Das Reich Gottes im Neuen Testament: Auslegungen – Anfragen – Alternativen [1 ed.] 9783788732981, 9783788732967


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Das Reich Gottes im Neuen Testament: Auslegungen – Anfragen – Alternativen [1 ed.]
 9783788732981, 9783788732967

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Volker Gäckle

Das Reich Gottes im Neuen Testament Auslegungen – Anfragen – Alternativen

1. Auflage 2018

Vandenhoeck & Ruprecht

Biblisch-Theologische Studien 176 Herausgegeben von Jörg Frey, Friedhelm Hartenstein, Bernd Janowski und Matthias Konradt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978–3–7887–3298-1 Weitere Angaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 113, D – 37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlaggestaltung: Grafikbüro Sonnhüter www.sonnhueter.com DTP: Thomas Eisinger

INHALTSVERZEICHNIS VORWORT .......................................................................... VII EINLEITUNG ......................................................................... 1 I. FORSCHUNGSGESCHICHTLICHES ...................................... 3 II. DAS REICH GOTTES IM ALTEN TESTAMENT................... 17 III. DAS REICH GOTTES IM FRÜHJÜDISCHEN SCHRIFTTUM 25 1. Die Apokalyptik...................................................................................... 27 2. Die Sabbatlieder ..................................................................................... 31 3. Die rabbinische Literatur ...................................................................... 33 4. Fazit .......................................................................................................... 34

IV. DAS REICH GOTTES IN DER VERKÜNDIGUNG JESU ....... 35 1. Der Kontrast zum frühjüdischen Begriffsgebrauch ........................ 40 2. Das Reich Gottes als Raum des Heils ................................................ 46 3. Das Reich Gottes als eine Zeit des Heils .......................................... 52 4. Das Reich Gottes als eine Gabe des Heils ........................................ 63 5. Das Reich Gottes und das „Wort vom Reich“ ................................ 73 5.1. Das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld (Mk 4,3-9.14-20parr) ............................................................................... 75 5.2. Das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26-29) ............ 78 5.3. Das Gleichnis vom Senfkorn (Mk 4,30-32parr) ................................ 81 5.4. Das Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13,33/Lk 13,20f.) ....................... 86 5.5. Fazit ................................................................................................... 89 6. Cruces interpretum ................................................................................ 92 6.1. Das Exorzismuslogion (Mt 12,28/Lk 11,20).................................. 93 6.2. Lk 17,20f. ........................................................................................ 113 6.3. Der Stürmerspruch (Mt 11,12/Lk 16,16) ...................................... 119 7. Jesus und das Reich Gottes ................................................................ 121 8. Ergebnis ................................................................................................. 129

V. PAULUS UND DAS REICH GOTTES .................................. 135 1. Die Berufung zum Reich (1Thess 2,12)........................................... 136 2. Der Ausschluss vom Reich (1Kor 6,9f.; 15,50; Gal 5,21) ............ 137 3. Das Reich Christi (1Kor 15,24) ......................................................... 142 4. Die Wirkung des Reiches (1Kor 4,20; Röm 14,17) ....................... 147 5. Ergebnis ................................................................................................. 153 6. Jesus, Paulus und das Reich Gottes .................................................. 155

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Inhaltsverzeichnis

VI. DAS REICH GOTTES IN DER APOSTELGESCHICHTE ..... 159 1. Die basilei,a tou/ qeou/ im lukanischen Doppelwerk ................... 159 2. Die basilei,a tou/ qeou/ in der Apostelgeschichte .......................... 162 3. Die Verkündigung der basilei,a in der Apostelgeschichte ............ 168 4. Das „Wort vom Reich“ (Mt 13,19) .................................................. 176 5. Ergebnis ................................................................................................. 177

VII. DAS REICH GOTTES IM JOHANNESEVANGELIUM ....... 179 1. Joh 3,3-5 ................................................................................................. 179 2. Joh 18,36 ................................................................................................ 185

VIII. DAS REICH IN DER JOHANNESAPOKALYPSE .............. 193 1. Apk 1,6 und 5,10 .................................................................................. 193 2. Apk 1,9 ................................................................................................... 197 3. Apk 11,15 und 12,10............................................................................ 199 4. Apk 21,1-22,5 ........................................................................................ 213

IX DAS REICH GOTTES IN DER NACHKANONISCHEN CHRISTLICHEN LITERATUR DES 2. JAHRHUNDERTS .......... 217 1. Das Reich Gottes als eine zukünftige Größe ................................. 219 2. Das Reich Gottes als endzeitliches Millennium ............................. 225 3. Das Reich Gottes als ein Raum des futurischen Heils ................. 227 4. Die ethischen Voraussetzungen für den Eingang in das Reich Gottes ...................................................................................................... 230 5. Das Reich Gottes als Äquivalent zum (ewigen) Leben ................ 237 6. Fazit ........................................................................................................ 238

X. ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT ................................... 241 1. Zusammenfassung ............................................................................... 241 2. Fazit ........................................................................................................ 250

LITERATURVERZEICHNIS .................................................. 257 STELLENREGISTER (IN AUSWAHL) .................................... 285 AUTORENREGISTER........................................................... 300

Vorwort

Dieses Buch erwuchs aus einem Dilemma meiner Dozententätigkeit, in deren Rahmen ich Jahr für Jahr meinen Studierenden den „Reich Gottes“-Begriff erläutern sollte und dies Jahr um Jahr mit mehr Zweifeln tat. Die Grundlagen für die Vorlesungen erarbeitete ich mir aus den einschlägigen Standardwerken, Lehrbüchern und Lexikonartikeln, in denen der Begriff unisono als nomen actionis erläutert wurde, der mit „Gottesherrschaft“ zu übersetzen sei und seine Semantik aus dem atl. und frühjüdisch-apokalyptischen Begriffsgebrauch ziehe. Der Begriff sei von der Ambivalenz des mit Jesu Wirken schon anbrechenden und damit bereits gegenwärtigen, aber gleichzeitig auch noch eschatologisch erwarteten Reiches geprägt. Aber die Fragen wurden nicht weniger: Welche Beziehung hatte ein solcher Begriff zum Rest der Verkündigung Jesu und zu seinem messianischen Wirken? In welchem Verhältnis steht dieser zentrale Begriff der Verkündigung Jesu zu seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung? Gibt es überhaupt eine Beziehung zwischen beiden Themen? In welchem Verhältnis steht der Begriff zu dem im Neuen Testament zentralen Heilsgut des ewigen Lebens? Warum fristet dieses Hauptthema der Botschaft Jesu im Rest des Neuen Testaments nur ein marginales Dasein? Warum wurde er bei der christlichen Bekenntnisbildung sowohl in der Alten Kirche als auch in der Reformationszeit fast vollständig ignoriert? Was soll man sich unter einem „vorläufigen“, „antizipierenden“, „anbrechenden“ oder „sich realisierenden“ Reich Gottes eigentlich vorstellen? In welchem Verhältnis steht die Gemeinde zu diesem Reich bzw. dieser Herrschaft?

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Vorwort

Welche Berufung und welcher Auftrag ergeben sich aus dem Gekommensein dieses Reiches bzw. dieser Herrschaft? Und schließlich: In welchem Verhältnis steht die Karriere des Begriffs in den politischen Theologien des 20. Jahrhunderts zum Begriffsgebrauch des Neuen Testaments? Es war ein Artikel des Osloer Neutestamentlers Hans Kvalbein, der mein Interesse weckte, weil er ein Fenster für eine alternative Sicht auf den Begriff öffnete. Aus meiner Neugier entstand ein theologischer E-Mail-Austausch, der bis zu Hans Kvalbeins überraschendem Tod im Dezember 2013 dauerte. Hans Kvalbein ermutigte mich, an dem Begriff weiterzuarbeiten. Sehr gerne hätte ich das Manuskript und meine Ergebnisse noch mit ihm diskutiert. Dieser Wunsch blieb leider unerfüllt. Dieses Buch ist nun das vorläufige Endergebnis dieses Austauschs mit Hans Kvalbein und – so hoffe ich – der Anfang eines neuen Nachdenkens über diesen zentralen Begriff der Verkündigung Jesu auch im deutschsprachigen Raum. Mein Dank gilt an dieser Stelle meinem Lehrer und Freund Prof. Dr. Jörg Frey und Prof. Dr. Matthias Konradt für die Aufnahme in die Reihe der „Biblisch-theologischen Studien“, meinem Kollegen Dr. Thomas Eisinger für die Hilfe bei der Formatierung, meiner Assistentin Marion Roos für die Hilfe beim Korrekturlesen und Dr. Volker Hampel und Hans Hegner vom Neukirchener Verlag für die angenehme Zusammenarbeit bei der Herstellung der Druckvorlage. Volker Gäckle im August 2017

Einleitung

Der Begriff basilei,a tou/ qeou/ ist wahrscheinlich der schillerndste Begriff sowohl der Verkündigung Jesu, als auch der synoptischen Evangelien und möglicherweise des gesamten Neuen Testaments. Wie bei einem Kaleidoskop scheint sich das „Bild“, sprich die Bedeutung, zu verändern, sobald man von einem Beleg zum nächsten „weiterdreht“1. Entsprechend viele Fragen werden nach wie vor kontrovers diskutiert2. Steht der Begriff in einer Kontinuität oder Diskontinuität zum zeitgenössischen, frühjüdisch-apokalyptischen Verständnis? Und wenn es um eine Diskontinuität geht, besteht diese nur im Zeitpunkt des Kommens dieser basilei,a oder im Verständnis des Begriffs oder gar in beidem? Weiter ist unklar, ob der Begriff dynamisch als nomen actionis im Sinne einer aktiven (Königs)Herrschaft Gottes verstanden werden muss, bei der das herrschende und regierende Handeln Gottes im Vordergrund steht, oder als eine BezeichVgl. auch das knappe, aber treffende Urteil von Vermes, Gospel, 23: „The Gospel evidence appears inconclusive.“ Schürmann, Gottes Reich, 22, spricht mit Verweis auf Otto, Reich Gottes, 37, von einem „Assoziationskomplex“. Camponovo, Königtum, 438, hat diese Begriffselastizität bereits im frühjüdischen Schrifttum beobachtet. Sein Urteil kann im Großen und Ganzen auch für den ntl. Begriffsgebrauch gelten: „… hinter unseren Texten [steht] nicht das in der europäischen Geistesgeschichte hochgeschätzte Bemühen um begriffliche Eindeutigkeit und Klarheit. […] Die Forschungsgeschichte zu unserem Thema hat gezeigt, dass strenge Begriffsbestimmungen und die Versuche, die einzelnen Aspekte des Begriffs auseinanderzuhalten und klare Alternativen zu schaffen, zu keinen überzeugenden Ergebnissen geführt haben.“ 2 Theißen/Merz, Jesus, 222, zählen nicht weniger als zehn Problemkreise auf, die sich um den Begriff in der exegetischen Diskussion ranken. 1

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nung für einen Raum und/oder eine Zeit des Heils, die deshalb heilvoll ist, weil Gottes Herrschaft vorausgesetzt werden kann. Vor allem aber stellt sich die Frage, ob wir es mit einem eher präsentisch oder eher futurisch konnotierten Begriff zu tun haben. Damit war forschungsgeschichtlich die Frage verbunden, ob dieses Reich allein von Gott oder auch von Menschen verwirklicht werden könne.

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In forschungsgeschichtlicher Hinsicht ist die von Helmut Merkel nachgezeichnete Debatte3 innerhalb der religionsgeschichtlichen Schule von grundlegender Bedeutung geworden. Diese entwickelte sich auf dem Hintergrund der liberalen Theologie des 19. Jahrhunderts. So sah Albrecht Ritschl im Reich Gottes eine ethische Größe, die dort greifbar wird, wo ein Mensch Gott als den Vater Jesu anerkennt und sein Leben entsprechend von diesem Glauben bestimmen lässt. Dadurch komme es zu einem langsamen, aber stetigen, rein innergeschichtlichen Wachstum des Reiches Gottes. Das individualistische und nicht-eschatologische Konzept eines ethisch-religiösen Reiches, das durch das sittliche Verhalten der Glaubenden seine Gestalt gewinnt4, entsprach deutlich mehr den Bedürfnissen des aufgeklärten Zeitgeistes als die apokalyptische Vorstellung eines national-jüdischen Reiches5. Neben die Ethisierung trat die Individualisierung. So war das Reich Gottes für Adolf von Harnack „die Herrschaft des heiligen Gottes in den einzelnen Herzen, es ist Gott selbst

Merkel, Gottesherrschaft, 120-135; vgl auch die umfassende, aber ältere Studie von Lundström, Kingdom, aus dem Jahr 1963. Eine knappe und kompakte Einführung in die Forschungsgeschichte findet sich auch bei Theißen/Merz, Jesus, 223-226. 4 Ritschl, Unterricht, 13: Das Reich Gottes ist „das von Gott gewährleistete höchste Gut der durch seine Offenbarung in Christus gestifteten Gemeinde; allein es ist als das höchste Gut nur gemeint, indem es zugleich als das sittliche Ideal gilt, zu dessen Verwirklichung die Glieder der Gemeinde durch eine bestimmte gegenseitige Handlung sich untereinander verbinden.“ 5 Allison, Jesus, 176. 3

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mit seiner Kraft. Alles Dramatische im äußeren, weltgeschichtlichen Sinn ist hier verschwunden, versunken ist auch die ganze äußerliche Zukunftshoffnung. […] Er selbst ist das Reich, und nicht um Engel und Teufel, nicht um Throne und Fürstentümer handelt es sich, sondern um Gott und die Seele, um die Seele und ihren Gott“6. Es waren die drei Göttinger Dozenten Johannes Weiß, Wilhelm Bousset und William Wrede, welche im letzten Jahrzehnt des ausgehenden 19. Jahrhunderts diesem uneschatologischen Bild widersprachen und damit die maßgeblichen Spuren für die Diskussion im 20. Jahrhundert legten. In seinem mittlerweile als epochal geltenden Werk über „Die Predigt Jesu vom Reiche Gottes“7 betrachtete Johannes Weiß das „Reich Gottes“ bei Jesus im Widerspruch zu seinem Schwiegervater Albrecht Ritschl weder als eine von Jesus gesammelte Gemeinschaft der Jünger8, noch als eine sittliche Gemeinschaft, die zu bilden die Aufgabe des Menschen sei,9 sondern rein apokalyptisch als eine zukünftige und „überweltliche Größe“10, die „noch nicht“ da, „aber ganz nahe“ ist11 und zur bestehenden Welt in einem „ausschließenden

6 Harnack, Wesen des Christentums, 43 (kursiv bei H.). Ähnlich Nietzsche, Antichrist, 207 (§ 34): „Das ‚Himmelreich‘ ist ein Zustand des Herzens — nicht Etwas, das ‚über der Erde‘ oder ‚nach dem Tode‘ kommt. […] Das ‚Reich Gottes‘ ist nichts, das man erwartet; es hat kein Gestern und kein Übermorgen, es kommt nicht in ‚tausend Jahren‘ — es ist eine Erfahrung an einem Herzen; es ist überall da, es ist nirgends da…“ (kursiv bei N.). 7 Vgl. hierzu das Urteil Rudolf Bultmanns, Jesus Christus und die Mythologie, 7f.: „Dieses epochemachende Buch widerlegte die Interpretation, wie sie bislang allgemein üblich war. Weiss zeigte, daß die Gottesherrschaft nicht in der Welt innewohnend ist, und nicht wächst als Teil der Weltgeschichte, sondern daß sie eschatologisch ist, das heißt: die Königsherrschaft Gottes geht über die geschichtliche Ordnung hinaus. Sie verwirklicht sich nicht durch das moralische Bemühen der Menschen, sondern allein durch das übernatürliche Handeln Gottes. Plötzlich wird Gott der Welt und der Geschichte ein Ende setzen und eine neue Welt bringen, die Welt der ewigen Seligkeit.“ 8 Weiß, Predigt, 1. Aufl.: 61f. (3. Aufl.: 241). 9 Ebd., 49 (235). 10 Ebd., 49 (236). 11 Ebd., 12 (220).

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Gegensatz“12 steht. Den locus classicus für das präsentische Verständnis Mt 12,28/Lk 11,20 interpretiert Weiß psychologisierend als „einen Augenblick erhabener prophetischer Begeisterung, wo ihn [sc. Jesus] ein Siegesbewußtsein überkommt …“13. Entsprechend kann er der Wirksamkeit Jesu analog zu der des Täufers „keine[n] messianische[n], sondern eine[n] vorbereitende[n]“ Charakter beimessen14. Weiß war sich des provozierenden und für die zeitgenössische Theologie seiner Tage geradezu grundstürzenden Charakters seiner Analyse wohl bewusst. Ihm war klar, dass seine Schlussfolgerungen der „systematisch-praktische[n] Theologie eigentümliche Schwierigkeiten“ bereiten15. Dies galt im Besonderen für das protestantisch liberale Verständnis, welches das Reich Gottes als eine Aktualisierung der Herrschaft Gottes durch das menschlich-ethische Handeln verstand. Weiß selbst empfahl seinen Lesern deshalb, am Konzept des Reiches Gottes im Sinne eines charakteristischen Schlagworts der modernen Theologie festzuhalten, und lediglich zuzugeben, dass wir den Begriff in einer anderen Weise verwenden als Jesus es tat16. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Wilhelm Bousset völlig konträr zu Weiß unter dem vielsagenden Titel „Jesu Predigt in ihrem Gegensatz zum Judentum“ nach dem Charakteristischen, Eigentümlichen und Ursprünglichen in der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu17 fragte. Er entdeckte dieses vor dem Hintergrund von Mt 12,28; Mk 1,14f.; Lk 17,20f.; Mt 11,11 und den „Wachstumsgleichnissen“ in Mk 4 im präsentischen Profil. Jesu Predigt vom Reich Gottes Ebd., 49 (236). Ebd., 21f. (223). 14 Ebd., 24 (224).53 (237).59 (239). 15 Ebd., 63 (242). 16 Ebd., 67 (246). Diese verblüffende Unbestechlichkeit des exegetischen Urteils kann heute kaum genügend gewürdigt werden. Obwohl seine exegetischen Schlussfolgerungen sowohl dem eigenen wie dem zeitgenössischen theologischen Wahrheitsbewusstsein widersprachen, unternahm Weiß nicht den geringsten Versuch, beides künstlich in eine Deckung zu bringen. 17 Bousset, Predigt, 7. 12 13

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„wurzelte in der Gewißheit, daß seine Gegenwart, die Zeit, in der er auf Erden wandelt, schon in einer viel engeren, bestimmteren Beziehung zu der kommenden seligen Endzeit steht, als alle vorhergegangene Zeit. Seine Zeit ist messianische Zeit.“18 Kurz darauf formuliert er: „… für Jesus war der ungeheure Abstand, die Spannung zwischen der Gegenwart und der herrlichen Zukunft verschwunden, er hörte schon das Rauschen einer neuen Zeit, er lebte in ihr.“19 Die erneute Reaktion ließ nicht lange auf sich warten und stammte aus der Feder William Wredes. Er knüpfte betont an die Ergebnisse von Johannes Weiß an und radikalisierte dieselben. Sein Ausgangsargument gegen das Kontrastmodell Wilhelm Boussets ist ein argumentum e silentio: „Jesus hat nie eine Belehrung darüber gegeben, was er unter dem Reich Gottes verstehe. Er hat nie seinen Jüngern gesagt, daß seine Anschauung vom Gottesreiche eine andere sei als die landläufige. Überall ist der Eindruck, daß er ein bekanntes Wort in demselben Sinne gebraucht, in dem man es allgemein verstand.“20 Wenn Jesus einem anderen Sprachgebrauch gefolgt wäre, hätte er es also sagen müssen. Aber Wrede kann auch bei der Analyse der einschlägigen Belege keinen Bedeutungswechsel erkennen. Entsprechend bleibt Wrede bei der von Weiß betonten futurischen Deutung: „Nicht das Reich, sondern die Nähe des Reiches ist Inhalt des Evangeliums.“21 Beim locus classicus der präsentischen Deutung Mt 12,28/Lk 11,20 handelt es sich um die „Gegenwart des künftigen überweltlichen Reiches“22. Es ist für ihn „nichts anderes als ein Vorschein, eine Morgenröte, eine Vorauswirkung des künftigen, nahen Gottesreiches“23. Entsprechend hat auch aus seiner Perspektive die Predigt Jesu lediglich vorbereitenden

Ebd., 60f. Ebd., 61f.; vgl. auch 62f.: „Es ist keine Kluft zwischen Gegenwart und Zukunft, Ideal und Wirklichkeit sind miteinander vermählt.“ 20 Wrede, Predigt, 88. 21 Ebd., 96. 22 Ebd., 99. 23 Ebd., 99. 18 19

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Charakter. Es ist noch Zeit zur Buße, eben weil das Reich noch nicht da ist24. Ging die „Göttinger Debatte“ nach der Selbstkorrektur Boussets25 eindeutig zugunsten einer futurischen Deutung aus, so folgte der Umschlag zu einer präsentischen Deutung mit dem Plädoyer des walisischen Neutestamentlers Charles Harold Dodd für eine „realized eschatology“26. Ausgehend von Mt 12,2827 entwickelte er eine Sicht der Dinge, nach der in Jesu Wirken alle eschatologischen Erwartungen erfüllt wären, das Reich Gottes damit bereits angebrochen sei und von seinen Jüngern nun zur vollständigen Durchsetzung gebracht werden müsste: „The eschaton has moved from the future to the present, from the sphere of expectation into that of realized experience.“28 Das entscheidende Ereignis war das Kommen Jesu: „The inconceivable had happened: history had become the vehicle of the eternal; the absolute was clothed with flesh and blood.“29 Jesu Heilungen und insbesondere seine Exorzismen dienten Dodd als Beweis dafür, dass in Jesu Person und Wirken der entscheidende Schlag gegen das Reich Satans bereits erfolgt und die Gottesherrschaft eine gegenwärtige Wirklichkeit geworden sei30. In Vgl. Merkel, Gottesherrschaft, 124f. Diese Position korrespondiert mit seiner unmessianischen Deutung Jesu selbst. Wenn Jesus das Reich „nur“ vorbereitet, kann er nicht der Messias sein. Hier liegt der Ausgangspunkt für Wredes 1901 erschienenes Hauptwerk über das Messiasgeheimnis im Markusevangelium. 25 Er schloss sich in einem Forschungsbericht aus dem Jahre 1902, Reich, 397-407, und in einem populärtheologischen Jesusbuch, vgl. Bousset, Jesus, der Auffassung von Weiß an.‘ 26 Vgl. Dodd, Reich, 120-122, und ders., Parables, passim. 27 Nach Dodd, Parables, 41, ist das basilei,a-Verständnis von Mt 12,28 auch in allen anderen Belegen präsent: „The common idea, as we have seen, underlying all uses of the term ‚The Kingdom of God‘ is that of the manifest and effective assertion of the divine sovereignty against all the evil of the world.“ 28 Ebd., 40f. Dodds Konzeption wurde in Deutschland von J. Jeremias aufgenommen, der allerdings im Unterschied zu Dodd nicht von einer „realisierten Eschatologie“ sprechen will, sondern von einer „sich realisierenden Eschatologie“, vgl. Jeremias, Gleichnisse, 227. 29 Dodd, Parables, 147. 30 Caragounis, Art. Kingdom of God, 421. 24

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Dodds realisierter Eschatologie des präsentischen ReichGottes-Verständnisses, die mit einer massiven Uminterpretation zahlreicher futurischer Reich-Gottes-Belege in den synoptischen Evangelien einherging, verschwindet die futurische Eschatologie fast völlig bzw. erscheint völlig konturenlos. Die eschatologischen Bilder Jesu waren nach Dodd lediglich Symbole für das moralische Universum, ewige Realitäten oder eine Ordnung jenseits von Raum und Zeit31. Die sich daraus ergebende Reich-Gottes-Ethik bestimmte maßgeblich die ethische Diskussion in den 60er und 70er Jahren. Nunmehr wurde der Aspekt der menschlichen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Reich-Gottes-Begriff betont. So formulierte Harvey Cox entschieden: „Wenn Jesus das Reich Gottes in Person ist, dann sind die Elemente göttlicher Initiative und menschlicher Verantwortung im Kommen des Reiches unlösbar verbunden“. Für ihn gilt deshalb die Kirche, die wenig von Gott redet, aber dafür die von ihm ermöglichte Freiheit zu verwirklichen hilft, als „die Avantgarde der neuen Herrschaft“32. Einer der prominentesten Vertreter dieser Interpretationslinie ist Jürgen Moltmann. Für ihn ist das Reich Gottes die „eschatologische Vollendung der geschichtlich-befreienden Herrschaft Gottes“33. Moltmann unterscheidet grundlegend zwischen einer präsenten Herrschaft Gottes in der Geschichte und dem Reich Gottes, das erst im Eschaton vollendet wird. Allerdings kann das Reich Gottes bereits in der Gegenwart messianisch antizipatorisch vermittelt werden34, wodurch es „die Gegenwart der Zukunft in den Verhältnissen der Geschichte“ ist35. Diese Antizipation des Reiches wird für Moltmann v.a. in der Gemeinde konkret, insofern sie in ihrem „politischen und sozialen Handeln Christus zu entsprechen versucht“36. Wo Christen nach Gottes Willen handeln, z.B. in der „Befreiung der Welt von Not, Gewalt 31 32 33 34 35 36

Dodd, Parables, 40.83. Cox, Stadt, 1966, 126. Moltmann, Kirche, 214. Ebd., 216f. Ebd., 217f. Moltmann, Theologie, 162.

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und Verzweiflung“, da wird das Reich Gottes in der Gegenwart sichtbar und geschichtlich37. Das christliche Handeln hat vor diesem Hintergrund eine vorausweisende Funktion und einen vorzeichenhaften Charakter. Deshalb fordert die Gegenwart des Reiches in Gemeinde und Geist und die damit verbundene messianisch orientierte Ethik Christen auf, sich als „Mitarbeiter am Reich Gottes“ gegen die Not der Welt zu engagieren38. In jüngerer Zeit hat auch Nicholas Thomas Wright die Dodd’sche Deutungslinie erneuert: „Die Jünger wurden als Jesu Nachfolger beauftragt, das Königreich in Kraft zu setzen … Und es gehörte durchgängig zu ihrem Wirken, dass sie Verfolgung erlitten und in Gefahr gerieten, um das Königreich zu bringen und Träger der Herrlichkeit zu werden. […] Das Leben, zu dem Jesus seine Jünger berief, war das Leben … des vorgezogenen Königreichs. […] Jesus rief sein Volk, Anteil an der Aufrichtung seines Königreichs zu nehmen.“39 Wir als die Jünger Jesu, so Wright explizit, sind „die Vollstrecker der Transformation dieser Erde“40. Dodds Konzept einer realizied eschatology erfuhr allerdings auch Widerspruch. So waren schon in den 30er Jahren nur wenige angelsächsische Exegeten bereit, das Reich Gottes als eine ganz und gar präsentische Größe zu akzeptieren41. Vor allem die deutsche Forschung blieb gegenüber dem rein präsentischen Konzept skeptisch bis ablehnend. So hat Rudolf Bultmann in der für ihn typischen eschatologischen Dialektik sowohl die Zukünftigkeit als auch das gegenwärtige Hereinbrechen der Gottesherrschaft betont. Diese steht einerseits nicht nur bevor, sondern bricht mit Jesus an42. Als „Zei-

37 38 39 40 41 42

Moltmann, Kirche, 215f. Moltmann, Theologie, 162-164, sowie 215f. Wright, Glaube, 112f. Wright, Hoffnung, 216. Hiers, Kingdom, 3. Bultmann, Theologie, 6; ders., Jesus, 24f.

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chen der Zeit“ für diesen Anbruch wertet Bultmann im Anschluss an Mt 11,5f. die Wunder Jesu.43 Andererseits betont Bultmann die Zukünftigkeit der Gottesherrschaft: Die Botschaft Jesu ist „eschatologische Botschaft“44 vom bevorstehenden Hereinbrechen der Gottesherrschaft, die zum Ende der satanischen Herrschaft der Gegenwart führt45. Insofern ist die Gottesherrschaft „ganz Zukunft“ bzw. „echte Zukunft“46 und keine gegenwärtige Größe47, weshalb sie auch nicht geschichtlich verwirklicht werden kann48 und menschlich unverfügbar ist49. Bultmann löst die Spannung dieser ganz zukünftigen und doch schon anbrechenden Gottesherrschaft kairologisch im Sinne seiner existentialen Interpretation auf: „[D]ie Gottesherrschaft [ist] eine Macht, die die Gegenwart völlig bestimmt, obwohl sie ganz Zukunft ist. Sie bestimmt die Gegenwart dadurch, daß sie den Menschen in die Entscheidung zwingt.“50 Dieses Motiv des „Hereinragen[s] des Reiches in die Gegenwart“ blieb bestimmend für die gesamte Schule Bultmanns51. Allerdings hat dieses Reich bei Bultmann keinen fassbaren Inhalt mehr. Es transzendiert die Zeit ohne wirklich in sie einzutreten und dient lediglich als existentialistische Chiffre für die Stunde der individuellen Entscheidung52. 43 Bultmann, Theologie, 6; sowie ders., Jesus, 24f.: „[S]eine Wirksamkeit in Wort und Tat ist für ihn [sc. Jesus] und die Seinen das Zeichen: die Gottesherrschaft bricht an.“ 44 Bultmann, Jesus, 23. 45 Ebd. Im Hintergrund steht die von Bultmann geteilte Zwei-ÄonenLehre. Am Ende des alten und am Beginn des neuen Äon steht das Kommen des Menschensohnes und der Beginn der Gottesherrschaft; vgl. ders., Theologie, 4f. 46 Bultmann, Jesus, 38f. 47 Bultmann, Theologie, 6. 48 Bultmann, Jesus, 30. 49 Ebd., 29. 50 Ebd., 38; ähnlich ebd., 25: „Es ist Entscheidungszeit.“ 51 Goppelt, Theologie, 111. 52 Caragounis, Art. Kingdom of God, 421. Vgl. Bultmann, Jesus, 50: „Es versteht sich von selbst, daß man den Blick nicht auf die zeitgenössische Mythologie richten darf, in der das, was eigentlich in der Verkündigung Jesus gemeint ist, seinen äußeren Ausdruck findet. Diese Mythologie gleitet schließlich ab von der großen Grundanschauung, die sie verhüllt, von

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Auch Günter Klein betonte die Theozentrik des Begriffs. Jesus begreife „das Kommen der Gottesherrschaft – wiederum ganz unzelotisch – in keinem Sinne als eine Funktion menschlicher Aktivität. Im Gegenteil: es ist der Aktivität des Menschen grundsätzlich entzogen.“ Es geht „allein um Gottes Herrschaft, nicht aber um eine Kooperation von Gott und Mensch bei der Heraufführung des Reiches.“53 In gleicher Weise unterstrich Christoph Burchard, dass die Gottesherrschaft nicht in der Reichweite des Menschen liege: „Menschen können sie nur erbitten.“54 Um eine Synthese zwischen den sich ausschließenden Konzepten einer futurischen und einer präsentischen basilei,a bemühten sich bereits in den 50er Jahren Werner Georg Kümmel und Oscar Cullmann55. Wiederum mit Hinweis auf Mt 12,28 sieht Kümmel die Gottesherrschaft als mit Jesus gekommen56. In seinen Worten und seinem Wirken sehe Jesus die kommende Heilsvollendung in die Gegenwart einbrechen57. Gleichzeitig könne von einer Verwirklichung der Gottesherrschaft noch keine Rede sein. Die Spannung löst Kümmel ähnlich wie Bultmann durch den Verweis auf das eschatologische Zeitverständnis Jesu auf58. In Jesu Wirken

Jesu Auffassung vom Menschen als in die Entscheidung gestellt durch Gottes zukünftiges Handeln.“ 53 Klein, Zentralbegriff, 656f., zustimmend auch Merklein, Botschaft, 66, Anm. 33; vgl. auch Klein, ebd.: „Dem entspricht schließlich, daß Jesus kein politisch-soziales Programm entwirft … und jeglichen Aufruf zur Revolution vermissen läßt.“ 54 Burchard, Jesus, 24. 55 Caragounis, Art. Kingdom of God, 421: „Dodd’s influence has been farreaching, forcing significant modifications upon the futuristic interpretation. This has led in the last forty-five years to a number of mediating positions according to which the kingdom of God is conceived as both present and future (with the German side inclining more toward the future and the British more toward the present aspect).“ 56 Kümmel, Verheißung, 98-104. 57 Ebd., 114; vgl. auch ebd. 98.100f.116f.120.132. 58 Ebd., 133.

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vollziehe sich die „im voraus wirksame kommende Gottesherrschaft“59. Somit bekomme die Gegenwart eschatologischen Charakter und die Jünger Jesu könnten „sicher“ hoffen, dass das Ende der Welt und die letzte Zeit angebrochen seien. In ganz ähnlicher Weise will auch Cullmann die Gegenwärtigkeit und Zukünftigkeit des Reiches miteinander verbinden. Auf der Grundlage seines linearen Zeitverständnisses und der Dreiteilung der Zeit in die Epochen der unbegrenzten Zeit vor der Schöpfung, der Ewigkeit nach der Vollendung und der begrenzten Zeit von Schöpfung bis Vollendung60, sieht er in Kreuz und Auferstehung die „Mitte“ der Zeit in der Mitte der mittleren Zeitepoche (Äon)61. Auch er sieht in Mt 12,28 den entscheidenden Hinweis auf das mit Jesus bereits gekommene Reich, dessen Vollendung freilich noch aussteht. Allerdings ist das, was in Zukunft erst sichtbar werden wird, bereits jetzt Gewissheit und Wirklichkeit. Letztere ist allerdings immer nur punktuell spürbar: „Solange diese Endvollendung noch aussteht, dringt der heilige Geist nur zeitweilig in die Welt des Leibes ein; nur zeitweilig werden die Krankheiten und die Macht des Todes zurückgedrängt.“62 Von einer Entwicklung oder gar einer Verwirklichung des Reiches in der Zeit des zweiten Äons kann für Cullmann daher keine Rede sein. Allerdings wird das Reich im Abendmahl als der Antizipation des Reiches in der Gegenwart sichtbar und spürbar und die Kirche ist ihrem Wesen nach ein „Vorzeichen ... aufs Ende“ und damit Ort als auch Zeit der gegenwärtigen Herrschaft Christi in jenem mittleren Äon der begrenzten Zeit63. Cullmanns Entwurf wurde wirkungsgeschichtlich v.a. in der Missionstheologie des 20. Jahrhunderts relevant und von Missionstheologen wie Wolfgang Freytag und Karl Harten-

59 60 61 62 63

Ebd., 144f. Cullmann, Zeit, 49-56. Ebd., 84f. Ebd., 133. Ebd., 144f.

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stein aufgegriffen. Sein Konzept bildete auch die theologische Grundlage der großen Missionstheologie von Cullmanns Schüler David Bosch64. Im Rückblick wird deutlich, wie stark die Frage nach Gegenwärtigkeit oder Zukünftigkeit des Reiches Gottes die exegetische und theologische Diskussion des 20. Jahrhunderts dominiert hat. Während in der angelsächsischen Forschung das Reich Gottes nach wie vor mehrheitlich in der Tradition Dodds als präsentisch und schon realisiert verstanden wird65, ist es seit den Forschungen Kümmels in der deutschsprachigen Forschung ein breiter Konsens, dass Jesus sowohl futurische wie präsentische Reich-Gottes-Aussagen gemacht hat und man ihm nicht eine der beiden Aussagenreihen absprechen kann. Während die Zukünftigkeit der basilei,a unumstritten ist66, ringt die Diskussion v.a. um angemessene Begriffe und Konzepte für die Zuordnung beider Perspektiven und die Deutung von Mt 12,28/Lk 11,20: Geht es um ein „Hineinragen“ oder um eine „Antizipation“ der Zukunft in die Gegenwart? Geht es um eine „punktuelle“ bzw. „zeichenhafte Verwirklichung“ oder um eine „gegenwärtige Erfahrung“ und „Aktualisierung“? Oder um es mit Ludger Schenke zu formulieren: „Bestimmt Jesus das, was sich in der Gegenwart tut, von der als sicher und nah erwarteten Zukunft (‚Reich Gottes‘) her, oder will er die schon gegenwärtige ‚Herrschaft Gottes‘ auf eine zukünftige Vollendung hin offenhalten?“67 Insgesamt leidet die Debatte unter beträchtlichen begrifflichen und inhaltlichen Unschärfen, die nicht zuletzt auf die Überlagerung einer exegetischen Fragestellung durch dogmatische Begriffe und Konzepte, die den neutestamentlichen Texten fremd sind, zurückzuführen sind. Weiter verkompliziert wird jede Untersuchung durch die unvermeidlichen Authentizitätsfragen, die ein steter Begleiter Bosch, Transforming Mission, dt.: Mission im Wandel. Vgl. neben Dodd z.B. auch Wright, Hoffnung, 219; ders., Jesus, 273f.289. 66 Vgl. z.B. Conzelmann, Grundriß, 69-72; Lindemann, Art. Herrschaft, 214; Gnilka, Theologie, 159; Zager, Jesus, 28f. 67 Schenke, Botschaft, 130. 64 65

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bei allen genannten Fragestellungen sind. So sehr ein weitverbreiteter Konsens darüber besteht, dass der Begriff ein zentraler Bestandteil der Verkündigung Jesu ist, so intensiv wird nach wie vor die Frage nach der Ursprünglichkeit verschiedener Logien im Einzelnen diskutiert. Vor allem das spannungsvolle Verhältnis zwischen futurischen und präsentischen Aussagenreihen verleitete und verleitet Exegeten immer wieder dazu, entweder die eine oder andere für unauthentisch zu erklären68. Allerdings drängt sich bei derartigen „Lösungen“ nicht selten der Eindruck auf, dass ein bereits vorgefertigtes Konzept mit positiven oder negativen So wurden dem historischen Jesus im Rahmen des nordamerikanischen Jesus-Seminars die futurischen Reich-Gottes-Aussagen wie überhaupt jegliche futurische Eschatologie abgesprochen, weil die basilei,a-Verkündigung Jesu keine Zeitaussage und keine Erwartung einer zukünftigen Weltveränderung enthalte, sondern Ausdruck einer Lebensform sei, vgl. Crossan, Jesus, und Borg, Temperate Case, 47-68. Bei derartigen überlieferungsgeschichtlichen Operationen muss allerdings ein erheblicher Teil des synoptischen Materials dem historischen Jesus abgesprochen werden, wie z.B. alle futurischen „Menschensohn-Logien“, die jesuanischen Apokalypsen, zahlreiche Gleichnisse und eine Reihe von Zeichenhandlungen; vgl. Witherington, Christology, 192. Merklein, Botschaft, 23f., hält dagegen tendenziell vor allem diejenigen Logien für authentisch, in denen die basilei,a als eine „aktiv-dynamische Größe“ erscheint, während er die Logien, welche die basilei,a als Heilsgut oder Heilszustand beschreiben (z.B. alle basilei,a-Logien mit „eingehen in“, „erben“ oder „sehen“), für jünger einschätzt, weil sie mit dem späteren christlichen Heilsmodell des kommenden Äons und des ewigen Lebens verwandt sind. Merklein, ebd., 24, und Wolter, Gottes reich, 5-19, haben deshalb den synoptischen Einlasssprüchen die Authentizität aberkannt, weil sie in ihnen eine mehrfache Verschiebung zu der von ihnen vermuteten Basileiapredigt Jesu zu erkennen meinen; vgl. dagegen Horn, Einlaßsprüche, 190.193-197, und Schenke, Botschaft, 116. Für eine Authentizität der Einlassworte haben sich Weder, EWNT I, 973f.; Luz, EWNT I, 485; Hengel, Reich Christi, 178, und mit gewissen Einschränkungen auch Horn, Einlaßsprüche, 196.198.200, und Bohlen, Einlasssprüche, 180-184, ausgesprochen. Bohlen, ebd., 180, hält „grundsätzliche Urteile über ganze Gruppen von Worten zum Reich Gottes“ für „nicht haltbar, weil eine Bewertung von ganzen Textgruppen nach Kritierien, die von außen an die Texte angelegt werden, den einzelnen Texten nicht gerecht wird. [...] Eine wie auch immer geartete Einteilung der neutestamentlichen Aussagen zum Reich Gottes kann der Sammlung oder Ordnung dienen, nicht jedoch der Bestimmung der Echtheit von Jesus-Worten“. 68

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Authentizitätsurteilen begründet werden soll und nicht umgekehrt69. Während die jeweils passenden Belege das Siegel der Echtheit bekommen, werden querliegende Belege ausgeschieden. Entsprechend vielfältig sind bis heute die Entwürfe und Vorschläge und entsprechend fern sind wir nach wie vor von einem Konsens in diesen Fragen.

Vgl. hierzu Hiers, Kingdom, 3: „Our contention, however, is that much of such ‚difficulty‘ [sc. im Blick auf Authentizitätsfragen] arises out of unwillingness on the part of interpreters to take seriously Jesus’ eschatological outlook.“ Ähnlich Klein, Zentralbegriff, 658: „Zahllos sind nun freilich die Versuche, einen Ausgleich zwischen den gegenläufigen Aussagenreihen dadurch herzustellen, daß man eine von ihnen für unecht erklärt.“ Auch Schröter, Art. Reich Gottes, 206, wendet sich gegen derartige literarkritische Operationen: „Das Nebeneinander von gegenwarts- und zukunftsbezogenen Aussagen läßt sich deshalb nicht dadurch erklären, daß eine der Aussagenreihen Jesus abgesprochen und zur späteren Akzentverschiebung erklärt wird.“ 69

II. Das Reich Gottes im Alten Testament

Das Thema des Reiches Gottes ist kein dominantes im Alten Testament und das konkrete Syntagma „Königsherrschaft Gottes“ taucht hier de facto nirgendwo auf70. Mit dem hebräischen Begriff malkût wird in einer Reihe von Belegen das königliche Herrschen bzw. Regieren Gottes, also seine Königsherrschaft beschrieben (Ps 103,19; 145,11-13; 2Chr 13,8; vgl. Mi 4,7; Ps 22,29). Diese theologische Bedeutung ist kongruent mit der profanen Bedeutung, bei der die Verbindung von basilei,a mit dem Namen eines Königs die dynamischfunktionale Herrschaft/Regentschaft des genannten Königs bezeichnet. Dies ist eindeutig dann der Fall, wenn die Angabe mit „während“ (b/ evn), „bis“ (d[/ e[wj) oder „im Jahr X von“ oder einem anderen Indikator von Zeit qualifiziert ist. Ist dies jedoch nicht der Fall, dann hat der Begriff eine räumlich-territoriale Konnotation und bezieht sich in der Regel auf das Herrschaftsgebiet eines Königs71 und kann dann analog auch den Herrschaftsraum bzw. -bereich Gottes, also das von ihm beherrschte Territorium (z.B. Jerusalem oder den Tempel) markieren72. Im Unterschied zu den seltenen Belegen von Gottes malkût wird Gott weit häufiger als ein König charakterisiert, der regiert, wie z.B. in den sog. Thronbesteigungs- oder Jahwe-

Das Syntagma ist zum ersten Mal in SapSal 10,10 belegt. Z.B. Num 32,33; Dtn 3,4.10.13; Jos 13,12.21.27.30f.; 1Sam 20,31; 1Chr 12,24; 2Chr 20,30; 36,22; Est 3,6; 7,2; 9,30; Dan 4,15; 5,11; 7,23; 9,1; 11,9; vgl. Allison, Jesus, 168-177; Schenke, Botschaft, 107. 72 1Sam 17,14; 28,5; Ob 21; vgl. auch Jes 24,23; Mi 4,7; Sach 14,9, wo das Königsein Jahwes mit einem konkreten Herrschaftsraum verbunden wird. 70 71

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König-Psalmen73. Das thematische Zentrum dieser Psalmen ist die von der exilischen und nachexilischen Prophetie erwartete, universal und kosmisch sichtbare Königsherrschaft Jahwes74. Ihr Proprium ist nun aber, dass sie auf der Basis eines Wirklichkeitsverständnisses, das die himmlische wie die irdische Wirklichkeit einerseits unterscheidet, sie aber andererseits eng aufeinander bezieht, diese Königsherrschaft bereits jetzt im Kult als gegenwärtig erleben und feiern. Im Kult hat der neue Äon bereits begonnen und hier wird die auf Erden für die Zukunft erwartete Erneuerung von Menschen, Gottesbund und Schöpfung (Ps 96,11f.; 98,7f.), welche die ganze Erde mit all ihren Völkern umfasst75, schon als gegenwärtig gepriesen, während sie außerhalb des Kultes in der alltäglichen Gegenwartserfahrung noch auf sich warten lässt76. Ja mehr noch: Man konnte „im Kult dieser mit bloßem

Vgl. Ps 47,2.8f.; 93,1f.; 95,3; 96,10; 97,1; 98,6; 99,1.4, aber auch Ex 15,18; Num 23,21; Dtn 33,5; 1Sam 12,12; Jes 24,21-23; 33,22; 41,21; 44,6; 52,7; Jer 10,6f.10; Sach 14,9.16f.; Zeph 3,15.17; Mi 4,7; Ps 10,16; 24,8-10; 29,10; 44,4; 48,2; 68,24; 74,12; 84,3; 145,1; 1Chr 28,5; 29,12.23; 2Chr 9,8; 13,8, sowie neuerdings die Arbeiten von Jungbluth, Himmel, und Förg, Die Jahwe-König-Psalmen. Das Bekenntnis, dass Gott als König in seinem Heiligtum thront, vgl. Ps 9,5; 45,7; 47,9; Jes 6,1; 66,1; Ez 1,26; Sir 1,8, ist sehr alt und wird möglicherweise zum ersten Mal in Jes 6,3-5 erwähnt. Neben dem Bekenntnis zu Jahwe als König steht seine Charakterisierung als „Krieger“, vgl. Ex 15,3; Dtn 33,27; Zeph 3,16-19, und „Herrscher“, vgl. Ri 8,23. 74 Jes 52,7-10; Ez 20,33.40-44; 43,5-7; Hag 1,8; 2,3.7.9; Sach 2,4; 8,3; vgl. Förg, Ursprünge, 220f.; sowie ders., Jahwe-König-Psalmen, 24f. 75 Ps 47,10; 96,1.3.5.7.9f.; 97,6f.9; 98,3f.9; 99,1. Die skizzierte Ambivalenz hat jüngst Jungbluth, Himmel, 177, am Beispiel von Ps 47 und 93 aufgezeigt: „Während also das irdische Königtum … fest in der Zeit verortet werden kann, seine lineare Dimension geradezu konstitutiv ist, stellt sich die Frage für JHWHs himmliches Königtum nicht. Im Unterschied zum irdischen König … ist JHWH immer schon König. Sein himmlisches Königtum wird von den Texten als zeitlos dargestellt.“ 76 Förg, Ursprünge, 222: „Die von Protojesaja initiierte Unterscheidung zwischen einer mit äußerem Auge sichtbaren, empirischen Wirklichkeit und einer mit äußerem Auge unsichtbaren, transzendenten Wirklichkeit ist in allen Jahwe-König-Psalmen vorausgesetzt. Auch wenn der Augenschein der nüchternen Alltagswahrnehmung dagegen spricht, halten die Jahwe-König-Psalmen an der weltweiten Königsherrschaft Jahwes, an der 73

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Auge nicht erkennbaren Realität mehr Verbindlichkeit beimessen als der innerweltlich sichtbaren“77. Dieselbe Wirklichkeitskonzeption wird uns später bei den Sabbatliedern in Qumran wieder begegnen. In anderen apokalyptischen Texten wird die Aufrichtung der Gottesherrschaft endzeitlich mit dem Tag Jahwes (Ob 1521) und der Erwartung des Gerichts über die Heidenvölker verbunden: Denn der Tag des Herrn ist nahe über alle Heiden. [...] Aber auf dem Berge Zion werden Gerettete sein, und er soll heilig sein, und das Haus Jakob soll seine Besitzer besitzen. [...] Und es werden die Geretteten vom Berg Zion kommen, um das Gebirge Esau zu richten, und die Königsherrschaft wird des Herrn sein. (Ob 15-21)

Im Motiv der Völkerwallfahrt zum Zion ist dagegen von einer friedlichen Hinwendung der Heidenvölker zum Gott Israels die Rede: Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des Herrn gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. (Jes 2,2-5; vgl. Mi 4,1-5)

Beide Motive, das des endzeitlichen Gerichts und das der endzeitlichen Völkerwallfahrt, können im Kontext der Aufrichtung von Gottes Königsherrschaft aber auch parallel erscheinen: Anerkennung und dem Lob Jahwes durch alle Völker sowie deren Wallfahrt zum Zion (Ps 47,10) als gegenwärtig sich ereignende Geschehnisse fest. [...] Die Wirklichkeitsunterscheidung ist wie auch die Äonenunterscheidung in den Jahwe-König-Psalmen an räumliche Kategorien gebunden, da lediglich der Kult innerhalb des Zionstempels von der transzendenten Wirklichkeit bestimmt ist“ (kursiv bei F.). Der Kult im Jerusalemer Tempel wird somit zu einem „Erfahrungs-Raum“, in dem das erwartete Heil schon jetzt erlebt werden kann, so Förg, ebd., 227; sowie ders., JahweKönig-Psalmen, 25ff. 77 Förg, Ursprünge, 80f.

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Und der Herr wird ausziehen und kämpfen gegen diese Heiden, wie er zu kämpfen pflegt am Tage der Schlacht. [...] Und der Herr wird König sein über alle Lande. Und dies wird die Plage sein, mit der der Herr alle Völker schlagen wird, die gegen Jerusalem in den Kampf gezogen sind: Ihr Fleisch wird verwesen, während sie noch auf den Füßen stehen, und ihre Augen werden in ihren Höhlen verwesen und ihre Zungen im Mund. [...] Und alle, die übrig geblieben sind von allen Heiden, die gegen Jerusalem zogen, werden jährlich heraufkommen, um anzubeten den König, den Herrn Zebaoth ... (Sach 14,3.9.12.16)

Als ein Prototyp des apokalyptischen Schrifttums gilt allgemein das Danielbuch, da in ihm zum ersten Mal alle typischen Charakteristika der Apokalyptik auftauchen, wie die Erwartung der kommenden, weltweit sichtbaren Herrschaft Jahwes als König, das von Gott bereitete Ende aller menschlichen Herrschaftsstrukturen, die Schematisierung der Geschichte in eine Aufeinanderfolge zweier Äonen, eine Geschichtsbetrachtung in globalem und sogar kosmischem Horizont und das Auftreten einer künftigen Herrschergestalt78. Kein anderes Buch des Alten Testaments reflektiert ein so umfassendes Konzept der Königsherrschaft Gottes wie das Danielbuch. Hier finden wir nicht weniger als 53-mal den aramäischen Begriff malkû und 16-mal das hebräische Äquivalent malkût. Die Begriffsbreite reicht von einer einem König übertragenen „Königsherrschaft“79 über eine ausgeübte Regierungs(voll)macht80 bis zur räumlichen Ausdehnung dieser Herrschaft im Sinnes eines Herrschaftsbereiches81. Von Bedeutung ist nun, dass malkû(t) im Danielbuch in dreifacher Bedeutung sowohl für die gegenwärtige oder künftige Herrschaft Gottes als auch für die gegenwärtigen irdischen Herrschaften und Reiche stehen kann82. Wie in den JahweKönig-Psalmen wird Gottes Herrschaft bereits als eine gegenwärtige Realität beschrieben. Gott hat „Macht über die Königreiche der Menschen und kann sie geben, wem er will“ Ebd., 42-45. Dan 1,1; 2,1; 8,1; 9,1. 80 Dan 2,37; 3,33; 4,31; 7,14.27. 81 Dan 1,20; 2,41; 5,7.11.16.28.29; 6,2.4.27; 11,9.17. 82 Vgl. hierzu Koch, Weltgeschichte, 46-65; Förg, Ursprünge, 47-81, und Evans, Daniel, 490-527. 78 79

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(Dan 4,14.22.29; 5,21), er ist „Gott über alle Götter und Herr über alle Könige“ (Dan 2,47) und kann Könige ein- oder absetzen (Dan 2,21). Diese bereits gegenwärtig bestehende Gottesherrschaft wird als eine „ewige Herrschaft“ beschrieben, die ohne Anfang und Ende ist (Dan 3,33; 4,31; 6,27). Eine Facette dieser gegenwärtigen Königsherrschaft Gottes ist die Delegation dieser Macht an irdische Herrscher, denen er nach seinem Willen sogar die Weltherrschaft übertragen kann (Dan 4,14.22.29; 5,21). Eine weitere Bedeutung gewinnt der Begriff in seiner Beschreibung von vier irdischen Großreichen, die in Nebudkadnezars Traum von einer Kolossalstatue in Dan 2 aufeinanderfolgen. Hier handelt es sich um die Königsherrschaft irdischer Könige, die aber immer als eine gegebene, von Gott verliehene charakterisiert wird (z.B. Dan 5,18f.; vgl. 5,26.28). Dadurch erscheinen Nebukadnezar, Belsazar und alle anderen Könige stets als von Gott zur Weltherrschaft Beauftragte und von seinem Willen Abhängige. Ein Grundzug dieser irdischen Reiche und ihrer Herrscher ist die Hybris, durch die sie sich zunächst von Gott entfernen, sich schließlich gottvergessen selbst vergöttlichen83 und am Ende von Gott verworfen und abgelöst werden. In der ambivalenten Erscheinung dieser Reiche erweist sich Gottes Königsherrschaft als eine verborgene, die nur dem Propheten und Apokalyptiker oder dem Frommen zugänglich ist84. Schließlich ist mit dem zukünftigen Reich Gottes noch eine dritte Bedeutungsebene zu unterscheiden. In dem königlichen Traum von einer Kolossalstatue in Dan 2 wird eine Deszendenzgeschichte entfaltet, in der vier Reiche durch eine Reihe von Metallen in ihrer abnehmenden Qualität beschrieben werden. In V. 34 (vgl. V. 45) wird beschrieben, wie dieser Koloss durch einen Stein, der „nicht von Menschenhänden“ kommt, zerstört und damit die Geschichte der

So befiehlt Nebukadnezar in Dan 3 die Anbetung einer Statue und verliert sich in Dan 4 in gottvergessener Hybris und Selbstherrlichkeit, vgl. V. 27. Ein ähnliches Urteil empfängt Belsazar in Dan 5,20-24. 84 Förg, Ursprünge, 51f. 83

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Weltreiche am Ende des vierten Reiches an ein Ende gebracht wird und anschließend der Gott des Himmels ein Reich aufrichtet, das selbst nicht mehr zerstört wird, sondern alle anderen irdischen Reiche zerstören und zermalmen und ewig währen wird: Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten (LXX: sth,sei o`` qeo.j tou/ ouvranou/ basilei,an a;llhn), das nimmermehr zerstört werden wird; und sein Reich wird auf kein anderes kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben. (Dan 2,44; vgl. 7,14.27)

Mit diesem Ende wird eine fundamentale Zäsur der Geschichte angekündigt, in der es zu einer Heilswende und einer sichtbaren Veränderung aller irdischen Verhältnisse kommen wird. Von dieser künftigen Königsherrschaft Gottes ist auch in Dan 7,27 die Rede, wo Gott die Herrschaft „dem Volk der Heiligen des Höchsten“ überträgt, was mit einer völligen Umkehrung aller politischen Verhältnisse einhergeht. Aber das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden, dessen Reich ewig ist, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen. (Dan 7,27)

Was in Dan 2 mit den vier Reichen beschrieben wird, ist in Dan 7,3-8 mit vier Tieren beschrieben, die als Bestien präsentiert werden, und an die Stelle des vernichtenden und zermalmenden Steins tritt in Dan 7,11f. das Gericht Gottes, das ebenfalls die Vernichtung des letzten Tiers zur Folge hat. In ähnlicher Weise wie in Dan 7,27 wird diese Zeitenwende bereits in Dan 7,13f. anhand des Kommens eines „Menschensohn-Ähnlichen“ geschildert, der hier als Individuum das „Volk der Heiligen des Höchsten“ (V. 27) vertritt und repräsentiert85. Ihm wird analog zum „Volk der Heiligen des Höchsten“ von Gott selbst Macht, Ehre und das Reich gegeben, das ewig währen soll und kein Ende haben wird (V. 85

Vgl. hierzu ebd., 53.58-63.147-175.

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14)86. In einem apokalyptischen Szenario kommt es im Danielbuch schließlich zu einem kosmischen Konflikt zwischen dem Reich Gottes und dem Reich des Bösen, der sich überschneidet mit dem Kampf zwischen Israel und seinen Feinden (vgl. z.B. Dan 10,13f.; vgl. Dan 7,18.22Q.27)87. Somit präsentiert das Danielbuch ein determiniertes Geschichtsbild, in dem der zukünftige Termin einer grundstürzenden Wende der Zeit bereits feststeht und der die Geschichte faktisch in zwei Äonen mit fundamental unterschiedlichen Verhältnissen unterteilt88. Ist Gottes Herrschaft im ersten und gegenwärtigen Äon eine verborgene und indirekte durch Könige und Weltherrscher, so wird es im zweiten, zukünftigen und ewigen Äon eine direkte und sichtbare Herrschaft sein, die nach einem gewaltsamen Eingreifen Gottes zu einer völligen Überwindung aller irdischen Herrschaftsstrukturen führt und jeglicher Unterdrückung und Verfolgung des Gottesvolkes ein Ende bereitet (Dan 7,25f.). Dieser endzeitliche Kampf (vgl. Dan 10,14: „am Ende der Tage“) gewinnt in Dan 10 noch eine kosmische Dimension, insofern sich nun das Reich Gottes und das Reich feindlicher Engelfürsten, d.h. antigöttlicher (satanischer?) Mächte, antagonistisch gegenüberstehen. Ausgangspunkt und Autor der beschriebenen Weltenwende ist allein Gott, der sein Reich ohne menschliche Mithilfe aufrichtet (Dan 2,34.45: „nicht von Menschenhänden“). Er kann dazu allerdings das „Volk der Heiligen des Höchsten“ (Dan 7,27) bzw. den „Menschensohn-Ähnlichen“ beauftragen (Dan 7,13f.)89. Charakteristisch ist fernerhin, dass dieses Anders als in Dan 2,44 und 7,25-27 ist die Machtübertragung an den Menschensohn-Ähnlichen in Dan 7,13f. von völliger Gewaltlosigkeit geprägt, womit prophetische Verheißungen der Zionstradition in Erinnerung gerufen werden, vgl. Jes 2,4/Mi 4,3; Jes 9,4, sowie Koch, Reich der Heiligen, 172, und Förg, Ursprünge, 63. 87 Möglicherweise ist der Titel „Engelfürst des Königreichs von Persien“ (Dan 10,13) eine Bezeichnung für Satan, so Evans, Exorcisms, 156. 88 Vgl. hierzu Förg, Ursprünge, 81-99. 89 Ebd., 54f.: „Gott wird somit in der Zukunft einen entscheidenden Umbruch vornehmen, in dem er sein Königtum keinem heidnischen Großkönig mehr in die Hände geben wird, sondern wieder seinem eigenen Volk anvertrauen wird. Die kommende Herrschaft Gottes wird deswegen in 86

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II.

Das Reich Gottes im Alten Testament

zukünftige Reich eine globale und kosmische Ausdehnung hat90 und ewig dauern wird (Dan 2,44; 7,14.27). Will man die atl. Evidenz zusammenfassen, so ist auf der einen Seite die Überzeugung grundlegend, dass Jahwe König ist und seine Herrschaft eine weltumspannende, ja sogar universale und kosmische Dimension hat. Dieses Königtum und diese Königsherrschaft Gottes werden als eine gegenwärtige Herrschaft begriffen, obwohl sie in der Alltagswirklichkeit ihrer Bekenner und auch in der Lebenswirklichkeit Israels augenscheinlich noch aussteht und noch nicht realisiert ist. In einzelnen prophetischen und v.a. apokalyptischen Texten wird dann mit chronologisch zunehmender Konkretion eine eschatologische Realisierung dieser Gottesherrschaft im Rahmen einer endzeitlichen Zeitenwende erhofft. Mit dieser umfassenden Transformation aller irdischen Verhältnisse geht entweder ein Gericht über alle Heiden und widergöttlichen Mächte einher oder eine Hinwendung der Heiden zu Gott, Israel, dem Zion oder Jerusalem. Gelegentlich kann sogar beides zusammengesehen werden. Eine höchst reflektierte und ausgereifte heilsgeschichtliche Konzeption der Gottesherrschaft findet sich schließlich in der atl. Apokalyptik, konkret im Danielbuch, wo nach verschiedenen Epochen einer verborgenen, indirekten, mittelbaren und präsentischen Weltherrschaft Gottes durch irdische Machthaber, ein endzeitliches Reich Gottes erwartet wird, das mit einer universalen und kosmischen Veränderung aller Verhältnisse und einem Gericht über alle Heidenvölker und antigöttlichen Mächte einhergeht.

noch nie da gewesener Weise seine eigene sein. [...] Während Gottes Herrschaft in dieser Weltzeit also noch verborgen ist, wird sie nach der Wende zum Heil sichtbar in Erscheinung treten.“ Vgl. auch Koch, Weltgeschichte, 48. 90 So gewinnt der erwähnte Stein aus Dan 2,34 in V. 35 die Ausmaße eines „großen Berges, der die ganze Welt erfüllt“. In Dan 7,27 werden „alle Herrschaften“ der Erde dem Reich der Heiligen des Höchsten dienen.

III. Das Reich Gottes im frühjüdischen Schrifttum

Es galt lange als Forschungskonsens, dass die Königsherrschaft Gottes bzw. das Reich Gottes nur ein Randthema in der frühjüdischen Literatur darstellt, da sich ähnlich wie im Alten Testament auch im frühjüdischen, außerkanonischen Schrifttum nur relativ wenige Belege finden91. Die geringe Zahl an Belegen fällt v.a. in der Apokalyptik ins Auge, deren zentrales Thema die Erwartung einer künftigen besseren Welt ist, die durch eine fundamentale Transformation alles Bestehenden und die Aufrichtung einer sichbaren Königsherrschaft Gottes geprägt ist und in deren Schrifttum man den Begriff vor dem Hintergrund des Danielbuches eigentlich erwarten würde92. Entsprechend kommt Odo Camponovo in seiner Studie zu „Königtum, Königsherrschaft und Reich Gottes in den frühjüdischen Schriften“ zu dem Ergebnis, dass „die Untersuchung der Stellen in der frühjüdischen Literatur, welche von Gott als König oder von seiner Königsherrschaft handeln, … die häufig vertretene Meinung [bestätigen], daß in den uns erhaltenen Schriften das Thema keine hervorragende Rolle spielt“93. Vgl. z.B. syrBar 73,1; grBar 11,2; AssMos 10,1; PsSal 17,4; 1QSb 3,5; mBer 2,2.5; yBer 4a.7b. Auch Klein, Zentralbegriff, 652, bemerkt, dass der Stellenwert des Motivs relativ gering sei im „Spätjudentum“, womit Klein die Epoche des zweiten Tempels beschreibt; ähnlich Meier, Marginal Jew II, 243.269.289. 92 Vgl. AssMos 10,1ff.; Sib 3,767. Klein, Zentralbegriff, 652, erklärt dies damit, dass die Apokalyptik auf den Umbruch der Zeiten und den Weltenwechsel fokussiert gewesen sei, weniger auf die Beschreibung der darauf folgenden Epoche. 93 Camponovo, Königtum, 437; ähnlich Lindemann, Art. Herrschaft, 200. Camponovo ließ in seiner Studie allerdings aus Gründen der Stoffbegrenzung Philo, die gesamte frührabbinische Literatur und die frühjüdische 91

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III.

Das Reich Gottes im frühjüdischen Schrifttum

Die Einschätzung im Blick auf die Bedeutung des Themas im frühjüdischen Schrifttum änderte sich erst in den letzten zwei Jahrzehnten. Bereits Erich Zenger erkannte in seinem TRE-Artikel zur „Herrschaft Gottes“ im Alten Testament94, dass die Vorstellung von der Herrschaft Gottes in der Zeit des Frühjudentums eine zentrale theologische Kategorie darstellt95 und Martin Hengel wies darauf hin, dass „die Sache, nämlich Gottes universales Königtum bzw. Herrschaft, für den jüdischen Glauben von schlechterdings grundlegender Bedeutung“ ist96. V.a. im Kult spielt der Begriff eine wichtige Rolle97. So respondierten die Priester und Leviten auf den vom Hohepriester ausgesprochenen Gottesnamen mit der liturgischen Formel „Gepriesen sei der herrliche Name seiner Königsherrschaft immer und ewig.“98 Was in der Forschung allerdings noch nicht genügend Aufmerksamkeit gefunden hat, ist die Vielfalt und Unterschiedlichkeit, mit der im Frühjudentum der Begriff verwendet wurde. In der Regel wird in den meisten Forschungsbeiträgen von einem einheitlichen, in sich konsistenten Begriffsgebrauch ausgegangen, der in der Regel von den relativ zahlreichen Belegen der apokalyptischen Literatur her entfaltet wird. Dabei wird allerdings nicht genügend berücksichtigt, dass es in der frühjüdischen Literatur einen sehr unterschiedlichen Begriffsgebrauch gibt, der eine gewisse semantische Vielfalt, um nicht zu sagen „Unschärfe“, widerspiegelt.

Gebetsliteratur, die mithin zu den wichtigsten Texten im Blick auf dieses Thema gehören, unberücksichtigt. 94 Zenger, Art. Herrschaft, 187. 95 Ähnlich auch Avemarie, Art. Reich Gottes, 203. 96 Hengel/Schwemer, Jesus, 408. 97 Vgl. hierzu Thiessen, Königsherrschaft, 155-158. 98 mJoma 3,8; 4,1f.; 6,2; vgl. mBer 1,2; tTaan 1,11ff. Auch im KaddischGebet, das möglicherweise bereits im Synagogengottesdienst zur Zeit Jesu gebräuchlich war und in seinen Anfangszeilen große Ähnlichkeiten mit dem Vaterunser aufweist, spielt das Thema des Gottesreiches eine zentrale Rolle; vgl. Barrett/Thornton, Texte, 239 (Nr. 212).

III.

Das Reich Gottes im frühjüdischen Schrifttum

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1. Die Apokalyptik Die mit Abstand meisten der absolut betrachtet eher seltenen Belege aus der Epoche des zweiten Tempels finden sich im apokalyptischen Schrifttum. Inhaltlich dominiert hier analog zu Dan 2,44; 7,14.27 und Sach 14 eindeutig der eschatologische Aspekt99. In apokalyptischen Texten der Qumranschriften100 und in PsSal 5,18f.; 17,3.21-46101; OrSib 3,46ff.767; syrBar 73,1; AssMos 10,1-10; TestJud 21f.24; TestDan 5,10-13 und einigen jüdischen Gebeten wie dem 18-Bitten-Gebet102 und dem Qaddisch103 wird die zukünftige Realisierung der Gottesherrschaft erwartet: Wenn aber Rom auch über Ägypten herrschen wird, ein einziges (Herrschaftsgebiet) lenkend, dann wird sich das größte Königreich des unsterblichen Königs den Menschen zeigen. Kommen wird der heilige Herrscher, der die Zepter der ganzen Erde innehaben wird in alle Ewigkeiten der dahineilenden Zeit. (OrSib 3,46-50)104 Und dann wird er ein Königreich errichten für alle Zeiten über alle Menschen, er, der einst das heilige Gesetz gab den Frommen, denen allen er die Erde zu erschließen versprach und die Welt und die Pforten der Seligen und alle Freuden, unsterblichen Geist und ewige Glückseligkeit. (Or Sib 3,767-771)105

Diese Königsherrschaft Gottes setzt sich allerdings erst nach einem endzeitlichen Kampf bzw. Krieg zwischen Gott zugunsten Israels auf der einen und Satan106 und/oder den Kuhn, ThWNT I, 572: „... ein rein eschatologischer Begriff im strengen Sinn des Wortes“, ähnlich Klappert, Art. Reich, 1489f., und Klein, Zentralbegriff, 651. 100 1QM 6,6; 12,8.15f.; 17,5-8; 1QSb 3,5; 4,24-26; 5,21; vgl. dazu Thiessen, Königsherrschaft, 149-153. 101 In PsSal 17,3f. ist der räumliche Aspekt im Blick auf die basilei,a bemerkenswert, denn Davids Reich und Gottes Reich erscheinen hier in einer Parallelität. 102 Bill. IV, 212, und Barrett/Thornton, Texte, 238f. (Nr. 205-211). 103 Vgl. ebd., Nr. 212, 239, und Lehnhardt, Qaddish. 104 Übersetzung von H. Merkel, in: JSHRZ V,8. 105 Übersetzung ebd. 106 Die kosmische Auseinandersetzung zwischen Gott und Satan ist ein wiederkehrendes Motiv in der jüdischen Literatur zur Zeit des zweiten Tempels, vgl. z.B. Jub 23,23-31, v.a. V. 29f.; 50,5; äthHen 10,4-6; 55,4; 99

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feindlichen Heidenvölkern auf der anderen Seite durch (TestDan 5,10-13; 1QM 6,6; 17,5-8; AssMos 10,1-19; Jub 23,29 und Sib 3,767). Charakteristisch ist dabei zum einen der universale und zum anderen der israelzentrierte Horizont: Und dann wird seine [sc. des Herrn] Herrschaft über seine ganze Schöpfung erscheinen (et tunc parebit regnum illius in omni creatura illius), und dann wird der Teufel nicht mehr sein (et tunc zabulus finem habebit), und die Traurigkeit wird mit ihm hinweggenommen sein. Dann werden die Hände des Engels gefüllt werden, der an höchster Stelle steht, und sogleich wird er sie rächen an ihren Feinden. (AssMos 10,1-2)107 [Und aus dem Stamm Juda und des Levi wird euch das Heil des Herrn aufgehen.] Und er selbst (sc. Gott) wird gegen Beliar Krieg führen und siegreiche Rache über seine Feinde geben. Und die Gefangenen wird er Beliar abnehmen [die Seelen der Heiligen]. Und er wird die ungehorsamen Herzen zum Herrn hinwenden. Und er wird ewigen Frieden denen geben, die ihn anrufen. Und die Heiligen werden in Eden ausruhen, und über das neue Jerusalem werden sich die Gerechten freuen [dieses ist die ewige Herrlichkeit Gottes]. Und Jerusalem wird nicht länger Verwüstung erdulden, noch Israel in Gefangenschaft bleiben, denn der Herr wird in ihrer Mitte sein [und mit den Menschen wandeln] und der Heilige Israels wird über ihnen König sein [in Erniedrigung und Armut; und wer auf ihn vertraut, wird in Wahrheit im Himmel herrschen]. (TestDan 5,10-13)108 Heute ist Seine (sc. Gottes) Zeit, nieder zu zwingen und zu erniedrigen den Fürsten der Herrschaft des Frevels und Er sendet ewige Hilfe dem Lose Seiner [Er]lösung durch die Macht des prachtvollen Engels, für Michaels Herrschaft in ewigem Licht. Um leuchten zu lassen in Freude die Er[wählten Is]raels, Friede und Segen für Gottes Los, um aufzurichten unter Göttlichen die Herrschaft Michaels und die Herrschaft Israels unter allem Fleisch. (1QM 17,5-8)109

Als Folge und Konsequenz der Gottesherrschaft ist dann im Anschluss an atl. Texte wie Ob 15-21 oder Sach 14 häufig TestLev 18,11f. (vgl. Jes 24,22f. und Apk 20,1-3); TestNaph 8,4 (vgl. TestDan 5,1; TestBen 5,2; Jak 4,7); TestJud 25,3; TestDan 5,10f. und AssMos 10,1. Allerdings wird nur im lateinischen Text von AssMos 10,1 die Herrschaft bzw. das Reich Gottes erwähnt. Bei allen anderen Belegen fehlt der Begriff, vgl. dazu Evans, Exorcisms, 157-165. 107 Übersetzung nach E. Brandenburger, in: JSHRZ V/2. 108 Übersetzung nach J. Becker in: JSHRZ III/1. Die eingeklammerten Textteile gehen vermutlich auf eine christliche Überarbeitung zurück. 109 Übersetzung nach J. Maier, Qumran-Essener I, 151f.

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auch von einem Zorngericht über die Heiden(völker) und ihre(n) Herrscher die Rede, das entweder mit deren Vernichtung oder Unterwerfung unter die Herrschaft Israels einhergeht.110 Er ist König im Himmel und richtet Könige und Mächte; er richtet mich auf zur Herrlichkeit und beugt die Hochmütigen nieder zu ewigem Verderben in Schande, weil sie ihn nicht erkannten. Und seht nun, ihr Mächtigen der Erde, das Gericht Gottes, denn es ist ein großer und gerechter König, der die Erde richtet. (PsSal 2,30-32)111 Nach ihnen rücken zwei Fähnlein Zwischentruppen aus ... um die Erschlagenen zu fällen durch Gottes Gericht und niederzuzwingen die Front des Feindes durch Gottes Gewalt, um allem nichtigen Volk den Lohn seiner Bosheit heimzuzahlen. Des Gottes Israel wird das Königtum sein und durch die Heiligen Seines Volkes wird Er Macht ausüben! (1QM 6,4-7)112

In einigen Texten wird jedoch auch ähnlich wie in der jesajanischen Zionstradition und in Sach 14,16 eine Umkehr der Heiden zu Gott und eine Hinwendung zum Volk Israel bzw. zu Jerusalem erwartet:113 Freue dich sehr, o Zion, erscheine mit Jubel, Jerusalem, und alle Städte Judas, jauchzet! Halte deine Tore ständig offen, dass man zu dir bringe Reichtum von Völkern. Ihre Könige werden dir dienen. Dir huldigen all deine Bedrücker und den Staub [deiner Füße werden sie lecken.] (1QM 12,13-15)114 Viele Völker werden kommen von ferne zum Namen des Herrn, Gottes, Geschenke halten sie in den Händen und Gaben für den König des Himmels. (Tob 13,11)115

Das Kommen der endzeitlichen Gottesherrschaft vollzieht sich fast durchgängig in Form einer Theophanie mit universalen und kosmischen Dimensionen (AssMos 10,1ff.; Jub 1,28; Lk 19,11; vgl. Jes 31,4; 40,9f.; 52,7). Entsprechend doPsSal 2,28-32; OrSib 3,46ff.492ff.551ff.; TestDan 5,10-13; AssMos 10,1-10; 1QM 6,5f.; 12,13ff. 111 Übersetzung nach S. Holm-Nielsen, in: JSHRZ IV/2. 112 Übersetzung nach J. Maier, Qumran-Essener I, 134. 113 Vgl. auch OrSib 3,597ff.716ff.767ff.807. 114 Übersetzung nach J. Maier, Qumran-Essener I, 143f. 115 Übersetzung nach B. Ego, in: JSHRZ II/6. 110

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minieren Formulierungen und Wendungen, die vom „Aufrichten“116, „Erstehen“117 oder „Erscheinen/Offenbaren“118 der Gottesherrschaft (am Ende der Zeiten) sprechen. Die zitierten Belege zeigen ferner, dass diese Theophanie meist mit der (Wieder)Herstellung der Heiligkeit Israels im Sinne seiner Kontakt- und Gemeinschaftsfähigkeit mit Gott verbunden ist119. Das Kommen Gottes kann geradezu als das Erscheinen seiner Heiligkeit gepriesen werden, die alles ihr Widerstrebende auslöschen und vernichten wird120. Das Ziel dieser (Wieder-)Herstellung der Heiligkeit Israels ist die Präsenz Gottes und die Gemeinschaft mit Gott. Als Ort dieser endzeitlichen Epiphanie Gottes wird, wie schon in der atl. Prophetie121, fast ausschließlich Zion-Jerusalem und/oder der Tempel angegeben122. Von hier aus wird Gott dann seine endzeitliche und ewige Herrschaft über alle Welt ausüben: Und der Herr wird erscheinen dem Auge eines jeden, und jeder wird erkennen, dass ich der Gott Israels bin und der Vater für alle Kinder Jakobs und der König auf dem Berge Sion in die Ewigkeit der Ewigkeit. Und es werden Sion und Jerusalem heilig sein. (Jub 1,28) 123

Fasst man diese endzeitliche Erwartung der Königsherrschaft Gottes in der apokalyptischen Literatur des zweiten Tempels zusammen, so zeichnet sich eine wiederkehrende Zahl von charakteristischen Elementen ab, die uns in ihrer Mehrzahl bereits im Danielbuch begegnet sind124: (a) Gott 11. Bitte des 18-Bitten-Gebetes, Bill. IV, 212; Sib 3,767. Kaddischgebet, in: Barrett/Thornton, Texte, 239 (Nr. 212). 118 AssMos 10,1; TestBen 10,7; OrSib 3,47f.; Lk 19,11; vgl. CD 4,4; 6,10f.; 12,23; 14,19; 20,1.26; 4Q161 8-10,17; 4Q216 4,8; Phil Virt 85, sowie TgJes 24,23; 31,4; 40,9; 52,7; TgOb 21; TgMi 4,7; TgSach 14,9. 119 Ps 47,3.9; 93; 99,3f.5; Jes 6,3.5; 43,15; Ob 15a.16-21; Jes 52,1-10; TestDan 5,5-13; äthHen 25,3-7; 4QFlor 1,1-6; OrSib 5,492-503. 120 Sach 14; äthHen 25,3-7; AssMos 10,1-10; Sib 3,46-62. 121 Jes 24,23; 33,17-24; 52,1-10; Mi 4,7. 122 3Esr 4,45f.; Jdt 9,8-14; Tob 13,11; äthHen 91,13; Jub 1,28; OrSib 3,806f.; 5,492-503; TgJes 24,23; 31,4; TgMi 4,7; TestDan 5,13. 123 Übersetzung nach K. Berger, in: JSHRZ II/3. 124 Knapp zusammengefasst werden die atl.-frühjüdischen Charakteristika der malkût Jahwe von Welker/Wolter, Unscheinbarkeit, 104-106. 116 117

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ist König und (b) herrscht als König (c) über den gesamten Kosmos. In einem (d) endzeitlichen Szenario (e) offenbart er sich in einer Theophanie (f) kosmischen Ausmaßes und (g) tritt kriegerisch kämpfend (h) für sein Volk Israel ein. (i) Er besiegt, richtet und vernichtet im Zuge des Gerichts dabei sowohl (j) den Teufel/Satan als auch (k) die Heidenvölker und ihre Herrscher oder (l) unterwirft sie unter die Herrschaft Israels. (m) Einzelne Heiden(völker) wenden sich aber auch zum Gott Israels und seinem Volk und (n) pilgern in einer Völkerwallfahrt (o) zum Zion bzw. nach Jerusalem als dem Ort der ewigen Gottesherrschaft. (p) Begleitet wird dieser endzeitliche Vorgang durch die Heiligkeit Gottes und (q) die Heiligung seines Volkes, damit es (r) zur vollendeten Gemeinschaft Gottes mit und unter seinem Volk kommen kann.

2. Die Sabbatlieder Neben dieser futurisch-endzeitlichen Konzeption der Gottesherrschaft finden wir in den in Qumran gefundenen Sabbatliedern125 eine durch und durch präsentische Form der Königsherrschaft Gottes, wie wir sie bereits in den JahweKönig-Psalmen angetroffen haben. Nach Anna-Maria Schwemer haben wir in den Sabbatliedern den mit Abstand „wichtigste[n] vorchristliche[n] jüdische[n] Text zum Thema ‚Gottes Königsherrschaft‘“, vor uns126. Neben nicht weniger als 55 Belegen für melek taucht das seltene Abstraktum malkût hier 21-mal auf. Die Sabbatlieder stellen gottesdienstliche Liturgien dar, die den Gottesdienst der Engel im himmlischen Heiligtum beschreiben, an dem die irdische Gemeinde des yahad teilnimmt. Die Gemeinde feiert sozusagen mit den Engeln gemeinsam den himmlischen Gottesdienst, indem sie sich im Lobpreis in den himmlischen Tempel erhebt. „Auch wenn sie den neuen 4Q400-407; MasShirShabb und 11QShirShabb. Schwemer, König, 115, ebenso 47. Die Sabbatlieder, die zu den genuinen Texten der Qumranschriften zählen, entstanden vermutlich zwischen 150 und 50 v. Chr.

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eschatologischen Tempel im irdischen Jerusalem … erst noch erwartet, feiert sie schon jetzt die gegenwärtige Königsherrschaft Gottes im gemeinsamen Lobpreis mit den ‚Gott nahen Wesen‘ im himmlischen Tempelhei127 ligtum.“ Der himmlische Kult der als Priester vorgestellten Engel dient als himmlisches Urbild für das irdische Abbild des priesterlichen Kultes des yahad.

Das besondere an den Sabbatliedern ist, dass sie die malkût Jahwes ganz und gar in der himmlisch-göttlichen Welt lokalisieren. Der irdische Raum kommt hier gar nicht in den Blick128. Von Bedeutung ist ferner der Begriffsgebrauch von malkût in den Sabbatliedern. Schwemer hat gezeigt, dass der Begriff zum einen eine Eigenschaft Gottes, nämlich seine „Königlichkeit“ beschreibt, zum anderen aber den spatialen Bereich des himmlischen Tempels als des Herrschaftsbereichs Gottes129. Im Hintergrund dieser Konzeption steht der Glaube, der sich schon in den Jahwe-König-Psalmen äußert, dass im himmlischen Herrschaftsbereich Gottes jetzt schon Gegenwart ist, was auf Erden noch als Heilszukunft erwartet wird. „Die eschatologische Erwartung der Gottesherrschaft auf Erden hat ihren Grund in der präsentischen kultischen Feier der Königsherrschaft Gottes im Himmel!“130 Es besteht ein „untrennbarer Zusammenhang zwi-

Ebd., 76. Vgl. 4Q405 Frg. 23 Kol. II 10-12; 4Q400 Frg. 1 Kol. II 1-4 und (etwas undeutlicher) 4Q286 Frg. 7 Kol. I 5-6. Dies steht in einem deutlichen Kontrast zum atl. Gebrauch, vgl. Ps 145,1.14; sowie Ps 5,3; Jdt 9,12; Tob 13,1.6.7.10; 2Makk 1,24; 3Makk 2,2.9.13; 6,4; Sir 51,1ff. u.ö. 129 Schwemer, ebd., 83.100.111.114.116; vgl. 116: „In den beiden ersten und in den beiden letzten Sabbatliedern begegnet twklm in der räumlich/herrscherlichen Bedeutung, in den dazwischenliegenden jedoch als ‚Eigenschaft‘ Gottes, – mit der bezeichnenden Ausnahme, daß im Zentrum, im 7. Lied beide Aspekte vereint definiert werden, so daß klar bestimmt wird, daß der Ursprung der himmlischen Tempelwelt als twklm in der Gott eigenen ‚Königlichkeit‘ liegt.“ 130 Ebd., 117; ähnlich Theißen/Merz, Jesus, 231, und Schröter, Art. Reich Gottes, 206: „Den verschiedenen jüd. Vorstellungen vom R.G. liegt die Überzeugung zugrunde, daß es gegenwärtig irdisch nicht – oder nur partiell – erfahrbar ist, jedoch als himmlische Größe schon immer existent. Die Frage nach Gegenwart und Zukunft des R.G. stellt sich dann als diejenige 127 128

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schen Gottes ewig bestehender und darum immer auch gegenwärtiger Herrschaft und ihrer erwarteten zukünftigen universalen Durchsetzung“131. Eine räumliche Konnotation im Sinne des Ortes bzw. Raumes, über bzw. in dem Gott seine Herrschaft entfaltet, hat der Begriff basilei,a auch in einer Reihe frühjüdischer Schriften. So zeigt die Weisheit dem vor Esau fliehenden Jakob die basilei,a qeou/ (SapSal 10,10), in TestHiob 33,9 wird Hiobs basilei,a als das „heilige Land“ und die „unveränderliche Welt“ beschrieben, im TestAbr RecLng 7,7 ist vom „oberen Reich“ die Rede, in grBar 11,2 von dem „Besitzer der Schlüssel zum Königreich der Himmel“ und in OrSib 2,344-347 (vgl. 3,767-773) wird Gott als der König aller Königreiche bezeichnet, was jeweils eine räumliche Vorstellung von diesem Reich impliziert. Der Himmel als Herrschaftsraum bzw. -bereich Gottes entspricht dem Bekenntnis, dass er der „König des Himmels“ bzw. „über die Himmel“ ist132 und im Himmel sein Thron steht133, was ebenfalls eine räumliche Vorstellung impliziert.

