Das Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften: Kommentar zum praktischen Gebrauch für Juristen und Genossenschaften [11., neubearb. Aufl. Reprint 2020] 9783111574677, 9783111202617


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German Pages 613 [616] Year 1928

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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auslage
Vorwort zur vierten Auflage
Vorwort zur achten Auflage
Vorwort zur neunten Auflage
Vorwort zur zehnten Auflage
Vorwort zur elften Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Ergänzungen
Einleitung
Erster Teil. Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
Erster Abschnitt. Errichtung der Genossenschaft
Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältnisse der Genossenschaft und der Genossen
Dritter Abschnitt. Vertretung und Geschäftsführung
Vierter Abschnitt. Revision
Fünfter Abschnitt. Ausscheiden einzelner Genossen
Sechster Abschnitt. Auflösung und Nichtigkeit der Genossenschaft
Siebenter Abschnitt. Konkursverfahren «ad Haftpflicht der Genossen
Achter Abschnitt. Besondere Bestimmungen
Neunter Abschnitt. Strafbestimmungen
Zehnter Abschnitt. Schlußbestimmungen
Gesetz, betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889, sowie den Geschäftsbetrieb von Konsumanstalten
Notgesetze und Notverordnungen
Verfahrensordnung der Genossenschaftlichen Einigungsstelle
Steuergesetzgebung und Genossenschaften
Zweiter Teil
Dritter Teil. Bekanntmachungen
Sachregister
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Das Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften: Kommentar zum praktischen Gebrauch für Juristen und Genossenschaften [11., neubearb. Aufl. Reprint 2020]
 9783111574677, 9783111202617

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Das Reich s g esetz, betreffend die

Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Kommentar zum praktischen Gebrauch

für Juristen und Genossenschaften Bis zur dritten Auflage herausgegeben von

Ludolf Parisius u. Dr. Hans Criiger

Elfte, neubearbeitete Auflage

von

Dr. Kans Krüger, Dr. Adolf Krecelius und Kammergerichtsrat AriH Kitron

Berlin und Leipzig 1928

Walter de Gruyter & Co. vormalS G. I. Göfchen'fche DerlagShandlung — I. Guttentag, Verlags­ buchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit & Comp.

Druck von C- Schulze * Co-, G.m. b. H., Gräfenhainichen.

Vorwort zue erste« Auslage. Nachdem ich 1868 und 1876 im Berlage von I. Guttentag zu Berlin Kommen­ tare zum preußischen Genossenschaftsgesetze vom 27. März 1867 und zum norddeutschen Genossenschaftsgesetze vom 4. Juli 1868 herausgegeben hatte, erklärte ich mich auf Er­ suchen der Verlagshandlung im voraus gern bereit, auch das neue Gesetz zu kommen­ tieren. Aber die genaue Kenntnis des Entwurfs und seiner Abweichungen vom bisherigen Gesetz ließ es mir von vornherein mehr als zweifelhaft erscheinen, ob ich einen ausführ­ lichen, gründlichen Kommentar werde so zeitig Herstellen können, daß er beim Inkraft­ treten des Gesetzes fertig vorliege. Ich war deshalb erfreut, in der Person des Herrn Gerichtsassessors Dr. jur. Hans Crüger, welcher seit drei Jahren die Stelle des ersten Sekretärs der Anwaltschaft des Allgemeinen Verbandes der deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften verwaltet, einen Mitarbeiter zu gewinnen, der reiche Gelegenheit hatte, die Rechtsverhältnisse und wirtschaftlichen Bedürfnisse zahlreicher und verschiedenartiger Genossenschaften kennenzulernen. Unsere gemeinsame Arbeit wurde durch die erheblichen Veränderungen, die der Gesetzentwurf im Reichstage erfuhr, wider Erwarten erschwert. Dennoch konnte die den eigentlichen Kommentar bereits im September 1889, also vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, versenden. Im Einverständnis mit uns versprach sie dabei, Einleitung, Sachregister und die von uns zur Vollständigkeit des Kommentars für unentbehrlich erachteten, im § 171 Abs. 2 des Gesetzes angekündigten Bekannt­ machungen der Zentralbehörden der Einzelstaaten in vier bis fünf Wochen nachzuliefern. Es war vorausgesetzt, daß diese Bekanntniachungen, die nach dem Reichsgesetz vor dem 1. Oktober 1889 zu erwarten waren, spätestens Mitte Oktober allesamt vorliegen würden. Diese Voraussetzung traf nicht zu. Insbesondere blieb Preußen mit seiner Bekanntmachung, auf deren Abdruck wir Wert zu legen hatten, im Rückstände. In­ zwischen war die erste Ausgabe des im September versendeten Kommentars bereits so weit vergriffen, daß Anfang Dezember 1889 ein zweiter unveränderter Neudruck bewirkt werden mußte. Die preußische Bekanntmachung ist im Reichsanzeiger erst am Weihnachtsabend erlassen. Die Verzögerung gestattete, im Nachtrage einige wichtige praktische Erfahrungen aus dem ersten Vierteljahre der Gültigkeitsdauer des neuen Gesetzes mitzuteilen. Charlottenburg, den 12. Januar 1890.

Ludols Parisius.

Vorwort zur vierte« Auflage. Die Bearbeitung der neuen Auflage lag mir allein ob; am 11. März 1900 hat der Tod das arbeitsreiche Leben Ludolf Parisius zum Abschluß gebracht. Parisius gehört zu den Pionieren des deutschen Genossenschaftswesens und hat zeitlebens einen großen Teil seiner reichen Arbeitskraft in den Dienst der Genossenschaften gestellt; neben Schulze-Delitzsch hat er an der Ausgestaltung und Ausbildung der deutschen Genossenschaftsgesetzgebung und des deutschen Genossenschaftsrechts den hervorragendsten Anteil. Ein tüchtiger Jurist uud tiefer Kenner des Genossenschaftswesens sowohl in der Praxis als auch in der Theorie, war Parisius der geborene Kommentator der deutschen Genossenschaftsgesetzgebung.

IV

Vorwort.

Ich habe an der Anordnung des Werkes nichts geändert: es ist auf Grund der inzwischen ergangenen reichhaltigen Rechtsprechung, die, wie in den früheren Auflagen stets auch kritisch gewürdigt ist, und nach den Erfahrungen und Beobachtungen aus der Praxis der deutschen Genossenschaften der neuen Bearbeitung unterzogen.

Charlottenburg, im April 1903.

Dr. HanS Crüger.

Vorwort zur achten Anflage. Die neue Auflage bietet schon äußerlich eine wesentlich veränderte Anordnung und Behandlung der Erläuterungen. Die Anmerkungen haben eine übersichtlichere Gestaltung dadurch erfahren, daß sie in Unterabschnitte zerlegt sind. Die systematische Bearbeitung der wichtigsten Fragen ist weiter durchgeführt. Einzelne besonders wichtige Materien sind im Zusammenhang behandelt, vgl. z. B. bei § 1 die Definition der Ge­ nossenschaft, bei § 7 Geschäftsanteil und Geschäftsguthaben, bei § 15 Erwerb der Mit­ gliedschaft, bei § 33 die Bilanz, bei § 48 Nichtigkeit, Anfechtbarkeit, Richtigstellung der Bilanz, bei § 105 Nachschußpflicht. Weiter als in früheren Auflagen ist auf das einschlägige bürgerliche Recht zurückgegangen. Die Praxis der genossenschaftlichen Arbeit hat seit der Ausgabe der 7. Auflage im Jahre 1911 wiederum zu einer großen Zahl von Auslegungsfragen geführt. Immer neue Rechtsverhältnisse entstehen mit der von Jahr zu Jahr fortschreitenden Anwendung der Gesellschaftsform der Genossenschaft, zum Teil auch auf Gebieten, für die sie nach der Absicht des Gesetzes schwerlich bestimmt war. Die Erläuterungen haben infolge­ dessen eine wesentliche Vermehrung erfahren. Um den Kommentar an Umfang nicht noch weiter erheblich anwachsen zu lassen, ist mit der Fortlassung der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Gesetzesbestimmungen so weit fortgefahren, daß sie nur noch an ganz vereinzelten Stellen insofern berücksichtigt ist, als sie zum Verständnis des Gesetzes notwendig erscheint. Von sehr weitgehendem Einfluß auf die Rechtsprechung zum Genossenschafts­ gesetz ist die durch das Gesetz vom 22. Mai 1910, betreffend Zuständigkeit des Reichsgerichts, erfolgte Erhöhung der Revisionssumme. Seitdem weisen die Sammlungen der Reichs­ gerichtsentscheidungen nur selten noch eine Entscheidung auf, die sich mit der Auslegung des Genossenschaftsgesetzes befaßt. Es wird diese Beschränkung in der Praxis vielfach bedauert, da in einigen sehr wichtigen Fragen Reichsgerichtsentscheidungen aus den früheren Jahren vorliegen, von denen erwartet werden konnte, daß sie einer Nach­ prüfung unterzogen werden würden, wenn das Reichsgericht wieder Gelegenheit haben sollte, zu der Frage Stellung zu nehmen. Es sei an dieser Stelle auf meinen Aufsatz „Die Rechtsprechung zum deutschen Genossenschaftsgesetz" in der „Zeitschrift für das gesamte Handels -und Konkursrecht (LXXII. Bd. 1 und 2. Heft) und die dort behandelten Fragen Bezug genommen (vgl. auch den Kommentar § 7 Anm. 30ff.). Diese umfangreiche Neubearbeitung des Kommentars war mir nur möglich, da der Anwaltsstellvertreter des Allgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes, Herr Rechtsanwalt Crecelius, sich dafür zur Verfügung gestellt hatte. Herr Rechtsanwalt Crecelius war von Oktober 1908 bis Juni 1910 erster Sekretär des Allgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes und war im September 1913 als ständiger Vertreter des Anwalts in die Anwaltschaft des Allgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes cingetreten. Umfangreiche Gesetzeskenntnis, scharfes juristisches Verständnis, reiche Erfahrungen in der Praxis des wirtschaftlichen Lebens, besonders der Genossenschaften, haben Herrn Crecelius mir zu dem denkbar geeignetsten Mitarbeiter in dem Kommentar zum Genossenschaftsgesetz gemacht. Bei Beginn des Krieges, als Herr Crecelius dem Ruf zur Fahne folgte, lag das Manuskript abgeschlossen vor.

Vorwort.

V

Der Druck ging naturgemäß während des Krieges nur langsam vor sich. Zeit­ weise schien es überhaupt zweifelhaft, ob es zweckmäßig wäre, den Druck fortzusetzen, oder ob nicht erst abgewartet werden sollte, inwieweit Kriegsnotgesetze das Genossenschaftsgesetz berühren — ob die wirtschaftlichen Begleiterscheinungen des Krieges für die Genossenschaften wichtige Rechtsfragen bringen würden. Im Einverständnis mit der Verlagsbuchhandlung wurde der Druck fortgesetzt, weil die 7. Auflage vollständig vergriffen war. In dem ersten Teil auf Seite 580ff. sind die zu dem Genossenschaftsgesetz er­ gangenen Kriegsnotgesetze mitgeteilt. In den „Ergänzungen" (S. XII) ist auf die Be­ stimmungen des Genossenschaftsgesetzes verwiesen, die durch die Kriegsnotgesetze be­ troffen sind. Weitere einschneidende Kriegsnotgesetze zum Genossenschaftsgesetz sind nicht zu erwarten. Wahrscheinlich dürfte nur noch eine weitere Vorlage betr. die Re­ visionsfrist (§ 53 Seite 341) erfolgen. Der Krieg hat im übrigen anscheinend saunt für das GG. Rechtsfragen von großer Bedeutung gebracht. Wo solche hätten entstehen können, haben die Kriegsnotgesetze inzwischen eingegriffen. Wenn aus dem angeführten Grunde die Urteile des Reichsgerichts zum Genossen­ schaftsgesetz weniger zahlreich geworden sind, so hatte der Krieg noch weiter den gericht­ lichen Austrag von Streitfragen gehemmt. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Oberlandesgerichte, die während des Druckes des Kommentars bekanntgegeben ist, ist in den „Ergänzungen" berücksichtigt. Charlottenburg, im Juni 1915.

Dr. Hans Crüger.

Vorwort zur neunten Auflage. Die Herausgabe der neunten Auflage hat sich teils wegen der wirtschaftlichen Ver­ hältnisse, teils wegen des sich fortgesetzt ändernden Standes der Gesetzgebung länger verzögert, als den Verfassern und dem Verlag erwünscht war, ließ sich aber nicht ändern. Der Kommentar läßt schon äußerlich erkennen, daß die Bearbeitung und Drucklegung sich über einen Zeitraum erstreckte, der einschneidende Änderungen des Genossenschafts­ gesetzes, verwandter Gesetze oder wichtige neue Gesetze brachte. Es war nicht möglich, die äußere Fassung so zu treffen, daß allein die augenblicklich geltenden Bestimmungen mitgeteilt und kommentiert wurden. Dafür folgten die verschiedenen Novellen, Ver­ ordnungen usw. zu schnell aufeinander. Doch hoffen die Verfasser, daß dieser Umstand der praktischen Verwendbarkeit des Kommentars keinen Abbruch tut; im Gegenteil wird vielleicht manchem Benutzer die gegenwärtige Überleitungsform nicht unwill­ kommen sein. Die politische und wirtschaftspolitische Umstellung haben es mit sich gebracht, daß Gesetze erlassen wurden, die, ohne äußerlich das Genossenschaftsgesetz zu ändern, doch auf dieses von unmittelbarem Einfluß waren (z. B. Betriebsrätegesetz, Goldbilanzen, Schaffung der Rentenmark, Geschäftsaufsicht). Sie sind zum Teil bei den einschlägigen Gesetzesstellen berücksichtigt, zum Teil im Anhang besprochen. Es ist hohe Zeit, daß das rasende Tempo, das unsere Gesetzgebung eingeschlagen hat und vielleicht auch allzu bedenkenfrei Hand legt an wichtige und grundlegende Bestimmungen, bald wieder ruhiger Fahrt Platz machen wird. Respekt vor dem Gesetz und der Rechtsprechung müssen leiden, wenn der Gesetzgeber selbst sein Werk allzu leicht und allzuoft ändert. Rechtsanwalt und Notar Dr. Adolf Crecelius, der bereits an der Bearbeitung der früheren Auflagen beteiligt war, zeichnet diesmal als Mitherausgeber. Herr Kammer­ gerichtsrat Fritz Citron hat den Verfassern bei der Bearbeitung und Drucklegung weit­ gehende Unterstützung geleistet. Es sei ihm auch an dieser Stelle der herzliche Tank für seine zum Teil recht mühevolle Mitarbeit ausgesprochen. Berlin, im Juli 1924.

Dr. Hans Crüger.

Dr. Adolf Crecelius.

VI

Bor wort.

Vorwort zur zehnten Auflage. Auch die zehnte Auflage mußte inzwischen ergangene wichtige Änderungen des Genossenschaftsgesetzes berücksichtigen. Weitere grundlegende Änderungen sind angeregt. Ein Jahr bringt jetzt umfassendere gesetzliche Änderungen als einstens Jahrzehnte. Die Zukunft wird zeigen, ob unsere Zeit den Beruf zur Gesetzgebung in dem Maße besitzt, wie sie nach der äußerst fruchtbaren Gesetzesproduktion sich selbst zuzusprechen scheint. Bei der Fertigstellung der zehnten Auflage hat Herr Kammergerichtsrat Fritz Citron wieder in weitestem Umfange sich betätigt; erneut sei ihm für diese wertvolle Mitarbeit auch an dieser Stelle herzlichst gedankt. Berlin, im März 1926.

Dr. Hans Crüger.

Dr. Adolf Crecelius.

Vorwort zur elften Auflage. Am 8. Januar 1927 ist der Anwalt des Deutschen Genossenschaftsverbandes Justizrat Professor Dr. Hans Crüger verstorben; es war ihm daher nur vergönnt, gerade noch die ersten Vorarbeiten für die 11. Auflage des Kommentars mit­ zuberaten. Crüger gehörte zu den so seltenen Menschen, die bei reicher Begabung der einmal gewählten Lebensarbeit bis zum letzten Atemzuge treu bleiben. Er war mit dem Genossenschaftswesen in jeder Faser seiner Persönlichkeit so eng ver­ wachsen, daß er sich davon nicht mehr hätte trennen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Wenn Jemand von der in Genossenschaftskreisen nachgerade sprich­ wörtlich gewordenen Arbeitskraft Crügers über 40 Jahre sein ganzes Können und Mollen für die Genossenschaften einsetzt, so versteht es sich letzten Endes von selbst, daß diese Persönlichkeit auf ihrem Gebiet bis in die äußersten Verästelungen hinein erste Autorität werden und als solche von Anhängern und Gegnern aner­ kannt werden mußte. Das gilt auch von dem Genossenschaftsjuristen Crüger.

Crüger hat mit Ludolf Parisius zusammen die Grundlage zu dem Kommentar gelegt. Gewaltig sind die Fortschritte in der Kommentierungsweise seit dem Er­ scheinen der 1. Auflage (1890). Es war Crügers besonderes Bestreben, mit diesen Fortschriten mitzugehen und sein Werk zu einem systematischen Kommentar aus­ zubauen. Dabei ist ein Doppeltes zu berücksichtigen: Crüger war, wie man es heute nennt, Wirtschaftsjurist. Das Recht war ihm die Dienerin der Wirtschaft, letztere war das Primäre. Und ferner: Der Crügersche Kommentar ist aus der Praxis heraus entstanden und in enger Verbindung mit der Praxis weiterentwickelt. Fast hinter jeder Zeile, hinter jedem im Kommentar zum Ausdruck gebrachten Wunsch und Bedenken steht die ungeheure praktische Erfahrung Crügers. Es war seine Auffassung, daß jeder Kommentar des Genossenschaftsgesetzes, der diese Verbindung nicht besitze, sich bei den Genossenschaften nicht werde durchsetzen können. Aus diesen beiden Momenten erklärt sich Wesen und Eigenart des Crügerschen Kommentars, seine Wertschätzung bei den Genossenschaften, seine Eignung für die Praxis. Es ist das Bestreben der jetzigen Herausgeber, die bereits bei den früheren Auflagen als Mitherausgeber und Mitarbeiter beteiligt waren, daß der Kommentar auch in Zukunft ein „Crügerscher" Kommentar bleibe. Es ist in der neuen Auflage in der Anordnung nichts geändert. Die inzwischen ergangene Rechtsprechung ist berücksichtigt.

Vorwort.

VII

Im Interesse einer erstrebten Verringerung des Umfanges dieses Werkes ist im Texte des Buches von Auseinandersetzungen mit Schriften abgesehen worden, die vor der Novelle von 1922 erschienen sind. Auf einzelne dieser Schriften ist aber, so weit sie im Kommentar nicht berück­ sichtigt sind, und ihre Behandlung in künftigen Auflagen beabsichtigt ist, in den „Ergänzungen" mehrfach verwiesen. Diese berücksichtigen auch die während des Druckes bekannt gewordene Rechtsprechung und das neuere Schrifttum, soweit es im Texte nicht behandelt ist.

Dr. Adolf Crecelius.

Fritz Citron.

gnhaltsverzeichais

Seite Vorw ort............................................................................................................................................ III Inhaltsverzeichnis......................................................................................................................IX Abkürzungsverz ei chnis............................................................................................................. XI Ergänzungen.............................................................................................................................XIV

Einleitung. I. Zur Geschichte dec deutschen Genossenschaftsbewegung............................................... 1 II. Die Genossenschaftsgesetzgebung. .. 6 III. Der Begriff der Genossenschaft und die wichtigsten Neuerungen des Gesetzes vom I. Mai 1889 ............................................................................................................................ 14 A. Die neue Ordnung der Haftpflicht der Genossen, die Zulassung der Genossen­ schaften mit beschränkter Haftpflicht und die Bestimmungen über den Vollzug der Haftpflicht.........................................................................................................................15 1. Die Haftpflicht.................................................................................................................15 2. Der Haftvollzug................................................................................................................ 20 B. Die Revision.........................................................................................................................26 C. Bildung von Genossenschaften, die aus Genossenschaften bestehen...................... 30 IV. Die Rechtsquellen.....................................................................................................................31

Erster Teil. Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften . . 33 Erster Abschnitt. Errichtung der Genossenschaft (§§ 1—16)................................................ 33 Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältnisse der Genossenschaft und der Genomen (§§ 17—23) 142 Dritter Abschnitt. Vertretung und Geschäftsführung (§§ 24—52).................................. 164 Giertet Abschnitt. Revision (§§ 53—64).................................................................................. 278 Fünfter Abschnitt. Ausscheiden einzelner Genossen (§§ 65—77).............................. . 307 Sechster Abschnitt. Auflösung und Nichtigkeit der Genossenschaft (§§ 78—97) . . . 351 Siebenter Abschnitt. Konkursverfahren und Haftpflicht der Genossen (§§ 98—118) 389 Achter Abschnitt. Besondere Bestimmungen (§§ 119—145)............................................... 427 I. Für Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht (§§ 119—125)...................... 427 II. Für Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht (§§ 126—130) . . . 437 III. Für Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht (§§ 131—142)........................... 440 IV. Für die Umwandlung von Genossenschaften (§§ 143—145)................................. 457 Neunter Abschnitt. Strafbestimmungen (§§ 146—154)........................................................ 462 Zehnter Abschnitt. Schlußbestimmungen (§§ 155—161)................................................... 472 Gesetz, betreffend den Geschäftsbetrieb der Konsumanstalten vom 12. August 1896 .................................................................................................................... 480 Notgesetze und Notverordnungen........................................................................................ 482 Bekanntmachungen, betr. Revision der e. G.....................................................................482 Vertretung eines Genossen in der Generalversammlung und über das Ausscheiden aus der G................................................................................................................................. 482 Bekanntmachungen, betr. zeitweilige Außerkraftsetzung der §§ 99, 118, 142, 148 GG. 484 Vergleichsordnung § 91..........................................................................................................485 Verordnung über Auflösung e. G..........................................................................................487 Verordnung über die Eintragung der Nichtigkeit und die Löschung von Gesell­ schaften und G. wegenUnterlassung der Umstellung................................................ 488 R entenb ankv erordnung.............................................................................................................. 489

X

Inhaltsverzeichnis. Sette Verordnung über Goldbilanzen.......................................................................................490 Zweite Durchführungsverordnung über Goldbilanzen............................................... 496 Betriebsrätegesetz...............................................................................................................499 Verfahrensordnung der Genossenschaftlichen Einigungsstelle................................... 502 Steuergesetzgebung und Genossenschaften................................................................... 505

zweiter Teil. Verordnung über das Genossenschaftsregister.

Vom 22. Nov. 1923 . . . 510

Dritter Teil. Bekanntmachungen der Zentralbehörden der Länder. — Verordnungen der Einzel st aaten, betreffend die Führung des Genossenschaf tsregisters...........................................................................................................................522 1. Preußen...............................................................................................................................524 2. Bayern...............................................................................................................................528 3. Sachsen.............................................................................................................................. 533 4. Württemberg.......................................................................................................................536 5. Baden...................................................................................................................................538 6. Hessen...................................................................................................................................541 7. Mecklenburg-Schwerin....................................................................................................... 546 8. Mecklenburg-Strelitz...........................................................................................................548 9. Oldenburg...........................................................................................................................549 10. Braunschweig.......................................................................................................................551 11. Groß-Thüringen...................................................................................................................553 12. Anhalt...................................................................................................................................559 13. Waldeck...............................................................................................................................563 14. Schaumburg-Lippe................... 563 15. Lippe-Detmold...................................................................................................................566 16. Lübeck...................................................................................................................................569 17. Bremen...............................................................................................................................574 18. Hamburg............................................................................................................................574 Sachregister...........................................................................................................................675

Abkürzungen. Zahlen

ohne weiteren Zusatz bedeuten die Paragraphen dieses Gesetzes.

AV.? = Verordnung über das Genossenschaftsregister vom 22. November 1923. AG.4 = Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktien­ gesellschaften vom 18. Juli 1884 — oder — Aktiengesellschaften. Begr. I1 — Begründung des I. Entwurfs. Begr. II1 = Begründung II. Entwurfs. Birkenbihl = Birkenbihl und Maurer: Das Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirt­ schaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889. Zweite Auflage. 1898. BlfG. = Blätter für Genossenschaftswesen. BGB. = Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich vom 18. August 1898. Busch Archiv — Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handels- und Wechselrechts. (Herausgegeben zuerst von F. B. Busch, zuletzt von G. Busch.) Cohn Das Handels- und Genossenschaftsregister. Dritte Auflage. 1910. Denkschrift zum BGB. = Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (Walter de Gruyter & Co., Berlin). Denkschrift zum HGB. = Entwurf eines Handelsgesetzbuchs nebst Denkschrift (Walter de Gruyter & Co., Berlin). DIZ. = Deutsche Juristenzeitung, begründet von Lab and-Stenglein-Staub, herausgegeben von Dr. Otto Liebmann. Dtsch. landw. Gen.-Presse = Deutsche landwirtschaftliche Genossenschaftspresse (Berlin). Deumer = Das Recht der eingetragenen Genossenschaften. 1912. EBGB. = Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. August 1896. EG. — Eingetragene Genossenschaft. EHGB. = Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 10. Mai 1897. Entw. I2,3 4 = Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften nebst Begründung und Anlage. Amtliche Ausgabe. 1888. Entw. II2,3 — Entwurf eines Gesetzes usw., vorgelegt dem Reichstag am 27. November 1888 (Drucksachen des Reichstags, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1888/1889 Nr. 28). FGG. = Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898. GKG.2 — Gerichtskostengesetz vom 18. Juli 1878, neue Fassung vom 21. Dezember 1922. GmbH. — Gesellschaft mit beschränkter Haftung. GR. — Genossenschaftsregister. Ges. von 18682,3 = Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirt­ schaftsgenossenschaften vom 4. Juli 1868. GVG.2 = Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Jan. 1877, neue Fassung vom 17. Mai 1898. Goldschmidt = Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. 1882. Handelsgesellschafter = Der Handelsgesellschafter. Juristische Monatsschrift (Leipzig). HGB.4 = Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 10. Mai 1897.

1 Die lateinischen Zahlen bezeichnen den Band, die arabischen die Seite. 2 Die beigefügte Zahl bezeichnet den Paragraphen. 3 Ist die Abkürzung in lateinischen Lettern gedruckt, so bedeutet dies, daß die Fassung des Gesetzes sich hier zuerst findet. 4 Die beigefügte Zahl bedeutet den Artikel-

XII

Abkürzungen.

Herz = Novellen und Anträge zum Genossenschaftsgesetz. 1883. Jessenberger = Die eingetragenen Genossenschaften. 1897.

Joel = Das Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889. Separatabdruck aus den „Annalen des Deutschen Reichs". 1890. JMBl. = Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege. IW. — Juristische Wochenschrift. Herausgegeben vom Deutschen Anwaltverein. Kaiser = Die zivilrechtliche Haftung des Vorstandes und Aufsichtsrats der Aktiengesellschaften und Genossenschaften. 1897.

KGJ. = Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts. Komm.^ = Fassung des Gesetzes nach den Beschlüssen der VII. Kommission des Reichs­ tags (Drucksachen des Reichstags, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1838/1889 Nr. 132). KommBer^ — Bericht derselben Kommission (dieselbe Drucksache). Kraus = Die Solidarhaft bei den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. 1878. Leizp. Ztschr. = Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht, heraus­ gegeben unter Leitung von Dr. F. von Miltner (Leipzig). Liebig = Die Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht und ihre Behandlung im Kon­ kurse. 1892.

Makower = Handelsgesetzbuch. Dreizehnte Auflage. 1906. Maret -- Die rechtliche Stellung des Vorstandes einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen­ schaft. 1891. Mäscher = Das Gesetz vom 27. März 1867. 1868. Maurer = Das Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889. 1890.

Merzbacher — Neichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Er­ läutert von Sigmund Merzbacher. Fünfte Auslage 1923. Monatsschr. = Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, begründet von Holdheim, herausgeg. von Heilbrunn; früher: Wochenschrift für Aktienrecht und Bankwesen. Nagel: Dr. Karl Nagel: Das Genossenschaftsgesetz. Berlin 1926. Neumann Jahrbuch = Jahrbuch des Deutschen Rechtes. Herausgegeben von Dr. Hugo Neumann. Neumann Rechtspr. = Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen. Nov. (vor „Komm." u. „Begr.") = Novelle zum Gesetz vom 12. August 1896. OH. = Offene Handelsgesellschaft. OVG. = Entscheidungen des Kgl. Preuß. Oberverwaltungsgerichts. Parisius = Die Genossenschaftsgesetze im Deutschen Reiche. 1876. Parisius-Crüger Formularbuch = Formularbuch zum Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs­ und Wirtschaftsgenossenschaften. Dritte Auflage. 1900.

Parisius-Crüger GmbH. = Das Reichsgesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Sechste Auflage. 1922. Planck = Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz. Dritte Auflage. 1905ff. Proebst = Das Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschasten. 1889. „Recht" = Das Recht, Rundschau für den Deutschen Juristenstand, herausgegeben von Dr. Hs. Th. Soergel (München). Rechtspr. = Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts. Herausgegeben von Mugdan und Falkmann. Rehm = Die Bilanzen der Aktiengesellschaften. Zweite Auflage. 1914. KG.* = Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. RGBl^ = Reichs-Gesetzblatt. RIA. = Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grund­ buchrechts, zusammengestellt im Reichsjustizamt.

Abkürzungen.

XIII

Rieß — Dr. Alfons Rieß, Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft. Handbuch des gesamten Handelsrechts Bd. 3 Abt. II. Leipzig 1922. Ring = Lehmann und Ring. Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. 1902. Rings Jahrbuch = Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit und in Grundbuchsachen. RKO.2 = Konkursordnung vom 10. Februar 1877, neue Fassung vom 17. Mai 1898. ROHG. — Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts. Rtg.2,3 = Fassung des Gesetzes nach den Beschlüssen des Reichstages in zweiter Lesung (Drucksachen des Reichstags, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1888/1889 Nr. 145). Rtg. III2,3 = Fassung des Gesetzes nach den Beschlüssen des Reichstages in dritter Lesung (Drucksachen Nr. 186). Schulze = Umlageverfahren und Einzelangriff. 1888. Schulze-Delitzsch = Material zur Revision des Genossenschaftsgesetzes. 1883. Seuffert = Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten. Sicherer = Die Genossenschaftsgesetzgebung in Deutschland. 1876. Simon = Die Bilanzen der Aktiengesellschaften. Dritte Auflage. 1899. Staub = Staubs Kommentar zum Handelsgesetzbuch. Zwölfte und dreizehnte Auflage bearbeitet von Koenige, Pinner, v. Bondi. Staub-Hachenburg: Kommentar zum Gesetz betreffend die GmbH., früher Staub-Hachenburg fünfte Auflage. Strass. = Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. StrGB.2 = Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, neue Fassung vom 26. Februar 1876. Waldecker — Die eingetragene Genossenschaft, ein. Lehrbuch von Dr. Waldecker. Tü­ bingen 1916. Warneyer = Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich nebst dem Einführungs­ gesetz erläutert durch die Rechtsprechung. Vierte Auflage. 1922. ZBlFG. — Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat sowie Zwangs­ versteigerung. Zeller = Das Reichsgesetz über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889. Zweite Auflage. 1894. ZPO.2 = Reichszivilprozeßordnung am 30. Januar 1877, neue Fassung vom 1. Juni 1924. Ztscht. für AG. = Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Zittau) — jetzt als Zeitschrift für Aktiengesellschaften (Leipzig).

EegSnzimgen. 1. Zur Einleitung. a) Durch Gesetz vom 28. April 1928 Preu». Ges.-Sammlung S. 105 ist das Gesetz über die Zentralgenossenschaftskasse vom 31. Juli 1895 (letzte bisherige Fassung nach dem Gesetz vom 12. Dezember 1927 Ges.-Sammlung S. 203) in wesentlichen Punkten geändert: Eine Anstellung im Beamtenverhältnis findet grundsätzlich zugelassen.

nicht mehr statt.

Ein Haushaltsplan wird nicht mehr aufgestellt.

zierung sind fortan aktienrechtliche Vorschriften maßgebend.

Ausnahmen sind

Für Buchführung und Bilan­ Die Prüfung der Geschäfts­

führung, Bücker und des Jahresabschlusses werden unter Mitwirkung des Ausschusses und der Oberrechnungskammer von einer Revisionsgesellschaft geprüft.

Die Stammeinlage des

Preußischen Staates wird um 130 Millionen auf 175 Millionen NM. erhöht.

Die Wahr­

nehmung der Rechte des Staates als Inhaber seiner Stammeinlage prüft die Oberrech­ nungskammer. b) Wegen der neueren Literatur wird auf das Literaturververzeichnis im Jahrbuch des deutschen Genossenschaftsverbandes von 1926 S. 33 verwiesen. 2. Zu 8 1 vgl. Geiler „Der genossenschaftliche Gedanke und seine Verwirklichung im heutigen

Wirtschaftsrecht", bei Gruchot Bd. 65, S. 134 ff. 3. Zu § 1 Anm. 30: Die Geltungsdauer des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte vom 26. Juni 1925 ist bis 31. Dezember 1929 durch Gesetz vom 24. 12. 1927 (RGBl. I S. 512) verlängert. Zu 8 6 Anm. 3 und 5 und zu 8 19 Anm. 4: Über Bestimmbarkeit gesellschaftlicher Leistungen

und inneres Gesellschaftsrecht vgl. Rieß in der Leipziger Zeitschrift Bd. 10 S. 587. 5. Zu 8 15 Anm. 27 vgl. Entscheidung des Kammergerichts BlfG. 1928 S. 110. Das Kammer­ gericht erklärt auch Benachrichtigungen über Eintragungen für gebührenpflichtig und will die aus 8 3 AV. gezogenen Folgerungen nicht gelten lassen. Es verweist auf seine Rechtsprechung über „Ausfertigungen". 6. Zu 8 16 und zu 8 Anm. 33: Die 8§ 133 und 157 BGB. sind auch auf satzungsändernde Generalversammlungsbeschlüsse von Genossenschaften anwendbar. Solche Beschlüsse, die auf

Erhöhung des Geschäftsanteils und der Haftsumme gerichtet sind, überschreiten dann die Grenzen der Mehrheitsherrschaft und sind dann nichtig, wenn sie zu einer untragbaren, jedes

vernünftige Maß überschreitenden Belastung oder eines Teiles von ihnen führen. So die Entscheidung des Reichsgerichts vom 23. 12. 1927 II 158 von 1927 (Recht 1918 Nr. 567 IW. 1928 s. 635 Nr. 11, vgl. dazu Citron „Grenzen des Mehrheitswillens" BlfG. 1928

S. 158).

Der vom Reichsgericht nur beiläufig aufgestellte Satz ist bet seiner allgemeinen

Fassung geeignet, die Rechtssicherheit zu gefährden. vernünftige Maß?

Wann ist sie untragbar?

Wann überschreitet eine Belastung das

Es erscheint bedenklich, außerhalb der Fälle

der 88 138 und 826 BGB. noch weitere Nichtigkeitsgründe unter gewaltsamer Heranziehung der

Vorschriften des BGB. über Vertragsauslegung zu schaffen.

Wenn auch zuzugeben ist, daß

auch der Generalversammlungsbeschluß ein Rechtsgeschäft darstellen oder doch Rechtsgeschäfte in sich schließen kann (vgl. RGZ. Bd. 68 S. 242; 317), so ist doch schon in Anm. 33 zu 8 7 S. 83, 84 gegenüber einer früheren Reichsgerichtsentscheidung ausgeführt, daß die von dem Reichs­

gericht gesuchte Grenzlinie mit Rücksicht aus die in erster Reihe maßgebenden Vorschriften des

Genossenschaftsgesetzes nicht zu finden ist. 7. Zu 8 18 Anm. 1: Das Reichsgericht hat in neuerer Zeit mehrfach ausgesprochen, Rechtswirksamkeit

eines

äußerlich

daß die

selbständigen Generalversammlungsbeschlusses durch

die

Nichtigkeit eines früheren oder gleichzeitigen mit ihm zusammenhängenden anderen

Generalversammlungsbeschlusses in Mitleidenschaft gezogen werden kann.

Es hat den 8139

XV

Ergänzungen.

BGB. für anwendbar erklärt, insofern die Beschlüsse rechtsgeschäftliche Erklärungen, beispiels­ weise Satzungsänderungen, enthalten (vgl. dazu RGZ. Bd. 118 S. 218, BlfG. 1928 S. 124, 176 IW. 1928 S. 635 Nr. 11). Der Auffassung des Reichsgerichts, welche schon Rieß S. 48 vertreten hat, wird beizutreten sein (vgl. auch BlfG. 1927 S. 141). 8. Zu § 43 Anm. 4: Die Sonderrechte der Körperschastsmitglieder von Ministerialrat Gadow in Berlin, Gruchots Beiträge Band 66, S. 516.

Gadow unternimmt es, den Begriff des Sonderrechts festzulegen. nehmen.

Ein schwieriges Unter­

Denn das BGB. hat den Begriff zwar in seinem § 35 geschaffen, hat aber keinerlei

Umgrenzung gegeben.

Gadow weist darauf hin, daß andere diese Begriffsbestimmung für

unmöglich halten (so Horrwitz in seinem „Recht der Generalversammlung").

Gadow kommt

zu dem Ergebnis, Sonderrechte seien solche Mitgliederrechte, welche nicht auf dem bloßen Er­

werb der Mitgliedschaft beruhen.

Er drückt das noch anders aus, nämlich so: „Sonderrechte

sind solche Mitgliedsrechte, welche auf dem Erwerb der Mitgliedschaft und auf dem Hinzutreten

positiver oder negativer Umstände beruhen, die nicht allen Mitgliedern notwendig gemein sind, mögen sie verschieden oder gleich sein."

In der Praxis wird mit dieser Begriffsbestimmung des Sonderrechts anch nicht viel mehr

anzufangen sein als mit früheren. 9. Zu § 78 a und b: vgl. über die Entstehungsgeschichte Deumer „Umwandlung von Kredit­ genossenschaften in Aktiengesellschaften" in „Die Bank" 1921 S. 137 ff.

10. Zu § 93 a — d Anm. 11: Für die Kosten des Verschmelzungsvertrages ist der Wert des Vermögens der aufgelösten Aktiengesellschaft (bzw. Genossenschaft) maßgebend.

Rheinische

Notariatszeitung 1911 S. 53. 11. Zu § 97 Anm. 14: Auch die Vorschriften der §§ 125, 128, 130 und 141 werden gelten

müssen. Es entspricht das dem Sinne von § 97 (vgl. dazu Rieß S. 41 Anm. 5). 12. Zu § 134 Anm. 15: Neuerdings hat sich auch das Reichsgericht für die Zulässigkeit der Zu­

sammenlegung

der Geschäftsanteile ausgesprochen,

(vgl. BlfG. 1928 S. 200).

Damit

dürfte die Rechtsbeständtgkeit solcher Zusammenlegungen, welche die Haftpflicht des einzelnen

Genossen nicht verringern, trotz des Widerspruchs von Waldecker S. 160 Anm. 2, der von „kritikloser Uebertragung aktienrechtlicher Vorstellungen auf die e. G." spricht, gesichert sein.

Einleitung. i. 3m? Geschichte der deutschen GenossenschasttibewegungT). Die ersten „auf dem Prinzip der Selbsthilfe der Beteiligten beruhenden deutschen Genossenschaften der deutschen Handwerker und Arbeiter" sind von dem Kreisrichter Hermann Schulze-Delitzsch, geb. am 29. August 1808, gest, am 29. April 1883, in den Jahren 1849 und 1850 in seiner Heimatstadt Delitzsch ins Leben gerufen. Er behandelte diese „ersten rohen Anfänge" in einer 1850 veröffentlichten Schrift „Mit­ teilungen über gewerbliche und Arbeiterassoziationen". Schon drei Jahre darauf, im März 1853, beschrieb er in seinem „Assoziationsbuch für deutsche Handwerker und Ar­ beiter" die zwölf in Delitzsch und den Nachbarstädten Eilenburg und Bitterfeld errichteten Assoziationen, zwei Krankenkassen, zwei Vorschußvereine, zwei Konsumvereine und sechs Rohstoffassoziationen von Tischlern, Schuhmachern, Schneidern, und fügte Statuten, Formulare, Anweisungen zur Buchführung bei. Anfangs 1854 gab Schulze bereits ein besonderes Blatt für seine Assoziationen heraus, die zunächst achtmal jährlich er­ scheinende Abteilung der deutschen Gewerbezeitung „Innung der Zukunft", aus der die „Blätter für Genossenschaftswesen" ?) hervorgegangen sind. Von seinen Assoziationen traten in den nächsten Jahren bald die Vorschußvereine in den Vordergrund. Im März 1855 widmete Schulze ihnen sein Buch „Vorschuß- und Kreditvereine als Volks­ banken"^. Damals, als erst acht Vorschußvereine bestanden, wagte Schulze zu prophe­ zeien, „daß es in nicht ferner Zeit keine Stadt in Deutschland geben werde, welche nicht ein solches Institut nachzuweisen haben würde". Aus diesen ersten Anfängen entwickelte sich die deutsche Genossenschaftsbewegung. Der vorsorglichen, unermüdlichen Tätigkeit des „Vaters des deutschen Genossenschafts­ wesens" ist das bis 1. Oktober 1889 gültige deutsche Genossenschaftsgesetz, das „Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 4. Juli 1868", zu verdanken. Auch auf Entstehung und Inhalt des Gesetzes vom 1. Mai 1889 hat Schulze-Delitzsch, sowie der von ihm begründete Allgemeine Verband der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften hervorragenden Einfluß geübt. Auf eine von Schulze und acht Leitern genossenschaftlicher Kreditvereine erlassene Einladung versammelte sich um Pfingsten 1859 zu Weimar „der erste Vereinstag deutscher Vorschuß- und Kreditvereine, welche auf der Selbsthilfe der Kreditbedürftigen aus dem kleinen und mittleren Gewerbestande beruhen", und beschloß, „ein ZentralKorrespondenzbureau der deutschen Vorschuß- und Kreditvereine" zu begründen, um dessen Leitung Schulze ersucht wurde. Bis Dezember 1859 hatten sich 32 Vereine beT) Vgl. „Hermann Schulze-Delitzschs Schriften und Reden". Herausgegeben von F. Thorwart (Berlin 1909ff.); Dr. Hans Crüger, „Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in den einzelnen Ländern" (Jena 1892); Vorwort in den Jahrbüchern des Allgemeinen deutschen Genossenschafts­ verbandes für 1901 ff. (Berlin). 2) Jetzt im 74. Jahrgang (Berlin). 3) Achte Auflage, bearbeitet von Dr. Hans Crüger (1915).

.Crüger-.Creceltus, GenossensLaftsgesetz. n. Ausl.

1

GenossenschastSgesetz. teiligt. Im Auftrage des „dritten Vereinstages der auf Selbsthilfe gegründeten deutschen Vorschuß-, Kredit- und Rohstoffvereine" Halle a. S., Pfingsten 1861, erließ der dort gewählte „engere Ausschuß der deutschen Genossenschaften" einen Aufruf zum Beitritt. Die Zentralstelle wurde 1861 zur „Anwaltschaft der deutschen Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaften" erhoben. Auf dem Vereinstage zu Potsdam, Pfingsten 1862, als sich besondere Verbände für das Königreich Sachsen und für den Mittelrhein gebildet hatten, wurden auf Schulzes Antrag die Bildung von Landes- und Provinzial-Unterverbänden angeraten und für dieselben ein Statutenentwurf genehmigt. Schon die folgenden Vereinstage zu Görlitz und Mainz vollendeten die Organisation. In Mainz 1864 nahm der sechste Mlgemeine Vereinstag „das Organische Statut des Allgemeinen Verbandes der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften" an. Die Grundzüge dieser Organisation sind nach der Verschmelzung des Allgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes mit dem Hauptverband der gewerblichen Genossen­ schaften folgende: Der Verband ist ein eingetragener Verein. Vorstand des Vereins im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches ist der Anwalt. Die Geschäfte des Verbandes werden geführt von der Anwaltschaft, die aus dem Anwalt und zwei Mitgliedern der Anwaltschaft besteht und von dem Genossenschaftstag gewählt wird. Aufgabe der Anwaltschaft ist Überwachung der gemeinschaftlichen Interessen der angeschlossenen Genossenschaften, Wahrnehmung dieser Interessen bei der Gesetzgebung, Erteilung von Ratschlägen und Gutachten an die einzelnen Genossenschaften bei ihrer Organi­ sation und bei allen einschlagenden geschäftlichen Vorkommnissen. Die einzelnen Ge­ nossenschaften sind Provinz- oder länderweise zu sog. Revisions- oder Unterver­ bänden zusammengeschlossen; durch den Beitritt zum Revisionsverband erwerben die Genossenschaften gleichzeitig auch die Mitgliedschaft beim deutschen Genossenschafts­ verband. Sie haben die Wahrnehmung der Sonderinteressen der ihnen angeschlossenen Genossenschaften, vor allem aber seit dem Gesetz von 1889 die Durchführung der gesetz­ lichen Revision zur Aufgabe. Die von ihnen gewählten Vorstände bilden gemeinschaft­ lich mit Vertretern der Handwerks- und Gewerbekammern als Gesamtausschuß ein Organ, dessen Tätigkeit ebenso wie die des seit 1891 gebildeten, vom Allgemeinen Genossenschaftstage aus den Mitgliedern des Gesamtausschusses gewählten 15gliedrigen Engeren Ausschusses der Unterstützung der Anwaltschaft dient. Der Verband hat: keine Aufgaben kaufmännischer Natur. Die Jahresberichte des Verbandes sind aus den bescheidensten Anfängen zum einem großen wirtschaftspolitischen und statistischen Werke angewachsen, das im ersten Teile allgemeine Betrachtungen über Wirtschaft, Wirtschaftspolitik, Genossenschafts­ wesen und Gesetzgebung enthält und im zweiten Teil die Statistik der angeschlossenen Genossenschaften in systematischer, weitgegliederter Bearbeitung bringt*). *) Die ersten Jahresberichte „über die deutschen Vorschußvereine" für die Jahre 1854, 1855, 1856, 1857 und 1858 sind in dem Sammelwerk: „Die Entwicklung des Genossenschaftswesens in Deutschland" von Schulze-Delitzsch 1870 wieder abgedruckt. Ms besonderes Buch erschien zuerst der Jahresbericht für 1859 „über die auf dem Prinzip der Selbsthilfe der Beteiligten beruhenden deutschen Genossenschaften der Handwerker und Arbeiter"; 1860 lautete der Titel: „über die auf Selbsthilfe gegründeten deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften des kleinen Gewerbsstandes", 1861 ebenso, nur zuletzt „des kleinen und mittleren Gewerbsstandes", von 1862 bis 1888 ebenso unter Fort­ fall der letzten Worte. Die Jahresberichte bis 1881 sind von Schulze-Delitzsch, der für 1882 von Dr. F. Schneider als stellvertretenden Genossenschaftsanwalt, die folgenden bis 1895 von F. Schenk, Anwalt des Mlgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes, herausgegeben. Seit 1896 war Heraus­ geber der zeitige Anwalt Dr. Hans Crüger. Seit 1924 ist es der jetzige Anwalt Prof. Dr.Stein. Die Jahresberichte (seit 1897 „Jahrbuch") erscheinen im Deutschen Genossenschaftsverlag, e. G. m. b. H., Berlin. Über die „Mlgemeinen Genossenschaftstage" werden im Auftrage des Verbandes Berichte von dem Anwalt veröffentlicht. „Die ersten fünfzig Vereins- und Genossenschaftstage." Heraus­ gegeben von Dr. Hans Crüger (Berlin 1910).

