina, Självbiografi, S. 58. 13 Zitat nach Stolpe, S. 16-17. 14 Ebd., S. 17. 15 Ebd., S. 16. 16 Christina, Självbiografi, S. 23-24. 17 Stolpe, S. 38. 18 Masson, S. 17.

9

10

Stolpe, S. 58-59. Siehe dort auch S. 93. Christina, Självbiografi, S. 25 und 58. 21 Zit. nach Den svenska historien, Bd. 6, S. 139. 22 Zitat nach Stolpe, S. 61-62. 23 Stolpe, S. 86. 24 Ebd., S. 89-91. 25 Ebd., S. 73. 26 Whitelockes Dag- Bok, S. 311. 27 Christina. Brev fran sex decennier. Urval och översättning av Sven Stolpe, Stockholm 1960, S. 35. 2s Ebd., S. 40. 29 Ebd., S. 47. 30 Liane von Gentzkow, Christine Wasa. Das Lebensbild einer nordischen Frau, Berlin, Leipzig, 1935, S. 141. Siehe auch Alfred Neumann, Königin Christine von Schweden, Leipzig I Wien 1935, S. 15, der betonte, Christina war "von einer sehr aktiven, wenn auch zum eigenen Geschlecht hinneigenden Sexualität". 31 Stolpe, S. 82- 83. 32 Ebd., S. 180. 33 Masson, S. 104. Siehe auch Stolpe, S. 169, 171 und 174-176. 34 Stolpe, S. 101. 35 Ebd., S. 107. 36 Ebd., S. 149. 37 Ebd., S. 138. 38 Ebd., S. 150. 19

20

Anmerkungen

263

Ebd., S. 160. 40 Ebd., S. 169. 41 Stolpe, S. 169. 42 Ebd., S.114-115. 43 Whitelockes Dag-Bok, S. 328. 44 Johannes Arckenholz, Historische Merkwürdigkeiten, die Königin Christina von Schweden betreffend, zur Erläuterung der Geschichte ihrer Regierung und insonderheit ihres Privatlebens ... , Bd. 1, Leipzig I Amsterdam 1751, 60-61. 45 Den svenska historien, Bd. 6, S. 145. 46 Ebd., S. 131. 47 Ebd. 48 Zit. nach Masson, S. 335. 49 Ebd., S. 236. Siehe auch Neumann, S. 316, der vom "versuchten Hochverrat" spricht. 50 Den svenska historien, Bd. 6, S. 132. 51 Masson, S. 136. 52 Stolpe, S. 263 I Genzkow, S. 108. 53 Neumann, S. 312. Siehe auch Gentzkow, S. 144. 54 Christina. Självbiografi, S. 6. 39

s.

Karl X. Gustav Mehr als ein "Condottiere" Masson, S. 90. 2 Den svenska historien, Bd. 7, S. 9. 3 Ebd., S. 8. 4 Grimberg, Bd. 3, S. 553. 5 Den svenska historien, Bd. 7, S. 9. 6 Grimberg, Bd. 3, S. 549. 7 Den svenska historien, Bd. 7, S. 9. 8 Zit. nach Stolpe, S. 201. 9 Klaus Zernak, in: Handbuch der europäischen Geschichte, hrsg. v. T. Schieder, Bd. 4, Stuttgart 1968, S. 512. 10 Ebd., S. 515. 11 Grimberg, Bd. 3, S. 557. 12 Den svenska historien, Bd. 7, S. 14. I

Anmerkungen

264

Ebd., S. 17. 14 Ebd., S. 28. ts Ebd. 16 Ebd. 17 Ebd., S. 18. 18 Grimberg, Bd. 3, S. 594. 19 Ebd., S. 594. Siehe auch die deutsche Übersetzung in einem Bd., S. 464. 20 Grimberg, Bd. 3, S. 596. 21 Den svenska historien, Bd. 7, S. 23. 22 Grimberg, Bd. 3, S. 599. 23 Ebd. 24 Den svenska historien, Bd. 7, S. 24. 13

"König von Gottes Gnaden", Karl XI. Den svenska historien, Bd. 7, S. 92. Ebd. 3 Ebd., S. 81. 4 Grimberg, Bd. 4, S. 144. Siehe auch Den svenska historien, Bd. 7, S. 88. s Svenska riksradets protokoll, 1680, S. 37 ff. 6 Kan, S. 75. 7 Svenska riksradets protokoll, 1682, S. 20 ff. 8 Barudio, S. 55. 9 Ebd., S. 55. 10 Nils Bain, Charles XII and the collapse of the Swedish empire 1682-1719, N ew York I London 1895, S. 21. 11 Ebd., S. 26. 12 Frans G . Bengtsson, Karl XII., Stuttgart 1957, S. 25. 1

2

Glanz und Elend der Großmacht Schweden Karl XII., der Kriegerkönig 1 2

Bain, S. 49. E. Carlson, Die eigenhändigen Briefe König Karls XII., Berlin 1894,

S.XIX. 3 Peters, S. 138.

Anmerkungen

265

Jöran Nordberg, Leben Carls des Zwölften, Königs in Schweden, Bd. 1, s. 133. 5 Alf Aberg I Göte Göransson, Karoliner, Höganäs 1967, S. 94. 6 Ebd., S. 98. 7 Nordberg, Bd. 1, S. 271. 8 Peters, S. 144. 9 Grimberg, Bd. 4, S. 63-64. 10 Ebd. II Anders Fryxell, Lebensgeschichte Karls des Zwölften, Braunschweig 1861, s. 210. 12 Bengtsson, S. 445. Siehe auch Aberg, S. 156. 13 Carlson, S. 94. 14 Ebd., S. 96-97. 15 Ebd., S. 96. 16 Ebd. 11 Ebd., S. 103. 18 Erich Donnert, Peter der Große, Leipzig 1988, S. 87. 19 Otto Haintz, König Karl XII. von Schweden, Bd. 2, Berlin 1958, S. 138140. 20 Ebd., S. 140. 21 Bengtsson, S. 550. 22 Carlson, S. 140. 23 Nordberg, Bd. 2, S. 625. 24 Ragnhild Hatton, Karl XII av Sverige, Köping 1985, S. 489. 25 Ebd., S. 540. 26 Ebd., S. 549. 27 Aberg, S. 163-164. 28 Bain, S. 299. 29 Jörg-Peter Findeisen, Karl XII. von Schweden. Ein König, der zum Mythos wurde, Berlin 1992, S. 245. Siehe dort auch die ausführliche Darstellung der Mordtheorie, S. 238-245. 30 Bain, S. 314. 31 Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Bonn 1952, S. 149. 4

o. 0. 1745,

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