Das Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften: Kommentar zum praktischen Gebrauch für Juristen und Genossenschaften [6., völlig umgearb. Aufl. Reprint 2018] 9783111650388, 9783111266848


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German Pages 744 Year 1908

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Table of contents :
Vorwort Zur Ersten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Ergänzungen Unter Besonderer Berücksichtigung Der Während Des Druckes Des Kommentars Bekannt Gewordenen höchstrichterlichen Entscheidungen
Einleitung
I. Zur Geschichte Der Deutschen Genossenschaftsbewegung
II. Die Genossenschaftsgesetzgebung
III.Der Begriff Der Genossenschaft Und Die Wichtigsten Neuerungen Des Gesetzes Vom 1. Mai 1889
Erster Teil
Gesetz Betreffend Die Erwerbs- Und Wirthschaftsgenossenschaften
Erster Abschnitt. Errichtung Der Genossenschaft
Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältnisse Der Genossenschaft Und Der Genossen
Dritter Abschnitt. Vertretung Und Geschäftsführung
Vierter Abschnitt. Revision
Fünfter Abschnitt. Ausscheiden Einzelner Genossen
Sechster Abschnitt. Auflösung Und Nichtigkeit Der Genossenschaft
Siebenter Abschnitt. Konkursverfahren Und Haftpflicht Der Genossen
Achter Abschnitt. Besondere Bestimmungen
Neunter Abschnitt. Strafbestimmungen
Zehnter Abschnitt. Schlußbestimmungen
Zweiter Teil. Bekanntmachung, Betreffend Die Führung Des Genossenschaftsregisters Und Die Anmeldungen Zu Diesem Register
Vom 1. Juli 1899 (§ 161 Abs. 1 Des Gesetzes).
Dritter Teil Bekanntmachungen Der Zentralbehörden Der Bundesstaaten. § 161 Absatz 2 Des Gesetzes.
Allgemeine Verfügung, Betreffend Die Herstellung Einer Statistik Der Erwerbs- Und Wirtschaftsgenossenschaften Vom 1. Mai 1896 Mit Den Änderungen Der Allgemeinen Verfügung Vom 18. Dezember 1897
Sachregister
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Das Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften: Kommentar zum praktischen Gebrauch für Juristen und Genossenschaften [6., völlig umgearb. Aufl. Reprint 2018]
 9783111650388, 9783111266848

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Das Reichsgesetz, betreffend die

Erwerbs- und irtschastsgenossenschasten. Kommentar zum praktischen Gebrauch für Juristen und Genoffenschaften herausgegeben von

Ludolf Parisius und Dr. Hans Crüger.

Sechste völlig umgearbeitete Auflage bearbeitet von

Dr. Hans Crüger.

Berlin 1908. I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, H* TI

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Rohstoffgenossenschaften. 8) Von 1906.

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1906

14

Genossenschaftsgesetz.

Die Entwicklung der verschiedenen Arten der deutschen Genossenschaften des Systems Schulze-Delitzsch bis zum Jahre 1874 hat Parisius in der Einleitung seines Buches „Die Genossenschaftsgesetze im Deutschen Reiche" dargestellt (S. 17—84). Die Fortschritte, die in der Zeit von 1874 bis nach Erlaß des Genossenschaftsgesetzes in der Genossenschaftsbewegung gemacht sind, sind in der ersten Auflage dieses Buches dargestellt. Wir nehmen darauf Bezug. Regelmäßige statistische Aufnahmen erfolgen jetzt durch eine größere Anzahl Verbände. Wichtig sind die Veröffentlichungen aus dem statistischen Bureau der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse. Unter dem 1. Mai 1896 erging eine allgemeine Verfügung des preußischen Justizministers betreffend die Herstellung einer Statistik nebst den dazu gehörigen Formularen. Die Preußische Zentral-Genossenschafts-Kasse gab dannach zunächst ein Kataster der im Königreich Preußen vorhandenen eingetragenen Genossenschaften heraus; in weiteren „Mitteilungen" wurden die Angaben des Katasters statistisch ergänzt. Am 1. Oktober 1901 wurde der statistischen Abteilung der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse in der Person des Geheimen Regierungsrates Professor Dr. Petersilie ein geschulter Leiter gegeben, der in der Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus (1901) „Mitteilungen zur deutschen Genossenschaftsstatistik" ver­ öffentlichte, die sich an die bereits herausgegebenen beiden Hefte „Mit­ teilungen" inhaltlich anschlossen, und in denen das spätere statistische Material verarbeitet war. Nach dem Stande vom 31. Dezember 1902 wurde ein neues vervollständigtes Kataster herausgegeben, das nicht nur die in Preußen, sondern auch die in den übrigen Bundesstaaten Deutschlands bestehenden Genossenschaften enthält. In Bayern, Württemberg, Hessen werden ähnliche Aufnahmen durchgeführt, wie in Preußen. Die betreffenden Verfügungen gelangen im dritten Teil des Kommentars zum Abdruck. Seit Januar 1904 gibt die Preußische Zentral-Genossenschafts-Kasse ein Jahr- und Adreßbuch der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften im Deutschen Reich heraus. Die früheren Auflagen enthielten eine summarische Darstellung der Ent­ wickelung der wirtschaftlichen Grundsätze der wichtigsten Genossenschaftsarten. Auf Vollständigkeit konnten die Darlegungen an dieser Stelle natürlich nicht Anspruch erheben. Es kann auf sie jetzt an dieser Stelle verzichtet werden, nachdem in der „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen" (von Dr. Hans Erüger, Berlin bei I. Guttentag) die Geschichte der einzelnen Genossenschaftsarten und ihrer Organisation eingehende Besprechung er­ fahren hat?) *) Im übrigen ist zu vergleichen die Handbibliothek für das deutsche Genossenschaftswesen. (I. Guttentag, Berlin.) Herausgegeben von Dr. Hans Crüger, Anwalt des Allgemeinen Verbandes der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschasten, e. V. 1. Band: Vorschub- und Kreditvereine als Volksbanken. Praktische Anweisung zu deren Einrichtung und Gründung von Schulze-Delitzsch. 7. Auslage. Neu bearbeitet von Anwalt Dr. Hans Crüger. 1904. 2. Band: Die Buchführung für Vorschuß- und Kreditvereine. Praktische Anweisung zur Einrichtung und Führung der Bücher für Kreditgenossen­ schaften aller Art. Von Verbandsrevisor Albert Voll born in FriedenauBerlin. 19v0.

Einleitung.

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II. Die Genossenschaftsgesetzgebung. Schulze-Delitzsch hatte bei Gründung der ersten Genossenschaften die Frage der rechtlichen Form derselben mit besonderer Vorsicht behandelt, um auf der einen Seite jede Einmischung des Staates und der Behörden von ihnen fernzuhalten, auf der anderen Seite nach Möglichkeit den Mangel der Rechtspersönlichkeit im Verkehr mit dritten zu ersetzen. Die ersten Genossenschaften, die in Preußen im Gebiete des Allgemeinen Landrechts ihren Sitz hatten, konnte er nur als erlaubte Privatgesellschaften organisieren, jenen Mangel aber strebte er durch zum Teil künstliche Einrichtungen un­ schädlich zu machen. Zur Beseitigung indessen „eines Zustandes, der in jeder Weise mißlich, mancherlei Gefahren und unnütze Kosten und Weit­ läufigkeiten zur Folge hatte," suchte er Abhilfe von der Gesetzgebung. Die Änderung des preußischen Gesellschaftsrechts durch Einführung des All­ gemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs bewog ihn, am 10. März 1863 im Abgeordnetenhaus, dessen Mitglied er 1861 geworden war, zugleich als Anwalt und im Auftrage des Allgemeinen Vereinstages einen ausführlichen Gesetzentwurf einzubringen, nach welchem im Anschluß an die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften als besondere Art der Gesellschaften durch Eintragung in ein vom Handels­ richter als Teil des Handelsregisters zu führendes Genossenschaftsregister die gleiche rechtliche Stellung wie die Handelsgesellschaften erwerben konnten. Dieser in einer Kommission des Abgeordnetenhauses beratene und verbesserte Entwurf wurde die Grundlage des in der Landtagssession von 1866—1867 endlich zustande gebrachten preußischen Gesetzes, „betreffend die privat­ rechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenoffenschaften vom 27. März 1867", eingeführt in die neuen Provinzen Hannover, HessenNassau und Schleswig-Holstein durch Verordnungen vom 12. Juli, 12. August und 22. September 1867. Mit dem preußischen Gesetze bis auf einige Schlußparagraphen über­ einstimmend, wurden schon am 20. Juui 1867 im Herzogtum SachsenMeiningen und am 8. März 1868 im Großherzogtum Sachsen-Weimar 3. Band: Handbuch für Konsumvereine. Praktische Anweisung zu deren Ein­ richtung und Gründung von G. Oppermann und H. Häntschke. 3. um­ gearbeitete Auflage, von Dr. Fritz Schneider, ly04. 4. Band: Taschenbuch für Baugenossenschaften, Bau-, und Sparvereine. Eine Anweisung für deren Gründung und Einrichtung von Wohlgemutb, weil. Direktor des Verbandes der Baugenossenschaften Deutschlands. Nach dessen Tode vollendet und bearbeitet von Dr. Fritz Schneider, zurzeit Revisor des Verbandes der Baugenossenschaften Deutschlands u. a. V., nebst einer Anleitung zur Buchführung von E. Sy ring. 1899. 6. Band: Anleitung zur Gründung von Handwerkergenossenschaften. Nebst Statuten, Geschäftsanweisungen und Formularen für den Verkehr mit dem Registergericht. Bon Anwalt Dr. Hans Crüger. 1900. 8. Band: Musterformulare für den Geschäftsverkehr der Erwerbs-und Wirtschastsgenossenschasten. 1907. 10.Band: Rechtsbuch für Genossenschaften von Dr. Scholz und Amtsrichter Donath. 1908.

16

Genossenschaftsgesetz.

Genossenschaftsgesetze erlassen. Daß in süddeutschen Staaten und im König­ reich Sachsen auf anderen Grundlagen Genossenschaftsgesetze entworfen wurden, veranlaßte Schulze schon am 16. April 1868 als Mitglied des Nord­ deutschen Reichstages zu beantragen, das preußische Genossenschaftsgesetz mit einigen Änderungen und Ergänzungen zu einem norddeutschen Bundesgesetz zu erheben. In einer Kommission von 21 Mitgliedern in zwei Sitzungen vorberaten, wurde der Gesetzentwurf vom Reichstag am 23. Mai und sodann mit vielen vom Bundesrat befürworteten Änderungsvorschlägen der von ihm mit der Begutachtung betrauten, gerade in Berlin tagenden Kommission zur Ausarbeitung einer Zivilprozeßordnung, in der letzten Sitzung der Session am 20. Juni 1868 unverändert angenommen. Das „Gesetz, betreffend die' privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 4. Juli 1868" ist in Nr. 42 des Bundesgesetzblattes des Norddeutschen Bundes, ausgegeben zu Berlin den 15. Juli 1868, Publiziert und im Norddeutschen Bunde laut § 73 am 1. Januar 1869 in Kraft getreten. Dasselbe fand in vier norddeutschen Staaten, außer in Preußen, SachsenMeiningen und Sachsen-Weimar, auch noch im Königreich Sachsen, wo die Vollziehung am 15. Juni und die Verkündigung im sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt am 27. Juni 1868 erfolgt war, besondere Genossenschafts­ gesetze vor, an deren Stelle es zu treten hattet) In Bayern wurde ein Genossenschaftsgesetz am 29. April 1869 voll­ zogen, welches am 28. Mai im Königreich Bayern diesseits des Rheins und am 10. Juni 1869 in der Rheinpfalz in Kraft trat. Ein hessisches Gesetz vom 4. August 1864 führte das norddeutsche Gefwssenschaftsgesetz mit einzelnen durch die Verschiedenheit des Geltungsgebietes erforderlichen Änderungen in die nicht zum Norddeutschen Bunde gehörenden Teile des Großherzogtums ein. In Baden erschien das Genossenschaftsgesetz vom 11. Februar 1870. In Württemberg steckte man noch in den Vor­ arbeiten, als der Krieg ausbrach. Die Versailler Verträge bewirkten, daß das Gesetz vom 4. Juli 1868 als Reichsgesetz in Baden, Südhessen und Württemberg am 1. Januar 1871 eingeführt und dadurch das badische und hessische Gesetz aufgehoben wurden. In Elsaß-Lothringen ferner ist das Genossenschaftsgesetz zufolge Gesetz vom 11. Juli 1872 am 1. Oktober 1872, in Bayern zufolge Gesetz vom 23. Juni 1873 am 1. August 1873 in Kraft getreten?) Die Art und Weise, wie das Genossenschaftsgesetz für eine neue und noch wenig entwickelte Form des gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs gewisser­ maßen durch den Begründer und noch dazu in großer Hast geschaffen wurde, *) Die Geschichte der Entstehung des norddeutschen Genossenschaftsgesetzes vom 4. Juli 1868 und seiner Einführung in die übrigen deutschen Staaten ist ausführlich behandelt von Parisius: „Die Genossenschastsgesetze im Deutschen Reich" (1876). Ein­ leitung Abschn. III S. 85—109. In diesem Kommentar sind auch die Einsührungsgesetze, die Ausführungsverordnungen und das dem deutschen Reichsgesetze nachgebildete österreichische Genossenschaftsgesetz vom 9. April 1873 nebst Ausführungsverordnung abgedruckt (S. 403—563). 2) Vgl. über die bayerische Genossenschaftsgesetzgebung namentlich v. Sicherer: Die Genossenschastsgesetzgebung in Deutschland. Kommentar zum Reichsgesetze usw. unter Be­ rücksichtigung des bayerischen Genoffenschaftsgesetzes (Erlangen 1872) (5.72—86,319—324.

Einleitung,

17

erklärt es zur Genüge, daß sich das Bedürfnis einer Revision des Gesetzes bald geltend machte. Bereits im Herbst 1876 stellte Schulze-Delitzsch im Reichstage den Antrag auf eine Revision, indem er den Entwurf einer Novelle mit Motiven vorlegte (Nr. 40 der Drucksachen). Derselbe wurde 1876 in einer Kommission durchberaten, ohne daß er zur Berichterstattung kam. Im neugewählten Reichstage von 1877 erneuerte Schulze seinen An­ trag am 12. März. Sein verbesserter Entwurf (Nr. 41 der Drucksachen) kam am 16. April 1877 zur ersten Beratung. Auf Schutzes Begründung er­ klärte der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Friedberg, daß bei der vom Bundesrat beschlossenen Reform des Aktiengesetzes voraussichtlich auch das Genossenschaftsgesetz in den Kreis der Revision gezogen werden müsse. Zugleich versprach er, sich bei den vorbereitenden Arbeiten zur Reformgesetz­ gebung den Rat genossenschaftlicher Praktiker zu erbitten. Schulze zog hierauf seinen Antrag zurück. In der Session von 1878 aber wiederholte er denselben, beschränkte ihn jedoch auf einzelne besonders dringlich er­ scheinende Punkte (Drucksachen 1878 Nr. 11). Auf den Bericht der mit der Vorberatung beauftragten Kommission beschloß in der Sitzung vom 11. März 1878 der Reichstag: in Erwägung, daß das Bedürfnis zu einer Revision des Gesetzes überhaupt, insbesondere aber in der Richtung anzuerkennen sei, den Beginn der Mitgliedschaft beitretender Genossenschafter, das Rechtsverhältnis aus­ scheidender Genossenschafter und den zulässigen Zeitpunkt des sogenannten Umlageverfahrens festzustellen, — den Reichskanzler aufzufordern, den Entwurf einer Novelle zum Ge­ noffenschaftsgesetz, in welcher die in dem Antrage des Abgeordneten SchulzeDelitzsch angeregten Punkte ihre Erledigung fänden, mit tunlichster Be­ schleunigung ausarbeiten zu lassen (Stenograph. Berichte 1878 S. 442). Ebenso beschloß der Bundesrat am 27. Februar 1879, den Reichs­ kanzler zu ersuchen, im Anschluß an die Revision der Aktiengesetzgebung und unter Berücksichtigung der in der vorerwähnten Reichstagsresolution hervorgehobenen Punkte den Entwurf einer Novelle zum Genossenschaftsgesetz dem Bundesrat vorzulegen. Zum letzten Male brachte Schulze-Delitzsch seinen nun mehrfach ab­ geänderten Entwurf am 28. April 1881 im Reichstag ein. Am folgenden Tage wurden zwei von sämtlichen Mitgliedern der deutschkonservativen Partei unterstützte Anträge des Freiherrn von Mirbach und des sächsischen Hofrats Ackermann zur Revision des Genossenschaftsgesetzes gestellt (Druck­ sachen des Reichstags 1881 Nr. 107, 108, 109). Der letztere Antrag beschränkte sich auf die Hervorhebung einzelner Grundsätze, die für die Revision des Genossenschaftsgesetzes berücksichtigenswert erschienen und nament­ lich die Organisation, die Beaufsichtigung und den Geschäftsbetrieb der Genossenschaften zum Gegenstände hatten, wogegen der Antrag von Mirbach die Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haft neben den bis­ herigen Genossenschaften mit unbeschränkter Haft bezweckte. Die drei Anträge wurden vom Reichstage einer Kommission überwiesen. Da der im Oktober 1879 in das Amt getretene Staatssekretär des Reichsjustizamts, Dr. von Schelling, bei der ersten Beratung am 18. Mai 1881 erklärt hatte, zu einer Spezialberatung sei die Reichsregierung nicht imstande, ParisiuS-Crüger, Genossenschaftsgesetz. 6. Aufl.

2

18

Genossenschaftsgesetz.

eine präzisierte Stellung einzunehmen, beschloß die Kommission schon in ihrer ersten Sitzung, zu beantragen, alle drei Anträge dem Reichskanzler als Material für die in Angriff genommene Revision des Genossenschaftsgesetzes zu überweisen und ihn um tunlichste Beschleunigung zu ersuchen. Eine zweite Beratung im Plenum des Reichstages hat nicht stattgefunden. Vergeblich wartete Schulze-Delitzsch im Winter 1381/1882 darauf, zu Vorarbeiten zu einer Genossenschuftsnovelle zugezogen zu werden. Sein dringender Wunsch, bei der Revision des Genossenschaftsgesetzes noch mit­ zuwirken, ging nicht in Erfüllung. Lediglich des Genossenschaftsgesetzes halber hatte er 1881 trotz schwerer körperlicher Leiden wieder eine Wahl zum Reichstage angenommen. Zum letzten Male kam am 8. Dezember 1882 eine Interpellation Schutzes wegen der Genossenschaftsnovelle zur Ver­ handlung. Der Staatssekretär des Reichsjustizamts. Dr. von Schelling, erklärte in seiner Antwort: die ursprüngliche Absicht, die Umbildung des Genossen­ schaftsrechts in der Form einer Novelle zu bewirken, sei aufgegeben und der Erlaß eines neuen Genossenschaftsgesetzes für notwendig befunden. Nun­ mehr erkannte Schulze-Delitzsch, daß auf seine „persönliche Beteiligung" bei der Revision „mit irgendwelcher Sicherheit nicht gerechnet werden könnte". Er schrieb deshalb in den letzten Monaten vor seinem am 29. April 1883 erfolgten Tode mit dem Aufgebot aller Kräfte das Büchlein: „Material zur Revision des Genossenschaftsgesetzes. Nach dem neuesten Stand der Frage geordnet" (Leipzig 1883). Es verpflichte ihn, so schrieb er, „die von ihm bei der Genossenichastsgesetzgebung, wie bei der Revision ergriffene Initiative, ja seine ganze Stellung in der Genossenschaftsbewegung, dem Jnlande wie dem Auslande gegenüber", wie sie ihn auch „befähigen, das reiche Material, das sich durch seine Arbeiten und Anträge bei ihm gesammelt, gesichtet, in geordneter Reihenfolge den Genossenschaften zu übermachen"» Nach früheren Erklärungen der Reichsregierung sollte die Reform des Aktienrechts der Reform des Genossenschaftsrechts vorangehen. Das Reichsgesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktien­ gesellschaften, ist am 18. Juli 1884 erlassen. Durch dasselbe wurde eine Umänderung des früher ausgearbeiteten Genossenschaftsgesetzentwurfs bedingt. Endlich im August 1887 konnte der Nachfolger Schutzes in der Anwalt­ schaft des Genossenschaftsverbandes, Reichstagsabgeordneter Schenck, auf dem Allgemeinen Vereinstage in Plauen mitteilen, daß nach der ihm aus dem Reichsjustizamt gewordenen Eröffnung in diesem der Entwurf des Genossenschaftsgesetzes fertig gestellt sei und vor der Beschlußfassung des Bundesrats einer Sachverständigenkonferenz zur Begutachtung vorgelegt werden sollte. Tie Konferenz hat unter Vorsitz des Staatssekretärs von Schelling, unter Teilnahme des Direktors im Reichsjustizamt, des wirklichen Geheimen Rats Hanauer und der vortragenden Räte Geh. Oberregierungsrat Dr. Hägens und Geh. Oberregierungsrat Dr. Hoffmann vom 15. bis 19. November 1887 beraten.') Die Anregungen der Konferenz sind zum großen Teil berücksichtigt. *) Als Sachverständige waren zugezogen Vertreter aus verschiedenen genossen­ schaftlichen Verbänden: aus dem Allgemeinen deutschen Genossenschaflsverbande der

Einleitung.

19

Die Thronrede vom 24. November 1887 hatte zwar dem Reichstage die Vorlegung des Genossenschaftsgesetzentwurss angekündigt, allein es kam nicht dazu. Der Bundesrat beschloß in dankenswerter Weise zunächst die Veröffentlichung des Entwurfsund ermöglichte dadurch den in erster Reihe beteiligten Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, ihn in ihren Verbänden zu beraten und über die von ihnen vorzuschlagenden Änderungen zu beschließen. Im Herbst 1888 endlich ist der Entwurf vom Bundesrat beraten und mit einigen Abänderungen angenommen worden. Derselbe ist am 27. November 1888 dem Reichstage zur Beschlußfassung vorgelegt?) Der Reichstag beschloß nach der ersten Beratung in der 14. Sitzung vom 13. Dezember 1888, den Gesetzentwurf einer Kommission von 28 Mitgliedern zur Beratung zu überweisen. Diese hat die Vorberatung in 23 Sitzungen in zwei Lesungen vollendet und am 18. März 1889 schriftlichen Bericht er­ stattet (Drucksache Nr. 132). Auf Grund desselben hat der Reichstag die zweite Beratung in der 45. und 45. Sitzung vom 23. und 26. März vor­ genommen (Zusammenstellung nach den Beschlüssen, Nr. 145 der Drucksachen). Nach der dritten Beratung in der 52. Sitzung vom 4. April 1889 (Zu­ sammenstellung nach den Beschlüssen, Nr. 186 der Drucksachen) ist die Vor­ lage in der Schlußabstimmung angenommen. Der Bundesrat hat den Be­ schlüssen des Reichstags am 11. April zugestimmt und der Kaiser das Gesetz am 1. Mai vollzogen (RGBl. Nr. 11, ausgegeben den 10. Mai 1889, S. 55—93). Die nach § 171 Abs. 1 einem Erlaß des Bundesrats vorbehaltenen, „zur Ausführung der Vorschriften über das Genossenschaftsregister und die Anmeldungen zu demselben erforderlichen Bestimmungen" sind vom Reichs­ kanzler am 11. Juli 1889 bekannt gemacht (RGBl. Nr. 15, S. 149—164); an ihre Stelle ist getreten die Bekanntmachung betr. die Führung des Genossenschastsregisters und die Anmeldung zu diesem Register vom 1. Juli 1899 (RGBl. Nr 28, S. 347 ff.). — Tie Bekanntmachungen, welche nach § 171 (jetzt 161) Abs. 2 die Zentralbehörden der einzelnen Bundesstaaten zu erlassen haben, sind im dritten Teil abgedruckt. Änderungen des Gesetzes vom 1. Mai 1889 brachte das Reichs­ gesetz vom 12. August 1896 (RGBl. S. 695 ff.). Es werden eine Reihe Anwalt Schenck und die Verbandsdirektoren Hopf-Insterburg, Proebst-München, Sckwanitz-Jlmenau, Glackemeyer Hannover, ferner Dr. med. Kirchartz-Unkel an Stelle des damals erkrankten F. W. Raiffeisen, Vorsitzender des Anwaltschaflsrates der ländlichen (Raiffeisenschen) Genossenschaften, Haas.Darmstadt, Vorsitzender des Verbandes der keuschen landwirtschaftlichen Genosstnschasien, Reichstagsabg. Leemann-Heilbronn. Vorsteher des Verbandes landwirtschaftlicher Kreditgenossen­ schaften im Königreich Württemberg, sodann Reichstagsabg. Freiherr von MirbachSorquitten und die Professoren der Rechte Goldschmidt-Berlin und von SichererMünchen. Zugegen waren noch Kommissare des Reichsamts des Innern und der preußischen Ministerien für Londwirtsch - ft, für Handel und Gewerbe, für Justiz. *) Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen­ schaften nebst Begründung und Anlage. Amtliche Ausgabe, Berlin 188d. In den Noten ist er als Entw. I und seine Motive als Begr. I bezeichnet. 2) Drucksachen des Reichstags 7. Legislaturperiode IV. Session 1888/89 Nr. 28. In den Noten ist er als Emw. II und Begr. II bezeichnet.

20

Geuossenschaftsgesetz.

Von Strafbestimmungen zur Befolgung des Verbotes, für die KonsumVereine Waaren an Nichtmitglieder zu verkaufen, vorgesehen. Ferner werden einige Bestimmungen eingefügt, die der Eigenart der Raifseisenschen Vereine Rechnung tragen. Von den durch den Art. 10 ves EHGB. vom 10. Mai 1897 herbei­ geführten Änderungen des Genossenschaftsgesetzes half die eine einem großen Mangel desselben ab. Sie ermöglicht die Nichtigkeitserklärung der Genossenschaft im Falle der Eintragung nichtiger ober des Fehlens wesentlicher Statutbestimmungen im Genossenschaftsregister. Ferner werden die Fälle angegeben, in denen die Möglichkeit der Heilung dieser Mängel durch Beschluß der Generalverfdmmlung zugelassen wird. Dem Kommentar liegt zugrunde die durch den Reichskanzler unter dem 14. Juni 1898 in Nr. 25 des RGBl. (S. 810 ff.) gemäß Art. 13 des oben genannten Einführungsgesetzes veröffentlichte Fassung des Genossenschaftsgesetzes, die vom 1. Januar 1900 an, dem Tage des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs, gilt. Tie frühere Fassung ergibt sich aus den Anmerkungen. — Die genossenschaftliche Organisation ist in die verschiedenartigsten Wirtschaftsbetriebe eingedrungen, vielfach hat daher die Gesetzgebung sich veranlaßt gesehen, sich mit den Genossenschaften zu beschäftigen. a) Nach dem Hypothekenbankgesetz vom 13. Juli 1899 ist der Geschäftsbetrieb der Hypothekenbanken nach Maßgabe des Gesetzes in der Form der eingetragenen Genossenschaft verboten. b) Nach dem Gesetz betr. Privatversicherung vom 12. Mai 1901 dürfen Personenvereinigungen, welche die Versicherung ihrer Mitglieder nach dem Grundsätze der Gegenseitigkeit betreiben wollen, dieses nur als Ver­ sicherungsvereine auf Gegenseitigkeit nach Maßgabe des Privatversicherungs­ gesetzes tun. Zum Betriebe der verschiedenen Arten der Lebensversicherungen sowie zum Betriebe der Unfall-, Hast-, Feuer- oder Hagelversicherung dürfen außer Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit nur Aktiengesellschaften zu­ gelassen werden. Als Lebensversicherung im Sinne des Gesetzes gilt auch die Jnvaliditäts-, Alters-, Witwen-, Waisen-, Aussteuer- und Militärdienstversicherung. c) Nach dem Gesetz vom 25, Oktober 1867 ist zulässig die Bildung von Reedereigenossenschaften und die Führung der Landesflagge durch die Schiffe der Genossenschaft unter den im Gesetz angegebenen Ver­ ordnungen. d) Nach dem Gesetz über das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897 kann die Erlaubnis zur Beförderung von Auswanderern an eingetragene Genossenschaften erteilt werden, die ihren Sitz im Reichsgebiet haben. e) Die Novelle betr. die Abänderung der Gewerbeordnung vom 6. August 1896 erklärte § 41a Abs. 1 Satz 2, § 105b Abs. 3, § 33 Abs. 6 und 7 (Bestimmungen betr. offenen Laden und Konzession für Klein­ handel mit Spirituosen) auf die Konsumvereine für anwendbar. In den ersten Jahren der genossenschaftlichen Bewegung hatten sich die Genoffenschaften öfters über die aus Übelwollen gegen die Personen oder aus bureaukratischem Mißtrauen entsprungenen Versuche zu beklagen, ihre Wirksamkeit zu hemmen oder nach bestimmten Richtungen hin einzuzwängen.

Einleitung.

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Eingedenk dieser Erfahrungen haben Schulze-Delitzsch und seine Freunde jede ihnen angebotene Förderung oder Unterstützung des Staates stets grundsätzlich abgelehnt. Als die preußische Regierung im August 1865 eine aus Arbeit­ gebern und Arbeitern zusammengesetzte Kommission unter anderm die Frage beraten ließ, was geschehen könne, „um die auf Selbsthilfe beruhenden Ge­ nossenschaften (Vorschuß- und Kreditvereine, Vereine zur Beschaffung von Rohstoffen, Konsumvereine, Produktivassoziationen) zu fördern", — SchulzeDelitzsch war nicht zugezogen — erklärte der in Stettin tagende siebente Allgemeine Vereinstag auf Antrag von Parisius: einzige Förderung, welche die Genossenschaften von der preußischen wie von jeder anderen Staats­ regierung beanspruchen, sei, daß sie sich aller Versuche, die Genossenschaften der polizeilichen Kontrolle zu unterstellen, fernerhin enthalten und dem von Schulze 1863 im Abgeordnetenhause eingebrachten Genossenschafts-Gesetz­ entwürfe zustimmen, — der letzte Satz der Resolution lautet: „Alle Versuche der Staatsregierungen, die auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften im allgemeinen oder innerhalb einer einzelnen Berufsklasse durch positive Ein­ mischung fördern zu wollen, müssen als ihnen schädlich zurück­ gewiesen werden." Andere Verbände haben sich zu positiven Förderungen und Unter­ stützungen seitens der Regierungen von vornherein weniger ablehnend ver­ halten, sondern sie erbeten, und bekommen, dafür aber freilich auch bedeutende Konzessionen machen müssen und einen Teil ihrer Selbständigkeit eingebüßt. Die Grundsätze Schutzes über Ablehnung von Staatshilfe für das Genossenschaftswesen und über die hieraus folgende Unabhängigkeit der genossenschaftlichen Entwicklung von staatlichen Einflüssen wurden Jahr­ zehnte hindurch im großen und ganzen auch in Partikulargesetzgebungen anerkannt. Erst im letzten Jahrzehnt ist ein entschiedener Bruch mit jenen Grundsätzen vollzogen?) Entsprechend Anregungen aus landwirtschaftlichen Kreisen ging die Preußische Regierung 1895 zu einer staatlichen Unter­ stützung des Genossenschaftswesens über. Das preußische Gesetz betreffend die Errichtung einer Zentralanstalt zur Förderung des genossenschaftlichen Personalkredites vom 31. Juli 1895 (GS. S. 310 ff.) bestimmt: § 1. Zur Förderung des Personalkredits (§ 2), insbesondere des genossenschaft­ lichen Personalkredits wird unter dem Namen „Preutzische Zentral-Genossenschafts-Kasse" eine Anstalt mit dem Sitze in Berlin errichtet. Die Anstalt besitzt die Eigenschaft einer juristischen Person, sie steht unter Auf­ sicht und Leitung des Staates. § 2. Die Anstalt ist befugt, folgende Geschäfte zu betreiben: 1. zinsbare Darlehne zu gewähren an a) solche Bereinigungen und Berbandskaffen eingetragener Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Reichsgesetz vom 1. Mai 1889) — ReichsGesetzblatt S. 55 —). welche unter ihrem Namen vor Gericht klagen und verklagt werden können, *) Vgl. „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen vvn Dr. HanS Crüger (Berlin 1907) S. 153ff.: Der Staat und die Genosienfchaften.

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Genoffenschaftsgesetz.

b) die für die Fördemng deS Personalkredites bestimmten landschaftlichen (ritterschaftlichen) Darlehnskassen, c) die von den Provinzen Kandeskommunalverbänden) errichteten gleich­ artigen Institute; 2. von den unter 1 gedachten Bereinigungen usw. Gelder verzinslich anzunehmen: Zur Erfüllung dieser Ausgaben (1 und 2) ist die Anstalt außerdem befugt: 3. sonstige Gelder im Depositen- und Scheckverkehr anzunehmen; 4. Spareinlagen anzunehmen; 5. Kassenbestände im Wechsel-, Lombard- und Effektengeschäft nutzbar zu machen; 6. Wechsel zu verkaufen und zu akzeptieren; 7. Darlehne aufzunehmen; 8. für Rechnung der unter 1. bezeichneten Bereinigungen usw. und der zu den­ selben gehörigen Genossenschaften, sowie derienigen Personen, von denen sie Gelder im Depositen- und Scheckverkehr oder Spareinlagen oder Darlehne erhalten hat, Effekten zu kaufen und zu verkaufen. Der Geschäftskreis der Anstalt kann durch Königliche Verordnung über die in 1. genannten Vereinigungen hinaus durch die Hereinbeziehung bestimmter Arten von öffentlichen Sparkassen erweitert werden. § 3. Der Staat gewährt der Anstalt für die Dauer ihres Bestehens als Grund­ kapital eine Einlage von 5 Millionen Mark in 3prozentigen Schuldverschreibungen nach dem Nennwerte.

