Das Recht der Tablettes Albertini.: Dissertationsschrift 3428104013, 9783428104017

Die Tablettes Albertini sind der wichtigste und umfangreichste Fund lateinischer Kaufurkunden der Antike. Sie wurden im

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abkürzungen
Einleitung
1. Kapitel: Annäherungen
I. Der geschichtliche Hintergrund
II. Der fundus Tuletianos
III. Die Personen
IV. Käufer und Verkäufer
2. Kapitel: Das Archiv
I. Zusammensetzung
II. Inhaber
III. Umfang
IV. Zeitliche Streuung der Urkunden
V. Schlußfolgerungen
3. Kapitel: Die Urkunden
I. Äußere Aspekte
II. Das Urkundenformular
III. Die Errichtung der Urkunden
4. Kapitel: Die Datierungsformel
I. Ursprung der Datierung nach Herrscherjahren
II. Einzelheiten der Jahresberechnung
III. Die Datierungsformel in der Urkunde
IV. Kaiserliche Königstitulatur
5. Kapitel: Culturae Mancianae
I. Die lex Manciana
1. Die Inschrift von Henchir Mettich
2. Die Inschriften von Ain el-Djemala und Ain Wassel
3. Die Inschrift von Suk el-Khmis
4. Das Verhältnis der lex Manciana zur lex Hadriana
II. Die Erwähnung der culturae Mancianae in den Tablettes Albertini
III. Die rechtliche Stellung des Grundherrn
IV. Die Rechte der Kolonen von Tuletianos
1. Die Rechte der Kolonen an den Grundstücken
2. Die Bepflanzung der Grundstücke
3. Die Rechtsstellung der Kolonen
V. Sonderstellung der culturae Mancianae
6. Kapitel: Der Kauf
I. Käufer und Verkäufer
II. Umfang und wirtschaftliche Bedeutung der Käufe
III. Größe und Baumbestand der Grundstücke
IV. Belegenheit und Gestalt der Ackerparzellen
V. Die Grundstückspreise
VI. Die Nennung der Nachbarn
VII. Die Kaufpreiszahlung
VIII. Übergabe und Übereignung
IX. Pactum adiectum
7. Kapitel: Wege- und Wasserrechte
I. Wegerechte
II. Straßen
III. Bewässerungsanlagen
IV. Schlußfolgerungen
8. Kapitel: Die Eviktionsstipulation
I. Rekonstruktion der Vorbildklausel
II. Die Anspruchsvoraussetzungen
III. Die Rechtsfolgen der Eviktion
1. Wert und Interesse
2. Die Bedeutung des Wahlrechts zwischen duplum und Interesse
a) Umfang der Anerkennung einer Wertsteigerung
b) Zweck der Stipulierung der Wahlmöglichkeit
IV. Die dolus malus-Klausel
V. Die Entwicklung der Eviktionsstipulation
VI. Personenmehrheiten
VII. Die Mündlichkeit der Stipulation
Exkurs: Widerlegung der Argumentation Saumagnes
9. Kapitel: Die Unterschriften
I. Der schreibkundige Verkäufer
II. Der analphabetische Verkäufer
III. Zeugen und Urkundenschreiber
IV. Haussöhne
V. Unterschrift und Handzeichen
10. Kapitel: Der Sklavenkauf
11. Kapitel: Das Familienrecht
I. Tabulae Dotis
1. Der Urkundeninhalt
2. Die Bestandteile der dos
3. Aestimatio Dotis
II. Sonstiges Familienrecht
1. Eigentümermehrheiten
a) Ehepaare
b) Witwe und Söhne
c) Vater, Sohn und Schwiegertochter
d) Ergebnis
2. Die Rechtsstellung von Frauen und Söhnen
a) Die Rechtsstellung der Frau
b) Die Rechtsstellung der Söhne
Schlußbemerkungen
Anhang: Musterformular
Literaturverzeichnis
Quellenregister
Sachverzeichnis
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Das Recht der Tablettes Albertini.: Dissertationsschrift
 3428104013, 9783428104017

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Hendrik Weßel

Das Recht der Tablettes Albertini

Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Neue Folge . Band 40

Das Recht der Tablettes Albertini Von Hendrik WeBel

Duncker & Humblot . Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Jahre 2000 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrutbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Frernddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 3-428-10401-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Vorwort Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 2000 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-LudwigsUniversität zu Freiburg im Breisgau angenommen worden ist. Die Universität Paris 11 (Pantheon-Assas) hat es mit einem Preis ausgezeichnet. Herr Prof. Dr. Detlef Liebs hat mich bei der Anfertigung der Arbeit auf vielfältige Weise unterstützt und mir in seinen Seminaren die Spätantike als lohnendes Arbeitsfeld rechtsgeschichtlicher Forschung erschlossen. Hierfür möchte ich ihm herzlich danken. Ferner danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft für den Druckkostenzuschuß. Frankfurt am Main, im Januar 2002

Hendrik Weßel

Inhalt Einleitung .............................................................................

15

1. Kapitel

Annäherungen

21

I. Der geschichtliche Hintergrund ................. . ............ . ............ . ... .

21

11. Der fundus Tuletianos ........................................................ .

25

111. Die Personen ................................................................. .

30

IV. Käufer und Verkäufer

38 2. Kapitel

Das Archiv

44

I. Zusammensetzung ............................................................

44

11. Inhaber........................................................................

46

111. Umfang.......................................................................

48

IV. Zeitliche Streuung der Urkunden ..............................................

50

V. Schlußfolgerungen ... . ........................................................

52

3. Kapitel

Die Urkunden

53

I. Äußere Aspekte ...............................................................

53

11. Das Urkundenforrnular ........................................................

60

III. Die Errichtung der Urkunden ..................................................

74

4. Kapitel

Die Datierungsformel

76

I. Ursprung der Datierung nach Herrscherjahren .................................

76

11. Einzelheiten der Jahresberechnung ............................................

84

8

Inhalt III. Die Datierungsfonnel in der Urkunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

IV. Kaiserliche Königstitulatur .......... . .. .......... .. ......... ... .. .. ....... .. ..

87

5. Kapitel

Culturae Mancianae

89 89

I. Die lex Manciana

1. Die Inschrift von Henchir Mettich ..........................................

91

2. Die Inschriften von Ain el-Djemala und Ain Wassei ........................ 101 3. Die Inschrift von Suk el-Khmis ............................................ 104 4. Das Verhältnis der lex Manciana zur lex Hadriana ......................... 106 11. Die Erwähnung der culturae Mancianae in den Tablettes Albertini. . . . . . . . . . . . . 107 III. Die rechtliche Stellung des Grundherrn ........................................ 109 IV. Die Rechte der Kolonen von Tuletianos ....................................... 113

1. Die Rechte der Kolonen an den Grundstücken.............................. 113 2. Die Bepflanzung der Grundstücke . . . . . . . . . . . . .. . . . .. .. . .. . . . . . . . . . .. . . . . .. . 117 3. Die Rechtsstellung der Kolonen............................................ 119 V. Sonderstellung der culturae Mancianae . . . . . . .. . . .. .. .. . . .. . . . .. .. . .. ... . .. . . .. 121 6. Kapitel

Der Kauf

124

I. Käufer und Verkäufer ......................................................... 124 11. Umfang und wirtschaftliche Bedeutung der Käufe............................. 125 III. Größe und Baumbestand der Grundstücke ............ .. ......... .. ............ 127 IV. Belegenheit und Gestalt der Ackerparzellen ................................... 130 V. Die Grundstückspreise ........................................................ 132 VI. Die Nennung der Nachbarn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 VII. Die Kaufpreiszahlung ......................................................... 141 VIII. Übergabe und Übereignung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IX. Pactum adiectum .............................................................. 154

Inhalt

9

7. Kapitel Wege- und Wasserrechte

156

I. Wegerechte........... . ...................................... . .......... . ...... 156

11. Straßen........................................................................ 166 III. Bewässerungsanlagen ......................................................... 170 IV. Schlußfolgerungen ............................................................ 175

8. Kapitel Die Eviktionsstipulation

176

I. Rekonstruktion der Vorbildklausel ............................................. 177 11. Die Anspruchsvoraussetzungen ................... . ............................ 180 III. Die Rechtsfolgen der Eviktion ................................................. 186 1. Wert und Interesse ......................................................... 190

2. Die Bedeutung des Wahlrechts zwischen duplum und Interesse ............. 193 a) Umfang der Anerkennung einer Wertsteigerung ........................ 195 b) Zweck der Stipulierung der Wahlmöglichkeit .......................... 200 IV. Die dolus malus-Klausel..................................... . .......... . ...... 201 V. Die Entwicklung der Eviktionsstipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 204 VI. Personenmehrheiten ........................................................... 209 VII. Die Mündlichkeit der Stipulation .............................................. 211 Exkurs: Widerlegung der Argumentation Saumagnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 218

9. Kapitel Die Unterschriften

223

I. Der schreibkundige Verkäufer ................................................. 223

11. Der analphabetische Verkäufer ................................................ 226 III. Zeugen und Urkundenschreiber ............................ . .......... . ........ 231 IV. Haussöhne .................................................................... 239 V. Unterschrift und Handzeichen ...................................... . . . ........ 244

Inhalt

10

10. Kapitel Der Sklavenkauf

247

11. Kapitel

Das Familienrecht I. Tabulae Dotis

254 254

1. Der Urkundeninhalt ........................................................ 254

2. Die Bestandteile der dos ................................................... 258 3. Aestimatio Dotis ........................................................... 260

11. Sonstiges Familienrecht .......................................... . ............ 263 1. Eigentümerrnehrheiten ..................................................... 263

a) Ehepaare .............................................................. 265 b) Witwe und Söhne...................................................... 271 c) Vater, Sohn und Schwiegertochter . . . .. . . .. . . .. .. . . .. .. . . .. . . .. . . . .. .. .. 273 d) Ergebnis .................................................. . ............ 275 2. Die Rechtsstellung von Frauen und Söhnen ................................ 276 a) Die Rechtsstellung der Frau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 276 b) Die Rechtsstellung der Söhne .......................................... 277 Schlußbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 279 Anhang: Musterformular ............................................................ 283 Literaturverzeichnis . .. .. .. . . .. . . . .. .. . .. . .. .. . . .. .. . . .. . .. . . . . .. . . . .. . . .. . . . .. .. . . ... 285 QueUenregister ....................................................................... 317 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 330

Abkürzungen Nichtjuristische lateinische Schriftsteller sind meist wie im Thesaurus linguae Latinae abgekürzt, Papyrussammlungen wie bei J. F. Oates / J. D. Sosin u. a., Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets, URL: http://scriptorium.lib. duke.edulpapyrusltexts/clist.htrnl.

AB

L' Annee epigraphique, Paris seit 1888.

Aegyptus

Aegyptus. Rivista italiana di egittologia e di papirologia, Mailand seit 1920.

AG

Archivio giuridico "Filippo Serafini", Bologna seit 1868, seit 1921 Modena.

AHDE

Anuario de historia dei derecho espafiol, Madrid seit 1924.

AHDO-RIDA

Archives d'histoire du droit oriental, vereinigt mit Revue internationale des droits de I' antiquite, Briissel 1952 - 53.

ANRW

Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung, hg. H. Temporini/W Hase, Berlin seit 1972.

Ant. Afr.

Antiquires Africaines, Paris seit 1967.

BAC

Bulletin archeologique du Comite des Travaux Historiques et Scientifiques, Paris seit 1882.

BIDR

Bullettino dell'lstituto di diritto romano, Rom seit 1888, seit 1938 Mailand.

Bruns

C. G. Bruns / O. Gradenwitz, Fontes iuris Romani antiqui I: Leges et negotia, 7. Aufl. Tübingen 1909.

C.

Codex lustinianus, hg. P. Krüger, Berlin 1877; Corpus iuris civilis 11, hg. ders., 11. Aufl. Berlin 1954.

CDL

Codice Diplomatico Longobardo I-V, hg. L. Schiaparelli/C. Brühl, Rom 1929-1986.

CE

Codex Euricianus, hg. K. Zeumer, MGH LL I I, Hannover 1902, 1-27.

Chiron

Chiron. Mitteilungen der Kommission für alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts, München seit 1971.

Chronique d'Egypte

Chronique d'Egypte. Bulletin periodique de la Fondation Egyptologique Reine Elisabeth, Briissel seit 1925.

CIL

Corpus inscriptionum Latinarum, Berlin seit 1869.

CPL

Corpus papyrorum Latinarum, hg. R. Cavenaile, Wiesbaden 1958.

12

Abkürzungen

CTh.

Codex Theodosianus; Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondianis et leges novellae ad Theodosianum pertinentes I 2, hg. Th. MommsenlP. M. Meyer, 4. Aufl. Berlin 1971.

D.

Digesta; Digesta Iustiniani Augusti I u. II, hg. Th. Mommsen, Berlin 1870; Corpus iuris civilis I, hg. ders.l P. Krüger, 15. Aufl. Berlin 1928.

ED

Enciclopedia dei diritto, Mailand 1958-1995.

