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German Pages 192 Year 1986
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 498
Das Recht der Europäischen Gemeinschaften als Prüfungsgegenstand des Bundesverfassungsgerichts Verfassungsrechtliche und verfahrensrechtliche Möglichkeiten unter den Gesichtspunkten des deutschen sowie des europäischen Rechts und des Völkerrechts
Von Gerhard Eibach
Duncker & Humblot · Berlin
GERHARD
EIBACH
Das Recht der Europäischen Gemeinschaften als Prüfungsgegenstand des Bundesverfassungsgerichts
Schriften
zum öffentlichen Band 498
Recht
Das Recht der Europäischen Gemeinschaften als Prüfungsgegenstand des Bundesverfassungsgerichts Verfassungsrechtliche und verfahrensrechtliche Möglichkeiten unter den Gesichtspunkten des deutschen sowie des europäischen Rechts und des Völkerrechts
Von D r . Gerhard Eibach
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Eibach, Gerhard: Das Recht der Europäischen Gemeinschaften als Prüfungsgegenstand des Bundesverfassungsgerichts: verfassungsrechtl. u. verfahrensrechtl. Möglichkeiten unter d. Gesichtspunkten d. dt. sowie d. europ. Hechts u. d. Völkerrechts / von Gerhard Eibach. — B e r l i n : Duncker u n d Humblot, 1986. (Schriften zum öffentlichen Recht; Bd. 498) I S B N 3-428-05946-8 NE: G T
Alle Rechte vorbehalten © 1986 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Gedruckt 1986 bei Buchdruckerei A. Sayifaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-05946-8
Meinen Eltern gewidmet
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde i m J u l i 1984 abgeschlossen und i m Juni 1985 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Zur Drucklegung konnten Literatur und Rechtsprechung bis August 1985 Berücksichtigung finden. Für die rege Betreuung und vielfältige Unterstützung danke ich besonders herzlich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Gerhard Hoffmann, Marburg. Insbesondere die m i r von ihm gewährte Möglichkeit einer dreijährigen wissenschaftlichen Mitarbeit am Institut für öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht der Philipps-Universität Marburg war der Dissertation sehr förderlich. Aufrichtig gedankt sei auch Herrn Prof. Dr. Hans-Ernst Folz, der die Schrift als Zweitreferent begutachtete und stets sehr an dem Stand und an dem Ergebnis dessen interessiert war, was nun i n Druck gehen kann. I n besonderem Maß gilt es meiner lieben Frau zu danken, die mich mit viel Verständnis und in aufopfernder Weise beim Fortgang der Arbeit i n mannigfacher A r t unterstützte. Nicht zuletzt gebührt mein Dank der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für den gewährten Druckkostenzuschuß sowie dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme der Arbeit i n die Reihe „Schriften zum öffentlichen Recht". Marburg, i m Dezember 1985
Gerhard
Eibach
Inhaltsverzeichnis Einleitung
19
Der Untersuchungsgegenstand
21 Teil 1
Die unmittelbare Uberprüfbarkeit europarechtlicher Normen m i t dem Ziel, diese f ü r nichtig oder ungültig zu erklären
23
1. Abschnitt: Das Verfassungsbeschwerdeverfahren
23
A . Die Meinung des Bundesverfassungsgerichtes
23
B. Der Prüfungsgegenstand der Verfassungsbeschwerde
24
I. Die öffentliche Gewalt
24
I I . Der Geltungsbereich des Verfassungsbeschwerdeverfahrens
..
25
I I I . Die rechtliche Qualifizierung der Europäischen Gemeinschaften
26
1. Die Gemeinschaften als staatsähnliche Verbände? 2. Die Gemeinschaften als Internationale Organisationen? 3. Die Gemeinschaften als eigenständige Organisationsformen
26 27 29
C. Ergebnis
32
2. Abschnitt: Das konkrete
Normenkontrollverfahren
32
A . Die Meinung des Bundesverfassungsgerichtes
32
B. Der Prüfungsgegenstand
33
I. Das formelle Gesetz
34
I I . Der Geltungsbereich des A r t . 100 I GG C. Ergebnis
36 36
3. Abschnitt: Die abstrakte
Normenkontrolle
37
A. Der Prüfungsgegenstand
37
B. Aufgabe u n d Ziel
37
C. Der Geltungsbereich
38
D. Ergebnis
39
Zusammenfassung
der Ergebnisse
von Teil 1
39
10
nsverzeichnis Teil 2 Die unmittelbare Überprüfung europarechtlicher Normen bei modifizierter Urteilsformel
1. Abschnitt: Das Anwendungsverbot als eine für Rechtsnormen Europäischen Gemeinschaftsrechts nicht mögliche Urteils findung
40 des
40
A . Allgemeines
40
B. Die Rechtsfolgen der Nichtigerklärung
42
C. Die Rechtsfolgen der Unanwendbarkeit
42
D. Eine für den EG-Bereich irrelevante Differenzierung
42
E. Ergebnis
44
2. Abschnitt: Die Gegenargumente
des Bundesverfassungsgerichtes
A . Der Gesichtspunkt der Verfahrensfortbildung
44 44
I. Die exemplarische Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes 1. Die Überprüfbarkeit von Normen außerstaatlichen Ursprungs allgemein 2. Die Überprüfbarkeit des Besatzungsrechtes i m besonderen
44 45
I I . Die notwendige Gleichbehandlung i n der Überprüfung europarechtlicher Normen 1. Die Eigenständigkeit der EG-Rechtsordnungen
47 47
2. Das K r i t e r i u m der Unabgeleitetheit als das entscheidende ..
47
I I I . Zusammenfassung
44
49
B. Der Gesichtspunkt des fehlenden Grundrechtsschutzes i n den Europäischen Gemeinschaften
49
I. Die enumerative Kompetenzzuweisung an das Bundesverfassungsgericht
49
I I . Die Identität der Rechtsfolgenwirkung von Ungültigkeit u n d Unanwendbarkeit 1. Der grundsätzliche Ausschluß exterritorialer Geltung 2. Der Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechtes
51 51 52
C. Ergebnis Zusammenfassung
52 der Ergebnisse
von Teil 2
53
Teil 3 Die mittelbare Uberprüfbarkeit von primärem Gemeinschaftsrecht anhand der staatlichen Zustimmungsgesetze 1. Abschnitt: Die rechtliche kerrechtlichen Verträgen
Funktion des Zustimmungsgesetzes bei völohne hoheitsrechteübertragenden Charakter
54 55
11
nsverzeichnis A. Transformations- u n d Vollzugslehre
56
I . Die Geltung des völkerrechtlichen Vertragsrechtes als innerstaatliches Recht i n Folge einer Rezeption
58
B. Die Uberprüfbarkeit der Zustimmungsgesetze bei völkerrechtlichen Verträgen von nicht hoheitsrechteübertragender A r t — i n formeller Hinsicht
60
2. Abschnitt: Die Übertragungsgesetze
im Sinne von Art. 24 I GG
61
A. A r t . 24 I GG als spezifische N o r m zur Übertragung von Hoheitsrechten
61
B. Die F u n k t i o n des Gesetzes nach A r t . 24 I GG i n formeller Hinsicht
61
I. M i t Transformationscharakter?
63
I I . M i t Inkorporationscharakter?
63
I I I . Die andersgeartete F u n k t i o n des Übertragungsgesetzes
65
C. Die doppelte Aufspaltung des Zustimmungsgesetzes
66
I. Die Aufspaltung i n funktioneller Hinsicht
66
I I . Die Unterscheidung nach der Inhaltsgebung
67
3. Abschnitt: Art. 24 I GG als Verfassungsmaßstab Integrationsorgane
für
die
nationalen
68
A. Die vereinfachte Grundgesetzänderung
69
B. Der Grundsatznormcharakter des A r t . 24 I GG
69
I. A r t . 24 I GG als Verfassungsentscheidung für eine „offene" Staatlichkeit
70
I I . Die Eigengesetzlichkeit internationaler Kooperationsverträge ..