Weitere Bestimmungen des Gesetzes besagen: Die in § 2 genannten Genossenschaften können sich nach näherer Bestimmung der Aufsichtsbehörde an der Anstalt mit Vermögenseinlagen beteiligen. Diese Vorschrift hat eine eigenartige Anwendung gefunden, es haben sich Verbandskassen mit Kapitalbeträgen an der Preußischen Zentral-Genossenschafts Kasse beteiligt, die weit über das eigene Vermögen hinausgehen und daher nur durch Inanspruchnahme des Kredits gedeckt werden, während bei der Preußischen Zentral-Genossenschafts­ Kasse natürlich kein Bedürfnis vorhanden ist, auf diese Weise ihr Kapital zu vergrößern. Von dem Reingewinn der Anstalt bei Jahresabschluß wird zunächst die eine Hälfte zur Bildung eines Reservefonds, die andere zur Verzinsung der Einlagen bis zu 3 vom Hundert, ein etwaiger Überrest ebenfalls dem Reservefonds zugeführt. Sobald der Reservefonds ein Viertel der Einlagen beträgt, werden die Einlagen bis zu 4 vom Hundert verzinst, und der Überschuß an den Reservefonds abgeführt. Der Finanzminister als Aufsichts­ behörde erläßt die Geschäftsanweisungen für das aus drei auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern bestehende Direktorium und die Dienstinstruktionen für die Beamten der Anstalt. Dem Direktorium liegt die Verwaltung der Anstalt sowie deren Vertretung nach außen ob. Die Beschlüsse des Direktoriums erfolgen nach Stimmenmehrheit; das Direktorium ist an die Weisungen der Aufsichtsbehörde gebunden. Dem Direktorium steht als Beirat bei den Geschäften der Anstalt ein Ausschuß zur Seite, der unter Vorsitz deS Direktors der Anstalt mindestens einmal jährlich zusammentritt. Die in tz 3 dieses Gesetzes genannte staatliche Einlage wurde bisher durch zwei Gesetze erhöht: 1. das Gesetz vom 8. Juni 1896 (GS. S. 123 f.) besagt im § 1: Die der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse für die Dauer ihres Besteheus vom Staat als Grundkapital gewährte Einlage (§ 3 des Gesetzes vom 31. Juli 1895) wird auf 20 Millionen Mark erhöht.

Einleitung.

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Das Erhöhungskapital ist in bar oder in Schuldverschreibungen zum Kurswert zu überweisen.

Bezüglich des Reinertrages bestimmt dieses Gesetz, daß zunächst */B zur Bildung eines Reservefonds, 4/6 * * *zur Verzinsung der Einlagen bis zu 3 °/0 verwendet, ein etwaiger Überschuß ebenfalls dem Reservefonds zugeführt werden sollte. 2. § 1 des Gesetzes vom 20. April 1898 (GS. S. 67 f.) lautet: Die der Preußischen Zentral-Genossenschaste-Kasse für die Dauer ihres Bestehenvom Staate als Grundkapital gewährte Einlage wird auf 50 Millionen Mark erhöht. Das Erhöhungskapital von 30 Millionen Mark ist bar oder in Schuldver­ schreibungen zum Kurswert zu überweisen. Die Überweisung erfolgt in Hohe von 20 Millionen Mark alsbald; für den Restbetrag von 10 Millionen Mark bestimmt der Finanzminister den Zeitpunkt der Überweisung.

Getreu seinen Grundsätzen nahm der Schulze-Delitzschsche Verband gegen­ über diesen Gesetzen eine ablehnende Haltung ein. Auf dem Genossenschafts­ tage zu Augsburg 1895 nahm er auf Antrag des Anwalts Schenck eine Resolution einstimmig an, wonach den Genossenschaften des Allgemeinen Verbandes widerraten wurde, Zentralkassen zu dem Zwecke zu errichten, um mit der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse in Geschäftsverbindung zu treten. Von den anderen Verbänden hatte noch der Vereinstag ländlicher (Raiffeisenscher) Genossenschaften zu Kassel 1895 eine Resolution gefaßt, daß die „Raiffeisenschen Vereine gegenüber den Absichten der preußischen Regierung hinsichtlich Schaffung einer staatlichen Zentralkasse zur Regelung des Personalkredites für Landwirtschaft und Handwerk eine abwartende Haltung" beobachten?) Bereits im Juli 1897 aber betrug der von der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse beanspruchte Kredit 2400000 Mk?) Der Vereinstag des Allgemeinen Verbandes der deutschen landwirt­ schaftlichen Genossenschaften (Darmstadt) nahm 1895 zu Neustadt a/H. und 1896 zu Stettin Resolutionen des Anwaltes an, welche den Genossen­ schaften die geschäftliche Inanspruchnahme der Preußischen Zentral-Genossen­ schafts-Kasse empfahlen?) Auch wurde Ausdehnung des Geschäftsverkehrs derselben auf außerpreußische Zentralgenossenschaften erstrebt?) Auf dem Vereinstage zu Karlsruhe 1898 jedoch war die Stimmung gegenüber der „Preußenkasse" teilweise umgeschlagen. Es wurde von mehreren Seiten die Rückkehr zur „reinen Selbsthilfe" und die Bildung einer Reichs­ genossenschaftskasse empfohlen. Letztere ist im Frühjahr 1902 als e. G. nt. b. H. begründet, sie entstand durch einfache Statutenänderung aus einer Bezugsgenossenschaft. Zweck derselben ist: a) der Betrieb eines Großhandelsgeschäfts zum Zweck: 1. des gemeinschaftlichen Einkaufs von Verbrauchsstoffen und Gegen­ ständen des landwirtschaftlichen Betriebes; 2. des gemeinschaftlichen Verkaufs landwirtschaftlicher Erzeugnisie; 0 Landwirtschaftliches Genossenschafts-Blatt vom 20. Juni 1895 S. 62. *) A. a. O vom 7. Juli 1896 S. 52. *) Haas, Jahrbuch für 1895 S. 44, für 1896 S. 46. 4) Haas, Jahrbuch für 1897 S. 94.

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Genossenschaftsgesetz.

b) der Betrieb eines Speditionsgeschäfts zu diesem Behufe; c) der Betrieb eines Kredit- und Bankgeschäfts. Zwischen der Reichsgenossenschaftskasse und der Preußischen ZentralGenossenschafts-Kasse kam es bald zu einem Konflikt, der Ende 190t damit ausging, daß erstere auf jeden Geld- und Kreditverkehr mit preußischen Verbandskassen zugunsten der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse ver­ zichtete, dafür erhielt sie eine Kapitalbeteiligung zugesagt, die ihr eigenes Vermögen weit überstieg! Das Abkommen erhielt die Bezeichnung „Interessen­ gemeinschaft".^ Im Jahre 1907 trat an die Stelle der landwntschaftlicheu Reichsgenossenschaftsbank e. G. m. b. H. die Reichsgenossenschaftsbank Aktien­ gesellschaft zu Darmstadt mit einem Grundkapital von 2 Millionen Mark. Gegenstand des Unternehmens ist: 1. der Betrieb eines Großhandelsgeschäfts; 2. der Betrieb eines Bank-, Wechsel- und Kommissionsgeschäfts. Eine Jnteressengemeinschaft schloß die Preußische Zentral-Genossenschasts-Kasse auch später mit der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse zu Neuwied ab, als diese sich zur Deckung von Verlusten gezwungen sah, die Reserven abzuschreiben?) In Preußen wurden ferner durch die Gesetze vom 3. Dezember 1896 und vom 8. Juni 1897 für die Errichtung landwirtschaftlicher Ge­ treidelagerhäuser 3 und 2 Millionen Mark bewilligt. Diese staatlichen Lagerhäuser wurden an Kornhausgenossenschasten vermietet?) Tie Versuche sind nicht geglückt, und in einer im Frühjahr 1902 abgehaltenen Konferenz der Kornhausgenossenschasten hat der Vertreter des preußischen Landwirtschafts­ ministers erklärt, daß die Regierung für fernere Versuche nicht beabsichtige, weiteren Kredit zur Verfügung zu stellen?) Bayern, Hessen, Baden haben gleichfalls sich an der Gründung von Kornhausgenossenschasten beteiligt. Die Resultate waren vielfach so wenig befriedigend, daß die Kornhäuser an die Zentral-Darlehnskasse zu Neuwied verpachtet wurden! Die Kasse hat, wie der Geschäftsbericht für 1904 ergab, recht schlimme Erfahrungen gemacht und sich entschlossen, keinen weiteren Geschäftsverkehr mit Kornhausgenossenschasten zu pflegen. In Bayern war bereits durch Gesetz vom 11. Juni 1894 der Iw wesentlichen für die Vereine des Landesverbandes landwirtschaftlicher Dar­ lehnskassen bestimmten landwirtschaftlichen bayrischen Zentral-Darlehnskafle e. G. m. b. H. ein unverzinslicher Betriebsvorschuß von lOuOOO Mark gewährt worden. Sodann wurde eine staatliche Subvention von 2 Millionen Mark zu 3 °/o gewährt, die bald auf beinahe 4 Millionen Mark erhöht wurde. Es sind im ganzen für diese Kasse 4 bis 5 Millionen Mark aufgewendet. Ferner wurde durch Gesetz vom 17. Juni 1896 die Bayrische Land­ wirtschaftsbank e. G. m. b. H. gegründet; die staatliche Einlage betrug 2 Millionen Mark, wovon 1 Million unverzinslich, außerdem erhielt die Bank einen staatlichen nicht rückzahlbaren Spesenzuschuß von 60000 Mark, r) BlsG. 1904 S. 541. 2) BlsG. 1905 S. 411. 8) „Getreide-Absatzgenossenschaften" von Dr. Crüger (Heft 136 der „Volkswirt­ schaftlichen Zeitfragen" Berlin, 1896). 4) BlsG. 1902 S. 309; 1904 S. 13, 55, 78, 441; 1905 S. 120, 121, 236, 422, 435.

Einleitung.

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die staatliche Einlage stieg um weitere 2 Millionen Mark, zu 3 °/0 verzins­ lich, die Genossenschaft hat das Recht der Pfandbriefausgabe. Ihre Gründung ist um so ausfälliger, als das Hypothekenbankgesetz von 1899 den Geschäfts­ betrieb in der Form der Genossenschaft verbietet. Mit erheblicher staatlicher Subvention wurde im Jahre 1903 die Bayrische Zentralhandwerkergenossen­ schaftskasse e. G. m. b. H. für das Handwerk gegründet; im Jahre 1907 wurden die vom Staate zur Verfügung gestellten Gelder auf 1 Million Mark erhöht, verzinsbar mit 3 °/0. In Sachsen wurde bereits 1891 in Dresden die Landesgenossenschafts­ kasse mit einer staatlichen Einlage von 2 Millionen Mark gegründet, zum Zweck der billigen Kreditgewährung an die Genossenschastsverbände mit juristischer Persönlichkeit. Im Jahre 1899/00 wurden vom Staat weitere 3 Millionen Mark zur Verfügung gestellt, von denen 3/6 für landwirtschaft­ liche und \ für gewerbliche Genossenschaften bestimmt sein sollten. Die der Landwirtschaft zur Verfügung gestellten Mittel wurden von der „landwirt­ schaftlichen Zentralgenossenschaft" aufgenommen, aus der sich 1897 die Landes­ genossenschaftskasse für das Königreich Sachsen e. G. m. b. H. entwickelte. Die den Handwerkergenossenschaften zur Verfügung gestellten Kapitalien unterzu­ bringen war schwer wegen der Garantieen, die die Regierung forderte. Über die Bedingungen der Kreditgewährung vgl. BlfG. 1902 S. 356; 1904 S. 209, 427; 1905 S. 137; 1906 S. 563ff.; sie kamen auf eine vollständige Be­ vormundung der Genossenschaften heraus, die es sich gefallen lassen sollten, daß den Sitzungen des Vorstandes und Aufsichtsrats, den Generalversamm­ lungen ein Regierungskommissar beiwohnte. Genossenschaften kamen unter solchen Bedingungen nicht zustande. Endlich im Jahre 1905 konnte mit einigen wenigen Genossenschaften der Landesverband der Handwerkergenossen­ schaften im Königreich Sachsen begründet werden, dessen Aufgabe es vor allem war, eine Zentralgenossenschaftskasse zu errichten, die auch noch im gleichen Jahre entstand. Bereits in der zweiten Generalversammlung beklagten sich die Mitglieder über unzureichende Staatshilfe. Auch in Württemberg sind erhebliche Mittel gewährt. So hat die Zentralkasse der landwirtschaftlichen Genossenschaften e. G. m. b. H. 2 Millionen Mark zu 3 bis 3 */2 °/0 Zinsen erhalten. Förderung in ähnlicher Art erfuhren die landwirtschaftlichen Genossenschaften in Baden. Auch das Handwerkergenossenschaftswesen hat nicht unbedeutende Vergünstigungen erhalten. Für die Förderung des Handwerks besteht im Großherzogtum Hessen eine be­ sondere Gesellschaft, die „genossenschaftliche Aktiengesellschaft", deren Zweck im wesentlichen darin beruht, den Handwerkern zu günstigen Bedingungen Maschinen zu verkaufen. Die Gesellschaft ist auch gleichzeitig Beratungs­ stelle. Absicht ist, ihr auch das Gebiet der Beschaffung von Rohmaterialien zu überweisen?) ') Vgl. hierüber „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen" von Dr. HanS Crüger (Berlin 1907 S. 181 ff). Eine ähnliche Gesellschaft ist für die Rhein­ provinz geplant.

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Genossenschaftsgesetz.

IIL Der Begriff der Genossenschaft und die wichtigsten Neuerungen des Gesetzes vom 1. Mai 1889. Der Begriff der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschasten, welche das Gesetz vom 1. Mai 1889 behandelt, ist im § 1 bis auf eine geringfügige Abweichung ebenso bestimmt, wie im Gesetz vom 4. Juli 1868. Das preußische Genossenschaftsgesetz vom 27. März 1867 beabsichtigte, einer bereits vorhandenen, in der Gesetzgebung nicht berücksichtigten Klaffe von Gesellschaften Rechtsfähigkeit zu verleihen, und das norddeutsche Genossen­ schaftsgesetz vom 4. Juli 1868 bezweckte, dieses preußische Gesetz auf das ganze, einer gemeinsamen Gesetzgebung zugängliche norddeutsche Bundesgebiet auszudehnen. Die Gesellschaften, für die und auf deren Betrieb die deutschen Genossenschaftsgesetze erlassen wurden, waren untereinander sehr verschieden. Aber ihre Verschiedenheiten kamen wenig in Betracht, denn nicht auf die durch bestehende Genossenschaften repräsentierten Arten der Gesellschaften wurde das Gesetz beschränkt, sondern einer jeden Gesellschaft, die unter den im Gesetz aufgestellten Begriff der Genossenschaft fällt und den Erfordernissen des Gesetzes genügt, wurde es gestattet, die Rechte zu erwerben, welche das Genossenschaftsgesetz verleiht. Schulze-Delitzsch hatte seine Schöpfungen anfänglich „Assoziationen der Handwerker und Arbeiter" oder der „Arbeiter und des Kleingewerbes" benannt, erst auf Anregung des zweiten Kongresses deutscher Volkswirte (1859) erhielten sie den Namen „Genossenschaften". Die deutsche Bezeich­ nung hat sich unter den Vereinen selbst schnell als technische eingebürgert. Doch kehrte sich weder der allgemeine Sprachgebrauch noch die spätere Gesetzgebung daran, indem sie auch auf andere Vereinigungen den Namen anwendeten. In dem ersten Entwürfe zu einem Genossenschaftsgesetz hatte Schulze die Begriffsbestimmung dahin gefaßt: „Diejenigen Vereine, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels genossenschaftlichen Geschäfts­ betriebes bezwecken und wegen der unbeschränkten Zahl, sowie des stetigen Wechsels ihrer Teilnehmer nicht für geschlossene Sozietäten im Sinne der Gesetze erachtet werden können." Der zweite Vereinstag der Vorschuß- und Kreditvereine (Gotha 1860) genehmigte bei Beratung jenes Entwurfs diese Bezeichnung als erschöpfend und zweckmäßig. Sie ging auch über in den Gesetzentwurf „über die privat­ rechtliche Stellung der auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaften", welchen Schulze am 10. März 1863 dem preußischen Abgeordnetenhause vorlegte. Aber bei der Kommissionsberatung wurden zahlreiche Abänderungsanträge gestellt. Man fand, daß vom „genossenschaft­ lichen Geschäftsbetrieb" in einer Definition der Genossenschaft nicht geredet werden dürfe, und setzte dafür „gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb auf dem Wege der Selbsthilfe". Ein Antrag, neben dem Erwerb und der Wirtschaft der Mitglieder noch den Kredit als Gegenstand der bezweckten Förderung einzufügen, fand trotz Widerspruchs des Antragstellers und des zum Referenten bestellten Abgeordneten Parisius Annahme. Ebenso ein Antrag des letzteren,

Einleitung.

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eine allseitig als eigentümlich anerkannte Eigenschaft der bestehenden Genossen­ schaften durch die Worte „bei nicht geschlossener Mitgliederzahl" zu kenn­ zeichnen. So entstand in der Kommission die Definition: „Vereine, welche bei nicht geschlossener Mitgliederzahl die Förderung des Kredits, des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes auf dem Wege der Selbsthilfe bezwecken (Genossenschaften)." In dem von der preußischen Staatsregierung 1866 und 1867 dem Landtage vorgelegten Entwürfe ist die Definition im wesentlichen beibehalten. Nur die Worte „auf dem Wege der Selbsthilfe" blieben fort. „Die im § 1 enthaltene Definition der Genossenschaft", hieß es in den Motiven, „schließt durch das darin aufgenommene Merkmal, wonach die Förderung des Kredits usw. der Vereinsmitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb bezweckt werden muß, diejenigen Vereine, welche den Charakter von Wohl­ tätigkeitsinstituten an sich tragen (Unterstützungskassen usw.) von der Kategorie der Genossenschaften aus, ohne daß es zu diesem Zweck noch der juristisch jedenfalls unklaren Bezeichnung der Genossenschaft, als auf ,Selbsthilfe* be­ ruhend, bedarf." Bei den Beratungen im preußischen Landtage von 1866 und 1867 und in den Kommissionen desselben sind Versuche, die Definition abzuändern, nicht mehr gemacht worden. Die Definition des preußischen Genossenschafts­ gesetzes ist sodann in buchstäblicher Übereinstimmung in das norddeutsche Genossenschaftsgesetz übergegangen. Nach derselben findet eine Beschränkung der Genossenschaft auf bestimmte Volksklassen, wie „den kleineren und mittleren Gewerbestand", nicht statt. Auch in Ansehung des Gegen­ standes des Unternehmens ist völlige Freiheit gelassen; alles was sich zum Gegenstand einer geschäftlichen Erwerbstätigkeit eignet, kann auch den Gegen­ stand eines genossenschaftlichen Unternehmens bilden; über Beschränkung vgl. S. 20. Der Entwurf des neuen Genossenschaftsgesetzes behielt in dem unver­ ändert angenommenen Eingang des § 1 die bisherige Begriffsbestimmung der Genossenschaften bei, nur wurden die überflüssigen Worte „des Kredits" aus zutreffenden Gründen gestrichen. Eine Erweiterung des Begriffs hat also das neue Gesetz den Genossen­ schaften nicht gebracht. Der Entwurf desselben wurde, wie der Anwalt Schenck im Reichstage in der ersten Beratung hervorhob, in den genossen­ schaftlichen Kreisen freudig begrüßt, weil er Berechtigung, Bedeutung und Leistungen der deutschen Genossenschaftsbewegung in vollem Maße anerkannte, weil er bestrebt war, den wirklichen Bedürfnissen der Genossenschaften zu genügen und in der Tat eine Fortbildung des Genoffenschaftsrechts enthielt. Die von Schulze-Delitzsch gestellten Anträge und die Wünsche der Genossen­ schaften waren in großer Zahl berücksichtigt. Viele Bestimmungen wurden als wesentliche Verbesserungen des Gesetzes vom 4. Juli 1868 auch von denjenigen gewürdigt, die wie der Allgemeine Vereinstag zu Erfurt (1888) daneben eine Reihe von Bestimmungen als nicht vereinbar mit dem Wesen und der rechtlichen Stellung der Genossenschaften, ja als schädlich für ihre gedeihliche Fortentwickelung bezeichneten.

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Genossenschastsgesetz.

Rechtliche und wirtschaftliche Natur der Genossenschaft sind bestimmend für die Anwendungsmöglichkeit der genossenschaftlichen Organisation?) Der Reichstag hat sich bei der Mehrzahl der streitigen Bestimmungen auf die Seite des Entwurfs gestellt, er hat mehrere wesentliche Verbesserungen desselben, aber auch einzelne Änderungen vorgenommen, die nicht als Ver­ besserungen anerkannt werden können. Wir wollen an dieser Stelle die drei wichtigsten Neuerungen des Gesetzes besprechen.

A. Die neue Ordnung der Haftpflicht der Genossen: die Zu­ lassung der Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht und die Bestimmungen über den Vollzug der Haftpflicht. 1. Die Haftpflicht?) Die ersten von Schulze-Delitzsch begründeten Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaften, Vorschubvereine und Rohstoffassoziationen unbemittelter Arbeiter und Handwerker, lagen im Geltungsgebiet des Preußischen Allgemeinen Landrechts. Für Arbeiter und Handwerker, die Schulze lehrte, sich durch Zusammenschluß und gegenseitige Verbürgung als Vielheit kreditfähig zu machen, war die wirtschaftlich beste Kreditbasis die unbeschränkte Solidarhaft, als die denkbar größte Garantie für Gläubiger. Diese Haftform war aber auch die einzig mögliche, unter die sich die Genossenschaften stellen konnten. Korporationsrechte konnten in Preußen nur konzessionierten Ge­ sellschaften erteilt werden, die sich zu einem fortdauernden gemeinnützigen Zwecke gebildet hatten. Die erlaubte Privatgesellschaft des preußischen Landrechts ließ nur die unbeschränkte Solidarhast zu. „Die Mitglieder waren in direkter, solidarischer und unbeschränkter, sogar prinzipaler Weise den Gläubigern verhaftet. Jeder einzelne Genosse konnte statt der Ge­ nossenschaft selbst sofort von den Gläubigern derselben in Anspruch genommen werden" (Begr. I. 46). Auch im Gebiete des gemeinen Rechts zwang der damalige Rechtszustand zu der gleichen Haftbasis. Es bot sich als Gesellschaftsform nur die Sozietät, in der die Mitglieder nach außen hin durch einen Bevollmächtigten handeln konnten, der sie im Namen der er­ teilten Vollmacht unbeschränkt solidarisch verpflichtete. Ein Vermögen der Genossenschaft, oder gar die Rechtspersönlichkeit derselben, wurde von der Rechtsprechung damals in der Regel nicht anerkannt. An diesem Rechts­ zustande änderte auch die Einführung des Handelsgesetzbuchs nichts, denn dasselbe hatte die Genossenschaften unberücksichtigt gelassen und die Form der offenen Handelsgesellschaft eignete sich für dieselbe wegen ihres wechselnden Mitgliederbestandes nicht. Mit der Genossenschaftsgesetzgebung der Jahre 1867 und 1868 erlangten die Genossenschaften Rechtspersönlichkeit, sofern sie sich „unter das *) „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen" von Dr. Hans Crüger, S. 26 ff., 352 ff. 2) Vgl. den Aufsatz von Dr. Crüger: Die Zulassung der Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht durch das Genossenschastsgesetz vom 1. Mai 1889, in dem Archiv für öffentliches Recht (Freiburg t. Br. und Leipzig) 1894 S. 389—455; ferner die Aufsätze in BlfG. 1892 Nr. 41, 1893 Nr. 13 und 15.

Einleitung.

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Gesetz stellten"; die allein zulässige Hastbasis blieb die unbeschränkte Solidarhaft mit der infolge des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit notwendig ge­ wordenen Abschwächung, daß der Gläubiger nur wegen des im Genossen­ schaftskonkurse erlittenen Ausfalls einen Genossen in Anspruch nehmen konnte, die Mitgliedschaft also aus einer Prinzipalen zu einer subsidiären bürgschaftsähnlichen Haftpflicht umgestaltet war; s. Vorbemerkung zu § 105. Hiervon abweichend war die Haftpflicht der Genossen in zwei deutschen Landesgesetzen geregelt, die kurz vor und nach dem Bundesgesetz erlassen waren. In dem sächsischen Gesetz vom 15. Mai 1868 war den Genossen­ schaften die Befugnis gegeben, in dem Statut die Art der Haftung der Mitglieder zu bestimmen, insbesondere die unbeschränkte oder direkte Haft auszuschließen. Durch das Gesetz vom 25. März 1674 wurden aber die auf die Genossenschaften bezüglichen Bestimmungen des Gesetzes aufgehoben. Das bayerische Genossenschaftsgesetz vom 29. April 1869 ließ neben den Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht, den eingetragenen Genossen­ schaften, die sogenannten „registrierten Gesellschaften mit beschränkter Haft­ pflicht" zu. Bei ihnen haften die Mitglieder nur mit einer bestimmten Einlage und wiederkehrenden Beiträgen bis zu einer bestimmten Höhe. Der Geschäftsanteil des ausgeschiedenen Mitgliedes „und das sonst demselben auf Grund des Gesellschaftsvertrages gebührende Guthaben" werden ihm erst nach Erlöschen der zweijährigen Haftung ausbezahlt?) Durch Gesetz vom 23. Juni 1873 ist das Gesetz außer Kraft getreten, an dem Fort­ bestand der in sehr geringer Zahl vorhandenen registrierten Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht (19 zurzeit) wurde jedoch hierdurch nichts geändert, und es ist dies auch durch das Gesetz vom 1. Mai 1889 nicht geschehen. In Deutschland gelangte das Prinzip der unbeschränkten Solidarhaft in der Gesetzgebung zur ausschließlichen Herrschaft, — nicht aber in irgend­ einem außerdeutschen Staate (Begr. I 48ff., II 34ff.). In England, wo bis 1862 die unbeschränkte Haftpflicht galt, wurde durch Gesetz vom 7. August 1862 die auf den Geschäftsanteil beschränkte Haftpflicht eingeführt. In Frankreich lassen die von den soci&es ä Capital variable handelnden §§ 38—65 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 in der Fassung des Ab­ änderungsgesetzes vom 1. August 1893 den Genossenschaften freie Wahl, Regel wurde in den Städten die auf den Geschäftsanteil beschränkte Haft­ pflicht, auf dem Lande die unbeschränkte Haftpflicht. Es gelten für die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften zwei Spezialgesetze: Das Gesetz vom 5. November 1894 für die landwirtschaftlichen Darlehnskaffen (caisses locales) und das Gesetz vom 31. März 1899 für die Provinzial- bezw. Zentralkaffen (caisses regionales). Das italienische Gesetz vom 2. April 1882 hat die gleichen Grundsätze wie das französische. Es bildeten sich auch in Italien die ländlichen Darlehnskaffen mit unbeschränkter Haftpflicht. Das belgische Gesetz vom 18. Mai 1873 geht prinzipaliter von der unbeschränkten Solidarhaft aus, überläßt es aber den Genossenschaften, im Statut eine andere Hastform zu bestimmen. Das Gleiche ist der Fall nach dem portu­ giesischen Gesetze vom 2. Juli 1867, dem niederländischen Gesetze J) Art. 73—75 des Gesetzes vom 29. April, abgedruckt bei Parisius a. a. O. S. 429. Daselbst sind auch das sächsische und das österreichische Gesetz abgedruckt.

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Genossenschaftsgesetz.

vom 17. November 1867, dem schweizerischen Bundesgesetze vom 14. Juni 1881. Das österreichische Gesetz vom 9. Avril 1873 sieht Genossenschaften mit unbeschränkter rote mit beschränkter Haftpflicht vor; bei letzterer haften die Mitglieder außer mit den Geschäftsguthaben noch persönlich mit einem statutarisch festgesetzten Betrage, der nicht niedriger als der Geschäftsanteil angenommen werden darf. In Deutschland fanden nach Erlaß des norddeutschen Gesetzes vom 4. Juli 1868 Schulze und seine genossenschaftlichen Freunde zunächst ihre Hauptaufgabe darin, die in Norddeutschland erzielte Rechtseinheit auch auf Süddeutschland auszudehnen und gleichzeitig die bestehenden Genossenschaften Norddeutschlands zu veranlassen, sich dem Gesetze zu unterstellen. Schwierig­ keiten erhoben vielfach die Konsumvereine, die, wenn sie nur gegen bar ver­ kauften, außer den ihnen überreichlich zufließenden freiwilligen Spareinlagen der Mitglieder, keines fremden Kapitals bedurften. Doch versöhnten sie sich mit der für sie bei redlicher Geschäftsführung ungefährlichen Solidarhaft, da sie als ein geringes Opfer erschien gegenüber dem großen Vorteil der Er­ langung der zum Ankauf eines eigenen Grundstücks und zur Prozeßführung kaum entbehrlichen Rechtspersönlichkeit. Etwas nachhaltiger war der Widerstand der beiden damals abseits der Schulzeschen Vereinigung stehenden Konsumvereinsverbände im Geltungs­ bereich des sächsischen und des bayerischen Gesetzes, beziehungsweise außerhalb des Bereichs des norddeutschen Gesetzes, des sächsischen und des süd­ deutschen Verbandest) Verstärkt wurden die Schwierigkeiten durch einen Beschluß des deutschen Juristentages vom August 1869. Auf einen Antrag von Professor Goldschmidt erklärte er zwar für wünschenswert, daß für die Verpflichtungen der Genossenschaft jeder einzelne Genosse solidarisch und mit seinem ganzen Vermögen einstehe, es stehe jedoch prinzipiell der Bildung von Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht und freiem Austritt der Genossen nichts entgegen, sofern dafür Sorge getragen werde, daß dem Genossenschafts­ gläubiger ein jederzeit bestimmtes und bekanntes Minimalkapital haftet. Der Krieg von 1870/1871 brachte mit der deutschen Einigung auch das gemeinsame deutsche Genossenschaftsrecht durch Ausdehnung des norddeutschen Gesetzes vom 4. Juli 1868 auf Süddeutschland. Vom 1. August 1873 an konnten sich in Deutschland nur Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht bilden. In den nächsten Jahren befestigte sich in- und außerhalb der genossenschaftlichen Kreise die Meinung, daß die unbeschränkte Solidarhaft die notwendige und ausschließliche Grundlage der Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaften sein müsse. Erst sehr allmählich vollzog sich ein Umschwung in den Anschauungen. Es wirkten dahin vornehmlich die Zusammenbrüche großer Kreditgenossen­ schaften, bei denen die Mitglieder aus der Solidarhaft in Anspruch genommen *) über die Beschlüsse dieser Verbände vom Mai 1^69 und deren Bedeutung sind richtigstellende Mitteilungen S. 27u und 277 der BlsG. 1886 in dem Aufsatze von Parisius: Zur Frage der Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haft Nr. 44—48 zu finden. Zu vergleichen auch der Aufsatz von Parisius in Nr. 39—42 „Der deutsche Jurtstentag und die beschränkte Haft der Mitglieder eingetragener Ge­ nossenschaften".

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wurden. Zwar war, wie noch der Allgemeine Vereinstag in Stuttgart (1879) erklärte, aus den bei einzelnen Genossenschaften vorgekommenen schweren Un­ fällen kein Grund zur Änderung der Überzeugung herzuleiten, „da diese Unfälle lediglich durch Vernachlässigung der im Gesetz selbst gegen die Gefahren der Solidarhaft gegebenen Schutzmittel, sowie durch ein den ersten Grundsätzen geordneter Geschäftsführung widersprechendes Gebühren und Nichtbeachtung aller Warnungen und Ratschläge entstanden", allein durch Resolutionen läßt sich das Mißtrauen nicht beseitigen. In der Tat haben Zusammenbrüche „in einzelnen Fällen den Charakter wahrer Kalamitäten für die davon betroffenen Bezirke angenommen, Vertrauen und Sicherheit im gewerblichen Verkehr untergraben und denselben ernstlich geschädigt. Nicht bloß der Umfang der vom einzelnen zu tragenden Verluste, sondern namentlich die Unbestimmtheit und Unübersehbarkeit derselben und die andauernde Besorgnis, aus der Zahl der Genossen von den Gläubigern allein herausgerissen zu werden, haben hierbei verderblich gewirkt. Die weniger Gewissenhaften begannen durch Scheingeschäfte und betrügliche Vermögensübertragungen sich der bevorstehenden Inanspruch­ nahme zu entziehen, und schließlich unterlagen auch die Pflichtbewußteren, nunmehr doppelt gefährdet, nicht selten der Versuchung zu ähnlichen Mani­ pulationen". (Begr. I 55, II 38). Daß solche Mißstände Wohlhabende von der Beteiligung an Genossen­ schaften abschrecken mußten, ist nicht zu verwundern. Da nun in der Tat auch ganze Klaffen von Genossenschaften (Konsumvereine, Werkgenossenschaften, Magazinvereine) nur wenig Kredit bedurften, und da ferner sich durch die allmähliche Beteiligung der Landwirtschaft an der genossenschaftlichen Bewegung neue Bahnen für dieselben eröffneten, so war es nicht gerechtfertigt, dagegen zu opponieren, wenn neben den Genossenschaften mit unbeschränkter Solidar­ haft auch Genossenschaften mit beschränkter Solidarhaft in Nachahmung des österreichischen Gesetzes zugelassen wurden. Schon auf dem Vereinstage zu Altona (im August 1880) hatte SchulzeDelitzsch einen Ausspruch beantragt, wonach es unter Umständen für zulässig zu erachten, daß ..neben den nach wie vor nur auf der unbeschränkten Solidarhaft beruhenden Genossenschaften noch eine zweite Klasse ebenfalls mit solidarer persönlicher, aber durch eine bestimmte Summe für jeden einzelnen Genossen begrenzter Haft zugelassen werden könne". Als nun am 29. April 1881 Freiherr v. Mirbach im Reichstag einen von sämtlichen Mitgliedern der deutschkonservativen Fraktion unterstützten Antrag einbrachte, welcher eine den Bestimmungen des österreichischen Gesetzes nachgebildete Zusatznovelle betreffend Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht enthielt, trat Schulze dem Antrage keineswegs entgegen, sondern veranlaßte den Antragsteller, daran einige notwendige Verbesserungen vorzunehmen, namentlich eine dem Wesen und Zweck der Genossenschaften widerstreitende Bestimmung, wonach die Haftbeträge deponiert werden sollten, zu beseitigen?)