Einleitung.

3

Ws zweiter Verband entstand der (Raiffeisensche) Anwaltschastsverband zu Neu­ wied, jetzt genannt Generalverband der deutschen Raiffeisengenossenschaften. Friedrich Wilhelm Raiffeisens (geb. am 30. März 1818 zu Hamm a. d. Sieg im Kreise Altenkirchen, gest, am 11. März 1888 zu Heddesdorf) hat als Bürgermeister der Bürgermeisterei Flammersfeld im Dezember 1849 den gemeinnützigen und wohl­ tätigen Zwecken gewidmeten „Flammersfelder Hilfsverein zur Unterstützung un­ bemittelter Landwirte" und sodann, als er Bürgermeister von Heddesdorf geworden war im Mai 1854 den „Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein" ins Leben gerufen, der neben dem Zweck, das Geldbedürfnis der Mitglieder zu befriedigen, „auch die Aufgabe hatte, für die Erziehung verwahrloster Kinder zu sorgen, arbeitslosen Einwohnern, besonders entlassenen Sträflingen, Beschäftigung zu geben und eine Volksbibliothek zu errichten". Ta diese „verschiedenen Geschäftszweige in ein und derselben Genossen­ schaft sich direkt nicht vereinigen ließen", erfolgte im Jahre 1864 die Umwandlung des Vereins in den „Heddesdorfer Darlehnskassenverein" der auf Raiffeisens Veranlassung im Mai 1865denAnschluß anden Schulze-DelitzschschenAnwaltschaftsverband beschloß. Die erste genossenschaftliche Gründung Raiffeisens war nach Schulzeschem Muster gebildet. Der beschlossene Anschluß kam nicht zur Ausführung. Raiffeisen hatte sich inzwischen für die Annahme der besonderen Eigentümlichkeiten des Anhausener Vereins (daß die Mitglieder weder Eintrittsgeld noch Einlagen zahlen, auch keinen Anteil am Gewinn haben) entschlossen. Der Anhausener Verein wurde für das Raiffeisensche System vorbildlich. In Anlehnung an die 1876 begründete Aktiengesellschaft „Landwirtschaftliche Zentral-Darlehnskasse für Deutschland"*2) wurde von Raiffeisen ein Zentralkassen­ verband und daneben am 26. Juni 1877 der Anwaltschaftsverband mit dem Sitze in Neuwied gebildet. Bis zum Jahre 1900 war tue Organisation die folgende: Der Direktor der Zentral-Darlehnskasse fungierte zugleich als Anwalt, der Aufsichtsrat zu­ gleich als Anwaltschaftsrat. Zu letzterem gehörten auch die Direktoren der Verbände, nicht auch der Unterverbände, die nur einen Kreis zu umfassen pflegten. Der Anwalt vermittelte auch den gemeinschaftlichen Bezug der notwendigsten Wirtschafts­ bedürfnisse und den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte. Der Generalanwaltschafts­ verband war Revisionsverband. Neben der Generalanwaltschaft und der Landwirt­ schaftlichen Zentralgenossenschaft bestand ein drittes von Raiffeisen gegründetes Ver­ bandsinstitut, die kaufmännische Firma Raiffeisen & Co. in Neuwied. Diese hatte noch die Druckerei und den Verlag des monatlich erscheinenden Vereinsblattes „Landwirt­ schafts-Genossenschaftsblatt (Organ für Darlehnskassen-, Winzer-, Konsum- usw. Vereine)", ferner die Generalagentur einer Lebensversicherungsbank und betrieb den kaufmännischen Teil der mit den gemeinschaftlichen Bezügen verknüpften Geschäfte. Der Gewinn „dient zur Durchführung der Organisation der Vereine und zur Sicherung der Zukunft der ständigen Mitarbeiter". Im Jahre 1881 trat Faßbender der Firma bei, aus der er aber bald wieder ausschied. Zur Erleichterung des Verkehrs wurden seit 1895 von der Neuwieder Zentralstelle Filialen in den größeren Städten errichtet, so in Kassel, Erfurt und Königsberg. Aus den Rechnungen des Verbandes ergibt sich, daß derselbe vom preußischen Staat erhebliche Zuschüsse erhielt. Das System Raiffeisen erfreute sich der Unterstütznng und Förderung der Behörden. Zum Nachfolger Raiffeisens (1888 gestorben) wurde sein Stellvertreter Theodor Cremer gewählt. Vorübergehend fand eine Annäherung an Faßbender statt. Es kam zu lebhaften Auseinandersetzungen über eine Reform der Organisation; Faßbender vertrat das Prinzip des „Provinzialis*) „F. W. Raiffeisen in seinem Leben, Denken und Wirken." Von Professor Dr. Martin Faß­ bender (Berlin 1902). „Die Systeme im modernen Genossenschaftswesen, ihre geschichtliche.Ent­ wicklung und ihr gegenwärtiger Stand." Von Dr. Seelmann (Königsberg 1917). Zweite Auflage 1927. 2) Vgl. über ihre Entstehung: „Die Organisation des genossenschaftlichen Geldausgleichs."

Wuttig (1914).

4

GenofsenschaftSgesetz.

mus". Faßbender schied wieder aus, ging nach Westfalen, wo er seine Grundsätze zu verwirklichen suchte. Cremer blieb Direktor der Zentralkasse und Inhaber der Firma Raiffeisen L Co., als der Sohn von F. W. Raiffeisen, Rudolf Raiffeisen, am 10. Sep­ tember 1889 zum Generalanwalt gewählt wurde. Nachdem dieser das Amt nieder­ gelegt (28. November 1892), wurde Th. Cremer wieder Generalanwalt. Sein Stell­ vertreter war seit Januar 1894 Dr. Josef Strauven in Neuwied. Cremer legte bald sein Amt nieder, und im Jahre 1900 wurde der frühere Direktor des Westpreußischen Verbandes, Gutsbesitzer Heller, mit dem Titel „Generaldirektor" zum Anwalt gewählt. Bald erfolgten weitgehende Änderungen in der Organisation des Verbandes. Die Firma Raiffeisen & Co. ging zum Teil in Liquidation und blieb nur bestehen zum Betrieb ihrer Druckerei und zur Bewirtschaftung ihres umfangreichen Besitzes an Grundstücken und Häusern. — Die Landwirtschaftliche Zentral-Darlehnskasse für Deutschland, die so lange nur dem Geldverkehr gedient hatte, übernahm das von Raiffeisen & Co. be­ triebene Warengeschäft und die Düngerfabrik. — Den Vorstand der Zentral-Darlehns­ kasse bildeten der Generaldirektor und sämtliche Verbandsdirektoren, die zugleich Filial­ direktoren waren. Der Aufsichtsrat bestand aus 30 Mitgliedern. Jede Filiale hat einen Beirat, der aus dem Verbandsdirektor, seinem Stellvertreter und den Aufsichtsrats­ mitgliedern desselben Bezirks bestand. Für den Geldverkehr der dem Generalverbande angeschlossenen Betriebsgenossenschaften, „Genossenschaften, welche nicht Kredit­ genossenschaften nach Raiffeisenschen Grundsätzen sind", wurden, da sie nur die Waren­ geschäfte mit der Zentral-Darlehnskasse machen dürfen, aber nicht Aktionäre werden können, Landesgenossenschaften als eingetragene Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht für die einzelnen Filialbezirke gebildet. An der Spitze dieser Kassen stand der Verbands- bzw. Filialdirektor des betreffenden Bezirks. Der Verband selbst wurde nun wie folgt organisiert: Die Verwaltung wurde in die Hände des Vorstandes, des Aufsichtsrates und des Generalverbandstages gelegt, der Vorstand wurde aus dem Generaldirektor und den Verbandsdirektoren der Landwirtschaftlichen Zentral-Dar­ lehnskasse für Deutschland zusammengesetzt. Das sind die Personen, die an der Spitze der Filialen der Kasse stehen; zum Aufsichtsrat wurden bestellt die Mitglieder des Auf­ sichtsrates der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse. Der Generalverband blieb Revisionsverband. Im Jahre 1904 starb Heller, sein Nachfolger wurde Caspers. Die Landwirtschaftliche Zentral-Darlehnskasse suchte im Jahre 1904 sich von den ver­ schiedenen genossenschaftlichen Beteiligungen zu sanieren1). Wie sich wenige Jahre später herausstellte, war man mit den Abschreibungen nicht weit genug gegangen. Im Jahre 1910 trat Caspers zurück, an seine Stelle kam Justizrat Dietrich. Der Sitz des Verbandes und der Zentral-Darlehnskasse wurde nach Berlin verlegt. Vor allem ging Dietrich im Jahre 19112) an eine durchgreifende Sanierung der Kasse, die ca. 3 Millionen Mark an Abschreibungen erforderte. Es wurde die schon im Jahre 1909 beschlossene Abtrennung des Warengeschäfts (für dessen Betrieb in den einzelnen Bezirken selbständige Gesellschaften gegründet werden) infolge der schlechten Erfahrungen, die bei der Verbindung von Waren- und Kreditgeschäft gemacht worden waren, ein­ geleitet. Wegen der weiteren geschichtlichen Entwicklung des landwirtschaftlichen Ge­ nossenschaftswesens vgl. die früheren Auflagen und Taschenbuch für landwirtschaftliche Genossenschaften, Berlin 1926 S. 244, sowie die Denkschrift: „50 Jahre Raiffeisen", Neuwied 1927. Jetzt steht an der Spitze des Raiffeisenverbandes der Freiherr v. Braun. Z. Z. besteht neben dem Raiffeisenverband, der ca. 8000 G. umfaßt, der Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften mit nahezu 27000 G. dessen General­ anwalt war bis zu seinem 1912 erfolgten Tode Haas. Sein Nachfolger ist Regierungs­ rat Gennes. Weder zum Generalverband der Raiffeisen-Genossenschaften noch zum

!) BlfG. 1905 S. 355, 366, 393. *) BlfG. 1911 S. 74; 1912 S. 682; 1913 S. 258.

Einleitung.

5

Reichsverband gehören die Genossenschaften des Reichslandbundes, die einen besonderen Genossenschaftsverband und eine besondere genossenschaftliche Zentralkasse haben. Im Jahre 1903 hat sich der Zentralverband deutscher Konsumvereine (Hamburg) gebildet. Hier entwickelt sich mehr eine Zentralisation in Verbindung der genossenschaftlichen Organisation mit kaufmännischen Unternehmungen. Die Gründung dieses Verbandes schloß sich äußerlich an den Beschluß des Allgemeinen Genossenschafts­ tages des Allgemeinen Deutschen Genossenschaftsverbandes zu Kreuznach (1902) an, durch den eine größere Anzahl Konsumvereine aus diesem Verbände ausgeschlossen wurde, weil die von demselben verfolgte wirtschaftspolitische Richtung sich in scharfen Gegensatz stellte zu der wirtschaftspolitischen Aufgabe, die der Allgemeine Deutsche Genossenschaftsverband nach seiner Geschichte und nach der Zusammensetzung seiner Mitglieder verfolgt. Das ganze Deutsche Reich umfaßte noch der im Jahre 1903 begründete Haupt­ verband deutscher gewerblicher Genossenschaften, dessen Entstehung zurück­ reicht auf die Bestrebungen der preußischen Regierung nach den Zusammenbruch des sozialreformatorischen Genossenschaftswesens, im Gegensatz zu den Schulze-Delitzschschen Genossenschaften und im Anschluß an die Preußische Zentral-Genossenschaftskasse, Handwerkergenossenschaften ins Leben zu rufen. Aus den Gründungen entwickelten sich Verbände, die dann schließlich in dem „Hauptverband" zusammengeschlossen wurden. Im Jahre 1920 erfolgte seine Verschmelzung mit dem Allgemeinen Deutschen Genossen­ schaftsverband, dessen Organisation oben geschildert ist (Mitteil, über den Allgemeinen Genossenschaftstag zu Bad Nauheim S. 20. BlfG. 1920 S. 103). Zu erwähnen wäre noch der Reichsverband Deutscher Konsumvereine mit dem Sitz in Düsseldorf-Reisholz, der sich nominell auch über ganz Deutschland erstreckt, aber nur in einzelnen Bezirken eine größere Anzahl Mitglieder hat. Der Verband ist Revisionsverband. Auch der Hauptverband der deutschen Baugenossenschaften, dessen Sitz in Berlin ist, mit seinen ca. 2000 Mitgliedsgenossenschaften sei hier genannt. Fernerist zu nennen der Edeka-Verband Deutscher kaufmännischer Genossen­ schaften mit dem Sitz in Berlin, der nur Einkaufsgenossenschaften der Kleinhändler als Mitglieder aufnimmt. Der Verband ist jetzt Revisionsverband des Deutschen Genossenschaftsverbandes. Statistische Tabellen über die geschäftliche Tätigkeit der verschiedenen Genossen­ schaftsarten enthalten die Jahrbücher der Genossenschaftsverbände *). *)

1. Allgemeiner deutscher Genossenschaftsverband, seit 1920 Deutscher Genossenschafts­ verband (Deutscher Genossenschastsverlag, Berlin). 2. Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften (Reichsverband Berlin). 3. Generalverband der deutschen Raiffeisengenossenschaften (Generalverband Berlin). 4. Hauptverband deutscher gewerblicher Genossenschaften (seit 1920 mit dem Allgemeinen Deutschen Genossenschaftsverband vereinigt zum Deutschen Genossenschaftsverband,

Haupwerband Berlin). 5. Zentralverband deutscher Konsumvereine (Berlagsanstalt des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine Hamburg). Reichsverband deutscher Konsumvereine (Reichsverband Düsseldorf-Reisholz). 7. Edeka-Berband deutscher kaufmännischer Genossenschaften (Edeka-Verband, Berlin-

Wilmersdorf). Organe der Verbände sind: zu 1. Blätter für Genossenschaftswesen (Deutscher Genossenschaftsverlag, e.G.m.b.H., Berlin), zu 2. Deutsche landwirtschaftliche Genossenschaftspresse (Reichsverband Berlin). zu 3. Landwirtschaftliches Genossenschaftsblatt (Generalverband Berlin). zu 4. Deutsches Genossenschaftsblatt (C. I. Korthaus, Steglitz); vereinigt mit den Blättern für Genossenschaftswesen. zu 6. Konsumgenossenschaftliche Rundschau (Verlagsgesellschaft Deutscher Konsumvereine Hamburg).

6

Genossenschaftsgesetz.

Unter dem 1. Mai 1896 erging eine allgemeine Verfügung-es preußischen Justiz­ ministeriums betreffend die Herstellung einer Statistik nebst den dazugehörigen Formu­ laren. Die Preußische Zentralgenossenschaftskasse gab danach zunächst ein Kataster der im Königreich Preußen vorhandenen eingetragenen Genossenschaften heraus; in weiteren „Mitteilungen" wurden die Angaben des Katasters statistisch ergänzt. Am 1. Oktober 1901 wurde der statistischen Abteilung der Preußischen Zentral-Genossenschaftskasse in der Person des Geheimen Regierungsrat Professor Dr. Petersilie ein geschulter Leiter gegeben, der in der Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus (1901) „Mitteilungen zur deutschen Genossenschaftsstatistik" veröffentlichte, die sich an die bereits herausgegebenen beiden Hefte „Mitteilungen" inhaltlich anschlossen, und in denen das spätere statistische Material verarbeitet war. Nach dem Stand vom 31. Dezember 1902 wurde ein neues vervollständigtes Kataster herausgegeben, das nicht nur die in Preußen, sondern auch die in den übrigen Bundesstaaten Deutschlands bestehenden Genossenschaften enthält. In Bayern, Württemberg, Hessen werden ähnliche Aufnahmen durchgeführt wie in Preußen. Seit Januar 1904 gab die Preußische ZentralGenossenschaftskasse ein Jahr- und Adreßbuch der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen ­ schaften im Deutschen Reiche heraus, das im Jahre 1915 zum letzten Male erschienen ist. Während des Krieges hat der „Freie Ausschuß der Deutschen Genossenschafts­ verbände" eine bedeutungsvolle Entwicklung entfaltet, der auf eine Anregung des Anwalts des Deutschen Genossenschaftsverbandes Dr. Crüger im Jahre 1913 als eine freie Orga­ nisation der fünf großen Genossenschaftsverbände ins Leben gerufen ist (vgl. BlfG. 1916 S. 320). Die Organisation des Freien Ausschusses ist eine lose; weder hat der Freie Aus­ schuß sich ein Statut, noch eine Geschäftsordnung gegeben. Die Leitung befand sich zunächst in Händen des Anwalts des Deutschen Genossenschaftsverbandes. In der Sitzung des Freien Ausschusses vom 4. Januar 1922 ist beschlossen worden, daß fortan ein Wechsel im Vorsitz stattfinden soll, und zwar in der Art, daß der Vorsitz von Jahr zu Jahr auf den nächstältesten Verband übergeht. Frühere Auflagen enthielten eine summarische Darstellung der Entwicklung der wirtschaftlichen Grundsätze der wichtigsten Genossenschaftsarten. Es kann auf sie jetzt an dieser Stelle verzichtet werden, nachdem in Crügers „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen" und in Crügers „Grundriß des deutschen Genossenschaftswesens" die Geschichte der einzelnen Genossenschaftsarten und ihre Organisation eingehende Besprechung erfahren hat. Vgl. über die neuere Literatur insbesondere „Grundriß" S. 165 zur Geschichte der deutschen Genossenschaftsbewegung vgl. ferner Korthaus: „Zeit­ bilder aus der Geschichte des deutschen Genossenschaftswesens" Berlin 1927.

n. Die Genossenschaftsaefetzgebmrg. Schulze-Delitzsch hatte bei Gründung der ersten Genossenschaften die Frage der rechtlichen Form derselben mit besonderer Vorsicht behandelt, um auf der einen Seite jede Einmischung des Staates und der Behörden von ihnen fernzuhalten, auf der anderen Seite nach Möglichkeit den Mangel der Rechtspersönlichkeit im Verkehr mit Dritten zu ersetzen. Die ersten Genossenschaften, die in Preußen im Gebiete des Allgemeinen Landrechts ihren Sitz hatten, konnte er nur als erlaubte Privatgesellschaften organi­ sieren, jenen Mangel aber strebte er durch zum Teil künstliche Einrichtungen, unschädlich zu machen. Zur Beseitigung indessen „eines. Zustandes, der in jeder Weise mißlich, mancherlei Gefahren und unnütze Kosten und Weitläufigkeit zur Folge hatte", suchte er zu 6. Konsumgenossenschaftliche Praxis (Verlag des Reichsverbandes deutscher Konsum­ vereine Mülheim). zu 7. Deutsche Handelsrundschau (Verlag Deutsche Handelsrundschau Berlin).

Einleitung.

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Abhilfe von der Gesetzgebung. Die Änderung des preußischen Gesellschaftsrechts durch die Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches bewog ihn, am 10. März 1863 im Abgeordnetenhause, dessen Mitglied er 1861 geworden war, zugleich als An­ walt und im Auftrage des Allgemeinen Vereinstages, einen ausführlichen Gesetzentwurf einzubringen, nach welchem im Anschluß an die Vorschriften des Handelsgesetzbuches die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften als besondere Art der Gesellschaften durch Eintragung in ein vom Handelsregister als Teil des Handelsregisters zu führendes Ge­ nossenschaftsregister die gleiche rechtliche Stellung wie die Handelsgesellschaften erwerben konnten. Dieser in einer Kommission des Abgeordnetenhauses beratene und verbesserte Entwurf wurde die Grundlage des in der Landtagssession von 1866/67 endlich zustande gebrachten preußischen Gesetzes, „betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 27. März 1867", eingeführt in die neuen Provinzen Hannover, Hessen-Nassau und Schleswig-Holstein durch Verordnung vom 12. Juli, 12. August und 22. September 1867. Mt dem preußischen Gesetze bis auf einige Schlußparagraphen übereinstimmend, wurden schon am 20. Juni 1867 im Herzogtum Sachsen-Meiningen und am 8. März 1868 im Großherzogtum Sachsen-Weimar Genossenschaftsgesetze erlassen. Daß in süddeutschen Staaten und im Königreich Sachsen auf anderen Grundlagen Genossen­ schaftsgesetze entworfen wurden, veranlaßte Schulze schon am 16. April 1868 als Mit­ glied des Norddeutschen Reichstages zu beantragen, das preußische Genossenschafts­ gesetz mit einigen Änderungen und Ergänzungen zu einem norddeutschen Bundesgesetz zu erheben. In einer Kommission von 21 Mitgliedern in zwei Sitzungen vorberaten wurde der Gesetzentwurf vom Reichstag am 23. Mai und sodann mit vielen vom Bundes­ rat befürworteten Änderungsvorschlägen der von ihm mit der Begutachtung betrauten, gerade in Berlin tagenden Kommission zur Ausarbeitung einer Zivilprozeßordnung, in der letzten Sitzung der Session am 20. Juni 1868 unverändert angenommen. Das „Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen­ schaften vom 4. Juli 1868" ist in Nr. 42 des Bundesgesetzblattes des Norddeutschen Bundes, ausgegeben zu Berlin, den 15. Juli 1868, publiziert und im Norddeutschen Bunde laut § 73 cutt 1. Januar 1869 in Kraft getreten. Dasselbe fand in vier nord­ deutschen Staaten, außer in Preußen, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Weimar, auch noch im Königreich Sachsen, wo die Vollziehung am 15. Juni und die Verkündigung im sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt am 27. Juni 1868 erfolgt war, besondere Genossenschaftsgesetze vor, an deren Stelle es zu treten hattet). In Bayern wurde ein Genossenschaftsgesetz am 29. April 1869 vollzogen, welches am 28. Mai im Königreich Bayern diesseits des Rheins und am 10. Juni 1869 in der Rheinpfalz in Kraft trat. Ein hessisches Gesetz vom 4. August 1864 führte das nord­ deutsche Genossenschaftsgesetz mit einzelnen, durch die Verschiedenheit des Geltungs­ gebietes erforderlichen Änderungen in die nicht zum Norddeutschen Bunde gehörenden Teile des Großherzogtums ein. In Bad en erschien das Genossenschaftsgesetz vom 11. Fe­ bruar 1870. In Württemberg steckte man noch in den Vorarbeiten, als der Krieg aus­ brach. Die Versailler Verträge bewirkten, daß das Gesetz vom 4. Juli 1868 in Baden, Südhessen und Württemberg am 1. Januar 1871 eingeführt und dadurch das badische und hessische Gesetz aufgehoben wurden. In Elsaß-Lothringen ferner ist das Genossenschaftsgesetz zufolge Gesetz vom 11. Juli 1872 am 1. Oktober 1872, in

J) Die Geschichte der Entstehung des norddeutschen Genossenschaftsgesetzes vom 4. Juli 1868 und seiner Einführung in die übrigen deutschen Staaten ist ausführlich behandelt von Parisius: „Die Genossenschaftsgesetze im Deutschen Reich" (1876). Einleitung Abschn. III S. 85—109. In diesem Kommentar sind auch die Einführungsgesetze, die Ausführungsverordnungen und das dem deutschen Reichsgesetze nachgebildete österreichische Genossenschastsgesetz vom 9. April 1873 nebst Ausführungs­ verordnung abgedruckt (S. 403—563).

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GenoffenschaftSges eg.

Bayern zufolge Gesetz vom 23. Juni 1873 am 1. August 1873 in Kraft getreten1). Da streitig geworden war, ob Genossenschaften durch Ausdehnung ihres Ge­ schäftsbetriebs auf Nichtmitglieder ihren Charakter als Genossenschaften im Sinne des Gesetzes verlören, erging am 19. Mai 1871 das Gesetz betr. die Deklaration des § 1 des Gesetzes vom 4. Juli 1868. Die Art und Weise, wie das Genossenschaftsgesetz für eine neue und noch wenig entwickelte Form des gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes gewissermaßen durch den Begründer und noch dazu in großer Hast geschaffen wurde, erklärt es zur Genüge, daß sich das Bedürfnis einer Revision des Gesetzes bald geltend machte. Bereits im Herbst 1876 stellte Schulze-Delitzsch im Reichstage den Antrag auf eine Revision, indem er den Entwurf einer Novelle mit Motiven vorlegte (Nr. 40 der Drucksachen). Derselbe wurde 1876 in einer Kommission durchberaten, ohne daß es zur Berichterstattung kam. Im neugewählten Reichstage von 1877 erneute Schulze seinen Antrag am 12. März. Sein verbesserter Entwurf (Nr. 41 der Drucksachen) kam am 16. April 1877 zur ersten Beratung. Auf Schulzes Begründung erklärte der Staatssekretär des Reichsjustiz­ amtes Dr. Friedberg, daß bei der vom Bundesrat beschlossenen Reform des Mtiengesetzes voraussichtlich auch das Genossenschaftsgesetz in den Kreis der Revision gezogen werden müsse. Zugleich versprach er, sich bei den vorbereitenden Arbeiten zur Reform­ gesetzgebung den Rat genossenschaftlicher Praktiker zu erbitten. Schulze zog hierauf seinen Antrag zurück. In der Session von 1878 aber wiederholte er denselben, beschränkte ihn jedoch auf einzelne besonders dringlich erscheinende Punkte (Drucksachen Nr. 11). Auf den Bericht der mit der Vorberatung beauftragten Kommission beschloß in der Sitzung vom 11. März 1878 der Reichstag: in Erwägung, daß das Bedürfnis zu einer Revision des Gesetzes überhaupt, ins­ besondere aber in der Richtung anzuerkennen sei, den Beginn der Mitgliedschaft bei­ tretender Genossenschafter, das Rechtsverhältnis ausscheidender Genossenschafter und den zulässigen Zeitpunkt des sogenannten Umlageverfahrens festzustellen, — den Reichskanzler aufzufordern, den Entwurf einer Novelle zum Genossenschafts­ gesetz, in welcher die in dem Anträge des Abgeordneten Schulze-Delitzsch angeregten Punkte ihre Erledigung fänden, mit tunlichster Beschleunigung ausarbeiten zu lassen (Stenograph. Berichte 1878 S. 442). Ebenso beschloß der Bundesrat am 27. Februar 1879, den Reichskanzler zu ersuchen, im Anschluß an die Revision der Aktiengesetzgebung und unter Berücksichtigung der in der vorerwähnten Reichstagsresolution hervorgehobenen Punkte den Entwurf einer Novelle zum Genossenschaftsgesetz dem Bundesrat vorzulegen. Schulze-Delitzsch schrieb in den letzten Monaten vor seinem am 29. April 1883 erfolgten Tode mit dem Aufgebot aller Kräfte das Büchlein „Material zur Revision des Genossenschaftsgesetzes. Nach dem neuesten Stand der Frage geordnet (Leipzig 1883)." Es verpflichte ihn, so schrieb er, „die von ihm beider Genossenschafts­ gesetzgebung, wie bei der Revision ergriffene Initiative, ja seine ganze Stellung in der Genossenschaftsbewegung, dem Jnlande wie dem Auslande gegenüber", wie sie ihn auch „befähigen, das reiche Material, das sich durch seine Arbeiten und Anträge bei ihm gesammelt, gesichtet, in geordneter Reihenfolge den Genossenschaften zu übermachen". Nach früheren Erklärungen der Reichsregierung sollte die Reform des Wtienrechts der Reform des Genossenschaftsrechts vorangehen. Das Reichsgesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, ist am 18. Juli 1884 erlassen. Durch dasselbe wurde eine Umänderung des früher ausgearbeiteten Genossen­ schaftsgesetzentwurfs bedingt. Endlich im August 1887 konnte der Nachfolger Schulzes in der Anwaltschaft des Genossenschaftsverbandes, Reichstagsabgeordneter Schenk, *) Vgl. über die bayrische Genossenschaftsgesetzgebung namentlich von Sicherer: „Die Genossenschastsgesetzgebung in Deutschland." Kommentar zum Reichsgesetz usw. unter Berücksichtigung des bayrischen Genossenschaftsgesetzes (Erlangen 1872) S. 72—86, 319—324.

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auf dem Allgemeinen Vereinstage in Plauen mitteilen, daß nach der ihm aus dem Reichs­ justizamt gewordenen Eröffnung in diesem der Entwurf des Genossenschaftsgesetzes fertiggestellt sei und vor der Beschlußfassung des Bundesrats einer Sachverständigen­ konferenz zur Begutachtung vorgelegt werden sollte. Die Konferenz hat unter Vorsitz des Staatssekretärs von Schelling unter Teil­ nahme des Direktors im Reichsjustizamt, des Wirklichen Geheimen Rats Hanauer und der vortragenden Räte Geheimer Oberregierungsrat Dr. Hagens und Geh. Ober­ regierungsrat Dr. Hoffmann vom 15. bis 19. November 1887 beraten*). Die An­ regungen der Konferenz sind zum großen Teil berücksichtigt. Die Thronrede vom 24. November 1887 hatte zwar dem Reichstage die Vor­ legung des Genossenschaftsgesetzentwurfs angekündigt. Allein es kam nicht dazu. Der Bundesrat beschloß in dankenswerter Weise zunächst die Veröffentlichung des Entwurfs?) und ermöglichte dadurch den in erster Reihe beteiligten Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaften, ihn in ihren Verbänden zu beraten und über die von ihnen vorzu­ schlagenden Änderungen zu beschließen. Im Herbst 1888 ist der Entwurf vom Bundesrat beraten und mit einigen Abänderungen angenommen worden. Derselbe ist am 27. November 1888 dem Reichstage zur Beschlußfassung vorgelegt^). Der Reichstag beschloß nach der ersten Beratung in der 14. Sitzung vom 13. De­ zember 1888, den Gesetzentwurf einer Kommission von 28 Mitgliedern zur Beratung zu überweisen. Diese hat die Vorberatung in 23 Sitzungen in zwei Lesungen vollendet und am 18. März 1899 schriftlichen Bericht erstattet (Drucksachen Nr. 132). Auf Grund desselben hat der Reichstag die zweite Beratung in der 45. und 46. Sitzung vom 23. und 26. März vorgenommen (Zusammenstellung nach den Beschlüssen, Nr. 145 der Druck­ sachen). Nach der dritten Beratung in der 52. Sitzung vom 4. April 1889 (Zusammen­ stellung nach den Beschlüssen, Nr. 186 der Drucksachen) ist die Vorlage in der Schluß­ abstimmung angenommen. Der Bundesrat hat den Beschlüssen des Reichstages am 11. April zugestimmt und der Kaiser das Gesetz am 1. Mai vollzogen (RGBl. Nr. 11, ausgegeben den 10. Mai 1899 S. 55—93). Die nach § 171 Abs. 1 einem Erlaß des Bundesrats vorbehaltenen, „zur Aus­ führung der Vorschriften über das Genossenschaftsregister und die Anmeldungen zu demselben erforderlichen Bestimmungen" sind vom Reichskanzler am 11. Juli 1889 bekanntgemacht (RGBl. Nr. 15, S. 149—164); an ihre Stelle ist getreten die Bekannt­ machung, betreffend die Führung des Genossenschaftsregisters, und die Anmeldung zu diesem Register vom 1. Juli 1899 (RGBl. Nr. 28, S. 347 ff.). Jetzt die Verordnung über das Genossenschaftsregister vom 22. November 1923 (RGBl. I S. 1117). Änderungen des Gesetzes vom 1. Mai 1889 brachte das Reichsgesetz vom 12. August 1896 (RGBl. S. 696ff.). Es werden eine Reihe von Strafbestimmungen *) Ms Sachverständige waren zugezogen Vertreter aus verschiedenen genossenschaftlichen Verbänden: aus dem Allgemeinen Deutschen Genossenschaftsverbande der Anwalt Schenk und die Berbandsdirektoren Hopf-Insterburg, Proebst-München, Schwanitz-Jlmenau, GlackemeyerHannover, ferner Dr. med. Kirchartz-Unkel an Stelle des damals erkrankten F. W. Raiffeisen, Vorsitzender des Anwaltschaftsrates der ländlichen (Raiffeisenschen) Genossenschaften, HaasDarmstadt, Vorsitzender des Verbandes der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften, Reichs­ tagsabgeordneter Leemann-Heilbronn, Vorsteher des Verbandes landwirtschaftlicher Kredit­ genossenschaften im Königreich Württemberg, sodann Reichstagsabgeordneter Freiherr von Mirbach-Sorquitten und die Professoren derRechte Goldschmidt-Berlin und von Sicherer-München. Zugegen waren noch Kommissare des Reichsamts des Innern und der preußischen Ministerien für Landwirtschaft, für Handel und Gewerbe, für Justiz. 2) Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften nebst Begründung und Anlage. Amtliche Ausgabe (Berlin 1888). In den Anmerkungen ist er als Entw. I und seine Motive als Begr. I bezeichnet. 3) Drucksachen des Reichstages 7. Legislaturperiode IV. Session 1888/89 Nr. 28. In den Anmerkungen ist er als Entw. II und Begr. II bezeichnet.

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Genoffenschaftsgesetz.

zur Befolgung des Verbotes für die Konsumvereine, Waren an Nichtmitglieder zu ver­ kaufen, vorgesehen. Ferner werden einige Bestimmungen eingefügt, die der Eigenart der Raiffeisenschen Vereine Rechnung tragen. Von den durch den Art. 10 EHGB. vom 10. Mai 1897 herbeigeführten Ände­ rungen des Genossenschaftsgesetzes half die eine einem großen Mangel desselben ab. Sie ermöglicht die Nichtigkeitserklärung der Genossenschaft im Falle der Ein­ tragung nichtiger oder des Fehlens wesentlicher Statutbestimmungen im Genossenschafts­ register. Ferner werden die Fälle angegeben, in denen die Möglichkeit der Heilung dieser Mängel durch Beschluß der Generalversammlung zugelassen wird. Während des Krieges sind eine Reihe Kriegsnotgesetze ergangen. Sie beziehen sich auf die Revisionsfrist (Bekanntmachung vom 8. September 1914), auf die Vertretung eines Genossen in der Generalversammlung (Bekanntmachung vom 8. September 1914), auf die zeitweilige Außerkraftsetzung der §§ 99, 118, 142, 148 des Gesetzes betr. die Er­ werbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Bekanntmachung vom 8. August 1914). Dahin gehört zum Teil ferner die Verordnung betr. die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses vom 14. Dezember 1916, die an die Stelle der bei Ausbruch des Krieges erlassenen Notverordnung vom 8. August 1914 getreten ist. Endlich gehört hierhin die Nachkriegsverordnung über den Bilanzwert der Kriegs­ anleihen vom 24. März 1920. Wiederholt ist die Revision des Genossenschaftsgesetzes angeregt worden. Insbesondere handelt es sich dabei um den Versuch Strafvorschriften in den Abschnitt IV betr. die Revision einzufügen. Diesem Versuch trat der Allgemeine Genossenschaftstag zu Posen (1913) mit folgendem Beschluß entgegen: „Der Allgemeine Genossenschaftstag erklärt gegenüber den auf Grund einzelner Zusammen­ brüche von Genossenschaften hervortretenden Anregungen, die Bestimmungen über die Revision zu verschärfen, daß, wie zuletzt auf dem AGT. zu Kassel (1906) ausgesprochen ist, die ErfMung der Aufgaben der Revision nicht gesichert werden könne durch Einführung von Zwangsmaßregeln in die Organisation, sondern durch Hebung des Verständnisses der Organe der Genossenschaft für die Zwecke der Revision."

Aus den Kreisen der Konsumvereine heraus kamen dann Anregungen auf Ände­ rung des Genossenschaftsgesetzes, durch die eine Anpassung des Genossenschaftsgesetzes an die Konsumvereine mit größerer Mitgliederzahl gegeben wurde. Im Jahre 1919 gelangte ein entsprechender Antrag an den Reichstag. Mn nahm der Freie Ausschuß der deutschen Genossenschaftsverbände die Frage auf und trat mit dem Entwurf einer Novelle an die Öffentlichkeit. Durch diese Novelle sollte der Versuch gemacht werden, das Genossenschaftsgesetz der Entwicklung des Genossenschaftswesens anzupassen. Der Verabschiedung der Novelle stellten sich große Schwierigkeiten entgegen. Es kam schließlich zu einer Verständigung mit dem Reichsjustizminister über eine so­ genannte kleine Novelle zum Genossenschaftsgesetz, die sich auf vier Punkte beschränkt: Beteiligung von Genossenschaften an wirtschaftlichen Unternehmungen — Regelung der Zulässigkeit der Vertreterwahl für die Generalversammlung — Erschwerung der Auflösung von Kreditgenossenschaften — Erleichterung der Verschmelzung von Ge­ nossenschaften. Am 21. Juni 1922 wurde die Novelle durch Initiativantrag der Parteien im Reichstage eingebracht. Debattelos erfolgte am 1. Juli 1922 in drei Lesungen die Annahme. Die Novelle ist abgedruckt in M. 51 des Reichsgesetzblattes vom 21. Juli 1922 und an diesem Tage in Kraft getreten. Eine weitere Novelle vom 12. Mai 1923 (RGBl. I S. 288) enthält außer einigen Bestimmungen, die im wesentlichen eine Verbilligung der Bekanntmachung im Inter­ esse der Genossenschaft herbeiführen sollen, wichtige Änderungen in § 1 Ms. 2 und § 93a Ws. 1 Satz 2. Die Novelle vom 27. Dezember 1923 (RGBl, l S. 1252) verlängert die Revisions­ pflicht auf drei Jahre; auf Antrag des Revisionsverbandes kann sie durch die oberste Landesbehörde noch um ein weiteres Jahr verlängert werden. Die Verordnung vom

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4. Februar 1925 (RGBl. I S. 9) trifft Bestimmungen für den Fall, daß verschiedene Registerrichter sich über die Wahl des Blattes für die Veröffentlichungen nicht einigen können. Das Gesetz vom 19. Januar 1926 Art. I RGBl. I S. 91 erweitert den Kreis der Genossenschaften, für die an Stelle der Generalversammlung die Vertreterver­ sammlung treten muß, bzw. darf. Art. II hebt die §§ 154—170 des Gesetzes vom 1. Mai 1889 (RGBl. S. 55) auf. Dem Kommentar liegt zugrunde die durch den Reichskanzler unter dem 14. Juni 1898 in Nr. 25 des RGBl. (S. 810ff.) gemäß Art. 13 des obengenannten Einführungsgesetzes veröffentlichte Fassung des Genossenschaftsgesetzes, die vom 1. Januar 1900 an, dem Tage des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches, gilt, ergänzt durch die Novellen zum Genossenschaftsgesetz vom 1. Juli 1922 (RGBl. I 5. 567), 15. Mai 1923 (RGBl. I S. 288), vom 27. Dezember 1923 (RGBl. I S. 1252), vom 4. Februar 1925 (RGBl. I S. 9) und vom 19. Januar 1926 (RGBl. I S. 91). Die genossenschaftliche Organisation ist in die verschiedenartigsten Wirtschafts­ gebiete eingedrungen, vielfach hat daher die Gesetzgebung sich veranlaßt gesehen, sich mit den Genossenschaften zu beschäftigen. a) Nach dem Hypothekenbankgesetz vom 13. Juli 1899 ist der Geschäfts­ betrieb der Hypothekenbanken nach Maßgabe des Gesetzes in der Form der einge­ tragenen Genossenschaften verboten. b) Nach dem Gesetz betr. Privatversicherung vom 12. Mai 1901 dürfen Personenvereinigungen, welche die Versicherung ihrer Mitglieder nach dem Grund­ sätze der Gegenseitigkeit betreiben wollen, dieses nur als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit nach Maßgabe des Privatversicherungsgesetzes tun. Zum Betriebe der verschiedenen Arten der Lebensversicherungen sowie zum Betriebe der Unfall-, Haft-, Feuer- oder Hagelversicherung dürfen außer Versicherungsvereinen auf Gegen­ seitigkeit nur Aktiengesellschaften zugelassen werden. Als Lebensversicherung im Sinne des Gesetzes gilt auch die Jnvaliditäts-, Mters-, Witwen-, Waisen-, Aussteuer- und Militärdienstversicherung. c) Nach dem Gesetz vom 25. Oktober 1867 ist zulässig die Bildung von Reederei­ genossenschaften und die Führung der Landesflagge durch die Schiffe der Genossenschaften unter den im Gesetz angegebenen Verordnungen. d) Nach dem Gesetz über das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897 kann die Erlaubnis zur Beförderung von Auswanderern an eingetragene Genossen­ schaften erteilt werden, die ihren Sitz im Reichsgebiet haben. e) Die Novelle betr. die Abänderung der Gewerbeordnung vom 6. August 1896 erklärte § 41a Abs. 1 Satz 2, § 105 b Abs. 3, § 33 Abs. 6 und 7 (Bestimmungen, betr. offenen Laden und Konzession für Kleinhandel mit Spirituosen) auf die Konsum­ vereine für anwendbar. Die durch den Friedensvertrag vom deutschen Reiche ge­ trennten Gebiete gehen eigene Wege. Für Danzig gilt noch das deutsche Gesetz. Danzig hat aber nicht die Änderungen, welche im Reich nach der Erklärung Danzigs zum Frei­ staat am GG. vorgenommen wurden, ohne weiteres mitgemacht. Über die Danziger Genossenschaftsgesetzgebung vgl. Kettlitz, Führer durch die Danziger Gesetzgebung, Berlin 1926, S. 106, 201, 202. Auch Memel hat das deutsche GG. behalten und die deutschen Novellen im wesentlichen übernommen. Vgl. BO. vom 15. Dezember 1922 Amtsblatt des Memel­ gebietes S. 1307 und 2. November 1923 Amtsblatt des Memelgebietes S. 964. In Polen gilt ein neues Gesetz vom 29. Oktober 1920, in deutscher Übersetzung beim Verband deutscher G. in Polen zu Posen erschienen.

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In den ersten Jahren der genossenschaftlichen Bewegung hatten sich die Ge­ nossenschaften öfters über die aus Übelwollen gegen die Person oder aus bureaukratischem Mißtrauen entsprungenen Versuche zu beklagen, ihre Wirksamkeit zu

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Genossenschaft-gesetz.

hemmen oder nach bestimmten Richtungen hin einzuzwängen. Eingedenk dieser Er­ fahrungen haben Schulze-Delitzsch und seine Freunde jede ihnen angebotene Förderung oder Unterstützung des Staates stets grundsätzlich abgelehnt. Als die preußische Re­ gierung im August 1865 eine aus Arbeitgebern und Arbeitern zusammengesetzte Kom­ mission unter anderem die Frage beraten ließ, was geschehen könne, „um die auf Selbsthilfe beruhenden Genossenschaften (Vorschuß- und Kreditvereine, Vereine zur Beschaffung von Rohstoffen, Konsumvereine, Produktivassoziationen) zu fördern", — Schulze-Delitzsch war nicht zugezogen — erklärte der in Stettin tagende siebente Allgemeine Bereinstag auf Antrag von Parisius: einzige Förderung, welche die Ge­ nossenschaften von der preußischen wie von jeder anderen Staatsregierung bean­ spruchen, sei, daß sie sich aller Versuche, die Genossenschaften der polizeilichen Kon­ trolle zu unterstellen, fernerhin enthalten und dem von Schulze 1863 im Abgeord­ netenhause eingebrachten Genossenschafts-Gesetzentwürfe zustimmen, — der letzte Satz der Resolution lautet: „Alle Versuche der Staatsregierungen, die auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften im allgemeinen oder innerhalb einer einzelnen Berufsklasse durch positive Einmischung fördern zu wollen, müssen als ihnen schädlich zurückgewiesen werden." Andere Verbände haben sich zu positiven Förderungen und Unterstützungen seitens der Regierung von vornherein weniger ablehnend verhalten, sondern sie er­ beten und bekommen, dafür aber freilich auch ganz bedeutende Konzessionen machen müssen und einen Teil ihrer Selbständigkeit eingebüßt. Die Grundsätze Schulzes über Ablehnung von Staatshilfe für das Ge­ nossenschaftswesen und über die hieraus folgende Unabhängigkeit der genossen­ schaftlichen Entwicklung von staatlichen Einflüssen wurden Jahrzehnte hindurch im großen und ganzen auch in Partikulargesetzgebungen anerkannt. Erst 1895 ging die preußische Regierung zu einer staatlichen Unterstützung des Genossenschaftswesens iibei1). Das preußische Gesetz, bett, die Errichtung einer Zentralanstalt zur Förderung des genossenschaftlichen Personalkredites vom 31. Juli 1895 (GS. S. 310ff.) bestimmt: § 1. Zur Förderung des Personalkredites (§ 2), insbesondere des genossenschaftlichen Personal­ kredites, wird unter dem Namen „ Preußische Zentral-Genossenschafts-Kasfe" eine Anstalt mit dem Sitze in Berlin errichtet. Die Anstalt besitzt die Eigenschaft einer juristischen Person, sie steht unter Aussicht und Leitung des Staates. § 2. Die Anstalt ist befugt, folgende Geschäfte zu betreiben: 1. zinsbare Darlehen zu gewähren an a) solche Bereinigungen und Verbandskassen eingetragener Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaften (Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 — Reichs-Gesetzblatt S. 55 —), welche unter ihrem Namen vor Gericht klagen und verklagt werden können, b) die für die Förderung des Personalkredites bestimmten landschaftlichen (ritterschaftlichen) Darlehnskassen, c) die von den Provinzen (Landeskommunalverbänden) errichteten gleichartigen Institute; 2. von den unter 1 gedachten Vereinigungen usw. Gelder verzinslich anzunehmen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben (1 und 2) ist die Anstalt außerdem befugt: 3. sonstige Gelder im Depositen- und Scheckverkehr anzunehmen; 4. Spareinlagen anzunehmen; 5. Kassenbestände im Wechsel-, Lombard- und Effektengeschäft nutzbar zu machen; 6. Wechsel zu verkaufen und zu akzeptieren; 7. Darlehen aufzunehmen; 8. für Rechnung der unter 1 bezeichneten Vereinigungen usw. und der zu denselben gehörigen Genossenschaften sowie derjenigen Personen, von denen sie Gelder im Depositen- und

x) Vgl. Dr. Hans Crüger, „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen" S. 152ff.: Der Staat und die Genossenschaften.

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Scheckverkehr sowie Spareinlagen oder Darlehen erhalten hat, Effekten zu kaufen und zu verkaufen. Der Geschäftskreis der Anstalt kann durch Königliche Verordnung über die in 1 genannten Vereinigungen hinaus durch Hereinbeziehung bestimmter Arten von öffentlichen Sparkassen er­ weitert werden. § 3. Der Staat gewährt der Anstalt für die Dauer ihres Bestehens als Grundkapital eine Ein­ lage von 5 Millionen Mark in Zprozentigen Schuldverschreibungen nach dem Nennwerte.