FIRA I-III

Fontes iuris Romani anteiustiniani, 2. Aufl., 1: Leges, hg. S. Riccobono, 1941, Neudruck 1968; II: Auctores, hg. J. BavieralJ. Furlani, 1940, Neudruck 1964; III: Negotia, hg. V. Arangio-Ruiz, 1943, Neuauflage mit Appendix 1968; alle Florenz.

Form.

Formulae, hg. K. Zeumer, MGH LL V, Hannover 1886.

Frag. Gaud.

Collectionis iuris Romano-Visigothici capita VII-XX (Fragmenta Gaudenziana), hg. K. Zeumer, MGH LL I 1, Hannover/Leipzig 1902, 469 - 472.

Frag. Vat.

Fragmenta Vaticana, hg. P. KrügerlTh. MommsenlW Studemund, Collectio librorum iuris anteiustiniani III, 6. Aufl. Berlin 1912, 1106.

Gai

Gai institutionum commentarii quattuor, hg. B. Kübler, 8. Aufl. Leipzig 1939; FIRA II, 3 - 192; hg. M. David, 2. Aufl. Leiden 1964.

GE

Gai institutionum epitome; FIRA II, 229-257; hg. G. Haenel, Lex Romana Visigothorum, Leipzig 1849,314-377; hg. E. Seckel/B. Kübler, Iurisprudentia anteiustiniana II 1, Leipzig 1911,395-431.

Gnomon

Gnomon. Kritische Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft, Berlin 1925, seit 1949 München.

I.

Institutiones Iustiniani, hg. P. Krüger, Berlin 1967; Corpus iuris civilis I, hg. ders., 15. Aufl. Berlin 1928.

Index

Index. Quaderni camerti di studi romanistici / International Survey of Roman Law, Neapel seit 1970.

ILC

Inscriptiones Latinae christianae veteres, hg. E. Diehl, 3 Bde., Berlin 1925 -1931; Supplementum, hg. J. Moreaul H. I. Marrou, Dublin/Zürich 1967; Nuove correzioni alla silloge dei Diehl, hg. A. Ferrua, Vatikanstaat 1981.

ILT

Inscriptions latines de la Tunisie, hg. A. Merlin, Paris 1944.

IP

Interpretatio zu den Pauli sententiae; hg. G. Haenel, Lex Romana Visigothorum, Leipzig 1849,338-444; hg. M. KaserlF. Schwarz, Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, Köln/Graz 1956.

IURA

Rivista internazionale di diritto romano e antico, Neapel seit 1950.

JJP

The Journal of Juristic Papyrology, New York seit 1946, seit 1948 Warschau.

JRS

The Journal ofRoman Studies, London seit 1911.

Klio

Klio. Beiträge zur alten Geschichte, Leipzig 1901-1944, seither Berlin.

Abkürzungen Lachmann

Labeo Latomus LB LRV

13

F. Bluhme I K. LachmannlA. Rudorff (Hg.), Die Schriften der römi-

schen Feldmesser I: Texte und Zeichnungen, Berlin 1848, Neudruck Hildesheim 1967. Labeo, Rassegna di diritto romano, Neapel seit 1955. Latomus. Revue d'etudes latines, Briissel seit 1937. Lex Burgundionum, hg. L. R. v. Salis, MGH LL 12 (1), Hannover 1892,29-122. Lex Romana Visigothorum, hg. G. Haenel, Leipzig 1849.

LV

Lex Visigothorum, hg. K. Zeumer, MGH LL I I, Hannover/Leipzig 1902,33-456.

Mansi

G. Mansi (Hg.), Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio

MGH

Monumenta Gennaniae Historica, Leipzig u. a. seit 1826.

N.

VIII, Florenz 1762.

AA

Auctorum Antiquissimorum

LL

Legum Sectio Novellae Iustiniani; Corpus iuris civilis III, hg. R. SchÖlliG. Kroll, 6. Aufl. Berlin 1954. Novissimo digesto italiano, Turin 1957 - 1975, Appendix bis 1987.

NNDI NRH NTh.

Nouvelle revue historique de droit fran~ais et etranger, Paris 18771921. Novellae Theodosii; Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sinnondianis et leges novellae ad Theodosianum pertinentes 11, hg. P. M. Meyer, 3. Aufl. Berlin 1962, 1-68.

NVal.

Novellae Valentiniani; vgl. NTh., 69-154.

P. PLREII

Papyrus

P. Marini PS

P. Tjäder

RB

The Prosopography of the Later Roman Empire, Volume 11, A. D. 395 - 527, J. R. Martindale, Cambridge 1980. G. Marini (Hg.), I papiri diplomatici, Rom 1805. Pauli sententiae, FIRA 11, 317 - 417; hg. E. Seckel/ B. Kübler, Iurisprudentiae anteiustinianae reliquiae 11 I, 6. Aufl. Leipzig 1911, 14-161. J. -0. Tjäder, Die nichtliterarischen lateinischen Papyri Italiens aus der Zeit 445 - 700, I, Lund 1955; 11, Stockholm 1982; Tafelband, Lund 1954. Lex Romana Burgundionum, hg. L. R. v. Salis, MGH LL I 2 (1), Hannover 1892, 123 -163; FIRA 11, 711-750.

RE

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung hg. G. WissowalW. Krolli K. Mittelhausl K. Ziegler, Stuttgart, seit 1972 München, 1893-1980.

RHDFE

Revue historique de droit fran~ais et etranger, 4. Serie, Paris seit 1921. Revue internationale des droits de I' antiquite, 1. Serie, Briissel 1948 - 1951; 3. Serie, Briissel seit 1954.

RIDA SDHI

Studia et documenta historiae et iuris, Rom seit 1935.

14 SZ TA

TH

Thevenin

ThLL Thulin TP

TPSulp.

TR UE ZPE

Abkürzungen Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung, Weimar 1880-1979, seither Wien. Tablettes Albertini. Actes prives de l'epoque Vandale (tin du V' siede), ein Band Textedition und Kommentar, ein Tafelband; hg. Chr. CourtoislL. LeschilCh. PerratiCh. Saumagne, Paris 1952. Lateinische Ziffern bezeichnen die einzelnen Urkunden der Quellenedition, arabische die Seitenzahlen des Gesamtwerks. Zitaten aus dem Kommentarteil wird der Name des Verfassers beigefügt. Die ausschließliche Nennung arabischer Ziffern verweist auf die Seitenzahlen der Anmerkungen in der Edition und diejenigen der folgenden Übersichten. Tabulae Herculanenses, hg. G. Pugliese CarratellilV. ArangioRuiz, La parola deI passato. Rivista di studi dassici / antichi, Neapel seit 1946: 1 (1946), 379-385 (Nr. 1-12); 3 (1948), 165-184 (Nr. 13-30); 8 (1953), 455-463 (Nr. 31-58); 9 (1954), 54-74 (Nr. 59-75); 10 (1955), 448-477 (Nr. 76- 87); 16 (1961), 66-73 (Nr. 88 - 102); Neuedition von TH 59 - 62: G. Camodeca, Tabulae Herculanenses (siehe Literaturverzeichnis). M. Thevenin, Textes relatifs aux institutions privees et publiques aux epoques merovingienne et carolingienne. Institutions privees, Paris 1887. Thesaurus linguae Latinae, Leipzig seit 1900. C. Thulin, Corpus agrimensorum Romanorum, Leipzig 1913, Neudruck Stuttgart 1971. Tabulae Pompeianae, hg. F. Sbordone I C. Giordano, Rendiconti della Accadernia di Archeologia, Lettere e Belle Arti di Napoli, 41 (1966) bis 53 (1978); genauere Übersicht bei P. Gröschler; Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen und herkulanensischen Urkundenfunden, Berlin 1997,36, Fn. 106. Tabulae Pompeianae Sulpiciorum. Edizione critica dell'archivio puteolano dei Sulpicii, hg. G. Camodeca, Rom 1999 (cura secunda von TP). Tijdschrift voor rechtsgeschiedenis = Revue d'histoire du droit = The Legal History Review, Groningen, Dordrecht u. a. seit 1918/19. Tituli ex corpore Ulpiani, FIRA 11, 262-301; hg. F. Schuh, Die Epitome Ulpiani des Codex Vaticanus Reginae 1128, Bonn 1926. Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, Bonn seit 1967.

Einleitung Als im Jahre 1952 Christian Courtois, Louis Leschi, Charles Perrat und Charles Saumagne die von ihnen mit einem ausführlichen Kommentar versehenen Tablettes Albertini herausgaben, wurde dies sehr begrüßt. Die Quellenedition war lange erwartet worden, nachdem diese mit Tinte auf Holztafeln geschriebenen Kaufurkunden aus dem Vandalenreich 1928 unter ungeklärten Umständen im Grenzgebiet von Algerien und Tunesien gefunden worden waren. 1 Eugene Albertini hatte sich sofort der Erforschung der Texte angenommen und zwei von ihnen bereits im Jahre 1930 veröffentlicht. 2 Ihre rechtshistorische Bedeutung wurde von Hans Julius Wolff 1935 in einem instruktiven Aufsatz herausgestellt. 3 Eine weitere Beschäftigung mit den Urkunden unterblieb in Erwartung der Gesamtedition. Die Entzifferung der übrigen Dokumente verzögerte sich jedoch aufgrund der hiermit verbundenen Schwierigkeiten, und Albertini verstarb 1941, ohne seine Arbeit zu einem Ende geführt zu haben. Sie konnte erst nach dem Krieg von der genannten Forschergruppe aufgenommen werden. Die Urkunden wurden nach ihrem ersten Erforscher benannt. Quellenedition und Kommentar fanden großes Echo in der Forschungswelt. Ihnen wurden ungewöhnlich viele Rezensionen zuteil,4 und alsbald erschienen auch einige Aufsätze, die sich mit Einzelfragen kritisch auseinandersetzten. 5 Seither 1 Zu den Umständen der Auffindung siehe Alquier; Recueil des notices et memoires 59 (1928/29), 406 ff. Es ist vor allem der Initiative von A. Truillot zu verdanken, daß die von Einheimischen gefundenen Tafeln in die Hände von Wissenschaftlern gelangen konnten. 2 Albertini, Journal des savants 1930,23-30. 3 Wolff, TR 14 (1935), 398 ff. 4 Berger; Latomus 12 (1953), 192 ff.; Carcopino, Journal des savants 1952, 145 ff.; Grand, RHDFE 31 (1953), 139 ff.; Grenier; REA 54 (1952), 343 ff.; Kaser; Gnomon, 26 (1954), 189 ff.; E. Levy, SZ 70 (1953), 499 ff.; Macqueron, TR 23 (1955), 333 ff.; de Malafosse, IURA 4 (1953), 305 ff.; Mallon, L' Antiquite c1assique 22 (1953), 228 ff.; Tessier; Bibliotheque de I'Ecoie des Chartes 110 (1952), 225 ff.; Anzeigen: AE 1952,223 ff.; A. Calderini, Epigraphica 13 (1951), 153 f.; Folliet, L' Annee theologique Augustinienne 13 (1953), 432 ff.; Roques, Romania 73 (1952),428 f.; de Visscher; AHDO-RIDA 2 (1953), 478 ff.; Canellas, Universidad 34 (1957), 223 ff.; weitere Nachweise in L' Annee philologique 1952,352; 1953, 386; 1954,377; 1955,368, und bei Matringe, Individualisme, 7 f. 5 Carcopino, Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität, Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe 5 (1955/56), 403 ff.; Grierson, JRS 49 (1959), 73 ff.; Lambert, Revue africaine 97 (1953), 196 ff.; J.-Ph. Uvy, RHDFE 32 (1954), 321 ff.; de Malafosse, RHDFE 31 (1953), 110 ff.; Pallasse, RHDFE 33 (1955), 267 ff.; ders., Tablettes Albertini, tablettes chretiennes?, 1359 ff.; Pezzana, AG 19 (1953), 15 ff.; ders., Intorno alla lex Manciana, 629 ff.; Piganiol, En marge, 67 ff.