3. Die rabbinische Literatur Im rabbinischen Schrifttum verhält es sich mit der Häufigkeit der Belege ähnlich dürftig. Die Begriffsverwendung ist hier nochmals eine völlig andere. Die danielische Hoffnung „auf ein künftig die Menschheit umfassendes und umgestaltetes Reich Gottes“ hat hier offensichtlich keine Spuren hinterlassen134. Im Mittelpunkt steht die stereotype Wendung „das Joch des Königtums auf sich nehmen“135. Der Beter des nach dem Zeitpunkt und der konkreten Gestalt seiner irdischen Durchsetzung“ (kursiv bei Sch.). 131 Hengel/Schwemer, Jesus, 411. 132 Vgl. Dan 4,37; Tob 1,18 S; Tob 13,15f.; 1Esdr 4,46.58; 3Makk 2,2; PsSal 2,30. 133 SapSal 18,15; äthHen 14,18-24; slHen 20,3; 2Bar 73,1; ApkAbr 18,3; vgl. schon Ps 11,4; 103,19; Jes 66,1. 134 Koch, Weltgeschichte, 49. 135 Vgl. mBer 2,2.5; bBer 2,4f.; SifBem 15,39 (§ 115); SifDev 17,20 (§ 162); 32,29 (§ 323); vgl. auch Bill. I, 172ff.176f. (k-m). Das Auf-sich-Nehmen von Gottes Königsherrschaft war für die Rabbinen ein Vorgang, der schon jetzt realisiert werden konnte und zwar durch das Zitieren des Shema und durch das Halten der Tora, durch die Gott schon jetzt die Welt

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Shema nimmt analog zu einem Joch bewusst das Herrentum Gottes in Form der Gebote und des Shema auf sich, das mit dem Akt des Gebets in die Welt tritt, das Leben und den Alltag des Betenden bestimmt und auf diese Weise die Gegenwart von Gottes Herrschaft in der Welt garantiert.

4. Fazit Die frühjüdische Literatur erweist sich auch in der Verwendung des Begriffs Reich Gottes/Herrschaft Gottes als vielfältig und vielgestaltig. Von einem einheitlichen Begriffsgebrauch kann keine Rede sein. Die Apokalyptik thematisiert vor allem die endzeitliche Durchsetzung der kosmischen Herrschaft Gottes im Rahmen einer apokalyptisch-kriegerischen Epiphanie Gottes zugunsten seines Volkes und zum Gericht über die Heidenvölker. Dagegen ist die malkût Jahwes in den Sabbatliedern spatial als himmlischer Herrschaftsbereich Gottes konnotiert, in dem die Herrschaft Jahwes, die auf Erden noch aussteht, bereits als eine gegenwärtige Wirklichkeit gepriesen wird. Im rabbinischen Schrifttum wird das Reich Gottes dagegen spirituell und ethisch verstanden: Der Fromme nimmt in Form von Gebet und Shema die Herrschaft Gottes auf sich und realisiert sie auf diese Weise. Es verbietet sich vor diesem Hintergrund von dem frühjüdischen Begriffsgebrauch zu reden. Wir begegnen hier vielmehr sehr unterschiedlichen Facetten, die durchaus verwandt miteinander sind, aber nicht ohne weiteres miteinander identifiziert werden dürfen. Diese Beobachtung ist von fundamentaler Bedeutung für die Evaluation der Begriffsverwendung Jesu.

regiert. In Mt 11,29 spricht Jesus analog vom „Auf-sich-Nehmen“ seines Joches, d.h. seiner Lehre, aber nicht von der basilei,a.

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Vergleicht man die frühjüdische Literatur mit der Verkündigung Jesu in den synoptischen Evangelien und diese wiederum mit der frühchristlichen Literatur im übrigen Neuen Testament, so sticht die Vielzahl der Belege für basilei,a tou/ qeou/ in den synoptischen Evangelien und hier wiederum v.a. im Munde Jesu ins Auge. Es gehört zu den rätselhaften Phänomen der frühjüdischen und frühchristlichen Literatur, dass dieser im Alten Testament fast abwesende und im Frühjudentum zwar durchaus bedeutende, aber dennoch äußerst spärlich belegte Begriff zu einem zentralen theologischen Inhalt der Verkündigung Jesu wurde, um anschließend in der Literatur der frühen Christenheit wieder weitgehend in der Versenkung zu verschwinden136. Dieser Befund lässt keinen anderen Schluss zu, als dass Jesus selbst diesen Begriff zu einem zentralen Inhalt seiner Verkündigung gemacht hat137. Umso brisanter ist die Frage, welchen semantischen

Die weit überwiegende Mehrzahl der 162 Belege von basilei,a tou/ qeou/ resp. tw/n ouvranw/n findet sich in den synoptischen Evangelien (131mal) und hier vor allem im Munde Jesu, nur selten in den redaktionellen Kommentaren des jeweiligen Evangelisten und fast nie im Munde anderer Akteure. Dagegen finden sich im Johannesevangelium nur zwei Belege, Joh 3,3.5; vgl. auch 18,36, in den unumstrittenen Paulusbriefen sieben, 1Thess 2,12; Gal 5,21; 1Kor 4,20; 1Kor 6,9f. [2x]; 1Kor 15,24.50; Röm 14,17, in den umstrittenen Briefen sind es weitere fünf, 2Thess 1,5; Kol 1,13; 4,11; Eph 5,5; 2Tim 4,1.18, in der Apostelgeschichte acht, Act 1,3.6; 8,12; 14,22; 19,8; 20,25; 28,23.31, und in der Johannesapokalypse je nach Zählung drei bis fünf, Apk 1,9; 11,15; 12,10; vgl. 1,6; 5,10. Dazu kommen noch drei Belege in Hebr 1,8 (Zitat aus Ps 45,8); 12,28 und 2Petr 1,11. 137 Meier, Marginal Jew II, 289. 136

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Inhalt Jesus mit diesem Begriff verband, den er allem Anschein nach weitaus häufiger benutzte, als die frühjüdische Literatur vor und die frühchristliche Gemeinde nach ihm138. Es galt lange Zeit als eine opinio communis, dass das Syntagma basilei,a tou/ qeou/ in der Verkündigung Jesu als ein nomen actionis im Sinne einer aktiven Herrschaft Gottes, eben „Königsherrschaft Gottes“, verstanden werden muss. Die Bedeutung des Begriffs meint nach diesem Verständnis keinen bestimmten Bereich oder eine spezielle Zeitperiode, sondern die Handlung des Regierens139. Exemplarisch sei hier das „Greek-English-Lexicon of the New Testament“ zitiert: „It is generally a serious mistake to translate the phrase basilei,a tou/ qeou/, the ‚kingdom of God‘ as referring to a particular area in which God rules. The meaning of this phrase in the NT involves not a particular place or special period of time but the fact of ruling. An expression such as ‚to enter the kingdom of God‘ thus does not refer to ‚going to heaven‘ but should be understood as ‚accepting God’s rule‘ or ‚welcoming God to rule over‘.“140

Wenn das „Eintreten in die Gottesherrschaft“ die Akzeptanz des göttlichen Herrschens meint, dann ist eine der wichtigsten Implikationen dieser Gottesherrschaft der menschliche Gehorsam gegenüber Gott als König. Das Konzept einer aktiven Königsherrschaft enthält damit automatisch einen

Ebd., 238f. Neben vielen anderen stehen für diese Sicht Beasley-Murray, Jesus, 74; Chilton, Kingdom, 265, Caragounis, Art. Kingdom of God/Heaven, 417, und Meier, Marginal Jew II, 240. Im deutschen Sprachraum vgl. Jeremias, Theologie I, 101f.; Perrin, Jesus, 53; Merklein, Botschaft, 37-39. Vgl. auch Stuhlmacher, Biblische Theologie I, 67f.: „Die Abstraktbildung (t)Wkl.m; (malkut) ist ein nomen actionis und meint – wie das griechische Wort basilei,a auch – die Herrschaftsfunktion, das Herrsein (des Königs). […] basilei,a tou/ qeou/ bedeutet also in erster Linie die aktive Regentschaft Gottes, Gottes Herrschen als König“ (kursiv bei St.); ähnlich auch Schröter, Art. Reich Gottes, 205. Die Theologische Realenzyklopädie hat den Begriff „Reich Gottes“ von Anfang an dem Begriff „Herrschaft Gottes“ untergeordnet, vgl. TRE XV, 172-244. 140 Louw/Nida, Greek-English Lexicon, 480. 138 139

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stark ethischen Ton im Blick auf den respondierenden Menschen: Das Verhalten des Menschen soll und muss der Herrschaft Gottes als König entsprechen. Grundlegend für diese weit verbreitete dynamische Deutung war die epochale Arbeit von Gustav Dalman über „Die Worte Jesu“. Er wies nach, dass der hebräische Ausdruck malkût und der aramäische Ausdruck malkûtha mit „Gott“ bzw. „Himmel“ als nomen regens niemals die Bedeutung „Königreich“ im Sinne eines beherrschten Territoriums haben, sondern sich immer auf Gottes Rolle als König und sein herrschendes Handeln als König beziehen. Dies sei auch das grundlegende Verständnis, wenn Jesus den Begriff gebraucht141. In den letzten Jahren hat sich jedoch mehr und mehr die Einsicht durchgesetzt, dass dieses einseitige Begriffsverständnis zu „begrifflicher Unschärfe“ sowie „inhaltlicher Verschwommenheit“ führt142 und so nicht zu halten ist. Dalman setzte voraus, dass ein bestimmter Begriff seine Bedeutung beim Übergang von einer Sprache in eine andere bzw. einem Kontext in einen anderen beibehält. Entsprechend war für Dalman die abstrakte Bedeutung von malkût/malkûtha im Alten Testament und der frühjüdisch-apokalyptischen Literatur auch maßgebend für das Verständnis von basilei,a Dalman, Worte Jesu, 77: „Es kann kein Zweifel darüber obwalten, daß sowohl im Alten Testament als in der jüdischen Literatur das auf Gott bezogene twklm stets ‚Königsregiment‘, niemals ‚Königreich‘ bedeutet.“ Nach Schenke, Botschaft, 108, war für diese Einschätzung auch der zeitgenössische Hintergrund der aufkeimenden nationalen Hochstimmung in Deutschland mitverantwortlich: Um Missverständnisse zu vermeiden habe Dalman dafür plädiert „die Übersetzung ‚Reich‘ fallen zu lassen und stattdessen lieber von ‚Königsregiment‘ oder ‚Herrschaft‘ zu sprechen.“ Allerdings bestritt Dalman keineswegs generell eine räumliche Dimension des Begriffs. Er kann einräumen, dass Jesus mit dem Begriff „unter Umständen vom Herrschaftsbereiche Gottes“ spricht, ebd., 78.112. Zu demselben Ergebnis wie Dalman kam K.G. Kuhn in seinem ThWNT-Artikel zu malkuta schamajim in der rabbinischen Literatur, ThWNT I, 570-573. Auch er konstatierte, dass malkuta schamajim „niemals das ‚Königreich Gottes‘ als das von ihm beherrschte Gebiet bezeichnen“ könne, dass der Ausdruck lediglich die Tatsache beschreibe, „daß Gott König ist, bezeichnet also stets das Königsein, Königtum Gottes“, ebd., 570. 142 Schenke, Botschaft, 108f. 141

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tou/ qeou/ in der Verkündigung Jesu. Für Dalman war dabei die damals allgemein verbreitete Überzeugung grundlegend, dass „Begriffe“ mit einem stabilen und kohärenten Konzept verbunden sind, das sie auch in verschiedenen Kontexten und selbst in verschiedenen Sprachen behalten. In der neueren Sprachwissenschaft wird dagegen nicht nur nach der Bedeutung eines Begriffs in seiner Herkunftssprache gefragt, sondern auch nach seiner Bedeutung in den syntagmatischen und paradigmatischen Beziehungen im jeweiligen Text143. Beachtet man diese Beziehungen, so zeigt sich, dass zahlreiche mit dem Begriff verbundene Verben ein räumliches Verständnis nahelegen144, ja dass der räumliche Aspekt sogar der eigentlich bestimmende ist und sich die in der Forschung dominierende dynamische Interpretation im Sinne von „Königsherrschaft“ allein in Mt 12,28/Lk 11,20 wirklich nahelegt. Aus der Tatsache, dass Jesus nirgendwo den Begriff erläutert, definiert oder präzisiert, kann daher nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass Jesus das semantische Verständnis des apokalyptischen Begriffsgebrauchs einfach übernimmt145.

143 Kvalbein, Preacher, 89, mit Hinweis auf Barr, Semantics. Vgl. auch Egger/Wick, Methodenlehre, 165. Demnach kann ein Lexem je nach Kontext eine andere Semantik haben. 144 Nach Lindemann, Art. Herrschaft, 200, trägt die Debatte, ob mit basilei,a mehr der Herrschaftsvollzug oder das Herrschaftsgebiet gemeint ist, „wenig aus“. Ähnlich äußerte sich bereits Camponovo, Königtum, 443. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es überhaupt auch nur eine einzige Stelle in den Evangelien gibt, wo die Übersetzung mit „Königsherrschaft“ gerechtfertigt wäre, geschweige denn zwingend ist. Eine vermittelnde Position vertreten Theißen/Merz, Jesus, 222, Anm. 3: „Der Ausdruck basilei,a tou/ qeou/ umfaßt sowohl den Vollzug der Herrschaft Gottes als auch die räumliche Vorstellung eines Herrschaftsbereiches“ (kursiv bei Th./M.). Auch Hengel/Schwemer, Jesus, 426, bemerken: „Jesus kann von der basilei,a wie von einer fest umrissenen Größe, einem ‚Herrschaftsraum‘ oder Reich sprechen, in das man hineingehen, hineinkommen, an dem man Anteil erhalten kann, das aber auch, wie im Vaterunser, zu uns kommen soll und dabei schon jetzt wirksam ist.“ 145 Es ist immer wieder überraschend, wie selbstverständlich diese Kontinuität vorausgesetzt bzw. postuliert wird, wie z.B. bei Wolter/Welker, Unscheinbarkeit, 106: „Daß auch Jesu Wirken und Verkündigung von diesem

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Es war vor allem der Protest von Seiten norwegischer Exegeten, der für eine wachsende Wahrnehmung des räumlichen Aspekts sorgte. In Anlehnung an Sverre Aalen, der bereits in den frühen 60er Jahren seinen Widerspruch gegen das Verständnis des Begriffs als nomen actionis äußerte146, waren es Aalens Schüler Ernst Baasland, Hans Kvalbein und Oskar Skarsaune147, die dieses Verständnis in Frage stellten. In Deutschland war es Hans Conzelmann, der Ende der 60er Jahre in seinem „Grundriß zur Theologie des Neuen Testaments“ Zweifel am aktiven Verständnis des Begriffs äußerte148. In jüngerer Zeit insistierte Ludger Schenke auf den konsequent „eschatologisch-zukünftigen Sinn“ und die „räumlich-zeitliche Konnotation“ von basilei,a tou/ qeou/149. In den Chor der Kritiker stimmen mittlerweile auch zahlreiche Stimmen aus Nordamerika und Europa mit ein150. Dabei gründet die Kritik am vorherrschenden dynamischen Verständnis von basilei,a tou/ qeou/ nicht in Zweifeln an der theologischen Aussage an sich. Dass Gott der König Israels, ja der ewige König und Herrscher der ganzen Welt ist und schon jetzt königlich herrscht, gehört – wie in Kapitel II und III gezeigt – ebenso zum Grundwissen und „Katechismus“ Israels und seiner atl. und frühjüdischen Schriften, wie die Überzeugung, dass er am Ende der Tage ein sichtbares und ewiges Reich aufrichten wird. Die Kritik basiert vielmehr zum Einen auf der Beobachtung einer grundsätzlichen Differenz zwischen dem apokalyptischen und jesuanischen Begriffsgebrauch und zum Anderen auf der wachsenden Wahrnehmung, dass das dynamische Verständnis bis auf evtl. eine [sc. frühjüdischen] Heilskonzept mit seinem distinktiven semantischen Profil bestimmt sind, leidet keinen Zweifel“, ebenso 107. 146 Aalen, Reign, 215-240. 147 Baasland, Guds rike; ders., Verkündigung; Kvalbein, Kirken; ders., Kingdom; ders., Reich Gottes; ders., Preacher; Skarsaune, Patriskiske merknader. 148 Conzelmann, Grundriß, 126. 149 Schenke, Botschaft, 106f. und passim; ähnlich Bohlen, Einlasssprüche, 183f. 150 O’Neill, Kingdom; Carmignac, Le mirage; Buchanan, Consequences; ders., Jesus; ders., Eschatology, 90-120; Witherington, Christology, 192-198; ders., Jesus, 49-74; Stanton, Gospels, 196; Allison, Jesus, 164-204; Vos, Heiliges Land, 131-137, v.a. Anm. 156.

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Ausnahme nicht zur Verwendung des Begriffs im Munde Jesu passt.

1. Der Kontrast zum frühjüdischen Begriffsgebrauch Entgegen der häufig postulierten Übernahme des frühjüdischen Begriffsgebrauchs durch Jesus – und hier ist in der Regel die apokalyptische Begriffsverwendung gemeint151 –, ist der Gebrauch von basilei,a tou/ qeou/ im Munde Jesu durch eine Vielzahl wesentlicher Unterschiede zur apokalyptischen Begriffsverwendung charakterisiert: Zum Ersten finden wir bei Jesus nirgendwo die für die Apokalyptik typischen Formulierungen vom „Aufrichten“, „Erstehen“152, „Erscheinen“, „Offenbaren“ oder „Auf-sichNehmen (des Jochs)“ der Königsherrschaft Gottes153. Während diese Wendungen in der Verkündigung Jesu völlig fehlen, sind sie dagegen für die Erwartung des Volkes belegt, als Jesus sich Jerusalem nähert. Lukas reflektiert hier die Hoffnungen der Menge am Beginn des Gleichnisses von den anvertrauten Pfunden wie folgt: Als sie nun zuhörten, sagte er ein weiteres Gleichnis; denn er war nahe bei Jerusalem und sie meinten, das Reich Gottes werde sogleich offenbar werden (paracrh/ma me,llei h`` basilei,a tou/ qeou/ avnafai,nesqai). (Lk 19,11)

151 Vgl. z.B. Caragounis, Art. Kingdom of God, 417: „As proclaimed by Jesus the kingdom of God has continuity with the OT promise as well a with Jewish apocalyptic thinking ...“, sowie Bultmann, Theologie, 5, und Schürmann, Gottes Reich, 21, der konstatiert: „Nach der fast einhelligen Meinung der neutestamentlichen Forschung war das Weltbild Jesu grundlegend und weithin das der Apokalyptik seiner Zeit.“ Allerdings fährt er dann ebd., 35, fort: „Aber die in apokalyptischen Texten geschilderten kosmischen und gesellschaftlichen Zustände interessierten Jesus offensichtlich nicht sonderlich.“ 152 Zum Begriff des „Erstehens“ von Reichen vgl. Koch, Weltgeschichte, 48. 153 Vgl. die Belege in den Anm. 116-118.

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Der dritte Evangelist nimmt hier offensichtlich auf eine apokalyptische Erwartungshaltung Bezug154, die von einem unmittelbar bevorstehenden und sichtbar irdischen Reich ausgeht, identifiziert diese Erwartung aber gerade nicht mit der Verkündigung und dem Verständnis Jesu im Blick auf diesen Begriff. Dies wird auch durch das unmittelbar anschließende Reich-Gottes-Gleichnis von den anvertrauten Pfunden deutlich, das eine deutliche Absage an die Erwartung der Menge impliziert (Lk 19,12-27). Möglicherweise ist auch das rätselhafte Logion aus Lk 17,20f. direkt gegen diese apokalyptische Erwartung adressiert: Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist evnto.j u``mw/n. (Lk 17,20f.)

Der rätselhafte V. 21b wird in Kapitel IV.6.2 Gegenstand der Untersuchung sein. Bemerkenswert ist hier zunächst die Ablehnung jener im apokalyptischen Schriftum erwarteten sichtbaren und unmittelbar bevorstehenden Offenbarung und Erscheinung eines irdischen Reiches gegenüber seinen pharisäischen Gesprächspartnern155. Jesus selbst spricht dagegen vom „Kommen“ des Reiches Gottes, dem „Eingehen“ in das Reich Gottes und dem „Ererben“ bzw. „Empfangen“ des Reiches Gottes. Es handelt sich hier samt und sonders um Begriffe, die dem apokalyptischen Sprachgebrauch im Blick auf basilei,a tou/ qeou/ fremd waren156. Vgl. auch Mk 15,43/Lk 23,51 sowie Lk 2,25.38. Auch Schwemer, Kommen, 118, bemerkt, dass die Formulierung vom baldigen Offenbarwerden der basilei,a dem targumischen Sprachgebrauch näher steht als dem lukanischen bzw. synoptischen. 155 Vgl. hierzu Anm. 118. 156 Eine Ausnahme bildet lediglich grBar 11,2, wo ein Engel zum Apokalyptiker sagt: „Wir können nicht hineingehen, bevor Michael, der Türhüter des Himmelreiches, kommt.“ Windisch, Sprüche, 43, deutete diese negative Evidenz dahingehend, dass es sich bei der Wendung um einen sprachlichen „Neuschöpfungsprozeß Jesu“ handelt. 154

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Zum Zweiten fällt auf, dass die Evangelien anders als die Jahwe-König-Psalmen und die gesamte frühjüdische Literatur auffallend selten Gott als König titulieren157. Lediglich in Mt 5,35 wird Jerusalem die „Stadt des großen Königs“ genannt. Ansonsten erscheint Gott nur in den beiden Gleichnissen vom Schalksknecht (Mt 18,21-35) und vom großen Hochzeitsmahl (Mt 22,1-14) als König158. Allerdings ist die Identität Gottes in allen Gleichnissen nicht an die Königsrolle gebunden, was in der lukanische Parallele des Hochzeitsfestes deutlich wird (Lk 14,15-24), wo Gott lediglich die Rolle eines reichen Menschen innehat. In diesem Zusammenhang ist die Beobachtung von Bedeutung, dass der Verzicht auf das Königsattribut nur für Gott, jedoch nicht für Jesus gilt. Jesus selbst wird in einer Reihe von Texten als König eines Reiches (Mt 16,28; 20,21; 25,34.40; Lk 23,42; Joh 12,13; 18,36f.) oder als „König der Juden“ (Mt 27,29.37; Joh 18,33.39) bzw. „König Israels“ (Mt 27,42/Mk 15,32; Joh 12,13) bezeichnet159. Man kann jedoch vom Königtum Jesu nicht einfach auf ein Königtum Gottes schließen. Umgekehrt wird aber auch merkwürdigerweise das Königtum Jesu nie im Kontext des Begriffs basilei,a tou/ qeou/ erwähnt. Beides steht jedoch auch nicht in einem Konflikt, wenn es sich bei der basilei,a tou/ qeou/ um einen Bereich bzw. Raum handelt. Ein Land oder Territorium kann einen König haben, muss aber nicht.

Ganz grundsätzlich wird Gott in der Verkündigung Jesu – abgesehen von den genannten Beispielen – im scharfen

157 Vgl. Aalen, Reign, 217; Hengel/Schwemer, Vorwort, 13; Kvalbein, Kingdom, 69; Theißen/Merz, Jesus, 250. Vgl. auch Burchard, Jesus, 21: „Nun hat Jesus, wenn die Überlieferung repräsentativ ist, viel seltener Königsherrschaft Gottes gesagt, als man erwarten sollte. Die Stammverwandten fehlen: Gott heißt nicht König, sein Stand und Wesen nicht königlich, sein Herrschen nicht königen … Jesus hat Gott auch nur selten als König abgebildet und seine ethischen Weisungen nicht im Namen des Königs gegeben.“ 158 Auch im Gleichnis vom „großen Weltgericht“ (Mt 25,31-46) fungiert nicht Gott als richtender König, sondern der „Menschensohn“, vgl. Mt 25,31.34. 159 Vgl. auch Lindemann, Art. Herrschaft, 200. Von einer basilei,a Christi ist ferner in Mt 20,21; Lk 1,33; 23,42; Joh 18,36; 1Kor 15,24; Kol 1,13; 2Tim 4,1.18; 2Petr 1,11 die Rede.

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Kontrast zu den atl. und frühjüdischen Texten nicht als „König“ vorgestellt, sondern als „Vater“. Abgesehen von Mt 18,23 und 22,2 und wiederum im Kontrast zur atl. und frühjüdischen Literatur verwenden sämtliche Evangelien den Begriff basilei,a tou/ qeou/ niemals im Zusammenhang mit den Begriffen „König“ (basileu,j) und „herrschen“ (basileu,ein). Die fast durchgängige Abwesenheit der Königsprädikation irritiert, wenn Reich Gottes im Sinne einer Königsherrschaft verstanden werden soll. Weitere Indizien sind, dass im Kontext der basilei,a tou/ qeou/-Belege nirgendwo die Begriffe Thron Gottes, Zepter oder Krone auftauchen, die im Alten Testament und in der frühjüdischen Apokalyptik häufig als Metaphern für die aktive Herrschaft Gottes gebraucht wurden160. Ebenso wenig finden wir die Formulierung, wonach die basilei,a tou/ qeou/ ewig wären würde161. Lediglich in Apk 11,15 ist dieser Wunsch in einem eschatologischen Kontext belegt. Schließlich fehlt zum Dritten in der basilei,a-Verkündigung Jesu völlig die politische Dimension, die in nahezu allen atl. und apokalyptischen Belegen so dominant im Vordergrund steht162, und dies obwohl sich der Gedanke an die Befreiung Israels von der heidnisch-römischen Herrschaft vor dem Horizont des apokalyptischen Verständnisses der Gottesherrschaft geradezu aufdrängt.

Vgl. z.B. die Thron-Gottes-Belege in Jes 6,1.5; Ps 47,9; 93,1f.; 97,1f.; 1Chr 28,5; 29,23; vgl. auch SapSal 28,15; AssMos 10,1.3. Dagegen finden sich mehrere Belege, wo es um den Thron Christi in dessen Reich geht: Mt 10,37; vgl. Mt 19,28; Lk 22,30 und Lk 1,32; zu den Herrschaftsinsignien in atl. Perspektive vgl. Jungbluth, Himmel, 33-52.179-204. 161 Vgl. Dan 2,44; 7,14.27; PsSal 17,4; Jub 1,28; OrSib 3,767; vgl. 1Chr 17,12.14. 162 Vgl. Merklein, Botschaft, 43, Anm. 26: „Von Dt-Jes bis zur Apokalyptik gibt es keine Äußerung zur Gottesherrschaft, in der diese nicht zu (dem von den Völkern unterdrückten) Israel in Beziehung gesetzt wird.“ 160

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„Was bei Jesus im Vergleich mit den angeführten Texten [sc. TestDan 5,10-13; AssMos 10,1.7-10] auffällt, ist der Umstand, daß die irdisch-politische Komponente der Herrschaft Satans (die Unterdrückung durch die Heiden) nicht reflektiert wird.“163

Zusammengefasst zeigt sich, dass wir nicht nur die charakteristische atl. und apokalyptische Terminologie im Zusammenhang mit der Königsherrschaft Gottes in den Evangelien und im gesamten Neuen Testament kaum finden, sondern auch die damit beschriebene Sache164. Das mit dem Begriff basilei,a tou/ qeou/ verbundene Konzept ist hier ein völlig anderes als das atl. und frühjüdisch-apokalyptische. „For neither Jesus nor Paul does the coming of the basileia in the present amount to the visible theophanic manifestation of God himself that displaces all human governments, re-establishes Israel in its Davidic glory …, establishes the sort of Edenic state on earth depicted in texts like Isaiah 60 and has other dramatic supernatural effects on the cosmos and material world as well as on human beings …“165 Es wäre folglich ein Missverständnis, wollte man Jesu basilei,a-Begriff 163 Ebd., 43. Ebenso Meier, Marginal Jew II, 331: „... Jesus was not interested in and did not issue pronouncements about concrete social and political reforms, either for the world in general or for Israel in particular. He was not proclaiming the reform of the world; he was proclaiming the end of the world.“ 164 So auch Schenke, Botschaft, 107: „Diese Zuordnung passt nicht zum Verständnis von „Basileia Gottes“ als ‚Gottesherrschaft‘, es sei denn, sie wird als ein in Zukunft eintretender raum-zeitlicher Zustand aufgefasst. Doch liegt es dann näher, wie die ältere Forschung vom ‚Reich Gottes‘ zu sprechen, um begriffliche Unklarheiten und sachliche Vermischungen zu vermeiden“ (kursiv bei Sch.). 165 Witherington, Jesus, 62; ähnlich Jeremias, Theologie I, 31979, 99: „Nirgendwo bezeichnet die Basileia bei Jesus (im Unterschied zu den Rabbinen) die dauernde Herrschaft Gottes über Israel in diesem Äon … Vielmehr ist die Basileia immer und überall eschatologisch verstanden.” Ebenso Klein, Zentralbegriff, 654: „Jesus spricht von der Gottesherrschaft in einer anderen Sprache als seine rabbinische Umwelt“ (kursiv bei K.), und Goppelt, Theologie, 101: „… nicht zufällig klingt, abgesehen vom Buch Daniel selbst, in der ausgeformten synoptischen Tradition keine einzige uns bekannte Stelle jüdischer Apokalyptik an.“ Ebenso in jüngerer Zeit Wolter, Teller, 136f.: „[T]here is a marked difference between the semantic profile of this concept, as it was present in the cultural encyclopedia of

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und -Verkündigung vom Begriff der malkût in apokalyptischen Texten her interpretieren166. Es geht hier ganz offensichtlich um zwei verschiedene Größen. An dieser Stelle drängt sich natürlich die Frage auf, warum Jesus den Begriff in so völlig anderer Weise benützt als es die meisten (apokalyptischen) Belege des zeitgenössischen Schrifttums nahelegen, ohne dies zu erläutern. Das Fehlen jeglicher Erklärung war bereits für William Wrede ein wesentliches Argument für die Kontinuität des basilei,a-Verständnisses Jesu zum apokalyptischen Schrifttum167. Wir können an dieser Stelle nur auf die Kargheit der Quellen und den völlig andersartigen, spatial konnotierten Begriffsgebrauch in den Sabbatliedern sowie in Belegen wie SapSal 10,10; TestHiob 33,9; TestAbr RecLng 7,7 und grBar 11,2 verweisen168. Darüber hinaus fällt auf, dass in den Evangelien auch Zeitgenossen Jesu denselben Sprachgebrauch wie Jesus selbst im Munde führen, so z.B. der Täufer (Mt 3,2), Jesus’ listeners, and the way in which Jesus himself speaks about the Rule of God“ (kursiv bei W.). Conzelmann, Grundriß, 126, fasst zusammen: „Man kann die Faustregel aufstellen: Im Judentum bedeutet der Ausdruck: den Akt des Herrschens Gottes; bei Jesus: Gottes Reich.“ 166 So aber Evans, Exorcisms, 166, im Anschluss an Dan 7,22; Mk 1,14f. und Mt 12,28/Lk 11,20: „Daniel’s ‚the time has arrived and the saints have gained the kingdom‘ ... closely corresponds to Jesus’ statements that ‚the time is fulfilled‘ and ‚the kingdom of God has come‘ ...“ Vgl. dagegen Schenke, Botschaft, 110, der auf Dan 3,33; 4,31 und 6,28 verweist, wo der Begriff explizit mit dem Begriff der „Herrschaft“ (aram. schaltan) ergänzt wird und damit selbst eine räumliche Konnotation hat. 167 Wrede, Predigt, 88: „Jesus hat nie eine Belehrung darüber gegeben, was er unter dem Reich Gottes verstehe. Er hat nie seinen Jüngern gesagt, daß seine Anschauung vom Gottesreiche eine andere sei als die landläufige. Überall ist der Eindruck, daß er ein bekanntes Wort in demselben Sinne gebraucht, in dem man es allgemein verstand.“ Ähnlich Bruggen, Jesus, 75: „After all, it is striking how little explaining Jesus does, when he uses this phrase. He apparently assumes that his listeners already have a concept of what he is talking about and that he can simply go ahead with further teaching on this theme.“ 168 Vgl. hierzu auch Allison, Jesus, 203f., der Erwägungen anstellt, ob Jesus den Sprachgebrauch entweder schon in seiner Jugendzeit gelernt habe, ein unbekannter Lehrer diesen ihm vermittelt habe, oder ob er auf den Täufer zurückgeht; vgl. Mt 3,2. Auch er verweist letztlich auf unser Unvermögen, angesichts der Quellenlage in dieser Frage weiterzukommen.

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die Jünger (Mt 18,1), die Mutter der Zebedaiden (Mt 20,21), ein Tischgast bei einem der Mähler Jesu (Lk 14,15) und nicht zuletzt der Schächer am Kreuz (Lk 23,42f.). Umgekehrt konnten auch die Hörer Jesu den von der Apokalyptik abweichenden Begriffsgebrauch scheinbar problemlos verstehen, da nirgendwo Missverständnisse oder Rückfragen belegt sind. Offensichtlich war die Semantik von basilei,a tou/ qeou/ im Judentum zur Zeit Jesu wesentlich breiter und vielfältiger als es die frühjüdischen Quellen und die modernen Lexika-Artikel zum Begriff nahelegen. Ein apokalyptisches Verständnis des Begriffs ist von daher alles andere als zwingend.

2. Das Reich Gottes als Raum des Heils Die zweite Wahrnehmung, die Zweifel an der Konzeption einer aktiven Königsherrschaft Gottes auslöste, betrifft die Vielzahl räumlicher Redewendungen, die vom „Eingehen“ bzw. „Hineinkommen“ in bzw. vom „Hinaus-geworfenWerden“ aus der basilei,a sprechen (Mt 8,12; 22,13; vgl. auch 13,41f.)169. Die basilei,a wird in zahlreichen Logien mit den Präpositionen eivj, evn oder evk in Verbindung gebracht. Hier steht offensichtlich die Vorstellung eines Raumes bzw. Bereiches im Hintergrund, in den man eintreten oder hineinkommen bzw. eingelassen werden kann, aus dem man aber auch hinausgeworfen werden kann. Dieses lokale und räumliche Verständnis des Begriffs steht auch im Hintergrund, wenn von den „Schlüsseln des Himmelreichs“ (Mt 16,19) und einer engen Pforte (Lk 13,23-30) bzw. einem schmalen Weg (Mt 7,13f.) die Rede ist. Das Bildmotiv ist deutlich: Die Pforte und der Weg führen zu einem Ort des Heils, dessen 169 Hier handelt es sich um die sog. Einlasssprüche Mt 5,20; 7,21; 18,3; 19,23f.; 21,31; Mk 9,47; 10,15.23-25; Lk 18,17.24f.; vgl. Joh 3,3.5; Act 14,22, und 2Tim 4,18; 2Petr 1,11. In gewisser Weise haben auch Lk 16,16/Mt 11,12; Lk 23,42 und Kol 1,13 eine Nähe zu dieser Kategorie. Vgl. hierzu Windisch, Sprüche, 163-192; Horn, Einlaßsprüche, 187-203, und Bohlen, Einlasssprüche, 167-184.

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Zugang durch die Schlüssel geöffnet werden kann170. Das Bildmotiv der verschlossenen Tür prägt auch das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Mt 25,1-13; vgl. v.a. V. 1.10) und den Weheruf über die Schriftgelehrten und Pharisäer (Mt 23,13). Es geht hier eindeutig um ein räumlich-lokales Verständnis, nicht um ein dynamisches, denn es würde keinen Sinn machen, im Blick auf eine Herrschaft von „drinnen“, „in hinein“, „draußen“ oder „aus heraus“ zu reden171. Auch der Wortwechsel Jesu mit dem Schächer aus dem lukanischen Sondergut (Lk 23,42f.) setzt ein räumlich-lokales Verständnis voraus172. Dabei spiegelt sowohl die Frage des Schächers als auch die Antwort Jesu ein postmortales Verständnis dieses Raumes wider, in den man erst nach dem Tod gelangen kann (vgl. auch 1Kor 15,50). Auffallend ist ferner die in diesem Wortwechsel implizierte Äquivalenz von basilei,a mit para,deisoj, das auch im Frühjudentum als postmortaler Aufenthaltsort der Gerechten beschrieben wird173. Ein solches Verständnis steht möglicherweise auch 170 Auch in grBar 2,1; 3,1; 11,2; TestLev 2,6f.; TestAbr A10f. finden sich Bilder von himmlischen Pforten und Türen, die geöffnet oder verschlossen werden können, durch die man hindurch gehen kann (eivse,rcesqai), oder vor denen man draußen bleiben muss. In grBar 11,2 wird der Erzengel Michael als der „Schlüsselinhaber des Himmelreichs“ bezeichnet; vgl. auch ParJer 9,5. 171 Diese räumliche Bedeutung haben im Übrigen auch fast alle Vorkommen von basilei,a ohne den determinierenden Genitivzusatz tou/ qeou/, vgl. Mk 3,24; 6,23; 13,8/Mt 24,7/Lk 21,10; Mt 4,8/Lk 4,5; Mt 12,25f./Lk 11,17f. Nicht eindeutig sind lediglich Lk 19,12.15. 172 Der Wortwechsel gehört zum lukanischen Sondergut, das sehr häufig auf die älteste Jesusüberlieferung zurückgeht. Ein sicheres Urteil über die Authentizität des Logions ist hier kaum möglich. Lehtipuu, Afterlife, 255, betrachtet den Wortwechsel aufgrund der fehlenden Mehrfachbezeugung, des typisch lukanischen Motivs der Buße/Umkehr und der für Lukas so interessanten individuellen Eschatologie als Schöpfung des Evangelisten. Fitzmyer, Luke X-XXIV, 1508, teilt diese Sicht, fügt aber an: „… who can say for sure that it did not take place.“ 173 Vgl. TestLev 18,10f.; PsSal 14,2f.; äthHen 17-19; 32; 60,8.23-25; 61,12; 70; ApkAbr 21,6; ApkMos 13,2-4; 37,5f.; 40,1; 2Bar 4,2-6; LAB 19,10-13; 32,8; vgl. auch Ez 31,8f. und 2Kor 12,2-4. Mattill, Luke, 34, sieht hier denselben Ort, wie jenen, der in Lk 16,19-31 mit „Abrahams Schoß“ beschrieben wird. Es handelt sich um die positive Form des Totenreiches, das nach Lukas bis zur Parusie bzw. dem Endgericht bestehen wird und von Mattill

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hinter 2Kor 12,4 und Apk 2,7. Möglicherweise wurden die Begriffe basilei,a, para,deisoj und ouvrano,j in der frühen Christenheit als Äquivalente verstanden174. Innerhalb dieses „Raumes“ findet dann auch das endzeitliche Festmahl des Heils statt (vgl. Mk 14,25/Mt 26,29; vgl. Lk 14,15)175, zu dem viele kommen werden von Osten und von Westen, um zu Tisch zu sitzen mit Abraham, Isaak und Jakob (Mt 8,11f./Lk 13,28f.)176. In diesen Kontext gehört wohl auch die Frage, wer bei diesem Festbankett der Größte und wer der Kleinste sein wird (Mt 5,19; Mt 11,11/Lk 7,28; Mt 18,1.4). Hier werden die Gerechten leuchten wie die Sonne (Mt 13,43). Bemerkenswert ist, dass Jesus sich in Mk 14,25 selbst als zentralen Akteur dieser künftigen basilei,a betrachtet177 und sich damit eo ipso in einer Verbindung mit all jenen sieht, die dort als Gäste eintreten werden178. Die Verheißung vom großen Festmahl ist eines der bekanntesten räumlichen Bilder für das Reich Gottes179 und spielt als „the happy side of Hades“ bezeichnet wird: „Thus Luke 23:43 could well be a promise that the thief would join Jesus that very day in the paradisiacal compartment of Sheol, where the righteous dead await the ressurection, judgment, and world-to-come.“ 174 Lehtipuu, Afterlife, 254f.280-284.289-294, und Witherington, Jesus, 60f. 175 Aalen, Reign, 228: „Also the picture of the great feast or supper repeatedly used by Jesus decidedly points to the kingdom as the highest good of salvation ... This symbol is closely connected with the idea of the room and with that of the door. […] In these texts we can perceive nothing of the idea of God’s reign, or of the idea that he is asserting his position as a king, or the like.“ 176 Zur Frage der Authentizität des Logions vgl. Meier, Marginal Jew II, 316f.; Theißen/Merz, Jesus, 233. 177 Meier, Marginal Jew II, 306, weist zurecht darauf hin, dass das Logion eine Endzeit-Prophetie enthält: „The initial ‚Amen‘ not only gives solemnity to what follows but more importantly indicates that Jesus is authoritatively uttering a prophecy about the end time.“ 178 Witherington, Christology, 206. Zur Echtheit des Logions vgl. Meier, Marginal Jew II, 305f., und Theißen/Merz, Jesus, 233. 179 Das Motiv vom Festbankett als Bild für das endzeitliche Heil wird häufig im atl. und frühjüdischen Schrifttum gebraucht, Jes 25,6-8; 55,1-2; 65,13; vgl. äthHen 62,12-14; 1QSa 2,11-22; slHen 42,5; 4Esr 2,38-40; grBar 29,1-8, jedoch nie in Verbindung mit dem Reich oder der Herrschaft Gottes. Die Verbindung beider Motive scheint somit auf Jesus zurückzugehen.

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auch in zahlreichen Gleichnissen eine wesentliche Rolle, so im Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl (Mt 22,1-14; vgl. Lk 14,15-24) und im Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25,1-13). Selbst im Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Mt 25,14-30) werden die tüchtigen Knechte am Ende zum „Eintritt in die Freude ihres Meisters“ (Mt 25,21.23) eingeladen180, was offensichtlich dem Eintreten in das Reich Gottes entspricht, während der unnütze Knecht hinaus in die Dunkelheit geworfen wird, wo Heulen und Zähneklappern sein wird (V. 30; vgl. Mt 8,12/Lk 13,28; Mt 13,41f.50; 22,13)181. Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch, warum der verständige Schriftgelehrte in Mk 12,32-34 „nicht fern“ von der basilei,a ist. Auch die drei lukanischen Gleichnisse vom Suchen und Finden in Lk 15 (vom verlorenen Schaf, V. 3-7; vom verlorenen Groschen, V. 8-10, und vom verlorenen Sohn, V. 11-32) enden jeweils mit einem Festbankett. Dieses Motiv wirkt bei den beiden erstgenannten Gleichnissen auf der Bildebene übertrieben, weil der Sachwert des wiedergefundenen Schafes bzw. Silbergroschens weit geringer ist als die Kosten des Festes. Aber offensichtlich ist das Bildmotiv des Festes bei Jesus eine feste Metapher für das Reich Gottes182. Deshalb kommt es selbst in Gleichnissen am Ende zum Fest, wo es vom Bildmotiv her eher merkwürdig ist. Ein Bezug auf die dynamische „Königsherrschaft“ wäre in allen genannten Gleichnissen sinnlos. Das Motiv hat zweifellos eine räumliche Bedeutung, es geht um einen Festsaal, in dem eine Fest-

Nach Jeremias, Gleichnisse, 57, Anm. 3, muss cara, hier mit dem Konkretum „Freudenfest“ übersetzt werden; vgl. auch Dalman, Worte Jesu, 96. 181 Die „draußen herrschende Dunkelheit“ (to. sko,toj to. evxw,teron) bezieht sich auf den Ort des Gerichts und der Bestrafung, vgl. SapSal 17,21; Tob 14,10; äthHen 10,4; 63,6; 108,14; Jub 7,29; PsSal 14,9; 15,10; 2Petr 2,17; Jud 13. In Verbindung mit Feuer wird die Dunkelheit als Gerichtsort in 1QS 2,8; 4,13; OrSib 4,43; äthHen 103,7f.; slHen 10,2 erwähnt. 182 Kvalbein, Preacher, 98, macht darauf aufmerksam, dass vor diesem Hintergrund das Herrenmahl „in der Nacht, da Jesus verraten ward“ als eine „extended acted parable“ gesehen werden kann, „integrating the death of Jesus as a sacrifice into the proleptic celebration of the kingdom of God“. 180

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versammlung zu einem großen Freudenfest zusammenkommt. Aus diesen Gründen sprechen Sverre Aalen von einem „Haus“ (vgl. Mt 12,25.29)183, Hans Kvalbein von einem „place of salvation“184 und Christoph Burchard formuliert prägnant: „Das Reich Gottes ist kein Imperium, sondern ein Dorf.“185 Maren Bohlen macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass das Verb eivse,rcesqai im gesamten Neuen Testament mit ähnlichen Konnotationen belegt ist.186 So ist Jesus nach Joh 10,9 eine Tür und wer durch sie (in einen Raum?) hineingeht (eivse,lqh|), wird gerettet werden (swqh,setai). In Hebr 3,11.18; 4,1-11 geht es um das „Hineingehen zur Ruhe“ (eivse,rcesqai eivj th.n kata,pausin), womit ein Raum der Ruhe und Heimat im himmlischen Heiligtum bezeichnet ist, der in einer heilsgeschichtlichen Analogie zum „gelobten Land“ steht187. Auffallend ist auch die Formulierung in Lk 24,26, wo der Auferstandene den Emmausjüngern die Frage stellt, ob nicht der Messias leiden musste, um in seine Herrlichkeit einzugehen (eivselqei/n eivj th.n do,xan auvtou/)? Der Vers erinnert an 1Thess 2,12, wo Paulus die Thessalonicher an die Berufung Gottes erinnert, der sie berufen hat „zu seinem Reich und seiner Herrlichkeit“ (εἰς τὴν ἑαυτοῦ βασιλείαν καὶ δόξαν)188. Schließlich erwähnt Bohlen auch noch Röm 11,25, wo es um das Eingehen der „Vollzahl der Völker“ (wohin?) geht (a;cri ou- to. plh,rwma tw/n evqnw/n eivse,lqh|). Während Luther diese Bewegung als ein Eingehen „zum Heil“ bestimmt, bleibt im griechischen Text das Ziel der Bewegung unbestimmt. Vom Verb her ist jedoch an einen (metaphorischen) Raum zu denken. Traditionsgeschichtlich ge-

183 Aalen, Reign, 229: „The kingdom of God is a house.“ Vgl. auch O’Neill, Kingdom, 134: „The kingdom is like a house or city or land.“ 184 Kvalbein, Kingdom, 70. 185 Burchard, Jesus, 34.“ 186 Bohlen, Einlasssprüche, 173-176. 187 Vgl. Karrer, Hebr, 220. 188 Die Formulierungen erinnern an einige Gleichnisse, in denen es um ein eivse,rcesqai von Teilnehmern an einem Festmahl geht, Lk 14,23; 15,28; vgl. Mt 25,21.31.

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hen all diese Formulierungen auf die Exodustradition zurück. Eise,rcesqai ist in der Septuaginta terminus technicus für den Einzug Israels in das gelobte Land189. Nimmt man alle Belege zusammen, so ist es evident, dass es hier um einen futurischen Ort endzeitlicher Heilsvollendung geht190, der nach Mt 25,34 von Ewigkeit her den Gerechten für die eschatologische Vollendung bereitet ist191. Ein dynamisches Verständnis von basilei,a im Sinne einer Herrschaft ist bei den behandelten Belegen fast durchgängig ungeeignet und sinnlos, nicht selten sogar unmöglich. An dieser Stelle ist schließlich noch an die Formulierung basilei,a tw/n ouvranw/n zu erinnern, die im Matthäusevangelium 32-mal an Stelle des bei Markus und Lukas üblichen basilei,a tou/ qeou/ steht. Gewöhnlich sieht man in dieser Formulierung eine von Matthäus aufgenommene jüdische Tradition, gemäß der der „Himmel“ als Paraphrase für den Begriff „Gott“ steht. Nun hat allerdings in einem jüngeren Beitrag Jonathan T. Pennington192 darauf aufmerksam gemacht, dass es im 1. Jahrhundert n.Chr. kaum Anzeichen gibt, dass der generische Begriff „Gott“ – im Unterschied zum Gottesnamen JHWH – vermieden worden wäre. Matthäus selbst verwendet den Begriff qeo,j mehr als 50-mal. Desweiteren ist deutlich, dass „Reich Gottes“ (viermal im Matthäusevangelium) und „Reich der Himmel“ denselben Gegenstand bezeichnen, die zweite Bezeichnung allerdings den Kontrast zwischen „Himmel“ und „Erde“ hervorhebt. Dieses Reich ist für Matthäus eben gerade dadurch charakterisiert, dass es ein „himmlisches“ und kein „irdisches“ ist193. Gleichwohl macht diese kontrastierende Bohlen, Einlasssprüche, 176.179; vgl. Dtn 1,37-39; 4,1.21; 6,18; 8,1; 9,1; 11,8; 16,20. Auch nach Windisch, Sprüche, 177, ist „der Gedanke vom Eingehen ins Reich ... in erster Linie vom Einzug in Kanaan und der daran geknüpften Gehorsamsforderung inspiriert.“ 190 Vgl. Bohlen, Einlasssprüche, 184: „... die Teilhabe am endzeitlichen Heil [wird] mit Hilfe der Einlasssprüche in metaphorischer Weise als Aufenthalt in einem Heilsraum umschrieben“. 191 Wenn der Begriff räumlich konnotiert ist, muss er in der Tat futurisch verstanden werden; vgl. Horn, Einlaßsprüche, 188, siehe ebd. auch Anm. 5, und Witherington, Jesus, 61f. Für Jeremias, Theologie I, 105, bedeutete diese Evidenz, dass „die Basileia immer und überall eschatologisch“ verstanden werden müsse. 192 Pennington, Heaven. 193 Ebd., 321: „Matthew’s choice to regularly depict the kingdom as tw/n ouvranw/n is designed to emphasize that God’s kingdom is not like earthly kingdoms, stands over against them, and will eschatologically replace them (on earth).“ 189

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Definition deutlich, dass es definitiv um einen räumlich konnotierten Begriff geht. Dies wird nicht nur aus dem Gegensatz von „Himmel“ und „Erde“ deutlich, sondern auch aus der matthäischen Verwendung des Begriffs ouvrano,j, der bei Matthäus immer einen Ort bzw. Raum markiert: „The addition of tw/n ouvranw/n to basilei,a in Matthew makes it inevitable that some sense of a spatial understanding of the kingdom is communicated: understanding h`` basilei,a tw/n ouvranw/n as meaning only to rule or reign of God in a non-spatial sense fails to account for the importance of Matthew’s ascription of the kingdom as tw/n ouvranw/n.“194

Dieses spatiale Verständnis des Begriffs im Sinne von Räumen und Bereichen, in denen die Herrschaft Gottes etabliert werden soll, begegnete uns bereits in den Sabbatliedern von Qumran195. Auch dort ging es um einen Ort der Heilsvollendung, den die Sänger bereits gegenwärtig im himmlischen Tempel lokalisierten und dessen irdische Realisierung sie endzeitlich erwarteten. Zu diesem Verständnis eines endzeitlich erwarteten Raumes, Hauses oder Dorfes tritt automatisch eine temporale Bedeutung hinzu, die uns im nächsten Punkt beschäftigen wird.

3. Das Reich Gottes als eine Zeit des Heils Der temporale Aspekt tritt überall dort in den Vordergrund, wo vom „Kommen“ oder „Nahe-herbei-gekommen-Sein“ der basilei,a tou/ qeou/ die Rede ist196, wie z.B. in der zweiten Vaterunserbitte (Mt 6,10/Lk 11,2), wo das Kommen einer zukünftigen basilei,a des als Vater, nicht als König(!), angesprochenen Gottes erbeten wird. Dass es bei diesem Kommen nicht um einen langsamen, kontinuierlichen Prozess, sondern um ein bestimmtes Ereignis geht, konkret um das zukünftige Kommen der neuen Heilszeit, legen zahlreiche Ebd., Heaven, 296. Schenke, Botschaft, 110, verweist an dieser Stelle auch auf Dan 3,33; 4,31; 6,27 und TgJes 33,22; 41,2; 43,15; 44,6 u.a. 196 Mt 6,10; 12,28; 16,28; Mk 1,15; 9,1; Lk 17,20f.; 21,31; 22,18; vgl. 1Kor 15,24; 2Tim 4,1; Apk 12,10. Wenn in Mk 15,43 Josef von Arimathäa als ein Wartender auf die basilei,a charakterisiert wird, steht ebenfalls die zeitliche Dimension im Vordergrund. 194 195

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jüdische Parallelen der Vaterunserbitte nahe197. Allerdings findet sich weder in einer atl. oder frühjüdischen, noch in einer anderen ntl. Gebetsbitte die Verbindung von basilei,a tou/ qeou/ mit einem Verb, das der Bedeutung von „kommen“ entspricht198. Die Rede vom Kommen des Reiches ist wahrscheinlich eine Innovation Jesu, was ein gewichtiges Argument für die Authentizität ist199. Dabei ist die Bitte um das Kommen der basilei,a analog zur Bitte um die Heiligung des göttlichen Namens, die auch im jüdischen Kaddisch-Gebet zusammen gehören200, ein Appell an Gott: Er selbst und er allein möge das erbetene Geschehen in Gang setzen. Es handelt sich nicht um eine fromme Selbstadhortation der Betenden: „The passive voice is a true ‚theological passive‘ reverently referring indirectly to the divine agent, who is asked to manifest himself in all his world-creating and royal power

Meier, Marginal Jew II, 294f.: „The eschatological thrust of the petition is clear from its roots and parallels in Ezekiel, Ben Sira, Qumran, and Jewish liturgical prayers like the Qaddish. [...] if Jesus ... desired to avoid or negate future eschatology, he would have to make the differences in his use of the symbol crystal-clear“; vgl. auch ebd., 299f. 198 Ebd., 294; vgl. auch die zahlreichen Belege bei Bill. I, 418f., bei denen aber nirgendwo vom „Kommen“ der malkût die Rede ist; sowie Luz, Mt I/1, 447: „... es ist geradezu auffällig, wie oft die zukünftige Gottesherrschaft Gegenstand von Bitten der Rabbinen ist, bei denen sonst eher der Gegenwartsaspekt von Gottes Herrschaft im Vordergrund steht. Gegenüber den jüdischen Parallelen auffällig ist Jesu Redeweise vom Kommen des Gottesreichs: Jesus versteht es als etwas Dynamisches, Machtvolles [...] Das Eschatologische dieser Bitte ist völlig zweifelsfrei, obwohl die Auslegungstradition der Kirche meistens andere Wege gegangen ist“. 199 Meier, Marginal Jew II, 294.298. Theißen/Merz, Jesus, 232, vermuten, dass in dieser Vaterunserbitte das Kommen des Reiches an die Stelle des Kommens Gottes tritt, vgl. Jes 35,4; 40,9f.; Sach 9,9; 14,3f.16; äthHen 1,49 u.ö. Diese Hoffnung wird im Urchristentum in der Erwartung des Kommens Christi, vgl. 1Kor 11,26; 16,22, wieder aufgenommen. Dieser Umstand spricht auch für die Authentizität der Vaterunserbitte, die sich nicht als Gemeindebildung verstehen lässt. Ein weiteres Argument ist der Umstand, dass die ntl. Literatur zwar eine Fülle von Liedern, Hymnen und Bekenntnissen kennt, aber nur ein Gebet Jesu. Es war offensichtlich nicht üblich, Jesus Gebete in den Mund zu legen, sonst wäre eine größere Fülle an Jesusgebeten zu erwarten. 200 Vgl. Barrett/Thornton, Texte, 239 (Nr. 212). 197

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in the near future.“201 Diese Vaterunserbitte erbittet somit das baldige Kommen der basilei,a als einer künftigen Heilszeit, die dadurch charakterisiert ist, dass Gott alleine als König herrscht, und von der alle gottwidrigen Mächte und Kräfte ausgeschlossen sind (vgl. hierzu auch die folgende Vaterunserbitte „erlöse uns von dem Bösen [= Satan])“. Die Bitte um das Kommen des Reiches war Jesus offensichtlich so wichtig, dass er sie in das einzige Gebet aufgenommen hat, das er seinen Jüngern gelehrt hat. Von einem „Kommen“ der basilei,a ist auch in‘ dem rätselhaften Terminwort in Mk 9,1 die Rede202. Es sind gleich mehrere Elemente dieses Logions, die Rätsel aufgeben. Zum Ersten ist das Element des „Sehens der basilei,a“ ebenso singulär unter den synoptischen basilei,a-Belegen (vgl. aber Joh 3,3!), wie die nähere Charakterisierung evn duna,mei. Zum Zweiten steht es in einer Spannung zu Lk 17,20f. und ganz generell zum verborgenen Charakter der präsentischen Dimension der basilei,a. Schließlich gab zum Dritten die Ankündigung, dass dieses „Sehen der kommenden basilei,a in Kraft“ noch zu Lebzeiten bzw. gegen Ende der zeitgenössischen Generation von einigen der Umstehenden – aber offensichtlich nur einer Minderheit von ihnen – stattfinden wird, natürlich Anlass zu allerlei Deutungen203. Es lag nahe, das Logion auf die Verklärung, die Auferstehung oder die Himmelfahrt Jesu, auf die Sendung des Heiligen Geistes oder die Entstehung der Kirche zu deuten. Auch eine Erfüllung im Rahmen des Jüdischen Krieges und der Zerstörung des Tempels wurde verschiedentlich erwogen. Allerdings Meier, Marginal Jew II, 297, ähnlich Smith, Teaching, 122. Vgl. dazu Künzi, Naherwartungslogion. Die Authentizität des Logions ist wie diejenige aller sog. Terminworte (Mt 10,23; Mk 9,1; 13,30) stark umstritten, wobei sich die Zahl der neuzeitlichen Exegeten, die Mk 9,1 für authentisch halten, mit der Zahl der Skeptiker, die das Logion (zumindest teilweise) für eine Gemeindebildung halten, die Waage hält, vgl. hierzu den Überblick bei Künzi, ebd., 193f., und Smith, Teaching, 169, Anm. 202f., sowie Merklein, Botschaft, 54f.; Hampel, Menschensohn, 122-125, und Meier, Marginal Jew II, 339-344. Die Frontlinie im Blick auf die (Un)Authentizität geht dabei quer durch die konfessionellen Lager. 203 Vgl. hierzu Künzi, Naherwartungslogion, 200-203 und passim, und Mattill, Luke, 58-70. 201 202

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wirft jeder dieser Lösungsvorschläge mehr Fragen auf, als er beantwortet204. Somit bleibt die seit H.S. Reimarus dominierende Deutung auf die Parusie Christi immer noch die plausibelste, auch wenn sie mit dem Makel behaftet ist, dass die Terminprophetie angesichts der noch ausstehenden Parusie ein Rätsel bleibt205. Das Terminlogion Mk 9,1/Mt 16,28 verbindet somit aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso wie Lk 21,25-28.31 (evggu,j evstin h`` basilei,a tou/ qeou/) das „Sehen des in Kraft kommenden Reiches Gottes“ mit der verheißenen Parusie des Menschensohnes206. Auch die in ihrer Bedeutung umstrittenen Logien vom „Nahen“ bzw. „Nahesein“ der basilei,a (Mk 1,14f.; Mt 10,7/Lk 10,9.11; Lk 21,31) gehören in diesen Zusammenhang. In der programmatischen, dem Markusevangelium vorangestellten, Zusammenfassung der Botschaft Jesu in Mk 1,15 finden wir eine Doppelaussage207, deren innere Relation ein Problem 204 Das Logion setzt eine Erfüllung in einer gewissen zeitlichen Distanz voraus, wenn nur noch eine (kleine) Minderheit der Umstehenden am Leben sein wird. Bei der Verklärung Jesu ist zwar nur eine Minderheit der Jünger anwesend, aber diese fand nur eine Woche später statt, vgl. Mt 17,1/Mk 9,2/Lk 9,28, und scheidet somit aus. Auch Auferstehung, Himmelfahrt, Pfingsten und die Anfänge der Mission scheiden aus, da von diesen Ereignissen nicht nur „einige“ der Umstehenden Zeugen wurden, sondern fast alle. Es gibt auch keinerlei anderen ntl. Beleg dafür, dass Pfingsten, das Wachstum der Kirche oder die christliche Mission als Beginn des Reiches Gottes interpretiert worden wären. Umgekehrt lässt sich kaum erklären, warum der Jüdische Krieg und die Zerstörung des Tempels, die rein zeitlich durchaus zu der Verheißung passen würden, als Kommen des Reiches Gottes verstanden werden sollten. 205 So auch Künzi, Naherwartungslogion, 203-205, und Mattill, Luke, 6770. Diesen Zusammenhang legt auch die matthäische Variante des Logions in Mt 16,27f. nahe; vgl. zur Formulierung, wonach „der Menschensohn kommt in Herrlichkeit“ auch Mt 24,30; 25,31; 26,64, wo es jeweils um die Parusie geht. Auch für die lukanische Version des Logions in Lk 9,27 ist die Deutung auf die Parusie die wahrscheinlichste, vgl. Franklin, Christ, 22: „Luke’s version therefore refers to the Son of man, when both his glory and the reality of the kingdom are made visible. It looks to the final manifestation rather than to any partial, preliminary appearance and is an event which all will see. “ 206 Vgl. hierzu auch Mt 23,39, sowie Mattill, Luke, 69. 207 Allison, Jesus, 180, Anm. 636. Im Blick auf die Authentizität ist zunächst die Wahrnehmung wichtig, dass der Evangelist dieses Jesuslogion

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darstellt: Zunächst spricht das Logion davon, dass ein Kairos erfüllt ist (peplh,rwtai o` kairo,j) und dann, dass die basilei,a nahe herbei gekommen ist (h;ggiken h`` basilei,a tou/ qeou/; vgl. Lk 21,31). Als Konsequenz aus dieser Mitteilung fordert Jesus seine Hörer zu Umkehr und Glauben an das Evangelium auf. Das Logion kann sowohl als synonymer wie auch als synthetischer Parallelismus verstanden werden. Im ersten

als eine, wenn nicht sogar die, charakteristische Aussage der Verkündigung Jesu in allen seinen Predigten begriffen hat. Die Diskussion dreht sich v.a. um die Frage, welche Elemente des Logions direkt auf Jesus zurückgehen und ob wir es in Teilen und wenn ja, wo wir es mit markinischer Redaktion zu tun haben. Während die nahe gekommene basilei,a auch in der Aussendungsrede an die Jünger (Mt 10,7/Lk 10,9.11) belegt ist – Merklein, Botschaft, 35, hält sie für die entscheidende, zentrale Aussage der Botschaft Jesu insgesamt – werden v.a. die Aussagen „die Zeit ist erfüllt“ und „glaubt an das Evangelium“ vor dem Hintergrund der frühchristlichen Missionspredigt häufig als Gemeindebildung bewertet. Umgekehrt kann aber ein Ursprung im Munde Jesu auch nicht ausgeschlossen werden, zumal wir eine Vielzahl von „Erfüllungs-Logien“ kennen (vgl. Lk 4,18-21; Lk 10,23f./Mt 13,16f.; Lk 7,18-23/Mt 11,2-6); vgl. auch Meier, Marginal Jew II, 431f., und Witherington, Christology, 198f., der auf die Nähe des Logions zur Botschaft Johannes des Täufers, vgl. Mk 1,4, und auf die Bezüge zu Jes 56,1 und Ez 7,3.12 verweist. Auch Smith, Teaching, 11, betrachtet die Zweifel an der Authentizität des Logion als nicht gerechtfertigt: „It is not more probable that the idea of the fulfilment of time originated with the early church than with Jesus. In fact, it is more believable that the church would speak about the fullness of time because Jesus proclaimed, ‚The time is fulfilled‘. Besides, this idea antedates both the early church and Jesus anyway, so that it is not difficult to imagine Jesus using such terminology. Similarly, if Jesus proclaims that the Kingdom of God has drawn near it would make sense that he would instruct his audience to respond by believing the ‚good news‘. The opposite is historically improbable. […] The claim that the relative fewness of the occurences in the tradition of Jesus’ instructing his hearers to repent means that such traditions are inauthentic is equally unacceptable. First, such references are not so few as is often supposed (Mt. 11.21; 12.41; Lk. 10.13; 11.32; 13.3, 5; 15.7. 10; 16.30; see also Lk. 15.17-19; 18,9-14; 19.1-10). Second, the proposal that Jesus proclaims that sinners will be accepted into the Kingdom without repentance runs so counter to Jewish eschatological thought that it must be rejected.“

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Fall wäre das Nahen der basilei,a identisch mit dem gekommenen kairo,j208 im zweiten Fall würde es sich um zwei unterschiedliche und zeitlich aufeinander folgende Zeitpunkte handeln. Für die zweite Lösung sprechen neben Lk 21,31 die verwendeten Verben. Beide stehen zwar im Perfekt, aber während das Verb peplh,rwtai die Gegenwart, Erfüllung und Vollendung eines bestimmten Zeitpunkts anzeigt, wird diese Bedeutung von den vieldiskutierten Begriffen209 h;ggiken bzw. evggu,j nicht gedeckt. Zwar wird häufig diese Nähe aufgrund der Perfektform h;ggiken („hat sich genähert“) schon als Präsenz verstanden210, aber Clark, Kümmel, Conzelmann und viele andere bestehen zu Recht auf dem exakten Wortsinn von evggu,j bzw. evggi,zw, der eine räumliche oder zeitliche Nähe impliziert, aber noch keine Präsenz211. Dies wird auch in allen Belegen evident, in denen es um einen eschatologischen Gebrauch von evggu,j bzw. evggi,zw im Neuen Testament geht212. Auch die Perfektform des Verbs signalisiert 208 Dafür plädiert Smith, Teaching, 3.5, der von „synthetically parellel indicative statements“ spricht und beide Aussagen auf dasselbe Ereignis bezieht, ebd., 6: „The parallelism between the two indicative statements suggests the idea of nearness as a result of a recent arrival, ‚the point of initial contact as a result of reaching after‘“ (mit Verweis auf Clark, Realized Eschatology, 369). 209 Vgl. Meier, Marginal Jew II, 432f.: „The precise meaning of the Greek verb h;ggiken ... has been a battleground for exegetes for a good part of the 20th century. [...] It is not surprising, therefore, that proponents of both realized and future eschatology can find texts in Hebrew, Aramaic, and Greek that support their interpretation of h;ggiken in Mark 1:15parr. as ‚has drawn very near‘ or ‚is here‘.“ Aufgrund der unauflösbaren Unschärfe des Verbs hält es Meier, ebd., 434, für „unwise“, Mk 1,15 als Beleg für eine realisierte oder futurische Deutung der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu heranzuziehen. 210 So z.B. Theißen/Merz, Jesus, 235, und Smith, Teaching, 112f.; vgl. dagegen seine ausführliche Gegenargumentation in ebd., 110f. 211 Clark, Realized Eschatology, 369-372; Kümmel, Verheißung, 13-18; Conzelmann, Grundriß, 69; ebenso Bauer, Wörterbuch zum NT6, 430-432; Mattill, Luke, 72-76; vgl. auch Mt 26,18, und Betz, Evangelium, 66, der die Stelle von Jes 56,1 her interpretiert. 212 Mt 21,34; Lk 21,8.20.28; Mt 24,33/Mk 13,29/Lk 21,31; Mt 26,45f./Mk 14,42; Röm 13,11f.; Phil 4,5; 1Petr 4,7; Hebr 10,25; Jak 5,7f.; Apk 1,3; 22,10.

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nicht die Ankunft und damit die Präsenz dessen, der sich genähert hat, sondern lediglich den erreichten Zustand als Ergebnis eines vorherigen Geschehens oder Prozesses. Der Prozess des Näherns ist vollendet, was freilich nicht impliziert, dass jemand „da“ bzw. „gegenwärtig“ ist, er ist einfach „nahe“, weil er sich genähert hat213. Zur Klärung, was jeweils gemeint sein könnte, ist es nötig den Fokus zu weiten. Für eine futurische Deutung spricht auch das ntl. Zeit- bzw. Epochenverständnis. In der synoptischen Tradition und im gesamten Neuen Testament gibt es zwei eschatologisch gefüllte Zeitpunkte. Dies ist zum Einen das Kommen und Wirken Jesu, das von den Evangelisten als „Erfüllung“ (vgl. die Erfüllungszitate mit dem wiederkehrenden peplh,rwtai im Perfekt214) verstanden wurde215. Dieses Erfüllungsbewusstsein geht mit Sicherheit auf Jesus selbst zurück: „Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht. Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige [Mt: und Gerechte] wollten sehen, was ihr seht, und haben’s nicht gesehen, und hören, was ihr hört, und haben’s nicht gehört“ (Mt 13,16f./Lk 10,23f.)216. Mit seinem Auftreten ist der kairo,j erfüllt (Mk 1,14f.) und die Verheißung eines kommenden Messias in Erfüllung gegangen (Mk 2,18-22; 8,27f.; 14,61f.; Lk 4,16-21 [peplh,rwtai in V. 21]; Mt 11,2-6/Lk 7,18-23)217, auch wenn er vorerst noch als Messias designatus verborgen und unerkannt bleibt.218 Mit diesem messianischen Erfüllungsgeschehen ist auch die

213 So auch Craig, Realized Eschatology, 20; Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 96f., und Witherington, Christology, 199f. 214 Mt 1,22f.; 2,15.17-18.23b; (3,3;) 4,14-16; 8,17; 12,17-21; 13,14f.35; 21,4f.; 27,9f.; vgl. auch Mk 1,11; 4,12; 7,6f.; 9,7; 11,9f.; 13,24f.; 14,27, wo Markus auf ein Erfüllungsgeschehen Bezug nimmt, freilich ohne das matthäische peplh,rwtai. 215 Vgl. z.B. auch Mt 1,21; 2,2; Lk 1,68-79; 2,11.30; 3,6. 216 Vgl. PsSal 17,44. Zur Authentizität des Logions vgl. Luz, Mt I/1, 302. 217 Ein besonderer kairo,j innerhalb des mit Jesus Wirksamkeit gekommenen kairo,j stellt die Passion Jesu dar, Mt 26,18; vgl. Joh 7,6f.; Röm 5,6, sowie die Rede von der „Stunde“ Jesu in Joh 2,4; 4,21.23; 5,25; 7,30; 8,20; 12,23. 218 Hampel, Menschensohn, 70-79.

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Vollmacht zur Begrenzung satanischer Mächte verbunden219. Allerdings fällt auf, dass dieses sich in der Gegenwart vollziehende messianische Erfüllungsgeschehen, abgesehen vom Exorzismuslogion, in keinem der erwähnten Jesuslogien mit dem Kommen des Reiches Gottes identifiziert wird, wie dies in der neueren exegetischen Literatur häufig der Fall ist220. Weder im Kontext der Taufe Jesu (Mk 1,9-11parr), noch in der Proklamation der messianischen Heilszeit im Kontext der Fastenfrage (Mk 2,18-20), noch in der Seligpreisung der Augenzeugen Jesu (Mt 13,16f./Lk 10,23f.), noch in Jesu Antwort an den aus dem Gefängnis fragenden Täufer (Mt 11,2-6/Lk 7,18-23), noch im Zusammenhang des Petrusbekenntnisses (Mk 8,27-30parr), des Lösegeldwortes (Mt 20,28/Mk 10,45), oder der Antwort an den Hohepriester im Rahmen des jüdischen Prozesses (Mk 14,61f.parr) ist von der basilei,a die Rede. Es gibt kein einziges Jesuslogion, das belegen könnte, dass „das Reich Gottes ... unlösbar mit seiner Person verbunden ist“, oder dass die „zukünftige Gottesherrschaft ... in Wort und Tat, in der Person Jesu bereits Wirklichkeit“ und „in seiner Person bereits gegenwärtig“ ist221. Über das Exorzismuslogion (Mt 12,28/Lk 11,20) als dem (einzigen) locus classicus für diese These wird noch zu reden sein. Jesu messianischer Anspruch lässt sich nicht anders interpretieren, als dass Gott in ihm jetzt in der Gegenwart zum Heil nicht nur Israels, sondern „der Vielen“ handelt. Aber dieses Handeln wird nirgends als die Realisierung oder als das Kommen der basilei,a bewertet. Es führt vielmehr auf dieses Ziel hin und ist dessen Voraussetzung. Eine pauschale

219 Lk 11,20/Mt 12,28; Mt 28,18; vgl. Röm 8,38f.; Kol 2,15; Eph 1,20-23 u.ö. 220 Dies geschieht v.a. bei Meier, Marginal Jew II, 398-454, und Smith, Teaching, 12f., sehr ausführlich. Auf der Basis, dass Jesus im Exorzismuslogion eine präsentische basilei,a als gekommen proklamierte, deuten beide auch andere Logien ohne expliziten basilei,a-Bezug vor diesem Hintergrund. 221 So aber Klappert, Art. Reich, 1490, stellvertretend für viele andere.

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Deutung des Wirkens Jesu als Verwirklichung, Herbeiführung, Aktualisierung, Vorabschattung, Antizipation, Dämmerung, Anbruch oder Einstand der basilei,a oder gar als realized eschatology und Vergegenwärtigung der Zukunft lässt sich von den Evangelien her nicht belegen222. Dieselbe Beobachtung gilt auch für Paulus. Jesu göttliche Sendung vollzieht sich als Erfüllung der Zeit (Gal 4,4f.: to. plh,rwma tou/ cro,noj; vgl. Eph 1,10: tou/ plhrw,matoj tw/n kairw/n). Mit Jesus ist eine eschatologische Zeitenwende eingetreten: Weil Gott in Christus war und die Welt in ihm mit sich versöhnt hat (2Kor 5,18f.), ist nun (nu/n) der kairo.j euvpro,sdektoj und der h``me,ra swthri,aj gekommen (2Kor 6,2). Diese eschatologische Zeitenwende spiegelt sich in dem vielfältigen Gebrauch des „eschatologischen Jetzt“ (W.G. Kümmel) wider.223 Gleichzeitig fällt auf, dass dieser nu/n beginnende eschatologische Zeitabschnitt von der Verborgenheit sowohl des Heils als auch der Wirklichkeit Gottes geprägt ist (vgl. Röm 8,23-25; 2Kor 4,16-18; 2Kor 5,7; Kol 3,3). Der sichtbare Anbruch des Reiches Gottes wird bei Paulus dagegen exklusiv mit der Parusie verknüpft (1Kor 15,50, s.u. Kapitel V.2; vgl. 2Tim 4,1).

Diese Evidenz spricht gegen die häufige Identifikation des gekommenen kairo,j bzw. der in der Gegenwart angebrochenen Zeit der Erfüllung (verbunden mit dem Wortfeld plh,rwma/plhro,w) mit dem Anbruch oder Kommen des Reiches Gottes, das nie in Verbindung mit plh,rwma/ plhro,w erscheint. Es geht hier um zwei unterschiedliche Zeiten.

222 So auch Schenke, Botschaft, 130: „Zwar war Jesus zweifellos der Meinung, dass Gott sich zum Heil für Israel entschlossen hat, diesen Entschluss in der Gegenwart in die Tat umsetzt und Jesus dabei mitwirkt, aber er hat das jetzige Heilshandeln Gottes und sein eigenes Mitwirken dabei nicht schon als basileia bezeichnet, sondern erst dessen noch ausstehendes Ergebnis. Das gegenwärtige Handeln Gottes steuert auf das Reich zu; gerade deswegen ist es bedeutungsvoll, nicht aber, weil es schon selbst die basileia wäre.“ 223 Vgl. den Gebrauch von nu/n/nuni, in Röm 3,21.26; 5,11; 6,22; 7,6; 8,1; 16,26; 2Kor 6,2; Gal 4,9; sowie Eph 2,2; 3,5; Kol 1,22.26; 2Tim 1,10; Hebr 9,26; 1Joh 3,2; 1Petr 1,12; 2,20; 3,21.

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Der zweite eschatologische Fixpunkt sowohl in der Verkündigung Jesu wie im gesamten Neuen Testament ist die Parusie des Menschensohnes224, deren Zeitpunkt unbekannt ist (Mk 13,33; Act 1,7; 1Thess 5,1ff.) und von dem Jesus (Mk 13,28f.; Lk 21,30f.), Paulus (Röm 13,11; Phil 4,5; vgl. 1Kor 7,29) und schließlich auch der Seher der Johannesapokalypse (Apk 1,3; 22,10) als (einem kairo,j) evggu,j sprechen. Mit der Parusie Christi endet der gegenwärtige Äon (Mt 12,32; 13,39.40.49; 24,3; 28,20) und beginnt der zukünftige (Mt 12,32; Mk 10,30/Lk 18,30; Lk 20,34f.). Es gibt im gesamten Neuen Testament keinen eindeutigen Beleg, dass das Reich Gottes zum alten Äon gehört. Dagegen verorten zahlreiche Belege die basilei,a explizit nach der Parusie (vgl. z.B. Mt 16,28/Mk 9,1; Mt 26,29/Mk 14,25/Lk 22,16-18; Lk 21,31; 1Kor 15,50; 2Tim 4,1 u.ö.). Insgesamt spricht somit in Mk 1,15 alles dafür, peplh,rwtai o`` kairo,j und h;ggiken h`` basilei,a tou/ qeou/ als unterschiedliche Ereignisse und Zeitpunkte aufzufassen: Während sich der erfüllte Zeitpunkt auf das aktuelle Wirken Jesu als noch verborgener Messias designatus bezieht, blickt die Formulierung h;ggiken h`` basilei,a tou/ qeou/ auf das noch ausstehende Kommen der basilei,a bzw. die Parusie voraus225. Durch das Eintreten der erfüllten Zeit im „eschatologischen Jetzt“ ist eine Art eschatologischer Prozess in Gang gesetzt worden, der die Vollendung der Zeit im Reich Gottes unaufhaltsam nach sich zieht, was durch das Begriffsfeld evggu,j/evggi,zw angezeigt wird, unabhängig davon, wie lange es in absoluten Zeitmaßen noch dauern sollte. Die Übersetzung von basilei,a tou/ qeou/ mit „Königsherrschaft Gottes“ ist in Mk 1,15 in Verbindung mit der erfüllten Zeit nicht unmöglich, allerdings bliebe in diesem Fall die unmittelbar an diese Aussage sich anschließende Aufforderung „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ merkwürdig und obskur. Bei der herannahenden Herrschaft eines neuen 224 Mk 13/Mt 24/Lk 21; vgl. 1Kor 4,5; 1Kor 15,20-28; Gal 6,9; 1Thess 4,13-5,11; Act 19 u.ö. 225 Marxsen, Evangelist, 89: „Es liegt auf der Hand, was im Sinne des Evangelisten damit gemeint ist: die Parusie.“

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Herrschers geht es um Akzeptanz226, Gehorsam, Loyalität oder Unterwerfung, weniger um Umkehr oder Glaube. Wenn dagegen eine Heilszeit für Gerechte bzw. Glaubende angekündigt wird, die zwar noch nicht die umfassende Transformation aller irdischen Verhältnisse, sehr wohl aber die Vergebung von Schuld und die Erlösung und zeichenhafte Befreiung von satanischen Mächten bedeutet, dann erschließt sich auch der Appell in dieser Aussage: Das Evangelium ist die nahende Heilszeit und in Entsprechung zu dieser Botschaft gilt es, Gott zu vertrauen und sein Leben an seinem Willen zu orientieren. Als Zwischenfazit sollen folgende Beobachtungen festgehalten werden: (1) Wenn basilei,a die temporale Konnotation einer Zeit des Heils hat, dann ist der Begriff wie bei der räumlichen Konnotation durchweg futurisch zu verstehen. (2) Der Begriff bezeichnet einen Heilszustand, der im Himmel bereits vollendete Gegenwart ist, aber dessen Realisierung auf Erden noch aussteht. (3) Dass der temporale Aspekt keineswegs im Widerspruch zum räumlichen Aspekt steht, wird in Lk 22,16.18 deutlich: Jesus wird das Passalamm nicht mehr essen, bis es erfüllt wird evn th/| basilei,a tou/ qeou/ (V. 16), und er wird vom Gewächs des Weinstock nicht mehr trinken, e[wj ou- h`` basilei,a tou/ qeou/ e;lqh| (V. 18). Die räumliche und zeitliche Dimension ergänzen sich hier227. (4) Der dynamische Aspekt einer Herrschaft Gottes an diesem eschatolgischen Ort des Heils wird zwar in dem Sinne vorausgesetzt, dass die Herrschaft Gottes die Grundlage für den Zustand des Heils in jenem eschatologischen Reich ist und das Reich Gottes das Ergebnis der vollendeten Herrschaft228. Dieser Aspekt wird jedoch nirgendwo betont. 226 Vgl. Evans, Exorcisms, 168: „Having accepted God’s rule for himself, Jesus has begun to proclaim the rule of God for all of Israel.“ Falls es um eine „Herrschaft“ geht, ist der Begriff der „Proklamation“ angemessen. 227 Eine ähnliche Entsprechung und Ergänzung liegt auch in Joh 3,3.5 vor, wo in zwei weitgehend parallel aufgebauten Logien einmal vom „sehen“ der basilei,a und einmal vom „hineingehen“ in die basilei,a die Rede ist. 228 Vgl. Allison, Jesus, 169: „An effective rule entails an established realm, and an established realm entails an effective rule. “

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Neben den räumlichen und temporalen bzw. eschatologischen Aspekten findet sich in der Jesusüberlieferung aber noch eine weitere Begriffskonnotation, die sich weder in den räumlichen noch in den temporalen Bedeutungsrahmen einfügen lässt und eine weitere Profilierung des Konzeptes verlangt. Denn immer dort, wo es um das „Empfangen“, „Erlangen“ bzw. „Ererben“ der basilei,a geht (vgl. Lk 20,35; 1Kor 6,9f.; 15,50), ist nicht nur die dynamische Deutung im Sinne von „Herrschaft“ sinnlos, sondern auch die räumliche wie die temporale Deutung kommen an ihre Grenzen.

4. Das Reich Gottes als eine Gabe des Heils Die Bedeutung einer Gabe bzw. eines Geschenks und Schatzes des Heils hat basilei,a tou/ qeou/ überall dort, wo Menschen das Reich Gottes suchen, nach ihm Ausschau halten, es empfangen, es ererben oder Gott es ihnen gibt229. Exemplarisch lässt sich dies unschwer am Logion aus Mk 10,14f. zeigen: Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes (tw/n ga.r toiou,twn evsti.n h`` basilei,a tou/ qeou/). Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind (mh. de,xhtai th.n basilei,an tou/ qeou/), der wird nicht hineinkommen (ouv mh. eivse,lqh| eivj auvth,n). (Mk 10,14f.)

Bei diesem Logion ist für unsere Fragestellung zunächst die doppelte bzw. dreifache Konnotation des basilei,a-Begriffs relevant. Am Ende in V. 15 steht die bereits bekannte räumlich-futurische Konnotation der Einlassworte: „… der wird nicht hineinkommen“. Gleichzeitig kann der Begriff durch zwei andere Verben offensichtlich problemlos mit einer weiteren Konnotation verbunden werden: Die basilei,a „ist“ bzw. „gehört“ (evsti,n) den Kindern (vgl. Mt 5,3.10) und alle Mt 5,3-12; 6,33/Lk 12,31f.; 9,35; 13,44-46; 21,43; 25,34; Mk 4,26; Mk 10,14f./Lk 18,16f., vgl. Röm 14,17; 1Kor 6,9; 15,50; Eph 5,5; Kol 1,12f.