*) Über die Einzelheiten dieser Entwickelung s. die bereits zitierten Aufsätze von Parisius in den BlfG. von 18*6, Crüger im Archiv für öffentliches Recht; ferner Goldschmidt: Erwerbs- und Wirtschaftsgenoffenschaften. Studien und Vorschläge S. 7uff.; Schulze-Delitz'ch: Material zur Revision des Genoffenschaftsgesetzes S. 65ff.; Herz: Die Novellen und Anträge zum Genoffenschaftsgesetz S. 135 ff.

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Genossenschaftsgesetz.

Schulze besprach in seiner letzten Schrift „Material zur Revision des Genossenschaftsgesetzes" (1883) den Antrag Mirbach. Stets habe er auf das entschiedenste bekämpft die Beschränkung der Haft auf die Geschäftsanteile, welche die Genossenschafter jederzeit beim Austritt zurückziehen könnten, so daß überhaupt die Gläubiger das Nachsehen hätten. Dem werde entschieden auf dem Wege der beschränkten Garantiehaft vorgebeugt, für welche zuerst Professor Goldschmidt auf dem deutschen Juristentage zu Heidelberg (Ende August 1869) aufgetreten sei. Und so handle es sich für ihn nicht um das Aufgeben einer alten Gegnerschaft. „So entschieden wir in den 50er und 60er Jahren bei Beginn der Bewegung durch die wirtschaftliche und Vermögenslage der Beteiligten an die unbeschränkte Haft gebunden waren und von der Gesetzgebung nichts anderes zu erwarten stand, so entschieden drängt die ganze Entwicklung der letzten Jahre zur Zulassung der beschränkten Haft als einer gewissen Konsequenz hin." Im einzelnen trat Schulze den vom Professor Goldschmidt in seiner Ende 1881 erschienenen Schrift für das Gesetz formulierten Hauptpunkten bei. Äußere Unterscheidbarkeit der neuen Genossenschaften, Publizität des Haftungsbetrages, Haftung jedes Genossen mit einer dem Geschäftsanteil mindestens gleichkommenden Garantiesumme, subsidiäre Gestaltung der gesetz­ lichen Garantiehaft, Garantiehaft als modifiziert solidare Haftbarkeit, Unzulässigkeit der Kündigung der Geschäftsanteile waren die wesentlichsten Erfordernisse, welche Goldschmidt und mit ihm Schulze-Delitzsch an die Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht stellten. Das neue Gesetz ist diesen Anforderungen durchweg nachgekommen. Nach demselben gelten im allgemeinen die gleichen Bestimmungen für Genossen­ schaften mit unbeschränkter und beschränkter Haftpflicht. Es enthalten nur die §§ 119—123 Sonderbestimmungen für die erstere und §§ 131—142 solche für die letztere Gattung. Bei den Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht ist die Haftung nicht bloß auf das Geschäftsguthaben beschränkt, sondern der Genosse hat darüber hinaus noch mit der „Haftsumme" für die Verbindlichkeiten der Genossen­ schaft einzustehen. Diese Haftsumme muß durch das Statut bestimmt werden und darf nicht niedriger als der Geschäftsanteil sein (§ 131). Der wesent­ liche Unterschied zwischen beiden Genossenschaftsarten liegt also darin, daß bei der „unbeschränkten Haftpflicht" der Genosse eventuell persönlich mit seinem ganzen Vermögen'für die Ve» Kindlichkeiten der Genossenschaft haften muß, während bei der Genossenschaft mit „beschränkter Haftpflicht" diese persönliche Haftpflicht eine begrenzte ist. Besonderheiten der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht find hauptsächlich, daß a) das Statut den Erwerb mehrerer Geschäftsanteile gestatten darf (§ 134), wobei sich aber die persönliche Haftung mit dem Erwerb jedes weiteren Geschäftsanteils auf das der Zahl der Geschäftsanteile entsprechende Vielfache der Haftsumme erhöht (§ 135); b) das Konkursverfahren auch bei bestehender Genossenschaft außer dem Falle der Zahlungsunfähigkeit in dem Falle der Überschuldung stattfindet, sofern diese ein Vierteil des Betrages der Haftsummen aller Genossen über­ steigt (§ 140).

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Die Folgen der Zulassung der Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht sind für die Genossenschaftsbewegung ganz außerordentliche gewesen. Nicht zu verkennen ist, daß die Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht für die Entwicklung solcher Genossenschaften, welche der unbeschränkten Haftpflicht der Mitglieder für die Befriedigung des Kreditbedürfnisses der Genossenschaft entbehren können, von großer Bedeutung geworden ist und wesentlich zu deren Ausbreitung und Entwicklung bei­ getragen hat, so z. B. für Konsumvereine und Baugenossenschaften; anderer­ seits hat die Zulassung dieser Haftart zu Gründungen der allerzweifelhaftesten Natur geführt, es sind Genossenschaften mit lächerlich geringen Geschäftsanteilen und Haftsummen begründet, die nach dem Statut die weitgehendsten wirtschaft­ lichen Aufgaben verfolgen, daneben sind Genossenschaften gebildet mit kleinsten Ge­ schäftsanteilen und außerordentlich großer Haftsumme, die offensichtlich im um­ gekehrten Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Mitglieder steht. Würde da jemand die zulässige Höchstzahl der Geschäftsanteile übernehmen, so würde seine Haftsumme sich vielleicht auf eine volle Million Mark berechnen. Die statistischen Veröffent­ lichungen über Geschäftsanteile undHaftsummen bieten hierüber wichtiges Material. Es ist heute, da die Möglichkeit besteht, sich der Genossenschaft mit be­ schränkter Haftpflicht zu bedienen, natürlich schwieriger für Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht, Mitglieder zu gewinnen, als zu der Zeit, in der dies die einzig zulässige Haftart war. Die Versuchung ist groß, auch dort zur beschränkten Haftpflicht zu greifen, wo eine breite Kreditbasis der Genossenschaft notwendig ist. Ein Blick auf die S. 9 mitgeteilte Statistik ergibt aber, daß doch bei jenen Genossenschaften, wie z. B. den Kreditgenossen­ schaften, die auf einen großen Kredit angewiesen sind, die unbeschränkte Haft­ pflicht noch immer bei weitem die bevorzugte Haftart ist. Dies wird geflissentlich übersehen, wo man schon auf die Existenz einer Genossenschaft glaubt Gewicht legen zu müssen. Versagt dann diese Kreditbasis, so kommen die „Genossen­ schafter" zu dem Schluß, daß die „Selbsthilfe" keinen gangbaren Weg dar­ stelle, während doch tatsächlich nur eine falsche Kreditgrundlage gewählt ist. Jedenfalls zeigt die Gestaltung des Genossenschaftswesens, wie richtig SchulzeDelitzsch gehandelt hat, als er für die ersten Jahrzehnte der Genossenschafts­ bewegung an der alleinigen Zulassung der unbeschränkten Haftpflicht festhielt. Nur auf dieser Grundlage war die einheitliche starke Gestaltung des Genossen­ schaftswesens möglich, die das Fundament für das heutige Genossenschafts­ gebäude abgegeben hat. Man mag heute mit Genugtuung hinweisen auf den Bestand von 26000 Genossenschaften, nicht immer ist die Gründung Beweis für die Betätigung genossenschaftlichen Sinns und Denkens, denn wenn die Mitglieder nur eine unbedeutende Haft zu übernehmen haben, Einrichtungskosten und Betriebsgelder vom Staate hergegeben werden, dann ist es leicht, Genossenschaften zu gründen. Das sind dann aber freilich mehr Wohltätigkeitsanstalten als Erwerbsgenossenschaften. Das letzte Jahrzehnt stellt eine Hochflut auf dem Gebiete des Genossenschafts­ wesens dar (vgl. die Vorworte in den Jahrbüchern des Allgemeinen deutschen Genossenschaftsverbandes für 1901 u. ff.), beeinflußt durch die staatliche Förderung, die zur Gründung von Tausenden von Genossenschaften geführt hat, und beeinflußt ferner durch übertriebene Zentralisationsbestrebungen; der innere Wert dieser Gründungen ist in der Regel ein sehr geringer. Parisins-Criiger, Genossenschaftsgesetz. 6. Stuft.

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2. Der Haftvollzug. Die Vorschriften des Gesetzes vom 4. Juli 1868 über den Hastvollzug, die Geltendmachung der Haftpflicht (vgl. die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung derselben in der Vormerkung zu § 105) hatten sich „als der Verbesserung dringend bedürftig erwiesen. Die für die Verwirklichung der Haftpflicht gegebenen Formen und Mittel genügten weder, um die Interessen der Gläubiger, noch um diejenigen der Genossen zu wahren" (Begr. II S. 40). Bis zur Vorlegung des neuen Entwurfs fanden die auch vom Professor Goldschmidt gebilligten Vorschläge Schutzes allseitige Zustimmung der Ge­ nossenschaften. Schulze wollte zunächst das Vorverfahren des § 48 zur Abwendung des Konkurses durch Einführung eines durch die Liquidatoren zu bewirkenden Umlageverfahrens behufs Verteilung der von einzelnen Ge­ nossen zur Deckung des Fehlbetrags eingezahlten Beträge vervollständigen *) und sodann der Generalversammlung das Recht geben, in jeder Lage des Konkurses ein Umlageverfahren zur völligen oder teilweisen Deckung der Ausfälle der Gläubiger zu beschließen. Bei diesen und anderen von ihm vorgeschlagenen Verbesserungen des Umlageversahrens hielt Schulze-Delitzsch für unbedenklich, den Gläubigern, deren Befriedigung gesichert sei, das Vor­ gehen gegen den einzelnen, den Einzelangriff, zu entziehen. Auf den Fortfall des Einzelangriffs legte Schulze großen Wert zur Beseitigung „der unsäglichen Härten und Verwirrungen", die entstehen, wenn „der einzelne Herausgegriffene seinerseits auf Hunderte, ja Tausende von Regreßprozessen zu anteiliger Wiedereinziehung des für alle gemachten Verlags angewiesen ist". Die Schwierigkeiten, welche bei Beseitigung des Einzelangriffs sich für die Haftpflicht der ausgeschiedenen Mitglieder ergeben, die für alle bis zu ihrem Ausscheiden von der Genossenschaft eingegangenen Verbindlichkeiten bis zum Ablauf der Verjährung gleich den übrigen Genossen haftbar sind, kamen bei Schulze weniger in Betracht, weil er annahm, daß die ausgeschiedenen Genossen schon nach dem Gesetze von 1868 wegen der bei ihrem Ausscheiden vorhandenen Schulden am Umlageverfahren gleich den übrigen zu beteiligen seien, ohne einen Rückgriff an die Genossenschaft oder die Genossen zu haben.*) Der neue Entwurf brachte für Genossenschaften mit unbeschränkter und mit beschränkter Haftpflicht das gleiche Verfahren in Vorschlag. In der Be­ gründung (II 40) heißt es: „Der Hauptmangel des jetzigen Gesetzes liegt in dem Zeitpunkt, in welchem das sogenannte Umlageveriahren eingeleitet wird. Dasselbe tritt erst am Ende des Konkurses, „wenn der Schlußverieilungsplan feststeht", also fast gleichzeitig mit der Zulassung des direkten Einzelangriffs ein, und während der ganzen Dauer des Konkursverfahrens geschieht nichts zur Deckung des Defizits, nichts, um dem Zugriff der Gläubiger zuvor­ zukommen. Das neue Gesetz hat vor allem dafür zu sorgen, daß das zur Aufbringung der erforderlichen Beiträge dienende Verfahren unverzüglich nach der Eröffnung des Konkurses beginne. In diesem Zeitpunkt ist zwar der sch liebliche Ausfall der 0 Ein entsprechender Antrag ist in der Reichstagskommission abgelehnt, vgl. Vorbemerkung zu § 9*. 2) Gegen die entgegengesetzte Ansicht von v. Sicherer und ParisiuS schrieb er den Aufsatz: Die Heranziehung ausgeschiedener Genossenschafter zur Deckung der Schulden einer eingetragenen Genossenschaft in „Streitstagen im deutschen Genoffenschaftsrecht" (Leipzig 1880), S. 28—42. Das Reichsgericht trat ihm aber nicht bei.

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Gläubiger und daher der Betrag, welchen jeder Genosse nachzuschießen hat, noch nicht genau zu übersehen. Aber als Grundlage für das aufzubringende Defizit kann zu­ nächst die Bilanz des Konkursverwalters dienen, und es kann auf Grund einer vor­ läufigen Berechnung (Vorschubberechnung) von den Mitgliedern die Einziehung der Beiträge, erforderlichenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung, erfolgen. Auch sind schon in diesem Stadium des Verfahrens die uneinbringlichen Beiträge unter die zahlungsfähigen Genossen zu verteilen und von ihnen beizutreiben. Sobald dann feststeht, welche Gläubiger im Konkurse berücksichtigt werden, und welchen Betrag der Ausfall erreicht, den sie erleiden, muß durch eine definitive Berechnung (Nachschub­ berechnung) der endgültige Betrag der von den Genossen zu leistenden Nachschüsse fest­ gestellt, und ferner unverzüglich aus den vorgeschossenen und eventuell noch weiter einzuziehenden Beträgen die Befriedigung der Gläubiger herbeigeführt werden. Um den Gläubigern die ihnen zuzubilligende Einwirkung auf die Feststellung und Einziehung der von den Genossen zu leistenden Beiträge zu sichern, darf das Verfahren nicht wie bisher dem Vorstände, unabhängig vom Konkursverwalter, sondern mub dem letzteren übertragen werden, unter der Beaufsichtigung des Konkursgerichis und Mitwirkung der Gläubiger in den durch die Konkursordnung gegebenen Schranken."

Die Nachschußpflicht wurde „als eine selbständige Verbindlichkeit der Genossen gegenüber der Genossenschaft und demnach der Anspruch auf die Nachschüsse als ein Bestandteil des Vermögens derselben behandelt, der aller­ dings in seiner Entstehung durch den Eintritt des Konkurses bedingt und in seinem Umfang durch dessen Ausgang begrenzt erscheint". Das Nachschuß­ verfahren wurde nun ein selbständiger und besonders geordneter Teil des Konkursverfahrens. Der direkte Angriff des Gläubigers gegen den einzelnen Genossen wurde aufrecht erhalten, aber erst in einem Zeitpunkt zugelassen, zu welchem bei ordnungsmäßiger Durchführung des Vorschuß- und Nachschußverfahrens die Befriedigung der Gläubiger in der Hauptsache erfolgt sein muß. Der Ge­ nosse, der einen Gläubiger befriedigen mußte, tritt sofort in dessen Rechte, braucht keinerlei Regreßprozesse anzustellen, sondern macht seine Rechte in dem bis zu seiner vollen Befriedigung durchzuführenden Nachschußverfahren geltend. Der Einzelangriff wurde für notwendig erachtet, weil die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß auch ein verbessertes Nachschußverfahren zur Befriedigung der Gläubiger nicht führt, obgleich leistungsfähige Genossen vor­ handen sind; falls eine Anzahl derselben es versteht, sich ihrer Beitrags­ pflicht zu entziehen, müsse dem einzelnen Gläubiger die Wahrung seiner Rechte selbst in die Hand gegeben werden, außerdem sei es nur in dieser Form möglich, die subsidiäre Heranziehung der ausgeschiedenen Genossen zur Zahlung älterer Genossenschaftsschulden richtig durchzuführen, da für sie im Nachschußverfahren kein Platz sei. Nach der Veröffentlichung des Entwurfs entstand unter den Genossen­ schaften über die Frage der Beibehaltung oder des gänzlichen Fortfalls des Einzelangriffs eine lebhafte Bewegung/) die schließlich in Petitionen, Auf­ sätzen, Broschüren zum Ausdruck gelangte. *) Man vgl. über die einschlägigen Fragen Schulze-Delitzsch: Material zur Revision usw. S. 98ff., 38ff.; Goldschmidt: Erwerbs- und Wirtschastsgenossenschaften S. 41 ff; Dr. Richard Schultze: Umlageverfahren und Einzelangriff; Goldschmidt: Die Haftpflicht der Genossen und das Umlageverfahren; Ludolf Parisius: Die Haftpflicht

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In den Verhandlungen der Reichstagskommission nahmen die Er­ örterungen über diese Streitfrage einen breiten Raum ein (KommBer. S. 49 — 54). Die Beibehaltung des Einzelangriffs nach den Vorschlägen des Entwurfs wurde ebenso lebhaft verteidigt wie bekämpft. Man war einig, daß es sich dabei in erster Linie um eine Frage der Zweckmäßigkeit handle. „Zur Ausgleichung der hervorgetretenen Gegensätze" — es waren von 1157 Genossenschaften Petitionen gegen die Einzelhaft beim Reichstage ein­ gegangen — wurden Abänderungsanträge gestellt, nach welchen das Statut die Zulassung des Einzelangriffs sollte bestimmen können und die Haftpflicht ausgeschiedener Genossen durch ein besonderes Nachschußumlageverfahren zur Deckung eines ungedeckten Fehlbetrages zu regeln sei. Die Regierungsvertreter hielten zwar an dem Entwurf fest, erklärten aber, wenn die Kommission gegen die Bestimmungen desselben über den Einzelangriff Bedenken trage, so müsse man

„nicht die eventuelle Zulassung, sondern den Ausschluß des Einzelangriffs durch Statut gestatten. Dann bleibe das Prinzip des Einzelangriffs an sich bestehen, könne aber durch das Statut in Wegfall kommen. Es würde dann die Errichtung einerneuen Art von Genossenschaften gestattet werden, welche im Statut ausdrücklich erklärten, daß die direkte Haftpflicht der einzelnen Genossen gegenüber den Gläubigern ausgeschloffen und behufs Bestiedigung derselben die Genossen nur zu Nachschüssen an die Genossenschaft verpflichtet fein sollen, und welche in ihre Firma den Zusatz: »eingetragene Genossenschaft mit Nachschubpflicht* aufnähmen" (KommBer. S. 52). Diesen Ausführungen trugen nun neue Anträge Rechnung. Allein die­ selben wurden in der ersten Lesung der Kommissionen mit 13 gegen 12 Stimmen abgelehnt. Vor der zweiten Lesung aber kam ein Kompromiß zwischen Kommissionsmitgliedern aus vier politischen Parteien zustande, dessen Er­ gebnis die Abänderungsanträge (Nr. 47 der Kommissionsdrucksachen) der Abgg. Dr. v. Cuny, Dr. Enneccerus, Gamp, Hegel, Freiherr v. Huene, v. Massow vom 5. März 1889 darstellen. Für diese Abänderungsanträge war von vornherein eine große Mehrheit gesichert. Die Kommission schloß sich nun dem Grundgedanken der in der ersten Lesung gestellten Vermittlunosanträge an, nahm int § 2 eine dritte Genossenschaftsart „die ein­ getragene Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht" auf und fügte mit Bezug hierauf der zweiten Unterabteilung des Abschnitt 8 „Besondere Bestimmungen für Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht" ein. Für diese Genossenschaftsart gibt es keinen Einzelangriff mehr. Der Kommissionsbericht erläutert ausführlich Art und Umfang der Heranziehung der ausgeschiedenen Genossen (S. 54):

„Durch die nach § 71 des Entwurfs vorgeschriebene Auseinandersetzung des ausgeschiedenen Genossen mit der Genossenschaft ist der ausgeschiedene Genosse der Genossenschaft und den in derselben verbliebenen Genossen gegenüber seiner Verpflichtung zur Tilgung der Schulden der Genossenschaft beizutragen, an und für sich nachgekommen. Wenn dessenungeachtet die Kommission bei den Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschubpflicht die ausgeschiedenen Genossen im § 122 der Nachschubpflicht unter­ worfen hat, so lieb sich dies durch die gleichzeitige Bestimmung im § 124 rechtfertigen, der Genossen und das Umlageverfahren; Franz Werner: Zur Revision des Genoffen« schafts-Gesetzes. Mitteilungen über den Allgemeinen Vereinslag zu Erfurt (1888) S. 85—187.

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nach welcher den Ausgeschiedenen die von ihnen geleisteten Beiträge aus den Nach­ schüssen der in der Genossenschaft verbliebenen Genossen zu erstatten sind. Nur mit diesem Vorbehalt und nur subsidär erscheine die Heranziehung der Ausgeschiedenen seitens der Genossenschaft zulässig; aber so beschränkt rechtfertige sie sich, weil die nach verhältnismäßig kurzer Zeit eingetretene Konkurseröffnung die Annahme begründe, daß die Auseinandersetzung auf Grund der Bilanz unzureichend gewesen sei. Bezüglich des Umfangs einer Heranziehung des Ausgeschiedenen zur Nachschubpflicht waren in der Kommission zwei Wege vorgeschlagen worden: nach dem einen sollten die aus­ geschiedenen Genossen, sofern sie in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Konkursverfahrens ausgeschieden waren, alsdann aber nur wegen der bis zu dem Zeitpunkte ihres Ausscheidens von der Genossenschaft eingegangenen Ver­ bindlichkeiten, der Nachschubpflicht unterliegen; der andere Vorschlag unterwirft ihr da­ gegen nur diejenigen ausgeschiedenen Genossen, deren Ausscheiden innerhalb der letzten 18 Monate vor der Konkurseröffnung erfolgt ist, diese aber ohne Unter­ scheidung, ob die Verbindlichkeiten vor oder nach dem Ausscheiden ent­ standen sind. Der erstere Weg ist scheinbar billiger, aber wegen der oft schwierigen Unterscheidung zwischen alten und neuen Schulden und der damit verknüpften Streitigkeiten weniger gangbar; der zweite Weg empfiehlt sich durch seine Folgerichtig­ keit, da die Genossen bei der neuen Form in keinerlei Beziehung zu den Gläubigern stehen, nanlentlich aber durch seine Einfachheit und leichte praktische Durchführbarkeit. Die Kommission gab dem letzteren Wege den Vorzug, indem sie zugleich erwog, daß der Vorteil, welcher dem Ausgeschiedenen aus der Beschränkung seiner Haftpflicht auf die vor seinem Ausscheiden eingegangenen Verbindlichkeiten erwächst, dadurch wieder au Wert verliere, daß er eine Einwirkung auf den Fortbestand der alten Schulden oder eine Veränderung in dem Schuldenstande nicht habe, ihm auch die gesamte Ver­ schlechterung. welche die Aktivmaffe nach seinem Austritt erleidet, zur Last falle."

In der zweiten Beratung des Reichstags (25. März 1889) fand über § 2 und die neue dritte Art der Genossenschaften eine eingehende Erörterung statt. Es lag ein Antrag der Abgg. Schenck, Baumbach und Genossen auf Beseitigung der Bestimmungen über die Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht vor?) Allein das in der Kommission geschlossene Kompromiß wurde im Plenum von den beteiligten Parteien (den Deutschkonservativen, der deutschen Reichspartei, dem Zentrum und den Nationalliberalen) aufrecht erhalten und die Einfügung der dritten Art Genossenschaften mit großer Mehrheit beschlossen. *) Vgl. Stenographische Berichte S. 1020—1035. Der Abg. Anwalt Schenck begründete den Antrag auf Beseitigung der betreffenden Bestimmungen. Niemand habe eine Ahnung gehabt, daß ein Bedürfnis zu einer dritten Art Genossenschaft vor­ handen sei. Die Bezeichnung entspreche dem Wesen dieser Genossenschaften nicht. Die G. mit unbeschr. Nachschußpflicht sei ebenfalls eine G. mit unbeschr. Haftbarkeit der Genossen, und die G. mit unbeschr. Haftpflicht sei ebenso eine G. mit unbeschr. Nach­ schußpflicht, wie die neue Genossenschaft. Diese sei offenbar der Absicht entsprungen, die Beunruhigung zu beseitigen, und den Forderungen derjenigen G. zu entsprechen, welche die Beseitigung des Einzelangriffs gewollt haben. Diese aber würden nicht zuftiedengestellt. Schenck wandte sich sodann gegen die Bestimmung, daß die Aus­ scheidenden noch 18 Monate lang für alle nach ihrem Ausscheiden eingegangenen Forderungen zu haften haben. Außer Schenck sprach in gleichem Sinne der Abg. Baumbach. Die Vertretung der Kommissionsbeschlüsse übernahmen als Gegner des Einzelangriffs Enneccerus, v. Buol-Berenberg. Gamp, v. Cuny, v. Rheinbaben, während ihre Beteiligung am Kompromiß gewissermaßen entschuldigten die Abgg. Hegel, v. Huene, Graf Mirbach.

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Zwischen der nunmehr gesetzlich eingeführten dritten Art Genossenschaft und der Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht ist während ihres Be­ stehens, abgesehen von der Verschiedenheit der Firmen und der Beitritts­ erklärung, gar kein Unterschied, ebensowenig nach der Auflösung, ausgenommen wenn diese durch Eröffnung des Konkurses erfolgt. Aber auch der Verlauf des Konkurses bietet bis zur Aufstellung der Nachschußberechnung keinerlei Abweichung. Nur in dem einzigen Falle, daß im Konkurse drei Monate nach der für vollstreckbar erklärten Nachschußberechnung die Konkursgläubiger noch nicht vollständig befriedigt sein sollten, tritt ein verschiedenes Verfahren ein. Für diesen Fall darf in der Genossenschaft mit unbeschränkter Haft­ pflicht ein jeder Gläubiger wegen des noch nicht getilgten Restes seiner Forderung sofort einen einzelnen Genossen im gewöhnlichen Prozesse direkt angreifen, sowie nach weiteren drei Monaten (sechs Monate nach der Vollstreckbarkeitserklärung der Nachschußberechnung) auch jeden in den letzten zwei Jahren ausgeschiedenen Genossen, soweit es sich um eine bis zu dessen Ausscheiden eingegangene Verbindlichkeit der Genossenschaft handelt. Dahingegen muß in der Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht auf Grund einer aufzustellenden besonderen Berechnung von den innerhalb der letzten achtzehn Monate vor der Eröffnung des Konkurses ausgeschiedenen. Genossen die gesamte Restforderung aller Gläubiger, gleichviel ob die Ver­ bindlichkeit vor oder nach dem Ausscheiden der einzelnen eingegangen ist, im Umlageverfahren beigetrieben werden. In beiden Arten Genossenschaften geht daneben die Einziehung der Nachschüsse von den in der Genossenschaft verbliebenen Genossen auf Grund der Nachschußberechnung ohne Aufenthalt unverändert fort, und erhalten die ausgeschiedenen Genossen die von ihnen gezahlten Beträge aus den Nachschüssen erstattet. Gegen die rechtliche Konstruktion dieser Genossenschaftsart läßt sich nichts einwenden. Die Haftpflicht ist bei ihr eine rein indirekte, „die bloße Deckungspflicht" (Goldschmidt a. a. O. S. 41) geworden. Die „Umwandlung" einer Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht in eine solche mit un­ beschränkter Nachschußpflicht kann sich nur auf dem Wege des § 137 des Gesetzes vollziehen, also unter den für den Fall, daß die Genossenschaft ihre Haftpflicht herabgemindert, zur Sicherung der Gläubiger gegebenen Kautelen. Auch die Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht beruht auf der unbeschränkten Haftpflicht. Der Genosse hat mit seinem ganzen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft einzutreten, die Ver­ schiedenheit der Art der Geltendmachung dieser Haftpflicht wirkt aber geradezu bestimmend rückwärts auf den Umfang derselben, so daß die unbeschränkte Haftpflicht bei den beiden Genossenschaftsarten dadurch eine ungleichwertige wird. Die Erfahrung hat ergeben, daß die eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht keinen Einfluß auf die Entwicklung des deutschen Genossenschaftswesens geübt hat. Auf den Vereinstagen in Königsberg (Allg. Verband)/) Frankfurt (Neuwieder Verband), Hildesheim (Darmstädter Verband) ist ihr von den genossenschaftlichen Praktikern, *) Die Petition der Genossenschaften gegen den Einzelangriff war von den Vereins­ direktoren Matthies-Stralsund und Werner-Berlin und dem Verbandsdirektor Morgen­ stern-Breslau ausgegangen. Diese erklärten bei der Besprechung des Genossenschafts-

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auch von denen, die sich lebhaft für Beseitigung des Einzelangriffs interessiert hatten, die Lebensfähigkeit abgesprochen. Wenn Birkenbihl in seiner Be­ arbeitung des Maurerschen Kommentars S. 47 die Zulassung der dritten Genossenschaftsform, „für eine glückliche Lösung derzeitiger Schwierigkeiten" hält und der Ansicht ist, daß sie auch fernerhin zu einer segensreichen Weiterentwicklung des Genossenschaftswesens die geeignete Handhabe bieten wird, so läßt er die Erfahrungen völlig unberücksichtigt. Über die Voraussetzung des Einzelangriffs bei den Genossen­ schaften mit unbeschränkter Haftpflicht gegen die ausgeschiedenen Genossen vgl. § 125 (für Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht § 141), über die Haftpflicht der ausgeschiedenen Genossen bei den Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht § 128.--------Auch die Natur der persönlichen Haftpflicht hat unter dem jetzigen Gesetze einen zum Teil anderen Charakter erhalten. Vor der Genossenschaftsgesetzgebung war die persönliche Haftpflicht die Folge der dem sog. „Vorstände" der Genossenschaft erteilten Voll­ macht. Unter dem Gesetze vom 4. Juli 1868 hatte sie einen bürgschafts­ artigen Charakter angenommen, sie war „eine im Wesen der Genossen­ schaft begründete gesetzliche Garantieverpflichtung nach Art der Schadlosbürg­ schaft"; vgl. bei Goldschmidt a. a. O. S. 60 die zutreffende Widerlegung anderer Konstruktionen. Das Umlageverfahren hatte auf die Beurteilung der rechtlichen Seite der Persönlichen Haftpflicht keinen Einfluß, denn, wenn es auch den Zweck hatte, die Gläubiger zu befriedigen, so war es doch wesentlich nur eine Regelung der Regreßrechte der Genossen unter­ einander. Begründet ist die persönliche Haftpflicht auch nach dem neuen Gesetze in dem Wesen der Genossenschaft, deren Kredit anders als der der Kapital­ gesellschaften zunächst regelmäßig nicht auf einem Kapitalfonds, sondern auf der persönlichen Haftpflicht der Mitglieder beruht. Jeder, welcher der Genossenschaft beitritt, übernimmt mit diesem Beitritt die Haftung für deren Verbindlichkeiten. Während nun aber diese Haftpflicht nach dem Gesetze von 1868 nur den Gläubigern gegenüber galt, besteht sie infolge der veränderten Kon­ struktion des Nachschußverfahrens auch der Genossenschaft und bei der Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht sogar nur der Genossen­ schaft gegenüber?) Soweit die persönliche Haftpflicht in den Nachschüssen bzw. in der Zubuße bei dem Ausscheiden zum Ausdruck kommt, fehlt ihr der bürgschaftsartige Charakter, denn diese Verpflichtung hat einen selbst­ ständigen Charakter, und sie besteht nicht den Gläubigern gegenüber, wenn sie auch zu deren Befriedigung schließlich dienen soll. Auch dies letztere gesetzes in Königsberg am 27. August 1889 die Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschubpflicht in der gegenwärtigen Form für unbrauchbar. Im Laufe der Debatte konstatierte Parisius die allgemeine Übereinstimmung in der Beurteilung dieser Genossen­ schaft, wie sie im neuen Gesetz konstruiert ist: auch die Gegner des Fortbestandes des Einzelangriffs hielten sie für völlig ungeeignet und widerrieten deshalb den Übergang zu dieser Hastform. l) über die abweichende Ansicht Maurers, betreffend die Konstruktion der Nach­ schußpflicht, vgl. §§ 73, 105.