16

Einleitung

sind die Tablettes Albertini in Fachkreisen allgemein bekannt und werden des öfteren in wissenschaftlichen Werken berücksichtigt. 6 Selbst in die populärwissenschaftliche Literatur haben sie Eingang gefunden.? Auf den zweiten Blick ist die Sachlage jedoch völlig anders. Wissenschaftliche Arbeiten, die sich inhaltlich mit den Urkunden auseinandersetzen, erschienen fast ausschließlich innerhalb weniger Jahre nach der Edition der Tablettes Albertini. 8 Anschließend wurde es still um sie, und erst in jüngerer Zeit haben Althistoriker einige Aufsätze zu ihnen veröffentlicht. 9 Rechtsgeschichtliche Arbeiten, die sich speziell mit ihnen beschäftigen, gibt es nicht. \0 Werden sie in anderem Zusammenhang herangezogen, fristen sie ihre Existenz meist nur in Fußnoten. Man verweist auf sie der Vollständigkeit halber, besondere Berücksichtigung im Rahmen der Argumentation finden sie nicht. 11 Allenfalls scheinen sie geeignet, die historischen oder weltanschaulichen Grundüberzeugungen des jeweiligen Autors zu stützen. 12 Und während im Fall der in Transsilvanien l3 und im Vesuvgebiet l4 gefundenen Ur6 Vgl. nur die Hinweise in einigen Standardwerken wie Kaser 11,47; 390, Fn. 41; 44; 391, Fn. 49; 393, Fn. 65; Wieacker, Römische Rechtsgeschichte, 79, Fn. 83; Christ, Römische Geschichte, 267; Demandt, Die Spätantike, 32. 7 Schreiber, Die Vandalen, 292 ff. 8 Erörterungen zu Einzelproblemen finden sich bei Biscardi, Sulla genesi, 280 f.; Gallo, 11 principio, 85 ff.; E. Levy, Obligationenrecht, 217 ff.; Sturm, Stipulatio Aquiliana, 283 ff.; De Dominicis, IURA 14 (1963), 147 ff.; Matringe, Individualisme, 178 ff.; 1099 ff. 9 Percival, Culturae Mancianae, 213 ff.; Hitchner, Historical Text, 124 ff.; Mattingly, Olive Cultivation, 403 ff.; Vitrone, Romanobarbarica 13 (1994/95), 235 ff.; f'rsted, From Henchir Mettich to the Albertini Tablets, 115 ff.; siehe auch Pavis d'Escurac, Ktema 5 (1980), 188 ff.; Clover, Late Antiquity, 715. 10 Eine ausführliche Darstellung, die jedoch nichts wesentlich Neues ergibt, findet sich bei Macqueron, Contractus Sripturae, 65 ff.; siehe auch die Behandlung der Tablettes Albertini bei Liebs, Römische Jurisprudenz in Africa, 117 f. 11 Vgl. z. B. Honsell, Quod interest, 27, Fn. 34. Werden den Tablettes Albertini einige Seiten gewidmet, kommt man über ein Referat von Bekanntem nicht hinaus; vgl. Bottiglieri, Enfiteusi, 33 ff.; Scaffardi, Enfiteusi, 18 ff.; Luzzatto, Sul regime, 16; 38 f.; RomaneIli, Le condizioni, 200 ff.; Marcone, 11 colonato, 94 ff. Oft begnügt man sich mit der in FIRA III 139 angeführten Urkunde, die jedoch der vorläufigen Teiledition von Albertini, nicht der Gesamtedition von Courtois und Kollegen entnommen ist. 12 Kaser 11, 76, Fn. 17; Wieacker, Allgemeine Zustände, 62 (Vulgarrecht); Diesner, Das Vandalenreich, 86 f.; Held, Einige Probleme, 151 (Armut der Landbevölkerung). 13 Ciulei, RIDA 24 (1977), 159 ff.; ders., Les triptyques (Bibliographie auf S. 78 ff.); P6lay, The Contracts; ders., Oikumene I (1976), 197 ff.; ders., IIP 15 (1965), 185 ff.; ders.; Verträge auf Wachstafeln; ders., SZ 79 (1962), 51 ff. (Die umfassende Monographie dieses Forschers zu den dakischen Urkunden, "A daciai viaszostabllik szerzödesei", Budapest 1972, ist mir sprachlich leider nicht zugänglich; weitere Artikel des Autors zum Thema in der Publikationsliste im Anhang der Studia in honorem Velimirii Polay septuagenarii); Sotropa, Le droit romain en Dacie (Bibliographie auf S. 252 ff.); Tomulescu, RIDA 18 (1971), 691 ff.; Visky, RIDA 11 (1964),267 ff. 14 Arangio-Ruiz, Studi epigrafici e papirologici; Bove, Documenti di operazioni; ders., Documenti processuali; Camodeca, Tabulae Pompeianae; ders., L'archivio; ders., SDHI 61

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kunden auf Holztafeln ein gewisser Patriotismus den Forscherfleiß beflügelt, 15 scheint nach der Unabhängigkeit Algeriens das zuvor recht ausgeprägte Interesse französischer Forscher an den Tablettes Albertini erloschen und auch sonst niemand mehr zuständig zu sein. Diese Situation ist nicht etwa dadurch begründet, daß bereits alle Arbeit getan worden wäre. Die Quellenedition ist zwar gelungen. 16 Entsprechendes gilt für den paläographischen Teil des Kommentars von Perrat sowie den von Leschi und JeanPierre Miniconi, der nicht als Autor firmiert,17 verfaßten sprachwissenschaftlichen Abschnitt. 18 Der historische Kommentar von Courtois hingegen spricht zwar einige bedeutsame Fragen an, ist aber recht knapp geraten und behandelt insbesondere viele tatsächliche Umstände nicht, deren Erläuterung Voraussetzung einer Interpretation des juristischen Gehalts der Urkunden ist. Ferner sind Courtois' Thesen oft überaus spekulativ. Die gegensätzlichsten Reaktionen hat die Bearbeitung der juristischen Fragen durch Saumagne, die den Hauptbestandteil des Kommentars bildet, ausgelöst. Bei genauerem Hinsehen ergibt sich jedoch, daß lobende Erwähnungen hauptsächlich von Forschern stammen, deren Spezialgebiet nicht die antike Rechtsgeschichte ist oder die nur eine kurze, wenig vertiefte Rezension verfaßt haben. Fachgelehrte, die sich mit Einzelfragen genauer befassen, kommen hingegen oft zu deutlicher, teilweise vernichtender Kritik. 19 Diese von mir weitgehend geteilte Kritik läßt sich wie folgt resümieren: Saumagne erstellt auf methodisch fragwürdige Weise ein Musterforrnular, das alle unterschiedlichen Ausgestaltungen der einzelnen Urkunden in sich vereint. Dieses wird dann von ihm interpretiert, ohne der einzelnen Urkunde hinreichende Bedeutung zukommen zu lassen, wodurch er sich eine wesentliche Erkenntnisquelle verschließt. Aber auch das Musterforrnular wird nicht hin(1995),693 ff.; Costabile, L'auctio della fiducia; Pugliese Carratellil Arangio-Ruiz, TH (siehe Abkürzungsverzeichnis). Diese Urkunden haben auch das Interesse von Forschern anderer Nationalität gefunden, vgl. z. B. WolflCrook, Rechtsurkunden, mit Nachweisen zu weiteren Veröffentlichungen; Gröschler, Die tabellae-Urkunden; Andreau, Les affaires. 15 Gleiches gilt für andere, im Rahmen der Auslegung der Tablettes Albertini jedoch weniger bedeutsame Schrifttafelfunde: BowmanlThomas, Vindolanda; dies., The Vindolanda Writing-Tablets; Speidei, Die römischen Schreibtafeln von Vindonissa; zu einem Rinderkauf aus Friesland, FIRA III 137, vgl. nur Slob, TR 66 (1998), 25 ff., mit weiteren Nachweisen. 16 Gleichwohl ist eine cura secunda wünschenswert. Häufig konnten Teile einzelner Urkunden von den Herausgebern nur unsicher gelesen werden. Sie griffen dann zur Ergänzung auf andere Urkunden zurück. Viele Holztafeln sind wiederholt beschrieben worden. Die meisten Palimpseste sind nur sehr bruchstückhaft entziffert worden. Es ist zu hoffen, daß hier, auch durch den Einsatz moderner technischer Mittel, weitere Aufklärung erfolgen wird. 17 Miniconi hat einen Großteil des sprachwissenschaftlichen Abschnitts geschrieben, wird aber nur im Vorwort und im Inhaltsverzeichnis erwähnt. 18 Vgl. zu sprachwissenschaftlichen Fragen aber auch Väänänen, Etude. 19 Berger, Latomus 12 (1953), 193 ff.; J.-Ph. Uvy, RHDFE 32 (1954), 321 ff.; Macqueron, TR 23 (1955), 338 ff. 2 WeßeI

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reichend erörtert. Saumagne beschränkt sich vielmehr weitgehend auf zwei Themen, die Rechte am Boden nach der lex Manciana und die Eviktionsstipulation. Dabei nimmt er die in den Tablettes Albertini genannten culturae Mancianae zum Ausgangspunkt einer eingehenden Schilderung der Entwicklung dieses Rechtsinstituts, in der unsere Urkunden selbst nur selten Berücksichtigung finden?O Auch im Rahmen der Erörterung der Eviktionsstipulation entfernt sich der Autor von den Stipulationsklauseln in den Tablettes Albertini und entwirft eine den bisherigen Vorstellungen widersprechende allgemeine Theorie zum Inhalt der Eviktionsstipulation im römischen Recht. Hierbei legt Saumagne, dies muß mit aller gebotenen Deutlichkeit gesagt werden, jegliche wissenschaftliche Skepsis ab, gibt sich zügellos Spekulationen hin und verändert zur Unterstützung seiner Theorien nach Belieben Quellentexte. Dieser Teil des Kommentars hat denn auch die meiste Kritik auf sich gezogen, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß ein Großteil der Bemühungen um den rechtlichen Gehalt der Tablettes Albertini sich darin erschöpfte, auch nur einen Teil der Steine aus dem Weg zu räumen, die Saumagne der Wissenschaft hier in den Weg gelegt hat. Weitergehende Forschungen auf der Grundlage von Quellenedition und Kommentar, wie sie die Herausgeber ausdrücklich wünschten, wurden so behindert. 21 Viele Bereiche, wie z. B. das Urkundenformular, das Familienrecht, Dienstbarkeiten, der im Urkundenfund enthaltene Sklavenkaufvertrag sowie die Dosbestellung wurden von Saumagne nicht bearbeitet. Ein halbes Jahrhundert nach der Edition sind also noch die meisten Fragen offen. Hierzu hat auch beigetragen, daß, obwohl sich die Urkunden stark ähneln, eine Interpretation oft nur aus dem Gesamtzusammenhang aller möglich ist, was den Zugriff erschwert. Andererseits können aufgrund der großen zeitlichen und personellen Geschlossenheit der Verträge Schlüsse aus dem Zusammenhang, insbesondere auch aus Abweichungen und aus dem Schweigen der Urkunden, in höherem Maße und mit größerer Sicherheit gezogen werden als bei anderen Urkundenfunden. Aus verschiedenen Gründen sind die Tablettes Albertini von besonderer Bedeutung, die über das an der Erläuterung ihrer selbst bestehende Erkenntnisinteresse weit hinausweist. Sie sind nicht nur einer der wenigen Funde von Dokumenten der juristischen Praxis im lateinischen Westen,22 welche es ermöglichen, die Geltung von Rechtsnormen im täglichen Leben nachzuprüfen, sie sind der einzige größere Fund von Kaufverträgen im Westen überhaupt. Wichtiger aber noch ist, daß sie 20 Die Ausführungen Saumagnes zu dieser Frage beschränken sich überdies zu einem großen Teil auf eine Wiederholung dessen, was er bereits vor Auffindung der Tablettes Albertini zur lex Manciana veröffentlicht hat; vgl. Saumagne. Revue tunisienne 1922, 57 ff. 2! Zu dieser Behinderung trägt in nicht unerheblichem Maße der wenig klare Sprachstil Saumagnes bei, der die Grundlinien seiner Argumentation eher verwischt als heraushebt. 22 Lateinische Urkunden sind stärker vom römischen Recht geprägt als die griechischen Urkunden des Ostens. Ihre Interpretation im Licht des Corpus Iuris Civilis verspricht daher höheren Ertrag.