71
1. Die verfassungsrechtlichen Bindungen der auswärtigen Gewalt a) Die Saar-Statut-Entscheidung b) Das J E I A - U r t e i l c) Die Entscheidung zur britischen Höfeordnung d) Die Entscheidung zur Geltendmachung von Besatzungsschäden e) Die Entscheidung zur Sachschädenregulierung durch das BSAG f) Das A K U - U r t e i l g) Zwischenergebnis
71 72 73 73 73 74 75 76
2. Ableitungen aus dieser Rechtsprechung
77
3. Die allgemeine Geltung der gefundenen Grundsätze
78
4. Zusammenfassung
80
I I I . Die EG-Verträge als europäische Kooperationsverträge
80
I V . Die politischen Gegebenheiten als verfassungsrechtlich zu berücksichtigende Faktoren bei Gründung der Europäischen Gemeinschaften
81
12
nsverzeichnis C. Die verfassungsrechtlichen Schranken des A r t . 24 I GG I. Unmittelbar aus dem Wortlaut des A r t . 24 I GG I I . Aus dem Prinzip der Einheit der Verfassung 1. Die i n A r t . 79 I I I GG angesprochenen Verfassungsgrundsätze u n d deren Ausformung i m Recht der Europäischen Gemeinschaften a) b) c) d)
Die demokratische Legitimation Die Rechtsstaatlichkeit Die Sozialstaatlichkeit Der Föderalismus — Die Mitwirkungsrechte der Bundesländer e) Die Grundrechtsgarantie
2. Resümee
84 84 85
87 88 89 90 91 92 93
I I I . Die Grundrechtsdiskussion i m Rahmen des A r t . 24 I G G
94
1. Der fehlende Grundrechtskatalog i m Europäischen Gemeinschaftsrecht
94
2. Die Grundrechte i n der Rechtsprechung des E u G H
94
3. Die Weiterentwicklung der gemeinschaftsrechtlichen G r u n d rechtsstrukturen 98 a) I n der Rechtsprechung des E u G H 98 b) Außerhalb der Normierung durch den E u G H 98 c) Die Lösungsansätze i n der Rechtswissenschaft 99 d) Probleme grundsätzlicher A r t 100 e) Resümee 102 4. Zusammenfassende
Betrachtung
102
D. Fazit 4. Abschnitt: Die Überprüfbarkeit zu den EG-Verträgen
105 der nationalen
Zustimmungsgesetze
105
A. A n h a n d der v o m Integrationsgesetzgeber zu beachtenden Verfassungsschranken 105 I. Eine eingeschränkte Geltung des Gemeinschaftsrechts aufgrund besonderer Ratifikationsklauseln? 106 1. Vorüberlegungen 2. Der Geltungsanspruch der EG-Gründungsverträge nach a l l gemeinem Völkerrecht a) Der Wortlaut der Ratifikationsklauseln b) Der Bedeutungsgehalt solcher Ratifikationsklauseln c) Die Übertragbarkeit auf die EG-Verträge d) Der völkerrechtlich zu beachtende integrationsfeste V e r fassungskern
106 107 107 107 108 110
3. Die direkte A u s w i r k u n g des integrationsfesten Verfassungskerns auf die Rechtsordnungen der Europäischen Gemeinschaften 111
nsverzeichnis
13
a) Der I n h a l t der von den EG-Organen vollzogenen Rezept i o n — allgemein 111 b) Der Umfang der vorgenommenen Rezeption — i m besonderen 112 I I . Der eingeschränkte Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts aufgrund eigener verfassungsimmanenter Geltungsbeschränkungen 112 1. Einleitendes
112
2. Die nationalen Grundrechtsinhalte u n d der Gemeinschaftsvorbehalt 113 3. Die inhaltliche Konkretisierung I I I . Rechtsfolgen
116 117
1. Die Beachtung der i n A r t . 79 I I I GG niedergelegten übertragungsfesten Verfassungsschranken 117 2. Die Notwendigkeit der mitgliedstaatlichen Beteiligung
118
3. Die v o m Bundesverfassungsgericht zu gebrauchende Urteilsformel 119 a) Die abgestuften Möglichkeiten 120 b) Insbesondere die Teilnichtigkeit des Zustimmungsgesetzes 121 I V . Abschließende Betrachtung
123
B. Die Überprüfung der nationalen Zustimmungsgesetze zu den EGVerträgen anhand der nationalen Grundrechtsbestimmungen „ a l l gemeiner A r t " 124 I. Vorüberlegungen
124
I I . Die Einschränkung der Handlungsbefugnisse der Mitgliedstaaten i n allgemeiner Hinsicht 125 1. Der Geltungsanspruch der A r t . 5 EWGV, 192 E A G V u n d 86 I und I I EGKSV 125 2. Der umfassende Anwendungsbereich
126
3. Die Überlagerung der nationalen Rechtsordnung
127
4. Das Erfaßtsein von konkreten Gefährdungen
128
I I I . Der mögliche Verstoß gegen A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 E W G V i . V . m . den A r t . 164, 177 E W G V 128 1. Das Auslegungsmonopol des E u G H
129
2. Die Differenzierung zwischen Prüfungsgegenstand u n d P r ü fungsmaßstab 129 3. Die Kompetenzabgrenzung nach dem Ziel der Verfahren . . 129 4. Ergebnis
130
I V . E i n Verstoß gegen die A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 EWGV, 192 Abs. 1 Satz 2 E A G V u n d 86 Abs. 1 2. Halbsatz E G K S V 131 1. Das Regelungsausmaß
131
2. Die Mitgliedstaaten als Glieder der Gemeinschaften
131
14
nsverzeichnis 3. Die Kooperationsnotwendigkeit i m EG-Bereich
132
4. Die uneingeschränkte Uberprüfung als Verletzung der E r leichterungsverpflichtung? 132 5. Ergebnis
133
V. Der mögliche Verstoß gegen die A r t . 5 Abs. 2 EWGV, 192 Abs. 2 E A G V u n d 86 Abs. 2 E G K S V 133 1. Die Regelungsbereiche
133
2. Die zu sehende Gefahr
134
V I . Zusammenfassende Betrachtung 5. Abschnitt: Die Rechtsfolgen
in rechtspolitischer
135 Hinsicht
135
A . Allgemeines — Der prima-facie-Beweis
135
B. Der ausdrückliche Widerruf der bisherigen Rechtsprechung
136
C. Der Ausbau von Kooperationsmechanismen
137
D. Die Modifizierung der einstweiligen Anordnungen
139
E. Die verfassungspolitische, die verfassungsrechtliche keit
Unbedenklich-
F. Ergebnis des 5. Abschnitts Kurze
zusammenfassende
140 142
Betrachtung
von Teil 3
142
Teil 4 Die mittelbare Uberprüfbarkeit von sekundärem Gemeinschaftsrecht anhand der staatlichen Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen 1. Abschnitt: Die formell-rechtlichen
144
Überlegungen
144
A. Die Einheit von P r i m ä r - u n d Sekundärrecht
144
I. Die n u r mittelbare Überprüfungsmöglichkeit des sekundären Gemeinschaftsrechtes 145 1. Allgemeines
146
2. Beispiele aus der bisherigen Verfassungsrechtsprechung
147
3. Die Übertragbarkeit der gefundenen Rechtsauffassung auf das sekundäre Gemeinschaftsrecht 148 2. Abschnitt: Die materiell-rechtlichen
Anforderungen
150
A . Die gleichen europarechtlichen Bindungen von P r i m ä r - u n d Sekundärrecht 150 B. Die gleichen grundrechtlichen Anforderungen an das P r i m ä r - u n d Sekundärrecht 151 Ergebnis
zu Teil 4
153
Inhaltsverzeichnis
15
Teil 5 Die Überprüfbarkeit von nationalen Durchführungsbestimmungen zum Recht der Europäischen Gemeinschaften 1. Abschnitt: Die Notwendigkeit
nationaler
Durchführungsmaßnahmen
154 154
A. Das integrale Zusammenwirken zwischen EG u n d Mitgliedstaat .. 155 2. Abschnitt: Die rechtliche akte
Einordnung
der nationalen
Durchführungs-
156
A. Als Rückdelegation von Gemeinschaftsbefugnissen?
156
B. Als Wahrnehmung ursprünglicher Kompetenz
157
3. Abschnitt: Die Beachtung
nationaler
Verfassungsnormen
158
A . Die Kompetenzabgrenzungsregeln zwischen B u n d u n d Ländern . . . 158 B. Die materiell-rechtlichen Verfassungsmaßstäbe I. Die vertretenen Rechtsansichten 1. Das Gemeinschaftsrecht als Rechtsmaßstab
159 159 159
2. Das i n umfassender Weise zu beachtende nationale Recht . . 160 3. Die der Integrationsgewalt vorgegebenen Verfassungsgrundsätze 161 I I . Die gemeinschaftsrechtlichen Grunderfordernisse
161
1. Die Verzahnungen der mitgliedstaatlichen u n d gemeinschaftsrechtlichen Rechtsordnungen 161 a) Die Durchführung gesetzgeberischer Vorhaben 162 b) Die abgestuften Zusammenwirkungsmechanismen 163 2. Das Gebot uneingeschränkter Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts 164 a) Der Bereich der politischen Willensbildung 164 b) Der Bereich der Umsetzung von Gemeinschaftsbeschlüssen 165 I I I . Die innerstaatlichen Anforderungen
166
1. Grundsätzliches
166
2. Die Regelungsmodalitäten i n anderen EG-Staaten
166
3. Die zu beachtenden Schranken des A r t . 24 I GG 167 a) A r t . 24 I GG als allgemeine Schranke 167 b) A r t . 24 I GG als Maßstab der innerstaatlichen Durchführungsbestimmungen 168
Ergebnis
4. Rechtsfolgenwirkung
169
zu Teil 5
170 Schlußbetrachtung
171
Literaturverzeichnis
173
Abkürzungsverzeichnis a. Α. Abi. Abs. allg. Anm. AöR Aufl. AVR AWD/RIW
= = = = = = = = =
Az. BayVerwBl. BB Bd. BGBl. Β GHZ
= = = = = =
BK BReg brit. HöfO BT Bull-EG B V e r f G (-E) BVerfGG B V e r w G (-E) bzgl. DB ders. Diss. DöV Drs. dt. DVB1. E A G (-V) ebd. EG E G K S (-V)
= = = = = = = = = = = = = = = = = = = =
EMRK etc.
= =
anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz allgemein Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Auflage Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst/Recht der internationalen Wirtschaft des Betriebsberaters Aktenzeichen Bayerische Verwaltungsblätter Betriebsberater Band Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes i n Z i v i l sachen Bonner Kommentar Bundesregierung britische Höfeordnung Bundestag B u l l e t i n der Europäischen Gemeinschaften Bundesverfassungsgericht (Entscheidung des —) Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht (Entscheidung des —) bezüglich Der Betrieb derselbe Dissertation Die öffentliche V e r w a l t u n g Drucksache deutsch Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Atomgemeinschaft (Vertrag der —) ebenda Europäische Gemeinschaften Europäische Gemeinschaft f ü r Kohle u n d Stahl (Vertrag der —) Europäische Menschenrechtskonvention et cetera (und so weiter)
Abkürzungsverzeichnis EuGH EuGRZ EuR EuR-Lb Europ. Pari. Dok. E V G (-V) EVP evtl. E W G (-V) f., ff. FG Fn. Fs. GG h. M. Hrsg. IGH insbes. Intern. Org. i. S. d. i. S. v. i. V. m. JöR JR JuS JZ Kap. Kom. KSE m. w. N. nat. NJW Nr. Org. RabelsZ Rdnr. RMC Rs. S. Slg. s. 0. sog. Sp. s. u. 2 Eibach
= = = =
=
= = =
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17
Gemeinsamer Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechtszeitschrift Europarecht (Zeitschrift) Lehrbuch zum Europarecht (Gemeinschaftsrecht) Europäisches Parlament Dokument Nr. der Sitzungsdokumente, Sitzungsperiode Europäische Verteidigungsgemeinschaft (Vertrag über die Gründung der —) Europäische Volkspartei eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (Vertrag zur Gründung der —) folgende, fortlaufende Finanzgericht Fußnote Festschrift Grundgesetz herrschende Meinung Herausgeber Internationaler Gerichtshof i n Den Haag insbesondere Internationale Organisation i m Sinne des i m Sinne von i n Verbindung m i t Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Neue Folge) Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kommentar Kölner Schriften zum Europarecht m i t weiteren Nachweisen national Neue Juristische Wochenschrift Nummer Organisation Zeitschrift f ü r ausländisches u n d internationales Privatrecht Randnummer Revue d u Marché Commun Rechtssache Seite Sammlung siehe oben sogenannt Spalte siehe unten
Abkürzungsverzeichnis
18 usw. VerfR VerwArch vgl. VR VVDStRL
= = = = = =
WdVR WVK ZaöRV
= = =
z. B. Ziff. zit.