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braucht nicht immer der Fall zu sein, wie z. B. bei der Leistung des aus­ geschiedenen Genossen. Daß die persönliche Haftpflicht gewissermaßen auch zu dem Genossenschaftsvermögen zu rechnen ist, folgt auch aus der Vorschrift in § 140, nach welcher zur Feststellung der Überschuldung die Haftsummen in Betracht zu ziehen sind. Es ist zu unterscheiden: a) die Haftung der Genossenschaft gegenüber, b) dem Gläubiger gegenüber. Die erste ist bei allen drei Genossenschaftsarten vorhanden, sie ist nur in ihrem Umfange verschieden: bei den Genossenschaften „mit unbeschränkter Haftpflicht" und bei denen „mit unbeschränkter Nachschußpflicht" unbeschränkt, — bei den Genossenschaften „mit beschränkter Haftpflicht" durch die Haft­ summe beschränkt. Die Nachschußpflicht ist in diesen Fällen nichts anderes, als die jedem Genossen obliegende gesetzliche Verpflichtung, Beiträge an die Genossenschaft zu leisten, sie hat keinen anderen Charakter wie die Verpflichtung, Einzahlungen auf den Geschäftsanteil zu machen, nur daß sie erst subsidiär eintritt und daß sie von bestimmten Voraussetzungen abhängt: vom Aus­ scheiden und vom Konkurs. Bei den Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht hat der Genosse nur diese Nachschußpflicht, er tritt zu den Gläubigern der Genossen­ schaft durch den Beitritt in keine rechtliche Beziehung, dafür muß er aber auch die Haftung für diejenigen Verbindlichkeiten übernehmen, die noch inner­ halb 18 Monaten nach seinem Austritt eingegangen sind, falls in dieser Zeit der Konkurs über die Genossenschaft eröffnet ist. Bei den Genossenschaften mit unbeschränkter und beschränkter Haftpflicht übernimmt der Genosse, wenn es innerhalb zweier Jahre nach seinem Aus­ scheiden zum Konkurse kommt, für die bis zu seinem Austritt eingegangenen Verpflichtungen noch eine weitere subsidiäre Garantiehaft dem Gläubiger gegenüber. Bei den Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht ist diese Garantiehaft durch die Haftsumme begrenzt. Diese Garantiehaft, gleich­ falls im Gesetze begründet, hat den bürgschaftsartigen Charakter behalten, der ihr nach dem Gesetze von 1868 innewohnte, sie hat infolge des umgestalteten Nachschußverfahrens aber einen weit ausgeprägteren subsidiären Charakter bekommen (§§ 122, 125, 141). Über die Folgen der Auflösung der Genossenschaft bei allen drei Arten vgl. § 75, § 128.

B. Die Revision. Der vierte Abschnitt des Gesetzes (§§ 53—64) von der Revision ist völlig neu. In der allgemeinen Begründung des Entwurfs (I S. 70, II S. 48) ist ausgeführt, daß die Gesetzgebung den Vorschlägen, welche dem Staat oder den Gemeinden durch Übertragung einer dauernden Auf­ sichtsführung einen unmittelbaren Einfluß auf den Geschäftsbetrieb der Genossenschaften zuweisen wollen, nicht werde folgen können. Für eine dauernde Beaufsichtigung des Geschäftsbetriebes der Genossenschaften durch staatliche oder kommunale Behörden fehle es ebenso sehr an einem Bedürfnis wie an einer genügenden Grundlage. Die Zwecke der Genossenschaften seien rein privatrechtliche, ihre Zahl so beträchtlich und die Gegenstände ihres

Einleitung.

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Geschäftsbetriebes so verschiedenartig, daß eine wirksame Staats- oder Kommunalaufsicht tatsächlich nicht durchführbar sein würde. Man hielt aber eine andere Kontrolle, als die der Aufsichtsrat bietet, für ein Bedürfnis, und gelangte in Anlehnung an die im Allgemeinen Verbände durch SchulzeDelitzsch eingeführte und auch nach seinem Tode sorgfältig fortentwickelte Institution der Verbandsrevision zu den Vorschlägen des vierten Abschnittes. Frühzeitig hatte sich in vielen Kreditvereinen das Bedürfnis nach einer Prüfung der Einrichtungen und Geschäftsführung durch einen dem Verein nicht angehörigen Sachverständigen herausgestellt. Den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates fehlte bei allem guten Willen oft die nötige Kenntnis der Gesetze und einer richtigen genossenschaftlichen und kauf­ männischen Geschäftsführung. Man wünschte Revisoren als Lehrmeister. Im Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom Mittel­ rhein wurde der Verbandsdirektor (Schenck) schon im Jahre 1864 aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß er zu jeder Zeit in der Lage sei, den Vereinen des Verbandes auf deren Verlangen einen sachverständigen Revisor zur Verfügung zu stellen. Aber von seiner Bereitwilligkeit wurde nachher wenig Gebrauch gemacht. Auf dem Genossenschaftstage zu Bremen (1874) erklärte sich Schulze gegen eine Beschickung der Vereine durch Kontrollbeamte der Unterverbände, dagegen riet er den Verbandsdirektoren, wenn sich ein Verein freiwillig an sie wende, weil ihm seine Bücher in Unordnung gekommen seien, ihm dann nach Kräften durch eine Revision zu helfen. Dergleichen Ansuchen gelangten öfters an die Anwaltschaft, die aber schon der Kosten halber unmöglich für ganz Deutschland Bücherrevisoren beschaffen könne usw. 1878 veranlaßte Schulze einen ausdrücklichen Beschluß des Genossenschafts­ tages zu Eisenach, den Unterverbandsdirektoren dringend zu empfehlen, sach­ verständige, im kaufmännischen Rechnungswesen erfahrene und mit der genossen­ schaftlichen Organisation vertraute Männer zum Behufe von Geschäftsrevisionen und Inventuren auf Anrufen der einbezirkten Vereine . . . bereit zu halten und die Vornahme solcher Revisionen zu fördern. Dieser Beschluß hatte in einigen Verbänden zur weiteren Ausbildung des Revisionswesens Anstoß gegeben. Die Einrichtung bürgerte sich aber doch nur langsam ein. In­ folge der Aufnahme, die der Antrag der Abgg. Ackermann und Genossen im Reichstage fand, fürchtete man, es könnten durch das neue Gesetz amtliche Revisionen der Genossenschaften angeordnet werden. Der Genossenschaftstag in Kassel (1881) beschloß deshalb: „In Erwägung, daß die Einrichtung regelmäßiger Revisionen in den Verbands­ vereinen, allgemein durchgeführt, eine wünschenswerte Vervollständigung und organische Weiterentwicklung der Verbandseinrichtungen darstellt und zugleich geeignet ist, gesetz­ geberischen Versuchen, die Genossenschaften der Kontrolle staatlicher oder kommunaler Behörden zu unterstellen, entgegenzuwirken; daß es daher den allgemeinen Interessen entspricht, diese Einrichtung in allen Verbänden zur Durchführung zu bringen, erklärt es der Allgemeine Vereinstag für Pflicht der Unterverbände, für die Einrichtung regelmäßig wiederkehrender Revisionen der einzelnen Vereine Sorge zu tragen."

Jetzt ward die Frage der Verbandsrevision ein Gegenstand der Be­ ratung sämtlicher Unterverbandstage. Auf dem nächstjährigen Genossen­ schaftstage (1882 Darmstadt) wurde allen dem Allgemeinen Verbände an­ gehörigen Genossenschaften empfohlen, die erforderlichen Schritte zu tim,

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um sich die Vorteile der verbandsmäßig organisierten Revisionseinrichtung zu sichernd) Seit dieser Zeit hatten sich die Unterverbandstage und die Genoffen­ schaftstage fast ausnahmslos mit dem inneren Ausbau der verbandsmäßig organisierten Revisionseinrichtung beschäftigt. In den meisten Unterverbänden wurde die Revision für eine obligatorische Einrichtung des Verbandes erklärt: die Genossenschaften wurden verpflichtet, alle drei Jahre durch einen vom Unterverbande angestellten, mit dem Genossenschaftswesen vertrauten prak­ tischen Genossenschafter (Revisor) ihre gesamte geschäftliche Tätigkeit prüfen zu lassen. Der Revisor hatte sein Augenmerk besonders darauf zu richten, ob die Bestimmungen der Gesetze überall beachtet sind, und ob die Geschäfts­ führung den Vorschriften des Statuts und den auf Genossenschafts- und Verbandstagen aufgestellten Grundsätzen entspricht. Nach vollendeter Revision hatte er den Befund in gemeinschaftlicher Sitzung mit Vorstand und Auf­ sichtsrat zu besprechen und sodann einen schriftlichen Bericht an die Ge­ nossenschaft zu erstatten und eine Abschrift desselben dem Verbandsdirektor einzusenden. Der Genossenschaftstag zu Plauen (1887) hat die wichtigsten Grund­ sätze für die Ausbildung der Revision in einem Beschluß zusammengefaßt, der in der Vorbemerkung zu §§ 53ff. wörtlich abgedruckt ist. Für das in Aussicht stehende Genossenschaftsgesetz schloß sich der Ge­ nossenschaftstag dem Vorschlage Schutzes in der letzten Redaktion der Novelle (Vorbemerkung zu §§ 53ff.) nicht cm.*2) x) Über die Entwicklung der Verbandsrevision im Allgemeinen Verbände vor Erlab des neuen Gesetzes vgl. die Aufsätze in BlsG. 1884 Nr. 26, 28, 35, 49; 1887 Nr. 50-53; 1888 Nr. 1. 2) In der Schrift „Material zur Revision des Genossenschaftsgesetzes" hat SchulzeDelitzsch zur Begründung seines Antrages eine besondere Abhandlung über die Revisorenstage beigefügt und in derselben auch die Bestimmungen des englischen Ge­ nossenschaftsgesetzes (Industrial and Provident Societis Act) von 1876 über die Zwangsrevision dargestellt. Die genannte Akte vom I I. August 1876, welche die Akte vom 7. August 1862 zum Zweck der Vorbeugung gegen leichtsinnige Geschäftsführung abänderte, führte regelmäßige Geschäftsrevisionen ein. Das Gesetz bestimmt, daß eine jede Genossenschaft a) wenigstens einmal im Jahre ihre Rechnungen der Revision, entweder durch einen der nach diesem Gesetz bestellten öffentlichen Revisoren, oder durch zwei oder mehrere nach den Bestimmungen des Statuts bestellte Personen unterwerfen muß, denen alle Bücher und Rechnungen zugängig sein müssen, und welche die Einnahmen und Ausgaben, Fonds und Bestände der Gesellschaft zu prüfen, mit den Rechnungen und Belegen zu vergleichen und entweder als von ihnen richtig, gehörig belegt und in Übereinstimmung mit dem Gesetz befunden zu unter­ zeichnen, oder der Gesellschaft besonders Bericht zu erstatten haben: inwieweit sie etwas unrichtig, nicht belegt, oder nicht in Übereinstimmung mit dem Gesetz befunden haben; b) einmal in jedem Jahre vor dem 1. Juni dem Registrar (dem Leiter der Kontrollstelle zur Eintragung der Genossenschaften in das amtliche Genossenschaftsregister) einen allgemeinen Ausweis (Jahresbericht) über die Einnahmen und Ausgaben, Fonds und Bestände nach dem Revisionsbefunde zu übersenden, dieser Ausweis muß die Ausgaben in bezug auf die verschiedenen Zwecke der Gesellschaft getrennt aufführen, bis. zum 31. Dezember einschließlich reichen und konstatieren, ob die Revision von einem nach diesem Gesetz bestellten öffentlichen Revisor vorgenommen und von welchem,

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Auch andere genossenschaftliche Verbände, namentlich der Anwaltschafts­ verband in Neuwied, der Allgemeine Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften des Deutschen Reiches, der Verband landwirtschaftlicher Genossenschaften in Württemberg und der polnische Verband hatten die Ver­ bandsrevision, mehr oder weniger nach dem Muster des Allgemeinen Ver­ bandes, bei ihren Genossenschaften eingeführt und gehandhabt. Der Entwurf des Reichsjustizamtes hielt es für zweckmäßig, sich an die im Allgemeinen Verbände bestehenden Einrichtungen anzulehnen. Das Recht zur selbständigen Ausübung der Revisionskontrolle wurde den Ver­ bänden, nur wenn sie gewisse Garantien bieten, zugestanden. Sie sollten es aber nur nach Prüfung durch die Behörde durch staatliche Verleihung erhalten. Auch wurden die Voraussetzungen bestimmt, unter denen ihnen das Recht zur Bestellung des Revisors entzogen werden kann. Den keinem solchen Verbände un­ gehörigen Genossenschaften sollte der Revisor durch den Richter bestellt werden. Über das Verhalten der Genossenschaftstage und des Bundesrats zu diesen Bestimmungen des Entwurfes siehe Vorbemerkung zu §§ 53 ff. In der Reichstagskommission waren die Ansichten sehr geteilt. In Vertretung des Beschlusses des Genossenschaftstages in Erfurt waren Anträge gestellt, zu deren Begründung ausgeführt wurde: Die bisher erzielten Erfolge seien nur möglich gewesen, weil die Revision aus der Selbstbestimmung und der freien Entschließung der Genossenschaften hervorgegangen sei. Die Zwangsrevision sei ungerechtfertigt, weil die Genossen­ schaften freiwillige Vereinigungen von Privatpersonen seien; sie sei auch gefährlich, weil sie das Bewußtsein der Selbstverantwortlichkeit für das Gedeihen der Genossenschaft bei den Mitgliedern schwäche; die Zwangs­ revision sei auch kaum durchführbar; da die Mehrzahl der bestehenden Ge­ nossenschaften keinem Verbände angehören, werde der vom Registerrichter für die jedesmalige Revision besonders zu bestellende Revisor die Regel bilden. Woher wolle aber jeder Registerrichter Verständnis dafür haben, welche Be­ fähigung bei einem Revisor zur Vornahme einer ordnungsmäßigen Revision erforderlich sei, und woher wolle er ausreichend befähigte Revisoren nehmen? — Die Anträge wurden gegen zwei Stimmen abgelehnt. Von anderer Seite wurde beantragt, die Verbände ganz aus dem Gesetz zu streichen und die Revisionsbestellung ausnahmslos dem Richter zu übertragen. Diejenigen Kommissionsmitglieder endlich, die auf dem Boden der Regierungsvorlage standen, teilten sich wiederum in zwei Gruppen, von welchen die eine den Verbänden eine größere Selbständigkeit einräumen, die andere dagegen den Einfluß der Behörden auf die Handhabung der Revision verstärken wollte wenn dieselbe von anderen Personen vollzogen wurde, den Namen, den Wohnort, den Beruf oder das Gewerbe dieser Personen, und auf welche Art sie bestellt wurden, angeben, sowie ein Exemplar des Revisionsberichts beifügen. Die Wahl zwischen den beiden Klassen von Revisoren steht lediglich der Genossen­ schaft zu. Die öffentlichen Revisoren, die äußerst selten benutzt werden, ernennt das Schatzamt, welches eine Liste derselben und der ihnen zukommenden Honorare ver­ öffentlicht. Die im englischen Gesetze von 1876 vorgeschriebene Zwangsrevision ist grundverschieden von der deutschen. Sie ist wesentlich kalkulatorisch. Der Grund hierfür liegt in dem Mangel eines Kontrollorgans in der Genossenschaft, in dem Fehlen des bei uns jetzt obligatorischen Aussichtsrates.

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(KommBer. S. 25—30). Das Schlußergebnis der Kommissionsberatung war durch das vor der zweiten Lesung geschlossene Kompromiß beeinflußt. Der Abschnitt IV wurde in der jetzigen Fassung angenommen unter Be­ seitigung der vom Bundesrat hineingebrachten Polizeimaßregeln; vgl. KommBer. S. 25—30, §§ 59, 61 Erläuterungen. Eine umfassende Untersuchung über die Wirkung der Zwangsrevision begegnet den größten Schwierigkeiten. Völlig versagt hat jedenfalls die gerichtliche Revision. Ein unfähiger Revisor kann Einrichtungen oder Maßnahmen veranlassen, die dem Interesse der Genossenschaft widersprechen oder wohl gar gemeinschädlich sind. Außer den revidierten Vereinen erfährt niemand etwas davon. Der Vorstand seinerseits braucht sich, sofern er den durch Ordnungsstrafen zu erzwingenden Verpflichtungen im § 63 Abs. 2 nachkommt, um die Erinnerungen des Revisors nicht zu kümmern, selbst wenn sie ihm grobe Gesetzesverletzungen nachweisen. Nach den zu unserer Kenntnis gelangten „Berichten", die gerichtlich bestellte Revisoren erstattet haben, muß angenommen werden, daß vielfach die Revision sich auf eine oberflächliche rein kalkulatorische Revision der Bücher beschränkt — also Revisionen vorgenommen sind, die nicht dem Genossenschaftsgesetz entsprechen. Von den Konkursen der Genossenschaften entfällt ein großer Anteil auf die Genossenschaften, die von dem durch das Gericht bestellten Revisor revidiert werden. Auch die Verbandsrevision hat den Zusammenbruch von Genossenschaften nicht verhindern können. Ohne weiteres selbstverständlich erscheint es, daß auch die Verbandsrevision nicht immer einer den oft sehr schwierigen Verhältnissen entsprechende Revision verbürgt. Dazu aber kommt, daß der Revisionsverband keine Zwangsmaßregeln besitzt, um renitente Genossenschaften zu zwingen, die vorhandenen Mißstände zu be­ seitigen. Gegen die Einführung derartiger Zwangsmaßregeln sprechen die gewichtigsten Bedenken. Die Verantwortung muß bei den Organen der revidierten Genossenschaft bleiben. Vgl. hierüber mein auf dem Allg. Genossenschaftstage zu Cassel (1906 Mitteilungen S. 299 ff.) erstattetes Referat. Nach diesem kam der Genossenschaftstag zu folgendem Beschluß: „Die durch §§ 58 und 55 des Genossenschaftsgesetzes vorgeschriebene „Verbands­ revision" hat lediglich den Zweck, die Organe der Genossenschaft in der Vervollkomm­ nung der geschäftlichen Einrichtungen und der Beseitigung von Mßständen zu unter­ stützen. Die Erfüllung der Aufgabe kann nicht gesichert werden durch Einführung von Zwangsmaßregeln in die Organisaiion, sondern nur durch Hebung des Verständnisses der Organe der Genossenschaft für die Zwecke der Revision. Die in den Beschlüssen des Allgemeinen Vereinstages zu Plauen (1887), der Allgemeinen Genossenschaftstage zu Gotha (1894), zu Augsburg (1895), zu BadenBaden (1901) festgelegten Revisionsgrundsätze sind auch den heutigen Verhältnissen entsprechend. Der Allgemeine Genossenschaftstag empfiehlt deshalb den Revisions­ verbänden wie den Genossenschaften deren strengste Beachtung."

Nach dem Genossenschaftsgesetz sollen die Staatsbehörden darüber wachen, daß der Revisionsverband der ihm obliegenden Pflicht der Revision genüge (§ 60). Sie sind berechtigt, in die Generalversammlung des Verbandes (Verbandstag) einen Vertreter zu senden (§ 55 jetzt § 59), „dessen Aufgabe es ist, von den Verhandlungen Kenntnis zu nehmen, zu dem Zweck, um der höheren Verwaltungsbehörde Bericht zu erstatten, damit diese sich ein Urteil darüber bilden könne, ob der Verband der Revisionspflicht ordentlich nach-

Einleitung.

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komme"?) Die Staatsbehörden sollen ferner bei den keinem Revisionsverbande angehörenden Genossenschaften darüber wachen, daß das Gericht einen brauch­ baren Revisor bestelle (§ 61). Auch soll der Reichskanzler ermächtigt sein, allgemeine Anweisungen zu erlassen, nach denen die Revisionsberichte anzu­ fertigen sind (§ 64). Ein Nutzen dieser Bestimmungen hat sich bisher nicht gezeigt. Mit Einverständnis der höheren Verwaltungsbehörde sind oft recht ungeeignete, nicht sachverständige Personen zu Revisoren bestellt (§ 53, § 61). Eine Anweisung des Reichskanzlers über die Anfertigung von Revisionsberichten ist nicht erlassen worden; ihre Herstellung würde auch schwierig sein, da ja die Reichs- und Landesbehörden von den erstatteten Berichten der Revisoren nichts zu sehen bekommen.

C. Bildung von Genossenschaften, die aus Genossenschaften bestehen. Das Gesetz von 1868 hatte keine Bestimmung darüber getroffen, ob Genossenschaften, Handelsgesellschaften, Korporationen usw. Mitglieder ein­ getragener Genossenschaften werden können. Die Meinungen darüber, ob dies zulässig sei, waren geteilt, vgl. die Erläuterungen zu § 9. SchulzeDelitzsch vertrat in seinem Entwurf zur Novelle von 1877 die Ansicht: „Eingetragene Genossenschaften können einer anderen eingetragenen Genossen­ schaft nicht beitreten." Das Genossenschaftsgesetz ist der Auffassung SchulzeDelitzschs nicht beigetreten, es können nach dem Gesetz von 1889 Genossen­ schaften Mitglieder einer anderen Genossenschaft werden. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Gestaltung des Genossenschaftswesens scheint die Zu­ lassung einer solchen Bestimmung zu fordern, schwerlich haben die Gesetz­ geber vorausgeahnt, welchen Einfluß diese Vorschrift auf die Entwicklung des Genossenschaftswesens ausüben würde. Die Zentralisationsbestrebungen im Genossenschaftswesen sind ihr Erfolg. Gegen die Bildung von Zentral­ kassen Raiffeisenscher Darlehnskassen ist gewiß nichts einzuwenden, wenn man die eigenartige Organisation dieser Kassen zugrunde legt; diese Kassen bedürfen der Zentralkassen, um überhaupt einige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erlangen. Weniger geeignet erschien die Bildung von Zentralkassen für die Schulze-Delitzschschen Genossenschaften, wenn auch bei diesen unter Umständen die Verhältnisse derartige sein können, daß eine Zentralkasse am Platze ist, obgleich in der Regel die Schulze-Delitzschsche Kreditgenossenschaft durch direkten Verkehr mit der Großbank ihr Bankkreditbedürfnis leichter und billiger befriedigen wird als auf dem Umwege über die Verbandskasse. Nicht immer aber ist die Bildung von Verbandskassen das Ergebnis des Kredit­ bedürfnisses angeschlossener Genossenschaften gewesen, sondern zuweilen ist auch der umgekehrte Weg eingeschlagen. Dabei war von Einfluß die Gründung der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse, die nach dem Gesetz Kredit nur an die Verbandskassen von Genossenschaften gewähren soll. Um nun den billigen Kredit der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse zu erhalten, *) Stenographischer Bericht über die Sitzung vom 26. März 1889 S. 1079. — Es sei dringend notwendig, sagt mit Recht Proebst S. 209, daß „nur sachverständige und urteilsfähige Männer zu solcher Vertretung gewählt werden". In der Praxis wird dem erfahrungsgemäß nicht immer entsprochen.

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Genossenschaftsgesetz.

wurde zuweilen in erster Reihe die Bildung einer Verbandskasse ins Auge gefaßt, die dann die Mitglieder zu suchen hatte. Nach dem Gesetz genügen nur 7 Mitglieder zur Bildung einer Genossenschaft, das Gesetz kennt nicht den Begriff „Zentralgenossenschaft"; es ist in der Praxis außerordentlich schwierig, die Zentralgenossenschaft zu trennen von der Einzelgenossenschaft, denn die Firma deckt sich nicht immer mit dem Gegenstand des Geschäfts­ betriebes. Eine Genossenschaft, der vielleicht 2, 3 Genossenschaften als Mit­ glieder angehören, nennt sich Zentralgenossenschaft. Die Gestaltung innerhalb des Genossenschaftswesens ist von Jahr zu Jahr komplizierter geworden. Daß der Gewerbetreibende, der Landwirt, verschiedenen Genossenschaften sich anschloß und anschließt, liegt in der Natur der Verhältnisse. Nach oben hin aber gehört die Genossenschaft wieder verschiedenen Verbandskassen und Verbandsgenossenschaften an, und die Verbandskasse und Verbandsgenossen­ schaft ist wieder Mitglied anderer genossenschaftlicher Organisationen. So ist denn zuweilen ein völliger Wirrwarr entstanden. In dem Jahrbuch-Vorwort des Allgemeinen Verbandes für 1901 wird mit Recht dazu bemerkt: „Keineswegs ist eine Vereinigung von Genossenschaften zu gemeinschaftlichen Zwecken ohne weiteres zu bekämpfen. Im Gegenteil: die Bildung von Genossen­ schaften, die aus Genossenschaften bestehen, kann im höchsten Grade erwünscht sein, und als das Genossenschaftsgesetz von 1889 die Bildung solcher Genossenschaften zuließ, erhob sich in den Kreisen der Genossenschaften auch keinerlei Widerspruch da­ gegen; es wurde vielmehr mit Recht anerkannt, daß derartige Zentralgenossenschaften einen durchaus günstigen Einfluß auf die Entwicklung des Genossenschaftswesens ge­ winnen könnten — daß sie zuweilen die notwendige Ergänzung der Einzelgenossen­ schaften sein würden. Dabei war freilich vorausgesetzt, daß diese Gestaltungen sich in dem Rahmen hallen würden, der der genossenschaftlichen Tätigkeit durch die gesetzliche und wirtschaftliche Natur der Genossenschaft gesteckt ist. Wohin es führt, wenn die Grenze nicht eingehalten wird, das hatten bereits frühere Vorkommnisse auf dem Gebiete des Genossenschaftswesens gezeigt. Heute besteht in einzelnen Gebieten ein Gewirr von Zentralgenossenschaften und Zentralgesellschaften, in dem sich weder die beteiligten Mitglieder noch die Gläubiger zurechtfinden können." Die Verhältnisse haben sich nach dieser Richtung hin eher noch weiter verschlechtert. Selbstverständlich war eine solche Entwicklung von Zentral­ genossenschaften nur möglich bei der Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht, denn bei der ausschließlichen Geltung der unbeschränkten Haftpflicht wären Mitglieder für solche Unternehmungen, für solche Rattenkönige von Genossenschaften nicht zu gewinnen gewesen. Die Zukunft wird zeigen, ob die Vorteile der Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht nicht recht teuer erkauft sind, indem die Zulassung der beschränkten Haftpflicht zum Teil zu Genossenschaften geführt hat, die recht bedenkliche wirtschaftliche Experimente darstellen und deren Zusammenbruch ganze Reihen von Genossenschaften in Mitleidenschaft zieht. Für eine nähere Begründung dieser Anschauungen ist hier nicht Raum und geeigneter Platz; doch diese Andeutungen und Hinweise, die bereits in der vierten Auflage enthalten waren, schienen notwendig; die in ihnen liegenden Behauptungen haben in der Praxis in den letzten Jahren weiter ihre Bestätigung gefunden?) 0 „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen" von Dr. Hans Crüger S. 136 ff., 165 ff.

Erster Teil. Gesetz, betreffend

die Erwerbs- und Wirlhschastsgenossenschasten. In der Fassung des nach Maßgabe des Artikels 13 des Einführungs­ gesetzes zum Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 festgestellten Textes (RGBl. 1898 Nr. 25 S. 810—845, ausgegeben am 14. Juni 1898).

Gesetz betreffend

die Erwerbs- und Wirthschastsgenoffenschasten. Ü)ir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt: Das Gesetz ist in Nr. 11 des RGBl., ausgegeben zu Berlin den 10. Mai 1889 (S. 55—93), publiziert und nach § 172 am 1. Oktober 1889 in Kraft getreten. Das Genossenschaftsgesetz vom 4. Juli 1868 hat die Überschrift: „Gesetz betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften". Einen Hinweis auf die rein privatrechtliche Stellung der Genossenschaften auch in das neue Gesetz aufzunehmen, wurde in der Kommission angeregt, indessen nahm man davon Abstand, weil das Gesetz es zwar grundsätzlich nur mit der privatrechtlichen Stellung der Ge­ nossenschaften zu tun habe, aber gleichwohl für einzelne Bestimmungen das öffentliche Interesse maßgebend sei. „Der Privatverkehr ist der Boden, in welchem die Genossen­ schaft wurzelt, womit es jedoch keineswegs im Widerspruch steht, daß die Gesetzgebung in Anbetracht der weiten Volkskreise, welche in den Wirkungskreis der Genossenschaften hineingezogen werden, sowie mit Rücksicht auf die den Genossenschaften eingeräumte gesetzlich gesicherte Stellung die Wohltat der letzteren an diejenigen Bedingungen knüpft, welche im öffentllchen Interesse wünschenswert erscheinen" (KommBer. 3). Durch Art. 13 EHGB. ist der Reichskanzler ermächtigt, den Text des Gesetzes betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, wie er sich aus den in den Artikeln des EHGB. vorgesehenen Änderungen ergibt, durch das RGBl, bekannt zu machen. Das RGBl. Nr. 25, ausgegeben am 14. Juni 1898, enthält die Bekanntmachung des Textes verschiedener Reichsgesetze in der vom 1. Januar 1900 an geltenden Fassung vom 20. Mai 1898. Lehmann in seinem Lehrbuch des Handelsrechts behauptet, daß seiidem das Genossenschaftsgesetz näher dem BGB. als dem HGB. stehe. Gerade das Gegenteil ist der Fall, nachdem insbesondere auch eine Reihe Bestimmungen aus dem HGB. in das BGB. übernommen sind. Es zeigt sich sogar durchweg das Streben, das Genossenschaftsgesetz dem Aktiengesetz anzupassen, insoweit dies bei der besonderen Rechtsnatur der Genossenschaft möglich ist, denn die EG. bildet eine'durchaus eigen­ artige Rechtsform, die im wesentlichen nur in der Organisation mit der Aktien­ gesellschaft übereinstimmt, mit Bezug hierauf aber stimmen die Bestimmungen der Gesetze oft fast wörtlich überein. In der Bekanntmachung des Textes fehlt die Einleitung des Gesetzes: „Wir Wllhelm usw. usw." Da die Bekanntmachung des Textes nur redaktionelle Bedeutung hat, ist dem Fortlassen der einleitenden Worte keine Bedeutung beizulegen. Die Be­ kanntmachung de- Textes enthält noch eine weitere Änderung. Die Novelle zum Genossenschaftsgesetz vom 12. August 1896 hat in der Reichslagskommission folgende Bezeichnung erhalten: Gesetz betreffend die Abändemng des Gesetzes über die ErwerbsPartsiuS-Crüger, Genossenschaftsgesetz. 6. Aufl.

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Genossenschaftsgesetz.

und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889 sowie den Geschäftsbetrieb von Konsumanstalten; dieser Zusatz ist in der Bekanntmachung fortgelassen und ent­ sprechend ist auch Artikel 2 des Gesetzes vom 12. August 1896 nicht aufgenommen, so daß ein besonderes Gesetz betreffend den Geschäftsbetrieb von Konsumanstalten vom 12. August 1896 (RGBl. Nr. 29 S. 695 ff.) übrig geblieben ist. Wir teilen dies Gesetz im Anschluß an das Genossenschaftsgesetz mit.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft. §• 1. Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der wirthschaft ihrer Mitglieder mittelst gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken (Genossenschaften), namentlich: (. Vorschuß- und Kreditvereine, 2. Rohstoffvereine, 3. Vereine zum gemeinschaftlichen Verkaufe landwirthschaftlicher oder gewerblicher Erzeugnisse (Absatzgenossenschaften, Magazinvereine), Vereine zur Herstellung von Gegenständen und zum Verkaufe derselben auf gemeinschaftliche Rechnung (Produktivgenossen­ schaften), 5. Vereine zum gemeinschaftlichen Einkäufe von Lebens- oder Wirthschaftsbedürfnissen im Großen und Ablaß im Kleinen (Konsumvereine), 6. Vereine zur Beschaffung von Gegenständen des landwirthschaftlichen oder gewerblichen Betriebes und zur Benutzung derselben auf gemeinschaftliche Rechnung, 7. Vereine zur Herstellung von Wohnungen, erwerben die Rechte einer „eingetragenen Genossenschaft" nach Maßgabe dieses Gesetzes. Ges. von 1868 § 1, Entw. I, II, Komm., Rtg. 1.