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sollen sie wie Kinder „empfangen“ (de,xhtai). Im Zusammenhang dieser Verben bekommt die basilei,a den Charakter eines Besitzes, eines Gutes oder einer Gabe. Die Bedeutungen sind kongruent, denn einen Besitz oder ein Gut kann man verschenken bzw. geschenkt bekommen. Die Übersetzung mit „Königsherrschaft“ wäre hier an allen drei Stellen sinnlos, denn wenn sie an Menschen übereignet würde, wäre sie nicht mehr die Königsherrschaft Gottes. Auffallend ist nun aber, dass diese Konnotation hier mit einem präsentischen Verständnis verbunden ist. Die basilei,a gehört den Kindern schon jetzt und es geht darum, die Gabe der basilei,a jetzt in der Gegenwart zu empfangen. Während also der Eintritt in die basilei,a erst in der Zukunft möglich ist, hat sie als Gabe bereits eine präsentische Relevanz230. Darin liegt auch die Analogie zu den Kindern. Der Vergleichspunkt liegt auf deren Verdienst- und Rechtlosigkeit einerseits und der daraus resultierenden Versorgungsbedürftigkeit andererseits. Sie leben buchstäblich nicht vom Verdienten, sondern vom Geschenkten231. Wie aber soll man diesen Besitz, dieses Gut oder dieses Geschenk verstehen, wenn es weder um eine aktive Herrschaft, noch um einen Herrschaftsraum und auch nicht um ein künftiges Reich geht? Die Antwort geben m.E. drei weitere Texte, in denen die basilei,a mit verschiedenen Synonymen zum Ausdruck gebracht wird. Dies ist zum Ersten in der Perikope von Jesu Begegnung mit dem reichen Jüngling der Fall (Mk 10,17-27). Zunächst setzt der reiche Jüngling das Thema, sowohl des Gesprächs zwischen ihm und Jesus als auch des folgenden Gesprächs zwi-

230 Diese doppelte Bedeutung der basilei,a wird v.a. in den Seligpreisungen deutlich. Die basilei,a ist schon jetzt im Besitz der Seliggepriesenen, was sie in der Gegenwart trösten und ermutigen soll, sie wird aber erst im Eschaton erfahrbar. Auch in Mt 21,43 geht es offensichtlich um einen präsentischen Besitz, dessen Wegnahme bzw. Neuverteilung für die Zukunft angekündigt wird. 231 Schenke, Botschaft, 119: „Kleinkinder haben kein Verdienst und können keine Ansprüche geltend machen. Sie leben aus dem ihnen selbst Unverfügbaren und sind ganz auf andere angewiesen.“

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schen Jesus und seinen Jüngern, mit der Frage: „Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?“ (V. 17). Ins Auge sticht das Verb: Das eschatologische Ziel des ewigen Lebens kann hier analog zur basilei,a „ererbt“ (klhronomh,sw) werden (vgl. Mt 19,29; Lk 10,25 mit Gal 5,21; 1Kor 6,9f; 15,50). Der Gabecharakter des Heils wird unterstrichen durch Jesu Zusage, dass der junge Mann einen „Schatz im Himmel“ haben werde, wenn er seinen Anweisungen Folge leistet (V. 21). Nach dem Weggang des reichen Jünglings stellt Jesus im Nachgespräch der Szene seinen Jüngern zweimal die Frage: „Wie schwer ist es (für einen Reichen) in die basilei,a tou/ qeou/ zu kommen?“ (V. 23f.). Auf Jesu ebenfalls räumlich konnotiertes Nadelöhr-Logion respondieren die Jünger wiederum mit der entsetzten Frage: „Wer kann dann selig werden (swqh,nai)?“ Offensichtlich werden das ewige Leben, die räumlich vorgestellte basilei,a tou/ qeou/ (vgl. das Verb eivselqei/n/hineinkommen) und die eschatologische Rettung vor dem Gericht als Synonyme verwendet232. Das Eingehen in die basilei,a ist identisch mit der Rettung aus dem Endgericht und der Gabe bzw. dem „Schatz“ des ewigen Lebens.233 Umgekehrt ist der Ausschluss aus der basilei,a identisch mit dem Verlust des ewigen Lebens. Dieser Zusammenhang ist auch in den Seligpreisungen der Bergpredigt gegeben:234 Diese werden durch eine Inclusio mit dem Stichwort basilei,a tou/ qeou/ in der ersten und achten Seligpreisung235 thematisch gerahmt (V. 3 und 10). Der Kvalbein, Preacher, 91; ebenfalls richtig gesehen von Vos, Heiliges Land, 135. Auch in Lk 13,23.28f. haben die Formulierungen „gerettet werden“ und „zu Tisch sitzen im Reich Gottes“ dieselbe Bedeutung. 233 Kvalbein, Kingdom, 72; Bohlen, Einlasssprüche, 172. 234 Vgl. zum Folgenden Kvalbein, Kingdom, 67f. 235 Vgl. zu den komplexen Fragen der Authentizität der verschiedenen Seligpreisungen die eingehende Analyse von Meier, Marginal Jew II, 330336, der für die Q-Seligpreisungen aufgrund der Kriterien der Diskontinuität und Kohärenz zum Ergebnis kommt, „that their authenticity ist the more probable opinion“ (333), und auch für die Seligpreisungen des Matthäus-Sonderguts zur Überzeugung gelandt, dass „the core beatitudes cohere with and solidify the case for future eschatology ... as an essential part 232

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erste Teil jeder Seligpreisung bezieht sich auf die Empfänger bzw. Besitzer des Reiches und der zweite Teil auf die Gaben des Reiches. Entsprechend beschreiben also die zweiten Sätzhälften der sechs mittleren Seligpreisungen in unterschiedlicher Weise das Himmelreich. Das Himmelreich zu besitzen, bedeutet, getröstet zu werden, die Erde zu besitzen, mit Gerechtigkeit gesättigt zu werden, Barmherzigkeit zu erlangen, Gott zu sehen und „Kinder Gottes“ zu heißen. Insbesondere die große Parallelität zwischen V. 3 und V. 5 zeigt, dass der Besitz des Himmelreichs identisch ist mit dem Ererben eines Ortes236. Die abschließende neunte Seligpreisung (V. 11f.), die sich stilistisch von den vorigen deutlich abhebt, weil sie wesentlich breiter angelegt ist und die Jünger direkt anspricht, bestätigt diese Deutung. Die Jünger werden zur Freude ermutigt, weil ihnen nach einer grundlegenden Wende aller Verhältnisse eine Belohnung im Himmel in Aussicht gestellt wird237. Auch hier bezieht sich basilei,a tou/ qeou/ ganz offensichtlich auf eine konkrete, eschatologische Gabe des Heils, nicht auf eine Herrschaft Gottes als König238.

Dieselbe Parallelität von „zum Leben kommen“ und „ins Reich Gottes kommen“ findet sich zum Zweiten in Mk 9,4348239: Wenn dich aber deine Hand zum Abfall verführt, so haue sie ab! Es ist besser für dich, dass du verkrüppelt zum Leben eingehst, als dass du zwei Hände hast und fährst in die Hölle, in das Feuer, das nie verlöscht. Wenn dich dein Fuß zum Abfall verführt, so haue ihn ab! Es ist besser für dich, dass du lahm zum Leben eingehst, als dass du zwei Füße hast und wirst in die Hölle geworfen. Wenn dich dein Auge zum Abfall verführt, so wirf’s von dir! Es ist besser für dich, dass du einäugig in das Reich Gottes gehst, als dass du of Jesus’ preaching“, weshalb „the neglect or even disparagement of the special Matthean beatitudes is hardly justified“ (334). 236 Allison, Jesus, 183. 237 Smith, Teaching, 143: „For Jesus, the blessedness lies in the eschatological future, after a reversal of social and economic conditions that will be consequent on the culmination of the Kingdom of God.“ 238 Kvalbein, Kingdom, ebd. 239 Für Davies/Allison, Mt II, 761, steht die Authentizität des Logions außer Frage: „The sayings in [Mt] 18.6-9 would all seem to go back to Jesus“; ähnlich Gnilka, Mt II, 126.

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zwei Augen hast und wirst in die Hölle geworfen, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht verlöscht.

Sowohl das (ewige) Leben wie die basilei,a haben hier eine räumliche Konnotation, die auch durch das jeweils direkte Antonym der „Hölle“ bestätigt wird. Das Gegenteil von „zum Leben eingehen“ (eivselqei/n eivj th.n zwh.n) ist hier „in die Hölle fahren“ (avpelqei/n eivj th.n ge,ennan) bzw. „in die Hölle geworfen werden“ (blhqh/nai eivj th.n ge,ennan). Wie austauschbar die Begriffe sind, zeigt sich auch beim synoptischen Vergleich, wo Mt 18,9 im Blick auf die Verführung durch das Auge die Formulierung vom „Eingehen ins Leben“ wählt, während Mk 9,47 vom „Eingehen ins Reich Gottes“ spricht240. Schließlich findet sich zum Dritten auch im sog. „Gleichnis vom großen Weltgericht“ (Mt 25,31-46) der äquivalente Gebrauch vom „Ererben des Reiches Gottes“ (V. 34) und dem „Eingehen in das ewige Leben“ (V. 46), wobei auffällt, dass die jeweiligen Verben offensichtlich austauschbar sind zwischen den Substantiven und das Antonym wiederum die Hölle bzw. das „ewige Feuer“ (V. 41) oder die „ewige Strafe“ (V. 46) ist241. Sowohl das Reich Gottes als auch das ewige Leben können „ererbt werden“ (Mt 25,34; Mk 10,17) und man kann in sie hineingehen, hineingelangen oder hineinkommen (Mt 19,23f./Mk 10,23.25; Mt 25,46; Mk 9,43.45.47). Raum- und Geschenk- bzw. Besitzcharakter der basilei,a überlagern sich hier242. Entscheidend für unsere Fragestellung hier ist, dass in diesen Logien die basilei,a tou/ qeou/ durch das Äquivalent zum „ewigen Leben“ wiedergegeben werden kann243 und damit Lehtipuu, Afterlife, 291: „... it is clear that the term ‚kingdom of God’ means the final destiny of the faithful.“ 241 Vgl. auch Mt 13,42f., wo ka,minoj tou/ puro,j als Antonym zu basilei,a tou/ patro.j auvtw/n steht. 242 Bohlen, Einlasssprüche, 173: „Die unterschiedlichen Vorstellungen konkurrieren dabei nicht miteinander, sondern interpretieren sich gegenseitig.“ 243 Vgl. auch Mt 18,8f., und im Blick auf die eschatologische Destination umkehrender Zöllner Lk 19,9 (swthri,a) mit Mt 21,31 (basilei,a); vgl. auch Haacker, Implicit Christology, 143, und Woodbridge, Kingdom, 70f. 240

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mit einer Formulierung, die einer hellenistischen Leserschaft als Heilsbegriff deutlich geläufiger war, als der jüdische Begriff basilei,a tou/ qeou/. Dieser war für die griechischsprachigen Hörer entweder unverständlich oder – noch problematischer – verdächtig, trug er doch stets eine politische Konnotation in sich244, die das frühe Christentum gerade vermeiden wollte (vgl. Joh 18,36; Act 17,7; Röm 13,1-7; 1Petr 2,13 u.ö.) und die auch Jesus im Unterschied zum frühjüdisch-apokalyptischen Begriffsgebrauch nicht mit seiner basilei,a-Verkündigung verband (s.o. Kapitel IV.1). In einem jüngeren Beitrag hat Klaus Haacker darauf hingewiesen, dass sich die Verben, die im Zusammenhang mit den beiden soteriologischen Metaphern des Reiches und des (ewigen) Lebens verwendet werden, wie z.B. „eingehen“, „besitzen“, „in Besitz nehmen“, „geben“, „ererben“ 245 und „sehen“246 auf ein und dieselbe Wurzel in ein und derselben atl. Tradition zurückgeführt werden können: „They all occur repeatedly in one of the ‘great stories‘ of Israels history with God: in the story of God’s promise and gift of the land of Canaan to Abraham, Isaac and Jacob and their descendants, his chosen people.“247 Darüber hinaus steht bereits in Dtn 30,19f. und 32,47 das verheißene „Land“ in einer engen Verbindung mit dem heilvollen „Leben“, das freilich hier noch ganz irdisch vorgestellt wird. „The large number of parallels from the Old Testament make it certain, that the verbs used by Jesus in his sayings about participation in the kingdom or (eternal) life have been borrowed from the tradition concerning the land promised to the descendants of Abraham, Isaac, and Jacob and given to the people of Israel.“248

Goppelt, Theologie, 95f. Z.B. Num 33,54; Dtn 1,8; 6,18; 16,20; Jos 1,6; Ps 37,11; Jes 61,7; Tob 4,12. 246 Gen 13,15; Num 13,18; 14,23; 27,12; Dtn 1,35. 247 Haacker, Implicit Christology, 146; vgl. ähnlich Allison, Jesus, 179f.; ebenso Vos, Heiliges Land, 134, Anm. 158, und bereits Windisch, Sprüche, 163-192. Haacker, ebd., 147f., führt eine Fülle von Belegen auf, in denen die Verben „geben“, „eingehen“, „in Besitz nehmen“, „ererben“ und „sehen“ in verschiedenen Kombinationen im Blick auf die Gabe des verheißenen Landes vorkommen, wie z.B. Num 14,24; Dtn 1,39; 4,1.21; 6,18; 8,1; 9,1; 11,8.31; 16,20; 17,14; 26,1; 1Esdr 8,80; Neh 9,15; vgl. Jer 2,7. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang auch Belege, wo einzelne aufgrund bestimmter Verfehlungen vom Eintritt in das gelobte Land ausgeschlossen werden, vgl. Num 20,24; Dtn 4,21, Ez 13,9; 20,38. 248 Ebd., 148. 244 245

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Dieser Umstand erklärt, warum wir im Johannesevangelium nur in zwei Belegen249 und in den unumstrittenen Paulusbriefen nur in sieben Belegen den Begriff basilei,a tou/ qeou/ finden250. Sowohl Johannes wie Paulus beschreiben das von Christus verkündete Reich Gottes sachgemäß im Sinne einer Gabe des Heils als das (ewige) „Leben“251 oder allgemein als „Heil“ (swthri,a)252 und erwähnen das Reich Gottes nur an einigen wenigen Stellen253. Dabei überführt der vierte Evan-

Joh 3,3.5 (vgl. Mt 18,3); vgl. auch 18,36, wo dreimal von h`` basilei,a h`` evmh, die Rede ist. 250 1Thess 2,11f.; Gal 5,21; 1Kor 4,20f.; 6,9f.; 15,[24].50; Röm 14,17 (in den unumstrittenen Paulusbriefen); vgl. darüber hinaus auch Eph 5,5; Kol [1,13] 4,11; 2Thess 1,5; 2Tim 4,1.18; sowie auch Hengel/Schwemer, Jesus, 425: „In den griechisch sprechenden Missionsgemeinden wird die Redeform vom ‚ewigen Leben‘ die von der Gottesherrschaft langsam verdrängt haben. Auch Paulus konnte noch formelhaft davon sprechen, daß schwere Sünder ‚die Gottesherrschaft nicht erben können‘, doch überwiegt jetzt die Rede vom ‚ewigen Leben‘ bei weitem. Dies gilt erst recht für den vierten Evangelisten.“ 251 Zu Johannes: Joh 3,15.16.36; 4,14.36; 5,24.39; 6,27.40.47.54; 10,28; 11,25f.; 12,25.50; 16,36; 17,2f.; 1Joh 1,2; 2,25; 3,15; 5,11; 5,20. Insgesamt taucht der Begriff zwh, im JohEv 36mal auf, in den JohBr 13mal, wobei „Leben“ und „ewiges Leben“ (17mal im JohEv und 6mal in den Briefen) in der Regel synonym verwendet werden, vgl. dazu Watt, Use, 217-228, sowie die Literatur bei Frey, Eschatologie III, 261, Anm. 95. Bei Paulus findet sich der Begriff in den unumstrittenen Briefen 26-mal, vgl. z.B. Röm 2,7; 5,21; 6,8.22f.; 8,2.6.10; 2Kor 4,10-12; Gal 2,20; 5,25; 6,8 u.ö.; vgl. auch 1Tim 1,16; 6,12; Tit 1,2; 3,7. Vgl. auch Hengel, Reich Christi, 163-184; Frey, Eschatologie III, 268; ders., Apokalyptik, 69; Kvalbein, Fourth Gospel, 215232, und Haacker, Implicit Christology, 146: „While in the Synoptics the kingdom of God is the central topic of Jesus’ teaching in general and also in the group of sayings listed above, we notice a shift of emphasis towards the term (eternal) life in John’s Gospel. However on both sides the two concepts occur alongside one another as interchangeable terms for an eschatological salvation.“ Caragounis, John and the Synoptics, 473, spricht von „dynamic equivalents for the believers’ eschatological experience of divine salvation“. 252 Röm 1,16; 10,1.10; 11,11; 13,11; 2Kor 1,6; 6,2; 7,10; Phil 1,19.28; 2,12; 1Thess 5,8f. 253 Vgl hierzu die Übersichtstabellen bei Woodbrigde, Kingdom, 58f., der darin nicht nur einen statistischen Vergleich zu allen ntl. Traditionsschichten zwischen „Reich Gottes“ und „(ewigem) Leben“ bietet, sondern auch 249

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gelist in Joh 3,3.5 sehr bewusst den ihm aus der Jesustradition bekannten Heilsbegriff basilei,a tou/ qeou/ in den von ihm (und seinen Lesern!) bevorzugten Heilsbegriff des „(ewigen) Lebens“254. Das Ziel des Johannesevangelium ist es, dass seine Leser durch die Lektüre „das Leben haben“ (Joh 20,31) und für Paulus besteht die eschatologische Gabe Gottes ebenfalls im „ewigen Leben“ (Röm 6,23). Dabei fällt v.a. im Johannesevangelium auf, dass das (ewige) Leben ähnliche Charakteristika trägt wie das „synoptische“ Reich Gottes: Es ist eine futurische Größe mit präsentischer Dimension (Joh 5,21.24.29; 6,27.40.47; 11,25)255 und es ist wie eine

einen statistischen Vergleich der vier Evangelien zum Gebrauch von „Reich Gottes“ und dem jesuanischen „Ich“. Zur Analogie von basilei,a tou/ qeou/ und zwh. aivw,nioj siehe auch Ladd, Theology, 259; Caragounis, Kingdom, 474; ders., Art. Kingdom of God/Heaven, 425: „[T]he concept of the kingdom of God is parallel with the Johannine concept of eternal life ... and the Pauline concept of Salvation.“ 254 Darauf hat Frey, Eschatologie III, 248-261:248, hingewiesen: „Kaum zufällig beginnt das Johannesevangelium seine erste Explikation der Verkündigung Jesu mit dem Thema der basilei,a tou/ qeou/, um in Anknüpfung an diesen Kernbegriff der Jesustradition seinen zentralen Heilsbegriff der zwh. aivw,nioj einzuführen.“ Der Evangelist lehnt sich dabei in Joh 3,3.5 wohl bewusst an synoptisches Material (vgl. Mt 18,3; Mk 10,15/Lk 18,17) an, ebd., 249f.254 und v.a. 261: „Mit der Wahl dieses Terminus in 3.15.16b in Anknüpfung an den in 3,3.5 aus der Schultradition übernommenen Begriff der basilei,a tou/ qeou/ führt das Evangelium hier quasi definitorisch seine eigene soteriologisch-eschatologische Terminologie für hellenistische Hörer ein. Die Rede von der Teilhabe an der zwh. aivw,nioj, die in 3.15.16.36 dem Glaubenden präsentisch zugesprochen wird, tritt an die Stelle einer Rede vom ‚Sehen‘ der Gottesherrschaft bzw. vom ‚Eingehen‘ in sie.“ Ähnlich Goppelt, Theologie, 95f., und Woodbridge, Kingdom, 62. 255 Caragounis, John and the Synoptics, 476-480; ders., Elements, 125-134, plädiert zu Recht dafür, die präsentische Eschatologie des Johannesevangeliums nicht mit einer realized eschatology zu verwechseln. Von den 36 Belegen von zwh. (aivw,nioj) lassen sich lediglich vier, Joh 3,36; 5,24; 6,47.54, im Sinne einer realisierten Eschatologie interpretieren. Nach Caragounis, John and the Synoptics, 477, sind aber auch diese Belege vor dem Hintergrund eines idiomatischen Sprachgebrauchs „concerned with presenting eternal life as God’s gift made available to man through faith in Jesus without reference to time“.

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Gabe, die empfangen werden muss (Joh 3,15f.; 3,36; 5,40; 6,33.47; 10,10.28)256. Umgekehrt fällt auf, dass die Begriffe des „ewigen Lebens“ und des „Heils“ in den synoptischen Evangelien nur selten belegt sind. Abgesehen von der Perikope vom reichen Jüngling und dem Logion über den Abfall findet sich das Syntagma zwh. aivw,nioj bei den Synoptikern nur noch in Mt 25,46257 und Mt 19,29/Lk 18,30258. Eine Entsprechung findet dieser Begriffsgebrauch auch in den rabbinischen Schriften, wo der Begriff der „kommenden Welt“ (abh ~lw[h)259 mit „dem Leben in der kommenden Welt“ (abh ~lw[ yyx) identisch ist und „Leben“ ganz generell mit diesem assoziiert wird260. Insofern ist in der rabbinischen Literatur der äquivalente Begriff zum synoptischen basilei,a tou/ qeou/ weniger ~ymv twklm (Königsherrschaft der Himmel), sondern vielmehr abh ~lw[h (die kommende Welt)261. Dale C. Allison hat in einem Vgl. Frey, Eschatologie III, 261-270, v.a. 270. Vgl. zur Stelle Deines, Gerechtigkeit, 120. 258 Der Begriff „Leben“ im soteriologischen bzw. eschatologischen Sinn findet sich in Mt 7,14; 10,39; 16,25/Mk 8,35/Lk 9,24; vgl. auch Lk 17,33. 259 Der Begriff erscheint 16-mal in der Mischna, vgl. mPea 1,1; mQid 4,14; mSanh 6,2; 10,1.2.3; mAv 2,7; 3,11; 4,16.17; vgl. auch bPes 113,1; bJoma 88,1; bTaan 29,1; bSota 7,2; bQid 31,2; 40,2. 260 Abot R Nat B 22.27.43; vgl. A 36; Tanh Buber Shelah 28; bSot 7b; GenR 14,3; 90,6; LevR 34,4; NumR 9,17; CantR 1,1,9; tSan 13,2.6-8.10.12; mSan 10,2; mAbot 2,7; 6,7; Sipra 193 zu Lev 18,5; yShab 3c [1,3]; Pirke Rab El 19 [18]. 261 Allison, Jesus, 189f., ebenso Klein, Zentralbegriff, 655; Conzelmann, RGG³ V, 915; Luz, EWNT I, 485; Hengel/Schwemer, Jesus, 426; Schenke, Botschaft, 109, im Anschluss an Koch, Reich Gottes, 158-169; vgl. dazu auch Bill. IV/2, 799-976. Diese Beobachtung machte bereits Dalman, Worte Jesu, 110: „Die oben aus der jüdischen Literatur angeführten Parallelen haben gezeigt, daß Sachverwandschaft den Begriff der Gottesherrschaft bei Jesus weniger verbindet mit dem jüdischen Begriffe der malkut shamajim als mit dem Begriffe des ‚zukünftigen Äon‘ (haolam habbah) oder des ‚Lebens des zukünftigen Äon‘ (chajje olam habbah). Dieser Begriff ist bei den Juden in ähnlicher Weise zusammenfassende Bezeichnung des Heilsgutes, wie es bei Jesus der Begriff der ‚Gottesherrschaft‘ ist …“ Vgl. auch Lindemann, Art. Herrschaft Gottes, 201: „Insbesondere die in der Jesusüberlieferung im Zusammenhang mit der Rede von der Gottesherrschaft verwendeten Verben zeigen, daß Jesu Rede von der basilei,a der jüdischen Rede vom ‚kommenden Äon‘ (ha olam haba) entspricht … “. Zum Gegensatz von „dieser Welt“ und „jener Welt“ bzw. der „kommenden 256 257

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umfangreichen Vergleich auf die vielfältige sprachliche und inhaltliche Parallelität von basilei,a tou/ qeou/ und dem rabbinischen abh ~lw[h hingewiesen262. Beide Termini bezeichnen das zukünftige Ziel der Glaubenden bzw. Gerechten263. Der Begriff basilei,a tou/ qeou/ war offensichtlich für Jesus und die synoptischen Evangelisten die geeignetste sprachliche Form, um über das künftige Heil in Gottes kommender Welt zu sprechen.

Betrachtet man zusammenfassend die basilei,a aus dieser Perspektive bzw. von der Konnotation als Heilsgabe her, dann erschließt sich eine weitere Seite des Gesamtkonzepts. Die basilei,a ist ein Raum bzw. ein Bereich, der bereits jetzt im himmlischen Heiligtum und Kult eine gegenwärtige Wirklichkeit ist, aber auf Erden erst noch als ein Ort und als eine Zeit des Heils eschatologisch erwartet wird. Er ist identisch mit der „kommenden Welt“264 und bezeichnet „den großen Heilszustand am Ende der Tage.“265 Als Besitz und Gabe des ewigen Lebens ist die basilei,a ebenfalls eine

Welt“ vgl. auch äthHen 71,15; Mt 12,32; Mk 10,30; Lk 16,8; 20,34f.; Joh 12,25; Eph 1,21; 2,7; 4Esr 4,2.27; 6,9; 7,12f..47.50.112f.; 8,1f.52; syrBar 14,13; 15,8; 44,11-15; 48,50; 59,9. 262 Allison, Jesus, 190-199; vgl. ebd., 200f.: „… it appears that, in many respects, h`` basilei,a tou/ qeou/ = abh ~lw[h. The Jesus tradition itself implies that ‚the kingdom of God‘ and ‚the world to come‘ are homologous. […] To have life in the world to come is to have life in the kingdom; not to have life in the kingdom is not to have life in the world to come. […] If one can pass from speaking about ‚the kingdom of God‘ to the ‚world to come‘ without changing the subject [vgl. Mk 10,23-25 mit 10,30], than the two terms must overlap significantly.“ 263 Ebd., 199. 264 Mt 12,32; Mk 10,30; Lk 16,8; 20,34f.; Joh 12,25; Eph 1,21; 2,7. Insofern ist die Übertragung von basilei,a tou/ qeou/ mit „die neue Welt Gottes“ in der leserorientierten Übersetzung „Die gute Nachricht. Das Neue Testament in heutigem Deutsch“, hg. v. der Deutschen Bibelgesellschaft, Stuttgart 1972, durchaus zutreffend. 265 Windisch, Sprüche, 164; ähnlich Schenke, Botschaft, 107, und ferner ebd. 109f.115, der von einem „künftigen, wenngleich nahen, weltzeitlichen Zustand“ spricht, „der anders als die gegenwärtige Weltzeit davon geprägt sein wird, dass Gott dann unbestritten und umfassend königlich herrscht, und zwar jenseits des Gerichts über die in der Gegenwart noch wirksamen Widersacher“ (kursiv bei Sch.).

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zukünftige himmlische Wirklichkeit, die pneumatisch jedoch bereits gegenwärtig gesucht, empfangen und besessen werden kann266, die aber erst eschatologisch sichtbar werden wird267.

5. Das Reich Gottes und das „Wort vom Reich“ Es gibt eine große Zahl von Gleichnissen, in denen das zentrale Motiv eine eschatologische Wende ist, in deren Rahmen die Reaktion, das Urteil oder das Gericht Gottes bzw. eine (überraschende und unerwartete) Belohnung oder Bestrafung die Pointe darstellt. Dies ist der Fall bei vielen sog. Endzeitgleichnissen, wie den Gleichnissen von den „bösen Weingärtnern“ (Mt 21,33-44/Mk 12,1-12/Lk 20,9-19), dem „königlichen Hochzeitsmahl“ (Mt 22,1-14/Lk 14,16-24), den „anvertrauten Zentnern“ (Mt 25,14-30) oder dem „treuen (und untreuen) Knecht“ (Mt 24,45-51/Lk 12,3538.42-46; vgl. auch Mk 13,34-37). Auch die expliziten ReichGottes-Gleichnisse vom „Schalksknecht“ (Mt 18,21-35), von den „Arbeitern im Weinberg“ (Mt 20,1-16), den „klugen und törichten Jungfrauen“ (Mt 25,1-13) und vom Weltgericht (Mt 25,31-46; vgl. den Begriff basilei,a in V. 34) gehören zu dieser Gruppe. In diesen Gleichnissen ist von einer eschatologischen Zäsur die Rede, in der es zu einer umfassenden Umwälzung aller Verhältnisse kommt. Das Reich Gottes ist hier eindeutig eine futurische Größe, dessen Wesen und Strukturen allerdings bereits das gegenwärtige Verhalten prägen sollen (vgl. hierzu die Überlegungen zu Röm 14,17 und 1Kor 4,20f. in Kapitel V.4).

Witherington, Christology, 196.204f., und ders., Jesus, 60.73, favorisiert für die präsentische Bedeutung des Begriffs die Definition „God’s divine saving activity“. Insofern die basilei,a offensichtlich ein Heilsbegriff ist, trifft diese Bestimmung zwar die soteriologische Dimension des Begriffs. Allerdings tritt an kaum einer Stelle eine Aktivität Gottes in den Vordergrund. Vielmehr wird die basilei,a als eine Heilsgabe beschrieben, die vom Menschen gesucht, empfangen oder ererbt werden kann. 267 Vgl. hierzu besonders Joh 3,36. 266

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Daneben gibt eine kleine Gruppe von Texten, in denen das Reich Gottes mit einem Wachstumsgeschehen in Verbindung gebracht wird. Es handelt sich dabei um die Gleichnisse vom vierfachen Ackerfeld268, von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26-29), vom Senfkorn (Mt 13,31f./Mk 4,3032/Lk13,18f.), vom Sauerteig (Mt 13,33/Lk 13,20f.) und vom Unkraut und Weizen (Mt 13,24-30.36-43)269. Diese Reich-Gottes-Gleichnisse sind dadurch verbunden, dass in ihnen ein Wachstumsprozess von einem kleinen, samenhaften und damit unscheinbaren bzw. unsichtbaren Anfang zu einem großen, sicht- und spür- bzw. schmeckbaren Ende stattfindet, weshalb sie gemeinhin als „Wachstumsgleichnisse“ bezeichnet werden270. Sie bildeten für Charles Harold Dodd eine wesentliche Grundlage seiner These einer realized eschatology. In ihnen zeige sich die „fortschreitende Enthüllung“ des Reiches, die als ein Prozess zu verstehen sei, „der sich durch eine Gemeinschaft auswirkt“ oder ein „Prinzip, das eine Gemeinschaft schafft“271. Dodd identifizierte den Zielpunkt dieses Prozess jedoch nicht mit der Parusie Jesu im Sinne eines innergeschichtlichen Wachstumsprozesses der Gemeinde/ Kirche Jesu, sondern betrachtete den Prozess mit dem ersten

268 Mt 13,1-9.18-23/Mk 4,3-9.14-20/Lk 8,4-8.8-10; zum Stichwort „Reich [Gottes]“ vgl. Mt 13,11/Mk 4,11/Lk 8,9f. sowie Mt 13,19: lo,goj th/j basilei,aj. 269 Für die folgenden Ausführungen beziehe ich mich in vielfacher Hinsicht dankbar auf die exzellenten Vorarbeiten, die mein Student Daniel Keller in seiner M.A.-Arbeit „Ist das Reich Gottes am Wachsen? Das Reich Gottes in den synoptischen Wachstumsgleichnissen“ geleistet hat. 270 Die Authentizität dieser Gleichnisse wurde verschiedentlich aus stilistischen Gründen und v.a. aufgrund der für die Jünger angeblich noch nicht vorausssetzbaren frühchristlichen Missions- und Gemeindesituation angezweifelt. Allerdings lässt sich der Text durchaus im Munde Jesu verstehen und auch die Deutung dürfte den Jüngern, die von Jesus zur Verkündigung des Reiches ausgesandt wurden (vgl. Mt 10,1.5-14/Mk 6,7-13/Lk 9,1-6; 10,1-12), nicht unverständlich gewesen sein. Für die Authentizität sprechen sich Berger, Formen, 103.117-119; Moule, Mark, 112f.; Gerhardson, Parable, 192f., und Payne, Sower, aus. 271 Dodd, Reich, 121f.

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Kommen Jesu als dem Höhepunkt der Geschichte als bereits abgeschlossen272. 5.1. Das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld (Mk 4,3-9.14-20parr) Das Gleichnis vom „vierfachen Ackerfeld“ wird oft auch als „Gleichnis vom Sämann“ bezeichnet, wobei der Sämann hier gar nicht im Fokus des Geschehens steht. Es beginnt mit einem Nominativanfang ohne jegliche Einleitungsformel und weist sich zunächst nicht als „Reich-Gottes-Gleichnis“ aus. Dass es dennoch als ein solches zu verstehen ist, wird durch seine Zusammenordnung mit den anderen „Wachstumsgleichnissen“ und durch das in allen Synoptikern zwischen das Gleichnis und seiner Deutung positionierte Reflexionszitat über die Funktion der Gleichnisse im Blick auf das Verständnis der „Geheimnisse des Reiches Gottes bzw. des Himmelreiches“ deutlich (Mt 13,11/Mk 4,11/Lk 8,9f.). Entscheidend sind in diesem Gleichnis weder der Sämann, noch der Säakt und letztlich auch nicht der Wachstumsprozess273. Im Fokus des Gleichnisses steht vielmehr die unterschiedliche Entwicklung des Samens unter den unterschiedlichen Bedingungen der verschiedenen Böden274. Dem dreifachen Scheitern steht eine dreifache Dimension der Frucht gegenüber. Im Zentrum steht die wechselhafte Synergie zwischen dem Samen und seiner innewohnenden Kraft zum Wachstum und den jeweiligen Bodenverhältnissen275. Die Deutung des Samens als „Wort“ oder Botschaft (vgl. „Wort vom Reich“ in Mt 13,19 bzw. „Wort Gottes“ in Lk

Dodd, Parables, 143-145. Richtig gesehen von Schenke, Botschaft, 124: „Auf den Aspekt der verstreichenden Zeit kommt es offenbar nicht an. Im Moment der Aussaat ist bereits entschieden: Manches geht verloren, das meiste bringt Frucht.“ 274 Richtig gesehen von Hagner, Mt I, 369; ähnlich Guelich, Mk 1, 196f. 275 So auch Luz, Mt II, 308, und Pesch, Mk I, 229. 272 273

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8,11) kann auf eine breite antike276 und frühjüdische277 Tradition rekurrieren und wird auch in der ntl. Briefliteratur 278 und im frühchristlichen Schrifttum279 immer wieder aufgenommen. Diese Deutung entspricht auch der Rahmung des Gleichnisses und dem abschließenden Weckruf (Mt 13,9/Mk 4,9/Lk 8,8)280. Entsprechend muss der Acker als Herz des Menschen interpretiert werden (Mt 13,19; Lk 8,15), in dem der Same des Wortes Frucht bringt bzw. Leben schafft281. Entscheidend ist somit weder der Kontrast zwischen dem kleinen Samen und der vielfältigen Frucht, noch der Kontrast zwischen kümmerlichem Anfang und wunderbarem Ende bzw. gegenwärtigem Misserfolg und künftiger Herrlichkeit und auch nicht die christologische Deutung der fehlenden Frucht im irdischen Wirken Jesu und der sich noch einstellenden Frucht durch die Missionspredigt der Jünger, sondern die Dynamik zwischen dem samenhaften Wort Gottes bzw. des Reiches und dem menschlichen Ackerboden bzw. Herzen, in dem die Dynamik des Wortes im negativen Fall unterdrückt und im positiven Fall empfangen wird und sich entfalten kann282. Obwohl der Same bei allen Versionen der Deutung eindeutig und unmissverständlich als lo,goj (th/j basilei,aj bzw. tou/ qeou/) interpretiert wird (vgl. Mt 13,19/Mk 4,14/Lk 8,11, sowie Mk 4,15f.18-20parr), wird diese Identifikation im Text selbst nicht konsequent durchgehalten. Denn dreimal ist auch von der Saat des Menschen die Rede283, der das Wort gehört hat (Mt 13,20.22f./Mk 4,16.18.20/Lk 8,13-15) und der auf den „Acker der Welt“ gesät wurde. Die Inkonsistenz 276 Plato Phaidr 260d; 276b-277a; Arist Ath pol 14,4; Cic Or 2,261; Dion Hal Ant Rom 3,35,4; 11,27,1; Xen Hell 5,1,25; Plut Mor 394e; 398f; 399a; ders., Pomp 18; Cic 3; Caes 29.60; Sen min Epist 38,2; Herm Tris Poim 29. 277 Phil All 1,49; Som 1,199; 4Esr 9,30f.; TestLev 13,6; TgJes 28,24. 278 1Petr 1,23-25; Jak 1,18.21. 279 IgnEph 9,1; EpJac 8; Tert Praescr 31; Orig Comm Joh 20,2.5 (GCS X,327f.332f.). 280 Ebenso Klauck, Allegorie, 198f.; Pesch, Mk I, 234. 281 Vgl. Phil Leg All 3,249; Somn 2,271; TestLev 13,6; 4Esr 8,6. 282 Gnilka, Mk I, 160, nennt dies die „heilsgeschichtliche“ Deutung. 283 Vgl. hierzu Jer 31,27f.; Hos 2,25; Sach 10,9.

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besteht deshalb nicht zwischen den vier verschiedenen Fallbeispielen, sondern innerhalb eines Falles schwingt die Deutung hin und her284. Möglicherweise ist diese unauflösbare Inkonsistenz beabsichtigt, weil die beiden Bilder bzw. Handlungen des Säens sachlich zusammengehören, denn die Frucht, die das ins Herz des Menschen gesäte Wort bringt, wird erst in dem Moment sichtbar und identifizierbar, wenn der Mensch im Handlungsfeld der Welt entsprechend agiert und dort Frucht bringt285. Ausgangspunkt ist und bleibt jedoch das Wort, das je nach Ackerboden, sprich menschlichem Herzen, entweder unterdrückt wird oder Frucht bringt, was im Licht von Mk 1,14f. mit Umkehr und Glaube zu identifizieren ist. Diese werden wiederum durch das Agieren des Menschen in der Welt „fruchtbar“. Fragt man nach dem Vergleichspunkt, den dieses Gleichnis mit dem Thema des Reiches Gottes – das in den synoptischen Texten lediglich in der Formulierung „Wort vom Reich“ (Mt 13,19) erwähnt wird – verbindet, dann ist es dieser Prozess, dass das Wort in das Herz des Menschen fällt, dort Frucht bringt, d.h. Glauben, Umkehr und damit Heil wirkt, und aus dem veränderten Herzen einen Prozess der guten Werke in Gang setzt. Im Blick auf die bislang erarbeiteten Facetten des basilei,aBegriffs steht dieses Gleichnis in einer Entsprechung zur basilei,a als Gabe des Heils, wie sie in Mk 10,14f./Lk 18,16f.; Mt 5,3.10 u.ö.286 zum Ausdruck kommt und ein Äquivalent zur Gabe des (ewigen) Lebens im Johannesevangelium darstellt. Durch das „Wort vom Reich“, das der Verkündigung Jesu bzw. dem Evangelium entspricht, wird bereits in der Gegenwart im Herzen des empfangsbereiten Menschen Heil gewirkt. Insofern spricht das Gleichnis zwar von der großen Zahl der künftigen Teilnehmer an der basilei,a, aber nicht vom Kommen der basilei,a287. Payne, Inconsistency, 565. Ähnlich Guelich, Mk I, 224; vgl. auch SapSal 6,16-20; 7,22-30. 286 Mt 6,33/Lk 12,31f.; 9,35; 21,43; 25,34; Mk 4,26, vgl. Röm 14,17; 1Kor 6,9; 15,50; Eph 5,5; Kol 1,12f. 287 Richtig gesehen von Schenke, Botschaft, 126f., Anm. 20. 284 285

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5.2. Das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26-29) Dieses Gleichnis aus dem markinischen Sondergut hat in seiner Interpretationsgeschichte sehr unterschiedliche Deutungen erfahren288. Eingeleitet mit der auch aus der rabbinischen Literatur bekannten Vergleichsformel289 wird das Gleichnis sofort als Reich-Gottes-Gleichnis präsentiert, was freilich noch nichts über den konkreten Vergleichspunkt verrät. Der syntaktische Schwerpunkt und damit auch die Pointe des Gleichnisses liegt dabei auf dem Satz auvtoma,th h`` gh/ karpoforei/ (V. 28) und damit auf dem prädikativen Adjektiv auvtoma,th, das die Art und Weise des Wachstums beschreibt290. Wie bereits beim Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld steht der Sämann, der hier nur als „Mensch“ bezeichnet wird, nicht im Mittelpunkt des Geschehens. Abgesehen vom säenden und erntenden Menschen, der sich aber außer dem Säakt und dem Erntebefehl betont passiv verhält, gibt es nur zwei handelnde Subjekte: Der Same sprosst und wächst in der Erde und die Erde bringt auvtoma,th Frucht hervor291. Es geht somit wie im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld um eine fruchtwirkende Interaktion von Same und Erde. Will man nicht zu viel in das Gleichnis eintragen, so sollte auvtoma,th am einfachsten mit „von selbst“ übersetzt werden292, was v.a. in Abgrenzung zu einem Zutun oder einer Einflussnahme des Menschen zu verstehen ist293. Bei der Übertragung von der Bild- auf die Sachebene ergibt sich jedoch eine Schwierigkeit. Von der beim Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld ausgeführten Saatmetaphorik her ist es sehr wahrscheinlich, dass mit dem Säen ein Verkündigungsgeschehen angedeutet wird und es sich beim Samen um eine Vgl. hierzu Theißen, Bauer, 169-173. Vgl. Dschulnigg, Mk, 144; Pesch, Mk I, 256. 290 Vgl. Theißen, Bauer, 174; Banschbach Eggen, Gleichnis, 234; Gemünden, Vegetationsmetaphorik, 187; Wolter, Teller, 135, Anm. 21. 291 So auch Theißen, Bauer, 169; Banschbach Eggen, Gleichnis 235; Gnilka, Mk I, 184; Pesch, Mk I, 256, Anm. 10. 292 Die lange und ausführliche Diskussion zur Übersetzung von auvtoma,th hat Zager, Gottesherrschaft, 143, nachgezeichnet. 293 Klauck, Allegorie, 221-223; Zager, Gottesherrschaft, 143. 288 289

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Botschaft handelt294. Aber wer ist der Säende? Die meisten Ausleger betrachten das Säen als eine menschliche Verkündigungsaktivität, die jedoch keinen weiteren menschlichen Aktionismus verträgt, wenn die „Erde“ ganz von selbst und unter betonter Passivität des Menschen aus dem in sie hinein gesäten Wort Frucht bringt. In diesem Vorgang wird dann der Anbruch, das Wachstum oder die Durchsetzung des Reiches Gottes gesehen295. Dem Gleichnis wird damit eine antizelotische und anti-pharisäische Aussageabsicht beigelegt296. Allerdings weist Banschbach Eggen darauf hin, dass bei dieser Deutung die Erzählstruktur des Textes nicht genügend berücksichtigt wird297. Wenn der Säende identisch ist mit dem Erntenden, dann erscheint der Mensch als Richter, was schwer vorstellbar ist298. Der Sämann könne deshalb nur Jesus bzw. Gott selbst sein299. Das Problem bei dieser Deutung ist nun aber, dass die betonte Passivität und auch Unwissenheit („er weiß nicht wie“) Gott selbst zugeschrieben werden muss und die Erde, bei der nun wie im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld an den Menschen gedacht werden muss300, zum entscheidenden Akteur wird. Dies würde das Gleichnis als Reich-Gottes-Vergleich sinnlos erscheinen lassen. Von daher erscheint es sinnvoller, mit Jeremias die Identifikation des säenden und erntenden Menschen nicht zu starr

Zager, ebd., 141: „euvagge,lion von der gegenwärtig anbrechenden und zu ihrer Vollendung im Reich Gottes hindrängenden Gottesherrschaft“; Banschbach Eggen, Gleichnis, 179: „Wort Gottes“; Berger, Manna, 29, und Stuhlmacher, Biblische Theologie I, 122: „Botschaft von der basilei,a“. 295 Jülicher, Gleichnisreden II, 546; Kümmel, Gleichnis, 232f.; Theißen, Bauer, 177; Jeremias, Gleichnisse, 151; Oberlinner, Verwirklichung, 206f.; Zager, Gottesherrschaft, 145f.; Merkel, Gottesherrschaft, 160; Stuhlmacher, Biblische Theologie I, 70f. 296 Jeremias, Gleichnisse, 103; anders Pesch, Mk I, 258. 297 Banschbach Eggen, Gleichnis, 200f.208. 298 Zager, Gottesherrschaft, 141; Theißen, Bauer, 178f.; Banschbach Eggen, Gleichnis, 229. 299 Theißen, Bauer, 178f.; Banschbach Eggen, Gleichnis, 228f.; Berger, Manna, 28f.; Smith, Teaching, 33. 300 Theißen, Bauer, 179; Banschbach Eggen, Gleichnis, 237; Zager, Gottesherrschaft, 141; Berger, Manna, 29f. 294

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zu fassen301. Während die Ernte zweifellos ein göttliches Handeln ist, kann das Säen sowohl Gott als auch Jesus oder einem Mensch zugeordnet werden302. Entscheidend für das Gleichnis ist weder die Identität des Sämanns, noch die Identität dessen, der den Ernteauftrag gibt303, als vielmehr, dass der Samen des göttlichen Wortes von der basilei,a in die Erde des Menschen gesät wird und es durch eine verborgene Interaktion von selbst zum Wachstum von Frucht kommt. Die Pointe ist neben der Selbstwirksamkeit deshalb auch die Unscheinbarkeit und Unauffälligkeit des ganzen Geschehens. Der Vergleichspunkt zur basilei,a tou/ qeou/ ist damit wie bereits im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld die verborgene Interaktion zwischen der samenhaften Botschaft bzw. dem Wort Jesu und dem menschlichen Herzen als dem Ackerfeld, in das der Same gesät wird. Anders jedoch als bei jenem Gleichnis steht hier weniger der unterschiedliche Erfolg der Samenkörner auf unterschiedlichen Ackerböden im Mittelpunkt als vielmehr die Verborgenheit, Unscheinbarkeit und v.a. die Selbstwirksamkeit (auvtoma,th) des Samens/Wortes im Ackerboden des menschlichen Herzens und das endzeitliche Offenbarwerden (Ernte!) dieses Prozesses. Zu jener Zeit wird die Frucht gesammelt, die durch die gute Nachricht unscheinbar, unauffällig und „automatisch“ gewirkt wurde. Bezogen auf die bislang erarbeitete Systematik der basilei,a geht es auch hier um die präsentische Dimension der Verkündigung des Reiches im Sinne des endzeitlichen Heils, das bereits in der Gegenwart in Form des „ewigen Lebens“ empfangen werden kann, wenn das ins Herz des Menschen gesäte Wort auvtoma,th Glaube und Umkehr wirkt. Die so gewachsene Frucht bzw. das so entstandene Heil wird dann Jeremias, Gleichnisse, 151f. Schenke, Botschaft, 120, deutet den Sämann auf Jesus: „Im aussäenden Bauern dürfte Jesus sich selbst dargestellt haben als denjenigen, der das Geschehen der Basileia auf Erden in Gang setzt, das Gott durch die Ernte/das Gericht vollenden wird.“ 303 Schenke, ebd., 120, macht darauf aufmerksam, „dass in 4,29 kein Subjekt genannt wird, ebensowenig eine Person, die die Ernte durchführt“. 301 302

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durch die Arbeit „der Sichel“ beim sichtbaren Anbruch des Reiches eschatologisch offenbar. 5.3. Das Gleichnis vom Senfkorn (Mk 4,30-32parr) Die Interpretationsgeschichte und -breite des Senfkorngleichnisses (Mt 13,31f./Mk 4,30-32/Lk 13,18f.) ist noch umfangreicher als diejenige der vorigen Gleichnisse304. In der Alten Kirche dominierte die ekklesiologische Deutung, wonach das Gleichnis den kontinuierlichen Wachstumsprozess der christlichen Kirche vorhersage305. Hier wurde nicht selten die basilei,a mit der Kirche identifiziert, was freilich schon früh als problematisch erkannt wurde. Die individuelle Auslegung sah im Samen, ähnlich wie im Sauerteig des Sauerteig-Gleichnisses, den einzelnen Menschen, dessen geistliche Reifung mit dem Wachstum des Senfkorns bzw. der Durchsäuerung des Teigs identifiziert wurde. Eine eschatologische oder kosmische Dimension wurde dabei nicht gesehen. Diese Dimensionen wurden dagegen umso entschiedener im kosmopolitischen Ansatz in den Mittelpunkt gerückt, der von einem weltweiten Wachstum des Wortes Gottes bzw. einer Durchdringung der Welt durch das Wort Gottes ausging. Wie bei allen anderen Konzepten wird auch hier die Ausbreitung des wie auch immer gearteten Reiches als ein evolutiver Prozess begriffen, ohne dass es wirklich zu einer eschatologischen Zäsur kommt. Die Anfragen an diese bruchlose, evolutive Konzeption bestimmen die neueren Diskussionen. Hier wird diskutiert, ob es sich tatsächlich um ein Wachstum bzw. eine kontinuierliche Durchdringung und somit um eine Entwicklung handelt306, oder ob die Pointe eher im Kontrast zwischen dem Vgl. zum Folgenden Luz, Mt II, 328-331. Vgl. ebd., 328f. Im Neuen Testament wird das Wachstum der Gemeinde jedoch nie mit dem Wachstum des Reiches Gottes in Verbindung gebracht. Auch in den lukanischen Wachstumsnotizen in Act 2,47; 4,4; 5,14; 6,1.7; 9,31; 11,21.24; 12,24; 13,49; 16,5; 19,10.20 wird der Wachstumsprozess nie in einer Verbindung zum Reich Gottes gesehen oder gar mit diesem parallelisiert. 306 So z.B. Jülicher, Gleichnisreden II, 577.581; Dodd, Parables, 142f. 304 305

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kleinen unscheinbaren Anfang und der herrlichen Vollendung besteht307 bzw. ob es sowohl um ein Kontrast- als auch um ein „Wachstumsgleichnis“ geht308. Das Senfkorngleichnis liegt nicht nur in synoptischer Dreifachtradition vor, sondern hat auch noch eine vierte Variante in EvThom 20, wobei sich v.a. die matthäische und lukanische Variante einerseits und die markinische und thomanische Variante andererseits stark gleichen. Die Authentizität sowohl des Senfkorn- wie des Sauerteiggleichnisses wird allgemein angenommen, strittig ist nur, ob sie bereits im Ursprung miteinander verbunden waren309. Das Senfkorngleichnis beginnt in allen synoptischen Varianten mit der bekannten Gleichnisformel (Mt 13,31/Mk 4,30/Lk 13,18). Wie beim Gleichnis von der selbstwachsenden Saat taucht kein spezieller Sämann auf, sondern es ist entweder von einem „Menschen“ (Mt/Lk) oder passivisch vom „Gesät-werden“ (Mk) die Rede, was darauf hinweist, dass das Subjekt des Säenden in diesem Gleichnis die geringste Rolle spielt und sich alles um das Senfkorn und seine Entwicklung dreht310. Auch die Tatsache, dass es nicht allgemein um „Samen“ geht, sondern spezifisch um ein Senfkorn, unterstreicht diese Fokussierung311. Das Senfkorn erlangte aufgrund seiner Kleinheit bereits im antiken Judentum eine

307 Jeremias, Gleichnisse, 147f.; Lohse, Gottesherrschaft, 60f., so auch Merklein, Gottesherrschaft, 75: „Dieses Geschehen der Gottesherrschaft ist allerdings nicht im Sinne einer, der menschlichen Erfahrung und Kontrolle zugänglichen Evolution zu verstehen. Der Entwicklungsprozeß des Senfkorns wird im Gleichnis bezeichnenderweise nicht geschildert. Das Geschehen der Gottesherrschaft ist göttliches Geschehen und menschlicher Kontrolle gerade nicht zugänglich“ (kursiv bei M.). 308 Roloff, Gleichnisse, 59.63. Ähnlich, aber mit einem Schwerpunkt auf dem Kontrast, auch Dahl, Parables, 146f.; Zingg, Wachsen, 111f.; Weder, Gleichnisse, 133, Anm. 175. 309 Von einem „Doppelgleichnis“ sprechen z.B. Reinhardt, Wachstum, 116, und Zingg, Wachsen, 100. 310 Lindemann, Art. Herrschaft, 202. 311 Luz, Mt II, 332; Gnilka, Mt I, 495.

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sprichtwörtliche Bedeutung312 und es dürfte diese Eigenschaft sein, verbunden mit dem gewaltigen Wachstumspotential, das das Senfkorn zu einer bis zu drei Meter hohen Staude werden lässt, die für den Reich-Gottes-Vergleich relevant ist313. Ein anderer bedeutender Aspekt ist die organische Verwandtschaft von Senfkorn und Staude: Die Letztere entsteht überraschenderweise aus dem Ersteren. Gleichzeitig ist in dieser Gegenüberstellung aber auch ein Kontrastmotiv angelegt: Zwischen dem Senfkorn und der Staude und damit zwischen Anfang und Ende besteht ein gewaltiger Unterschied, der die organische Verwandtschaft nicht erahnen lässt314. Das deutet darauf hin, dass der Schwerpunkt auch in diesem Gleichnis nicht auf dem eigentlichen Wachstumsprozess liegt, sondern auf dessen Ergebnis315. Wesentlich für das Verständnis des Gleichnisses ist die abschließende Erwähnung von den „Vögeln unter dem Himmel, die unter dem Schatten (sc. des Baumes/der Staude und seiner/ihrer Zweige) wohnen können“ (Mk 4,32parr). Hier liegt eine traditionsgeschichtliche Anspielung auf das Motiv des sog. Weltbaumes vor (vgl. Ez 17,22-24; 31,1-9; Dan 4,7ff.)316. Dieser Baum symbolisiert in den genannten Texten den Herrschaftsraum eines Herrschers, der mit den Eigenschaften der Herrlichkeit, Majestät, Schönheit und Unvergleichlichkeit konnotiert ist und einen Wohnraum der Geborgenheit und Zuflucht für die Vögel des Himmels (Ez 17,23; 31,6; Dan 4,9) darstellt. Er bietet Schatten (Ez 17,23) 312 Vgl. bBer 31a; yBer 8d; mNid 5,2; mToh 8,8; bNid 5a.13b.40a.66a; sowie Bill. I, 669. 313 Guelich, Mk I, 249; Gemünden, Vegetationsmetaphorik, 196. 314 Gemünden, ebd., 196f.; Davies/Allison, Mt II, 416; vgl. auch Sen Epist 38,2; 1QH 8,4-9. 315 Bei Mt steht das Wachstum im vorzeitig zu interpretierenden Nebensatz und ist deshalb nachgeordnet zum Hauptsatz. Bei Mk zeigt die Ergänzung kai. gi,netai mei/zon, dass an das Resultat der immensen Größe gedacht ist und auch die effektiven Aoristformen auvxhqh/ (Mt) und hu;xhsen (Lk) signalisieren, dass es auf das Endergebnis des Wachstums ankommt. 316 So auch Gäbel, Hoffnung, 332f.; Michel, Art. ko,kkoj, 811; Bailey, Mustard, 455; Guelich, Mk I, 251; Davies/Allison, Mt II, 420.

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und die Bewohner können sich von ihm ernähren (Dan 4,9.18). Wenn der Baum als Herrschaftsraum eines Herrschers konnotiert ist, so stehen die Vögel für die Bewohner dieses Reiches317, was in Ez 31,6 durch die Steigerung von Vögeln über die Tiere des Feldes bis hin zu den Stämmen der Nationen (vgl. Ez 17,24; 31,6c; Dan 4,21LXX) zum Ausdruck gebracht wird. Die Weltenbaum-Assoziation steht somit im Rahmen dieses Gleichnisses für einen endzeitlichen, universalen Ort des Lebens, des Friedens und Heils für Juden und Heiden unter der ewigen Herrschaft Gottes318. Somit erschließt sich das Gleichnis von seinem Ende her. Dieses schildert das endzeitliche Reich Gottes als einen Ort des Heils und der Herrschaft Gottes, in dem alle Völker Leben und Frieden finden. Dieser universale Ort steht in all seiner Herrlichkeit und Größe in einem wesenhaften Zusammenhang mit dem unscheinbaren und kaum wahrnehmbaren Senfkorn. Es ist dieser Kontrast zwischen kleinstem Anfang und universalem Ende, der akzentuiert wird319. Der Aspekt des Wachstums ist vom gewählten Bild her unvermeidlich, wird aber im Gleichnis nicht betont320. Steht somit der Baum bzw. die Staude auf der Sachebene für das endzeitliche Reich Gottes als einem Ort des Heils und der Herrschaft Gottes, so bleibt die Frage, was dem Senf-

317 Davies/Allison, Mt II, 420: „The image of a large tree [...] was a traditional symbol for a great kingdom.“ 318 Vgl. auch 1QH 6,15-17; 8,4-9, sowie Michaelis, Art. skhnh,, 391: „Der Schluß des Gleichnisses [gibt] der Erwartung des Reiches Gottes als eines universalen Friedensreiches deutlichen Ausdruck.“ Carter, Seed, 200, spricht vom „empire of the heavens“. 319 Richtig gesehen von Jeremias, Gleichnisse, 147f.; Lohse, Gottesherrschaft, 60f.; Franklin, Christ, 24; Weder, Gleichnisse, 129; Zingg, Wachstum, 105f.111f.; Gemünden, Vegetationsmetaphorik, 196f.; Ruager, Reich, 108; Eckey, Mk, 147; Guelich, Mk I, 252; Schenke, Botschaft, 136. 320 Gemünden, Vegetationsmetaphorik, 197, Anm. 98; Dahl, Parables, 148.155; Schenke, Botschaft, 137; ähnlich Carter, Seed, 197; Schmithals, Mk I, 250.

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korn auf der Sachebene entspricht. Der Vorschlag, im Senfkorn die kleine Jüngerschar zu sehen321, ist von der ekklesiologischen Deutung mit der Vorstellung eines quantitativen Wachstums geprägt. Die Mehrheit der Ausleger denkt an das irdische Wirken Jesu322, was durchaus möglich ist, insofern dieses Wirken in einem wesenhaften Zusammenhang mit dem endzeitlichen Reich steht und dessen „genetische“ Voraussetzung bildet. Eine Minderheit denkt als Sachentsprechung wie bei den anderen „Wachstumsgleichnissen“ (der Begriff ist nach der bisherigen Analyse in Anführungszeichen zu setzen, da das „Wachstum“ nirgendwo im Mittelpunkt steht) in Mk 4 an das Wort, die Botschaft bzw. das Evangelium323. Die redaktionelle Zusammenstellung dieser Gleichnisse, die zumindest in Teilen auf die Verkündigung Jesu zurückgehen könnte, legt dies durchaus nahe. Wilfried Eckey verweist in diesem Zusammenhang nicht zu Unrecht auf Mk 13,10, wo die weltweite Verkündigung des Evangeliums als notwendige (vgl. dei/) Voraussetzung für das Eintreffen der Ereignisse der letzten Tage angekündigt wird324. Somit besteht auch zwischen der Verkündigung des Wortes Gottes bzw. des Evangeliums (vom Reich) und der endzeitlichen Offenbarung des Reiches im Sinne eines Heilsortes, in dem Gott seine heilvolle Friedensherrschaft ausübt, ein wesenhafter und „genetischer“ Zusammenhang325.

321 Roloff, Gleichnisse, 61; Jeremias, Gleichnisse, 148; Reinhardt, Wachstum, 128. 322 Weder, Gleichnisse, 132; Schröter, Art. Reich, 206; Dahl, Parables, 148; Ruager, Reich, 108; Reinhardt, Wachstum, 123; Luz, Mt II, 332; Gnilka, Mk I, 188. 323 Michel, Art. ko,kkoj, 811; Klauck, Allegorie, 217f.; Eckey, Mk, 148; ders., Lk II, 628. 324 Eckey, Mk, 148; ähnlich Klauck, Allegorie, 217, und Zager, Gottesherrschaft, 307, im Blick auf Mk 4,8.20.28. 325 Michel, Art. ko,kkoj, 811: „Mit dem Samenkorn des Wortes Gottes ist die Himmelsherrschaft selbst gegeben, die alle Völker und Menschen umfaßt; das unscheinbare, unbedeutende Ereignis der Predigt Jesu trägt das Geheimnis des umfassenden und die Welt umschließenden Handelns Gottes in sich.“

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War es beim Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld der Aspekt der unterschiedlichen Resultate, die durch die Interaktion von samenhaftem Wort und empfangsbereitem Ackerboden-Menschenherz gewirkt wurde, und beim Gleichnis von der selbstwachsenden Saat der Aspekt der Selbstwirksamkeit, Unscheinbarkeit und Unauffälligkeit dieser Interaktion zwischen Same und Ackerboden bzw. Wort und menschlichem Herzen, der vor dem Horizont der eschatologischen Ernte Frucht und damit Heil wirkt, so ist es beim SenfkornGleichnis das unscheinbare Wort, in dem die Kraft steckt zur Schaffung eines universalen, endzeitlichen Reiches des Friedens und der Wohlordnung. Während somit bei den beiden ersten Gleichnissen der Aspekt der durch das Wort im Herzen gewirkten Frucht im Mittelpunkt steht, ist es hier der Zielpunkt dieses Prozesses, der durch die Assoziation zum Weltenbaum als eschatologische Offenbarung des Reiches als ein Raum des Heils unter der Herrschaft Gottes präsentiert wird. 5.4. Das Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13,33/Lk 13,20f.) Anders als die bisherigen „Wachstumsgleichnisse“ fehlt dieses Gleichnis im Markusevangelium326 und bei Matthäus und Lukas ist es direkt mit dem Senfkorn-Gleichnis verbunden. Neu ist auch das Bildmotiv dieses Gleichnisses, das nicht aus der Landwirtschaft bzw. Botanik, sondern aus der Hauswirtschaft stammt und entsprechend ist die einzige Akteurin eine Hausfrau. In der Exegese wird die für einen Haushalt ungeheuer große Menge von Mehl diskutiert, was aber für die fragliche Pointe des Gleichnisses keine Rolle spielt327. Wesentlicher für die Auslegung ist der Aspekt der Verborgen-

326 Zu den möglichen Gründen vgl. Ostmeyer, Sauerteig, 190; Marshall, Lk, 560. 327 Drei Sea entspricht 39 Liter Mehl und das damit hergestellte Brot würde für ca. 175 Personen reichen, so Dalman, Arbeit IV, 120; Eckey, Lk II, 629, geht von 140-160 Personen aus, Jeremias, Gleichnisse, 146, von 100.

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heit des Sauerteigs, was durch das Verb evne,kruyen angedeutet wird. Rein technisch müsste eigentlich von einem Untermischen die Rede sein, da die beabsichtigte Durchsäuerung des Teiges nicht einfach durch ein „Verbergen“ des Sauerteigs zustande kommt. Aber für die Deutung des Gleichnisses ist offenbar dieses Verb von großer Relevanz, zumal auch alle anderen Verarbeitungsprozesse wie die Wasserzugabe, das Kneten, Warmstellen und Gehenlassen nicht erwähnt werden in diesem Gleichnis. Auch die chiastische Gliederung des Textes zeigt, dass der Vorgang des Verbergens im Zentrum steht328. Des Weiteren ist für die Deutung entscheidend, dass wie im Senfkorn-Gleichnis nicht der Prozess des Wachstums bzw. hier der Durchsäuerung im Blickpunkt ist, sondern das Endergebnis des durchsäuerten Teigs. Sowohl der effektive Aorist evzumw,th als auch das am Ende stehende Adjektiv o[lon, das in der von Karl-Heinrich Ostmeyer erarbeiteten chiastischen Struktur mit dem Vergleichspunkt der basilei,a korrespondiert, betonen das Endergebnis der vollständigen Durchsäuerung329. Die Pointe ist somit der Kontrast zwischen der verborgenen und unsichtbaren Wirkung des Sauerteigs am Anfang und dem sicht- und schmeckbaren Ergebnis am Ende des Prozesses. Die Übertragung von der Bild- auf die Sachebene ist freilich bei diesem Gleichnis deutlich schwieriger, weil es traditionsgeschichtlich für den Sauerteig keine so eindeutigen Übertragungsmöglichkeiten gibt wie für den Samen330. In der Exegese wurde vielfach an die Jünger331 bzw. die Christen oder die Kirche332 gedacht, die unscheinbar aber wirkungsvoll die Ostmeyer, Sauerteig, 185; Burchard, Senfkorn, 106. Zingg, Wachstum, 108f.; Burchard, Senfkorn, 106. 330 Die Bildfeldtradition ist nur selten positiv, vgl. z.B. Philo SpecLeg 2,182.184f.; Jos Ant 3,252, und meistens negativ, da der Sauerteig als Opfer untauglich war, vgl. Ex 23,18; Lev, 2,4.11, und vor dem Passafest aus dem Haus entfernt werden musste, vgl. mPes 1,1-3; yPes 27a,47-27c,46. Bei den Rabbinen galt der Sauerteig ferner als Sinnbild für den bösen Trieb, bBer 17a. 331 Roloff, Gleichnisse, 63; Burchard, Senfkorn, 106. 332 Z.B. Barth, KD IV/3, 1072. 328 329

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Welt durchsäuern. Diese ekklesiologische Deutung ist ähnlich wie beim Senfkorn-Gleichnis spekulativ und mit denselben Problemen behaftet, wie die ekklesiologische Wachstumsdeutung des Reiches Gottes in den sog. „Wachstumsgleichnissen“. Hinzu kommt, dass die betonte Unsichtbarkeit des Sauerteigs nicht richtig mit der durchaus sichtbaren Wirksamkeit der Jünger und der Kirche harmonieren will. Am Sinnvollsten erscheint es daher, das Gleichnis aufgrund seiner Zusammenstellung mit dem Senfkorn-Gleichnis bei Mt und Lk als zweiten Teil eines Doppelgleichnisses aufzufassen333, zumal die Strukturparallelen zwischen den sachlich durchaus verschiedenen Bildmotiv unübersehbar sind: (1) Senfkorn wie Sauerteig sind zu Beginn des Wachstumsbzw. Durchsäuerungsprozesses unscheinbar bzw. unsichtbare Größen, in denen jedoch eine ungeahnte Kraft wohnt. (2) Das wahre Potential beider Größen wird erst am Ende eines Prozesses und damit erst in Zukunft sichtbar. Deshalb ist jeweils weniger der Prozess des Wachstums bzw. der Durchsäuerung im Fokus, sondern das jeweilige Ergebnis. (3) Es besteht ein „genetischer“ bzw. ontologischer Zusammenhang zwischen dem Ausgangspunkt (Senfkorn, Sauerteig) und dem Endprodukt (Staude, durchsäuerter Teig) und gleichzeitig sind Senfkorn und Sauerteig unabdingbare Voraussetzungen für das Endprodukt. In Anbetracht dieser Parallelen legt es sich nahe, auch beim Sauerteig-Gleichnis an das Wort Gottes, die Botschaft Jesu bzw. das Evangelium von der basilei,a zu denken334, was auch der altkirchlichen Deutung entspricht335. Die durchsäuernde und verändernde Wirkung und Kraft des Sauerteigs

Bovon, Lk II, 425. So Gnilka, Mt I, 496, der von Jesu Basileia-Predigt spricht, ähnlich Luz, Mt II, 334, der an die „Verborgenheit der Wahrheit“ denkt; anders Roloff, Gleichnisse, 63, der an die Jüngergemeinde denken möchte. 335 Augustin, Tract Ioh IX,17 (CChrSL 36, 99); ähnlich auch Chrysostomus, Comm Mt, der von Pollh. ga.r tou/ khru,gmatoj h` du,namij\ bzw. to. kh,rugma spricht (PG 58, 478f) sowie Zigabenus, Comm Mt (PG 129, 408f); Theophylakt, Enar Mt (PG 123, 285-288); Hieronymus, Comm Mt (CChrSL 77, 108f). Ambrosius, Exp Luc VII, 190, deutet den Sauerteig als 333 334

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entspricht dann der unscheinbaren und mit dem menschlichen Auge zunächst nicht erkennbaren Wirkung des Wortes Jesu bzw. des Evangeliums im menschlichen Herzen, das letztlich eine große Wirkung entfaltet, aber erst am Ende aller Welt offenbar werden wird. Die Pointe liegt daher in diesem Gleichnis nicht in dem Gegensatz von „kleiner Ursache und großer Wirkung“, sondern in dem Gegensatz von „verborgenem Anfang und offenbarem Ende“336. Erst beim eschatologischen Offenbarwerden der basilei,a wird die durchsäuernde und durchdringende Wirkung der Botschaft Jesu bzw. des Evangeliums öffentlich und aller Welt deutlich werden. 5.5. Fazit Für das Verständnis der synoptischen „Wachstumsgleichnisse“ ist zunächst wesentlich, dass es nicht um eine Beschreibung des futurischen und endzeitlichen Reiches Gottes geht, sondern um dessen verborgenen, unsichtbaren und unscheinbaren Ursprung. Hierfür verwendet Jesus in den vier Gleichnissen entweder das Bild des Samens, des Senfkorns oder des Sauerteigs, die auf der Sachebene alle dem Wort oder der Botschaft Jesu bzw. dem Evangelium entsprechen. Diese entfalten jeweils eine dem betrachtenden Auge gegenüber verborgene, unscheinbare oder auch unsichtbare Wirkung, die erst am Ende öffentlich sichtbar wird in Form von Frucht, einer großen Staude oder eines durchsäuerten Teiges bzw. Brotes. Die Pointe liegt bei keinem einzigen dieser Gleichnisse auf dem Prozess des Wachstums, geschweige denn auf der Messbarkeit seines Wachstums337. Vielmehr ist das Augenmerk auf die verborgene Kraft und Wirkung des Samens, des „geistliche Lehre der Kirche“, durch die der innere Mensch geheiligt wird (CChrSL 14, 280; BKV I/40, 431). 336 Ebenso Smith, Teaching, 36. 337 Genau darauf möchte aber Smith, ebd., 30f.34, den Akzent legen, wenn er Jesus unterstellt, „that he sees the Kingdom of God as a historical process“.

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Senfkorns oder des Sauerteigs gerichtet, der bzw. das auf der Sachebene für das Wort Jesu „vom Reich“ bzw. für das Evangelium steht338. Im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld steht dieses Wort in einer Wechselwirkung mit unterschiedlichen Böden bzw. Ackerfeldern, welche die Wirkung des Samens entweder behindern oder fördern. Auf der Sachebene geht es dabei um die unterschiedlichen Wirkungsmöglichkeiten des Wortes in offenen oder verschlossenen Menschenherzen. Auch im Gleichnis von der selbstwachsenden Saat geht es um den unsichtbaren Ursprung des Reiches Gottes, der in der unscheinbaren und selbstwachsenden Kraft des Samens bzw. Wortes liegt, der/das im Erdboden des menschlichen Herzens Frucht wirkt, die am Ende bei der Offenbarung des Reiches Gottes im Rahmen der Ernte/des Gerichts sichtbar werden wird. Im Gleichnis vom Senfkorn ist es das unscheinbare Wort, in dem die Kraft steckt zur Schaffung eines universalen, endzeitlichen Reiches des Friedens und der Wohlordnung. Schließlich ist es auch im Gleichnis vom Sauerteig die durchsäuernde und verändernde, aber dem menschlichen Auge entzogene Wirkung und Kraft des Sauerteigs, die letztlich eine große Wirkung entfaltet, aber erst am Ende aller Welt offenbar werden wird. Auch hier spricht vieles dafür, den Sauerteig als Wort Jesu bzw. als Evangelium zu deuten. Erst beim eschatologischen Offenbarwerden der basilei,a wird die durchsäuernde und durchdringende Wirkung der Botschaft Jesu bzw. des Evangeliums öffentlich und aller Welt deutlich werden. Was die sog. Wachstumsgleichnisse entfalten, ist die unsichtbare „genetische“, ontologische und kausale Verwandtschaft und konditionale Beziehung zwischen dem gegenwärtig gepredigten Wort Jesu, d.h. seiner Predigt von der basilei,a bzw. dem Evangelium und der endzeitlichen Offenbarung 338 Gesamtbiblisch ist dieser Zusammenhang zwischen dem Wort Gottes, Wort Jesu, Wort vom Reich, Wort vom Kreuz bzw. dem Evangelium und seiner Wirkung vielfach reflektiert, vgl. Gen 1,3; Jes 55,11; Ps 33,6.9; Mt 8,8f.; Joh 1,1-3; 17,20; Röm 1,16; 10,14-17; 1Kor 1,18.21; 1Kor 2,4f.; 1Petr 1,23; Jak 1,18.21 u.ö.

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des Reiches Gottes in Herrlichkeit339. Würde jenes nicht gepredigt, könnte dieses nicht „kommen“ bzw. offenbar werden (vgl. Mt 24,14/Mk 13,10)340. Umgekehrt steckt in dieser Verbindung durchaus auch ein parakletischer Aspekt: Weil das „Wort bzw. Evangelium vom Reich“ nun ausgesät bzw. gepredigt wird, darf die endzeitliche Offenbarung ganz gewiss erhofft und erwartet werden. Zusammengenommen entsteht folgendes Gesamtbild: Wenn das „Wort vom Reich“ im Ackerboden des menschlichen Herzens auf eine Empfangsbereitschaft stößt, wirkt es dort auvtoma,th Frucht, die zunächst im (unsichtbaren) Glauben und dann in der (sichtbaren und tätigen) Umkehr besteht. Bei der endzeitlichen Ernte wird dann das Reich Gottes offenbart, das auf die Wirkung des „Wortes bzw. Evangeliums vom Reich“ zurückgeht. Nun erscheint das Reich als ein Raum und eine ewige Zeit des Heils, in dem Gott seine Wohlherrschaft ausübt. Hier finden die Menschen, in denen das samenhafte „Wort bzw. Evangelium vom Reich“ fruchtbar geworden ist, einen Wohnraum. Das Reich Gottes ist somit auch in den sog. „Wachstumsgleichnissen“ eine Größe, die erst im Eschaton offenbar und sichtbar werden wird und die sachlich zu unterscheiden ist von dem „Wort bzw. Evangelium vom Reich“, das auf es hinweist, aber mit diesem nicht identisch ist341.

339 Im Neuen Testament wird das Motiv der Verborgenheit und Unscheinbarkeit v.a. bei Paulus aufgenommen, vgl. Röm 8,23-25; 2Kor 4,1618; 5,7; Kol 3,3. 340 Dieses Motiv findet sich auch in den beiden Gleichnissen vom königlichen Hochzeitsmahl, Mt 22,1-14, und großen Abendmahl, Lk 14,15-24. Es besteht aus zwei Szenen: Auf einen Prozess der Einladung, des Werbens, des Verkündigens folgt am Ende das Festmahl für die Gekommenen und der Ausschluss bzw. das Gericht über den eigentlich Geladenen bzw. den falsch Gekleideten. Einladung und Fest stehen in einem inneren Zusammenhang. Die Zeit der Einladung endet, wenn das Fest im Festsaal beginnt. Dieser Beginn ist für die Gekommenen mit Heil und für die eigentlich Geladenen mit Unheil verbunden. 341 Ähnlich Schenke, Botschaft, 117: „Seine [sc. Jesu] Vorstellung war eher, dass durch sein Wirken in Israel eine ‚heimliche‘, nicht erkennbare Saat

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Die Rolle des Menschen besteht zunächst im hörenden Empfang des Wortes bzw. der Botschaft Jesu und in der Offenheit und Bereitschaft, es in seinem Herzen fruchtbar werden zu lassen. Wird das Wort so empfangen und aufgenommen, wirkt es Glauben, Früchte der Umkehr und die Gabe des ewigen Lebens. Insofern entspricht das gegenwärtige „Empfangen des Reiches Gottes“ (Mk 10,15) der glaubenden Aufnahme des Wortes Jesu. Gleichzeitig bleibt diese gegenwärtige Realität eine unsichtbare, unscheinbare oder zumindest missverständliche, die erst endzeitlich in der Teilhabe am Reich Gottes offenbar werden wird. Die Vorstellung eines langsamen und sichtbaren Wachstums des Reiches Gottes, die sowohl vom etablierten Begriff „Wachstumsgleichnisse“ als auch von den Bildern selbst suggeriert wird, spielt dagegen keine Rolle auf der Sachebene. Vielmehr geht es stets um den Kontrast zwischen einem unsichtbaren oder unscheinbaren Anfangszustand und einem überwältigenden Endzustand. Daher lässt sich auch die theologiegeschichtlich immer wieder vertretene Deutung eines sich innergeschichtlich durchsetzenden Reiches bzw. einer sichtbar wachsenden Herrschaft Gottes auf Erden nicht von diesen Texten ableiten.

6. Cruces interpretum Die bisherige Interpretation der basilei,a tou/ qeou/ in der Verkündigung Jesu muss sich nun noch an den drei klassischen cruces interpretum bewähren. Dabei handelt es sich um die Logien von der Dämonenaustreibung durch den Finger (Mt: Geist) Gottes, das sog. Exorzismuslogion (Mt 12,28/Lk 11,20), von der basilei,a, die evnto.j u``mw/n ist (Lk 17,20f.), und um den sog. Stürmerspruch (Mt 11,12/Lk 16,16). Die Komplexität und Rätselhaftigkeit dieser drei Logien hat sich bis in

aufgeht, deren Größe und Erfolg sich erst am Ende zeigen wird. Die Aussaat war der ‚Anfang‘ der Basileia, ihr Kommen stand noch aus. Jesus war lediglich der ‚Sämann‘, ihr Bringer war Gott selbst.“

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die Gegenwart hinein nicht gelöst. Aus diesem Grund erscheint es methodisch nicht sinnvoll, dem Weg von Charles H. Dodd zu folgen, dem das Exorzismuslogion als dictum probantium für sein Konzept einer realized eschatology diente, die wiederum zum Grundparadigma seiner Ethik wurde. Entsprechend deutete er alle basilei,a-Belege vom Exorzismuslogion her und die große Mehrheit der Exegeten folgte ihm im 20. Jahrhundert dabei. M.E. muss der Weg dagegen in umgekehrter Richtung beschritten werden: Der Ausgangspunkt kann nicht bei einer crux interpretum liegen, deren Aussage singulär ist und zwar nicht nur in den Evangelien, sondern im gesamten Neuen Testament, sondern vielmehr muss umgekehrt ein auf der Grundlage aller anderen Belege erarbeitetes Konzept seine Deutungskraft auch an einer crux interpretum erweisen und sich evtl. von dieser her modifizieren lassen. 6.1. Das Exorzismuslogion (Mt 12,28/Lk 11,20) Das Exorzismuslogion ist in seiner Wirkungsgeschichte kaum zu überschätzen. Nahezu alle großen Entwürfe des 20. Jahrhunderts nahmen bei diesem Logion entweder ihren Ausgangspunkt oder fanden in ihm ihren Schwer- und Mittelpunkt342. Von diesem Logion aus wurde das gesamte Wirken Jesu als Verwirklichung, Herbeiführung, Aktualisierung, Manifestation, Vorabschattung, Antizipation, Dämmerung, Anbruch oder Einstand der basilei,a oder gar als realized eschatology, Übergang der Äonen und Vergegenwärtigung der Zukunft verstanden343, und das, obwohl diese Deutung nirgendwo sonst in den Evangelien, geschweige denn im Neuen Meier, Marginal Jew II, 399, spricht von einem „star witness“. Z.B. Merk, Reich Gottes 210f., im Blick auf Mt 12,28/Lk 11,20: „In Jesu Gegenwart, Jesu Tun geschieht bereits endzeitliches Heil. Indem Jesus dieses Wort sagt, verkündigt er die Gegenwart des Reiches Gottes in seiner Person“; oder auch Hampel, Menschensohn, 82: „Die duna,meij ... sind Ausdruck verwirklichter Gottesherrschaft (Lk 11,20par), Hinweis auf die Zerstörung der Satansherrschaft, die sich in jeder Dämonenaustreibung proleptisch vorwegereignet; sie legen Zeugnis ab für die mit Jesu Wirken angebrochene Heilszeit.“

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Testament einen Widerhall findet und keiner der genannten Begriffe ein biblisches oder gar synoptisches Vorbild hat344. Von daher ist es zwingend, diesem Logion eine größere Aufmerksamkeit zu widmen: Wenn ich aber durch Gottes Finger (Mt: Geist) die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen (a;ra e;fqasen evf v u``ma/j h`` basilei,a tou/ qeou/). (Lk 11,20)345

6.1.1. Das Exorzismuslogion im Kontext Komplex ist schon die Frage, ob das Logion im gegenwärtigen Kontext seinen originären Platz hatte oder ob es ursprünglich ein unabhängiges Logion war, das im jetzigen Zusammenhang seinen (sachgemäßen) Ort gefunden hat346. Der Textzusammenhang wäre einerseits ohne das Exorzismuslogion ebenso verständlich und in der markinischen Variante des Textes (Mk 3,23-27) fehlt das Exorzismuslogion. Hinzu kommt, dass das Subjekt von „eure Söhne“ bzw. „eure Richter“ in Mt 12,27/Lk 11,19 ein anderes zu sein scheint als das Objekt von „zu euch gekommen“ in Mt 12,28/Lk 11,20347. Wenn Jesus schließlich im vorangehenden Vers die Legitimität seiner Exorzismen von der Legitimität der Exorzismen seiner Gesprächspartner abhängig macht, dann wäre die logische Konsequenz, dass auch durch deren Exorzismen die basilei,a gekommen wäre, was aber kaum gemeint sein kann. So hat es zumindest den Anschein, dass hier zwei Hiers, Kingdom, 32. Es gibt wenige Jesus-Logion, die in der Forschung, v.a. aufgrund des Differenzkriteriums, so einmütig – und überraschend unkritisch – als authentisch bewertet werden wie das Exorzismus-Logion; vgl. nur die Belegauswahl bei Evans, Exorcisms, 171, Anm. 46, sowie Merkel, Gottesherrschaft, 142f.; Meier, Marginal Jew II, 404.413-422. Lediglich die ältere Forschung, vgl. z.B. Merklein, Botschaft, 53, Anm. 45, und Exegeten, wie z.B. Sanders, Jesus, 133-141, die bei Jesus nur eine rein zukünftige basilei,aErwartung erkennen wollen, lehnen die Authentizität des Logions ab. 346 So ausführlich Meier, Marginal Jew II, 407-411, ebenso Evans, Exorcisms, 170. 347 Meier, Marginal Jew II, 409. 344 345

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authentische Jesus-Logien konflationiert wurden. Andererseits verschärft diese Annahme das Problem erheblich, denn isoliert vom jetzigen Kontext in Mt 12,22-30 und Lk 11,1423 könnte das Logion eine völlig andere Aussageintention gehabt haben. Die Chancen, dem Logion eine sinnvolle Deutung abzugewinnen, würden damit erheblich sinken. Die Interpretationsfähigkeit des Logions steht und fällt de facto mit seiner Integrationsfähigkeit in den gegebenen Kontext. Nun hat Martin Hengel gegenüber den redaktionskritischen Zweifeln darauf hingewiesen, dass sich Lk 11,20par im vorliegenden Kontext durchaus sinnvoll verstehen lässt: „Es handelt sich um eine fünfteilige Spruchkomposition mit drei plus zwei Zeilen und einer deutlichen Klimax in der letzten Zeile.“ Er hält es folglich für „sehr fraglich, daß dieser Vers, wie heute zumeist vermutet wird, erst sekundär durch Stichwortassoziationen mit 11,19 verbunden wurde“348. Eine andere Frage betrifft die Alternative zwischen „Geist“ (Mt) und „Finger“ (Lk). Die lukanische Variante „Finger Gottes“ ist wahrscheinlich ursprünglicher als die matthäische Variante mit „Geist Gottes“349. Es handelt sich dabei

Hengel, Finger, 91, sowie ebd.: „In Wirklichkeit ergibt 11,19 und 20 als Ganzes einen sinnvollen und geschlossenen Zusammenhang. [...] Ich glaube ..., daß wir in Lk 11,19f. = Mt 12,27f. die griechische Fassung eines ursprünglichen Jesuswortes vor uns haben“, ähnlich Smith, Teaching, 118: „[T]here is no reason to question the compatibility of the two sayings: the argumentation in Lk. 11.19-20//Mt. 12.27-28 is self-consistent. The argument in Lk. 11.19//Mt. 12.27 is reductio ad absurdum, designed to show how indefensible the accusation of Jesus’ detractors is based on their own beliefs. The argument in Lk. 11.20//Mt. 12.28 is not from exorcisms in general but from Jesus’ own exorcisms. This means that in Lk. 11.20//Mt. 12.28 Jesus is not assuming that he is doing the very same thing that other exorcists are doing. The most that can be said is that Jesus is tolerant of other exorcists, not that he sees himself as one of them.“ 349 Es wäre angesichts des generellen Interesses am Wirken des Heiligen Geistes, der die gesamte heilsgeschichtliche Konzeption des lukanischen Geschichtswerkes nicht nur begleitet, sondern der „Motor“ und Initiator des Geschehens von den Geburtsgeschichten (Lk 1-2) an bis zur Mission der Apostel ist, überraschend, wenn Lukas hier „Geist“ mit „Finger“ ersetzt hätte; so auch Meier, Marginal Jew II, 410; Hengel, Finger, 89; Evans, Exorcisms, 170f. und Theißen/Merz, Jesus, 237. Zwar hat Lukas auch eine 348

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um eine Anspielung auf Ex 8,15, wo Mose von den ägyptischen Zauberern aufgrund seiner Wundermacht als der „Finger Gottes“ tituliert wird350. Im Kontext von Lk 11,20 bedeutet dies: Wie damals die ägyptischen Zauberer mit ihren Künsten Mose gegenüberstanden, so stehen in der Gegenwart die Gegner Jesu mitsamt den Exorzismen ihrer „Söhne“ nun Jesus gegenüber351. 6.1.2. Die Einzigartigkeit des Exorzismuslogions Unabhängig von diesen Fragen hat das Exorzismuslogion unter allen Reich-Gottes-Logien aus einer Reihe von Gründen eine singuläre Stellung: (1) Das Logion ist das einzige synoptische basilei,a-Logion, welches die basilei,a tou/ qeou/ in einer Satzkonstruktion mit dem Verb fqa,nein als „gekommen“ (vgl. den Aorist e;fqasen) bezeichnet. Bei den Logien, welche die basilei,a mit einer Form von evggu,j bzw. evggi,zein352 oder mit einer Form von evlqei/n (Mt 6,9/Lk 11,2 und Mk 9,1) in Verbindung bringen, ist das nicht der Fall und das, obwohl in Mt 10,7; Lk 9,1f. und Lk 10,9.11 ebenfalls von Krankenheilung und Exorzismen die Rede ist. Warum wird die basilei,a im einen Fall als gekommen (e;fqasen) und im anderen als nahe (evggu,j) bzw. nahe gekommen (h;ggiken) verkündet? (2) Das Exorzismuslogion ist das einzige basilei,a-Logion, für das die Übersetzung „Königsherrschaft Gottes“ bzw.

Vorliebe für die Beschreibung göttlichen Handelns durch die „Hand Gottes“ (vgl. Lk 1,66; Act 4,28), was aber etwas anderes ist als der „Finger Gottes“. Dagegen argumentiert Caragounis, Kingdom, 8-12, für eine matthäische Priorität bei diesem Logion. 350 Die Formulierung ist singulär im Neuen Testament, ebenso wie die Anspielung auf Ex 8,15. Auch in der rabbinischen Literatur gibt es nur eine sehr späte Referenz in der Exodus Rabbah (ExR 10,7). Caragounis, Kingdom, 9f., möchte die Bezüge des Textes zu Ex 8,15 herunterspielen und argumentiert für Dan 5,5LXX/Q als wahrscheinlicheren Referenztext, kann aber nicht überzeugen. 351 Theißen/Merz, Jesus, 237; vgl. zum Ganzen auch Hengel, Finger, 87-106. 352 Mt 3,2; Mt 4,17/Mk 1,15; Mt 10,7f./Lk 9,2/Lk 10,9.11; Lk 21,31.