= = =
u n d so weiter Verfassungsrecht Verwaltungsarchiv vergleiche Völkerrecht Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wörterbuch des Völkerrechts Wiener Vertragsrechtskonvention Zeitschrift f ü r ausländisches öffentliches Recht u n d Völkerrecht zum Beispiel Ziffer zitiert
Einleitung Die EG-Verträge sind als Anfang eines wirtschaftlichen und politischen Integrationsprozesses der i m westlichen Sinne demokratisch geprägten Staaten Europas zu verstehen 1 . Das Grundgesetz hat i n Art. 24 I GG für einen solchen Schritt Möglichkeiten eröffnet 2 . Seinem Wortlaut ist jedoch keine klare A n t w o r t auf die vielschichtigen Rechtsprobleme zu entnehmen, die sich aus der Errichtung solcher zwischenstaatlicher Einrichtungen und deren Tätigkeiten ergeben: Die Betätigungsbereiche der Europäischen Gemeinschaften als zwischenstaatliche Einrichtungen i m Sinne von Art. 24 I GG tangieren i n vielfältiger quantitativer und qualitativer Hinsicht die traditionellen Staatsfunktionen und deren Möglichkeiten, im abgegrenzten nationalstaatlichen Rechtsraum rechtsgestaltend tätig werden zu können und zu dürfen®. Ein vielschichtiges und weit gefächertes Problemfeld stellt i n diesem Zusammenhang die nationale Überprüfbarkeit solcher gemeinschaftsrechtlicher Tätigkeiten dar 4 . Ein Überblick über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, bezogen auf Rechtsnormen der Europäischen Gemeinschaften, ergibt kein einheitliches Bild 5 : I n Ubereinstimmung m i t der Rechtsprechung des EuGH® werden die Selbständigkeit, die Unabgeleitetheit des EG-Rechts und die Möglichkeit der unmittelbaren Einwirkung auf die Bürger der EG-Staaten gesehen7. Über die schon frühzeitig angemeldeten Vorbehalte, m i t Verwerfung der Verfassungsbeschwerde, die sich unmittelbar gegen Normen des EG-Rechts wendet 8 , sei noch nicht dar1 Vgl. dazu ζ. B. die Ausführungen von Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 29 ff. 2 Vgl. die Entstehungsgeschichte zu A r t . 24 I GG bei Matz, S. 222 ff.; ferner Zuleeg, D Ö V 1977, S. 463. 8 Vgl. Rojahn, zu A r t . 24 I GG, Rdnr. 4 f. m. w. N.; Schwan, S. 15 ff. 4 Statt vieler: Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 187 ff.; Ipsen, EuR 1975, S. 1 ff.; ders.y EuR 1980, S. 71 ff.; Rengeling, EG-Magazin, S. 29 f.; Riegel, BayVwBl., S. 353 ff.; Tomuschat, N J W 1980, S. 2611 ff. 5 Scheuner, AöR 100, S. 30 ff., bes. S. 35; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 97 m. w . N. 6 So z.B. schon EuGH, Rs. 13/61, Slg. 1962, S.97ff. (110); Rs. 6/64, Slg. 1964, S. 1251 ff. (1270); Rs. 90 u n d 91/63, Slg. 1964, S. 1329 ff. (1344). 7 BVerfGE 22, S. 293 ff. (296); 31, S. 145 ff. (173 f.); 37, S. 271 ff. (280). 8 BVerfGE 22, S. 293 ff.; da nicht gegen A k t e dt. öffentl. Gewalt gerichtet (§ 90 BVerfGG); das Gericht verwies hierbei auf vergleichbare Urteile bzgl. des Besatzungsrechts: BVerfGE 1, S. 10; 6, S. 15 ff. (18); 18, S. 385 ff. (387 f.);
2*
20
Einleitung
über entschieden, „ob und i n welchem Umfang" vom BVerfG „ i m Rahmen eines zulässigerweise anhängig gemachten Verfahrens, Gemeinschaftsrecht an den Grundrechtsnormen des GG gemessen (werden) kann" 9 , ist i n der Verfassungsrechtsprechung noch immer keine Klarheit geschaffen 10. Nachdem der 2. Senat des BVerfG i n seiner Entscheidung vom 5. J u l i 1967 die Zulässigkeit einer Vorlage zur konkreten Normenkontrolle gem. Art. 100 I GG mittelbar bejahte 11 und am Rande Erwägungen über die Teilnichtigkeit des deutschen Zustimmungsgesetzes zum EWG-Vertrag einfließen ließ 12 , hat er i m Beschluß vom 29. Mai 1974 zum Ausdruck gebracht, daß sekundäres Gemeinschaftsrecht auf die Vereinbarkeit m i t deutschen Grundrechten so lange unmittelbar überprüft werden kann, bis die Europäischen Gemeinschaften über einen geschriebenen, den deutschen Grundrechten adäquaten und von einem Parlament beschlossenen Grundrechtskatalog verfügen 13 . I m Beschluß vom 25. J u l i 1979 läßt der 2. Senat jedoch offen, „ob und gegebenenfalls inwieweit — etwa angesichts mittlerweile eingetretener politischer und rechtlicher Entwicklungen i m Europäischen Gemeinschaftsrecht — für künftige Vorlagen von Normen des abgeleiteten EG-Rechts die Grundsätze der Entscheidung vom 29. Mai 1975 (BVerfGE 37, S. 271 ff.) weiterhin uneingeschränkt Geltung beanspruchen können" 1 4 . Des weiteren wies das BVerfG dabei darauf hin, daß bei einer konkreten Normenkontrolle die Prüfung, ob der Anwendung von Vorschriften des EWGV ( = Primärrecht) Normen des deutschen Grundgesetzes entgegenstehen, „nur statthaft (ist), wenn und soweit das dt. Zustimmungsgesetz" zu den EG-Verträgen i n Verbindung m i t der fraglichen EG-Norm als „Prüfungsgegenstand" herangezogen wird, denn dieses enthalte den Anwendungsbefehl für die Geltung der EG-Norm 1 5 . 22, S. 91 ff. (92 f.); vgl. zum Ganzen auch Spanner, Fs. Berber, S. 507 ff., bes. S. 512. 9 BVerfGE 22, S. 293 ff. (298/299 — 1. Senat). 10 Siehe dazu Simon, S. 1271; Rengeling, EG-Magazin, S. 30 u n d den j ü n g sten Beschluß des BVerfG v o m 14. 2.1983, N J W 1983, S. 1258, i n dem an der grundsätzlichen Überprüfbarkeit des Gemeinschaftsrechts weiterhin festgehalten w i r d ; vgl. dazu die Ausführungen von Meier, Grundrechtsschutz, S. 2016 f. 11 BVerfGE 22, S. 134 ff. (146). 12 BVerfGE 22, S. 134 ff. (152); zu dieser Kontrollmöglichkeit durch Prüfung des nationalen Zustimmungsgesetzes zum E W G V i n Verbindung m i t den spezifischen — möglicherweise verfassungsüberschreitenden — Bestimmungen der Gemeinschaften haben schon Erler, S. 104 ff. u n d Ho ff mann, V V D S t R L 23 (1966), S. 116 f. hingewiesen; so auch wieder i n BVerfGE 52, S. 187 ff. (199) bzgl. des Primärrechts. 13 BVerfGE 37, S. 271 ff. (285). 14 BVerfGE 52, S. 187 ff. (202 f.); dazu ipsen, EuR 1980, S.71ff.; Rengeling, EG-Magazin, S. 29 f.; Simon, S. 1271; Tomuschat, N J W 1980, S. 2611 ff.
Einleitung
Auch hierbei geht das BVerfG davon aus, daß die beiden Rechtskreise grundsätzlich unabhängig voneinander in Geltung stehen 16 . Diese Überprüfungspraxis europarechtlicher Normen vollzieht sich ansonsten scheinbar losgelöst von der der Überprüfung besatzungsrechtlicher oder völkerrechtlicher Normen, obgleich hier Vergleichbares zugrunde liegt. I n solchen Entscheidungen hat das BVerfG den Standpunkt eingenommen, daß es einerseits Besatzungsrecht nicht unmittelbar überprüfen kann 1 7 , und andererseits völkerrechtliche Verträge nicht dem strengen Maßstab des GG unterliegen, hier vielmehr die Ausgangslage und das politisch Erreichbare zur Modifizierung des Prüfungsmaßstabes heranzuziehen sind 18 . Unter Beachtung dieser Kriterien erscheint die Rechtsprechung des BVerfG insgesamt nicht frei von Bedenken 19 . Die Aufarbeitung des Problemkreises soll zugleich Anstoß und Orientierungshilfe bei der Beurteilung der diesbezüglich vom BVerfG i n Aussicht gestellten Neuorientierung seiner Rechtsprechung sein. D e r Untersuchungsgegenstand
Die Prüfungskompetenzen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich europarechtlicher Normen am Maßstab unserer nationalen Grundrechtsordnung w i r d an der Überprüfungspraxis i n bezug auf völkerrechtliche Verträge allgemein und des Besatzungsrechts i m besonderen zu messen sein. Es w i r d davon ausgegangen, daß eine bloße Erhebung europarechtlicher Normen zum Prüfungsgegenstand verfassungsgerichtlicher Verfahren grundsätzlich zu keinen rechtlichen Bedenken Anlaß geben muß 20 , anders hingegen die spezifische Zielsetzung, m i t der diese Verfahren verfolgt werden. Demnach stellen diejenigen Verfahrensarten, in denen die europarechtlichen Normen de lege lata für „unvereinbar" m i t deutschen Grundrechtsnormen erklärt werden können, den Untersuchungsschwerpunkt dar. Dies sind die Verfahren der Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 I Nr. 4 a GG i. V. m. § 95 I I I BVerfGG, der konkreten (Art. 100 I GG i. V. m. § 78 BVerfGG) und der abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 I Nr. 2 GG i. V. m. § 82 I BVerfGG). 15
BVerfGE 52, S. 187 ff. (199). Vgl. dazu die Besprechung dieses Urteils von Sachs, S. 465 ff. 18 Vgl. dazu ferner BVerfGE 37, S. 271 ff. (278). 17 BVerfGE 12, S. 281 ff. (291); 15, S. 337 ff. (346 ff.); 36, S. 146 ff. (169 ff.). 18 BVerfGE 4, S. 157 ff. (168 ff.); 36, S. 1 ff. (14). 19 So u.a. Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 187 ff.; Ipsen, EuR 1975, S. I f f . ; Pestalozza, DVB1. 1974, S. 716. 20 Vgl. dazu Pestalozza, DVB1. 1974, S. 717; der Beschluß des 1. Senats v o m 18. Oktober 1967 drückt sich insofern ungenau aus: BVerfGE 22, S. 293 ff. (299).