I.

lut Geschichte des $ 1. Über die Begriffsbestimmung tm § 1 des Ges. vom 4. Juli 1868, welcher wört­

lich mit § 1 des preußischen Genossenschastsgesetzes vom 27. März 1867 übereinstimmt, vgl. Einleitung S. 26. „Die Bezeichnung des wirtschaftlichen Zweckes der Genossen­ schaften ist ohne wesentliche Änderung aus dem ftüheren Gesetz übernommen. Nur ist, in Übereinstimmung mit der Überschrift des Gesetzes, die Förderung des Kredits der Genossen unter den Zwecken der Genossenschaft nicht besonders aufgeführt; denn die Kreditgewährung darf einen Gegenstand des genossenschaftlichen Geschäftsbetriebes nur insoweit bilden, als sie zur Förderung der Erwerbstätigkeit oder Wirtschaft der Genossen dient; sie ist also schon von diesen beiden Hauptzwecken der Genossenschaft

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

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umfaßt und zugleich begrenzt" (Begr. II 59). Die Definition trifft nur die „Genossen­ schaften" im Sinne dieses Gesetzes, ihre drei wesentlichen Merkmale find: 1. nicht geschloffene Milgliederzahl, 2. Förderung des „Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mit­ glieder", 3. gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb. a) Zu 2 u. 3. Ges. von 1868 und Entw. I u. II hatten hier „2. Rohstoff­ und Magazinvereine" (Erl. 8 u. 9). b) Zu 4. Mit Rücksicht auf die ländlichen Genossenschaften ist im Ent­ wurf statt des im Ges. von 1868 gewählten Ausdrucks „Anfertigung" von Gegen­ ständen das Wort „Herstellung" gewählt, das auch die Bearbeitung umfaßt und zugleich für die landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaften (Winzervereine, Molkereigenossenschaften usw.) zutrifft (Begr. II 59). c) Zu 5. Im Ges. von 1868 lautet, entsprechend dem Entwürfe der preußischen Abgeordnetenhauskommission von 1863, die Nr. 4: „Vereine zum gemeinschaftlichen Einkauf von Lebensbedürfnissen im Großen und Ablaß in kleineren Partien an ihre Mitglieder (Konsumvereine)". Im Entwurf „ist neben dem Einkauf von Lebens­ bedürfnissen auch die Anschaffung von Wirtschaftsbed'ürfnissen erwähnt, um damit zugleich die zur gemeinsamen Beschaffung von Saatgut, Kunstdünger, Viehfulter u. dergl. in. bestimmten landwirtschaftlichen Konsumvereine zu umfassen" (Begr. II 59). Diese Genossenschaften wurden mit Recht von Schulze nicht zu den Konsumvereinen, sondern zu den Rohstoffgenossenschaften gerechnet, weil sie die „Be­ schaffung der Rohstoffe für ihr landwirtschaftliches Gewerbe in erster Linie zum Gegenstand des Unternehmens haben" (Schulze-Delitzsch: Die Genossenschaften in einzelnen Gewerbszweigen S. 200, vgl. Erl. 8, 11). Indes nahm Schulze auf einen von Stöckel (Direktor des Verbandes landwirtschaftlicher Genoss, der Prov. Preußen) der landwirtschastlichen Kcnsumvereine halber dem Vereinstage zu Kassel (1881) unter­ breiteten und von demselben angenommenen Antrag die Einfügung des Wortes „Wirt­ schaftsbedürfnisse" in seine Novelle auf (Schulze-Delitzsch, S. 46, Mitteilungen über den Vereinstag in Kassel S. 50). Da diese Genossenschaften, trotz des Namens, in der Tat Rohst offvereine sind, fielen sie nicht unter das Verbot des § 8 Abs. 4 in der Fassung des Gesetzes vom 1. Mai 1889; durch die Novelle von 1896 wurde auch für den Verkauf der landwirtschaftlichen Konsumvereine eine gewisse Beschränkung getroffen (§ 8 Abs. 4). Der Entwurf hat hier die Worte „an ihre Mitglieder" und in Nr. 7 (Bau­ genossenschaften) die Morte „für ihre Mitglieder" gestrichen, weil das Prinzip, „daß die Vereine ihre Geschäftstätigkeit im Jntereffe der Genossen auszuüben haben", für alle Arten von Genossenschaften gilt und im allgemeinen schon aus der Definition im Eingänge des § 1 folgt. „Tie Vcausfttzungen und Schranken einer Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder sind im Gesetze besonders zu regeln" (§ 8 Begr. II 59). Wie jene Worte auf einen Beschluß der Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses von 1863 in deren Entwurf und von da in den preußischen Regierungsentwurf, in das preußische und deutsche Gesetz übergegangen sind, vgl. Parisius S. 167. Die Änderung „im Kleinen" statt „in kleineren Partien" ist in der Reichstags­ kommission vorgenommen und „hat nur redaktionelle Bedeutung" (KommBer. 4). d) Zu 6. Im Entw. I ist diese neue Nummer „hinzugefügt, in welcher die sogenannten Werkgenossenschaften zur gemeinschaftlichen Anschaffung und Benutzung landwirtschaftlicher oder gewerblicher Maschinen und Werkzeuge, sowie die Vereine zum Halten von Zuchttieren u. dergl. berücksichtigt werden" (Begr. II 59). 4*

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Genossenschaftsgesetz.

Statt dieses Satzes war von Schulze in seiner Novelle, entsprechend einem auf Stöckels Antrag (vgl. zu c) vom Bereinstage zu Kassel gefaßten Beschluß, aufzunehmen vorgeschlagen: „Genossenschaften zum gemeinsamen Betriebe einzelner Zweige des land­ wirtschaftlichen Gewerbes". e) Zu 7. Über den Fortfall der Worte „für ihre Mitglieder" oben c. f) Der Schluß des § 11 lautete im Gesetz von 1868 in weniger guter Fassung: „erwerben die im gegenwärtigen Gesetze bezeichneten Rechte einer,eingetragenen Ge­ nossenschaft unter den nachstehend angegebenen Bedingungen". Über die Entstehung der Bezeichnung „eingetragene Genossenschaft" § 3 Abs. 1 Erl. 4. Es besteht keine Verpflichtung für die Gesellschaft, die Rechte einer EG. zu erwerben (Erl. 14). II. Erläuterungen zu § 1.

1. Gesellschaften. Der Ausdruck „Gesellschaft" ist gewählt, weil vor der Eintragung nur eine nach dem BGB. zu beurteilende Vereinigung vorhanden ist. Ein Antrag in der Kommission, das Wort „Gesellschaft" entsprechend der Österreichischen Gesetzgebung durch „Verein" zu ersetzen, wurde zurückgezogen, nachdem die Regierungsvertreter erklärt hatten, daß sich der Ausdruck „Gesellschaft" auf privatrechtlichem Gebiet bewegt, während der Ausdruck „Verein" vorzugsweise auf dem öffentlichen Gebiet liegt (Komm. Ber. 3). In dem Text des Paragraphen ist gleichwohl das Wort „Verein" gebraucht, wie dies auch in der Praxis vielfach Anwendung findet; vgl. für die Ausdrucksweise BGB. §§ 21 ff., 705 ff. 2. Nicht geschlossene Mitgliederzahl. Der stets mögliche Wechsel in dem Bestände und in der Zahl der haftbaren Mitglieder, das Erfordernis der „nicht geschlossenen Mitgliederzahl" (vgl. Erl. 5 am Schluß betr. den Einfluß auf die „Öffentlichkeit") ist die charakteristische Besonderheit der Genossenschaft. Sie unterscheidet sich dadurch von den Handelsgesellschaften. Bei den Handelsgesellschaften ist entweder der Zutritt eines neuen Mitgliedes von der Einwilligung aller bisherigen Mitglieder abhängig, oder es ist, wie bei der Aktien­ gesellschaft, die Mitgliederzahl eine durch die Zahl der Aktien in gewisser Weise geschlossene, so daß neue Mitglieder nur an Stelle Ausscheidender eintreten. Das Statut darf die Mitgtiederzahl nicht ein- für allemal festsetzen. Zulässig freilich ist eine Beschränkung der Mitgliederzahl nach oben oder unten, denn die Mit­ gliederzahl ist dabei nicht „geschlossen". Es kann eine Genossenschaft durch Ablehnung aller Ausnahmeanträge (unter der Voraussetzung der Berechtigung hierzu), in Ansehung des Eintritts neuer Mitglieder, tatsächlich geschlossen gehalten werden, die Mit­ gliederzahl wird aber dadurch nicht geschlossen, weil der Austritt durch Aufkündigung und durch den Tod nicht gehindert werden kann (§§ 65, 66, 77). Das Statut kann die Ausnahme neuer Mitglieder von den verschiedensten Bedingungen abhängig machen, z. B. von der Zahlung eines Eintrittsgeldes (RG. 62, 308), von dem Beschluß des Vorstandes oder des Aufsichtsrats oder der Generalversammlung, ja sogar von der Einwilligung aller Genossen usw.; es kann die Genossenschaft aus bestimmte Klassen von Personen, z. B. auf Beamte, auf Meister eines und desselben Handwerks, auf Grundbesitzer beschränken (vgl. jedoch die nach­ stehend besprochene Entscheidung RG. 47, 76ff.). Fortfall der Qualifikation zum Erwerb der Mitgliedschaft bei dem Mitgliede führt nicht das Ende der Mitgliedschaft herbei, müßte daher im Statut als AuSschließungsgrund (§ 68) vorgesehen werden.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

53

Niemand hat int allgemeinen einen Anspruch auf Erwerb der Mitglied­ schaft (§ 15 Erl. 1), es ist in der Regel unmöglich, eine Genossenschaft zu zwingen» Personen, die ihr nicht gefallen, aufzunehmen (Birkenbihl-Maurer S. 30, Joel S. 445, Jessenberger S. 64),

es sei denn, daß nach dem Zweck der Genossenschaft ein un­

bedingtes Recht der Abweisung nicht zulässig ist (RG. 47, 76ff.).

In dem zur

Enlscheidung des RG. gelangten Falle hatte die Gemeinde in Verbindung mit einer Genossenschaft ein Schlachthaus errichtet,

die Schlachthausordnung war von der Ge­

nossenschaft entworfen und von der Behörde genehmigt, sie war ein integrierender Teil des Statuts, das Schlachthaus war als ein öffentliches anzusehen. „Im Sinne der Gewerbeordnung bedingt die Öffentlichkeit eines Schlachthauses dessen allgemeine Zu­ gänglichkeit mindestens für diejenigen Personen,

die das Metzgergewerbe betreiben.

Die notwendige allgemeine Zugänglichkeit eines Schlachthauses für die Metzger des Orts bedingt selbstredend nicht etwa eine gebührenfreie Benutzung, wohl aber eine gleichmäßige Bemessung der Gebühren für alle in Betracht kommenden Gewerbe­ treibenden . . . Hiermit steht es an sich in Widerspruch, wenn die SchlachthauSordnung bestimmt, daß Metzger, die nicht Mitglied der Genossenschaft find, für die Benutzung des Schlachthauses das Vierfache der Gebühren zu entrichten haben, die für die Mit­ glieder der Genossenschaft bestimmt sind. Die Bestimmung gewinnt aber eine andere Bedeutung, wenn man sie in Beziehung setzt zu den Bestimmungen des Statut-, wonach jedem G.er Metzger der Eintritt in die Genossenschaft nicht untersagt werden kann.

Da die Genossenschaft das Schlachthaus auf ihre Kosten gebaut hat und da die

Unkosten des laufenden Betriebes von ihr getragen werden, andererseits aber auch die Gebühren in ihre Kasse fließen, so ergibt sich, daß der Grundsatz der Parität der Metzger in der Benutzung des Schlachthauses als gewahrt gelten kann, wenn ihnen der Eintritt in die Genossenschaft und damit die Befreiung von den außer­ ordentlichen Gebühren der Nichtgenossen offensteht Dieser ... Zusammenhang .. ergibt, daß die Beilrittsmöglichkeit für alle G.er Metzger ein wesentlicher Punkt für die Organisation der Genossenschaft gewesen ist und noch ist . . . denn ohne die freie Beitrittsmöglichkeit würde die Einführung eines Schlacht­ hauszwangs, worauf es den Behörden vor allem ankommen mußte, der notwendigen gesetzlichen Unterlagen entbehrt haben. Diese freie Beitrittsmöglichkeit kann aber nur als wirklich vorhanden gelten, wenn die Bestimmung des Statuts, daß den G.er Metzgern der Beitritt „nicht untersagt werden kann", wörtlich genommen wird, d. h. im Sinne eines diesen Personen eingeräumten Rechts auf Aufnahme in die Genossenschaft ... Wenn das Genossenschaftsgesetz von der Zulassung des Beitretenden durch die Organe der Genoffenschaft ausgeht, so steht nichts im Wege, daß in bezug auf diese Zulassung eine vertragsmäßige Gebundenheit der Genossenschaft besteht, wie sie stets durch einen auf Aufnahme gerichteten Vorvertrag beschafft sein könnte. Ein Vertrag ähnlichen Inhalts muß hier aus dem Rechtsverhältnisse zwischen der Genossenschaft und der Stadtgemeinde unmittelbar abgeleitet werden." (RG. a. a. £).).

Des weiteren wird dargelegt, daß Bestimmungen des Statuts, wie z. B. das

Erfordernis des Besitzes der bürgerlichen Ehrenrechte für das Mitglied mit solchen Vorverträgen unvereinbar sein können; unerheblich sei es, wenn der sich um die Mitgliedschaft Bewerbende sein Geschäft in einer Weise betreibt, die nach dem Statut nickt zulässig ist.

Dabei kommt das RG. zu folgendem Grundsatz: „Die Beklagte

meint, weil der Kläger in Rechtsbeziehungen stehe, die, wenn er Genosse wäre, seinen Ausschluß aus der Genossenschaft zur Folge haben müßten, so könne sie ihm die Aufnahme verweigern.

Ob dieser Standpunkt unter andern Umständen als

54

Genossenschastsgesetz.

berechtigt anzuerkennen sein möchte, kann dahingestellt bleiben, nach dem Statut der Beklagten ist er jedenfalls unberechtigt. Denn nach außen ist die Beschlußfassung über den Ausschluß von Mitgliedern der Genossenschaftsversammlung Vorbehalten, während über die Aufnahme der Vorstand und Aufsichtsrat allein entscheiden können." Hieraus muß dann jedenfalls gefolgert werden, daß das aufgenommene Mitglied den Geschäfts­ betrieb nach Maßgabe des Statuts zu betreiben hat, wobei wieder nicht ausgeschlossen ist, daß gewisse im Statut enthaltene Beschränkungen als Verstöße gegen die Gewerbe­ ordnung ungültig sind, in welchem Falle nach Maßgabe dieser gegen die Genossenschaft vorgegangen werden könnte. Wie unter Umständen die Beitrittsmöglichkeit ein wesentlicher Punkt für die Organisation der Genossenschaft ist, kann das gleiche ent­ sprechend der Fall sein für die Ausschließungsbefugnis und die Genossenschaft kann selbst aus den gleichen Gründen, wie sie gezwungen wird, jemand aufzunehmen, gezwungen werden, von dem Recht auf Ausschließung nach § 68 abzusehen. Es mag dies zu Härten führen, aber erkennt man die Möglichkeit an, daß eine Genossenschaft gezwungen wird, jemanden aufzunehmen, muß man auch die Konsequenz für die Aus­ schließung ziehen. Von Wichtigkeit und in der Beantwortung nicht zweifellos ist die Frage, in­ wieweit Personen gezwungen werden können, der eingetragenen Ge­ nossenschaft beizutreten, welche sich durch besondere Erklärung hierzu bereit erklärt haben. Das RG. (30, 95ff.) schließt sich den Grundsätzen an, von welchen die Rechtsprechung des ROHG. bei Beurteilung der vor Errichtung des Statuts einer Aktiengesellschaft erfolgten Aktienzeichnungen ausgegangen ist. Ein Ver­ sprechen, der Genossenschaft beizutreten, ist nur rechtswirksam, wenn die wesentlichen Grundlagen des Statuts bereits feststehen, insbesondere muß das Beteiligungs­ versprechen im Sinne des Genossenschaftsgesetzes für hinlänglich bestimmt zu erachten seht. Ebenso RG. 40, 46. Der Verpflichtung zum Beitritt steht eine Gegenleistungspflicht, deren Nicht­ erfüllung in Frage kommen kann, nicht gegenüber (§ 15 Erl. 1 und Vorbemerkung zu § 15). Vgl. auch Joel S. 472, Birkenbihl-Maurer S. 118, Jessenberger S. 61. Über einen Fall des Beitrittszwangs § 13 Erl. 3. Nach dem BGB. wird der Grund­ satz der Formfreiheit zur Anwendung kommen (§§ 145ff.). Erschwerungen des Austritts sind nur im Rahmen des § 65 zulässig, insbesondere darf dem Ausscheidenden kein Vermögensnachteit auferlegt werden. Es kann also nur die Kündigung bis zur Maximalfrist ausgedehnt werden (ebenso Birkenbihl-Maurer S. 296, RG. 30, 38; 33, 6% a. A. Proebst S. 244, Joel S. 591, vgl. § 73 Erl. 4). In RG. 42, 79 wird für unzulässig erklärt die Erhebung von Beiträgen seitens Ausscheidender zu einem Amortisationsfonds. Für die Verneinung oder Zulassung der Erschwerung spricht auch die zwingende Bestimmung int §73 über die Auseinandersetzung (abweichend von dem früheren § 38). Der von dem RG. für Genossenschaften auf unbestimmte Zeit ausgesprochene Zweifel ist durch § 65 Abs. 2 des jetzigen Gesetzes gehoben, wonach kein Genosse länger als zwei Jahre an eine Genossenschaft gebunden werden kann. 3. Die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft (ihrer Mitglieder). Der Zweck der Genossenschaft muß gerichtet sein „auf Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft der Mitglieder" und muß erreicht werden mittels gemeinschaft­ lichen Geschäftsbetriebes s. oben zu I. Förderung des „Erwerbes" ist nicht immer, wie Birkenbihl-Maurer S. 31 (ebenso Joel S. 445) annehmen, Vermehrung der Ein­ nahme. Z. B. die Rohstoffgenossenschaft ist auf Förderung des Erwerbes gerichtet, sie

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

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soll aber die Ausgaben verringern; dagegen besteht allerdings Förderung der „Wirt­ schaft" immer in einer Verringerung der Ausgaben. Am deutlichsten kommt dies im Konsumverein zum Ausdruck. Nicht jede Genossenschaft, die auf Förderung des Er­ werbes ihrer Mitglieder gerichtet ist, ist daher auch eine Erwerbsgesellschaft, weil sie ihrerseits auf Erwerb, d. h. auf Erzielung von Gewinn (Erl. 5) gerichtet ist; dies hängt vielmehr von der Art des Geschäftsbetriebes ab. Die Genossenschaft verfolgt wirtschaftliche Zwecke durch wirtschaftliche Mittel; die wirtschaftlichen Zwecke sollen dem Interesse der Mitglieder (Erl. 4) dienen und das wirtschaftliche Mittel ist gemeinschaftlicher Betrieb eines Geschäfts (Erl. 5). Der Zweck der Genossenschaft muß unmittelbar auf Förderung des Er­ werbes oder der Wirtschaft der Mitglieder gerichtet sein. Zulässig ist natürlich auch die Verbindung und Förderung von Erwerb und Wirtschaft (Rohstoff- und Konsumverein). Daraus folgt, daß Vereine, die zwar gleichfalls ihre Mitglieder erwerbsfähiger machen wollen, aber nicht durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb und unmittelbare Einwirkung auf deren Erwerb oder Wirtschaft, sondern auf idealen Wegen, keine EG. sein können. So die Bildungsvereine. Ein Bildungsverein, der für seine Mitglieder eine Darlehnskasse unterhält, wird dadurch nicht eintragungsfähig; wohl aber die Darlehnskasse, wenn sie eine selbständige Gesellschaft geworden ist, gleichviel ob sie nur Mitglieder des Bildungsvereins oder auch andere aufnimmt (a. A. Joel 445 und die dort Zitierten). Wie mit den Bildungsvereinen, verhält es sich mit den Unter­ haltungsgesellschaften. Ein Kasino kann nebenbei für die Mitglieder Lebens­ bedürfnisse oder Wein im großen einkaufen und in kleinen Posten verkaufen, — es wird dadurch noch kein eintragungsfähiger Konsumverein. Anders aber liegt die Sache, wenn ein Kasino einen selbständigen Konsumverein begründet, oder wenn ein ein­ getragener Konsumverein für seine Mitglieder regelmäßige Unterhaltungsabende ein­ richtet. Das KG. (Johow 18, 27) sucht nach der geschichtlichen Entwicklung des Genossenschaftswesens festzustellen, „daß nur solche Vereinigungen dem Gesetz ent­ sprechen, die ihr Geschäft grundsätzlich mit ihren Mitgliedern betreiben und auf diese unmittelbare Art deren Erwerb oder Wirtschaft fördern .. . Eine Vereinigung, die lediglich darauf gerichtet ist, durch den Geschäftsbetrieb mit Nichtmitgliedern den Mit­ gliedern Gewinn zuzuführen, erfüllt nicht die gesetzlichen Bedingungen des § 1. Sie wird bei erfolgreicher Tätigkeit die Einnahmen der Mitglieder vermehren, aber sie kann die Mitglieder nicht, wie der § 1 des Gesetzes dies voraussetzt, durch Geschästsschlüsse in ihrem eigentümlichen Erwerbsberuf oder in ihrer Wirtschaft fördern." Weder entspricht dieser Grundsatz der geschichtlichen Entwicklung des Genossenschaftswesens, noch dem Gesetz. Gerade nach der geschichtlichen Entwicklung gehört die Beschränkung des Geschäftsbetriebes auf den Kreis der Mitglieder nicht zum Wesen der Genossenschaft, und nach dem Gesetz § 8 (Erl. 6) ist die Beschränkung nur die Ausnahme. Das Gesetz gibt in § 1 gar keine Handhabe für die Annahme, daß die Geschäftsabschlüsse der Genossenschaft die Mitglieder „in ihrem eigentümlichen Erwerbsberuf" berühren müssen, daS Gesetz würde auch sonst die Gründung von Produktivgenossenschaften z. B. meist unmöglich machen. Gemeinschaftlicher Geschäfts­ betrieb der Mitglieder zur Förderung ihres Erwerbes besagt nicht durch Geschäfte, die den Erwerbsberuf der Mitglieder betreffen. Die Förderung des Erwerbes der Mitglieder bezwecken alle Erwerbsgesellschaften, gleichviel, was der Gegen­ stand des Unternehmens ist. Gesellschaften, welche eine Turnhalle, ein GesellschastshauS bauen, um aus der Vermietung, oder ein Krankenhaus, eine Kaltwasser­ heilanstalt herstellen, um aus dem geschäftlichen Betriebe Gewinn für die Mit-

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Genossenschaftsgesetz.

glieder zu ziehen, können sich zu diesem Zwecke als EG. konstituieren, desgleichen Gesellschaften zur Verwaltung von Grundstücken, zur Verwertung von Sälen usw.; wohingegen eine Religionsgesellschaft, die sich ihr Gotteshaus, ein Turnverein, der sich seine Turnhalle zum eigenen Gebrauch baut, ebensowenig eintragungsfähig ist, wie ein Verein, der in wohltätiger oder gemeinnütziger Absicht ein Krankenhaus oder eine Heilanstalt irgendwelcher Art gründet und unterhält oder auf andere Weise Wohltätigkeit übt. Die Grenzen sind natürlich flüssig und wird alles von der Auslegung des Statuts abhängen, und in der Regel wird die Gesellschaft zur eintragungsfähigen Genossenschaft gestaltet werden können. Der Prüfung des Gerichts unterliegt nur die Fassung des Statuts und der sich hieraus ergebende Gegenstand des Unternehmens. Es erstreckt sich auch die Prüfung nicht darauf, ob der Geschäftsbetrieb dem Gegenstand des Unternehmens entsprechen wird. Es kann der Fall eintreten, daß die Bestimmung des Statuts Ziel und Zweck der Genossenschaft nur scheinbar angibt in der erkenn­ baren Absicht, eine rein formale Anwendung des Gesetzes zu ermöglichen. Dann werden auch entsprechende Pflichten der Mitglieder hinfällig (LG. Berlin Urteil v. 18. III. 07, BlfG. 1907 S. 253). Die Frage wird aktuell bei Anwendung des § 81. Entscheidend für die Eintragungsfähigkeit ist nach dem gesamten Statut die „Tendenz der »Genossenschaft" (Johow 14, 52). Birkenbihl-Maurer S. 32, Joel S. 445, Jessenberger S. 18, v. Sicherer S. 145, 151, wollen für die Unterordnung unter das Gesetz den überwiegenden Zweck der Genossenschaft entscheiden lassen. Insoweit damit die „Tendenz der Genossenschaft" gemeint ist, ist es richtig, die Genossenschaft kann aber nur einen bestimmten Zweck haben, etwaige Nebenaufgaben dürfen den Zweck nicht verändern. Über Ausübung von Rechten durch die Genossenschaft, Zutritt zu anderen Gesellschaften § 17 Erl. 1. Unbedenklich erscheint es, daß eine EG. den durch rein geschäftliche Zwecke zusammengeführten Mitgliedern Nebenleistungen gewährt (Unterhaltung, Bildung, Unterstützung in Not und Unglück, Zuwendungen an die Hinterbliebenen ver­ storbener Mitglieder u. dgl.), die außerhalb der gesetzlich zulässigen Gesellschafts­ zwecke liegen, aber in Gesellschaften jeder Art vorkommen können (ebenso Proebst S. 261, Birkenbihl-Maurer S. 32, 318); denn natürlich sind Genossen­ schaften hierbei nicht schlechter gestellt als andere Erwerbs- und Wirtschafts-Gesell­ schaften. Auch für die Beurteilung der Zulässigkeit der Nebenleistungen ist entscheidend die „Tendenz der Genossenschaft". Nur wenn diese Zuwendungen den Charakter der Genossenschaft wesentlich beeinflussen würden, wenn nach ihrem Umfange an­ genommen werden müßte, daß der Zweck der Genossenschaft sich aus diesen Neben­ leistungen und nicht aus dem im Statute bezeichneten Gegenstände des Unternehmens ergibt, könnte gegen die Genossenschaft das Auflösungsverfahren auf Grund des § 81 eingeleitet werden (vgl. auch § 149). In Sachen der Lübecker Genossenschaftsbäckerei hat das LG. Lübeck in dem Beschl. v. 3. VII. 97 (BlfG. 98 S. 44) den Grund­ satz aufgestellt, „Bildungs- und gemeinnützige Zwecke, für welche ein aus einem gewissen Rest des Reingewinns zu bildender Dispositions-Fonds verwendet werden soll, stehen in dieser Allgemeinheit mit den gesetzlichen Zwecken der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften gemäß § 1 des Reichsgesetzes vom 1. Mai 1889 so wenig in irgend welchem Zusammenhange, daß sie als außerhalb liegende Zwecke zu bezeichnen sind, für deren Erreichung die Vereinsform der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft vom Gesetz nicht gewährt und daher nach § 79 (jetzt § 81) des Gesetzes versagt ist". Mit diesem Beschluß setzt sich das Landgericht in Widerspruch zu der allgemein geltenden

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

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Praxis. Das Landgericht legt der Bildung des Dispositions-Fonds eine zu weit gehende Bedeutung bei, denn es ist nicht richtig, daß der Gegenstand des Unternehmens der Genossenschaft ohne weiteres durch die Bildung eines solchen Fonds beeinflußt wird, es hat das KG. (Johow 14, 46) insoweit mit Recht den Grundsatz aufgestellt, daß das gesamte Statut, die „Tendenz der Genossenschaft" für die Ein­ tragungsfähigkeit der Genossenschaft entscheidend ist; „um zu ermessen, ob die Genossen­ schaft die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder bezweckt, muß das Statut in seiner Totalität der Prüfung unterzogen werden". In jenem Beschluß liegt ferner ein Verstoß gegen § 81 des Gesetzes und auch gegen § 1, denn die Möglichkeit, daß eine Bestimmung des Statuts seitens der Genossenschaft mißbraucht werden kann, berechtigt das Gericht noch nicht, die Eintragung abzulehnen; verfolgt die Genossenschaft tatsächlich einen nicht nach dem Gesetz erlaubten Zweck, so bleibt der Verwaltungsbehörde das Recht des Auflösungsverfahrens nach § 81 des Gesetzes. Daß die Genossenschaft an sich berechtigt ist, Teile des Reingewinns zu Zwecken zu verwenden, die nicht direkt den Mitgliedern gleichmäßig zu gute kommen, ergibt sich schon daraus, daß die Novelle von 1896 es zuläßt, daß die Verteilung des Reingewinns ausgeschlossen wird, daß Stiftungs-Fonds zu Zwecken gebildet werden, die gänzlich außerhalb des Rahmens der Genossen­ schaft liegen, vgl. hierzu auch die Verhandlungen in der Reichstagskommission über die Novelle 1896 (Erl. zu § 20), wo die Erweiterung der Fassung des § 20 aus­ drücklich mit der Erwägung begründet ist, daß Genossenschaften die Förderung idealer Zwecke neben den wirtschaftlichen gesichert werden soll. Beschlüsse über derartige Zu­ wendungen, wenn dieselben nach dem Statut nicht statthaft sind, können von den Mitgliedern angefochten werden. Die Mitglieder sind ihrerseits in der Verfügung über ihre Dividende unbeschränkt. Vgl. ferner §§ 19, 48 mit Bezug auf Be­ willigung von Liberalitäten und Schenkungen aus dem Reingewinn. 4. Förderung der Mitglieder Unzulässig ist es, zwei Kategorien von Mitgliedern mit ver­ schiedenen Rechten zu schaffen. Das NG. (62, 311) läßt es unentschieden, ob im Statut zwei Klassen von Mitgliedern mit verschiedenen Rechten und Pflichten vor­ gesehen werden können und stellt den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung nur für Statutenänderungen auf. Der Widerspruch mit dem an die Spitze gestellten Grund­ satz ist wohl nur ein scheinbarer, denn das RG. hat nur im Auge den Fall, daß nicht alle Mitglieder sich an dem Gegenstand des Unternehmens beteiligen können. So auch RG. 38, 16. Eine solche Unterscheidung ist selbstverständlich zulässig und liegt im Wesen verschiedener Genossenschaftsarten sogar begründet. Warum sollten nicht Mitglieder einer Molkereigenossenschaft auch Besitzer werden, die noch gar nicht in der Lage sind, Milch zu liefern? Am häufigsten wird die Unterscheidung bei Produktiv­ genossenschaften vorkommen. Aber auch z. B. bei Kreditgenossenschaften. Dem Wesen der Genossenschaft aber würde es widersprechen, durch das Statut grundsätzlich bestimmte Mitglieder von dem Gebrauch der genossenschaftlichen Einrichtung auszuschließen, denn das wäre unvereinbar mit „Förderung von Erwerb und Wirtschaft der Mitglieder". Zuläsfig ist es, die Mitglieder an gewissen Einrichtungen nur unter bestimmten Voraussetzungen teilnehmen zu lassen, z. B. bei der Baugenossenschaft den Erwerb eines Hauses an die Bedingung zu knüpfen, daß ein Minimatguthaben eingezahlt ist. Dem RG. (62, 308) ist darin beizutreten, daß bei Abänderungen der statuta­ rischen Rechte der Mitglieder alle Genossen gleich behandelt werden müssen und daß gegenüber dem später beigetretenen Genossen der Inhalt der Satzungen zur

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Genossenschaftsgesetz.

Zeit seines Beitritts gilt. Aber nicht so bedingungslos ist dies zutreffend. Die Be­ stimmungen über Gewinnverteilung und Verteilung des Vereinsvermögens können z. B. durch Statutenänderung geändert werden (§ 43 Erl. 1). Unzulässig ist selbstverständlich durch Generalversammlungsbeschluß die Rechtslage einzelner Genossen zu ändern, wenn das Statut nicht solche Verschiedenheiten zuläßt (RG. 38, 16). Vgl. über Sonderrechte, Individualrechte § 43 Erl. 1; über vermögensrechtliche Pflichten § 19 Erl. 2. Während das Gericht ein Statut zu beanstanden hätte, das verschiedene Klassen von Mitgliedern schafft, kann das Gericht die Eintragung nicht deswegen beanstanden, weil nach seiner Ansicht nicht alle die Mitgliedschaft erwerben können, auf die sich das Statut bezieht; vgl. RG. 62, 311, wo der Fall behandelt ist, daß Personen zu Genossen aufgenommen werden, die nach den Bestimmungen über Bildung des Geschäftsanteils keinen Geschäftsanteil haben können — ein Fall, der eigentlich nicht denkbar ist, da bis zum 10. Teile des Geschäftsanteils die Bildung durch Statut für alle Mitglieder in gleicher Weise vorgesehen werden muß. Die Gesellschaft muß die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder bezwecken. Darüber, was unter Geschäftsbetrieb mit Nichtmitgliedern im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist vgl. Erl. 5. Der Geschäftsbetrieb muß auf Förderung der eigenen Mitgliedergehen. Es ist Talfrage, ob dies der Fall ist. Wenn eine Anzahl Fabrikbesitzer sich vereinigen und mit ihrem Kapital einen Laden (eine Konsumanstalt) errichten, um ihren Arbeitern die Lebensbedürfnisse gut und billig zu verschaffen, ohne einen anderen Gewinn als mäßige Verzinsung des Anlage­ kapitals zu beabsichtigen, so ist diese Gesellschaft nicht eintragungsfähig, weil die Gesellschastsmitglieder nicht die eigene Wirtschaft und den eigenen Erwerb, sondern die Wirtschaft des Arbeiters zu fördern bezwecken. Ganz ebenso verhält es sich mit den sogenannten gemeinnützigen Baugesellschaften und mit den Volksküchen. Die Mitglieder der gemeinnützigen Baugesellschaften bezwecken Verbesserung der Arbeiter­ wohnungen, zu diesem Behufe werden Wohnhäuser mit kleinen Wohnungen gebaut und an Unbemittelte ohne Gewinn vermietet oder verkauft. Die Volksküchen stellen ihr Essen zu jedermanns Verfügung zu einem Preise, bei dem sich das Anlagekapital mäßig verzinst. Die Mitglieder des Vereins sind nicht die, welche das preiswürdige Essen verzehren und dadurch sparen, sondern Personen aus besseren Gesellschaftskreisen. Der Vereinszweck ist Förderung der Wirtschaft anderer Personen, und die Mitglieder streben nicht nach Förderung ihres Erwerbes durch die Volksküche. In Breslau und Halle sind Landarbeiterheime als Genossenschaften eingetragen, obgleich sich Groß­ grundbesitzer vereinigt hatten, um Arbeiterheime zu gründen; die Ursache für die Wahl der Genossenschaft war offenbar, durch Anschluß an eine Verbandskasse billigen Kredit zu erhallen, diesen konnte man aber nur für die Genossenschaft erlangen. Aber hier kann schließlich noch auf eine Förderung des „Erwerbes der Mitglieder" geschlossen werden, da die Beschaffung von Arbeiterwohnungen den Mitgliedern der Genoffenschaft, den Großgrundbesitzern in ihrem Erwerbsintereffe förderlich ist. Daß Förderung deS Erwerbs der Mitglieder den Erwerb im weitesten Sinne versteht, ist in Erl. 3 dargelegt. Zweifelhaft war es, weil die Gen. Erwerb und Wirtschaft der Mitglieder fördern soll, ob Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit die Form der eingetragenen Genossenschaften wählen durften. Schulze-Delitzsch war nicht der Ansicht. Da sich die Zahl der als Gen. eingetragenen Versicherungsgesellschaften mehrte, beantragte er in seiner Novelle von 1876 einen Zusatz zu 8 1: „Ausgeschlossen sind Versicherungsgesellschaften jeder Art." In der Begründung der Novelle hieß es: 1. es werde der Ausführung nicht bedürfen, daß auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

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beruhende Versicherungsgesellschaften nicht unter den im § 1 des Gesetzes aufgestellten Begriff der Genossenschaft fallen, und 2. es müsse dem Hereinziehen solcher fremd­ artiger Institute, welche überdies der Staatskouzession und Aussicht unterliegen in die Reäitssphäre der Genossenschaften in dem Interesse der letzteren entgegengetreten werden?) In der Reichstagskommission 1876 wurde mehrfach, namentlich auch seitens der Vertreter des Bundesrats, der Ansicht Schutzes von der Unzulässigkeit der Ein­ tragung von Versicherungsgesellschaften widersprochen, aber sein Antrag angenommen. Schulze hat denselben bei jeder Ergänzung oder Änderung seiner Novelle aufrecht erhalten, aber in der Begründung nur den zweiten Punkt aufgeführt?) In der Be­ gründung des neuen Gesetzes ist die Ablehnung des Vorschlages Schutzes motiviert: „Unter den Zwecken des § 1 findet an sich auch die gegenseitige Versicherung gegen Schaden eine Stelle; denn die allgemeinen Voraussetzungen des Gesetzes find mit diesem Gegenstände des Unternehmens vollkommen vereinbar. . . . Die Frage der Gesellschaftsform für Verficherungsvereine wird nur im Zusammenhang einer gesetzlichen Regelung des Versicherungswesens zu lösen sein, und es wäre bedenklich, ohne Rücksicht hierauf eine Assoziationsart, die für beschränktere Versicherungs­ zwecke wohl anwendbar sein kann, gänzlich auszuschließen" (Begr. I 67). In der Reichstagskommission wurde die Frage nicht erörtert. Es war also, wie früher, bei jeder Versicherungsgesellschaft, die sich zur Eintragung meldete, zu prüfen, ob sie den Vorschriften des Gesetzes entspricht. Die Frage ist inzwischen durch das Gesetz vom 12. Mai 1901 gelöst und wir beschränken uns daher^ auf einige historische Angaben. In den Erörterungen für oder gegen die Eintragungsfähigkeit war nur allgemein von Versicherungen auf Gegenseitigkeit ohne Unterscheidung nach dem Gegenstände der Versicherung die Rede. Parisius S. 166 vermißte an ihnen den gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb; anderer Meinung v. Sicherer S. 153, Goldschmidt S. 30; vgl. RG. 4, 394; 11, 178, Gierte, die Genossenschaftstheorie und die deutsche Recht­ sprechung S. 295. Birkenbihl-Maurer S. 38 (vgl. aber a. a. O. S. 34) halten die Bildung von Genossenschaften, um mittels gemeinschaftlichen Betriebes des Ver­ sicherungsgewerbes den Erwerb ihrer Mitglieder zu fördern, für statthaft. Ebenso Proebst S. 21; Richter S. 21 unbestimmt. Die Lebensversicherung auf Gegen­ seitigkeit hätte kaum als eingetragene Genossenschaft konstituiert werden können, denn bei ihr ist der Zweck nicht unmittelbar auf Förderung des Erwerbes oder der Wirt­ schaft der Mitglieder, d. h. der Versicherten gerichtet, sie bezwecken vielmehr Ver­ besserung der materiellen Lage der Hinterbliebenen der Mitglieder, worin ja freilich auf eine „Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder" gesehen werden kann. Ähnlich wie mit den Lebensversicherungen verhält es sich mit Begräbniskassen, Sterbekassen, Witwen- und Waisenkassen. Anders liegt es bei den Versicherungen gegen Schaden. Es kamen als eingetragene Genossen­ schaften hauptsächlich Feuer-, Vieh-, Hagel-, Schiffs-und BaugewerbeunfallVersicherungen vor, die den Ersatz eines möglicherweise in Zukunft eintretenden, von betn Willen des sich versichernden Genossen unabhängigen Schadens bezwecken. Erblickt man darin den Zweck der Förderung der Wirtschaft, so ist die Eintragungs­ fähigkeit anzuerkennen, ebenso OVG. 25, 326 ff. Birkenbihl-Maurer S. 31 halten den Betrieb von Kranken- rc. Kassen in der Form der EG. für unzulässig, weil sie nicht den Erwerb der Mitglieder fördern, sondern gegen Unglücksfälle sichern — letzteres 1) BlsG. 1876 S. 211; 1877 S. 113. 2) Vgl. Schulze-Delitzsch S. 17.