Weitere Bestimmungen des Gesetzes besagen: Die in § 2 genannten Genossen­ schaften können sich nach näherer Bestimmung der Aufsichtsbehörde an der Anstalt mit Vermögenseinlagen beteiligen. Diese Vorschrift hat eine eigenartige Anwendung gefunden; es haben sich Verbandskassen mit Kapitalbeträgen an der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse beteiligt, die weit über das eigene Vermögen hinaus­ gehen und daher nur durch Inanspruchnahme des Kredits gedeckt werden, während bei der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse natürlich kein Bedürfnis vorhanden ist, auf diese Weise ihr Kapital zu vergrößern. Von dem Reingewinn der Anstalt bei Jahresabschluß wird zunächst die eine Hälfte zur Bildung eines Reservefonds, die andere zur Verzinsung der Einlagen bis zu 3 vom Hundert, ein etwaiger Überrest ebenfalls dem Reservefonds zugeführt. Sobald der Reservefonds ein Viertel der Ein­ lagen beträgt, werden die Einlagen bis zu 4 vom Hundert verzinst und der Überschuß an den Reservefonds abgeführt. Der Finanzminister als Aufsichtsbehörde erläßt die Geschäftsanweisungen für das aus drei auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern be­ stehende Direktorium und die Dienstinstruktionen für die Beamten der Anstalt. Dem Direktorium liegt die Verwaltung der Anstalt sowie deren Vertretung nach außen ob. Die Beschlüsse des Direktoriums erfolgen nach Stimmenmehrheit; das Direk­ torium ist an die Weisungen der Aufsichtsbehörde gebunden. Dem Direktorium steht als Beirat bei den Geschäften der Anstalt ein Ausschuß zu Seite, der unter dem Vorsitz des Direktors der Anstalt mindestens einmal jährlich zusammentritt. Die in §3 dieses Gesetzes genannte staatliche Einlage wurde bisher mehrfach erhöht. Durch weitere VO. vom 18. Januar 1920 GS. 518 und 18. Januar 1924 GS. 39 erhielt das Gesetz vom 31. Juli 1895 seine jetzige Fassung, die am 8. März 1924 GS. 175 bekannt gemacht ist. Durch die BO. vom 18. Januar 1924 wurde die Preußische Zentralgenossenschaftskasse ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen. Für den Ausschuß der Anstalt gilt jetzt die VO. vom 7. Mai 1924 GS. 535. Über ihre Aufgaben und Bedeutung vgl. Oberfinanzrat Dr. Hillringhaus Berlin 1922, Heymann. In Preußen wurden ferner durch die Gesetze vom 3. Juli 1896 und vom 8. Juni 1897 für die Errichtung landwirtschaftlicher Getreidelagerhäuser 3 und 2 Millionen Mark bewilligt. Diese staatlichen Lagerhäuser wurden an Korn­ hausgenossenschaften üemietet1). Die Versuche sind nicht geglückt. In Bayern war bereits durch Gesetz vom 11. Juni 1894 der im wesentlichen für die Vereine des Landesverbandes landwirtschaftlicher Darlehnskassen bestimmten landwirtschaftlichen bayrischen Zentraldarlehnskasse eGmbH. ein unverzinslicher Betriebsvorschuß von 100000 Mark gewährt worden. Sodann wurde eine staatliche Subvention von 2 Millionen Mark zu 3% gewährt, die bald auf beinahe 4 Millionen Mark erhöht wurde, später weitere Erhöhungen erfuhr. Es sind im ganzen für diese Kasse 4 bis 5 Millionen Mark aufgewendet worden. Ferner wurde durch Gesetz vom 17. Juni 1898 die Bayrische Landwirtschaftsbank eGmbH. gegründet; die staatliche Einlage betrug 2 Millionen Mark, wovon 1 Million unverzinslich, außerdem erhielt die Bank einen staatlichen, nicht rückzahlbaren Spesenzuschuß von 60000 Mark, die staatliche Einlage stieg um weitere 2 Millionen Mark, zu 3% verzinslich, die Genossen­ schaft hat das Recht der Pfandbriefausgabe. Ihre Gründung ist um so auffälliger, x) Krüger, „Getreide-Absatzgenossenschasten" (Heft 136 der „Volkswirtschaftlichen Zeitfragen" Berlin, 1896).

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Genoffrnschaftsgesetz-

als das Hypothekenbankgesetz von 1899 den Geschäftsbetrieb in der Form der Genossen­ schaft verbietet. Mit erheblicher staatlicher Subvention wurde im Jahre 1903 die Bayrische Zentral-Handwerker-Genossenschaftskasse eGmbH. in München (heute: Landesgewerbebank eGmbH.) für das Handwerk gegründet; im Jahre 1907 wurden die vom Staate zur Verfügung gestellten Gelder auf 1 Million Mark erhöht, verzinsbar mit 3%. Auch diese Subvention hat im Laufe der Jahre weitere Steigerung erfahren. Vgl. die im Jahre 1903 herausgegebene Denkschrift des Königlichen Staatsministeriums über die Förderung von Handel und Gewerbe *). Als Zentralgenossenschaftskasse entstand nach Art der Preußenkasse für Sachsen die „Sachsenkasse", die durch Vermittlung der Landesgewerbebank in Dresden, der Zentralkasse des Landesverbandes Sächsischer gewerblicher Genossenschaften, die sächsischen Genossenschaften mit Geld versorgte. Für das sächsische Handwerk war ein besonderer „Kreditstock" gebildet. Die „Sachsenkasse" und der „Kreditstock" für das Handwerk haben sich inzwischen mit der Landesgewerbebank in Dresden Bereinigt, so daß für Sachsen nur dieses eine Zentralkreditinstitut besteht. Auch die Bewegung zur Errichtung von Giroverbänden ging von Sachsen aus. Von feiten des Giro­ verbandes wurden dann vor allem in Sachsen die sogenannten Haftungsgenossen­ schaften oder Kreditgemeinschaften ins Leben gerufen. Über diese Art Genossen­ schaften, von denen rund 70 bestehen dürften, vgl. die BlfG., Jahr 1924 S. 141, 315, 383, 417, 418, 471, sowie S. 231 von 1925. In Württemberg, Baden, Hessen wurden in früheren Jahren auch mehr oder­ weniger staatliche Mittel für die Förderung des Genossenschaftswesens aufgewandt, für die vor allem die landwirtschaftlichen Genossenschaften in Frage kamen.

iil Der vegeiff der Genossenschaft und die wichftgften Neuerungen

des Gesetzes vom 1. Mai 1889. Schulze-Delitzsch hat seine Schöpfungen anfänglich „Assoziationen der Hand­ werker und Arbeiter" oder der „Arbeiter und des Kleingewerbes" benannt, erst auf Anregung des zweiten Kongresses deutscher Volkswirte (1859) erhielten sie den Namen „Genossenschaften". Die deutsche Bezeichnung hat sich unter den Vereinen selbst schnell als technische eingebürgert. In dem ersten Entwürfe zu einem Genossenschaftsgesetz hatte Schulze die Be­ griffsbestimmung dahin gefaßt: „Diejenigen Vereine, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels genossenschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken und wegen der unbeschränkten Zahl, sowie des stetigen Wechsels ihrer Teilnehmer nicht für geschlossene Sozietäten im Sinne des Gesetzes erachtet werden können." Der zweite Vereinstag der Vorschuß- und Kreditvereine (Gotha 1860) ge­ nehmigte bei Beratung jenes Entwurfs diese Bezeichnung als erschöpfend und zweck­ mäßig. Sie ging auch über in den Gesetzentwurf „über die privatrechtliche Stellung der auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften", den Schulze am 10. März 1863 dem Preußischen Abgeordnetenhause vorlegte. Aber bei der Kommissionsberatung wurden zahlreiche Mänderungsanträge gestellt. Man fand, daß vom „genossenschaftlichen Geschäftsbetrieb" in einer Definition der Genossenschaft nicht geredet werden dürfe und setzte dafür „gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb auf dem Wege der Selbsthilfe". Ein Antrag, neben dem Erwerb und der Wirtschaft der Mitglieder noch den Kredit als Gegenstand der bezweckten Förderung einzufügen, fand trotz desWiderspruchs des Antragstellers und des zum Referenten bestellten Abgeordneten Parisius Annahme. Ebenso ein Antrag des letzteren, eine allseitig als eigentümlich aner­ kannte Eigenschaft der bestehenden Genossenschaften durch die Worte „bei nicht geschlos-

!) BlfG. 1906 S. 421.

Einleitung.

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jener Mitgliederzahl" zu kennzeichnen. So entstand in der Kommission die Definition: „Vereine, welche bei nicht geschlossener Mitgliederzahl die Förderung des Kredits, des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Ge­ schäftsbetriebes auf dem Wege der Selbsthilfe bezwecken (Genossenschaften)." In dem von der preußischen Staatsregierung 1866 und 1867 dem Landtage vorgelegten Entwürfe ist die Definition im wesentlichen beibehalten. Nur die Worte „auf dem Wege der Selbsthilfe" blieben fort. „Die im § 1 enthaltene Definition der Genossenschaft", hieß es in den Motiven, „schließt durch das darin aufgenommene Merkmal, wonach die Förderung des Kredits usw. der Vereinsmitglieder durch ge­ meinschaftlichen Geschäftsbetrieb bezweckt werden muß, diejenigen Vereine, welche den Charakter von Wohltätigkeitsinstituten an sich tragen (Unterstützungskassen usw.) von der Kategorie der Genossenschaften aus, ohne daß es zu diesem Zweck noch der juristisch jedenfalls unklaren Bezeichnung der Genossenschaft, als auf .Selbsthilfe' be­ ruhend, bedarf." Bei den Beratungen im Preußischen Landtage von 1865 und 1867 und in den Kommissionen desselben sind Versuche, die Definition abzuändern, nicht mehr gemacht worden. Die Definition des preußischen Genossenschaftsgesetzes ist sodann in buch­ stäblicher Übereinstimmung in das norddeutsche Genossenschaftsgesetz übergegangen. Nach ihr findet eine Beschränkung der Genossenschaft auf bestimmte Volksklassen, wie „den kleineren und mittleren Gewerbestand", nicht statt. Der Entwurf des neuen Genossenschaftsgesetzes behielt in dem unverändert angenommenen Eingang des § 1 die bisherige Begriffsbestimmung der Genossen­ schaften bei, nur wurden die überflüssigen Worte „des Kredits" aus zutreffenden Gründen gestrichen. Eine Erweiterung des Begriffs hat also das neue Gesetz den Ge­ nossenschaften nicht gebracht. Rechtliche und wirtschaftliche Natur der Genossenschaften sind bestimmend für die Anwendungsmöglichkeit der genossenschaftlichen Organisation *). Vgl. über die Beschränkung durch die Gesetzgebung S. 16. Der Entwurf wurde, wie der Anwalt Schenck im Reichstage in der ersten Be­ ratung hervorhob, in den genossenschaftlichen Kreisen freudig begrüßt, weil er Be­ rechtigung, Bedeutung und Leistungen der deutschen Genossenschaftsbewegung in vollem Maße anerkannte, weil er bestrebt war, den wirklichen Bedürfnissen der Ge­ nossenschaften zu genügen, und in der Tat eine Fortbildung des Genossenschaftsrechts enthielt. Die von Schulze-Delitzsch gestellten Anträge und Wünsche der Genossen­ schaften waren in großer Zahl berücksichtigt. Wir wollen an dieser Stelle die drei wichtigsten Neuerungen des Gesetzes besprechen. a. vie neue Srdmmg der Haftpflicht der Genoflea: die Anlaflang der Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht und die Ve» ftinrnnmaen über den Vollzug der Haftpflicht. 1. Die Haftpflicht).

Schulze-Delitzsch wählte für die ersten Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Rohstoffassoziationen, die unbeschränkte Haftpflicht der Mitglieder, für den ersten Vorschußverein die beschränkte Haftpflicht. Der Vorschußverein in Eilenburg wurde von Dr. Bernhardt auf der unbeschränkten Haftpflicht errichtet, die sich so gut bewährte, daß Schulze-Delitzsch auch den Delitzscher Vorschußverein entsprechend umgestaltete. Neuere Forschungen haben dies ergeben, entgegen der früheren Auffassung, daß auch der erste Schulze-Delitzsche Vorschußverein bereits die unbeschränkte Haftpflicht besaß. T) Crüger, „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen" S. 26ff., 352sf. 2) Crüger, „Die Zulassung der Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht durch das-Ge« nossenschaftsgesetz vom 1. Mai 1899", in dem Archiv für öffentliches Recht (Freiburg i. Br. und Leipzig) 1894 S. 389—455; ferner die Aufsätze in MfG. 1892 S. 397; 1893 S. 123, 145.

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Genossenschaftliches.

Diese Haftart wurde nun ausschließlich benutzt. „Die Mitglieder waren in direkter, solidarischer und unbeschränkter, sogar prinzipaler Weise den Gläubigern verhaftet. Jeder einzelne Genosse konnte statt der Genossenschaft selbst sofort von den Gläubigern derselben in Anspruch genommen werden (Begr. I 46). Ein Vermögen der Genossen­ schaft, oder gar die Rechtspersönlichkeit derselben, wurde von der Rechtsprechung da­ mals in der Regel nicht anerkannt. An diesem Rechtszustande änderte auch die Ein­ führung des Handelsgesetzbuches nichts, denn dasselbe hatte die Genossen­ schaften unberücksichtigt gelassen. Mit der Genossenschaftsgesetzgebung der Jahre 1867 und 1868 erlangten die Genossenschaften Rechtspersönlichkeit, sofern sie sich „unter das Gesetz stellten"; die allein zulässige Haftbasis blieb die unbeschränkte Solidarhaft mit der infolge des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit notwendig gewordenen Abschwächung, daß der Gläubiger nur wegen des im Genossenschaftskonkurse erlittenen Ausfalls einen Ge­ nossen in Anspruch nehmen konnte, die Mitgliedschaft also aus einer Prinzipalen zu einer subsidiären bürgschaftsähnlichen Haftpflicht umgestaltet war (vgl. Vorbemerkung zu § 105). Hiervon abweichend war die Haftpflicht der Genossen in zwei deutschen Landes­ gesetzen geregelt, die kurz vor und nach dem Bundesgesetz erlassen waren. In dem sächsischen Gesetz vom 15. Mai 1886 war den Genossenschaften die Befugnis gegeben, in dem Statut die Art der Haftung der Mitglieder zu bestimmen, insbesondere die unbeschränkte oder direkte Haft auszuschließen. Durch das Gesetz vom 25. März 1874 wurden aber die auf die Genossenschaften bezüglichen Bestimmungen des Gesetzes aufgehoben. Das bayerische Genossenschaftsgesetz vom 29. April 1869 ließ neben den Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht, den eingetragenen Genossen­ schaften, die sogenannten „registrierten Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht" zu. Bei ihnen haften die Mitglieder nur mit einer bestimmten Einlage und wiederkehrenden Beiträgen bis zu einer bestimmten Höhe. Der Geschäftsanteil des ausgeschiedenen Mitgliedes „und das sonst demselben auf Grund des Gesellschaftsvertrages gebührende Guthaben" werden ihm erst nach Erlöschen der zweijährigen Haftung ausbezahlt *). Durch Gesetz vom 23. Juni 1873 ist das Gesetz außer Kraft getreten, an dem Fort­ bestand der in sehr geringer Anzahl vorhandenen registrierten Gesellschaften mit be­ schränkter Haftpflicht wurde jedoch hierdurch nichts geändert, und es ist dies auch durch das Gesetz vom 1. Mai 1889 nicht geschehen. In Deutschland gelangte das Prinzip der unbeschränkten Solidarhaft in der Gesetzgebung zur ausschließlichen Herrschaft, — nicht aber in irgendeinem außer­ deutschen Staate (Begr. I 48ff., II 34ff.). In England, wo bis 1862 die unbeschränkte Haftpflicht galt, wurde durch Gesetz vom 7. August 1862 die auf den Geschäftsanteil beschränkte Haftpflicht eingeführt. In Frankreich lassen die von den soctetes ä Capital variable handelnden §§ 38—65 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 in der Fassung des Abänderungsgesetzes vom 1. August 1893 den Genossenschaften freie Wahl; Regel wurde in den Städten die auf den Geschäftsanteil beschränkte Haftpflicht, auf dem Lande die unbeschränkte Haftpflicht. Es gelten für die landwirtschaftlichen Kredit­ genossenschaften zwei Spezialgesetze: das Gesetz vom 25. November 1894 für die land­ wirtschaftlichen Darlehnskassen (caisses locales) und das Gesetz vom 31. März 1899 für die Provonzial- bzw. Zentralkassen (caisses regionales). Das italienische Gesetz vom 2. April 1882 hat die gleichen Grundsätze wie das französische. Es bildeten sich in Italien nur die ländlichen Darlehnskassen mit unbeschränkter Haftpflicht. Das belgische Gesetz vom 18. Mai 1873 geht prinzipaliter von der unbeschränkten Solidar­ haft aus, überläßt es aber den Genossenschaften, im Statut eine andere Haftform zu *) Art. 73—75 des Gesetzes vom 29. April, abgedruckt bei Parisius a. a. O. S. 429. Daselbst sind auch das sächsische und das österreichische Gesetz abgedruckt.

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bestimmen. Das gleiche ist der Fall nach dem portugiesischen Gesetze vom 2. Juli 1867, dem niederländischen Gesetze vom 17. November 1867, dem schweizeri­ schen Bundesgesetze vom 14. Juni 1881. Das österreichische Gesetz vom 9. April 1873 sieht Genossenschaften mit unbeschränkter wie mit beschränkter Haftpflicht vor; bei letzterer haften die Mitglieder außer mit dem Geschäftsguthaben noch persönlich mit einem statutarisch festgesetzten Betrage, der nicht niedriger als der Geschäftsanteil angenommen werden darf. Über die Entwicklung der Genossenschaften in außer­ deutschen Ländern vgl. im übrigen Rieß S. 3ff. In Deutschland fanden nach Erlaß des norddeutschen Gesetzes vom4. Juli 1868 Schulze und seine genossenschaftlichen Freunde zunächst ihre Hauptaufgabe darin, die in Norddeutschland erzielte Rechtseinheit auch auf Süddeutschland auszudehnen und gleich­ zeitig die bestehenden Genossenschaften Norddeutschlands zu veranlassen, sich dem Gesetze zu unterstellen. Schwierigkeiten erhoben vielfach die Konsumvereine, die, wenn sie nur gegen bar verkauften, außer den ihnen überreichlich zufließenden freiwilligen Spar­ einlagen der Mitglieder, keines fremden Kapitals bedurften. Doch versöhnten sie sich mit der für sie bei redlicher Geschäftsführung ungefährlichen Solidarhaft, da sie als geringes Opfer erschien gegenüber dem großen Vorteil der Erlangung der zum Ankauf eines eigenen Grundstücks und zur Prozeßführung kaum entbehrlichen Rechtspersönlichkeit. Etwas nachhaltiger war der Widerstand der beiden damals abseits der Schulze­ schen Vereinigung stehenden Konsumvereinsverbände im Geltungsbereich des sächsischen und bayerischen Gesetzes, beziehungsweise außerhalb des Bereichs des nord­ deutschen Gesetzes, des sächsischen und des süddeutschen Verbandes*). Verstärkt wurden die Schwierigkeiten durch einen Beschluß des Deutschen Juristentages vom August 1869. Auf einen Antrag von Professor Goldschmidt erklärte er zwar für wünschenswert, daß für die Verpflichtungen der Genossenschaft jeder einzelne Ge­ nosse solidarisch mit seinem ganzen Vermögen einstehe, es stehe jedoch prinzipiell der Bildung von Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht und freiem Austritt der Genossen nichts entgegen, sofern dafür Sorge getragen werde, daß dem Genossenschaftsgläubiger ein jederzeit bestimmtes und bekanntes Minimumkapital haftet. Der Krieg von 1870/71 brachte mit der deutschen Einigung auch das gemeinsame deutsche Genossenschaftsrecht durch Ausdehnung des norddeutschen Gesetzes vom 4. Juli 1868 auf Süddeutschland. Vom 1. August 1873 an konnten sich in Deutschland nur Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht bilden. In den nächsten Jahren befestigte sich inner- und außerhalb der genossenschaftlichen Kreise die Meinung, daß die unbeschränkte Solidarhaft die notwendige und ausschließliche Grundlage der Er­ werbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sein müsse. Erst sehr allmählich vollzog sich ein Umschwung in den Anschauungen. Es wirkten dahin vornehmlich die Zusammenbrüche großer Kreditgenossenschaften, bei denen die Mitglieder aus der Solidarhaft in Anspruch genommen wurden. Zwar war, wie noch der Mlgemeine Vereinstag in Stuttgart (1879) erklärte, aus den bei einzelnen Genossenschaften vorgekommenen schweren Unfällen kein Grund zur Änderung der Überzeugung herzuleiten, „da diese Unfälle lediglich durch Vernachlässigung der im Gesetz selbst gegen die Gefahren der Solidarhaft gegebenen Schutzmittel, sowie durch ein den ersten Grundsätzen geordneter Geschäftsführung widersprechendes Ge­ bühren und Nichtbeachtung aller Warnungen und Ratschläge entstanden", allein durch Resolutionen läßt sich das Mißtrauen nicht beseitigen. In der Tat haben Zusammen­ brüche „in einzelnen Fällen den Charakter wahrer Kalamitäten für die davon be*) Über die Beschlüsse dieser Verbände vom Mai 1869 und deren Bedeutung sind richtig­ stellende Mitteilungen S. 270 und 277 der BlfG. 1886 in dem Aufsatze von Parisius: Zur Frage der Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haft zu finden. Vgl. ferner Parisius in BlfG. 1886 S. 237, 257: „Der Deutsche Juristentag und die beschränkte Haft der Mitglieder eingetragener Ge­ nossenschaften".

Crüger-Erecelius, SenossenschaftSgesetz. n. Aufl.

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Genossenschaftsgesetz.

stoffenen Bezirke angenommen, Vertrauen und Sicherheit im gewerblichen Verkehr untergraben und denselben ernstlich geschädigt. Nicht bloß der Umfang der vom ein­ zelnen zu tragenden Verluste, sondern namentlich die Unbestimmtheit und Unübersehbarkeit derselben und die andauernde Besorgnis, aus der Zahl der Genossen von den Gläubigern allein herausgerissen zu werden, haben hierbei verderblich gewirkt. Die weniger Gewissenhaften begannen durch Scheingeschäfte und betrügliche Ver­ mögensübertragungen sich der bevorstehenden Inanspruchnahme zu entziehen, und schließlich unterlagen auch die Pflichtbewußteren, nunmehr doppelt gefährdet, nicht selten der Versuchung zu ähnlichen Manipulationen" (Begr. I 55, II 38). Daß solche Mißstände Wohlhabende von der Beteiligung an Genossenschaften abschrecken mußten, ist sicher. Da nun in der Tat auch ganze Klassen von Genossen­ schaften (Konsumvereine, Werkgenossenschaften, Magazinvereine) nur wenig Kredit bedurften, und da ferner sich durch die allmähliche Beteiligung der Landwirtschaft an der genossenschaftlichen Bewegung neue Bahnen für dieselben eröffneten, so war es nicht mehr gerechtfertigt, dagegen zu widerstreben, wenn neben den Genossen­ schaften mit unbeschränkter Solidarhaft auch Genossenschaften mit beschränkter Solidarhaft in Nachahmung des österreichischen Gesetzes zugelassen wurden. Schon auf dem Vereinstage zu Altona (im August 1880) hatte Schulze-Delitzsch einen Antrag eingebracht, wonach es unter Umständen für zulässig zu erachten sei, daß „neben den nach wie vor nur auf der unbeschränkten Solidarhaft beruhenden Genossenschaften noch eine zweite Klasse ebenfalls mit solidarer persönlicher, aber durch eine bestimmte Summe für jeden einzelnen Genossen begrenzter Haft zugelassen werden könne". Als nun am 29. April 1881 Freiherr von Mirbach im Reichstage einen von sämtlichen Mitgliedern der deutschkonservativen Fraktion unterstützten Antrag ein­ brachte, welcher eine den Bestimmungen des österreichischen Gesetzes nachgebildete Zusatznovelle betreffend Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht enthielt, trat Schulze dem Anträge keineswegs entgegen, sondern veranlaßte den Antragsteller, daran einige notwendige Verbesserungen vorzunehmen, namentlich eine dem Wesen und Zweck der Genossenschaften widerstreitende Bestimmung, wonach die Haftbeträge deponiert werden sollten, zu beseitigen. Schulze besprach in seiner letzten Schrift „Material zur Revision des Genossen­ schaftsgesetzes" (1883) den Antrag Mirbach. Stets habe er auf das entschiedenste be­ kämpft die Beschränkung der Haft auf die Geschäftsanteile, welche die Genossenschafter jederzeit beim Austritt zurückziehen könnten, so daß überhaupt die Gläubiger das Nach­ sehen hätten. Dem wäre entschieden auf dem Wege der beschränkten Garantie­ haft vorgebeugt, für welche zuerst Professor Goldschmidt auf dem Deutschen Juristen­ tage zu Heidelberg (Ende August 1896) aufgetreten sei. Und so handle es sich für ihn nicht um das Aufgeben einer alten Gegnerschaft. „So entschieden wir in den 50er und 60er Jahren bei Beginn der Bewegung durch die wirtschaftliche und Vermögens­ lage der Beteiligten an die unbeschränkte Haft gebunden waren und von der Gesetz­ gebung nichts anderes zu erwarten stand, so entschieden drängt die ganze Entwicklung der letzten Jahre zur Zulassung der beschränkten Haft als einer gewissen Konsequenz hin". Im einzelnen trat Schulze den von Professor Goldschmidt in seiner Ende 1881 erschienenen Schrift für das Gesetz formulierten Hauptpunkten bei. Äußere Unterscheidbarkeit der neuen Genossenschaften, Publizität des Haftungs­ betrages, Haftung jedes Genossen mit einer dem Geschäftsanteil mindestens gleich­ kommenden Garantiesumme, subsidiäre Gestaltung der gesetzlichen Garantiehaft, Garantiehaft als modifiziert solidare Haftbarkeit, Unzulässigkeit der Kündigung der Geschäftsanteile waren die wesentlichsten Erfordernisse, welche Goldschmidt und mit ihm Schulze-Delitzsch an die Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht stellten. Das neue Gesetz ist diesen Anforderungen durchweg nachgekommen. Es ist ins­ besondere die persönliche Haftpflicht der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht

Einleit § g.

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erhalten geblieben. Die Entwicklung hat zum Teil ganz andere Wege eingeschlagen, als ursprünglich angenommen wurde. Hatte man gedacht, daß Genossenschaften gegründet werden könnten mit hohen Geschäftsanteilen und verschwindender persön­ licher Haftpflicht, wogegen Schutz gesucht wurde in der Bestimmung, daß die Haftsumme nicht niedriger sein durfte als der Geschäftsanteil, so ist gerade das Gegenteil eingetreten: es sind Genossenschaften gegründet worden mit minimalem Geschäfts­ anteil und Riesenhaftsummen. Und hatte man geglaubt, daß die beschränkte Haftpflicht besonders Genossenschaften zugute kommen werde, die keinen großen Kredit brauchen, so hat sie die Entwicklung des Genossenschaftswesens gerade auf dem Ge­ biete der Kreditgenossenschaft durch die Zentralkassen beeinflußt. Nach dem Gesetz gelten im allgemeinen die gleichen Bestimmungen für Genossenschaften mit unbeschränkter und beschränkter Haftpflicht. Es enthalten nur die §§ 119—123 Sonderbestimmungen für die erstere und die §§ 131—142 solche für die letztere Gattung. Bei den Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht ist die Haftung nicht bloß auf das Geschäftsguthaben beschränkt, sondern der Genosse hat darüber hinaus noch mit der „Haftsumme" für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft einzustehen. Diese Haftsumme muß durch das Statut bestimmt werden und darf nicht niedriger als der Geschäftsanteil sein (§ 131). Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Genossen­ schaftsarten liegt also darin, daß bei der „unbeschränkten Haftpflicht" der Genosse per­ sönlich mit seinem ganzen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften muß, während bei der Genossenschaft mit „beschränkter Haftpflicht" diese persönliche Haftpflicht eine begrenzte ist. Besonderheiten der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht sind haupt­ sächlich, daß a) das Statut den Erwerb mehrerer Geschäftsanteile gestatten darf (§ 134), wobei sich aber die persönliche Haftung mit dem Erwerb jedes weiteren Geschäfts­ anteils auf das der Zahl der Geschäftsanteile entsprechende Vielfache der Haftsumme erhöht (§ 135); b) das Konkursverfahren auch bei bestehender Genossenschaft außer dem Falle der Zahlungsunfähigkeit in dem Falle der Überschuldung stattfindet, sofern diese ein Viertel des Betrages der Haftsummen aller Genossen übersteigt (§ 140).

Nicht zu verkennen ist, daß die Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht für die Entwicklung solcher Genossenschaften, welche die unbeschränkte Haftpflicht der Mitglieder für die Befriedigung des Kreditbedürfnisses der Genossen­ schaft entbehren können, von großer Bedeutung geworden ist und wesentlich zu deren Ausbreitung und Entwicklung beigetragen hat, so z. B. für Konsumvereine, landwirt­ schaftliche Genossenschaften und Baugenossenschaften; andererseits hat die Zulassung dieser Haftart zu Gründungen der allerzweifelhaftesten Natur geführt. Es sind Ge­ nossenschaften mit lächerlich geringen Geschäftsanteilen und Haftsummen begründet, die nach dem Statut die weitestgehenden wirtschaftlichen Aufgaben verfolgen; daneben sind Genossenschaften gebildet mit kleinsten Geschäftsanteilen und außerordentlich großer Haftsumme, die offensichtlich im umgekehrten Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Mitglieder steht. Würde da jemand die zulässige Höchstzahl der Geschäftsanteile übernehmen, so würde seine Haftsumme sich auf eine Million Mark berechnen. Die statistischen Veröffentlichungen über Geschäftsanteile und Haftsummen bieten hierüber wichtiges Material*). Vor allem ist die beschränkte Haftpflicht, wie erwähnt, von großer Bedeutung gewesen für die Entstehung und Entwicklung der Verbandskassen der Kreditgenossenschaften. 1) Verhandlungen des Mlgemeinen Genossenschaftstages, Bad Nauheim (1910) „Mitteilungen" S. 186 ff.

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GenosserrschaftSgesetz.

Es ist heute, da die Möglichkeit besteht, sich der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht zu bedienen, natürlich schwieriger für Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht, Mitglieder zu gewinnen, als zu der Zeit, in der dies die einzig zulässige Haftart war. Die Versuchung ist groß, auch dort zur beschränkten Haftpflicht zu greifen, wo eine breite Kreditbasis der Genossenschaft auf alle Fälle notwendig wäre. Wenn bei den Genossenschaften, die, wie z. B. die Kreditgenossenschaften, auf einen großen Kredit angewiesen sind, die unbeschränkte Haftpflicht auch noch immer bei weitem die bevorzugte Haftart ist, so ist dies darauf zurückzuführen, daß die Raiffeisenschen Darlehnskassen noch immer bedingungslos an der unbeschränkten Haftpflicht festhalten. Unter den Kreditgenossenschaften, die ihren Sitz in Städten haben, wird die unbe­ schränkte Haftpflicht immer seltener. Ganz besonders nachteilig der unbeschränkten Haftpflicht ist der Krieg geworden, zumal in der Nachkriegszeit sind auch Kredit­ genossenschaften zur beschränkten Haftpflicht übergegangen, die in normalen Zeiten noch lange nicht daran gedacht hätten. Die Betrachtungen über die Entwicklung der Haftpflicht weichen somit wesentlich von den in den früheren Auflagen ab. Die Be­ gleiterscheinung der Entwicklung ist nun aber auch zweifellos, daß vielfach Kredit­ genossenschaften mit unzureichender Kreditbasis gegründet werden, und daß Kredit­ genossenschaften zu beschränkter Haftpflicht übergehen, die den Schritt möglicherweise noch bedauern werden. Jedenfalls zeigt die Gestaltung des Genossenschaftswesens heute noch mehr als früher, wie richtig Schulze-Delitzsch gehandelt hat, als er für die ersten Jahrzehnte der Genossenschaftsbewegung an der alleinigen Zulassung der un­ beschränkten Haftpflicht festhielt. Nur auf dieser Grundlage war die einheitliche starke Gestaltung des Genossenschaftswesens möglich, die das Fundament für das heutige Genossenschaftsgebäude abgegeben hat. Man mag heute mit Genugtuung Hinweisen auf den Bestand von rund 50000 Genossenschaften, nicht immer ist die Gründung Beweis für die Betätigung genossenschaftlichen Sinnes und Denkens, denn wenn die Mit­ glieder nur eine unbedeutende Haft zu übernehmen haben, Ein­ richtungskosten und Betriebsgelder vom Staate hergegeben werden, dann ist es leicht, Genossenschaften zu gründen. So ist es auch zuweilen zu einer Hochflut auf dem Gebiete des Genossenschaftswesens, beeinflußt durch die staatliche Förderung, gekommen, die zur Gründung von Tausenden von Genossenchaften geführt hat.

2. Der Haftoollzug. Die Vorschriften des Gesetzes vom 4. Juli 1868 über den Haftvollzug, die Geltend­ machung der Haftpflicht (vgl. die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung derselben in der Vorbemerkung zu § 105) hatten sich „als der Verbesserung dringend bedürftig erwiesen. Die für die Verwirklichung der Haftpflicht gegebenen Formen und Mittel genügten weder, um die Interessen der Gläubiger, noch um diejenigen der Genossen zu wahren" (Begr. II, 40). Bis zur Vorlegung des neuen Entwurfs fanden die auch vom Professor Goldschmidt gebilligten Vorschläge Schulzes allseitige Zustimmung der Genossenschaften. Schulze wollte zunächst das Vorverfahren des § 48 zur Ab­ wendung des Konkurses durch Einführung eines durch die Liquidatoren zu bewirkenden Umlageverfahrens behufs Verteilung der von einzelnen Genossen zur Deckung des Fehlbetrags eingezahlten Beträge vervollständigen und sodann der Generalver­ sammlung das Recht geben, in jeder Lage des Konkurses ein Umlageverfahren zur völligen oder teilweisen Deckung der Ausfälle der Gläubiger zu beschließen. Ein ent­ sprechender Antrag ist in der Reichstagskommission abgelehnt (vgl. Vorbemerkung zu § 98). Bei diesen und anderen von ihm vorgeschlagenen Verbesserungen des Um­ lageverfahrens hielt Schulze-Delitzsch für unbedenklich, den Gläubigern, deren Befriedigung gesichert sei, das Vorgehen gegen den einzelnen, den Einzelangriff zu entziehen. Auf den Fortfall des Einzelangriffs legt Schulze großen Wert, um die

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„unsäglichen Härten und Verwirrungen" zu beseitigen, die entstehen, wenn „der ein­ zelne Herausgegriffene seinerseits auf hunderte, ja tausende von Regreßprozessen zu anteiliger Wiedereinziehung des für alle gemachten Verlags'angewiesen ist". Die Schwierigkeiten, welche bei Beseitigung des Einzelangriffs sich für die Haftpflicht der ausgeschiedenen Mitglieder ergeben, die für alle bis zu ihrem Ausscheiden aus der Genossenschaft eingegangenen Verbindlichkeiten bis zum Ablauf der Verjährung gleich den übrigen Genossen haftbar sind, kamen bei Schulze weniger in Betracht, weil er annahm, daß die ausgeschiedenen Genossen schon nach dem Gesetze von 1868 wegen der bei ihrem Ausscheiden vorhandenen Schulden am Umlageverfahren gleich den übrigen zu beteiligen seien, ohne einen Mckgriff an die Genossenschaft oder die Ge­ nossen zu habens. Der neue Entwurf brachte für Genossenschaften mit unbeschränkter und mit beschränkter Haftpflicht das gleiche Verfahren in Vorschlag. In der Begründung (II, 40) heißt es: „Der Hauptmangel des jetzigen Gesetzes liegt in dem Zeitpunkt, in welchem das sogenannte Umlageverfahren eingeleitet wird. Dasselbe tritt erst am Ende des Konkurses, ,wenn der Schluß­ verteilungsplan feststeht', also fast gleichzeitig mit der Zulassung des direkten Einzelangriffs ein, und während der ganzen Dauer des Konkursverfahrens geschieht nichts zur Deckung des Defizits, nichts, um dem Zugriff der Gläubiger züvorzukommen. Das neue Gesetz hat vor allem dafür zu sorgen, daß das zur Aufbringung der erforderlichen Beiträge dienende Verfahren unverzüglich nach der Eröffnung des Konkurses beginne. In diesem Zeitpunkt ist zwar der schließliche Ausfall der Gläubiger und daher der Betrag, welchen jeder Genosse nachzuschießen hat, noch nicht genau zu übersehen. Aber als Grundlage für das aufzubringende Defizit kann zunächst die Bilanz des Konkurs­ verwalters dienen, und es kann auf Grund einer vorläufigen Berechnung (Vorschußberechnung) von den Mitgliedern die Einziehug der Beiträge, erforderlichenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung, erfolgen. Auch sind schon in diesem Stadium des Verfahrens die uneinbringlichen Beiträge unter die zahlungsfähigen Genossen zu verteilen und von ihnen beizutreiben. Sobald dann feststeht, welche Gläubiger im Konkurse berücksichtigt werden, und welchen Betrag der Ausfall erreicht, den sie er­ leiden, muß durch eine definitive Berechnung (Nachschußrechnung) der endgültige Betrag der von den Genossen zu leistenden Nachschüsse festgestellt, und ferner unverzüglich aus den vorgeschossenen und eventuell noch weiter einzuziehenden Beträgen die Befriedigung der Gläubiger herbeigeführt worden. Um den Gläubigern die ihnen zuzubilligende Einwirkung auf die Feststellung und Einziehung der von den Genossen zu leistenden Beträge zu sichern, darf das Verfahren nicht wie bisher dem Vorstände, unabhängig vom Konkursverwalter, sondern muß dem letzteren übertragen werden, unter der Beaufsichtigung des Konkursgerichts und Mitwirkung der Gläubiger in den durch die Konkursordnung gegebenen Schranken."

Die Nachschußpflicht wurde „als eine selbständige Verbindlichkeit der Genossen gegenüber der Genossenschaft und demnach der Anspruch auf die Nachschüsse als ein Bestandteil des Vermögens derselben behandelt, der allerdings in seiner Entstehung durch den Eintritt des Konkurses bedingt und in seinem Umfang durch dessen Ausgang begrenzt erscheint". Das Nachschußverfahren wurde nun ein selbständiger und be­ sonders geordneter Teil des Konkursverfahrens. Der direkte Angriff des Gläubigers gegen den einzelnen Genossen wurde auf­ recht erhalten, aber erst in einem Zeitpunkte zugelassen, zu welchem bei ordnungs­ mäßiger Durchführung des Vorschuß- und Nachschußverfahrens die Befriedigung der Gläubiger in der Hauptsache erfolgt sein muß. Der Genosse, der einen Gläubiger befriedigen mußte, tritt sofort in dessen Rechte, braucht keinerlei Regreßprozesse an­ zustellen, sondern macht seine Rechte in dem bis zu seiner vollen Befriedigung durch­ zuführenden Nachschußverfahren geltend. Der Einzelangriff wurde für notwendig *) Gegen die entgegengesetzte Ansicht von v. Sicherer und Parisius schrieb er den Aufsatz: Die Heranziehung ausgeschiedener Genossenschafter zur Deckung der Schulden einer eingetragenen Genossenschaft in „Streitfragen im deutschen Genossenschaftsrecht" (Leipzig 1880), S. 28—42. DaS Reichsgericht trat ihm aber nicht bei.

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GeZssenschaftsgesetz.

erachtet, weil die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß auch ein verbessertes Nach­ schußverfahren zur Befriedigung der Gläubiger nicht führt, obgleich leistungsfähige Genossen vorhanden sind; falls eine Anzahl derselben es versteht sich ihrer Beitrags­ pflicht zu entziehen, müsse dem einzelnen Gläubiger die Wahrung seiner Rechte selbst in die Hand gegeben werden, außerdem sei es nur in dieser Form möglich, die sub­ sidiäre Heranziehung der ausgeschiedenen Genossen zur Zahlung älterer Genossen­ schaftsschulden richtig durchzuführen, da für sie im Nachschußverfahren kein Platz sei. Nach der Veröffentlichung des Entwurfs entstand unter den Genossenschaften über die Frage der Beibehaltung oder des gänzlichen Fortfalls des Einzelangriffs eine lebhafte Bewegung*), die schließlich in Petitionen, Aufsätzen, Broschüren zum Aus­ druck gelangte. In den Verhandlungen der Reichstagskommission nahmen die Erörterungen über diese Streitfrage einen breiten Raum ein (KommBer. 49—54). Die Beibehaltung des Einzelangriffs nach den Vorschlägen des Entwurfs wurde ebenso lebhaft verteidigt wie bekämpft. Man war einig, daß es sich dabei in erster Linie um eine Frage der Zweckmäßigkeit handle. „Zur Ausgleichung der hervorgetretenen Gegensätze" — es waren von 1157 Genossenschaften Petitionen gegen die Einzelhaft beim Reichstage eingegangen — wurden Abänderungsanträge gestellt, nach welchen das Statut die Zulassung des Einzelangriffs sollte bestimmen können und die Haftpflicht ausgeschiedener Genossen durch ein besonderes Nachschußumlageverfahren, zur Deckung eines unge­ deckten Fehlbetrages zu regeln sei. Die Regierungsvertreter hielten zwar an dem Entwurf fest, erklärten aber, wenn die Kommission gegen die Bestimmungen desselben über den Einzelangriff Bedenken trage, so müsse man „nicht die eventuelle Zulassung, sondern den Ausschluß des Einzelangriffs durch Statut gestatten. Dann bleibe das Prinzip des Einzelangrisfs an sich bestehen, könne aber durch das Statut in Wegfall kommen. Es würde dann die Errichtung einer neuen Art von Genossenschaften gestattet werden, welche im Statut ausdrücklich erklärten, daß die direkte Haftpflicht der einzelnen Genossen gegen­ über den Gläubigern ausgeschlossen und behufs Befriedigung derselben die Genossen nur zu Nachschüssen an die Genossenschaft verpflichtet sein sollen, und welche in ihre Firma den Zusatz: Ein­ getragene Genossenschaft mit Nachschußpflicht' ausnähmen" (KommBer. 52).

Diesen Ausführungen trugen nun neue Anträge Rechnung. Allein dieselben wurden in der ersten Lesung der Kommission mit 13 gegen 12 Stimmen abgelehnt. Vor der zweiten Lesung aber kam ein Kompromiß zwischen Kommissionsmitgliedern aus vier politischen Parteien zustande, dessen Ergebnis die Abänderungsanträge (Nr. 47 der Kommissionsdrucksachen) der Abg. Dr. v. Cuny, Dr. Enneccerus, Gamp, Hegel, Freiherr v. Huene, v. Massow vom 5. März 1889 darstellen. Für diese Abänderungsanträge war von vornherein eine große Mehrheit gesichert. Die Kommission schloß sich nun dem Grundgedanken der in der ersten Lesung gestellten Vermittlungsanträge an, nahm in § 2 eine dritte Genossenschaftsart, „die eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht" auf und fügte mit Bezug hierauf der zweiten Unterabteilung des Abschnitts 8 „Besondere Bestimmungen für Genossen­ schaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht" ein. Für diese Genossenschaftsart gibt es keinen Einzelangriff mehr. Der Kommissionsbericht erläutert ausführlich Art und Umfang der Heranziehung der ausgeschiedenen Genossen (S. 54): „Durch die nach § 71 des Entwurfs vorgeschriebene Auseinandersetzung des ausgeschiedenen Genossen mit der Genossenschaft ist der ausgeschiedene Genosse der Genossenschaft und den in der­ selben verbliebenen Genossen gegenüber seiner Verpflichtung zur Tilgung der Schulden der Genossen*) Schulze-Delitzsch, „Material zur Revision" usw. S. 98ff., 38sf.; Goldschmidt, „Erwerbs­ und Wirtschaftsgenossenschaften" S. 41 ff.; Dr. Richard Schultze, „Umlageverfahren und Einzel­ angriff"; Goldschmidt, „Die Haftpflicht der Genossen und das Nmlageverfahren"; Ludolf Parisius „Die Haftpflicht der Genossen und das Umlageverfahren"; Franz Werner, „Zur Revision des Genossenschafts-Gesetzes"; Mitteilungen über den Wlgemeinen Vereinstag zu Erfurt (1888) S. 85—137.

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schäft beizutragen, an und für sich nachgekommen. Wenn dessenungeachtet die Kommission bei den Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht die ausgeschiedenen Genossen im § 122 der Nachschußpflicht unterworfen hat, so ließ sich dies durch die gleichzeitige Bestimmung im § 124 rechtfertigen, nach welcher den Ausgeschiedenen die von ihnen geleisteten Beiträge aus den Nachschüssen der in der Genossenschaft verbliebenen Genossen zu erstatten sind. Nur mit diesem Vorbehalt und nur sub­ sidiär erscheine die Heranziehung der Ausgeschiedenen seitens der Genossenschaft zulässig; aber so beschränkt rechtfertige sie sich, weil die nach verhältnismäßig kurzer Zeit eingetretene Konkurseröffnung die Annahme begründe, daß die Auseinandersetzung auf Grund der Bilanz unzureichend gewesen sei. Bezüglich des Umfangs einer Heranziehung des Ausgeschiedenen zur Nachschußpflicht waren in der Kommission zwei Wege vorgeschlagen worden: nach dem einen sollten die ausgeschiedenen Ge­ nossen, sofern sie in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Konkursverfahrens ausgeschieden waren, alsdann aber nur wegen der bis zu dem Zeitpunkte ihres Ausscheidens von der Genossenschaft eingegangene Verbindlichkeiten, der Nachschubpflicht unterliegen; der andere Vorschlag unterwirft ihr dagegen nur diejenigen ausgeschiedenen Genossen, deren Ausscheiden inner­ halb der letzten 18 Monate vor der Konkurseröffnung erfolgt ist, diese aber ohne Unter­ scheidung, ob die Verbindlichkeiten vor oder nach dem Ausscheiden entstände« sind. Der erstere Weg ist scheinbar billiger, aber wegen der oft schwierigen Unterscheidung zwischen alten und neuen Schulden und der damit verknüpften Streitigkeiten weniger gangbar; der zweite Weg empfiehlt sich durch seine Folgerichtigkeit, da die Genossen bei der neuen Form in keinerlei Be­ ziehung zu den Gläubigern stehen, namentlich aber durch seine Einfachheit und leichte praktische Durchführbarkeit. Die Kommission gab dem letzteren Wege den Vorzug, indem sie zugleich erwog, daß der Vorteil, welcher dem Ausgeschiedenen aus der Beschränkung seiner Haftpflicht auf die vor seinem Ausscheiden eingegangenen Verbindlichkeiten erwächst, dadurch wieder an Wert verliere, daß er eine Einwirkung auf den Fortbestand der alten Schulden oder eine Veränderung in dem Schuldenstande nicht habe, ihm auch die gesamte Verschlechterung, welche die Aktivmasse nach seinem Austritt erleidet, zur Last falle."

In der zweiten Beratung des Reichstags (25. März 1889) fand über § 2 und die neue dritte Art der Genossenschaften eine eingehende Erörterung statt. Es lag ein Antrag der Abg. Schenck, Baumbach und Genossen auf Beseitigung der Be­ stimmungen über die Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht bot1). Allein das in der Kommission geschlossene Kompromiß wurde im Plenum von den beteiligten Parteien (den Deutschkonservativen, der Deutschen Reichspartei, dem Zentrum und den Nationalliberalen) aufrechterhalten und die Einfügung der dritten Art Genossen­ schaften mit großer Mehrheit beschlossen. Zwischen der nunmehr gesetzlich eingeführten dritten Art Genossenschaft und der Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht ist während ihres Bestehens, abgesehen von der Verschiedenheit der Firmen und der Beitrittserklärung, gar kein Unterschied, ebensowenig nach der Auflösung, ausgenommen wenn diese durch Eröffnung des Konkurses erfolgt. Aber auch der Verlauf des Konkurses bietet bis zur Aufstellung der Nachschußberechnung keinerlei Abweichung. Nur in dem einzigen Falle, daß im Konkurse drei Monate nach der für vollstreckbar erklärten Nachschußberechnung die Konkursgläubiger noch nicht vollständig befriedigt sein sollten, tritt ein verschiedenes x) Stenographische Berichte S. 1020—1035. Der Abg. Anwalt Schenck begründete den An­ trag auf Beseitigung der betreffenden Bestimmungen. Niemand habe eine Ahnung gehabt, daß ein Bedürfnis zu einer dritten Art Genossenschaft vorhanden sei. Die Bezeichnung entspreche dem Wesen dieser Genossenschaften nicht. Die G. mit unbeschr. Nachschußpflicht sei ebenfalls eine G. mit int» beschr. Haftbarkeit der Genossen, und die G. mit unbeschr. Haftpflicht sei ebenso eine G. mit un­ beschr. Nachschußpflicht, wie die neue Genossenschaft. Diese sei osfenbar der Absicht entsprungen, die Beunruhigung zu beseitigen und den Forderungen derjenigen G. zu entsprechen, welche die Be­ seitigung des Einzelangrisfs gewollt haben. Diese aber würden nicht zufriedengestellt. Schenck wandte sich sodann gegen die Bestimmung, daß die Ausscheidenden noch 18 Monate lang für alle nach ihrem Ausscheiden eingegangenen Forderungen zu haften haben. Außer Schenck sprach in gleichem Sinne der Abg. Baumbach. Die Vertretung der Kommissionsbeschlüsse übernahmen als Gegner des Einzelangrifss Enneccerus, v. Buol-Berenberg, Gamp, v. Cuny, v. Rheinbaben, während ihre Beteiligung am Kompromiß gewissermaßen entschuldigten die Abg. Hegel, v. Huene, Graf Mirbach.