22
Einleitung
Dabei soll unter Ausschluß der Vollständigkeit das Hauptaugenmerk auf solchen Gesichtspunkten liegen, die i n der bisherigen Diskussion meist nicht i m Vordergrund gestanden haben. I m Schlußteil w i r d zu untersuchen sein, inwieweit — auf den erarbeiteten Ergebnissen aufbauend — die Überprüfbarkeit von nationalen Durchführungsakten zum europäischen Gemeinschaftsrecht besonderen Verfassungsmaßstäben unterworfen ist.
Teil 1
Die unmittelbare Uberprüfbarkeit europarechtlicher Normen mit dem Ziel, diese für nichtig oder ungültig zu erklären 1. Abschnitt: Das Verfassungsbeschwerdeverfahren
A. Die Meinung des Bundesverfassungsgerichtes Das BVerfG hatte i n seiner Rechtsprechung bisher sehr selten Gelegenheit, i n einem Verfassungsbeschwerdeverfahren zu diesem Problemkreis ausführlich Stellung zu beziehen. Es erachtet eine Verfassungsbeschwerde gem. A r t . 93 I Nr. 4 a GG i. V. m. den §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG unmittelbar gegen Verordnungen des Rates und der Kommission der EG für unzulässig. Die Gründe seiner Rechtsauffassung 1 sind i m wesentlichen folgende: Das BVerfG könne i m Wege der „Verfassungsbeschwerde nur Akte der öffentlichen Gewalt (§ 90 BVerfGG) nachprüfen". Dies seien „nach ständiger Rechtsprechung nur Akte der staatlichen, deutschen, an das GG gebundenen öffentlichen Gewalt" 2 ; Verordnungen des Rates und der Kommission stellten i n diesem Sinne keine Akte der deutschen, öffentlichen Gewalt dar 3 . „Für die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichtes nach § 90 BVerfGG" entscheide „allein die formale Qualifikation des (Rechtsetzungs)Organs; . . . ein Organ, das außerhalb des Gefüges der deutschen Staatsorganisation steht, übt keine deutsche öffentliche Gewalt aus" 4 . Die von den Gemeinschaftsorganen kompetenzgemäß erlassenen Rechtsvorschriften bildeten eine eigene Rechtsordnung, deren Normen weder als Völkerrecht noch als nationales Recht der Mitgliedstaaten zu qualifizieren seien. EG-Recht und innerstaatliches Recht der Mitgliedstaaten 1 BVerfGE 22, S. 293 ff. (298); vgl. auch den Leitsatz dieser Entscheidung (S. 293). 2 So u. a. auch i n BVerfGE 1, S. 10; 6, S. 15 ff. (18); 18, S. 385 ff. (387 f.); 22, S. 91 ff. (92 f.); 22, S. 293 ff. (298); 58, S. 1 ff. (30). 3 BVerfGE 22, S. 293 ff. (295). 4 BVerfGE 22, S, 293 ff. (297).
24
Teil
Unmittelbare
berprüfbarkeit bzgl.
keit
stellten „zwei selbständige, voneinander verschiedene Rechtsordnungen" dar . . . , somit sei eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen europarechtliche Normen unzulässig 5 . Diese Rechtsauffassung spiegelt einige Wesensmerkmale der „Supranationalität" der EG wider® und findet in der Literatur weitgehende Zustimmung 7 . Der Auffassung des BVerfG kann i m großen und ganzen gefolgt werden, doch bedarf sie einer kurzen rechtstheoretischen Untermauerung, in der dargelegt werden muß, daß das Verfassungsbeschwerdeverfahren nur insoweit in der Lage ist, Grundrechtsträger vor Verletzung ihrer Grundrechtspositionen zu schützen, als die Beeinträchtigung sich als ein A k t deutscher, öffentlicher Gewalt darstellt, weil nur diese an die Grundrechte gebunden ist, Primär- und Sekundärrecht der EG sich hingegen als Rechtssätze autonomer Rechtsordnungen darstellen.
B. Der Prüfungsgegenstand der Verfassungsbeschwerde
I. Die öffentliche
Gewalt
Durch § 90 BVerfGG soll i m Wege der Verfassungsbeschwerde gegen Rechtsverletzungen der öffentlichen Gewalt vorgegangen werden können, d. h. der Beschwerdeführer muß die Verletzung seiner i n § 90 I BVerfGG genannten Rechte behaupten. Der Begriff „öffentliche Gewalt" w i r d weder in den Art. 19 IV, Art. 93 I Nr. 4 a GG noch i n § 90 I BVerfGG definiert 8 . I m Gesetzeswortlaut lassen sich keine Hinweise auf eine eingeschränkte Begriffsbestimmung finden. So ist zunächst von einem umfassenden Verständnis der öffentlichen Gewalt auszugehen9. 5 Diese Argumentation i n BVerfGE 22, S. 293 ff. (296) ist zum Teil wörtlich v o m E u G H übernommen; vgl. EuGH, Rs. 13/61, Slg. 1962, S. 97 ff. (110); Rs. 6/64, Slg. 1964, S. 1251 ff. (1270). 6 Z u m Begriff der Supranationalität der EG, dessen I n h a l t i m einzelnen umstritten ist, vgl. Nicolay sen, S. 6 ff.; Ipsen, EuR-Lb, Kap. 2/44; Lecheler, JuS 1974, S. 7 ff.; Jaenicke, WdVR, S. 423 f.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 211 ff.; Seidl-Hohenveldern, Intern. Org., Rdnr. 0113 ff., jeweils m. w. N. 7 Vgl. dazu die Literaturangaben hier Fn. 6. 8 Schmidt-Bleibtreu, zu § 90 BVerfGG, Rdnr. 68; zum Ganzen siehe auch Klein, AöR 1983, S. 589 ff. 9 Z u den Auslegungsmethoden verfassungsrechtlicher Normen vgl. Hoffmann, VerfR, S. 11 ff. (18 ff.). Das GG enthielt ursprünglich keine Vorschrift über die Zulassung einer Verfassungsbeschwerde, jedoch eröffnete A r t . 93 I I GG die Möglichkeit ihrer Einführung durch einfaches Bundesgesetz. Das 19. Gesetz zur Änderung des GG brachte m i t der Einführung der Ziffer 4 a i n A r t . 93 I GG die verfassungsrechtliche Verankerung. Die ausführlichen Beratungen i m Bundestag hatten ein V o t u m für eine umfassende Verfassungsbeschwerde gegen alle A r t e n von Hoheitsakten, die Rechte u n d Pflichten begründen, ergeben; zu diesem geschichtlichen Überblick vgl. Lechner, zu § 90 BVerfGG, S. 339 f.; Schmidt-Bleibtreu, zu § 90 BVerfGG, Rdnr. 68.
.Abschn.: Das Verfassungsbeschwerdeverfahren
25
Auch der Sinnzusammenhang, in den die Verfassungsbeschwerde eingebettet ist und der i n den §§ 92 II, 95 BVerfGG erkennbar hervortritt, läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß der Begriff der öffentlichen Gewalt i n umfassendem Sinne zu verstehen ist. Dem Beschwerdeführer w i r d somit ein Schutz seiner verfassungsmäßigen Rechte gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung durch das BVerfG gewährt 10 . II. Der Geltungsbereich des Verfassungsbeschwerdeverfahrens Es besteht der allgemeine Rechtsgrundsatz, daß jede Rechtsordnung nur über das Rechtsschicksal ihrer eigenen Rechtssätze entscheiden kann 1 1 . Der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik unterliegen demnach m i t der Rechtsfolge unmittelbarer Vernichtbarkeit nur Rechtssätze der öffentlichen Gewalt, die ihrer Gesetzgebung unterstehen 12 . Rechtsakte ausländischer öffentlicher Gewalt, die nicht an die deutsche Rechtsordnung gebunden sind, können nicht ohne Ermächtigung hierzu zum Prüfungsgegenstand eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens erhoben werden, um sie für verfassungswidrig oder für ungültig zu erklären. Die Judikatur des BVerfG ist diesbezüglich auf den innerstaatlichen Bereich beschränkt 13 . Damit ergibt sich die Untersuchung, ob die Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften aus einer eigenständigen und somit fremden Rechtsordnung stammen, womit sie als Prüfungsgegenstand der diesbezüglichen, unmittelbaren Prüfungskompetenz des BVerfG entzogen sind. 10 Vgl. die amtliche Begründung i n BT-Drucksache Nr. 788, S. 35, sowie die h. M., statt vieler: Dürig, zu A r t . 19 I V GG, Rdnr. 17; Geiger, S. 6 f.; Zweigert, JZ 1952, S. 321 ff. (324); so auch das B V e r f G i n ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BVerfGE 7, S. 413); vgl. dazu Friesenhahn, B V e r f G u n d GG, S. 748 ff. (790 ff.); Zacher, S. 396 ff. (397 ff.). 11 Hoff mann, DÖV 1967, S. 433 ff (436); ders., Verantwortung, S. 10 ff.; vgl. ferner Ritterspach, S. 301 ff. (305 f.); Wengler, JZ 1968, S. 100, A n m . 2, jeweils m. w. N.; BVerfGE 18, S. 112 ff. (118 f.); 31, S. 58 ff. (75 f.); 37, S. 271 ff. (278). 12 Der Schutz des § 90 B V e r f G G ist auf Maßnahmen der öffentlichen Gewalt i m Geltungsbereich des G G beschränkt, d. h. der Wirkungsbereich erstreckt sich auf die durch die i n § 90 BVerfGG genannten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte gebundene öffentliche Gewalt, siehe dazu Lechner, zu § 90 BVerfGG, S. 347; Schmidt-Bleibtreu, zu § 90 BVerfGG, Rdnr. 70; Zieger, Grundrechtsproblem, S. 14f.; vgl. ferner BVerfGE 58, S. 1 ff. (27); BVerfG, N J W 1984, S. 601 (Beschluß vom 16.12. 1983). 13 Geiger, S. 6; Hoffmann, JZ 1961, S. 195 l i n k e Sp.; ders., Bes. V w R , Abschn. I I I . 2. u n d I V . 2. d.; Maunz, zu A r t . 25 GG, Rdnr. 20; Pestalozza, BVerfG u n d GG, S. 525; ders., VerfassungsprozeßR, S. 101 m. w. N. i n Fn. 65; Redelberger, S. 361; Schiaich, BVerfG, S. 105; Zuck, S. 23; Zweigert, JZ 1952, S. 321; ständige Rechtsprechung des BVerfG: BVerfGE 1, S. 10 ff. (11); 6, S. 290 ff. (295).