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weit überwiegend Grundstücke zum Gegenstand haben. Für die klassische Zeit sind außer einem Hauskaufvertrag aus Dakien23 aus dem Westen keine Kaufurkunden über Liegenschaften erhalten. 24 Die anderen Kaufverträge aus dieser Zeit betreffen meist Sklaven. Grundstückskaufverträge finden sich nur noch in den spätantiken und frühmittelalterlichen Ravennater Papyri,25 doch sind diese vom damaligen Kanzleistil beeinfIußt und weichen in ihrer überbordenden Wortfülle von allem sonst Üblichen ab. Den Tablettes Albertini kommt daher entscheidende Bedeutung für unsere Kenntnis römischer Grundstückskaufurkunden zu, und zwar nicht nur für diejenigen der Spätantike, sondern mangels anderen Anschauungsmaterials auch für solche der Zeit des klassischen Rechts. Da andererseits die sonstigen Urkunden mit Ausnahme der Ravennater Papyri nicht aus der Spätantike stammen, sind sie auch die beinah einzige Quelle, die uns Aufschluß über die Entwicklung der Beurkundungstechnik im Westen bis zum Ende des fünften Jahrhunderts zu geben vermag. Ein Vergleich mit den Ravennater Papyri kann hier allgemeine Tendenzen aufzeigen. 26 Bekannt geworden sind die Tablettes Albertini wegen ihrer Erwähnung eines Erbpachtrechts nach der lex Manciana. Die Verfolgung der Entwicklung dieses Rechtsinstituts bis zu der Form, in der sie uns in den Urkunden entgegentritt, kann erheblich zum Verständnis des spätantiken Kolonats und damit zu einem unsere Vorstellung von der Spätantike prägenden Faktor beitragen. Die Tablettes Albertini sind auch noch aus einem weiteren Grund von besonderem Interesse. Anders als in anderen Germanenstaaten hat im Vandalenreich keine Kodifikation für eine Überlieferung des damals geltenden Rechts gesorgt. Da sich sonst nur verstreute Hinweise finden, bilden sie die einzige erhebliche Quelle, die über das dortige Rechtsleben nähere Auskunft zu geben vermag. Diese Abhandlung kann daher auch als eine Zusammenstellung des verfügbaren Wissens über die Fortgeltung des römischen Rechts im Vandalenreich gelesen werden. 27 Im übrigen soll sie die Erforschung des römischen Afrika, die in den letzten Jahrzehnten CIL III, S. 924 ff. (Instrumenta Dacica), Nr. VIII =FIRA III 90. Ein Grundstückskaufvertrag aus Britannien ist nur sehr bruchstückhaft erhalten, siehe Turner, JRS 46 (1956), 115 ff. Vgl. ferner die sog. Formula Baetica, CIL 11 5042/5406 = FIRA III 92, ein Muster für die fiduziarische Übereignung von Grundstücken und Sklaven, in dem die Manzipation eines Grundstücks vorkommt. Vgl. auch AE 1994 Nr. 1093. 25 P. Tjäder. 26 Die Ravennater Papyri sind von rechtshistorischer Seite bisher nur wenig beachtet worden. Ein Vergleich mit den Tablettes Albertini hat deshalb besonderen Reiz, weil beide Urkundenhorte gänzlich unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten entstammen. Die handelnden Personen in den Tablettes Albertini sind Kolonen im hintersten Winkel des römischen Afrika, wohingegen uns die Ravennater Papyri in die gehobenen Kreise der Residenzstadt Ravenna führen. Allerdings erfolgen die hier interessierenden Käufe der Ravennater Papyri in etwas niedereren gesellschaftlichen Kreisen als die teilweise von Personen höchsten Standes vorgenommenen Schenkungen. 27 Siehe auch v. Halban, Das römische Recht I, 71 ff. 23

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einen großen Aufschwung erlebt hat,28 um einige rechtshistorische Erkenntnisse bereichern. 29 Zur Erläuterung einer der Rechtspraxis entstammenden Quelle wie den Tablettes Albertini ist es erforderlich, neben juristischen auch sonstige Quellen in großem Umfang heranzuziehen und beide in engem Zusammenhang zu interpretieren. Ich hoffe daher, auch ein wenig zur Überwindung des Grabens, der die Alte Geschichte von der Wissenschaft vom römischen Recht immer noch trennt, beitragen zu können.

28 Insbesondere aufgrund archäologischer Untersuchungen; vgl. Mattingly / Hitchner, JRS 85 (1995), 165 ff. 29 Zur Pflege der Rechtswissenschaft in Afrika vgl. Liebs, Römische Jurisprudenz in Africa; vossing, Africa, nutricula causidicorum?, 127 ff.

Erstes Kapitel

Annäherungen 1 Die Tablettes Albertini sind in den Jahren 493 bis 496 n. Chr. auf Holztafeln geschriebene Urkunden, von denen der weitaus überwiegende Teil Kaufverträge über landwirtschaftlich genutzte Grundstücke zum Gegenstand hat, die auf einem fundus namens Tuletianos belegen sind. Sie wurden von Einheimischen im Gebiet des etwa 100 km südlich von Tebessa (Theveste) und 65 km westlich von Gafsa (Capsa) gelegenen Djebel Mrata entdeckt, ohne daß sich der genaue Ort noch feststellen ließe. 2 Capsa war die nächstgelegene Stadt von einiger Bedeutung. In geringerer Entfernung befand sich die Ansiedlung Ad Turres mit Bischofssitz,3 doch wird sie nicht sehr groß gewesen sein. Wir können davon ausgehen, daß die Urkunden an Ort und Stelle verfaßt und nicht etwa über größere Strecken zu ihrem späteren Fundort transportiert worden sind. 4

I. Der geschichtliche Hintergrund Das Fundgebiet liegt beiderseits der heutigen Grenze zwischen Algerien und Tunesien sowie der antiken Grenze zwischen den römischen Provinzen Numidia und Byzacena. Als die Urkunden errichtet wurden, lag es im äußersten Südwesten des Vandalenreichs. 5 Das bestätigen die Tablettes Albertini selbst. Alle Vertragsurkunden nennen den Namen des Vandalenkönigs Gunthamund. Besiedelt wurde die Gegend von den Vandalen jedoch nicht. Victor Vitensis schreibt über das Verhalten Geiserichs bei der vandalischen Landnahme: "Disponens quoque singulas quasque I In diesem Kapitel sollen alle tatsächlichen Umstände, die für die Erörterung der durch die Tablettes Albertini aufgeworlenen Rechtsfragen von Bedeutung sind, im Zusammenhang geschildert werden, sofern nicht ausnahmsweise ihre Erwähnung an anderer Stelle günstiger erscheint. Es handelt sich zum einen um geschichtliche Hintergrundinformationen, zum anderen, größeren Teil jedoch um Umstände, die den Urkunden selbst entnommen werden können. Da diese bisher nur sehr unzureichend erlorscht sind, muß etwas weiter ausgeholt werden, auch wenn dabei über den engeren Bereich der Rechtsgeschichte hinausgegriffen wird. 2 Albertini, Journal des savants 1930, 23 f.; Überlegungen zur genaueren Lokalisierung bei Mattingly, Olive Cultivation, 409; Hitchner, Historical Text, 126, 130. 3 ledinlLatourettelMartin, Atlas zur Kirchengeschichte, 7. 4 TA-Courtois, 189. 5 Vgl. die Karte bei Courtois, Les Vanda!es, 182.

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1. Kap.: Annäherungen

provincias sibi Bizacenam, Abaritanam atque Getuliam et partem Numidiae reservavit, ecercitui vero Zeugitanam vel proconsularem funiculo hereditatis divisit ... ".6 Erschütterungen der Eigentumsverhältnisse durch Landverteilungen an die Germanen sind für Tuletianos daher auszuschließen. Dementsprechend lassen sich vandalische Ausdrücke oder Namen mit Ausnahme desjenigen des Königs in den Tablettes Albertini nicht nachweisen. 7 In den Gebieten, die sich der König vorbehalten hatte, kam es zwar zu Enteignungen zu seinen Gunsten, diese fanden jedoch meist im Rahmen der Verfolgung der senatorischen Oberschicht statt. 8 Auch sind Fälle bekannt, in denen konfiszierte Güter zurückerstattet wurden. 9 Die Güter des Königs wurden von römischen Prokuratoren verwaltet. \0 Aufs ganze gesehen ist davon auszugehen, daß hier die Eigentumsverhältnisse weitgehend unangetastet blieben. 11 Der Bericht Victors ist dahingehend zu verstehen, daß sich der König die Steuereinkünfte in dem ihm zustehenden Bereich sicherte, 12 wohingegen die Vandalen auf dem ihnen zugeteilten Land keine Steuern zahlten. 13 Die für die anderen Germanenreiche umstrittene Frage, was unter der Landverteilung an die Eroberer zu verstehen ist und welche Ergebnisse sie zeitigte,14 stellt sich für das hier interessierende Gebiet des Vanda1enreichs nicht. 15 Allerdings soll das in den Urkunden genannte centenarium l6 eine Militärfestung sein,17 was auf Anwesenheit vandalischer Soldaten hindeuten könnte. Weshalb von den vielen Bedeutungen des Wortes aber ausgerechnet diese zutreffen soll, ist nicht ersichtlich. Im Maghreb wurde es auf Bauinschriften gefunden,18 ohne daß man Vict. Vit. 1,13. TA-Courtois, 193, Fn. 3. 8 Courtois, Les Vandales, 276 f. 9 Vita Fulg. 1. 10 Jones, The Later Roman Empire I, 260. 11 Nach der Rückeroberung Afrikas durch Belisar wurden die sortes Vandalorum, nicht aber die Gebiete, die sich der König vorbehalten hatte, eingezogen (vgl. Prokop. bell. Vand. 2,14,8-10), was dafür spricht, daß sie im Eigentum von Römern verblieben waren. 12 Nach Prokop. bell. Vand. 2,9,25 hatte Geiserich die Steuerkataster vernichten lassen, was an der Steuerpflicht sicherlich nichts änderte. 13 So schon Dahn, Die Könige, 232 ff.; vgl. Prokop. bell. Vand. 1,5,14-17. 14 Goffart, Barbarians and Romans; Durliat, Le salaire, 21 ff.; Wolfram, Zur Ansiedlung, 1 ff.; Bamish, Papers ofthe British School at Rome 54 (1986),170 ff.; Krieger; Untersuchungen, passim; Stüven, Rechtliche Ausprägungen, 83 ff.; weitere Literatur bei Kohlhas-Müller; Untersuchungen, 203 ff. Zu spätantiken Urkunden vgl. Tjäder 11, S. 261, Anm. 7; S. 297, Anm.20. 15 In Africa proconsularis spricht die Zumessung von Land mit dem Seil und die Vertreibung der Großgrundbesitzer für die Verteilung von Land und gegen die Zuteilung bloßer Steueranteile. V gl. auch Gi! Egea, Africa, 251 ff. 6 7

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TA VIII.

TA-Courtois, 195; Väänänen, Etude, 47; zu römischen Militärfestungen am Rande der Sahara vgl. Barker; Castles in the Desert, 13 ff. 17

I. Der geschichtliche Hintergrund

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sich seinen Sinn erklären konnte. 19 In friihmittelalterlichen Texten bezeichnet es eine Wasserleitung,20 wohl zuriickgehend auf eine römische Rohrgröße von 100 Zoll Umfang. 21 Da das centenarium einer der Inschriften aquajrigida 22 heißt und in den Tablettes Albertini Bewässerungsanlagen allgegenwärtig sind, spricht vieles dafür, daß das Wort auch hier eine Wasserleitung bezeichnet. Auch indirekte Einflüsse dürften sich in Grenzen gehalten haben. Der Anteil der Eroberer an der Gesamtbevölkerung war mit geschätzten zwei Prozent noch geringer als in den anderen Germanenstaaten. 23 Im stark romanisierten und hochzivilisierten Afrika 24 wurden sie zwar nicht assimiliert, nahmen aber doch schnell die römische Lebensweise an. 25 Von umgekehrter Beeinflussung verlautet nichts. Das gilt insbesondere für das Rechtsleben. Die viel besser dokumentierten Verhältnisse in anderen Germanenstaaten auf Reichsboden zeigen vor dem siebten Jahrhundert nur einen geringen Einfluß des germanischen auf das römische Recht. Dies muß um so mehr für das Vandalenreich gelten, wo nicht nur der germanische Einfluß geringer war, sondern sich auch Verwaltung und Rechtswesen besser erhielten als in den jüngeren Germanenreichen. Auf das Wirtschaftsleben kann sich die Eroberung ebenfalls nicht sehr nachteilig ausgewirkt haben. Tuletianos war zu weit vom Meer entfernt, um bei den hohen Transportkosten zu Lande in größerem Umfang Agrarprodukte wirtschaftlich im Überseehandel absetzen zu können?6 Dessen Beeinträchtigung, sofern überhaupt eingetreten,27 konnte hier nicht spürbar werden. Der Binnenhandel war ungestört. Eine via de camellos,28 eine Fernhandelsstraße, verlief über den fundus. Tuletianos mag also am Saharahandel teilgenommen haben. Schließlich dürfte den Vandalen in dieser abgelegenen Gegend auch für umfangreiche Katholikenverfolgungen und damit einhergehende Konfiskationen schlichtweg das Personal gefehlt haben. 29 Ohnehin fanden unter Gunthamund kaum welCIL VIII 8713; 9010; 20215; 22763. Kubitschek, RE III 2, 1926. 20 Vgl. die Nachweise bei Du Cange, Glossarium, Art. centenarium Nr. 2. 21 Frontin. aq. 62,1 f.; Vitr. 8,6,4; vgl. Bruun, The Water Supply, 51 ff. 22 CIL VIII 20215. 23 Demandt, Der Fall Roms, 578. 24 Mit dem Wort Afrika werden im folgenden die Gebiete der ehemaligen Provinzen Africa proconsularis und Byzacena sowie die angrenzenden Regionen der umliegenden Provinzen bezeichnet. Dieses Gebiet deckt sich weitgehend mit dem Territorium des Vandalenreichs. 25 Prokop. bell. Vand. 2,6,5-9. 26 Die Transportkosten zu Lande überstiegen in der Antike vermutlich oft das 30fache der Seeverfrachtung; vgl. Duncan-Jones, The Economy, 366 ff.; Greene, The Archaeology, 39 f. 27 Vgl. Pasquinucci u. a., Circolazione, 1401 ff.; Uggeri, Relazioni, 1457 ff.; Reynolds, Trade, 106 ff.; vgl. auch Pefia, The mobilization, 193 ff. 28 TAXXI,6. 29 Vgl. Dahn, Die Könige, 212. 18