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GenossmschaftSgesetz.

Verfahren ein. Für diesen Fall darf in der Genossenschaft mit unbeschränkter Haft­ pflicht ein jeder Gläubiger wegen des noch nicht getilgten Restes seiner Forderung sofort einen einzelnen Genossen im gewöhnlichen Prozesse direkt angreifen, sowiss nach weiteren drei Monaten (sechs Monate nach der Vollstreckbarkeitserklärung der Nachschußberechnung) auch jeden in den letzten zwei Jahren ausgeschiedeneü Genossen, soweit es sich um eine bis zu dessen Ausscheiden eingegangene Verbindlich­ keit der Genossenschaften handelt. Dahingegen muß in der Genossenschaft mit un? beschränkter Nachschußpflicht auf Grund einer aufzustellenden besonderen Berechnung von den innerhalb der letzten achtzehn Monate vor der Eröffnung des Konkurses ausgeschiedenen Genossen die gesamte Restforderung aller Gläubiger, gleichviel ob die Verbindlichkeit vor oder nach dem Ausscheiden der einzelnen eingegangen ist, im Umlageverfahren beigetrieben werden. In beiden Arten Genossenschaften geht daneben die Einziehung der Nachschüsse von den in der Genossenschaft verbliebenen Genossen auf Grund der Nachschußberechnung ohne Aufenthalt unverändert fort, und erhalten die ausgeschiedenen Genossen die von ihnen gezahlten Beträge aus den Nach­ schüssen erstattet. Gegen die rechtliche Konstruktion dieser Genossenschaftsart läßt sich nichts ein­ wenden. Die Haftpflicht ist bei ihr eine rein indirekte, „die bloße Deckungspflicht" (Goldschmidt a. a. O. S. 41) geworden. Die „Umwandlung" einer Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht in eine solche mit unbeschränkter Nachschußpflicht kann sich nur auf dem Wege des § 137 des Gesetzes vollziehen, also unter den für den Fall, daß die Genossenschaft ihre Haftpflicht herabmindert, zur Sicherung der Gläubiger gegebenen Kautelen. Auch die Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht beruht freilich auf der unbeschränkten Haftpflicht, der Genosse hat mit seinem ganzen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft einzutreten: die Verschiedenheit der Art der Geltendmachung dieser Haftpflicht wirkt aber geradezu bestimmend rück­ wärts auf den Umfang derselben, so daß die unbeschränkte Haftpflicht bei den beiden Genossenschaftsarten dadurch eine ungleichwertige wird. Die Erfahrung hat ergeben, daß die eingetragene Genossenschaft mit unbe­ schränkter Nachschußpflicht keinen Einfluß auf die Entwicklung des deutschen Genossen­ schaftswesens geübt hat. Auf den Vereinstagen in Königsberg (Allgem. Verband/) Frankfurt (Neuwieder Verband), Hildesheim (Darmstädter Verband) ist ihr von den genossenschaftlichen Praktikern, auch von denen, die sich lebhaft für die Beseitigung des Einzelangriffs interessiert hatten, die Lebensfähigkeit abgesprochen. Wenn Birkenbihl in seiner Bearbeitung des Maurerschen Kommentars S. 47 die Zulassung der dritten Genossenschaftsform „für eine glückliche Lösung derzeitiger Schwierigkeiten" hält und der Ansicht ist, daß sie auch fernerhin zu einer segensreichen Weiterentwicklung des Genossenschaftswesens die geeignete Handhabe bieten wird, so läßt er die Er­ fahrungen völlig unberücksichtigt und hat sich, wie diese zeigen, geirrt. Uber die Voraussetzung des Einzelangriffs bei den Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht gegen die ausgeschiedenen Genossen vgl. § 122 und § 125 (für Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht § 141), über die Haftpflicht der aus­ geschiedenen Genossen bei den Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschuß­ pflicht § 128. Auch die Natur der persönlichen Haftpflicht hat unter dem jetzigen Gesetze einen zum Teil anderen Charakter erhalten. *) Die Petition der Genossenschaften gegen den Einzelangriff war von den Vereinsdirektoren Matthies-Stralsund und Werner-Berlin und dem Verbandsdirektor Morgenstern-Breslau ausge­ gangen. Diese erklärten bei der Besprechung des Genossenschaftsgesetzes in Königsberg am 27. August 1889 die Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschubpflicht in der gegenwärtigen Form für un­ brauchbar. Im Laufe der Debatte konstatierte Parisius die allgemeine Übereinstimmung in der

Beurteilung dieser Genossenschaft, wie sie im neuen Gesetz konstruiert ist: auch die Gegner des Fort­ bestandes des Einzelangriffs hielten sie für völlig ungeeignet und widerrieten deshalb dem Übergang zu dieser Haftform.

Einleitung.

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Vor der Genossenschaftsgesetzgebung war die persönliche Haftpflicht die Folge der dem „Vorstande" der Genossenschaft erteilten Vollmacht. Unter dem Gesetz vom 4. Juli 1868 hatte sie einen bürgschaftsartigen Charakter ange­ nommen, sie war „eine im Wesen der Genossenschaften begründete gesetzliche Garantie­ verpflichtung nach Art der Schadlosbürgschaft"; vgl. bei Goldschmidt a. a. O. S. 60 die zutreffende Widerlegung anderer Konstruktionen. Das Umlageverfahren hatte auf die Beurteilung der rechtlichen Seite der persönlichen Haftpflicht keinen Ein­ fluß, denn wenn es auch den Zweck hatte, die Gläubiger zu befriedigen, so war es doch wesentlich nur eine Regelung der Regreßrechte der Genossen unter­ einander. Begründet ist die persönliche Haftpflicht auch nach dem neuen Gesetz in dem Wesen der Genossenschaft, deren Kredit anders als der der Kapitalgesellschaften zu­ nächst regelmäßig nicht auf einem Kapitalfonds, sondern auf der persönlichen Haft­ pflicht der Mitglieder beruht. Jeder, welcher der Genossenschaft beitritt, übernimmt mit diesem Beitritt die Haftung für deren Verbindlichkeiten. Während nun aber diese Haftpflicht nach dem Gesetz von 1868 nur den Gläu­ bigern gegenüber galt, besteht sie infolge der veränderten Konstruktion des Nach­ schußverfahrens auch der Genossenschaft und bei der Genossenschaft mit unbe­ schränkter Nachschußpflicht sogar nur der Genossenschaft gegenüber. Soweit die per­ sönliche Haftpflicht in den Nachschüssen bzw. in der Zubuße bei dem Aus­ scheiden zum Ausdruck kommt, fehlt ihr der bürgschaftsartige Charakter, denn diese Verpflichtung hat einen selbständigen Charakter, und sie besteht nicht den Gläubigern gegenüber, wenn sie auch zu deren Befriediaung schließlich dienen soll. Auch dies letztere braucht nicht immer der Fall zu sein, wie z. B. bei der Leistung des ausgeschie­ denen Genossen. Daß die persönliche Haftpflicht gewissermaßen auch zu dem Genossen­ schaftsvermögen zu rechnen ist, folgt auch aus § 140, wonach zur Feststellung der Über­ schuldung die Haftsummen in Betracht zu ziehen sind. Über den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung vgl. § 105. Es ist zu unterscheiden:

a) die Haftung der Genossenschaft gegenüber, b) dem Gläubiger gegenüber.

Die erste ist bei allen drei Genossenschaftsarten vorhanden, sie ist nur in ihrem Umfange verschieden: bei den Genossenschaften „mit unbeschränkter Haftpflicht" und bei denen „mit unbeschränkter Nachschußpflicht" unbeschränkt — bei den Genossen­ schaften „mit beschränkter Haftpflicht" durch die Haftsumme beschränkt. Die Nach­ schußpflicht ist in diesen Fällen nichts anderes, als die jedem Genossen obliegende ge­ setzliche Verpflichtung, Beiträge an die Genossenschaften zu leisten, sie hat keinen anderen Charakter wie die Verpflichtung, Einzahlungen auf den Geschäftsanteil zu machen, nur daß sie erst subsidiär eintritt und daß sie von bestimmten Voraussetzungen abhängt: vom Ausscheiden und vom Konkurs. Bei den Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht hat der Genosse nur diese Nachschußpflicht; er tritt zu den Gläubigern der Genossenschaft durch den Beitritt in keine rechtliche Beziehung, dafür muß er aber auch die Haftung für die­ jenigen Verbindlichkeiten übernehmen, die noch innerhalb 18 Monaten nach seinem Austritt eingegangen worden sind, falls in dieser Zeit der Konkurs über die Genossen­ schaften eröffnet ist. Bei den Genossenschaften mit unbeschränkter und beschränkter Haftpflicht über­ nimmt der Genosse, wenn es innerhalb zweier Jahre nach seinem Ausscheiden zum Konkurse kommt, für die bis zu seinem Austritt eingegangenen Verpflichtungen noch eine weitere subsidiäre Garantiehaft dem Gläubiger gegenüber. Bei den Genossen­ schaften mit beschränkter Haftpflicht ist diese Garantiehaft durch die Haftsumme begrenzt. Diese Garantiehaft, gleichfalls im Gesetz begründet, hat den bürgschaftsartigen Charakter behalten, der ihr nach dem Gesetz von 1868 innewohnte, sie hat infolge

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Genofsrnschaftsgesetz.

des umgestalteten Nachschußverfahrens aber einen weit ausgeprägteren subsidiären Charakter bekommen (§§ 122, 125, 141). Über die Folgen der Auflösung der Genossenschaft bei allen drei Arten vgl. §§ 75,128

b. Vie ÄettiffeM. Vgl. Vorbemerkungen zum vierten Abschnitt des Gesetzes. Der vierte Abschnitt des Gesetzes (§§ 53—64) von der Revision war völlig neu. In der allgemeinen Begründung des Entwurfs (I 70, II 48) ist ausgeführt, daß die Ge­ setzgebung den Vorschlägen, welche dem Staat oder den Gemeinden durch Über­ tragung einer dauernden Aufsichtsführung einen unmittelbaren Einfluß auf den Geschäftsbetrieb der Genossenschaften zuweisen wollen, nicht werde folgen können. Für eine dauernde Beaufsichtigung des Geschäftsbetriebes der Genossenschaften durch staatliche oder kommunale Behörden fehle es ebensosehr an einem Bedürfnis wie an einer genügenden Grundlage. Die Zwecke der Genossenschaft seien rein privatrechtliche, ihre Zahl so beträchtlich und die Gegenstände ihres Geschäftsbetriebes so verschieden­ artig, daß eine wirksame Staats- oder Kommunalaufsicht tatsächlich nicht durchführbar sein würde. Man hielte aber eine andere Kontrolle, als die der Aufsichtsrat biete, für ein Bedürfnis und gelangte in Anlehnung an die im Allgemeinen Verbände durch Schulze-Delitzsch eingeführte und auch nach seinem Tode sorgfältig fortentwickelte In­ stitution der Verbandsrevision zu den Vorschlägen des vierten Abschnitts. Frühzeitig hatte sich in vielen Kreditvereinen das Bedürfnis nach einer Prüfung der Einrichtungen und Geschäftsführung durch einen dem Verein nicht angehörigen Sachverständigen herausgestellt. Den Mitgliedern des Vorstandes und des Aussichts­ rates fehlte bei allem guten Willen oft die nötige Kenntnis der Gesetze und einer richtigen genossenschaftlichen und kaufmännischen Geschäftsführung. Man wünschte Revisoren als Lehrmeister. Im Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom Mittelrhein wurde der Verbandsdirektor (Schenck) schon im Jahre 1864 aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß er zu jeder Zeit in der Lage sei, den Vereinen des Verbandes aus deren Verlangen einen sachkundigen Revisor zur Verfügung zu stellen. Aber von seiner Be­ reitwilligkeit wurde nachher wenig Gebrauch gemacht. Auf dem Genossenschaftstage zu Bremen (1874) erklärte sich Schulze gegen eine Beschickung der Vereine durch Kontroll­ beamte der Unterverbände, dagegen riet er den Verbandsdirektoren, wenn sich ein Verein freiwillig an sie wende, weil ihm seine Bücher in Unordnung gekommen seien, ihm dann nach Kräften durch eine Revision zu helfen. Dergleichen Ansuchen gelangten öfters an die Anwaltschaft, die aber schon der Kosten halber unmöglich für ganz Deutsch­ land Bücherrevisoren beschaffen könne usw. 1878 veranlaßte Schulze einen ausdrück­ lichen Beschluß des Genossenschaftstages zu Eisenach, den Unterverbandsdirektoren dringend zu empfehlen, sachverständige, im kaufmännischen Rechnungswesen erfahrene und mit der genossenschaftlichen Organisation vertraute Männer zum Behufe von Ge­ schäftsrevisionen und Inventuren auf Anrufen der einbezirkten Vereine ... bereitzu­ halten und die Vornahme solcher Revisionen zu fördern. Dieser Beschluß hatte in einigen Verbänden zur weiteren Ausbildung des Revisionswesens Anstoß gegeben. Die Einrichtung bürgerte sich aber doch nur langsam ein. Infolge der Aufnahme, die der Antrag der Abg. Ackermann und Genossen im Reichstage fand, fürchtete man, es könnten durch das neue Gesetz amtliche Revisionen der Genossenschaft angeordnet werden. Der Genossenschaftstag in Kassel (1881) beschloß deshalb: „In Erwägung, daß die Einrichtung regelmäßiger Revisionen in den Verbandsvereinen, «llgemein durchgeführt, eine wünschenswerte Vervollständigung und organische Weiterentwicklung der Berbandseinrichtungen darstellt und zugleich geeignet ist, gesetzgeberischen Versuchen, die Ge­ nossenschaften der Kontrolle staatlicher oder kommunaler Behörden zu unterstellen, entgegenzuwirken; daß es daher den allgemeinen Interessen entspricht, diese Einrichtung in allen Verbänden zur Durch«

Einleitung.

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sührung zu bringen, erklärt es der Allgemeine Vereinstag für Pflicht der Unterverbände, für die Einrichtung regelmäßig wiederkehrender Revisionen der einzelnen Vereine Sorge zu tragen."

Jetzt ward die Frage der Verbandsrevisionen ein Gegenstand der Beratung sämtlicher Unterverbandstage. Auf dem nächstjährigen Genossenschaftstage (1882 Darmstadt) wurde allen dem Allgemeinen Verbände angehörigen Genossenschaften empfohlen, die erforderlichen Schritte zu tun, um sich die Vorteile der verbandsmäßig organisierten Revisionseinrichtung zu sicherns. Seit dieser Zeit hatten sich die Unterverbandstage und die Genossenschaftstage fast ausnahmslos mit dem inneren Ausbau der verbandsmäßig organisierten Revisions­ einrichtung beschäftigt. In den meisten Unterverbänden wurde die Revision für eine obligatorische Einrichtung des Verbandes erklärt: die Genossenschaften wurden ver­ pflichtet, alle drei Jahre durch einen vom Unterverbande angestellten, mit dem Genossen­ schaftswesen vertrauten praktischen Genossenschafter (Revisor) ihre gesamte geschäft­ liche Tätigkeit prüfen zu lassen. Der Revisor hatte sein Augenmerk besonders darauf zu richten, ob die Bestimmungen der Gesetze überall beachtet sind, und ob die Geschäfts­ führung den Vorschriften des Statuts und den auf Genossenschafts- und Verbandstagen aufgestellten Grundsätzen entspricht. Nach vollendeter Revision hatte er den Befund in gemeinschaftlicher Sitzung mit Vorstand und Aufsichtsrat zu besprechen und sodann einen schriftlichen Bericht an die Genossenschaft zu erstatten und eine Abschrift desselben dem Verbandsdirektor einzusenden. Der Genossenschaftstag zu Plauen (1887) hat die wichtigsten Grundsätze für die Ausbildung der Revision in einem Beschluß zusammengefaßt, der in der Vorbemerkung zu §§ 53 ff. wörtlich abgedruckt ist. Für das in Aussicht stehende Genossenschaftsgesetz schloß sich der Genossenschafts­ tag dem Vorschläge Schulzes in der letzten Redaktion der Novelle (Vorbemerkung zu §§ 53ff.) nicht an2). Über die Entwicklung der Verbandsrevision im Allgemeinen Verbände vor Erlaß des neuen -Gesetzes vgl. die Aufsätze in BlfG. 1884 Nr. 26, 28, 35, 49; 1887 Nr. 50—53; 1888 Nr. 1. a) In der Schrift „Material zur Revision des Genossenschaftsgesetzes" hat Schulze-Delitzsch Zur Begründung seines Antrages eine besondere Abhandlung über die Revisorenfrage beigefügt und in derselben auch die Bestimmungen des englischen Genofsenschaftsgesetzes(Indu8triaI and Provident SocietiesAct) von 1876 über die Zwangsrevision dargestellt. Die genannte Akte vom 11. August 1876, welche die Akte vom 7. August 1862 zum Zweck der Vorbeugung gegen leichtsinnige Geschäftsführung abänderte, führte regelmäßige Geschäftsrevisionen ein. Das Gesetz bestimmt, daß eine jede Genossenschast a) wenigstens einmal im Jahre ihre Rechnungen der Revision, entweder durch einen der nach diesem Gesetz bestellten öffentlichen Revisoren, oder durch zwei oder mehrere nach den Bestimmungen des Statuts bestellte Personen unterwerfen muß, denen alle Bücher und Rechnungen zugängig sein müssen, und welche die Einnahmen und Ausgaben, Fonds und Bestände der Gesellschaft zu prüfen, mit den Rechnungen und Belegen zu vergleichen und entweder als von ihnen richtig, gehörig belegt und in Übereinstimmung mit dem Gesetz befunden zu unterzeichnen, oder der Gesellschaft besonders Bericht zu erstatten haben: inwieweit sie etwas un­ richtig, nicht belegt, oder nicht in Übereinstimmung mit dem Gesetz befunden haben; b) einmal in jedem Jahre vor dem 1. Juni dem Registrar (dem Leiter der Kontrollstelle zur Eintragung der Genossenschaften in das amtliche Genossenschaftsregister) einen allgemeinen Aus­ weis (Jahresbericht) über die Einnahmen und Ausgaben, Fonds und Bestände nach dem Revisions­ befunde zu übersenden, dieser Ausweis muß die Ausgaben in bezug auf die verschiedenen Zwecke der Gesellschaft getrennt aufführen, bis zum 31. Dezember einschließlich reichen und konstatieren, ob die Revision von einem nach diesem Gesetz bestellten öffentlichen Revisor vorgenommen und von welchem, wenn dieselbe von anderen Personen vollzogen wurde, den Namen, den Wohnort, den Beruf oder das Gewerbe dieser Personen, und aus welche Art sie bestellt wurden, angeben, sowie ein Exemplar des Revisionsberichts beizufügen. Die Wahl zwischen den beiden Klassen von Revisoren steht lediglich der Genossenschaft zu. 'Die öffentlichen Revisoren, die äußerst selten benutzt werden, ernennt das Schatzamt, welches eine -Liste derselben und der ihnen zukommenden Honorare veröffentlicht. Die im englischen Gesetze von

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Genossenschaftsgesetz.

Auch andere genossenschaftliche Verbände, namentlich der Anwaltschaftsverband in Neuwied, der Allgemeine Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften des Deut­ schen Reiches, der Verband landwirtschaftlicher Genossenschaften in Württemberg und der polnische Verband hatten die Verbandsrevision, mehr oder weniger nach dem Muster des Allgemeinen Verbandes, bei ihren Genossenschaften eingeführt und gehandhabt. Der Entwurf des Reichsjustizamtes hielt es für zweckmäßig, sich an die im All­ gemeinen Verbände bestehenden Einrichtungen anzulehnen. Das Recht zur selbständigen Ausübung der Revisionskontrolle wurde den Verbänden, nur wenn sie gewisse Garan­ tien bieten, zugestanden. Sie sollten es nur nach Prüfung durch die Behörden durch staatliche Verleihung erhalten. Auch wurden die Voraussetzungen bestimmt, unter denen ihnen das Recht zur Bestellung des Revisors entzogen werden kann. Den keinem solchen Verbände angehörigen Genossenschaften sollte der Revisor durch den Richter bestellt werden. Uber das Verhalten der Genossenschaftstage und des Bundesrats zu diesen Be­ stimmungen des Entwurfes siehe Vorbemerkung zu §§ 53ff. In der Reichtagskommission waren die Ansichten sehr geteilt. In Vertretung des Beschlusses des Genossenschaftstages in Erfurt waren Anträge gestellt, zu deren Begründung ausgeführt wurde: Die bisher erzielten Erfolge seien nur möglich gewesen, weil die Revision aus der Selbstbestimmung und der freien Entschließung der Genossenschaften hervorgegangen sei. Die Zwangsrevision sei ungerecht­ fertigt, weil die Genossenschaften freiwillige Vereinigungen von Privatpersonen seien; sie sei auch gefährlich, weil sie das Bewußtsein der Selbstverantwortlichkeit für das Gedeihen der Genossenschaft bei den Mitgliedern schwäche; die Zwangsrevision sei auch kaum durchführbar; da die Mehrzahl der bestehenden Genossenschaften keinem Verbände angehöre, werde der vom Registerrichter für die jedesmalige Revision besonders zu bestellende Revisor die Regel bilden. Woher wolle aber jeder Registerrichter Verständ­ nis dafür haben, welche Befähigung bei einem Revisor zur Vornahme einer ordnungs­ mäßigen Revision erforderlich sei, und woher wolle er ausreichend befähigte Revisoren nehmen? — Die Anträge wurden gegen zwei Stimmen abgelehnt. Von anderer Seite wurde beantragt, die Verbände ganz aus dem Gesetz zu streichen und die Re­ visionsbestellung ausnahmslos dem Richter zu übertragen. Diejenigen Kommisionsmitglieder endlich, die auf dem Boden der Regierungsvorlage standen, teilten sich wiederum in zwei Gruppen, von welchen die eine den Verbänden eine größere Selb­ ständigkeit einräumen, die andere dagegen den Einfluß der Behörden auf die Hand­ habung der Revision verstärken wollte (KommBer. 25—30). Das Schlußergebnis der Kommissionsberatung war durch das vor der zweiten Lesung geschlossene Kom­ promiß beeinflußt. Der Abschnitt IV wurde in der jetzigen Fassung angenommen unter Beseitigung der vom Bundesrat hineingebrachten Polizeimaßregeln; vgl. KommBer. 25—30, §§ 59, 61, Anmerkungen. Eine umfassende Untersuchung über die Wirkung der Zwangsrevision begegnet den größten Schwierigkeiten. Völlig versagt hat jedenfalls die gerichtliche Revision. Ein unfähiger Revisor kann Einrichtungen oder Maßnahmen veranlassen, die dem Inter­ esse der Genossenschaft widersprechen oder wohl gar gemeinschädlich sind. Außer den revidierten Vereinen erfährt niemand etwas von dem Ergebnis. Der Vorstand seiner­ seits braucht sich, sofern er den durch Ordnungsstrafen zu erzwingenden Verpflichtungen im § 63 Abs. 2 nachkommt, um die Erinnerungen des Revisors nicht zu kümmern, selbst wenn sie ihm grobe Gesetzesverletzungen nachweisen. Nach den zu unserer Kenntnis gelangten „Berichten", die gerichtlich bestellte Revisoren erstattet haben, muß angenommen 1876 vorgeschriebene Zwangsrevision ist grundverschieden von der deutschen. Sie ist wesentlich kalkulatorisch. Der Grund hierfür liegt in dem Mangel eines Kontrollorgans in der Genossenschaft in dem Fehlen des bei uns jetzt obligatorischen Aufsichtsrates.

Einleitung.

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werden, daß vielfach die Revision auf eine oberflächliche, rein kalkulatorische Revision der Bücher beschränkt — also Revisionen vorgenommen sind, die nicht dem Genossen­ schaftsgesetz entsprechen. Von den Konkursen der Genossenschaft entfällt ein großer Anteil auf die Genossenschaften, die von dem durch das Gericht bestellten Revisor revi­ diert werden. Auch die Verbandsrevision hat den Zusammenbruch von Genossen­ schaften nicht verhindern können. Ohne weiteres selbstverständlich erscheint es, daß auch die Verbandsrevision nicht immer eine den oft sehr schwierigen Verhältnissen entsprechende Revision verbürgt. Dazu aber kommt, daß der Revisionsverband keine Zwangsmaß­ regeln besitzt, um renitente Genossenschaften zu zwingen, die vorhandenen Mißstände zu beseitigen. Gegen die Einführung derartiger Zwangsmaßregeln sprechen die ge­ wichtigsten Bedenken. Die Verantwortung muß bei den Organen der revidierten Ge­ nossenschaft bleiben. Vgl. hierüber die auf dem Allgemeinen Genossenschaftstag zu Kassel (1906, Mitteilungen S. 299ff.) gepflogenen Verhandlungen, deren Ergebnis folgender Beschluß ist: „Die durch §§ 53 und 55 des Genossenschaftsgesetzes vorgeschriebene „Verbandsrevision" hat lediglich den Zweck, die Organe der Genossenschaft in der Vervollkommnung der geschäftlichen Einrichtungen und der Beseitigung von Mißständen zu unterstützen. Die Erfüllung der Aufgabe kann nicht gesichert werden durch Einführung von Zwangsmaßregeln in die Organisation, son­ dern nur durch Hebung des Verständnisses der Organe der Genossenschaft für die Zwecke der Revision. Die in den Beschlüssen des Mgemeinen Vereinstages zu Plauen (1887), der Allgemeinen Genossenschaftstage zu Gotha (1894), zu Augsburg (1895), zu Baden-Baden (1901) festgelegten Revisionsgrundsätze sind auch den heutigen Verhältnissen entsprechend. Der Mgemeine Genossen­ schaftstag empfiehlt deshalb den Revisionsverbänden wie den Genossenschaften deren strengste Be­ achtung."

Zusammenbrüche großer Kreditgenossenschaften hatten in den letzten Jahren zur Folge, daß eingehend die Frage erörtert wurde, ob das Gesetz in dem Abschnitt über die Revision Änderungen erfahren könnte, die geeignet wären, Zusammenbrüche von Genossenschaften mit schweren Folgen zu verhindern. Ganz besondere Veranlassung hierzu gab der Zusammenbruch der Spar- und Darlehnskasse e.G.m.b.H. Niedermodau. Der Allgemeine Genossenschaftstag zu Posen (1913, Mitteilungen S. 145ff.) trat der Frage näher und kam zu folgendem Ergebnis: „Der Mgemeine Genossentchaftstag erklärt gegenüber den auf Grund einzelner Zusammen­ brüche von Genossenschaften hervortretenden Anregungen, die Bestimmungen über die Revision zu verschärfen, daß, wie zuletzt auf dem Mgemeinen Genossenschaftstag zu Kassel (1906) ausgesprochen ist, die Erfüllung der Aufgaben der Revision nicht gesichert werden könne durch Einführung von Zwangsmaßregeln in die Organisation, sondern durch Hebung des Verständnisses der Organe der Genossenschaft für die Zwecke der Revision. Die Revision ist nicht bestimmt, in die Genossenschaft ein neues Organ einzufügen, vielmehr bleibt die Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat im vollen Umfange trotz der Revision unberührt bestehen. Sache des Revisors ist es, zu prüfen, ob die Einrichtungen der Genossenschaft, die Geschäftsführung und die Kontrolle den bewährten genossenschaftlichen Grundsätzen entsprechen. Dabei wird der Revisor, und zwar unbeschadet der Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats nach Möglich­ keit sein Augenmerk auch zu richten haben auf die Prüfung der geschäftlichen Lage der Genossenschaft. Unbedingt festzuhalten ist an der im Mgemeinen Deutschen Genossenschaftsverband üblichen Fernhaltung des Revisionsverbandes von geschäftlichen Unternehmungen irgendwelcher Art."

Die Forderungen sind im allgemeinen gerichtet auf Einführung von Zwangs­ maßregeln, die die Revisionsverbände befähigen sollen, bei den Genossenschaften, deren Geschäftsführung schwere Mißstände aufweist, mittels Zwanges eine Abstellung zu erwirken. Einmal bieten auch Zwangsmaßregeln keine ausreichende Garantie, daß dieselben auch tatsächlich das erstrebte Ziel erreichen lassen werden — dann aber führen sie zu einer Verschiebung der Verantwortung und werden möglicherweise den Aufsichts­ rat nicht zu einer intensiven Tätigkeit veranlassen, sondern im Gegenteil bei dem Auf­ sichtsrat den Glauben erwecken, daß der Revisionsverband für eine ordentliche Ge­ schäftsführung Sorge zu tragen hat.

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Genossenschaftliches.

Ganz bedenklich sind nun die Vorschläge, die auf eine Beseitigung der gericht­ lichen Revision gerichtet sind, indem die Bildung von Zwangsrevisionsverbänden gefordert wird. Jede Genossenschaft, die einem solchen Verbände angehört, würde schon wegen ihrer Minderwertigkeit gezeichnet sein. Andererseits aber kann keinem Revisionsverbande zur Pflicht gemacht werden, jede Genossenschaft, die sich meldet, aufzunehmen. Die verschiedenen auf Abänderung des Genossenschaftsgesetzes gerichteten Vor­ schläge sind zusammengestellt im Jahrbuch des Allgemeinen Verbandes für 1913 S. XXXIII. Überblickt man das Ergebnis der Wirkung der gesetzlichen Revision auf die Ent­ wicklung desGenossenschaftswesens, so ist diese zweifellos als eine durchaus befriedigende zu bezeichnen. Freilich sind Konkurse auch jetzt noch vorgekommen, doch im Verhältnis zur. Zahl der bestehenden Genossenschaften sind sie als ganz vereinzelte Erscheinungen zu betrachten. Der Ausbau der meisten Genossenschaften ist als ein guter zu bezeichnen. Und dies ist hauptsächlich das Verdienst der Revisionen, die die Beschlüsse der Genossen­ schaftstage hinausgetragen und für ihre Übertragung in die Praxis der Genossenschaften gesorgt haben. Innerhalb des Verbandes wird dauernd an der Ausbildung der Revisoren gearbeitet, die dadurch in die Lage kommen, den sich stetig steigernden Ansprüchen an ihre Kenntnisse und ihre Umsicht zu genügen. Solche Erfolge lassen sich nicht durch Zwangsmaßregeln erreichen. Nach § 64 des Genossenschaftsgesetzes soll der Reichskanzler ermächtigt sein, all­ gemeine Anweisungen zu erlassen, nach denen die Revisionsberichte anzufertigen sind. Der Revisionsbericht, der der Generalversammlung zur Beschlußfassung vorzulegen ist, ist einer der bedeutungsvollsten Akte der Revision. In vielen Fällen bietet die Erstattung des Revisionsberichts die größten Schwierigkeiten, wenn der Revisor einerseits ver­ pflichtet ist, den Befund vollkommen klar und offen darzulegen, andererseits berück­ sichtigen muß, daß der Revisionsbericht zur Kenntnis der Generalversammlung und damit möglicherweise weiterer Kreise gebracht wird. Nicht immer vermag der Revisor bis in den letzten Geschäftsvorgang hineinzublicken. Er steht vor ungeklärten Situationen. Die Bestimmung des § 64 des Genossenschaftsgesetzes ist bisher unausgeführt geblieben,

c. vilbimg »oa GoosfenschMfte». Me ami Genofleafchaften bestehen. Das Gesetz von 1868 hatte keine Bestimmung darüber getroffen, ob Genossenschaften Handelsgesellschaften, Korporationen usw. Mitglieder eingetragener Genossenschaften werden können. Die Meinungen darüber, ob dies zulässig sei, waren geteilt, vgl. die Anmerkungen zu § 9. Schulze-Delitzsch vertrat in seinem Entwurf zur Novelle von 1877 die Ansicht: „Eingetragene Genossenschaften können einer anderen eingetragenen Genossenschaft nicht beitreten." Das Genossenschaftsgesetz ist der Auffassung SchulzeDelitzschs nicht beigetreten, es können nach dem Gesetz von 1889 Genossenschaften Mit­ glieder einer anderen Genossenschaft werden, ohne daß das Gesetz irgendwelche Be­ schränkungen vorgesehen habe. Dem Gesetzgeber schwebte bei Zulassung des Beitritts von Genossenschaften zu Genossenschaften vor allem die Vereinigung von Wareneinkaufgenossenschaften zum gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb vor, er erklärt: Konsumvereine, landwirtschaftliche Einkaufsgenossenschaften sollen sich organisieren, zusammenschließen und sollen wiederum Genossenschaften bilden. Nun ist aber tatsächlich in der Praxis für diese Verbindung nicht die Form der Genossenschaft, sondern weit mehr die Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewählt. Die Verbindung der Genossenschaften zur Genossenschaft finden wir weit mehr bei den Kreditgenossenschaften. Von ganz besonderem Einfluß ist dabei die Preußische Zentral-Genossenschaftskasse gewesen, die grundsätzlich nach dem Gesetz Kredit nur an Verbandskassen von Genossenschaften gewähren soll. Mit den ein­ schlägigen Fragen haben sich die Allgemeinen Genossenschaftstage zu Bad Nauheim

Einleitung.

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(1910, Mitteilungen S. 186ff.) und zu Posen (1913, Mitteilungen, S. 183 ff.), der zn der Frage der Mitgliedschaft der Genossenschaft bei der Genossenschaft Stellung ge­ nommen hat, beschäftigt. Die Beschlüsse insoweit sie hier von Bedeutung sind, lauten: Mlgemeiner Genossenschaftstag zu Bad Nauheim: „Die durch das Genossenschaftsgesetz von 1889 zugelassene Bildung von eingetragenen Ge­ nossenschaften mit beschränkter Haftpflicht und von Genossenschaften, deren Mitglieder Genossen­ schaften sind, hat oftmals eine Zentralisation zur Folge gehabt, deren bedeutungsvolle Merkmale erscheinen: als ein Verstoß gegen den der Genossenschaft eigenen Charakter der lokalen Begrenzung ihrer geschäftlichen Tätigkeit durch weitgehendste territoriale Ausdehnung — als ein Verstoß gegen den der beschränkten Haftpflicht eigenen Charakter der Beschränkung der Haftpflicht auf Beträge, die der Beschränkung der Haftpflicht ihren Zweck nehmen — als ein Verstoß gegen das Gebot der Übersichtlichkeit und Klarheit geschäftlicher Verpflichtungen durch die wechselseitige Mitgliedschaft der Genossenschaften."

Allgemeiner Genossenschaftstag zu Posen: „I. Die Mitgliedschaft der Genossenschaft bei der Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht ist grundsätzlich zu verwerfen. II. Insoweit hiernach die Mitgliedschaft einer Genossenschaft bei einer Genossenschaft für zu­ lässig erachtet wird, gelten die folgenden Grundsätze: 1. Unbedingt zu vermeiden ist, daß bei Beteiligung einer Genossenschaft an einer anderen die Geschäftsguthaben und Haftsummen nach der Höhe der geschäftlichen Inanspruch­ nahme seitens der Mitgliedsgenossenschaft bemessen werden. 2. Die Höhe der Beteiligung einschließlich der Haftsumme sollte die Reserven der Mitglieds­ genossenschaft niemals übersteigen. 3. Unter allen Umständen ist zu vermeiden, daß die Mitgliedschaft einer Genossenschaft zu dem Zweck herbeigeführt wird, daß der Kredit der anderen Genossenschaft eine Steige­ rung erfährt. "

Neuerdings hat sich auch die Rechtswissenschaft mit diesen Fragen beschäftigt; vgl. hierüber § 9 Anm. 4. Die geschäftliche Zentralisation des Genossenschaftswesens, die die Folge der Zulassung der Mitgliedschaft der Genossenschaften bei den Genossenschaften ist, schließt zweifellos Gefahren in sich, wenn sie schrankenlos vor sich geht. Der Zusammenschluß von Genossenschaften hat zu genossenschaftlichen Rattenkönigen geführt. Die Erfahrungen haben bewiesen, daß die in den früheren Auflagen des Kommentars, auf den Allgemeinen Genossenschaftstagen und in den Blättern für Genossenschaftswesen an der Zentrali­ sation geübte Kritik eine durchaus begründete ist. Durch diese Ausführungen wird die Frage nach der Zulässigkeit der Beteiligung an anderen Gesellschaften und Personen­ vereinigungen nicht berührt. Hierüber vgl. § 1 Anm. 43.

iv. Vie Aechttquellen. 1. Die Hauptrechtsquelle ist das Genossenschaftsgesetz selbst. 2. Ferner ist Rechtsquelle das Handelsgesetzbuch. Die EG. ist Kaufmann im Sinne des HGB., soweit das GG. keine abweichenden Vorschriften enthält. Zur Anwendung kommen daher alle Vorschriften des HGB., wie überhaupt alle ge­ setzlichen Bestimmungen, die für Kaufleute im Sinne des HGB. gegeben sind. Näheres hierüber vgl. § 17 Anm. 2 ff. 3. Die Genossenschaft ist ebenso wie die Aktiengesellschaft und die G.m.b.H. ein Gebilde des Privatrechts (vgl. § 1 Anm. 1 sowie die Anm. zur Einl. d. Ges.). Es kommen daher in gleicher Weise wie auf die Aktiengesellschaft und die Ges. m. b. Haftung auch auf die Genossenschaft die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, ins­ besondere des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Vereine ergänzend zur Anwendung. Für die Aktiengesellschaft ist dies allerdings bestritten (z. B. Staub

32

GenossenschastSgesetz.

§ 178 Sinnt. Gaff.). Doch hat die Praxis in dem hier vertretenen Sinne entschieden (vgl. insbesondere Staub-Hachenburg, Mlgemeine Einleitung Anm. 3 ff.) wie hier Deumer S. 33. Das GG. hat nicht die Bedeutung eines Ausführungs­ gesetzes zum BGB., wie von Bülow in der Monatsschrift 1900 S. 273 annimmt, vielmehr ist die Geltung des BGB. eine subsidiäre in allen Fällen, in denen das GenossenschastSgesetz nichts ergibt. Es ist dies aus Art. 2 EGHGB. zu entnehmen, wo bestimmt ist, daß in Handelssachen die Vorschriften des BGB. insoweit zur Anwendung kommen, als nicht im HGB. etwas anderes bestimmt ist; ferner aus § 6 HGB., aus dem zu schließen ist, daß auch Genossenschaften Vereine sind, und schließlich aus § 22 BGB., wonach auch Vereine, deren Rechtsfähigkeit auf be­ sonderer reichsgesetzlicher Vorschrift beruht, Vereine im Sinne des BGB. sind (vgl. Staub-Hachenburg, Allgemeine Einleitung Anm. 3; Staudinger 5./G. Auflage, Vorbem. zu § 21, IV 2). Es kommen also insbesondere die §§ 29,31 und 48 BGB. zur Anwendung. Vgl. BlfG. 1907 S. 562 und für G.m.b.H. KGJ. 23, 105. Ferner bestimmen sich die Allgemeinen Rechtsgrundsätze, soweit das Genossenschaftsgesetz nichts darüber enthält, nach dem BGB., z. B. über Fristen, Verjährung (vgl. § 34 Anm. 18), Willenserklärung, Verträge. Die Anwendung des BGB. darf jedoch nicht zu einem Widerspruch mit ausdrücklichen oder durch Auslegung ermittelten Grundsätzen des Genossenschaftsgesetzes führen, z. B. § 22 Abs. 2. In diesen Fällen geht das Genossenschaftsgesetz als Spezialgesetz vor. Vgl. auch über Einschränkung der Anfechtbarkeit der Beitrittserklärung wegen arglistiger Täuschung § 15 Anm. 4 ff. 4. Über das Gewohnheitsrecht enthält das Genossenschaftsgesetz nichts. Im all­ gemeinen vgl. zur Frage der Anwendbarkeit des Gewohnheitsrechts Staub Allg. Einleitung Anm. 23 ff.

Gesetz, betreffend

die Erwerbs- mW Wirftchaftögenossenschaften. In der Fassung des nach Maßgabe des Artikels 13 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 festgestellten Textes (RGBl. 1898 Nr. 25 S. 810—845 ausgegeben am 14. Juni 1898).

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen usw. verordnen im Namm des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt: Das Gesetz ist in Nr. 11 des RGBl., ausgegeben zu Berlin den 10. V. 1889 (S. 56 bis 93), publiziert und nach § 172 am 1. X. 1889 in Kraft getreten. Das GG. vom4. VII. 1868 hatte die Überschrift: „Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs­ und Wirtschaftsgenossenschaften". Durch Art. 13 EHGB. ist der Reichskanzler ermächtigt, den Text des Gesetzes be­ treffend die Erwerbs- und Wirtschaftsg., wie er sich aus den in den Artikeln des EHGB. vorgesehenen Änderungen ergibt, durch das RGBl, bekannt zu machen. Das RGBl. Nr. 25, ausgegeben am 14. VI. 1898, enthält die Bekanntmachung des Textes verschiedener Reichs­ gesetze in der vom 1. I. 1900 an geltenden Fassung vom 20. V. 1898. Lehmann in seinem Lehrbuch des Handelsrechts weist darauf hin, daß seitdem das GG. näher dem BGB. als dem HGB. stehe. Dies findet darin seine Erklärung, daß das HGB. dem BGB. angepaßt ist. Es zeigt sich das Streben, das GG. dem Aktiengesetz anzupassen, soweit dies bei der besonderen Rechtsnatur der G. möglich ist, denn die EG. bildet eine durchaus eigen­ artige Rechtsform, die im wesentlichen nur in der Organisation mit der AG. übereinstimmt, mit Bezug hierauf aber stimmen die Bestimmungen der Gesetze oft fast wörtlich überein. Vgl. auch Einleitung unter IV. Die Bekanntmachung des Textes enthält noch eine weitere Änderung. Die Novelle zum GG. vom 12, VIII. 1896 hat in der Reichstagskommission folgende Bezeichnung erhalten: Gesetz, betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Erwerbs- und WirtschaftsG. vom 1. V. 1889 sowie den Geschäftsbetrieb von Konsumanstalten; dieser Zusatz ist in der Bekanntmachung fortgelassen, und entsprechend ist auch Art. 2 des Gesetzes vom 12. VIII. 1896 nicht ausgenommen, so daß ein besonderes Gesetz betreffend den Geschäfts­ betrieb von Konsumanstalten vom 12. VIII. 1896 (RGBl. Nr. 29 S. 695ff.) übriggeblieben ist. Dieses Gesetz wird unten im Anschluß an das GG. mitgeteilt.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft. 81.

Gesellschaft«« von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftliche» Ge­ schäftsbetriebes bezwecke« (Genossenschaften), namentlich: 1. Vorschuß- und Kreditvereine,

2. Rohstoffvereme, Crüger-CreceltuS, GenossenfchastSgefetz. n. Aufl.

3

34

GenoffenschastSgesetz. 3. Vereine zum gemeinschaftlichen Verkaufe landwirtschaftlicher oder gewerb­ licher Erzeugnisse (Absatzgenossenschasten, Magazinvereme), 4. Vere'ne zur Herstellung von Gegenständen und zum Verkaufe derselbe» auf gemeinschaftliche Rechnung (Produktivgenossenschaften), 5. Vereine zum gemeinschaftlichen Einkäufe von Lebens- oder Wirtschafts­ bedürfnissen im großen und Ablaß im kleinen (Konsumvereine),

6. Vereine zur Beschaffung von Gegenstände» des landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebes und zur Benutzung derselben auf gemeinschaftliche

Rechnung, 7. Vereine zur Herstellung von Wohnungen, erwerben die Rechte einer „eingetragenen Genossenschaft" nach Maßgabe dieses

Gesetzes. Eine Beteiligung an Gesellschaften und sonstigen Personerwereimguvgea einschließlich der Körperschaften des öffentlichen Rechtes ist zulässig, wenn sie 1. der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft der Mitglieder der Genossen­

schaft oder, 2. ohne den alleinige» oder überwiegenden Zweck der Genossenschaft zu bilden, gemeinnützige« Bestrebungen der Genossenschaft zu dienen bestimmt ist. Ges. von 1868 § 1, Entw. I, II, Komm., Rtg. 1, Ges. vom 1. VII. 1922 Art. I in Verb, mit Ges. vom 12. V. 1923.

Anmerkungen zu § 1. Am«. 1.

I. Allgemeines.

Über die Begriffsbestimmung im § 1 des Gesetzes vom 4. VII. 68, der wörtlich mit § 1 des preußischen GG. vom 27. III. 67 übereinstimmend, vgl. Einleitung S. 22. „Die Bezeichnung des wirtschaftlichen Zweckes der G. ist ohne wesentliche Änderung aus dem früheren Gesetz übernommen. Nur ist, in Übereinstimmung mit der Überschrift des Gesetzes, die Förderung des Kredits der Genossen unter den Zwecken der G. nicht besonders aufZeführt; denn die Kreditgewährung darf einen Gegenstand des genossenschaftlichen Geschäfts­ betriebes nur insoweit bilden, als sie zur Förderung der Erwerbstätigkeit oder Wirtschaft der Genossen dient; sie ist also schon von diesen beiden Hauptzwecken der G. umfaßt und zu­ gleich begrenzt" (Begr. II 59). Wnm. 2. Der Ausdruck „Gesellschaft" ist gewählt, weil vor der Eintragung eine nach dem BGB. zu beurteilende Vereinigung (Gesellschaft, Verein) vorhanden ist. Ein Antrag in der Kommission, das Wort „Gesellschaft" entsprechend der österreichischen Gesetzgebung durch „Verein" zu ersetzen, wurde zurückgezogen, nachdem die Regierungsvertreter erklärt hatten, daß sich der Ausdruck „Gesellschaft" auf privatrechtlichem Gebiet (vgl. Anm. zur Einleitung des Gesetzes) bewegt, während der Ausdruck „Verein" vorzugsweise auf dem öffentlichen Gebiet liegt (KommBer. 3). In dem Text des Paragraphen ist gleichwohl das Wort „Verein" gebraucht, wie dies auch in der Praxis vielfach Anwendung findet; vgl. für die Ausdrucksweise BGB. §§ 21 ff., 705 ff., Die G. ist eine Person al gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit (§ 17); ihre Träger sind die Mitglieder. Sie unterscheidet sich dadurch wesentlich von der Kapitalgesellschaft, vgl. § 6 Anm. 2. Die Mitglieder haben das höchstens durch das Statut (§ 65) beschränkte Austrittsrecht, der Tod des Mitgliedes endigt die Mit­ gliedschaft (§ 77); auf das Ausscheiden folgt die Auseinandersetzung (§ 73). Das infolge der Kapitalbeteiligung der Mitglieder gebildete Geschäftsguthaben (§ 7 Anm. 3) schafft daher keinen festen Vermögensbestandteil der G. Es ist Deumer (S. 177) nicht zuzustimmen, daß die Mitgliedschaft ein höchstpersönliches Recht ist. Das der G. Eigentümliche

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft,

g 1.