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„Gottesherrschaft“ sinnvoll ist, denn es geht zwar im Kontext des Logions um die Eroberung von Territorien (vgl. Mt 12,25f.29/Lk 11,17f.21f.), aber es ist evident, dass es sich hier um einen Kampf um Macht und die Vorherrschaft über Territorien handelt353. (3) Das Exorzismuslogion ist neben Mt 10,7f./Lk 10,9 das einzige Logion, das eine Beziehung zwischen der basilei,a und Jesu Heilungen, Exorzismen und Wundern herstellt354. Während ein Großteil der Ausleger diesen Konnex als fundamental und zentral für die Reich-Gottes-Verkündigung Jesu betrachtet, gibt es dafür nur diese beiden Belege. Bei der Dominanz, die sowohl die Reich-Gottes-Verkündigung auf der einen als auch die Heilungen und Exorzismen Jesu auf der anderen Seite in den Evangelien generell, v.a. aber im Markusevangelium haben, ist es bemerkenswert, dass diese scheinbar so bedeutende Verbindung weder in Mk 3,22-27 noch irgendwo sonst im Markusevangelium erwähnt wird. (4) Es ist das einzige Jesuslogion, in dem die basilei,a in eine Beziehung bzw. einen kosmischen Konflikt mit Satan gestellt wird355. Wir haben eine Reihe von Logien, in denen die basilei,a als Antonym für die Hölle dient (Mk 9,42-48; Mt 25,34.41), aber kein weiteres synoptisches Logion, wo das Reich Gottes mit dem Sieg über den Satan in Verbindung

Man könnte höchstens einwenden, dass die Bezeichnung „Königsherrschaft Gottes“ deshalb hier unangebracht ist, weil die Antagonisten nicht Gott und Satan sind, sondern eindeutig Jesus und Satan. Letzterer besitzt zwar ebenfalls ein Herrschaftsterritorium, es wird ihm jedoch nirgendwo der Königstitel zugesprochen, er ist „nur“ a;rcwn tw/n daimoni,wn (Lk 11,15); vgl. Aalen, Reign, 229. 354 Evans, Exorcisms, 170. 355 Entsprechend deutet Evans, ebd., 165, das Exorzismuslogion maßgeblich vor dem Hintergrund der frühjüdischen Tradition des kosmischen Kampfes zwischen Gott und Satan, vgl. Dan 2,44; 7,18.22Q.27; Dan 10,13f.; TestDan 5,10-13; 1QM 6,6; 17,5-8; AssMos 10,1-10 und Sib 3,767. 353

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gebracht wird356. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass Exorzismen im Sinne von Siegen über die satanisch-dämonischen Mächte immer eine eschatologische Bedeutung haben357. (5) In der Konsequenz ist es schließlich das einzige Logion, in dem die basilei,a eine negative Konnotation einschließt. Während in allen anderen basilei,a-Belegen die basilei,a eine ausschließlich positive Konnotation als (heller) „Raum des Heils“ (im Gegensatz zur Dunkelheit „draußen“, wo Heulen und Zähneklappern herrscht), „Zeit des Heils“, „Gabe des Heils“ oder „Wort des Heils“ besitzt, ist es beim Exorzismuslogion unumgänglich, die negative Bedeutung für Feinde und Gegner mitzubedenken, die eo ipso Voraussetzung für die positive Seite ist358. Diese negative Auswirkung bezieht sich zunächst direkt auf Satan und die Dämonen, aber auch auf die Jesus feindlich gesinnten Gesprächspartner unter den Pharisäern. Denn das „auf euch (evf vu`ma/j) kommen“ der basilei,a kann auch als Warnung und Drohung an jene verstanden werden, die der Person und dem Wirken Jesu ablehnend gegenüber stehen359. 6.1.3. Die Spannung zwischen Exorzismuslogion und Kreuz Für das Verständnis der Sendung Jesu ergeben sich aus dem herkömmlichen dynamisch-präsentischen Verständnis des Logions eine Reihe von Problemen, auf die Chrys C. Caragounis hingewiesen hat: Wenn mit den Exorzismen Jesu das Reich Gottes gekommen ist und dieses eine präsentische 356 Vgl. aber Lk 10,18; sowie Joh 12,31; 16,11; 1Kor 15,24-28 (dort aber „Reich Christi“), und Apk 12,5ff. Hiers, Kingdom, 55, erinnert darüber hinaus an das Vaterunser-Gebet Jesu, wo nicht nur um das Kommen des Reiches, sondern auch um die Erlösung von dem Bösen (Satan) gebeten wird. 357 Ebd., 33: „The connection between exorcism and the Kingdom of God, then, is that the former prepares for the coming of the latter.“ 358 Kvalbein, Preacher, 91f. 359 Mattill, Luke, 172: „This sense of threatening catastrophe indicates the kingdom is thought of as imminent future reality, whose coming, like the judgment of 11:30-32.50-51, is ‚bad news for Jesus’ accusers‘.“

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Heilswirklichkeit darstellt, welche Bedeutung haben dann noch Kreuz und Auferstehung Jesu?360 Wirkt der Ziel- und Höhepunkt der Evangelien dann nicht wie ein letztlich überflüssiger Appendix? Sind die „Passionsgeschichten mit ausführlicher Einleitung“ – um das berühmte Diktum Martin Kählers zu zitieren361 – faktisch eher „Wundergeschichten mit langem Appendix“? In welchem Verhältnis steht das gekommene Reich zu den Karfreitags- und Osterereignissen, die für die Apostelgeschichte und die ntl. Briefliteratur zum Zentrum des Wirkens Jesu gehörten? Das klassische Verständnis des Exorzismuslogions wirft hier mehr Fragen auf als es beantwortet. Rudolf Bultmann und eine Reihe seiner Schüler wie Ernst Käsemann, Hans Conzelmann oder Philipp Vielhauer versuchten diese Problematik so zu lösen, dass sie dem historischen Jesus alle Weissagungen über sein bevorstehendes Leiden und Sterben absprachen und alle Logien vom leidenden Menschensohn als nachösterliche Gemeindebildungen deklarierten. Der historische Jesus habe als jüdischer Prophet nur die anbrechende Gottesherrschaft verkündigt, ohne sich selbst in irgendeine direkte Beziehung dazu zu setzen. Im Rahmen einer „konservativeren Lösung“ gehen Karl Rahner, Romano Guardini, Anton Vögtle, Fritz Neugebauer, Willi Marxsen, Heinz Schürmann, Rudolf Pesch u.a. davon aus, dass der historische Jesus zwar ein Bewusstsein seines bevorstehenden Todes gehabt, dieses aber erst im Laufe seiner öffentlichen Wirksamkeit im Zuge der Ableh-

Caragounis, Art. Kingdom of God, 422f.: „If the Kingdom of God had come already, say, by the time Jesus uttered the saying in Matthew 12:28 and Luke 11:20, how is the remainder of Jesus’ earthly existence to be understood? And what about the Son of man’s duty to ‚give his life as a ransom for many‘? What is the significance of his death? And how did Jesus relate his death to the kingdom of God? [...] And to emphasize the coming of the kingdom prior to the time of the ephtasen saying raises the question of whether the death of Jesus is superfluous to that coming.“ 361 Kähler, Jesus, 60, Anm. 1. 360

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nung seiner Botschaft durch die jüdischen Erstadressaten gewonnen habe.362 Volker Hampel spricht in diesem Zusammenhang im Anschluss an Anton Vögtle von einem „Offenbarungsfortschritt“.363 Man sollte den Gedanken, dass Jesus in irgendeiner Weise auf die ablehnende Haltung der jüdischen Autoritäten „reagierte“ und sie in ihm etwas „auslöste“ nicht von vornherein ignorieren. Sowohl das Lukasevangelium (Lk 2,52) als auch der Hebräerbrief (Hebr 5,8) beschreiben Jesus als Lernenden und alle Evangelien zeichnen ein Bild von Jesus, das ihn in beständiger Abhängigkeit und Interaktion mit seinem himmlischen Vater zeigt. Auch die Enttäuschung Jesu über den Unglauben und die Ablehnung seines Volkes, die er nicht überwinden konnte, kommt in den Evangelien immer wieder zum Ausdruck (z.B. Mt 22,37ff.). Allerdings bleiben solche Erwägungen immer in hohem Grade spekulativ. Wir können schlicht nicht wissen, wann Jesus welches Bewusstsein seiner Sendung hatte. Dies lässt auch die redaktionsgeschichtlichen Hypothesen im Blick auf die Authentizität und chronologische Einordnung der fraglichen Logien in die Wirksamkeit Jesu extrem gewagt erscheinen. Zu einem vertieften Verständnis des Exorzismuslogions muss zwei Elementen des Logions eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es handelt sich dabei zum Einen um das Verb fqa,nein und zum Anderen um den Begriff des „Fingers Gottes“ in der lukanischen Version. 6.1.4. Was bedeutet fqa,nein? Seit Charles H. Dodd das Exorzismuslogion zum Fundament seiner realized eschatology machte, wird immer wieder die Bedeutung der Aoristform des Verbs diskutiert. Während die Mehrzahl der Exegeten die Aoristform als Beschreibung Belege bei Hampel, Menschensohn, 234-236, Anm. 117-129. Ebd., 127.239; vgl. auch 126: „Erst im Verlauf seiner Wirksamkeit, als er die göttliche Notwendigkeit seines (stellvertretenden Sühne-)Todes erkannte, sprach er von seiner Inthronisation auch über sein Leiden und sterben hinaus“, ausführlich ebd., 234-245. 362 363

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eines zum Zeitpunkt der Äußerung Jesu in der unmittelbaren Vergangenheit liegenden Ereignisses versteht364, gibt es immer wieder Zweifel an dieser Interpretation. Reginald H. Fuller verstand das e;fqasen zwar ebenso wie Dodd als „has come“, jedoch im Sinne einer prophetischen Redeform, die ein künftiges Geschehen proleptisch so schildert, als ob es bereits geschehen wäre365. Auch nach Wilhelm Michaelis könne Mt 12,28 „[a]uf keinen Fall ... Anlass sein, von einer Gegenwart des Reiches Gottes zu sprechen“366. Caragounis möchte das Verb im Licht eines „well attested but little known and generally misunderstood Greek idiom“ verstehen, wonach der Aorist manchmal benützt wird, um „the certainty and the immediacy“ einer Handlung zu beschreiben, die zwar eigentlich zur Zukunft gehört, aber so geschildert wird, als sei sie bereits geschehen367. Entsprechend betrachtet Chrys C. Caragounis das Kommen der basilei,a als unmittelbar bevorstehend, aber noch nicht gegenwärtig. Die Wunder und Exorzismen Jesu sind lediglich „the preliminaries, not the kingdom of God itself“368. In ähnlicher Weise wie Caragounis weist auch Chris Green darauf hin, dass der Aorist niemals eine augenblickliche Aktion bzw. ein bestimmtes Momentum beschreibt, sondern immer einen dauerhaften Vorgang. Angesichts von Mk 11,24; Joh 13,31 und Röm 8,30 könne „the aorist well be used of a future event

364 Einen knappen Überblick über die Auslegungsgeschichte des Logions seit Dodd bietet Caragounis, Kingdom, 13-20. 365 Fuller, Mission, 25-27. 366 Michaelis, Mt II, 154. 367 Caragounis, Kingdom, 20-23:21: „The aorist here emphasizes two points: the certainty and the immediacy of the action. ;Efqasa! means ‚you can consider me as being (virtually) there‘ ... The meaning is always future in that the time of the action denoted by the verb is always subsequent to that of the utterance.“ Als antike Parallelen zum idiomatischen Gebrauch im modernen Griechisch führt Caragounis Eur Alc 386-391; Ez 7,3-5; Dan 4,24.28.31; 5,26ff.; 7,27 (Q); Joh 15,6; 1Thess 2,16; Röm 14,13 an. Vgl. auch ders, Art. Kingdom of God, 422f.; ders., John and the Synoptics, 475f., und v.a. die erweiterte Version der Argumentation für ein idiomatisches Verständnis in ders., Development, 261-278. 368 Caragounis, Art. Kingdom of God, 423.

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that is so certain that it can be talked of as a present reality“369. Ob man den Argumenten von Caragounis und Green für eine faktisch futurische Deutung des Aorist e;fqasen folgen mag, ist eine Sache. Deutlich ist jedoch zumindest, dass der Aorist sicher nicht das schlagartige und augenblickliche Hereinbrechen des Reiches Gottes durch die Exorzismen Jesu beschreiben kann. Weiterführender als die Diskussion um die Tempusbedeutung von e;fqasen ist ein Blick auf die Begriffsbedeutung von fqa,nein. Im Profangriechischen hatte fqa,nein ursprünglich die Bedeutung von „zuvorkommen, zuvortun, voraussein, überholen“, oft in Verbindung mit einem komparativen Element370. In späterer Zeit tritt dieses Element zurück und die Semantik erweitert sich zur Bedeutung „erreichen, ankommen, herankommen, gelangen“, was schon in der Septuaginta sichtbar wird und allgemein auch für das Exorzismuslogion angenommen wird371. Allerdings ist auch die ursprüngliche Bedeutung „zuvorkommen, vorausgehen“ in hellenistischer und frühjüdischer Zeit noch belegt (Phil Leg All 3,215; Jos Ant 7,247; 8,210; Vit 15), sogar im Neuen Testament (1Thess 4,15). Entscheidend ist aber, dass das Verb fqa,nein im biblischen Kontext stets den Moment des Eintreffens eines bestimmten Ereignisses bzw. den Augenblick des Kontakts beschreibt, aber niemals die Erfahrung eines eingetroffenen Zustandes. In den 26 Belegen des Verbs in der LXX geht es ausnahmslos um Vorgänge des Ankommens bzw. um den exakten Punkt des Kontakts, aber niemals um die Teilnahme an der auf den Kontakt folgenden Situation oder Erfahrung. Das Verb beschreibt die Ankunft einer Person, einer Sache oder eines Ereignisses exakt an dem Punkt, an dem sie zu einer erfahrbaren Realität wird. Es geht nirgendwo um die Beschreibung eines erfahrbaren Zustands, sondern in all diesen Zusammenhängen ist das angekündigte Ereignis im Begriff des Eintreffens, unmittelbar bevorstehend

Green, King, 126f. Fitzer, ThWNT IX, 90. 371 Ebd., 90f.93f. So auch Theißen/Merz, Jesus, 236: „Das Verb ‚ankommen‘ (fqa,nein), ... meint mehr als ein ‚Nahe-herbeigekommen-Sein‘. Es kann ‚einholen’ und ‚überholen’ bedeuten.“ 369 370

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oder im Moment der Ankunft beschrieben372. Deshalb können in den griechischen Übersetzungen Dan 4,11 und 4,22 fqa,nein (Theodotion) und evggi,zein (LXX) offensichtlich als parallele Übersetzungen für denselben Vorgang verwendet werden373. Im Neuen Testament findet sich das Verb abgesehen vom Exorzismuslogion nur noch bei Paulus374. Auch hier geht es in allen Belegen um einen Vorgang, der noch zu keiner erfahrbaren Realität für die Betroffenen geworden ist, sondern sich gerade im Moment des Eintreffens (e;fqasen) befindet. Dies ist evident in Bezug auf den in 1Thess 2,16 erwähnten Zorn Gottes über dem jüdischen Volk. Hier liegt noch keine Erfahrung dieses Zornes vor. Paulus konstatiert lediglich das unmittelbare Eintreffen des Zornes Gottes. In 1Thess 4,15 versucht Paulus die Thessalonicher mit dem Hinweis zu trösten, dass die zum Zeitpunkt der Parusie Lebenden nicht jenen „zuvorkommen“ (fqa,swmen) werden, die bereits entschlafen/verstorben sind. Es geht hier um den konkreten Zeitpunkt der Wiederkunft und des Beginns von Gottes neuer Welt. Die „Entschlafenen“ werden hier nichts verpassen bzw. die noch Lebenden keine Erfahrungen machen, die den Entschlafenen entgehen. In Röm 9,31 argumentiert Paulus, dass Israel trotz allem Streben nach dem Gesetz der Gerechtigkeit es noch nicht „erlangt“ (e;fqasen) hat, d.h. noch nicht an diesen Punkt des Erreichens gekommen ist. Bemerkenswert ist Phil 3,16, wo Paulus einen bestimmten Punkt christlicher Existenz fokussiert, der von ihm und seinen Adressaten „erreicht“ (evfqa,samen) wurde. Die sich aus dem erreichten Punkt ergebende Erfahrung bringt er jedoch mit einem zweiten Verb (stoicei/n) zum Ausdruck. Es geht folglich auch hier jeweils um den Moment des Eintreffens, Erreichens oder des Kontakts, aber nicht um die Beschreibung eines eingetroffenen Zustands375.

Es ist somit höchst unwahrscheinlich, dass das Verb in Mt 12,28/Lk 11,20 einen eingetretenen Zustand im Sinne der verwirklichten Gottesherrschaft beschreibt. Viel wahrscheinlicher ist, dass das Verb einen Moment des Kontakts beschreibt, der mit „... so hat euch die basilei,a tou/ qeou/ (schon) zuvor erreicht/eingeholt“ übersetzt oder paraphrasiert werden kann im Sinne von: „... so ist die gegenwärtig schon im Himmel verwirklichte basilei,a tou/ qeou/ schon vor ihrem eigentlichen Anbruch auf Erden am Ende der Zeit in

372 Vgl. z.B. Jdc 20,34.42; Esr 3,1; Eccl 8,14; Dan 4,28; 6,24; 7,13; 7,22; 8,7; Cant 2,12; 1Chr 28,9 vgl. 1Thess 2,16. 373 Vgl. die fast identische Bedeutung in TestRub5,7. 374 1Thess 2,16; 4,15; 2Kor 10,14; Röm 9,31; Phil 3,16. 375 Mattill, Luke, 169-172.

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meinem exorzistischen Wirken punktuell zu euch gelangt376. Eine präsentische Verwirklichung des Reiches Gottes im Sinne eines ausgedehnten Zustandes wäre auch insofern merkwürdig, weil die basilei,a bei den vorausgegangenen Exorzismen nur nahe gekommen ist (vgl. Mt 10,7f./Lk 9,2/Lk 10,9.11). Vor diesem Hintergrund ergibt auch die Rede vom Finger Gottes einen kohärenten Sinn. 6.1.5. Der „Finger Gottes“ Martin Hengel betrachtet mit Recht den im „Finger Gottes“ gegebenen Hinweis auf Ex 8,15 als den Schlüssel zum Verständnis des Logions377. Der „Finger Gottes“ ruft die MoseWunder gegenüber Pharao und seinen Magiern in Erinnerung. Bei der dritten Plage versagen ihre magischen Fähigkeiten und sie müssen zugeben, dass in den Werken Moses und Aarons „Gottes Finger“ wirkt, d.h. dass Gott selbst und nicht eine magische Zauberkunst der Ursprung der Stechmückenplage ist. Dennoch bleibt der Pharao verstockt. In der Anspielung auf die Exodusstelle dürfte somit zum Einen eine subtile Kritik des Unglaubens seiner Gesprächspartner und Gegner liegen: So wie sich damals der Pharao trotz der offensichtlichen Wundermacht Gottes im Wirken Moses verstockte, so tun es nun auch jene, die hinter Jesu Exorzismen das Wirken des Beelzebul sehen wollen378. Zum Anderen aber ist die Erwähnung von „Gottes Finger“ und die damit vollbrachten Mosewunder ein Hinweis auf die konsekutive Abfolge von zeichenhaftem Sichtbarwerden und der später folgenden Befreiung des Volkes. In den mosaischen 376 Ähnlich Hasler, EWNT III, 1008: „Dadurch war nicht das von Jesus als nahe verkündigte, himmlische Gottesreich bereits eingetroffen [...]. Nur seine dämonenbezwingende Macht gelangte vor die Augen der Gegner (e;fqasen Aor. und evpi, mit Akk.).“ Sanders, Jesus, 134, verweist auf TestAbr 1,3 (Rez. A), wo der Verfasser einleitend schildert, dass auch zu Abraham der „Kelch des Todes kam“ (e;fqasen), was jedoch nicht bedeutete, dass er sofort starb, sondern lediglich, dass damit sein künftiger Tod an sich bestimmt wurde. 377 Hengel, Finger, 91. 378 Ebd., 99.102.

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Zeichen gegenüber Pharao und seinen Magiern wurde die Macht Gottes angedeutet, die sich nachfolgend und umfassend in der Befreiung Israels aus ägyptischer Herrschaft offenbarte379. Wenn Jesus mit der Erwähnung des „Fingers Gottes“ genau diesen Zusammenhang in Erinnerung rufen möchte, dann ist der Vers wie folgt zu paraphrasieren: Wenn ich so wie Mose vor Pharao und seinen Magiern mit dem Finger Gottes machtvolle Zeichen und Wunder vollbringe, indem ich die Dämonen austreibe, dann ist darin zeichenhaft und punktuell die Wirklichkeit der künftigen und schon jetzt in der himmlischen Wirklichkeit existierenden basilei,a bereits vor ihrem Anbruch auf Erden am Ende der Zeit auf euch gekommen. So wie damals der Exodus und die Befreiung aus der Knechtschaft die Folge dieser Zeichen waren, so wird das künftig auf Erden kommende Reich Gottes auch die Folge meines zeichenhaften Wirkens sein. Die Exorzismen und Heilungen sind ein Zeugnis und Zeichen für das künftige Kommen der basilei,a, aber kein Teil, Beweis oder Ausdruck ihrer schon realisierten irdischen Gegenwart380. Diese Deutung würde sowohl dem Aorist e;fqasen als auch dem bisher erarbeiteten basilei,a-Konzept Rechnung tragen. Die basilei,a als die künftige Zeit vollkommenen und umfassenden Heils bleibt ein ausschließlich positiver Begriff. Es ginge somit nicht darum „die Herrschaft Gottes zu akzeptieren“381, sondern die von Jesus gewirkten Exorzismen

Ebd., 100; ebenso Mattill, Luke, 171. Franklins Evaluation, Christ, 24, des lukanischen Zeugnisses besitzt Gültigkeit für das gesamte synoptische Bild der Verkündigung Jesu: „Its present manifestation is witnessed to, rather than to be found in, the things of this earth … In [Lk] 10.9, 11 it [sc. the kingdom] is not embraced in the Mission of the Seventy, but their works are seen as bearing witness to it. It casts its shadow – or rather its glory – over this life, but only as this world reflects the victory that is being won in the transcendent. […] The present workings of the kingdom, though they cannot be seen, are real and will be vindicated in the glory revealed at the End. They point to the complete hiddenness of the kingdom in the present. […] They are seen not as marks of embodiment of the kingdom but of its reality. In themselves they are not actual expressions of it; it does not embrace them, and they are not part of it.“ 381 So Evans, Exorcisms, 173. 379 380

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als punktuelle Zeichen der nahe gekommenen, aber noch zukünftigen basilei,a wahrzunehmen, ohne dass damit schon in der Gegenwart eine innergeschichtliche Umwälzung aller Verhältnisse impliziert wäre382. Diese Deutung entspräche schließlich sowohl der frühjüdisch-apokalyptischen wie frühchristlichen Erwartung, welche die Wirklichkeit der basilei,a mit dem Sieg über Satan und dessen Vernichtung verbindet383. Das einzige synoptische Jesuslogion, das einen Fall Satans thematisiert, ist das rätselhafte Wort in Lk 10,18384. 6.1.6. Das Logion vom Satansfall (Lk 10,18) Die Auslegungsgeschichte dieses Logions ist alt und wechselhaft. Simon Gathercole385 unterscheidet dabei die vorzeitliche Deutung, die Deutung auf ein Ereignis in der Gegenwart bzw. Wirksamkeit Jesu und die eschatologische Deutung. Die patristische Deutung sah in dem Logion das Au-

382 Auch Hengel, Finger, 103, weist an dieser Stelle die Deutung im Sinne einer „realized eschatology“ als eine „zu moderne, idealistische bzw. platonisierende Interpretation der Verkündigung Jesu“ zurück und spricht von einer „punktuell im konkreten Wirken Jesu“ präsenten „Gottesherrschaft“. Er verweist an dieser Stelle auf den Unterschied zwischen den mit dem „Finger Gottes“ vollbrachten Zeichen vor Pharao und seinen Magiern und dem mit der „großen/mächtigen Hand Gottes“ vollbrachten Schilfmeerwunder als dem eigentlichen Befreiungswunder: „Nach einer verbreiteten jüdischen Überlieferung wird im Zusammenhang des Exodusgeschehens erst beim Schilfmeerwunder, d.h. bei der definitiven Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft, Gottes Königtum, die uneingeschränkte Herrschaft über seine Schöpfung erkannt und anerkannt“; vgl. dazu Ego, Weltherrschaft, 256-283. Entsprechend unterstreicht nach Hengel, Finger, 104f., das „unter diesem Aspekt zurückhaltende evn daktu,lw qeou/ die je punktuelle Form dieser ‚Ankunft‘“. 383 AssMos 10,1.7-10; TestDan 5,10-13; Jub 23,29; 1QM 6,6; 17,5-8; 18,1; Apk 12,7-10; 20,1-3.10. 384 Die Authentizität des Logions wird allgemein anerkannt; siehe Merklein, Botschaft, 60, und Vollenweider, Ich sah, 190. Zur Literatur vgl. Gathercole, Vision, 143, Anm. 2. 385 Gathercole, ebd., 144.

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genzeugnis des präexistenten Christus vom ur- bzw. vorzeitlichen Fall Satans386. Das Problem dieser vorzeitlichen Deutung ist weniger die Abwesenheit einer Präexistenzchristologie im Lukasevangelium, sondern vielmehr, dass diese Deutung im Kontext von Lk 10,17-20387 unverständlich bleibt. Warum sollte Jesus auf die euphorischen Siegesmeldungen seiner Jünger mit einem Hinweis auf den vorzeitlichen Fall Satans antworten und warum sollte er auf einen solchen Hinweis hin die Jünger ihrer künftigen Immunität gegenüber satanischen Angriffen versichern?388 Die gesamte Perikope bliebe bei einer vorzeitlichen Deutung rätselhaft und unverständlich. In neuerer Zeit wird der Vers deshalb v.a. auf ein Ereignis der jüngeren Vergangenheit389 oder der unmittelbaren Zukunft in der Wirksamkeit Jesu gedeutet. So wird der Satanssturz im Sinne einer realized eschatology mit der Inkarnation Jesu390, seiner Taufe391, der Versuchungsgeschichte (Lk 4,113par)392, mit der Jüngermission (Mt 10,5-15/Lk 9,1-6; 10,112)393, der „Bindung des Starken“ und dem Kommen der

Z.B. Tert De Anima 17; Or Princ 1,5,5; De Orat 26,5; Cels 4,92. Die Deutung wird entweder auf Jes 14,12-22 oder auf Ez 28,11-19 begründet. Im 20. Jh. wurde die Deutung nur noch von wenigen Exegeten wie z.B. Kittel, ThWNT IV, 133, Anm. 120, vertreten. 387 Natürlich kann man versuchen, nach der Bedeutung eines von seinem jetzigen Kontext isolierten Jesuslogions zu fragen, begibt sich damit aber in einen hochspekulativen Bereich. Wir können nicht wissen, ob Jesus das Logion unabhängig von seinem jetzigen Kontext formuliert hat und was es dann bedeutet haben könnte. Wir können es nur und ausschließlich in seinem jetzigen Kontext interpretieren. 388 Gathercole, Vision, 149. 389 Müller, Vision, 418-422, möchte im Satanssturz ein himmlisches Ereignis sehen, das mit der Wirksamkeit Jesu und seiner Jünger höchstens indirekt im Sinne eines Ermöglichungsgrundes etwas zu tun hat, aber nicht durch Jesus und seine Jünger bewirkt wurde. Auch damit ist für den Kontext von Lk 10,17-20 letztlich nichts beantwortet. 390 Plummer, Lk, 278. 391 Marcus, Jesus’ Baptismal Vision, 515ff. 392 Geldenhuys, Lk, 302. 393 Bock, Lk II, 1007; Danker, Jesus and the New Age, 217. 386

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Gottesherrschaft (Mt 12,22-30/Lk 11,14-23)394 mit dem Gebet Jesu (Lk 22,31)395 oder der Auferstehung Jesu396 in Verbindung gebracht. Im Zusammenhang mit dem Exorzismuslogion ist hier v.a. Vollenweiders Lösung zu würdigen, der den Satanssturz als eine Folge des Kommens der Gottesherrschaft betrachtet und als Voraussetzung für das exorzistische Wirken der Jünger Jesu (vgl. TestLev 18,12)397. Das Grundproblem all dieser Deutungen ist die fortgesetzte, ja zum Teil intensivierte Wirksamkeit Satans auch nach dem postulierten Fall in der Vergangenheit398, gerade auch im lukanischen Geschichtswerk selbst (vgl. Lk 22,3.31; Act 5,3). Auch die Unterscheidung zwischen seinem durch den Himmelssturz verlorenen Zugang zum Thronrat Gottes399 und einer nur noch irdischen Wirksamkeit führt hier nicht weiter, da in Lk 22,31 exakt derselbe Vorgang wie in Hiob 1,6-11; 2,1-6 und Sach 3,1-2 geschildert wird400. Auch bei diesem Logion spricht somit vieles für eine eschatologische Deutung im Sinne einer auch aus Jesu Perspektive endzeitlichen Vision: (1) Obwohl der Imperfekt evqew,roun grammatisch ein vergangenes Geschehen andeutet, wird damit traditionsgeschichtlich in der Apokalyptik gewöhnlich die Schau eines künftigen Ereignisses angedeutet. Vor allem im Danielbuch

Vollenweider, Ich sah, 201. Crump, Jesus, 51. 396 Garrett, Demise, 50f. 397 Vollenweider, Ich sah, 190: „Jesus spricht dann von einem bereits Ereignis gewordenen Sturz Satans und leitet hieraus die Möglichkeit seiner eigenen Exorzismen wie derjenigen seiner Jünger her.“ 398 Vgl. Mt 8,31; 15,22; Mk 4,15; Lk 8,12; 9,42; 13,16; 22,3.31; Joh 13,27; Act 5,3; 26,18; Röm 16,20; 1Kor 5,5; 7,5; 10,19-22; 2Kor 2,11; 11,14; 12,7; 1Thess 2,18; 2Thess 2,9; 1Tim 1,20; 5,15; 1Petr 5,8; Jak 2,19; 4,7; Apk 2,9.13.24; Apk 12,7-12 u.ö. 399 Vgl. Hiob 1,6-12; 2,1-6; Sach 3,1f.; Ps 109,6; äthHen 40,7; Jub 1,20; 48,15.18; Röm 8,34; Apk 12,5ff., sowie Merklein, Botschaft, 61. 400 Gathercole, Vision, 153. 394 395

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werden mit evqew,roun zukünftige und endzeitliche Ereignisse angekündigt401. (2) Die Erwartung eines endzeitlichen Satansfalls im Zusammenhang endzeitlicher Verfolgungen und Bedrängnisse ist traditionsgeschichtlich in der frühjüdischen Literatur breit belegt402. (3) Eine futurisch-eschatologische Deutung verleiht auch der gesamten Perikope eine kohärente Bedeutung: Jesu Hinweis auf den Satanssturz als Antwort auf die Siegesmeldungen der Jünger ist dann ein Hinweis darauf, dass dessen finale Überwindung erst noch aussteht und gerade für die Jünger mit großen Bedrängnissen und Bedrohungen verbunden ist. Somit trägt V. 18 nicht den Charakter des Triumphes, sondern der Warnung403. V. 19f. muss dann als eine Bestätigung der Unversehrbarkeit der Jünger in diesem dämonischen Kampfgeschehen verstanden werden, jedoch verbunden mit dem Hinweis, dass diese nicht in ihrer exorzistischen Bevollmächtigung begründet ist (V. 19-20a), sondern in ihrer göttlichen Erwählung (V. 20b)404. (4) Diese Deutung berührt sich mit den in Jesu Endzeitrede prophezeiten Bedrängnissen der Jünger in den letzten Tagen (Lk 21,12-19; vgl. Mk 13,19-22/Mt 24,22) unmittelbar vor der Parusie Christi. Auch hier werden die Erwählten nicht durch eine ihnen eigene Vollmacht bewahrt, sondern durch

Dan 2,31.34Q; 4,13LXX/Q; 7,2.4.6.7.9.11.13.21; vgl. auch Am 9,1; Jes 6,1; Ez 1,1.4; 8,2.7; 10,1.9; Sach 1,8; 2,1.5; 5,1; 6,1, sowie äthHen 17,3.6-8; 18; 21,3.7; 22,5; 26,2f.; 30,1; 31,1; 106,13; 107,1. 402 Vgl. AssMos 10,1.7-10; TestDan 5,10-13; Jub 23,29; 1QM 6,6; 17,5-8; 18,1; Apk 12,7-10; 20,1-3.10; TestLev 18,12; TestSim 6,6; TestSeb 9,8; TestSol 20,17; slHen 29,4f.; VitAdEv 14-16. 403 Mattill, Luke, 167; Gathercole, Vision, 161: „[T]he focus is not on the fact that the authority given to the disciples has been made possible by the fall of Satan; rather, the future fall of Satan to earth will mean that the disciples will need the supernatural power promised by Jesus“ (kursiv bei G.). 404 Gathercole, ebd., 156.161f., v.a. 162: „[H]e does not want their minds to focus on their abilities derived from the authority over evil powers which they have been granted. Their confidence during the final tribulation should rest in the fact that they belong to God’s elect, that their names are written in the heavenly book of life.“ 401

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das Eingreifen Gottes selbst (Mk 13,21; Lk 21,14.18; vgl. Dan 12,1). (5) Wie sich noch zeigen wird (s. Kapitel VIII.3), erzählt auch Apk 12,5-12 den Satansfall aus dem Himmel als ein endzeitliches Geschehen im Rahmen des Erklingens der siebten Posaune (Apk 11,15; vgl. 10,7)405. Damit aber bleibt der Satan bis in die letzten Tage hinein in seiner Wirkmacht zwar befristet, aber abgesehen von der Bewahrung der Erwählten unbeschränkt. Die göttliche Beschränkung und letztliche Zerstörung seiner Macht und seiner selbst tritt erst durch die Parusie Christi nach einer letzten Intensivierung seines zerstörerischen Wirkens im Rahmen der endzeitlichen „Wehen“ ein (vgl. Apk 12,12ff.; 19,11-21; 20,10, sowie 2Thess 2,8-10)406. 6.1.7. Fazit So undeutlich vieles am Exorzismuslogion bleibt und möglicherweise bleiben muss, so können wir doch folgende Punkte festhalten: (1) Es geht um ein Kampfesgeschehen, in dem sich das zerstörerische und unheilvolle Reich Satans und das heilvolle und befreiende Reich Gottes feindlich gegenüberstehen. (2) Es geht jeweils um das Ziel, einen „Raumgewinn“ (vgl. die Begriffe „Stadt“, „Haus“) im Bereich des Feindes zu erzielen. Jesu Macht über die bösen Geister kündigt zum Einen 405 Mattill, Luke 166, macht auf die zahlreichen Parallelen zwischen Lk 10,18 und Apk 12 aufmerksam: Hier wie dort kommt Satan vom Himmel herab und Christus zeigt umgekehrt seine evxousi,a, Apk 12,10; Lk 10,19. Die Jünger tragen den Sieg über Satan durch ihr Christuszeugnis bzw. ihr performatives Vollmachtswort, Apk 12,11; Lk 10,5.9.11.17, und ihre Furchtlosigkeit, Apk 12,11; Lk 10,3.19, davon. Der Satansfall hat für die Erde schlimme Folgen, Apk 12,12; Lk 10,19; 21,26, und bedeutet für die Gemeinde eine verschärfte Verfolgung, Apk 12,13-17; Lk 10,19; 22,3.31; Act 14,22; vgl. auch die Parallelen in Apk 12,4 mit Lk 21,25. 406 Hiers, Kingdom, 50-56, favorisiert ebenfalls die futurisch-endzeitliche Deutung, möchte in Lk 10,18 aber ganz präzise die „ultimate defeat, rather than his [sc. Satans] inauguration of the period of final ‚woes‘ on earth“ sehen (52).

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den zukünftigen Sieg über Satan an und markiert zum Anderen einen irdischen Raumgewinn in einer noch andauernden Auseinandersetzung407. (3) Die basilei,a kommt zuvor „über“ bzw. „auf“ die Hörer (evf v u``ma/j), ist für diese jedoch weder sichtbar noch direkt identifizierbar. Sie kommt vielmehr überraschend vorgezogen und punktuell, nicht als ein dauerhafter präsentischer Zustand. Ferner bleibt sie missverständlich und interpretationsbedürftig, sonst wäre sie ja auch Jesu Gegnern unmittelbar evident. Stattdessen wird sie erst durch die Deutung der Exorzismen durch Jesus selbst verständlich. Es geht somit um eine neue Wirklichkeit des Heils, die den natürlichen Sinnen noch verborgen ist408, aber indirekt in der Heilung und Befreiung von Dämonen zum Ausdruck kommt. (4) Wahrscheinlich ist, dass der Aorist e;fqasen schon die zeichenhafte und punktuelle Vorabbildung der basilei,a meint. Allerdings hebt das zeichenhafte „Bild“409 der basilei,a in den Exorzismen die Zukünftigkeit des Reiches nicht auf, sondern setzt diese vielmehr voraus410, denn die basilei,a ist ja gerade dadurch gekennzeichnet, dass es keinen Satan und keine Exorzismen mehr geben wird411. Noch befinden sich Jesus und die Hörer des Exorzismuslogions „in diesem Äon“ und noch nicht „im kommenden“ (Mt 12,32), in dem er mit seinen Jüngern zu Tisch sitzen wird im Reich Gottes, wie es Ebenso Schenke, Botschaft, 134: „Es wird geradezu ein räumlicher Vorgang beschrieben: ‚Es geht darum, dass eine im Himmel bereits bestehende Wirklichkeit in den Exorzismen Jesu irdische Realität gewinnt‘ (Zitat Wolter, Gottes reich, 14). 408 Schenke, Botschaft, 135. 409 Dieser viel kritisierte Begriff von Conzelmann, Mitte der Zeit, 110, bringt m.E. die tatsächlichen Verhältnisse deutlich besser zum Ausdruck als die Rede von einer Verwirklichung, Herbeiführung, Aktualisierung bzw. einem Anbruch oder Einstand der basilei,a. 410 So überraschenderweise auch Merklein, Botschaft, 65, der jedoch um vermittelnde Formulierungen ringt: „Sie (sc. die Exorzismen) sind zwar nicht identisch mit der Gottesherrschaft, oder besser gesagt, mit dem Geschehensziel der Gottesherrschaft. Doch ereignet sich in ihnen bereits das Geschehen der Gottesherrschaft, so daß ich sie als ‚Geschehensereignis‘ der Gottesherrschaft bezeichnen möchte.“ 411 Schenke, Botschaft, 134. 407

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Jesus im Kontext des Abendmahls und damit chronologisch eindeutig nach dem Exorzimuslogion ankündigt (Mt 26,29/Mk 14,25/Lk 22,16-18). (5) In den Exorzismen Jesu vollzieht sich offensichtlich ein Vorgang, der in einer Verbindung mit dem endzeitlichen Reich Gottes steht. Der endzeitlich verheißene und erhoffte Triumph über Satan (Lk 10,18) und die Macht des Bösen bildet sich in diesen Vorgängen ab, die deshalb umgekehrt das Potential von „Bildern“ und Zeichen für die basilei,a haben und in ihrer Wirkung dieser entsprechen. Allerdings kann Jesus die basilei,a im Kontext von Exorzismen und Krankenheilungen andernorts auch als nahe (evggu,j) bzw. nahe gekommen (h;ggiken) beschreiben (Mt 10,7; Lk 9,1f.; 10,9.11). (6) Nirgendwo in der synoptischen Überlieferung wird das Wirken Jesu mit einem endgültigen Sieg über Satan verknüpft. Ein solches Geschehen wird auch im Neuen Testament erst endzeitlich erwartet (vgl. 1Kor 15,24-28; 2Thess 2,3-10; Apk 12-20)412. Bis dahin rechnen alle ntl. Traditionen nicht nur mit einer kontinuierlichen, sondern mit einer anwachsenden Dynamik des satanischen Wirkens413. Das wird gerade in Mt 12,25-30/Lk 11,17-23 deutlich, wo es um ein siegreiches, aber nichtsdestotrotz kontinuierliches Ringen um Raumgewinn geht, nicht um einen schlagartigen und endgültigen Sieg.

412 Franklin, Christ, 24f.: „The time of Jesus is the time of conflict when on earth the reality of the kingdom is proclaimed while, in the transcendent, the battle is entered against the demonic powers – the ‘rulers of this world‘ (1 Cor. 2,6-8) – who are engaged in their final struggle against it. So the success of the Seventy has its final significance in that it witnesses to the falling of Satan like lightning from heaven, while their own names will be written in heaven (10.17-20). What happens on earth is the visible manifestation of something greater, that in the heavenly sphere the kingdom of God is established and that it throws its presence over the lives of Christians here and now who will one day enter into it.“ 413 Mt 24,21f.29f.parr; Joh 16,2.4.20f.; Röm 16,20; 1Kor 7,5; 10,19-22; 2Kor 2,11; 10,3f.; 12,7; 1Thess 2,18; 2Thess 2,9; 1Tim 5,15; 1Petr 5,8; Jak 4,7; Apk 2,9.13.24; Apk 12-20.

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(7) Dies alles zusammengenommen legt nahe, dass mit dem Wirken Jesu noch nicht das endzeitlich erwartete Gottesreich in Erfüllung gegangen ist, geschweige denn, dass es „offenbar“ und für jedermann sichtbar und eindeutig geworden wäre. Von einer unabweisbaren Eindeutigkeit kann hier keine Rede sein. 6.2. Lk 17,20f. Sowohl von der Bekanntheit als auch von der Bedeutung für die Frage nach dem präsentischen Verständnis der basilei,a steht Lk 17,20f. dem Exorzismuslogion kaum nach:414 Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann (ouvk … meta. parathrh,sewj); man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist evnto,j u``mw/n. (Lk 17,20f.)415

In diesem Logion wird die basilei,a als eine Wirklichkeit beschrieben, die wesentlich dadurch charakterisiert ist, dass sie unsichtbar und auch nicht verifizierbar ist. Forschungsgeschichtlich wurde der Vers sowohl von Johannes Weiß für seine eschatologisch-futurische Deutung als auch von Charles H. Dodd für seine realized eschatology in Anspruch genommen. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob Jesus in seiner Antwort auf die pharisäische Frage nach dem Zeitpunkt des Kommens der basilei,a (po,te; vgl. Lk 19,11!) überhaupt eine Vgl. zur Auslegungsgeschichte Noack, Gottesreich, sowie darüber hinaus Mussner, Antwort; Sneed, Kingdom; Schwemer, Kommen. 415 Das Logion gehört zum lukanischen Sondergut, findet sich aber noch zweimal in EvThom 3 und 113 in so verschiedenen (gnostischen) Versionen, dass sie nicht beide als redaktionelle Bearbeitungen von Lk 17,21 betrachtet werden können; vgl. Theißen/Merz, Jesus, 238. Für die Echtheit des Logions sprechen sich auch Meier, Marginal Jew II, 429f., und Schenke, Botschaft, 122, aus. Meier, ebd., 424, weist auf die vielfältigen Probleme des Logions hin: „The apparently simple statement of Luke 17:20-21 actually bristles with complicated problems of translation and interpretation. The meaning of individual words is unclear, the source of the logion is debated, and the saying lacks multiple attestion.“ 414

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temporale Bestimmung der basilei,a beabsichtigt (vgl. Act 1,6-8). Jesus antwortet auf die Frage der Pharisäer nicht mit einer temporalen, sondern einerseits mit einer modalen Aussage („nicht mit Beobachtung“; ouvk … meta. parathrh,sewj) und andererseits mit einer lokalen Aussage (nicht hier oder dort, sondern evnto.j u``mw/n). In der modalen Aussage, dass das Reich Gottes nicht meta. parathrh,sewj kommt, wird ein Begriff verwendet, der als Substantiv ein Hapaxlegomenon ist und auch in der Septuaginta und in den frühjüdischen Apokryphen und Pseudepigraphen nicht vorkommt416. Die Formulierung bezieht sich wahrscheinlich auf die Abwesenheit sichtbarer Phänomene, von denen her auf das Kommen der Gottesherrschaft geschlossen werden könnte417. Im Hintergrund steht möglicherweise die apokalyptische Erwartung, dass sich das Kommen des Reiches durch Prodigien in der Natur, am Himmel oder in historischen Geschehnissen ankündigt, die dann vom Kundigen entsprechend gedeutet werden können418. Demgegenüber macht Jesus deutlich, dass das Kommen des Reiches Gottes nicht den Charakter eines öffentlichen und in seiner Interpretation eindeutigen Ereignisses hat, das nicht mehr zu leugnen wäre, sondern ihm vielmehr die Eigenschaft der Unscheinbarkeit anhaftet419. 416 Das Verb parath,rew findet sich in Lk 6,7; 14,1; 20,20; Act 9,24 und Gal 4,10. 417 Es kann nicht darum gehen, dass sich das endzeitliche Kommen des Reiches Gottes im Zusammenhang der Parusie, vgl. Lk 21,31, unsichtbar vollzieht. Dies stünde im Widerspruch zu den unmittelbar folgenden Versen in Lk 21,22-37, wo das Kommen des Menschensohnes als ein kosmisches, für alle Menschen sichtbares, ja unübersehbares Ereignis beschrieben wird. 418 Schwemer, Kommen, 119: „Gemeint sei das apokalyptische Beobachten von Vorzeichen in der Natur, im Himmel und bei historischen Ereignissen, um das Ende der Zeit zu berechnen und vorherzusagen“; ebenso Caragounis, Art. Kingdom of God, 423; Meier, Marginal Jew II, 424f.; Carroll, Response, 77, und Smith, Teaching, 85; vgl. äthHen 1,3c-9; 25,3; 91,7; 93; 100,4; syrBar 53-74; Jos Bell 6,288-315, aber auch Mk 8,12; Lk 11,16.29; 12,56. 419 Ähnlich Smith, ebd., 86; vgl. auch Carroll, Response, 78: „Therefore, this part of Jesus’ answer to the question about the timing of the kingdom

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In der lokalen Aussage ist es vor allem die Bedeutung des abschließenden evnto,j u``mw/n, die in der Forschung höchst umstritten ist420. Im Wesentlichen wurden bislang drei Alternativen diskutiert: (1) Dem gewöhnlichen griechischen Wortgebrauch am nächsten käme die sog. „idealistische“ oder „spirituelle“421 Übersetzung „die basilei,a tou/ qeou/ ist in eurem Inneren/innerhalb von euch“ (so auch EvThom 3.113 und fast durchweg bei den Kirchenvätern). (2) Tertullian (adv Marc 4,35) wählte die in der Folge immer wieder begegnende Übersetzung „sie ist in eurem Bereich bzw. Besitz/ sie steht euch zur Verfügung“422. Diese Deutung wirft allerdings mehr Fragen auf, als sie beantwortet. (3) Im 20. Jahrhundert hat sich – auch in nahezu allen deutschen Bibelübersetzungen – die Übersetzung „die basilei,a tou/ qeou/ ist mitten unter euch“ durchgesetzt423. Nach dieser Übersetzung wäre die basilei,a in den Exorzismen und Heilungen Jesu schon unerkannt inmitten der Zeitgenossen gegenwärtig424. Als eine Variante dieser Alternative wurde von Joachim Jeremias und Rudolf Bultmann die futurische Bedeutung „die Gottesherrschaft wird (unverhofft plötzlich) in eurer Mitte sein“ vorgeschlagen425, was aber keine Resonanz rejects the question on principle. Unlike the weather (cf. 12:54-56), the future consummation of the kingdom cannot be accurately forecast.“ 420 Vgl. hierzu Schwemer, Kommen, 121-135, und Meier, Marginal Jew II, 426-428. 421 Vgl. Theißen/Merz, Jesus, 238. 422 So auch Lindemann, Art. Herrschaft Gottes, 205. Vgl. dagegen die Kritik von Weder, Gegenwart, 39, Anm. 55, der diese Übersetzung ablehnt, weil „es … mit der Verkündigung Jesu absolut unvereinbar [ist], daß die Gottesherrschaft in der Verfügbarkeit des Menschen wäre.“ 423 Schwemer, Kommen, 130-135; Meier, Marginal Jew II, 426f. Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.) tritt im ersten Teil seiner Jesus-Trilogie für die auf Origenes, PG 14,1197, zurückgehende Autobasileia-These ein, wonach das Reich in der Person Jesu erschienen ist und Jesus somit selbst im Sinne einer verhüllten Christologie das „Reich“ ist, vgl. Ratzinger, Jesus, 79.89f. Allerdings wäre das Verständnis von Jesus selbst als „inkarnierte basilei,a“ singulär im Neuen Testament. 424 Meier, Marginal Jew II, 427. 425 Jeremias, Theologie I, 104; Bultmann, Theologie, 5; neuerdings Mattill, Luke, 198-203, und Schenke, Botschaft, 122f. Früher haben bereits A. Loisy und W. Wrede diese Deutung präferiert.

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in der Forschung fand, weil die Interpretation auf einer Konjektur beruht und vom Text nicht gedeckt wird426. Die heute allgemein übliche Übersetzung „ist in eurer Mitte/mitten unter euch“ entspricht zwar Mt 12,28/Lk 11,20 und Mt 11,5/Lk 7,22 (hier fehlt allerdings der Begriff basilei,a tou/ qeou/), aber sie ist sprachlich ungewöhnlich427 und lässt sich nirgendwo überzeugend belegen428. Zwar wird für die vorgeschlagene Bedeutung von evnto.j u``mw/n immer wieder eine Reihe von Belegen angeführt429, jedoch hat Tom Holmén die Unhaltbarkeit dieser Übersetzung an den genannten Stellen nachgewiesen430. In Lk 17,20f. wäre sie nur möglich, wenn die Pharisäer als jene Gruppe verstanden werden würde, innerhalb derer die basilei,a vorhanden ist

426 Auch Hiers, Kingdom, 22-29, favorisiert eine futurische Deutung mit dem Argument, dass das evsti,n am Ende des Satzes im Aramäischen sowohl präsentisch wie futurisch verstanden werden kann, alle lukanischen Sondertraditionen im Blick auf die basilei,a-Logien von einem zukünftigen Kommen der basilei,a ausgehen und auch der Kontext des Logions in V. 20 und V. 23f. ein futurische Bedeutung nahelegt. Er versteht das Kommen der basilei,a als ein apokalyptisches Geschehen, das nicht durch versteckte Zeichen und Wunder angekündigt wird, sondern im Einbrechen ein unmittelbar evidentes und allen Menschen offenbares Geschehen sein wird, was alle Hinweise selbsternannter Propheten erübrigen wird. 427 In der Regel bedeutet evnto,j „innen“, „inwendig von“, oder „innerhalb eines bestimmten Bereichs“; vgl. Mt 23,26 (to. evnto,j: „das Innere des Bechers“). Die Präposition hat meistens eine limitierende Funktion und wird in Relation zu bestimmten Grenzen, Limits oder Fristen verwendet. Oft wird die Präposition auch antithetisch und konstrastierend verwendet, vgl. wiederum Mt 23,26 und IgnTrall 7,2, um anzuzeigen, dass sich etwas nicht außen bzw. außerhalb eines Bereichs, sondern innen bzw. innerhalb desselben befindet. 428 Auch Schwemer, Kommen, 133, gibt zu, dass es vor allem „sachliche Gründe“ sind, die diese Übersetzung nahelegen. 429 Herod Hist 7,100,3; Xen Hell 2,3,19; Xen An 1,10,3; Plat Leg 7,789; Plat Phaid 247a; Jos Ant 6,315; Arr An 5,22,4 und v.a. aus den griech. Übersetzungen des Alten Testaments bei Symmachus Ps 87(88),6; 140(141),5; Lam 1,3 und bei Aquila Ex 17,7; 34,9 und Hi 2,8. 430 Holmén, Alternatives, passim; zustimmend Caragounis, Art. Kingdom of God, 423. In Schwemers Plädoyer für die „Mitten-unter-euch-Lösung” wird Holméns wesentlicher Beitrag leider ignoriert, vgl. dies., Kommen, passim.

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bzw. von der sie besessen wird im Gegensatz zu allen anderen Menschen und Gruppen außerhalb der Pharisäer431. Eine räumliche Lokalisierung der basilei,a unter den Angesprochenen – etwa in der Person Jesu – wird im Übrigen in V. 21 explizit abgelehnt: „Man wird nicht sagen: Siehe, hier ist es oder dort.“ Schließlich benützt das Lukasevangelium für die Bedeutung „in eurer Mitte/mitten unter euch“ sonst die Wendungen evn u``mi/n oder evn me,sw| u``mi/n432. Der häufige und durchgängige Gebrauch von evn me,sw| macht die so beliebte Übersetzung mit „in eurer Mitte/mitten unter euch“ extrem unwahrscheinlich. Man müsste hier an eine geprägte Formel denken, die sich aber auch sonst nirgendwo nachweisen lässt. Somit bleibt rein sprachlich die erste Alternative nicht nur die wahrscheinlichste, sondern die einzig mögliche433. Sie entspricht dem Begriffsgebrauch in Mt 23,26, der einzigen ntl. Parallele von evnto,j in substantivierter Form, und wurde auch von den Kirchenvätern bevorzugt434 und dies, obwohl sie in den antignostischen Auseinandersetzungen die problematischste Lösung war435. „The only solution to why the Fathers did not utilize this type of argumentation [sc. die Übersetzung mit „in eurer Mitte/mitten unter euch“] seems to be that ‚within‘ was the only rendering of evnto,j they could recall here.”436 Bemerkenswerterweise deuten Tertullian, Vgl. Holmén, Alternatives, 209f. Vgl. Lk 2,46; 8,7; 10,3; 21,21; 22,27; 22,55; 24,36; Act 1,15; 2,22; 17,22; 27,21; vgl. Theißen/Merz, Jesus, 238, und ausführlich Meier, Marginal Jew II, 423-430.477-483; v.a. 483, Anm. 144. 433 Ähnlich Theißen/Merz, Jesus 238. 434 Vgl. die Belege bei Holmén, Alternatives, 223, Anm. 91. 435 Das Logion wird in gnostischen Texten wie EvThom 3 und 113 aufgenommen, um das gnostische Verständnis der Erlösung als einer inneren Erkenntnis unsichtbarer und gleichzeitig universaler Weisheit zu untermauern. Im ebenfalls gnostischen „Evangelium nach Maria“ (p. 8,11-9,5) ist es der Menschensohn, der im Inneren des Gnostikers existiert und dort auch gesucht werden soll. Es war dann Origenes, der diese „idealistische Deutung“ des Gottesreiches auf die Innerlichkeit des Menschen zur Grundlage des enthusiastisch-mystischen Schrifttums der monastischen Tradition einerseits und der großen Theologen des 3. Jahrhunderts andererseits machte; vgl. zum Ganzen Schwemer, Kommen, 121-131. 436 Holmén, Alternatives, 225. Vgl. zu den gnostischen Verwendungen des Wortes auch Schwemer, Kommen, 122-131. 431 432

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Cyprian, Origenes, Peter von Alexandrien und Athanasius das Logion im Horizont von Dtn 30,11-14, wo das Toragebot in antithetischer Diktion nicht als ferne, sondern als nahe „in deinem Mund und in deinem Herzen“ charakterisiert wird. Vor dem Hintergrund der bislang entfalteten Bedeutungsaspekte ist die wahrscheinlichste Bedeutung des Logions die, wonach die basilei,a hier im Sinne der Heilsgabe des ewigen Lebens verstanden wird, die schon jetzt in einem Menschen sein kann, der glaubt. Diese Deutung legt auch der Kontext im Lukasevangelium nahe. Die vorausgehende Perikope von den zehn Aussätzigen schließt mit Jesu Wort an den umgekehrten Samariter: „Dein Glaube hat dich gerettet“ (Lk 17,19). Das Logion wäre damit in seiner antithetischen Diktion gar nicht als Antwort auf die pharisäische Frage nach dem künftigen Kommen des Reiches zu verstehen. Es würde vielmehr auf die auch für Pharisäer bestehende Möglichkeit hinweisen, die noch unsichtbare Heilsgabe der basilei,a im Sinne des ewigen Lebens schon jetzt durch den Glauben zu besitzen437. Die Konfliktlinie zwischen Jesus und den Phärisäern wäre somit nicht die Eschatologie438, sondern die Anthropologie und Soteriologie ganz analog zu Mk 7,15. Das „rechte Sein“ vor Gott und damit auch das eschatologische Heil entscheidet sich nicht mehr an äußeren Lebensvollzügen wie in der pharisäischen Anthropologie, wo sich Reinheit und Unreinheit an den von außen in sich aufgenommenen Speisen entschied. Nach Jesus fällt die Entscheidung über Reinheit und Unreinheit und damit über das „rechte Sein vor Gott“ im Inneren des Menschen, das freilich in den Worten einen äußeren Ausdruck findet (vgl. Mk 7,15: „was aus dem [Inneren des] Menschen herauskommt“). Nicht die Frage nach 437 Theißen/Merz, Jesus, 238: „Das Gottesreich könnte im Innern des Menschen als Glaube an Jesus beginnen. Lukas kann sich Pharisäer als glaubende Christen vorstellen. Das zeigt Apg 15,5.“ 438 Richtig gesehen von Aalen, Reign, 223: „The saying in Luke xvii, 20f. has consequently nothing to do with polemic against an apocalyptic understanding of the kingdom, or against the interest for signs indicating the coming of the kingdom, as is often assumed.“

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dem Kommen des Reiches, sondern jene nach dem rechten Sein des Menschen im Horizont des kommenden Reiches ist für Jesus die entscheidende. Es ist exakt diese soteriologische Anthropologie, die auch bei Paulus entfaltet wird. Die soteriologische Formel, wer „mit dem Herzen glaubt, wird gerecht“ und wer „mit dem Munde bekennt, wird gerettet“ (Röm 10,9f.) ist die sachgemäße Auslegung von Mk 7,15. Auch für Paulus bleibt die Heilsexistenz des Glaubenden eine zwar gegenwärtige, aber noch verborgene, geistliche und innere Wirklichkeit (Röm 6,11; 7,22; 8,11.23-25; 2Kor 4,16-18; 5,7), die erst mit der Parusie Christi offenbar werden wird (Kol 3,3f.). Der Unterschied sowohl zum gnostischen und mystischen (z.B.Theresa von Avila) als auch zum Harnack’schen Konzept des Reiches Gottes als rein innerlicher Größe ist die Polyvalenz des Begriffs: Was bereits präsentisch als Heil und ewiges Leben in aller Unscheinbarkeit und Nicht-Verifizierbarkeit „empfangen“, „erlangt“ oder „ererbt“ werden kann, wird futurisch beim Kommen des Reiches offenbar werden. 6.3. Der Stürmerspruch (Mt 11,12/Lk 16,16) Beim sog. Stürmerspruch gebraucht Jesus vermutlich ein Wortspiel mit dem Verb bia,zomai/bia,zesqai, das den Auslegern allerdings fast unlösbare Rätsel aufgibt: Aber von den Tagen Johannes des Täufers an bis jetzt wird dem Reich der Himmel Gewalt angetan [oder: bricht es sich mit Gewalt Bahn], und Gewalttuende reißen es an sich (h`` basilei,a tw/n ouvranw/n bia,zetai kai. biastai. a``rpa,zousin auvth,n). (Mt 11,12) Das Gesetz und die Propheten gehen bis auf Johannes; von da an wird die gute Botschaft vom Reich Gottes verkündigt, und jeder dringt mit Gewalt hinein (kai. pa/j eivj auvth,n bia,zetai). (Lk 16,16)

Unklar an diesem Logion ist zum Einen, ob in Mt 11,12 die Verbform bia,zetai passivisch (der basilei,a wird Gewalt angetan) oder aktivisch (die basilei,a bricht sich mit Gewalt

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Bahn) zu lesen ist439. Zum Anderen ist nach wie vor offen, wer die Gewalttäter sind. Handelt es sich um gegnerische Zerstörer, wobei immer wieder entweder an die zelotische Bewegung440 oder an Satan und seine dämonischen Mächte gedacht wurde441, oder um freundliche Eroberer, die Anteil an der basilei,a bekommen wollen?442 Wenn das Handeln der biastai, in Mt 11,12b mit dem Zeitraum vom Auftreten des Täufers bis zur Gegenwart Jesu in Verbindung gebracht wird, scheint es eher um Anhänger Jesu und der basilei,a zu gehen443. Deutlich scheint dagegen, dass hier eine präsentische Handlung beschrieben wird. Diese wird auch durch Lk 16,16ab nahegelegt: Im Anschluss an das vorbereitende Wirken des Täufers und das bedeutet mit dem Kommen Jesu vollzieht sich eine heilsgeschichtliche Zeitenwende, die mit der Verkündigung des bis dato eben noch nicht verkündbaren „Evangeliums vom Reich Gottes“ einhergeht (vgl. auch Mt 4,23; 9,35; 24,14). Zieht man weiter die zwar ungewöhnliche, aber doch mögliche Übersetzung von bia,zetai mit „sich hineindrängen“ in Betracht, dann würde wieder die Vorstellung eines Raumes bzw. Bereiches vorliegen, in den Menschen hineindrängen oder hineingedrängt werden. Stellt man weiter die Parallelität 439 Meier, Marginal Jew II, 403, und Schenke, Botschaft, 139, halten beim Vordersatz die lukanische Version für ursprünglicher. Während Meier beim Nachsatz der matthäischen Variante in der passivischen Form („wird der basilei,a tou/ qeou/ Gewalt angetan“) den Vorzug gibt, präferiert Schenke die mediale Form („bricht sich die basilei,a tou/ qeou/ mit Gewalt Bahn“). Im letzteren Fall würde es jedoch zwei aktive Aggressoren geben, denn zum Einen bricht sich die basilei,a mit Gewalt Bahn und zum Anderen reißen sie Gewälttäter an sich. 440 Hiers, Kingdom, 36: „The thought of men of violence seizing the Kingdom has, naturally, suggested political-military revolution, after the fashion of Theudas and Judas ... or the Zealots.“ 441 So Hiers, ebd., 36-42, selbst. 442 Zu den verschiedenen Deutungen siehe Mattill, Luke, 182-190. 443 So auch Theißen/Merz, Jesus, 235f., und Hengel/Schwemer, Jesus, 337.416. Vgl. auch Schwemer, Kommen, 109: „Mit diesen ‚Gewalttätigen‘ sind nicht zelotische Eiferer oder Aufständische gemeint, die sich, um die Alleinherrschaft Gottes herbeizuführen, gegen die Weltherrschaft Roms erheben, sondern diejenigen, die in der Nachfolge Jesu alles wagen, alles im Stich lassen, um die Gottesherrschaft zu gewinnen.“

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dieses Raumbegriffs zum Begriff des ewigen Lebens in Rechnung, dann würde das Logion im medialen Fall die Heilssehnsucht der Menschen beschreiben, die zum Täufer bzw. zu Jesus kamen und deren Heilssehnsucht im „Evangelium vom Reich Gottes“ eine Antwort findet und in Lk 13,24 einen bildhaften Ausdruck findet444 bzw. im passivischen Fall, die von Jesus und den Jüngern in diesen Raum hineingedrängt werden im Sinne des freundlichen „Nötige sie hereinzukommen!“ von Lk 14,23445. Angesichts der „obscurity and ambiguity“446 des Logions ist es allerdings ratsam, dem Stürmerspruch nicht zu viel Beweislast aufzuladen und zu weitgehende Schlussfolgerungen aus ihm zu ziehen. Offensichtlich handelt es sich hier um ein Wortspiel, dessen Semantik sich uns heute nicht mehr eindeutig erschließt.

7. Jesus und das Reich Gottes Eines der großen Rätsel in der synoptischen Darstellung Jesu und seiner Verkündigung ist das Verhältnis zwischen Jesus und dem Reich Gottes447. In welcher Handlungs- bzw. Ereignisrelation sieht sich Jesus selbst zum Reich Gottes? Gibt 444 Ähnlich Smith, Teaching, 24: „Jesus compares those who choose to enter the Kingdom of Heaven with violent men who seize what is not their own: the point of comparison is the extreme effort and single-mindedness of will that is required. [...] Only those who with all their energy – ‚violently‘ – seize the opportunity to enter the Kingdom will do so. Again Jesus uses a negative metaphor with a paradoxically positive meaning.“ 445 So Mattill, Luke, 186f.: „Rather he has in mind the gentle persuasion befitting oriental courtesy which would be used to overcome the modesty and reluctance which these poor people would naturally feel at accepting the invitation of a gread lord. [...] Just as people are being taken by the hand and gently constrained to come to a banquet, so too people are being pressed by persuasive preaching of the good news of the kingdom to enter into it.“ 446 Meier, Marginal Jew II, 403. 447 Vgl. z.B. Hampel, Menschensohn, 362: „An keiner Stelle innerhalb der authentischen Jesustradition finden sich systematische Betrachtungen darüber, wie sich Jesus die in unmittelbarer Folge auf seinen gewaltsamen

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es überhaupt eine Beziehung zwischen Jesu eigener Sendung, seinem Kreuz und seiner Auferstehung auf der einen und dem Reich Gottes auf der anderen Seite? Oder müssen wir von zwei unterschiedlichen Heilskonzepten in den Evangelien ausgehen: einem „staurologischen“ Konzept, das im stellvertretenden Sühnetod Jesu am Kreuz das zentrale Heilsereignis sieht und sich maßgeblich auf das Lösegeldwort (Mt 20,28/Mk 10,45) und das Kelchwort beim Abendmahl (Mt 26,27f./Mk 14,24/Lk 22,20) berufen kann, und einem eschatologischen, das in der basilei,a-Verkündigung Jesu ein endzeitlich verheißenes Reich des Heils sieht, das von Gott selbst in einer allumfassenden Zeitenwende für die Glaubenden, Frommen, Heiligen und/oder Erwählten heraufgeführt werden wird? Im Neuen Testament bringen erst Paulus und das Johannesevangelium das Wirken Jesu und das eschatologische Heilsgut des (ewigen) Lebens bzw. der endzeitlichen Rettung in einen kausalen Zusammenhang448. Demgegenüber wird der Sinn der Sendung Jesu bei den Synoptikern nicht vom Reich Gottes her entfaltet, sondern ausschließlich im Lösegeldwort (Mt 20,28/Mk 10,45) und weiteren Menschensohn-Logien, in denen Jesus mit Hilfe der Chiffre „Menschensohn“ seine noch verborgene messianische Identität andeutet449. Es gibt bei näherem Hinsehen nur vier synoptische Logien, in denen sich Jesus selbst bzw. den „Menschensohn“ in ei-

Tod erwartete offenbare Gottesherrschaft, seine eigene Funktion innerhalb derselben und die der Seinen bzw. der Menschheit als ganze im einzelnen vorstellte.“ 448 So z.B. in Joh 3,16; 4,13f.; 5,24 u.v.a.m. oder auch in den Ich-bin-Worten Joh 6,35; 8,12f.; 10,10; 11,25; 14,6. Bei Paulus vgl. z.B. Röm 3,21-26; 5,1f.6-11; 6,23; 8,1.38f.; 10,9f. u.ö. 449 Vgl. hierzu ausführlich Hampel, Menschensohn, 97-100. Immer wenn es um seine messianische Identität bzw. seinen messianischen Anspruch geht, umschreibt Jesus diese(n) mit dem Menschensohn-Titel, vgl. Mk 8,29-31; 9,11-13; 10,37-45; 13,14-27; 14,61f.; Mt 16,13-16.20; 24,26f.; 25,31-46; Lk 17,22-30; 18,31; 22,47-53. Dass auch die Rede vom leidenden Menschensohn auf den Messias deutet, wird aus dem Vergleich der Leidensweissagungen in Lk 9,22-27; 9,43-35; 18,31-33 mit Lk 24,26f. und Act 3,18; 17,3; 26,23 deutlich.

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nem Bezug zum Reich Gottes beschreibt. Die größte Bedeutung für die Verhältnisbestimmung zwischen Jesus und dem Reich Gottes wird allgemein dem Exorzismuslogion (Mt 12,28/Lk 11,20) beigemessen. Allerdings ist – wie oben ausgeführt (s. Kapitel IV.6.1) – die klassisch gewordene Deutung mit zahlreichen Aporien im Blick auf das Verständnis der Sendung Jesu sowie seiner Passion und Auferstehung behaftet. Seit Origenes’ These von der auvtobasilei,a,450 wonach in Jesus selbst das Reich Gottes schon gegenwärtig sei, bemühen sich Ausleger immer wieder die Verbindung zwischen Jesus und dem Reich Gottes über Lk 17,21 herzustellen, die jedoch an die Übersetzung von evnto.j u``mw/n mit „mitten unter euch“ gebunden ist451. Allerdings hat auch hier die Untersuchung die Unmöglichkeit dieser Deutung gezeigt. Das dritte Logion, in dem Jesus sich selbst in eine Beziehung zur basilei,a setzt, findet sich in Mk 14,25/Mt 26,29/Lk 22,16-18.452 In diesem Logion weist Jesus am Abend vor seiner Kreuzigung im Rahmen des Abendmahls seine Jünger darauf hin, dass er von nun an nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken wird, bis er wieder davon trinken wird im Reich Gottes bzw. in „meines Vaters Reich“ (Mk 14,25/Mt 26,29). In der lukanischen Version wird Jesus keinen Wein mehr trinken, „bis das Reich Gottes kommt“ (Lk 22,18). Diesem Logion sind zwei wesentliche Aussagen zu entnehmen: (1) Das Reich Gottes kommt trotz des bevorstehenden Todes Jesu und (2) Jesus wird Teilhaber, Festteilnehmer und „Mitbewohner“ des Reiches Gottes sein, was eo

450 Or Oratio in Mt 14,7 (GCS, p. 289,17), und Oratio in Mt 10,5 (GCS, p. 6,1). 451 Vgl. z.B. Hengel/Schwemer, Jesus, 428: „Dieses vieldiskutierte Logion läßt sich in sinnvoller Weise am besten durch den Bezug auf Jesus selbst erklären: In seiner Person ist sie [sc. die basilei,a] schon jetzt in der Mitte der Fragenden gegenwärtig (und sie sehen es nur nicht).“ 452 Nach Hampel, Menschensohn, 345-367, handelt es sich um ein „authentisches Jesuslogion“ (356), das seine ursprünglichste Form im markinischen Wortlaut hat (348).

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ipso bedeutet, dass er nicht im Tode bleibt. In welcher Beziehung aber sein Tod mit dem kommenden Reich steht, wird in diesem Logion nicht ausgesagt453. Heinz Schürmann hat in Mk 14,25 die Brücke zum Kreuzestod Jesu gesehen: „Jesu Tod ist als Heilstod also aus zwei Aussagen Jesu explizierbar: aus der Tatsache, daß Jesus sich als Repräsentant der Basileia selbst expressis verbis thematisiert hat, und aus Mk 14,25. Wenn der Repräsentant der Basileia, der eschatologische Heilsbringer in der Erwartung der Auferweckung und damit der Bestätigung Gottes im Vollzug der Präsentation dieser Basileia proexistent stirbt, ist auch dieser Tod konstitutiv für dieses von Gott gewirkte Heil zu denken.“454 Jesus habe sich in seiner „ureigenen“ Basileia-Verkündigung auch direkt „mitthematisiert“, zwar nicht explizit, aber doch so, dass Schürmann von einer „indirekten Christologie“ sprechen will455. Vor diesem Hintergrund kann nach Schürmann im „‚Dienst Jesu‘ ... die eschatologische Soteriologie letztlich identisch sein mit der staurologischen. Die sich aktiv bis in den Tod hinein durchhaltende Pro-Existenz Jesu, die lebend und sterbend das nahe Heil der Basileia verkündet, repräsentiert die Basileia in all ihren Stadien. [...] Wie sein wenig erfolgreicher ‚Lebensdienst‘, sein Basileia-Engagement, so konnte auch sein ‚Todesdienst‘ ein gleiches sein: Teilhabe am innergeschichtlich notwendigen Mißgeschick der Basileia.“456 Allerdings ist auch Schürmanns „Brückenkonstruktion“ von zahlreichen Annahmen, Postulaten und psychologisierenden Deutung des „Bewusstseins Jesu“ geprägt457 und bleibt letztlich hoch spekulativ458.

453 Ebd., 354f.: „Es fehlt jede Erklärung darüber, was dann im einzelnen sein und welche Rolle Jesus dort einnehmen wird; erst recht erfährt man nichts von einer erneuerten Gemeinschaft Jesu mit den Seinen. Allein dies wird gesagt, daß der Tod des Menschensohnes nicht alles ist, was ihm bevorsteht, sondern gleichsam der letzte Schritt vor der Vollendung der basilei,a tou/ qeou/.“ 454 Schürmann, Gottes, Reich, 213 (kursiv bei Sch.). 455 Ebd., 43. 456 Ebd., 55. 457 Vgl. z.B. ebd., 52: „Weil Jesus mit Sicherheit weiß, daß sich die Basileia in seinem Ge-Schick heilbringend zu-schickt, weiß er mit gleicher Sicherheit, daß diese ... sein Schicksal sein und bleiben wird“, oder ebd., 54: „Die Möglichkeit, daß Jesus seinen immer deutlicher erwarteten Märtyrertod als Aufgipfelung (bzw. als Tiefpunkt) seines Basileia-Geschickes verstanden hat, kann schwerlich ausgeschlossen werden.“ 458 Entsprechend kleidet Schürmann, ebd., seine These auch nicht in eine Aussage-, sondern in eine Frageform: „Konnte Jesus sein Heilsangebot nicht aus der Tiefe seiner proexistenten Hingabe in einer Weise deutlich

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Das vierte Logion ist schließlich die matthäische Variante des Terminwortes aus Mk 9,1: Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn kommen sehen in seinem Reich. (Mt 16,28)

Dieses Logion ist insofern bemerkenswert, als es eine Relation zwischen dem kommenden Reich (des Messias?) und dem „Menschensohn“ herstellt459 bzw. konkret den Anbruch des Reiches mit der künftigen Ankunft des „Menschensohnes“ gegeben sieht. Die Verwandtschaft mit Mk 14,25/Mt 26,29/Lk 22,16-18 ist evident460. Über die Verbindung des „Menschensohnes“ mit der basilei,a versuchen Volker Hampel und Chrys C. Caragounis das Dilemma zu lösen: „The destiny of the Son of man is therefore directly connected with the coming of the kingdom of God.“461 Caragounis bemüht sich, auch das Exorzismuslogion in den großen Spannungsbogen des Wirkens Jesu einzuordnen und im Kontext der zunehmenden Spannungen um und der Widerstände gegen Jesus zu verstehen, die sich im zeitlichen

sein, die die tradierten Vorstellungen und jegliche Ratio überstieg? [...] Konnte das eschatologische Heil der Basileia, das Jesus verkündete und das sich in dieser Verkündigung und in den Taten Jesu sowie in seinem Dasein repräsentierte, sich nicht auch in Tod und Auferstehung Jesu präsentieren?“ 459 Nach Hampel, Menschensohn, 51, wurde der Begriff „Menschensohn“ allerdings sekundär von Matthäus in seine markinische Vorlage eingetragen. 460 Auch in Lk 17,20f. steht das Reich-Gottes-Logion in einer engen Verbindung und partiellen Parallelität mit der Menschensohn-Prophetie in Lk 17,22-37; ähnlich in Lk 21,25-28 und 21,31. 461 Caragounis, Art. Kingdom of God, 425; ders., Kingdom, 223-238. Hampel, Menschensohn, 169, weist auch darauf hin, dass die Verkündigung der basilei,a und die Menschensohn-Logien häufig unmittelbar nebeneinander stehen, auch wenn sie nicht direkt miteinander verbunden sind, vgl. Mk 8,38/9,1; Lk 17,20f./17,22-30; Lk 21,27f.36/21,29-33. Auch erscheinen „Reich Gottes“ und „Menschensohn“ in einigen Sachaussagen als austauschbar, vgl. Lk 22,28-30/Mt 19,28. Entsprechend spricht Hampel in Anschluss an Colpe von „Parallelsymbolen“.

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Umfeld des Petrusbekenntnisses, der darauf folgenden Leidensweissagungen und der Verklärung nachweisen lassen. Vor dem Hintergrund dieser Widerstände sei sich Jesus der Möglichkeit eines gewaltsamen Todes bewusst geworden und habe diesen als persönlichen Auftrag angenommen, um durch sein stellvertretendes Sterben die Durchsetzung des Reiches Gottes zu bewirken462. Er möchte auf diese Weise das anti-dämonische und anti-satanische Wirken Jesu mit dem Lösegeldwort verbinden463 und in Kreuz und Auferstehung Jesu das Kommen des Reiches und damit den Fortschritt von h;ggiken zu e;fqasen erblicken464. Allerdings kann Caragounis außer seiner nicht selten psychologischen Konstruktion der historischen und chronologischen Zusammenhänge465 und seiner Deutung des Menschensohns keine wirklich einschlägigen Belege für seine These anführen. Es

462 Caragounis, Kingdom, 226: „The increasing rejection which he experienced from all quarters, and the Jews’ designs against his life could have easily led him to see his eventual death as the pre-condition for the coming of the Kingdom of God“; ähnlich Hampel, Menschensohn, 106f.126f.234245.371, der im Blick auf Jesu Einsicht in die Notwendigkeit seines Todes im Anschluss an Anton Vögtle von einem „Offenbarungsfortschritt“ im Zuge seiner öffentlichen Wirksamkeit spricht. Für ihn, ebd., 244, ist „die Folgerung zwingend, daß Hoheit und Leiden des Menschensohns im Bewußtsein Jesu in der Tat nicht von Anfang an zusammengehörten. Dann kann die Todesgewißheit Jesu erst im Verlauf seiner Wirksamkeit in sein Blickfeld getreten sein, während die Erwartung seiner messianischen Hoheit die ursprünglich-primäre sein muß“. Vgl. hierzu auch die Diskussion unter Abschnitt IV.6.1.3. 463 Caragounis, Kingdom, 235: „Therefore there cannot be any doubt that at least from the time of the crucial events of Peter’s confession, the first prediction of suffering and the transfiguration, i.e. the time that brought about a turning point in Jesus’ life and ministry, Jesus considered the coming of the Kingdom as dependent upon his SM [sc. Son of Man] duty ‚to serve and to give his life a ransom for many‘.“ 464 Caragounis, Kingdom, 229; ders., Art. Kingdom of God, 425. 465 Vgl. v.a. ders., Kingdom, 237: „[I]s it possible that this task of the Servant-Substitute had preoccupied also the mind of Jesus? Is it perhaps possible that Jesus ... understood his works of healing as stemming from his role as Son of Man for the coming of the Kingdom of God (his self-giving) …? And could this be the explanation why the coming of the Kingdom was related to Jesus’ driving out of demons but not to Jewish exorcisms?“

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gibt in der synoptischen Tradition faktisch kein einziges Jesuslogion und auch darüber hinaus keinen redaktionellen Beleg eines Evangelisten, der uns das Verhältnis des irdischen Jesus zum Reich Gottes einigermaßen schlüssig erläutert. Gleichzeitig ist Schürmann darin rechtzugeben, dass „Jesu ureigene Basileia-Verkündigung verweht [wäre] ..., wenn Jesu Todes-Geschick nur widersprüchlich zu seinem Basileia-Geschick hätte verstanden werden können“466. Uns mag eine synoptische Brücke zwischen Jesu Tod und seiner basilei,aVerkündigung fehlen, aber wir haben es nicht mit einer widersprüchlichen Botschaft zu tun. Das Logion in Lk 22,28-30 gehört nicht in diesen Zusammenhang.467 Zwar spielt V. 30 auf das auch in Mk 14,25/Mt 26,29/Lk 22,16-18 und Mt 8,11f. erwähnte endzeitliche Freudenfest an. Allerdings ist es kein Zufall, dass in V. 29f. beidesmal nicht von der basilei,a tou/ qeou/, sondern von der basilei,a mou die Rede ist, bei der es um die eschatologische Herrschaft Jesu im Sinne von Mt 28,18; Joh 18,36 oder 1Kor 15,28 geht.468 Es wird hier die richterlich-herrschende Funktion Jesu (vgl. kri,nein und kaqh,sesqe evpi. qro,nwn) beschrieben, der die zwölf Stämme Israels richten wird. An dieser Herrschaftsfunktion bzw. diesem regnum Christi wird er die Jünger in Anknüpfung an die Tradition von der „Herrschaft

Schürmann, Gottes Reich, 248; vgl. auch ebd., 249: „Ohne die BasileiaBotschaft Jesu hätte es kein Verständnis des Oster-‚Begegnisses‘ gegeben, ohne das Osterbegegnis ... kein volles epiphanes Verständnis des ‚Geschehnisses der Basileia‘“. 467 Vgl. zur Redaktionsgeschichte des Textes Hampel, Menschensohn, 140-151. 468 Dies wird auch durch die Verwendung des in den Evangelien singulären Verbs diatiqe,nai unterstrichen, das nirgendwo in Verbindung mit basilei,a tou/ qeou/ verwendet wird. Das Verb bezeichnet den herrschaftlichen Akt einer Verfügung oder Anordnung und unterstreicht an dieser Stelle das funktionale Verständnis von basilei,a im Sinne einer Herrschaft. 466

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der Heiligen“ beteiligen469. Dies wird auch in der matthäischen Parallele deutlich. Das Reich Gottes kommt hier allenfalls indirekt in den Blick. Das Fehlen einer klaren Evidenz korreliert auffällig mit Jesu Zurückhaltung im Blick auf die Proklamation seines messianischen Anspruchs. Das vom Markusevangelium bewahrte Messiasgeheimnis dürfte auch der Schlüssel für das Rätsel des Verhältnisses Jesu zum Reich Gottes sein. Zumindest in der markinischen Interpretation bedeutet das messianische Schweigegebot in Mk 9,9f., dass die Jünger erst nach Ostern die wahre Dimension der Identität und der Sendung Jesu verstehen konnten. Erst die Begegnung mit dem Auferstandenen enthüllt ihnen die Zusammenhänge der heilsgeschichtlichen Sendung Jesu sowie den Sinn seines Leidens, Sterbens und Auferstehens470. Nimmt man mit Hengel und Schwemer das Messiasgeheimnis als historisches Faktum ernst471, dann erklärt sich darin auch Jesu Zurückhaltung, sich selbst in ein unmissverständliches Beziehungsverhältnis zum Reich Gottes zu setzen. Im Messiasgeheimnis drückt sich Jesu vorläufiges Wirken als Messias designatus aus, dessen verborgene Identität erst und nur von Gott selbst offenbart werden konnte, nachdem Jesus seinen Weg „bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8) im Gehorsam gegenüber ihm gegangen war. Diese Zweistufigkeit zwischen dem verborgenen und missverständlichen Wirken in Niedrigkeit einerseits und endlicher Offenbarung und Verherrlichung andererseits ist schon traditionsgeschichtlich angelegt472 und wird im Neuen Testament sowohl in der 469 Ebd., 147-150. Zum Motiv der Herrschaft der Heiligen vgl. Roose, Mitherrschaft; dies. Teilhabe, und Gäckle, Priestertum, 511-513.545-554.564f. 470 Hengel/Schwemer, Jesus, 519. 471 Ebd., 506-526. Ebenso auch Hampel, Menschensohn, 103: „[D]as sogenannte Messiasgeheimnis [ist] keine bloße Konstruktion des Markus, sondern spiegelt in seinen Wurzeln eine historische Realität im Leben Jesu. Es liegt begründet im Geheimnis der Sendung Jesu, die als noch verborgene zunächst nur den Glaubenden offenbar ist.“ 472 Vgl. Hampel, ebd., 70-79. Bereits die Königswerdung Davids ist von dieser Zweistufigkeit geprägt. Die verborgene Salbung im Hause Isais (1Sam 16,1-13) findet Jahre vor seiner Inthronisation zum König Judas (2Sam 2,1-4) bzw. Israels (2Sam 5,1-3) statt. Dieses Modell wird fortan

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Täuferverkündigung vom „nach ihm Kommenden“473 als auch in der Täuferfrage (Mt 11,2f.) und im Rat des Gamaliel (Act 5,36) reflektiert. Hätte sich Jesus selbst als Messias und damit als Schlüsselfigur der basilei,a tou/ qeou/ proklamiert, hätte er damit nur seine Pseudomessianität erwiesen analog zu den vielen falschen Messiasprätendenten in den Jahrzehnten vor dem Jüdischen Krieg (vgl. auch Mk 13,5f.21f.parr). Erst sein stellvertretender Sühnetod am Kreuz und die Auferstehung am Ostermorgen konnten seine wahre Identität und den eigentlichen Inhalt seines messianischen Anspruchs enthüllen und erst von nun an war es den Jüngern möglich, die Relationen zwischen dem gekommenen und erfüllten kai,roj der messianischen Heilszeit und der noch ausstehenden, zukünftigen und doch gleichfalls nahe gekommenen basilei,a tou/ qeou/ zu erfassen, zu verstehen und zu verkündigen, wie es dann auch in der Apostelgeschichte geschieht, von Paulus theologisch reflektiert wird und im Johannesevangelium narrativ verarbeitet wird.