26
Teil III.
Unmittelbare
Die rechtliche
berprüfbarkeit bzgl.
Qualifizierung
der Europäischen
keit Gemeinschaften
I n d e n ersten J a h r e n nach G r ü n d u n g d e r Europäischen Gemeinschaft e n h a t sich i n L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung k e i n e e i n h e i t l i c h e M e i n u n g h e r a u s g e b i l d e t . I m w e s e n t l i c h e n t r a t e n d r e i A u f f a s s u n g e n zutage: M a n bezeichnete sie einerseits als staatsähnliche V e r b ä n d e b z w . als p a r t i e l l e n , d . h . noch u n v o l l e n d e t e n B u n d e s s t a a t 1 4 , andererseits sprach m a n v o n I n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n i m h e r k ö m m l i c h e n Sinne; später q u a l i f i z i e r t e m a n sie z u n e h m e n d als eigenständige, s u p r a n a t i o nale Gemeinschaften 15. 1. D i e G e m e i n s c h a f t e n als staatsähnliche V e r b ä n d e ? S o l l e n sie als solche bezeichnet w e r d e n , m u ß sich d e r vollzogene Z u sammenschluß d e r E G - S t a a t e n i n d e n j e w e i l i g e n V e r t r ä g e n als e i n Staatsgebilde q u a l i f i z i e r e n lassen 1 6 . D a z u ist u. a. e i n Staatsgebiet v o n nöten, ü b e r das d e r n e u g e g r ü n d e t e „ S t a a t s v e r b a n d " w i r k s a m v e r f ü g e n kann17. O h n e das E r g e b n i s ü b e r d e n Rechtscharakter d e r Ü b e r t r a g u n g v o n H o h e i t s r e c h t e n v o r w e g z u n e h m e n 1 8 , l ä ß t sich schon h i e r feststellen: I n 14 Diese Lehrmeinung wurde vor allem i n Deutschland vertreten, vgl. dazu die umfassenden Nachweise bei Riklin, S. 349 ff., bes. Fn. 26 u n d 27; Härringer, S. 98. 15 Die juristische Selbständigkeit der drei Gemeinschaften ist weder durch das „ A b k o m m e n über gemeinsame Organe für die europäischen Gemeinschaften" (vom 25. 3.1957, BGBl. 1957, T e i l I I , S. 1156) noch durch den „Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates u n d einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften" ( = Fusionsvertrag vom 8.4.1965, BGBl. 1965, Teil I I , S. 1454) beseitigt, so daß es juristisch nicht korrekt ist, von einer Europäischen Gemeinschaft zu sprechen, was der Einfachheit halber bisweilen geschieht, vgl. Nicolay sen, S. 4 f.; von Münch, VR, S. 26; zum Ganzen auch Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 197 ff. 16 Diese Auffassung w i r d i n exponierter F o r m von Kartou vertreten: Die EG hätten einen staatlichen Charakter, da sie die drei Hauptkriterien, die einen Staat charakterisieren, besitzen: Territorium, Bevölkerung, Staatsgewalt, zitiert nach Constantinesco, Rdnr. 236, Fn. 291, S. 316. 17 Die rechtlichen Beziehungen zwischen Staatsgebiet u n d Staatsgewalt sind i m Laufe der Zeit, hervorgerufen durch den Wandel der Staatsformen — besonders durch den Übergang zur „Volkssouveränität" —, unterschiedlich gedeutet worden. Die heute vorherrschende Kompetenztheorie setzt das Staatsgebiet m i t dem räumlichen Geltungsbereich einer bestimmten Rechtsordnung gleich. Nach der w e i t e r h i n vertretenen Objekts- oder Eigentumstheorie besitzt der Staat an seinem Gebiet quasi ein dingliches Recht w i e ein P r i v a t eigentümer an seiner Sache. Demgegenüber betont die Raumtheorie den personenrechtlichen Charakter i m Verhältnis zwischen Staat u n d Gebiet, vgl. dazu Suy, S. 493 ff. I n der praktischen A u s w i r k u n g zeigen die verschiedenen Theorien i m wesentlichen keine abweichenden Ergebnisse. Jede k a n n einzelne Aspekte der staatlichen Herrschaft über das Gebiet erklären. Doch erst die vereinte Sicht der verschiedenen Aspekte w i r d dem komplexen Erscheinungsb i l d gerecht; zum Ganzen vgl. Wehser, S. 146. Demzufolge ist an dem hier mitentscheidenden K r i t e r i u m der Verfügungsbefugnis über das Staatsgebiet festzuhalten.
1. Abschn.: Das Verfassungsbeschwerdeverfahren
27
den Verträgen zur Errichtung der EG finden sich keine Vorschriften, die i n irgendeiner Form etwas über eine geänderte Verfügungsbefugnis der Mitgliedstaaten bezüglich ihres Territoriums aussagen. Insofern ist m i t der Errichtung des Gemeinsamen Marktes keine Änderung i n der Alleinbefugnis der Nationalstaaten hierüber eingetreten. Die Europäischen Gemeinschaften können über die Staatsgebiete ihrer Mitgliedstaaten nicht gesondert rechtswirksam verfügen 19 . Als weiteres K r i t e r i u m zur Qualifikation eines staatlichen Verbandes als Staatsgebilde w i r d die Kompetenz-Kompetenz verlangt 2 0 . Den drei Gemeinschaften sind jedoch nur begrenzte Zuständigkeitsbereiche eröffnet. Das Prinzip der „attribution des pouvoirs" durchzieht die Konzeption der EG-Verträge, so daß den Europäischen Gemeinschaften auch dieses Qualifikationsmerkmal zu versagen ist 21 . Aufgrund dieses recht klaren Ergebnisses ist nur noch zu fragen, ob die Europäischen Gemeinschaften als eine besondere Form Internationaler Organisationen anzusehen sind, oder jeweils als Verbandstypus sui generis bezeichnet werden müssen, die weder dem Völkerrecht noch dem Staatsrecht zuzuordnen sind 22 . 2. Die Gemeinschaften als Internationale Organisationen? Aufgrund ihres völkerrechtlichen Entstehungsgrundes werden die Europäischen Gemeinschaften teilweise als Internationale Organisationen angesehen23. Dieser Auffassung lassen sich jedoch Beispiele entgegenhalten, i n denen der Entstehungsgrund eines staatlichen Verbandes nicht zwingend Rückschlüsse auf dessen rechtliche Qualifikation erlaubt: 18
Siehe dazu die ausführlichen Erörterungen unten i n Teil 3, 2. Abschnitt. Z u dieser Feststellung kommen u. a. auch: Beutler, B / B / P / S , S. 57; Constantinesco, Rdnr. 236, S. 316; Hoffmann, DÖV 1967, S. 434. 20 Bleckmann, EuR-Lb, S. 274 ff.; Claudi , S. 62; Constantinesco, Rdnr. 236, S. 315 f. \Härringer, zu A r t . 5 EWGV, S.98; Hoff mann, DÖV 1967, S. 434 l i n k e Sp.; Ipsen, E u R - L b , S. 188. 21 Z u diesem Ergebnis kommen all die o. g. Autoren; diese Auffassung w i r d m i t zum T e i l anderen Begründungen ferner vertreten von: Beutler, B / B / P / S , Kap. 2.5.2.2., S.57; vgl. ferner BVerfGE 22, S. 293 ff. (296). Selbst nach rein sozialwissenschaftlich orientierter Betrachtungsweise stellen die Europäischen Gemeinschaften keinen „Staat" dar, da man noch nicht von der hier geforderten, ausreichenden soziologischen Verflechtung ausgehen kann, vgl. dazu Ruppert, S. 25 ff. 22 So auch Claudi , S. 63; Hoffmann , DÖV 1967, S. 434 f.; Schwan, S. 29. 23 So Bleckmann, E u R - L b , S. 277 ff., der jedoch feststellt, daß die h. M. von einem Sonderstatus ausgeht; Köck, S. 35, 144 f. m. w . N. i n Fn. 11; Schweitzer/ Hummer, Europarecht, S. 213; Seidl-Hohenveidern, Intern. Org., S. 7, Rdnr. 0113; weitere Nachweise bei: Härringer, zu A r t . 5 EWGV, S. 97; Hoff mann, DÖV 1967, S. 433 rechte Sp., Fn. 1; Riklin, S. 347, Fn. 10; Scheuner, AöR 100, S. 38. 19
28
Teil
Unmittelbare
berprüfbarkeit bzgl.