35

bei der Mitgliedschaft ist die Verbindung der persönlichen und sachlichen Gesichtspunkte. Eine rein persönliche Migliedschaft ohne gleichzeitige Kapitalbeteiligung gibt es nicht. Es besteht nicht nur die Pflicht zur Bildung des Geschäftsguthabens, sondern auch die persönliche Haftpflicht, die in der bürgschaftsartigen Solidarhaft zum Ausdruck kommt. Die Entwicklung des G-Wesens läßt die vermögensrechtliche Seite sogar immer stärker hervortreten durch die Forderung, daß die G. auf die Bildung eines ausreichend gro.ßen eigenen Vermögens bedacht sein sollen. Aus dieser Begriffsbestimmung der Mitgliedschaft ergeben sich gewisse Fragen. Im Konkurse des Mitgliedes steht dem Konkursverwalter das Recht der Kündigung der Mitgliedschaft zu (vgl. § 65); durch die Abgabe der Beitrittserklärung entstehen für den Beitretenden ähnliche vermögensrechtliche Folgen, wie sie bei der AG. und der GmbH, vorhanden sind (RG. 57, 300, RG. 68, 351).

II. Merkmale der Definition. «nm. s. Die Definition trifft nur die „G." im Sinne dieses Gesetzes, ihre drei wesentlichen Merkmale sind: a) nicht geschlossene Mitgliederzahl, b) Förderung des „Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder", c) gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb. a) Nicht geschlossene Mitgliederzahl. «nm. 4. Der stets mögliche Wechsel in dem Bestände und in der Zahl der haftbaren Mitglieder, das Erfordernis der „nicht geschlossenen Mitgliederzahl" (vgl. Anm. 31 betreffend den Einfluß auf die „Öffentlichkeit") ist die charakteristische Besonderheit der G. Sie unterscheidet sich dadurch von den Handelsgesellschaften Bei den Handelsgesellschaften ist entweder der Zutritt eines neuen Mitgliedes von der Einwilligung aller bisherigen Mit­ glieder abhängig, oder es ist, wie bei der AG., die Mitgliederzahl eine durch die Zahl der Aktien in gewisser Weise geschlossene, so daß neue Mitglieder üur an Stelle Ausscheidender eintreten. Das Statut darf die Mitgliederzahl nicht ein für allemal festsetzen. Zulässig freilich ist eine Beschränkung der Mitgliederzahl nach oben oder unten, denn die Mitglieder­ zahl ist dabei nicht „geschlossen". Es kann eine G. durch Ablehnung aller Aufnahmeanträge (unter der Voraussetzung der Berechtigung hierzu), in Ansehung des Eintritts neuer Mit­ glieder, tatsächlich geschlossen gehalten werden, die Mitgliederzahl wird aber dadurch nicht geschlossen, weil der Austritt durch Aufkündigung und durch den Tod nicht gehindert werden kann (§§ 65, 66, 67). So auch Deumer S. 53. Das Statut kann die Aufnahme neuer Mitglieder von den verschiedensten Bedingungen Anm. «♦ abhängig machen, z. B. von der Zahlung eines Eintrittsgeldes (RG. 62, 308), von dem Beschluß des Vorstandes oder des Aufsichtsrats oder der Generalversammlung, ja sogar von der Einwilligung aller Genossen usw.; es kann die G. auf bestimmte Klassen von Personen, z. B. auf Beamte, auf Meister eines und desselben Handwerks, auf Grundbesitzer, beschränken (vgl. jedoch die Anm. 6 besprochene Entscheidung RG. 47, 76ff.). Fortfall der Qualifikation zum Erwerb der Mitgliedschaft bei dem Mitgliede führt nicht das Ende der Mitgliedschaft herbei, da andere als die durch das Gesetz für die Beendigung der Mitgliedschaft vorgesehenen Gründe durch das Statut nicht eingeführt werden können (§ 65 Anm. 2). Aushilfe bietet § 68. Niemand hat im allgemeinen einen Anspruch auf Erwerb der Mitgliedschaft (§ 15 «nm. «. Anm. 6). Die G. hat keine Verpflichtung zur Aufnahme von Genossen, soweit sie sich nicht selbst eine solche Verpflichtung auferlegt (RG. 62, 307f.). Es ist in der Regel unmöglich, eine G. zu zwingen, Personen, die ihr nicht gefallen, aufzunehmen (Birkenbihl-Maurer S. 30, Joel S. 445, Jessenberger S. 64), es sei denn, daß nach dem Gegenstand des Unter­ nehmens ein unbedingtes Recht der Abweisung nicht zulässig ist (RG. 47, 76ff.). In dem zur Entscheidung des RG. gelangten Falle hatte die Gemeinde in Verbindung mit einer G. ein Schlachthaus errichtet, das Schlachthaus war als ein öffentliches mit Schlacht­ hauszwang (§ 23 Gew.Ordnung) anzusehen. Die Öffentlichkeit bedingt dessen allgemeine Zugänglichkeit mindestens für die Personen in der Gemeinde, die das Metzgergewerbe betreiben. Das aufgenommene Mitglied muß den Geschäftsbetrieb nach Maßgabe des Statuts betreiben; Zuwiderhandlungen können einen Ausschließungsgrund abgeben, wobei das Statut maßgebend ist; wobei aber wiederum zu beachten ist, daß gewisse Bestimmungen

3*

36

Genossenschaftsgesetz.

im Statut gegen die Grundsätze der Gewerbefreiheit verstoßen und daher ungültig sein können. „Diese freie Beitrittsmöglichkeit kann aber nur als wirklich vorhanden gelten, wenn die Bestimmung des Statuts, daß den G.er Metzgern der Beitritt ,nicht untersagt werden tarnt', wörtlich genommen wird, d. h. im Sinne eines diesen Personen eingeräumten Rechtes auf Aufnahme in die G. Wenn das GG. von der Zulassung des Beitretenden durch die Organe der G. ausgeht, so steht nichts im Wege, daß in bezug auf diese Zulassung eine vertragsmäßige Gebundenheit der G. besteht, wie sie etwa durch einen auf Auf­ nahme gerichteten Vorvertrag beschafft sein könnte. Ein Vertrag ähnlichen Inhalts muß hier aus dem Rechtsverhältnisse zwischen der G. und der Stadtgemeinde unmittelbar ab­ geleitet werden." In der Regel gilt freilich, „daß ... dre statutarische Festsetzung gewisser Bedingungen, die für die Aufnahme erfüllt sein müssen, nur die Bedeutung einer Instruktion für die Organe der G. haben wird, nicht aber denen, die diese Bedingungen erfüllen, ein Recht auf Aufnahme gewähren will" (RG. 47, 79ff.). Genossen, welche die statutarischen Voraussetzungen der Mitgliedschaft nicht erfüllen und trotzdem ausgenommen sind, werden durch ihre Eintragung vollberechtigte und vollverpflichtete Mitglieder. Sie können sich auf den Mangel der Voraussetzungen nicht berufen; vgl. dagegen Ruth in der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Bd. 88 S. 502. Wie unter Umständen die Beitrittsmöglichkeit ein wesentlicher Punkt für die Organisation der G. ist, kann das gleiche entsprechend der Fall sein für die Ausschließungs­ befugnis, und die G. kann aus den gleichen Gründen, wie sie gezwungen wird, jemand aufzunehmen, gezwungen werden, von dem Recht auf Ausschließung nach § 68 abzusehen. Es mag dies zu Härten führen, aber erkennt man die Möglichkeit an, daß eine G. gezwungen wird, jemanden aufzunehmen, muß man auch die Konsequenz für die Ausschließung ziehen, «nm. 7. Von Wichtigkeit und in der Beantwortung nicht zweifellos ist die Frage, inwieweit Personen einem Beitrittszwang unterliegen, die sich durch besondere Er­ klärung zum Beitritt bereit erklärt haben. Das OLG. Bamberg hat in dem Urt. vom 1. III. 10 (Leipz. Ztschr. 1910 Sp. 873) für GmbH, ausgesprochen, daß der Gesellschafter (oder seine Erben) zur Teilnahme an der GmbH, nur verpflichtet ist, wenn ein „gültiger Vorvertrag" vorliegt; und es ist dies in dem Fall verneint, in dem der Gründungsvertrag vorlag, der wegen Nichtigkeit nicht zur Eintragung gelangte. Das RÄ. (30, 95ff.) schließt sich den Grundsätzen an, von denen die Rechtsprechung des ROHG. bei Beurteilung der vor Errichtung des Statuts einer AG. erfolgten Aktienzeichnungen ausgegangen ist, und erklärt das Versprechen, einer G. beizutreten, nur dann für rechtswirksam, wenn die wesentlichen Grundlagen des Statuts, z. B. Betrag des Geschäftsanteils, Höhe der Haftsumme, bereits feststehen, insbesondere wenn das Beteiligungsversprechen im Sinne des GG. für hinlänglich bestimmt zu erachten ist. Vgl. auch RG. 40,46. Über einenFall des Beitrittszwanges §13 Anm.3.

«nm. 8.

Erschwerungen des Austritts sind nur im Rahmen des § 65 zulässig.

b) Die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft (ihrer Mitglieder), «nm. v. Der Zweck der G. muß gerichtet sein „auf Förderung des Erwerbes oder der Wirt­ schaft der Mitglieder" und muß erstrebt werden „mittels gemeinschaftlichen Geschäfts­ betriebes" (vgl. Anm. 17, Einleitung unter III). Die G. verfolgt wirtschaftliche Zwecke durch wirtschaftliche Mittel; die wirtschaftlichen Zwecke sollen dem Interesse der Mit­ glieder dienen (Anm. 14), und das wirtschaftliche Mittel ist gemeinschaftlicher Betrieb eines Geschäfts (Anm. 17). Der Richter darf aber nicht die Eintragung wegen voraus­ sichtlich fehlender Rentabilität des Unternehmens ablehnen (RIA. 9, 241). Förderung des „Erwerbes" ist nicht immer, wie Birkenbihl-Maurer S. 31 (ebenso Joel S. 445) an­ nehmen, Vermehrung der Einnahme. Z. B. die RohstoffG. ist auf Förderung des Erwerbes gerichtet, sie soll aber die Ausgaben verringern; dagegen besteht allerdings Förderung der „Wirtschaft" immer in einer Verringerung der Ausgaben. Am deutlichsten kommt dies im. Konsumverein zum Ausdruck. Es genügt, wenn lediglich die Wirtschaft gefördert werden soll. Hamburg 22. XII. 13. HaniGerZtg. 35, B. 208 u. WarneyerA. 1915 S. 263. Zulässig ist natürlich auch die Verbindung und Förderung von Erwerb und Wirtschaft (Rohstoff-

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

37

und Konsumvereine). So auch Birkenbihl-Maurer S. 31. Nicht jede G., die auf Förderung des Erwerbes ihrer Mitglieder gerichtet ist, ist daher auch eine Erwerbsgesellschaft in dem Sinne, daß sie ihrerseits auf Erwerb, d. h. auf Erzielung von Gewinn (Anm. 10), gerichtet ist; dies hängt vielmehr von der Art des Geschäftsbetriebes ab. Das KG. (KGJ. 18, 27) sucht nach der geschichtlichen Entwicklung des G.wesens «nm. io. festzustellen, „daß nur solche Vereinigungen dem Gesetz entsprechen, die ihr Geschäft grund­ sätzlich mit ihren Mitgliedern betreiben und auf diese unmittelbare Art deren Erwerb oder Wirtschaft fördern. Eine Vereinigung, die lediglich darauf gerichtet ist, durch den Geschäfts­ betrieb mit Nichtmitgliedern den Mitgliedern Gewinn zuzuführen, erfüllt nicht die gesetzlichen Bedingungen des § 1. Sie wird bei erfolgreicher Tätigkeit die Einnahmen der Mitglieder vermehren, aber sie kann die Mitglieder nicht, wie der § I des Gesetzes dies voraussetzt, durch Geschäftsschlüsse in ihrem eigentümlichen Erwerbsberuf oder in ihrer Wirtschaft fördern." Das OLG. Hamburg hat in einer Entscheidung vom 11. V. 14 (HansGerZtg. 3 Bd. 15) ausgesprochen, daß von einer Förderung des Erwerbs der Genossen nur dann die Rede sein könne, wenn der Geschäftsbetrieb der G. mit dem besonderen Erwerbsberufe der einzelnen Genossen in Zusammenhang steht. Das KG. (KGJ. 37, 168 unter Berufung auf'18, 27) nimmt Bezug auf den KommBer. des Pr. Abg.-H. von 1866 (Drucksachen Nr. 60 S. 25), wo es heißt: „Der innerste Kern der Verschiedenheit (von der offenen Handels­ gesellschaft) tritt ... bei den allermeisten G. in dem Endziel des Geschäftsbetriebes hervor. Der Genossenschafter bezweckt nicht, durch seine Teilnahme sich unmittelbar einen Gewinn zu verschaffen, welcher einen Teil seines Einkommens bildet, sondern er sucht durch wechsel­ seitige Ausgleichung mit den übrigen Mitgliedern und Anlehnung an diese auf eine dadurch erleichterte Weise ... zu den Hilfsmitteln für seinen Geschäftsbetrieb ... zu gelangen." Das KG. geht in der Verallgemeinerung des Grundsatzes zu weit. Das Deklarationsgesetz von 1871 (vgl. Einleitung unter II) hat z. B. ausdrücklich die Zulassung des Geschäftsverkehrs mit Nichtmitgliedern anerkannt und damit ausgesprochen, daß auch der „Erwerb" der Mit­ glieder noch in anderer Weise gefördert werden kann als „durch wechselseitige Ausgleichung". Dieser Auffassung entspricht jetzt § 8. Jedenfalls braucht der Betrieb der G. nicht mit dem Erwerbsberuf aller Mitglieder grundsätzlich in Verbindung zu stehen. „Wechselseitige Aus­ gleichung" trifft überdies nur für die wenigsten G. zu. Die Entwicklung kann eine derartige sein, daß der Charakter der G. verloren geht und die G. schließlich „andere als die in diesem Gesetze (§ 1) bezeichneten geschäftlichen Zwecke verfolgt" (§ 81). Neuerdings hat das KG. (RIA. 9, 241) ausgeführt: „(Dem) gesetzlichen Zwecke einer eintragungsfähigen G. wird nämlich nur dann entsprochen, wenn die Mitglieder durch das geplante Unternehmen un­ mittelbar in ihrem sonstigen Erwerb oder in ihrer Wirtschaft gefördert werden sollen, so daß der gemeinschaftliche Geschäftsbetrieb als solcher den Genossen in den angegebenen Be­ ziehungen Vorteile verschaffen soll. Dagegen genügt es nicht, wenn die Absicht der Be­ teiligten dahin geht, durch einen Geschäftsbetrieb, der an sich mit dem Erwerb und der Wirt­ schaft der Mitglieder nichtszutun hat, selbständig einen Vermögenserwerb zu erzielen, der dem­ nächst den Mitgliedern etwa in Form einer Dividende zufließen soll... denn es fehlt dabei der nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes notwendige besonders durch das Wort,mittels^ geforderte innere Zusammenhang zwischen dem gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb und dem als anderweitig bestehend vorausgesetzten Erwerbsberuf oder der Wirtschaft der Mitglieder." Die Grundgedanken sind zutreffend. Bei der Anwendung im einzelnen Fall ist nur die Überspannung des Prinzips zu vermeiden. Wie auch sonst ist die Tendenz der G. (KGJ. 14, 52) entscheidend. Die G. darf nur nicht als solche dem „eigentümlichen Erwerbsberuf" der Mitglieder wesensfremd sein. Die G. hat ihre Geschäftstätigkeit im Interesse der Ge­ nossen auszuüben, vgl. hierzu Anm. 39 Abs. 2. Insoweit möchten wir die Ausführungen der früheren Auflagen einschränken. Die KreditG. verliert ihre Eintragungsfähigkeit als eingetragene G. dadurch nicht, daß ihr Mitglieder angehören, die aus der Mitgliedschaft nur eine Dividende ziehen wollen; die Produktivgenossenschaft bleibt eine solche, auch wenn ihr Personen angehören, die aus dem Betrieb selbst Nutzen für sich nicht zu ziehen vermögen

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Genossenschafts gesetz.

(vgl. Anm. 15). Aber Schuhmacher können keine EinkaufsG. für Schneider bilden. Der Geschäftsbetrieb mit Nichtmitgliedern kann einen Umfang angenommen haben, daß der „genossenschaftliche" Charakter des Unternehmens dabei verloren geht. Ob eine Gesellschaft, welche eine Turnhalle, ein Gesellschaftshaus, ein Krankenhaus übernehmen will, die Form der eG. wählen kann, wird davon abhängen, ob das Unternehmen die Wirtschaft der Mit­ glieder zu fördern geeignet ist, ob zwischen ihm und dem Erwerbsberuf der Mitglieder Be­ ziehungen bestehen. Vgl. auch Anm. 18 betreffend den Fall der Gründung einer Landes­ produkten- und Warenbörse, die auch nach diesen Ausführungen zu behandeln ist. Das Gericht ist bei der Prüfung für die Eintragung auf die Auslegung des Statuts angewiesen. Später kann § 81 zur Abwendung gelangen, wenn sich herausstellt, daß das Unternehmen keinen genossenschaftlichen Charakter im Sinne des Gesetzes hat, d. h. nicht unter die Ge­ sellschaften des § 1 fällt, vgl. Anm. 32. Vgl. KGJ. 14, 52 über die Tendenz der G. Eine G. hatte in ihrem Statut die Bestimmung: „Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb geeigneter Grundstücke und der Verkauf in Teilen an Mitglieder." Die Gerichte hielten sich an den Wortlaut des Statuts und legten die Bestimmung dahin aus, daß der Zweck der G. wesentlich auf Erzielung von Gewinn gerichtet wäre, infolgedessen wurde die Eintragung abgelehnt. OLG. Rechtspr. 32, 121. Uber Wassergenossenschaften als eG. vgl. KGJ. 46, 166. «nm. 11. Vereine, die zwar gleichfalls ihre Mitglieder erwerbsfähiger machen wollen, aber nicht durch gemeinschaftlichen Geschäftstrieb und mittelbare Einwirkung auf deren Erwerb oder Wirtschaft, sondern auf idealen Wegen, können keine eG. sein (ebenso Deumer S. 54 und die dort zitierten Entscheidungen). So die Bildungsvereine. Ein Bildungsverein, der für seine Mitglieder eine Darlehnskasse unterhält, wird dadurch nicht eintragungs­ fähig; wohl aber die Darlehnskasse, wenn sie eine selbständige Gesellschaft geworden ist, gleichviel ob sie nur Mitglieder des Bildungsvereins oder auch andere aufnimmt (a. A. Joel S. 445 und die dort Zitierten). Wie mit den Bildungsvereinen verhält es sich mit den Unterhaltungsgesellschaften. Auch sie sind nicht eintragungsfähig, und zwar auch dann nicht, wenn sie nebenbei wirtschaftliche Zwecke verfolgen. Ein Kasino kann nebenbei für die Mitglieder Lebensbedürfnisse oder Wein im großen einkaufen und in kleinen Posten verkaufen, — es wird dadurch noch kein eintragungsfähiger Konsumverein. Anders aber liegt die Sache, wenn ein Kasino einen selbständigen Konsumverein begründet, oder wenn ein eingtreagener Konsumverein für seine Mitglieder regelmäßige Unterhaltungsabende ein richtet.

«nm 12

Unbedenklich erscheint es, daß eine G. den durch rein geschäftliche Zwecke zusammen­ geführten Mitgliedern Nebenleistungen gewährt (Unterhaltung, Bildung, Unter­ stützung in Not und Unglück, Zuwendungen an die Hinterbliebenen verstorbener Mitglieder u. dgl.), die außerhalb der gesetzlich zulässigen Gesellschaftszwecke liegen, aber in Ge­ sellschaften jeder Art vorkommen können (ebenso Proebst S. 261, BirkenbihlMaurer S. 32, 318); denn natürlich sind G. hierbei nicht schlechter gestellt als andere Er­ werbs- und Wirtschaftsgesellschaften. Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Neben­ leistungen ist entscheidend die „Tendenz der G." (KGJ. 14, 52). Birkenbihl-Maurer S. 32, Joel S. 445, Jessenberger S. 18, v. Sicherer S. 145, 151, wollen für die Unter­ ordnung unter das Gesetz den überwiegenden Zweck der G. entscheiden lassen. Insoweit damit die „Tendenz der G." gemeint ist, ist es richtig, die G. kann aber nur einen bestimmten Zweck haben, etwaige Nebenaufgaben dürfen den Zweck nicht verändern. Wenn daher diese Nebenleistungen den Charakter der G. wesentlich beeinflussen würden, wenn nach ihrem Umfange angenommen werden müßte, daß der Zweck der G. sich aus diesen Neben­ leistungen und nicht aus dem im Statut bezeichneten Gegenstände des Unternehmens er­ gibt, könnte gegen die G. das Auflösungsverfahren auf Grund des § 81 eingeleitet werden (vgl. auch § 149). Die Möglichkeit, daß eine Bestimmung des Statuts seitens der G. mißbraucht werden kann, berechtigt freilich das Gericht noch nicht, die Eintragung ab­ zulehnen.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

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Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die G. an sich berechtigt ist, Teile des Reingewinns zu Zwecken zu verwenden, die nicht direkt den Mitgliedern zugute kommen. Es ergibt sich dies schon daraus, daß die Novelle von 1896 es zuläßt, daß die Verteilung des Reingewinns ausgeschlossen wird, daß Stiftungs­ fonds zu Zwecken gebildet werden, die gänzlich außerhalb des Rahmens der G. liegen, vgl. hierzu auch die Verhandlungen in der Reichstagskommission über die Novelle 1896 (Anm. zu § 20), wo die Erweiterung der Fassung des § 20 ausdrücklich mit der Erwägung begründet ist, daß den G. die Förderung idealer Zwecke neben den wirtschaft­ lichen gesichert werden soll. Beschlüsse über derartige Zuwendungen, wenn dieselben nach dem Statut nicht statthaft sind, können von den Mitgliedern angefochten werden. Vgl. ferner §§ 19, 48 mit Bezug auf Bewilligung von Liberalitäten und Schenkungen aus dem Reingewinn. — Schenkungen durch den Vorstand § 26 Anm. 3. Der Zweck der G. muß unmittelbar auf Förderung des Erwerbs oder der Wirt-«n«. 18. schäft der Mitglieder gerichtet sein (ebenso Birkenbihl-Maurer S. 31). Bloße mittelbare Förderung, z. B. Förderung der Gesundheitspflege, Verbreitung von Bildung u. dgl., genügt nicht. (Vgl. Anm. 11.) c) Förderung der Mitglieder.

A«m» 14.

Die Gesellschaft muß die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mit­ glieder bezwecken. Darüber, was unter Geschäftsbetrieb mit Nichtmitgliedern im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist, vgl. Anm. 21. Der Geschäftsbetrieb muß auf Förderung der eigenen Mitglieder gehen. Es ist Tatfrage, ob dies der Fall ist. Wenn eine Anzahl Fabrikbesitzer sich vereinigen und mit ihrem Kapital einen Laden (eine Konsumanstalt­ errichten, um ihren Arbeitern die Lebensbedürfnisse gut und billig zu verschaffen, ohne einen anderen Gewinn als mäßige Verzinsung des Anlagekapitals zu beabsichtigen, so ist diese Gesellschaft nicht eintragungsfähig, weil die Gesellschaftsmitglieder nicht die eigene Wirtschaft und den eigenen Erwerb, sondern die Wirtschaft des Arbeiters zu fördern be­ zwecken. Ganz ebenso verhält es sich mit den sogenannten gemeinnützigen Baugesell­ schaften (nicht zu verwechseln mit den sog. gemeinnützigen BauG.) und mit den Volks­ küchen. Die Mitglieder des Vereins sind nicht die, welche das billige Essen verzehren und dadurch sparen, sondern Personen aus anderen Gesellschaftskreisen. Der Bereinszweck ist Förderung der Wirtschaft anderer Personen, und die Mitglieder streben nicht nach Förderung ihrer Wirtschaft durch die Volksküche. In Breslau und Halle sind Land­ arbeiterheime als G. eingetragen, obgleich sich Großgrundbesitzer vereinigt hatten, um Arbeiterheime zu gründen; die Ursache für die Wahl der G. war offenbar durch Anschluß an eine Verbandskasse billigen Kredit zu erhalten, diesen konnte man aber nur für die G. erlangen. Aber hier — desgl. bei Konsumanstalten — kann schließlich noch auf eine Förderung des „Erwerbes der Mitglieder" geschlossen werden, da die Beschaffung von Arbeiter­ wohnungen, von Volksküchen den Mitgliedern der G., den Großgrundbesitzern oder Fabrik­ besitzern, in ihrem Erwerbsinteresse förderlich ist. (Vgl. auch Anm. 19.) Unzulässig ist es, zwei Kategorien von Mitgliedern mit verschiedenen «nm. is. Rechten zu schaffen. Das gleiche gilt auch für die Pflichten. Dabei ist aber zu berück­ sichtigen, daß sich verschiedene Rechte und Pflichten aus der verschiedenen Inanspruch­ nahme der G. ergeben können (§ 7 Anm. 14). RG. 62, 311 stellt mit Recht den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Mitglieder für Statutenänderungen auf, läßt es aber unentschieden, ob schon von vornherein im Statut verschiedene Klassen von Mitgliedern mit verschiedenen Rechten und Pflichten vorgesehen werden können, sowie ob es unzu­ lässig wäre, später solche abändernde Bestimmungen zu treffen, die nur die eine oder die andere Klasse berühren, oder ob auf Grund der bereits durch das Statut gegebenen Unter­ scheidung auch dies für erlaubt gelten müßte. Das RG. 38, 16 hat dies bejaht und aus­ gesprochen, daß die Rechtslage der einzelnen Genossen gegenüber der G., soweit nicht das Statut Verschiedenheit begründet, grundsätzlich gleich ist, und hat demgemäß einen Generalversammlungsbeschluß für anfechtbar erklärt, der nur einem Teile der Mit-

40

Geuoffenschaftsgesetz.

glieder einer MolkereiG. für den Fall nicht rechtzeitiger Milchlieferung Geldstrafe androhte, ohne daß das Statut diese Verschiedenheit zuließ. Somit ist also nicht jede unterschiedliche Behandlung ausgeschlossen, eine solche liegt im Wesen verschiedener Genossenschaftsarten sogar begründet So können z. B. mitunter nicht alle Mitglieder an den Einrichtungen der G. teilnehmen. Das ist nicht unzulässig. Warum sollten nicht auch Besitzer Mitglieder einer MolkereiG. werden, die noch gar nicht in der Lage sind, Milch zu liefern? Amhäufigsten wird eine solche unterschiedliche Behandlungbei ProduktivG. Vorkommen, aber auchz. B. bei KreditG. Dem Wesen der G. aber würde es widersprechen, durch das Statut grundsätzlich bestimmte Mitglie­ der von dem Gebrauch der genossenschaftlichen Einrichtung auszuschließen, denn das wäre unvereinbar mit „Förderung von Erwerb und Wirtschaft der Mitglieder". Vgl. hierzu Anm. 10 und RG. in IW. 1927 S. 691 Nr. 30. Zulässig ist es, die Mitglieder an gewissen Einrichtungen nur unter bestimmten Voraussetzungen teilnehmen zu lassen, z. B. bei der BauG. den Erwerb eines Hauses an die Bedingung zu knüpfen, daß ein Minimalguthaben eingezahlt ist, oder daß Vereinswohnungen nur an „minderbegüterte Familien" vermietet werden sollen, oder daß der Bewerber eine gewisse Zeit Mitglied der G. ist. So auch KG. in dem Beschl. v. 14. III. 07 (BlfG. 1909 S. 715): „Die satzungsgemäße Aufnahme wohl­ habender Mitglieder, namentlich auch von Korporationen, steht mit dem Vereinszweck nicht in Widerspruch, sie ist für den Verein erwünscht und notwendig, um ihm die nötigen Mittel und den nötigen Kredit zu verschaffen." Sonderrechte, Individualrechte §43 Anm. 3 ff.; vermögensrechtliche Ansprüche § 19 Anm. 4, 16. Genoss. Duldungspflicht § 6 Anm. 3. «mm is. G. und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit haben gewisse wirtschaftliche und auch rechtliche Beziehungen gemeinsam (vgl. z. B. § 52 des PrivVersGes.), das nähere vgl. Holthöfer: Die eG. und der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Zweifelhaft war es, weil die G. Erwerb und Wirtschaft der Mitglieder fördern soll, ob Versiche­ rungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit die Form der eG. wählen dürfen. SchulzeDelitzsch war nicht der Ansicht. Vgl. Schulze-Delitzsch S. 17. (Vgl. dre geschichtliche Dar­ stellung der Frage in den früheren Auflagen.) Die Frage ist durch das Gesetz vom 12. V. 01 gelöst (Einleitung unter II), aber nicht deswegen in verneinendem Sinn, weil eine solche Gesellschaft Erwerb oder Wirtschaft der Mitglieder nicht fördern würde, sondern weil die G. sich nach ihrer Rechts- und Wirtschaftsnatur für derartige Geschäftsbetriebe nicht eignet. Die Vermittlung von Versicherungen in der Form der eG. ist an sich zulässig. In der Bildung von Fonds für Hinterbliebene liegt noch kein Versicherungsunternehmen (RIA. 14, 156, OLG. Rechtspr. 32, 130). Die Neubegründung von Versicherungsunter­ nehmungen ist hiernach in der Form der eG. ausgeschlossen, § 6 des Privat Vers Ges., das Gesetz bezieht sich auf Lebensversicherungen, Unfall-, Haftpflicht-, Waisen, Aussteuer- und Militärdienstversicherungen, gleichviel ob auf Kapital oder Renten. Die bestehenden eG., welche Versicherungsgeschäfte betreiben, unterstehen auch fernerhin dem GG., wobei das PrivatVersGes. nach Maßgabe des § 102 desselben zur Anwendung kommt. Würde gleich­ wohl eine G. für den Betrieb von Versicherungsgeschäften eingetragen sein, so könnte gegen die G. nicht im Wege der Auflösung nach § 81 vorgegangen werden, sondern nur mit dem Nichtigkeitsverfahren (§§ 94ff., FGG. §§ 142, 147). Ein Versicherungsunternehmen, das seinen Mitgliedern Unterstützung gewährt, ohne ihnen einen Rechtsanspruch darauf einzuräumen, mithin den Vorschriften des PrivatVersGes. nicht unterliegt, kann die Form der G. annehmen. Erforderlich ist nur, daß die G. im Statut jeden Rechts­ anspruch der Mitglieder auf Entschädigung ausschließt, ohne Bedeutung dagegen ist, ob tatsächlich die Mitglieder bei normalem Verlauf der Dinge die Entschädigung in vollem Umfange erwarten dürfen (KGJ. 32, 164, BlfB. 1906 S. 147). d) Gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb, Gewerbebetrieb. kungen durch Gewerbeordnung und andere Gesetze.

«nm 17

Beschrän­

Vgl. Anm. 9ff. Die Begriffsbestimmung „mittels gemeinschaftlichen Geschäfts'betriebs" wird verschieden ausgelegt. Es ist darunter zu verstehen der gemeinschaftliche Betrieb eines Geschäfts und nicht, wie v. Sicherer (S. 150) annimmt, „gemeinschaft-

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft,

g 1.

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sicher Abschluß von Rechtsgeschäften". Das Wort „Geschäftsbetrieb" setzt eine dau­ ernde, in sich geschlossene Tätigkeit voraus, ein „Unternehmen" (§ 6 Anm. 8), nach dem sich auch die Bezeichnung der Firma zu richten hat (§ 3 Abs. 1). Ebenso Joel S. 446 gegen Sicherer. Wäre die Auslegung Sicherers richtig, so könnte sich eine G. auch für einen be­ stimmten Fall zum Abschluß von einzelnen Rechtsgeschäften bilden; dies aber widerspricht nicht allein dem Worte „Geschäftsbetrieb", sondern auch der Voraussetzung des § 3, daß die G. ein „Unternehmen" zum Gegenstand haben soll. Das Wort gemeinschaftlich paßt nicht recht zur Rechtsnatur der eG., die Rechts- «nm. 18* Persönlichkeit hat, denn die Geschäfte der G. werden nicht durch die Mitglieder „gemein­ schaftlich", sondern durch die gesetzliche Vertretung, den Vorstand, geführt (so auch Deumer S. 56). Fehlt es an dem gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb, so kann die Form der eG. nicht in Betracht kommen. Mit Recht ist daher die Eintragung einer „Landesproduktenund Warenbörse" abgelehnt, da dieselbe nur den Mitgliedern für den Abschluß ihrer Geschäfte dient, aber nicht die Förderung des Erwerbes im Wege des gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes (Busch, Archiv 24, 287) bezweckt (vgl. Anm. 10). Unzulässig wäre und die Eintragung ausschließen würde daher auch eine Bestimmung des Statuts, nach welcher der Geschäftsbetrieb einem Dritten übertragen wird oder unter gewissen Voraussetzungen ruhen soll. Für die Beurteilung der Eintragungsfähigkeit ist maßgebend der Inhalt des Statuts. Das Statut wird freilich in der Regel keine Auskunft darüber geben, ob die G. der Begriffsbestimmung genügt. Es ist Birkenbihl-Maurer (S. 34) zwar darin beizustimmen, daß eine MolkereiG. nicht eintragungsfähig sein würde, welche sich darauf beschränkt, die Milchlieferung ihrer Genossen zu verpachten; es müßte sich dies aber aus dem Statut ergeben, denn eine bestehende G. kann nicht behindert werden, den Be­ trieb abzugeben. Das Gesetz wenigstens bietet keine Handhabe gegen eine G. einzuschreiten, die ihren Geschäftsbetrieb abgibt oder sonst einstellt, wenn sie nur die gesetzlichen Pflichten einer G. erfüllt, z. B. § 33 beobachtet. Für AG. vgl. RG. 3, 128. — HGB. § 31 Abs. 2 findet keine Anwendung, da die Firma durch Verzicht (RG. 22, 69) nicht erloschen ist, auch von einer endgültigen tatsächlichen Aufgabe des Geschäftsbetriebs (RG. 29, 69) nicht die Rede ist. Soweit das Ruhen eine Unterlassung der Umstellung zur Folge hat, bietet das Gesetz vom 21. Mai 1926 (RGBl. I S. 248) in seinem § 2 dem Registerrichter eine Handhabe zum Einschreiten. Das OLG. Naumburg hat (Beschl. v. 3. I. 03, BlfG. 1905 S. 314) den gemein­ schaftlichen Geschäftsbetrieb bei einem Markenkonsumverein als vorhanden angenommen, „denn es verschaffen die Vorstandsmitglieder durch diese Tätigkeit den Mit­ gliedern ihres Vereins für bestimmte Bedürfnisse eine billigere Einkaufsquelle, üben somit dadurch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb aus, welcher die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft der Mitglieder zum Zwecke hat". In den Motiven des preußischen Re­ gierungsentwurfs vom 2. II. 66 (Drucksachen, Herrenhaus Nr. 10 S. 25) zu § 1 wird dagegen von diesen Vereinen gesagt, daß sie „nicht hierher gehören, weil bei denselben ein gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb ihrer Mitglieder überhaupt nicht' stattfindet". Zweifellos zulässig ist das Lieferantengeschäft der Konsumvereine (Anm. 39). Es kann nur auf eine Agitation gegen die Konsumvereine zurückgeführt werden, wenn der Versuch gemacht ist, auf Grund der §§ 1, 149 die Unzulässigkeit des Abschlusses von Liefe­ rantenverträgen seitens der Konsumvereine zu behaupten, oder die Ausgabe von Liefercntenmarken als „unlauteren Wettbewerb" zu verfolgen, vgl. BlfG. 1910 S. 119, 459 und RG. 78, 78. Das Unternehmen muß einen „geschäftlichen" Charakter haben, es soll keine «nm. iv. Wohltätigkeitsanstalt sein. Gemeinnützigkeit hindert nicht die Eintragung. Denn auch ge­ meinnützige Unternehmen können wirtschaftliche Zwecke verfolgen und nach wirtschaft­ lichen Grundsätzen geleitet werden. Uber den Begriff der Gemeinnützigkeit in Steuer­ sachen vgl. D. B. z. Körperschaftsteuergesetz vom 17. V. 1926 (RGBl. I S. 244).

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Genoffenschaflsgesetz.

«nm. 20.

Der Geschäftsbetrieb braucht nicht notwendig die Erzielung von Gewinn zu bezwecken. In der Regel wird dies sogar nicht der Fall sein. Ist es aber der Fall, so bekommt dadurch der Geschäftsbetrieb den Charakter des Gewerbebetriebes. Bei Festlegung des Be­ griffs der Gewerbsmäßigkeit ist die genossenschaftliche Struktur des Unternehmens von bestimmendem Einfluß. Kommt der Gewinn bei DistributivG. dem in der G. arbeitenden Kapital in einem den landesüblichen Zinssatz wesentlich überschreitenden Umfang zugute, so ist der genossenschaftliche Gedanke verlassen. Für ProduktivG. gilt dies analog, wenn der für die Arbeitsleistung der Mitglieder angesetzte Arbeitslohn übermäßig erhöht wird. Bei distributiven G. (Kredit-, Rohstoff-, Konsum-, Werk-, Bau-, MagazinG.) ist ferner von Bedeutung, ob der Geschäftsbetrieb der G. über den Kreis der Mitglieder hi naus geht. Denn diese Ausdehnung kann zur Folge haben, daß die G. Gewinn er­ zielen will; beschränkt die distributive G. ihren Geschäftsbetrieb auf den Kreis bet Mit­ glieder, so ist ihre Tendenz auf Erzielung nicht von Gewinn, sondern von Ersparnissen für die Mitglieder gerichtet. Das KG. erklärt (KGJ. 21, 75) in Übereinstimmung mit der Ge­ richtspraxis und der Rechtswissenschaft: es „gehört zur Gewerbemäßigkeit eines Geschäfts­ betriebes, daß die Absicht besteht, aus der einen Komplex von Geschäften umfassenden Tätigkeit eine dauernde Einnahmequelle zu machen"; und die Absicht wird bei einem Konsumverein, der nur an Mitglieder Waren abgeben will, verneint. Es heißt dort mit Bezug auf die von einem solchen Konsumverein zur Verteilung kommenden Dividenden, daß „diese sich nicht als eine den Mitgliedern aus einem Handel zufließende Einnahme, sondern als Rückzahlung eines Teiles des von ihnen für die Waren entrichteten Preises darstellt". So auch KGJ. 46, 403 und KG. 25. I. 22 mitget. KonsRdsch. 1922 S. 173. Auch in den Motiven zu dem Gesetzentwurf betr. die Bekämpfung des Mißbrauchs geistiger Ge­ tränke ist anerkannt: „Nach dem bestehenden Rechte unterliegen nur Vereine, welche den Gewerbebetrieb über den Kreis ihrer Mitglieder hinaus erstrecken, den Vorschriften der Gewerbeordnung" (Motive zu § 22 des Entwurfs, in der ersten und zweiten Beilage des Reichsanzeigers Nr. 200 vom 26. VIII. 91 mitgeteilt). Vgl. über den „Kundengewinn" § 19 Anm. 6 und 7.

«nm. 21.

Was bei einer eG. unter einem Geschäftsbetrieb mit Nichtmitgliedern zu verstehen ist, kann nicht zweifelhaft sein, wenn man den Geschäftsbetrieb in seine Einzel­ heiten zerlegt. Der Geschäftsbetrieb der G. zerfällt in zwei Teile: erstens müssen sie Geschäfte betreiben, um imstande zu sein, Erwerb und Wirtschaft ihrer Mitglieder zu fördern, also z. B. Vorschußvereine sich Geld verschaffen, Rohstoffvereine, Konsum­ vereine Waren einkaufen, ProduktivG. Waren verkaufen, WerkG. Geräte anschaffen usw. Diese Geschäfte bilden stets nur Mittel zum Zweck. Zweitens aber geht ihr Geschäfts­ betrieb auf Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder, sie machen ihre Tätigkeit für die Mitglieder nutzbar, also z. B. Borschußvereine leihen diesen Geld, Roh­ stoffvereine, Konsumvereine geben an diese Waren ab, ProduktivG., im eigentlichen Sinne, lassen von diesen Waren herstellen, WerkG. verleihen an diese die Geräte. Unstreitig kann der erste Teil des Geschäftsbetriebs auf Mitglieder nicht beschränkt werden, derselbe muß der G. auch mit Nichtmitgliedern gestattet sein, soll sie überhaupt bestehen können (Begr. I 75, II 51). Anders verhält es sich mit dem zweiten Teil: die G. kann selbstverständlich ihre Zwecke erfüllen, auch ohne daß sie Nichtmitglieder an demselben teilnehmen läßt. Vgl. über die gesetzlichen Beschränkungen § 8 Anm. 16ff. Wann ein Hinausgehen über den Kreis der Mitglieder vorliegt, darüber vgl. Dr. Dr. Meyer BlfG. 1920 S. 251 und 1923 S. 458, ferner den Abschnitt Steuergesetzgebung und Genossenschaften.

«nm. 22.

Eine besondere Erläuterung erfordert die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder bei ProduktivG. Es sind zu diesem Zweck drei Arten solcher G. zu unterscheiden: I.G., bei denen sich Genossen desselben Gewerbes evtl, unter Zuziehung von Kapitalisten usw. zusammentun, um gemeinschaftlich Waren anzufertigen bzw. zu verarbeiten; Zweck der G. ist Besserung des Erwerbes der arbeitenden (produzierenden) Mitglieder. Hier liegt eine Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder noch

Erster Abschnitt.

Errichtung -er Genossenschaft.

K 1.

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nicht vor, wenn, was nicht zu vermeiden ist, vorübergehend zur Aushilfe fremde Arbeits­ kräfte im Betriebe eingestellt werden (vgl. Proebst) S. 52. 2. G., zu denen sich eine Anzahl Personen vereinigen, um für den eigenen Gebrauch Waren herzustellen; dahin gehören in der Regel BäckereiG., bei denen Gegenstand des Unternehmens ist, die Mitglieder mit gutem Brot zu versorgen. Nach der Definition des Gesetzes sind dies ProduktivG., wirt­ schaftlich stehen sie den Konsumvereinen gleich (Anm. 38). Bei ihnen liegt eine Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder dann vor, wenn die Ware auch an Nichtmitglieder verkauft wird. Ein Konsumverein, der Produktion betreibt, z B. eine Bäckerei hat, wird dadurch für diesen Geschäftszweig ProduktivG. (Anm. 39). Inwieweit in einzelnen Geschäftszweigen der Konsumvereine Produktion liegt, ist Tatfrage. 3. Kommen in Be­ tracht G., die allerdings auf Produktion gerichtet sind, bei denen die „G." aber nur die äußere Form des Geschäftsbetriebes abgibt. Hier kann ebensowenig wie bei AG. von einer Beschränkung des Betriebes auf Mitglieder oder Ausdehnung auf Nichtmitglieder die Rede sein, § 8 Ziff. 5 muß deswegen bei solchen G. außer Anwendung bleiben. Zuweilen läßt sich freilich nicht mit Sicherheit feststellen, zu welcher der drei Arten die ProduktivG. gehört. Bon landwirtschaftlichen ProduktivG. kommen hauptsächlich solche in Betracht, die sich auf einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb beziehen, wie Milch, Obstverwertung usw. Eine Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder liegt bei denselben vor, wenn sie zu verarbeitende Rohstoffe auch von Nichtmitgliedern annehmen. Bei den produktiven G. kommen die allgemeinen gewerberechtlichen Be-«nm. 2S. stimmungen zur Anwendung. Anwendung gewerberechtlicher Bestimmungen. Vgl. Anm. 28. Durch die Novelle zur Gewerbeordnung vom 6. VIII. 96 sind die Bestimmungen «mn. 24. über die Sonntagsruhe (§ 41a, vgl. früher in betreff der Anwendung der Vorschriften über die Sonntagsruhe das Urteil des OLG. zu Braunschweig vom 20. V. 93, BlfG. 1893 S. 394, das Ministerialreikript vom 11. III. 93, BlfG. 18)4 S. 146 ausdrücklich auch auf die Vereine für anwendbar erklärt, die ihren Geschäftsbetrieb nur auf den Kreis der Mit­ glieder beschränken). Die Abgrenzung des Begriffs „offene Verkaufsstelle" ist für die AmWendung der gewerberechtlichen Bestimmungen von besonderer Bedeutung. Die Frage: sind Kreditgenossenschaften offene Verkaufsstellen, ist in BlfG. 1922 S. 469 verneint, unter der Voraussetzung, daß sich die KreditG. nicht mit dem An- und Verkauf fremder Geld­ sorten befassen. Für KreditG. allgemein, und zwar gleichgültig, ob sie offene Verkaufs­ stellen unterhalten oder nicht, kommt die Verordnung vom 5. II. 1919 über die Sonntags­ ruhe im Handelsgewerbe in Betracht, wonach im Handelsgewerbe Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden dürfen. Aus­ nahmen sind zulässig. Dieses Beschäftigungsverbot regelt aber nicht die Frage, ob die KreditG. ihre Geschäftslokale am Sonntag schließen müssen. Eine Schließung des Ge­ schäftes wird durch die Verordnung nicht verlangt. Das Aufhören jeglichen Gewerbe­ betriebes hat nach § 41a der GO. nur bei offenen Verkaufsstellen stattzufinden. Kredit­ genossenschaften also, die nicht in der Hauptsache Geldwechselgeschäfte betreiben, dürfen ihr Geschäftslokal am Sonntag offen halten, soweit sie nur Vorstandsmitglieder beschäftigen, vorausgesetzt, daß keine landesrechtlichen oder ortsstatutarischen Bestimmungen etwas anderes vorschreiben. Zum Teil auch sind die Konsumvereine dadurch unter die für die Gewerbetreibenden geltenden Bestimmungen gebracht, daß ihr Geschäftsverkehr als „öffentlicher Verkehr" betrachtet wurde, vgl. OVG. vom 15. X. 90, BlfG. 1891 S. 89 (vgl. Anm. 31). Die Rechtsprechung jedoch schwankt, so hat das OLG. Hamm (BlfG. 1905 S. 545) die Bestimmungen des Margarinegesetzes auf einen Konsumverein, der Waren nur an Mitglieder abgibt, für nicht anwendbar erklärt. Das Gesetz, betreffend die Ab­ änderung der Gewerbeordnung vom 30. VI. 00 hat den Abschnitt VI (Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufsstellen) §§ 139 ff. eingefügt betreffend die Ruhezeit, Mittagspausen und den Ladenschluß. § 139m bestimmt: „Die Be­ stimmungen der §§ 139c bis 139i finden auf den Geschäftsbetrieb der Konsum- und anderer

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Genossenschaftsgesetz.