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1. Kap.: Annäherungen

che statt, vielmehr wurden Anordnungen seiner Vorgänger rückgängig gemacht. 30 Der fundus lag daher im Windschatten der geschichtlichen Entwicklung. Dies läßt schon vor der genaueren Lektüre der Urkunden vermuten, daß sich die ihnen zugrundeliegenden Verhältnisse von denen vor der Eroberung nicht wesentlich unterscheiden. Nur in einer Hinsicht ist das Bild ruhigen Fortbestehens der gewohnten Lage getrübt. In der Nachbarschaft hatten sich Berberherrschaften etabliert, denen das vandalische Heer nur noch wenig Widerstand entgegensetzen konnte. 31 Die Berber dehnten ihren Machtbereich in wiederholten Kämpfen allmählich aus. Möglicherweise haben wir es daher einem ihrer Kriegszüge zu verdanken, daß die Urkunden erhalten geblieben und die Holztafeln nicht wie sonst üblich alsbald wiederverwendet worden sind. 32 Weitergehend ist zu fragen, ob die Tablettes Albertini nicht auch selbst den Rechtsvorstellungen einer nur oberflächlich romanisierten Berbergesellschaft Ausdruck geben. 33 Da das Recht der antiken Berber nicht bekannt ist, kann ihnen freilich leicht jede ungewöhnliche Erscheinung zugeschrieben werden. Es ist jedoch zu bedenken, daß sich die Vertragsurkunden, wie noch zu zeigen sein wird, eng an römische Vorbilder anlehnen. Diese Vorgehensweise läßt kaum Raum für andere rechtliche Überzeugungen, wohingegen die Verwendung römischer Muster bereits als solche für eine starke Romanisierung spricht. Ferner tragen die in Erscheinung tretenden Personen römische Namen. 34 Alle Urkunden sind vollständig auf lateinisch verfaßt, nicht einmal vereinzelte Wörter wurden in einer anderen Sprache geschrieben?5 Latein wird daher die Umgangsprache der handelnden Personen gewesen sein. 30 Isid. Vand. 80; Vict. Tonn., a. 479, 2; Laterculus regum Wandalorum et Alanorum 7 - 10 (MGH AA XIII, 459). 31 Courtois, Les Vandales, 334. Nach Drac. satisf. 214 hat Gunthamund die Berber zwar überall niedergeworfen, doch ist den Lobpreisungen eines Herrschers, die ein im Kerker Schmachtender zum Zweck der Freilassung verfaßt, nur ein geringer Wahrheitsgehalt zuzugestehen. Den Worten "Maurus ubique iacet" ist vielmehr zu entnehmen, daß die Berber dem Vandalenreich an vielen Stellen gefahriich geworden waren. 32 So Albertini, Journal des savants 1930, 24; TA-Courtois, 12; Carcopino, Journal des savants 1952, 168; Schmidt, Wandalen, 47; Diesner, RE Suppl. X, 991. Sicher ist jedoch weder, daß im Jahr 496 ein Berberüberfall stattgefunden hat, noch, wie vermutet, daß die Urkunden vor einer Flucht vergraben worden sind. Den Urkunden selbst läßt sich kein Hinweis auf eine drohende Gefahr entnehmen. Das ist in Vertragsurkunden auch nicht zu erwarten. Der Seufzer "tempore hoc barbarici" in P. Tjäder 13, 11, ist eine Ausnahmeerscheinung. 33 So Whittaker, Land and Labour, 355 ff.; anders Matringe, Individualisme, 193 ff.; 207 ff.; 211 ff. 34 Wiänänen, Etude, 52 ff. TA-Courtois, 206, zweifelt an der Latinität einiger Namen. Zur Übernahme römischer Namen durch die afrikanische Bevölkerung vgl. Lassere, Ubique populus, 441 ff. 35 Vgl. demgegenüber die gotischen Unterschriften in P. Tjäder 34, 88 ff., und P. Marini 118,47 ff.

11. Der fundus Tuletianos

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Im übrigen waren die Umstände in Afrika einer tiefgreifenden Romanisierung auch der Randgebiete günstiger als in anderen Teilen des römischen Reichs. Die für die Antike einzigartige starke Bevölkerungszunahme während der Kaiserzeit und die Hand in Hand hiermit erfolgende Ausdehnung der landwirtschaftlich genutzten Fläche sprechen dafür, daß entlegene Gebiete vor allem durch Zuzug bereits romanisierter Bevölkerungsgruppen besiedelt wurden und nicht nur die örtliche Berberbevölkerung oberflächlichen römischen Einflüssen unterlag. 36 Anders als zum Beispiel in Ägypten 3? ist daher der Einfluß vorrömischer Rechtsvorstellungen eher gering zu veranschlagen. Besonderheiten, die möglicherweise auf berberischen Rechtsvorstellungen beruhen, gibt es nur im Familienrecht. 38

11. Der fundus Thletianos Der Ort des Geschehens, an dem fast alle Urkunden geschrieben wurden, ist der fundus Tuletianos. 39 Der Name leitet sich in typisch römischer Manier von dem Gentilnamen Tulittius ab, dem das Suffix -anus angefügt wurde. 4o Er wird der Name eines früheren, wahrscheinlich des ersten Eigentümers des Gutes gewesen sein. Andere Landgüter grenzen an, die fundi Magula, Gemiones und Capprarianus. 41 Nicht mitgeteilt wird, ob und zu welcher civitas die fundi gehören. Statt dessen heißt es in TA 11, die Vertragsparteien seien cibes capprarianensium bzw. ein cibis tuletianensis. 42 Die handelnden Personen gelten daher als vorrangig ihrem fundus zugehörig, sonst hätte man das Wort civis in diesem Zusammenhang nicht verwenden können. Zu prüfen bleibt, ob wir aus dieser Sachlage schließen dürfen, daß die fundi außerhalb eines Stadtgebietes lagen. In den etwa zur selben Zeit entstande36 Zur Romanisierung Afrikas siehe Benabou, La resistance; Lassere, Ubique populus, 565 ff.; 597 ff.; vgl. auch Cherry, Frontier, 24 ff., 66 ff. 37 Siehe hierzu Seidl, Rechtsgeschichte Ägyptens. 38 Vgl. 11. Kap. 11. 39 Alle Umstände deuten darauf hin, daß der fundus ein geschlossenes Gebiet umfaßt und nicht, wie im spätantiken Italien oder in Ägypten häufig, aus verstreuten Einzelgrundstücken besteht, zwischen denen Grundstücke anderer Eigentümer liegen. Vgl. auch das Ende dieses Abschnitts. 40 Th. Mommsen, Die italische Bodentheilung, 124 ff.; Schulten, Grundherrschaften, 129 ff. 41 Eine Straße führt zum fundus Magula, TA 111,14-15; IX, 7; XVIII, 8-9. Ein auch sonst in Erscheinung tretender Verkäufer stammt vom fundus Capprarianus (TA 11, 3-4; der Name Capprarianus ist nicht überliefert, sondern aus den hier genannten cibes capprarianensium geschlossen. Er bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf einen fundus, nicht auf eine Stadt, vgl. TA-Courtois, 193 f.). Je eine Urkunde wurde auf dem fundus Gemiones (TA XXIX, 7) und dem fundus Magula (TA IV, 31) geschrieben. Die Landgüter werden daher alle in der Nähe gelegen haben. 42 Vgl. auch CDL 11 228.

I. Kap.: Annäherungen

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nen ravennatischen Papyri wird im Rahmen des Verkaufs von Grundstücken stets die Stadt genannt, auf deren Gebiet sie sich befinden. 43 Hier lag jedoch oft der Ort des Vertragsschlusses in einer anderen Stadt als das Grundstück. Aber auch wenn beide Orte im Territorium derselben civitas lagen, war die Nennung ihres Namens erforderlich, da die Belegenheit des Grundstücks meist nur durch diesen beschrieben wird. Eine allgemeine Regel dergestalt, daß bei Grundstückskäufen auch die Stadt zu nennen sei, in deren Gebiet es liegt, läßt sich für die Antike aber nicht aufstellen. Wenn in Tuletianos stets nur der Name des fundus angegeben wird, ist dies also kein Indiz für exterritorialen Status. Zudem besteht angesichts der geringen Größe der verkauften Parzellen und der Tatsache, daß sie unter Bewohnern des fundus verkauft werden, ohnehin wenig Anlaß, auch die Stadt zu nennen, da eine genauere Beschreibung der Grundstückslage auf diese Weise nicht zu erreichen ist. Auch in TA II muß sie nicht genannt werden, da die Wohnorte der Vertragsparteien vermutlich nahe beieinander lagen und damit zum Territorium derselben Stadt gehört haben dürften. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß es in dieser südlichen Region nur wenige Städte gab und außerhalb des Territoriums einer Stadt liegende fundi in Afrika nicht selten waren. Daß auch Tuletianos ein solcher war, ist daher durchaus möglich. Die Gegend liegt östlich des Aures-Gebirges überwiegend auf einer Höhe von 500 bis 700 Metern über dem Meeresspiegel. Der Niederschlag beträgt weniger als 200 Millimeter im Jahr. 44 Das bedingt eine steppenartige Vegetation. Nur in römischer Zeit konnte durch den Bau von Bewässerungsanlagen in größerem Umfang Ackerbau betrieben werden. 45 Aufgrund der geringen Niederschlagsmenge ist Fruchtbaumkultur wirtschaftlicher als Getreideanbau. 46 Gleichwohl wird auch Getreide, teilweise unter den Bäumen,47 kultiviert worden sein. 48 Ohnehin war man an die Grenze des Möglichen gelangt. Weiter südlich kann auch Bewässerungsfeldbau nicht mehr praktiziert werden. 49 Neben der Baumkultur ist extensive Weidewirtschaft auf den unbewässerten Flächen zu vermuten, wovon sich in den Urkunden allerdings keine Spur findet, vermutlich weil sie gemeinsam bewirtschaftet wurden und privatautonomem Verhalten nicht zugänglich waren. Zahlreiche RuiP. Tjäder 29,3; 30,12; 31, II, 6; 35,14; 37,14 f. Anhuf, Klima, 58 ff.; Picard, La civilisation, 65. 45 Zu Bewässerungssystemen im römischen Afrika vgl. insb. Gilbertson/Hunt, RomanoLibyan Agriculture, 191 ff.; Shaw, The noblest monuments, 63 ff. 46 Picard, La civilisation, 73. Die Erträge des Getreideanbaus sind im Süden Tunesiens ausgesprochen schlecht, diejenigen des Olivenanbaus hingegen viel besser als im Norden, vgl. Anhuf, Klima, 78 ff. 47 So TA-Courtois, 202. 48 Vgl. van der Veen/Grant/Barker, Romano-Libyan Agriculture, 227 ff.; Barker/Gilbertson/ Hunt/ Mattingly, Romano-Libyan Agriculture, 269 ff. Zur Bepflanzung der einzelnen Parzellen vgl. 6. Kap. III. 49 Vgl. die Karte der Verbreitung der antiken Ölbaurnkulturen in Afrika im Anhang von Camps-Fabrer, L'olivier. 43

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H. Der fundus Tuletianos

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nen geben Zeugnis von einer im Vergleich zur heutigen Situation recht dichten Besiedlung. 29 der insgesamt 34 Dokumente betreffen den Verkauf von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken. Fast alle sind mit Fruchtbäumen bestanden. Regelmäßig wird in den Verträgen präzise beschrieben, wieviel Bäume welcher Art auf dem verkauften Grundstück stehen. Genannt werden insgesamt 178 Oliven- und 59 Feigenbäume als die mit Abstand häufigsten Arten, darüber hinaus vier Mandel- 50 und zwei Pistazienbäume,51 ferner eine unbestimmte Anzahl von Weinstöcken, die an sechs Feigenbäumen ranken. 52 Eine Eiche wird lediglich zum Zweck der Ortsbestimmung angeführt. 53 Nicht erwähnt werden Dattelpalmen. Die Menge der erhaltenen Urkunden ist groß genug, um aus ihr mit einiger Sicherheit auf die Zusammensetzung der Baumkulturen des gesamten fundus schließen zu können. Sie werden zu etwa einem Viertel aus Feigen- und zu drei Vierteln aus Olivenbäumen bestanden haben. Andere Arten kamen nur vereinzelt vor. Es werden vier Arten von Feigenbäumen unterschieden, bei den anderen Fruchtbäumen wird nicht differenziert. Auch die meisten Feigenbäume werden schlicht ficus genannnt. Zehn sind Wildfeigenbäume (caprijicus), die für die Kaprifikation, die künstliche Befruchtung der Feigenblüten, benötigt wurden. 54 Nur in zwei Fällen wird die Sorte genauer bestimmt, es handelt sich um eine "fici arbor alaxsandrina,,55 und eine "caprijici arbor nomine emassoneu oxuno odore".56 Die alexandrinische Feige ist anderwärts literarisch belegt,57 die Wildfeigenart nicht. In der Antike war eine große Zahl von Feigen-, Oliven- und Rebsorten bekannt. 58 Auch in Tuletianos werden daher verschiedene Sorten angebaut worden sein. Doch hielt man eine genauere Bezeichnung in den Verträgen anscheinend nur dann für erforderlich, wenn es sich um eine seltene und besonders begehrte Art handelte. Die Sortenvielfalt war beim Feigenbaum besonders groß,59 es erstaunt daher nicht, daß gerade in seinem Fall verschiedene Spezies genannt werden. TA IV, 7; XIX, 7. TA IV, 8; VI, 7. Zum Ausdruck sitecia (=pistacia) vgl. Vdänänen, Etude, 51. 52 TA XI, 6. Für diese vitis arbustiva genannte Kultivierungsform der Weinrebe empfiehlt Colum. 5,6,19 zwei Reben pro Baum, andere Anordnungen waren aber möglich, eod. 30. Die Schriftsteller raten, für die Reben spezielle Baumarten zu pflanzen, in der Praxis war es aber aus naheliegenden Gründen üblicher, sie an bereits vorhandene Fruchtbäume zu setzen (Plin. nat. 17,200). Von den dafür in Frage kommenden beiden Hauptfruchtbäumen galt der Feigenbaum wegen seines geringeren Schattenwurfes für geeigneter als der Ölbaum (Plin. nat. 17,89; 200). 53 TA VII, 10. 50