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Genoffenschaftsgesetz.

ist doch aber gewiß auch eine Förderung des Erwerbs. Es blieb Talfrage, wann durch die Versicherung Förderung von Erwerb und Wirtschaft der Mitglieder gegeben ist. Nunmehr ist also durch das Gesetz über die privaten Versicherungs­ unternehmungen vom 12. Mai 1901 (§ 6) die Neubegründung von Versicherungsunternehmungen in der Fornr der EG. ausgeschlossen, das Gesetz bezieht sich auf Lebensversicherungen, Unfall-," Haftpflicht-, Waisen-, Aussteuer- und Militärdienst­ versicherungen, gleichviel ob auf Kapital oder Renten. Die bestehenden EG., welche Versicherungsgeschäfte betreiben, unterstehen auch fernerhin dem Genossenschaftsgesetz, wobei das Privatversicherungsgesetz nach Maßgabe des § 102 desselben zur Anwendung kommt. Würde gleichwohl eine EG. für den Betrieb von Versicherungsgeschäften ein­ getragen sein, so könnte gegen die Genossenschaft nicht im Wege der Auflösung nach § 81 vorgegangen werden, sondern nur mit dem Nichtigkeilsverfahren (§§ 94ff., FGG. §§ 147, 142). Ein Versicherungsunternehmen, das seinen Mitgliedern Unterstützung gewährt, ohne ihnen einen Rechtsanspruch darauf ein­ zuräumen, mithin den Vorschriften des Privatversicherungsgesetzes nicht unter­ liegt, kann die Form der EG. annehmen. Erforderlich ist nur, daß die Genossenschaft im Statut jeden Rechtsanspruch der Mitglieder auf Entschädigung ausschließt, ohne Bedeutung dagegen ist, ob tatsächlich die Mitglieder bei normalem Verlauf der Dinge die Entschädigung in vollem Umfange erwarten dürfen; vgl. Beschl. des KG. v. 8. II. 06 (Johow 32, 164, BlfG. 1906 S. 147). Die Genossenschaft, welche ursprünglich in ihrem Statut den Mitgliedern einen Rechtsanspruch auf Ent­ schädigung zugebilligt hatte, änderte ihr Statut, um der Aussicht gemäß den Vor­ schriften des Privatversicherungsgesetzes zu entgehen, dahin ab, daß sie ausdrücklich im Statut jeden Rechtsanspruch der Mitglieder ausschloß und jede Bestimmung, die auf eine Zahlungspflicht der Genossenschaft hinwies, entfernte. Als dann auf Betreiben der Regierung das Amtsgericht die Löschung der Genossenschaft auf Grund der §§ 147, 142 FGG. beschloß, weil die Bestimmung des Statuts über den Gegenstand des Unternehmens, Versicherung von Spiegelscheiben gegen Bruch, nichtig sei, erwirkte die Genossenschaft im Rechtsmittelwege die Entscheidung des KG., welches die Genossen­ schaft für ein nicht dem Privatversicherungsgesetz unterliegendes Unternehmen erklärte. 5. Gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb, Gewerbebetrieb. Beschrän­ kungen durch Gewerbeordnung und andere Gesetze. Die Begriffsbestimmung „mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs" ist ver­ schieden ausgelegt. Es ist darunter zu verstehen der gemeinschaftliche Betrieb eines Geschäfts und nicht, wie v. Sicherer (S. 150) annimmt, „gemeinschaftlicher Abschluß von Rechtsgeschäften". Das Wort „gemeinschaftlich" paßt nicht recht in die Rechtsnatur der EG., die Rechtspersönlichkeit hat, denn die Geschäfte der Genossen­ schaft werden nicht durch die Mitglieder „gemeinschaftlich", sondern durch die gesetzliche Vertretung, den Vorstand, geführt. Das Wort „Geschäftsbetrieb" setzt eine dauernde, in sich geschlossene Tätigkeit voraus, ein „Unternehmen" (§ 6 Erl. 4), nach dem sich auch die Bezeichnung der Firma zu richten hat (§ 3 Abs. 1). Ebenso Joel S. 446 gegen Sicherer. Wäre die Auslegung Sicherers richtig, so könnte sich eine Genossenschaft auch für einen bestimmten Fall zum Abschluß von einzelnen Rechts­ geschäften bilden; dies aber widerspricht nickt allein dem Worte „Geschäftsbetrieb", sondern auch der Voraussetzung des § 3, daß die Genossenschaft ein „Unternehmen" zum Gegenstände haben soll. Mit Recht ist daher die Eintragung einer „Landesprodukten- und Warenbörse" abgelehnt, da dieselbe nur den Mitgliedern für den Abschluß ihrer Geschäfte dient, aber nicht die Förderung des Erwerbs im Wege des

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Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

61

gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes (Busch, Archiv 24, 287) bezweckt. Un­ zulässig und die Eintragung ausschließen würde daher auch eine Bestimmung des Statuts, nach welcher der Geschäftsbetrieb einem Dritten übertragen wird oder unter gewissen Voraussetzungen ruhen soll. Für Aktiengesellschaften vgl. dagegen RG. 3, 128. Es ist Birkenbihl-Maurer (S. 34) darin beizustimmen, daß eine Molkereigenossenschaft nicht eintragungsfähig sein würde, welche sich darauf beschränkt, die Milchlieferung ihrer Genossen zu verpachten; freilich müßte sich dies aus dem Statut ergeben, denn eine bestehende Genossenschaft kann nicht behindert werden, den Betrieb abzugeben (BlfG. 1900 S. 25). Die in den letzten Jahren als sog. Buchkassen begründeten Verbandskassen von Kreditgenossenschaften bestehen ebenfalls nicht zu Recht, da von einem Geschäftsbetrieb bei ihnen wohl keine Rede sein kann, sie sind höchstens Filialen der Preußischen Zentral-Genossenschafts-Kasse. Das Statut wird freilich in der Regel keine Auskunft darüber geben, ob die Genossenschaft der Begriffsbestimmung genügt. Das OLG. Naumburg hat (Beschl. v. 3. I. 03, BlfG. 1905 S. 314) den gemein­ schaftlichen Geschäftsbetrieb bei einem Markenkonsumverein als vorhanden angenommen, „denn es verschaffen die Vorstandsmitglieder durch diese Tätigkeit den Mitgliedern ihres Vereins für bestimmte Bedürfnisse eine billigere Einkaufsquelle, üben somit dadurch einen gemeinschaftlichen Geschästsbetrieb aus, welcher die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft der Mitglieder zum Zwecke hat." In den Motiven des preußischen Regierungsentwurfs vom 2. Februar 1866 (Drucksachen, Herrenhaus Nr. 10 S. 25) zu § 1 wird von diesen Vereinen gesagt, daß sie „nicht hierher gehören, weil bei denselben ein gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb ihrer Mitglieder überhaupt nicht stattfindet". Infolge des Erfordernisses des „gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes" sind, wie eS in den Motiven der preußischen Regierungsvorlage von 1866 und 1867 ausgeführt war, ausgeschlossen: alle Wohltätigkeitsinstitute, Bildungs- und UnterHaltungsvereine (vgl. auch Erl. 3), die industrielle Partnerschaft; bei der letzteren sind die Arbeiter nicht am Betriebe des Geschäfts beteiligt, dasselbe befindet sich allein in den Händen des Fabrikherrn, wenn auch die Arbeiter an dem im Geschäft verwendeten Vermögen beteiligt sind. Selbstverständlich hat die Genossenschaft die allgemein für den Gewerbebetrieb oder bestimmte Gewerbe geltenden reichs- und landesgesetzlichen Vorschriften zu befolgen, wobei allerdings in jedem Falle zu prüfen ist, ob der Geschäftsbetrieb auch als Gewerbe zu betrachten ist. Das ist bei distributiven Genossenschaften der Fall, wenn der Geschäftsbetrieb der Genossenschaft über den Kreis der Mitglieder hinausgeht — bei den produktiven Genossenschaften kommen die allgemeinen gewerberecktlichen Grundsätze zur Anwendung. Was bei einer EG. unter einem Geschäftsbetrieb mit Nichtmitgliedern zu verstehen ist, kann nicht zweifelhaft sein, wenn man den Geschästsbetrieb in seine Einzelheiten zerlegt. Der Geschäftsbetrieb der Genossenschaften zerfällt in zwei Teile: erstens müssen sie Geschäfte betreiben, um imstande zu sein, Erwerb und Wirtschaft ihrer Mitglieder zu fördern, also z. B. Borschußvereine sich Geld ver­ schaffen, Rohstoffvereine, Konsumvereine Waren einkaufen, Produktivgenossenschaften Waren verkaufen, Werkgenossenschasten Geräte anschaffen usw. Diese Geschäfte bilden stets nur Mittel zum Zweck. Zweitens aber geht ihr Geschästsbetrieb aus Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder, sie machen ihre Tätigkeit für die Mitglieder nutzbar, also z. B. Vorschubvereine leihen diesen Geld, Rohstoffvereiue,

Genossenschaftsgesetz.

62

Konsumvereine geben an diese Waren ab,

Produktivgenossenschaften,

im eigentlichen

Sinne, lassen von diesen Waren Herstellen, Werkgenossenschaften verleihen an diese die Geräte.

Unstreitig kann der erste Teil des Geschäftsbetriebes auf Mitglieder nicht

beschränkt werden, derselbe mutz der Genossenschaft auch mit Nichtmitgliedern gestattet sein, soll sie überhaupt bestehen können (Begr. I 75, II 51).

Anders verhält eS sich

mit dem zweiten Teil: die Genossenschaft kann selbstverständlich ihre Zwecke erfüllen, auch

ohne

daß

sie Nichtmitglieder an

denselben teilnehmen läßt.

Vgl. über

die

gesetzlichen Beschränkungen § 8. Eine besondere Erläuterung erfordert die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder bei Produktivgenossenschaften. Arten solcher Genossenschaften

zu unterscheiden:

ES sind zu diesem Zweck die drei

1. Genossenschaften, bei denen sich

Genossen desselben Gewerbes ev. unter Zuziehung von Kapitalisten usw. zusammentun. um gemeinschaftlich Waren anzufertigen bzw. zu verarbeiten; Zweck der Genossenschaft ist Besserung des Erwerbs der arbeitenden (produzierenden) Mitglieder.

Hier liegt eine

Ausdehnung des Geschäftsbetriebes' auf Nichtmitglieder noch nicht vor, wenn, was nicht zu vermeiden ist, vorübergehend zur Aushilfe fremde Arbeitskräfte im Betriebe ein­ gestellt werden (vgl. Proebst S. 52).

2. Genossenschaften, zu denen sich eine Anzahl

Personen vereinigen, um für den eignen Gebrauch Waren herzustellen; dahin gehören in der Regel Bäckereigenossenschaften, bei denen Gegenstand des Unternehmens ist, die Mitglieder mit gutem Brot zu versorgen.

Nach der Definition des Gesetzes sind dies

Produktivgenossenschaften, wirtschaftlich stehen sie- den Konsumvereinen gleich (Erl. 10). Bei ihnen liegt eine Ausdehnung des Geschäftsbetriebes aus Nichtmitglieder dann vor, wenn

die Ware auch

an

Nichtmitglieder verkauft

wird.

Ein Konsumverein,

der

Produktton betreibt, z. B. eine Bäckerei hat, wird dadurch für diesen Geschäftszweig Produktivgenossenschaft (Erl. 11). Inwieweit in einzelnen Geschäftszweigen der KonsumVereine Produktion liegt, ist Tatfrage.

3. Kommen in Betracht Genossenschaften, die

allerdings auf Produktion gerichtet sind, bei denen die „Genossenschaft" aber nur die äußere Form des Geschäftsbetriebes abgibt.

Hier kann ebensowenig wie bei Aktien­

gesellschaften von einer Beschränkung des Betriebes auf Mitglieder oder Ausdehnung auf Nichtmitglieder die Rede sein, § 8 Nr. 5 muß deswegen bei solchen Genossenschaften außer Anwendung bleiben.

Zuweilen läßt sich freilich nicht mit Sicherheit feststellen,

zu welcher der drei Arten die Produktivgenossenschaft gehört. lichen Produktivgenossenschaften

Von landwirtschaft­

kommen hauptsächlich solche in Betracht,

die

sich auf einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb beziehen, wie Milch, Obstverwertung usw. Eine Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder liegt bei denselben vor, wenn sie zu verarbeitende Rohstoffe auch von Nichtmitgliedern annehmen. Die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder ist vor allem von allgemein rechtlicher Bedeutung, weil durch dieselbe der Geschäftsbetrieb der

distributiven Genossenschaften

Magazingenossenschaften)

(Kredit-,

Rohstoff-,

Konsum-,

den Charakter des Gewerbebetriebes

Werk-,

bekommen,

Bau-, denn

diese Ausdehnung hat zur Folge, daß die Genossenschaft Gewinn erzielen will, was bei den distributiven Genossenschaften dann nicht der Fall ist,

wenn sie ihren

Geschäftsbetrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränken, da ihre Tendenz dann nicht auf Erzielung von Gewinn, sondern von Ersparnissen für die Mitglieder gerichtet ist (Johow 21, 75).

Auf solche Genossenschaften kommen daher auch die für Gewerbe­

treibende geltenden Bestimmungen nur insoweit zur Anwendung, ausdrücklich

für

anwendbar

erklären,

als die Gesetze sie

während die mit Nichtmitgliedern arbeitenden

distributiven Genossenschaften den Gewerbetreibenden gleich zu behandeln sind.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

63

Es ist in der Rechtsprechung fast allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz, daß der Geschäftsbetrieb einer distributiven Genossenschaft, sobald sich derselbe auf den Kreis der Mitglieder beschränkt, kein Gewerbe ist, da er nicht auf Gewinn gerichtet ist, folglich auch nicht den Bestimmungen der Gewerbeordnung unterliegt (vgl. § 8 Erl. 6c; RG. Strafsachen 5, 112; Reger Entsch. II S. 5; Pony Verwaltungsrecht II S. 170; Johow 9, 191, 11, 218; 21, 77; OBG. 2, 33, 9, 282, 11, 54, 16, 66, 22, 315, Urteil v. 26. X. 91, mitgeteilt in BlsG. von 1892 S. 9. RG. 38, 20). Das KG. erklärt (Johow 21, 75) in Übereinstimmung mit der Gerichts­ praxis und der Rechtswissenschaft: es „gehört zur Gewerbemäßigkeit eines Geschäfts­ betriebes, daß die Absicht besteht, aus der einen Komplex von Geschäften umfassenden Tätigkeit eine dauernde Einnahmequelle zu machen"; und die Absicht wird bei einem Konsumverein, der nur an Mitglieder Waren abgeben will, verneint. Es heißt dort mit Bezug auf die von einem solchen Konsumverein zur Berteilung kommenden Dividenden, daß „diese sich nicht als eine den Mitgliedern aus einem Handel zufließende Einnahme, sondern als Rückzahlung eines Teils des von ihnen für die Waren entrichteten Preises darstellt". Eine Ausnahmestellung in dieser Rechtsprechung nehmen nur die Kgl. Sächsischen Gerichte ein, welche in dem Geschäftsbetrieb jeder Genossenschaft einen Gewerbebetrieb sehen, diese Annahme fleht aber mit den tatsäch­ lichen Verhältnissen im Widerspruch. Auch in den Motiven zu dem Gesetzentwurf betr. die Bekämpfung des Mißbrauchs geistiger Getränke ist anerkannt: „Nach dem bestehenden Rechte unterliegen nur Vereine, welche den Gewerbebetrieb über den Kreis ihrer Mitglieder hinaus erstrecken, den Vorschriften der Gewerbeordnung" (Motive zu § 22 des Entwurfs, in der ersten und zweiten Beilage des Reichsanzeigers Nr. 200 vom 26. August 1891 mitgeteilt). Durch die Novelle zur Gewerbeordnung vom 6. August 1896 sind die Be­ stimmungen über die Sonntagsruhe (§ 41 a, vgl. früher in betreff der Anwendung der Vorschriften über die Sonntagsruhe das Urteil des OLG. zu Braunschweig v. 20. V. 93, BlsG. 1893 S. 394, das Ministerialreskript vom 11. März 1893, BlfG. 1894 S. 146) ausdrücklich auch auf die Vereine für anwendbar erklärt, die ihren Geschäftsbetrieb nur auf den Kreis der Mitglieder beschränken. So unterwerfen auch die neuen Gewerbesteuergesetze die Genossenschaften der Gewerbesteuerpflicht, ohne Rücksicht aus die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes über den Kreis der Mit­ glieder hinaus. Zum Teil auch sind die Konsumvereine dadurch unter die für die Gewerbetreibenden geltenden Bestimmungen gebracht, daß ihr Geschäftsverkehr als „öffentlicher Verkehr" betrachtet wurde, vgl. OVG. v. 15. X. 90, BlfG. 1891 S. 89 (vgl. S. 67). Die Rechtsprechung jedoch schwankt, so hat das OLG. Hamm (BlfG. 1905 S. 545) die Bestimmungen des Margarinegesetzes auf einen Konsumverein, der Waren nur an Mitglieder abgibt, für nicht anwendbar erklärt. Das Gesetz betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 30. Juni 1900 hat den Abschnitt VI (Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufsstellen) §§ 139 ff. eingefügt betreffend die Ruhezeit, Mittagspausen und den Ladenschluß. § 139m be­ stimmt: „Die Bestimmungen der §§ 139 c bis 139 i finden auf den Geschäftsbetrieb der Konsum- und anderer Vereine entsprechende Anwendung." Hieraus ergeben sich, abgesehen von dem Ladenschluß, der Beschäftigung der Angestellten wichtige Be­ stimmungen für die Aufnahme der Inventur. Die Mitwirkung der Gehilfen und Arbeiter bei der Inventur ist nicht zu entbehren und für die Konsumvereine eignet sich zur Inventur kaum ein anderer Tag wie der Sonntag. Die Gewerbe­ ordnung sieht nur eine Ausnahme vor, und bestimmt im § 105 c, daß die Vorschriften

64

Genossenschastsgesetz.

aus § 105 b über die Beschäftigung von Gehilfen und Arbeitern an Sonn- und Feier­ tagen keine Anwendung finden sollen, „fiit einen Sonntag zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur". Gesetzlich vorgeschrieben ist aber nur die für die Aufstellung der Bilanz erforderliche Inventur. Über das dann aufzustellende Verzeichnis der Arbeiter vgl. § 105 c. Vorstands- und Aussichtsratsmitglieder sind für die von ihnen selbst zu besorgenden Arbeiten bei der Inventur durch die Bestimulungen der Gewerbeordnung nicht eingeschränkt, vgl. § 31 Erl. 3. Für die Sonntagsruhe gilt, daß mit Eintritt der festgesetzten Stunde auch die Beschäftigung aufhört (§ 105 b); anders für die Ruhezeit (§ 139«). Für Frau und Tochter eines Lagerhalters, die im Geschäft behilslich sind, finden die Bestimmungen über die ununterbrochene lOstündige Ruhezeit (§ 139 c der Gewerbeordnung) keine Anwendung, da dieselben nicht zu den Gesellen, Gehilfen und Lehrlingen gehören, für die das Gesetz die Einhaltung der Ruhezeit vorschreibt (BlfG. 1901 S. 370), es sei denn, daß nach dem AnstellungsVertrag, der mit dem Lagerhalter abgeschlossen ist, anzunehmen ist, daß Frau und Tochter des Lagerhalters im Dienst der Genossenschaft stehen. Unrichtigerweise ist zuweilen der Versuch gemacht, den § 15a der Gewerbeordnung, betreffend die Anbringung von Firmenschildern an der Außenseite devGeschästslokale, auf Genossenschaften anzuwenden; EG. sind in § 15a bet Gewerbeordnung nicht aufgeführt, und da auch sonst eine gesetzliche Bestimmung nicht besteht, wonach die EG. ihre Firma an der Außenseite der Geschäftslokale anzubringen haben, so könnten höchstens Polizeiverordnungen in Betracht kommen. Es ist aber zweifelhaft, ob, nachdem nun durch § 15 a der Gewerbeordnung die Materie geregelt ist, noch die Entscheidung des KG. v. 15. III. 94 aufrecht erhalten werden kann, durch die Polizeiverordnungen für rechtsgültig erklärt sind, die bestimmen, daß an jedem offenen Geschäftslokale der Name des Inhabers oder die Bezeichnung seiner eingetragenen Firma an­ zubringen sei (BlfG. 1899 S. 517). Für Konsumvereine ist von Bedeutung, daß § 16 der Gewerbeordnung betreffend die Errichtung von Schlächtereien dann nicht auf sie Anwendung findet, wenn das in den Behausungen des Lieferanten geschlachtete Vieh in den Räumen des Vereins lediglich zum Verkauf hergerichtet wird (BlfG. 1901 S. 179). Vgl. im übrigen für den Fleischhandel das Reichsgesetz vom 3. Juni 1900, dessen Vor­ schriften auch von den Konsumvereinen zu beobachten sind. In betreff der Maß- und Gewichtsordnung haben das Urteil des OVG. v. 15. X. 90 (Entsch. 20, 426, BlsG. von 1891 S. 89), der Erlaß des württembergischen Ministers des Innern vom 25. Juni 1891, der Erlaß der preußischen Minister des Innern und für Handel und Gewerbe vom 21. Januar 1891 die Konsumvereine tatsächlich der Maß- und Gewichtsordnung unterstellt; in betreff des Begriffs „offener Laden" vgl. das Urteil des OBG. v. 11. IV. 93 (BlfG. 1893 S. 266, § 8 Erl. 11). Über den Begriff „öffentlich" Erl. 5 am Ende. Nach der in Vorbereitung befindlichen neuen Maß- und Gewichtsordnung sollen alle Konsumvereine derselben unterstellt werden. Das Reichsversicherungsamt hat entschieden, daß der Geschäftsbetrieb eines Konsumvereins nicht als ein mit dem Handelsgewerbe verbundener Lagerbetrieb zu betrachten, daher nicht als versicherungspflichtig zur Lagereiberufsgenossenschaft gehöre (BlfG. 1902 S. 258). Über die Stellung der Genossenschaften zu Handels- und Handwerks­ kammern, zu Gewerbe1905 S. 454 ff., 461 ff.

und

Kaufmannsgerichten BlfG. 1898 S. 121;

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

65

§ 1.

Über den Geschäftsbetrieb einer Molkereigenossenschaft hat sich daS KG. dem Urteil v. 12. XL 00 (DJZ. 1901 S. 74) dahin ausgesprochen: daß die Genossen­ schaft dienendes Glied und Bestandteil der einzelnen Landwirtschaften bleibt; ihre Erzeugnisse bleiben Erzeugnisse der Landwirtschaft. So gelangt das KG. zur Nicht­ anwendung des § 148 Nr. 7 Gewerbeordnung. Vgl. auch Johow 7, 287. Jedenfalls kann hier aber nur an solche Molkereigenossenschaften gedacht werden, die sich auf Vertrieb und Bearbeitung der von ihren Mitgliedern eingelieferten Milch beschränken. Anders hat sich zu der Frage das RG. gestellt (RG. Strafsachen 22, 288). Das RG. hat Genossenschaftsmolkereien, die als EG. konstituiert sind, selbst dann unter die Gewerbeordnung gestellt, wenn sie ausschließlich an Mitglieder verkaufen, „denn eine solche Rechtspersönlichkeit ist ein von den einzelnen Mitgliedern verschiedenes Rechtsobjekt; als eine Einheit, eine Gesamtheit ist sie die Trägerin der Rechte und Pflichten. Ein Gewerbe der in Rede stehenden Art wird von ihr — von ihrem Vertreter — als ein selbständiges, nicht von den Mitgliedern als ein Nebengewerbe betrieben." Über die Beschäftigung von Arbeiterinnen in Meiereien und Betrieben zur Sterilisierung von Milch ist die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 17. Juli 1895 (RGBl. S. 420) ergangen. Nack dem Hypothekenbankgesetz vom 13. Juli 1899 (§ 2) ist EG. der Be­ trieb eines Unternehmens der im § 1 Absatz 1 bezeichneten Art untersagt. § 1 Absatz 1 bestimmt: „Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens in der hypothekarischen Beleihung von Grundstücken und der Ausgabe von Schuldverschreibungen auf Grund der erworbenen Hypotheken besteht (Hypothekenbanken), bedürfen zur Ausübung ihres Geschäftsbetriebes der Genehmigung des Bundesrates." Auf die bei dem Inkrafttreten des Gesetzes in das Genossenschafts­ register EG. findet, sofern sie vor dem 1. Mai 1889 gemäß den Bestimmungen threr Satzungen die im § 1 Absatz 1 bezeichneten Geschäfte betrieben haben, die Vorschrift des § 2 keine Anwendung (§ 45 des Hypothekenbankgesetzes). Solche Genossenschaften sind nunmehr dem Hypothekenbankgesetz unterstellt. Über die Folgen des Verstoßes vgl. unten S. 67. Über Versicherungsgesellschaften vgl. Erl. 4. „Vereinigungen zu dem Zweck, ein Gut zu kaufen, zu bewirtschaften, zu parzellieren, ländliche Wirtschaften zu errichten," können sich in der Form von Genossenschaften bilden, wie dies der Kommissar des Bundesrats im Reichstage am 4. April 1889 (StBer. 1291) auf Befragen ausdrücklich bestätigte. Solche Ackerbau-Genossen­ schaften, namentlich zu dem Zwecke, durch Überlassung der Parzellen an die Mit­ glieder diese zu Landbesitzern zu machen, erfordern einen gemeinschaftlichen Geschäfts­ betrieb. Auch eine Gesellschaft zur Kolonisation kann sehr wohl den Voraussetzungen des § 1 entsprechen; a. A. Birkenbihl-Maurer S. 318 mit Rücksicht darauf, daß es zweifelhaft ist, ob sie dem Gemeinwohl schaden oder nützen, der Tatbestand des § 81 kann hierbei aber schwerlich gegeben sein, ha es bei der Kolonisation an der gesetz­ widrigen Handlung fehlt; ebenso ist auch der daselbst angeführte Grund nicht stichhaltig, daß eine Gesellschaft zur Kolonisation „keinen der im § 1 angeführten Zwecke verfolgt" die Kolonisation soll den Erwerb der Mitglieder fördern. Nach § 3 des Gesetzes über das Auswanderungswesen vom 9.Juni 1897 soll EG. die Erlaubnis zu dem Geschäftsbetriebe der Beförderungen von Auswanderern nach außerdeutschen Ländern in der Regel nur erteilt werden, wenn sie im Reichsgebiete ihren Sitz haben. Zulässig ist die Bildung von Reedereigenossenschaften nach dem Gesetz, Parisius-Crüger, Genossenschaftsgesetz. 6. Ausl.

5

66

Genossenschaftsgesetz.

betreffend das Flaggenrechl der Kauffahrteischiffe vom 22. Juni 1899; zur Führung der Reichsflagge sind die Kauffahrteischiffe nur dann berechtigt, wenn sie im ausschließlichen Eigentum von Reichsangehörigen stehen. Den Reichsangehörigen werden gleichgeachtet EG., wenn sie im Inland ihren Sitz haben, vgl. Proebst S. 98, Birkenbihl-Maurer S. 37, 128. Über Genossenschaften für Fischereibetrieb BlfG. 1900 S. 463. Die Zulässigkeit des Vertriebes von Arzneimitteln im Wege der Genossen­ schaft ist wegen der Vorschrift in § 367 Nr. 3 StGB, bestritten; während das Sächsische OLG. in einem Beschl. v. 26. XI. 89 es verneint, bejaht das Kammergericht die Zulässigkeit (Johow 5, 39), da die „angeschafften Mittel gemeinsames Eigentum der Mitglieder sind" und die Verteilung daher nicht unter § 367 Nr. 3 StGB, falle — die Mitglieder seien nicht im Sinne des Gesetzes andere. Diese Begründung ist jeden­ falls nicht zutreffend, da die Genossenschaft Rechtspersönlichkeit besitzt und ihr Ver­ mögen vollständig getrennt von den Mitgliedern ist, stehen auch die von ihr beschafften Waren nicht im Miteigentum der Mitglieder; die Begründung mag für nicht EG. zutreffen. Richtig ist aber, daß das Verhältnis der Mitglieder zur Genossenschaft sich wesentlich anders zu dieser gestaltet, wie sonst die Beziehungen zwischen Gesellschaften und Dritten, da die Genossenschaft der Förderung von Erwerb und Wirtschaft ihrer Mitglieder dient (vgl. auch § 27 Erl. 2), und von diesem Gesichtspunkte aus kann die Anwendung des § 367 Nr. 3 StGB, auf Genossenschaften, die für ihre Mit­ glieder Arzneien beschaffen, ausgeschlossen erscheinen. Das OVG. (25, 326 ff.) erachtet es für zulässig, durch Bildung einer Genossenschaft für die Mitglieder ärztliche Hilfe und Medikamente zu beschaffen, da dies materielle Güter seien, die aus ge­ nossenschaftlichem Wege den Mitgliedern billiger verschafft werden und Ersparung von Ausgaben Förderung der Wirtschaft sei (vgl. auch ROHG. 20, 347). Nicht geeignet soll die Genolsenschaft für den Betrieb solcher Gewerbe sein, die nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung bei dem Gewerbe­ treibenden eine bestimmte persönliche Qualifikation voraussetzen (OVG. 9, 266 ff., RG. 13, 147); Birkenbihl-Maurer S. 37 wollen nur den Betrieb von solchen Unternehmungen ausgeschlossen wissen, die eine bestimmte technische Befähigung voraussetzen (§§ 29—31 Gewerbeordnung), und dies ist zutreffend. In der Praxis ist an Genossenschaften vielfach die Konzession zum Kleinhandel mit Spirituosen erteilt, und es ist nicht einzusehen, weswegen die Leitung einer Genossenschaft nicht die gleiche Garantie für die Einhaltung einer bestimmten Ordnung bieten soll wie eine physische Person. Um so mehr ist dies anzunehmen, nachdem durch das Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 6. August 1896, die Konzessions­ pflicht für den Kleinhandel mir Spirituosen (§ 33) auf Konsumvereine ausgedehnt ist. Ist anerkannt, daß der Konsumverein der Konzession bedarf, so ist die selbstverständliche Folge, daß sie ihm erteilt werden kann. So auch OVG. v. 25.1.06. in Sachen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BlfG. 1907 S. 267), und für Genossenschaften Entscheidung des Bezirksausschusses zu Oppeln vom 14. IX. 97 (BlfG. 1897 S. 502). Der Standpunkt des Preußischen Ministeriums des Innern ist ein anderer. Der preußische Minister des Innern hat nach Erlaß des Gesetzes betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 6. August 1896 verfügt, daß nicht den Konsumvereinen als solchen, sondern nur physischen Personen, dem Geschäfts­ führer oder dem Lagerhalter des Vereins, die Konzession erteilt werden soll. Bei Zuwiderhandlung gegen Vorschriften der Gewerbeordnung kann gegen die Genossenschaft nur nach Maßgabe der Gewerbeordnung vorgegangen

Erster Abschnitt. werden.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

67

§ 81 kann in solchen Fällen keine Anwendung finden, denn ein Verstoß gegen

die Gewerbeordnung ist keine das Gemeinwohl gefährdende Handlung. keit) FGG. § 147,

sind

anwendbar,

§ 94 (Nichtig­

wenn der Gegenstand des Unternehmens mit

dem Gen.Ges. unvereinbar ist oder wenn andere Gesetze den Betrieb in der Form der EG. verbieten (S. 58,65); eine EG., die entgegen zwingenden gesetzlichen Vorschriften begründet ist, ist nichtig, es liegt dann ein Verstoß gegen § 6 Pos. 2 vor (§ 95). Das Gesetz enthält keine Bestimmung, daß in dem Falle, wenn der Betrieb konzessionspflichtig ist, die Konzessionsurkunde vor der Ein­ tragung beizubringen und

diese von

derselben abhängig

zu machen ist.