Vereine entsprechende Anwendung." Hieraus ergeben sich, abgesehen von dem Laden­ schluß, der Beschäftigung der Angestellten, wichtige Bestimmungen für die Aufnahme der Inventur. Die Mitwirkung der Gehilfen und Arbeiter bei der Inventur ist nicht zu entbehren, und für die Konsumvereine eignet sich zur Inventur kaum ein anderer Tag als der Sonntag. Die Gewerbeordnung sieht nur eine Ausnahme vor und bestimmt in § 105c, daß die Vorschriften aus § 10b über die Beschäftigung von Gehilfen und Arbeitern an Sonn- und Feiertagen keine Anwendung finden sollen, „für einen Sonntag zur Durch­ führung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur". Gesetzlich vorgeschrieben ist aber nur die für die Aufstellung der Bilanz erforderliche Inventur. Uber das dann aufzustellende Verzeichnis der Arbeiter § 105c. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sind für die von ihnen selbst zu besorgenden Arbeiten bei der Inventur durch die Bestimmungen der Ge­ werbeordnung nicht eingeschränkt. Für die Sonntagsruhe gilt, daß mit Eintritt der fest­ gesetzten Stunde auch die Beschäftigung aufhört (§ 10b); anders für die Ruhezeit (§ 139e). Für Frau und Tochter eines Lagerhalters, die im Geschäft behilflich sind, finden die Be­ stimmungen über die ununterbrochene zehnstündige Ruhezeit (§ 139c der GO.) keine An­ wendung, da dieselben nicht zu den Gesellen, Gehilfen und Lehrlingen gehören, für die das Gesetz die Einhaltung der Ruhezeit vorschreibt (BlfG. 1901 S. 370), es sei denn, daß nach dem Anstellungsvertrag, der mit dem Lagerhalter abgeschlossen ist, anzunehmen ist, daß Frau und Tochter des Lagerhalters im Dienst der G. stehen. Die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Dauer des Arbeitstages ist für eG. als Arbeitgeber im allgemeinen anzunehmen. Vgl. jetzt Arbeitszeitverordnung vom 14. IV. 1927 RG.Bl. I S. 110, sowie Ausführungsbestimmungen vom 29. IV. 1927 RGBl. I S. 114. Zweifel können nur hinsichtlich der Produktivgenossenschaften ins­ besondere hinsichtlich der neuerdings zahlreich errichteten ArbeiterproduktivG. bestehen. Es wird aus dem Geist und der sozialpolitischen Absicht dieser Verordnungen, die auf wei­ teste Anwendung abzielten, auch die Anwendbarkeit auf eG. zu folgern sein. Zum Erlaß von Arbeitsordnungen sind KreditG., wenn sie als offene Verkaufs­ stellen nicht zu betrachten sind, nicht verpflichtet (BlfG. 1922 S. 419). Unrichtigerweise ist zuweilen der Versuch gemacht, den § 15a der Gewerbeordnung, betreffend die Anbringung von Firmenschildern an der Außenseite der Geschäfts­ lokale, auf G. anzuwenden; G. sind in § 15a der Gewerbeordnung nicht aufgeführt, und da auch sonst eine gesetzliche Bestimmung nicht besteht, wonach die G. ihre Firma an der Außenseite der Geschäftslokale anzubringen haben, so könnten höchstens Polizeiverordnungen in Betracht kommen. Es ist aber zweifelhaft, ob, nachdem nun durch § 15a der Gewerbe­ ordnung bie^atetie geregelt ist, noch die Entscheidung des KG. vom 15. III. 94 aufrecht erhalten werden kann, durch die Polizeiverordnungen für rechtsgültig erklärt sind, die be­ stimmten, daß an jedem offenen Geschäftslokale der Name des Inhabers oder die Bezeichnung seiner eingetragenen Firma anzubringen sei (BlfG. 1899 S. 517). Für Konsumvereine ist von Bedeutung, daß § 16 der Gewerbeordnung betreffend die Errichtung von Schlächtereien dann nicht auf sie Anwendung findet, wenn das in den Behausungen des Lieferanten geschlachtete Vieh in den Räumen des Vereins ledig­ lich zum Verkauf hergerichtet wird (BlfG. 1901 S. 179). Vgl. im übrigen für den Fleisch­ handel das Reichsgesetz vom 3. VI. 00, dessen Vorschriften auch von den Konsumvereinen zu beobachten sind. In betreff der Maß- und Gewichtsordnung haben das OVG. (Entsch. 20, 426, BlfG. 1891 S. 89), der Erlaß des Württembergischen Ministers des Innern vom 25. VI. 91, der Erlaß der preußischen Minister des Innern und für Handel und Gewerbe vom 21. I. 91 die Konsumvereine tatsächlich der Maß- und Gewichtsordnung unterstellt, weil der Ge­ schäftsverkehr eines Konsumvereins mit seinen Mitgliedern den Charakter eines öffentlichen habe. Nach der Maß- und Gewichtsordnung vom 30. V. 08 § 22 sind alle Konsumvereine derselben unterstellt. In betreff des Begriffs „offener Laden" vgl. § 8 Anm. 30. Über den Begriff „öffentlich" Anm. 31.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1

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Über den Geschäftsbetrieb einer MolkereiG. hat sich das KG. (DIZ. 1901 S. 74) dahin ausgesprochen: daß die G. dienendes Glied und Bestandteil der einzelnen Landwirt­ schaften bleibt; ihre Erzeugnisse bleiben Erzeugnisse der Landwirtschaft. So gelangt das KG. zur Nichtanwendung des § 148 Ziff. 7 Gewerbeordnung. Vgl. auch KGJ. 7, 287. Jedenfalls kann hier aber nur an solche MolkereiG. gedacht werden, die sich auf Vertrieb und Bearbeitung der von ihren Mitgliedern eingelieferten Milch beschränken. Anders hat sich zu der Frage das RG. gestellt (RG. Strafsachen 22, 288). Das RG. hat G.molkereien, die als G. konstituiert sind, selbst dann unter die Gewerbeordnung gestellt, wenn sie aus­ schließlich an Mitglieder verkaufen, „denn eine solche Rechtspersönlichkeit ist ein von den einzelnen Mitgliedern verschiedenes Rechtssubjekt; als eine Einheit, eine Gesamtheit ist sie die Trägerin der Rechte und Pflichten. Ein Gewerbe der in Rede stehenden Art wird von ihr — von ihrem Vertreter — als ein selbständiges, nicht von den Mitgliedern als ein Neben­ gewerbe betrieben." OVG. 60, 437 habe entschieden, daß der Geschäftsverkehr mit den Mitgliedern nicht als „öffentlicher" zu betrachten ist. Stellt der geschäftliche Verkehr zwischen Mitglied und G. ein Gewerbe dar, wenn die Mitglieder der G. ihre Produkte zur Verarbeitung abgeben, z. B. bei der MolkereiG., der WinzerG.? Es ist dies z. B. wichtig für die Frage, ob die durch das Weingesetz vorgesehene Buchführungspflicht auch für die Mitglieder einer WinzerG. gilt. Die Frage dürfte zu ver­ neinen sein, denn es handelt sich bei der Lieferung der Trauben um eine statutarisch sich aus dem Zweck der G. ergebende Pflicht. Die Mitglieder verzichten zugunsten der G. auf Ver­ arbeitung und Vertrieb der Trauben. Anders liegt es aber z. B. bei einer MagazinG. Die Lieferungen der Waren der Mitglieder an die G. fallen in deren Gewerbebetrieb. Ent­ scheidend wird sein, ob der Gewerbetreibende durch die Mitgliedschaft bei der G. die selb­ ständige Verwendung der von ihm hergestellten Produkte vollständig oder wesentlich zu­ gunsten der G. aufgibt. Vgl. über die Anwendung einer Körordnung KGJ. 7, 288 für nicht eG., in Verbindung mit KGJ. 5, 39 dürften die gleichen Grundsätze auch für eG. gelten, über die Beschäftigung von Arbeiterinnen in Meiereien und Betrieben zur Sterilisierung von Milch ist die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 17. VII. 95 (RGBl. S. 420) ergangen. Der Geschäftsbetrieb der G. unter Berücksichtigung anderer Gesetze. Für eine GmbH, hat das OVG. in dem Urt. vom 25. I. 06 (PreußVerwBl. 1906 *lnm. rs. S. 107) ausgesprochen, daß ihr der Handel mit Losen untersagt werden könne. Gleiches wird auch für die G. gelten. Vgl. ferner Erlaß des preußischen Ministers für Handel und Gewerbe v. 29. XI. 07 betreffend den Geschäftsbetrieb der gewerbsmäßigen Vermittlungsagenten für Jmmobiliarverträge. Für die Beantwortung der Frage, ob der Erlaß auch auf G. Anwendung findet, dürfte maßgebend sein die Erwägung, daß die G-, die die Hypothekenvermittlung auf den Kreis der Mitglieder beschränkt, den Charakter der „Gewerbsmäßigkeit" nicht besitzt. Der Umstand aber, daß diese Verordnung nur von Personen spricht, scheint der Anwendung auf juristische Personen nicht im Wege zu stehen, und zwar aus den gleichen Erwägungen, aus denen das Urt. des OLG. v. 25. I. 06 aus­ gesprochen hat, daß der GmbH, der Handel mit Losen untersagt werden könne. Nach § 3 des Gesetzes über das Auswanderungswesen vom 9. VI. 97 soll G. die Erlaubnis zu dem Geschäftsbetriebe der Beförderungen von Aus­ wanderern nach außerdeutschen Ländern in der Regel nur erteilt werden, wenn sie im Reichsgebiete ihren Sitz haben. Das Reichsversicherungsamt hat entschieden, daß der Geschäftsbetrieb eines Konsum­ vereins nicht als ein mit dem Handelsgewerbe verbundener Lagerbetrieb zu betrachten, daher nicht als versicherungspflichtig zur LagereiberufsG. gehöre (BlfG. 1902 S. 258). Die Frage ist jetzt gelöst durch die Neuregelung der berufsgenossenschaftlichen Versicherung mit der am 1. I. 1913 in Kraft getretenen Reichsversicherungsordnung. Eine verschiedene Auffassung wird mit Bezug auf die Konsumvereine vertreten, wie es sich mit der BerufsG. verhält, wenn der Konsumverein Nebenbetriebe hat, die an sich einer

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Genoffenschaftsgesetz.

anderen BerufsG. angehören. Mehrere Oberversicherungsämter (BlfG. 1913 S. 712) haben die Auffassung vertreten, daß Konsumvereine mit eigenen Produktionsbetrieben der Nahrungsmittelindustrie-BerufsG. angehören. Auf einen entgegengesetzten Stand­ punkt hat sich das Reichsversicherungsamt (BlfG. 1914 S- 488) gestellt und entschieden, daß Konsumvereine zwar als solche der DetailhandelsberufsG. angehören, daß die Produktiv­ betriebe der Konsumvereine aber unter Umständen der Versicherung bei der Nahrungsmittel­ industrie-Berufs G. unterliegen. Uber die Stellung der G. zu Handels- und Handwerkskammern, zu Gewerbeund Kaufmannsgerichten BlfG. 1905 S. 454ff., 461 ff. Uber die Handelskammer­ beitragspflicht der G. vgl. Trumpler BlfG. 1922 S. 653. Uber die Rechtsprechung den OVG. vgl. Kriesen BlfG., 26 S. 428 und 27 S. 159. Zulässig ist die Bildung von ReedereiG. nach dem Gesetz, betreffend das Flaggen­ recht der Kauffahrteischiffe vom 22. VI. 99; zur Führung der Reichsflagge sind die Kauffahrteischiffe nur dann berechtigt, wenn sie im ausschließlichen Eigentum von Reichs­ angehörigen stehen. Den Reichsangehörigen werden gleichgeachtet G., wenn sie im Inland ihren Sitz haben, vgl. Proebst S. 98, Birkenbihl-Maurer S. 37, 128. Uber G. für Fischereibetrieb BlfG. 1900 S. 463. Unzulässig landesgesetzliche Vorschriften, die auf dem Gebiet des Wasserrechts die Bildung von G. als eG. beschränken („Recht" 1910 Nr. 2354). «nm. 26. Nach dem Hypothekenbankgesetz v. 13. VII. 99 (§ 2 ist der Betrieb eines Unter-, nehmens der im § 1 Absatz 1 bezeichneten Art untersagt. § 1 Absatz 1 bestimmt: „Aktien­ gesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens in der hypothekarischen Beleihung von Grundstücken und der Ausgabe von Schuldverschreibungen auf Grund der erworbenen Hypotheken besteht (Hypothekenbanken), bedürfen zur Ausübung ihres Geschäftsbetriebes der Genehmigung des Bundesrats." Auf die bei dem Inkrafttreten des Gesetzes in das G.register eingetragenen Genossenschaften findet, sofern sie vor dem 1. V. 89 gemäß den Bestimmungen ihrer Satzungen die im § 1 Absatz 1 be­ zeichneten Geschäfte betrieben haben, die Vorschrift des § 2 keine Anwendung (§ 45 des Hypo­ thekenbankgesetzes). Solche G. sind nunmehr dem Hypothekenbankgesetz unterstellt, a. A. Deumer S. 61. Es dürften nach der Auflösung der .. . keine derartigen G. mehr bestehen.

Uber Versicherungsgesellschaften vgl. Anm. 16. «nm. 27.

Die Zulässigkeit des Vertriebes von Arzneimitteln im Wege der G. ist wegen der Vorschrift in § 367 Ziff. 3 StGB, bestritten; während das Sächsische OLG. in einem Beschl. v. 26. XI. 89 es verneint, bejaht das KG. die Zulässigkeit (KGJ. 5, 39), da die „an­ geschafften Mittel gemeinsames Eigentum der Mitglieder sind" und die Verteilung daher nicht unter § 367 Ziff. 3 StGB, falle — die Mitglieder seien nicht im Sinne des Gesetzes andere. Diese Begründung ist jedenfalls nicht zutreffend. Da die G Rechtspersönlichkeit besitzt und ihr Vermögen vollständig getrennt von den Mitgliedern ist, stehen auch die von ihr beschafften Waren nicht im Miteigentum der Mitglieder; die Begründung mag für nicht eingetragene Genossenschaften zutreffen. Richtig ist aber, daß das Verhältnis der Mitglieder zurG.sich wesentlich anders zu dieser gestaltet, als sonst die Beziehungenzwischen Gesellschaften und Dritten, da die G. der Förderung von Erwerb und Wirtschaft ihrer Mitglieder dient (vgl. auch § 6 Anm. 2), und von diesem Gesichtspunkte aus kann die Anwendung des § 367 Ziff. 3 StGB, auf G., die für ihre Mitglieder Arzneien beschaffen, ausgeschlossen erscheinen. (Vgl. auch Deumer in DIZ. 1912 Sp. 219.) Das OVG. (25, 326ff.) erachtet es für zulässig, durch Bildung einer G. für die Mitglieder ärztliche Hilfe und Medikamente zu beschaffen, da dies materielle Güter seien, die auf genossenschaftlichem Wege den Mitgliedern billiger ver­ schafft werden und Ersparung von Ausgaben Förderung der Wirtschaft sei (vgl. auch ROHG. 20,347). Uber § 35 der GO. Anm. 28. Die Arzneimittel müssen mit deutschen und lateinischen Bezeichnungen versehen sein (an den Fächern). Urt. d. KG. (Konsumgenoss. Praxis 1916 S. 9). § 2b der Verordnung, betr. den Verkehr mit Arzneimitteln vom 22. X. 1901 (RGBl. S. 380) in der Fassung der Verordnung vom 22. III. 1925 (RGBl. S. 40) bestimmt: „So-

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

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weit nach den §§ 1, 2, 2a Zubereitungen und Stoffe dem Verkehr außerhalb der Apotheken entzogen sind, dürfen sie auch von Krankenkassen, Genossenschaften, Vereinen oder ähn­ lichen Personengesamtheiten an ihre Mitglieder nicht verabfolgt werden."

Voraussetzung besonderer Qualifikation. Vgl. Anm. 24. Nicht geeignet soll die G. für den Betrieb solcher Gewerbe sein, die nach «um. 28. den Bestimmungen der Gewerbeordnung bei dem Gewerbetreibenden eine bestimmte persönliche Qualifikation voraussetzen (OVG. 9, 286ff., RG. 13, 147); Birkenbihl-Maurer S. 37 wollen nur den Betrieb von solchen Unternehmungen ausgeschlossen wissen, die eine bestimmte technische Befähigung voraussetzen (§§ 29—31 der GO.), und dies ist zutreffend. In der Praxis ist auch an G. zuweilen die Konzession zum Kleinhandel mit Spirituosen erteilt, und es ist nicht einzusehen, weswegen die Leitung einer G. nicht die gleiche Garantie für die Einhaltung einer bestimmten Ordnung bieten soll wie eine physische Person. Die. Frage, ob an G. die Konzession zum Kleinhandel mit Branntwein erteilt werden kann, war früher bestritten. Nach der Abänderung der Gewerbeordnung v. 6. VIII. 96 ist die Konzessionspflicht für den Kleinhandel mit Spirituosen (§ 33) auf Konsumvereine ausgedehnt. Ist anerkannt, daß der Konsumverein der Konzession bedarf, so ist die selbstverständliche Folge, daß sie ihm erteilt werden kann. So auch OVG. v. 25. I. 06 in Sachen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BlfG. 1907 S. 267), und für G. Entscheidung des OVG. v. 11. VII. 10 (BlfG. 1910 S. 735); Oldenburg. OVG. Entscheidung v. 18. I. 12 (BlfG. 1913 S. 130) lehnt sogar Konzessionserteilung an Vorstandsmitglieder ab im Gegensatz zu RG. Urt. v. 9. VII. 12 (BlfG. 1912 S. 650), das die Beibehaltung des früheren Verfahrens ausdrücklich für zulässig erachtet. Durch die Recht­ sprechung ist der Erlaß des preußischen Ministers des Innern betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung v. 6. VIII. 96 beseitigt, daß nicht den Konsumvereinen als solchen, sondern nur physischen Personen, dem Geschäftsführer oder dem Lagerhalter des Vereins, die Konzession erteilt werden soll. § 35 Gewerbeordnung gilt nicht für Konsumvereine; in dem Urteil des KG. v. 15. VI. 14 (KGJ. 46, 404) heißt es: „Die Anzeige, die in § 35 Gewerbeordnung vorgeschrieben ist, haben nur Personen zu erstatten, die den Drogenhandel als Gewerbe betreiben." Auf den hier vertretenen Standpunkt, daß die Konzession an G. erteilt werden kann, hat sich auch das OVG. in dem Urt. vom 11. VII. 10 BlfG. 1910 S. 735 gestellt. Bei Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften der Gewerbeordnung «nm. 29. kann gegen die G. nur nach Maßgabe der Gewerbeordnung vorgegangen werden. § 81 kann keine Anwendung finden, denn ein Verstoß gegen die Gewerbeordnung ist keine das Gemein­ wohl gefährdende Handlung. § 94 (Nichtigkeit) FGG. § 147 sind nur anwendbar, wenn der statutarische Gegenstand des Unternehmens mit dem GG. unvereinbar ist oder wenn andere Gesetze den Betrieb in der Form der G. verbieten. Das Nichtigkeitsverfahren also ist jedenfalls nur dann möglich, wenn das Statut inhaltlich den unzulässigen Gegen­ stand des Unternehmens enthält. Hingewiesen mag auch auf § 37 HGB. werden, der anzuwenden wäre, wenn die G. eine Firma gebraucht, zu deren Führung sie nicht berechtigt ist (§ 3 Anm. 2). Von § 37 HGB. führt auch wieder der Weg zu § 94 (Nichtigkeitsverfahren), wenn das Statut gegen § 6 Ziff. 1 verstößt. In solchen Fällen könnte auch gegebenenfalls § 81 angewendet werden. Vgl. ferner Anm. 32 bei Verstößen gegen Gesetze. Das Gesetz enthält keine Bestimmung, daß in dem Falle, wenn der «nm. so. Betrieb konzessionspflichtig ist, die Konzessionsurkunde vor der Eintragung beizubringen und diese von derselben abhängig zu machen ist. Das Aktiengesetz fordert im HGB. § 195 Abs. 2 u. 6, das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschr. H. in § 8, daß der Anmeldung des Gesellschaftsvertrages in dem Falle, daß der Gegenstand des Unter­ nehmens der staatlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde beizufügen ist. Eine analoge Anwendung dieser Gesetze kann nicht in Betracht kommen. Es ist im Gegenteil aus dem Fehlen der betreffenden Vorschriften für G. ihre Nichtanwendbarkeit zu schließen.

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Genoffenschaftsgesetz.

Der Regrsterrichter hat sich ausschließlich an das GG. zu halten und zu prüfen, ob nach diesem die Eintragung erfolgen kann, bejahendenfalls hat er dieselbe vorzunehmen. Das gleiche gilt für den Fall, daß eine Statutenänderung zu der Erwägung führt, ob ein konzessions­ pflichtiger Betrieb vorliegt. Sache der G. ist es dann, falls das Unternehmen konzessions­ pflichtig ist, die Konzession einzuholen, widrigenfalls nach der Gewerbeordnung gegen sie vorgegangen wird. Wird der G. die Konzession nicht erteilt, so bleibt ihr nichts übrig, als zu liquidieren, über das zu beobachtende Verfahren und die von den Behörden zu ergreifenden Maßnahmen vgl. BlfG. 1892 S. 173. In der DIZ. (1911 Sp. 312ff.) behandelt Hachenburg die Eintragung von Änderungen des Gesellschaftsvertrages konzessionspflichtiger AG. unter Bezugnahme auf den in der DIZ. 1910 Sp. 1415 mitgeteilten Beschluß des OLG. Darm­ stadt v. 7. X. 10. In diesem Beschluß wird die Vorlage einer staatlichen Genehmigungs­ urkunde des Gesellschaftsvertrages für nicht erforderlich erklärt. Das OLG. Darmstadt hatte sich in Widerspruch gesetzt zu einer früheren Entsch. des KG. (KGJ. 11, 28).

In dem Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte vom 26. VI. 25 RGBl. I S. 89 (Geltungsdauer verlängert bis 31. XII. 27 durch Gesetz vom 23. XII. 26 RGBl. I S. 527) ist eingetragenen Genossenschaften, die einem Revisionsverband angeschlossen sind, wenn der Geschäftsbetrieb über den Kreis ihrer Mitglieder nicht hinausgeht, das Recht verliehen, Depot- und Depositengeschäfte zu betreiben. Für solche G. ist also der Betrieb von Depotund Depositengeschäften nicht konzessionspflichtig. Wohl besteht eine Anzeigepflicht. Vgl. zu diesem Gesetze BlfG. 1925 S. 357, 504, 657; 1926 S. 257, 271, 293, 377. 31. Das KG. hat sich in dem in BlfG. 1907 S. 98 mitgeteilten Falle mit der Frage be­ schäftigt, inwieweit das Geschäftslokal einer G. als öffentlicher Ort zu be­ trachtenist. Es handelte sich um die Anwendung des § 9 des preuß. Preßgesetzes v. 12. V. 51 betr. Anschlagzettel an öffentlichen Orten. Das KG. kommt zu dem Ergebnis: „Bei einem Verein, einer WirtschaftsG., könne allerdings zwischen den Mitgliedern ein so enger Zu­ sammenschluß vorhanden sein, daß die sich darin abspielenden Vorgänge aus dem Rahmen der Öffentlichkeit heraustreten. Ob das im Einzelfalle anzunehmen sei, müsse aber an der Hand der Zwecke des Vereins oder der G., ihrer Zusammensetzung und der Zahl ihrer Mit­ glieder geprüft werden. Die Annahme, daß jede WirtschaftsG. unter allen Umständen einen geschlossenen Personenkreis darstelle, sei rechtsirrig (vgl. RG. in Strafsachen 21, 254, 22, 241). Es werde näher zu prüfen sein, ob die Verkaufsstelle wirklich nur den Mit­ gliedern der G. zugänglich gewesen sei oder ob nicht, wie das bei solchen Vereinigungen üblich zu sein pflege, auch Angehörige und Beauftragte der Mitglieder Zutritt zu den Räumen gehabt hätten." Zu bestreiten ist nicht, daß die vom KG. dem Begriff der Öffentlichkeit gegebene Definition der Rechtsprechung des RG. entspricht. Die Anwendung dieser Recht­ sprechung auf G. ist nicht geeignet, deren Bewegungsfreiheit zu lähmen, denn alle Mit­ teilungen, welche in den Rahmen des G.betriebes fallen, als: Ankündigungen von General­ versammlungen, Waren- und Preisanzeigen, Zinsfußbekanntmachungen, sowie überhaupt sämtliche für gewerblichen Verkehr bestimmte Nachrichten sind durch § 9 a. a. O. für den Anschlag an öffentlichen Orten freigegeben, und Mitteilungen anderer Art, welche mit dem G.betrieb in keinerlei Zusammenhang stehen, insbesondere solche politischen und religiösen Inhalts, ihren Mitgliedern durch Aushang im Geschäftslokal bekannt zu machen, haben die G. keine Veranlassung; gegen Ankündigungen von Wohltätigkeitsveranstaltungen und ähnlichem wird die Behörde nicht einschreiten. «mmsi». Verordnung gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen 'vom 2. X. 1923 RGBl. 1923 I S. 1067ff., berichtigt RGBl. 1923 I S. 1090(Kartell­

verordnung). Kartellbildung ist möglich in der Form der G., in der Praxis hat aber diese Form keine Verbreitung (Jsay-Tschierschky, Kartellverordnung S. 91), vgl. auch Rieß S. 171 (§ 34) a. M. Nagel S. 10. Erzeugungspflichten und Lieferungspflichten bei Absatzgenossenschaften, Produktivgenossenschaften und Einkaufsgenossenschaften können unter § 1 derVO. fallen. JsayTschierschky S. 130,131,134. Daraus ergibt sich, daß die Anwendbarkeit der Bestimmungen der

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft,

g 1.

49

Kartellverordnung auf G. nicht ausgeschlossen ist. Auf Grund des § 14 der VO. kann der Reichswirtschaftsminister in ihm geeignet erscheinenden Fällen zunächst ein Verfahren vor bestimmten bei den wirtschaftlichen Verbänden bestehenden Einigungsstellen einleiten. Schon vor Erlaß der Verordnung bestanden solche Einigungsstellen auf Grund der Einigung der Spitzenverbände; vgl. Jsay-Tschierschky S. 387. Für Streitigkeiten zwischen G. einer­ seits, Industrie, Großhandel oder Einzelhandel andrerseits besteht die genossenschaftliche Einigungsstelle. Die Verfahrensordnung ist unten im Anhang abgedruckt. III. Zweck. Es ist unnötig, den Zweck der G. im Statut aufzuführen; der § 6 schreibt nichts «nm. 32. davon vor, verlangt dahingegen, daß das Statut „den Gegenstand des Unternehmens" enthalten müsse. Beides ist an sich nicht identisch, zustimmend Cohn S. 330; a. A. anscheinend das KG. (KGJ. 14, 46ff.), dem entgegenzuhalten ist, daß der Zweck der G. im § 1 Abs. 1 für alle G. in gleicher Weise bestimmt ist; wie dieser Zweck erreicht werden soll, ergibt sich aus dem „Gegenstand des Unternehmens", dessen Ausführung dann gewisser­ maßen Mittel zum Zweck ist; mit der Ansicht des KG. übereinstimmend Birkenbihl-Maurer S. 30. Vgl. Anm. 9. Der Gegenstand des Unternehmens darf nicht gegen Gesetz oder die guten Sitten verstoßen (z. B. gewerbsmäßiges Glücksspiel, Warenschmuggel), die Statutbestimmung über den Gegenstand des Unternehmens, also eine der wesentlichen Bestimmungen des Statuts wäre sonst nichtig. Ist die G. noch nicht in das G.register eingetragen, so muß der Richter die Eintragung ablehnen. Ist die G. dagegen bereits eingetragen worden, so kann sie gemäß § 147 FGG. und §§ 94 u. 95 GG. als nichtig gelöscht werden, ferner kann jeder Genosse, jedes Mitglied des Vorstandes und Aufsichtsrats im Wege der Klage beantragen, daß die G. für nichtig erklärt werde. Auch kann § 81 zur Anwendung kommen bei der Eintragung. — Der Prüfung des Gerichts unterliegt aber (vgl. Anm. 10) nur die Fassung des Statuts und der sich hieraus ergebende Gegenstand des Unternehmens. Es erstreckt sich auch die Prüfung nicht darauf, ob der Geschäftsbetrieb dem Gegenstand des Unternehmens ent­ sprechen wird. Es kann der Fall eintreten, daß die Bestimmung des Statuts Ziel und Zweck der G. nur scheinbar angibt in der erkennbaren Absicht, eine rein formale Anwendung des Gesetzes zu ermöglichen (vgl. LG. Berlin Urt. v. 18. III. 07 BlfG. 1907 S. 253). Ist die G. noch nicht eingetragen, so kann der Registerrichter nach § 12 FGG. die erforderlichen Ermittlungen veranstalten. Gegebenenfalls hat er die Eintragung zu versagen; denn liegt in Wirklichkeit ein gesetzwidriger oder unsittlicher Zweck vor, so ist das Statut nichtig. Ist die G. bereits eingetragen, so kann der Richter nicht von Amts wegen die Löschung herbei­ führen, denn der statutarische Gegenstand des Unternehmens verstößt nicht gegen das Gesetz. Auch kann § 37 HGB. nicht angewandt werden, denn die Firma entspricht dem im Statut angegebenen Gegenstand des Unternehmens. Desgleichen liegen die Voraussetzungen des § 81 wenigstens nicht immer vor. Es können aber die Strafbestimmungen des Verbots­ gesetzes zur Anwendung kommen, auch ist möglicherweise eine zivilrechtliche Verantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat gegeben. (Vgl. § 6 Anm. 8.) Auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb kann herangezogen werden. „Käufe und Verkäufe von Wertpapieren zur Erzielung von Gewinn für die G. und die Genossen gehören ihrer Art nach zu den natürlichen Geschäften einer G. Solche Ge­ schäfte sind daher weder auf andere als auf die tu § 1 erwähnten geschäftlichen Zwecke ge­ richtet, noch auf satzungsfremde Zwecke. Durch sie wird die G- nicht zu genossenschafts­ widrigen Zwecken mißbraucht. Das geschieht auch dann nicht, wenn derartige Geschäfte zu gewagten und gefährlichen Spekulationen ausarten, denn sie erleiden dadurch noch keine Veränderung in ihrer Natur und den Zwecken, die mit ihnen verfolgt werden" (Urt. d. RG. v. 22. V. 14 BankArch. 1915 S. 214). Vgl. § 17 Anm. 5 Abs. 3. Die „namentliche" Aufzählung einzelner G.arten stammt aus dem preußischen Gesetz «nm. 33. Die genannten Arten sollten, wie es im KommBer. des Preuß. Abg.-Hauses (Drucksachen

Crüg er-Crec elius, Genossenschaftsgesetz. ii. Ausl.

4

Genossenschaftsgesetz.

60

Nr. 55 S- 15) heißt, „nur erläuternde Beispiele sein, aber nicht die Reihe positiv abschließen". Solches ist in der Kommission des Reichstags wiederholt hervorgehoben (KommBer. 4).

Die Gruppierung nach G.arten wird von Jahr zu Jahr für die Statistik schwieriger (Jakob, Volkswirtschaftliche Theorie der G.). Oft stimmen nicht Firma und Gegenstand des Unternehmens miteinander überein; der Gegenstand des Unternehmens wird nicht selten so vielseitig gefaßt, daß die G. in alle denkbaren Gruppen fällt; andererseits aber steht dies bloß auf dem Papier, und die G. wendet sich nur dem bescheidensten Geschäftszweige zu; G. nennen sich Verbandskassen, die vielleicht nur ein, zwei G. unter ihren Mitgliedern haben. «nm. 35. „Vereinigungen zu dem Zweck, ein Gut zu kaufen, zu bewirtschaften, zu parzellieren, ländliche Wirtschaften zu errichten, können sich in der Form von G. bilden, wie dies der Kommissar des Bundesrats im Reichstage am 4. IV. 89 (StBer. S. 1291) auf Befragen ausdrücklich bestätigte. Solche Ackerb au G., namentlich zu dem Zwecke, durch Überlassung der Parzellen an die Mitglieder diese zu Landbesitzern zu machen, erfordern einen gemein­ schaftlichen Geschäftsbetrieb. Auch eine Gesellschaft zur Kolonisation kann sehr wohl den Voraussetzungen des § 1 entsprechen; a. A. Birkenbihl-Maurer S. 318 mit Rücksicht darauf, daß es zweifelhaft ist, ob sie dem Gemeinwohl schaden oder nutzen, der Tatbestand des § 81 kann hierbei aber schwerlich gegeben sein, da es bei der Kolonisation an der gesetzwidrigen Handlung fehlt, ebenso ist auch der daselbst angeführte Grund nicht stichhaltig, daß eine Gesellschaft zur Kolonisation „keinen der im § 1 angeführten Zwecke verfolgt"; die Koloni­ sation soll den Erwerb der Mitglieder fördern. «nm. 8*.

«nm. 86.

«nm. 87.

Zu 2. Rohstoffvereine. Gesetz von 1868 und Entwurf I u. II hatten hier „2. Rohstoff- und Magazin­ vereine". Rohstoffvereine sind G., welche die zum Betriebe des Gewerbes der Mitglieder erforderlichen Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Geräte gemeinschaftlich einkaufen. Zu 3. AbsatzG. Das Gesetz von 1868 nannte diese Genossenschaftsart nicht besonders, sondern führte nur unter 2. „Rohstoff- und Magazinvereine" auf. Die AbsatzG. wurden von der Kommission ausgenommen mit Rücksicht auf die neuerdings unter den Landwirten öfters entstandenen Vereine zum Zweck des Absatzes der landwirtschaftlichen Erzeugnisse unmittelbar an die Konsumenten. Unter den Begriff der Magazinvereine fielen sie nicht, weil bei den letzteren vorausgesetzt würde, daß die Verkaufsgegenstände bis zur Veräußerung in einem gemein­ schaftlichen Verkaufslokal aufgespeichert werden, was jedenfalls bei den landwirtschaftlichen G. nicht zutreffe (KommBer. 4). „Landwirtschaftliche" oder „Handwerks"-G. im Sinne des preußischen Handelskammergesetzes sind nur solche G., die nach ihrem Statut „bestimmungsmäßig" dem einen oder dem anderen Gewerbe dienen (OVG. 1. X. 03, BlfG. 1904 S. 100). Zu 4.

«nm. 88.

Herstellung.

Uber die Mängel der Begriffsbestimmung im Gesetz von 1868 — „Anfertigung" statt „Herstellung" — vgl. Parisius S. 169. Wenngleich nunmehr die Winzervereine, HopfenbauG. und MolkereiG. als ProduktivG. ausdrücklich anerkannt sind (Begr. II 54), so fallen eine genossenschaftliche Färberei, in der nur Gegenstände für andere gefärbt, also bearbeitet werden, und eine genossenschaftliche Mühle, in der nur Lohnmüllerei betrieben, also das von Mahlgästen zugeführte Getreide gegen Lohn vermahlen wird, auch jetzt noch nicht unter den Begriff der ProduktivG., da man von ihnen nicht wohl sagen kann, daß sie die hergestellten Gegenstände auf gemeinschaftliche Rechnung zu verkaufen bezwecken; a. A. Maurer S. 37 (dagegen hat Birkenbihl-Maurer S. 40 der hier vertretenen Ansicht sich angeschlossen), Proebst S. 16. Der Verkauf der Produkte ist ein wesentliches Merkmal der ProduktivG. Ohne den Verkauf, wenn es sich nur um Zurichtung von Stoffen für ein Gewerbe handelt, liegt eine WerkG. vor. Allerdings gehört es nach der gesetzlichen Definition nicht zum Wesen der ProduktivG., daß in derselben ausschließlich

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

51

$ 1.

die Interessen der Produzenten wahrgenommen werden, vielmehr fallen darunter auch G. der Konsumenten (Anm. 22) zur billigen Herstellung gewisser Produkte, z. B. Bäckereien. Eine G., in der jeder Genosse das Recht hat, nach einer bestehenden und beschlossenen Reihen­ folge zu seinem Bedarf die Maschinen, die Betriebsstätte zu benutzen, also „ein Verkauf der hergestellten Gegenstände auf gemeinschaftliche Rechnung" nicht stattfindet, ist keine Produktiv-, sondern eine WerkG. Uber die drei Arten von ProduktivG. vgl. oben Anm. 22. Zu 5. Konsumvereine. Zur Entstehungsgeschichte der Ziff. 5 vgl. zehnte Auflage und § 8 Anm. 38. «nm. Sv. Bei Konsumvereinen handelt es sich um die Befriedigung haus wirtschaftlicher Be­ dürfnisse, bei Rohstoffvereinen um Beschaffung der Mittel für den Betrieb eines Ge­ werbes, daher sind auch die EinkaufsG. von Händlern zu den letzteren zu zählen. Nicht richtig ist, daß es bei Rohstoffvereinen sich stets um Waren handelt, die noch der Be­ arbeitung bedürfen, dagegen bei Konsumvereinen um ein zum Verkauf und Gebrauch fertiges Fabrikat (Birkenbihl-Maurer S. 39), denn zu den Rohstoffvereinen würde auch eine G. gehören, die allein Werkzeuge führt. Nach jenem Unterschiede würden die Ein­ kaufsvereine der Händler zu den Konsumvereinen zu zählen sein, was nach der gesetzlichen Definition nicht angängig ist. Der Unterschied zwischen Konsum- und Rohstoffvereinen ist wichtig wegen der Bestimmungen des Gesetzes über den Verkauf an Nichtmitglieder. An dem Wesen des Konsumvereins ändert es nichts, wenn er mit Geschäftsleuten Liefe­ rantenverträge abschließt, nach denen die Lieferanten sich verpflichten, bei dem Ver­ kauf von Waren an die Mitglieder gewissen Rabatt zu gewähren; vgl. Anm. 18 und die dort angeführten Entscheidungen, insbes. RG. 78, 78. Schwierigkeiten können auch entstehen bei Bestimmung der Grenze zwischen Konsumverein und ProduktivG., wenn beides in einem Geschäftsbetriebe sich ver­ einigt findet, so z. B. bei Konsumvereinen mit Bäckereibetrieb (vgl. Anm. 22 § 8 Anm. 29). Die Unterscheidung ist insofern von Wichtigkeit, als für den Produktionszweig des Konsumvereins die Beschränkung des Geschäftsbetriebes (§ 8) keine An­ wendung findet. Zutreffend wird von dem OLG. Posen 9. X. 97 (BlfG. 1897 S. 468ff.) ausgeführt: Der Begriff der Konsumvereine ist im § 1 Ziff. 5 fest umgrenzt; es sindVereine zu gemeinschaftlichem Einkäufe von Lebens- oder Wirtschaftsbedürfnissen im großen und Ablaß im kleinen. Ihr charakteristisches Merkmal besteht im gemeinschaftlichenEinkaufe, und nur für diese Art von G. ist, wie der Hinweis im § 8 Abs. 4 auf § 1 Ziff. 5 klar erkennen läßt, das Verbot des Verkaufs von Waren an Nichtmitglieder gegeben. Es ist sodann darauf hinzuweisen, daß die sogenannten uneigentlichen ProduktivG., bei denen also nicht Genossen desselben Gewerbes sich zusammentun, um gemeinschaftlich Waren anzufertigen oder zu verarbeiten, sondern Kapitalisten zusammentreten, um in nicht geschlossener Mitgliederzahl mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes industrielle Produktion zu treiben, sich häufig in Verbindung mit Konsumvereinen finden. Begriffsmäßig ist die Bäckerei der Posener Beamtenvereinigung eine solche uneigentliche ProduktivG., deren charakteristisches Merkmal nach der Begriffsbestimmung im § 1 Ziff. 4 im Verkaufe der hergestellten Gegen­ stände auf gemeinschaftliche Rechnung besteht. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, die die Verbindung einer solchen ProduktivG. mit einem Konsumverein verhindert (vgl. das BlfG. 1907 S. 579 mitgeteilte Gutachten der Handelskammer Chemnitz), und es unterliegt keinem Bedenken, daß nach dem GG. das Verbot der Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nicht­ mitglieder bei dem Vorliegen einer solchen Verbindung sich lediglich auf die Geschäfte er­ streckt, die die G. als Konsumverein macht, nicht auch auf die, welche in den Bereich der ProduktivG. fallen. Dies entspricht auch der Absicht des Verbots, das zugunsten des Kauf­ mannsstandes, nicht etwa zugunsten der Produzenten, die unliebsame Konkurrenz der Konsum­ vereine einschränken sollte. Nach dem GG. v. 1. V. 89 durste also ein Konsumverein die in eigener Bäckerei hergestellten Waren auch an Nichtmitglieder verkaufen. Es fragt sich, ob an dieser Rechtslage durch die Novelle v. 12. VIII. 96 etwas geändert ist. Dies ist zu ver4*

52

Genoffenschaftsgesetz.

neinen. Die Vorschrift im Art. 1 Ziff. 1 entspricht der des § 8 Abs. 4; der Hinweis auf § 1 Aiff. 5 läßt keinen Zweifel, daß die Beschränkung des Verkaufs an die Mitglieder auch jetzt nur für die eigentlichen Konsumvereine gelten sollte. Im Art. I Ziff. 7 ist die Strafandrohung für Übertretung des § 8 Abs. 4 eingefügt. Art. 2 ist in der Kommission eingefügt. Die Ver­ handlungen in der Kommission und die Beratungen im Reichstage lassen erkennen, daß es auch im Art. 2 lediglich auf die Einschränkung des den Konsumvereinen eigentümlichen Geschäftsbetriebes, nämlich: gemeinschaftlicher Einkauf von Lebens- oder Wirtschafts­ bedürfnissen im großen und Ablaß im kleinen, abgesehen ist, und geben nicht den geringsten Anhalt dafür, daß auch Vereinigungen, die als ProduktivG. zu charakteri­ sieren sind, unter die Vorschrift des Art. 2 fallen sollen (§ 8 Anm. 29). Es spricht schon die Entstehungsgeschichte der Novelle dafür, daß Bereinigungen der im Art. 2 gedachten Art nur in ihrer Eigenschaft als „Konsumvereine" den für letztere gegebenen Ein­ schränkungen unterworfen sein sollen, und es kann nicht als die Absicht des Gesetzgebers hingestellt werden, diese Vereinigungen in ihrem gesamten Geschäftsbetriebe, also auch in der Produktion und in dem Verkaufe der hergestellten Gegenstände, auf ihre Mitglieder beschränken zu wollen. Ebenso in einer eingehenden Begründung des AG. Leipzig (Beschl. v. 19. IV. 00, BlfG. 1901 S. 97), a. A. das sächsische OLG. 26. III. 03 (KonsumG. Rund­ schau 1903 S. 438). Mer den Einfluß der Verbindung auf die Firma § 3 Anm. 6. Mit Recht ist von einem AG. (BlfG. 1899 S. 65) der Beschluß einer Innung, daß die Mitglieder nicht Waren an Konsumvereine abgeben dürfen, für ungültig erklärt. Das Gericht geht von der Ansicht aus, daß der Jnnungsbeschluß nicht nur statutenwidrig ist, sondern auch gegen die Gewerbeordnung verstößt, indem er die Gewerbefreiheit der Mit­ glieder der Innung in einer Weise einschränkt, daß dadurch unter Umständen der gesamte Geschäftsbetrieb des einen oder anderen Mitgliedes lahmgelegt werden kann. Eine G. könnte mittels Konventionalstrafe den Mitgliedern solche Verpflichtungen auferlegen (§ 6 Anm. 3).

Unter die Konsumvereine sind auch „homöopathische Vereine" zu zählen, die bezwecken, ihren Mitgliedern Arzneimittel u. dgl. zu verschaffen (Anm. 27).

«mit 40

Zu 6. WerkG. Im Entw. I ist diese neue Nummer „hinzugefügt, in welcher die sogenannten WerkG. * zur gemeinschaftlichen Anschaffung und Benutzung landwirtschaftlicher oder gewerblicher Maschinen und Werkzeuge, sowie die Vereine zum Halten von Zuchttieren u. dgl. berücksichtigt werden" (Begr. II 59). Unter die WerkG. könnten auch die „KojenG." fallen auf den Inseln Föhr, Sylt (vgl. Kuntze, „Die KojenG. und das Geschoßeigentum" Leipzig 1888): „auf planmäßiger und dauernder Anlage beruhende Fangstätten zur Erlangung von Wildenten". Die Koje (Fangstätte) steht im Eigentum der „G." und wird von dieser unterhalten, die gefangenen Enten werden nach festgestellten Regeln unter die Genossen verteilt.

Zu 7.

«nm. 41.

BauG.

Der Geschäftsbetrieb soll grundsätzlich gerichtet sein auf die Herstellung von Wohnungen für die Mitglieder der G., doch ist Ausdehnung auf Nichtmitglieder zulässig (§ 8 Ziff. 5). Daß der Zusatz „gemeinnützig" für die Eintragungsfähigkeit unerheblich ist, Anm. 19. — Daß die statutarische Beschränkung der Wohnungsbeschaffung für „minderbemittelte Familien die Aufnahme wohlhabender Mitglieder nicht ausschließt, Anm. 15. — Uber den Fall einer BauG. zur Förderung des „Erwerbs" der Mitglieder, Anm. 14.

Die BauG. kann dadurch, daß sie in der Vermietung an Nichtmitglieder ihre Haupt­ aufgabe sieht, den Charakter der uneigentlichen ProduktivG. (im weitesten SinneAnm. 22, 39) annehmen (Birkenbihl-Maurer S. 43). Zwei Arten von BauG. werden im allgemeinen unterschieden: solche, die Häuser ihren Mitgliedern zu Eigentumserwerb (oder mietsweise) zur Verfügung stellen und solche

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Errichtung der Genossenschaft,

g 1.

63

die sich auf bie Beschaffung von Mietwohnungen beschränken, letztere G. gelten vielfach als solche, die den Mitgliedern gemeinschaftliches Eigentum an den Häusern schaffen: eine solche Auffassung widerspricht der rechtlichen Konstruktion der BauG., denn die Häuser stehen nicht im gemeinschaftlichen Eigentum der Mitglieder, sondern im Eigentum der G. Eine dritte Art von BauG. bilden jene, bei denen es sich um Herstellung eines Hauses für bestimmte Zwecke (z. B. Geselligkeit handelt. Das sind die uneigentlichen BauG.; über deren Eintragungsfähigkeit Anm. 10.

Das Rechtsverhältnis zwischen Baugenossenschaft und den Genossen in Ansehung der ihnen zugewiesenen Wohnung ist nicht in reiner Mietsvertrag, sondern ein Nutzungs­ verhältnis eigener Art, das insbesondere Elemente gesellschaftsrechtlicher Art enthält. Hier aus ergeben sich wichtige Folgerungen inwieweit die Mieterschutzgejetzgebung Anwendung finden kann. Hierüber vgl. Schreiben des Reichsarbeitsministeriums mitgeteilt in den MfG. 1923 S. 258 sowie Ausf.Best. des Preuß. Wohlfahrtsminist. vom 9. XII. 1919 zu der Verordng. vom 9. X I I. 1919 betr. Einführung einer Höchstgrenze für Mietssteigerungen (Preuß. GesSamml. S- 187). Bei Wohnungen (Räumen) die im Eigentum von Gesell­ schaften oder G. der im § 16 Abs. 1 Satz 3 des Reichsmietengesetzes bezeichneten Art stehen, kann die Zustimmung der G. zum Wohnungstausch nicht durch das MEA. ersetzt werden. (Rechtsentscheid des GR. vom 20. II. 1925 BlfG. 1925 S. 391.) Zweifelhaft kann sein, ob das auch gilt, wenn der Mieter schon in dem Hause wohnte, als die G. es erwarb. Be­ jahend LG. Frankfurt a. M. Beschluß vom 16. III. 26 (14 T 203/26). Vgl. auch Ebel Zeit­ schrift für Wohnungswesen 1925, S. 135 und Rieß bei Gruchot Bd. 61 S. 91ff. über die sog. Genossenmiete. Darüber, ob die Form der eG. eine für Baugesellschaften geeignete Rechtsform ist, vgl. Mitteilungen über den Allg. GTag zu Posen 1913 S. 116. IV. Erwerb der Rechte. Uber Erwerb der „Rechte einer eG." und die Unmöglichkeit, auf diese Rechte wieder «m«. 42. zu verzichten, vgl. § 5 Anm. 1, § 13. Es hängt von dem freien Willen der G. ab, ob sie die Rechte einer eingetragenen erwerben will. Es besteht kein Zwang zur Eintragung, anders nach dem Österreichischen GG. Eine nicht eG-, die nach ihrem Statut keiner der vier Gesellschaftsformen des II. Buches des HGB. unterstellt werden kann, unterliegt auch nicht den Bestimmungen des HGB., sie untersteht dem bürgerlichen Recht (§ 5 Anm. 2), und es finden daher auch die Vorschriften des HGB. über die Firmenführung auf dieselbe keine Anwendung (Beschl. des Sächsischen OLG. v. 28. VI. 90, BlfG. 1890 S. 381, ebenso Joel S. 450). Zur Eintragung in das Handelsregister ist die nicht eingetragene G. nur dann verpflichtet, wenn ihr Geschäftsbetrieb das Merkmal der Gewerbe­ mäßigkeit hat (KGJ. 21, 75; BlfG. 1904 S. 12 betr. einen Antrag der Handelskammer Halberstadt auf Eintragung einer G. in das Handelsregister).