keit
Z u n e n n e n s i n d e t w a die E n t s t e h u n g des N o r d d e u t s c h e n B u n d e s v o n 1867 u n d des Deutschen Reiches v o n 1871, d e r e n rechtliche Z u o r d n u n g als Staatsgebilde z u k e i n e r Z e i t i n Z w e i f e l gezogen w u r d e 2 4 , obgleich sie a u f g r u n d v ö l k e r r e c h t l i c h e r V e r t r ä g e k r e i e r t w u r d e n . D a m i t zeigt sich, daß dieses K r i t e r i u m des E n t s t e h u n g s g r u n d e s a l l e i n u n g e e i g n e t ist, d e n Rechtscharakter eines staatlichen Zusammenschlusses z u t r e f f e n d zu bestimmen25. W e i s t m a n d a r ü b e r h i n a u s a u f die besonderen s t r u k t u r e l l e n u n d organisatorischen E l e m e n t e d e r Europäischen G e m e i n s c h a f t e n 2 6 h i n , die i n I n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n bisher n u r isolierte, atypische B e s o n d e r h e i t e n d a r s t e l l e n , h i e r aber als die t r a g e n d e n V e r f a s s u n g s p r i n z i p i e n anzusehen sind, erscheinen die G e m e i n s c h a f t e n gegenüber diesen v ö l k e r r e c h t l i c h e n S t a a t e n v e r b i n d u n g e n h e r k ö m m l i c h e r A r t als e i n aliud 27. Nachweise dieser A r t w u r d e n i n der L i t e r a t u r u n t e r d e n verschiedensten A s p e k t e n g e f ü h r t 2 8 » 2 9 . D i e meist empirischen Nachweise genügen 24 Speziell dazu Hoff mann, D Ö V 1967, S. 434, linke Sp.; allgemein: Koller, S. 204 f. m. w. N. insbes. i n Fn. 35; Wagner, Eigenständigkeit, S. 79 ff. 25 Bunten, S. 59 m. w. N. i n Fn. 11; Constantinesco, Rdnr. 238, S. 317; Grabitz, S. 42; Haenel, S. 38, hat schon damals den zutreffenden Satz geprägt: „ I n h a l t u n d Wesen einer Ordnung ist das eine, ihre Entstehungsgrundlage eine andere." Hoff mann, DÖV 1967, S. 434, linke Sp.; Ipsen, EuR-Lb, Kap. 2/22, S. 59; Kelsen, Souveränität, S. 277, v e r w i r f t die Einteilung i n völkerrechtliche Und staatsrechtliche Staatenverbindungen und gibt zu bedenken, daß man für diese keine prinzipiellen, absoluten u n d qualitativen, sondern allenfalls graduelle Unterschiede treffen kann. Koller, S. 205 ff. m. w. N. 26 Der Ausdruck „Europäische oder Supranationale Gemeinschaften" soll das Minus gegenüber der Staatlichkeit und zugleich das Plus gegenüber den herkömmlichen Internationalen Organisationen hervorheben. Gleiches w i r d verdeutlicht, w e n n i n der L i t e r a t u r von föderalen oder präföderalen Organisationen gesprochen w i r d , vgl. Nicolaysen, S. 7. 27 Z u denken ist an den sehr umfangreichen Aufgabenkatalog m i t den politisch bedeutsamen Sachgebieten des Kohle- u n d Stahlbereichs, der friedlichen Nutzung von Kernenergie u n d der Schaffung eines gemeinsamen Marktes m i t der umfangreichen Festlegung von Zielen, Aufgaben u n d M i t t e l n i n den A r t . 2 ff. EWGV. Des weiteren verfügen die E G über eigene Organe, die i n rechtlicher Unabhängigkeit zu den Mitgliedstaaten ihre Kompetenzen ausüben u n d befähigt sind, i n vielfältiger Weise unmittelbar oder mittelbar Rechtsverhältnisse einzelner zu gestalten. Die Verträge stellen sich des weiteren als Verfassungen dar, aus denen die Organe ihre Befugnisse erhalten, aus denen sich die Geltungskraft ihrer Rechtsakte ableitet, ohne daß es einer Bestätigung mitgliedstaatlicher Organe bedarf, vgl. dazu i m einzelnen die Ausführungen unten i n T e i l 1, 1. Abschn., Β . II., 3. und i n T e i l 3, 2. Abschn., B. I I I . Ferner Claudi, S. 61; Hoffmann, DÖV 1967, S. 434 f. 28 Bunten, S. 63 ff. argumentiert zum Teil v o m Ergebnis her: Das Ziel eines binnenmarktähnlichen Wirtschaftsgebietes könne n u r auf der Grundlage einer neuen, selbständigen Gemeinschaftsrechtsordnung erreicht werden, vgl. insbes. Fn. 14 bis 17; Claudi, S. 199 m. w. N.; Constantinesco, S. 654 f. sieht das EG-Recht i n der Entstehung oder Existenz gegenüber dem Recht der M i t -
1. Abschn.: Das Verfassungsbeschwerdeverfahren
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jedoch n i c h t , u m die E i g e n s t ä n d i g k e i t d e r G e m e i n s c h a f t s r e c h t s o r d n u n gen — v o m rechtsdogmatischen G e s i c h t s p u n k t h e r b e t r a c h t e t — als s t i c h h a l t i g anzusehen. Das ist jedoch z u v e r l a n g e n , z u m a l es sich e m p i risch belegen läßt, daß das V ö l k e r r e c h t als f l e x i b l e u n d anpassungsf ä h i g e R e c h t s o r d n u n g ohne w e i t e r e s i n der L a g e ist, auch atypische u n d neue R e c h t s m a t e r i e n z u r e g e l n u n d i n sich a u f z u n e h m e n 3 0 . D e m n a c h m u ß m a n B e d e n k e n dagegen äußern, aus den s t r u k t u r e l l e n A b w e i c h u n gen d e r Europäischen G e m e i n s c h a f t e n z w i n g e n d a u f e i n e n rechtlich q u a l i t a t i v e n U n t e r s c h i e d z u schließen 3 1 . 3. D i e Gemeinschaften als eigenständige O r g a n i s a t i o n s f o r m e n D i e v o r g e n a n n t e n Ü b e r l e g u n g e n zeigen, daß m i t H i l f e der b i s h e r i g e n K r i t e r i e n n u r schwer z u e i n e r e i n d e u t i g e n rechtlichen Q u a l i f i k a t i o n der Gemeinschaften z u k o m m e n ist. H i l f r e i c h k a n n i n diesem Z u s a m m e n h a n g der A s p e k t d e r E i g e n s t ä n d i g k e i t , d e r U n a b g e l e i t e t h e i t einer R e c h t s o r d n u n g sein 3 2 . D a n a c h w i r d eine R e c h t s o r d n u n g als eigenständig, u n a b g e l e i t e t angesehen, w e n n sie sich n i c h t aus e i n e r a n d e r e n a b l e i t e t , sondern a u f die Tatsache eigener, e f f e k t i v ausgeübter H e r r s c h a f t s gewalt zurückführen läßt33. gliedstaaten als autonom an, i n seiner Anwendung konkurriere es m i t dem nationalen Recht; ferner Everling, Fs. Ipsen, S. 614; Lecheler, JuS 1974, S. 10; Härringer, zu A r t . 5 EWGV, S. 97; von Münch, VR, S. 25 f.; Nicolay sen, S. 7; Riklin, S. 367 ff. m. w. Ν. i n den Fn. 58 bis 69; auch w i r d auf die Unabgeleitetheit der Gemeinschaftsrechtsordnungen verwiesen: Hoffmann, DÖV 1967, S. 435 l i n k e Sp.; ders., Verantwortung, S. 13. 29 Die bundesdeutsche Rechtsprechung geht heute auch davon aus, daß die Europäischen Gemeinschaften i n keine der herkömmlichen Staatenverbindungen einzuordnen sind. Unter diesen Prämissen werden sie v o m BVerfG, dem E u G H folgend, als supranationale Gemeinschaften m i t eigener, autonomer Rechtsordnung angesehen. Zunächst vertraten einzelne deutsche Gerichte den Standpunkt, daß die EG-Verträge wie gewöhnliche völkerrechtliche Verträge zu behandeln seien, Nachweise bei Claudi, S. 199, Fn. 13; später hat das BVerfG jedoch immer wieder die Auffassung bekräftigt, daß aufgrund des EWG-Vertrages eine neue, eigenständige öffentliche Gewalt entstanden ist, so BVerfGE 22, S. 293 ff. (296); 31, S. 145 ff. (174); 37, S. 271 ff. (277 f.). Z u m Ganzen vgl. die diesbezüglichen Entscheidungen des EuGH: Rs. 13/61, Slg. 1962, S. 97 ff. (110); Rs. 26/62, Slg. 1963, S. 1 ff. (24 f.); Rs. 6/64, Slg. 1964, S. 1251 ff. (1269); Rs. 90 u n d 91/63, Slg. 1964, S. 1329 ff. (1344); Rs. 28/67, Slg. 1968, S. 215 ff. (230). 30 I n diesem Zusammenhang ist an die Möglichkeit der B i l d u n g neuen Völker(gewohnheits)rechts zu denken, wie es etwa auch der Fortschritt auf bestimmten technischen Gebieten m i t sich bringt — etwa i m W e l t r a u m - oder Satellitenrecht. Die Vereinten Nationen können i m Sicherheitsrat, obgleich i h m n u r wenige Mitgliedstaaten der V N angehören, verbindliche Beschlüsse für alle fassen; vgl. dazu Hoff mann, DÖV 1967, S. 434 f.; Lecheler, JuS 1964, S. 9; Schweitzer/ Hummer, Europarecht, S. 197, 213. 31 Köck, S. 43, Fn. 3. 32 Birke, S. 90/91; Hoff mann, DÖV 1967, S. 435; Schwan, S. 34.