8. Ergebnis Der Ausgangspunkt war die Frage nach der Bedeutung des Begriffs basilei,a tou/ qeou/ in der Verkündigung Jesu. Ein erstes überraschendes Ergebnis ist die frappierende Verschiedenheit des jesuanischen Begriffsgebrauchs gegenüber der apokalyptischen Verwendung des Begriffs in Teilen des Frühjudentums, der im apokalyptischen Schrifttum meistens

zum konstitutiven Element der dynastischen Thronfolge im davidischen Königshaus (vgl. 2Sam 7,11b-16). Es prägt auch das für das Selbstverständnis Jesu und das Neue Testament insgesamt so wichtige vierte Gottesknechtslied in Jes 52,13-53,12. Hampel, ebd., 76, erinnert ferner zu Recht an das Motiv des „leidenden Gerechten“, dessen Gerechtigkeit zunächst unter Spott, Hohn, Krankheit und Verfolgung verborgen ist, bis er am Ende schließlich von Gott gerechtfertigt und verherrlicht wird, vgl. Ps 22; 34,18-23; Hi 42,10-17; Dan 11,33-35; 12,1-3; SapSal 2,12-20; 5,1-7; 4Makk 18,3.20-24; äthHen 62,10-16; 104,1-6; syrBar 48,49f. 473 Mk 1,7; Mt 3,11; Joh 1,15.27.30; Act 13,25.

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die endzeitliche Erscheinung oder Offenbarung der Königsherrschaft Gottes beschreibt. Wir finden im Munde Jesu keine der gängigen apokalyptischen Formulierungen. Jesu Verwendung des Begriffs weist eine deutlich größere Verwandtschaft auf zu eher seltenen Belegen mit einer spatialen Begriffskonnotation in den Sabbatliedern, SapSal 10,10; TestHiob 33,9; grBar 11,2 u.a. Diese Unterschiedlichkeit setzt sich bei der Begriffsbedeutung fort. Entgegen der forschungsgeschichtlich dominierenden dynamischen Deutung im Sinne eines aktiven Herrschens und Regierens zeigte sich, dass die Texte selbst im Unterschied zur apokalyptischen Begriffsverwendung in ihrer Mehrzahl eine räumliche Konnotation haben. Das räumliche Verständnis wird in verschiedenen Belegen durch eine temporale Konnotation ergänzt, die in der Regel durch das Verb „kommen“ (evlqei/n) oder „nahe herankommen“ (evggi,zein) zum Ausdruck gebracht wird. Bei der Untersuchung des zeitlichen Aspekts wurde deutlich, dass in Mk 1,14f. zwischen einer präsentischen Erfüllung des kai,roj und einem noch ausstehenden Kommen der basilei,a unterschieden werden muss. Von einer Präsenz kann im Blick auf die messianische Heilszeit gesprochen werden, nicht jedoch hinsichtlich des Reiches Gottes im Sinne eines Raumes oder einer Zeit des Heils. Darüber hinaus zeigte sich, dass die basilei,a in Texten, in denen sie gesucht, besessen, empfangen oder ererbt wird, als ein Besitz, eine Gabe, ein Gut oder ein Geschenk des Heils verstanden werden kann, was bereits als eine präsentische Wirklichkeit beschrieben wird, die allerdings erst endzeitlich offenbar werden wird. Konkret ist bei dieser Heilsgabe an das „ewige Leben“ zu denken, das an einigen Stellen als Synonym für die basilei,a verwendet wird (Mk 9,43-48/Mt 18, 8f.; Mk 10,17.23f./Mt 19,16-26/Lk 18,18-27; Mt 25,34.46). Schließlich zeigte sich in den sog. „Wachstumsgleichnissen“ noch eine vierte Dimension des Begriffs. Der verborgene, unsichtbare und unscheinbare Ursprung des Reiches liegt in dem auf der Bildebene meist als Same vorgestellten „Wort vom Reich“ (Mt 13,19) bzw. im „Evangelium vom Reich“

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(Mt 4,23; 9,35; 24,14) oder der Botschaft Jesu. In diesem samenhaften Wort liegt eine verborgene Kraft, die zunächst im Herzen und im Leben der sich dem „Wort vom Reich“ öffnenden Menschen Frucht wirkt, die am Ende bei der Offenbarung des Reiches Gottes im Rahmen der Ernte bzw. des Gerichts als solche sichtbar werden wird. So sehr die beiden Größen des gegenwärtig gepredigten „Wortes bzw. Evangeliums vom Reich“ und des endzeitlich sich offenbarenden Reiches Gottes sachlich zu unterscheiden sind – das Erste verweist auf das Letzte –, besteht in allen Gleichnissen eine unsichtbare „genetische“, ontologische und kausale Verwandtschaft zwischen beiden. Wesentlich ist dabei weniger der Aspekt des Wachstums als vielmehr der Kontrast zwischen dem unscheinbaren Anfang und dem überwältigenden Endergebnis. Die Vielzahl unterschiedlicher Bilder für und Perspektiven auf das Reich Gottes darf nicht als konkurrierend verstanden werden und sollte auch nicht auf verschiedene Überlieferungen zurückgeführt werden. Vielmehr konnte Jesus selbst in ein- und demselben Logion bzw. Kontext unterschiedliche Perspektiven miteinander verbinden (z.B. Mk 10,14f.; 10,1727; Lk 22,16.18). Die Polyvalenz liegt somit bereits im jesuanischen Begriffsgebrauch begründet474. Das Syntagma basilei,a tou/ qeou/ erweist sich somit als polyvalent und bezeichnet das eschatologische Heilsgut475 in seinem räumlichen und zeitlichen Charakter einerseits und in seinem sowohl präsentischen wie eschatologischen Gabecharakter in Form des ewigen Lebens andererseits. Vor diesem Hintergrund kann aber nur bedingt von einem „präsentischen Reich Gottes“ gesprochen werden. Präsentisch ist Gottes Reich im Sinne von Gottes Heil nur insofern, als es im Glauben ergriffen und in Form des ewigen Lebens „empfangen“ werden kann (z.B. Mk 10,14f.; Mt 5,3.10; 6,33) So richtig gesehen von Bohlen, Einlasssprüche, 182, die auch, ebd., 184, von einem „semantischen Geflecht“ der unterschiedlichen Kategorien und Bilder spricht. 475 Vgl. Lindemann, Art. Herrschaft Gottes, 203; Stuhlmacher, Biblische Theologie I, 69. 474

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und somit eine unsichtbare, verborgene und missverständliche Wirklichkeit im empfangenden, glaubenden oder Jesus nachfolgenden Menschen bildet. Diese v.a. in Lk 17,21 fassbare Gegenwärtigkeit des Reiches/Heils entspricht sowohl der jesuanischen Anthropologie in Mk 7,15 als auch der paulinischen Anthropologie und Soteriologie in Röm 6,11; 7,22 (kata. to.n e;sw a;nqrwpon); 8,11 (oivkei/ evn u``mi/n); 8,23-25; 10,9f.; 2Kor 4,16-18; 5,7 und Kol 3,3f. Das im Empfangen des Reiches bzw. das im Glauben empfangene Heil bleibt bis zur Parusie eine zwar gegenwärtige, aber gleichzeitig verborgene Wirklichkeit, die erst endzeitlich mit Christus offenbar werden wird. Ansonsten gilt das Urteil von C.C. Caragounis: „In the Synoptics there does not seem to be a single kingdom of God saying which unequivocally demands to be taken in the present sense.“476 Das Reich Gottes bleibt abgesehen von der präsentischen Wirklichkeit des Heils im Glaubenden eine futurische Größe. Der dynamische Aspekt der Herrschaft Gottes steht dagegen höchstens im Exorzismuslogion (Mt 12,28/Lk 11,20) im Vordergrund. Ansonsten muss dieser Aspekt überall insofern indirekt mitgedacht werden, als Gott an jenem künftigen Ort des Heils und in der kommenden Zeit des Heils uneingeschränkt Herr sein wird und die Heilsgabe des ewigen Lebens auf Gottes Schöpfermacht beruht. Als Übersetzung von basilei,a tou/ qeou/ ist der Begriff „Gottes- bzw. Königsherrschaft“ allerdings fast durchweg unbrauchbar. Keinen Anhalt an den synoptischen Texten hat auch die übliche Charakterisierung der Jesus zugeschriebenen präsentischen Reich-Gottes-Vorstellung im Sinne einer Verwirklichung, Herbeiführung, Aktualisierung, Manifestation, Vorabschattung, Antizipation, Dämmerung, Anbruch oder Einstand der basilei,a oder gar als realized eschatology und Vergegenwärtigung der Zukunft. Sie beruht im Wesentlichen auf Missdeutungen einiger weniger Belege, welche die ihnen aufgebürdete Beweislast nicht zu tragen vermögen.

476

Caragounis, Art. Kingdom of God, 424.

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Dass der Begriff jenseits der synoptischen Evangelien relativ rasch wieder verschwand, kann mit seiner Unverständlichkeit bzw. Missverständlichkeit im hellenistisch-römischen Kulturraum erklärt werden. Als Heilsbegriff war basilei,a tou/ qeou/ im jüdischen Kontext sehr geeignet, um die Vielfältigkeit der eschatologischen Heilsaspekte zu beschreiben, wurde aber beim Übergang des Evangeliums in den hellenistisch-römischen Kulturraum schon früh durch den Begriff des „ewigen Lebens“ ersetzt477.

477 Vgl. Haacker, Implicit Christology, 146: „Therefore the message of God’s kingdom to be revealed or realized soon is nearer to Israel’s hope as a nation, while the expectation of eternal life is more open to a version of the gospel addressing individuals irrespective of their nationality.“

V. Paulus und das Reich Gottes

Die einleitend skizzierten Fragestellungen zum Verständnis von basilei,a tou/ qeou/ in der Verkündigung Jesus stellen sich natürlich auch hinsichtlich des Begriffsgebrauchs in der paulinischen Literatur, der nicht minder polyvalent erscheint als bei Jesus und in der synoptischen Tradition. Im Fokus dieses Beitrags steht darüber hinaus die Frage, inwiefern die paulinische Verwendung des Begriffs in Kontinuität oder Diskontinuität zu Jesu Verständnis und Gebrauch des Syntagmas steht. Wie bei der synoptischen Tradition stellen sich auch beim Corpus Paulinum die unausweichlichen Authentizitätsfragen. In jüngerer Zeit sind die schon fast dogmatisch erstarrten Pseudepigraphie-Urteile wieder ins Wanken geraten, was einen Forschungskonsens in unerreichbare Ferne gerückt hat478. Deshalb konzentriert sich die folgende Untersuchung methodisch auf die basilei,a-Belege in den unumstrittenen Paulusbriefen. Die übrigen Belege in den umstrittenen Briefen werden dort in die Diskussion einbezogen, wo sich ein Bezug zu den erstgenannten Belegen ergibt oder sich unterschiedliche Begriffsverständnisse nahelegen.

478 Während für den Kolosserbrief stets eine große Nähe zu Paulus angenommen wird, gibt es mittlerweile auch Stimmen, die eine paulinische Verfasserschaft für den 2. Thessalonicherbrief annehmen, vgl. Röcker, Belial, 223-233, and Foster, Fresh Look. Selbst im Blick auf die Pastoralbriefe ist die Diskussion durch die Arbeiten von Jens Herzer wieder eröffnet, vgl. ders., Fiktion; ders., Gegnerproblematik, und ders., Rearranging.

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1. Die Berufung zum Reich (1Thess 2,12) Der chronologisch mit großer Wahrscheinlichkeit erste Beleg ist 1Thess 2,11f. aus dem vermutlich ältesten Schreiben, das uns von Paulus erhalten geblieben ist: … wie ihr ja wisst, dass wir euch, und zwar einen jeden von euch, wie ein Vater seine Kinder ermahnt und getröstet und beschworen haben, des Gottes würdig zu wandeln (eivj to. peripatei/n u``ma/j avxi,wj tou/ qeou/), der euch zu seinem Reich und seiner Herrlichkeit (eivj th.n e``autou/ basilei,an kai. do,xan) beruft. (1Thess 2,11f.)

Durch die parallele Stellung von basilei,a und do,xa wird deutlich, dass es bei der basilei,a zum einen um eine futurische und zum anderen um eine soteriologische Größe geht, zu (eivj) der Gott beruft479. Die Verklärung des Glaubenden in den himmlischen do,xa-Glanz ist für Paulus eine Entsprechung zur eschatologischen Heilsgabe des ewigen Lebens und ein Ausdruck für die eschatologische Seinsform der Erlösten480. Schon in den synoptischen Evangelien sind do,xa und basilei,a synonyme Begriffe (vgl. Mk 10,37 mit Mt 20,21, und Mk 8,38 mit 9,1). Ferner erinnert der Vers an Lk 24,26, wo der Auferstandene den Emmausjüngern durch eine rhetorische Frage erklärt, dass der Messias leiden und in seine Herrlichkeit eingehen musste (eivselqei/n eivj th.n do,xan auvtou/). Nimmt man wahr, dass das Verb eivse,rcesqai terminus technicus in den Einlasssprüchen ist und traditionsgeschichtlich auf die Exodustradition zurückgeht481, dann berühren sich hier traditionsgeschichtlich vorgegebene Begriffsfelder.

479 Von einer futurischen Bedeutung geht auch Holtz, 1Thess, 92, aus: „Das (künftige) Reich wirkt schon jetzt ein ganz bestimmtes Verhalten der zu ihm Bestimmten, wie Röm 14,17 lehrt; das steht auch hier im Hintergrund.“ 480 Röm 8,18.21; 1Kor 15,43; 2Kor 3,18; 4,17; Phil 3,21, vgl. auch Kol 3,4; 2Thess 2,14; 2Tim 2,10. 481 Vgl. Bohlen, Einlasssprüche, 176.179; Haacker, Implicit Christology, 148.

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Vom Kontext her ist zudem eher an einen Raum des Heils, denn an eine Herrschaftsfunktion zu denken482, da die funktionale Übersetzung in der Parallelstellung zu do,xa keinen Sinn machen würde. Gleichzeitig appelliert Paulus an seine Leser in Thessalonich, sich dieser Berufung in die basilei,a und zur do,xa entsprechend würdig (avxi,wj) zu verhalten. Das Reich hat somit den Charakter eines eschatologischen Heilsraumes, in den die Glaubenden bereits in der Gegenwart berufen werden und dessen Charakter sie mit ihrem alltäglichen Lebenswandel entsprechen sollen. Die Satzkonstruktion weist damit die für Paulus typische Zuordnung einer indikativischen Heilsverheißung als Begründung für eine ethische Ermahnung auf. Die Verbindung von basilei,a tou/ qeou/ mit dem Begriffsfeld avxi,wj findet sich auch in 2Thess 1,5, wo die Gemeinde für ihre Geduld und ihren Glauben trotz aller Verfolgungen und Bedrängnisse gelobt wird. Paulus betrachtet dies als Zeichen für das gerechte Gericht Gottes, im Rahmen dessen die Gemeinde des Reiches Gottes gewürdigt werden wird (to. kataiqh/nai u``ma/j th/j basilei,aj tou/ qeou/). Hier erscheint das Reich Gottes genau wie in den Seligpreisungen (Mt 5,10-12) als eschatologische Hoffnungs- und Heilsperspektive vor dem Hintergrund von gegenwärtigem Leid und Bedrängnis (vgl. auch Act 14,22)483.

2. Der Ausschluss vom Reich (1Kor 6,9f.; 15,50; Gal 5,21) Eine deutliche Verwandtschaft besteht zwischen den drei basilei,a-Belegen in 1Kor 6,9f.; 15,50 und Gal 5,21, wobei

Ebenso Witherington, Jesus, 52. Eine Verwandtschaft besteht auch zu Lk 20,35. In der Diskussion Jesu mit den Sadduzäern um die Auferstehung spricht er von denen, „die gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen“ (oi`` de. kataxiwqe,ntej tou/ aivw/noj evkei,nou tucei/n). Die Bezugspunkte zu den Einlasssprüchen Jesu, zur rabbinischen Rede von der „kommenden Welt“ und zu 1Thess 2,12 und 2Thess 1,5 sind evident. Wiederum zeigt sich, wie flexibel sowohl Jesus als auch Paulus von ein und demselben Sachverhalt reden konnten. 482 483

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sich v.a. 1Kor 6,9f. und Gal 5,21 sehr nahe stehen. Es handelt sich bei allen drei Versen in formgeschichtlicher Perspektive um Drohworte, die durch eine Verbindung des artikellosen Syntagmas basilei,a tou/ qeou/ mit einer Negation (ouv) und dem Verbum klhronomei/n im Futur bzw. Präsens mit Futurbezug charakterisiert sind: Oder wisst ihr nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden (qeou/ basilei,an ouv klhronomh,sousin)? Irrt euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde, noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes erben (ouvc … basilei,an qeou/ klhronomh,sousin). (1Kor 6,9f.) Dies aber sage ich, Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben können (sa.rx kai. ai-ma basilei,an qeou/ klhronomh/sai ouv du,natai), auch die Vergänglichkeit nicht die Unvergänglichkeit erbt. (1Kor 15,50) Offenbar aber sind die Werke des Fleisches; es sind: Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Hader, Eifersucht, Zornausbrüche, Selbstsüchteleien, Zwistigkeiten, Parteiungen, Neidereien, Trinkgelage, Völlereien und dergleichen. Von diesen sage ich euch im voraus, so wie ich vorher sagte, dass die, die so etwas tun, das Reich Gottes nicht erben werden (basilei,an qeou/ ouv klhronomh,sousin) (Gal 5,21).

Sowohl die durch die stilistischen Merkmale offensichtliche Formelhaftigkeit als auch das Textsignal „Wisst ihr nicht“ in 1Kor 6,9 zeigen, dass Paulus hier geprägte Tradition aufnimmt484. Nun lässt sich die vorliegende Kombination von basilei,a tou/ qeou/ mit dem Verb klhronomei/n zwar nur in Mt 25,34 nachweisen, aber zahlreiche weitere Berührungspunkte weisen klar in Richtung Jesustradition485. So fragt der reiche Jüngling in Mk 10,17parr, was er tun müsse, um das „ewige Leben“ zu „ererben“ (vgl. zur Kombination von zwh, aivw,nion und klhronomei/n auch Mt 19,29). Im weiteren Gespräch wird deutlich, dass „ewiges Leben ererben“, „gerettet werden“ und „in die basilei,a tou/ qeou/ kommen“ synonym verwendet werden können (Mk 10,17.23-26; vgl. Mk 9,43484 485

Wenham, Paul, 74. Haufe, Reich Gottes, 470.

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48). Dieselbe Synonymität besitzen „das Reich ererben“ und „in das ewige Leben kommen“ auch in Mt 25,34.46. In formaler Hinsicht stehen den drei paulinischen Ausschlussformeln die synoptischen Einlasssprüche nahe, v.a. in ihrer negativen Form486. Gleichzeitig unterscheidet sich die Formel vom frühjüdisch-apokalyptischen Begriffsgebrauch von basilei,a tou/ qeou/, der dort nie in Verbindung mit dem Verb klhromonei/n belegt ist487. Im Ergebnis kommt damit nur ein Anschluss an die Jesustradition in Frage, auch wenn es keinen eindeutigen Beweis gibt, weil die drei formalen Elemente dort nie gemeinsam belegt sind488. In temporaler Hinsicht müssen die drei Formeln eindeutig futurisch verstanden werden. Paulus formuliert in 1Kor 6,9f. und Gal 5,21 bestimmte ethische Eintrittsvoraussetzungen für das Reich Gottes, an die er die Gemeinde in der Gegenwart erinnert, damit sie ihre zukünftige Heilsteilhabe nicht auf’s Spiel setzt. Diese Formulierung von Eintrittsbedingungen knüpft an die Einlasssprüche Jesu an. Die damit verbundene Konditionierung der Heilsteilhabe steht bei Paulus nicht im Widerspruch zu seiner Rechtfertigungsbotschaft. Immer wieder macht Paulus deutlich, dass der Lebenswandel der Gemeindeglieder nicht irrelevant für die eschatologische Heilsteilhabe ist (vgl. z.B. 1Kor 5,1-15; 6,12-21; 10,1-13 u.ö.). In 1Kor 6,9f. und Gal 5,21 will Paulus die Gemeindeglieder vor einem Rückfall in ihr vorchristliches Verhalten warnen. Haufe, Reich Gottes, 470; Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 199; zur negativen Form vgl. Mt 5,20; 7,21; 18,3; 19,23f.; Mk 10,15par; Lk 18,17.24f.; sowie Joh 3,3.5; zur positiven Form vgl. Mt 21,31; Mk 9,47; 10,23-25parr; sowie 2Tim 4,18; 2Petr 1,11. 487 Witherington, Jesus, 55. 488 Wie Haacker, Implicit Christology, 148 und passim, gezeigt hat, geht die Formulierung vom „Ererben des Reiches“ ebenso wie die Rede vom „Eingehen in das Reich“ traditionsgeschichtlich auf die Landzusagen an Israel zurück; s. Kapitel IV.4. Vor Haacker wurde dies bereits von Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 199f., und Haufe, Reich Gottes, 470f. gesehen: „Schon in Dtn 4,1; 6,18; 16,20 (LXX) stehen eivshlqei/n und klhronomh/sai so dicht nebeneinander, dass sie im Grunde denselben Vorgang bezeichnen. Das alles spricht dafür, daß beide Ausschlußformeln sprachlich und sachlich austauschbare Varianten und mithin im gleichen Umfeld beheimatet sind.“ 486

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Es geht also nicht um eine Aufforderung zum Erwerb des Heils durch einen entsprechenden Lebenswandel, sondern um eine Warnung vor dem Verlust des bereits in der Taufe (vgl. 1Kor 6,11) zugesprochenen Heils durch die kontinuierliche Praxis der genannten Laster489. Der Beleg in 1Kor 15,50 hat einen etwas anderen Charakter als die Belege in 1Kor 6,9f. und Gal 5,21. Hier geht es nicht um eine ethische, sondern um eine physische Qualifikation für das Ererben bzw. Eintreten in das Reich Gottes und damit für die eschatologische Heilsteilhabe. „Fleisch und Blut“ (sa.rx kai. ai-ma) sind formelhafter Ausdruck für die physische Verfasstheit des Menschen, speziell für seine Vergänglichkeit und Sterblichkeit (vgl. Gal 1,16). „Paul … does associate material transformation of both persons and world with what will happen in the future – the return of Christ, the resurrection of believers, the renewal of the world …“490 Die basilei,a kann der Mensch daher faktisch nur postmortal und nur mit einem Auferstehungsleib „ererben“. Sie stellt offensichtlich eine transformierte Heilswirklichkeit dar, die auch von Menschen nur in einem transformierten Status, konkret in einer veränderten Leiblichkeit, betreten werden kann491. Dies unterstreicht sehr deutlich den futurischen Charakter der basilei,a. Sie kann aufgrund dieser Bestimmung erst kommen bzw. ererbt werden, wenn Christus wiederkommt und den Auferstandenen bzw. den noch Lebenden einen Auferstehungsleib verleiht. Die basilei,a wird im Kontext von 1Kor 15,50-53 (vgl. 1Thess 4,13-18) somit nicht nur als eine postmortale, sondern auch als eine postparusiale Größe definiert.

489 Wolff, Verkündigung, 21. Auch in 1Thess 2,12 bildet die indikativische Heilszusage die Grundlage für eine Ermahnung zum würdigen (avxi,wj) Wandel, der eine unabdingbare Folgewirkung der empfangenen Rechtfertigung ist. 490 Witherington, Jesus, 58. 491 Wolff, Verkündigung, 23: „Das Reich Gottes ist für Paulus hier eindeutig die Umschreibung für das Endheil. Dessen Anbruch stellt er sich nach apokalyptischem Vorbild als mit der Auferstehung der Toten beginnend vor.“

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Im Blick auf den Charakter der basilei,a scheint aufgrund der Verbindung mit dem Verb klhronomei/n zunächst eine Gabe, konkret ein zu empfangendes Erbe, im Blick zu sein. Allerdings ist aufgrund der beschriebenen traditionsgeschichtlichen Bezüge zur Landverheißung und im Licht des eschatologischen Kontextes von 1Kor 15,50 auch hier eher an eine räumliche Größe zu denken492. Es geht um einen Heilsort, der eine transformierte Wirklichkeit impliziert und in dem die leiblich verwandelten Glaubenden die endzeitliche Heilserfüllung erleben493. Gegen diese Bestimmung der basilei,a als eines endzeitlichen Heilsortes, der der menschlichen Verfügbarkeit grundsätzlich entzogen ist, scheint Kol 4,11 zu sprechen. In der Grußliste des Kolosserbriefes werden Aristarch, Markus und Jesus Justus als „meine Mitarbeiter am Reich Gottes (sunergoi. eivj th.n basilei,an tou/ qeou/)“ bezeichnet. Vom Gesamtzusammenhang des paulinischen Begriffsgebrauchs muss dieser Vers aber so verstanden werden, dass die drei genannten Mitarbeiter durch die Verkündigung des Evangeliums zu Gehilfen geworden sind, damit Menschen „hin zum“ (eivj) Heil gelangen und ewiges Leben, eben das Reich Gottes, empfangen, ererben oder besitzen können494. Von einem „Bauen“ bzw. „Mitarbeiten am Reich Gottes“ kann auch hier keine Rede sein495.

Gegen Wolff, Verkündigung, 16. Witherington, Jesus, 56: „Paul seems to see the future basileia as a realm that one enters or inherits only upon the return of Christ and after the resurrection of the dead in Christ and the transformation of the living believers.“ 494 So auch Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 202: „Schwerlich will Paulus sagen, daß seine Missionsgehilfen am Reiche Gottes mitarbeiten (dann stände eher der Genitiv), vielmehr daß sie sich im Dienste des kommenden Gottesreiches abmühen, indem sie es verkündigen ..., den Menschen die Teilnahme daran ermöglichen und um seinetwillen alle Mühsal auf sich nehmen.“ 495 Die beliebte Metapher vom „Bauen des Reiches Gottes“ hat im Neuen Testament nirgendwo einen Anhaltspunkt. 492 493

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3. Das Reich Christi (1Kor 15,24) Einen Sonderfall der basilei,a-Belege bei Paulus stellt 1Kor 15,24 dar. Zunächst einmal ist hier nicht von der basilei,a tou/ qeou/ die Rede, sondern von einer basilei,a im Sinne einer Zeit, in der Christus herrscht (dei/ ga.r auvto.n basileu/ein) und an deren Ende (to. te,loj) er diese Herrschaft an Gott den Vater übergibt. Es stellt sich an dieser Stelle zunächst die ganz grundsätzliche Frage, ob Paulus hier überhaupt von der basilei,a tou/ qeou/ spricht oder ob es hier um eine andere Größe geht. Erst im Anschluss daran kann die Frage geklärt werden, welche Hinweise der Beleg zum Verständnis des Syntagmas bei Paulus bietet. Ein Grundproblem der Interpretation von 1Kor 15,24 ist die Einordnung dieser Stelle in die paulinische Endzeitchronologie. Geht es bei dieser basilei,a mit Christus an der Spitze um die gegenwärtige und deshalb noch unsichtbare Herrschaft des Auferstandenen und Erhöhten496, der diese Herrschaft unmittelbar nach seiner Parusie und dem damit verbundenen Gericht über alle seine Feinde Gott dem Vater übergeben wird, oder geht es um ein messianisch-irdisches Zwischenreich497, das sich chronologisch zwischen Parusie und Vollendung erstreckt? Die erste Deutung ist in der Forschung seit Anfang des 20. Jahrhunderts zur eindeutigen Mehrheitsposition avanciert498. Sie kann sich auf 1Kor 15,50-52 berufen, wo Paulus an eine konsekutive Abfolge von (1) Parusie, (2) Auferstehung der im Glauben verstorbenen bzw. Verwandlung der noch lebenden Christen und (3) dem Ende zu denken 496 Röm 1,3-4; 14,9; Phil 2,9-11; vgl. Mt 28,18; Kol 1,13f.; Joh 18,36 sowie Eph 1,20-23; Kol 2,9f.15. 497 Ein messianisches Zwischenreich ist bereits in der apokalyptischen Literatur des Frühjudentums belegt, vgl. 4Esr 7,26-28; 12,31-34, und 2Bar 29,3-30,1; 40,1-4; 72,2-74,3; mit Abstrichen auch äthHen 93,1-10; 91,1217. Wirkungsgeschichtlich relevant wurde aber v.a. Apk 20,4-6. 498 Sie wird u.a. vertreten von Wilke, Problem; Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 205-212; Schrage, Zwischenreich, 343-354; ders., 1Kor IV, 166-175; Fee, 1Cor, 745-760; Hill, Understanding; Wolff, 1Kor, 386; Thiselton, 1Cor, 1230-1234; Lindemann, 1Kor, 346.

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scheint. Mit der Parusie wird hier der Beginn des Reiches Gottes (basilei,a tou/ qeou/), nicht des Reiches Christi verbunden. Auch scheint 1Kor 15,25 eine Herrschaft Christi vorauszusetzen, die nicht erst mit der Parusie beginnt, sondern bereits mit der Auferstehung begonnen hat und somit bereits gegenwärtig stattfindet (vgl. Kol 1,13-14; 2,9f.15; Eph 1,20-23; Joh 18,36). Schließlich deutet die Anspielung auf Ps 110,1 („alle Feinde unter seine Füße getan“, V. 25) gewöhnlich auf die gegenwärtige Herrschaft Christi hin499. Auf der anderen Seite scheint V. 23f. verschiedene „Auferstehungsabschnitte“ mit zeitlicher Ausdehnung nahezulegen: Nach der Auferstehung Christi als der avparch, folgt bei seiner Parusie (e;peita) die Auferstehung der Glaubenden. Durch das nicht logisch („dann“), sondern zeitlich („danach“) bestimmte ei=ta vor dem te,loj scheint in V. 24 eine analoge Zäsur impliziert zu sein, wobei wir nicht wissen können, ob und in welchen Zeitdimensionen Paulus hier dachte. Ein irdisch-messianisches Zwischenreich könnte auch in 1Thess 4,13-18 impliziert sein, wo Paulus klärend auf eine bestimmte Befürchtung der Thessalonicher eingeht. Möglicherweise steckt dahinter die Angst, dass die verstorbenen Gemeindeglieder die Segnungen eines solchen messianischen Zwischenreiches verpassen könnten. Das stärkste Argument für die Annahme eines messianischen Zwischenreiches sind sicherlich die zahlreichen Parallelen zu Apk 20,46500. Wie in 1Kor 15,25 ist auch hier die einzige Tätigkeit, die von Christus und den Märtyrern berichtet wird, das Herrschen (basileu,sousin metV auvtou/). Am Anfang des Millenniums der Apokalypse steht die Auferstehung der Märtyrer, wobei offen bleibt, ob nicht die Anteilhabe aller Glaubenden 499 Mt 26,64/Lk 22,69; Mk 16,19; Act 2,33-35; 5,31; 7,55f.; Röm 8,34; Eph 1,20; Kol 3,1; Hebr 1,3.13; 8,1; 10,12f.; 12,2; 1Petr 3,22. Allerdings ist zu beachten, dass gewöhnlich immer Ps 110,1b die gegenwärtige Herrschaft Christi, der zur Rechten Gottes sitzt, anzeigt, während in 1Kor 15,25 auf V. 1c angespielt wird. Man könnte einwenden, dass es Paulus hier nicht um Christi gegenwärtige Hoheitsposition geht, sondern um seine zukünftige Herrschaft auf Erden, so Turner, Interim, 334. 500 Vgl. hierzu Bauer, Messiasreich, passim, und Gäckle, Priestertum, 514571.

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an dieser Auferstehung mit impliziert ist501. Wenn man ein messianisches Zwischenreich auch bei Paulus annimmt, wäre der Beginn auch hier mit der Auferstehung der Glaubenden im Zuge der Parusie gegeben. Schließlich ist in Apk 20,7-10 das Ende des messianischen Zwischenreichs von einer bellizistischen Auseinandersetzung Christi mit Satan und den von ihm verführten Völkern geprägt, an deren Ende die Vernichtung des Teufels und seiner Anhänger (20,10; vgl. 1Kor 15,25) und letztlich auch des Todes steht (20,14; vgl. 1Kor 15,26). Allerdings gibt es auch eine Reihe von Unterschieden zwischen beiden Texten, wie z.B. die Zeitangabe von 1000 Jahren und die Auferstehung der Nicht-Glaubenden (Apk 20,11-15), von der Paulus nichts berichtet. Die Frage nach der chronologischen Einordnung der von Paulus in 1Kor 15,24f. erwähnten basilei,a lässt sich nicht mit letzter Gewissheit klären. Ein messianisches Zwischenreich wird weder explizit erwähnt, noch kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Paulus tatsächlich an ein solches dachte. Dagegen lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, dass diese basilei,a Christi, wo auch immer sie chronologisch einzuordnen ist, nicht identisch ist mit der basilei,a tou/ qeou/, von der Paulus in den anderen hier untersuchten Versen spricht. Denn während das Reich in 1Kor 15,24 eindeutig befristet ist und nur so lange dauert, bis Christus dieses Reich an Gott, den Vater, übergibt, deutet weder bei Paulus noch in irgendeinem anderen ntl. Reich-Gottes-Beleg etwas auf eine Befristung hin. Auch der bellizistische Charakter dieses Reiches, in dem es maßgeblich um die Überwindung, Unterwerfung und Vernichtung der Feinde geht, entspricht nicht dem Wesen des Reiches Gottes, wie es in den übrigen Belegen präsentiert wird. Denn die basilei,a tou/ qeou/ ist geprägt von „Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14,17) und zu ihr hat ja gerade alles Widergöttliche keinen Zugang (1Kor 6,9f.; Gal 5,21). Das Reich Gottes muss daher in jedem Fall als te,loj im Sinne der 501 Vgl. dazu Turner, Interim, 325, Anm. 7; Wilke, Problem, 52f.; Kreitzer, Jesus, und Stuhlmacher, Biblische Theologie I, 309, sowie Gäckle, Priestertum, 546f.

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ewigen Heilsvollendung gedacht werden, dem die in 1Kor 15,24f. erwähnte Herrschaft Christi, welchen Zeitraum man auch immer darunter verstehen mag, vorangeht. Diese Überlegungen betreffen auch eine Reihe von Belegen in den umstrittenen Paulusbriefen, in denen ebenfalls eine basilei,a Christi erwähnt wird. Sie legen z.B. für Eph 5,5, wo ähnlich zu 1Kor 6,9f. und Gal 5,21 in einem kurzen Lasterkatalog von einem Erbteil am „Reich Christi und Gottes“ die Rede ist, eine Unterscheidung zwischen basilei,a tou/ Cristou/ und basilei,a tou/ qeou/ nahe502. Ob es sich bei der basilei,a Christi um eine gegenwärtige oder zukünftige Größe handelt, lässt sich hier nicht eindeutig klären, aber vor dem Hintergrund von 1Kor 15,24-28 könnte man bei der basilei,a tou/ Cristou/ entweder an die gegenwärtige, aber paradox verborgene Herrschaft des Gekreuzigten im Sinne von Joh 18,36 und Mt 28,18 denken oder an ein räumlich vorgestelltes messianisches Zwischenreich im Sinne von Apk 20,4-6, das chronologisch vor dem Reich Gottes seinen zeitlichen Ort hat. Die koordinierte Formulierung in Eph 5,5 wäre somit im Sinne eines zeitlichen Nacheinanders zu verstehen: Weder an der einen noch an der anderen Epoche haben die genannten Sünder einen Anteil503. Vor dem Hintergrund der Verwandtschaft mit 1Kor 6,9f. und Gal 5,21 und dem Begriff des Erbteils geht es zumindest bei letzterem Begriff um eine als Heilsraum bzw. -ort verstandene basilei,a tou/ qeou/. Ebenfalls räumlich, aber eindeutig futurisch, nämlich im Sinne einer postparusialen Größe (vgl. 1Kor 15,50) ist die basilei,a Christi dagegen in 2Tim 4,1 und 4,18 gefasst. Während das Reich Christi in V. 1 mit der Parusie Christi und dem in diesem Zusammenhang stattfindenden Gericht verbunden wird, ist es in V. 18 der zukünftige Rettungsort für Paulus selbst. Der Herr wird ihn erlösen (r`u` ,setai, me o`` ku,rioj) von allen Werken des

Gegen Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 201.208f. So auch O’Brien, Eph, 364: „There is a tendency in Paul’s letters to distinguish two phases of the heavenly kingdom, reserving the expression ‘the kingdom of God‘ for its future and eternal aspect (1 Cor. 6:9, 10; 15:50; Gal. 5:21), while ‚the kingdom of Christ‘ denotes the present phase of God’s rule (1 Cor 15:24; Col. 1:13; cf. also Eph 2:6; 2 Tim. 4:1, 18), which is destined to merge with the future. […] Thus, the double formulation the kingdom of Christ and of God signifies the divine kingdom in both its present and future aspects“. Vanoni/Heiniger, Reich Gottes, 112, diskutieren sowohl die präsentische als auch die futurische Deutung, möchten aber in jedem Fall beide Begriffe entweder präsentisch oder futurisch deuten. 502 503

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Bösen und ihn retten in sein himmlisches Reich (sw,sei eivj th.n basilei,an auvtou/ th.n evpoura,nion)504. Was in 2Tim 4,18 futurisch gefasst ist, wird in Kol 1,13 dagegen präsentisch formuliert. Dort beschreibt Paulus den gegenwärtigen Heilsstatus der Glaubenden mit der Aussage: Er hat uns errettet (evrru,sato) von der Macht der Finsternis und uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes (mete,sthsen eivj th.n basilei,an tou/ ui``ou/ th/j avga,phj auvtou/), in ihm haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden. (Kol 1,13f.) Zum Verständnis der Stelle muss auch der vorangehende V. 12 beachtet werden, wo die Gemeinde zum Dank gegenüber Gott aufgefordert wird, der sie „tüchtig gemacht hat zum Erbteil der Heiligen im Licht (i`k` anw,santi u``ma/j eivj meri,da tou/ klh.rou tw/n a``gi,wn evn tw/| fwti,)“. Es geht somit auch hier wie in 1Kor 6,9f.; Gal 5,21 und Eph 5,5 um das zukünftige Erbe, das aber in Form der Erlösung und Vergebung schon jetzt eine gegenwärtige Realität ist. Für den zweifellos präsentischen Charakter dieser basilei,a tou/ ui``ou/ th/j avga,phj auvtou/ gibt es zwei Erklärungsmodelle. Eine Möglichkeit ist, dass es hier um das bereits in den Sabbatliedern begegnende Konzept eines himmlischen Reiches geht, in dem jetzt schon Wirklichkeit ist, was auf Erden noch verborgen und unsichtbar ist. Dieses Konzept christlicher Heilswirklichkeit ist für den Kolosserbrief grundlegend: Das Leben der Glaubenden ist „verborgen mit Christus in Gott“ und erst „wenn Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, werdet auch ihr offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit“ (Kol 3,3f.). Eine andere Möglichkeit ist, dass dieses räumlich konnotierte Reich Christi dem entspricht, was wir in Apk 1,6 und 5,10 vorfinden, wo die Glaubenden von Christus zu einer basilei,an und zu Priestern vor Gott „gemacht“ wurden (siehe Kapitel VIII.1). Es geht dort vermutlich um die Vorstellung eines Herrschaftsbereiches, in dem Christi Herrschaft anerkannt und bekannt wird, konkret also um die Gemeinde. Das Verständnis der glaubenden Gemeinde als räumlich gefasste basilei,a tou/ Cristou/ wäre für Paulus singulär, aber nicht undenkbar. Die Vorstellung eines Raumes oder Bereiches legt sich durch die Präposition eivj und das Verb meqi,sthmi (etw./jem. an einen anderen Ort/Stelle versetzen) auch für Kol 1,13 nahe505. Nach den Überlegungen zu 1Kor 15,24-28 geht es bei der basilei,a Christi um eine vom Reich Gottes eindeutig zu unterscheidende Größe506. Unscharf bleibt, ob es sich dabei um eine aktive Herrschaft (so wohl eher in 1Kor 15,24f.) oder um einen passiven Heilsbereich (so eher in Kol 1,13) handelt. Die mit dem Begriff verknüpfte Heilswirklichkeit kann sowohl präsentisch (Kol 1,13) wie futurisch (2Tim 4,1.18) formuliert werden, was 504 Möglicherweise liegt hier eine ähnliche Hoffnung wie in Lk 23,42f. vor, wonach Paulus unmittelbar nach seinem Tod in das Reich Christi im Sinne eines himmlischen Warteraumes der Erlösten gelangt. 505 So auch Vanoni/Heininger, Reich Gottes, 111. 506 Anders ebd., Reich Gottes, 111.113.

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der Ambivalenz des in Christus eröffneten Heils im Ganzen entspricht: Die Erlösung und Errettung ist schon jetzt in Christus eine gegenwärtige, aber verborgene Wirklichkeit, die erst im Eschaton offenbar und sichtbar werden wird.

4. Die Wirkung des Reiches (1Kor 4,20; Röm 14,17) In einem völlig anderen Zusammenhang als in den drei Ausschlussformeln steht das Syntagma in 1Kor 4,20 und Röm 14,17. Es handelt sich hier um „antithetische Definitionssätze“507, deren Satzstruktur dem Muster „Das Reich Gottes ist nicht x, sondern y“ (ouv – avlla,) folgt508. Richard Sneed machte in diesem Zusammenhang auf die formale Parallelität zu Lk 17,20f. aufmerksam und reklamierte als Grundlage für Röm 14,17 eine entsprechende Jesustradition509. Doch mehr als die parallele Form lässt sich kaum nachweisen. Aussagekräftiger sind dagegen die inhaltlichen Berührungen zu Mt 5,20 und 6,33 (Stichwort „Gerechtigkeit“), sowie zu Mt 10,7.13 und Lk 10,5f.11 (Stichwort „Friede“) und zu Mt 6,25-33/Lk 12,22-31 (Relativierung von „Essen und Trinken“ im Horizont des Reiches Gottes)510. Zwar lässt sich zu keinem dieser Belege eine direkte Abhängigkeit nachweisen, aber die thematischen Bezüge sind nicht zu übersehen. Insofern sind sowohl 1Kor 4,20 als auch Röm 14,17 als kontextbezogene Ad-hoc-Bildungen von Paulus zu betrachten511, die jedoch die Erinnerung an einschlägige Jesuslogien durchscheinen lassen512. Haufe, Reich Gottes, 469; Wolff, Verkündigung, 9. Wenham, Paul, 74; Witherington, Paul, 56. Formparallelen finden sich in 1Makk 3,19 und bei Epict Diss 2,1,4; 2,10,8 u.ö. 509 Sneed, Kingdom, 369-374. 510 Sowohl in Röm 14,17 wie in Mt 6,25 scheint die Wendung „Essen und Trinken“ einen formelhaften Charakter zu haben. 511 Haufe, Reich Gottes, 469; Wolff, Verkündigung, 23.26. 512 Auch Theobald, Erkenntnis, 488ff., nimmt an, dass dem Beleg traditionelles Material zugrunde liegt, z.B. in Form eines Kataloges, da die Trias doch einen gewissen Aussageüberschuss im Blick auf den unmittelbaren 507 508

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In Röm 14,1-15,13 geht es um den Konflikt zwischen den „Starken“ und „Schwachen“ in Rom im Blick auf Termin-, v.a. aber auf Speisefragen. Im Hintergrund steht mit großer Wahrscheinlichkeit der Streit um die jüdische kashrut zwischen römischen Juden- und Heidenchristen513. Im Licht der Christusoffenbarung und mit der eschatologischen Gabe des Heiligen Geistes geht für Paulus eine Neugewichtung des göttlichen Willens einher: „Sünde, die vom Reich Gottes ausschließen könnte (vgl. 1.Kor. 6,9f.; Gal. 5,21), droht nicht von der physischen Kontamination mit tabuisierten Materialien (Fleisch, Wein und dergleichen), sondern vom zwischenmenschlichen Versagen.“514 Vor dem Horizont des Evangeliums werden die jüdischen Trennlinien im Kontext des Essens und der Speise irrelevant und mit der Gabe des Geistes ist eine neue Wertehierarchie an deren Stelle getreten. Von daher wäre es auch völlig irrig, Röm 14,17 in einer Spannung zu Mt 8,11f. oder 14,25 zu interpretieren515. Es geht hier nicht um die Abwesenheit von „Essen und Trinken“ beim endzeitlichen Festmahl im futurischen Gottesreich, sondern um die Relativierung irdischer Dinge, Werte und Ordnungen vor dem Horizont eben dieses futurischen Reiches. „Essen und Trinken“ verlieren somit ihre soteriologische Relevanz und werden zu Adiaphora. Deutlich ist aber auch, dass die basilei,a tou/ qeou/ hier zumindest eine präsentische Relevanz besitzt, denn Paulus benützt den Hinweis auf das Reich Gottes als Argument zur Klärung eines aktuellen Konflikts. Wie sich diese präsentische Relevanz zur eindeutig futurischen Dimension des Syntagmas in 1Kor 6,9f.; 15,50; Gal 5,21 verhält, wird am Ende dieses Abschnitts zu klären sein.

Kontext enthält. Dafür spricht neben der seltenen paulinischen Verwendung von basilei,a tou/ qeou/ auch die formelhafte Zusammenstellung von „Essen und Trinken“. Von einem Streit um Getränke war bisher noch nicht die Rede, und auch die Erwähnung von Wein in V. 21 scheint keinen konkreten Anhaltspunkt im römischen Konflikt zu haben. 513 Vgl. dazu Gäckle, Die Starken, 293-385. 514 Haacker, Röm, 288. 515 Richtig gesehen auch von Witherington, Jesus, 69.

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Der andere antithetische Definitionssatz in 1Kor 4,20 steht ebenfalls in einem kontroverstheologischen Kontext. Der gesamte erste Hauptteil des 1. Korintherbriefes (1Kor 1,104,21) ist vermutlich vorrangig an die Apollosgruppe adressiert – so sehr die ganze korinthische Gemeinde natürlich als „Mithörer“ im Blick bleibt516. Dafür spricht vor allem, dass von den in 1,12 genannten Verkündigern in erster Linie die Person des Apollos als „Vorbild“ rhetorischer und möglicherweise auch philosophischer Bildung in Frage kommt (vgl. Act 18,24f.). Umgekehrt ist die Petrusgruppe im 1. Korintherbrief auch via negationis kaum greifbar und die Paulusgruppe kommt als primärer Adressat der Kritik in 1Kor 1,10–4,21 kaum in Frage517. Somit bleibt nur die Apollosgruppe als wahrscheinlichste Alternative übrig. In 1Kor 4,21 steht die Antithese lo,goj – du,namij im Mittelpunkt der Aussage. Dies ist zunächst insofern überraschend als beide Begriffe bei Paulus häufig als kongruent gelten, man denke nur an die beiden Programmsätze in Röm 1,16 und 1Kor 1,18. Das antithetische Verhältnis beider Begriffe kann deshalb nur im Kontext der korinthischen Spannungen angemessen verstanden werden. Diese lassen sich vor dem Hintergrund der Konventionen der antiken Rhetorik, dem Milieu und der wichtigen Rolle der antiken Rhetoren und Oratoren erklären. Dazu gehörte neben dem elitären Bildungsanspruch auch die Bildung konkurrierender Schulen, wobei die Schüler zur Loyalität gegenüber dem eigenen rhetorischen Schulhaupt und zur Kritik gegenüber dessen Konkurrenten verpflichtet waren. Es sind solche Reflexe der antiken Kultur rhetorischer Schulen, auf die die paulinische Kritik abzielt. Vermutlich wollten die Vertreter der Apollosgruppe das Evangelium auf dem Hintergrund eines solchen elitären Bildungsanspruchs in die Formen der griechisch-römischen

516 Zur Apollosgruppe als Adressaten der weisheitskritischen Ausführungen in 1Kor 1,10–4,21 vgl. Gäckle, Die Starken, 451f., v.a. Anm. 2. 517 Merklein, 1Kor I, 139–145.

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Rhetorik einkleiden518. Dagegen betont Paulus zum einen, dass er in Korinth nicht in „überredenden“ „Worten menschlicher Weisheit“519 gelehrt hat (vgl. 1,17; 2,1.4.13), und zum anderen beschreibt er seine eigene Verkündigung ausschließlich mit Begriffen wie euvaggeli,zein, khru,ssein/ kh,rugma, katagge,llein und marturei/n, die signifikanterweise keinerlei Bezug zu dieser rhetorischen Tradition haben520. Damit gewinnt der ambivalente Charakter des Begriffs lo,goj in 1Kor 1,10-4,21 ein klares antithetisches Profil: Auf der einen Seite steht die von Paulus abgelehnte „Weisheit des Wortes“ (vgl. 2,4), die mit der „Weisheit der Welt“ identisch und den Verlorenen eigen ist, und auf der anderen Seite das „Wort vom Kreuz“, das rettende Wirkung hat und mit dem Attribut du,namij charakterisiert wird (vgl. 2,4). In 1Kor 4,20 steht der Begriff lo,goj somit für die negativ konnotierte „Weisheit des Wortes“ (sofi,a logou/ in 1,17), die „Disputierer dieser Welt“ (suzhthth.j tou/ aivw/noj in 1,20), die „Vortrefflichkeit der Rede und Weisheit“ (u``peroch.n lo,gou h; sofi,aj in 2,1), die „überredenden Worte der Weisheit“ (evn peiqoi/[j] sofi,aj [lo,goij] in 2,4), die „Weisheit der Menschen“ (evn sofi,a| avnqrw,pwn in 2,5) und auch für „das Wort der Aufgeblasenen“ (to.n lo,gon tw/n pefusiwme,nwn in 4,19). Die du,namij steht dagegen für die Wirkung des Evangeliums (1,17), des „Wortes vom Kreuz“ (lo,goj tou/ staurou/ in 1,18) bzw. der paulinischen Predigt (o`` lo,goj mou kai. to. kh,rugma, mou in 2,4). Das Reich Gottes ordnet Paulus nun dieser durch das Evangelium bzw. durch seine Predigt vom Kreuz ausgelösten 518 Litfin, Proclamation, 245–247; ähnlich Winter, Philo, 235; vgl. dagegen Theis, Weisheitslehrer, 148. 519 Die Wendung sofi,a lo,gou in 1,17 (vgl. 2,1.4.13) nimmt ein aus der rhetorisch-sophistischen Literatur bekanntes Wortfeld auf und ist am ehesten mit „Redegewandtheit“ zu übersetzen. Der Ausdruck ist daher auf die äußere Form bzw. die rhetorische Gestalt der Verkündigung zu beziehen; so Litfin, Proclamation, 187–192; Vos, Argumentation, 93–97, bes. 93f., Anm. 12–14; Thiselton, 1Cor, 143–147 u.v.a.; vgl. dagegen Kammler, Kreuz und Weisheit, 28–36. 520 Litfin, Proclamation, 195f.244f.

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Kraftwirkung zu. Der Begriff wird somit zu einer Chiffre für die Wirklichkeit des Heils, die in der Gegenwart zwar schon Realität ist, wenn auch noch unsichtbar, sich aber im Eschaton offenbaren wird. Dass das Reich Gottes im Kontext von 1Kor 4,20 eine präsentische Dimension hat, legt schon die grammatische Struktur nahe, welche die Ergänzung eines „ist“ bzw. „besteht“ verlangt521. Auch der dargestellte Zusammenhang mit den korinthischen Spannungen, die Thema des ersten Hauptteils 1Kor 1,10-4,21 sind, deutet auf eine präsentische Konnotation des Begriffs hin, denn sowohl die korinthische Wertschätzung rhetorischer Eloquenz und intellektueller Bildung, als auch die Kraftwirkungen des Evangeliums bzw. der Predigt vom Kreuz sind gegenwärtige Phänomene522. Wie in Röm 14,17 macht Paulus auch hier eine Aussage über das gegenwärtige Sein des Glaubenden bzw. der Gemeinde. Wie aber ist der eindeutig futurische Gebrauch des Begriffs im selben Brief (1Kor 6,9f.; 15,50) mit diesem Befund zu erklären? Welche Bedeutung kann der Begriff hier und in Röm 14,17 haben, wenn das Reich Gottes nach 1Kor 15,50 erst im postmortalen Zustand eines Auferstehungsleibes „ererbt“ werden kann und dieser Zustand erst mit bzw. nach der Parusie Jesu Christi Wirklichkeit wird? Die sinnvollste Erklärung für dieses Problem ist, dass Paulus auch in Röm 14,17 und 1Kor 4,20 den futurisch-eschatologischen Charakter des Reiches Gottes voraussetzt523. Das Reich Gottes ist für ihn eine Chiffre für den Raum des Heils und die Zeit des Heils. Es ist der dauerhafte Zustand endzeitlicher Erlösung, der nach der Parusie Christi offenbar und sichtbar werden wird, der aber bereits in der Gegenwart sowohl zur bestimmenden Motivation als auch zum Maß und Kriterium christlicher Existenz werden Die Rev. Elberfelder Übersetzung ergänzt „besteht“, die Luther-Übersetzung 1984 und 2017 formuliert den Satz mit „steht“ und die Züricher Übersetzung konstruiert die Aussage mit „erweist sich“. 522 Dies betont v.a. Johnston, Sayings, 144, der von diesem Befund aus allerdings sämtliche Reich-Gottes-Belege bei Paulus präsentisch als Chiffren für ein Konzept geistlichen Lebens bzw. des Lebens im Geist verstehen möchte, ebd., 151.‘ 523 So richtig gesehen von Haufe, Reich Gottes, 469. 521

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kann und soll. Anders formuliert: Das christliche Hoffnungsgut des im Eschaton sich offenbarenden Reiches Gottes im Sinne endzeitlichen Heils enthält ein heuristisches und diakritisches Potential für das Wesen und Charakteristikum christlicher Existenz heute524. Wird dieser Zusammenhang wahrgenommen, dann entschlüsselt sich auch die pneumatische Dimension, die in Röm 14,17 mit der Wendung evn pneu,mati a``gi,w| explizit am Ende der Trias „Gerechtigkeit, Friede und Freude“ angedeutet wird und die in 1Kor 4,20 implizit im Begriff du,namij enthalten ist. Weil der Heilige Geist nach Paulus das (einzige) Unterpfand bzw. Angeld (avrrabw/n) der endzeitlichen Erlösung ist, das dem Christen schon in der Gegenwart geschenkt ist (2Kor 1,22; 5,5), erfüllt er letztlich eine analoge Funktion wie die Hoffnung auf das Reich Gottes: Er erinnert den Glaubenden an das endzeitliche und dann vollendete Heil und damit an das, was wesentlich und charakteristisch ist an seinem „Sein in Christo“, wie z.B. Gerechtigkeit, Friede und Freude (Röm 14,17) oder die Dynamis, die das Evangelium bzw. die Predigt vom Kreuz im Leben des Einzelnen wie der ganzen Gemeinde entfaltet (1Kor 4,20). Kraft dieser Erinnerung ermahnt der Heilige Geist den Glaubenden aber auch dazu, diesem Wesen und Charakter seines „Seins in Christo“ entsprechend zu leben525 und sich eben nicht an vergängliche Werte wie „Essen und Trinken“ oder rhetorische Bildung und aufgeblasene, menschliche Weisheit zu binden526.

524 Vgl. Dunn, Rom II, 822: „Used thus ‚the kingdom of God‘ becomes a way of describing ‚what Christianity is all about‘ – ‚the essence of Christianity‘.“ 525 Wolff, Verkündigung, 34. 526 Vgl. wiederum Dunn, Rom II, 822f.: „For both Jesus and Paul the Spirit is the presence of the kingdom, still future in its complete fulfilment … For both Jesus and Paul the character and power of the still future rule of God can provide inspiration and enabling for the present.“

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5. Ergebnis Als Ausgangspunkt für das Verständnis von basilei,a tou/ qeou/ in den paulinischen Briefen eignen sich die drei bzw. vier sog. Ausschlussformeln in 1Kor 6,9f.; 15,50 und Gal 5,21. Vor allem in 1Kor 15,50 bekommt das Reich Gottes ein verhältnismäßig klares Profil. Es wird hier als eine Wirklichkeit präsentiert, die erst nach der Parusie Christi offenbar werden wird und die Menschen nicht in der physischen Gestalt von „Fleisch und Blut“ ererben können, sondern nur mit der Seinsform eines postmortalen Auferstehungsleibes. Das Reich Gottes ist damit unmissverständlich als eine futurische Größe charakterisiert527, die menschlicher Mitwirkung oder gar menschlichem Zugriff grundsätzlich entzogen ist. Obwohl die Konnotation durch das Verb „ererben“ dem Syntagma den Charakter einer Gabe zu verleihen scheint, lässt der traditionsgeschichtliche Hintergrund der Landverheißung eher an einen Raum bzw. ein Land denken. Der futurische Charakter ist auch in den beiden anderen Ausschlussformeln in 1Kor 6,9f. und Gal 5,21 evident. Hier dient das Reich Gottes jedoch in erster Linie als Referenzgröße für das ethische Verhalten der Gemeindeglieder. Weil die genannten Laster in einem Gegensatz zur Heilswirklichkeit des zukünftigen Reiches Gottes stehen, mahnt Paulus seine Adressaten in Korinth und Galatien, ihr Leben an dem von ihnen erstrebten Heilsgut des Reiches Gottes auszurichten. Das Reich Gottes wird auf diese Weise Maß und Kriterium für das ethische Verhalten der Gemeinde in der Gegenwart. Genau diese Funktion besitzt das Syntagma auch in 1Kor 4,20 und Röm 14,17. Grundsätzlich muss auch hier das Reich Gottes als eine futurische Größe im Sinne der eschatologischen Heilszeit und -wirklichkeit verstanden werden, 527 Ähnlich Vanoni/Heininger, Reich Gottes, 110: „Von 1 Thess 2,12 einmal abgesehen, erscheint die basileia tou theou [sc. bei Paulus] durchgängig als ganz und gar zukünftige Größe, die erst mit den Endereignissen in Gang kommt.“ Zweifelhaft hingegen ist, ob dies eine Rückkehr „in die offenen Arme der frühjüdischen Apokalyptik“ ist, so ebd., 109.

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deren Hoffnungspotential die Gemeinde jedoch bereits in der Gegenwart zu einem entsprechenden Verhalten motivieren soll. Darüber hinaus entfaltet der Begriff ein heuristisches und diakritisches Potential im Blick auf das Wesen und den Charakter christlicher Existenz: Die endzeitliche Offenbarung des Reiches Gottes im Sinne eines Heilsraums und einer Heilszeit wird zum Maß und Kriterium für den gegenwärtigen Heilsstatus der Gemeinde, für den weder rhetorische Brillanz und weisheitlicher Bildungsdünkel (wie in Korinth) noch „Essen und Trinken“ im Sinne des Streits um die jüdische kashrut (wie in Rom) relevant sind, sondern die göttliche Dynamis und Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist. Das Reich Gottes ist bei Paulus letztlich eine Chiffre für das endzeitliche Heil528, die er sowohl in ethischen wie in epistemologischen und diakritischen Kontexten verwendet. Vor diesem Hintergrund wird auch die auffallende Zurückhaltung des Apostels bei der Verwendung dieses Begriffs verständlich, der im Vergleich zur Verkündigung Jesu, wie sie in der synoptischen Tradition reflektiert wird, bei Paulus völlig in den Hintergrund tritt529. Für die Beschreibung der christlichen Heilshoffnung war der Begriff im hellenistischrömischen Kontext relativ untauglich. Begriffe wie „ewiges Lebens“ (vgl. z.B. Röm 2,7; 5,21; 6,22f.; Gal 6,8 u.ö.) oder das Begriffsfeld sw,|zein/swthri,a (z.B. Röm 1,16; 5,9; 8,24; 10,10; 1Kor 1,18; Phil 2,12 u.ö.) waren hier viel geeigneter für die Beschreibung des eschatologischen Heilsgutes, als dieser durch und durch jüdische Begriff, der im hellenistisch-

528 Ebenso Wolff, Verkündigung, 23: „Das Reich Gottes ist für Paulus hier [bezogen auf 1Kor 15,50] eindeutig die Umschreibung für das Endheil. Dessen Anbruch stellt er sich nach apokalyptischem Vorbild als mit der Auferstehung der Toten beginnend vor.“ 529 Haufe, Reich Gottes, 472, meint, dass diese Zurückhaltung in den „Lebensproblemen“ der paulinischen Gemeinden begründet liegen, die Paulus nicht einfach mit Hilfe der Missions- und Taufpredigt habe lösen können. Allerdings tauchen die basilei,a-Belege in den paulinischen Briefen exakt in der Behandlung dieser „Lebensprobleme“ der Gemeinden auf. Der Grund für die Zurückhaltung muss daher ein anderer sein.

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römischen Kulturraum noch dazu eine höchst missverständliche politische Konnotation assoziierte (vgl. Act 17,7)530. Wollte Paulus das den Glaubenden verheißene Heilsgut plausibilisieren, dann musste er hier auf andere Begriffe zurückgreifen. Lediglich in traditionellen, jüdischen Formeln wie der Ausschlussformel oder in Definitionssätzen, die ein wesentliches Profil des christlichen Glaubens zum Ausdruck bringen und die ethische Argumentation fundieren, bediente sich Paulus des überkommenen Begriffes.

6. Jesus, Paulus und das Reich Gottes Welche Konsequenzen hat dieser Befund nun für die Frage des Verhältnisses von Jesus und Paulus im Blick auf den Begriffsgebrauch von basilei,a tou/ qeou/? Wie erwähnt gibt es keinen eindeutigen Beweis für eine Abhängigkeit des paulinischen Begriffsgebrauchs von der Jesustradition. Allerdings sind die formalen und inhaltlichen Ähnlichkeiten zwischen den paulinischen Ausschlussformeln (1Kor 6,9f.; 15,50; Gal 5,21) und den jesuanischen Einlasssprüchen nicht zu übersehen. Während in den erstgenannten das Reich „ererbt“ wird, wird man in den letztgenannten in es eingelassen. In beiden Aussagereihen spielt das ethische Verhalten für den Einlass in bzw. Ausschluss aus dem Reich Gottes eine wesentliche Rolle. Deutlich ist auch der dominante futurische und gleichzeitig nicht-theophanische bzw. nicht-apokalyptische Charakter der basilei,a, sowohl bei Paulus als auch in der Jesustradition531, was z.B. in den sog. Einlasssprüchen, im Vaterunser (Mt 6,10/Lk 11,2) und in zahlreichen Reich-Gottes-GleichJohnston, Sayings, 152; Woodbridge, Kingdom, 67f. Witherington, Jesus, 74: „Both Jesus and Paul also seem to be working with a nontheophanic or nonapocalyptic view of the coming of the basileia in the present, insofar as neither of them seems to have associated God’s present dynamic saving activity with cosmic catastrophe or cosmic transformation. In both cases the focus is solely on human transformation and the transformation of interpersonal human relationships.“

530 531

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nissen (vgl. z.B. Mt 22,1-14/Lk 14,16-24; Mt 25,21.23) evident ist. Letztlich hat der Begriff in der Jesustradition überall dort eine futurische Bedeutung, wo er in einer räumlichen oder temporalen Konnotation gebraucht wird. Gleichzeitig hat der Begriff sowohl bei Paulus wie in der Jesustradition auch eine präsentische Dimension. Überall, wo Jesus von der basilei,a als einem Besitz oder einer Gabe des ewigen Lebens spricht, ist sie als eine himmlische Wirklichkeit charakterisiert, die pneumatisch bereits gegenwärtig gesucht, empfangen und besessen werden kann, die aber erst im Eschaton sichtbar werden wird. Auch bei Paulus besitzt die grundsätzlich futurisch verstandene basilei,a diesen präsentischen Charakter insofern sie als eschatologisches Heilsgut in Verbindung mit der Gabe des Heiligen Geistes schon in der Gegenwart zum Maß und Kriterium christlicher Existenz werden kann (1Kor 4,20; Röm 14,17). Die präsentische Relevanz der futurischen basilei,a ist bei Paulus stärker von der eschatologischen Gabe des Geistes her motiviert. Wo der Geist ist, ist die Gegenwart des Heils und damit in gewisser Weise auch die Gegenwart des Reiches532. Zwar sind das Austreiben der Dämonen mit dem „Geist“ (Mt 12,28) und die geistgewirkte, „dynamische“ Verkündigung des Evangeliums bzw. des Wortes vom Kreuz (1Kor 1,17f.) nicht dasselbe, aber es handelt sich jeweils um Ausdrucksformen desselben Geistes, der jeweils endzeitliches Heil in aller Vorläufigkeit punktuell aufleuchten lässt und den Paulus als das eschatologische Unterpfand der neuen Schöpfung versteht (2Kor 1,22; 5,5)533. Auch die Akzentsetzungen sind verschieden: Während bei Jesus die präsentische Bedeutung auf dem in der Heilsgabe der basilei,a bereits gegenwärtigen „ewigen Leben“ liegt, liegt bei Paulus der Akzent in 1Kor 4,20 und Röm 14,17 v.a. auf der heuristischen und diakritischen Gegenwartsdimension dieses Begriffs, die aber auch bei ihm auf das Engste mit der Gabe des Heiligen Geistes verbunden ist.

532 533

Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 204. Witherington, Jesus, 69.73f.; Haufe, Reich Gottes, 470.

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In den vergangenen 50 Jahren hat eine ganze Reihe von Exegeten versucht zu zeigen, dass das in der Forschung dominierende dynamische Verständnis von basilei,a tou/ qeou/ im Sinne einer Königsherrschaft Gottes dem Begriffsgebrauch bei Jesus kaum gerecht wird534, sondern eher die Verbindung einer räumlichen (Reich bzw. Raum des Heils), temporalen (Zeit des Heils) und dinglichen (Gabe und Geschenk des Heils) Bedeutung der Polyvalenz des Begriffs in der Jesustradition vorliegt. Diese Ergebnisse werden hier bestätigt und ergänzt durch den Nachweis eines kongruenten Begriffsgebrauchs in den paulinischen Briefen. Auch bei Paulus treten der räumliche und temporale Charakter des Begriffs, v.a. in Verbindung mit seinem futurischen Charakter, deutlich in den Vordergrund (1Thess 2,12; 1Kor 6,9f.; 15,50 und Gal 5,21). Der wesentliche Unterschied zwischen Jesus und Paulus liegt letztlich in der stark differierenden Häufigkeit des Gebrauchs dieses Syntagmas. Während die basilei,a der zentrale soteriologische Begriff der Verkündigung Jesu ist, wird er bei Paulus nur gelegentlich, meistens formelhaft und fast durchweg in ethischen und diakritischen Zusammenhängen, verwendet. Der Grund dafür ist in den unterschiedlichen Adressaten zu suchen. Während Jesus bei seiner jüdischen Hörerschaft trotz aller Verschiedenheit zum apokalyptischen Begriffsgebrauch offensichtlich mit einem breiten Vorverständnis dieses Begriffes rechnen konnte, bringt Paulus die soteriologische Dimension seines Evangeliums durchweg mit einer Terminologie zu Ausdruck, die er für die hellenistisch-römische Welt als „anschlussfähig“ betrachtete. Dazu rechnete er basilei,a tou/ qeou/ offensichtlich nur bedingt, auch aufgrund seiner Un- bzw. Missverständlichkeit im griechischen Sprach- und Kulturkreis535. S.o. die Anm. 146-150. In diesem Zusammenhang sind die Beobachtungen von Wedderburn, Paul and Jesus, 108-110, interessant, der auf die strukturellen Parallelen zwischen „Reich Gottes“ und „Gerechtigkeit Gottes“ hinweist (108f.): „So ‚God’s kingdom‘ and ‚God’s righteousness‘ can both be ways of referring to God which concentrate on two different aspects of the divine nature and activity.“

534 535

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Schon bei Jesus hat der Begriff aufgrund seines parallelen Gebrauchs zum Begriff des „ewigen Lebens“ (Mk 9,43.48; Mk 10,17-27) die Funktion, das endzeitliche Heil in seiner räumlichen, temporalen und dinglichen Dimension zu beschreiben. Bei Paulus ist diese Tendenz noch verstärkt, insofern der Begriff zu einer Chiffre für das endzeitliche Heil und dessen normstiftenden Charakter für die Gegenwart geworden ist. Bei Lukas scheint sich dieser Prozess dahingehend fortzusetzen, dass basilei,a tou/ qeou/ zur stichwortartigen Zusammenfassung des paulinischen Evangeliums bzw. der christlichen Heilsbotschaft geworden ist536.

536

Vgl. Act 19,8; 20,25; 28,31.

VI. Das Reich Gottes in der Apostelgeschichte

1. Die basilei,a tou/ qeou/ im lukanischen Doppelwerk Ein Grundproblem der Interpretation von basilei,a tou/ qeou/ in den synoptischen Evangelien ist die Unterscheidung von Logien, die sich der Jesustradition verdanken und von den Evangelisten unbearbeitet übernommen wurden, und von solchen Logien, bei denen sich die redaktionelle Hand der Evangelisten bemerkbar macht. Grundsätzlich geht diese Studie von einem großen Vertrauen in die synoptische Überlieferung und von einem gepflegten Traditionskontinuum in der frühen Christenheit aus. Dies gilt auch für das Lukasevangelium. Wenn sich beim synoptischen Vergleich eine hohe Übereinstimmung zwischen den Texten zeigt, die nahelegt, dass ein bestimmtes Logion unbearbeitet übernommen wurde, so sollte dieses nicht oder nur mit größter Zurückhaltung für eine bestimmte Theologie eines Evangelisten in Anspruch genommen werden. Von einem theologischen Interesse eines Evangelisten im Blick auf einen bestimmten Begriff kann nur da gesprochen werden, wo sich der Begriffsgebrauch deutlich vom Rest der synoptischen Tradition abhebt537. Im Blick auf den Gebrauch von basilei,a tou/ qeou/ im lukanischen Geschichtswerk ist dies bei der einzigartigen Verbindung von basilei,a tou/ qeou/ mit einem verbum dicendi in den

537

Prieur, Verkündigung, 166.

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redaktionellen Passagen der Fall538. Mit nur einer Ausnahme (Mt 24,14, diff. Mk 13,10; vgl. Mt 13,19), begegnet uns diese Kombination im gesamten Neuen Testament nur im lukanischen Doppelwerk und hier v.a. in redaktionellen Passagen539. Vier dieser Passagen verwenden die Präposition peri, (cum genitivo)540, die ebenfalls einzigartig im Neuen Testament ist. Hier wird nicht die basilei,a verkündet, sondern etwas über (peri,) sie. Wir haben deshalb mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine geprägte lukanische Formulierung vor uns541. Eine weitergehende Frage ist, ob bereits Jesus selbst die Formulierung h`` basilei,a tou/ qeou/ euvaggeli,zetai (Lk 16,16) bzw. to. euvagge,lion th/j basilei,aj (Mt 24,14; vgl. Mt 4,23; 9,35) oder überhaupt das Wortfeld euvaggeli,zein/euvagge,lion im Munde führte542, was von einer großen Forschermehrheit bezweifelt wird. Allerdings zeigten Otto Betz und Peter

Lk 4,43 (diff. Mk 1,38); Lk 8,1; 9,2; (diff. Mk 6,7); Lk 9,11 (diff. Mk 6,34); Lk 9,60 (diff. Mt 8,22); Lk 16,16 (diff. Mt 11,12). Die genaue Form des verbum dicendi kann variieren und in vielfältigen Formen in einem und demselben Vers begegnen wie in Lk 8,1 und Act 19,8. Folgende Verben stehen im lukanischen Doppelwerk in Verbindung mit basilei,a tou/ qeou/: viermal khru,ssein (Lk 8,1; 9,2; Act 20,25; 28,31) und euvaggeli,zesqai (Lk 4,43; 8,1; 16,16; Act 8,12), sowie je einmal lalei/n (Lk 9,11); diagge,llein (Lk 9,60); le,gein (Act 1,3); diale,gein (Act 19,8); pei,qein (Act 19,8) und diamartu,resqai (Act 28,23). Vgl. Carroll, Response, 81: „A distinctive feature of the Lukan presentation of the kingdom is its association with verbs of proclamation. Fully one-fourth of all Lukan occurrences of the expression ‚kingdom of God‘ take this form.“ 539 Prieur, Verkündigung, 177: „Wenn Lukas diese Botschaft in [Lk] 4,43 als Verkündigung der basilei,a tou/ qeou/ charakterisiert und als Grund der Sendung Jesu beschreibt, dann erweist sich das Summarium mit der Verbindung von verbum dicendi und basilei,a tou/ qeou/ für das Evangelium in ähnlicher Weise bedeutungsvoll wie für die Apostelgeschichte.“ 540 Lk 9,11; Act 1,3; 8,12; 19,8. 541 Conzelmann, Mitte der Zeit, 33, 104 und passim; Merk, Reich Gottes, 205; Prieur, Verkündigung, 4f. 542 Vgl. z.B. Mk 1,14; 8,35; Mk 13,10/Mt 24,14; Mk 14,9/Mt 26,13; Mt 11,5/Lk 7,22; Mt 24,14; Lk 4,18.43. 538

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Stuhlmacher, wie zentral gerade Jes 52,7; 56,1 und 61,1 für die Verkündigung Jesu war543. Entsprechend halten sie die Verwendung des Begriffs durch Jesus selbst daraus für wahrscheinlich544.

Der Inhalt der vorösterlichen „Verkündigung der basilei,a“ ist im Lukasevangelium die sukzessive Erfüllung des göttlichen Heilsplanes in der Sendung sowie dem Wirken, Sterben und Auferwecktwerden Jesu Christi (Lk 8,10)545, angefangen vom Auftreten Johannes des Täufers (Lk 16,16). Wie sich noch zeigen wird, ist dies auch die Mitte der „Verkündigung der basilei,a“ in den Predigten der Apostel in der Apostelgeschichte. Entscheidend für die Einordnung der lukanischen Rede von der (Verkündigung der) basilei,a tou/ qeou/ ist das Verständnis der lukanischen Eschatologie546. Lukas unterscheidet grundlegend einen alten Äon von einem neuen Äon (Lk 20,35), wobei die Grenze mit der Parusie Christi gegeben ist. Der neue Äon ist identisch mit dem Reich Gottes, das mit der Wiederkunft Jesu erwartet wird (Lk 21,31)547. Der alte Äon wird bei Lukas jedoch weiter dahingehend differenziert, dass mit dem Auftreten des Täufers die Zeit des Gesetzes und der Propheten an ein Ende kommt und von da an die Betz, Evangelium, 61: „Die programmatische … Wendung khru,sswn kai. euvaggelizo,menoj th.n basilei,an tou/ qeou/ (Lk 4,43; 8,1; vgl. 16,16) ist ganz auf Jes 52,7 aufgebaut ...“; ebd., 76: „Es erscheint mir als sicher, daß Jesus selbst das Verb bissar = euvaggeli,zesqai für seine Predigt von der anbrechenden Basileia verwendet hat. Das Nomen besorah = euvagge,lion, das m.E. auf Jes 53,1 zurückgeht, könnte nach Mk 14,9 ebenfalls von ihm gebraucht worden sein, jedoch als Bezeichnung für eine Botschaft, die erst nach seinem Tode öffentlich verkündigt werden soll.“ Ähnlich Stuhlmacher, Zum Thema, 21, und ders., Das paulinische Evangelium, 172f. „ 544 Betz, Evangelium, 73, im Blick auf Mk 14,9. 545 Prieur, Verkündigung, 281. Zur Voraussetzung der nachösterlichen Verkündigung der Jünger gehört die Einsicht in den Heilsplan Gottes bzw. in die Geheimnisse des Reiches (Lk 8,10), die sich den Hörern und Zeugen Jesu erst schrittweise durch die Ereignisse erschließt. 546 Vgl. hierzu Mattill, Luke, 24f. 547 Carroll, Response, 82: „[T]he ultimate manifestation of the kingdom is at its consummation, one step beyond the parousia, when the kingdom of God will gather around the exalted Messiah.“ 543

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letzten Tage, d.h. die Endzeit, beginnen, die von der „Verkündigung der basilei,a“ (basilei,a und verbum dicendi), aber noch nicht von der Gegenwart der basilei,a geprägt sind548. Allerdings tritt die Heilsgeschichte schon mit dem Auftreten des Täufers bzw. bereits mit der Geburt Jesu in eine Phase der „Erfüllung“ ein und kann bereits ab hier als Heilszeit (Lk 2,29f.) und als Zeit des Heiligen Geistes549 verstanden werden550. Die Epoche wird von Lukas auch als die „Zeiten der Heiden“ (Lk 21,24) und ab Pfingsten als Zeit der Mission verstanden.

2. Die basilei,a tou/ qeou/ in der Apostelgeschichte Verglichen mit der Verkündigung und Lehre Jesu finden sich nur sehr wenige Belege von basilei,a tou/ qeou/ in der Apostelgeschichte551. Den insgesamt 131 Belegen in den synoptischen Evangelien insgesamt und den 35 Belegen im Lukasevangelium stehen lediglich acht Belege in der Apostelgeschichte gegenüber (Act 1,3.6; 8,12; 14,22; 19,8; 20,25; 28,23.31). Häufig wird diese geringe Begriffsfrequenz als Beweis für einen Bedeutungsverlust des Begriffs oder für eine 548 Ebd., 81: „While the proclamation of the kingdom takes place in the present, after ist initiation by Jesus (16:16), the kingdom itself remains a future entity.“ Die Zeit Jesu sollte deshalb im lukanischen Doppelwerk auch nicht von der Zeit der Kirche getrennt werden (gegen Conzelmann, Mitte der Zeit, passim), „for whatever differences there may be between these alleged periods they are basically one as the time of kingdom proclamation“, so Mattill, Luke, 23; vgl. auch ebd., 24: „Luke thus links the history of the church to Jesus earthly ministry and thereby precludes any allocation of Jesus and the church to separate epochs.“ 549 Vgl. Lk 1,15.35.41.67; 2,25.27; 3,22; 4,1.18; 10,21; Act 1,8; 2,4.17; 4,8.31; 6,3.5; 7,55; 9,17.31; 11,24; 13,9.52; 19,6. 550 Ebd., 23: „For Luke, John, Jesus, and the church belong, not to three seperate eras, but to the era of fulfilment when the kingdom is being preached.“ 551 Zur Forschungsliteratur siehe Noack, Gottesreich; Conzelmann, Mitte der Zeit; Schnackenburg, Gottes Herrschaft; Wieser, Kingdom; Völkel, Deutung; Merk, Reich Gottes; Franklin, Christ the Lord; O’Toole, Kingdom; Weiser, Reich Gottes; Prieur, Verkündigung; Ziccardi, Relationship.

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Ersetzung des Begriffs durch die Christologie gewertet. Jesu Tod und Auferstehung und die erwartete Parusie hätten das Thema des Reiches Gottes verdrängt552. Ein näherer Blick auf den literarischen Kontext zeigt jedoch, dass der Begriff in der Apostelgeschichte an sehr prominenten und wichtigen Stellen der Erzählung auftaucht. Wir finden den Begriff zweimal in der Einleitungspassage (Act 1,114: V. 3.6) vor dem programmatischen Vers Act 1,8 und zweimal im Schlussteil, ja sogar im allerletzten Vers des lukanischen Doppelwerkes (Act 28,17-31: V. 23.31). Der Begriff basilei,a tou/ qeou/ fungiert in der Apostelgeschichte wie eine inclusio und rahmt den gesamten zweiten Teil des Doppelwerkes. Für einen so reflektierten Autor wie Lukas kann diese Betonung nicht zufällig sein, sondern muss programmatisch verstanden werden553. Dies wird unterstrichen durch drei weitere Belege in Act 8,12; 19,8 und 20,25. Jeder dieser Verse bildet einen wichtigen Markstein in der Apostelgeschichte. In Act 8,12 berichtet Lukas von der ersten christlichen Predigt außerhalb Jerusalems. Nach Act 1,8 beginnt damit die zweite Phase der frühchristlichen Mission. In Act 19,8 erzählt Lukas von der öffentlichen Predigt des Evangeliums in Ephesus, der größten Stadt Kleinasiens. Schließlich ist Act 20,25 Teil der Abschiedsrede des Paulus vor den Ältesten von Ephesus in Milet, der letzten öffentlichen Predigt, die der Apostel im Rahmen der Apostelgeschichte als freier Mann hält. Des Weiteren hat Alfons Weiser beobachtet, dass die Kombination von basilei,a tou/ qeou/ mit einem verbum dicendi alle wichtigen geographischen, personellen und zeitlichen Aspekte im lukanischen Doppelwerk abdeckt: Das Reich Gottes wird gepredigt in Galiläa und Judäa (Lk 4,43f.; vgl. Act 10,37), Jerusalem (Act 1,3), Samaria (Act 8,12), Kleinasien und Griechenland (Act 19,8; 20,25) sowie Rom (Act 28,23.31). Es wird gepredigt von Jesus (Lk 4,43f.; Act 1,3), den Jüngern und Aposteln (Lk 9,2.60; 10,9), Philippus (Act 552 Prieur, Verkündigung, 1f.; Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 51, nennt es ein Echo auf die Art und Weise, wie Jesus sprach. 553 Prieur, Verkündigung, 2.

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8,12) und Paulus (Act 19,8; 20,25; 28,23.31). Schließlich zieht es sich durch alle Phasen der Heilsgeschichte: durch die vorösterliche Verkündigung Jesu (z.B. Lk 4,43f.; 16,16) und seiner Jünger (Lk 9,2; 10,9) ebenso wie durch die nachösterliche Lehre Jesu (Act 1,3) und die Mission der Apostel und der frühen Gemeinde554. Obwohl der Begriff in der Apostelgeschichte nur selten auftaucht, begegnet er doch in zentralen Zusammenhängen und im Munde aller Protagonisten des lukanischen Doppelwerkes. Dies belegt die besondere Relevanz des Begriffs auch für die Apostelgeschichte555. Wie einleitend bereits erwähnt, verdanken sich mindestens sechs der acht Belege des Begriffs in der Apostelgeschichte lukanischer Prägung, die durch die Verbindung von basilei,a tou/ qeou/ mit einem verbum dicendi charakterisiert ist. In der Apostelgeschichte finden sich nur zwei Belege von basilei,a tou/ qeou/, die von diesem Muster abweichen. In Act 14,22 begegnet uns eine traditionelle Formulierung. Das Logion, in dem Paulus am Ende seiner ersten Missionsreise die Glaubenden in Kleinasien unterweist, ist verwandt mit den Einlassworten Jesu556. Die Verbindung des Aspekts des Eintritts in das Reich mit dem Aspekt des Leidens folgt dem Vorbild der Seligpreisungen (Mt 5,10-12; bes. 5,3) und begegnet in vergleichbarer Weise in 2Thess 1,4f.; 2Tim 4,18 und Barn 7,11557. Des Weiteren legt der Vergleich mit 1Thess 3,4 nahe,

Weiser, Reich Gottes, 132. Ebd., 128, unterstreicht diese Tatsache: Es ist nicht die Frequenz oder die Häufigkeit der Vorkommen des Begriffs, sondern die kompositorische Anordnung, die basilei,a tou/ qeou/ zu einem Schlüsselbegriff der Apostelgeschichte macht. 556 Mt 5,20; 7,21; 18,3; 19,23f.; 21,31; Mk 9,47; 10,15, 23-25; Lk 18,17.24f.; vgl. Joh 3,3.5 und 2Tim 4,18; 2Petr 1,11. In gewisser Hinsicht gehören auch Lk 16,16/Mt 11,12; Lk 23,42 und Kol 1,13 zu dieser Kategorie. Vgl. hierzu auch Windisch, Sprüche, 163-192; Horn, Einlaßsprüche, 187-203, und Bohlen, Einlasssprüche, 167-184. 557 In Lk 24,26 erinnert der Auferstandene die beiden Emmausjünger daran, dass der Messias leiden musste, um in seine Herrlichkeit einzugehen (eivselqei/n eivj th.n do,xan auvtou/). Bereits in den synoptischen Evangelien werden basilei,a und do,xa als Synonyme verwendet (vgl. Mk 10,37 mit Mt 20,21, und Mk 8,38 mit Mt 9,1). Des Weiteren ist das Verb eivse,rcesqai 554 555

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dass wir es hier sehr wahrscheinlich mit einem authentischen Pauluswort zu tun haben, das seine Wurzeln in einem Einlasswort Jesu hat. Die Bedeutung des Logions ist klar: Die basilei,a ist ein futurischer und postmortaler Ort, Raum oder Bereich des Heils, in den die Glaubenden entweder nach dem Tod (vgl. Lk 23,43) oder nach der Parusie Christi (vgl. 1Kor 15,50) eintreten können. Auf dem Weg dorthin muss der Glaubende jedoch viele Leiden und Bedrängnisse erdulden. Act 1,6 gilt in der Forschung als crux interpretum. Die Jünger fragen den Auferstandenen, wann er die basilei,a tw/| Israh,l wieder aufrichten wird. Viele Fragen bleiben offen in dieser Passage: Meinen die Jünger mit basilei,a tw/| Israh,l dasselbe wie Jesus, wenn er von der basilei,a tou/ qeou/ (Act 1,3) spricht? Meint Lukas dasselbe mit den beiden Syntagmata? Ist die Frage nach dem genauen Zeitpunkt, an dem das Reich (Gottes oder Israels?) wieder errichtet wird, nur eine damals aktuelle Frage der Juden bzw. der Jünger als Juden oder ist es auch für Lukas eine Frage? Gibt Jesus in seiner Zurückweisung der Frage eine negative Antwort oder schlicht keine Antwort? Schließlich: Was will Lukas mit diesem änigmatischen und rätselhaften Dialog zum Ausdruck bringen? Wir beginnen vom Ende her: Die Frage der Jünger könnte von Jesu Ankündigung einer allgemeinen Taufe mit dem Heiligen Geist motiviert sein. Vor dem Hintergrund von Joel 3,1-5 ist es denkbar, dass die Ankündigung einer allgemeinen Geisttaufe als ein Zeichen für den Anbruch der letzten Tage verstanden wurde. Die Jünger hätten dann an dieses Verständnis die Frage geknüpft, ob die Wiederherstellung Israels dieser Geistausgießung unmittelbar folgen wird. Alternativ wäre denkbar, dass die Jünger davon ausgingen, dass die Wiederherstellung Israels gemäß Joel 2,27LXX noch vor der Geistausgießung stattfindet und Jesus entsprechend fragten, ein terminus technicus in den Einlasssprüchen und hat seine traditionsgeschichtlichen Wurzeln ähnlich wie die Logien vom Ererben des Reiches (vgl. 1Kor 6,9f.; Gal 5,21) in der Exodustradition, vgl. Bohlen, Einlasssprüche, 176.179; Haacker, Implicit Christology, 148. Entsprechend ist auch dieses Logion mit Act 14,22 verwandt.