Durch staatliche Verleihung kann G. Rechtspersönlichkeit nicht gewährt werden (§ 22 BGB., vgl. Art. 86 EBGB.). Hiergegen ist vielfach in Schleswig-Holstein verstoßen, wo MolkereiG. Rechtspersönlichkeit verliehen ist, weil angeblich das GG. für diese GArt nicht paßt (vgl. BlfG. 1899 S- 509). Lehmann in seinem Lehrbuch (§ 105) läßt G. auch durch Konzessionierung entstehen. Das erscheint unvereinbar mit BGB. § 22. V. Beteiligung an Gesellschaften. (Novellen v. 1. VII. 1922 und 12. V. 1923.)

Das OLG. Hamburg hat in einem Urteil v. 11. V. 16 (BR. II 15/16) sich auf den «nm. 4r. Standpunkt gestellt, der Konsum- und Sparverein Hamburg habe durch Erwerb von Aktien der Volksfürsorge, gewerkschaftlich-genossenschaftliche Versicherungsaktiengesellschaft in Hamburg, andere Zwecke verfolgt, als sie der § 1 GG. zuläßt. In den Kreisen der G. wurde verlangt, daß durch die Gesetzgebung eine solche mit den Bedürfnissen der Praxis nicht in Einklang stehende Rechtsprechung für die Zukunft unmöglich gemacht werden sollte. In den Beratungen des Freien Ausschusses zur Änderung des GG. war vorgeschlagen, dem Abs. 2 folgenden Zusatz zu geben: „Die Genossenschaften können die Mitgliedschaft bei Gesell-

64

Genossenschaftsgesetz.

schäften und Vereinen erwerben, wenn diese nur wirtschaftliche Zwecke verfolgen." Bei den Beratungen im Reichstag hat der Abs. 2 dann die im Text mitgeteilte Fassung erhalten, die von dem Vorschlag des Freien Ausschusses insoweit abweicht, als sie die Beteiligung an Gesellschaften und sonstigen Personenvereinigungen mit wirtschaftlichen Zwecken auch dann für zulässig erklärt, wenn sie in Betätigung gemeinnütziger Bestrebungen erfolgt und nicht den alleinigen oder überwiegenden Zweck der G. bildet. Die Neuregelung durch die Novelle vom 12. V. 1923 ist nach der Begründung nur bestimmt, in der Praxis aufgetretene Zweifel zu beseitigen. Die Begründung hebt mit Recht hervor, daß der Entwurf, insofern er Beteiligungen zulasse, wenn sie die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft der Mitglieder zum Gegenstand haben, lediglich die bis­ herige Rechtslage übernehme. Denn nach richtiger Auslegung seien solche Bestrebungen bereits nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zulässig. Die G. kann sich auch an einer stillen Gesellschaft beteiligen und zwar in der Weise, daß sie sich an einer bereits bestehenden Gesellschaft als stiller Gesellschafter beteiligt, wenn sonst nur die Voraussetzungen des Absatz 2 gegeben sind. Die Beteiligung ist auch zulässig, wenn durch sie die Gesellschaft erst entsteht. Unzulässig aber erscheint es, daß die stille Gesellschaft durch stille Beteiligung an der G. gebildet wird. Das ist nach der Konstruktion der G. undenkbar, es führt zur Umgehung der Haftpflicht. (Vgl. § 17 Anm. 18 unter IX.) 8 2.

Die Genossenschaften können errichtet werden: 1. dergestalt, daß die einjelnen Mitglieder (Genossen) für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft dieser sowie unmittelbar den Gläubiger» derselben mit ihrem ganze» Vermögen haften (eingetragene Genossenschaft mit un­ beschränkter Haftpflicht); 2. dergestalt, daß die Genossen zwar mit ihrem ganzen Vermögen, aber nicht unmittelbar den Gläubigern der Genossenschaft verhaftet, vielmehr nur verpflichtet sind, der letzteren die zur Befriedigung der Gläubiger erforder­ lichen Nachschüffe zu leisten (eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht); 3. dergestalt, daß die Haftpflicht der Genossen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft sowohl dieser wie unmittelbar de» Gläubiger» gegenüber im voraus auf eine bestimmte Summe beschränkt ist (eingetragene Genossen­

schaft mit beschränkter Haftpflicht). Ges. von 1868 § 12, Entw. I, II, Komm. Rtg. 2. Begr. I 45—57, 88, Begr. II 32—40, 60, KommBer. 5. StBer. Beratung I 14. Sitzg. 13. XII. 1888, 273—294; Beratung II 45. Sitzg. 23. III., 1021—1035,46. Sitzg. 26. III. 1889,1089; Beratung III52. Sitzg. 4. IV. 1889, 1288. Anmerkungen zu § 2. ««m. 1.

§ 2 behandelt den Umfang der Haftpflicht, die §§ 109, 115, 122, 128, 141, den Vollzug, die Geltendmachung der Haftpflicht. Sämtliche genannte Paragraphen, soweit sie sich auf den Vollzug der Haftpflicht beziehen, sind für den Konkursfall gegeben. Der Haftvollzug tritt regelmäßig auch nur im Konkurse ein. Uber den Haftvollzug beim Aus­ scheiden eines Genossen vgl. § 73 Anm. 5. Haftumfang und Haftvollzug sind eng miteinander verbunden, der letztere kann auf den ersteren einen geradezu bestimmenden Einfluß aus­ üben. Vgl. Einleitung S. 24. Dem Gläubiger haftet in erster Reihe stets die G. und bei der unbeschränkten Nachschußpflicht sogar ausschließlich (unrichtig Richter S. 25 und AG. Berlin (BlfG. 1912 S. 832), daß der Gläubigersich bei eGmuH., ohne erst an die G. halten zu müssen.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

KK 2, 3.

einen Genossen herausgreifen kann, § 122 besagt das Gegenteil). dieser drei Haftarten wählen.

55

Die G. kann nur eine

Neuerdings ist die Verbindung mehrerer Gesellschaftsformen vorgekommen, die als handelsgerichtliche Eintragung von Kommanditgesellschaften mit einer GmbH, als per­ sönlich haftendem Gesellschafter und derselben Firma wie eben diese GmbH, jedoch dem Zusatz „u. Co." mit der Bezeichnung Kommanditgesellschaft hinsichtlich ihrer rechtlichen Zulässigkeit sehr umstritten sind. Die Zulässigkeit der Eintragung derartiger Kommandit­ gesellschaften geht auf eine Entscheidung des Bayrischen Obersten Landesgerichts v. 16. XI. 12 zurück, der sich das Kammergericht v. 28. II. 13 angeschlossen hat. Das Bayrische Oberste Landesgericht lehnt die Auffassung ab, daß die Verfassung den juristischen Personen eine solche Beteiligung verbiete, weil die juristische Person von einem Vorstand, der jederzeit von der Gesellschaft abberufen werden kann, vertreten wird, dieses Recht der Abberufung illusorisch werde, wenn ein anderer Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft die juristische Person vertrete und hierdurch in der Lage sei, das ganze Vermögen der juristischen Person aufs Spiel zu setzen, ohne daß die Gesellschafter der juristischen Person hiergegen einzuschreiten vermögen. Für alle drei Arten „eingetragener" Erwerbs- und WirtschaftsG. gelten der erste «nm. 2. bis siebente Abschnitt (§§ 1—118) und der neunte Abschnitt (§§ 146—151) des Gesetzes. Der achte Abschnitt enthält die besonderen Bestimmungen

a) b) c) d)

für für für für

G. G. G. die

mit unbeschränkter Haftpflicht: §§ 119—125; mit unbeschränkter Nachschußpflicht: §§ 126—130; mit beschränkter Haftpflicht: §§ 131—142; Umwandlung von G.: §§ 143—145.

Das Ges. v. 4. VII. 68 bezeichnete die Mitglieder der G. mit dem im preußischen «nm. ». Regierungsentwurf von 1866 neugebildeten Ausdruck „Genossenschafter". Das Ges. v. 1. V. 89 hat entsprechend den Vorschlägen des Regierungsentwurfs ohne weitere Be­ gründung den Ausdruck beseitigt und durch Genossen ersetzt.

§3. Die Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstände des Unternehmens

entlehnt sei» und entsprechend der im § 2 vorgesehenen Art der Genossenschaft die daselbst bestimmte zusätzliche Bezeichnung enthalten. Der Name von Genossen oder andere» Personen darf in die Firma nicht aus­ genommen werden. Jede neue Firma muß stch von alle» an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehende« Firmen eingetragener Genossenschaften deutlich unterscheiden. Ges. v. 1868 § 2 Abs. 2, 3, Entw. I, II, Komm. Rtg. 3. Begr. I 88, II 60, KommBer. 5,

Anmerkungen zu § 3. Absatz I.

Die Firma.

Unter der Firma einer G. ist der Name zu verstehen, unter dem sie im Handel ihre «nm> le Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. (§ 17 HGB.)

Die im HGB. für die Firmenführung aufgestellten Grundsätze gelten auch für die «nttu z. G., da diese nach § 17 Kaufmannseigenschaft hat. Ebenso RG. 17. XI. 14, Recht 1915 Nr. 2546. So hat u. a. auch die G. HGB. § 18 zu beobachten: es darf die Firma nicht ge­ eignet sein, „eine Täuschung über die Art oder den Umfang des Geschäfts herbeizuführen" unzulässig ist hiernach die Bezeichnung „Zentrale", wenn dem die „Art oder der Umfang des Geschäftes" nicht entspricht. Wohl aber kann sich die KreditG. als „Bank"-bezeichnen tOLG. Rechtspr. 14, 339, KGJ. 34, 172, vgl. auch Anm. 6), da durch den Zusatz die Firma

56

Genoffenschaftsgesetz.

der G. klargestellt wird, daß es sich nicht um ein Unternehmen auf breiter kapitalistischer Basis handelt. So wird auch für GmbH, mit Rücksicht darauf, daß das Stammkapital be­ kannt ist, die Absicht der Täuschung bei Gebrauch des Wortes „Bank" verneint von OLG. Braunschweig, Beschl. v. 17. XL 11, Rechtspr. 24, 112. Aus der Entscheidung des KG. ist aber nicht zu folgern, daß nun jede G. auch befugt ist, sich „Bank" zu nennen. Hier greifen die Grundsätze der Firmenwahrheit in vollem Umfange ein. Die Firma muß dem Gegen­ stand des Unternehmens entsprechen und der Gegenstand des Unternehmens muß den wirk­ lichen Geschäftsbetrieb wiedergeben. Wo mithin dieser Geschäftsbetrieb kein „bankmäßiger" ist, darf durch die Firma nicht der Eindruck hervorgerufen werden, daß der Gegenstand des Unternehmens ein bankmäßiger ist. Die oben erwähnte Entscheidung des Kammergerichts läßt sich über die Begriffsbestimmung „Bankbetrieb" nicht weiter aus. Bei dem „Bank­ gewerbe" liegt der Schwerpunkt darin, dem Bedürfnis des Verkehrs nach dem Umsatz an Geld und geldähnsichen Werten durch Abschluß oder Vermittlung geeigneter Rechtsgeschäfte zu dienen. (RG. Urt. v. 19. XII. 11, IW. 1912 S. 960; RG. Urt. v. 12. II. 14, Bankarchiv 1914 S. 277ff.) vgl. über die LiteraturBeschl. des OLG. Braunschweig v. 17. XI. 11 Rechtspr. 24, 112.) Auch die Bezeichnung „Sparkasse" ist zulässig, vgl. Tarifstelle 58 des Preuß. Stempel-Steuerges., wo dieser Ausdruck gebraucht ist, sowie § 49 des Ges., wo von Spar­ einlagen die Rede ist (BlfG. 1914 S. 370). In diesem Sinne auch Urt. d. RG. v. 13. XI. 17 RG. 91, 210 (BlfG. 1918 S. 7). Die G. genießt ferner den Schutz der §§ 30 und 37 HGB. «nm. 3. In betreff der Firma ist die G. im wesentlichen der AG. gleichgestellt. Der G. ist ausnahmslos, der AG. in der Regel eine reine Sachfirma vorgeschrieben und die Auf­ nahme von Personennamen verboten; nur unter Einhaltung der Bestimmungen dieses Paragraphen könnte auch die eG. die bisherige Firma eines bestehenden Handelsgeschäfts fortführen (vgl. DIZ. 1904 S. 684, HGB. §§ 20, 22). «nm. 4. Die eG. kann nur eine Firma haben, so daß die G. das Geschäft (Anm. 3) nicht getrennt unter der bisherigen Firma neben ihrer eigenen Firma fürtführen darf (KGJ. 14 33ff.), ebenso Birkenbihl-Maurer S. 48; vgl. für AG. die abweichende Ansicht in der Monats­ schrift 1896 S. 245, die Praxis schwankt (Ztschr. f. AG. VI S. 116, 160). Das KG. (RIA. 12, 222) hat in einem Fall, in dem eine AG. eine GmbH, mit dem Recht erworben hatte, die Firma weiterzuführen, die Eintragung abgelehnt. Vgl. ferner Staub § 17 Anm. 3. Es ist daher auch eine statutarische Bestimmung nicht zulässig, nach der der Vorstand berechtigt ist, bei Erwerbung von Handelsgeschäften mit Firmenrecht für die G. diese Firma zu führen (vgl. aber Keyßner in der Zeitschrift für Handelsrecht 21, 420). Damit steht natürlich nicht im Widerspruch, daß die G. Stammeinlagen einer GmbH, erwerben darf. Auch können dieselben Personen mehrere G. gründen. (§ 68.) «nm. 5. Zulässig ist fremdsprachliche Bezeichnung der Firma, nur der Zusatz muß deutsch sein; das KG. läßt sich in dem Beschl. v. 3. XI. 99 (BlfG. 1900 S. 24) unter Bezug­ nahme auf KGJ. 8, 23 dahin aus: „Das Bedenken, daß auch der Richter in die Lage ver­ setzt werden müsse, ohne fremde Hilfe zu prüfen, ob die Firma dem Gegenstand des Unter­ nehmens entspreche oder nicht, ist unbegründet. Der Richter ist hierbei nicht in einer anderen Lage, wie in sonstigen Fällen, in denen er die Bedeutung von Worten nichtdeutscher Sprache beurteilen muß. Er kann nur fordern, daß ihm die Worte in gehörig zuverlässiger Weise übersetzt werden." Ebenso KG. Beschl. v. 26. III. 09, BlfG. 1900 S. 429; fremde Schrift­ zeichen sind nicht gestattet (Staub HGB. § 17 Anm. 22). Bom Gegenstände des Unternehmens entlehnt. «nm. 6. 116et „Gegenstand des Unternehmens" § 1 Anm. 25ff.; § 6 Anm. 8. Es gibt nicht viele Bestimmungen des Gesetzes, gegen die so oft verstoßen wird, wie die Vorschrift in § 3 Abs. 1. Das KG. (Beschl. v. 3. X. 98, BlfG. 1901 S. 76) hat mit Recht betont, daß es genügt, wenn die Firma dem hauptsächlichen Zweck der G. angepaßt ist. Aber Zweck und Gegenstand des Unternehmens ist freilich nicht dasselbe. Im übrigen ist der Auffassung beizutreten. Das liegt schon im Ausdruck „entlehnt". Ebenso KGJ. 30, 145. Das OLG. Dresden hat in einer Entsch. v. 5. IV. 27 (dtsch. landwirtsch. Genossenschafts-

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genoffenschaft.

K 3.

67

presse S. 235) den Standpunkt vertreten, daß bei mehreren Geschäftszweigen, bei denen der eine den andern nicht überwiegt, nur der eine in der Firma aufgeführt zu sein braucht. Es sei nicht erforderlich festzustellen, wie sich die beiden Geschäftszweige ziffernmäßig zu­ einander stellen. Es genüge die Feststellung, daß der in der Firma bezeichnete Geschäfts­ zweig nicht lediglich nebensächlicher Natur sei. Eine G., die gleichzeitig Konsum- und Pro­ duktiv G. ist, wird nach dem Wortlaut des Gesetzes beides in der Firma zum Ausdruck bringen müssen; dabei kommt es nicht darauf an, wie tatsächlich der Gegenstand des Unternehmens gehandhabt wird, sondern maßgebend ist die Bestimmung des Statuts. Da aber die Pro­ duktion in der Regel nur Nebenbetrieb des Konsumvereins ist, genügt es in solchem Fall, wenn letzterer Gegenstand des Unternehmens in der Firma zum Ausdruck gelangt. Das­ selbe gilt für die Spar- und Darlehnskassen, die nebenbei für ihre Mitglieder den Bezug von landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln betreiben (Beschl. d. KG. v. 18. I. 14, Dtsch. landw. GenPresse 1918 S. 291). Phantasiebezeichnungen als Zusätze sind gestattet, z. B. Konsum­ verein „Selbsthilfe". Das KG. (KGJ. 37, 172) hält das bloße Wort „Bank" als Firma nicht für ausreichend, da dasselbe keinen „Namen" im Sinne von HGB. § 17 darstelle, dagegen genüge z. B. „Volksbank", ebenso Staub § 20 Anm. 1. In dem Beschl. v. 21. XII. 06 (OLG. Rechtspr. 14, 339) hat das KG. sich mit der Frage, ob das Wort „Bank" als Firmenbezeichnung genügt, nicht befaßt, sondern nur Grundsätze aufgestellt, was unter der Begriffsbestimmung „Bank" zu verstehen ist; vgl. Anm. 2 siehe auch Citron DIZ. 1909 S. 1203. Die Frage, ob eine Bezeichnung, wie z. B. „Bäckergenossenschaft", den Gegenstand des Unternehmens hinlänglich bezeichnet, dürfte zweifelhaft sein; es sind Fälle denkbar, wo die Bezeichnung des Berufs des Mitgliedes gleichzeitig auch den Gegenstand des Unter­ nehmens Ilarstellt. Nicht jede Änderung oder Erweiterung des Gegenstandes des Unter­ nehmens macht eine Änderung der Firma erforderlich; ebenso Birkenbihl-Maurer S. 48. Im Gesetz ist nicht vorgeschrieben, daß für den Fall der Abänderung des Gegenstandes des Unternehmens auch eine entsprechende Abänderung der Firma stattfinden müsse (AG. Leipzig Beschl. v. 19. IV. 00, BlfG. 1901 S. 97). Vgl. Staub-Hachenburg § 4 Anm. 2. Uber die Zulässigkeit der Änderung des Gegenstandes des Unternehmens § 6 Anm. 8, § 27 Anm. 10.

Zusätzliche Bezeichnung.

Die im Reichstage nach den letzten Vorschlägen seiner Kommission beschlossene Fassung Anm. 7. des ersten Absatzes ist keine glückliche. Sie gestattet die Deutung, daß unter der „zusätzlichen Bezeichnung" zur Firma der verschiedenen Arten G. nur die Worte „mit unbeschränkter Haft­ pflicht", „mit unbeschränkter Nachschußpflicht" und „mit beschränkter Haftpflicht" zu ver­ stehen, somit das Wort „eingetragene" überflüssig sei und z. B. „Vorschußverein zu X, G. mit unbeschränkter Haftpflicht" firmiert werden dürfe. Aus der Entstehungsgeschichte des Satzes ergibt sich die Unrichtigkeit der Deutung. Weil es nach dem Gesetze von 1868 nur eG. mit unbeschränkter Haftpflicht gab, kam die Haftpflicht in der Firma nicht zum Ausdruck. Infolge der Zulassung von drei Haftformen muß nun auch die Firma diejenige Haftform erkennen lassen, mit der die G. besteht. Die Bezeichnung „eingetragene G." Anm. 8. findet sich bereits im preußischen Gesetz. Im übrigen vgl. zur Entstehungsgeschichte zehnte Auflage. Für den Zusatz ist die deutsche Sprache notwendig (Anm. 5). Durch die Aufnahme der zusätzlichen Bezeichnung „eG." in die Firma der G. soll die unter dem Gesetz stehende G. als eine aus vielen solidarisch haftenden Personen zusammengesetzte rechtsfähige Ge­ sellschaft dem Publikum gewissermaßen empfohlen werden.

Die Firma muß die zusätzliche Bezeichnung „eG. mit unbeschränkter Haftpflicht" Anm. s. usw. je nach der Haftpflicht der Genossen enthalten, und zwar in deutscher Sprache (Anm. 5). Der Zusatz bildet einen Bestandteil der Firma, er ist deshalb geeignet zur Unterscheidung der Firma von der gleichen Firma einer anderen Gesellschaftsform vgl. Anm. 11; so das KG.

58

Genofsenschaftsgesetz.

(26, 215) für AG. und GmbH.; dabei wird betont, daß es gleichgültig sei, wenn im Handels­ verkehr der Zusatz nicht gemacht wird. Es wäre wohl erwünscht, wenn das Firmenrecht eine präzisere Anwendung erfahren möchte. Man braucht sich nur die Ähnlichkeit des Zu­ satzes „eG. mit beschränkter Haftpflicht" und „Gesellschaft mit beschränkter Haftung" zu vergegenwärtigen,, um zu erkennen, wie bedenklich die Schlußfolgerung des KG. aus dem Umstande ist, daß der Zusatz ein Bestandteil der Firma ist. Vgl. auch Birkenbihl-Maurer S. 50 sowie Staub-Hachenburg § 4 Anm. 27. Zu weit ist andererseits das AG. Siegburg (BlfG. 1903 S. 218) gegangen, wenn es Geschäftsleuten untersagt, das Wort „Konsum" in die Firma aufzunehmen, da dies zu Verwechslung mit „Konsumverein" führen könnte. Aus der Fassung ergibt sich, daß der Zusatz nicht durch Einschiebung anderer Worte verändert werden darf; er muß den Schluß der Firma bilden. Eine Firma z. B. wie „Ein­ getragene Diskonto- und SparG. mit unbeschränkter Haftpflicht" würde gegen das Gesetz verstoßen, ebenso eine Firma, bei welcher hinter dem Zusatz noch andere Worte folgen, wie z. B. die Übersetzung der Firma in eine andere Sprache; a. A. Staub § 20 Anm. 2. Wie hier Birkenbihl-Maurer S. 49. Die zusätzliche Bezeichnung darf nicht abgekürzt werden (ebenso Birkenbihl-Maurer S. 49, a. A. Proebst S. 31; Dtsch. landw. GPresse 1906 S. 474, 1907 S. 114; KGJ. 36, 127, OLG. Hamburg Beschl. v. 28. VII. 09, Leipziger Ztschr. 1910 Sp. 83; das RG. hat in dem Beschl. v. 28. VII. 09, Leipziger Ztschr. 1910 Sp. 83, aus formalen Gründen eine Entscheidung abgelehnt). Während das KG. in der vorerwähnten Entscheidung die Abkürzung zuläßt, wenn es sich um einen gewöhnlichen formlosen Verkehr handelt und sie z. B. ablehnt für den Wechsel, läßt — es in einer anderen Entscheidung DIZ. 1909 S. 1212 in Übereinstimmung mit dem OLG. Hamburg auch im letzteren Falle die Abkürzung zu. Beide Gerichte erklären aber ausdrücklich, daß ein „derogatorisches Gewohn­ heitsrecht" gegenüber dem Gesetz nicht anzuerkennen sei. Die Gerichte sind der Ansicht, daß im Verkehr „jedermann" die Abkürzung kennt. Das ist aber doch sehr zweifelhaft, wenn man bedenkt, wie gleichartig GmbH, und eGmbH. erscheinen und um welche verschieden­ artigen Gesellschaften es sich dabei handelt. Für den gewöhnlichen Verkehr ist die Abkürzung unerheblich, schon mit Bezug auf § 26 des Gesetzes. Ein Beschluß des RG. vom 13. XII. 06 BlfG. 1907 S. 190 sieht § 25 Abs. 2 dann als zwingend an, wenn ordnungsmäßige Zeichnung besonders vorgeschrieben ist; z. B. für die durch § 7 AB. vorgeschriebenen Zeichnungen des Vorstandes. Dieser Auffassung ist nicht beizutreten. Da § 25 Abs. 2 nur eine Ordnungs­ vorschrift ist, kann er durch die AB. nicht zu einer zwingenden gemacht werden. Auch ist weder aus § 2 GG. noch aus § 7 AB. der Wille, Abkürzungen zu verhindern, zu entnehmen. Das Registergericht hat nicht das Recht die G., die ihre Firma oder den Zusatz abkürzt, zur Unterlassung der Abkürzung zu veranlassen. Alle vor dem 1. Oktober 1889 bestehenden eG. mußten den Zusatz „mit unbe­ schränkter Haftpflicht" annehmen (§ 155 in der alten Fassung des Gesetzes). Die in Bayern bestehenden registrierten Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht führen noch heute die Bezeichnung „registrierte Gesellschaften".

Absatz II. Der Name von Genossen oder anderen Personen darf in die Firma nicht ausgenommen werden. «nm. io. Gegen diese Bestimmung, entlehnt von der gleichen für Aktiengesellschaften er* lassenen Bestimmung des Art. 18 des alten HGB. (in § 20 des neuen HGB. ist die Be­

stimmung nicht übernommen, die Aufnahme von Personennamen in die Firma der Aktien­ gesellschaft ist danach statthaft), wird, soweit es die Namen von Mitgliedern anlangt, selten gefehlt. Schwieriger ist die Bestimmung anzuwenden in Ansehung der Namen von „anderen Personen". Der Zweck der Bestimmung ist, irrige Auffassungen über die Mit­ gliedschaft oder die Haft „anderer Personen" zu verhindern. Es kann sich also nur um solche Personen handeln, deren Mitgliedschaft möglich ist. In dieser Beziehung war die Firma: „Erwerbs- und Wirtschaftsvereinigung der barmherzigen Brüder vom Heiligen Johannes von Gott, Eing. Genoss." zu Trier zulässig — unrichtig war sie nur, insofern sich der Gegen­ stand des Unternehmens nicht erkennen ließ. Mit Recht wurde zu Lebzeiten von Schulze-

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft,

g 4.

59

Delitzsch einem „Konsumverein Schulze-Delitzsch" die Eintragung versagt und erst aus­ geführt, als die Firma in „Konsumverein nach Schulze-Delitzsch" geändert wurde. Heute würde der Eintragung eines „Konsumvereins Schulze-Delitzsch" nichts im Wege stehen. Der Name einer lebenden Person kann nur dann in die Firma ausgenommen werden, wenn sich aus der Art der Verbindung des Namens mit den übrigen die Bezeichnung des Gegen­ standes enthaltenden Worten der Firma ergibt, daß von der Mitgliedschaft der betreffenden Person keine Rede sein kann. An demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehende Firmen eG. Die Vorschrift des zweiten Satzes des Abs. 2 ist dem § 30 des HGB. nachgebildet, «nm. 11. Nötig war sie nicht, darin hatte der erste Entwurf recht. Der Vorschrift unterliegen neue Firmen, d. h. solche, die an dem betreffenden Ort noch nicht eingetragen sind. Das RG. hat für die gewöhnliche kaufmännische Firma entschieden, daß bei Verlegung an einen anderen Ort § 30 HGB. zu beachten sei, d. h. daß kein bestehendes Firmenrecht am neuen Ort verletzt wird, wennauch an sich das Firmenrecht des verlegenden Kauf­ manns nicht untergeht (RG. 20,171). Da das genossenschaftliche Firmenrecht dem handels­ rechtlichen nachgebildet ist, so wird diese Entscheidung unbedenklich auf den Fall der Verlegung des Sitzes einer G. an einen anderen Ort anzuwenden sein. Das Firmenrecht ist rein örtlich: Gegenüber der Gründung einer G. unter gleicher Firma am anderen Orte kann nur auf Grund anderer in Frage kommender Gesetze vorgegangen werden, z. B. mit Hilfe des Wett­ bewerbsgesetzes. Über die Bedeutung des Zusatzes Anm. 9. Werden zwei Gemeinden zusammengelegt, und dadurch erlangen zwei G. (nun in derselben Gemeinde) die gleiche Firma, so hat keine derselben ein Recht, daß die andere die Firma ändere (vgl. KGJ. 16, 11). Zu der Frage, wann eine deutliche Unterscheidung zweier Firmen vorliegt, vgl. «nm. n. die Anm. der Kommentare zu § 30 HGB. Darüber, ob der Zusatz eGmuH. usw. zur Unter­ scheidung genügt, vgl. Anm. 9. Eine Verschiedenheit nur in der Haftart genügt natürlich nicht. Ebenso Birkenbihl-Maurer S. 50. Ist die Firma trotz ihrer Ungesetzlichkeit in das Register eingetragen, so kann das «nm. 18. Registergericht die G. von Amts wegen löschen, vgl. für das Verfahren § 147, § 142 FGG.; auch ist Klage nach § 94 des Ges. möglich. Ist die Eintagung der Nichtigkeit er­ folgt, so ist weiter nach § 97 des Ges. zu verfahren. Gegen die Vorstandsmitglieder könnte auch nach § 37 HGB., wegen Führung einer ihnen nicht zustehenden Firma eingeschritten werden (vgl. auch Monatsschr. 1894 S. 391) und zwar sowohl von dem Re­ gisterrichter nach Maßgabe des § 140 FGG. als auch von jedem, der durch den unzulässigen Gebrauch der Firma in seinen Rechten verletzt wird. In letzterem Falle erfolgt das Ein­ schreiten im Wege der Klage. Das Einschreiten nach § 37 HGB. ist namentlich dann zu wählen, wenn die Firma zwar nicht nichtig ist, aber gegen die Grundsätze der Firmenwahrheit (HGB. § 18) verstößt. Die Grenze zwischen Nichtigkeit und Unzulässigkeit ist flüssig. Nichtigkeit liegt jedenfalls vor, wenn der „Zusatz" fehlt oder falsch ist. Ob und wieweit sich aus sonstigen Verstößen gegen die Grundsätze des § 3 Nichtigkeit ergibt, ist Tatfrage (§ 1 Anm. 32). So kann auch ein Verstoß gegen HGB. § 18 einen Verstoß gegen die Vorschrift enthalten, daß die Firma vom Gegenstände des Unternehmens entlehnt sein muß und Nichtigkeit der Firma zur Folge haben. Es muß ein klarer unzweifelhafter Verstoß vor­ liegen (KG. 29. X. 08, Ztschr. für AG. XVII S. 14). Wegen Anbringung der Firma auf dem Firmenschild vgl. § 1 Anm. 24. «nm. 14.

§4. Die Zahl der Genossen mvß mindestens fiebe» betrage«. Entw. I, II, Komm., Rtg. 4.

Begr. I 88, II 50, KommBer. 5.

Anmerkungen zu § 4.

Das vorliegende Gesetz hat sieben als Mindestzahl gewählt. In der Begründung des Entwurfs (I 88 und II 60) heißt es: „Für Vereinigungen einer ganz geringen Zahl

60

Genofsenschaftsgesetz.

von Personen genügt die gewöhnliche Form der Gesellschaft und ist die Erlangung juristi­ scher, gegenüber den Mitgliedern selbständiger Persönlichkeit, insbesondere aber die kor­ porative Verfassung der Genossenschaft ungeeignet. Ein richtiges Funktionieren des Ver­ waltungsorganismus wird dadurch unmöglich, und es entstehen leicht unrichtige Vor­ stellungen über die Leistungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit einer solchen Assoziation. Der Entwurf bestimmt daher, nach dem Vorgang des englischen, belgischen und schweizerischen Genossenschaftsrechts, die Mindestzahl der Mitglieder auf sieben. Wenn wenigstens fünf Personen zur Besetzung der Stellen im Vorstand und Aufsichtsrat für nötig zu erachten sind, so kann die Zahl wohl kaum niedriger gegriffen werden" (vgl. auch Schulze-Delitzsch S. 17; Herz S. 44). (Vgl. auch § 56 des BGB.) Für eine Bereinigung von weniger als sieben Personen genügt, soweit sie Handel treibt, die offene Handelsgesellschaft. Die notwendige Folge der Vorschrift ist die Auflösung einer G., deren Mit­ gliederzahl unter die gesetzliche Mindestzahl sinkt (§ 80). § 5.

Das Statut der Genossenschaft bedarf der schriftlichen Form. Ges. von 1868 § 2 Abs. 1, Entw. I, II, Komm., Rtg. 5. Begr. 15, II 61. Anmerkungen zu § 5.

«nm. 1.

Statut — Gesellschaftsvertrag. Statt Gesellschaftsvertrag im Ges. v. 1868 heißt es jetzt „Statut". Die Änderung ist in der Begründung zum Gesetz nicht berührt. Bereits für das Ges. v. 1868 war es streitig, welche Rechtsnatur dem Gesellschaftsvertrage beiwohne. Die einen (z. B. Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht I S. 1106, Genossenschaftstheorie S. 135, Beseler u. a.) sehen in demselben einen „konstituierenden Akt", die andern einen „Vertrag". Mit Recht sagt Sicherer (S. 163): „Der konstituierende Akt kann nur ein rechtsetzender sein im objektiven oder im subjektiven Sinne des Wortes. Im ersten Falle könnte er nur als Ausfluß der Autonomie betrachtet werden. Diese Annahme erweist sich aber als unhaltbar, da die Autonomie höchstens der schon gegründeten, nicht aber der erst zu gründenden G. zustehen kann. Somit bleibt nur die zweite Annahme übrig. Danach fällt der Konstituierende Akt^ unter den Be­ griff der Rechtsgeschäfte und, da zu seiner Entstehung mehrere übereinstimmende Willens­ erklärungen notwendig sind, unter den Begriff des Vertrages." A. A. Deumer S. 66, der das Statut als objektive Rechtsnorm für den Bereich der G. ansieht, aber auf S. 65 die Aufstellung der Satzung als Rechtsgeschäft mit Vertragscharakter bezeichnet. Ein prinzipieller Unterschied zwischen den Worten „Gesellschaftsvertrag" und „Statut" ist nicht vorhanden. Während die ältere Fassung des HGB. den Gesellschafts­ vertrag für die Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht als Statut bezeichnete, diesen letzteren Ausdruck vielmehr lediglich auf das Grundgesetz der Aktiengesellschaft anwendete, bedient sich das Aktiengesetz vom 18. VII. 84 bei beiden Gesellschaften (Art. 175, 209) des gleichen Ausdrucks „Gesellschaftsvertrag" und schaltet als gleichberechtigt die Bezeichnung „Statut" in Klammern ein, ebenso das GG. von 1868; das neue HGB. bedient sich ausschließlich des Wortes „Gesellschaftsvertrag". Das Statut ist hiernach der zwischen bestimmten Personen abgeschlossene Vertrag, zu einer G. zusammenzutreten, mit der Absicht, für dieselbe die Rechte einer eG. zu erwerben. Das BGB. spricht in § 25 von der „Verfassung eines rechtsfähigen Vereins" und dessen „Vereinssatzung" und in § 705 von dem „Gesellschaftsvertrag", durch den sich die Gesellschafter gegenseitig verpflichten. Jene „Vereine" sind aber juristische Personen. Birkenbihl-Maurer (S. 52) legen Gewicht darauf, daß das Wort Statut gewählt ist, glauben darin ein Merkmal für die rechtliche Natur der G. als juristische Person zu sehen, und führen dann weiter die Theorie aus, daß das Statut ein Mittelding zwischen Gesellschaftsvertrag und Gesetz sei. Diese An­ nahme ist hinfällig. Der der Sachverständigen-Kommission vorgelegte Entwurf gebraucht

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 5.

61

das Wort Gesellschaftsvertrag, und die Anregung in der Kommission, dafür das geläufige und eingelebte Wort Statut einzustellen, fand allgemein Zustimmung (Proebst S. 33). Nur eine Äußerlichkeit hat also zur Wahl des Wortes Statut geführt. Für den Gesellschaftsvertrag der zur Eintragung bestimmten G. kann nichts anderes gelten, als für den der nicht eingetragenen G.: es handelt sich in beiden Fällen um die Gründung eines körperschaftlichen Gebildes, und der Unterschied besteht nur darin, daß bei der nicht ein­ getragenen G. diese körperschaftliche Gestaltung sich nach außen nicht nach Maßgabe des GG. äußern kann, während dies durch die Eintragung in das Genossenschaftsregister er­ reicht wird. Bis dahin ist die G. eine Vermögensgemeinschaft mit körperschaftlicher Berwaltungsorganisation (Sohm, die deutsche G.). Die G. ist „ein auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichteter Verein, der unter gewissen Voraussetzungen sich dem Sonder­ recht des Gesetzes unterordnen kann, nicht muß" (Lehmann, Ztschr. f. Handelsrecht 59, 169). Die für Aktiengesellschaften durchgeführte Trennung von Feststellung des Statuts und Errichtung der Gesellschaft ist dem GG. unbekannt. Der Abschluß des Gesellschaftsvertrages (durch Unterschrift) mit gegenseitigen Rechten und Pflichten ist die gesetzliche Grundlage der G. Die G. vor der Eintragung. Vor der Eintragung hat die G. nicht die Rechte einer „eingetragenen" G. «nm. r. (§ 13), sie besteht aber als „G." (RG. 39, 28. § 1 Anm. 42). Es ist eine Gesellschaft des bürger­ lichen Rechts (RG. 58, 56 für GmbH.) bzw. ein nicht rechtsfähiger Verein nach § 54 BGB. Die Grundsätze des BGB. §§ 705ff. sind für dieselbe bis dahin maßgebend, z. B. für die Rechte und Pflichten der Mitglieder gegeneinander, die Haftpflicht Dritten gegenüber aus Rechtsgeschäften der nicht eingetragenen G. (s. jedoch weiter unten). Für Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§11 Abs. 2) «m*. s. ist bestimmt, daß „die Handelnden" persönlich und solidarisch haften, wenn vor der Ein­ tragung im Namen der Gesellschaft gehandelt wird, da diese Gesellschaften vor der Ein­ tragung „als solche" nicht bestehen. Für die G. ist eine solche Bestimmung nicht getroffen, die Rechtsgeschäfte müssen daher mit Bezug auf die Verpflichtung nach den Grundsätzen beurteilt werden, die für die dem BGB. unterstehenden nicht eG. gelten (vgl. § 13 Anm. 1). In erster Linie haften die Handelnden, außerdem aber auch die Mitglieder der schon be­ stehenden G., und zwar als Gesamtschuldner gemäß § 54 und § 427 BGB., denn der durch den Gründer für die G. abgeschlossene Vertrag erscheint als gemeinschaftliches obligatorisches Rechtsgeschäft (Seufferts Archiv 62, 49). Die aktive Parteifähigkeit besitzt die nicht einge­ tragene Gesellschaft nicht (ZPO. § 50 Abs. 2). Über die Rechtspersönlichkeit Gierke S. 69, 75, 76. Für Aktiengesellschaften hat das RG. (24, 23; 58, 55) angenommen, daß die Ge- «nm. 4. sellschaft mit ihrer Entstehung in die ihr von den Gründern ausgemachten Rechte eintritt, daß der Gesellschaftsvertrag die Grundlage für den Rechtserwerb bildet, daß die Vermögensstücke infolgedessen aber auch mit den Verpflichtungen belastet übergehen, welche darauf beim Abschluß des Vertrages hafteten (GmbH. OLG. Rechtspr. 24, 150). Bei G. wird eintretendenfalls der gleiche Grundsatz gelten, wie er für Aktiengesellschaften ange­ nommen ist (Joel S. 472; RG. 64, 187). Das RG. (39, 25ff.) hat die Frage, ob die nicht eG. mit bindender Wirkung in der Weise kontrahieren kann, daß die eG. in das Geschäft eintritt, im Grundsatz bejaht. Es sind folgende Fälle denkbar (RG. a. a. £).): „Es kann die Meinung die sein, daß der Vertrag nur für den Fall der Eintragung der G. Geltung haben soll, es kann aber auch die Absicht dahin gehen, daß er unabhängig davon Recht und Pflicht begründen soll, mithin begründen soll zwischen den Mitgliedern der schon bestehenden G. einerseits und dem Dritten andererseits. Und im letzteren Falle ist wieder, wenn es sich um ein auf längere Dauer berechnetes Bertragsverhältnis handelt, zweierlei denkbar. Möglicher­ weise ist es die Intention der Beteiligten, daß zwar zunächst Recht und Pflicht zwischen den Mitgliedern der bereits vorhandenen G. und dem Dritten entstehen, daß aber, wenn die Eintragung der G. erfolgt, das Vertragsverhältnis als ein von Anfang an zwischen der

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Genossenschastsgesetz.

eG. und dem Dritten begründetes angesehen werden soll; es kann aber auch eine Änderung der subjektiven Beziehungen erst vom Augenblick der Eintragung an gewollt sein." — Handelte es sich um die Gründung einer G. mit beschränkter Haftpflicht, die nicht zustande kam, so würde dies für den Umfang der Haftpflicht der Mitglieder von Bedeutung sein. Das Reichsgericht (a. a. O.) läßt sich hierüber wie folgt aus: „Es bedarf aber der Prüfung, ob nicht, wenn Klägerin zur Zeit des Vertragsabschlusses wußte, daß die G. als eine G. mit beschränkter Haftpflicht eingetragen werden sollte, der Wille der Parteien dahin gegangen ist, durch den Vertrag, soweit möglich, diejenigen Rechtswirkungen eintreten zu lassen, die eingetreten sein würden, wenn der Vertrag mit der G. nach erfolgter Eintragung geschlossen wäre." Das RG. (64, 187, BlfG. 1907 S. 96) hat ausgesprochen: „Das Gesetz erkennt an, daß im Zeitraum der Gründung für die zu gründende G. Rechte und Verbindlich­ keiten begründet werden können, die dann beim Entstehen der G. auf diese übergehen."

Anm. s.

Ob die einzelnen Genossen vor der Eintragung bereits zu Leistungen an die G. verpflichtet sind, hängt von dem Statut ab, im Zweifel wird dies nicht anzunehmen sein (vgl. RG. 5, 19).

Anm. 6.

Änderungen des Statuts können nur nach den Bestimmungen desselben vor­ genommen werden, das GG. kommt noch nicht zur Anwendung. Die Zulässigkeit einer Änderung des Statuts im Wege der Beschlußfassung, also nicht durch Vertrag, ergibt sich aber aus den internen Bestehen der G. Ist die Eintragung des ursprünglichen Statuts abgelehnt, dies dann abgeändert, so genügt es zur Anmeldung nicht, daß ein Protokoll über die Änderung vorgelegt wird, sondern es müssen sämtliche Personen, die das ursprüng­ liche Statut unterzeichnet haben, auch die Abänderung unterschriftlich genehmigen; dann nur ist dem § 11 Abs. 2 Ziff. 1 genügt (KGJ. 25,263). Die G. kann nur auf der Grund­ lage zustande kommen, die sie bei der Errichtung gehabt hat (RG. 21, 250). Vgl. auch § 1 Anm. 7. Nnm. 7. Mit der Eintragung wird in Gemäßheit der Absicht der Vertragschließenden ihr bis dahin bestehendes Vertragsverhältnis gelöst; sie werden Mitglieder der durch diesen Akt juristische Persönlichkeit erhaltenden G. Zwischen denselben besteht nun kein Vertrags­ verhältnis mehr. Wohl aber besteht zwischen der G. und ihren Mitgliedern das in der Satzung niedergelegte Rechtsverhältnis (RGZ. Bd. 72 S. 4ff., IW. 1926 S. 2918"). Der Genosse einer Kreditbank haftet beispielsweise wegen Empfehlung eines kreüitunwürdigen Kunden nach § 276 BGB. (IW. 1926 S. 2918").

Anm. 8.

Anm. 9.

Die Verhandlungen, die über die Gründung einer G. in einer Versammlung statöfinden, erstrecken sich an sich nicht auf „öffentliche Angelegenheiten", was für die Anwendung des Vereins- und Versammlungsrechts wichtig war (vgl. KG. 15. VI. 07 in BlfG. 1907 S. 355 und die daselbst S. 588 mitgeteilte Entsch. LG. Trier — § 17 Anm. 1). — Jetzt hat Art. 123 RV. die bezüglichen Beschränkungen des Reichsvereinsgesetzes und der Landes­ gesetze beseitigt.

Schriftliche Form. In der Begründung des § 5 heißt es (I 89, II 61): „Das Statut ist von den Genossen, welche sich bei der Gründung der G. beteiligen oder weiterhin bis zur Einreichung des Statuts zum GRegister der G. beitreten, zu unterzeichnen (§11 Abs. 2 Ziff. 1, § 15)." Die Erfordernisse der Schriftform bestimmt § 126 BGB.: „Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muß die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrist oder mittels gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Es genügt daher nicht, daß sich die Gründer in einem besonderen Protokoll zu dem Statut bekennen. Vgl. für die Beurkundung von Änderungen des Statuts vor der Eintragung Anm. 6. Doch braucht das Statut selbst nicht etwa geschrieben zu sein, es kann auf jede beliebige Weise hergestellt sein und als Anlage des Protokolls genommen werden, in dem die Beschlüsse über die Festsetzung des Statuts enthalten sind. Die satzungsmäßige Zuweisung eines Grundstücks seitens einer gemeinnützigen Baugenossenschaft an einen Genossen bedarf

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genoffenschaft.

§ 6.

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zu ihrer Wirksamkeit nicht der Form des § 313 BGB. RG. in IW. 1925 S. Illi10. RGZ. Band 110 S. 241. Die Bestimmungen, über die das Statut Auskunft geben muß, sind in §§ 6, 7, 131 Abs. 2, 36 Abs. 1 enthalten, § 8 bezeichnet die Gegenstände, über welche das Statut Be­ stimmungen enthalten muß, wenn zu ihrer Regelung überhaupt Veranlassung vorliegt. Nach der Anmeldung kann eine Unterzeichnung des Statuts, welches bei dem Gericht bleibt, selbstverständlich nicht mehr erfolgen. Es greifen dann die besonderen gesetzlichen Be­ stimmungen über den Erwerb der Mitgliedschaft Platz (§ 15). Werden die Statuten gedruckt, muß auf allen Exemplaren Name und Wohn­ ort des Druckers angegeben werden (§ 6 des Reichspreßgesetzes). Zwar ist es nicht Sache des Registerrichters, bei der Anmeldung einer G. zur Eintragung oder bei der An­ meldung einer Statutenänderung zu prüfen, ob die mit der Anmeldung gedruckt eingereichten Statutenexemplare dem Erfordernis des § 6 a. a. O. genügen und die Außerachtlassung dieser Vorschrift berechtigt ihn nicht zur Ablehnung der Eintragung (vgl. § 10 Anm. 16) er kann aber nicht daran gehindert werden, beim Fehlen von Namen und Wohnort des Druckers in den Statutenexemplaren der Staatsanwaltschaft zwecks Einleitung eines Straf­ verfahrens gegen die Vorstandsmitglieder auf Grund von § 19 a. a. O. Anzeige zu erstatten.