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H o h e i t s g e w a l t g r ü n d e t sich a u f die r e i n tatsächliche F ä h i g k e i t i h r e r A u s ü b u n g 3 4 . S o m i t w i r d d e u t l i c h , daß diese e i n e r „ e c h t e n " Ü b e r t r a g u n g — v e r g l e i c h b a r e i n e m d i n g l i c h e n Rechtsgeschäft — nicht f ä h i g i s t 3 5 . D i e v ö l k e r r e c h t l i c h e n G r ü n d u n g s v e r t r ä g e f i x i e r e n eine A r t V e r f a s sung der EG. Sie legen U m f a n g u n d A u s m a ß a l l e r d e n G e m e i n s c h a f t e n z u k o m m e n d e n K o m p e t e n z e n , die B e f u g n i s a u f t e i l u n g a u f die G e m e i n schaftsorgane s o w i e Rechte u n d P f l i c h t e n v o n M i t g l i e d s t a a t e n u n d E G - O r g a n e n fest 3®. Diese i n d e n G r ü n d u n g s v e r t r ä g e n v e r a n k e r t e n B e fugnisse h a b e n die E G - O r g a n e als eigenständiges Recht r e z i p i e r t , i n d e m sie d e u t l i c h machten, daß sie das i h n e n z u r V e r f ü g u n g gestellte Recht n i c h t als V ö l k e r r e c h t , s o n d e r n als eigenes a n w e n d e n 3 7 . Dies w i r d v o m Völkerrecht geduldet u n d w u r d e v o n mehreren staatlichen Gerichten anerkannt38. Somit k a n n bereits d a n n v o n einer eigenständigen Hoheitsgewalt gesprochen w e r d e n , w e n n sich das — v o n d e m i m v ö l k e r r e c h t l i c h e n V e r t r a g eingesetzten G e w a l t t r ä g e r — erzeugte Recht als eigenständiges durchsetzt. Es l e i t e t seine V e r b i n d l i c h k e i t d a n n n i c h t aus e i n e r a n d e r e n R e c h t s o r d n u n g ab 3 9 . 33 Diese formale Betrachtungsweise hat den nicht zu unterschätzenden V o r t e i l der juristisch einfach nachvollziehbaren Zuordnung einer Rechtsordnung f ü r sich: Die Einsetzungsnormen lassen sich — bildlich gesprochen — w i e bei einer Pyramide auf eine an der Spitze stehende, meist hypothetische G r u n d n o r m zurückführen, vgl. Kelsen, RR, S. 196 f., 240; zu den verschiedenen Definitionen vgl. die zusammenfassende Betrachtung bei Emrich, S. 112; ferner Hoff mann, Verantwortung, S. 13, A n m . 1; ders., DÖV 1967, S. 435; Schwan, S. 32 ff. Hat der Inhaber von Hoheitsrechten tatsächlich die Macht, diese als eigene auszuüben, n i m m t er sie i n Gebrauch u n d w i r d sie i m großen u n d ganzen befolgt, schafft er damit eine neue, effektive Ordnung, erzeugt somit eigenes Recht, vgl. Köck, S. 118 f. Diese W i r k u n g — letztlich als normative K r a f t des Faktischen — findet vom Völkerrecht her ihre Anerkennung, vgl. Hoffmann, DÖV 1967, S. 436 rechte Sp. 34 Birke, S. 90 f.; Kelsen, RR, S. 222; ders., Fs. Verdross, S. 165; Köck, S. 118 f.; Hoffmann, Verantwortung, S. 11, insbes. Fn. 3; Schwan, S. 42 f. 35 Hoffmann, DÖV 1967, S. 437 rechte Sp. 36 Statt vieler: Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 24 m. w. N.; Schwan, S. 43. 37 Ausdrücklich so EuGH, Rs. 13/61, Slg. 1962, S. 97 ff. (110); Rs. 6/64, Slg. 1964, S. 1251 ff. (1270); Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135) . . . Dabei geht den rezipierten Verträgen jedoch nicht ihre ursprüngliche Rechtsqualität als Völkerrecht verloren, als solche bleiben sie i m völkerrechtlichen Verkehr w e i t e r h i n bestehen, vgl. dazu Hoff mann, Bes. VerwR, Abschn. I. 2; Koller, S. 204 f.; siehe dazu die ausführlichen Erörterungen unten i n Teil 3, 4. A b schn. Α. I I . 3. 38 Italienischer Gerichtshof, U r t e i l v o m 17.12.1983, EuGRZ 1975, S. 311 ff.; U r t e i l v o m 30.10.1975, EuGRZ 1976, S. 54 ff.; U r t e i l v o m 22./29.12.1977, EuGRZ 1978, S. 194ff.; Belgischer Kassationshof, U r t e i l v o m 27.5.1971, EuGRZ 1975, S. 308 ff.; BVerfGE 22, S. 293 ff. (296); 31, S. 145 ff. (173 f.); 37, S. 271 ff. (278); 52, S. 187 ff. (202 f.). Damit hat das von den EG-Organen gesetzte Recht i n den Mitgliedstaaten allgemeine Anerkennung gefunden, so daß an der Effektivität der EG-Rechtsordnung kein Zweifel bestehen kann. Vgl. ferner die Nachweise bei Bleckmann, E u R - L b , S. 219 ff.
1. Abschn.: Das Verfassungsbeschwerdeverfahren
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So auch hier: Die Eigenständigkeit des EG-Rechts gründet sich nur auf sich selbst, weder vom Völkerrecht noch vom innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten bezieht sie diese tatsächliche Fähigkeit 4 0 . Damit entstammen alle Rechtsnormen der Europäischen Gemeinschaften einer eigenständigen, effektiven Rechtsordnung und qualifizieren die Europäischen Gemeinschaften als Verbände sui generis, d. h. als supranationale Gemeinschaften und zugleich als zwischenstaatliche Einrichtungen i. S. v. Art. 24 I GG 41 . 39 Vgl. zum Ganzen m i t ausführlicher Erörterung: Birke, S. 89 ff.; Krüger, S. 721 ff.; Schwan, S. 42 f.; Zieger, Grundrechtsproblem, S. 15. Die Rechtsnormen der EG werden von den Rechtsunterworfenen i m großen u n d ganzen befolgt; mehr ist nicht zu fordern, denn auch die innerstaatlichen Rechtsnormen werden h i n u n d wieder mißachtet, gleichwohl w i r d bei solchen i n nerstaatlichen Verstößen, deren Häufigkeit besonders bei strafrechtlichen u n d ordnungsrechtlichen Bestimmungen offensichtlich ist, nicht die Geltung der Rechtsordnung insgesamt i n Frage gestellt. 40 Hoffmann, DÖV 1967, S. 433 ff. (435): auch A r t . 189 I I E W G V k a n n nicht i n diesem Sinne verstanden werden, da diese Bestimmung gleichfalls durch Rezeption der Gemeinschaftsorgane zu Gemeinschaftsrecht geworden ist, so daß sich auch f ü r diese N o r m die Frage nach seiner Originarität stellt; so i m Ergebnis gleichfalls Koller, S. 205 ff. Ebensowenig k o m m t A r t . 24 I GG i n Betracht: Er spricht n u r die rechtliche Möglichkeit an, unter welchen Voraussetzungen Hoheitsrechte auf z w i schenstaatliche Einrichtungen übertragen werden können; vgl. Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 2. Z u seinen Voraussetzungen w i r d später i m einzelnen Stellung zu nehmen sein, vgl. dazu die Erörterungen unten i n T e i l 3, 2. u n d 3. Abschnitt. Vgl. ferner BVerfGE 22, S. 293 ff. (296), dort w i r d die Eigenständigkeit ausdrücklich hervorgehoben; diese Feststellung ist aufgrund des § 31 I B V e r f G G für alle Staatsorgane der Bundesrepublik verbindlich. Hier k a n n nicht auf das Verhältnis von Effektivität u n d Unabgeleitetheit i m einzelnen eingegangen werden: Sicher ist es so, daß das Völkerrecht den faktischen Verhältnissen u m des Rechtsfriedens u n d der Rechtsklarheit w i l len nach einem längeren Zeitraum den Vorrang einräumt u n d auch dann von einer eigenständigen Rechtsordnung eines Verbandes spricht, w e n n sich seine Verbindlichkeit aus einer anderen Rechtsordnung ableitet, sich dessen Eigenständigkeit jedoch allgemein durchgesetzt hat bzw. anerkannt ist. Dieser Rechtsgedanke ist uns aus dem B G B geläufig, wo nach einem Zeitraum von 10 bzw. 30 Jahren eine Ersitzung stattfinden kann, vgl. die §§ 937 ff., 900 BGB. 41 Statt vieler: Hoffmann, DÖV 1967, S. 435; ders., Bes. VerwR, Abschn. I. 2. am Ende m. w. N. i n A n m . 10 u n d 11; Nicolay sen, S. 7 f.; Stern, StaatsR, Bd. I, S. 527 ff.; Zuleeg, KSE 9, S.20ff.; BVerfGE 22, S. 293 ff. (296); 31, S. 145 ff. (173 f.); 37, S. 271 ff. (277 f.). Dieser heute überwiegend vertretenen Auffassung k a n n anhand der skizzenhaft vorgetragenen Begründung unbedenklich gefolgt werden; a. Α.: Bleckmann, EuR-Lb, S. 277 ff., der zwar die Besonderheiten gegenüber den Internationalen Organisationen anerkennt, die EG ansonsten w e i t e r h i n diesen zuordnet; Hallstein, Fs. Ophüls, S. 14 ff. geht bei der Übertragung von Hoheitsrechten v o m diesbezüglichen Fehlen dieser Kompetenzen bei den Mitgliedstaaten aus, vgl. dazu die hier vertretene anderslautende Auffassung unten i n T e i l 5, 2. Abschn. ausführlich erläutert. Vgl. zur Charakterisierung weiterer zwischenstaatlicher Einrichtungen i. S. v. A r t . 24 I GG die Entscheidungen BVerfGE 58, S. 1 ff. (28) — Eurocont r o l u n d BVerfGE 68, S. 1 ff. (18, 93 ff.) — N A T O . Zumindest diese letzte E n t scheidung schießt über das Ziel hinaus, siehe dazu gewichtige Argumente bei Magiera, N J W 1985, S. 1744 f. m. w. N. bes. i n Fn. 106 u n d i m abweichenden V o t u m BVerfGE 68, S. 1 ff. (118).