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ob dieses Ereignis noch in der unmittelbaren Zukunft vor Pfingsten stattfindet. In jedem Fall offenbart ihre Frage in Act 1,6 ein national jüdisches Interesse im Zusammenhang einer Wiedererrichtung des davidischen Reiches und der Erfüllung der prophetischen Verheißungen. Es gibt auch eine intensive Debatte darüber, ob die Frage der Jünger eine Antwort in der Apostelgeschichte findet oder nicht – ganz gleich aus welcher Motivation heraus sie gestellt wurde. Die Antwort hängt davon ab, ob die Wiederherstellung des Zwölferkreises als eine Erfüllung der Verheißung über die Wiederherstellung des Zwölfstämmevolkes Israels verstanden werden kann558. Eine solche Erfüllung wird immer wieder in Act 15,16-18 vermutet, wo Jakobus die Verheißung aus Am 9,11 als erfüllt verkündet. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die Wiederherstellung des Zwölferkreises bereits die Wiederherstellung Israels repräsentiert. Folglich deutet die Frage in Act 1,6 eher auf ein politisches und futurisches Verständnis im Sinne einer eschatologischen Restauration des davidischen Königreiches hin559. Die Antwort Jesu lässt jedenfalls offen, ob es ein zukünftiges Reich für Israel im politischen Sinn geben wird. Bedeutet dies, dass der Zeitpunkt einer Wiederherstellung den Jüngern verborgen bleiben wird, oder dass die Frage an sich falsch gestellt ist – so wie alle Fragen nach einem exakten „eschatologischen Fahrplan“? Von Act 1,8 und der weiteren Erzählung her können wir nur schließen, dass Jesus und Lukas den Fokus sowohl der Jünger wie der Leser ethnisch auf die Heidenmission und geographisch auf die „Enden der Erde“ richten möchten und nicht auf eine wie auch immer geartete nationale Restauration Israels. Die heilsgeschichtliche Perspektive des Auferstandenen und auch des dritten Evangelisten ist nicht auf Israel begrenzt, sondern hat einen universalen Horizont. Wir können somit ausschließen, dass Lukas ein besonderes Interesse am Zeitpunkt eines kommenden Reiches hatte, wie Diese Lösung wird favorisiert von Prieur, Verkündigung, 105. Vgl. Dan 2,44LXX; 7,27LXX, AssMos 10,1-10; TestJud 21f.24; Test Dan 5,10-13. 558 559

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Prieur und andere mit einem Hinweis auf Lk 17,20a; 19,11; 21,7 und Act 1,6 vorschlagen560. In diesen Belegen kommt lediglich das Interesse der Juden, der Pharisäer oder der Jünger an diesem Thema zum Ausdruck. Wir können nicht mehr als das lukanische Interesse am jüdischen Interesse an dieser Frage konstatieren. Aber weder Jesus noch Lukas versuchen auch nur ansatzweise an irgendeiner Stelle des Doppelwerkes eine Antwort darauf zu geben561. Es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass Lukas das gängige Missverständnis der Jünger im Blick auf die Verkündigung Jesu herausstellen und deutlich machen möchte, dass Jesus und die Jünger etwas sehr Verschiedenes unter dem Begriff der basilei,a verstanden haben. Dies wird unterstrichen durch die Beobachtung, dass Jesus nirgendwo ein national-jüdisches Reich vor Augen hatte, im Gegenteil. Seiner Verkündigung und Lehre fehlt jegliche politische Dimension, die in vielen atl. und apokalyptischen Königsherrschaft-Gottes-Texten so dominant im Vordergrund steht562. Deshalb ist das Fehlen jeglicher Reflexion über die irdisch-politische Komponente der Herrschaft Satans und der Unterdrückung durch die Heiden in der Verkündigung Jesu so verblüffend563. Zusammenfassend legt sich der Schluss nahe, dass weder Act 14,22 noch 1,6 zum typisch lukanischen Gebrauch des Begriffs gehören, der so charakteristisch ist durch die Verbindung von basilei,a tou/ qeou/ mit einem verbum dicendi. Entsprechend gilt diesen Belegen unsere weitere Aufmerksamkeit.

Ebd., 5; Carroll, Response, 77. Caragounis, Art. Kingdom of God, 429. 562 Merklein, Jesu Botschaft, 43, Anm. 26. Schon von daher ist es völlig abwegig, wenn Green, King, 107, aus Act 1,8 die Wiedervereinigung von Judäa und Samaria herauslesen und als Wiedervereinigung des gespaltenen davidischen Großreiches und Wiedererrichtung des Reiches für Israel interpretieren möchte. 563 Merklein, Jesu Botschaft, 43; Meier, Marginal Jew, 331. 560 561

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3. Die Verkündigung der basilei,a in der Apostelgeschichte Die erste bemerkenswerte Ähnlichkeit zwischen den sechs übrigen Belegen von basilei,a tou/ qeou/ in der Apostelgeschichte (1,3; 8,12; 19,8; 20,25; 28,23.31) ist ihr Kontext: Alle stehen in einem Summarium im Rahmen eines ausführlichen Kommunikationsgeschehens564. Der summarische Charakter der jeweiligen Aussagen macht eine exakte Bestimmung der jeweiligen Begriffsbedeutung nicht einfacher, im Gegenteil. Wir kommen deshalb nicht umhin, jede einzelne Stelle nach den möglichen Inhalten zu befragen, die mit dem Begriff basilei,a tou/ qeou/ zusammengefasst und verdichtet werden. Nach dem einführenden Rückblick auf sein erstes Geschichtswerk beschreibt Lukas in Act 1,3 die 40 Tage zwischen Auferstehung und Himmelfahrt Jesu. Neben der Erwähnung von zahlreichen Epiphanien des Auferstandenen, erwähnt er, dass dieser mit seinen Jüngern über ta. peri. th/j basilei,aj tou/ qeou/ sprach. Die Wahl des zentralen Begriffs der vorösterlichen Jesusverkündigung soll hier die Kontinuität und Entsprechung zwischen der vorösterlichen Botschaft Jesu (vgl. Lk 4,43; 8,1; 9,2; 16,16) und der nachösterlichen Botschaft seiner Jünger und Apostel betonen (vgl. Act 8,12; 19,8; 20,25; 28,23.31)565. Als Augenzeugen garantieren die Jünger und Apostel für den weiteren Fortgang der frühchristlichen Mission die Kontinuität und Sachgemäßheit der Jesustradition. 564 Das entspricht dem Gebrauch von basilei,a tou/ qeou/ mit einem verbum dicendi im Lukasevangelium. Auch Lk 4,43f.; 8,1; 9,2.11; 16,16 haben durchweg summarischen Charakter. 565 Pesch, Apg I, 62; vgl. ähnlich Weiser, Reich Gottes, 130. Prieur, Verkündigung, 85f.89f., nimmt ebenfalls eine apologetische Absicht an, konkret ein anti-doketisches Interesse im Licht von Lk 24,36-43, wo am Ende des Lukasevangeliums derselbe Zeitabschnitt berichtet und dieselbe Unterweisung erwähnt wird mit einer Betonung auf der leiblichen Auferstehung Christi. Diese Betonung aber auf Act 1,3 zu übertragen, ist höchst spekulativ. Der Text von V. 1-8 legt nirgendwo eine apologetische Intention nahe.

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Wir bekommen keine weiteren Informationen über die Inhalte dieser 40-tägigen Langzeit-Kommunikation. Lediglich der parallele Bericht in Lk 24,44-49 und die Anweisung, Jerusalem566 nicht zu verlassen sowie die Dialoge in Act 1,4-8 geben Einblick in die Gespräche in jenen Tagen. Es ist aber offensichtlich, dass die Formulierung ta. peri. th/j basilei,aj tou/ qeou/ auf umfangreichere Inhalte hindeutet als das, was Jesus mit dem Begriff in seiner vorösterlichen Verkündigung zum Ausdruck brachte. So weist schon die Zeitangabe der 40 Tage auf eine Vorbereitungszeit der Jünger hin. Ähnlich wie Mose (40 Jahre), Elia und Jesus selbst werden die Jünger im Rahmen einer heilsgeschichtlich formatierten Frist auf ihre Mission vorbereitet567. Die Folgerung liegt nahe, dass das Reden über ta. peri. th/j basilei,aj tou/ qeou/ den gesamten Inhalt der in Christus offenbaren Wahrheit umfasst. Der Begriff beschreibt die gesamte Geschichte des göttlichen Heils in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft568, er umreißt den ganzen Inhalt der Botschaft der Apostel. Folglich finden wir in den folgenden Passagen durchweg parallele Begriffe und Formulierungen für basilei,a tou/ qeou/569. Die 566 Die Erwähnung Jerusalems impliziert eine Fülle von Aspekten bei Lukas. „Jerusalem“ garantiert zunächst die Kontinuität der Heilsgeschichte Gottes, vgl. Lk 1,8ff.; 2,25.36.38; 24,47; Act 1,8. Die Stadt ist der Erfüllungsort der göttlichen Verheißungen, das Zentrum der Verwirklichung des Heilsplans und der Ursprung aller gesunden Lehre, vgl. Act 8,1.4f.14; 11,1-18.22; 15; 18,22; 21,7. 567 Ex 24,18; Act 7,23.30 [vgl. LAB 53,2]; 1Kön 19,8; Lk 4,1f.par. In 4Esr 14,23-49 und syrBar 76 wird eine 40-tägige Phase von Unterweisung und Offenbarung erwähnt, welche der Entrückung vorangeht. Es ist allerdings ungewiss, ob Lukas diese Texte kannte bzw. kennen konnte. 568 Vgl. Prieur, Verkündigung, 93f. 569 Act 8,12: Philippus evangelisierte über das Reich Gottes und den Namen Jesu Christi (kai. tou/ ovno,matoj VIhsou/ Cristou/); Act 19,8-10: ... (Paulus) lehrte und überzeugte sie über das Reich Gottes ... wie aber einige verstockt waren und am Unglauben festhieten und vor der Menge übel redeten über den Weg (kakologou/ntej th.n o``do,n) ... so dass alle, die in der Provinz Asia wohnten, das Wort des Herrn hörten (to.n lo,gon tou/ kuri,ou); Act 20,2427: ... zu bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes (diamartu.rasqai to. euvagge,lion th/j ca,ritoj tou/ qeou/) ... zu denen ich gekommen bin und das Reich verkündigt habe ... denn ich habe nicht unterlassen, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen (avnaggei/lai pa/san th.n boulh.n tou/

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Verkündigung der basilei,a ist an diesen Stellen dasselbe wie das euvaggeli,zein des Namens Jesus, das Reden vom „Weg“570 und dem Wort Gottes, das Bezeugen des Evangeliums von der Gnade Gottes, das Erklären des gesamten Ratschlusses Gottes, das Überzeugen eines Gesprächspartners von Jesus und das Lehren über den Herrn Jesus Christus571. Der besondere Charakter des Begriffs basilei,a tou/ qeou/ in der synoptischen Jesusverkündigung ist hier nicht mehr hörbar. Der Begriff wird jetzt als ein allgemeiner Ausdruck für die christliche Botschaft in ihrer gesamten Ausdehnung verwendet: angefangen vom atl. Gesetz und den Propheten (Act 28,23) bis hin zum ganzen heilsgeschichtlichen Ratschluss Gottes (Act 20,27) in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit ihrer Mitte in Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu und in ihrer Kontinuität zur Predigt Jesu572. Die christologische Dimension der basilei,a-Kommunikation wird besonders in Act 8,12 und 28,23.31 deutlich, wo das Evangelisieren, Bezeugen und Verkündigen der basilei,a

qeou/); Acts 28:23: ... da erklärte und bezeugte er [sc. Paulus] ihnen das Reich Gottes und versuchte sie zu überzeugen über Jesus (pei,qwn te auvtou.j peri. tou/ VIhsou/) sowohl aus dem Gesetz Moses als auch aus den Propheten; Act 28,31: (Paulus) verkündigte das Reich Gottes und lehrte das über den Herrn Jesus Christus (dida.skwn ta. peri. tou/ kuri,ou VIhsou/ Cristou/). 570 Vgl. Act 9,2; 18,26; 22,4; 24,14.22. 571 Dies wird bestätigt, wenn wir die Frage umdrehen: In der Apostelgeschichte hat das Verb euvaggeli,zesqai nicht nur basilei,a tou/ qeou/ als Objekt, Act 8,12, sondern auch das „Evangelium Jesu (Christi)“, Act 5,42; 8,35; 11,20; 17,18, und andere vergleichbare Inhalte, vgl. Act 8,4; 15,35; 10,36; 13,32f. In ähnlicher Weise hat khru,ssein zweimal das Reich Gottes als Objekt, Act 20:25; 28:31, aber häufig auch „Jesus“ oder andere Begriffe der christlichen Botschaft, Act 8,5; 9,20; 10,42; 19,13. 572 Weiser, Reich Gottes, 133; Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 184; O’Toole, Kingdom of God, 153; vgl. Delling, Wort, 194: „eine umfassende Bezeichnung der christlichen Botschaft“; und Merk, Reich Gottes, 206, der auf Act 10,34-42; Lk 16,16 und den heilsgeschichtlichen Rahmen des lukanischen Doppelwerkes verweist; und ebd., 219: „Der Verkündiger im Evangelium des Lukas aber ist in den kerygmatischen Texten der Apg zum Verkündigten geworden.“

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entweder parallelisiert und identifiziert573 oder näher bestimmt wird574 durch tou/ ovno,matoj VIhsou/ Cristou und [ta.] peri. tou/ [kuri,ou] VIhsou/ [Cristou/]. Aus den anderen Predigten der Apostelgeschichte können wir schließen, dass die christologische Verkündigung die gesamte messianische Sendung und Identität Jesu umfasste, einschließlich seiner Abstammung aus dem Hause Davids, seines sühnenden, stellvertretenden und heilbringenden Todes, seiner Auferstehung, Himmelfahrt und Wiederkunft, um „zu richten die Lebenden und die Toten“575. Vor dem Hintergrund von Lk 4,43; 8,1 und 16,16 signalisiert die Formulierung euvaggeli,zesqai peri. th/j basilei,aj tou/ qeou/ die Kontinuität zur Predigt Jesu. Darüber hinaus wird Act 8,12 gerahmt durch den Begriff „das Wort (des Herrn)“ in 8,4 (euvaggelizo,menoi to.n lo,gon) und 8,25 (diamartura,menoi kai. lalh,santej to.n lo.gon tou/ kuri,ou). Dass das euvaggeli,zein peri. th/j basilei,aj tou/ qeou/ die ganze Heilsgeschichte umfasst, wird auch durch 8,35 unterstrichen. Dem äthiopischen Eunuchen „evangelisiert“ Philippus „Jesus“ (euvhggeli,sato auvtw/| to.n VIhsou/n), angefangen mit der Schrift (avpo. th/j grafh/j). Die heilsgeschichtliche Dimension des basilei,a-Begriffs wird auch in Act 20,24.27 und 28,23 betont. In der Abschiedsrede in Act 20,17-35 umfasst der Begriff eine retrospektive Zusammenfassung der gesamten Predigt und Lehre des Paulus576 und einen Ausblick auf die zukünftige Verkündigung der Ältesten von Ephesus in der Nachfolge des Merk, Reich Gottes, 206, vgl. Anm.15. Zur Begründung, dass in diesen Formulierungen die Konkretisierung des Begriffs basilei,a tou/ qeou/ begegnet, siehe Prieur, Verkündigung, 42f.; 60f.; 76f.; 79. 575 Ebd., 46, 59. Es ist nicht überzeugend, wenn Prieur, ebd., 80, die Formulierung ta. peri. tou/ kuri,ou VIhsou/ Cristou/ auf den erhöhten und verherrlichten Herrn und seine richterliche Macht begrenzen will. 576 Die Rede hat das Ziel der Selbstentlastung. Paulus möchte darüber Rechenschaft ablegen, dass er das ganze Evangelium, den ganzen Heilsplan und alles, was nötig ist zum Heil, zu jeder Zeit und an jedem Ort gepredigt hat, Act 20,20f. Alle Bezüge zur paulinischen Predigt haben das Ziel die Vollständigkeit der Botschaft, die Unabhängigkeit vom jeweiligen Publikum und ihre Äquivalenz und Kontinuität zur Botschaft Jesu und 573 574

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Apostels und in Fortsetzung der Arbeit am Evangelium Jesu. Die Verkündigung der basilei,a ist dasselbe wie die öffentliche Predigt des Apostels und seiner Lehre im Blick auf die Umkehr zu Gott und den Glauben an Jesus Christus in der Provinz Asia (20,20f.), das Evangelium von der Gnade Gottes (20,24) und die boulh. tou/ qeou/ (20,27). In allen diesen Botschaften wird Christus als die Erfüllung der atl. Verheißungen präsentiert und als die Schlüsselfigur des ganzen Heilsplans, der bis an das Ende der Zeit reicht577. Die Betonung dieser Vollständigkeit ist auch in Act 19,8 offensichtlich. Die Stelle muss vor dem Hintergrund von 18,19-21.2428 verstanden werden. Gegenüber der defizitären Lehre des Apollos, die in der ephesinischen Synagoge Irrlehre und Unglaube hervorrief, verkündigt Paulus die volle und orthodoxe christliche Lehre. Ein weiterer, noch wesentlich bedeutenderer Schritt begegnet uns in der hier stattfindenden semantischen Transformation. Wir beobachten in der Apostelgeschichte einen Wandel und eine Ausweitung des Begriffsinhalts von der vorösterlichen Evangelienerzählung über das Wirken Jesu zur nachösterlichen Erzählung über die Mission der frühen Christenheit: „Its meaning varies with the contexts, and it is one of the major ways in which Luke moves from ‚Jesus the preacher‘ to ‚Jesus the preached‘.“578 In der synoptischen ReichGottes-Verkündigung Jesu bleibt sein eigenes Verhältnis zu diesem Reich rätselhaft und änigmatisch. Es gibt nur wenige Logien, in denen Jesus explizit in einer Beziehung zu diesem Reich steht (s. Kapitel IV.7), und aus diesen lässt sich kein der Apostel und sogar zu den atl. Schriften zu unterstreichen, vgl. ebd., 126-129.135f. 577 Ebd., 60.78.80-83.115.160f., spricht vom „Heilsplan“ und dem „Heilshandeln Gottes“ für Juden und Heiden, das gepredigt wird, wo immer Lukas die christliche Verkündigung mit einem verbum dicendi und basilei,a tou/ qeou/ beschreibt; vgl. Conzelmann, Mitte der Zeit, 142.205. 578 O’Toole, Kingdom of God, 147; vgl. ähnlich Weiser, Reich Gottes, 133; konträr dagegen Ziccardi, Relationship, 19.90, der behauptet, dass die Bedeutung des Begriffs in der Apostelgeschichte in Kontinuität zum Lukasevangelium steht und nicht einfach mit „the name of Jesus“ oder ta. peri. tou/ [kuri,ou] VIhsou/ [Cristou/] identifiziert werden sollte.

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aussagekräftiges Bild dieses Verhältnisses zeichnen. Wir finden wie gezeigt auch keine Bezüge zwischen Worten, in denen Jesus einen messianischen Anspruch äußert579, und seinen basilei,a-Logien. Doch jetzt präsentieren uns die basilei,a-Belege der Apostelgeschichte, was wir in den synoptischen Evangelien vergeblich suchen: die Offenbarung der verborgenen Beziehung und die innere Verbindung zwischen Jesu Reich-Gottes-Predigt und seiner eigenen Identität und Sendung580. Der Wendepunkt des lukanischen Doppelwerkes ist offensichtlich der Ostermorgen: Während im Lukasevangelium die Verkündigung des Reiches niemals mit dem messianischen Anspruch Jesu verbunden wird, ist die „Verkündigung der basilei,a tou/ qeou/“ in der Apostelgeschichte eine allgemeine Formulierung für den gesamten Heilsplan Gottes, angefangen von Mose und den Propheten (28,23), bislang verborgen im Ratschluss Gottes (20,27) und nun offenbart im Herrn Jesus Christus (28,31), in seinem Namen (8,12) und dem

579 Z.B. Mk 2,18-22; 8,27-30par; 10,45par; 14,61f.par; Mt 13,16/Lk 10,23f.; Lk 4,16-21; Mt 11,2-6/7,18-23. 580 In einer umfassenden Studie über „The Relationship of Jesus and the Kingdom of God According to Luke-Acts“ möchte C.A. Ziccardi zeigen, dass Lukas das Reich Gottes in der Apostelgeschichte ständig auf Jesus bezieht, was grundsätzlich zutrifft. Unglücklicherweise verzichtet Ziccardi aber auf eine Klärung des Begriffs basilei,a tou/ qeou/ nicht nur im lukanischen Doppelwerk, sondern generell. Er gibt lediglich eine kurze Einführung zum Hintergrund des Begriffs, ebd., 7-36. Mangels der erforderlichen Begriffsklärung postuliert er in seiner Untersuchung, dass der Begriff in allen Belegen denselben Inhalt hat, sowohl in der Apostelgeschichte wie im Lukasevangelium. Offensichtlich hat Ziccardi nicht die wesentliche Bedeutung der Verbindung von basilei,a tou/ qeou mit dem verbum dicendi für das lukanische Geschichtswerk und auch nicht die Studie von Prieur, Verkündigung, wahrgenommen. Entsprechend bemerkt er nicht, dass der Begriff in der Apostelgeschichte nicht mehr länger nur das künftige Reich Gottes bezeichnet, sondern zu einer Bezeichnung für die gesamte Breite der Botschaft des christlichen Glaubens geworden ist. Das Hauptproblem dieser umfangreichen Studie ist aber ihr Ziel, nämlich einen Beweis für die dogmatischen Entscheidungen der päpstlichen Glaubenskongregation zu liefern. Dieses Anliegen zwingt den Verfasser zu einer Reihe von Konjekturen, v.a. in seiner Behandlung von Lk 1-4.

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Das Reich Gottes in der Apostelgeschichte

Evangelium der Gnade Gottes mit dem Kreuz und der Auferstehung Jesu als Zentrum (20,24)581. In der Apostelgeschichte bringt der auctor ad Theophilum zusammen, was gemäß der gesamten synoptischen Tradition in seinem Evangelium noch getrennt bleibt: die basilei,a tou/ qeou/ und die Christologie werden kombiniert zum „Heil in Christus“582. Ähnliche Konzeptionen, wenn auch mit einer anderen Terminologie, lassen sich im Johannesevangelium und in den paulinischen Briefen beobachten. Was in den synoptischen Evangelien mit dem Begriff der basilei,a tou/ qeou/ zum Ausdruck gebracht wird, drücken Johannes und Paulus mit den Begriffen „(ewiges) Leben“ (vgl. Mk 10,15 mit Röm 6,23)583 oder einfach „Heil“ (swthri,a)584 aus. Der Grund für diesen terminologischen Unterschied im Blick auf das Heil ist – wie oben bereits erwähnt - die bessere Kommunikabilität von „(ewigem) Leben“ in der hellenistisch-römischen Welt. Kehren wir zurück zu den basilei,a-Belegen der Apostelgeschichte und richten an sie die Frage nach der sachgemäßen Übersetzung, dann wird einerseits deutlich, dass die Übersetzung mit „Gottesherrschaft“ oder „Königsherrschaft

581 Diese Inhalte entsprechen auch den Inhalten der apostolischen Predigten, die in der Apostelgeschichte überliefert werden, ohne dass dabei der basilei,a-Begriff fallen muss. Auch hier sind die Erfüllung der messianischen Verheißungen (Act 2,16; 3,18-26; 13,23.32f.) im von Gottes Ratschluss bestimmten Wirken, Sterben und Auferstehen Jesu (Act 2,22-31; 3,13-15; 4,10; 13,23.27-37), seine Erhöhung und Verherrlichung zur Rechten Gottes (Act 2,33-36; 3,13; 4,11; 5,31) und seine Wiederkunft (Act 3,20f.; 10,42) die zentralen Themen des frühchristlichen Kerygmas. 582 Wolter, Reich Gottes, 299, weist darauf hin, dass nach Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu, jede Verkündigung der basilei,a eine Verkündigung von Christus ist. Lukas’ Intention ist es, die nachösterliche basilei,aVerkündigung christologisch zu qualifizieren. 583 Mk 9,43-48par.; Mk 9,47/Mt 18,9; Mk 10,17.21.23-26parr.; Mt 25,34.46; vgl. Lk 13,23.28f., sowie Kvalbein, Preacher, 91; ders., Kingdom of God, 67-69; Bohlen, Einlasssprüche, 172; Vos, Heiliges Land, 135; Gäckle, Dimensionen des Heils, 128-132. 584 Z.B. Röm 1,16; 10,1.10; 11,11; 13,11; 2Kor 1,6; 6,2; 7,10; Phil 1,19.28; 2,12; 1Thess 5,8f.

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Gottes“ an allen Stellen theoretisch möglich, aber höchst unwahrscheinlich ist585. Wenn basilei,a tou/ qeou/ hier „Gottesherrschaft“ bedeuten würde, dann müssten wir einen Appell zur Unterordnung bzw. Unterwerfung unter diese Herrschaft erwarten, aber de facto lesen wir nur vom Ruf zur Umkehr und zum Glauben an Jesus Christus, um das Heil und das ewige Leben zu bekommen586. Andererseits bedeuten aber auch die bisher erarbeiteten Kategorien eines Ortes, einer Zeit und einer Gabe des Heils eine Engführung für den Begriffsgebrauch der Apostelgeschichte. Im Rückblick ist es für die Apostelgeschichte angemessener, den Begriff basilei,a tou/ qeou/ mit einem verbum dicendi als einen allgemeinen Ausdruck für die christliche Botschaft des Heils in Jesus Christus zu verstehen. Schließlich bleibt noch die Frage zu bedenken, ob dieses Verständnis von basilei,a tou/ qeou/ im Sinne einer Botschaft auf den auctor ad Theophilum zurückgeht, oder ob dieser auch für dieses Verständnis an die Jesustradition anknüpfen konnte.

Es ist verblüffend, wie Prieur, Verkündigung, 60, 72, 77f., 80, 93, 115f.; Green, King, 116, u.a. an einem dynamischen Verständnis von basilei,a tou/ qeou/ in dem Sinne festhalten, dass die Apostelgeschichte die Ausbreitung und Verwirklichung der Herrschaft Gottes durch die Verkündigung der basilei,a schildere. Jedoch weist der gesamte Kontext durchgängig in eine andere Richtung: Es geht um die Kommunikation einer Botschaft mit einem konkreten Inhalt, nicht um einen Herrschaftsakt, so auch Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 189. Offensichtlich war Dalmans einflussreiche dynamische Definition des Begriffs zumindest im 20. Jahrhundert immer noch stärker als die Evidenz der syntaktischen und paradigmatischen Relationen im Text der Apostelgeschichte. 586 Ganz entsprechend sieht Prieur, Verkündigung, 78.161, in der Unterwerfung von Juden und Heiden unter die Herrschaft Gottes die zentrale Forderung des Paulus. Er kann allerdings abgesehen von seiner dynamischen Übersetzung von basilei,a tou/ qeou/ mit „Gottesherrschaft“ keinerlei Evidenz für seine Behauptung anführen. 585

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4. Das „Wort vom Reich“ (Mt 13,19) Neben den Bedeutungsaspekten eines Raumes, einer Zeit und einer Gabe des Heils zeigte sich in den Gleichnissen Jesu auch noch eine vierte Dimension, die man in Anlehnung an die drei anderen Aspekte auch als „Wort des Heils“ bezeichnen könnte. In den „Wachstumsgleichnissen“ vergleicht Jesus seine Verkündigung des Evangeliums mit einem Samen, in dem eine verborgene Kraft steckt, die zunächst im Herzen und im Leben der sich dem Wort öffnenden Menschen Frucht wirkt und die am Ende bei der Offenbarung des Reiches Gottes im Rahmen der Ernte bzw. des Gerichts als solche sichtbar werden wird. Wesentlich ist dabei weniger der Aspekt des Wachstums als vielmehr der Kontrast zwischen dem unscheinbaren Anfang und dem überwältigenden Endergebnis. In diesem samenhaft vorgestellten „Wort vom Reich“ (Mt 13,19) als Synonym für das Evangelium bzw. die Verkündigung Jesu liegt nun die entscheidende Parallelität zum lukanischen Gebrauch von basilei,a tou/ qeou/ mit einem verbum dicendi. Dabei ist die Verkündigung des Reiches Gottes nicht identisch mit dem auch im lukanischen Geschichtswerk stets futurisch konnotierten Reich Gottes, das erst mit der Parusie Jesu kommen und offenbar werden wird. In der Verkündigung der basilei,a tou/ qeou/, die in der nachösterlichen apostolischen Verkündigung stets die gesamte Heilsgeschichte mit ihrer Mitte in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi umfasst, wird vielmehr in der Gegenwart der samenhafte Keim gelegt für die endzeitliche Offenbarung des Reiches Gottes. Die missionarische Predigt und die gemeindegründende Lehre vom Reich Gottes ist dabei die zwar gegenwärtig noch unscheinbare, aber wesentliche Voraussetzung für die endzeitliche Offenbarung des Reiches: Wenn das Wort vom Reich nicht gepredigt werden würde, könnte die basilei,a am Ende nicht erscheinen. In Verkündigung und Lehre Jesu wirkt somit eine zwar verborgene, aber gleichzeitig starke Kraft, die eschatologisch mit der Offenbarung des Reiches Gottes offenbar werden wird.

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Das Reich Gottes in der Apostelgeschichte

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5. Ergebnis Im lukanischen Doppelwerk lässt sich die Entwicklung des Begriffs basilei,a tou/ qeou/ von einer Bezeichnung für den eschatologischen Ort und die Zeit des Heils und die gegenwärtigen Gabe des Heils in der Predigt und Lehre Jesu zu einer Bezeichnung für die christliche Botschaft beobachten. In den Belegen des Lukasevangeliums, in denen die basilei,a tou/ qeou/ mit einem verbum dicendi verbunden ist (Lk 4,43f.; 8,1; 9,2; Lk 16,16), geht es wie bei den meisten anderen synoptischen Belegen entweder um einen futurischen Ort des Heils, um eine kommende Zeit des Heils oder um eine präsentische Gabe des Heils, aber der Begriff hat schon die etwas allgemeinere Konnotation im Sinne einer „Heilsbotschaft“, allerdings ohne den Grund des Heils in Kreuz und Auferstehung Jesu schon zu enthalten. Die Begriffsbedeutung erweitert sich dann in den Belegen der Apostelgeschichte. Hier umfasst sie die gesamte Geschichte von Gottes Heil in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und hat ihr Zentrum in Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu. In der nachösterlichen Botschaft der frühchristlichen Missionspredigt wird schließlich die Beziehung zwischen Jesus und der basilei,a, die auch im Lukasevangelium genau wie in den anderen synoptischen Evangelien noch verborgen und änigmatisch bleibt, offenbar: Jesu Wirken, Tod und Auferstehung sind die Schlüsselereignisse für die verheißene Offenbarung des kommenden Reiches, das der zentrale Verkündigungsinhalt des vorösterlichen Jesus war. Die Heilsverheißung wird durch die Heilstat zu einer Heilsbotschaft587.

587 Was mit dem Reich Gottes dagegen an keiner Stelle im lukanischen Geschichtswerk – ebensowenig wie auch sonst im Neuen Testament – identifiziert wird, ist die Gemeinde. In ihr wohnt zwar der Heilige Geist und damit die Gegenwart Gottes, aber sie ist nicht das Reich Gottes; so zu Recht Conzelmann, Mitte der Zeit, 111, und Merk, Reich Gottes, 209: „Diese Kirche ist jetzt der einzige Geistträger, aber in ihr ist nicht die basilei,a tou/ qeou/ gegenwärtig. Das Reich Gottes bleibt Zukunft (Apg 14,22), so wie das Ziel der von Gott gelenkten Heilsgeschichte für die Kirche noch aussteht.“

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Das Reich Gottes in der Apostelgeschichte

Nimmt man diese Zusammenhänge wahr, dann stehen wir möglicherweise vor einem Vorgang, der das Thema dieses Buches sprengt und weiterer Untersuchungen bedarf: Es wäre zu prüfen, ob wir in dieser Entwicklung dem missing link zwischen der Predigt von der basilei,a tou/ qeou/ als dem zentralen Thema der Verkündigung Jesu auf der einen Seite und dem Evangelium von Jesus Christus (z.B. Röm 1,16), dem Wort vom Kreuz (1Kor 1,18) und dem Wort von der Versöhnung (2Kor 5,19) als den Hauptbegriffen des paulinischen Evangeliums auf der anderen Seite begegnen588. Was vor Ostern Jesu Botschaft vom Ort, Zeit und der Gabe des Heils war, wurde durch Kreuz und Auferstehung zum Evangelium von Jesus Christus. Das Letztere hat seinen Ursprung im Ersteren und seinen Sachgrund in Karfreitag und Ostern.

588 Ähnliche Überlegungen finden sich auch bei Welker/Wolter, Unscheinbarkeit, 115, und Dautzenberg, Wandel, 11-32. Auch Dautzenberg neigt zu der Annahme, ebd., 28f., dass die paulinische Christusverkündigung „aus einer allmählichen Transformation der urchristlichen Reich-Gottes-Verkündigung hervorgegangen“ ist bzw. „eine Neuformung der Reich-Gottes-Verkündigung darstellt“.

VII. Das Reich Gottes im Johannesevangelium

Es ist auf den ersten Blick eine verblüffende und irritierende Beobachtung, dass wir im Johannesevangelium vom zentralen Begriff der Verkündigung Jesu in den synoptischen Evangelien nur noch Rudimente finden. Nicht öfter als zweimal erwähnt der vierte Evangelist basilei,a tou/ qeou/ (Joh 3,3.5)589 und das auch nur in einem einzigen Zusammenhang, nämlich dem nächtlichen Dialog Jesu mit Nikodemus in Joh 3,1-21. Darüber hinaus fällt das Stichwort basilei,a nur noch dreimal in einem Vers, der in der Passionsgeschichte im Rahmen des gerichtlichen Verhörs Jesu durch Pilatus die berühmten Worte enthält: Mein Reich (h`` basilei,a h`` evmh,) ist nicht von dieser Welt (ouvk e;stin evk tou/ ko,smou tou,tou). Wäre mein Reich (h`` basilei,a h`` evmh,) von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welt (h`` basilei,a h`` evmh, ouvk e;stin evnteu/qen). (Joh 18,36)

Inwiefern es hier um identische oder unterschiedliche Größen geht, wird noch zu klären sein.

1. Joh 3,3-5 Die Nikodemus-Perikope ist im Johannesevangelium der erste Abschnitt, in dem Jesus mit einer Einzelperson einen

589

Vgl. hierzu auch oben Kapitel IV.4.

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VII.

Das Reich Gottes im Johannesevangelium

Dialog führt, der freilich ab V. 10 zu einem Offenbarungsmonolog Jesu über seine Sendung und seine Identität wird590 und einen ersten Höhepunkt der johanneischen Christologie und Soteriologie darstellt. Nikodemus ist neben Hannas und Kaiphas einer von drei namentlich genannten Repräsentanten „der Juden“, erweist sich jedoch im Gegensatz zu den beiden erstgenannten in gewisser Weise als Sympathisant Jesu. Dennoch bleibt er im Dialog mit Jesus unverständig, was durch seine wenigen, durchweg fragenden Gesprächsbeiträge deutlich wird (vgl. V. 4.9f.). Auch dass das Gespräch bei Nacht stattfindet, darf von der johanneischen Symbolsprache her als Signal gewertet werden (vgl. Joh 11,10; 13,30). In der Nikodemus-Perikope beherrscht die basilei,a tou/ qeou/ die Gesprächseinleitung und stellt damit den gesamten Abschnitt in einen eschatologischen Horizont591. Nach der Gesprächseröffnung durch Nikodemus (V. 2) erfolgt jedoch ein eigentümlicher Bruch, da die Antwort Jesu vordergründig nicht zu der Gesprächseröffnung passt und scheinbar ein völlig neues Thema eröffnet592. Eine Reihe von Kommentatoren rät dazu, in der Begrüßung das Thema des Eingangs in das Gottesreich mitzuhören, was freilich einer gewissen Konjektur gleichkommt593. Wolfgang Bittner erwägt, ob Nikodemus mit den Begriffen shmei/a und dida,skaloj in Joh 3,2 im Licht von Dtn 18,15 ein Wissen um die messianische 590 Frey, Eschatologie III, 246: „Wenn der ‚Lehrer Israels‘ verstummen muß, lehrt Jesus nun selbst; die Frage V. 10 und die folgenden V. 11-13 erweisen ihn als den ‚wahren‘ Lehrer Israels“. 591 Ebd. III, 254. 592 Der Bruch ist offensichtlich literarisch so geplant, da die beiden V. 2 und 3 chiastisch aufgebaut sind: (a) oi;damen qeou/ (c’).. eva.n mh. (b) ouvdei,j du,natai (b’) ouv du,natai (c) eva.n mh. (a’) ivdei/n qeou/ 593 Z.B. Dietzfelbinger, Joh, 80: „Man wird um die Antwort Jesu zu verstehen, in den Worten des Nikodemus nicht nur eine Verbeugung vor Jesus sehen, sondern – für einen Juden – die Frage aller Fragen mithören: Wie gelange ich in die Gottesherrschaft?“

VII.

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Identität Jesu andeuten möchte594, was gleichzeitig ganz im pharisäischen Sinn eine versteckte Aufforderung zur Herbeiführung des Reiches Gottes impliziert595. Auch Otfried Hofius sieht von Jesu Antwort in V. 3b her zwingend eine Frage im Raum stehen und bestimmt diese im Anschluss an Bultmann als die Frage nach dem Heil596. Jesu Antwort wäre dann als Verneinung dieses Ansinnens zu verstehen, verbunden mit dem Hinweis, dass das Sehen bzw. der Zugang zum Reich Gottes nicht in den Möglichkeiten des natürlichen Menschen liegt, sondern allein durch eine Neu- bzw. Wiedergeburt, d.h. durch eine anthropologische Transformation möglich ist. Ohne eine solche wird niemand Jesu Identität erkennen und am Heil teilhaben können. Während die Gesprächseröffnung Rätsel aufgibt, erscheint der Fortgang des Dialoges logisch und plausibel. Auf die Nachfrage des Nikodemus nach der Möglichkeit einer Neugeburt präzisiert Jesus das a;nwqen von V. 3 in seiner weitgehend parallelen Antwort in V. 5 durch „Wasser und Geist“597. Während Johannes die basilei,a tou/ qeou/ in V. 3 mit dem möglicherweise seinem eigenen Idiolekt entstammenden Vorzugsverb „sehen“ verbindet (ouv du,natai ivdei/n th.n basilei,an tou/ qeou/)598, greift er in V. 5, die aus den synoptischen Einlasssprüchen bekannte Formulierung vom „Hineingehen in das Reich Gottes“ (ouv du,natai eivshlqei/n eivj th.n basilei,an tou/ qeou/) auf, die vor allem an Mt 18,3 Vgl. auch Hofius, Wunder, 37f. Bittner, Zeichen, 105-112. 596 Hofius, Wunder, 39, mit Verweis auf Bultmann, Joh, 94: „Die Teilhabe am eschatologischen Heil ist ja gemeint, wenn in Jesu Antwort vom ivdei/n th.n basilei,an tou/ qeou/ die Rede ist.“ Hofius, ebd., 40, sieht hier in sprachlich-rhetorischer Hinsicht die elliptische Figur des Anantapodoton gegeben, wonach die mitgeteilten Worte lediglich die Protasis dessen bilden, was Nikodemus sagen will, während die Apodosis zu ergänzen ist. 597 Das „Von-neuem“ bzw. „Von-oben-geboren-Werden“ in Joh 3,3.5 entspricht sachlich der „neuen Kreatur“ in 2Kor 5,17 und generell der paulinischen Anthropologie, die bei der christlichen Existenz den sichtbaren und sterblichen äußeren Menschen von seinem unsichtbaren und unsterblichen inneren Menschen unterscheidet; vgl. Röm 7,22; 2Kor 4,16.18; Kol 3,3. 598 Vgl. Joh 3,36; 8,51f.; 11,40 u.ö., vgl. aber auch Mk 9,1/Lk 9,27. 594 595

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und Mk 10,15/Lk 18,17 erinnert.599 Dass Johannes hier auf Traditionstexte zurückgreift, wird nicht nur durch die beiden singulären Reich-Gottes-Belege angezeigt, sondern auch durch die doppelte Amen-Einleitung beider Logien600. Die Bedeutung der beiden Reich-Gottes-Belege liegt hier in einer Linie mit der bereits in der synoptischen Jesusverkündigung begegnenden Verheißung eines futurischen Heilsortes, was durch das bekannte Verb eivshlqei/n deutlich wird. Bei der Konstruktion ivdei/n th.n basilei,an tou/ qeou/ wäre auch eine futurische Zeit des Heils denkbar, ähnlich zu Mk 9,1, das sich wahrscheinlich auf die Parusie bezieht (vgl. Kapitel IV.2). Der Grund für das weitere Fehlen des Reich-Gottes-Begriffs wurde oben (s. Kapitel IV.4) bereits vorweggenommen: Johannes überführt sehr bewusst den ihm aus der Jesustradition bekannten Heilsbegriff basilei,a tou/ qeou/ in den von ihm (und seinen Lesern!) bevorzugten Heilsbegriff des „(ewigen) Lebens“601, der im Johannesevangelium in 3,15 599 Zur Diskussion über den Grad der Abhängigkeit von Joh 3,5 von Mt 18,3/Mk 10,15 vgl. Lindars, John; Pryor, Study; und Woodbridge, Kingdom, 72-74. 600 Wie weit der vierte Evangelist das übernommene Material bearbeitet hat, wird kontrovers diskutiert. Strittig ist v.a. der Begriff u[datoj in V. 5 aufgrund seiner sakramentalen Akzentsetzung, die bei den synoptischen basilei,a-Logien keine Vorlage hat. 601 Hofius, Wunder, 39, Anm. 35: „Der im Johannesevangelium nur in 3,3b und 3,5b erscheinende Begriff h`` basilei,a tou/ qeou/ ist im Sinne des Evangelisten sachlich gleichbedeutend mit dem für seine Soteriologie charakteristischen Terminus zwh. aivw,nioj 3,15f. und also Ausdruck für das eschatologische Heil.“ Ebenso Frey, Eschatologie, 248: „Kaum zufällig beginnt das Johannesevangelium seine erste Explikation der Verkündigung Jesu mit dem Thema der basilei,a tou/ qeou/, um in Anknüpfung an diesen Kernbegriff der Jesustradition seinen zentralen Heilsbegriff der zwh. aivw,nioj (vgl. Joh 20,31) einzuführen“; vgl. auch 249f.254 und v.a. 261: „Mit der Wahl dieses Terminus in 3.15.16b in Anknüpfung an den in 3,3.5 aus der Schultradition übernommenen Begriff der basilei,a tou/ qeou/ führt das Evangelium hier quasi definitorisch seine eigene soteriologisch-eschatologische Terminologie für hellenistische Hörer ein. Die Rede von der Teilhabe an der zwh. aivw,nioj, die in 3.15.16.36 dem Glaubenden präsentisch zugesprochen wird, tritt an die Stelle einer Rede vom ‚Sehen‘ der Gottesherrschaft bzw. vom ‚Eingehen’ in sie“; vgl. auch ders., Das vierte Evangelium, 277-281.

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zum ersten Mal von insgesamt 36 Belegen erwähnt wird und umgekehrt in den synoptischen Evangelien nur eine marginale Bedeutung besitzt602. Der vierte Evangelist konnte diesen Begriffswechsel deshalb vollziehen, weil er schon in der synoptischen Tradition angelegt und vorbereitet war. Darüber hinaus kam der Begriff aufgrund seiner semantischen Breite zwischen einem künftigen Ort des Heils, einer künftigen Zeit des Heils und einer gegenwärtigen Gabe des Heils seiner Betonung einer stark präsentischen Eschatologie bei bleibendem Festhalten an einer futurischen Eschatologie603 entgegen. Denn auch der Begriff des zwh. aivw,nioj besitzt eine sowohl präsentische wie futurische und postmortale Dimension604 und gerade das „(ewige) Leben“ hat den Charakter einer Gabe, die man „haben“ kann (vgl. z.B. das e;cei in Joh 3,36) und die im Glauben empfangen werden muss und kann605. Offensichtlich empfand Johannes den Begriff geeigneter und verständlicher für seine vorwiegend griechischsprachige Leserschaft als den jüdisch-palästinisch geprägten Begriff des Reiches Gottes606. Der Heilsbegriff des ewigen Lebens Mt 25,46; Mt 19,29/Lk 18,30. „Leben“ im soteriologischen bzw. eschatologischen Sinn findet sich in Mt 7,14; 10,39; 16,25/Mk 8,35/Lk 9,24; vgl. auch Lk 17,33. 603 Zur Rede vom „jüngsten Tag“ vgl. Joh 6,39f.44.54; 11,24; 12,48; vgl. 14,20; 16,23.26; darüber hinaus finden sich weitere futurische Aussagen in Joh 3,36; 5,28f.; 8,21.28; 12,32; 14,2f.; 16,2.13.16; 17,24; 21,18.22. 604 Joh 4,14.36; 5,21.24.29; 6,27.40.47; 11,25; 12,25. Vor allem in Joh 11,25 kommt die Doppeldeutigkeit des Begriffs eindrücklich zum Ausdruck. Jesus ist bereits jetzt in der vom Tod des Lazarus geprägten Gegenwart die Auferstehung und das Leben. Dieses Leben beginnt nicht erst in einer postmortalen Existenz oder nach der vom Pharisäismus im Anschluss an Dan 12,2 erhofften allgemeinen Totenauferstehung, sondern jetzt, im Angesicht von Tod, Trauer und Verzweiflung angesichts des Verlustes eines geliebten Menschen. Gleichzeitig ist dem Glaubenden dieses Leben auch dann verheißen, wenn er stirbt. 605 Joh 3,15f.; 3,36; 5,40; 6,33.47; 10,10.28; vgl. Frey, Eschatologie III, 261270, v.a. 270. 606 Ebd., Eschatologie III, 268; ähnlich Goppelt, Theologie, 95f.; Woodbridge, Kingdom, 62.66-69. Allerdings muss auch der Begriff zwh. aivw,nioj aus dem Judentum und Urchristentum heraus verstanden werden, v.a. von Dan 12,2f. her, wo der Begriff zum ersten und im Alten Testament auch 602

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ermöglichte es ihm aber auch die Gabe des Heils mit dem Grund des Heils in eine Beziehung zu setzen, was in den synoptischen Reich-Gottes-Logien aus besagten Gründen (vgl. Kapitel IV.7) noch nicht stattfindet. Für den vierten Evangelisten liegt der letzte Grund für die Gegenwart des ewigen Lebens „in der personalen Identifikation der eschatologischen zwh, mit Jesus selbst, dessen Worte Leben sind (6,63.68; vgl. 12,50), den zu erkennen ewiges Leben bedeutet (17,3) und der selbst als der Sohn das göttliche Leben vom Vater empfangen hat und in sich trägt (5,26; 11,25; 14,6; 1Joh 5,20) und so den an ihn Glaubenden das ewige Leben zu geben vermag (17,2)“607. Bemerkenswerterweise findet sich aber im Johannesevangelium neben dem Heilsbegriff des ewigen Lebens, der den traditionellen basilei,a-Begriff in Joh 3,3.5 ablöst, noch eine weitere Vorstellung eines eschatologischen Heilsraumes. In den johanneischen Abschiedsreden erläutert Jesus seinen Jüngern in Joh 14,2f., dass in seines Vaters Haus viele Wohnungen sind und er im Horizont seiner nahenden Passion im Begriff ist, hinzugehen und ihnen diese Stätte zu bereiten. Dieses Logion ist vom Vorstellungshintergrund dem oben skizzierten spatialen Reich-Gottes-Begriff durchaus ähnlich. Es geht um postmortal zu beziehende „Wohnungen“ (monai,), die den Jüngern als Heilsorte verheißen sind. In Entsprechung zu Mk 14,25 stellt auch hier Jesus seinen Jüngern eine postmortale, eschatologische Gemeinschaft mit ihm in Aussicht. Die Jünger sollen „sein, wo ich bin“ (Joh 14,3; vgl. hierzu auch 1Thess 4,17: „... so werden wir bei dem Herrn sein allezeit“).

einzigen Mal begegnet. Dagegen fehlt das Syntagma fast völlig in den paganen religiösen und philosophischen Schriften jener Zeit. Die Erwägungen von Hodgson, Kingdom, 163-174, der den Grund für den Begriffswechsel in einem inneren Konflikt der johanneischen Schule mit gnostischen Flügeln vermutet, die den basilei,a-Begriff für ihre theologischen, mythologischen und astrologischen Überlieferungen besetzt hätten, basieren auf Datierungen und Schulkonstruktionen, die mittlerweile als überholt gelten müssen. 607 Frey, Eschatologie, III, 270 (kursiv bei F.).

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2. Joh 18,36 Der zweite Text, in dem der basilei,a-Begriff eine zentrale Rolle spielt, ist der Dialog zwischen Pilatus und Jesus im Rahmen des römischen Prozesses in der johanneischen Passionsgeschichte (Joh 18,33-19,16), der den „kompositionellen und inhaltlichen Höhepunkt der joh[anneischen] Passionsdarstellung“ bildet608. Dieser Dialog ist durch die Frage nach der Art und Weise des Königtums Jesu geprägt. Es ist dieser Königstitel, der für die johanneische Passionschristologie eine zentrale Bedeutung besitzt, und entsprechend findet sich der basileu,j-Titel nicht weniger als 15-mal in der gesamten Passionsgeschichte, zwölfmal als Stichwort der Anklage609 und dreimal in der Antwort Jesu (Joh 18,36a.b.c). In einer auf das Äußerste zugespitzten Paradoxie schildert Johannes den leidenden, geschundenen, gekreuzigten und sterbenden Jesus als den von Gott selbst erhöhten und verherrlichten König610, der durch eine paradoxe Krönungszeremonie in seine weltumspannende Herrschaft eingesetzt wird611 und „mit dem [sc. an Gen 2,1-3 angelehnten] Ruf

Schnelle, Joh, 295. Zur Literatur zum Text vgl. Frey, Jesus und Pilatus, 360, Anm. 72. 609 Joh 18,33.37a.37b.39; 19,3.12.14.15b.15c.19.21a.21b. 610 Siehe Joh 7,39; 12,23; 13,31; 17,1 für das Verb doxa,zein, sowie Joh 3,14; 8,28; 12,32.34 für das Verb u``you/n, vgl. als traditionsgeschichtlichen Hintergrund Jes 52,13: o`` pai/j mou u``ywqh,setai kai. doxasqh,setai sfo,dra. Hengel, Reich Christi, 173, spricht von einer „antijüdischen Königsparodie“. 611 In der johanneischen Passionsgeschichte finden sich zahlreiche Elemente des altorientalischen Königsrituals, vgl. z.B. 1Kön 1,32-40.46f., wie z.B. die Selbstproklamation, 18,33-38, bes. V. 37: basileu.j eivmi; die Huldigung durch die Soldaten, 19,1-3; die Krönung, 19,5; die Investitur mit dem Purpurmantel, 19,5; die Epiphanie als a;nqrwpoj und basileu,j, 19,5.13f.; die (paradoxe) Akklamation des Volkes, 19,6f.15; die (wiederum paradoxe) Inthronisation auf dem „Königsthron“ des Kreuzes, 19,18; die dreisprachige Proklamation seines Königtums im titulus crucis, 19,20; vgl. hierzu auch Blank, Verhandlung, 60-87; Hahn, Prozeß, 623; Hengel, Reich Christi, 173f.; Frey, Eschatologie III, 273-275; ders., Jesus und Pilatus, 373.382.384.387f. 608

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tete,lestai das Werk der Neuschöpfung der durch die Sünde dem Tod verfallenen Menschenwelt“ vollendet612. Im Rahmen des römischen Prozesses vor Pilatus wird nun in höchst subtiler Art und Weise das Wesen dieser Herrschaft Christi erörtert und entfaltet, indem Jesus und Pilatus in typologischer Weise gegenüber gestellt werden: hier der gefesselte, zwischendurch ausgepeitschte, blutende und mit einer Dornenkrone gekrönte und einem Purpurmantel gekleidete Christus, dort der römische Prokurator, dem die römische Macht mitsamt dem ius gladii, dem Recht die Kapitalstrafe zur verhängen, übertragen ist. Doch die Machtverhältnisse sind nur vordergründig eindeutig. Denn schon in den Rahmenbedingungen des Gespräches ist etwas angelegt, was die vorgegebenen Rollenverhältnisse von Angeklagtem und Richter konterkariert: Die jüdischen Ankläger kommen nicht in das Prätorium (18,28). Die Gründe dafür werden nicht recht deutlich. Möglicherweise galt ihnen das Haus eines Heiden als potentiell unrein, weil man jüdischerseits immer den Verdacht hegte, es könnten hier Fehlgeburten begraben sein, was dem Gelände den Charakter eines verunreinigenden Friedhofs verliehen hätte. Weil man angesichts des bevorstehenden Passahfestes die kultisch begründete Reinheit nicht verlieren wollte, blieb man sicherheitshalber draußen vor der Tür613. Wie dem auch sei, durch die Weigerung der jüdischen Ankläger hereinzukommen, wird Pilatus bei seinem Prozess, den er zu einer Machtdemonstration nutzen wollte, zu einer Art Pendeldiplomatie gezwungen. Im Verlauf des gesamten Prozesses pendelt Pilatus mehrfach hin und her: Viermal geht er hinaus zur Menge und dreimal wieder hinein zum Angeklagten614. Dieses buchstäbliche „Hin

612 Hengel, Reich Christi, 166; siehe auch ebd., 172: „Das Sterben Jesu bedeutet gerade beim 4. Evangelisten das eine entscheidende, das die Inkarnation abschließende Heilsereignis“ (kursiv bei H.). 613 Dietzfelbinger, Joh, 268; vgl. auch Frey, Jesus und Pilatus, 361f.364, Anm. 81. 614 Frey, ebd., 362: „Während die Szenen draußen die äußere Dramatik der Passion vorantreiben, erscheinen [die] Dialoge drinnen ... als retardierende Elemente, auf denen das sachliche Gewicht liegt. Dem tumultartigen Ge-

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und Her“ verleiht Pilatus einen Zug der Lächerlichkeit und gerade nicht die Aura der Souveränität: Während der gefesselte und ohnmächtige Angeklagte steht, muss der mächtige Richter laufen. Es sind diese äußeren Nuancen, die für das Johannesevangelium so typisch sind. In diesen beiläufigen Notizen wird subtil angedeutet, wer wirklich mächtig und ohnmächtig ist. Die Verkehrung der Rollen und Machtverhältnisse setzt sich im Verhör fort. Auf die erste Frage hin stellt Jesus eine Gegenfrage: „Sagst du das von dir aus, oder haben dir’s andere über mich gesagt?“ (Joh 18,34). Jesus will wissen ob die Anklage von Rom oder vom Hohen Rat ausgeht, ob es eine römische oder jüdische Anklage ist. Aber damit wird faktisch der Fragesteller zum Befragten. Im Verlaufe des Prozesses bekommt es Pilatus, der aus diesem Prozess ein Spiel der Macht sowohl mit dem Angeklagten als auch mit seinen jüdischen Anklägern machen wollte, mit der Angst zu tun (Joh 19,8). Nach einem weiteren Gesprächsgang möchte Pilatus Jesus freilassen, um nichts mehr mit ihm zu tun zu haben (Joh 19,12). Der Leser spürt von Vers zu Vers mehr, wie Pilatus die Kontrolle über den Prozess verliert und wie der Mächtige zum Ohnmächtigen wird. Als die jüdischen Ankläger schließlich in V. 12 eine appellatio ad Gaium androhen, d.h. eine formale Anzeige gegen Pilatus beim Kaiser in Rom, wird Pilatus schließlich zum erpressbaren und willfährigen Spielball seiner Gegner, der sich zu einer feigen Rechtsbeugung erpressen lässt615. Somit beschreibt der Pilatus-Prozess in subtiler Weise die Niederlage des Richters und den Sieg des Gerichteten, der am Ende mit den Worten stirbt „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30)616.

schehen draußen steht der philosophisch gefärbte Dialog drinnen gegenüber.“ Frey, ebd., bietet eine tabellarische Auflistung der verschiedenen Szenen und Gesprächsgänge. 615 Dass Pilatus eigentlich von der Unschuld Jesu überzeugt war, ist die gemeinsame Überzeugung aller Evangelisten, vgl. Mt 27,18; Mk 15,10.14; Lk 23,13-16; Joh 18,38; 19,4.6; vgl. 19,12. 616 Ebd., 363: „Am Ende der Pilatus-Perikope ist jedenfalls der, der faktisch als Gerichtsherr fungierte, ein unfreiwillig zu seinem Handeln Ge-

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Der römische Prozess vor Pilatus wird von Johannes als ein sowohl verbaler wie nonverbaler Machtdiskurs gezeichnet, in dem sich die zu Beginn scheinbar so eindeutigen Rollen-, Macht- und Souveränitätsverhältnisse mehr und mehr auflösen617. Im Zentrum des Diskurses über Macht und Herrschaft stehen die Verse 18,33-38. Schnell wird deutlich, dass das Königtum und die Herrschaft Jesu eine andere sind als die des Pilatus und die des römischer Kaisers, auch eine andere als die, die von den jüdischen Messiasprätendenten im 1. Jahrhundert n.Chr., v.a. in den Jahren vor dem jüdischen Krieg, angestrebt wurde618. Es ist damit aber auch ein anderes Königtum, als David es innehatte, und eine andere Herrschaft, als David sie ausübte. Während Pilatus die vom Kaiser verliehene evxousi,a hat, Jesus freizugeben oder ihn zu kreuzigen (Joh 19,10), ist Jesu basilei,a eben nicht von dieser Welt und mit keiner irdischen Herrschaft vergleichbar (18,36)619. Jesu Herrschaft ereignet sich durch die Verkündigung der Wahrheit. In diesem Zeugnis-, Verkündigungs- und drängter, ja letztlich Verurteilter, während der formell zum Tode Abgeurteilte sich in ironischer Verkehrung als der eigentliche Gerichtsherr erweist und am Kreuz als König präsentiert.“ Es ist diese johanneische Paradoxie, die den Schreiber des Barnabasbriefs zu der Aussage motivierte, Barn 8,5, „dass die Herrschaft Jesu auf dem Holze gründet (o[ti h`` basilei,a VIhsou/ evpi. xu,lou)“. Ähnlich ergänzt Justin, Apol 1,14,1; Dial 73,1 bei einem Zitat aus Ps 95,10LXX das o`` ku,rioj evbasi,leusen mit avpo. tou/ xu,lou. Berühmt ist schließlich das Wort von Tertullian, Marc 3,19,1: „Dominus regnavit a ligno.“ 617 Dies ist bereits bei der Verhaftung Jesu in Getsemane zu beobachten, als ihm eine ganze römische Kohorte entgegentritt (Joh 18,3.12), die allein auf Jesu Antwort, dass er es ist, den sie suchen, vor ihm zurückweicht und zu Boden fällt (V. 6). Jesus stellt sich schützend vor seine Jünger (V. 8), liefert sich somit freiwillig aus und bleibt in der gesamten Erzählung der eigentliche Herr des Geschehens. 618 Hengel, Reich Christi, 174: „Der ganze Prozeßbericht des Evangelisten einschließlich des am Ende stehenden Konfliktes zwischen Pilatus und den Hohenpriestern über die causa poenae – „der König der Juden“ (19,19-21) – zeigt, wie sehr das für ihn anstößige Königtum des gekreuzigten Galiläers im Kontrast zur politischen messianischen Erwartung Israels den einen wesentlichen Streitpunkt in der Auseinandersetzung zwischen Christen, Juden und der römischen Staatsmacht bildete.“ 619 Frey, Jesus und Pilatus, 369, verweist auf die Auslieferung in Getsemane, Joh 18,10f.: „Jeder Anschein des ‚Zelotischen‘ ist damit dezidiert

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Hörgeschehen vollzieht sich eine dem menschlichen Auge verborgene und für Pilatus nicht verstehbare Herrschaftsund Machtausübung, die nicht von der Welt ist, sich aber durchaus in dieser Welt vollzieht, wie die paradoxen Vorgänge in der johanneischen Passionsgeschichte zeigen. Pilatus hat eben nur vordergründig die evxousi,a, Jesus freizulassen oder zu kreuzigen. Hintergründig klärt ihn Jesus mit einem passivum divinum darüber auf, dass auch diese evxousi,a eine a;nwqen gegebene ist. Auch Pilatus muss einer göttlichen Regie gehorchen, die er nicht kennt und von der er nichts versteht620. Damit ist diese Herrschaft Christi aber ebenso wie das Heil und das ewige Leben eine präsente Herrschaft. Es ist „eine die Welt überwindende Macht, die sich schon hier auf Erden ihren ganz eigenen Herrschaftsbereich verschafft, indem sie die verhärteten Herzen öffnet (vgl. 12,40) und Glauben wirkt“621. Somit erweist sich die basilei,a in Joh 18,36 als eine Parallele zur Jesus nachösterlich verliehenen evxousi,a in Mt 28,18f. Auch aus dieser verliehenen evxousi,a zieht der Auferstandene nicht die Konsequenz, sie im Stile irdischer Machthaber einzusetzen, sondern sendet seine Jünger zu allen Völkern, um sie zu Jüngern zu machen, sie zu taufen und zu lehren. Fragt man nun, was diese basilei,a Christi mit der im Johannesevangelium nur in Joh 3,3.5 erwähnten basilei,a tou/ zurückgewiesen. Natürlich stellt so ein ‚ganz anderes‘ Königtum auch die Herrschaftsstrukturen dieser Welt infrage, doch geschieht dies eben auf einer anderen Ebene als auf der machtpolitischen und durch andere Mittel als die von Aufruhr und Widerstand“; vgl. auch ebd., 390. 620 Gleiches gilt im Übrigen auch für den Widersacher schlechthin. Auch der „Fürst dieser Welt“ (Joh 12,31) erleidet im Augenblick seines vermeintlichen Triumphes (Joh 13,2.27) seine eigentliche Niederlage (Joh 12,31; 16,11); vgl. Hengel, Reich Christi, 172: „Sein scheinbarer Triumph, Jesu Tod am Pfahl der Schande, bedeutet in Wirklichkeit dessen Sieg und seine Entmachtung. [...] Auch die äußerlich gesehen triumphierende Macht des Bösen muß nach Gottes Willen dem Heil der Welt dienen und Jesu Weg zur Herrschaft vollenden.“ 621 Ebd., 170. Ähnlich Frey, Eschatologie III, 280: „Als der erhöhte Gekreuzigte übt er seine Herrschaft aus, indem er Menschen zu sich zieht und ihnen ewiges Leben verleiht“, vgl. auch ders., Jesus und Pilatus, 369.

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qeou/ zu tun hat, so fällt die Antwort zurückhaltend aus. Der in Joh 18,36 gebrauchte Begriff hat so gut wie nichts mit den bislang erarbeiteten Bedeutungen eines Ortes und einer Zeit des Heils sowie einer Gabe des Heils gemein622. Umgekehrt ist in diesem Herrschafts- und Machtdiskurs wirklich von einer „Herrschaft“, einem nomen actionis, die Rede. Die Häufigkeit des basileu,j-Titels macht deutlich, dass es um das Königtum Jesu geht623. Pilatus möchte wissen, ob Jesus in die Kategorie der jüdischen Messiasprätendenten gehört, die so prägend für die jüdische Geschichte vor dem Jüdischen Krieg waren. Diese Frage war die entscheidende Frage des römischen Prozesses Jesu. An ihr sollte sich die Verurteilung oder der Freispruch Jesu entscheiden, was auch durch den Titulus am Kreuz (Joh 19,19-22) unterstrichen wird624. Es

622 Richtig gesehen von Schnackenburg, Joh III, 284f. und Kvalbein, Fourth Gospel, 230-232. Dass nach Ostern die basilei,a des Christus an die Stelle der Gottesherrschaft tritt, so Hengel, Reich Christi, 177, und Frey, Eschatologie III, 280; ders., Jesus und Pilatus, 388f., und mit ihr „völlig identisch“ sei, Hengel, ebd., 182; ähnlich Dietzfelbinger, Joh, 274, lässt sich weder im Johannesevangelium noch anderswo im Neuen Testament belegen. Sachlich geht es bei der basilei,a Jesu in Joh 18,36 und 1Kor 15,24f. auf der einen und beim Reich Gottes auf der anderen Seite um unterschiedliche Größen (s. auch Kapitel V.3). 623 Richtig gesehen von Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 230: „Vordergründig geht es hier nicht um ein ‚Reich’ oder einen ‚Herrschaftsbereich‘, sondern um die Königswürde und den Herrschaftsanspruch Jesu“. Ebenso ders., Joh III, 284f.: „Die basilei,a Jesu ist ... nicht der Bereich wie die basilei,a tou/ qeou/ in 3,3.5. Während im Nikodemusgespräch der syn. Ausdruck aufgenommen und in das joh. Verständnis transformiert wird ..., darf man für die Antwort an Pilatus überhaupt keinen Bezug zur ReichGottes-Verkündigung Jesu herstellen. Höchstens könnte Joh die urchristliche Redeweise von der Herrschaft Christi berücksichtigen. Es geht um Jesu königliche Würde und seinen Wirkungsbereich, der durch seine Heilsoffenbarung in der Welt gegeben ist.“ 624 Hengel, Reich Christi, 165; vgl. ders., Messias Israels, 50f., sowie Frey, Jesus und Pilatus, 353, die darauf hinweisen, dass „König der Juden“ gerade keine christlich-christologische Bildung sein kann, da sie sonst nirgendwo im Munde von Anhängern Jesu oder in Formulierungen des Evangelisten erscheint. Die „Tendenzwidrigkeit“ des Titels, weist deutet vielmehr darauf hin, dass es hier um den historisch zutreffenden Anklage-

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geht somit um echte oder missverstandene Herrschaftsansprüche, weshalb hier für den Begriff basilei,a die Übersetzung „Herrschaft“ vor dem Hintergrund der dargestellten paradoxen Herrschaft Christi in diesem Prozess die einzig sinnvolle ist – ganz im Unterschied zu den bislang untersuchten Belegen von basilei,a tou/ qeou/. Der bei den ReichGottes-Belegen so merkwürdig abwesende Königstitel steht hier unübersehbar im Mittelpunkt des Verhörs und es geht um die Frage konkurrierender Macht- und Herrschaftsansprüche unterschiedlicher Könige. Insofern haben wir in diesen Versen in der Tat den johanneischen Beitrag zum Verhältnis von Herrschaft Christi, Kirche und Staat vor uns, der freilich deutlich knapper, eigenwilliger und kompromissloser ausfällt als die vergleichbaren Ausführungen in Röm 13,1-7 oder 1Petr 2,13-17625. Allenfalls indirekt lassen sich Bezüge herstellen: Die Art und Weise, wie Jesus seine basilei,a ausübt, indem er die Wahrheit bezeugt und verkündet und als messianischer Hirte diejenigen sammelt, die aus der Wahrheit sind und seine Stimme hören (vgl. die Parallelen zwischen Joh 10,27f. und 18,37), führt dazu, dass Menschen a,nwqen bzw. aus Wasser und Geist geboren werden und die basilei,a tou/ qeou/ als eine Zeit des Heils „sehen“ bzw. in diesen Ort des Heils hinein „kommen“ können (Joh 3,3.5). Die paradoxe Herrschaft des Königs Jesus führt somit dazu, dass Menschen das Reich Gottes „sehen“ und in es „hineinkommen“626. punkt der römischen Justiz geht, die in Jesus einen jüdischen Königsprätendenten sah, der wegen dieses Majestätsverbrechens (crimen laesae majestatis) zum Tode verurteilt werden konnte, so Frey, ebd., 353f.367. 625 Hengel, Reich Christi, 183. 626 Dieser Zusammenhang scheint auch bei den frühen Anspielungen auf Joh 18,36 eine Rolle gespielt zu haben, die uns von Hegesipp aus dem 2. Jahrhundert überliefert sind. Euseb, HE 3,19-20,6 erwähnt einen Bericht von Hegesipp, der eine Begebenheit aus der Regierungszeit Domitians (81-96 n.Chr.) erzählt. Zwei Großneffen Jesu, Enkel seines Bruders Judas und damit eo ipso auch Davidsnachfahren, seien in Jerusalem als potentielle Messiasprätendenten denunziert und deshalb vor den Kaiser gebracht worden. Im Rahmen des kaiserlichen Verhörs befragte sie Domitian auch nach der basilei,a ihres Großonkels, des sog. Christus. Die Ant-

wort der beiden ist interessant: „Es sei weder weltlich noch irdisch, vielmehr himmlisch und engelgleich, es werde erst am Ende der Welt erscheinen, wenn Christus in Herrlichkeit komme, die Lebenden und die Toten zu richten ...“ (3,20,2f.). Die Antwort bildet eine Verschränkung von Joh 18,36 mit 1Kor 15,50 und 2Tim 4,1.18 und 2Petr 1,11. Der eigenständige Charakter von Joh 18,36 wird hier eingeebnet in die klassische Reich-Gottes-Erwartung.

VIII. Das Reich in der Johannesapokalypse

Das große Thema der Johannesapokalypse ist der eschatologische Kampf Gottes und des Lammes um die Herrschaft mit den Mächten des Bösen dieser Welt, repräsentiert durch den Drachen, der in Apk 12,9 als Teufel bzw. Satan enthüllt wird, sowie dem Tier und seinem Propheten (Apk 13). Insofern nimmt es nicht Wunder, dass das Begriffsfeld basilei,a/ basileu,ein einen breiten Raum in diesem Werk einnimmt627 und auch Christus von Anfang an in seiner herrscherlichen Machtfülle als „Herrscher der Könige der Erde“ (1,5) und im Rahmen des „Messiaskrieges“ (19,11-21) als „König der Könige und Herr der Herren“ (19,16) präsentiert wird. Vor diesem Hintergrund ist es dann aber gleichzeitig überraschend, dass der Begriff basilei,a tou/ qeou/ nur ein einziges Mal belegt ist (Apk 12,10). Wir kommen somit nicht umhin, an den einzelnen Stellen nach den begrifflichen und sachlichen Entsprechungen zu fragen und diese mit dem bisherigen Begriffskonzept zu vergleichen.

1. Apk 1,6 und 5,10 Zum ersten Mal taucht der Begriff basilei,a im brieflichen Präskript (1,4-6) der Johannesapokalypse auf. In Apk 1,6 wird im Rahmen einer christologischen Doxologie (1,5b-6) davon gesprochen, dass Christus „uns zu einer basilei,a, zu 627

Apk 1,6.9; 5,10; 11,15.17; 12,10; 16,10; 17,12.17f.; 19,6; 20,6; 22,5.

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Priestern für Gott und seinen Vater“ gemacht hat. Die Formulierung ist von der sog. Exodusformel aus Ex 19,5f. abhängig, wo Jahwe seinem Volk Israel zusagt, dass es ihm „ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk“ sein soll. Gewöhnlich zieht in Apk 1,6 der Priestertitel die Aufmerksamkeit der Exegeten auf sich, während das Wesen der basilei,a nur selten reflektiert wird628. Doch für unsere Fragestellung ist gerade die basilei,a-Aussage von besonderem Interesse, weil hier Menschen, gemeint sind natürlich die Glaubenden, zu einer basilei,a „gemacht“ (evpoi,hsen) wurden. Die Bedeutung dieses Abstraktums bleibt im konkreten Textzusammenhang zunächst rätselhaft. Handelt es sich um einen Herrschaftsraum, innerhalb dem Gott als König herrscht, oder um eine Gott als König zugeordnete (Volks)Gemeinschaft? Deutlich ist nur, dass der Vorgang bereits in der Vergangenheit abgeschlossen wurde und der Zustand somit auch für die Gegenwart des Autors Gültigkeit hat. Weitergehende Schlüsse erlaubt erst ein Blick auf Apk 5,10, wo die Formulierung in leicht abgewandelter Form noch einmal auftaucht. Im Rahmen des „neuen Liedes“ (5,9f.), wird Christus dafür gepriesen, dass er die aus allen Stämmen, Sprachen, Völkern und Nationen erkauften Völker „unserm Gott zur basilei,a und Priestern gemacht hat“. Die Formulierung knüpft deutlich an Apk 1,6 und damit auch an die Exodusformel (Ex 19,5f.) an. Nun allerdings werden die Adressaten noch näher definiert durch den Zusatz „und sie werden herrschen (basileu,sousin) in Ewigkeit“ (5,10). Während die Einsetzung zur basilei,a und zu Priestern in der Vergangenheit erfolgte (siehe auch hier den effektiven Aorist evpoi,hsaj), wird die Herrschaft der Glaubenden gemäß der futurischen Form von basileu,sousin erst in der Zukunft erwartet (vgl. hierzu Apk 20,6 und 22,5). Beim Verb basileu,(s)ousin ist textkritisch unklar, ob es präsentisch oder futurisch629 interpretiert werden muss. Während das Verb in der äthiopischen Version und im Scholienkommentar des Origenes völlig fehlt und seine Futurform im a, in einigen Koine-Minuskeln, Cyprian, Hippolyt und dem Codex Gigas belegt ist, wird die Präsensform vom Alexandrinus (A) 628 629

Siehe hierzu vgl. Gäckle, Priestertum, 477-513. Giesen, Offb, 170.

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und den meisten Koine-Handschriften bezeugt. Rein textkritisch lässt sich keine eindeutige Entscheidung treffen. Entsprechend geteilt sind die Urteile der Kommentatoren und Textausgaben. Aufgrund der Futurform des Verbs in Apk 20,6 und 22,5 ist die Präsensform zwar lectio difficilior und wird noch dazu vom für die Johannesapokalypse wichtigsten Textzeugen A vertreten630, doch entscheiden sich sowohl NA27 und NA28 als auch UBS3 für die Futurform631. Selbst wenn die Präsensform ursprünglich wäre, müsste sie als futurisches Präsens übersetzt werden, da (1) Apk 5,10 Teil eines Hymnus ist und es sich bei dem Verb analog zu 12,11 um eine „präsentisch-eschatologische, hymnische Spitzenaussage angesichts der Heilsbedeutung des Todes Jesu“ handelt 632. (2) die Behauptung einer präsentischen Herrschaft von Christen singulär wäre633 und (3) auch der Textzusammenhang der Johannesapokalypse eher das Futur nahelegt634.

Eine wie auch immer geartete gegenwärtige Herrschaft der Glaubenden wird nirgendwo im Neuen Testament erwartet. Weder ist irgendwo der absurde Versuch einer christlichen Gemeinde belegt, sich vom Römischen Reich zu lösen oder zu emanzipieren, noch wird die fehlende politische Unabhängigkeit und Eigenständigkeit im Sinne einer politischen Entität irgendwo als theologisches Problem empfunden.

Karrer, Text, 69.78. Ebenso Giesen, Offb, 170f., und Müller, Offb, 76.158. Dagegen entscheidet sich Lohmeyer, Offb, 57, textkritisch für die Präsensvariante und geht bereits von einer präsentischen Herrschaft aus: „Die Gläubigen haben und sind schon jetzt alles, die Endzeit kann ihrem gegenwärtigen Besitz nichts hinzufügen, das Ergänzung eines in der Gegenwart noch vorhandenen Mangels wäre.“ 632 Roose, Teilhabe, 169. 633 Vgl. nur die polemische, auf die Überheblichkeit der Korinther zielende Reaktion von Paulus in 1Kor 4,8. 634 Zwar bezeugt auch in Apk 20,6 die für die Johannesapokalypse wichtigste Handschrift des Alexandrinus wie schon in 5,10 die Präsensform, aber der Kontext ist in 20,6 eindeutig futurisch. Entweder ist damit das Präsens in A als Hebraismus zu lesen, oder es handelt sich um eine theologische Korrektur, da man seit Tyconius und Augustinus das Millenium in Apk 20,4–6 nicht mehr futurisch interpretierte, sondern mit der Zeit der Kirche identifizierte; vgl. Schüssler-Fiorenza, Priestertum, 76; Mounce, Rev, 136, Anm. 36; Roose, Mitherrschaft, 173f., Anm. 301; Osborne, Rev, 268. 630 631

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Wenn daher die Glaubenden „zur basilei,a gemacht“ wurden, kann die Aussage nicht im realpolitischen Sinn gemeint sein. Umgekehrt ist es aber ein Grundbekenntnis der frühen Christenheit, dass Christus der Herr und das Haupt der Gemeinde ist (z.B. 1Kor 12,5; Kol 1,18; Eph 1,22f.; 4,4-6 u.ö.) und letztlich auch als der ku,rioj und pantokra,twr (Apk 1,8), dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gehört (Mt 28,16ff.; vgl. Eph 1,20-22; Kol 2,15), in noch verborgener Weise regiert und die Welt ihrem eschatologischen Ziel entgegenführt (vgl. 1Kor 15,24f. und Joh 18,36f.). Allerdings ist es bislang nur die Gemeinde, in der diese Herrschaft bekannt und anerkannt wird. Insofern ist das Verständnis von basilei,a im Sinne der Gemeinde als „Herrschaftsraum“ oder „Machtbereich Christi“ die exegetisch beste Interpretation635. Damit aber haben wir das bislang singuläre Phänomen, dass Christus Menschen zu seiner basilei,a macht. Die hier vorliegende Begriffsverwendung deckt sich damit weder mit den bisher erarbeiteten Konzepten eines futurischen Ortes des Heils, einer futurischen Zeit des Heils, einer gegenwärtigen Gabe des Heils oder eines gegenwärtigen Wortes des Heils. Die größte Nähe besteht zu dem in Joh 18,36 vorliegenden Begriff der basilei,a Christi. Durch diese paradoxe Herrschaft Christi, der durch die Bezeugung und Verkündigung der Wahrheit bei den Hörern Glauben wirkt, schafft er sich eine Gemeinde des Heils, einen „gemachten“ Herrschaftsraum und Machtbereich, in dem er als König anerkannt und bekannt wird. Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, warum der Begriff basilei,a tou/ qeou/ hier fehlt. Es geht schlicht um einen anderen Sachverhalt. Allerdings fügt sich durch diese Belege das Gesamtbild mehr und mehr zusammen: Durch die para-

635 Vgl. Gäckle, Priestertum, 503f., und Roose, Mitherrschaft, 174: „Auf Grund der Heilstat Christi (Apk 1,5; 5,9) sind die Christen sein Machtbereich, d.h. der Bereich, in dem er ‚seine Herrschaft voll und ganz ausübt‘“; ebenso Karrer, Brief, 116; Giesen, Offb, 78; Vanoni/Heininger, Reich Gottes, 116.

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doxe Herrschaft Christi, die er in der Bezeugung und Verkündigung der Wahrheit ausübt (Joh 18,36f.) bzw. durch das samenhafte „Wort vom Reich“ (Mt 13,19; „Wachstumsgleichnisse“) ruft er Menschen zum Glauben. Die an dieses Wort bzw. an diese Wahrheit Glaubenden empfangen schon in der Gegenwart das Reich Gottes bzw. das (ewige) Leben als eine Gabe des Heils bzw. als ein Heilsgut und werden auf diese Weise als eine Gemeinschaft der Glaubenden zu einer basilei,a und zu „Priestern für Gott“ (Apk 1,6; 5,10), die in der Gemeinschaft mit Christus leben und so zu einem Herrschaftsbereich Christi werden, in dem seine Herrschaft anerkannt und bekannt wird. Als solche durch das Heilswort von der Heilstat zu einer basilei,a „gemachten“ Heilsgemeinschaft lebt sie in der Hoffnung auf das Reich Gottes im Sinne eines künftigen Heilsortes und einer künftigen Heilszeit, in dem bzw. in der die Glaubenden mit Christus herrschen636.

2. Apk 1,9 Diese Konzeption weist auch die Richtung für den nicht minder rätselhaften basilei,a-Beleg in der triadischen Dativformation in Apk 1,9. Hier stellt sich Johannes, der Autor der Johannesapokalypse, in Ich-Form den Adressaten als „euer Bruder und Mitgenosse in der Bedrängnis und (im) Reich und (in der) Geduld in Jesus (o`` avdelfo.j u``mw/n kai. sugkoinwno.j evn th/| qli,yei kai. basilei,a| kai. u``pomonh/| evn VIhsou/)“ vor. Offensichtlich muss der eine Artikel für alle drei Dative genügen und umgekehrt scheint auch die präpositionale Referenz evn VIhsou/ für alle drei Dative zu gelten. Während die Begriffe Bedrängnis und Geduld sachlich zusammengehören, wirkt die mittig stehende basilei,a etwas sperrig innerhalb der Trias. Im Wesentlichen bieten sich drei Lösungen an: Zum Ersten schlagen eine Reihe von Kommentatoren vor, dass so wie Johannes Mitgenosse in der Bedrängnis der Gemeinde ist, er auch Teilhaber am eschatolo636

Apk 5,10; vgl. 20,4-6; 22,5; Röm 5,17; 2Tim 2,12.

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gischen Heilsgut der basilei,a ist. Um die Spannung zwischen der gegenwärtigen Bedrängnis und dem künftigen Heil zu bewältigen, benötigt Johannes und seine Brüder und Mitgenossen die Geduld637. Zum Zweiten könnte der Begriff einfach den basilei,a-Begriff aus V. 6 aufnehmen und die Gemeinde als den gegenwärtigen Herrschaftsbereich Christi meinen, zu dem auch Johannes und seine Brüder und Mitgenossen gehören. Schließlich hat zum Dritten jüngst Greg Beale die Übersetzung „Königsherrschaft“ vorgeschlagen638. Aufgrund seines amillenaristischen Verständnisses der Johannesapokalypse geht er durchweg von einer bereits präsentischen Herrschaft der Gemeinde aus639, die schon jetzt evn VIhsou/ in seinem Reich (mit)regiert, indem sie glaubensvoll die Bedrängnisse erduldet. Damit sind die Glaubenden nicht nur Objekte oder der Herrschaftsbereich der Herrschaft Gottes bzw. Christi, sondern aktive Teilhaber daran. Diese ironische Ausübung von Herrschaft folge dem Modell Christi, der sein Königtum ebenfalls durch das Ertragen von Leiden und Sterben ausübte und auf dieses Weise zur Herrlichkeit gelangte640. Allerdings finden wir nirgendwo im gesamten Neuen Testament einen Beleg für eine präsentische Herrschaftsfunktion der Gemeinde, allenfalls in der ironischen Polemik des Paulus gegen die korinthischen Enthusiasten (1Kor 4,8). Dagegen wird der Gemeinde erst für das Eschaton vor dem Hintergrund der frühjüdischen und frühchristlichen Tradition von der „Herrschaft der Heiligen“ eine herrschende Rolle verheißen641. Somit wird man sich wohl eher zwischen einer der beiden erstgenannten Lösungen für den basilei,a-Beleg in Apk 1,9 entscheiden müssen. 637 So z.B. Mounce, Rev, 54; Maier, Offb I, 108, und Lohse, Offb, 20, der hier noch an Act 14,22 erinnert. Die Faustformel würde also lauten: Um von der momentanen Bedrängnis zur verheißenen und künftigen Herrlichkeit zu gelangen, braucht die Gemeinde die Geduld. 638 Beale, Rev, 200-202. 639 Vgl. auch ebd., 192-195; ähnlich Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 233. 640 Beale, Rev, 201. 641 Vgl. 1QM 12,15; Jub 19,17-23; 22,14; 32,19; 50,5; Mt 19,28/Lk 22,30; Mk 10,35-45; Röm 5,17; 1Kor 6,2; 2Tim 2,12; Apk 5,10; 20,6; 22,5; TDan 5,13; EvThom 2; ActThom 137; Ath VitAnt 16.