DaS

Aktiengesetz fordert im HGB. § 195 Abs. 2 u. 6, das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschr. H. in § 8, daß der Anmeldung des Gesellschaftsvertrages in dem Falle, daß der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Genehmigung bedarf, die Ge­ nehmigungsurkunde beizufügen ist. in Betracht kommen.

ES

Eine analoge Anwendung dieser Gesetze kann nicht

ist im Gegenteil

aus

dem Fehlen der betreffenden Vor­

schriften für Genossenschaften ihre Nichtanwendbarkeit zu schließen.

Der Registerrichter

hat sich ausschließlich an das Genossenschaftsgesetz zu halten und zu prüfen, ob nach diesem

die

Eintragung

erfolgen

kann,

bejahendenfalls

hat

er

dieselbe

vorzu­

nehmen. Sache der Genossenschaft ist es dann, falls das Unternehmen konzessions­ pflichtig ist, die Konzession einzuholen, widrigenfalls nach der Gewerbeordnung gegen sie vorgegangen wird.

Wird der EG. die Konzession nicht erteilt, so bleibt ihr nichts

Übrig als zu liquidieren, über das zu beobachtende Verfahren und die von den Be­ hörden zu ergreifenden Maßnahmen vgl. BlfG. 1892 S. 173. Das KG.

hat

sich in dem

in BlfG. 1907 S. 98 mitgeteilten Falle

mit der

Frage beschäftigt, inwieweit das Geschäftslokal einer Genossenschaft als öffentlicher Ort zu betrachten ist.

Es handelte sich um die Anwendung des Z 9 des preuß. Preß-

gesetzes vom 12. V. 51 tietr. Anschlagzettel an öffentlichen Orten. zu dem Ergebnis:

„Bei einem Verein,

Das KG. kommt

einer Wirlschaflsgenossenschaft,

könne aller­

dings zwischen den Mitgliedern ein so enger Zusammenschluß vorhanden sein, daß die sich darin abspielenden Vorgänge aus dem Rahmen der Öffentlichkeit herausträten. Ob

das

im Einzelsalle anzunehmen

sei,

müsse aber an der Hand der Zwecke des

Vereins oder der Genoffenschast, ihrer Zusammensetzung und der Zahl ihrer Mitglieder geprüft werden.

Die Annahme, daß jede Wirtschaflsgenossenschasl unter allen Um­

ständen einen geschlossenen Personenkreis darstelle, sei rechtsirrig (vgl. RG. in Straf­ sachen 21, 254, 22, 241).

Es werde näher zu

prüfen

sein,

ob

die Verkaufsstelle

wirklich nur den Mitgliedern der Genossenschaft zugänglich gewesen sei oder ob nicht, wie das bei solchen Vereinigungen üblich zu sein pflege,

auch Angehörige und Be­

auftragte der Mitglieder Zutritt zu den Räumen gehabt hätten." Zu bestreiten ist nicht, daß die vom KG. dem Begriff der Öffentlichkeit ge­ gebene Definition der Rechtsprechung Rechtsprechung

des

auf Genossenschaften ist

RG. entspricht.

nicht geeignet,

Die Anwendung

dieser

deren Bewegungsfreiheit zu

lähmen, denn alle Mitteilungen, welche in den Rahmen des Genossenschaftsbetriebes fallen, als: Ankündigungen von Generalversammlungen, Waren- und Preisanzeigen. Zinsfußbekanntmachungen, sowie überhaupt sämtliche für gewerblichen Verkehr be­ stimmte Nachrichten sind durch § 9 a. a. O. für den Anschlag an öffentlichen Orten freigegeben, und Mitteilungen anderer Art, welche mit dem Genossenschaftsbetrieb in keinerlei Zusammenhang stehen, insbesondere solche politischen und religiösen Inhalts, ihren Mitgliedern durch Aushang im Geschäftslokal bekannt zu machen, haben die Genossenschaften keine Veranlassung.

68

Genossenschaftsgesetz. 6. Zweck. Es ist unnötig, den Zweck der Genossenschaft im Statut aufzuführen; der § 6

schreibt nichts davon vor, verlangt dahingegen, daß das Statut „den Gegenstand des Unternehmens"

enthalten müsse.

Trotzdem

haben jedoch

nicht

bloß

viele

Genossenschaften, insbesondere unter den außerhalb des Allgemeinen Verbandes stehenden, in ihrem Statut kein Wort von dem Gegenstand kürzere

oder

des Unternehmens, vielmehr nur

längere Mitteilungen über den Zweck der Genossenschaft,

ja man fand

auch bei zahlreichen Veröffentlichungen der Gerichte über neue EG. Statut-Auszüge, die nur den Zweck der Genossenschaft, hielten (§ 12 Nr. 3).

Das

ist

nicht den Gegenstand des Unternehmens ent­

ein Verstoß

gegen § 6

des Gesetzes,

denn

beide

Dinge sind an sich nicht identisch, können vielmehr verschieden sein, zustimmend Cohn S. 330; anderer Ansicht anscheinend das KG. (Johow 14, 46 ff.), dem entgegen­ zuhalten ist,

daß

der Zweck der EG. im § 1 Abs. 1 für alle Genossenschaften in

gleicher Weise bestimmt ist; wie dieser Zweck erreicht werden soll, ergibt sich aus dem „Gegenstand deS Unternehmens", dessen Ausführung dann gewissermaßen Mittel zum Zweck ist; mit der Ansicht des KG. übereinstimmend Birkenbihl-Maurer S. 30. a. a. O. nimmt an,

Cohn

daß der Registerrichter trotz des Mangels die Eintragung nicht

wird ablehnen dürfen, wenn aus dem Gesamtinhalt des Statuts, welches als ein-, heitliches Ganzes aufzufassen ist, Unternehmens besteht.

Dem

Gesetzes ist „der Gegenstand

zur Genüge hervorgeht, worin der Gegenstand des

kann

nicht

beigestimmt werden,

denn nach § 12 des

des Unternehmens" bekannt zu machen,

es ist nicht

Sache des Richters, aus dem Statut sich den Gegenstand des Unternehmens zusammen­ zusuchen. 7. namentlich. Die „namentliche" Aufzählung einzelner Genossenschaftsarten stammt aus dem preußischen Gesetz.

Die genannten Arten sollten, wie es im KommBer. des preuß.

Abg.-Hauses Drucks. Nr. 55 S. 15 heißt, „nur erläuternde Beispiele sein, aber nicht die Reihe positiv abschließen".

Solches ist in der Komm, des Reichstags wiederholt

hervorgehoben (KommBer. S. 4).

Die Gruppierung nach Genossenschastsarten wird

von Jahr zu Jahr für die Statistik schwieriger.

Oft stimmen nicht Firma und Gegen­

stand des Unternehmens miteinander überein; der Gegenstand des Unternehmens wird nicht selten so vielseitig gefaßt, daß die Genossenschaft in alle denkbaren Gruppen fällt, andererseits aber steht dies bloß auf dem Papier und die Genossenschaft wendet sich nur dem bescheidensten Geschäftszweige zu;

Genossenschaften nennen sich Verbands­

kasten, die vielleicht nur ein, zwei Genossenschaften als Mitglieder haben. 8. Zu 2.

Rohstoffvereine.

Rohstoffvereine sind Genossenschaften, welche die zum Betriebe des Gewerbes der Mitglieder erforderlichen Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Geräte gemeinschaftlich einkaufen. 9. Zu 3.

Absatzgenossenschaften.

Das Gesetz von 1868 nannte diese Genossenschaftsart nicht besonders, sondern führte nur unter 2. „Rohstoff- und Magazingenossenschaften" auf.

Die Absatzgenossen­

schaften wurden von der Kommission aufgenommen mit Rücksicht auf die neuerdings unter den Landwirten öfters entstandenen Vereine zum Zweck des Absatzes der land­ wirtschaftlichen Erzeugnisse unmittelbar an die Konsumenten.

Unter den Begriff der

Magazinvereine fielen sie nicht, weil bei den letzteren vorausgesetzt würde, daß die Verkaufsgegenstände bis zur Veräußerung in einem gemeinschaftlichen Verkaufslokal aufgespeichert werden, was jedenfalls bei den landwirtschaftlichen Genossenschaften nicht

Erster Abschnitt.. Errichtung der Genossenschaft. § 1.

69

-zutreffe (KommBer. S. 4). „Landwirtschaftliche" oder „Handwerks"-Genossenschaften im Sinne des preußischen Handelskammergesetzes sind nur solche Genossenschaften, bfe „bestimmungsmäßig" dem einen oder dem anderen Gewerbe dienen (OVG. 1. X. 03, BlfG. J904 S. 100). 10. Zu 4. Herstellung. Über die Mängel der Begriffsbestimmung im Gesetz von 1868 — „Anfertigung" statt „Herstellung" — vgl. Parisius S. 169 und oben Id. Wenngleich nunmehr die Winzervereine, Hopfenbaugenossenschasten und Molkereigenossenschaften als Produktiv genossenschaften ausdrücklich anerkannt sind, so fallen eine genossenschaftliche Färberei, in der nur Gegenstände für andere gefärbt, also bearbeitet werden, und eine ge­ nossenschaftliche Mühle, in der nur Lohnmüllerei betrieben, also das von Mahtgästen zugeführte Getreide gegen Lohn vermahlen wird, auch jetzt noch nicht unter den Begriff der Produktivgenossenschaft, da man von ihnen nicht wohl sagen kann, daß sie die hergestellten Gegenstände auf gemeinschaftliche Rechnung zu verkaufen bezwecken; a. A. Maurer S. 37 (dagegen hat Birkenbihl-Maurer S. 40 der hier vertretenen Ansicht sich angeschlossen), Proebst S. 16. Der Verkauf der Produkte ist ein wesentliches Merkmal der Produktivgenossenschast. Ohne den Verkauf, wenn es sich nur um Zurichtung von Stoffen für ein Gewerbe handelt, liegt eine Werkgenossenschaft vor. Allerdings gehört es nach der gesetzlichen Definition nicht zum Wesen der Produktivgenossenschaft, daß in derselben ausschließlich die Interessen der Produzenten wahrgenommen werden,vielmehr fallen darunter auch Genossenschaften der Konsumenten (S. 70) zur billigen Herstellung gewisser Produkte, z. B. Bäckereien. Eine Genossenschaft, in der jeder Genosse das Recht hat, nach einer bestehenden und beschlossenen Reihenfolge zu seinem Bedarf die Maschinen, die Betriebsstälte zu benutzen, also „ein Verkauf der hergestellten Gegenstände auf gemeinschaftliche Rechnung" nicht stattfindet, ist keine Produktiv-, sondern eine Werkgenossenschast. Über die drei Arten von Produktivgenossenschaften vgl. oben Erl. 5 S. 62. 11. Zu 5. Konsumvereine. Über Marken konsumvereine vgl. Erl. 5 S. 61. Über die Änderungen in der Begriffsbestimmung siehe oben Io. Bei Konsumvereinen handelt es sich um die Be­ friedigung haus wirtschaftlicher Bedürfnisse, bei Rohstoffvereinen um Beschaffung der Mittel für den Betrieb eines Gewerbes, daher sind auch die Einkaufsgenoffenschasten von Händlern zu den letzteren zu zählen. Nicht richtig ist, daß es bei Roh­ st offvereinen sich stets um Waren handelt, die noch der Bearbeitung bedürfen, da­ gegen bei Konsumvereinen um ein zum Verkauf und Gebrauch fertiges Fabrikat (Birkenbihl-Maurer S. 39), denn zu den Rohstoffvereinen würde auch eine Genossen­ schaft gehören, die allein Werkzeuge führt. Nach jenem Unterschiede würden die Ein­ kaufsvereine der Händler zu den Konsumvereinen zu zählen sein, was nach der gesetz­ lichen Definition nicht angängig ist. Der Unterschied zwischen Konsum- und Rohstoff­ vereinen ist wichtig wegen der Bestimmungen des Gesetzes über den Verkauf an Nicht­ mitglieder. An dem Wesen des Konsumvereins ändert es nichts, wenn er mit Ge­ schäftsleuten Lieferantenverträge abschließt, nach denen die Lieferanten fick ver­ pflichten, bei dem Verkauf von Waren an die Mitglieder gewissen Rabatt zu gewähren; sind Markenkonsumvereine sogar für eintragungsfähig (S. 61) erklärt, so muß um so mehr es der EG. gestattet sein, Lieferantenverträge abzuschließen. Selbst aber wenn ersteres nicht richtig wäre, bleibt letzteres statthast (OLG. Naumburg 3. I. 03, BlfG. 1905 S. 314).

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Genossenschaftsgesetz.

Mit Recht ist von einem Amtsgericht (BlsG. 1899 S. 65) der Beschluß einer Innung, daß die Mitglieder nicht Waren an Konsumvereine abgeben dürfen, für ungültig erklärt. „Das Gericht geht von der Ansicht aus, daß der Jnnungsbeschluß nicht nur statutenwidrig ist, sondern auch gegen die Gewerbeordnung verstößt, indem er die Gewerbesreiheit der Mitglieder der Innung in einer Weise einschränkt, daß dadurch unter Umständen der gesamte Geschäftsbetrieb des einen oder anderen Mitgliedes lahm gelegt werden kann. Die Klage mußte daher abgewiesen werden, ohne daß es noch eines Beweises der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der von Klägerin behaupteten Tatsachen bedurft hätte, da dem Beschlusse der zivilrechtliche Schutz zu versagen ist." Unter die Konsumvereine sind auch „homöopathische Vereine" zu zählen, die bezwecken, ihren Mitgliedern Arzneimittel u. dgl. zu verschaffen (oben Erl. 5 S. 66). Schwierigkeiten können auch entstehen bei Bestimmung der Grenze zwischen Konsumverein und Produktivgenossenschaft, wenn beides in einem Geschäfts­ betriebe sich vereinigt findet, so z. B. bei Konsumvereinen mit Bäckereibetrieb (vgl. oben Erl. 10, § 8 Erl. 11). Die Unterscheidung ist insofern von Wichtigkeit, als für den Produktionszweig des Konsumvereins die Beschränkung des Geschäftsbetriebes (§ 8) keine Anwendung findet. Zutreffend wird von dem OLG. Posen 9. X. 97 (BlsG. 1897 S. 468 ff.) ausgeführt: Der Begriff der Konsumvereine ist im § 1 Nr. 5 fest umgrenzt; es sind Vereine zu gemeinschaftlichem Einkäufe von Lebens- oder Wirtschaftsbedürfnissen im Großen und Ablaß im Kleinen. Ihr charakteristisches Merk­ mal besteht im gemeinschaftlichen Einkäufe, und nur für diese Art von Genossen­ schaften ist, wie der Hinweis im § 8 Abs. 4 auf § 1 Nr. 5 klar erkennen läßt, daS Verbot des Verkaufs von Waren an Nichtmitglieder gegeben. Es ist sodann darauf hinzuweisen, daß die sogenannten uneigentlichen Produktivgenossenschaften, bei denen also nicht Genossen desselben Gewerbes sich zusammentun, um gemeinschaftlich Waren anzufertigen oder zu verarbeiten, sondern Kapitalisten zusammentreten, um in nicht geschloffener Mitgliederzahl mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes industrielle Produktion zu treiben, sich häufig in Verbindung mit Konsumvereinen finden. Begriffs­ mäßig ist die Bäckerei der Posener Beamtenvereinigung eine solche uneigentliche Produktivgenossensch aft, deren charakteristisches Merkmal nach der Begriffs­ bestimmung im Z 1 Nr. 4 des Genossenschaftsgesetzes im Verkaufe der hergestellten Gegenstände aus gemeinschaftliche Rechnung besteht. ES gibt keine gesetzliche Bestimmung, welche die Verbindung einer solchen Produktivgenossenschaft mit einem Konsumverein verhindert (vgl. das BlsG. 1907 S. 579 mitgeteilte Gutachten der Handelskammer Chemnitz), und es unterliegt keinem Bedenken, daß nach dem Genossenschastsgesetz das Verbot der Ausdehnung des Geschäftsbetriebes aus Nichtmitglieder bei dem Vorliegen einer solchen Verbindung sich lediglich auf die Geschäfte erstreckt, die die Genossenschaft als Konsumverein macht, nicht auch auf die, welche in den Bereich der Produktiv­ genossenschaft fallen. Dies entspricht auch der Absicht des Verbots, das zugunsten des Kaufmannsstandes, nicht etwa zugunsten der Produzenten die unliebsame Konkurrenz der Konsumvereine einschränken sollte (vgl. Maurer S. 78). Nach dem Genossenschaftsgesetz vom 1. Mai 1889 dürfte also ein Konsumverein die in eigener Bäckerei hergestellten Backwaren auch an Nichtmitglieder verkaufen. Es fragt sich, ob an dieser Rechtslage durch die Novelle vom 12. August 1896 etwas geändert ist. Dies ist zu verneinen. Die Vorschrift im Art. 1 Nr. 1 entspricht der des § 8 Abs. 4; der Hinweis auf 8 1 Nr. 5 läßt keinen Zweifel, daß die Beschränkung des Verkaufs an die Mitglieder auch jetzt nur für die eigentlichen Konsumvereine

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 1.

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gelten sollte. Im Art. 1 Nr. 7 ist die Strafandrohung für Übertretung des § 8 Abs. 4 eingefügt. Diese Vorschrift war für die Regierung der eigentliche Anlaß für die Vor­ legung des Gesetzentwurfs, denn der Umstand, daß der § 8 Abs. 4 im Genossenschafts­ gesetz insofern eine lex imperfecta geblieben war, als die Zuwiderhandlung gegen das Verbot nicht unter Strafe gestellt war, hatte zahlreiche Petitionen und Anträge ver­ anlaßt, die schließlich zur Vervollständigung des Gesetzes nötigten. Der Gesetzentwurf hatte sich auch im wesentlichen auf diese Vorschriften beschränkt, wurde aber in der Kommission, an die er zur Vorberatung verwiesen wurde, durch Einfügung neuer Bestimmungen erweitert, zu denen, abgesehen von anderen, die hier nicht interessieren, der ganze Art. 2 gehört. Derselbe bezweckte, die für die eingetragenen Konsumvereine gegebenen einschränkenden Vorschriften auf a) von Arbeitgebern betriebene Konsum­ anstalten, b) Vereinigungen, deren wesentlicher Zweck ist, ihren Mitgliedern oder bestimmten Berufskreisen in dem Bezug von Waren Vorteile zu verschaffen, auszu­ dehnen, um zugunsten des Kaufmannsstandes auch der Konkurrenz dieser außerhalb des Genossenschaftsgesetzes stehenden Konsumanstalten und Vereinigungen, zu denen ausdrücklich auch die Beamten- und Osfiziervereine gerechnet sind, Schranken zu setzen. Diese Bestimmungen wurden von den Regierungskommissaren nachdrücklich bekämpft, sind aber trotzdem zur Annahme gelangt. Die Verhandlungen in der Kommission und die Beratungen im Reichstage lassen erkennen, daß es auch im Art. 2 lediglich auf die Einschränkung des den Konsumvereinen eigentümlichen Geschäftsbetriebes, nämlich: gemeinschaftlicher Einkauf von Lebens- oder Wirtschaftsbedürfnissen im Großen und Ablaß im Kleinen, abgesehen ist, und geben nicht den geringsten Anhalt dafür, daß auch Vereinigungen, die als Produktivgenössenschaften zu charakterisieren sind, unter die Vorschrift des Art. 2 fallen sollen (§8 Erl. 10). Es spricht schon die Entstehungsgeschichte der Novelle dafür, daß Vereinigungen der im Art. 2 gedachten Art nur in ihrer Eigenschaft als „Konsumvereine" den für letztere gegebenen Einschränkungen unterworfen sein sollen, und es kann nicht als die Absicht des Gesetz­ gebers hingestellt werden, diese Vereinigungen in ihrem gesamten Geschäftsbetriebe, also auch in der Produktion und in dem Verkaufe der hergestellten Gegenstände, aus ihre Mitglieder beschränken zu wollen. Ebenso in einer eingehenden Begründung das AG. Leipzig (Beschl. v. 19. IV. 00, BlsG. 1901 S. 97), a. A. das sächsische OLG. 26. III. 03 (Konsumgen. Rundschau 1903 S. 438). Über den Einfluß der Verbindung auf die Firma § 3 Erl. 2. 12. Zu 6. Werkgenossenschaften. Unter die Werkgenossenschaften könnten auch die „Kojengenossenschasten" fallen auf den Inseln Föhr, Sylt (vgl. Professor Kuntze, „Die Kojengenossenschaft und das Geschoßeigentum" Leipzig 1888): „auf planmäßiger und dauernder Anlage beruhende Fangställen zur Erlangung von Wildenten". Die Koje (Fangställe) steht im Eigentum der „Genossenschaft" und wird von dieser unterhalten, die gefangenen Enten werden nach festgestellten Regeln unter die Genossen verteilt. 13. Zu 7. Baugenossenschaften. Der Geschäftsbetrieb soll grundsätzlich gerichtet sein auf die Herstellung von Wohnungen für die Mitglieder der Genossenschaft, doch ist Ausdehnung auf Nichtmitglieder zulässig (§ 8 Nr. 5). Die Baugenossenschaft kann dadurch, daß sie in der Vermietung an Nichtmitglieder ihre Hauptaufgabe sieht, den Charakter der Produktiv­ genossenschaft (im weitesten Sinke S. 62) annehmen (Birkenbihl-Maurer S. 43), die Eintragungsfähigkeit einer solchen Genossenschaft ist nicht zu bezweifeln, so lange sie

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Genossenschaftsgesetz.

auf Förderung des Erwerbes ihrer Mitglieder, d. h. hier aus „Verdienen" gerichtet ist, sie ist aber nicht eintragungsfähig, wenn sie den ausgesprochenen Charakter der Gemein­ nützigkeit hat. Andererseits kann auch eine Baugenossenschaft vorliegen, wenn Groß­ grundbesitzer eine Genossenschaft zur Herstellung von Arbeiterwohnungen gründen (vgl. Erl. 4). Ob eine Baugenossenschaft den Charakter der Gemeinnützigkeit hat, pflegt heute nach äußerlichen Kennzeichen beurteilt zu werden. So z. B. gelten in Preußen die Baugenossenschaften als gemeinnützige, die die Verteilung der Dividende auf 4 Prozent beschränken und für den Fall der Auslösung die Verteilung des Vereins­ vermögens ausgeschlossen haben; derartige Baugenossenschaften genießen Stempel- und Steuervergünstigungen. Ferner werden ihnen die aus den Mitteln des Reichs und der einzelnen Bundesstaaten (insbesondere seitens Preußens) zur Förderung der Bau­ genossenschaften ausgesetzten Kapitalien zur Verfügung gestellt, auch die Versicherungs­ anstalten machen zum Teil die Gewährung von Hypothekenkredit davon abhängig, daß die Statuten diese Beschränkungen enthalten. Derartige Bestimmungen haben selbst­ verständlich auf die Eintragungsfähigkeit des Statuts keinen Einfluß. Zwei Arten von Baugenossenschaften werden unterschieden: solche, die Häuser ihren Mitgliedern zu Eigentumserwerb zur Verfügung stellen und solche, die sich auf die Beschaffung von Mietwohnungen beschränken, letztere Genossenschaften gelten vielfach als solche, die den Mitgliedern gemeinschaftliches Eigentum an den Häusern schaffen; eine solche Auffassung widerspricht der rechtlichen Konstruktion der Bau­ genossenschaften, denn die Häuser stehen nicht im gemeinschaftlichen Eigentum der Mit­ glieder, sondern im Eigentum der Genossenschaft. Eine dritte Art von Baugenossen­ schaften bilden jene, bei denen es sich um Herstellung eines Hauses für bestimmte Zwecke (z. B. Geselligkeit) handelt. Das sind die uneigentlichen Baugenossenschaften; über deren Eintragungsfähigkeit oben Erl. 3. 14. Erwerb der Rechte. Über Erwerb der „Rechte einer EG." und die Unmöglichkeit, auf diese Rechte wieder zu verzichten, vgl. § 5 Erl. 1, § 13. Es hängt von dem freien Willen der Genossenschaft ab, ob sie die Rechte einer eingetragenen erwerben will. Es besteht kein Zwang zur Eintragung, anders nach dem Österreichischen Genossenschafts­ gesetz. Eine nicht EG., die nach ihrem Statut keiner der vier Gesellschaftsformen des II. Buches des HGB. unterstellt werden kann, unterliegt auch nicht den Be­ stimmungen des HGB., sie untersteht dem bürgerlichen Recht (§ 5 Erl. 1), und es finden daher auch die Vorschriften des HGB. über die Firmenführung auf dieselbe keine Anwendung (Beschl. des Sächsischen OLG. v. 28. VI. 90, BlsG. 1890 S. 381, ebenso Joel S. 450). Zur Eintragung in das Handelsregister ist die nicht EG. nur dann verpflichtet, wenn ihr Geschäftsbetrieb das Merkmal der Gewerbemäßigkeit hat (Johow 21, 75; BlfG. 1904 S. 12 betr. einen Antrag der Handelskammer Halberstadt auf Eintragung einer Genossenschaft in das Handels­ register); in der gleichen Entscheidung ist das Vorhandensein der Merkmale verneint bei einem Konsumverein, der nur an seine Mitglieder Waren abgibt. Durch staatliche Verleihung kann Genossenschaften Rechtspersönlichkeit nicht gewährt werden (§ 22 BGB., vgl. Art. 86 EBGB.). Hiergegen ist vielfach in Schleswig-Holstein verstoßen, wo Molkereigenossenschaften Rechtspersönlichkeit verliehen ist, weil angeblich das Genossenschaftsgesetz für diese Genossenschaftsart nicht paßt (vgl. BlfG. 1899 S. 509). Lehmann in seinem Lehrbuch (§ 105) läßt Genossenschaften auch durch Konzessionierung entstehen. Das erscheint unvereinbar mit BGB. § 22.

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ A.

78

§. sDie Genossenschaften können errichtet werden: V dergestalt, daß die einzelnen Mitglieder (Genossen) für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft dieser sowie unmittelbar den Gläubigern derselben mit ihrem ganzen Vermögen haften (eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht); 2. dergestalt, daß die Genossen zwar mit ihrem ganzen Der» mögen, aber nicht unmittelbar den Gläubigern der Genossen­ schaft verhaftet, vielmehr nur verpflichtet sind, der letzteren die zur Befriedigung der Gläubiger erforderlichen Nachschüsse zu leisten (eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht); 3. dergestalt, daß die Haftpflicht der Genossen für die Verbind­ lichkeiten der Genossenschaft sowohl dieser wie unmittelbar den Gläubigern gegenüber inx Voraus auf eine bestimmte Summe beschränkt ist (eingetragene Genossenschaft mit be­ schränkter Haftpflicht). Ges. von 1868 § 12, Entw. I, II, Komm., Rfcg. 2. Begr. I 45—57, 88, Begr. II 32—40, 60, KommBer. 5. StBer.: Beratung I 14. Sitzg. 13. Dezember 1888, S. 273—294; Beratung II 45. Sitzg. 23. März, S. 1021-1035, 46. Sitzg. 26. März 1889, S. 1089; Beratung III 52. Sitzg. 4. April 1889, S. 1288.

I. Jur Geschichte des § 2. In der Einleitung S. 28 ff. ist die Haftpflicht in den Genossenschaften und die rechtliche Stellung der einzelnen Genossenschaftsarten in Ansehung der Haftpflicht der Gegenstand ausführlicher Untersuchungen, vgl. daselbst nähere- über Entstehung der Bestimmungen des Ges. vom 4. Juli 1868 betreffend die Haftpflicht, über die aus­ schließliche Zulassung der unbeschränkten Haftpflicht in dem genannten Gesetz, sowie ferner über die Zulassung der Genossenschasten mit beschränkter Haftpflicht und über die Entstehung der Bestimmungen über Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschub­ pflicht im Ges. vom 1. Mai 1889. Der Entwurf hatte folgenden § 2 vorgeschlagen: „Die Genossenschaften können mit unbeschränkter Haftpflicht errichtet werden der­ gestalt, daß die einzelnen Mitglieder (Genossen) für die Verbindlichkeiten der Genossen­ schaft mit ihrem ganzen Vermögen hasten, oder mit beschränkter Haftpflicht dergestalt, daß diese Haftung im voraus auf eine bestimmte Summe begrenzt ist." Der jetzige § 2 entspricht den Beschlüssen der Kommission in deren zweiter Beratung.

II. Erläuterungen zu § 2. 1. § 2 behandelt den Umfang der Haftpflicht, die §§ 109, 115, 122, 128, 141 den Vollzug, die Geltendmachung der Haftpflicht. Haftumfang und Haftvovzug find eng mit einander verbunden, der letztere kann auf den ersteren einen geradezu bestimmenden Einfluß ausüben. Vgl. Einleitung S. 34. Dem Gläubiger hastet in

74

Genossenschaftsgesetz.

erster Reihe stets die Genossenschaft und bei der unbeschränkten Nachschußpflicht sogar ausschließlich (unrichtig bei Richter S. 25, daß der Gläubiger sich bei e. G. m. u. H., ohne erst an die Genossenschaft halten zu müssen, einen Genossen herausgreifen kann, § 122 besagt das Gegenteil). Die Genossenschaft kann nur eine dieser drei Hastarteu wählen (§ 7 Erl. 1). 2. Für alle drei Arten „eingetragener" Erwerbs- und Wirtschastsgenossenschaften gelten der erste bis siebente Abschnitt (§§ 1—118) und der neunte Abschnitt (§§ 146 bis 151) des Gesetzes. Der achte Abschnitt enthält die besonderen Bestimmungen a) für Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht: §§ 119—125; b) für Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht: §§ 126—130; c) für Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht: §§ 131—142; d) für die Umwandlung von Genossenschaften: §§ 143—145. 3. Genossen. Das Ges. vom 4. Juli 1868 bezeichnete die Mitglieder der Genossenschaft mit dem im preußischen Regierungsentwurf von 1866 neugebildeten Ausdruck „Genossen­ schafter". Das Ges. vom 1. Mai 1889 hat entsprechend den Vorschlägen des Regierungsentwurfs ohne weitere Begründung den Ausdruck beseitigt und durch Genossen ersetzt.

§. »• Die Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstände des Unter­ nehmens entlehnt sein und entsprechend der im §. 2 vorgesehenen Art der Genossenschaft die daselbst bestimmte zusätzliche Bezeichnung enthalten. Der Name von Genossen oder anderen Personen darf in die Firma nicht aufgenommen werden. Jede neue Firma muß sich von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden Firmen eingetragener Genossenschaften deutlich unterscheiden. Ges. von 1868 § 2 Abs. 2, 3, Entw. I, II, Komm. Rtg. 3. Begr. I 88, II 60, KommBer. 5.

I. Jur Geschichte des § 3. Der § 3 entspricht den Absätzen 2 und 3 des 8 2 des Ges. von 1868, die wörtlich dem preußischen Gesetze entlehnt waren. a) Der erste Absatz lautete im Ges. von 1868 in Nachbildung des Art. 18 des alten HGB. (vgl. § 20 neuen HGB.): „Die Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstände der Unternehmung entlehnt sein und die zusätzliche Bezeichnung ,eingetragene Genossenschaft» enthalten." Der Entwurf schlug dafür vor: „Die Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstände des Unternehmens entlehnt sein und im ersten Falle des § 2 die zusätzliche Bezeichnung: »eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht», im zweiten Falle des § 2 die zusätzliche Bezeichnung: »eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht» enthalten." Die Reichstagskomm, nahm infolge der Änderung zu § 2 die jetzige Fassung an. b) Vom zweiten Absatz ist der erste Satz übereinstimmend mit dem Ges. von 1868, nur ist „Genossen" statt „Mitgliedern (Genoffenschafter)" gesetzt. Der zweite

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ F.