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Tbeophrast. hist. pI. 2,8,4; Colum. 11,2,56; Plin. nat. 15,79-81. TA HI, 11. 56 TAX, 5. 57 Hist. Aug. Alex. Sever. 60,5; Plin. nat. 15,70 (cognomine delicatae). 58 Cato agr. 6,1; 4; 8,1; Colum. 3,2,1-29; 5,8,3; 5,10,11; Macr. Sat. 3,20,1; 6; 7; Plin. nat. 14,21-43; 15,13-20; 68-83. 54

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1. Kap.: Annäherungen

Hinweise auf Ertrag und Größe der Bäume geben die Urkunden nicht. Nur wenn diese noch sehr jung sind, wird hierauf aufmerksam gemacht. 14 Feigen- und zwei Ölbäume werden als "arbores nobelle" (novellae) bezeichnet,60 weitere 15 Feigenbäume sind erst fünf Jahre alt. 61 Die unterschiedliche Anzahl wird nicht nur auf Zufall, sondern auch die geringere Lebensdauer des Feigenbaums62 zurückzuführen sein. ÖI- wie Feigenbäume dienten der Erzeugung von Grundnahrungsmitteln. Olivenöl befriedigte einen beachtlichen Teil des Kalorienbedarfs der antiken Bevölkerung, und getrocknete Feigen traten oft an die Stelle des Brotes. 63 Die dem gehobenen Bedarf dienenden Mandel- und Pistazienbäume machen nur einen winzigen Bruchteil aller Fruchtbäume aus. Wieviel Einwohner hatte Tuletianos? Die Tablettes Albertini enthalten insgesamt 141 Namen. 64 Von diesen finden 16 ausschließlich als Patronymikon zur genaueren Bezeichnung einer anderen Person Verwendung. Da Haussöhne in den Tablettes Albertini regelmäßig angeben, daß sie auf Geheiß des Vaters handeln,65 ist bei Verwendung eines Patronymikons ohne diesen Hinweis anzunehmen, daß dieser bereits verstorben ist. Diese Fälle sind daher unberücksichtigt zu lassen. Gleiches gilt für die drei zur näheren Bezeichnung ihrer Witwen genannten Namen verstorbener Ehemänner. Zählt man eine Witwe hinzu, deren Name unbekannt Pallad. 4,10,27. TA X, 5; XI, 5 -6; XXIV, 11-12. Die im Index XI der Edition für TA III, 8 -9, vorgeschlagene Lesung von ,,[no]bi" als novae ist unsicher. 61 TA XXVI, 7. Arbores novellae ist der terminus technicus für junge, aber bereits aus der Baumschule auf das Feld verpflanzte Bäume; vgl. Cato agr. 33,2; 4; Colum. 3,13,5; 7; 4,8,1 rubr.; 11,2,41; Plin. nato 16,109; 192; 17,63; 207; 222; 249. Ölbäume verbrachten meist fünf Jahre in der Baumschule, bevor sie ausgepflanzt wurden (Colum. 5,9,6), bei Feigenbäumen geschah dies wegen ihres schnelleren Wachstums früher (Plin. nato 17,155). Bis zu welchem Alter Bäume noch als novellae bezeichnet werden konnten, läßt sich nicht sicher feststellen. Die fünfjährigen Feigenbäume, deren Alter wahrscheinlich ab der Verpflanzung von der Baumschule auf das Feld berechnet wurde (vgl. Cato agr. 43,2; 45; Colum. arb. 16,2-4), werden nicht mehr mit diesem Ausdruck bezeichnet. 62 Plin. nat. 17,155. 63 Reichmann, Reallexikon für Antike und Christentum VIII, 644 f. 64 Diese Zahl habe ich wie folgt ermittelt: Grundsätzlich wird jedem Namen nur eine Person zugeordnet, sofern sich nicht aufgrund der Nennung von Verwandten oder des Ehegatten eindeutig ergibt, daß mehrere Personen denselben Namen tragen. Erscheint jedoch derselbe Name sowohl mit als auch ohne Patronymikon, wird davon ausgegangen, daß es sich um zwei verschiedene Menschen handelt. Zwar ist es nicht unwahrscheinlich, daß gelegentlich dieselbe Person einmal mit, ein anderes Mal ohne das Patronymikon Erwähnung findet, weshalb die Zahl 141 zu hoch sein könnte. Andererseits sind die Fälle, in denen nachweislich mehrere Personen denselben Namen führen, sehr häufig, weshalb sich auch sonst hinter demselben Namen oft verschiedene Personen verbergen werden. Insgesamt dürfte die Zahl der in den Tablettes Albertini erwähnten Personen daher um einiges höher sein als die 141 nachweisbaren Namen. 65 Vgl. 9. Kap. IV. 59

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11. Der fundus Tuletianos

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ist,66 treten uns 123 Personen entgegen, die zum Zeitpunkt der Errichtung der Urkunden entweder lebten oder mit deren Namen Erbengemeinschaften bezeichnet werden. Abgesehen vom Vandalenkönig und dem Herrn des fundus sind sie alle entweder am Vertragsgeschehen als Parteien, Zeugen oder Schreiber beteiligt oder werden als Angrenzer genannt. Von ihnen stammen zwei weitere, wie bereits dargelegt, vom fundus Capprarianus. Läßt man den dominus als möglichen Einwohner beiseite, sind uns also 119 Einzelpersonen und Erbengemeinschaften bekannt. 21 der erwähnten Personen sind Frauen. Läßt sich feststellen, in wieviel Haushalten sie lebten? Siebzehn Frauen und elf Söhne sind anscheinend in eine Haushaltsgemeinschaft eingebunden, der eine andere Person vorsteht. Drei Männer leben vermutlich im Haushalt ihrer Brüder.67 Schließlich ist ein Sklave genannt. Die restlichen 87 Nennungen beziehen sich auf gewaltfreie Männer, Witwen und Erbengemeinschaften, welch letztere regelmäßig aus den Mitgliedern einer Familie zu bestehen scheinen. Man wird diese Zahl daher als die uns bekannte Anzahl von Haushalten ansetzen dürfen. Wir wissen nicht, wieviel Haushalte uns unbekannt geblieben sind. Doch muß ihre Zahl recht groß sein. Im Rahmen der Grundstücksverkäufe werden stets einige Angrenzer, insgesamt 51, genannt. 32 von ihnen erscheinen nur ein einziges Mal, sieben zweimal, lediglich zwölf häufiger. 68 Dieser hohe Anteil nur selten erwähnter Anrainer läßt auf eine hohe Dunkelziffer an Bewohnern des fundus schließen, die unerwähnt blieben. Genauere Berechnungen sind nicht möglich. Setzt man aber die durchschnittliche Haushaltsgröße auf vier bis fünf Personen an,69 wird man unter Berücksichtigung der Dunkelziffer die Mindesteinwohnerzahl des fundus keinesfalls auf weniger als 500 Personen schätzen dürfen. Sehr wahrscheinlich waren es wesentlich mehr. Es ist gut denkbar, daß der fundus deutlich mehr als 1000 Bewohner hatte. 7o Tuletianos ist daher ein Großfundus, wie er als für Afrika typisch von Agenius Urbicus, De controversiis agrorum 45, 16 - 22 (Thulin = Lachmann, 84, 29 - 85, 4), beschrieben wird, der hier Bemerkungen aus dem Werk Frontins zum selben TAX, 6. TA III; V. 68 Da Angrenzer nur mit ihrem cognomen genannt werden, liegt hier die Möglichkeit besonders nahe, daß sich hinter einem Namen mehrere Personen verbergen. Die restlichen 12 Angrenzer werden drei- bis sechsmal erwähnt; siehe hierzu Abschnitt IV dieses Kapitels. 69 Vgl. Bagnall/Frier. The demography, 57 ff., 67 ff.; Bagnall, Egypt, 199 ff. Zur Anzahl der Kinder pro Haushalt im römischen Afrika siehe Lassere, Ubique populus, 493 ff. 70 Vgl. diese Einwohnerzahlen z. B. mit denjenigen ägyptischer Dörfer; hierzu Bagnall, Egypt, 110 ff.; ders./ Frier. The demography, 55 f. Siehe auch die Ausführungen zur Literalität der Bewohner von Tuletianos am Ende des dritten Abschnitts dieses Kapitels. In den Tablettes Albertini lassen sich 29 schreibkundige Männer bei sehr hoher Dunkelziffer nachweisen. Setzt man Literalität von fünf bis zehn Prozent der männlichen Bevölkerung des fundus voraus, läßt auch dies auf eine große Zahl von Bewohnern schließen. 66 67

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1. Kap.: Annäherungen

Thema überliefert: "Inter res p. et privatos non facile tales in ltaUa controversiae moventur, sed frequenter in provinciis, praecipue in Africa, ubi saltus non minores habent privati quam res p. territoria: quin immo multi saltus longe maiores sunt territoriis: habent autem in saltibus privati{sI non exiguum populum plebeium et vicos circa villam in modum municipiorum. " Die afrikanischen fundi sind oft so groß, daß sie mit Städten verglichen werden können 7l und Grenzstreitigkeiten mit ihnen auf gleiche Weise austragen wie diese untereinander. Es müssen Latifundien sein, die zu keinem Stadtgebiet gehören. Tuletianos dürfte allerdings nicht zu den größten dieser fundi gezählt haben. Seine Bevölkerung wird geringer als diejenige einer Kleinstadt gewesen sein. Er bildete für seine Bewohner eine abgeschlossene Lebenswelt, wie sich daraus ergibt, daß sie Grundstücke nur untereinander verkauften. Es zeigt sich, daß am Rande der Wüste vergleichbare Verhältnisse wie in Africa proconsularis herrschten, auf die sich der Hinweis des Agenius Urbicus vor allem bezieht. Die Existenz einer villa läßt sich aus den Tablettes Albertini jedoch nicht belegen; und welche rechtliche und wirtschaftliche Stellung die als Plebejer bezeichneten Personen72 haben, wird sich im weiteren Gang der Priifung erweisen.

III. Die Personen Die Personen werden entweder nur mit ihrem cognomen oder mit Gentilnamen und cognomen bezeichnet. Viele der cognomina, zum Beispiel Felix, Fortunus, Donatus und Satuminus,73 sind typisch für Afrika und hier viel weiter verbreitet als in anderen lateinisch sprechenden Gebieten des römischen Reiches. 74 Nur zwei Gentilnamen kommen vor, Iulius und Geminius. Beide sind in Afrika sehr häufig?5 Iulius ist der mit Abstand gebräuchlichste afrikanische Gentilname und erscheint auch in den Tablettes Albertini wesentlich häufiger als der Name Geminius. Da Käufer und Verkäufer sehr oft einen Gentilnamen tragen, Zeugen und Angrenzer jedoch so gut wie nie, ist anzunehmen, daß er bei nicht an zentraler Stelle am Vertragsgeschehen beteiligten Personen oft weggelassen wurde. Das liegt nahe, da seine Erwähnung eher dem Wunsch nach Vollständigkeit entsprungen sein muß als einem praktischen Bedürfnis. Zur näheren Kennzeichnung taugt er kaum, wenn in einem Ort nur zwei Gentilnamen vorkommen. Gleichnamige Personen konnten besser durch die gebräuchliche Beifügung des Vatersnamens unterschieden werden. Da aber auch viele Vertragsparteien nur mit ihren cognomina bezeichnet werden, dürften diese keinen Gentilnamen getragen haben. Außer ihrem Namen und 71 Vgl. auch Amrn. 29,5,13. Zur Größe afrikanischer fundi in der Spätantike siehe Vera, Conductores domus nostrae, 468 ff.; vgl. Peyras, Les grands domaines, 110 ff. 72 Diese Bezeichnung läßt sich auch inschriftlich nachweisen. In CIL VIII 23022 nennen sich die Bewohner eines Gutes selbst "plebsfundi". 73 Zu letzterem vgl. Leglay, Satume africain, insb. 487 ff. 74 Benabou, La resistance, 501 ff.; Lassere, Ubique populus, 451 ff. 75 Siehe Ben Abdallahl Ladjimi Sebai, Index onomastique, zu diesen Stichwörtern.