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3. Apk 11,15 und 12,10 Die beiden basilei,a-Belege in Apk 11,15 und 12,10 müssen zusammen betrachtet werden, da sie zu ein und demselben Handlungsstrang gehören, der sich auf den zwei Ebenen des Himmels und der Erde und auch auf den unterschiedlichen Zeitebenen der Vergangenheit und der Zukunft abspielt, wie noch deutlich werden wird. Ferner müssen alle ab Apk 11,15 berichteten Ereignisse als Folge des Ertönens der siebten Posaune verstanden werden, mit der das finale Drama des endzeitlichen Kampfes zwischen Gott und seinen Widersachern eingeleitet wird642. Bereits in Apk 10,7 wurde angekündigt, dass in der Zeit der siebten Posaune das „musth,rion Gottes vollendet (evtele,sqh) ist, wie er es verkündet hat seinen Knechten, den Propheten“. Vor diesem Hintergrund müssen die ab Apk 11,15 beschriebenen Ereignisse grundsätzlich als endzeitliche Vorgänge verstanden werden, die sich auf den zwei Ebenen des Himmels und der Erde abspielen und immer wieder rückblickende Erzählstränge aus der Vergangenheit enthalten643. Dochhorn, Prophetie, 82. Aune, Rev II, 635ff., will die auf die siebte Posaune folgenden Ereignisse dagegen allein auf die V. 15-18 beschränken. Das Problem ist dabei, dass nun im Gegensatz zu allen anderen Posaunengerichten die auf die siebte Posaune folgenden Ereignisse ausschließlich im Himmel stattfinden. 643 Vgl. hierzu Dochhorn, Prophetie, 308: „Indem die Zeit der siebenten Posaune, in der wir uns vorfinden, eine Zeit der Vollendung sein soll, ist sie mehr als alle anderen Zeiten Endzeit. Dazu paßt, daß nun, in der erzählten Gegenwart dieser Endzeit, ‚Omina‘ (shmei/a) sichtbar werden (12,1.3; vgl. 15,1). Omina dienen in der frühjüdischen und frühchristlichen eschatologischen Tradition gemeinhin als Anzeichen dafür, daß sich das vorausgesagte Ende in Kürze vollziehen wird“; sowie ebd., 52f. Dagegen möchte Beale, Rev, 609-620.622f., dies ausschließlich für Apk 11,15-19 gelten lassen, während er in c. 12 die Einleitung zur zweiten Hälfte der Johannesapokalypse und eine Rekapitulation der gesamten Zeit der Kirche erblickt und eine endzeitliche Deutung ablehnt, ebd., 622: „Despite the fact that ch. 12 starts a new vision, it does continue to develop the themes of the previous sections of the book. It goes into the deaper dimension of the spiritual conflict between the church and the world, which has been developed progressively in chs. 1-11“; vgl. auch ebd., 623: „Most of the portrait in ch. 12 depicts the destiny of believers during the church age.“ 642

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Abgeschlossen wird das mit der siebten Posaune eröffnete Geschehen letztlich erst in 19,21 mit dem Sieg des Reiters über alle gottfeindlichen Mächte, da auch noch die sieben Schalengerichte zum Ereigniskomplex der siebten Posaune gerechnet werden müssen644. Die Erzählung umfasst damit etwa ein Drittel der gesamten Johannesapokalypse. In Apk 11,15-19 wird nach dem Blasen der siebten Posaune von einer himmlischen Stimme der Beginn der Weltherrschaft Gottes und das Ende des endzeitlichen Völkerkrieges verkündet: „Nun gehört die Herrschaft über die Welt unserem Herrn und seinem Gesalbten, und er wird herrschen in alle Ewigkeit (evge,neto h`` basilei,a tou/ ko,smou tou/ kuri,ou h``mw/n kai. tou/ cristou/ auvtou/ kai. basileu,sei eivj tou aivw/naj tw/n aivw,nwn)“ (V. 15)645. Es ist unstrittig, dass die Verse die endgültige Vollendung der Geschichte im Anschluss an das endzeitliche Gericht im Blick haben646. Es geht hier nicht um eine verborgene Herrschaft Gottes und Christi in zeitlicher Parallelität zur satanischen Herrschaft über die Welt647, sondern die basilei,a tou/ ko,smou (vgl. Mt 4,8: ai`` basilei,ai tou/ ko,smou) ist zur basilei,a tou/ kuri,ou h``mw/n kai. tou/ cristou/ auvtou/ geworden. In Vers 17 findet diese Aussage ihre Bestätigung im Lobpreis der 24 Ältesten, die Gott u.a. dafür preisen, dass er seine Macht in Anspruch genommen und seine 644 Dochhorn, Prophetie, 82-86.313; anders Beale, Rev, 621f., der hier mit einem neuen Visionenzyklus in den c. 12-14 rechnet, der nicht mehr zum Posaunenzyklus der c. 8-11 gehört und auch nicht zu dem Ereigniskomplex zu rechnen ist, der mit der siebten Posaune eingeleitet wurde. 645 Zur umstrittenen Gattungsdiskussion im Blick auf 11,15-19 siehe Aune, Rev II, 636.638. Er bestimmt V. 15 als Siegeslied und V. 17f. als Dankgebet. 646 Mounce, Rev, 226; Satake, Offb, 273; vgl. auch Aune, Rev II, 637, der von einer „eschatological retrospective“ spricht, und Beale, Rev, 608-620; vgl. z.B. 611: „The seventh trumpet, like the seventh seal and the seventh bowl, narrates the very end of history [...] The consummated fulfillment of the long-awaited messianic kingdom prophesied in the OT finally has come to pass“. Beale, ebd., interpretiert die Vergangenheitsform der Verben zutreffend als prophetisches Perfekt. 647 Vgl. 2Kor 4,4; Eph 2,2; 6,12; Joh 12,31; 14,30; 16,11; Ign Eph 17,1; 19,1; Magn 1,2; Trall 4,2; Rom 7,1; Phld 6,2; sowie Kruse, Reich Satans, 2961.

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Herrschaft angetreten hat (o[ti ei,lhfaj th.n du,namin sou th.n mega,lhn kai. evbasi,leusaj). Diese Ansage überrascht insofern, als auch nach dem Antritt der Königsherrschaft noch dramatische Szenen widergöttlicher Mächte und Kräfte folgen, die jetzt erst ihren eigentlichen Höhepunkt erreichen. Gleichzeitig finden die Worte von Apk 11,15f. einen Widerhall in einer Inclusio in 19,6, wo eine große Schar das Halleluja anstimmt: „Halleluja! Denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, ist König geworden/hat die Herrschaft angetreten (evbasi,leusen).“ Insofern kann der Abschnitt Apk 11,15-19,6 als entscheidender Prozess des Herrschaftsantritts Gottes verstanden werden, obwohl das Geschehen erst mit dem Sieg Christi über das Tier, seinen Propheten, sowie den Königen auf Erden und ihren Völkern in 19,11-21 zum Abschluss kommt. Wird in Apk 11,15-17 der Anbruch der Gottesherrschaft durch eine himmlische Stimme und die 24 Ältesten proklamiert, so wird in V. 18 auch gleich ihr Vollzug im Gericht gepriesen. Dieses Zorngericht648 betrifft in richtender Weise die zornig gewordene Völkerwelt und in belohnender Weise die Knechte Gottes, die Propheten und Heiligen und jene, die Gottes Namen fürchten (V. 18). Die Gerichtsszene erinnert rückblickend an zahlreiche traditionsgeschichtliche Vorlagen vom (endzeitlichen) Kampf um Jerusalem und der „Vernichtung der Feinde Jerusalems durch den auf dem Zion bzw. im Tempel epiphanen und seine Königsherrschaft antretenden Gott“ (vgl. Ps 98LXX; die Jahwe-Königs-Psalmen; Ex 15,13ff.; Jes 26f.; 66 u.ö.)649. Nach vorne gerichtet nimmt die Szene in V. 18 die beiden Kapitel Apk 19,11-20,15 vorweg, in denen der Messias gegen die zornige Völkerwelt und ihre Könige kämpft (19,11-21), die Märtyrer belohnt Der Gebrauch von orgh, in der Johannesapokalypse bezieht sich immer auf die Ausgießung des Zornes Gottes im Rahmen des letzten Gerichts am Ende der Geschichte, vgl. Apk 6,16f.; 14,10f.; 16,19; 19,15, sowie Beale, Rev, 615. Zu Christus als dem Richter über Lebende und Tote vgl. Act 10,42; 2Tim 4,1; Barn 7,2; 2Clem 1,1; Polycarp Phil 2,1; vgl. Röm 14,9. 649 Dochhorn, Prophetie, 308. 648

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werden (20,4-6) und es zum großen Weltgericht über die Lebenden und die Toten kommt (20,11-15)650. Der himmlische Wechselgesang zwischen der Stimme aus dem Himmel (11,15) und den 24 Ältesten (11,16-18) gilt dem Herrschaftsantritt Gottes und seines Christus über den gesamten Kosmos. In der visionären Schau des Sehers ist dieser Herrschaftsantritt schon Realität, obwohl er in der Gegenwart noch aussteht. Im Vordergrund steht noch eindeutig Gott selbst651. Christus wird zwar mitgenannt, aber das Verb basileu,sei (V. 15) steht hier ebenso im Singular wie im Lobgesang der 24 Ältesten (V. 17: evbasi,leusaj). Rätselhaft und scheinbar unzusammenhängend mit dem Kontext erscheint die Epiphanieszene in V. 19652. Sie umfasst die Öffnung des himmlischen Tempels, das Sichtbarwerden der Bundeslade sowie einen Bericht über atmosphärische, seismische und metereologisch Phänomene (Blitz, Stimmen, Donner, Erdbeben, Hagel), die gewöhnlich Theophanien einleiten oder begleiten653. Der Zusammenhang aller erwähnten Phänomene erschließt sich erst vor dem Hintergrund von Ps 98,1LXX, der die gesamte Gliederung von Apk 11,15-19 bestimmt:654 Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 242f. Aune, Rev II, 639: „The phrase ‚his Messiah‘ certainly underscores the subordinate relationship of the Messiah to God [... and ...] is therefore a natural christological adaptation of the equivalent phrase in the OT and early Jewish literature“; anders Beale, Rev, 611. 652 Es ist umstritten, ob der Vers den Abschluss der V. 15-19 darstellt, eine Scharnier- oder Übergangsfunktion zwischen den Abschnitten 11,1518 und 12,1-17 besitzt, oder die Einleitung des Abschnitts 11,19-12,17 bildet. Während Mounce, Rev, 229; Satake, Offb, 276f., und Beale, Rev, 608620.622f., sich für die erste Lösung aussprechen, Aune, Rev II, 661, die letztere Lösung favorisiert, erscheint es mir sinnvoll den Vers als Scharniervers zu betrachten, der zwei unterschiedliche Szenerien ein und desselben Ereigniskomplexes miteinander verbindet. Denn zum Einen gehört er zur von Ps 98,1LXX bestimmten Aussagenreihe der V. 15-19; zum Anderen aber leitet das Öffnen einer himmlischen (Tempel)Tür bzw. des Himmels in der Johannesapokalypse stets neue Visionen ein, vgl. Apk 4,1; 19,11. 653 Vgl. Ex 19,16ff.; Ps 97,2ff.; Apk 4,5; 8,5; 16,18. 654 Aune, Rev II, 636f.642. 650 651

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`O ku,rioj evbasi,leusen („Der Herr ist König geworden“, V. 15-17) ovrgize,sqwsan laoi, („es zürnen die Völker“, V. 18a) 655 o`` kaqh,menoj evpi, tw/n ceroubi,n („er sitzt auf den Cherubinen“, V. 19b)656 saleuqh,tw h` gh. („mag die Erde erzittern“, V. 19c)

Somit wird das Thema der angebrochenen Königsherrschaft in Apk 11,15-19 von einem Thronbesteigungspsalm her entfaltet. In dem eschatologischen Geschehen, das der Seher in seiner Vision wahrnimmt, erblickt er den Vorgang, der bereits in den Thronbesteigungs- und Jahwe-Königs-Psalmen thematisiert und bekannt wird: Gott ist König geworden, er herrscht über die (Völker)Welt. Ein festes Motiv in den Psalmen und v.a. im Jesajabuch ist die Bedrohung des Zion durch den Zorn der Völker und der eschatologische Völkerkrieg gegen Zion657. Dieses bereits in Apk 11,18a anklingende Thema wird in Apk 12 zum beherrschenden und breit entfalteten Hauptthema, wobei die glaubende Gemeinde, die Braut Christi, mit dem Zion identifiziert wird. Im 12. Kapitel der Johannesapokalypse finden wir die großartige Vision von der Sonnenfrau, dem messianischen Knaben und vom Drachensturz, die nicht nur in der christlichen Kunst, sondern auch in der Theologiegeschichte tiefe Spuren hinterlassen hat. Die Vision enthält bis heute mannigfaltige Rätsel, eröffnet vielfältige Deutungsmöglichkeiten und hat v.a. in jüngster Zeit wieder zahlreiche Exegeten zu teilweise umfänglichen Untersuchungen inspiriert658. Thematisch geht es hier um die endzeitliche Bewahrung des Gottesvolkes vor dem satanischen Zorn. Die Darstellung wird

Vgl. hierzu auch Ex 15,14. Die Verbindung von Bundeslade-, Königs-, Thron- und Epiphaniemotiven ist in den Psalmen nicht ungewöhnlich, vgl. auch Ps 97,2 und 99,1. Auch dort wird Gott als König und auf Cheruben thronend vorgestellt. 657 Ps 2; 46; 110; 125; Jes 8,9f.; 17,12ff.; 29,1-8; 41,1-4; 45,1-3.14-17; 52,1f.7ff.; vgl. auch Hos 1,7; Joel 3,5; 4,16 f.; Mi 4,12 f.; Sach 14,3.13 f.; Ez 38 f. 658 Siehe z.B. Gollinger, Zeichen (1971); Bergmeier, Altes (1982); Busch, Drache (1996); Kalms, Sturz (2001); Koch, Drachenkampf (2004); Häfner, Sonnenfrau (2005); Omerzu, Himmelsfrau (2006); Dochhorn, Prophetie (2010). 655 656

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jedoch typologisch mit zahlreichen Motiven der Volk-Gottes-Geschichte des alten und neuen Bundes verwoben. Der Text umfasst verschiedene Handlungsebenen und auch verschiedene Zeitebenen, deren komplexes Ineinander die Interpretation so schwierig macht. In den V. 1-6 wird vom Drama der schwangeren Sonnenfrau berichtet, die in ihren Geburtswehen von einem Drachen bedroht wird, der nach der Geburt ihr neugeborenes Kind fressen möchte. V. 5 charakterisiert den geborenen Sohn durch die Anspielung auf Ps 2,9 mit messianischen Herrscherattributen und damit als messianischen Hoffnungsträger659. Bevor der Drache das neugeborene Kind fressen kann, wird es jedoch entrückt zu Gott und seinem Thron (V. 5). Seine Mutter wiederum, die eingangs beschriebene Sonnenfrau, flieht in die Wüste an einen von Gott bereiteten Ort, wo sie 1260 Tage lang ernährt wird (V. 6). In einer zweiten Szene wird in Anlehnung an Dan 12,1 von einem Kampf im Himmel berichtet, in dem der Engelfürst Michael mit seinen Engeln gegen den bereits in der ersten Szene erwähnten Drachen mit seinen Engeln kämpft und diesen besiegt. In der Folge seiner Niederlage wird der Drache mit seinen Engeln aus dem räumlich vorgestellten Himmel auf die Erde geworfen (V. 9)660. In diesem Zusammenhang wird auch die Identität des Drachen enthüllt: Er wird als „Teufel und Satan“ identifiziert, „der die ganze Welt verführt“ (V. 9). Somit rückt der Seher der Johannesapokalypse offensichtlich auch den „Satansfall“ in einen Ereigniszusammenhang mit dem endzeitlichen Völkerkrieg661. Nach einem „Kommentar im Himmel“662 (V. 10-12), in dem der Beginn der Königsherrschaft Gottes und seines Christus

659 Vgl. Apk 2,27; PsSal 17,21-25; auch Assoziationen zu Jes 7,14LXX dürften eine gewisse Rolle spielen, Aune, Rev II, 688. Zur Rolle des Messias im Zionskampf vgl. auch 4Esr 13,5-11; 13,32-38; OrSib 5,408-433. 660 Vgl. AssMos 10,1-2; 1QM 17,5-8; TestDan 5,10-13; Lk 10,18. 661 Dochhorn, Prophetie, 395. 662 So die Formulierung von Dochhorn, ebd., 363 und passim, der sich mit dieser Begriffswahl nicht auf eine bestimmte literarische Gattung festlegen möchte.

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und die Verwerfung des Verklägers aller Christen proklamiert wird, berichten V. 13-17 ein weiteres apokalyptisches Verfolgungsgeschehen. Der nunmehr auf die Erde geworfene Drache bzw. Teufel und Satan verfolgt die Mutter des messianischen Knaben, indem er aus seinem Rachen einen Wasserstrom ausspeit, um die Frau in ihrem Refugium in der Wüste zu ersäufen. Doch die Erde verschlingt diesen Wasserstrom des Drachen, woraufhin dieser seinen Zorn gegen die „Übrigen von ihrem Geschlecht“ wendet, „die Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu“ (V. 17). Während die beiden Handlungsakteure, zum einen der Drachen (Teufel, Satan)663 und zum anderen das messianische, nach seiner Geburt zu Gott entrückte Kind (Christus), zum Teil bereits im Text identifiziert werden (V. 9; vgl. auch V. 17: „Jesus“), ist die Identität der Sonnenfrau und verfolgten Mutter des messianischen Knabens seit jeher ein Rätsel664. In Frage kommen erstens das Zwölf-Stämme-Volk Israel (Apk 12,1: zwölf Sterne) und die Stadt Jerusalem (vgl. Apk 12,5 mit Jes 66,7LXX), die auch sonst in der Johannesapokalypse eine wichtige Rolle spielen (vgl. Apk 3,12; 7,4-8; 11,1-2; 14,15; 21,2-22,5). Natürlich wurde zweitens auch seit der Alten Kirche immer wieder Maria als Mutter Jesu diskutiert und in der christlichen Kunst erscheint sie häufig mit dem Sternenkranz der zwölf Sterne um ihr Haupt. Allerdings lassen sich abgesehen von der Geburt des messianischen Knaben die übrigen Elemente der Vision nur schwer auf Maria deuten. Eher bietet sich drittens eine weitere Frau für die Identifikation an, nämlich die Braut des Lammes (Apk 19,7; 21,9), d.h. die Gemeinde Jesu, der auch eine gewisse „Jerusalem-Identität“ zu eigen ist und die auch in Apk 19,6f. im Anschluss

663 Die Charakterisierung des Drachens enthält bewusst auch Assoziationen an die antiken Großmächte Ägypten und Rom, die in der Johannesapokalypse als Inkarnationen satanischer Macht verstanden werden, vgl. Apk 12,3 mit Ez 29,3, und Apk 12,18; 13,1; 15,2 mit Dan 7,7.24 und GenR 76,6; ExR 15,6; 25,8, wo das vierte Tier explizit mit Rom identifiziert wird; vgl. hierzu Beale, Rev, 633. 664 Vgl. zum Folgenden Dochhorn, Prophetie, 140-159, und Koch, Drachenkampf, 160-226.

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an die Proklamation des Beginns der Gottesherrschaft auftritt (vgl. Apk 11,15-12,1). In seiner ausführlichen Untersuchung zu diesem Kapitel entscheidet sich Jan Dochhorn nicht für eine der genannten Identifikationsmöglichkeiten unter Ausschluss anderer, sondern für eine Verbindung verschiedener Identitäten: „Es handelt sich um ‚Frau Zion‘. Sie ist das zu Christus haltende Zwölfstämmevolk der Endzeit. Dieses Volk ist zugleich eine Stadt, nämlich die Heilige Stadt, die in der Endzeit das vom Himmel herabkommende Jerusalem sein wird und für welche ‚Frau Zion‘ ebenfalls steht. Dieses Kollektiv ist die Christenheit, es ist das wahre Judentum, es ist Israel [...]. ‚Zion‘ gab es schon vor Christus; sie ist, wie wir in Apc Joh 12,5 erfahren, seine Mutter. Die Ekklesiologie der Apc Joh ist eine Israelologie oder Zionslehre.“665 Ebenso komplex wie die Identitätsbestimmung der Frau in diesem Kapitel sind die Zeitebenen. Eine Reihe von Auslegern ordnet das in Apk 12,7-12 beschriebene himmlische Geschehen chronologisch dem irdischen Geschehen von Kreuz und Auferstehung Jesu zu666. Dies ist aus einer ganzen Reihe von Gründen unwahrscheinlich: (1) Nichts legt nahe, dass der Ereigniskomplex, der mit dem Ertönen der siebten Posaune eingeleitet wird, bereits mit Apk 11,19 zu Ende ist. (2) Die Parallelität zwischen Apk 11,15 und 12,10 deutet darauf hin, dass es sich um identische Ereignisse handelt. Wenn in Apk 11,15 die endzeitliche Vollendung der Geschichte konstatiert und gepriesen wird, dann auch in Apk 12,10.

665 Dochhorn, Prophetie, 159; vgl. auch ebd., 140: „Die genannten Größen stehen in einem Verhältnis gleichzeitiger Identität und Nichtidentität, bei dem Identität als Substanz und Nichtidentität als Akzidens aufzufassen sind, also dahingehend, daß die genannten Größen miteinander identisch, aber immer auch nichtidentisch sind“. Zu „Zion“ als Frau vgl. Bar 4,8; OrSib 3,785; 4Esr 9,38-10,59, sowie Aune, Rev II, 680.689. Auch Beale, Rev, 625, denkt an die „faithful community, which existed both before and after the coming of Christ“; vgl. auch ebd., 626f.630f. 666 So z.B. Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 235; Mounce, Rev, 238; Maier, Offb II, 52.58f.; und v.a. Beale, Rev, 650-668, z.B. 650: „The actions described are the heavenly counterpart of earthly events recorded in vv 1-6“, oder ebd., 652: „Christ’s redemptive work on earth unleashes the effect in heaven of Michael’s victory“.

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(3) Die Rückblenden auf die Zeit des alten und neuen Gottesvolkes und des Lebens Jesu in Apk 12,1-16 schließen eine endzeitliche Deutung von Apk 12,7-12 nicht aus. Vielmehr weist in V. 5 die Bestimmung des Kindes als Herrscher im Licht von Ps 2,7-9 auf die endzeitliche Herrschaft Christi bei seiner Wiederkunft voraus, was durch Apk 19,15 bestätigt wird, wo der wiederkommende Christus die Völker weiden/regieren wird mit eisernem Stabe. Eine derart charakterisierte Regentschaft ist im Kontext von Kreuz und Auferstehung Jesu gerade nicht angezeigt. (4) Es gibt keine logische Verknüpfung zwischen Apk 12,1-6 und 12,7-12, die eine chronologische Verknüpfung des Himmelskampfes mit dem irdischen Geschehen von Kreuz und Auferstehung Christi zwingend nahelegen würde, einmal ganz davon abgesehen, dass in der knappen „Biographie“ des messianischen Knaben von Kreuz und Auferstehung überhaupt nicht die Rede ist, sondern nur von Geburt und Entrückung/ Himmelfahrt667. (5) Die Verknüpfung von Apk 12,7-12 mit dem Logion vom Satanssturz in Lk 10,18 ist zutreffend, aber auch dort geht es – wie oben gezeigt – um eine Zukunftsvision und damit um ein endzeitliches Geschehen. (6) Von einer Entfernung des Teufels/Satans aus dem Himmel kann auch nach Kreuz und Auferstehung gemäß Eph 2,2; 3,10; 6,12 noch keine Rede sein. (7) Die Bestätigung, dass die Glaubenden den Satan „überwunden“ haben (V. 11), kann aus Sicht der Überwinder nur eine postmortale Aussage über sie sein, weil ihr Tod vorausgesetzt wird. Aus Sicht des Erzählers kann es nur eine endzeitliche Aussage sein, da das Überwinden zwar „durch des Lammes Blut“ geschieht, aber nicht einfach mit Kreuz und Auferstehung in eins fällt, sondern mit dem treuen Bewahren des Glaubens bis zum Ende zu tun hat (vgl. die Überwindersprüche in Apk 2-3).

Während der jeweils im Himmel proklamierte Beginn der Gottesherrschaft (Apk 11,15-19; 12,10-12) grundsätzlich als ein endzeitlicher Vorgang zu verstehen ist668, finden sich auch immer wieder offensichtliche Rückblenden auf bereits Geschehenes, so z.B. eindeutig bei der Geburt und Entrückung des messianischen Knaben, mit dem auf die Geburt

667 668

So richtig gesehen von Aune, Rev II, 689.691. So auch Aune, ebd., 695.699f., und Satake, Offb, 288f.

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Christi und seine Himmelfahrt669 Bezug genommen wird670. Komplexer ist die Angelegenheit bei der Verfolgung der Frau durch den Drachen671, hinter dem sich ähnlich wie bei der Identität der Frau verschiedene Ereignisse aus Vergangenheit und Zukunft widerspiegeln, angefangen von den Bedrängnissen Israels in atl. Zeit, über die Religions- und Kulturkrise unter Antiochus IV. Epiphanes, die Flucht Josephs und Marias nach Ägypten (Mt 2,13-15), dem Kindermord des Herodes (Mt 2,16-18), bis zur Verfolgung der Gemeinde im ntl. und endzeitlichen Horizont (vgl. Apk 13,1-18, sowie

669 Aune, ebd., 689 sieht den Bezug auf die Himmelfahrt allerdings als sekundäre Bildung. Weshalb Beale, Rev, 640, die Entrückung des Knaben „beyond doubt“ auf die Auferstehung beziehen möchte, bleibt rätselhaft und ist wohl nur in seiner postulierten Identifikation des Beginns des Reiches Gottes mit Kreuz und Auferstehung begründet: „The time the defeat has occured through the ressurection and ascent of Christ.“ 670 Dochhorn, Prophetie, 310f.: „Wir befinden uns bei der ... dargestellten Messiasgeburt gar nicht auf der Ebene der erzählten Gegenwart, also in der Zeit der siebenten Posaune, sondern in einer vergangenen Handlung, die gewissermaßen ‚aufgeführt‘ werden kann, weil wir es in Apc Joh 12,1.3 zumindest bei dem Drachen und der Frau mit Zeichen zu tun haben. Als Zeichen konstellieren sie, die eigentlich aktiven Protagonisten, sich hier zu einer auf der Zeichenebene stattfindenden Handlung, einem vergangenen Geschehen, nämlich zur Geburt des Messias.“ Dochhorns Deutung des Zeichens der Messiasgeburt auf das Kreuzesereignis, ebd., 311.396f., ist freilich etwas spekulativ. Unkomplizierter und naheliegender ist es, in der „bedrohten Geburt“, vgl. Mt 2,13-18, und der Erhöhung Christi zur Rechten Gottes (vgl. Ps 110,1) den Anfangs- und Endpunkt der Christusoffenbarung zu sehen. Solche bis ins Extrem verdichtete Zusammenfassungen des Lebens Jesu finden sich auch sonst im Neuen Testament, vgl. Joh 3,13; 8,14; 16,5.28; Röm 1,3f.; 1Tim 3,16 sowie Beale, Rev, 639. 671 Bereits in der atl.-frühjüdischen Literatur wird das Leiden des Gottesvolkes und seine Sehnsucht nach Befreiung mit dem Motiv der Geburtswehen einer schwangeren Frau ausgedrückt, vgl. Jes 26,17f.; 66,7-9; Jer 4,31; Mi 4,9f.; 5,3; 4Esr 9,38-10,57; sowie Hos 13,13. In der Feindschaft des Drachen gegenüber der einen Sohn gebärenden Frau liegt auch eine Anspielung auf Gen 3,15f., wo ein Nachkomme Adams und Evas verheißen wird, welcher der Schlange den Kopf zertreten wird, nachdem diese ihm in die Ferse gebissen hat.

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Joh 16,19-22, wo das Motiv der Geburtswehen explizit genannt wird)672. Die endzeitliche Dimension wird schon durch die 1260-tägige Dauer ihres Aufenthaltes in der Wüste angedeutet673, eine Zeitspanne, die in der Johannesapokalypse eine durchweg eschatologische Konnotation hat674. Der gesamte Abschnitt Apk 11,15-12,17 wird dominiert von Gottes Antritt seiner Königsherrschaft, in der das verborgene Ziel der Heilsgeschichte zur Vollendung kommt675. Dies wird durch die über weite Teile parallelen Verse in Apk 11,15 und 12,10 überdeutlich:676 evge,neto h`` basilei,a tou/ ko,smou tou/ kuri,ou h``mw/n kai. tou/ cristou/ auvtou/ kai. basileu,sei eivj tou. aivw/naj tw/n aivw,nwn (Apk 11,15).

Dochhorn, Prophetie, 312, geht davon aus, dass die drei Verfolgungserzählungen in 12,13-16; 12,17 und 13,1-18 jeweils dasselbe Ereignis erzählen, zunächst als Verfolgung der Frau durch den Drachen, dann als Krieg des Drachen gegen die „Übrigen ihres Samens“ und dann als Krieg des Tieres gegen die Heiligen. 673 Die Flucht in die Wüste spielt auf eine Reihe traditionsgeschichtlicher Vorlagen an, so z.B. auf den Exodus Israels aus Ägypten, Ex 16,32; Dtn 2,7; 8,3.15f.; 29,5; 32,10; Jos 24,7; Neh 9,19.21; Ps 78,5.15.19; 136,16; Hos 13,5, aber auch auf die Flucht Moses, Ex 2,15, und Elias in die Wüste, 1Kön 17; 19,3-6. Auch die Flucht Josephs und Marias nach Ägypten wird man hier mithören dürfen, Mt 2,15, ebenso wie die Versuchung Jesu durch den Satan in der Wüste, Mt 4,1; Mk 1,12; Lk 4,1; vgl. auch Joh 11,53f. Schließlich ist noch an den Fluchtbefehl Jesu an seine Jünger in der Endzeitrede zu erinnern. Dort wird zwar nicht die Wüste, sondern die Berge Judäas erwähnt, aber das Prinzip der Flucht in eine entvölkerte Gegend ist auch hier gegeben, so zu Recht Beale, Rev, 645. 674 Apk 11,2; 13,5; siehe auch Aune, Rev II, 609f. 675 Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 237: „Das eschatologische Königtum Gottes, das wird hier deutlich, ist die Vollendung der Schöpfung und der Gipfel der Erlösung.“ 676 Die parallelen Teile sind kursiv gesetzt; vgl. auch Aune, Rev II, 638.700. Besonders auffällig ist, dass die Formulierung tou/ cristou/ auvtou/ nur an diesen beiden Belegen in der Johannesapokalypse erscheint, ebd., 639. Schon diese Parallelität macht Beales, Rev, 608-620.650-668, Deutung von 11,15-19 auf die endzeitliche Vollendung und von 12,7-12 auf die himmlische Entsprechung zum irdischen Vorgang von Kreuz und Auferstehung Christi und damit auf den unsichtbaren Beginn des Reiches Gottes unwahrscheinlich. 672

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a;rti evge,neto h`` swthri,a kai. h`` du,namij kai. h`` basilei,a tou/ qeou/ h``mw/n kai. h`` evxousi,a tou/ cristou/ auvtou/ (Apk 12,10)

Apk 12,10 gehört zu einem „himmlischen Kommentar“ zum sog. Satanssturz vom Himmel auf die Erde677. Der Inhaber der großen Stimme aus dem Himmel wird nicht genannt. Der Leser erfährt nur, dass sich der Sprechende als Bruder seiner vom Drachen verklagten Brüder sieht. Doch gleich ob es um die Stimme eines Engels678, der Märtyrer, der 24 Ältesten oder der erlösten Heiligen im Himmel679 geht, deutlich ist, dass hier mit höchster Autorität das Wesen der Vorgänge beschrieben wird. Das gleich wie in Apk 11,15 vorangestellte Verb evge,neto signalisiert, dass hier etwas geschieht bzw. wird, was vorher noch nicht war. Das bedeutet nicht, dass Gott bislang nicht König oder gar ohnmächtig gewesen wäre, aber es bedeutet, dass es hier zu einer einzigartigen Aktualisierung seines Königtums bzw. seiner Macht und Herrschaft kommt, wie dies vorher nicht der Fall war. Explizit kommt dies in Apk 11,17 zum Ausdruck, wo die 24 Ältesten Gott dafür rühmen, dass er seine große Macht „angenommen“, „ergriffen“ bzw. „in Anspruch genommen“ hat und nun herrscht (o[ti ei,lhfaj th.n du,namin sou th.n mega,lhn kai. evbasi,leusaj). Charakteristisch für die bisherige Herrschaft Gottes war der messianische Knabe, der in V. 5 die Bestimmung erhält, dass er die Völker weiden solle mit eisernem Stabe (vgl. Ps 2,8f.), aber gleichzeitig durch seine

677 Vgl. hierzu Dan 10,13.21; vgl. auch Dan 10,16.18Q und 10,6.18LXX. In Dan 10 ist Michael sowohl ein Repräsentant Israels als auch des Menschensohnes. Insofern vertritt er auch in Apk 12,7-9 Christus selbst in diesem Himmelskampf, so Beale, ebd., 651-653. Der Engelfürst Michael ist gemäß der jüdischen Tradition der Schutzengel von Israel/Jakob, vgl. äthHen 90,14; 1QM 13,9-10; 17,5-8; TestLev 5,7; TestDan 6,1-7. In AssMos 10,1-2 wird analog zu Apk 12,7-9 vom Sieg Michaels über Satan berichtet. Zur Funktion Michaels als Schutzengel vgl. auch TestLev 5,7; äthHen 20,7; slHen 22,6; 33,10. 678 Dafür plädiert Dochhorn, Prophetie, 237f.363; vgl. Apk 1,10f.; 7,2f.; 8,13; 11,12; 14,7.9.18; 16,1.17; 18,2; 19,17; 21,3; sowie 5,2; 10,3; 14,15. 679 Vgl. Apk 6,10; 7,10; 11,15; 14,2f.; 19,1, sowie 19,6.

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Entrückung vor dem Drachen bewahrt werden muss. Proklamierte Macht und erlebte Ohnmacht des Kindes vermischen sich hier in einer Art und Weise, wie wir sie bereits in der johanneischen Passionsgeschichte wahrgenommen haben. Nun beginnt aber offensichtlich etwas Neues680. Gott tritt seine Königsherrschaft auf eine bislang noch nicht wahrnehmbare Weise an. Nun beginnt jene Form der Herrschaft, die in den Jahwe-Königs-Psalmen (vgl. v.a. Ps 95,10LXX; 98,1LXX), sowie in vielen atl. und apokalyptischen Texten681 angekündigt und lobpreisend bereits bekannt wird. Dass dieser Herrschaftsantritt und die Sichtbarwerdung der Gottesherrschaft sachlich und zeitlich mit dem Satanssturz verbunden werden, entspricht apokalyptischer Tradition, wo beide Ereignisse korrelieren682. Neu ist in der Johannesoffenbarung dagegen, dass mit dem Beginn der Gottesherrschaft das endzeitliche Drama nicht zu Ende ist, sondern zumindest auf Erden eskaliert und nun erst in seine entscheidende Phase zu treten scheint. Der Drache/Teufel/Satan ist ja zunächst nur aus dem Himmel verbannt, wird aber auf die Erde geworfen und entsprechend erklingt der „Weh“-Ruf für die Erde und das Meer. Der Satansfall bedeutet gleichzeitig den Sieg im Himmel und den Beginn der Not auf Erden. Das Geschehen und der Kampf um die Herrschaft kommen folglich auch erst mit der Vernichtung aller Feinde Satake, Offb, 288; Aune, Rev II, 642: „Both evbasi,leusaj [sc. in 11,17b] and evbasi,leusen (in 19:6) may be construed as ingressive aorists emphasizing the beginning of a state“. 681 Vgl. z.B. Ex 15,18; Sach 14,9; Dan 2,44; 7,14.27; 10,13f.; 12,1; AssMos 10,1-10; TestDan 5,10-13; 1QM 6,6; 17,5-8; 18,1; OrSib 3,767; Jub 23,2331, v.a. V. 29f.; 50,5; äthHen 10,4-6; 55,4; TestLev 18,11f. (vgl. Jes 24,22f. und Apk 20,1-3); TestNaph 8,4 (vgl. TestDan 5,1; TestBen 5,2; Jak 4,7); TestJud 25,3. 682 Vgl. AssMos 10,1: „... und dann wird sein Reich sichtbar werden in seiner ganzen Schöpfung. Und dann wird der Teufel ein Ende haben ...“; ähnlich in 1QM 17,5-8: „Heute ist die Zeit, zu demütigen und zu erniedrigen den Fürsten der Herrschaft des Frevels. Und er wird ewig Hilfe schicken dem Los seiner (Er)lösung durch die Stärke des herrlichen Engels für die Fürstenherrschaft Michaels im ewigen Licht“; sowie TestDan 5,1013; 1QM 6,6; Jub 23,29; Sib 3,767, und Dochhorn, Prophetie, 260-275. 680

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durch den Sieg des Christi in Apk 19,19-21 zum Abschluss. Währenddessen wird aber dreimal der Anbruch der Gottesherrschaft verkündet (11,15-18; 12,10; 19,6). Nur in diesen drei Belegen erscheint in der Johannesapokalypse das Verb basileuei/n mit Gott als Subjekt, was die Identität des jeweils Beschriebenen unterstreicht683. Offenbar ist die Reihenfolge der Ereignisse in Ps 98,1LXX, wo nach dem Herrschaftsantritt Gottes ( `O ku,rioj evbasi,leusen; „der Herr ist König geworden“) der Zorn der Völkerwelt gegen Zion ausbricht (ovrgize,sqwsan la,oi, „es zürnen die Völker“), nicht nur für Apk 11,17-18 maßgebend, sondern auch für die Gesamtkonzeption der Johannesapokalypse. Bemerkenswert ist darüber hinaus auch die Beteiligung Christi an diesem Herrschaftsantritt (11,15; 12,10), was ein Grundcharakteristikum der Johannesapokalypse ist und durchgängig durch die Throngemeinschaft Gottes und des Lammes zum Ausdruck kommt (Apk 3,21; 5,6.13; 7,9.10; 21,22; 22,1.3)684. Doch auch die Herrschaft Christi, die ebenso wie sein Königtum bereits mit der Auferstehung wirksam wurde685, gewinnt nun analog zur Herrschaft Gottes eine sichtbare Gestalt. Dies hat auch Jan Dochhorn wahrgenommen: „Seine [sc. Christi] Herrschaft, wie sie in 12,10 zur Sprache kommt, ist eine andere als seine ‚Geburt zum König‘ in Apc Joh 12,5, durch die er zum Throngenossen Gottes wird. Es existieren gewissermaßen zwei Modi des Königtums Christi, für deren Unterscheidung allerdings kaum Kategorien gefunden werden können. [...] Das Ereigniswerden der Königsherrschaft Christi ist offenbar am besten als ein Phänomen sui generis zu fassen.“686 Aune, Rev II, 641f. Diese Herrschaftsgemeinschaft ist bereits in einigen frühjüdischen Texten bezeugt, vgl. 4Q521, Frgm. 2, Kol 2,1; PsSal 17,21-46. 685 Apk 12,5, vgl. Mt 28,18; Joh 18,36f.; Röm 1,3f.; Eph 1,20-23; Kol 1,13f.; 2,9f.15. 686 Dochhorn, Prophetie, 366; ähnlich bereits Schnackenburg, Gottes Herrschaft, 234, und Aune, Rev II, 646f. Dagegen will Beale, Rev, 658, das „Schon-jetzt-und-noch-nicht-Schema“ eines gegenwärtigen und zukünftigen Reiches Gottes bereits in der Johannesapokalypse entdecken mit Verweis auf Apk 4,11; 5,12f.; 7,10 und 11,15. Allerdings taucht der Begriff der 683 684

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Dieser basilei,a-Text ist einzigartig im Neuen Testament und dies ist kein Zufall. Es ist vielleicht, abgesehen vom Exorzismuslogion (Mt 12,28/Lk 11,20) und 1Kor 15,24f., der einzige ntl. Text, der die atl. und frühjüdisch-apokalyptische Bedeutung von malkût Jahwe (vgl. Kapitel II und III) aufnimmt und ihre Erfüllung berichtet. Dies hat mit seinem Kontext zu tun: Hier wird nun wirklich die Königsherrschaft Gottes sichtbares Ereignis, die in den vielen atl. und apokalyptischen Texten immer wieder angekündigt und erwartet wird. Hier geht es nun tatsächlich um eine aktive und durchaus kriegerische Herrschaft im Sinne eines nomen actionis. Hier geht es um ein nicht mehr verborgenes Kampfgeschehen und darum, dass Gott sich vor aller Welt als König erweist. Entsprechend klingen hier auch all jene atl. und apokalyptischen Motive an, die wir bislang vermisst haben. Kurz: Hier geht es um alles, worum es in allen anderen Belegen des Neuen Testaments, abgesehen von Mt 12,28/Lk 11,20 und 1Kor 15,24f. bislang nicht ging. Hier geht es nicht um einen Ort des Heils oder um eine Zeit des Heils, auch nicht mehr um eine Gabe des Heils, sondern um die aktive und heilschaffende Herrschaft des göttlichen Königs über alle gottwidrigen Feinde.

4. Apk 21,1-22,5 Die Vision vom neuen Himmel und der neuen Erde bzw. dem himmlischen Jerusalem wird in der Johannesapokalypse nicht explizit mit dem Begriff „Reich Gottes“ in Verbindung gebracht. Nur in Apk 22,3b-5 ist vom Thron Gottes und des Lammes die Rede und davon, dass seine Knechte ihm dienen und „herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit (basileu,sousin eivj tou.j aivw/naj tw/n aivw,nwn)“. Allerdings ist in dieser Vision all das angelegt und verwirklicht, was wir in den synoptischen Evangelien als die Erwartung eines „Ortes des Heils“ und einer „Zeit des Heils“ beobachten konnten. Der temporale Charakter einer Heilszeit wird nur durch den Hinweis basilei,a abgesehen von 11,15, wo er eindeutig endzeitlich zu verstehen ist, in keinem dieser Belege auf.

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auf den vergangenen ersten Himmel und die vergangene erste Erde im ersten Vers der Vision (21,1) sowie die Herrschaft der Heiligen „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ im letzten Vers der Vision (22,5) angedeutet. Dagegen wird die spatiale Dimension eines „Heilsraumes“ breit entfaltet: Es geht hier um eine „heilige Stadt, das neue Jerusalem“ (21,2.10), um die „Hütte Gottes bei den Menschen“ (21,3). Dieser Ort ist mit Mauern umgeben und er hat zwölf Tore (21,12-14). Seine kubische Form (vgl. das Gleichmaß von Länge, Breite und Höhe in 21,16) erinnert an die Form des Allerheiligsten des Tempels. Anstelle eines Tempels thronen jedoch Gott und das Lamm in der Mitte des neuen Jerusalems, das wohl als Ganzes an den Tempel als dem heiligen Raum der Präsenz Gottes erinnern soll687. Der Heilscharakter dieser Zeit und dieses Ortes wird bildhaft durch eindrückliche Motive skizziert. Dazu gehören die unmittelbare Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch (21,3), die Abwesenheit von Tränen, Tod, Leid, Geschrei und Schmerz (21,4), die Abwesenheit aller Ungläubigen, Frevler, Mörder usw. (21,8.27) und alles Verfluchten (22,3), die Fülle von Reichtums-, Pracht- und Luxussymbolen, die die Abwesenheit von Armut und Hunger implizieren (21,11.18-21.26), das ewige Licht, das nicht mehr von kosmischen Quellen abhängt (21,23; 22,5), der Einzug der Könige mit ihrer Herrlichkeit (21,24), die Unverschlossenheit der Tore als Ausdruck von Sicherheit und fehlender Bedrohung (21,25) sowie der Strom lebendigen Wassers an dessen Ufern Bäume des Lebens wachsen, die immerwährend ihre Früchte zur Heilung der Völker bringen (22,1f.). Bemerkenswerterweise findet sich hier das Begriffsfeld des Erbes/Erbens in 21,7, das uns öfters im Zusammenhang des basilei,a-Begriffs begegnete688. Auch das Motiv des endzeitlichen Fest- bzw. Hochzeitsmahles wird durch die Präsentation der „Braut des Lammes“ zwar nur angedeutet, ist aber sehr wohl präsent (21,9).

687 688

Vgl. hierzu Gäckle, Priestertum, 560-563. Vgl. Mt 25,34; 1Kor 6,9f.; 15,50; Gal 5,21; vgl. auch Mt 19,29.

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Umgekehrt sind all jene Elemente abwesend, die im apokalyptischen Schrifttum, in Lk 11,20/Mt 12,28; 1Kor 15,24f.; 2Thess 2,8-10; Apk 11,15.17f.; 12,10 und 19,6 so charakteristisch für die Gottesherrschaft sind. Es findet mangels Gegnern und Feinden kein Kampf- und kein Kriegsgeschehen mehr statt und auch keine Bedrohung, Bedrängnis oder Verfolgung. Das endzeitliche Kampfgeschehen hat endgültig mit 19,19-21 bzw. 20,7-10 ein Ende gefunden. Wir finden somit in der Johannesapokalypse in einer zeitlichen Abfolge beide Formen des Reiches Gottes: Zunächst die Gottesherrschaft in Apk 11,15.17; 12,10 und 19,6, die uns bereits in den atl. Jahwe-Königs-Psalmen, im Danielbuch und in vielfältiger Weise im apokalyptischen Schrifttum der Zeit des zweiten Tempels begegnet. Am Ende aber beschließt die große Vision vom neuen Jerusalem als dem eschatologischen Heilsort und der eschatologischen Heilszeit des neuen Himmels und der neuen Erde die Visionenreihe des Sehers.

IX Das Reich Gottes in der nachkanonischen christlichen Literatur des 2. Jahrhunderts

Zur Bewertung der bisher erarbeiteten ntl. Evidenz soll abschließend noch ein Blick auf den Begriffsgebrauch im 2. Jahrhundert geworfen werden. Wie haben die nachkanonischen Zeugen der frühen Christenheit den Begriff verstanden und welche Rückschlüsse lassen sich daraus für die Begriffsbedeutung im Neuen Testament ziehen?689 Zunächst muss ganz grundsätzlich festgestellt werden, dass der ntl. Begriff des Reiches Gottes in der frühchristlichen Literatur des 2. Jahrhunderts keine prominente Rolle spielt. Es sind andere Themen und Begriffe, welche die Aufmerksamkeit jener Epoche auf sich zogen. Die meisten Reich-Gottes-Belege begegnen in biblischen Zitaten oder Anspielungen bzw. im Zuge der Auslegung ntl. Reich-Gottes-Belege. Eine Reihe von „Reich“-Belegen bezieht sich auf den Übergang des Reiches von den Juden auf Jesus bzw. die Gemeinde (Enterbungsthese)690, ein weiterer Teil auf die Differenz zwischen dem politischen Reich und dem göttlichen Reich691. In drei Belegen bei Hippolytus und im Thomasevangelium wird darüber hinaus das gnostische Verständnis des Reiches Gottes als eines innermenschlichpräsentischen Reiches der Seele entfaltet692.

689 Von großer Hilfe ist hier die Auflistung und einführende Bewertung der Belege bei Ferguson, Kingdom, 201-208; vgl. darüber hinaus aber auch die älteren Beiträge von Frick, Geschichte, und Lampe, Notes. 690 Just Dial 140; Iren Demon 28; Iren Haer 3,21,9. 691 MartPol 21,2; Justin Apol I 11; Athenagoras Apol 18; PsClem Hom 20,2. 692 Hipp Ref 5,2-4; EvThom 22.

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IX.

Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

Lässt man all diese Belege, die entweder aus biblischen Zitaten stammen oder mit dem spezifisch ntl. Reich-Gottes-Begriff wenig bis nichts zu tun haben, außen vor und überblickt die Belege, in denen die christlichen Autoren des 2. Jahrhunderts ihre Sicht des Reiches Gottes darlegen, dann fällt sofort der fast ausnahmslos futurisch-eschatologische Gebrauch des Begriffs ins Auge693. Eine besondere Variante der futurischen Deutung begegnet bei Barnabas, Justin und Irenäus, die das Reich Gottes mit dem „Reich Christi“ identifizieren und in einem millenaristischen Sinn interpretieren. Eine zweite Wahrnehmung ist die überwältigende Anzahl von Belegen, die neben der futurisch-eschatologischen Deutung auch eine räumliche Konnotation des Begriffs implizieren oder die das Reich Gottes als eine jenseitige, nicht-irdische Größe begreifen. Drittens fällt auf, dass v.a. die sog. Eingangslogien eine große Wirkungsgeschichte im 2. Jahrhundert finden. Die Rede vom „Eingehen“ bzw. auch „Ererben“ des Reiches Gottes wird dabei analog zur Verkündigung Jesu sehr häufig mit entsprechenden ethischen Bedingungen und Forderungen verknüpft. Schließlich identifizieren zum Vierten einige Logien den Begriff des Reiches Gottes analog zum Johannesevangelium mit dem Begriff des (ewigen) Lebens. Auch wenn häufig mehrere der genannten Aspekte in ein und demselben Beleg reflektiert werden, wird sich die folgende Darstellung der Übersicht halber an den genannten Aspekten orientieren.

693 Lampe, Notes, 60; Frick, Geschichte, 73; im Blick auf die apostolischen Väter siehe auch ebd., 29: „Sie [sc. die Vorstellung im Blick auf den Begriff basilei,a tou/ qeou/] ist rein zukünftig vorgestellt – der Begriff ist ganz formelhaft gebraucht als Reminiszenz aus der urchristlichen Zeit“, sowie ebd., 34: „Die Eschatologie der apostolischen Väter ist rein jenseitig bestimmt und wirkt entwertend auf die Welt überhaupt. [...] So ist schon in der Zeit der apostolischen Väter der Reich-Gottes-Begriff formal zurückgedrängt und auf das Gebiet der Zukunftshoffnung beschränkt“.

IX.

Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

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1. Das Reich Gottes als eine zukünftige Größe Von den 116 bei Ferguson aufgelisteten Belegen, von denen eine ganze Reihe lediglich das Königtum Christi thematisieren, verstehen mindestens 80 Belege die basilei,a als ein zukünftiges Reich oder als eine noch ausstehende Zeit694. Im 1. Clemensbrief ist das Reich von den Aposteln verheißen und sein Kommen an die Wiederkunft Christi geknüpft. Sie (sc. die Apostel) [...] verkündeten das Evangelium von dem kommenden Reich Gottes (euvaggelizo,menoj th.n basilei,an tou/ qeou/ me,llein e;rcesqai)695. (1Clem 42,3) Alle Geschlechter von Adam bis zum heutigen Tag gingen vorüber; die aber entsprechend der Gnade Gottes in Liebe vollendet waren, besitzen den Ort der Frommen (cw/ron euvsebw/n); sie werden offenbar werden beim Erscheinen des Reiches Christi696. (1Clem 50,3)

Die beiden Autoren, denen wir die meisten Ausführungen zum Reich Gottes verdanken sind Justin und Irenäus. Bei Justin findet sich die größte Zahl der Belege in seinem Dialogus cum Tryphone. In diesem stilisierten apologetischen Gespräch mit seinem jüdischen Gesprächspartner Trypho entfaltet Justin ein durch und durch futurisches und bisweilen millenaristisches (siehe nächster Punkt) Reich-Gottes-Verständnis: Gott nimmt sie (sc. die „schmutzigen Gewänder“ im Sinne von Lästerungen und übler Nachrede gegen Christen von Seiten der Juden) aber, wie 694 Neben den zitierten Belegen vgl. Did 9,4; 10,5f.; Barn 4,13; 7,11; 8,5f.; 21,1; 1Clem 50,3; 2Clem 5,5; 6,9; 9,6; 11,7; 12; 17,5; IgnEph 16,1; 19,3; IgnRom 6,1; IgnPhld 3,3; PolPhld 5,3; Mart Pol 20,2; 22,3; Herm Sim 9,12,3-8; 9,13,1-2; 9,15,2-3; 9,16,2-4; 9,20,2-3; 9,29,2; 9,31,2; Papias in Eus HE 3,39,12; 3,28,2; Diog 9,1; 10,2; Arist Apol 16; Just Dial 32.34.39.46.51. 116.120f.140; Hegesipp in Eus HE 3,20,4; Iren Demon 1.41.46.57; Iren Haer 2,28,3; 3,11,8; 3,12,13; 3,16,4; 3,18,7; 3,21,9; 4,8,1; 4,21,1; 4,22,2; 4,24,2; 4,25,3; 4,27,1f.; 5,34,3; 5,35,3; 5,36,2f.; Clem Al Exh 9.11; Clem Al Paed 2,1.3; 3,7.11; Clem Al Misc 2,19; Clem Al Div 16.19.21; Ps-Clem Hom 2,20; 20,2; Ps-Clem Recog 1,69; 5,9; Ps-Clem EpJak 14; ActJoh 106; EvThom 22. 695 Übersetzung von J.A. Fischer, SUC I. 696 Übersetzung ebd.

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er zeigen wird, von uns weg, wenn er alle zum Leben erweckt, den einen im ewigen und unzerstörbaren Reiche (evn aivwni,w| kai. avlu,tw| basilei,a|) Unvergänglichkeit, Unsterblichkeit und Leidensunfähigkeit verleiht, die anderen aber zur ewigen Strafe ins Feuer schickt697. (Just Dial 117,3)

Das Reich ist hier der ewige Lohn der Gerechten, während der Ausschluss vom Reich und die Höllenqualen die Strafe für die Ungerechten sein wird. Die umfassendste Lehre zum Reich Gottes im 2. Jahrhundert bietet Irenäus von Lyon, der sich auch in dieser Hinsicht als der Schrifttheologe des 2. Jahrhunderts erweist. In seinem Hauptwerk adversus haereses widmet er in seinem fünften Buch nicht weniger als fünf Kapitel der Auslegung von 1Kor 15,50 („Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben“). Seine eschatologische Konzeption ist eingebettet in seine große Rekapitulationstheologie698, wonach Christus alle Stadien des menschlichen Lebens durchläuft, um dieses Leben durch seine Göttlichkeit zu heiligen und „wiederherzustellen“. Somit bekommt die Heilsgeschichte den Charakter einer Entwicklungsgeschichte699, die auf Gott hin verläuft und auch dem irenäischen Chiliasmus seine besondere Note verleiht. Inhaltlich gefüllt ist die Reich-Gottes-Vorstellung mit dem für Irenäus zentralen Heilsgut des unvergänglichen Lebens (zwh,) bzw. überhaupt der Unverweslichkeit und Unsterblichkeit (avfqarsi,a). Entsprechend beschreibt er den Zustand des Reiches Gottes als einen Zustand der Ruhe und des Friedens700, wie er im atl. Sabbat vorgebildet ist: Durch den Sabbat wurde aber auch gleichsam bezeichnet die Ruhe Gottes nach der Schöpfung, d.h. das Reich, in dem der Mensch, wenn er ausharrt, bei Gott ruhen und teilnehmen wird am Tische Gottes701. (Iren Haer 4,16,1; vgl. auch 5,33,2) Jenen (sc. Satan) wird er samt seinem Anhang in den Feuerpfuhl werfen, für die Gerechten aber wird er die Zeiten des Reiches herbeiführen, d.h. die Ruhe, den heiligen siebenten Tag; wiederherstellen wird er die dem 697 698 699 700 701

Übersetzung von Ph. Häuser, BKV I/33. Vgl. den Begriff avnakefalai,wsij in Eph 1,10. Frick, Geschichte, 60. Vgl. auch 2Clem 5,5. Übersetzung von E. Klebba, BKV I/3.

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Abraham versprochene Erbschaft, und in diesem Reiche werden nach dem Worte des Herrn „viele vom Aufgang und Untergang kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen“ (Mt 8,11f.)702. (Iren Haer 5,30,4) Der vorgenannte Segen erstreckt sich also ohne Widerrede auf die Zeiten des Reiches, wo die Gerechten, von den Toten auferstehend, herrschen werden, wo die ganze Kreatur, erneuert und befreit, eine Menge jeglicher Speise aus dem Tau des Himmels und der Fruchtbarkeit der Erde hervorbringen wird703. (Iren Haer 5,33,3)

Irenäus betont jedoch nicht nur die futurisch-eschatologische Dimension dieses Raumes, sondern auch die jenseitige704. Das Reich Gottes ist für ihn gleichbedeutend mit dem Himmel705 und entsprechend benützt er gewöhnlich die matthäische Formulierung „Reich der Himmel“706. Mit diesem Begriff scheint er auch den jenseitigen Raum der verstorbenen Seelen beschreiben zu können:707 Daher also wurden auch vier allgemeine Bündnisse der Menschheit gegeben, das erste nach der Sintflut mit Noah bei dem Regenbogen, das zweite mit Abraham unter dem Zeichen der Beschneidung, das dritte bei der Gesetzgebung durch Moses, das vierte, das den Menschen erneuert und in sich alle zusammenfasst, in dem die Menschen erhoben und zu dem himmlischen Reich emporgetragen werden, ist das Evangelium unseres Herrn Jesu Christi708. (Iren Haer 3,11,8) Deshalb entrückte er auch die Knaben im Hause Davids (vgl. Mt 2,16), die das Glück erlangt hatten, in jener Zeit geboren zu sein, um sie in sein Reich vorauszuschicken, als er selbst noch ein Kind war, und machte die Kinder der Menschen zu Märtyrern, die gemäß der Schrift getötet wurden wegen Christus, der zu Bethlehem in Juda, in der Stadt Davids, geboren war709. (Iren Haer 3,11,4)

Übersetzung ebd. Übersetzung ebd. 704 Frick, Geschichte, 60; ähnlich Lampe, Notes, 61, der dies generell in der patristischen Literatur wahrnimmt: „It very often becomes simply the equivalent of ‚heaven’ as opposed to gee,nna or ko,lasij.“ 705 Iren Demon 46; Haer 2,28,3; 3,16,4; 4,21,1; 4,27,1f.; 4,23,11. 706 Iren Demon 1; Haer 3,11,8; 4,8,1; 4,20,5; 4,24,2. 707 Vgl. Lk 23,42f.; 2Tim 4,18. 708 Übersetzung von E. Klebba, BKV I/3. 709 Übersetzung ebd. 702 703

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Eine berühmte, bereits in Anm. 626 erwähnte, Stelle, findet sich in Form eines Zitates von Hegesipp in Eusebs Kirchengeschichte. Hegesipp berichtet dort von zwei Großneffen Jesu, die als Enkel seines Bruders Judas in Jerusalem als Messiasprätendenten denunziert worden waren, wohl weil sie wie die gesamte jesuanische Familie Davidsnachfahren waren. Sie wurden daraufhin nach Rom zu Kaiser Domitian (81-96 n.Chr.) gebracht und von ihm auch im Blick auf die basilei,a ihres Großonkels, des sog. Christus, verhört: Als man sie über Christus und über die Art, den Ort und die Zeit seines Reiches fragte, antworteten sie, dasselbe sei nicht von dieser Welt und dieser Erde, es sei vielmehr ein himmlisches und englisches (= engelgleiches) Reich, das erst am Ende der Welt kommen werde, wenn Christus in Herrlichkeit erscheinen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten und jedem nach seiner Gesinnung zu vergelten710. (Eus HE 3,20,2f.)

Die futurisch-eschatologische Erwartung des Reiches Gottes ist so dominant711, dass man im 2. Jahrhundert von einer fast ausschließlich futurischen Deutung des Begriffs reden kann. Eine präsentische Deutung kann man allenfalls bei drei Belegen aus dem Barnabasbrief, den Oden Salamos und den Sentenzen des Sextus erwägen712. In einer allegorischen Deutung von Num 19,6 verbindet der Verfasser des Barnabasbriefes die Wolle mit dem Reich Christi und das Zedernholz mit dem Kreuz Christi und zieht daraus die Schlussfolgerung, dass der Eingang in das Reich auf der Vergebung durch das Kreuz Christi beruht und daraus das ewige Leben für die auf Christus Hoffenden erwächst. Allerdings geht er davon aus, dass es in diesem Reich auch schlimme und trübe Tage geben wird:

710 Übersetzung von Ph. Haeuser, BKV II/1; vgl. hierzu Joh 18,36; 1Kor 15,50; 2Tim 4,1.18 und 2Petr 1,11. 711 Ferguson, Kingdom, 199, gegen Lampe, Notes, 62. 712 Der von Ferguson, Kingdom, 195, ins Spiel gebrachte Beleg aus Ign Eph 19,3 spricht nicht vom Reich Gottes, sondern nur von der Zerstörung des alten Reiches (palaia. basilei,a) durch das Heilswerk Christi.

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Was aber bedeutet es, dass man die Wolle auf das Holz legt? Dass das Reich Jesu auf dem Holz beruht713 und dass diejenigen, die auf ihn hoffen, ewig leben werden. Warum aber werden die Wolle und der Ysop zugleich erwähnt? Weil in seinem Reich schlimme und trübe Tage sein werden, in denen wir gerettet werden sollen714. (Barn 8,5f.)

Ob es hier tatsächlich um ein präsentisches Verständnis des Reiches Gottes geht715, ist allerdings fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Stelle entweder auf die endzeitliche Weltenwende beim Anbruch des Reiches Gottes in Apk 11,15 und 12,10 bezieht, die mit einer großen Trübsal verquickt ist, oder den letzten satanischen Aufstand im Anschluss an ein chiliastisch verstandenes, messianisches Reich (vgl. Apk 20,1-10) beschreibt716. Dies wird auch dadurch gestützt, dass alle anderen Reich-Gottes-Belege des Barnabasbriefes ein eschatologisches Verständnis reflektieren717. Auch in den Oden Salomos, einer poetischen Schrift aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, ist nicht eindeutig, wann die hier erwähnte Errichtung des Reiches sich vollzieht: Du wirst deinen Äon dem Untergang entgegenführen, damit alles aufgelöst und erneuert werde und dein Licht das Fundament für alles bilde. Und

Die Wendung „auf dem Holz beruhen“ spielt wahrscheinlich auf eine von Ps 95,10LXX abgeleitete Deutung der Regentschaft Christi vom Holze her an, vgl. Just Apol 1,41,4; Dial 73,1.4; Tert Marc 3,19. 714 Übersetzung von K. Wengst, SUC II. 715 So Ferguson, Kingdom, 195. 716 So Lampe, Notes, 71, und Frick, Geschichte, 30f.: „Ihren besondern Charakter erhalten die Reichgottesvorstellungen bei Barnabas durch die Ansätze des Chiliasmus, die sich bei ihm finden. Deshalb kann er von Tagen des Unglücks und des Kampfes sprechen, die auch noch im Reich Gottes sein werden, die aber den Heiligen nicht mehr schaden können. Dieser Zwischenzustand der irdischen Herrschaft Christi ist bei ihm von der ewigen Herrlichkeit des Endreichs nicht klar geschieden.“ Im Barnabasbrief ist nur einmal von der basilei,a tou/ qeou/ die Rede (21,1), sonst immer vom Reich Jesu bzw. des Herrn (4,13; 7,11; 8,5f.), ohne dass markante Unterschiede erkennbar würden. 717 Barn 4,13; 7,11 (Anspielung auf Act 14,22) und 21,1; ebenso Frick, Geschichte, 30. 713

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auf ihm hast du dein Reich errichtet und es ist zur Wohnstätte für die Heiligen geworden. (OdSal 22,11f.)718

Vom Zusammenhang her scheint auch hier ein künftiges, zumindest jenseitiges Reich gemeint zu sein, das eine postmortale Wohnstätte der Heiligen darstellt. Schließlich wird in den Sentenzen des Sextus die stoische Lehre, wonach der weise Mensch der wahre König ist, mit dem Reich Gottes in Verbindung gebracht: Der weise Mann hat Anteil am Reich Gottes. (Sext Sent 311)

Der philosophische Charakter der Schrift widerrät jedoch einer bewusst präsentischen Deutung des Reiches Gottes. Es geht hier vielmehr um eine metaphorisch-symbolische Aussage, die mit dem ntl. Begriffsgebrauch nur wenig zu tun hat719. Eine klar präsentisch-spiritualisierte Reich-Gottes-Konzeption findet sich dagegen im gnostischen Schrifttum, wo das Reich Gottes als ein innerlicher Besitz des Gnostikers verstanden wird: Nicht nur die Mysterien der Assyrier und der Phrygier, sondern auch die der Ägypter zeugen, so sagen sie [sc. die Gnostiker], für ihre Lehren in Bezug auf die selige, verborgene und zugleich offenbare Wesenheit des Vergangenen, Gegenwärtigen und noch Zukünftigen, die das innerhalb des Menschen zu suchende Himmelreich heißt [Lk 17,21] ...720 (Hipp Ref 5,7) Das ist der große wahre „Anfang der Zeichen“, den Jesus zu Kanna in Galiläa machte und wobei er das Himmelreich offenbarte. Dies ist das Himmelreich, das in uns liegt wie ein Schatz [Lk 17,21], wie ein unter drei Maß Mehl verborgener Sauerteig721. (Hipp Ref 5,8)

Das Reich Gottes hat hier in seiner gnostischen Interpretation jegliche eschatologische Bedeutung verloren und „dient

718 719 720 721

Übersetzung v. H. Grimme, Oden Salomos. Ferguson, Kingdom, 198. Übersetzung von K. Preysing, BKV I/40. Übersetzung ebd.

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

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nur noch als Chiffre für eine von der äußeren Realität unterschiedene geistliche Wirklichkeit“722.

2. Das Reich Gottes als endzeitliches Millennium Eine besondere Variante der futurischen Interpretation ist der Millenarismus, der vor allem von Papias, Justin723 und Irenäus724 vertreten und mit dem Reich Gottes in Verbindung gebracht wird:725 Papias bietet aber auf Grund mündlicher Überlieferung auch noch andere Erzählungen, nämlich unbekannte Gleichnisse und Lehren des Erlösers und außerdem noch einige sonderbare Berichte. Zu diesen gehört seine Behauptung, dass nach der Auferstehung der Toten tausend Jahre kommen werden, in denen das Reich Christi sichtbar auf Erden bestehen werde726. (Eus HE 3,39,12)

Der Chiliasmus bei Justin und Irenäus unterscheidet sich in der jeweiligen Frontstellung. War es bei Justin ein anti-judaistischer Impetus, ist es bei Irenäus ein anti-gnostischer. Doch beide vertreten in je eigener Weise ein der ewigen Vollendung vorangehendes Reich Christi auf Erden, das mit Christi Parusie seinen Anfang nimmt: Denn von Christus ist verkündet, dass er König, Priester, Gott, Herr, Engel, Mensch, erster Feldherr, ein Stein, ein neugeborenes Kind ist, daß er Mau, Herrschaft Gottes, 220. Grundlegend bei Justin ist Dial 80,5: „Ich aber und die Christen, soweit sie in allem rechtgläubig sind, wissen, dass es eine Auferstehung des Fleisches gibt, und dass tausend Jahre kommen werden in dem aufgebauten, geschmückten und vergrößerten Jerusalem, wovon die Propheten Ezechiel und Isaias und die übrigen sprechen.“ Allerdings beurteilt Frick, Geschichte, 38, die Bedeutung des Chiliasmus für Justin eher skeptisch: „Auch für Justin gehört das Festhalten am Chiliasmus zwar zur ‚Orthognomie‘, aber er ist kein wesentliches Moment der Hoffnung mehr, ist zum traditionellen Lehrstück geworden.“ 724 Iren Haer 4,22,2; 5,30,4; 5,32,1; 5,33,3; 5,34,3; 5,35,3; 5,36,2f.; vgl. hierzu Bissels, Lehre, 44-47. 725 Nach Gaius von Rom (zitiert bei Euseb HE 3,28,2) 726 Übersetzung von Ph. Haeuser, BKV II/1. 722 723

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anfangs leidensfähig ist, dann in den Himmel auffährt und wieder mit Herrlichkeit kommt und ein ewiges Reich besitzt, wie ich aus allen Schriften beweise727. (Just Dial 34,2; vgl. auch Dial 39; 46) Deshalb wird er diese alle bei seiner zweiten Ankunft vom Schlafe auferwecken und sie aufrichten, ebenso wie die übrigen, die gerichtet werden sollen, und sie einsetzen in sein Reich. [...] Denn wie wir in den ersten im voraus dargestellt und verkündet wurden, so werden jene wieder in uns, d.h. in der Kirche, abgebildet und empfangen den Lohn für ihre Arbeit728. (Iren Haer 4,24,2) Der vorgenannte Segen erstreckt sich also ohne Widerrede auf die Zeiten des Reiches, wo die Gerechten, von den Toten auferstehend, herrschen werden, wo die ganze Kreatur, erneuert und befreit, eine Menge jeglicher Speise aus dem Tau des Himmels und der Fruchtbarkeit der Erde hervorbringen wird729. (Iren Haer 5,33,3; vgl. auch 5,35,1)

Das millenaristische Verständnis des Reiches wurzelt bei Justin in seiner Deutung von Dan 2 und Dan 7,27730, während bei Irenäus immer wieder Mt 25,34731 eine wesentliche Rolle spielt732. Darüber hinaus kann Irenäus synoptische ReichGottes-Belege wie Mk 14,25parr auf das Millennium deuten: Also hat Johannes die erste Auferstehung der Gerechten und die Erbschaft der Erde im Reiche genau vorausgesehen. [...] Dasselbe lehrte ebenso der Herr, indem er versprach, mit seinen Jüngern den neuen Mischkelch im Reiche zu trinken. Und der Apostel bekannte, dass die künftige Kreatur frei sein werde von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zur Freiheit der Herrlichkeit des Sohnes Gottes. In all diesem und durch dies alles offenbart sich Gott Vater, der den Menschen erschaffen hat und den Patriarchen die Erbschaft der Erde versprach, der diese heraufführt bei der Auferstehung der Gerechten und seine Verheißung erfüllt im Reiche des Sohnes733. (Iren Haer 5,36,3)

Dieses Reich des Sohnes wird von Irenäus auch mit der Königsherrschaft Gottes über Israel identifiziert: Übersetzung ebd. Übersetzung von E. Klebba, BKV I/3. 729 Übersetzung ebd. 730 Just Dial 31; 68,5; 76,1; 79,2; 118,2. Weitere Belege, die Justin in diesem Zusammenhang diskutiert sind 2Sam 7,12-16; Ps 132,12 und Mt 8,11f.. 731 Iren Haer 4,18,6; 4,28,2; 4,40,2; 5,27,1. 732 Ferguson, Kingdom, 193. 733 Übersetzung von E. Klebba, BKV I/3. 727 728

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

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Offenbar also verließen sie nicht die Wahrheit, sondern verkündeten ..., dass derselbe Jesus ... der Sohn Gottes ist, der Richter über die Lebendigen und die Toten, und dass er vom Vater die ewige Königsherrschaft über Israel empfangen hat ...734 (Iren Haer 3,12,13)

Für Irenäus ist das millenaristische Verständnis des Reiches Gottes ein fundamentaler Bestandteil seiner heilsgeschichtlich aufgebauten Rekapitulationstheologie. So wie die gesamte Geschichte der recapitulatio auf Entwicklung, Erneuerung und Erziehung auf Gott hin ausgerichtet ist, so auch das irdische Reich Christi. Es ist für Irenäus das letzte Stadium in der Erziehung der Menschheit und ihrer Vorbereitung auf die volle Gottesgemeinschaft.

3. Das Reich Gottes als ein Raum des futurischen Heils Das endzeitlich erwartete Reich Gottes wird in vielen Belegen als ein Raum des Heils vorgestellt, der eine ewige Heimstatt für die Gemeinde, die Glaubenden oder die Heiligen darstellt735. Insbesondere in der Didache und im 1. Clemensbrief ist es die Gemeinde bzw. Kirche, welche das eschatologische Reich Gottes bevölkert. Zu einer Identifikation beider Größen kommt es jedoch nicht736, vielmehr scheint die Zugehörigkeit zur Gemeinde auch die Teilhabe am Reich zu garantieren:

Übersetzung ebd. Neben den zitierten Belegen vgl. auch Barn 4,13; 1Clem 50,3; 2Clem 6,9; 17,5; Herm Sim 9,12,3-8; 9,13,1-2; 9,29,2; Diog 9,1; Iren Demon 46; Iren Haer 3,11,8; 4,25,3; 5,34,3; PsClem Hom 2,20; ActJoh 106; EvThom 22. 736 Dies gilt ganz generell für die patristische Literatur, vgl. Lampe, Notes, 65: „The basilei,a tou/ qeou/ is generally distinguished from the visible Church. [...] The terms evkklhsi,a and basilei,a tou/ Qeou/ ... are, however, never explicitly equated with each other.“ 734 735

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... so soll deine Kirche zusammengebracht werden (sc. aus der Zerstreuung) von den Enden der Erde in dein Reich737. (Did 9,4)

Möglicherweise geht auch die Didache von einem sichtbaren Reich Christi auf Erden aus, worauf das Bild von der Zusammenführung von den „vier Winden“ hindeuten könnte:738 Gedenke, Herr, deiner Kirche, dass du sie bewahrst vor allem Bösen und sie vollendest in deiner Liebe; und führe sie zusammen von den vier Winden in dein Reich, das du ihr bereitet hast!739 (Did 10,5)

In die erste Hälfe des 2. Jahrhunderts gehört die Apokalypse Petri. In der äthiopischen Überlieferung des Textes findet sich in ApkPt 14,4 eine Formulierung, die an 2Petr 1,11 erinnert. Im Rahmen einer Offenbarungsrede des himmlischen Christus ist vom Eingang der Erwählten und Gerechten in das „ewige Reich Christi“ die Rede: Dann werde ich meinen Erwählten und Gerechten die Taufe und das Heil geben, um das sie mich gebeten haben [...] Ich lasse eintreten die Völker in mein ewiges Reich und erweise ihnen das Ewige, worauf ich ihre Hoffnung gerichtet habe, ich und mein himmlischer Vater740. (ApkPt 14,1.4)

Das Logion erinnert mit dem Begriff des Eintretens wie viele andere frühchristliche Reich-Gottes-Belege des 2. Jahrhunderts an die synoptischen Einlasssprüche und bestimmt damit das Reich als einen Raum des futurisch-eschatologischen Heils. Allerdings verbindet der Beleg diesen Einzug mit der Vorstellung eines triumphalen Einzugs der „Erwählten und Gerechten“ aus den „Völkern“. Bemerkenswert ist ferner die Zuordnung der basilei,a zu Jesus („mein ewiges Reich“)741 und die konkrete Form des Syntagmas vom „ewigen Reich Übersetzung von K. Wengst, SUC II. Vgl. auch Did 16,6-8. 739 Übersetzung ebd. 740 Übersetzung von C. Detlef/G. Müller, NTApo6 II (Schneemelcher), 575. 741 Vgl. Mt 13,41; 16,28; 20,21; Lk 1,33; 23,42; Joh 18,36; Eph 5,5; Kol 1,13; Hebr 1,8; 2Tim 4,1.18. 737 738

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

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[Christi]“, das zum ersten Mal hier und in 2Petr 1,11 belegt ist, wobei umstritten ist, welcher Beleg früher zu datieren ist742. Das Reich Christi, gleich ob es um seine präsentische, wenn auch verborgene Herrschaft geht, oder um das Millennium, ist im Unterschied zum ewigen Reich Gottes (vgl. Dan 3,33f.; 7,27) zeitlich immer begrenzt (1Kor 15,23-28; Apk 20,1-6). Explizit von einem „Ort der Frommen“ und ebenfalls vom „Reich Christi“ spricht der 1. Clemensbrief: Alle Geschlechter von Adam bis zum heutigen Tag gingen vorüber; die aber entsprechend der Gnade Gottes in Liebe vollendet waren, besitzen den Ort der Frommen; sie werden offenbar werden beim Erscheinen des Reiches Christi743. (1Clem 50,3)

Im Martyrium des Polykarp scheint dieser Ort dagegen eher im Himmel zu sein: Ihm, der mächtig ist, uns alle in seiner Gnade und Gabe einzuführen in sein ewiges Reich durch seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus, ihm sei Ruhm, Ehre, Macht und Herrlichkeit in alle Ewigkeit!744 (MartPol 20,2) Während Bauckham, 2Peter and the Apocalypse of Peter, 290-303, von der Priorität des 2. Petrusbriefes ausgeht, plädiert Frey, Jud/2Petr, 180189, umgekehrt für eine Abhängigkeit des 2. Petrusbriefes von der Petrusapopkalypse. Im Blick auf das Verhältnis von 2Petr 1,11 und ApkPt 14,4 bemerkt Frey, ebd., 238: „Wenn 2Petr in dieser Formulierung [sc. vom ewigen Reich Christi] von der ApkPt inspiriert ist, erklärt sich die Aufnahme einer im Kontext sperrigen apokalyptischen Vorstellung am leichtesten. Die dort gegebene Vorstellung eines Einzugs der Berufenen und Erwählten in eschatologischer Freude in die ewige Königsherrschaft wird in 2Petr aufgenommen, allerdings unter anderen soteriologischen Grundvoraussetzungen: Während nach der ApkPt Christus in Erfüllung seiner Verheißungen an die Berufenen und Erwählten diesen selbst noch aus einem Ort der Strafe heraus (d. h. ihnen auch im Falle sündiger Verfehlungen) auf ihr Bitten hin zusammen mit den Gerechten und Patriarchen das Heil gewährt, ist nach 2Petr der Empfang der kostbaren Verheißungsgüter an die angemessene ‚Antwort‘ auf die Berufung und Erwählung und auf die göttlichen Gaben gebunden. Ein Leben in (christlichen) Tugenden ist – als Frucht des Glaubens – erforderlich, wenn am Ende der Eingang ins Heil, in die ‚ewige Königsherrschaft‘ Christi stehen soll.“ 743 Übersetzung von J.A. Fischer, SUC I. 744 Übersetzung von G. Rauschen, BKV I/14. 742

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

Ich habe die Bruchstücke, die der Zahn der Zeit beinahe vernichtet hatte, gesammelt, damit auch mich der Herr Jesus Christus mit seinen Auserwählten im Himmelreiche zusammenbringe ...745 (MartPol 22,3) Gott hat nämlich die Menschen geliebt, [...] denen er das Reich im Himmel verheißen hat, und er wird es denen geben, die ihn geliebt haben746. (Diog 10,2; vgl. auch 9,1) Deshalb wird er diese alle [sc. die an Christus Glaubenden] bei seiner zweiten Ankunft vom Schlafe auferwecken und sie aufrichten, ebenso wie die übrigen, die gerichtet werden sollen, und sie einsetzen in sein Reich747. (Iren Haer 4,22,2) Das vielleicht schönste Bild für das futurische Reich Gottes aus der Literatur des 2. Jahrhunderts findet sich im judenchristlichen „Brief an Jakobus“ in den pseudoklementinischen Homilien: Das ganze Wesen der Kirche gleicht nämlich einem großen Schiff, das durch einen heftigen Sturm hindurch Menschen trägt, die aus vielen Orten stammen und in einer einzigen Stadt eines guten Königreiches leben wollen748. (PsClem Hom, EpJak 14,1)

4. Die ethischen Voraussetzungen für den Eingang in das Reich Gottes Im 2. Jahrhundert kommt es zu einer zunehmenden Dominanz einer nomistischen Ethik. Bei den apostolischen Vätern wird der Glaube vor allem als Glaubensgehorsam verstanden und das soteriologische Achtergewicht verschiebt sich dementsprechend vom Glauben auf die Sakramente, an die Stelle der christlichen Hoffnung auf die Gnade Gottes tritt die Gottesfurcht und Christus wird weniger als Gabe und Opfer für den Sünder denn als Geber göttlicher Gebote profiliert749. Ganz entsprechend rücken damit auch die Bedingungen der Teilhabe am Reich Gottes zunehmend in den Mittelpunkt der Reflexion750 und eine große Anzahl von Belegen Übersetzung ebd. Übersetzung von K. Wengst, SUC II. 747 Übersetzung von E. Klebba, BKV I/3. 748 Übesetzung von J. Wehnert, Pseudoklementinische Homilien, 52. 749 Frick, Geschichte, 28f. 750 Mau, Herrschaft Gottes, 219; vgl. auch die Belege bei Lampe, Notes, 67f. 745 746

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

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thematisiert die ethischen Zugangsvoraussetzungen für das futurisch-endzeitlich verstandene Reich Gottes. Neben dem futurischen und spatialen Verständnis ist die moralische Konnotation des Reich-Gottes-Begriffs charakteristisch für das „orthodoxe“ Schrifttum jener Zeit. Eine besondere Rolle spielen dabei die sog. Einlasssprüche Jesu und die Logien, die von einem Ererben des Reiches Gottes (Mt 25,34; Gal 5,21; 1Kor 6,9f.; 15,50) sprechen und bereits bei Jesus und Paulus entsprechende ethische Eingangsstandards formulieren:751 Dass wir uns niemals als Berufene der Ruhe hingeben und über unseren Sünden einschlafen, und der böse Fürst Macht über uns gewinnt und uns vom Reich des Herrn wegstößt!752 (Barn 4,13) Es ist also gut, alle Rechtsforderungen des Herrn, wie sie geschrieben stehen, zu lernen und in ihnen das Leben zu führen. Denn wer diese befolgt, wird im Reich Gottes verherrlicht werden (o`` ga.r tau/ta poiw/n evn th|/ basilei,a| tou/ qeou/ doxasqh,setai) ...753 (Barn 21,1)

Das Reich Gottes wird im Barnabasbrief als ein Lohn für all jene verstanden, die im Gericht nach den Werken ihr Lob empfangen haben. Ähnlich liegen die Dinge im 2. Clemensbrief sowie bei Ignatius und Justin: Wenn aber selbst solche Gerechte durch ihre rechtschaffenen Taten ihre Kinder nicht zu retten vermögen, mit welcher Zuversicht sollen wir in das Reich Gottes hineinkommen (eivseleuso,meqa eivj to. basi,leion tou/ qeou/), wenn wir nicht die Taufe rein und unbefleckt bewahren?754 (2Clem 6,9) Lasst uns also einander lieben, damit wir alle in das Reich Gottes kommen (o[pwj e;lqwmen pa,ntej eivj th.n basilei,an tou/ qeou/)!755 (2Clem 9,6)

Ganz im paulinischen Wortschatz von 1Kor 6,9f. formuliert Ignatius die Reich-Gottes-Erwartung:

751 Neben den zitierten Logien vgl. auch 2Clem 11,7; 12; PolPhld 5,3; Herm Sim 9,29,2; 9,31,2; Just Dial 120; Iren Haer 4,21,1; 4,27,1-2; Clem Al Prot 9,82,5; Clem Al Paed 2,3; 3,7; 3,11; Clem Al Div 16,3; 19,3; 21,3.5. 752 Übersetzung von K. Wengst, SUC II. 753 Übersetzung von K. Wengst, SUC II. 754 Übersetzung ebd. 755 Übersetzung ebd.

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

Lasset euch nicht irreführen, Brüder; die die Ehre eines Hauses schänden, werden das Reich Gottes nicht erben756. (Ign Eph 16,1)

Der Verfasser des 2. Clemensbriefes kann sogar den Beginn des Reiches Gottes vom ethischen Verhalten der Gläubigen abhängig machen. So zitiert er in 2Clem 12,2 ein unbekanntes Zitat, das er selbst dem asketisch-dualistischen Ägypterevangelium zurechnet, das aber wahrscheinlich eher einen gnostisch-enkratitischen Ursprung hat:757 Erwarten wir also jederzeit das Reich Gottes in Liebe und Rechtschaffenheit, da wir ja den Tag der Erscheinung Gottes nicht kennen! Als nämlich der Herr selbst von einem gefragt wurde, wann sein Reich komme, sagte er: Wenn die Zwei eins sein werden und das Äußere wie das Innere und das Männliche mit dem Weiblichen, weder Männliches noch Weibliches758. (2Clem 12,1-2)759

Auch bei den Apologeten spiegelt sich diese Überbetonung der ethischen Zugangsvoraussetzungen wider, was nicht verwundert, da für sie nach außen hin das zentrale apologetische Argument für den christlichen Glauben der Verweis auf das moralisch vorbildliche Leben der Gläubigen war, was umgekehrt nach innen hin dem Nomismus, der Werkgerechtigkeit und einem überdimensionierten Lohngedanken Tür und Tor öffnete760. Das Tun der guten Werke hat in der Erlösung durch Christus „nicht mehr seinen Grund, sondern sein Ziel – die Ethik ruht durchaus auf der Eschatologie“761.