75

Satz wie im Ges. von 1868, übereinstimmend mit Art. 20 alten HGB. (§ 30 neuen HGB.). Diesen Satz hatte Entw. I fortgelassen, „weil diese Bestimmung nach Art. 20 HGB. in Verbindung mit § 17 Abs. 2 Entw. ohnehin für die Genossenschaften maß­ gebend ist". Der Bundesrat hat sie aber im Entw. II wieder eingefügt. II. Erläuterungen zu § 3. 1. Absatz I.

Die Firma.

In betreff der Firma, „des Namens, unter dem ein Kaufmann im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt" (§ 17 HGB.) ist die Genossenschaft im wesentlichen der Aktiengesellschaft gleichgestellt. Der Genossenschaft ist ausnahmslos, der Aktiengesellschaft in der Regel eine teilte Sachfirma vorgeschrieben und die Aus­ nahme von Personennamen verboten; nur unter Einhaltung der Bestimmungen dieses Paragraphen könnte auch die EG. die bisherige Firma eines bestehenden Handels­ geschäfts fortführen (vgl. DJZ. 1904 S. 684, §§ 20, 22 HGB.) und besonders ist daran festzuhalten, daß die EG. nur eine Firma haben darf, so daß die Genossenschaft das Geschäft nicht getrennt unter der bisherigen Firma neben ihrer eigenen Firma fortführen darf (Johow 14, 33 ff.), ebenso Birkenbihl-Maurer S. 48; vgl. für Aktiengesellschaften die abweichende Ansicht in der Monatsschrift 1896 S. 245, die Praxis der Gerichte schwankt (Ztschr. f. d. ges. Akt. 1896 S. 146, 161). Die Führung verschiedener Firmen würde für die Genossenschaft schon unvereinbar sein wegen der besonderen Regelung der Haftpflicht der Mitglieder. ES erscheint daher auch eine statutarische Bestimmung nicht zulässig, nach der der Vorstand berechtigt wird, bei Erwerbung von Handelsgeschäften mit Firmenrecht für die Ge­ nossenschaft diese Firma zu führen (vgl. aber Keyßner in der Zeitschrift für Handelsrecht 21, 420). Eine EG. kann nicht die Firma eines Einzel­ kaufmanns, dessen Handelsgeschäft sie mit der Firma erworben hat, neben ihrer bisherigen Firma fortführen, da eine Genossenschaft nicht mehrere Firmen haben darf. Damit steht natürlich nicht im Widerspruch, daß die Genossenschaft Slammeinlagen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erwerben darf (§ 17 Erl. 1). Die im HGB. für die Firmenführung aufgestellten Grundsätze gelten auch für die Ge­ nossenschaft, da diese nach § 17 Kaufmannseigenschaft hat. So hat u. a. auch die Genossenschaft HGB. § 18 zu beobachten: es darf die Firma nicht geeignet sein, „eine Täuschung über die Art oder den Umfang des Geschäfts herbeizuführen"; unzulässig ist hiernach die Bezeichnung „Zentrale", wenn dem die „Art oder der Umfang deS Geschäfts" nicht entspricht. Wohl aber kann sich jede Kreditgenossenschaft als „Bank" bezeichnen nach Ansicht des KG. (Rechtspr. 14, 339), da der Betrieb in Firma der EG. durch einen Zusatz die Firma der Genossenschaft klarstellen muß und bei den all­ bekannten Zielen der Genossenschaft durch diesen Zusatz vermieden wird, daß die beteiligten Kreise unter dergleichen „Bank"-Unternehmungen auf breiter kapitalistischer Basis verstehen." Ist die Firma trotz ihrer Nichtigkeit in das Register eingetragen, so kann das Registergericht die Genossenschaft von Amts wegen löschen, vgl. für das Verfahren § 147, § 142 FGG.; auch ist Klage nach § 94 d. Ges. möglich; ist die Eintragung der Nichtigkeit erfolgt, so ist weiter nach § 97 d. Ges. zu verfahren. Gegen die Vor­ standsmitglieder könnte auch nach § 37 HGB., § 140 FGG. wegen Führung einer ihnen nicht zustehenden Firma eingeschritten werden (vgl. auch Monatsschrift 1894 S. 391). Dieser letztere Weg ist dann zu wählen, wenn die Firma zwar nicht nichtig ist, aber gegen die Grundsätze der Firmenwahrheit (HGB. § 18) verstößt. Die Grenze

76

Genossenschaftsgesetz.

zwischen Nichtigkeit und Unzulässigkeit ist flüssig. der „Zusatz" fehlt oder falsch ist.

Nichtigkeit liegt jedenfalls vor, wenn

Ob und inwieweit sich aus sonstigen Verstößen gegen

die Grundsätze des § 3 Nichtigkeit ergibt, ist Tatfrage.

So kann auch ein Verstoß gegen

HGB. § 18 einen Verstoß gegen die Vorschrift enthalten, daß die Firma vom Gegen­ stände des Unternehmens entlehnt sein muß und Nichtigkeit der Firma zur Folge haben. Zulässig ist nur der Zusatz

fremdsprachliche

muß

(z. B. polnische) Bezeichnung

deutsch sein; daS KG. läßt

sich

in

dem

der Firma,

Beschl. v. 3 XL 99

(BlfG. 1900 S. 24) unter Bezugnahme auf Johow 8, 23 dahin aus: „Das Bedenken, daß auch der Richter in die Lage versetzt werden müsse, ohne ftemde Hilfe zu prüfen, ob die Firma dem Gegenstand des Unternehmens entspreche oder nicht, ist unbegründet. Der Richter ist hierbei nicht in einer anderen Lage, wie in sonstigen Fällen, in denen er die Bedeutung von Worten nichtdeutscher Sprache beurteilen muß. fordern,

daß

Er

kann nur

ihm die Worte in gehörig zuverlässiger Weise übersetzt werden."

Der

Hinweis darauf, daß die Geschäftssprache der Behörden, die deutsche, und der schriftliche Verkehr mit den Behörden nur in deutscher Sprache stattfinde,' wird damit zurück­ gewiesen, daß diese Bestimmungen sich lediglich auf den Inhalt der Mitteilungen be­ ziehen, die an die Behörden gelangen; des weitern heißt es: „Auch bei der Beratung des neuen HGB. vom 10. Mai j 897 ging man davon aus, daß nach geltendem Rechte die Bezeichnung der Firma in nichtdeutscher Sprache zulässig sei.

Ein in der Reichs­

lagskommission gestellter Antrag, die deutsche Sprache für die Firma zwingend zu be­ stimmen, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt, nachdem auf die praktischen Schwierig­ keiten der Abgrenzung zwischen deutschen und nichtdeutschen Worten,

sowie

Bedürfnisse der Zweigniederlassungen außerdeutscher Firmen hingewiesen gemacht war,

daß es dem Nationalgefühl des Kaufmannsstandes

auf

die

und geltend

überlassen bleiben

müsse, die Wahl ausländischer Namen für deutsche Firmen auszuschließen." 2. Vom Gegenstände des Unternehmens entlehnt. Über „Gegenstand des Unternehmens" § 1 Erl. 3 u. 5; § 6 Erl. 4.

Es sind

die Hauptbezeichnungen bei Borschußvereinen: Vorschuß-, Kredit-, Kreditkassen-, Darlehns-, Darlehnskassen-, Spar- und Vorschuß-, Diskontoverein -Darlehns-, Vorschuß-, Kredit-, Gewerbe-, Handwerker-, Volks-, Genossenschaftsbank usw.

Bei Konsumvereinen

sind neben Konsum- und Spar- und Konsumvereinen noch Wareneinkaufs-, Haushaltungs- und

Lebensbedürfnisverein,

Rohstoff-, die Magazinvereine und Gewerbe zu bezeichnen.

sowie Einkaussgesellschaft

die Produktivgenossenschaften

gebräuchlich. • Die pflegen noch

das

Die landwirtschaftlichen Genossenschaften setzen oft dem Unter­

nehmen die Bezeichnung „landwirtschaftlich" hinzu.

Bei den Baugenossenschaften sind

die Bezeichnungen Bauverein, Spar- und Bauverein, Baugenossenschaft, Hausgenossenschast, Baugesellschaft, Wohnungsverein die üblichsten. Zusätze zur Bezeichnung des Sitzes der Genossenschaft oder des ihr bestimmten, örtlich begrenzten Wirkungskreises

sind Regel,

doch ist die Angabe des Sitzes kein

notwendiger Bestandteil der Firma. — Zuweilen wird eine Gesellschaft oder eine be­ grenzte Klasse Gewerbetreibender genannt, für welche die Genossenschaft vorzugsweise oder ausschließlich bestimmt oder aus welchen die Genossenschaft hervorgegangen

ist.

Beispiele bieten: „Spar- und Vorschußkaffe des christlich-sozialen Vereins zu Hedersleben"; Freiberg.

„Schlesischer

Beamten-Kreditverein";

„Bergmännischer

Konsumverein"

zu

Allegorische Zusätze sind beliebt bei den Konsumvereinen, deren Mitglieder

vorzugsweise

Arbeiter

sind:

Selbsthilfe,

Hoffnung,

Glückauf,

Fortschritt,

Biene,

Vorsicht usw.; ebenso bei industriellen Produktivgenossenschaften: Konkordia, Eintracht, Selbsthilfe, Vorwärts, Arion (bei Pianofortemachern) usw.

Erster Abschnitt. Errichtung der Genossenschaft. § 3.

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Es gibt nicht viele Bestimmungen des Gesetzes, gegen die so oft verstoßen wird^ wie die Vorschrift in § 3 Abs. 1. Das KG. (Beschl. v. 3. X. 98, BlfG. 1901 S. 76) hat mit Recht betont, daß es genügt, wenn die Firma dem hauptsächlichen Zweck der Genossenschaft angepaßt ist. Aber Zweck und Gegenstand des Unternehmens ist freilich nicht dasselbe. Im übrigen ist der Auffassung beizutreten. Ebenso Johow 30, 145. Die Grenzen zwischen einer unbestimmten und einer ausreichend bestimmten Gegenstands­ bezeichnung sind flüssig (KG. Beschl. v. 22. XI. 06, Ztsch. f. d. gef. Akt. 1907 XIV S. 256). Die ordnungsmäßige Bezeichnung ist wichtig auch mit Rücksicht darauf, daß die Be­ stimmung zu den „wesentlichen" im Sinne von §§ 94, 95 gehört. Eine Genossenschaft, die gleichzeitig Konsum- und Produklivgenossenschaft ist, wird nach dem Wortlaut des Gesetzes beides in der Firma zum Ausdruck bringen müssen; dabei kommt es nicht darauf an, wie tatsächlich der Gegenstand des Unternehmens gehandhabt wird, sondern maßgebend ist die Bestimmung des Statuts. Da aber die Produktion in der Regel nur Nebenbeirieb des Konsumvereins ist, genügt es in solchem Fall, wenn letzterer Gegenstand des Unternehmens in der Firma zum Ausdruck gelangt. Nicht jede Änderung oder Erweiterung des Gegenstandes des Unternehmens macht eine Änderung der Firma erforderlich; ebenso BirkenbihlMaurer S. 48. Grundsätzliche Änderung des Gegenstandes zieht Änderung der Firma nach sich. Das AG. Leipzig führt in den Beschl. v. 19. IV. 00 (BlfG. 1901 S. 97; § 1 Erl. 11) aus: „Es schreibt das Gesetz lediglich vor, daß die bei der Errichtung der Genossenschaft gewählte Firma dem Gegenstand des Unternehmens entlehnt sein müsse. Daß für den Fall der Abänderung des Gegenstandes des Unternehmens auch eine entsprechende Abänderung der Firma stattfinden müsse, ist im Gesetz nicht vor­ geschrieben und läßt sich aus allgemeinen Grundsätzen jedenfalls für die Fälle nicht ableiten, in denen der der ursprünglichen Firma entsprechende Gegenstand des Unter­ nehmens beibehalten ist. Dies um so gewisser nicht, als der Grundsatz der sogenannten Ftrmenwahrheit im Handelsrechte überhaupt nur auf neu errichtete Firmen durchgeführt ist und eine EG., da sie nach § 17 Abs. 2 des Gesetzes als Kaufmann im Sinne des HGB. zu gelten hat, nach den Regeln des Handelsrechts zu behandeln ist, soweit nicht in dieser Hinsicht das Genossenschastsgesetz besondere Vorschriften enthält." 3. Art der Genossenschaft. Die im Reichstage nach den letzten Vorschlägen seiner Kommission beschlossene Fassung des ersten Absatzes ist keine glückliche. Sie gestaltet die Deutung, daß unter der „zusätzlichen Bezeichnung" zur Firma der verschiedenen Arten Genossenschaften nur die Worte „mit unbeschränkter Haftpflicht", „mit unbeschränkter Nachschubpflicht" und „mit beschränkter Haftpflicht" zu verstehen, somit das Wort „eingetragene" überflüssig sei und z. B. „Vorschubverein zu X Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht" firmiert werden dürfe. Aus der Entstehungsgeschichte des Satzes ergibt sich die Unrich­ tigkeit der Deutung. Weil es nach dem Gesetze von 1868 nur EG. mit unbeschränkter Haftpflicht gab, kam die Haftpflicht in der Firma nicht zum Ausdruck. Infolge der Zulassung von drei Haftsormen muß nun auch die Firma diejenige Haftform erkennen lassen, mit der die Genossenschaft besteht. 4. Die Bezeichnung „eingetragene Genossenschaft" findet sich bereits im preußischen Gesetz. Für den Zusatz ist die deutsche Sprache not­ wendig (Erl. 1 Abs. 2). In der Kommission des Abgeordnetenhauses von 1863 wurde auf Antrag von Parisius der Zusatz „Einregistrierte Genossenschaft" beschlossen. Die Anregung dazu bot die englische Vorschrift, daß in dem Namen jeder Gesellschaft mit beschränkter Haftung das letzte Wort „limited“ lauten muß. Der Ministerialentwnrf

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Genossenschaftsgesetz.

von 1866 schlug den Zusatz „Anerkannte Genossenschast" vor, welchen die Kommission des Abgeordnetenhauses durch „EG." ersetzte. Bei den Kommissionsberatungen deS Allgemeinen Deutsch. HGB. wurde von einer Seite empfohlen, „die Aufnahme der Bezeichnung als Aktiengesellschaft in die Firma der Aktiengesellschaft selbst vorzuschreiben". Man hielt aber zur Vermeidung von Täuschungen es für daS geeignetste, durch den Namen das Wesen der Aktiengesellschaft (welches darin bestehe, daß keine Person mit ihrem Vermögen, sondern nur das Aktienkapital hafte) deutlich zu bezeichnen. Durch die Aufnahme der zusätzlichen Bezeichnung „EG." in die Firma der Genossenschaft soll umgekehrt die unter dem Gesetz stehende Genossenschast als eine aus vielen solidarisch haftenden Personen zusammengesetzte rechtsfähige Gesellschaft dem Publikum gewisser­ maßen empfohlen werden. 5. Zusätzliche Bezeichnung. Die Firma muß die zusätzliche Bezeichnung „EG. mit unbeschränkter Haft­ pflicht" usw. je nach der Haftpflicht der Genossen enthalten und zwar in deutscher Sprache (Erl. 4). Der Zusatz bildet einen Bestandteil der Firma, er ist deshalb ge­ eignet zur Unterscheidung der Firma von der gleichen Firma einer anderen Gesellschaftsform; so das KG. (26, 215) für AG. und G. nt. b. H.; dabei wird betont, daß es gleichgültig sei, wenn im Handelsverkehr der Zusatz nicht gemacht wird. Es wäre wohl erwünscht, wenn das Firmenrecht eine präzisere Anwendung erfahren möchte. Man braucht sich nur die Ähnlichkeit des Zusatzes „EG. mit beschränkter Haftpflicht" und „Gesellschaft mit beschränkter Haftung" zu vergegenwärtigen, um zu erkennen, wie bedenklich die Schlußfolgerung des Kammergerichts aus dem Umstande ist, daß der Zusatz ein Bestandteil der Firma ist. Vgl. auch Birkenbihl-Maurer S. 50. Zu weit ist andrerseits das AG. Siegburg (BlfG. 1903 S. 218) gegangen, wenn es Geschäfts­ leuten untersagt, das Wort „Konsum" in die Firma aufzunehmen, da dies zur Ver­ wechslung mit „Konsumverein" führen könnte. Aus der Fassung ergibt sich, daß der Zusatz nicht durch Einschiebung anderer Worte verändert werden darf; er muß den Schluß der Firma bilden. Eine Firma z. B. wie „Eingetragene Diskonto- und Spargenossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht" würde gegen das Gesetz verstoßen, ebenso eine Firma, bei welcher hinter dem Zusatz noch andere Worte folgen, wie z. B. die Übersetzung der Firma in eine andere Sprache. Die zusätzliche Bezeichnung darf nicht abgekürzt werden (ebenso Birkenbihl-Maurer S. 49, a. A. Proebst S. 31, Deutsch, landw. Gen. Pr. 1906 Nr. 24, 1907 Nr. 7), es ergibt sich dies aus der Bezugnahme auf § 2. Die Abkürzung in der Zeichnung oder den Veröffentlichungen der Genossenschaft kann aber schließlich infolge der Bestimmung des § 26 des Gesetzes unerheblich sein. § 25 Abs. 2 hat zwingenden Charakter nur in den Fällen, in denen bezüglich der schriftlichen Einreichungen des Vorstandes ordnungsmäßige Zeichnung besonders vorgeschrieben ist, z. B. bei AB. § 7 betr. Ein­ reichung zum Genossenschaftsregister. (Beschl. des KG. v. 13. XII. 06, BlfG. 1907 S. 190). Das Registergericht hat nicht das Recht, der Genossenschaft, die ihre Firma oder den Zusatz abkürzt, zur Unterlassung der Abkürzung zu veranlassen. 6. Alle vor dem 1. Oktober 1889 bestehenden EG. mußten den Zusatz „mit unbeschränkter Haftpflicht" annehmen (§ 155 in der alten Fassung des Gesetzes). 7. Absatz II. Der Name von Genossen oder anderen Personen darf in die Firma nicht aufgenommen werden. Gegen diese Bestimmung, entlehnt von der gleichen für Aktiengesellschaften er­ lassenen Bestimmung des Art. 18 des alten HGB. (in § 20 des neuen HGB. ist die

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§§ 3, 4.

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Bestimmung nicht übernommen, die Aufnahme von Personennamen in die Firma der Aktiengesellschaft ist danach statthaft), wird, soweit es die Namen von Mitgliedern anlangt, selten gefehlt. Schwieriger ist die Bestimmung anzuwenden in Ansehung der Namen von „anderen Personen". Der Zweck der Bestimmung ist, irrige Auffassungen über die Mitgliedschaft oder die Haft „anderer Personen" zu verhindern. Es kann sich also nur um solche Personen handeln, deren Mitgliedschaft möglich ist. In dieser Beziehung war die Firma: „Erwerbs- und Wirtschaftsvereinigung der barmherzigen Brüder vom Heiligen Johannes von Gott, Eing. Genoss." zu Trier zulässig — unrichtig war sie nur, insofern sich der Gegenstand des Unternehmens nicht erkennen ließ. Mit Recht wurde zu Lebzeiten von Schulze-Delitzsch einem „Konsumverein SchulzeDelitzsch" die Eintragung versagt und erst ausgeführt, als die Firma in „KonsumVerein nach Schulze-Delitzsch" geändert wurde. Heute würde der Eintragung eines „Konsumvereins Schulze-Delitzsch" nichts im Wege stehen. Der Name einer lebenden Person kann nur dann in die Firma aufgenommen werden, wenn sich aus der Art der Verbindung des Namens mit den übrigen, die Bezeichnung des Gegenstandes enthaltenden Worten der Firma ergibt, daß von der Mitgliedschaft der betreffenden Person keine Rede sein kann. 8. An demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits be­ stehende Firmen EG. Die Vorschrift des zweiten Satzes des Abs. 2 ist dem Art. 20 des alten HGB. (§ 30 des neuen HGB.) nachgebildet. Nötig war sie nicht, darin hatte der erste Entwurf recht (oben Id). Über die Bedeutung des Zusatzes Erl. 5. Werden zwei Gemeinden zusammengelegt und dadurch erlangen zwei Genossenschaften (nun in der­ selben Gemeinde) die gleiche Firma, so hat keine derselben ein Recht, daß die andere die Firma ändere (vgl. Johow 16, 11).

§• *. Die Zahl der Genossen muß mindestens sieben betragen. Entw. I, II, Komm., Rtg. 4.

Begr. 188, II60, KommBer. 5.

Erläuterungen zu § 4. In der Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses von 1863 war vor­ geschlagen, eine Mindestzahl der Mitglieder festzustellen. Auch die Regierung hatte sich mit der Frage beschäftigt: „Da die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung der Ge­ nossenschaftsrechte zum Teil darin ihren Grund hat, daß der Geschäftsverkehr der Genossenschaften durch die große Anzahl ihrer Mitglieder sehr erschwert zu werden pflegt, so ist die Frage entstanden, ob die Geltung dieses Gesetzes nicht überhaupt auf solche Vereinigungen zu beschränken sei, bei denen eine größere Anzahl von Teilnehmern wirklich vorhanden ist. - Dies würde die Feststellung einer zur Bildung anerkannter Genossenschaften erforderlichen Minimalzahl von Mitgliedern notwendig gemacht haben. Für die Abmessung solcher Zahl läßt sich aber kein allgemein zutreffender Maßstab treffen." In der Kommission von 1863 wurden für und gegen die Feststellung einer Mindestzahl (man schwankte zwischen 10 und 21) andere Gründe vorgebracht. Man hoffte dadurch zu verhindern, daß sich einige wenige Personen als Genossenschaft ein­ tragen ließen, um das Vertrauen, welches die Genossenschaften zu genießen pflegten, zur Täuschung Unerfahrener auszubeuten. Im Hinblick auf die Produknvgenossenschaften, die der gesetzlichen Regelung am meisten bedürfen, aber oft mit sehr geringer Mitgliederzahl beginnen, verwarf die

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Genossenschaftsgesetz.

Kommission die betreffenden Anträge.

Diese Rücksicht blieb maßgebend bei Erlaß de-

preußischen Gesetzes und des deutschen Gesetzes von 1868, nach welchem freilich der Vorstand nur aus einer Person bestehen und der Aufsichtsrat ganz fehlen durfte.

In

den ersten Novellen von 1876 und 1877 hatte Schulze-Delitzsch auf Grund der in­ zwischen gemachten Erfahrungen die Beteiligung von sieben Personen verlangt; die Reichstagskommission von 1877 billigte dies.

In der Novelle von 1881 verlangte

Schulze eine Mindestzahl von 40 Mitgliedern, weil es für eine lebensfähige genossen­ schaftliche Organisation angemessen sei, daß neben zwei Personen des Vorstandes und drei Personen des Aufsichtsrates noch fünf andere Mitglieder für die Generalversammlung übrig blieben. Das Aktiengesetz vom 18. Juli 1884 verlangte im Art. 209 für die Gründung der Aktiengesellschaft mindestens fünf Personen, ebenso § 182 HGB. Gesetz hat sieben als Mindestzahl gewählt. und II 60) heißt es:

„Für Vereinigungen

Das vorliegende

In der Begründung des Entwurfs (I 68 einer ganz geringen Zahl von Personen

genügt die gewöhnliche Form der Gesellschaft und ist die Erlangung juristischer, gegen­ über den Mitgliedern selbständiger Persönlichkeit, insbesondere aber die korporative Verfassung der Genossenschaft ungeeignet. Ein richtiges Funktionieren des Verwaltungs­ organismus wird dadurch unmöglich, und es entstehen leicht unrichtige Vorstellungen über die Leistungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit einer solchen Assoziation.

Der Ent­

wurf bestimmt daher, nach dem Vorgang des englischen, belgischen und schweizerischen Genossenschaftsrechts, die Mindestzahl der Mitglieder auf sieben.

Wenn wenigstens

fünf Personen zur Besetzung der Stellen im Vorstand und Aufsichtsrat für nötig zu erachten sind, so kann die Zahl wohl kaum niedriger gegriffen werden" (vgl. auch Schulze-Delitzsch S. 17; Herz S. 44). Für

eine Vereinigung

von

weniger

als

sieben Personen

genügt,

soweit sie

Handel treibt, die offene Handelsgesellschaft. Die notwendige Folge

der Vorschrift ist die Auflösung einer Genossenschaft,

deren Mitgliederzahl unter die gesetzliche Mindestzahl sinkt (§ 80), eine Ausnahme bilden Genossenschaften, welche bei dem Inkrafttreten des Gesetzes weniger als sieben Mitglieder haben, solange sie es unter diesem Gesetz noch nicht auf sieben Mitglieder gebracht haben (§ 160) in der alten Fassung.

§. 5Das Statut der Genossenschaft bedarf der schriftlichen Form. Ges. von 1868 § 2 Abs. 1, Entw. I, II, Komm., Rlg. 5.

Begr. I 5, II 61.

I. Iur Geschichte des tz 5: a) In wörtlicher Übereinstimmung mit dem preußischen Gesetz lautete die ent­ sprechende Vorschrift des Gesetzes von 1668 im ersten Absatz des § 2: „Zur Gründung, der Genossenschaft bedarf es: 1. der schriftlichen Abfassung des Gesellschaftsvertrages (Statuts)"; b) der preußische Regieruugsentwurf hatte notarielle oder gerichtliche Form ver­ langt und

sich

auf Art. 209 HGB. (neu § 182 HGB.) berufen, welcher die gleiche

Form für Aktiengesellschaften vorschrieb, vgl. Parisius S. 174. „Das Prinzip der Solidarhaft stelle die Genossenschaft näher der offenen Handels­ und

der gewöhnlichen Kommanditgesellschaft; für beide

gründungsvertrag.

gelte

der

mündliche Be­

Zur bessern Sicherheit wolle man dennoch für die Genossenschaft

Erster Abschnitt.

Errichtung der Genossenschaft.

§ 5*

81

die schriftliche Form einräumen, weil dieselbe leicht zu bewirken sei und zur Fest­ stellung der notwendigen Vorbedingungen für die Eintragung dienlich sei. Weiter zu gehen verbiete das Interesse der Genossenschaften. Eine nicht zu unterschätzende Bürg­ schaft liege darin, daß die Vorsteher den Vertrag zur Eintragung beim Handelsgericht einreichen müssen: die Fälschung würde mit der schwersten Strafe dieses Verbrechens, bis zu zehn Jahren Zuchthaus belegt werden (§ 252 des Strafgesetzbuchs)." Bericht Nr. 55 der Drucksachen des Abgeordnetenhauses S. 15, St.Ber. der Sitzung v. 18. XII. 66, S. 1259-1261.

II. Erläuterungen zu § 5, 1. Statut. — Entstehung der Genossenschaft. Die Verhandlungen, die über die Gründung einer Genossenschaft in einer sammlung stattfinden, erstrecken sich an sich nicht auf „öffentliche Angelegenheiten", für die Anwendung des Vereins- und Versammlungsrechts wichtig ist (vgl. 15. IV. 07 in BlfG. 1907 S. 355 und die daselbst S. 588 mitgeteilte Entsch. Trier — § 17 Erl. 1).

Ver­ was KG. LG.

Statt Gesellschaftsvertrag im Ges. von 1868 heißt es in diesem Gesetz stets „Statut". Die Änderung ist in der Begründung zum Gesetz nicht berührt. Bereits für das Ges. von 1868 war es streitig, welche Rechtsnatur dem Gesellschaftsvertrage beiwohne. Die einen (z. B. Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht 11106, Genossenschaftstheorie S. 135, Beseler u. a.) sehen in demselben einen „konstituierenden Akt", die andern einen „Vertrag". Mit Recht sagt Sicherer (S. 163): „Der konstituierende Akt kann nur ein rechisetzender sein im objektiven oder im subjektiven Sinne des Wortes. Im ersten Falle könnte er nur als Ausfluß der Autonomie betrachtet werden. Diese Annahme erweist sich aber als unhaltbar, da die Autonomie höchstens der schon gegründeten, nicht aber der erst zu gründenden Genossenschaft zustehen kann. Somit bleibt nur die zweite Annahme übrig. Danach fällt der »konstituierende Akt* unter den Begriff der Rechtsgeschäfte und, da zu seiner Entstehung mehrere übereinstimmende Willenserklärungen notwendig sind, unter den Begriff des Vertrages". Ein prinzipieller Unterschied zwischen den Worten „Gesellschaftsvertrag" und „Statut" ist nicht vorhanden. Während die ältere Fassung des HGB. den Gesellschastsvertrag für die Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht als Statut be­ zeichnete, diesen letzteren Ausdruck vielmehr lediglich auf das Grundgesetz der Aktien­ gesellschaft anwendete, bedient sich das Aktiengesetz vom 18. Juli 1884 bei beiden Gesellschaften (Art. 175, 209) des gleichen Ausdrucks „Gesellschastsvertrag" und schallet als gleichberechtigt die Bezeichnung „Statut" in Klammern ein, ebenso das Genossenschaftsgesetz von 1868; das neue HGB. bedient sich ausschließlich des Wortes „Gesellschaftsvertrag". Das Statut ist hiernach der zwischen bestimmten Personen abgeschlossene Vertrag, zu einer Genossenschaft zusammenzutreten, mit der Absicht, für dieselbe die Rechte einer EG. zu erwerben. Das BGB. spricht in § 25 von der „Verfassung eines rechtsfähigen Vereins" und dessen „Vereinssatzung" und § 705 von dem „Gesellschastsvertrag", durch den sich die Gesellschafter gegenseitig verpflichten. Jene „Vereine" sind aber juristische Personen. Birkenbihl-Maurer (S. 52) legen Gewicht darauf, daß das Wort Statut gewählt ist. glauben darin ein Merkmal für die recht­ liche Natur der Genossenschaft als juristische Person zu sehen und führen dann weiter die Theorie aus, daß das Statut ein Mittelding zwischen Gesellschastsvertrag und Gesetz sei. Diese Annahme ist hinfällig. Der der Sachverständigen-Kommission vor­ gelegte Entwurf gebraucht das Wort Gesellschaftsvertrag. und die Anregung in der ParisinS-Crüger, Genoffenschaftsgesetz. 6. Stuft. ß

82

Genossenschastsgesetz.

Kommission, dafür das geläufige und eingelebte Wort Statut einzustellen, fand all­ gemein Zustimmung (Proebst S. 33). Nur eine Äußerlichkeit hat also zur Wahl des Wortes Statut geführt. Für den Gesellschaftsvertrag der zur Eintragung bestimmten Genoffenschasl kann nichts anderes gelten, als für den der nicht eingetragenen Genoffen­ schaft: es handelt sich in beiden Fällen um die Gründung eines körperschaftlichen Gebildes, und der Unterschied besteht nur darin, daß bet der nicht EG. diese körper­ schaftliche Gestaltung sich nach außen nicht nach Maßgabe des Genossenschaftsgesetzes äußern kann, während dies durch die Eintragung in das Genossenschaftsregister erreicht wird. Bis dahin ist die Genossenschaft eine Vermögensgemeinschaft mit körperschaft­ licher Verwaltungsorganisation (Sohm, die deutsche Genossenschaft). Die Genossenschaft ist „ein auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichteter Verein, der unter gewissen Voraussetzungen sich dem Sonderrecht des Gesetzes unterordnen kann, nicht muß" (Lehmann, Ztsch. f. Handelsrecht 59 S. 169). Die für Aktiengesellschaften durch­ geführte Trennung von Feststellung deS Statuts und Errichtung der Gesellschaft ist dem Genoffenschaftsgesetz unbekannt. Der Abschluß des GesellschaftsVertrages (durch Unterschrift) mit gegenseitigen Rechten und Pflichten ist die gesetzliche Grundlage der Genossenschaft. Bor der Eintragung hat die Genossenschaft nicht die Rechte einer „ein­ getragenen" Genossenschaft (§ 13), sie besteht aber als „Genossenschaft" (§ 1 Erl. 14). Die Grundsätze des BGB. §§ 705ff. sind für dieselbe bis dahin maßgebend, z. B. für die Rechte und Pflichten der Mitglieder gegen einander, die Haftpflicht Dritten gegen­ über aus Rechtsgeschäften der nicht-EG. (s. jedoch weiter unten). Für Aktiengesell­ schaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 11 Abs. 2) ist bestimmt, daß „die Handelnden- persönlich und solidarisch hasten, wenn vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt wird, da diese Gesellschaften vor der Eintragung „als solche" nicht bestehen. Für die Genossenschaft ist eine solche Bestimmung nicht getroffen, die Rechtsgeschäfte müssen daher mit Bezug auf die Verpflichtung nach den Grundsätzen beurteilt werden, die für die dem BGB. unterstehenden nicht EG. gellen (vgl. § 13 Erl. 1). Die aktive Parteisähigkeit besitzt die nicht eingetragene Gesellschaft nicht (CPO. § 50 Abs. 2). Über die Rechtspersönlichkeit Gierte S. 69, 75, 76. Für Aktiengesellschaften hat das RG. (24, 23) angenommen, daß die Gesellschaft mit ihrer Entstehung in die ihr von den Gründern ausgemachten Rechte eintritt, daß der Gesellschastsvertrag die Grundlage für den Rechtserwerb bildet, daß die Ver­ mögensstücke infolgedessen aber auch mit denjenigen Verpflichtungen belastet übergehen, welche darauf beim Abschluß des Vertrages hafteten. Bei Genossenschaften wird ein­ tretendenfalls der gleiche Grundsatz gelten, wie er für Aktiengesellschaften angenommen ist