8 «. 1. 2. z.

4.

Das Statut muß enthalten: -ie Firma «od de» Sitz der Genossenschaft; den Gegenstand des Unternehmens; Bestimmungen über die Form für die Berufung der Generalversammlung der Genossen, sowie für die Beurkundung ihrer Beschlüsse und über den Vorfitz in der Versammlung; Bestimmungen über die Form, in welcher die von der Genossenschaft aus­ gehende« Bekanntmachungen erfolge», sowie über die öffentlichen Blätter, in welche dieselbe« anfjmrehmen sind.

Ges. von 1868 § 3 Zifs. 1, 2, 8,11, Entw. I, II, Komm., Rtg. 6, Begr. I 89, II 61.

Anmerlungen zu § 6. 1. Das Statut.

Uber die Entstehungsgeschichte des § 6 und die Abweichungen von § 3 des Ges. v. «nm. i. 1868 vgl. die früheren Auflagen; für die Auslegung ist nichts daraus zu entnehmen. Die in § 3 aufgeführten und in §§ 6, 7, 8 nicht berücksichtigten Gegenstände sind weggelassen, weil die „bezüglichen Vorschriften als absolute oder dispositive im Gesetz selbst getroffen sind" (Begr. II 61). §§ 6, 7 enthalten die Bestimmungen, die das Statut enthalten muß, wenn es eingetragen werden soll, § 8 trifft Vorkehrung für den Fall, daß die daselbst an­ geführten Einrichtungen überhaupt in Betracht kommen. § 6 bezieht sich auf Bestimmungen organisatorischer Natur, § 7 auf die Grundlagen der Kredit- und Vermögens­ verhältnisse der G. Im Statut muß das Ausscheiden durch Übertragung des Ge­ schäftsguthabens (§ 76) ausdrücklich ausgeschlossen sein, wenn es nicht statthaft sein soll. Das Statut muß eine Bestimmung über die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats enthalten (§ 36). Bei G. mit beschränkter Haftpflicht kommt § 131 in Betracht. In betreff der Legitimationsprüfung für den Verkauf in Konsumvereinen vgl. § 31 Anm. 3. 2. Mögliche Gegenstände statutarischer Regelung. a) Mit der Anwendung der G. insbesondere auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen «nm. 2. Produktion ist immer aktueller die Frage geworden, ob die Mitglieder durch das Statut noch zu anderen Leistungen verpflichtet werden können als zu den Einzahlungen

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Genossenschastsgesetz.

auf Geschäftsanteil. Für AG. hatte das RG. dies verneint, und zwar mit Bezug auf den Charakter der Gesellschaft, auf die dem Wesen derselben entsprechende ausschließlich kapi­ talistische Beteiligung der Mitglieder (vgl. aber jetzt die Zulassung durch § 212 HGB.). Der Charakter der Aktie ist völlig verschieden von dem des Geschäftsanteils, das Wesen der G. ist nicht kapitalistisch, es beruht auf der persönlichen Mitgliedschaft der Genossen, es ist gerichtet auf Förderung von Erwerb und Wirtschaft der Mitglieder (§ 1 Anm. 9). Die G. umfaßt die Person der Mitglieder (als kein höchstpersönliches Recht § 1 Anm. 2) und kann das Statut sich daher auch über eine bloße Kapitalbeteiligung demselben hinaus er­ strecken, den Mitgliedern Leistungen auferlegen. Der Gegensatz zwischen AG. und G. (vgl. § 7 Anm. 2) kommt scharf zum Ausdruck in dem Urteil des RG. v. 9. 11. 98 (IW. 1898 S. 205): „Während die Rübenlieferungspflicht auf ein besonderes, nur an die Voraussetzung der Aktionäreigenschaft gebundenes Rechtsverhältnis zwischen der AG. und ihrem Aktionär zurückgeführt werden kann, erscheint bei ProduktivG. allgemein und so auch bei der verklagten G. die Verpflichtung zur Einlieferung der für gemeinschaftliche Rechnung zu verwertenden Produkte und so auch die Milchlieferungs­ verpflichtung als ein Teil des G.-Verhältnisses selber." — Die Regelung muß im Statut erfolgen, „eine solche (Verpflichtungen) der Mitglieder betreffende jeder näheren Angabe und Begrenzung entbehrende Klausel des Statuts kann unter keinen Umständen gültig und geeignet sein, die darauf gestützten Vorschriften der Geschäftsordnung zu tragen" (RG. 47, 155; 38, 15). Ebenso RG. 47, 149: „Ganz ausgeschlossen und unvereinbar mit Zweck und Bedeutung einer MolkereiG. als landwirtschaftlicher Produktiv- und AbsatzG. wäre der Gedanke, daß die Milchlieferung der Genossen völlig außerhalb ihrer genossen­ schaftlichen Pflichten liegen und nur auf Grund eines besonderen Rechtsgeschäfts wie mit einem fremden Milchlieferanten beruhen sollte" und S. 152: Die G. steht den Mitgliedern nicht wie ein gewöhnlicher Käufer gegenüber, der sich seine Ware aussucht, sondern inner­ halb der einheitlichen Organisation stehen auch die Genossen mit ihren genossenschaftlichen Verpflichtungen. Mit dieser Entscheidung steht nicht im Widerspruch RG. v. 20. IX. 05 (Monatsschrift 1906 S. 19), wenn es Verträge über „genossenschaftliche" Verpflichtungen zuläßt, denn auch hier ist der Grundsatz aufgestellt, daß hinsichtlich seiner genossenschaftlichen Verpflichtungen der Genosse der G. nicht als Dritter gegenüberstehe. In dem in Rede stehenden Fall hatte eine MolkereiG. einen Vertrag abgeschlossen, nach dem sie sich ver­ pflichtete, an einem bestimmten Orte eine Entrahmungsstation zu errichten, wogegen der Gutsbesitzer sich verpflichtete, der G. beizutreten und seine Milch nach dieser Station zu liefern. Später wurde die Station aufgehoben und der Gutsbesitzer stellte die Milchlieferung ein. Das RG. erklärt, daß, da der Gutsbesitzer bedingungslos Mitglied wurde, auch jener Vertrag ohne Vorbehalt abgeschlossen war. Nach dem Statut der G. konnte ein Mitglied durch Beschluß der Generalversammlung von jeder Milchlieferung entbunden werden, woraus gefolgert werden müsse, daß die Generalversammlung durch eine besondere Regelung der Milchlieferung, insbesondere bezüglich des Ablieferungsortes beschließen konnte. Die Entscheidung des RG. bezieht sich, was zu beachten ist, auf einen konkreten Fall, der Sonder­ vertrag war für rechtsgültig angesehen, weil das Statut den Abschluß von Sonderverträgen zuließ. Verträge über genossenschaftliche Verpflichtungen der Mitglieder sind ungültig, insoweit sie dem Gesetz oder dem Statut widersprechen, und sie sind zulässig, nur soweit als sie nach dem Statut überhaupt abgeschlossen werden können. Durch die Lieferungen werden die Genossen Gläubiger der G., es kann aber auch im Statut vorgesehen werden, daß die Genossen nach Verhältnis ihrer Lieferungen am Rein­ gewinne beteiligt sind, so daß es vom Geschäftsgewinne und dem Beschluß der General­ versammlung abhängt, ob eine Vergütung beansprucht werden kann. Auch Kombination ist möglich.

Mit der Auflösung der G. erreicht die statutarische Pflicht zu Naturalleistungen grund­ sätzlich ihr Ende. (§ 88 Anm. 9.)

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

K 6.

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Dem Mitglieds bleibt die Einwendung, daß die Bestimmungen im Statut über Genossenschaftszweck auf Simulation beruhen, es ist dann auch nicht zu den Nebenleistungen verpflichtet (Urt. des LG. Berlin 18. III. 07, BlfG. 1907 S. 253).

Wie weit haben die Mitglieder einen Anspruch auf Benutzung der Einrichtungen der G.? Alles wird von der Fassung des Statuts abhängen. Denkbar ist, daß den Mitgliedern ein klagbarer Anspruch eingeräumt ist. Sonderrechte gewähren jedenfalls klagbaren Anspruch. b) Trotz des Fehlens von Bestimmungen, wie sie im HGB. §§ 212 Abs. 2, 218 Abs. 2 Am«, r. enthalten sind, können Konventionalstrafen im Statut für die Nichterfüllung der Ver­ pflichtungen vorgesehen werden (RG. 47, 151; 38, 15). Das RG. sieht in der Festsetzung von „Zwangsstrafen" keinen unzulässigen Eingriff in die Sonderrechtsstellung der einzelnen Mitglieder. Für die geschaffenen oder zugelassenen Verpflichtungen kann mithin jederzeit der Weg zur Verwirklichung beschritten werden durch Aufstellung von Strafbestimmungen. Das RG. 47, 151 hält Strafandrohungen durch Geschäftsordnungen jedenfalls dann für zulässig, wenn sie im Statut eine genügende Stütze finden. „Daß zur gedeihlichen Ent­ wicklung eines genossenschaftlichen Geschäftsbetriebs die Aufstellung von Strafbestimmungen gegen die widerstrebenden Genossen unentbehrlich und auch allgemein üblich sind, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt." Vgl. § 1 Anm. 31a bezügl. der Anwendbarkeit des § 8 Kartellverordnung.

Aus dem Wesen der G. folgt die Verwirkung einer auf die Nichterfüllung einer ver­ mögensrechtlichen Verpflichtung gesetzten Strafe nicht ohne weiteres. Es muß also das Mit­ glied dementsprechend in Verzug gekommen sein (vgl. hierüber die sehr interessanten Gründe des in den BlfG. 1917 S. 404 mitgeteilten Urt. d. LG. Stuttgart v. 20. III. 17). Bei Hand­ lungen, die die Mitglieder zu vollziehen haben, wird in der Regel Mahnung erforderlich sein, anders bei Unterlassungen. Hier tritt mit dem Verstoß die Konventionalstrafe ein.

Die Einführung einer Konventionalstrafe. dürfte zu den „genossenschaftlichen Duldungspflichten" gehören; das ist die Pflicht der Minderheit, es sich gefallen zu lassen, daß (nach Maßgabe etwaiger im Statut gegebener Erschwernisse) über ihre Pflicht zur Ver­ mögensleistung verfügt wird. Das sieht auf den ersten Blick bedrohlich aus und Mißbräuche sind denkbar (Urt. d. RG. 27. X. 09, IW. 1910 S. 40 und darüber § 7 Anm. 33). Die ge­ nossenschaftliche Duldungspflicht hängt zusammen mit dem Charakter der G. als Personal­ gesellschaft und der Regelung ihrer finanzielle^ Grundlage. Die genossenschaftliche Duldungs­ pflicht erleichtert insbesondere die Stärkung des eigenen Vermögens und schafft die bei keiner anderen Gesellschaftsart in so weitem Umfange gegebene Sanierungsmöglichkeit. Vgl. über die verschiedenen Fälle der genossenschaftlichen Duldungspflicht § 16 Anm. 3; über die genossenschaftliche Duldungspflicht RG. 60, 414 und Crüger in dem Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 1912 Heft 1. Die Entscheidung des RG. 38, 14 steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen, da dort eine ähnliche Bestimmung auf Grund der besonderen Verhältnisse des betreffenden Falles nur deshalb für nichtig erklärt ist, weil fie eine ungesetzliche Verschiedenheit der Rechtslage der einzelnen Genossen gegenüber der G. begründete. Das gleiche gilt von der Entscheidung des RG. vom 12. X. 26 IW. 1927 S. 691 Nr. 30. Da aber nur die allgemeinen genossenschaftlichen Verpflichtungen — im Gegensatz zu den Sonder Verpflichtungen — grundsätzlich gleich sein müssen (§ 1 Anm. 15), fo ist daraus zu folgern, daß durch eine derartige Festsetzung nicht eine der Zustimmung jedes einzelnen Mitgliedes bedürftige Sonderverpflichtung geschaffen wird. Vgl. auch die in der Dtsch. landw. Gen.-Presse 1908 S. 450 mitgeteilten landgerichtlichen Entscheidungen. Das RG. hat in dem Urt. v. 25. I. 11 (75, 158) ausgesprochen, daß, wenn ein Mitglied seine offensichtliche Genossenpflicht verletzt, es sich die Anwendung der in der Generalversammlung beschlossenen Strafbestimmung gefallen lassen muß, auch wenn es von dieser Bestimmung keine Kenntnis gehabt haben sollte; eine Verpflichtung der G., das Mitglied davon in Kenntnis zu setzen, bestehe nicht. Eine vertragliche Bindung der Mitglieder zur Erfüllung dergenossenschaftlichen Verpflichtungen über die Dauer der Mitgliedschaft hinaus verstößt gegen § 65 (§ 65 Anm. 2). Crüger-CreceltuS, Genofsenfchastsgesetz. n. Aufl.

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Genossenschaft-gesetz.

Zulässig erscheint die statutarische Auflage für Mitglieder einer G., sich bei Ver­ meidung einer Konventionalstrafe innerhalb einer bestimmten Zeit an keiner anderen ähnlichen G. zu beteiligen, wobei nur die allgemeinen Grundsätze, die für derartige Ge­ werbebeschränkungen gelten, zu beachten sind. Uber Konventionalstrafen für den Fall des Nichterscheinens in der Generalversamm­ lung RIA. 14, 287. Vlmrr. 4. c) Es kommen nur Sach-Leistungen in Betracht und Sacheinlagen, § 7 Anm. 25. Uber einen Fall der Verpflichtung der Abnahme von Branntwein durch die Mitglieder BlfG. 1898 S. 164. In Rechtspr. 19, 342 wird der Fall behandelt, daß durch das Statut den Mitgliedern Beschränkungen über den Verkauf ihrer Grundstücke auferlegt werden (mitgeteilt auch DIZ. 1909 S. 771). Die Geld-Leistungen, die die Mitglieder aufzubringen haben, beschränken sich nach dem Gesetz auf die Zahlungen auf Geschäftsanteil und die zur Deckung der Unterbilanz beim Ausscheiden aus der G. oder im Konkurse zu leistenden Zahlungen. Zu Geldzahlungen anderer Art können die Mitglieder durch das Statut nicht verpflichtet werden. Das RG. (IW. 1901 S. 83) hat mit Bezug auf Generalver­ sammlungsbeschlüsse ebenso entschieden: Ausgenommen die Fälle des § 73 Abs. 2 und des § 105 des Gesetzes können die Genossen zu anderen Geldleistungen als zu Ein­ zahlungen auf den Geschäftsanteil oder den erhöhten Geschäftsanteil nicht angehalten werden. Das RG. hat Beschlüsse für rechtsungültig erklärt, die nicht auf Erhöhung des Geschäftsanteils und Begründung einer dementsprechenden Einzahlungs­ pflicht der Genossen gingen, sondern darauf, die Genossen zur Leistung von Beiträgen zu verpflichten, durch welche ein Teil der Schulden der G. getilgt werden sollte. Eine derartige Verpflichtung den Genossen aufzuerlegen, liegt völlig außerhalb der Zuständigkeit der General­ versammlung, und deshalb sind die Beschlüsse schlechthin nichtig, ohne daß es ihrer Anfechtung auf Grund des § 51 des Gesetzes bedurfte; vgl. RG. 62, 314. Es handelte sich in diesem Falle um die Frage, ob die G. die zur Deckung der Unkosten den Genossen durch Generalversammlungsbeschluß auferlegte Zahlung einer Abgabe von T/2 bzw. 2 Pfg. für jedes nach Berlin gelieferte Liter Milch verlangen könne. Das RG. hat die Zahlungs­ pflicht verneint und die Beschlüsse für nichtig und deshalb für nicht der Anfechtung im Wege des § 51 des Gesetzes bedürftig erklärt. In den Gründen heißt es: „... Zulässig würde diese Abgabe dann sein, wenn es zuträfe, daß sie nichts anderes ist, als was die Klägerin nennt ,Provision und Spesen', wie sie eine für den Geschäftsbetrieb verlangen dürfe. Denn darüber kann allerdings kein Zweifel bestehen, daß die G. für die im Betriebe des genossenschaftlichen Unternehmens gemachten Leistungen von dem­ jenigen, welcher die Leistungen in Anspruch nimmt, eine Gegenleistung fordern kann. Deshalb würde sich die Milchabgabe für diejenigen Mitglieder der klagenden G., welche ihre Milch nicht selbst verpachten können und darum die Vermittlung der Klägerin für ihren Milchabsatz in Anspruch nehmen, durchaus rechtfertigen lassen. Zu Unrecht aber hat die Klägerin diesen Gesichtspunkt auch bei der Milchabgabe der anderen Genossen zur Anwendung gebracht. Für die selbstverpachtenden Genossen liegt die Sache wesentlich anders. Allerdings entspricht es den Verhältnissen, wenn das KG« geltend macht, die notorische Tendenz der Milchzentrale sei, die Milchpreise in Berlin und Vororten auf angemessener Höhe zu erhalten, dazu sei es ein Mittel, wenn sie die Verwertung der nicht verpachteten Milch zu den festgesetzten Preisen selbst bewerkstellige. Diese Maßregel liege daher im Interesse aller, auch der selbstverpachtenden Mitglieder. Aber was die selbstverpachtenden Mitglieder auf diese Weise durch die G. erhalten, ist nichts anderes als der Nutzen, den ihnen als Genossen die G. kraft ihrer statutenmäßigen Existenz erbringt; es liegt außer der Mitgliedschaft nicht noch ein vom Genossen mit der G. abgeschlossenes Rechtsgeschäft vor, welches als Unterlage für ein Entgelt wie ,Provision' oder ,Spesen' dienen könnte. Demnach ist für den selbstverpachtenden Genossen die Milchabgabe eine Geldleistung, die er lediglich als Genosse macht. Sie gleicht einer Steuer, welche die G. den Genossen auf­ erlegt, um die Kosten für den Unterhalt ihres Betriebes zu decken. Eine solche Umlage braucht sich der einzelne Genosse nicht gefallen zu lassen." Ebenso OLG. Hamburg v. 9. XII. 14.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 6.

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OLG. Rechtspr. 32,132: Die Umlage der Berwaltungskosten auf die Mitglieder ist unzulässig, auch wenn es sich um die Bezahlung von Zinsen handelt. Ausdrücklich ist zu der Frage Stellung genommen, „ob durch die Satzung die Genossen zu keiner anderen Geldleistung als zu Zahlungen auf Geschäftsanteil verpflichtet werden können". Das OLG. stellt sich auf den im Kommentar vertretenen Standpunkt und stellt ausdrücklich fest, daß RG. 62, 307 nicht entgegensteht, weil dort nur ausgesprochen, daß die G. ein Beitrittsgeld zur Er­ langung der Mitgliedschaft statutarisch festsetzen darf. Weder die Bestreitung der Betriebsunkosten, noch die Deckung von Verlusten ist im Wege der Umlage auf die Mitglieder zulässig. Ein unbedingt richtiger Standpunkt. Eine Unterbilanz kann nur durch neue Vermögensbildung gedeckt werden (§ 7 Anm. 31). Auch die Zulassung der bei RohstoffG. zuweilen üblichen Bildung „unkündbarer Kapitaleinlagen" er­ scheint fraglich, obgleich es sich dabei weder um Einzahlungen auf Geschäftsanteil noch um die Inanspruchnahme aus der persönlichen Haftpflicht handelt. Auch KG. (34, 176) erklärt derartige „Einlagen" für unzulässig (ebenso Dtsch. landw. Gen.-Presse 1908 S. 435, Deumer S. 194), jedoch aus dem unhalbaren Grunde, daß damit Vermögen der G. gebildet wird, während sie nach dem Statut „Darlehen" sein sollen. Maßgebend kann für die Beurteilung der Natur der Einzahlungen aber nur ihre wirkliche Bestimmung sein. Die Unzulässigkeit der Verpflichtung ergibt sich daraus, daß das Gesetz für ihre Konstituierung keine Handhabe bietet. Anders dürften jene Einzahlungen zu beurteilen sein, die zu leisten sind, weil Mit­ glieder (oder auch Nichtmitglieder) bestimmte Einrichtungen der G. in Anspruch nehmen (vgl. BlfG. 1908 S. 109 „Unkündbare Spareinlagen"). d) Bei bestehender G. dürfte eine Einführung von Leistungen der Mitglieder «nm. (das gleiche gilt von Konventionalstrafen) oder Erhöhung derselben nur mit Zustimmung aller Mitglieder erfolgen, für künftig Beitretende gilt dieselbe dann als Vorschrift des Statuts; ebenso OLG. Rechtspr. 19, 342. Ein Beschluß der Generalversammlung, der den Mitgliedern Sonderverpflichtungen auferlegt oder erschwert, ohne daß alle Mitglieder zugestimmt haben, ist nichtig (vgl. § 53 Abs. 3 Ges. betr. GmbH.). Durch Zustimmung aller Betroffenen wird der Beschluß gültig (§ 16 Anm. 2). Ebenso RG. 90, 408. Das RG. führt aus: Der einzelne gibt bei einer G. seine Freiheit nur insoweit auf, als Gesetz und Satzung das ausdrücklich bestimmen. Die Genossen müssen darauf vertrauen dürfen, vor neuen Pflichten, auf die sie nicht rechnen konnten, bewahrt zu bleiben. Wenn die Aufnahme von Bestimmungen, wie sie § 53 Abs. 3 GmbH. Ges. und § 276 HGB. enthalten, in das GG. unterblieben ist, so ist das nicht mit Absicht geschehen. — Eine entsprechende Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf das GG. ist daher nicht ausgeschlossen. Zur nachträglichen Be­ gründung anderer als Geldzahlungspflicht ist Zustimmung aller Genossen notwendig. RG. erklärt sich in Übereinstimmung mit RG. 47, 146. Aus dem nichtigen Beschluß kann, wenn er eingetragen ist, sich Nichtigkeit der G. ergeben, z. B. dann, wenn den Mitgliedern neben den Einzahlungen auf Geschäfts­ anteil weitere Barzahlungen auferlegt sind, da hierin ein Verstoß gegen § 7 Ziff. 2 zu er­ blicken ist (§ 95).

Sacheinlagen § 7 Anm. 25. 3. Muß enthalten. Wenn das Statut den Erfordernissen der §§ 6, 7, § 36 bzw. auch § 131 nicht entspricht, so hat das Registergericht die Eintragung in das GRegister zu versagen. Uber den Umfang des Prüfungsrechts des Richters und die Folgen gesetzwidriger Eintragungen vgl. § 10 Anm. 14, 15, 16. Uber das Nichtigkeitsverfahren §§ 94ff., FGG. § 147. 4. Firma und Sitz. Uber die Firma § 3. Der Sitz der G. bedeutet in der Regel deren Niederlassung, wenn nur eine vor­ handen ist, sonst deren Hauptniederlassung, im Gegensatz zu den Zweigniederlassungen. Das BGB. bestimmt im § 24 als Sitz den Ort, wo die Verwaltung geführt wird. Sitz der G. braucht nicht am Ort der Verwaltung zu sein. Die G. kann nur einen Sitz haben. Uber 5*

7.

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Genofsenschaflsgesetz.

Eintragung § 10 Anrn. 7. Das Geschäftslokal, in welchem sich die Kasse und die Buchführung befinden und der Vorstand den gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb leitet, bildet das ent­ scheidende Kennzeichen, der Ort, wo die Werkstätten oder die Berkaufsläger sind, ist hierfür unerheblich; so auch ROHG. 21, 37, Hanseatisches OLG. v. 12. VII. 97 (Handelsgesell­ schafter V S. 7). Sitzverlegung: Der Sitz wird durch das Statut bestimmt. Änderung des Sitzes erfordert daher Statutenänderung, setzt aber selbstverständlich nicht Auflösung voraus, vgl. Joel S. 456, Birkenbihl-Maurer S. 58. Bei der Sitzverlegung ist folgendes Verfahren zu beobachten: Der Generalversammlungsbeschluß über die Statutenänderung ist zunächst bei dem bisher zuständigen Registergericht einzureichen. Durch die Eintragung wird die Statutenänderung wirksam (§ 16) und dadurch das bisherige Registergericht unzuständig (§ 10). Eine Löschung erfolgt nicht. Für die Eintragung in das Register des zuständigen Gerichts hat der Vorstand bei diesem den Antrag auf Übernahme der G. zu stellen. Für diesen Antrag bedarf es nur der für die Willenserklärungen des Vorstandes allgemein vor­ geschriebenen Form, es bedarf aber keiner förmlichen Anmeldung, insbesondere nicht nach den Regeln für die erste Eintragung der G. Das neue Registergericht hat sich die Unter­ lagen für die Eintragung durch Benehmen mit dem bisherigen Registergericht zu beschaffen (vgl. KG. 28. I. 01, KGJ. 21, 265ff.). Das Registergericht des neuen Sitzes ist nicht befugt, die Eintragung wegen Unzulässigkeit der im Register des alten Sitzes eingetragenen Firma zu beanstanden. Es muß vielmehr die bisherige Firma zunächst eintragen lassen und kann deren Löschung nur herbeiführen, wenn die Voraussetzungen der §§ 142, 144 Abs. 1 u. 3 des FGG. vorliegen (KG. v. 11. X. 12, KGJ. 44, 152ff.). AA. anscheinend Bay. OLG. 4. IV. 10 im Recht 1910 Entsch. Nr. 1829, wo ausgeführt ist, daß die Neueintragung selb­ ständig, nicht durch bloße Übertragung des Registereintrags erfolgt und geeignetenfalles die Neuerungen zu berücksichtigen sind, die aus den Akten sich ergeben, im Register des bisher zuständig gewesenen Gerichts jedoch gleichviel aus welchem Grunde nicht vorgemerkt worden sind. — Das ist nicht unzutreffend, das Registergericht des neuen Sitzes kann aber die Neue­ rungen erst berücksichtigen, nachdem es den Registereintrag übernommen hat. Es hat kein weiteren Befugnisse als das bisherige Registergericht. Darüber, was zu geschehen hat, wenn die G. wohl den Antrag bei dem alten Register, aber nicht den Antrag bei dem neuen Register gestellt hat, sagt das Gesetz nichts. § 160 kommt nicht zur Anwendung. Der Richter des neuen Sitzes kann nach § 14 HGB. und § 132 FGG. die G. zur Anmeldung anhalten. Ob tatsächlich der Sitz auch verlegt ist, ist vom Registerrichter nicht zu prüfen.

Wird der Sitz ins Ausland verlegt, so hat dies zur Folge, daß die Gesellschaft den Charakter als inländische G. verliert, die ihr beigelegte Rechtspersönlichkeit aufgibt; der Beschluß auf Verlegung des Sitzes hat also die gleichen Folgen wie der auf Auflösung: es hat die Liquidation einzutreten (so für AG. RG. 7, 70). Zulässig ist, daß die G. ihren Sitz im Jnlande hat und außerhalb ihre Geschäfte betreibt. — Dem Jnlande gleich steht das Ausland, insoweit in demselben die Konsulargerichtsbarkeit durch Her­ kommen oder Vertrag gestattet ist, vgl. § 3 des Gesetzes über die Konsulargerichts­ barkeit v. 10. VII. 79, wonach die Führung von GRegistern auch in den Konsulargerichts­ bezirken nach den Bestimmungen des GG. erfolgt, so daß in solchen Bezirken sich eine eG. bilden kann, für welche der Konsul das Register führt (vgl. für offene Handelsgesellschaften RG. 36, 177). Vgl. in BlfG. 1894 S. 294 die Bekanntmachung des Kaiserlichen Konsuls zu Jerusalem, betreffend den landwirtschaftlichen Produzentenverein Sarona eGmbH. zu Jaffa in Palästina. Der Sitz der G. ist maßgebend für den Gerichtsstand derselben (§ 17 ZPO.), daraus ergibt sich für solche G., deren Sitz nicht mit dem Orte ihrer Verwaltung zusammen­ fällt, daß sie „die" gewerbliche Niederlassung oder eine gewerbliche Niederlassung im Sinne des § 21 ZPO. an einem anderen Orte als an ihrem Sitz haben; inwieweit die G. daselbst in Anspruch genommen werden kann, ist Tatfrage (RG. Urt. v. 28. I. 02 Monatsschrift 1902 5. 125), das RG. führt aus, daß zur Annahme einer Niederlassung zum mindesten gehört

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft,

g 6.

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ein ab gegrenzter Teil des Erwerbsgeschäfts. Eine Scheidung, insbesondere bei dem Ge­ schäftsbetriebe einer ProduktivG., ist möglich zwischen der Geschäftsleitung nach außen mit Dritten und der Geschäftsleitung nach innen mit den Genossen. Nach § 22 ZPO. ist das Gericht, bei dem die G. ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, zuständig für Klagen gegen die G. wie für Klagen der G. gegen ihre Mitglieder, sofern die Mitgliedschaft Grundlage des Klageanspruchs ist (RG. 54, 207, BlfG. 1907 S. 354). Uber „Ausländische Erwerbs­ und WirtschaftsG." vgl. Deumer in der Ztschr. f. intern. Recht 20, 358ff. 5. Gegenstand des Unternehmens. Uber Verhältnis des Gegenstandes des Unternehmens zum Zweck des Geschäfts- «nm. 8. betriebes § 1 Anm. 32; über Firma § 3 Anm. 6. Cohn S. 330 nimmt an, daß der Register­ richter trotz des Mangels der statutarischen Bestimmung die Eintragung nicht wird ablehnen dürfen, wenn aus dem Gesamtinhalt des Statuts, welches als einheitliches Ganzes auf­ zufassen ist, zur Genüge hervorgeht, worin der Gegenstand des Unternehmens besteht. Dem kann nicht beigestimmt werden, denn nach § 12 des Gesetzes ist „der Gegenstand des Unternehmens" bekanntzumachen, es ist nicht Sache des Richters, aus dem Statut sich den Gegenstand des Unternehmens zusammenzusuchen. Die Grenzen zwischen einer unbestimmten und einer ausreichend bestimmten Gegen­ standsbezeichnung sind flüssig. Die ordnungsmäßige Bezeichnung ist wichtig auch mit Rück­ sicht darauf, daß die Bestimmung zu den „wesentlichen" im Sinne von §§ 94, 95 gehört. Das KG. 3.4,149 setzt sich auseinander mit dem RG. (62, 96), wo (gleichfalls für eine GmbH.) erklärt ist, daß z. B. ein Gesellschaftsvertrag, in dem als Gegenstand des Unternehmens schlechthin der Betrieb von Handelsgeschäften angegeben wird, oder in welchem zwar einzelne Zweige kaufmännischer Tätigkeit ausdrücklich erwähnt sind, dann aber als Generalklausel auch der Betrieb von anderen kaufmännischen Geschäften vorgesehen ist, als gesetzlich zu­ lässig angesehen wird. Das KG. sagt hierzu, daß es auf den ersten Blick so scheinen könne, als ob das RG. eine Entscheidung über die streitige Rechtsfrage getroffen habe, ob der Gegen­ stand des Unternehmens individualisiert sein muß. Dies sei aber zu verneinen, denn das RG. habe darüber zu entscheiden gehabt, ob die Klage auf Nichtigkeitserklärung eines die Errichtung einer GmbH, bezweckenden Vertrages dadurch gerechtfertigt werde, daß der Gegenstand ihres Unternehmens nicht bestimmt genug bezeichnet sei. Dies habe das RG. verneint. Das KG. habe sich aber damit zu befassen, ob für die Eintragung die Individuali­ sierung geboten sei. Es stehe also nicht die materielle Gültigkeit in Frage, sondern die formelle Ordnungsmäßigkeit. Über erstere habe das Prozeßgericht unter ganz anderen Gesichtspunkten zu befinden, als der Registerrichter über die letztere. Auch für die Vertretung der G. (§ 24 Anm. 6) ist der Gegenstand des Unternehmens insoweit maß­ gebend, als die Vorstandsmitglieder der G. gegenüber sich bei Übertretungen verant­ wortlich machen würden, falls sie sich in Geschäfte einlassen, die ohne Zusammenhang mit dem statutarischen Gegenstände des Unternehmens stehen, und von dieser Verantwortung würden sie auch nicht durch die Zustimmung des Aufsichtsrats frei werden; gegen Dritte gilt dagegen keine Beschränkung (§ 27 Anm. 10, vgl. auch § 3 Anm. 6 betr. die Firma). Auf die Fassung des Gegenstandes des Unternehmens ist folglich stets besondere Sorgfalt zu verwenden, da zu weite Fassung eine Ausdehnung auf fernliegende Gegenstände ermöglicht — zu enge Abänderung des Statuts erfordert, jedoch nicht allein aus diesen Gründen, sondern auch um Zweifel über den Umfang der Vertretung des Vorstandes auszuschließen. Will­ kürliche Auslegung würde den Vorstand nicht entlasten, dahin gehört z. B. wenn die G. aus der Bestimmung des Statuts, daß Spareinlagen angenommen und verwertet werden sollen, herleitet, daß regelmäßig Kreditgeschäfte betrieben werden können. Das Gericht hat daher bei Eintragung des Statuts auf die Prüfung dieses Punktes besondere Sorgfalt zu verwenden (vgl. § 1 Anm. 32). Zweifel können darüber entstehen, inwieweit eine Änderung des Gegenstandes des Unternehmens (im Wege der Statutenänderung, § 16 Abs. 2) vorgenommen werden kann. Die in den früheren Auflagen vertretene Ansicht, daß die Minderheit nicht durch die

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Genossenschaftsgesetz.

Mehrheit gezwungen werden kann, der G. einen ganz anderen Charakter zu geben, wird nicht mehr aufrecht gehalten. § 16 Abs. 2 spricht ganz allgemein von der Abänderung des Gegenstandes des Unternehmens und bestimmt, daß die Beschlußfassung eine Mehrheit von drei Vierteln der erschienenen Genossen erfordert, daß das Statut Erschwernisse aber nicht Erleichterungen vorsehen kann. Das Gesetz sagt nicht, daß diese „Abänderung" eine Grenze hat, die sich aus dem bisherigen Gegenstände des Unternehmens ergibt, KGJ. 44, 245. Uber den Einfluß der Änderung des Gegenstandes des Unternehmens auf die Firma § 3 Anm. 6. Uber geschäftliche Betriebe, für die die Form der eG. nicht gewählt werden kann, vgl. § 1 Anm. 9, 10, 11, 13, 14, 16, 25, 26. Würde für ein geschäftliches Unternehmen, das nicht in der Form der eG. betrieben werden kann, diese gewählt werden, so müßte die Ein­ tragung in das Register abgelehnt werden. Für den Fall, daß die Eintragung erfolgt, vgl. § 1 Anm. 32.

«nm. v.

6. Berufung der Generalversammlung der Genossen. Die Generalversammlung muß an dem statutarisch bestimmten Sitze abgehalten werden, doch ist eine abweichende Regelung durch das Statut zulässig, vgl. RG. 44, 8 für AG. Die G. tun gut, die Gültigkeit der Generalversammlungsbeschlüsse nur von der leicht nachweisbaren Zeitungsbekanntmachung abhängig zu machen, nur für ganz kleine G., bei denen die Zeitungsbekanntmachung zu kostspielig ist, kann Einladung durch schriftliche An­ zeige in Frage kommen. Die ordnungsmäßige Bekanntmachung ist auch um deswegen von ganz be­ sonderer Bedeutung, weil nach § 51 des Gesetzes die Anfechtung der Generalversammlungs­ beschlüsse darauf gegründet werden kann, daß die Berufung der Generalversammlung oder die Ankündigung des Gegenstandes der Beschlußfassung nicht gehörig erfolgt war. Vgl. über die Folge von Formfehlern § 44 Anm. 2, § 25 Anm. 15 und § 38 Anm. 9. Das Gesetz schreibt an verschiedenen Stellen für die Beschlußfassung der General­ versammlung qualifizierte Mehrheit vor. Die G. gehen zuweilen darüber hinaus, indem sie die Beschlußfähigkeit der Generalversammlung abhängig machen von der Anwesenheit einer bestimmten Anzahl Mitglieder. Auch wiederholte Abstimmung in zwei aufeinander­ folgenden Generalversammlungen wird vorgeschrieben. Im ersteren Fall findet sich dann wieder die Erleichterung, daß die zweite Generalversammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden beschlußfähig ist, weil ohnedies bei den erfahrungsgemäß schlecht besuchten Generalversammlungen sonst eine Abstimmung unmöglich ist. Um die hohen Einladungs­ kosten zu sparen, ist man auf den Gedanken verfallen, durch das Statut zu bestimmen, daß zwar zwei Generalversammlungen über den Gegenstand abstimmen sollen, daß aber die zweite Generalversammlung gleich mit der ersten Generalversammlung einberufen wird und zwar derart, daß die zweite Generalversammlung eine Stunde nach der ersten General­ versammlung abgehalten wird. Diese Bestimmung hebt den inneren Zweck der Vorschrift auf und erscheint ohne weiteres auch selbst, wenn sie eingetragen ist, als null und nichtig.

Mit Staub § 251 Anm. 5 HGB. ist anzunehmen, daß, falls im Statut die Einberufung einer zweiten Generalversammlung vorgesehen ist, beide Generalversammlungen nicht gleich berufen werden dürfen, sondern die zweite erst dann, wenn die erste sich als beschlußunfähig erwiesen hat. So auch Kammergericht IW. 1926 S. 1675 Ziff. 2.

«nut, io.

7. Beurkundung der Beschlüsse und Vorsitz in der Versammlung, Vgl. § 47. Die Beurkundung der Generalversammlungsbeschlüsse ist von Wichtigkeit auch der Anfechtung aus § 51 wegen. Sie braucht nicht in der Generalversammlung selbst zu geschehen, falls das Statut das nicht ausdrücklich bestimmt. Das Statut wird Bestimmung darüber zu treffen haben, in welcher Form die Beschlüsse in das Protokollbuch einzutragen sind, insbesondere von wem sie zu unterzeichnen sind (KG. Beschl. v. 19. III. 10, BlfG. 1910 S. 416). Die Vorschrift der Unterzeichnung und die Angabe der Person des Zeichnungspflichtigen bilden das gesetzliche Mindestmaß der Beurkundungsvorschrift. Weigert eine der unterschriftspflichtigen Personen die Unterzeichnung des Protokolls aus nichtigen

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 6.

71

Gründen, oder ist sie an dieser verhindert, so muß der Grund der Weigerung in das Protokoll ausgenommen werden. Die Bestimmungen des Statuts über die Beurkundung der Be­ schlüsse sind (wenigstens für die Generalversammlung) zwingender Natur. Notarielle Be­ urkundung ist nicht erforderlich, ebensowenig Präsenzliste. Zu den zwingenden Bestimmungen über die Beurkundung gehören die, die sich auf die Verlesung des Protokolls und auf die Unterzeichnung beziehen (KG.Beschl. v. 15. II. 08, Rechtspr. 19, 358; KG. Beschl. v. 19. III. 10, BlfG. 1910 S. 416). Auch die Anlagen sind zu unterzeichnen, RIA. 13, 27. Die Verlesung gehört nicht zum gesetzlichen Mindestmaße der Beurkundungsform. Sie ist daher nur dann unbedingtes Gültigkeitserfordernis, wenn das Statut sie vorschreibt. Der Vorsitzende hat nur die Leitung der Versammlung. Materielle Befugnisse stehen ihm nicht zu; insbesondere gibt bei Stimmengleichheit seine Stimme nicht den Ausschlag. Vgl. auch § 46 und 4317. Durchaus erwünscht ist, daß das Statut auch über die Form der Abstimmung eine Vorschrift enthält, ob und wann dieselbe durch Stimmzettel erfolgen soll, was im Fall von Stimmengleichheit und von Stimmenthaltung gilt (vgl. § 8 Anm. 10; Anm. 11 über die Zählung der Stimmen). Vgl. für die Handhabung der Geschäfte in der General­ versammlung § 43 Anm. 10 und 26.

8. Form der Bekanntmachungen. Vgl. § 46. Alle Bekanntmachungen und Erlasse in Angelegenheiten der G. ergehen «nm. 11. unter deren Firma und sind von so viel Vorstandsmitgliedern zu unterzeichnen, wie zur Vertretung der G. nach dem Statut bestimmt sind. Die Einladungen zu den General­ versammlungen, die vom Aufsichtsrat ausgehen, erläßt der Aufsichtsrat, unterzeichnet von dem Vorsitzenden desselben. In betreff der Berufung durch die Mitglieder § 45. Für die Sprache, in welcher die Bekanntmachungen zu erlassen sind, ist der Zweck der­ selben maßgebend. In der Reichstagskommission zur Novelle von 1896 (KommBer. 15) war der Antrag gestellt: „In mehrsprachigen Bezirken ist Bestimmung darüber zu treffen, ob die Bekanntmachungen außer in der deutschen Sprache gleichzeitig noch in anderer Sprache erfolgen sollen." Der Antrag wurde von der Mehrheit als überflüssig bezeichnet, da auch jetzt die Generalversammlung berechtigt sei, eine solche Bestimmung im Statut zu treffen, und abgelehnt. Bekanntmachungen für die Mitglieder, z. B. Einladungen zur General­ versammlung, können in der den Mitgliedern geläufigen Sprache erfolgen, Bekannt­ machungen für die Allgemeinheit, z. B. Veröffentlichung der Bilanz, müssen in deutscher Sprache geschehen (KGJ.4, 42). Nach der Entscheidung des KG. v. 3. XI. 99 (BlfG. 1900 S. 24) müssen alle Bekanntmachungen in deutscher Sprache geschehen, es kann aber für die Bekanntmachungen auch ein in fremder Sprache erscheinendes Blatt im Statut bestimmt werden, sofern nur die Bekanntmachung selbst in deutscher Sprache da­ selbst erfolgt, das Registergericht ist nicht für befugt erachtet, zu prüfen, ob das Blatt Inserate in deutscher Sprache aufnimmt. Vgl. die für die Firma zu wählende Sprache § 3 Anm. 5.

9. Öffentliche Blätter. Die Bekanntmachungen der G. müssen durch öffentliche Blätter erfolgen (ebenso «nm. 12. Birkenbihl-Maurer S. 62), nur für die Berufung der Generalversammlung ist dem Statut die Form der Bekanntmachung frei gestellt. Uber die Sprache, in der die Blätter er­ scheinen, vgl. Anm. 11. „Öffentlich" ist das Blatt, das für die Allgemeinheit bestimmt ist; eine Korpszeitung wird daher z. B. nicht zu den „öffentlichen Blättern" zu zählen sein (ebenso Birkenbihl-Maurer S. 62). Nach dem Wortlaut könnte man zu der Annahme kommen, daß das Statut nur „Bestimmungen über die öffentlichen Blätter" enthalten muß das ist aber nicht die Absicht des Gesetzes, das Statut soll die öffentlichen Blätter namentlich aufführen, in denen die G. die Bekanntmachungen erläßt. Zweifel sind darüber entstanden, ob das Statut die Änderung der Blätter oder den Ersatz für ein eingehendes Blatt einem Organ, z. B. dem Vorstand, übertragen kann. Die Entscheidungen des KG. stimmen hier­ über nicht überein. In einem Beschl. v. 8. IV. 90 in Sachen des V.-B. zu Neumark ist ent­ schieden, „daß eine Änderung des so (durch das Statut) bestimmten Blattes, außer in dem

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Genossenschaftsgesetz.

Falle des Eingehens und dauernd nicht anders als durch Beschluß der Generalversammlung (§ 16) stattfinden kann"; in dem Beschl. v. 5. V. 90 in Sachen des B.-B. zu Dommitzsch läßt das KG. den Vorstand auch dauernd ein neues Blatt festsetzen. Geht man davon aus, daß das Statut die Blätter benennen muß, so kann jede Änderung nur im Wege der Statuten­ änderung erfolgen, es muß daher für den Fall des Eingehens derart Vorsorge getroffen werden, daß z. B. eine Berufung der Generalversammlung möglich bleibt, deswegen ent­ halten jetzt die meisten Statuten die Bestimmung, daß der Reichsanzeiger als Ersatzblatt eintreten soll für den Fall, daß die Bekanntmachung durch die andern benannten Blätter nicht erfolgen kann, bis durch die Generalversammlung ein anderes Blatt bestimmt ist. „Die Berufung der Generalversammlung der G. ist als ordnungs- und statuten­ widrig nicht zu erachten, wenn sie nach dem Eingehen eines der im Statut zu Bekannt­ machungen bestimmten mehreren Blätter in den übrigen, allein forterscheinenden Blättern bekannt gemacht ist und das Statut besondere Bestimmungen für diesen Fall nicht enthält" (KGJ.4, 44). Ebenso hat das KG. in dem Beschl. v. 18. II. 95 (BlfG. 1895 S. 153) aus­ gesprochen, daß, wenn das im Statut bezeichnete Blatt eingeht, die Bekanntmachung ordnungsgemäß in dem Blatte erfolgt, das zweifellos als die Fortsetzung des eingegangenen Blattes zu betrachten ist. Ist im Statut nur ein Blatt bestimmt und durch dieses kann die Bekanntmachung nicht geschehen, etwa weil das Blatt die Aufnahme verweigert, so könnten die §§ 226, 826 BGB. ein Vorgehen gegen das Blatt rechtfertigen, doch da dies Vorgehen wahrscheinlich nur zu einem Schadensersatzanspruch führen möchte, kann es der G. nicht viel nützen. Unter Zugrundelegung der beiden Entscheidungen des KG. dürfte folgender Ausweg zum Ziele führen: Die G. richtet an sämtliche Mitglieder einen eingeschriebenen Brief, in dem sie erklärt, daß die Einladung zur Generalversammlung in dem statutenmäßig für die Bekanntmachungen bestimmten Blatte nicht erfolgen könne und daß daher die Einladungen durch den Reichsanzeiger ergehen werden. Uber den Fall der Universalversammlung, d. h. den Fall, daß alle Mitglieder anwesend sind, vgl. § 46 Anm. 3. Die Frage der Einberufung einer Generalversammlung ist im Zusammenhang behandelt bei Wenck: „Handbuch des Rechts der Einberufung einer Generalversammlung" (1912).

§ 7.

Das Statut muß ferner bestimmen: 1. ob die Genossen der unbeschränkten Haftpflicht oder nur der unbeschränkten

Nachschußpflicht oder der beschränkten Haftpflicht unterliege« sollen; 2. den Betrag, bis zu welchem sich die einzelnen Genossen mit Einlagen beteiligen können (Geschäftsanteil), sowie die Einzahlungen auf den Geschäftsanteil, zu welchen jeder Ge­ nosse verpflichtet ist; dieselben müssen bis zu einem Gesamtbeträge von min­ destens einem Zehnteile des Geschäftsanteils nach Betrag und Zeit bestimmt

sein; Z. die Grundsätze für die Aufstellung und die Prüfung der Bilanz; 4. die Bildung eines Reservefonds, welcher zur Deckung eines aus der BUanz sich ergebenden Verlustes zu dienen hat, sowie die Art dieser Bildung, ins­ besondere den Teil des jährlichen Reingewinns, welcher in den Reservefonds einzustellen ist, und den Mindestbetrag des letzteren, bis zu dessen Erreichung

die Einstellung zu erfolgen hat. Ges. von 1868 § 3 Zisf. 5, 6, 12, Entw. I, II Komm., Rtg. 7. Begr. I 79, 90, II 54, 63. KommBer. 5.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genoffenschaft.

§ 6