Übersetzung von J.A. Fischer, SUC I. K. Wengst, SUC II, 223f. 758 Übersetzung von K. Wengst, SUC II. 759 Vgl. Wengst, ebd., 224: „Das geistige Selbst des Menschen, sein innerstes Wesen, der jenseitige Lichtfunke, ist durch das Fleisch an diese äußere Welt gefesselt; und durch die Differenzierung in Mann und Frau und durch die Geschlechtlichkeit geht der Fesselungsprozeß weiter. Erlösung ist daher gleichbedeutend mit Aufhebung der Geschlechtlichkeit. Die Gleichheitsaussagen sind hier also lediglich auf das von den irdischen Differenzierungen befreite geistige Selbst bezogen“; siehe auch die ältere Deutung von Cullmann, Wann kommt das Reich Gottes?, 543-547. 760 Frick, Geschichte, 28. 761 Ebd., 38. 756 757

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

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Wiederum Jesus, der Sohn Gottes rettet uns aus deren Händen [sc. Satans und seiner Diener]. Für den Fall, daß wir seine Gebote beobachten, versprach er, uns mit den bereit gehaltenen Kleidern auszustatten, und verhieß, ein ewiges Reich zu bereiten762. (Just Dial 116,2)

Eine massive Betonung des ethischen Verhaltens im Blick auf den Zugang zum Reich Gottes mit einem deutlichen Anklang an die jesuanischen Einlasssprüche und die paulinischen Ausschlussformeln finden wir beim Hirten des Hermas in seiner neunten Gleichnisrede. Zunächst gilt auch bei ihm ganz neutestamentlich „der Name Jesu“ als entscheidende Zugangsvoraussetzung (vgl. Act 4,12): Wie man nun in die Stadt nicht anders gelangen kann als durch ihr Tor, so kann auch ein Mensch ins Reich Gottes nicht anders gelangen als durch den Namen seines geliebten Sohnes.763 (Herm Sim 9,12,5; vgl. 9,12,3-8)

Allerdings kennt er auch noch andere Namen, die für den Zugang zum bzw. Ausschluss vom Reich Gottes relevant sind, und einen gewissen Grad an bereits irdischer Vollkommenheit voraussetzen764: Die erste [sc. es geht um Jungfrauen und schwarzgekleidete Frauen, die bestimmte Tugenden bzw. Untugenden verkörpern] ist der Glaube, die zweite die Enthaltsamkeit, die dritte die Stärke, die vierte die Langmut; die anderen, die zwischen diesen standen, haben folgende Namen: Aufrichtigkeit, Unschuld, Keuschheit, Frohsinn, Wahrheit, Einsicht, Eintracht, Liebe. Wer diese Namen und den des Gottessohnes trägt, der wird ins Reich Gottes kommen können. Nun vernimm auch die Namen der schwarzgekleideten Frauen. Auch unter ihnen sind vier stärkere: die erste ist der Unglaube, die zweite die Unmäßigkeit, die dritte der Ungehorsam, die vierte die Verführung. Ihre Begleiterinnen aber heißen: Trauer, Schlechtigkeit, Schwelgerei, Jähzorn, Lüge, Torheit, üble Nachrede, Hass. Ein Diener Gottes, der diese Namen trägt, wird das Reich Gottes zwar

Übersetzung von Ph. Häuser, BKV I/33. Übersetzung von F. Zeller, BKV I/35. 764 Frick, Geschichte, 32: „Die ideale und die empirische Kirche fallen für Hermas am Anfang und prinzipiell zusammen, ebenso am Schluß, wo die Kirche vollendet, eben das Reich Gottes ist.“ 762 763

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

schauen, aber hineinkommen wird er nicht765. (Herm Sim 9,15,2-3; vgl. auch 9,29,2 und 9,31,2)766

Eine weitere Zugangsvoraussetzung bildet für den Hirten die Taufe: Sie mussten notwendig durch das Wasser emporsteigen, damit sie das Leben erlangten; denn sie konnten nicht anders in das Reich Gottes eingehen, als wenn sie die Sterblichkeit des [früheren] Lebens ablegten. So haben also auch diese Entschlafenen die Besiegelung des Gottessohnes erhalten [und sind eingegangen in das Reich Gottes]. Denn bevor der Mensch den Namen des Gottessohnes trägt, ist er tot; sobald er aber die Besiegelung erhalten hat, legt er die Sterblichkeit ab und nimmt das Leben an. Die Besiegelung aber ist das Wasser: ins Wasser tauchen sie unter als Tote und tauchen empor als Lebendige. Auch ihnen ging die Botschaft zu von dieser Besiegelung; sie machten davon Gebrauch, damit sie ins Reich Gottes gelangten767. (Herm Sim 9,16,2-4)

Ignatius, Irenäus und Clemens von Alexandrien wenden die Ausschlusskriterien auch auf Schismatiker und Irrlehrer an: Lasset euch nicht irreführen, meine Brüder; wer einem Abtrünnigen (Schismatiker) folgt, wird das Reich Gottes nicht erben768. (IgnPhld 3,3) Offenbar also stehen die [sc. Markion und seine Anhänger], welche dem Abraham das Heil absprechen und einen andern Gott aufstellen als den, welcher ihm die Verheißung gab, außerhalb des Reiches Gottes und sind ausgeschlossen von der Unsterblichkeit, weil sie Gott widersprechen und ihn lästern, welcher in sein Himmelreich einführt den Abraham und seinen Samen ...769 (Iren Haer 4,8,1) Die also, die sich mit den gottlosen Reden befassen und andere zum Glauben daran verleiten und auch die göttlichen Worte nicht richtig, sondern völlig verkehrt verwenden, kommen weder selbst in das Himmelreich,

Übersetzung von F. Zeller, BKV I/35. Frick, Geschichte, 31: „Gerade bei Hermas wird es deutlich, daß die Eschatologie nicht mehr durch die Heilsgewißheit, sondern durch die Sorge bestimmt ist – das hängt damit zusammen, daß man es nicht mehr wagt, den Blick voll auf Gott zu richten und auf das, was er für uns übrig hat, sondern am Menschen haften bleibt und deshalb zwischen übertriebenen Anforderungen und übertriebenem Bekenntnis menschlicher Schwäche und Haltlosigkeit hin und her schwankt.“ 767 Übersetzung von F. Zeller, BKV I/35. 768 Übersetzung von J.A. Fischer, SUC I. 769 Übersetzung von E. Klebba, BKV I/3. 765 766

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

235

noch lassen sie diejenigen, die von ihnen in die Irre geführt worden sind, zur Wahrheit gelangen770. (Clem Al Strom 7,17,106)

Neben dem Hirten des Hermas ist es vor allem Clemens von Alexandrien, der auf der Basis von Mt 11,12/Lk 16,16771 die ethischen Voraussetzungen für den Eintritt in das Reich Gottes betont hat. Er deutet das Logion als einen Aufruf zur Tat. Durch ein beständiges Leben des Gehorsams und der Tat erobern wir uns das Reich772: Aber auch den Schlafenden und Trägen wird das Reich Gottes nicht zuteil, sondern „die Gewalttätigen reißen es an sich“. Denn das ist die einzige schöne Gewalttat, Gott zu überwältigen und von Gott Leben zu rauben; er aber kennt die, die mit Gewalt oder vielmehr mit Stetigkeit danach trachten, und lässt sich bewegen; denn Gott freut sich, hierin überwunden zu werden773. (Clem Al Div 21,3)

Das Reich Gottes ist bei Clemens der Lohn774 für ein moralisches Leben, wobei Clemens den Ton immer auf die Ermahnung legt, weniger auf die Belohnung. Sprachlich knüpft Clemens meistens an die Einlasssprüche Jesu oder an die paulinischen Formulierungen vom „Ererben des Reiches“ an, aber auch explizit an Röm 14,17: „Unsere gute Sache soll also nicht in schlechten Ruf gebracht werden; denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken“, sagt der Apostel, so dass man das Vergängliche und nur für einen Tag Bestimmte für das Beste halten dürfte, „sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist.“ Wer von diesem Besten isst, wird das Beste von allen Dingen, das Reich Gottes, gewinnen, nachdem er sich schon hier unten innerlich für die heilige Liebesversammlung, die himmlische Kirche, vorbereitet hat775. (Clem Al Paed 2,1,6) Überhaupt ist der Reichtum, wenn er nicht richtig verwaltet wird, eine Hochburg der Schlechtigkeit; da die meisten mit krankhafter Sehnsucht

770 771 772 773 774 775

Übersetzung von O. Stählin, BKV II/17-20. Vgl. Clem Al Misc 4,2; 5,2; Div 21; 31; Strom 5,3; 6,17. Frick, Geschichte, 86. Übersetzung von O. Stählin, BKV II/8. So explizit in Clem Al Protr 1,6,2. Übersetzung von O. Stählin, BKV II/7.

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

nach ihm ausschauen, werden sie wohl kaum in das Königreich der Himmel hineinkommen ...776 (Clem Al Paed 2,3,38; vgl. auch 3,7,37)

Dominant ist bei Clemens von Alexandrien der griechischhellenistische, aber auch der gnostische Entwicklungs- und Erziehungsgedanke, der ihn zum ethischen Ideal der Reinigung aller moralischen Motive führt. So glaubt er letztlich an einen ethischen Fortschritt und eine stufenweise Höherentwicklung, welche die Seele zur höchsten Seligkeit führt:777 Dieser Logos, der unser Erzieher ist, schenkt uns den Reichtum; und reich zu sein ist denen nicht missgönnt, die durch ihn zur Bedürfnislosigkeit gelangen. Wer diesen Reichtum besitzt, wird das Reich Gottes erben778. (Clem Al Paed 3,7,40) Wenn wir aber ins Reich Gottes berufen sind, so lasst uns auch würdig des Reiches wandeln, indem wir Gott und den Nächsten lieben779. (Clem Al Paed 3,11,81)

Es ist durchaus bemerkenswert, dass dieser so durch und durch gnostisch, philosophisch und v.a. platonisch denkende und theologisierende Autor sich beim Reich-Gottes-Begriff streng biblisch auf ein futurisch-spatial-ethisches Verständnis bezieht, das sich maßgeblich an den synoptischen Einlasssprüchen orientiert. Gleichzeitig beschreibt er den Heilscharakter dieses Reiches dann mit spiritualisierten Motiven sehr heterogener Herkunft780.

Übersetzung ebd. Frick, Geschichte, 90; vgl. Clem Al Strom 7,3,13, und v.a. 7,13,82: „Darum verlässt er [sc. der Gnostiker] alles, was ihn hemmt, verachtet alles Irdische, das ihn abziehen will, durchschneidet vermöge seiner Erkenntnis den Himmel, nimmt seinen Weg durch die Geisterwesen und alle Mächte und Gewalten hindurch und gelangt so zu den höchsten Thronen, da sein Ziel allein das ist, was allein der Gegenstand seines Erkennens war.“ 778 Übersetzung von O. Stählin, BKV II/7. 779 Übersetzung ebd. 780 Vgl. z.B. Clem Al Strom 5,1,13; 7,3,16; 7,5,29. 776 777

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

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5. Das Reich Gottes als Äquivalent zum (ewigen) Leben In zwei Belegen wird die vom Johannesevangelium vollzogene Parallelisierung des „Reiches Gottes“ mit dem Heilsgut des „(ewigen) Lebens“ nachvollzogen781. In der bereits erwähnten allegorischen Deutung von Num 19,6 setzt der Verfasser des Barnabasbriefes das Reich Christi in eine Beziehung zum ewigen Leben: Was aber bedeutet es, dass man die Wolle auf das Holz legt? Dass das Reich Jesu auf dem Holz beruht und dass diejenigen, die auf ihn hoffen, ewig leben werden782. (Barn 8,5)

Eine parallele Verwendung von Reich Gottes und ewigem Leben findet sich auch im 2. Clemensbrief: Und erkennt, Brüder, dass der Aufenthalt dieses Fleisches in dieser Welt kurz ist und von geringer Dauer, die Verheißung Christi aber groß und wunderbar, nämlich die Ruhe des kommenden Reiches und des ewigen Lebens783. (2Clem 5,5)

Bei Ignatius finden wir ebenfalls eine stark johanneische Färbung des eschatologischen Heilsgutes, das er nicht nur als das „ewige Leben“ identifiziert, sondern andernorts auch mit den Begriffen der avfqarsi,a und des evpitucei/n qeou/ beschreiben kann. Die Folge davon [sc. der Menschwerdung Jesu] war die Auflösung aller Zauberei und das Verschwinden jeglicher Fessel der Bosheit; die Unwis-

781 Ein weiterer Beleg findet sich auch im späten griechischen Text der Apologie des Aristides in Arist Apol 16. Die Stelle fehlt allerdings im syrischen Original, so dass es sich hier wohl um eine spätere Interpolation handelt. In späterer Zeit findet sich diese Parallelisierung noch häufiger, z.B. Socr HE 1,26; Epiph Ancor 119; ConstAp 7,41; vgl. hierzu Lampe, Notes, 62. 782 Übersetzung von K. Wengst, SUC II. 783 Übersetzung ebd.

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Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

senheit wurde beseitigt, die alte Herrschaft ausgerottet, als Gott in Menschengestalt erschien zu neuem, ewigem Leben; seinen Anfang nahm, was bei Gott bereitet war784. (IgnEph 19,3)

6. Fazit Die Reich-Gottes-Belege in der frühchristlichen Literatur des zweiten Jahrhunderts bestätigen die bislang gewonnenen Ergebnisse. Es dominiert mit überwältigender Mehrheit die futurisch-endzeitliche Deutung des Reiches Gottes im Sinne einer künftigen Epoche, die mit der Parusie anbrechen wird785. Gelegentlich wird dieses endzeitliche Reich bei Papias, Justin und Irenäus millenaristisch gedeutet. Neben die futurische Interpretation tritt ebenfalls bei der Mehrheit der Belege die spatiale Deutung dieses Reiches als eines endzeitlichen Heilsraumes, in den die Gemeinde bzw. die Glaubenden oder Heiligen versammelt und mit Gott und Christus vereint werden. Eine massive Verstärkung auf der Grundlage der jesuanischen Einlasssprüche und paulinischen Ausschlussformeln erfährt der ethische Aspekt der Zugangsbedingungen. Das korrekte moralische Verhalten wird hier faktisch zur Eintrittsbedingung in das Reich Gottes. Der ntl. Aspekt der Gnade Gottes aufgrund des Heilswerkes Christi tritt dagegen in den Hintergrund786.

Übersetzung von J.A. Fischer, SUC II. Kvalbein, Fourth Gospel, 224: „In the ... apostolic fathers, in the apologists of the second century and in Ireneus and Clement of Alexandria the overwhelming use of ‚kingdom of God‘ or similar expressions is futuristic and eschatological“; ähnlich Mau, Herrschaft Gottes, 219: „Reich Gottes steht als Inbegriff der Hoffnung der Christen und meint eine von der gegenwärtigen irdischen Realität tiefgreifend unterschiedene eschatologische Wirklichkeit.“ 786 Die Erinnerung an das Heilswerk Christi als entscheidender Zugangsvoraussetzung zum Heilsraum des Reiches Gottes wird nur noch gelegentlich erwähnt, vgl. MartPol 20,2; Diog 9,1; 10,2; Herm Sim 9,12,5; Iren Demon 46; Iren Haer 3,11,8; Clem Al Protr 11. 784 785

IX.

Das „Reich Gottes“ in nachkanonischer Literatur

239

Auf der Grundlage der in den vorigen Kapiteln erarbeiteten Ergebnisse kann von einem „shift in thinking from the dynamic biblical concepts to the more static concepts of the Greco-Roman thought“787 keine Rede sein. Eine dynamischpräsentische Bedeutung des Begriffs basilei,a tou/ qeou/ im Sinne einer gegenwärtigen Königsherrschaft Gottes konnte weder im Neuen Testament noch in der frühchristlichen Literatur des 2. Jahrhunderts nachgewiesen werden. Es findet sich auch nirgendwo eine Verhältnisbestimmung zwischen dem „Reich Gottes“ und der „Herrschaft Gottes“788. Der Grund für die dominierende futurisch-spatiale Deutung des Reiches Gottes im frühchristlichen Schrifttum des 2. Jahrhunderts sollte deshalb nicht zuerst in der anti-jüdischen oder anti-gnostischen Apologetik oder der Rücksicht auf die politische Sensiblität des basilei,a-Begriffs gesucht werden. So wichtig diese Aspekte auch sein mögen, der entscheidende Grund liegt in einem durchaus sachgemäßen Verständnis des ntl. Zeugnisses und Begriffsgebrauchs. Gleichzeitig sind inhaltliche Verschiebungen nicht zu übersehen. Der Reich-Gottes-Begriff gerät allzu oft in den Strudel der philosophischen, nomistischen und gnostischen Deutungen der ntl. Schriften. Auffallend sind insbesondere die stark millenaristische Deutung des Begriffs bei Papias, Justin und Irenäus, sowie das stark ethische Verständnis, das neben dem Barnabasbrief v.a. beim Hirten des Hermas und Clemens von Alexandrien zu finden ist. Mit der Verflachung des Glaubensbegriffs zu einem bloßen Glaubensgehorsam und der Mutation der Glaubenshoffnung zur bloßen „Furcht Gottes“ wird auch der Geschenkcharakter der basilei,a im Sinne einer Gabe des Heils unterbetont. Entsprechend ist auch die Dimension des „Wortes vom Reich“, die in den „Wachstumsgleichnissen“ und der Apostelgeschichte im Vordergrund steht, völlig abwesend.

So Ferguson, Kingdom, 192; ähnlich bereits Lampe, Notes, 60. Mau, Herrschaft Gottes, 219: „Das Verhältnis des Reiches Gottes zum gleichfalls benannten kosmologischen Herrschaftsaspekt (Gott als pantokra,twr oder despo,thj) bleibt zunächst unerörtert.“

787 788

X. Zusammenfassung und Fazit

1. Zusammenfassung Schon der Überblick über die Forschungsgeschichte zeigte, dass die Interpretationsgeschichte von basilei,a tou/ qeou/ wie ein Spiegelbild der theologischen Entwürfe des 19. und 20. Jahrhunderts wirkt. Es gibt wahrscheinlich nur wenige neutestamentliche Begriffe, die sich aufgrund ihrer Polyvalenz so sehr als Projektionsfläche für die unterschiedlichsten theologischen Konzepte eignen, wie „Reich Gottes“. Seine relative Unschärfe und Multidimensionalität machten den Begriff zum idealen Schlagwort für die gegensätzlichsten theologischen Programme und Entwürfe. Entsprechend ist die Interpretationsgeschichte des Begriffs bis in die Gegenwart hinein von zahlreichen Fehleinschätzungen und Missverständnissen geprägt. Es wurde deutlich, dass entgegen der immer wieder vertretenen Mehrheitsposition Jesu Begriffsgebrauch von basilei,a tou/ qeou/ ein Verständnis widerspiegelt, das sich von der Bedeutung des Begriffs im apokalyptischen Schrifttum aus der Zeit des zweiten Tempels unterscheidet und eher mit dem Begriffsgebrauch der in Qumran gefundenen Sabbatlieder sowie einiger weniger anderer Belege verwandt ist. Während die frühjüdische Apokalyptik mit dem Erscheinen bzw. der Offenbarung des Reiches Gottes die endzeitlich-apokalyptische Epiphanie Gottes verbindet, der herrscherlich richtend erscheint, um zum einen die Feinde Israels zu richten und zu vernichten und zum anderen die national-jüdische Erwartung einer Restitution Israels einlöst, hat Jesu Verkündigung

242

X.

Zusammenfassung und Fazit

der basilei,a damit wenig zu tun. Sein Begriffsgebrauch enthält weder die national-jüdische und anti-pagane Prägung, noch die begleitende Terminologie der apokalyptischen Begriffsverwendung und auch nicht den Aspekt der königlichherrschenden Aktivität Gottes. Doch gerade dieser letzte Punkt genoss und genießt seit Gustav Dalmans nunmehr 120 Jahre alter Begriffsstudie nach wie vor eine nahezu dogmatische Anerkennung. Aber exakt dieses dynamische Verständnis der basilei,a als nomen actionis im Sinne einer „Königsherrschaft Gottes“ lässt sich in der Verkündigung Jesu kaum nachweisen. Als Übersetzung der meisten Belege erweist sich „Königsherrschaft“ oder auch „Gottesherrschaft“ als sinnlos bis unverständlich und bei den wenigen Belegen, bei denen diese Übersetzung semantisch möglich ist, erweisen sich andere Interpretationen als geeigneter und stimmiger. Anstelle der interpretierenden Übersetzung mit „Königsherrschaft Gottes“ reflektiert die Mehrzahl der Belege von basilei,a tou/ qeou/ in der Verkündigung Jesu eine spatiale Konnotation im Sinne eines futurischen Heilsortes bzw. -raumes, in den Gott diejenigen versammeln möchte, die seinem Ruf und seiner Einladung folgen. Hier findet das endzeitliche Freudenmahl statt, hier kommt es zur vollendeten Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch und auch zum Wiedersehen des Auferstandenen mit seiner Gemeinde. Neben dieses räumliche Verständnis tritt in den Logien, die von einem „Kommen“ oder „Nahen“ der basilei,a sprechen, das temporale Verständnis der basilei,a im Sinne einer zukünftigen Zeit des Heils, die im Vaterunser erbeten wird, mit der Parusie Jesu beginnt und mit einer umfassenden Transformation aller Verhältnisse einhergeht. Davon zu unterscheiden ist die messianische Heils- und Erfüllungszeit, die mit Jesu Kommen und Wirken angebrochen ist und mit den Begriffen der Erfüllung (plh,rwma/plhro,w) und des kairo,j beschrieben wird (z.B. Mk 1,14f./Lk 4,21). Wenn der räumliche oder temporale Aspekt der basilei,a vorliegt, so ist der Begriff durchweg futurisch zu interpretieren. Er bezeichnet dann einen Heilsraum und eine Heilszeit, die im Himmel bereits in vollendeter Gegenwart bestehen,

X.

Zusammenfassung und Fazit

243

deren Verwirklichung auf Erden allerdings erst noch erwartet wird. Der dynamische Aspekt spielt bei diesen Belegen nur insofern eine Rolle, als der Raum bzw. Ort des Heils und die Zeit des Heils selbstverständlich von Gottes unmittelbarer Herrschaft geprägt sein werden. Im Vordergrund stehen aber die anderen Aspekte. Darüber hinaus gibt es einige Belege, in denen die basilei,a als eine Gabe des Heils oder als ein Geschenk des Heils erscheint, die bzw. das empfangen, erlangt, ererbt oder besessen werden kann. Es handelt sich hierbei um die eschatologische Heilsgabe des „ewigen Lebens“, die bereits präsentisch empfangen, erlangt, ererbt oder besessen werden kann, die aber erst im Eschaton sichtbar werden wird. Während die synoptische Jesus-Verkündigung das bereits gegenwärtig empfangene Heil in der Regel als Empfang der basilei,a beschreibt und nur sehr selten vom „ewigen Leben“ spricht, kehrt sich das Verhältnis im Johannesevangelium und in den paulinischen Briefen nahezu um: Hier steht der Begriff des „ewigen Lebens“ oder bei Paulus auch der Begriff der swthri,a im Zentrum. Für die Leser und Hörer des hellenistisch-römischen Kulturraums waren diese Begriffe offensichtlich deutlich rezeptionsfähiger, während basilei,a tou/ qeou/ als durch und durch jüdischer Heilsbegriff relativ rasch zurücktrat und nur noch vereinzelt in traditionellen Formulierungen Verwendung fand. Ein vierter Aspekt des Begriffs findet sich in den sog. „Wachstumsgleichnissen“. In einer Reihe von Gleichnissen spielt auf der Bildebene ein Same, ein Senfkorn oder ein Sauerteig eine Rolle, in dem eine verborgene Kraft wohnt und aus dessen unscheinbarem Anfangszustand am Ende ein überwältigendes Endresultat in Form von vielfältiger Frucht, einer großen Staude oder einer großen Menge durchsäuerten Teigs hervorgeht. Der Same wird in Mt 13,19 auf der Sachebene als „Wort vom Reich“ mit der Botschaft Jesu identifiziert, die zunächst verborgen und unscheinbar im Herzen der Menschen wirkt und erst am Ende bei der Offenbarung des Reiches in ihrer Kraft und Wirksamkeit offenbar werden wird. Folglich steht das gegenwärtig verkün-

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Zusammenfassung und Fazit

digte „Wort vom Reich“ in einem genetischen, ontologischen und kausalen Zusammenhang mit dem endzeitlich sich offenbarenden Reich Gottes selbst, ohne freilich mit diesem identisch zu sein. Vielmehr weist das „Wort vom Reich“ auf das Reich selbst hin. Exakt dieser Zusammenhang prägt auch den genuin lukanischen Begriffsgebrauch, welcher durch die Verbindung von basilei,a tou/ qeou/ mit einem verbum dicendi charakterisiert ist. Schon im Lukasevangelium wird mit dem „Verkündigen der basilei,a“ die Proklamation einer Heilsbotschaft, eben des „Evangeliums vom Reich“ (Lk 16,16), verbunden. In der Apostelgeschichte gewinnt diese „Verkündigung“ bzw. „Lehre“ vom Reich dann ein klares Profil als Zusammenfassung des heilsgeschichtlichen Ratschlusses Gottes, angefangen von der Erwählung Israels bis zur Vollendung in der Parusie und mit ihrer Mitte im Wirken, Sterben und Auferstehen Jesu Christi. Lukas beschreibt anhand des Reich-GottesBegriffs, wie die vorösterliche Heilsverheißung Jesu durch die Heilstat Gottes in Kreuz und Auferstehung Jesu in der nachösterlichen Geschichte der Apostel zu einer Heilsbotschaft von Jesus wird. Dabei ist auch im lukanischen Doppelwerk die gegenwärtige Verkündigung des Reiches zu unterscheiden von der endzeitlichen Offenbarung des Reiches, wobei zwischen beiden derselbe innere Konnex besteht wie zwischen dem samenhaften „Wort vom Reich“ am Anfang und dem vollendeten Reich bei der Ernte am Ende. Schließlich ragen in der Jesustradition noch drei Belege heraus, die seit jeher als cruces interpretum gelten, aber in der Interpretationsgeschichte von basilei,a tou/ qeou/ eine bedeutende und häufig sogar dominierende Rolle spielten. Als das dictum probantium eines dynamisch-präsentischen Reich-Gottes-Verständnisses gilt dabei das sog. Exorzismuslogion in Mt 12,28/Lk 11,20. Dieses Logion, das in mehrfacher Hinsicht einen singulären Status unter allen Reich-Gottes-Logien der synoptischen Tradition genießt, ist der Grundpfeiler der These, dass mit Jesu exorzistischem und heilendem Wirken das Reich Gottes bereits angebrochen, manifestiert, vergegenwärtigt und verwirklicht worden sei. Unsere Untersuchung des Logions ergab allerdings, dass diese Interpretation

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Zusammenfassung und Fazit

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weder philologisch noch theologisch zu rechtfertigen ist. Es geht vielmehr um eine punktuelle und zeichenhafte Entsprechung und Vorabbildung des grundsätzlich futurischen Reiches, dessen endzeitliches Heil in den Exorzismen und Heilungen Jesu blitzlichtartig aufleuchtet. Von einem gekommenen oder angebrochenen Reich Gottes oder gar einer realized eschatology kann dagegen keine Rede sein. Auch mit Lk 17,21 wird man schwerlich die Präsenz des Reiches Gottes in Christus selbst, die sog. Autobasileia-Hypothese, begründen können. Der bereits interpretierenden Übersetzung von evnto.j u``mw/n in V. 21b mit „mitten unter euch“, die sich im 20. Jahrhundert durchgesetzt und in die meisten Bibelübersetzungen Eingang gefunden hat, fehlt nach wie vor die philologische Grundlage und auch die immer wieder herangezogenen Belegstellen aus der antiken Literatur können die ihnen hier aufgebürdete Beweislast nicht tragen. Es bleibt somit keine andere Möglichkeit als die beiden Worte mit „in euch“ bzw. „innerhalb von euch“ zu übersetzen. Diese im kirchengeschichtlichen Rückblick häufig als „gnostisch“ bzw. „spiritualistisch“ gebrandmarkte Übersetzung gewinnt aber eine kohärente Bedeutung, wenn man bedenkt, dass das Reich Gottes schon gegenwärtig im Sinne des „ewigen Lebens“ empfangen, erlangt, ererbt oder besessen werden kann. Es ist damit eine unsichtbare, verborgene Gabe des Heils, die im Herzen des Menschen eine bereits präsentische Wirklichkeit ist, aber erst eschatologisch offenbar werden wird. Lk 17,21 ist damit letztlich eine anthropologische Aussage, die der jesuanischen und paulinischen Anthropologie entspricht (vgl. Mk 7,15; Röm 7,22; 8,23-25; 2Kor 4,16; Kol 3,3f.). Für den sog. Stürmerspruch (Mt 11,12f./Lk 16,16) gilt der Begriff der crux interpretum im potenzierten Maß. Kein Ausleger kann in Anbetracht der Vielzahl philologischer, grammatischer und semantischer Probleme dieser Überlieferung eine Deutung mit dem Brustton exegetischer Gewissheit vorlegen. Es lässt sich nicht mehr als die Erwägung formulieren, dass hier entweder die Heilssehnsucht von Menschen beschrieben wird, die sich aufgrund der Verkündigung des Evangeliums in das Reich Gottes als jenem beschriebenen

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Zusammenfassung und Fazit

Raum des Heils hineindrängen wollen, oder die von Jesus und seinen Jüngern durch die Evangeliumsverkündigung in diesen Raum hineingedrängt werden. Das exegetische und theologische Interesse an den genannten cruces interpretum hängt vor allem mit der Tatsache zusammen, dass sie neben den wenig aussagekräftigen Logien in Mk 14,25parr und Mt 16,28 die einzigen Jesuslogien sind, in denen sich Jesus selbst in eine Beziehung zu dem von ihm verkündeten Reich Gottes setzt. Wenn aber die ihnen unterstellte Deutung im Sinne einer in Jesus bzw. seinem Wirken präsenten Königsherrschaft Gottes nicht möglich ist, bleibt auch die Verbindung von Jesus und Reich Gottes in der synoptischen Überlieferung ein Rätsel, v.a. weil das Verhältnis zwischen seiner Reich-Gottes-Verkündigung und seiner Sendung, Passion und Auferstehung obskur und änigmatisch erscheint. Hier wird deshalb die These vertreten, dass dieses Verhältnis analog zu Jesu messianischem Anspruch bis zu seinem Tod und seiner Auferstehung notwendigerweise verborgen bleiben musste und erst im nachösterlichen Licht begriffen werden konnte, wie dies dann auch in den paulinischen Briefen, in der Apostelgeschichte und im Johannesevangelium geschieht. In den unumstrittenen paulinischen Briefen fallen zunächst die drei Ausschlussformeln (1Kor 6,9f.; 15,50; Gal 5,21) ins Auge, die das Reich Gottes vor dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Landverheißung an Israel als einen endzeitlichen Raum des Heils begreifen, den es zu ererben gilt bzw. dessen Heil man nicht durch ein dauerhaftes und fortgesetztes Festhalten an sündiger Praxis verspielen sollte. Insbesondere in 1Kor 15,50 wird das Reich Gottes als ein postmortales und postparusiales Reich vorgestellt, das erst nach der Parusie offenbart werden wird und in das der Mensch nicht im physischen Status von „Fleisch und Blut“, sondern nur in einem verwandelten Auferstehungsleib hineingelangen kann. Als eine futurische Größe der endzeitlichen Heilswirklichkeit wird die basilei,a tou/ qeou/ auch in 1Thess 2,12; 1Kor 4,20 und Röm 14,17 begriffen. Allerdings soll das Hoffnungspotential dieses zukünftigen Heilsgutes die Gemeinde schon

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Zusammenfassung und Fazit

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heute zu einem dieser Heilswirklichkeit des Reiches entsprechenden Verhalten und Lebensstil motivieren (1Thess 2,12). Am Begriff der basilei,a tou/ qeou/ enthüllt sich für Paulus das Wesen christlicher Existenz, die sich weder in rhetorischer Brillanz oder weisheitlichem Bildungsdünkel (1Kor 4,21), noch in der nomistischen Korrektheit von „Essen und Trinken“ zeigt, sondern in der Gerechtigkeit, im Frieden und in der Freude im Heiligen Geist (Röm 14,17). Die paulinische Zurückhaltung in der Verwendung des Begriffs im Vergleich zu den synoptischen Evangelien liegt analog zur johanneischen Tradition zum einen in seiner begrenzten Kommunikabilität und zum anderen in seiner problematischen Missverständlichkeit im hellenistisch-römischen Kulturraum begründet. Zur Beschreibung des verheißenen, erwarteten und erhofften Heilsgutes waren Begriffe wie „ewiges Leben“ oder swthri,a (Heil/Rettung) wesentlich geeigneter. Dasselbe gilt auch für das Johannesevangelium. Nachdem der vierte Evangelist den Begriff als Bezeichnung des von Jesus eröffneten Heilsgutes in der Nikodemusperikope zweimal im Munde Jesu ganz in synoptischer Prägung im Sinne eines futurischen Heilsortes bzw. einer futurischen Heilszeit erwähnt (Joh 3,3.5), wechselt er anschließend konsequent zu seiner eigenen soteriologisch-eschatologischen Terminologie, die ganz und gar vom Begriff des zwh. aivw,nioj geprägt ist. Dieser Begriff findet sich zwar auch vereinzelt in der synoptischen Jesusverkündigung, tritt dort aber fast gänzlich hinter basilei,a tou/ qeou/ zurück. Bei Johannes ist das „(ewige) Leben“ Teil seiner präsentischen Eschatologie, die freilich keine Abkehr von einer futurischen Eschatologie bedeutet, ganz im Gegenteil: Auch die schon in der Gegenwart im Glauben an Jesus Christus zu empfangende Gabe des ewigen Lebens wird erst eschatologisch offenbar werden. Allerdings ermöglicht es der Begriff des (ewigen) Lebens, die präentisch-eschatologische Heilsgabe mit dem Heilsgeber selbst zu identifizieren. So ist Jesus das Leben in Person (Joh 5,26; 11,25; 14,6; vgl. Röm 6,23), ihn zu erkennen bedeutet ewiges Leben (Joh 17,3) und auch seine Worte sind ewiges Leben (6,63.68). Diese Identifikation von Gabe und Geber

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Zusammenfassung und Fazit

findet mit dem Begriff der basilei,a tou/ qeou/ aus guten Gründen nirgendwo im Neuen Testament statt (auch nicht in Lk 17,21). Aus guten Gründen ist auch in Joh 18,36 zwar von der basilei,a Jesu, aber nicht von der basilei,a tou/ qeou/ die Rede, denn es geht hier um zwei unterschiedliche Größen. Bei der basilei,a Jesu, die nicht von dieser Welt ist, handelt es sich im Rahmen des subtilen Herrschaftsdiskurses der johanneischen Passionsgeschichte um eine zwar paradoxe aber doch ganz reale Herrschaft Jesu im Sinnes eines nomen actionis, analog zur nachösterlichen evxousi,a des Auferstandenen nach Mt 28,18. Jesus ist in diesem Machtkonflikt mit Pilatus der wahre König, der im Letzten seine Ziele vollbringt (Joh 19,30), während Pilatus nur scheinbare Macht besitzt (vgl. Joh 19,8-12). Mit dem Reich Gottes hat diese Herrschaft Jesu nur indirekt zu tun, nämlich indem durch Jesu Bezeugen der Wahrheit diejenigen, die „aus der Wahrheit sind“ seine Stimme hören, zum Glauben an ihn kommen, dadurch neugeboren werden aus Wasser und Geist und auf diese Weise die basilei,a tou/ qeou/ „sehen“ bzw. in sie „hineinkommen“ können (Joh 3,3.5). In der Johannesapokalypse finden wir in Apk 1,6 und 5,10 die einzigen ntl. Belege, in denen die Gemeinde vor dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Exodusformel (Ex 19,5f.) als basilei,a bezeichnet wird, womit gemäß der Exodusformel ein Herrschaftsraum beschrieben wird, in dem Christus schon gegenwärtig herrscht und in dem seine Herrschaft erkannt und anerkannt wird. Auch hier findet sich aus gutem Grund nicht der Begriff basilei,a tou/ qeou/, der nirgendwo im Neuen Testament auf die Jüngerschaft Jesu oder die christliche Gemeinde appliziert wird, weder in den Evangelien, noch in der Apostelgeschichte, noch in der ntl. Briefliteratur789. Von der basilei,a tou/ qeou/ ist in der Johannesapokalypse einzig und allein in Apk 11,15 und 12,10 die Rede. Hier geht 789 Kvalbein, Fourth Gospel, 224: „The identification of kingdom and church is late. It gained power only after Constantine by the influence of Augustin.“

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es nun tatsächlich um den Anbruch der endzeitlichen Königsherrschaft Gottes, wie sie im atl. und apokalyptischen Schrifttum in Kapitel II und III beschreiben wurde und mit dem das verborgene Ziel der Heilsgeschichte vollendet wird. Nun liegen bis auf die national-jüdischen Akzente alle Elemente sowohl der atl. als auch der frühjüdisch-apokalyptischen Zukunftserwartung vor, die bislang stets abwesend waren: Es geht um eine sichtbare Machtergreifung und Herrschaft Gottes, die mit einem kosmischen Kampf gegen den Drachen/Teufel/Satan einhergeht und mit der finalen Überwindung aller gottfeindlichen Mächte und Völker endet. Die Form der Herrschaft Gottes ist nun eine andere als beispielsweise die paradoxe Herrschaft Christi in Mt 28,18; Joh 18,36f.; Röm 1,3f.; Eph 1,20-23 oder auch in Kol 1,13f.; 2,9f.15. Sie gewinnt nunmehr eine sichtbare und sehr direkte Gestalt. Hier wird Wirklichkeit, was in den Exorzismen Jesu nur punktuell und zeichenhaft abgebildet wurde und was möglicherweise auch 1Kor 15,24f. in äußerster Verkürzung mit dem Begriff der basilei,a beschreibt. Ohne dass der Begriff basilei,a tou/ qeou/ fällt, wird schließlich in Apk 21,1-22,5 der eschatologische Ort des Heils und die Zeit des Heils beschrieben, von der in den meisten ntl. Belegen die Rede war. Die Johannesapokalypse schildert somit zunächst den Anbruch der Königsherrschaft Gottes im Rahmen der endzeitlichen und kosmischen Auseinandersetzung zwischen Gott und Satan, bevor sie in einer abschließenden Vision vom neuen Jerusalem jenen Ort des Heils und jene Zeit des Heils entfaltet. Letzteres war auch der zentrale Inhalt der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu, der sich auch in den meisten Reich-Gottes-Belegen der paulinischen Literatur widerspiegelt und auch in Hebr 12,28 und 2Petr 1,11 reflektiert wird. Der abschließende Überblick über die frühchristliche Literatur der nachkanonischen und nachapostolischen Epoche des 2. Jahrhunderts zeigte im Wesentlichen zwei Ergebnisse: Zum einen knüpft die weit überwiegende Mehrzahl der Belege sowohl an die futurisch-endzeitliche als auch an die räumliche Konnotation des ntl. Begriffsgebrauchs an. Das Reich Gottes ist ein Ort des Heils für die Gemeinde, der

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Zusammenfassung und Fazit

endzeitlich nach der Parusie Christi offenbar werden wird, der aber v.a. bei Irenäus schon gegenwärtig im Himmel besteht. Von einer frühkatholischen Tendenz zur Futurisierung und Entweltlichung des Reiches Gottes in den Spätschriften des Neuen Testaments und in der nachkanonischen Literatur des 2. Jahrhunderts kann daher keine Rede sein, es sei denn man möchte der Verkündigung Jesu eine Vergegenwärtigung und eine Verweltlichung des Heils unterstellen, was jedoch in Anbetracht der Ergebnisse dieser Studie nicht zu empfehlen ist. Im Großen und Ganzen haben die Autoren des 2. Jahrhunderts die wesentlichen Linien sowohl der jesuanischen wie der paulinischen Reich-Gottes-Verkündigung sachgemäß verstanden und wiedergegeben. Zum anderen lassen sich jedoch gewisse Verschiebungen in Richtung Moralismus oder Millenarismus nicht leugnen. Während sich insbesondere bei Papias, Justin und Irenäus die millenaristische Deutung des Reiches Gottes im Sinne einer irdischen Heils- und Herrschaftszeit Christi großer Beliebtheit erfreut, ist es im Barnabas- und 2. Clemensbrief sowie bei Ignatius, beim Hirt des Hermas und v.a. bei Clemens von Alexandria die Moralisierung der Zugangsvoraussetzungen zum Reich Gottes, die ins Auge fällt. Die soteriologischen Grundlagen des ntl. Evangeliums treten hier zusehends in den Hintergrund.

2. Fazit Auch in dieser Untersuchung wurde die Polyvalenz des Begriffs basilei,a tou/ qeou/ bestätigt. Aber damit ist auch schon der Konsens mit der Mehrheitsposition zu diesem Begriff, wie er in den einschlägigen Lexika und Standardwerken formuliert wird, erschöpft. In fast allen anderen Fragen kommt diese Studie zu anderen Ergebnissen. Die gängige dynamische Übersetzung mit „Königsherrschaft Gottes“ macht letztlich nur an sehr wenigen ntl. Belegen Sinn. Die meisten ntl. und nachkanonischen Belege verstehen den Begriff stattdessen in einem spatialen Sinn als einen futurischen Ort des

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Heils und einige wenige im Sinne einer futurischen Zeit des Heils. In der Tat gibt es auch eine Reihe von Belegen, in denen eine präsentische Bedeutung des Begriffs vorliegt, aber eben nicht im Sinne einer Herrschaft oder Regentschaft, sondern im Sinne einer Heilsgabe, gleichbedeutend mit dem „ewigen Leben“ als dem zentralen christlichen Hoffnungsgut, das schon jetzt empfangen, erlangt, ererbt oder besessen werden und „inwendig“ in einem Menschen wohnen kann, das aber noch verborgen und unsichtbar ist und erst eschatologisch sichtbar werden wird. Eine präsentische Bedeutung gewinnt die futurische basilei,a tou/ qeou/ bei Paulus auch noch in dem Sinn, dass die Wirklichkeit dieses erhofften Reiches schon heute eine motivierende und normierende Kraft für das Verhalten und den Lebensstil der Glaubenden gewinnen soll. Schließlich wird durch die Predigt des „Reiches Gottes“, des „Wortes vom Reich“ bzw. des „Evangeliums vom Reich“ schon gegenwärtig verkündigt, was erst am Ende der Zeit offenbar werden wird. Mehr kann und sollte über die Gegenwart der basilei,a tou/ qeou/ nicht gesagt werden, denn der Begriff hat abgesehen von den benannten Kontexten durchweg futurische Bedeutung. Er bezeichnet das zentrale Heilsgut, das bereits jetzt in der himmlischen Welt Wirklichkeit ist, aber auf Erden erst noch im Zusammenhang mit der Parusie Christi erwartet wird und in das Menschen nur in einem postmortalen Auferstehungsleib eintreten können. Auch umgekehrt fällt auf, dass überall dort, wo im Neuen Testament von einer präsentischen Herrschaft des Auferstandenen die Rede ist (z.B. Mt 28,18; Eph 1,20-23; 2,14-18; Phil 2,9-11; Kol 1,15-23; 2,9.15), nirgendwo basilei,a tou/ qeou/ verwendet wird790. Zweimal wird der Begriff basilei,a verwendet (1Kor 15,24f.; Joh 18,36) und hier nun tatsächlich als nomen actionis im Sinne einer (unsichtbaren?) „Herrschaft“ bzw. „Regentschaft“. Ansonsten verwenden die Texte zur Bezeichnung dieser gegenwärtigen Herrschaft Christi andere 790 Der besondere Fall des Exorzimuslogions (Mt 12,28/Lk 11,20) wurde ausführlich erörtert und kann nicht als Beleg einer dauerhaft präsentischen Herrschaft gelten.

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Begriffe wie z.B. evxousi,a (Mt 28,18), kefalh, (Kol 2,9), das Verb basileu,ein (1Kor 15,25) oder andere Beschreibungen der Überordnung Christi über die Mächte, Herrschaften und Gewalten dieser Welt. Das spezifische Syntagma basilei,a tou/ qeou/ wird dafür aber nicht gebraucht. Im Rückblick muss die dynamisch-präsentische Deutung von basilei,a tou/ qeou/ im Sinne einer präsentischen Königsherrschaft Gottes als ein Phänomen des 20. Jahrhunderts betrachtet werden. Sie basiert letztlich auf drei verfehlten Annahmen bzw. Deutungen: (1) Gustav Dalmans Bestimmung des Begriffs als nomen actionis im Sinne von „Herrschaft Gottes“, (2) der Behauptung einer traditionsgeschichtlichen Kontinuität zum jüdisch-apokalyptischen Begriffsgebrauch und schließlich (3) einer entsprechenden Deutung des Exorzismuslogions und des Logions aus Lk 17,21. Die tieferen Gründe für den Erfolg der dynamisch-präsentischen Deutung liegen jedoch in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Angefangen von den religiösen Sozialisten um Leonhard Ragaz und Christoph Blumhardt über die von Walter Rauschenbusch begründete Social-Gospel-Bewegung bis hin zu Jürgen Moltmanns „Theologie der Hoffnung“ und Christian Hoekendijks Missionstheologie, die in der ökumenischen Missionsbewegung eine große Bedeutung entfaltete, sowie den verschiedenen Befreiungstheologien war man im vergangenen Jahrhundert auf der Suche nach exegetischen Begründungsmustern für sozialpolitische und gesellschaftstransformatorische Programme791. Für diese Konzeptionen war Charles H. Dodds These einer realized eschatology das missing link, um theologischen Entwürfen, die ihre Ursprünge in ideologischen Programmen hatten, eine exegetische Grundlage zu geben. Hinzu kam im Nachkriegsdeutschland der Schock über das empfundene Versagen der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre,

791 Vgl. auch die Kritik von Hiers, Kingdom, 6, aus dem Jahr 1970: „So long as Jesus’ eschatological outlook was ignored, it seemed possible, by use of only moderately ingenious exegetics, to find in him the advocate of all sorts of modern-day viewpoints and concerns.“

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die nicht in der Lage war, die Katastrophe der nationalsozialistischen Tyrannei kritisch zu beleuchten, geschweige denn zu verhindern. Ganz im Gegenteil schien sie in Form der zeitgenössischen lutherischen Theologie die nationalsozialistische Diktatur eher noch zu stabilisieren. Vor diesem Hintergrund suchte man in der Nachkriegszeit nach theologischen Konzepten, die eine kritischere und „widerstandsfähigere“ Haltung gegenüber Staat und Obrigkeit ermöglichten. Dies geschah auf lutherischer (z.B. Helmuth Thielicke) und reformierter Seite (z.B. Karl Barth und Jürgen Moltmann) auf ganz unterschiedliche Weise, aber ein gemeinsames Moment war die eschatologische Dynamisierung der Gegenwart. Vom Eschaton her sah man sich legitimiert, nicht nur ein kritisches Licht auf die gegenwärtigen Verhältnisse zu werfen, sondern auch selbst im Hier und Jetzt zu einer „vorläufigen“, „antizipierenden“, „anbrechenden“ Realisierung des Eschatons beizutragen. Die dynamisch-präsentische Reich-Gottes-Konzeption einer realized eschatology (C.H. Dodd) oder – etwas gemäßigter – einer „sich realisierenden Eschatologie“ (J. Jeremias) war für dieses Anliegen hoch willkommen, auch wenn sie in ihrer Reinform im deutschsprachigen Raum stets zurückhaltend rezipiert wurde. Symbolisch kommt dieses Anliegen nach wie vor in der mittlerweile als unhaltbar erwiesenen Übersetzung von evnto.j u``mw/n mit „in eurer Mitte“ anstatt des sprachlich zwingenden „in(wendig in) euch“ in Lk 17,21b zum Ausdruck. Gegenüber der unsichtbaren und verborgenen Wirklichkeit der Heilsgabe des Reiches Gottes im Sinne des neuen, ewigen Lebens gab man der Gegenwart einer Herrschaft den Vorzug, da nur sie gesellschaftspolitisch verwertbar erschien. Schließlich eröffnete die dynamisch-präsentische Deutung des Reiches Gottes v.a. der protestantischen Theologie des 20. Jahrhunderts einen Ausweg aus der mehr und mehr als peinlich empfundenen apokalyptischen Eschatologie des Neuen Testaments, der man mit wachsendem Unbehagen und sogar Befremden begegnete792. An die Stelle der skurril 792

Vgl. Koch, Ratlos, sowie Frey, Apokalyptik, 23-55.

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und irritierend erscheinenden Endzeitszenarien der jesuanischen Endzeitreden und v.a. der Johannesapokalypse trat nun die Königsherrschaft Gottes im Hier und Jetzt, deren futurische Dimension man in der Regel zwar nicht leugnen konnte und wollte, deren dynamisch-präsentische Dimension jedoch eine Neuinterpretation der Eschatologie ermöglichte793. Nunmehr wurde die Dimension der Zeit irrelevant; die Horizonte des Wirkens Jesu und des Eschatons verschmolzen miteinander794. Wirkliches Gewicht aber hatte letztlich nur die Gegenwart, die Präsenz des Gottesreiches und seine Bedeutung für die aktuellen Fragen von Gemeinde, Kirche und Welt795. Gegenüber dieser Ideologisierung des Begriffs hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ein zunehmendes Unbehagen in der ntl. Forschung breit gemacht, zunächst in Norwegen, dann in der angelsächsischen Welt und schließlich auch vereinzelt im deutschsprachigen Raum. Diese Studie steht in der Tradition dieser neuen Wahrnehmung des Begriffs im Sinne eines futurischen Heilsortes, einer kommenden bzw. sich nähernden Heilszeit, einer Heilsgabe im Sinne des „ewigen Lebens“, die schon präsentisch empfangen, erlangt, ererbt und besessen werden kann, aber erst im 793 So waren die eschatologischen Aussagen des Neuen Testaments für Bultmann, Jesus (1926), 46-51, lediglich Mythologie, die Gewänder in denen die wahre Bedeutung Jesu ihren äußeren Ausdruck fand. Vgl. hierzu auch Koch, Weltgeschichte, 54: „Der Wechsel der Übersetzungsgewohnheit hat weitreichende Folgen bis in den dogmatischen Bereich hinein. Erlaubt doch die Wiedergabe ‚Königsherrschaft Gottes‘ ganz anders als diejenige durch ‚Reich Gottes‘, eine linear-futurische Eschatologie für Jesus in Zweifel zu ziehen oder völlig zu leugnen und sich damit einer modernen theologischen Verlegenheit zu entziehen“, und zum Ganzen Hiers, Kingdom, 10-21. 794 Zahrnt, Jesus von Nazareth, 103: „So fest ist das Kommen des Reiches Gottes mit dem Auftreten Jesu verbunden, daß zwischen der jetzigen Ansage und dem endgültigen Anbruch des Reiches Gottes keine ‚übrige Zeit‘ mehr bleibt und also kein Raum mehr für irgendein weiteres Ereignis oder eine andere Rettergestalt.“ 795 Hiers, Kingdom, 20: „It is significant that what is usually disposed of is the theologically embarrassing futuristic evidence, while the relatively scanty and problematical evidence which might be construed in favour of ‚realized‘ eschatology is given full play.”

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Eschaton offenbar werden wird, und schließlich eines Heilswortes, das durch die Verkündigung des Evangeliums im Sinne des „Wortes vom Reich“ Menschen verändert, sammelt und sie zu Teilhabern dieses endzeitlichen Reiches macht. Es ist evident, dass sich dieses so verstandene Reich Gottes jedweder menschlichen Mitwirkung entzieht und in keiner Weise Gegenstand menschlicher Aktivität sein kann, wie es die unglückliche, aber weit verbreitete Metapher vom „Bauen des Reiches Gottes“ nahelegt. Es hat schon seinen Grund, warum die Metapher des Bauens sich im Neuen Testament allein auf die soziale Größe der Gemeinde bezieht und an keiner Stelle auf das Reich Gottes angewandt wird. Es wäre daher verfehlt, sowohl den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit als auch den Einsatz für Mission und Evangelisation als eine Aufrichtung, Herbeiführung oder gar Verwirklichung des Reiches Gottes zu interpretieren und die so Handelnden als Träger des Reiches Gottes zu bezeichnen796. Nirgendwo wird die Gemeinde im Neuen Testament mit dem Reich Gottes identifiziert bzw. „[d]ie Kirchen als Repräsentanten des Reiches Gottes“ begriffen797. Der ntl. Reich-Gottes-Begriff taugt deshalb nicht als Grundlage für befreiungstheologische oder transformatorische Konzepte. Eine derartige soteriologische Dynamisierung ethischen oder missionarischen Handelns geht an dem ganz und gar theozentrischen Reich-Gottes-Begriff des Neuen Testaments vorbei. Dagegen bedeutet die ntl. Verkündigung des Reiches Gottes eine Aufforderung an den modernen Leser und Exegeten, sich wie schon Johannes Weiß am Ende des 19. Jahrhunderts neu mit der ntl. Eschatologie und ihrem apokalyptischen Horizont auseinanderzusetzen, ohne den weder die Verkündigung Jesu noch die Theologie des Apostels Paulus verstanden werden können. Ohne diesen Hoffnungshorizont des christlichen Glaubens bleibt der Begriff der basilei,a tou/ qeou/ selbst unverständlich und seine Verkündigung kraftlos. 796 797

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Stellenregister (in Auswahl) 1. Altes Testament Genesis Gen 2,1-3 Exodus Ex 8,15 Ex 15,13ff. Ex 19,5f. 248

185 96, 104 201 194,

Deuteronomium Dtn 30,11-14 Dtn 30,19f. Dtn 32,47

118 68 68

1. Samuelbuch 1Sam 16,1-13

128

2. Samuelbuch 2Sam 2,1-4 2Sam 5,1-3 2Sam 7,11-16

128 128 129

1. Königebuch 1Kön 1,32-40 1Kön 1,46f.

185 185

Jesaja Jes 2,2-5 Jes 2,4 Jes 6,3-5 Jes 7,14LXX Jes 9,4 Jes 14,12-22

19 23 18 204 23 107

Jes 26f. Jes 31,4 Jes 40,9f. Jes 52,7 Jes 52,13-53,12 Jes 53,1 Jes 56,1 Jes 66 Jes 66,7LXX

201 29 29 29, 161 129 161 57 201 205

Ezechiel Ez 17,22-24 Ez 28,11-19 Ez 31,1-9

83f. 107 83f.

Joel Joel 2,27LXX Joel 3,1-5

165 165

Amos Am 9,11

166

Obadja Ob 15-21

19, 28

Micha Mi 4,1-5 Mi 4,3 Mi 4,7

19 23 17

Sacharja Sach 3,1-2 Sach 14 Sach 14,3-16 Sach 14,16

108 27 20 29

286 Sach 14,28 Psalmen Ps 2,7-9 210 Ps 22,29 Ps 47 Ps 47,10 Ps 93 Ps 95,10LXX Ps 96,11f. Ps 97,2 Ps 98,1LXX 211f. Ps 98,7f. Ps 99,1 Ps 103,19 Ps 110,1 208 Ps 145,11-13 Hiob Hiob 1,6-11 Hiob 2,1-6 Hiob 33,9 Daniel Dan 2,21 Dan 2,34 23f. Dan 2,44 27, 166 Dan 2,45 Dan 2,47 Dan 3,33f. Dan 4,7ff. Dan 4,14

Stellenregister

28

Dan 4,21LXX 84 Dan 4,22 21 Dan 4,27 21 207, Dan 4,29 21 Dan 4,31 21 17 Dan 4,45 21 18 Dan 5,18f. 21 19 Dan 5,20-24 21 18 Dan 5,21 21 188, 211, 223 Dan 5,26-28 21 18 Dan 6,27 21 203 Dan 7,3-8 22 201f., Dan 7,11f. 22 Dan 7,13f. 22f. 18 Dan 7,14 22, 24, 203 27 17 Dan 7,18 23 143, Dan 7,22 23 Dan 7,25f. 23 17 Dan 7,27 22-24, 27, 166, 226, 229 Dan 10,13f. 23 108 Dan 12,1 110, 108 204 45 Dan 12,2f. 183 21 21, 22, 24, 23 21 21, 229 83f. 21

2. Chronikbuch 2Chr 13,8

17

2. Literatur des antiken Judentums Ass(umptio) Mos(is) AssMos 10,1-19 28 AssMos 10,1-10 27, 29, 106,109, 166

287

Stellenregister

AssMos 10,1-2 28, 106, 204, 210f. gr(iechisches) Bar(uchbuch) grBar 2,1 47 grBar 3,1 47 grBar 11,2 33, 41, 45, 130 syr(isches) Bar(uchbuch) syrBar 73,1 27 Jub(iläenbuch) Jub 1,28 Jub 23,29 106, 109, 211

29f. 28,

Or(acula) Sib(yllina) OrSib 2,344-347 33 OrSib 3,46-50 27, 29 OrSib 3,492ff. 29 OrSib 3,551ff. 29 OrSib 3,767-771 27 OrSib 3,767 27f., 211 Par(alipomena) Jer(emiae) ParJer 9,5 47 Ps(almen) Sal(omos) PsSal 2,28-32 29 PsSal 5,18f. 27 PsSal 17,3f. 27 PsSal 17,21-46 27 PsSal 17,21-25 204

Sap(ientia) Sal(omonis) SapSal 10,10 17, 33, 45, 130 Test(ament) Abr(ahams) TestAbr A(Lng) 10f. 47 TestAbr A(Lng) 7,7 33, 45 Test(ament) Hiob(s) TestHiob 33,9 33, 45, 130 Test(amente der zwölf Patriarchen) TestDan 5,10-13 27-29, 106, 109, 166, 204, 211 TestJud 21f. 27, 166 TestJud 24 27, 166 TestLev 2,6f. 47 TestLev 18,12 108f. Tob(it) Tob 13,11

29

Schriften aus den Höhlen von Qumran 1QM 12,8 27 1QM 12,13-15 29 1QM 12,15f. 27 1QM 17,5-8 27f., 106, 109, 204, 211 1QM 18,1 106, 109 1QM 6,4-7 29 1QM 6,6 27-29, 106, 109, 211

288 1QSb 3,5 1QSb 4,24-26 1QSb 5,21 4Q286 Frg. 7 4Q400 Frg. 1 4Q400-407 4Q405 Frg. 23 11QShirShabb MsShirShabb

Stellenregister

27 27 27 32 32 31 32 31 31

Rabbinisches Schrifttum mBer 2,2 33 mBer 2,5 33 mJoma 3,8 26 mJoma 4,1f. 26 mJoma 6,2 26 bBer 2,4f. 33 SifBem 15,39 33 SifDev 17,20 33 SifDev 32,29 33 3. Neues Testament Matthäusevangelium Mt 1,21 58 Mt 2,2 58 Mt 2,13-15 208 Mt 2,16-18 208 Mt 3,2 45 Mt 4,23 120, 131, 160 Mt 5,3-12 63 63, 77, Mt 5,3 131, 164 Mt 5,10-12 137, 164

Mt 5,10 63, 77, 131 Mt 5,19 48 Mt 5,20 46, 147 Mt 5,35 42 Mt 6,9 96 Mt 6,10 52, 155 Mt 6,25-33 147 Mt 6,33 63, 131, 147 Mt 7,13f. 46 Mt 7,21 46 Mt 8,11f. 46, 48f., 127, 148 Mt 9,35 120, 131, 160 Mt 10,5-15 107 Mt 10,7f. 55f., 96f., 104, 112, 147 Mt 10,13 147 Mt 10,23 54 Mt 10,37 43 Mt 11,2-6 58f. Mt 11,2f. 129 Mt 11,5f. 10, 116 Mt 11,11 5, 48 Mt 11,12 46, 92, 119-121, 245 Mt 11,29 34 Mt 12,1-14 73 Mt 12,22-30 95, 108 Mt 12,25-30 112 Mt 12,25f. 50, 97 Mt 12,27 94f. Mt 12,28 5-7, 11-13, 38, 52, 59, 92-

Stellenregister

113, 116, 123, 132, 156, 213, 215, 244 Mt 12,29 50, 97 Mt 12,32 61, 111 Mt 13,9 76 Mt 13,11 75 Mt 13,16f. 58f. Mt 13,19 75-77, 130, 160, 176, 197, 243 Mt 13,20 76 Mt 13,22f. 76 Mt 13,24-30 74 Mt 13,31f. 74, 81f. Mt 13,33 74, 86 Mt 13,36-43 74 Mt 13,39 61 Mt 13,40 61 Mt 13,41f. 46, 49 Mt 13,42f. 48, 67 Mt 13,49 61 Mt 13,50 49 Mt 14,25 148 Mt 16,19 46 Mt 16,27f. 55 Mt 16,28 42, 52, 55, 61, 125-127, 246 Mt 18,1 46, 48 Mt 18,3 46, 181 Mt 18,4 48 Mt 18,8f. 67, 130 Mt 18,21-35 42, 73 Mt 18,23 43 Mt 19,16-26 130 Mt 19,23f. 46, 67 Mt 19,28 43

289 Mt 19,29 65, 71, 138 Mt 20,1-16 73 Mt 20,21 42, 46, 136 Mt 20,28 59, 122 Mt 21,25-28 55 Mt 21,31 46, 55, 67 Mt 21,33-44 73 Mt 21,34 64 Mt 22,1-14 42, 49, 155 Mt 22,2 43 Mt 22,13 46, 49 Mt 22,37ff. 100 Mt 23,13 47 Mt 23,26 116f. Mt 23,39 55 Mt 24,3 61 Mt 24,14 91, 120, 131, 160 Mt 24,22 109 Mt 24,30 55 Mt 24,45-51 73 Mt 25,1-13 47, 49, 73 Mt 25,14-30 49, 73 Mt 25,21.23 49, 155 Mt 25,30 49 Mt 25,31-46 42, 67, 73 Mt 25,31 55 Mt 25,34 42, 51, 63, 67, 97, 130, 138f., 226, 231 Mt 25,40 42

290 Mt 25,41 97 Mt 25,46 67, 71, 130, 139 Mt 26,18 57 Mt 26,27f. 122 Mt 26,29 48, 61, 112, 123, 125, 127 Mt 26,64 55 Mt 27,29 42 Mt 27,37 42 Mt 27,42 42 Mt 28,16ff. 196 Mt 28,18 59, 127, 142, 189, 248, 251.f. Mt 28,20 61 Markusevangelium Mk 1,9-11 59 Mk 1,14f. 5, 5560, 61, 77, 130, 242 Mk 1,15 52, 5560 Mk 2,18-22 58f. Mk 3,22-27 94, 97 Mk 4,3-9 75 Mk 4,9 76 Mk 4,11 75 Mk 4,14-20 75f. Mk 4,26-29 74, 78 Mk 4,26 63 Mk 4,30-32 74, 81 Mk 4,30 82 Mk 4,32 83 Mk 7,15 118f., 132, 245 Mk 8,27-30 58f.

Stellenregister

Mk 8,38 136 Mk 9,1 52, 54f., 61, 96, 125, 136, 181f. Mk 9,9f. 128 Mk 9,43-48 66f., 97, 130, 138f., 158 Mk 9,47 46 Mk 10,14f. 46, 63, 77, 131 Mk 10,15 46, 92, 174, 182 Mk 10,17-27 64, 131, 158 Mk 10,17 67, 130, 138 Mk 10,23-25 46, 67, 72, 130, 138 Mk 10,30 61, 72 Mk 10,37 136 Mk 10,45 59, 122 Mk 11,24 101 Mk 12,1-12 73 Mk 12,32-34 49 Mk 13,5f. 129 Mk 13,10 85, 91, 160 Mk 13,19-22 109 Mk 13,21f. 110, 129 Mk 13,28f. 61 Mk 13,30 54 Mk 13,33 61 Mk 13,34-37 73 Mk 14,9 161 Mk 14,24 122

Stellenregister

Mk 14,25 48, 61, 112, 123-127, 184, 226, 246 Mk 14,61f. 58f. Mk 15,32 42 Mk 15,43 41, 52 Lukasevangelium Lk 1,32 43 Lk 1,33 42 Lk 1,68-79 58 Lk 2,11 58 Lk 2,25 41 Lk 2,29f. 162 Lk 2,30 58 Lk 2,38 41 Lk 3,6 58 Lk 4,1-13 107 Lk 4,16-21 58 Lk 4,21 242 Lk 4,43 160164, 168, 171, 177 Lk 7,18-23 58f. Lk 7,22 116 Lk 7,28 48 Lk 8,1 160f., 168, 171, 177 Lk 8,8 76 Lk 8,9f. 75 Lk 8,10 161 Lk 8,11 75f. Lk 8,13-15 76 Lk 9,1-6 107 Lk 9,1f. 96, 112 Lk 9,2 104, 163f., 168, 177 Lk 9,27 55, 181

291 Lk 9,35 63 Lk 9,60 163 Lk 10,1-12 107 Lk 10,5f. 147 Lk 10,9 55f., 96f., 104, 112, 163f. Lk 10,11 56, 96, 104, 112, 147 Lk 10,17-20 106110 Lk 10,18 98, 106-110, 112, 204, 207 Lk 10,23f. 58f. Lk 10,25 65 Lk 11,2 52, 96, 155 Lk 11,14-23 95, 108, 112 Lk 11,17f. 97 Lk 11,19 94f. Lk 11,20 5f., 13, 38, 59, 92-113, 116, 123, 132, 213, 215, 244 Lk 11,21f. 97 Lk 12,22-31 147 Lk 12,31f. 63 Lk 12,35-38 73 Lk 12,42-46 73 Lk 13,18f. 74, 81f. Lk 13,20f. 74, 86 Lk 13,23-30 46 Lk 13,23 65 Lk 13,24 121 Lk 13,28f. 48f., 65

292 Lk 13,44-46 63 Lk 14,15-24 42, 49, 73, 155 Lk 14,15 46, 48 Lk 14,23 121 Lk 15 49 Lk 16,16 92, 119-121, 160f., 164, 168, 171, 177, 244f. Lk 16,19-31 47 Lk 17,19 118 Lk 17,20f. 5, 41, 52, 54, 92, 113-119, 125, 147 Lk 17,20 167 Lk 17,21 123, 132, 245, 248, 253 Lk 17,22-37 125 Lk 18,16f. 77 Lk 18,17 46, 182 Lk 18,18-27 130 Lk 18,24f. 46 Lk 18,30 61, 71 Lk 19,9 67 Lk 19,11 29, 40, 113, 167 Lk 19,12-27 41 Lk 20,9-19 73 Lk 20,34f. 61 Lk 20,35 63, 137, 161 Lk 21,7 167 Lk 21,12-19 109 Lk 21,14 110 Lk 21,18 110 Lk 21,22-37 114 Lk 21,24 162

Stellenregister

Lk 21,25-28 125 Lk 21,31 52, 5557, 61, 114, 125, 161 Lk 21,43 63 Lk 22,3 108 Lk 22,16-18 61, 112, 123, 125, 127 Lk 22,16 62, 131 Lk 22,18 52, 62, 131 Lk 22,20 122 Lk 22,28-30 127 Lk 22,30 43 Lk 22,31 108 Lk 23,42f. 42, 46f., 146, 165, 221 Lk 23,51 41 Lk 24,26 50, 136, 164 Lk 24,36-43 168 Lk 24,44-49 169 Johannesevangelium Joh 3,1-21 Joh 3,3-5 184 Joh 3,3 62, 69f., 247f. Joh 3,5 69f., 247f. Joh 3,15f. 182 Joh 3,36 181-183 Joh 5,21 Joh 5,24

179 17946, 54, 46, 62, 70f., 71, 70 70

293

Stellenregister

Joh 5,26 247 Joh 5,29 Joh 5,40 Joh 6,27 Joh 6,33 Joh 6,40 Joh 6,47 Joh 6,63 247 Joh 6,68 247 Joh 8,51f. Joh 10,9 Joh 10,10 Joh 10,27f. Joh 10,28 Joh 11,10 Joh 11,25 183f., 247 Joh 11,40 Joh 12,13 Joh 12,31 Joh 12,40 Joh 12,50 Joh 13,2 Joh 13,7 Joh 13,30 Joh 13,31 Joh 14,2f. Joh 14,6 247 Joh 16,11 Joh 16,19-22 Joh 17,2 Joh 17,3 247

184, 70 71 70 71 70 70f. 184, 184, 181 50 71 191 71 180 70, 181 42 98, 189 189 184 189 189 180 101 184 184, 98, 189 209 184 184,

Joh 18,26 248 Joh 18,28 186 Joh 18,33-19,16 185192 42 Joh 18,33 Joh 18,36 68, 127, 142f., 185-192 Joh 18,36f. 42, 196f., 249, 251 Joh 18,39 42 Joh 19,8-12 248 Joh 19,19-22 1 90 Joh 19,30 187, 248 Joh 20,31 70 Apostelgeschichte (Acta) Act 1,1-14 163 Act 1,3 162175 Act 1,4-8 169 Act 1,6-8 114 Act 1,6 162175 Act 1,7 61 Act 1,8 163, 166f. Act 1,14 163 Act 4,12 233 Act 5,3 108 Act 5,36 129 Act 8,4 171 Act 8,12 162175 Act 8,25 171 Act 8,35 171 Act 10,37 163

294 Act 14,22 162-175, 177 Act 15,16-18 Act 16,16 Act 17,7 Act 19,8 175 Act 20,17-35 Act 20,20f. Act 20,24 Act 20,25 175 Act 20,27 Act 28,17-31 Act 28,23 175 Act 28,31 175 Römerbrief Röm 1,3f. 249 Röm 1,16 154, 178 Röm 2,7 Röm 5,9 Röm 5,17 Röm 5,21 Röm 6,11 132 Röm 6,22f. Röm 6,23 174, 247 Röm 7,22 132, 181, 245 Röm 8,11 132

Stellenregister

137, 166 46 68, 155 162171 172 172 162172 163 162162-

142, 149, 154 154 197 154 119, 154 70, 119, 119,

Röm 8,23-25 60, 91, 119, 132, 245 Röm 8,24 154 Röm 8,30 101 Röm 8,38f. 59 Röm 9,31 103 Röm 10,9f. 119, 132, 154 Röm 11,25 50 Röm 13,1-7 68, 191 Röm 13,11 61 Röm 14,1-15,13 148 Röm 14,9 142 Röm 14,17 63, 69, 144, 147-152, 156, 246f. 1. Korintherbrief 1Kor 1,17 156 1Kor 1,18 154, 156, 178 1Kor 1,20 1Kor 2,1 1Kor 2,4f. 1Kor 2,13 1Kor 4,8 198 1Kor 4,19 1Kor 4,20f. 1Kor 4,20 152, 156, 246 1Kor 4,21 247 1Kor 5,1-15

150, 149, 150 150 150 150 195, 150 69 147149, 139

295

Stellenregister

1Kor 6,9f. 63, 65, 69, 137-141, 144-148, 151-157, 231, 246 1Kor 6,11 140 1Kor 6,12-21 139 1Kor 7,29 61 1Kor 10,1-13 139 1Kor 11,26 53 1Kor 12,5 196 1Kor 15,24-28 98, 112, 146, 229 1Kor 15,24f. 190, 196, 213, 215, 249-252 1Kor 15,24 42, 52, 142-147 1Kor 15,25 143f. 1Kor 15,28 127 1Kor 15,50-53 140, 142 1Kor 15,50 47, 6065, 69, 137-141, 145, 148, 151-157, 165, 192, 220, 231, 246 1Kor 16,22 53 2. Korintherbrief 2Kor 1,22 156 2Kor 4,16-18 119, 132 2Kor 4,16 245 2Kor 4,18 2Kor 5,5 156 2Kor 5,7 119, 132

152, 60, 91, 181, 181 152, 60, 91,

2Kor 5,17 2Kor 5,18f. 2Kor 6,2 2Kor 12,4

181 60, 178 60 48

Galaterbrief Gal 1,16 140 Gal 4,4f. 60 Gal 5,21 65, 69, 137-141, 144-148, 153, 155, 157, 231, 246 Gal 6,8 154 Epheserbrief Eph 1,10 60 Eph 1,20-23 59, 142f., 196, 249, 251 Eph 1,22f. 196 Eph 2,2 207 Eph 2,14-18 251 Eph 3,10 207 Eph 4,4-6 196 Eph 5,5 63, 69, 145f. Eph 6,12 207 Philipperbrief Phil 2,8 Phil 2,9-11 251 Phil 2,12 Phil 3,16 Phil 4,5

128 142, 154 103 61

296 Kolosserbrief Kol 1,12f. 63 Kol 1,13f. 142f., 146, 249 Kol 1,13 42, 46, 69 Kol 1,15-23 251 Kol 1,18 196 Kol 2,9f. 142f., 249, 251f. Kol 2,15 59, 142f., 196, 249, 251 Kol 3,3f. 60, 91, 119, 132, 146, 181, 245 Kol 4,11 69, 141 1. Thessalonicherbrief 1Thess 2,11f. 69, 136 1Thess 2,12 50, 136f., 140, 153, 157, 246f. 1Thess 2,16 103 1Thess 3,4 164 1Thess 4,13-18 140, 143 1Thess 4,15 102f. 1Thess 4,17 184 1Thess 5,11ff. 61 2. Thessalonicherbrief 2Thess 1,5 69, 137, 164 2Thess 2,3-10 112 2Thess 2,8-10 110, 215

Stellenregister

2. Timotheusbrief 2Tim 2,12 197 2Tim 4,1 42, 52, 60f., 69, 145f., 192 2Tim 4,18 42, 69, 145f., 164, 192, 221 Hebräerbrief Hebr 3,11 Hebr 3,18 Hebr 4,1-11 Hebr 12,28

50 50 50 249

1. Petrusbrief 1Petr 2,13-17 1Petr 2,13

191 68

2. Petrusbrief 2Petr 1,11 42, 192, 228f., 249 1. Johannesbrief 1Joh 5,20 Johannesapokalypse Apk 1,3 Apk 1,5 Apk 1,6 193-197, 248 Apk 1,8 Apk 1,9 Apk 2,4 Apk 2,27 Apk 3,21 Apk 5,6 Apk 5,10 193-197, 248

184 61 193 146, 196 197f. 48 204 212 212 146,

297

Stellenregister

Apk 5,13 212 Apk 7,9f. 212 Apk 10,7 110 Apk 11,2 209 Apk 11,15-19 199213 Apk 11,15 43, 110, 199-213, 223, 248 Apk 12,1-17 110, 203-213 Apk 12,5ff. 98 Apk 12,7-10 106, 109 Apk 12,9 193 Apk 12,10 52, 193, 199-213, 223, 248 Apk 13,1-18 193, 208 Apk 13,5 209 Apk 19,6 201, 205, 212, 215 Apk 19,7 205 Apk 19,11-20,15 201 Apk 19,11-21 110, 193, 201 Apk 19,16 193 Apk 19,19-21 212, 215 Apk 19,21 200 Apk 20,1-6 229 Apk 20,1-3 106 Apk 20,4-6 143, 197, 202 Apk 20,6 194f. Apk 20,7-10 144, 215 Apk 20,10 110

Apk 20,11-15 202 Apk 21,1-22,5 215, 249 Apk 21,9 Apk 21,22 Apk 22,1 Apk 22,3-5 Apk 22,3 Apk 22,5 197 Apk 22,10

144, 213205 212 212 213 212 194f., 61

4. Frühchristliche und altkirchliche Schriften und Autoren 1. Clem(ensbrief) 1Clem 42,3 1Clem 50,3 229 2. Clem(ensbrief) 2Clem 5,5 220 2Clem 6,9 2Clem 9,6 2Clem 12,1-2

219 219,

237, 231 231 232

Apokalypse Petri ApkPt 14,1 ApkPt 14,4

228 228f.

Barn(abasbrief) Barn 4,13 Barn 7,11

231 164

298 Barn 8,5 223, 237 Barn 21,1

Stellenregister

188,

IgnPhld 3,3

231

Iren(äus von Lyon) Iren Haer 3,11,4 221 Iren Haer 3,11,8 221 Iren Haer 3,12,13 227 Iren Haer 4,8,1 234 Iren Haer 4,16,1 220 Iren Haer 4,22,2 230 Iren Haer 4,24,2 226 Iren Haer 5,30,4 221 Iren Haer 5,33,3 221, 226 Iren Haer 5,36,3 226

Clem(ens von) Al(exandrien) Div 21,3 235 Paed 2,1,6 235 Paed 2,3,38 236 Paed 3,11,81 236 Paed 3,7,40 236 Protr 1,6,2 235 Strom 7,13,82 236 Strom 7,17,106 235 Didache Did 9,4 Did 10,5

228 228

Diog(netbrief) Diog 10,2

230

Eus(eb von Cäsarea) Hist Eccl 3,19-20,6 191 Hist Eccl 3,20,2f. 222 Hist Eccl 3,39,12 225 (Hirte des) Herm(as) Herm Sim 9,12,5 233 Herm Sim 9,15,2f. 234 Herm Sim 9,16,2-4 234 Hippolyt von Rom Hipp Ref 5,7f. 224 Ign(atius von Antiochien) IgnEph 16,1 232 IgnEph 19,3 237f.

Just(in Martyr) Apol 1,14,1 Apol 1,41,4 Dial 34,2 Dial 73,1 223 Dial 73,4 Dial 80,5 Dial 116,2 Dial 117,3

234

188 223 226 188, 223 225 233 220

Mart(yrium des) Pol(ykarp) MartPol 20,2 229 MartPol 22,3 230 Od(en) Sal(omos) OdSal 22,11f.

224

Pseudo-Clementinische Homilien EpJak 14,1 230

Stellenregister

Sext(us) Sent(entiae) Sext Sent 311 224 Tert(ullian) Tert Marc 3,19,1 188, 223 Thomasevangelium EvThom 3 113, 115, 117 EvThom 20 82 EvThom 113 113, 115, 117

299

Autorenregister Aalen 39, 42, 48, 50, 97, 118 Allison 3, 17, 39, 45, 62, 66, 68, 71f., 83f. Aune 199-212 Avemarie 26 Baasland 39 Bailey 83 Banschbach Eggen 78f. Barr 38 Barth 87 Bauckham 229 Bauer, Th. 143 Bauer, W. 57 Beale 198-202, 205-209, 212 Beasley-Murray 36 Berger 74, 79 Bergmeier 203 Betz 57, 160f. Bissels 225 Bittner 181 Blank 185 Blumhardt 252 Bock 107 Bohlen 14, 46, 50f., 65, 67, 131, 136, 164f., 174 Borg 14 Bosch 13 Bousset 4-7 Bovon 88 Bruggen 45 Buchanan 39

Bultmann 4, 9, 10, 11, 40, 99, 115, 181, 254 Burchard 11, 42, 50, 87 Busch 203 Camponovo 1, 25, 38 Caragounis 7, 10f., 36, 40, 69f., 96-102, 114, 116, 125f., 132, 167 Carmignac 39 Carroll 114, 160f., 167 Carter 84 Chilton 36 Clark 57 Colpe 125 Conzelmann 13, 39, 45, 57, 71, 99, 111, 160, 162, 172, 175 Cox 8 Craig 58 Crossan 14 Crump 108 Cullmann 11-13, 232 Dahl 82-85 Dalman 37, 49, 71, 86, 175 Danker 107 Dautzenberg 175 Davies 66, 83f. Deines 71 Delling 170 Dietzfelbinger 180, 186, 190 Dochhorn 199-212

Autorenregister

Dodd 7f., 13, 74f., 81, 93, 100f., 113, 252 Dschulnigg 78 Dunn 152 Eckey 84-86 Egger 38 Ego 106 Evans 20, 23, 27, 45, 62, 94-97, 105 Fee 142 Ferguson 217, 222-226, 239 Fitzer 102 Förg 18-23 Foster 135 Franklin 55, 84, 105, 112, 162 Frey 69-71, 180-191, 229, 253 Freytag 12 Frick 217-225, 230-236 Fuller 101 Gäbel 83 Gäckle 128, 143f., 148f., 174, 194, 196, 214 Garrett 108 Gathercole 106-109 Geldenhuys 107 Gemünden 78, 83f. Gerhardson 74 Giesen 194-196 Gnilka 13, 66, 76, 78, 82, 85, 88 Gollinger 203 Goppelt 10, 44, 68, 70, 183 Green 101f., 167, 175

301 Guardini 99 Guelich 75, 77, 83f. Haacker 67-69, 133, 136, 139, 148, 165 Häfner 203 Hagner 75 Hahn 185 Hampel 54, 58, 93, 100, 121-129 Harnack 3f., Hartenstein 12f.f Hasler 104 Haufe 138f., 147, 150, 154, 156 Heininger 145f., 153, 196 Hengel 14, 26, 33, 38, 42, 69, 71, 95f., 104, 106, 120, 123f., 128, 185-191 Herzer 135 Hiers 9, 15, 94, 98, 110, 116, 120, 252, 254 Hill 142 Hodgson 184 Hoekendijk 252 Hofius 181f. Holmén 116f. Holtz 136 Horn 14, 46, 51, 164 Jeremias 7, 36, 44, 49, 51, 79-86 Johnston 150, 155 Jülicher 79, 81 Jungbluth 18, 43 Kähler 99 Kalms 203 Kammler 150 Karrer 50, 195f.

302 Käsemann 99 Kittel 107 Klappert 27, 59 Klauck 76, 78, 85 Klein 11, 15, 25,27, 44, 71 Koch, K. 20, 23f., 33, 40, 71, 253f. Koch, M. 203, 205 Kreitzer 144 Kruse 200 Kuhn 27, 37 Kümmel 11f., 13, 57, 60, 79 Künzi 54f. Kvalbein 38f., 42, 49f., 65f., 69, 98, 174, 290, 238, 248 Ladd 70 Lampe 217f., 221-223, 227, 230, 237, 239 Lehnhardt 27 Lehtipuu 48, 67 Lindars 182 Lindemann 13, 25, 38, 42, 71, 82, 115, 131, 142 Litfin 150 Lohmeyer 195 Lohse 82, 84, 198 Loisy 115 Louw 36 Lundström 3 Luz 14, 53, 71, 75, 81f., 85, 88 Maier 198, 206 Marcus 107 Marshall 86 Marxsen 61, 99

Autorenregister

Mattill 47, 54f., 57, 98, 103, 105, 109f., 115, 120f., 161f. Mau 225, 230, 238f. Meier 25, 35f., 44, 48, 5359, 65, 93-95, 113-117, 120f., 167 Merk 93, 160, 162, 170f., 175 Merkel 3, 7, 94 Merklein 11, 14, 36, 43f., 54, 56, 82, 94, 106, 108, 111, 149, 167 Merz 1, 32, 38, 42, 48, 53, 57, 95f., 102, 113-118, 120 Michaels 84, 101 Michel 83, 85 Moltmann 8, 252 Moule 74 Mounce 195, 198, 200, 202, 206 Müller 107, 195 Mussner 113 Neugebauer 99 Nida 36 Nietzsche 4 Noack 113, 162 O’Brien 145 O’Neill 39, 50 O’Toole 162, 170, 172 Oberlinner 79 Omerzu 203 Osborne 195 Ostmeyer 86f. Otto 1 Payne 74, 77

Autorenregister

Pennington 51f. Perrin 36 Pesch 75-78, 99, 168 Plummer 107 Prieur 159-163, 166-175 Pryor 182 Ragaz 252 Rahner 99 Ratzinger 115 Rauschenbusch 252 Reimarus 55 Reinhardt 82, 85 Ritschl 3 Röcker 135 Roloff 82, 85-88 Roose 128, 195f. Ruager 84f. Sanders 94, 104 Satake 200, 202, 207, 211 Schenke 13f., 17, 37, 39, 44f., 52, 60, 64, 71f., 75, 77, 80, 84, 91, 111-115, 120 Schmithals 84 Schnackenburg 58, 139, 141f., 145, 156, 162f., 170, 175, 190, 198, 202, 206 209, 212 Schnelle 185 Schrage 142 Schröter 15, 32, 36, 85 Schürmann 1, 40, 99, 124, 127 Schüssler-Fiorenza 195 Schwemer 26, 31-33, 38, 41f., 69, 71, 113-117, 120, 123, 128

303 Skarsaune 39 Smith 54-59, 66, 79, 89, 95, 114, 121 Sneed 113, 147 Stanton 39 Stuhlmacher 36, 79, 131, 144, 160f. Theis 150 Theißen 1, 32, 38, 42, 48, 53, 57, 78f., 95f., 102, 113-118, 120 Theobald 147 Thiessen 26f. Thiselton 142, 150 Tillich 255 Turner 143f. Vanoni 145f., 153, 196 Vermes 1 Vielhauer 99 Vögtle 99f., 126 Völkel 162 Vollenweider 106, 108 Vos 39, 65, 68, 150, 174 Watt 69 Wedderburn 157 Weder 14, 82-85, 115 Weiser 162-164, 168, 170, 172 Weiß 4-7, 113 Welker 30, 38, 175 Wengst 232 Wenham 138, 147 Wick 38 Wieser 162 Wilke 142, 144 Windisch 41, 46, 51, 68, 72, 164

304 Winter 150 Witherington 14, 39, 44, 48, 51, 56, 58, 72, 137141, 147f., 155f. Wolff 140-142, 147, 152, 154 Wolter 14, 30, 38, 44, 78, 111, 174f. Woodbridge 67-70, 155, 182f. Wrede 4, 6f., 45, 115 Wright 9f., 13, 255 Zager 13, 78f., 85 Zahrnt 254 Zenger 26 Ziccardi 162, 172f. Zingg 82, 84, 87

Autorenregister