III. Die Personen

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der Art ihrer Beteiligung am Vertrags geschehen wissen wir von den meisten Personen nichts. Welche Personen lassen sich genauer beschreiben? Fast stets genannt werden der Vandalenkönig Gunthamund und der dominus des fundus, Flavius Geminius Catullinus. Der König wird nur zum Zweck der Datierung der Urkunden erwähnt, die sich nach der Zahl seiner Regierungsjahre berechnet. Auch der Herr des Gutes tritt nicht persönlich in Erscheinung. 76 Es ist eher unwahrscheinlich, daß er ständig auf Tuletianos wohnte. Er wird deshalb genannt, weil man sich im Rahmen der Beschreibung der Belegenheit der verkauften Grundstücke nicht mit dem Namen des fundus begnügen, sondern auch mitteilen wollte, wem er gehörte. Stets wird angegeben, daß Flavius Geminius Catullinus ein flamen perpetuus sei. Das war zu dieser Zeit ein seiner urspriinglichen religiösen Bedeutung entkleidetes Munizipalamt. 77 In welcher Stadt er es innehatte, wird nicht gesagt. Niemals wird ein höheres Amt genannt oder ein Rangprädikat verwendet, das eine höhere soziale Stellung bezeichnet. 78 Flavius Geminius Catullinus gehörte daher der Führungsschicht einer Stadt an. Anders als meist angenommen,79 hatte er jedoch kei76 Zweifeln könnte man hieran, weil in TA XXVII, 7 ff., ein nur hier in Erscheinung tretender Catullinus als ranghöchster Zeuge mit folgenden Worten unterschreibt: "ego catullinus petitus a relicta benenati preiecta sicuti supra est uendidit omnem pretium accepit pro ea suscripsi et nomine meo testis sum". Diese Formulierungen liegen stilistisch und orthographisch um einiges über dem in Tuletianos sonst üblichen Niveau. Auch die ausdrückliche Differenzierung zwischen den beiden ausgeübten Funktionen erscheint nur hier. Namensübereinstimmung, Rang und höhere Bildung könnten daher dafür sprechen, daß es sich um den Grundherrn handelt. Allerdings erstaunt, daß sich eine entsprechend herausgehobene Person nur mit ihrem cognomen bezeichnen sollte, wenn andererseits ein einfacher Bauer seinen Gentilnamen verwendet, TA XIV, 21; XXIX, 10 (Geminius Urbanianus). Doch ist letzterer eine Ausnahme und benutzt sein Gentiliz vielleicht nur deshalb, um nicht mit einem anderen Zeugen namens Urbanianus verwechselt zu werden. Sonst nennen Zeugen nur ihr cognomen, während Käufer und Verkäufer häufiger einen Gentilnamen führen als keinen. Hieraus könnte man schließen, daß Zeugen selbst dann nur mit ihrem cognomen unterzeichneten, wenn sie einen Gentilnamen hatten. Auch im Zahlungsregister (TA XXXIII; hierzu 2. Kap.) werden die Personen nur mit ihren cognomina benannt. Doch fehlt in TA XXVII auch ein Hinweis darauf, daß Catullinus ein flamen perpetuus ist. Der als Schreiber viele Urkunden aufsetzende Magister Lucianus bezeichnet sich in seinen Unterschriften hingegen meist als solchen. (Ausnahmen finden sich in TA VI, 32; VIII, 25; IX, 23. In TA VI und IX steht der Hinweis aber an anderer Stelle.) Catullinus wird daher nicht der Herr des fundus gewesen sein. Vgl. auch die Kaufurkunden P. Tjäder 30 ff., wo Amt und Rangprädikat jedes Zeugen genauestens angeführt werden. 77 Lepelley, Les cites I, 165 ff. Ein flamen perpetuus läßt sich im Vandalenreich noch im Jahr 526 n. Chr. nachweisen, CIL VIII 10516/11528 = ILC 388. Zur Fortführung des Kaiserkults durchflamines perpetui und sacerdotes und seine eventuelle Ausrichtung auf die Vandalenherrscher siehe Chastagnol/ Duval, Les survivances, 87 ff.; Clover; Emperor Worship, 661 ff.; ders., Le culte, 121 ff.; Duval, Revue des Etudes Augustiniennes 30 (1984), 269 ff. Allgemein zum Flaminat in Afrika siehe Bassignano, Il flarninato; Le Glay, L' epigraphie juridique, 199; Pflaum, Les flamines, 393 ff.; Kotula, Les curies, 67 ff.; 103 ff.; 132 ff.; Gil Egea, A.frica, 293 ff. 78 Die Rangtite1 waren auch im Vandalenreich gebräuchlich, vgl. Vict. Vit. 3,10.

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1. Kap.: Annäherungen

nen höheren Rang als den eines Kurialen. 8o Dem steht auch nicht entgegen, daß Geminius Catullinus anstelle eines praenomen das Gentiliz der zweiten flavischen Dynastie führt. 81 Es zeigt zwar einen hohen Rang an, wird in der Spätantike jedoch auch von Angehörigen der Munizipalaristokratie, nicht nur von Senatoren geführt. 82 Die Überschätzung der gesellschaftlichen Stellung des Flavius Geminius Catullinus dürfte mit der nach wie vor verbreiteten Vorstellung vom Niedergang des Dekurionats in der Spätantike zusammenzuhängen. 83 Doch zeigt sich, daß bei der Beurteilung dieser Frage der Quellenperspektive größere Bedeutung beigemessen werden sollte. Aus der Sicht der um effiziente Einbindung der Kurialen in die Staatsverwaltung bemühten Kaiserkonstitutionen erscheinen sie oft als Opfer staatlicher Zwangsmaßnahmen, wohingegen sie aus der Froschperspektive der Tablettes Albertini weiterhin sehr bedeutende Personen sind. 84 Die übrigen Personen sind fast sämtlich Bewohner des fundus Tuletianos, auch wenn dies nur für den Käufer im einzigen Sklavenkauf der Tablettes Albertini ausdrücklich mitgeteilt wird. Die Verkäufer des Sklaven sind "cibes capprarianenses".85 Das ist um so interessanter, als einer von ihnen, Donatianus Victoris, auch ein beliebter Schreiber ist. 86 Dies deutet mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf hin, daß er, obwohl einem anderen fundus zugehörig, auf Tuletianos lebte. Als Schreiber weist Donatianus nicht auf seinen besonderen Status hin.

TA-Courtois, 211, hält ihn z. B. für einen Senator. Vgl. das Album von Timgad, CIL VIII 2403 (und 17824); vgl. ferner Pflaum, Titulature, 183 f. Immerhin gehörten die flamines perpetui zur Oberschicht unter den Kurialen (vgl. Kotula, Les principales, 72 ff.), die jedenfalls zu Zeiten der Reichszugehörigkeit Afrikas von einigen Lasten befreit war, CTh. 12,5,2. 81 Flavius ist keineswegs ein praenomen, wie TA-Courtois, 206, Lambert, Revue africaine 97 (1953), 204, Fn. 28, Vitrone, Romanobarbarica 14 (1994/95), 238 f., Fn. 9, und Matringe, Individualisme, 194, Fn. 2, annehmen. 82 Zu allen Fragen in Zusammenhang mit der Verwendung des Namens Flavius in der Spätantike siehe Mocsy, Der Name, 257 ff.; Wolfram, Intitulatio, 56 ff.; Kohlhas-Müller; Untersuchungen, 83 ff. 83 Zum Problem siehe Demandt, Spätantike, 408 ff.; Horstkotte, Die Steuerhaftung, 53 ff., 84 ff.; Langhammer, Die rechtliche und soziale Stellung, passim. Vgl. aber auch Lepelley, Quot curiales, 143 ff.; Di Paola, Vita cittadina, 655 ff.; siehe ferner die differenzierte Darstellung bei Bagnall, Egypt, 319 ff. 84 Zu den Verrnögensverhältnissen afrikanischer Kurialen in der Spätantike vgl. Lepelley, Les cites I, 318 ff.; Kotula, Les principales, passim. Interessant ist auch, daß neben dem Herrn des fundus auch dessen Bewohner, bei denen es sich um Kolonen handelt, ausweislich der Tablettes Albertini besser gestellt sind, als aufgrund der Kolonen betreffenden Kaiserkonstitutionen meist angenommen wird (vgl. 5. Kap. IV). In der wissenschaftlichen Literatur werden Kurialen und Kolonen hingegen gerne als Opfer vergleichbarer Zwangsmaßnahmen hingestellt. Vgl. Carrii, Colonato, 87 ff. 85 TA 11. 86 TA-Perrat, 51 f. 79

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III. Die Personen

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Ein Hinweis auf den Wohnort der Parteien kann entfallen, wenn keine auswärtigen Personen am Vertrags schluß beteiligt sind. Allerdings wird je eine Urkunde auf den fundi Magula und Gemiones verfaßt. 87 Fraglich ist hier sowohl, ob die verkauften Grundstücke auf ihnen liegen, als auch, ob die Verkäufer Bewohner der respektiven fundi sind. Die Verkäufer der auf Magula geschriebenen Urkunde, ein Ehepaar, haben zuvor gemeinsam mit dem Vater des Ehemannes einen Verkauf getätigt, der auf Tuletianos beurkundet wurde. 88 Auch das auf Magula beurkundete Geschäft betrifft ein Grundstück, das der Herrschaft des Flavius Geminius Catullinus untersteht. Der Käufer, Geminius Felix, und die Zeugen werden auch in anderen Verträgen genannt. Auf die Funduszugehörigkeit der Verkäufer wird nicht hingewiesen. Diese Umstände machen es wahrscheinlich, daß die Verkäufer Bewohner von Tuletianos sind, aber Grundstücke auf den anderen fundi verkaufen. Da aber das auf Magula veräußerte Grundstück unter der Herrschaft des Flavius Geminius Catullinus steht, muß ihm auch der ganze fundus unterstanden haben. Ähnliches ist für den fundus Gemiones zu vermuten. 89 Unterstehen diese fundi aber demselben Herrn wie Tuletianos, erscheint es nicht ungewöhnlich, daß Grundstücke auf ihnen erworben werden, ohne daß bei der Beschreibung ihrer Belegenheit hierauf ausdrücklich hingewiesen wird. 9o Von den uns in den Urkunden als handelnde Personen gegenübertretenden Bewohnern des fundus werden nur drei in ihrer Stellung genauer bezeichnet. Es sind die beiden Magistri Lucianus und Quadratianus sowie der Presbyter Saturninus. Die Anwesenheit des letzteren auf dem fundus ist ein weiterer Hinweis darauf, daß Tuletianos keine unbedeutende Ansiedlung gewesen sein kann. Welche Funktion hatte ein Magister? Der Ausdruck kann eine herausgehobene Stellung in den unterschiedlichsten Tätigkeitsbereichen bezeichnen. 91 Am nächsten liegt die Annahme, die Magistri seien Vorsteher eines Kollegiums der Kolonen des fundus 92 oder, noch wahrscheinlicher, einer an städtischen Vorbildern orientierten Selbstverwaltungsorganisation der Bewohner von Tuletianos gewesen. 93 Die Erwähnung eines magister vici findet sich in der Überlieferung häufig,94 und in Afrika läßt sich auch der Ausdruck magister fundi nachweisen. 95 InsbesonTA IV; XXIX. TA IV; VIII. 89 In TA XXIX ist die Beschreibung des Grundstücks nicht erhalten. 90 Es fällt auf, daß in TA IV (Magula) ein Pistazien- und drei Mandelbäume, also ein Großteil der dem gehobenen Bedarf dienenden Bäume verkauft wird. Anscheinend lohnte es sich, wertvollere Bäume auch in größerer Entfernung zu erstehen. 91 PauI.D.50,16,57; Fest. s. v. magisterare. Zu magistri in afrikanischen Inschriften siehe Zerbini, Tecnica, 155 ff.; siehe ferner Cecconi, Governo imperiale, 192 ff. 92 Vgl. d'Escurac-Doisy, Ant. Afr. 1 (1967),59 ff. Ein Vorsteher eines Kollegiums wurde typischerweise Magister genannt, siehe Komemann, RE IV 1,420 ff. 93 Vgl. Kehoe, The Economics, 188 ff. 94 Siehe den ThLL zum Stichwort magister. 95 eIL VIII 11217; AE 1967 Nr. 554: "magistrufundi municipi". 87 88

3 WeßeI

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1. Kap.: Annäherungen

dere finden sich Magistri in den afrikanischen Inschriften des Bagradas-Tals, welche die lex Manciana zum Gegenstand haben. 96 Aus diesen ergibt sich auch, daß die Magistri für die Kolonen tätig werden und nicht etwa vom Grundherrn eingesetzte Verwalter des fundus sind. 97 Dafür spricht ohnehin die gewöhnliche Bedeutung des Wortes. Die Magister und der Presbyter sind auch Urkundenschreiber. 98 Saturninus nimmt diese Aufgabe nur einmal wahr,99 die beiden Magister hingegen verfassen häufig Urkunden, weshalb sich genauere Aussagen zu ihnen machen lassen. Lucianus wird sechsmal für die Errichtung von Urkunden in Anspruch genommen, 100 erscheint hingegen nur einmal als einfacher Zeuge. 101 Anders liegt der Fall des Quadratianus. Er ist je fünfmal Zeuge 102 und Schreiber. 103 In seiner Funktion als Zeuge erscheint er in dreien der von Lucianus geschriebenen Urkunden. Alle seine Auftritte als Zeuge liegen zeitlich vor denen als Schreiber. Die letzte sicher zu datierende Urkunde des Lucianus stammt vom 13. Februar 494, die erste des Quadratianus vom 21. Januar desselben Jahres. Nur einmal, am 6. März 494, weist er als Schreiber ausdriicklich darauf hin, daß er Magister ist. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß er Lucianus in diesem Amt abgelöst hat. Nicht etwa dürften beide zur sei ben Zeit Magister gewesen sein, da sich Quadratianus in den zwei von ihm vor dem 13. Februar 494 geschriebenen Urkunden nicht als solchen bezeichnet, wohingegen Lucianus dies zwar nicht stets, aber doch meistens tut. Es muß Hypothese bleiben, liegt aber nicht fern, daß Quadratianus in den beiden von ihm nach dem 6. März 494 geschriebenen Urkunden es nicht aus Bescheidenheit unterläßt, sich als Magister zu bezeichnen, sondern weil diese Urkunden mehr als ein Jahr nach diesem Datum geschrieben wurden. Unterstellt man die übliche Annuität des Amtes, war er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Magister. Ob Quadratianus deshalb Nachfolger des Lucianus wurde, weil dieser verstarb, läßt sich nicht sagen. 104 Das Datum der letzten datierten Urkunde, der 13. Februar 494, ist nicht sehr aussagekräftig, da drei der sieben Urkunden, in denen Lucianus erscheint, nicht datierbar sind. Sie können daher auch noch nach diesem Datum er96 CIL VIII 10570/14464 (Suk el-Khmis); 25902 (Henchir Mettich); vgl. außer den in der vorhergehenden Fn. genannten auch die afrikanischen Inschriften CIL VIII 16411; 23022; ILT628. 97 Kehoe, The Economics, 188 ff. 98 Soweit die Zuweisung einer Urkunde zu einem Schreiber nur durch Schriftvergleich mit anderen Urkunden möglich ist, weil der Name des Schreibers nicht erhalten geblieben ist, verlasse ich mich weitgehend auf die Ausführungen von TA-Perrat, 51 ff. 99 TA XXVIII. 100 TA V; VI; VIII; IX; XXI; XXV. 101 TA xxx. 102 TA I1I; IV; VI; IX; XXv. 103 TA X; XIV; XVIII; XIX; XXIII. 104 In TA X vom 6. 3. 494 wird allerdings eine relicta luciani genannt, doch finden sich in den Urkunden außer dem Magister auch noch andere Personen gleichen Namens.

III. Die Personen

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richtet worden sein. Die Tätigkeiten von Lucianus und Quadratianus erscheinen vielmehr eng verzahnt, da Quadratianus vor dem 13. Februar 494 zwei Urkunden schreibt. 105 Da er anfänglich oft als Zeuge in von Lucianus aufgesetzten Urkunden genannt wird, nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Schreiber hingegen nicht mehr, scheint er an sie schrittweise herangeführt worden zu sein. Schlußendlich läßt sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob die Magistri jährlich wechselten. Hingegen ist es wahrscheinlich, daß der magistratus kein Kollegialamt war. Die Magistri waren als Schreiber so beliebt, daß dann beide von ihnen in den Urkunden zu erwarten wären. Auch erwähnt die Mehrzahl der afrikanischen Inschriften nur einen einzelnen Magister an der Spitze von Bewohnern eines fundus. 106 Doch kam auch Kollegialität vor,107 und ein möglicher zweiter Magister könnte auch Analphabet gewesen und uns deshalb verborgen geblieben sein. Welche Personen außer den beiden Magistern und dem Presbyter fungieren außerdem noch als Schreiber von Urkunden? Sieben weitere sind namentlich bekannt. Zwei von ihnen, Paulus und Donatianus, zeichnen sich dadurch aus, daß sie als Verkäufer in eigener Sache jeweils eine Urkunde schreiben. lOS Während Paulus jedoch nur diese eine Urkunde verfaßt, ist Donatianus auch für andere Personen tätig. 109 Über die Person der restlichen fünf Schreiber wissen wir außer ihren Namen nichts. Sie heißen Fidentius,lIo Montius,1II Paulinianus,1I2 Pulcherius ll3 und SoiaciusY4 Weitere vier Urkunden lassen weder den Namen des Schreibers erkennen, noch können sie durch Schriftvergleich einem bekannten Schreiber zugewiesen werden. 115 Es ist wahrscheinlich, daß sie wenigstens zum Teil von anderen als den genannten zehn Schreibern verfaßt worden sind. Die Gesamtzahl der Schreiber wird sich daher auf mehr als zehn belaufen. Das ist im Hinblick auf 32 erhaltene Vertragsurkunden sehr beachtlich. Es sind zu viele, als daß es sich um professionelle Schreiber, die auf einem fundus ohnehin nicht zu erwarten wären, oder auch nur um Personen handeln könnte, denen Spezialaufgaben zugewiesen sind. Dafür Dies übersieht TA-Perrat, 54. CIL VIII 10570; 164ll; 25902; vennutlich 23022. 107 CIL VIII 11217; ILT 628. 108 TA 11; XXVI. 109 TA XI; XIII; XV; XXVII; XXXII. 110 TA XXIX; XXXI. TA-Perrat, 51 ff., weist Fidentius keine einzige Urkunde zu; vgl. jedoch 8. Kap. I, Fn. 15. 111 TA III; VII. 112 TA XVI; XXIV. 113 TA XII; XXII. 114 TA XXX. 115 TA I; IV; XVII; XX. Vgl. TA-Perrat, 55 ff. Die Schreiber des Zahlungsregisters und der Rechentafel (TA XXXIII und XXXIV; hierzu 2. Kap.) habe ich nicht berücksichtigt. 105

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1. Kap.: Annäherungen

spricht schon, daß sie sich nicht selbst mit einer hierauf hinweisenden Berufsbezeichnung näher beschreiben, ferner, daß der Presbyter und die Magister als Schreiber herangezogen werden. Wie bereits gezeigt, schreiben gerade die beiden Magister besonders viele Urkunden, Lucianus sechs, Quadratianus fünf. Von den anderen Schreibern verfaßt nur Donatianus sechs, davon eine in eigener Sache, alle übrigen schreiben nur eine oder zwei Urkunden. Was Donatianus als Schreiber so attraktiv machte, ist nicht erkennbar. 1I6 Daß man hingegen die Magister gerne bemühte, liegt aufgrund ihrer respektierten Stellung nahe. Ich möchte angesichts der etwas abschätzigen Beurteilung der Urkundenschreiber durch die Herausgeber der Tablettes Albertini betonen, daß man die Erstellung der Urkunden nicht einem beliebigen Handlanger anvertraute, sondern die Angelegenheit so ernst nahm, daß man vorzugsweise die wichtigsten Personen unter den Bewohnern des fundus bemühte. Der Schreiber war also oft keine untergeordnete, sondern aus dem Blickwinkel der Bauern von Tuletianos eine herausragende Person. Vielleicht bot es sich auch deshalb an, einen Magister als Schreiber zu gewinnen, weil Grundstückskaufverträge vermutlich ohnehin zur Kenntnis des Ortsvorstehers gebracht werden mußten. Jedenfalls handelten die Vertragsparteien, die so vorgingen, sehr vernünftig. Denn wie sich bei der Behandlung einzelner Fragen des Urkundenformulars zeigen wird, ist Lucianus mit einigem Abstand der beste Schreiber, gefolgt von Quadratianus. Von den anderen Schreibern ist Montius recht befähigt, nimmt jedoch gelegentlich in guter Absicht kleinere Veränderungen am gelernten Urkundenformular vor, die den Urkunden nicht immer zum Vorteil gereichen. Die übrigen Schreiber bewältigen ihre Aufgabe recht ordentlich; ihnen unterlaufen aber gelegentlich Fehler oder Ungenauigkeiten. Im Ergebnis ist die Bevorzugung insbesondere von Lucianus berechtigt, wenn auch die Zahl der übrigen Schreiber unter Berücksichtigung einer nicht niedrig anzusetzenden Dunkelziffer weiterer hierzu Befähigter zeigt, daß eine beträchtliche Minderheit der Bewohner des fundus in der Lage war, Urkunden zu verfassen. Das führt uns zu der weiteren Frage, welche und wie viele der Bewohner von Tuletianos wenn auch keine Urkunden aufsetzen, so doch schreiben und lesen konnten. Die Urkunden mußten von Verkäufern und Zeugen unterschrieben werden. Waren sie hierzu nicht in der Lage, konnten sie sich von den Schreibern oder Dritten, meist Zeugen, helfen lassen. Nur über die Schreibkunde dieser Personengruppen lassen sich daher Aussagen treffen. Die Käufer waren an der Urkundenerstellung nicht beteiligt. Ob sie schreiben konnten, wissen wir daher nicht. Zwar liegt nicht fern, daß ein in den Tablettes Albertini enthaltenes Register über die von zwei Käufern, den Brüdern Geminius, getätigten Zahlungen 117 von einem der beiden verfaßt wurde, doch mögen sie sich auch eines Helfers bedient haben. 116 TA-Perrat, 56, meint, daß sich die Verkäufer Processanus und Siddina stets an Donatianus gewandt hätten. Nachweisbar ist dies jedoch nur für TA XIII und xv. Die Schrift von TA XVII weist hingegen keine Übereinstimmung mit diesen Urkunden auf, und TA XXXI ist Fidentius zuzuordnen. 117 TA XXXIII; siehe hierzu 2. Kap.

111. Die Personen

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Da die Verkäufer eine weitgehend zufällige Auswahl der Bewohner von Tuletianos darstellen, ist ihr Alphabetisierungsgrad Ausdruck des Bildungsniveaus aller Bewohner, wenn auch die Zahlen zu gering sind, um genaue statistische Aussagen zu treffen. Von 36 Verkäufern läßt sich feststellen, ob sie schreiben können oder nicht. Unter diesen befinden sich elf Frauen; keine einzige kann schreiben. Von den 25 Männern sind zwei, die uns bereits bekannten Donatianus und Paulus, in der Lage, die gesamte Verkaufsurkunde selbst zu schreiben. Weitere zwei sind des Schreibens hinreichend mächtig, um die aus einem Satz bestehende Unterschriftsformel abzufassen. 11 8 Personen, die nur ihren Namen schreiben können, finden sich nicht und sind bei der Art und Weise, in der die römische Unterschrift geleistet wurde, auch nicht zu erwartenY9 Diese nicht sehr hohe Quote literater Personen entspricht Forschungsergebnissen, nach denen im Westen des römischen Reiches allenfalls fünf bis zehn Prozent aller Menschen lesen und schreiben konnten. 120 Ein Beweis für nachlassende Literalität in der Spätantike ist sie nicht. Analphabetismus von Frauen außerhalb der Oberschicht ist typisch für die Antike. 121 Ganz anders stellt sich die Lage der Zeugen dar. Hier werden schreibkundige Personen bevorzugt. Nur neun der 32 bekannten Zeugen sind Analphabeten. 122 Wir wissen nicht, nach welchen Kriterien die Zeugen ausgewählt wurden. Es liegt nahe, daß man vertrauenswürdige und gesellschaftlich anerkannte Personen bemühte. Hierfür spricht auch, daß einige von ihnen, die Analphabeten sind, eine dritte Person zur Unterschriftsleistung heranziehen, die sich selbst nicht als Zeuge bezeichnet. 123 Dies allein vermag aber die hohe Alphabetisierungsrate der Zeugen nicht zu begriinden. Man zog vielmehr vorrangig Personen heran, welche die erforderliche Unterschrift eigenhändig leisten konnten. Daß einzelne illiterate Zeugen Dritte, vorzugsweise andere Zeugen, baten, für sie zu unterschreiben, bereitete keine Schwierigkeiten. Doch sollte anscheinend der Fall vermieden werden, daß 118 lulius Restitutus, TA IV und VIII; Muraena, TA XXVIII. TA-Perrat, 61, nimmt an, daß der Vermerk auf der Außenseite der Urkunde TA XII (Tafel 24 a) eine eigenhändige Quittung des Verkäufers Victorinus sei. Das ist aber ausgeschlossen, da dieser in der Urkunde als Analphabet ausgewiesen wird. Die Lesung des Vermerks ist im übrigen unsicher. 119 Es fehlen auch die in ägyptischen Papyri nicht seltenen ßpaöewc; ypa