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Demzufolge können europarechtliche Normen nicht unmittelbar m i t den den Mitgliedstaaten intern gegebenen Hechtsmitteln — hier der Verfassungsbeschwerde i m oben genannten Sinne — angefochten werden 42 . C. Ergebnis
Die Rechtssätze der EG als Rechtssätze supranationaler Gemeinschaften sind als Normen einer eigenständigen, für das nationale Recht fremden Rechtsordnung zu qualifizieren 43 . Sie unterliegen damit keinem bundesdeutschen Verfassungsbeschwer deverfahr en, i n dem die EGNorm — als unmittelbarer Prüfungsgegenstand — für nichtig oder ungültig erklärt werden kann und soll. Dem vom BVerfG i n der Entscheidung vom 18.10. 1967 gefundenen Ergebnis 44 kann aufgrund der rechtstheoretischen Untermauerung voll zugestimmt werden.
2. Abschnitt: Das konkrete Normenkontrollverfahren A. Die Meinung des Bundesverfassungsgerichtes
Zur unmittelbaren Überprüfbarkeit i m Verfahren zu Art. 100 I GG hat sich das BVerfG wie folgt geäußert: Enthält das primäre EG-Recht unmittelbar anwendbare Vorschriften, die ein Gericht für unvereinbar m i t dem GG hält, so sei ein konkretes Normenkontrollverfahren „nur statthaft, wenn insoweit das deutsche Zustimmungsgesetz zum Vertrag" i. V. m. der in Frage stehenden EG-Norm des Primärrechts zum Prüfungsgegenstand erhoben wird. Das Zustimmungsgesetz enthalte „den Rechtsanwendungsbefehl für die Geltung des sogenannten primären Gemeinschaftsrechts", und nur dies könne der Prüfungsgegenstand sein 45 . 42 So auch i n der jüngsten diesbezüglichen Entscheidung des BVerfG, BVerfGE 58, S. 1 ff. (27); vgl. ferner Hoff mann, Bes. VerwR, Abschn. I V . 2. d. auf fremdes Recht, insbes. auf Besatzungsrecht bezogen u n d Scheuner, AöR 100 (1975), S. 50. Die Eigenständigkeit f ü h r t des weiteren dazu, daß die E G Organe bei ihren Rechtssetzungstätigkeiten grundsätzlich i n einer rechtlichen Unabhängigkeit von den Verfassungsanforderungen der Mitgliedstaaten zu sehen sind. So auch Badura, S. 66; Fuß, Grundrechtsschutz, S. 158 f.; Ritterspach, S. 307 f., der allerdings das Primärrecht durch die Zustimmungsgesetze auch als i n innerstaatliches Recht umgewandelt ansieht; dies alles w i r d j e doch noch später zu untersuchen sein, vgl. dazu die ausführliche Erörterung unten i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I I . Z u m Ganzen vgl. auch von Simson, Handbuch des VerfR, S. 63. 43 Es sei statt vieler nochmals auf Bettermann, S. 323 ff. (341); Ritterspach, S. 301 u n d Scheuner, AöR 100 (1975), S. 49 f. hingewiesen. 44 BVerfGE 22, S. 293 ff. (296 ff.) sei hier nochmals erwähnt.
2. Abschn.: Das konkrete Normenkontrollverfahren
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Bei sekundärem EG-Recht erachtet es eine unmittelbare Überprüfung m i t dem Ziel für zulässig, zwar nicht die Verfassungswidrigkeit oder Ungültigkeit, wohl aber die Unanwendbarkeit der EG-Norm festzustellen, falls sie m i t Grundrechten des GG kollidiert; dies zumindest so lange, bis die Europäischen Gemeinschaften über einen eigenen, „von einem Parlament beschlossenen" und den deutschen Grundrechten adäquaten Grundrechtskatalog verfügen 4®. Das BVerfG verneint demnach auch i m konkreten Normenkontrollverfahren eine unmittelbare Überprüfung des EG-Rechts m i t dem Ziel, es für ungültig oder nichtig zu erklären: Beim Primärrecht soll eine mittelbare Überprüfbarkeit anhand des deutschen Zustimmungsgesetzes möglich sein, für das Sekundärrecht eine zeitlich befristete, unmittelbare, jedoch m i t der modifizierten Rechtsfolge der Unanwendbarkeit. Soweit es die Verneinung der unmittelbaren Überprüfbarkeit europarechtlicher Bestimmungen m i t der Rechtsfolge der Ungültigkeit oder Nichtigkeit betrifft, kann dieser Rechtsauffassung nach den Erkenntnissen, die bei dem Verfassungsbeschwerdeverfahren gewonnen w u r den, grundsätzlich zugestimmt werden. Doch auch das bedarf einer kurzen, rechtstheoretischen Untermauerung. Es gilt demnach zu untersuchen, ob sich das konkrete Normenkontrollverfahren ebenso wie die Verfassungsbeschwerde nur auf solche Rechtsnormen bezieht, die sich als deutsche Rechtssätze darstellen. B. Der Prüfungsgegenstand
I n seiner Rechtsprechung hat das BVerfG schon frühzeitig den Prüfungsgegenstand des Art. 100 I GG konkretisiert. Danach erstreckt sich die konkrete Normenkontrolle u. a. auf die hier interessierenden Zulässigkeitsbeschränkungen 47 des formellen 48 , deutschen 49 Gesetzes. 45 So BVerfGE 52, S. 187 ff. (199); dieser Ausschnitt der Urteilsbegründung genügt hier, da deutlich w i r d , daß das B V e r f G eine unmittelbare Überprüfbarkeit des Primärrechts auch i m konkreten Normenkontrollverfahren v e r neint. 46 BVerfGE 37, S. 271 ff. (285). 47 Weitere Einschränkungen, die A r t . 100 I GG durch die Rechtsprechung des B V e r f G erfahren hat, sind u. a. folgende: Es muß sich u m ein nachkonstitutionelles, entscheidungserhebliches u n d regelmäßig auch u m ein bereits verkündetes Gesetz handeln. Diese weiteren K r i t e r i e n können hier außer Betracht bleiben, i m einzelnen vgl. dazu Ulsamer, zu § 80 BVerfGG, Rdnr. 27 ff.; Meyer, zu A r t . 100 GG, Rdnr. 8 ff.; Klein, AöR 1983, S. 576 ff. jeweils m. w. N. 48 Das K r i t e r i u m des formellen Gesetzes weckt bei allen europarechtlichen Normen insofern Zweifel, als die EG über keinen, den deutschen Parlamenten vergleichbaren, unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber v e r fügen, den das B V e r f G bei dieser Zulässigkeitsschranke voraussetzt; Einzelheiten dazu i m Anschluß.
3 Eibach
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I. Das formelle Gesetz Bei seiner Zulässigkeitsbeschränkung auf formelle Gesetze beruft sich das BVerfG zunächst auf den unklaren Gesetzeswortlaut und den Umstand, daß sowohl die Entstehungsgeschichte des Art. 100 GG als auch die historische Entwicklung des richterlichen Prüfungsrechtes keine sicheren Anhaltspunkte für die Auslegung des Wortes „Gesetz" i n A r t . 100 I GG ergeben und diese nur aus der Bedeutung der gesamten Normenkontrolle i m Rahmen des GG und der dem BVerfG dafür zugewiesenen Aufgabe entnommen werden kann 5 0 . I n den Beratungen des Parlamentarischen Rates wurde die Frage, ob sich das Entscheidungsmonopol des BVerfG gem. A r t . 100 I GG auf formelle oder materielle Gesetze erstreckt, nicht erörtert 5 1 . Das BVerfG geht i n seiner Argumentation davon aus, daß bei der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2 GG die Aufgabe des BVerfG als Hüter der Verfassung i m Vordergrund steht, die bei der konkreten nach A r t . 100 I GG zurücktritt". Damit ist die richterliche Verwerfungskompetenz bei Rechtsverordnungen nicht zwangsläufig eine Aufgabe des BVerfG, sondern kann auch durch jedes einzelne i n dieser Rechtssache befaßte Gericht vorgenommen werden, indem es die Rechtsverordnung wegen Verfassungswidrigkeit oder Unvereinbarkeit m i t Bundesrecht unangewendet läßt. Des weiteren stellt sich i m Rahmen der konkreten Normenkontrolle der Verfassungsgerichtsbar49 Daran scheint es hier nach dem oben bei der Verfassungsbeschwerde Gesagten zu fehlen; Einzelheiten dazu werden anschließend kurz zu erörtern sein, vgl. schon hier Scheuner, AöR 100 (1975), S. 50. 50 So schon BVerfGE 1, S. 184 ff. (195); zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung w a r die Frage umstritten, ob jedes Gericht ein Prüfungsrecht einschließlich eines Verwerfungsrechtes haben sollte. A r t . 100 GG setzt heute voraus, daß jedes Gericht zumindest befugt ist, die Gültigkeit der anzuwendenden Rechtsnorm zu überprüfen, vgl. dazu Meyer, zu A r t . 100 GG, Rdnr. 2. Ansatzpunkt der gerichtlichen Normenkontrolle ist die B i n d u n g des Gesetzgebers an die Grundrechte u n d die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 1 I I I , 20 I I I GG). Diese B i n d u n g des Gesetzgebers an die Verfassung ist v o m GG ausdrücklich festgelegt u n d soll i h m rechtsstaatlich verbindliche Schranken setzen (Meyer, zu A r t . 100 GG, Rdnr. 4). Es muß te jedoch weiterhin festgelegt werden, w e r i m Einzelfall letzt verbindlich einen solchen Verfassungsverstoß des Gesetzgebers festzustellen u n d die Sanktion, die Ungültigkeit des Gesetzes, auszusprechen hatte. Das GG entschied sich für einen differenzierten Weg: Jedes Staatsorgan hat zunächst sein eigenes Verhalten auf seine Verfassungsmäßigkeit h i n zu überprüfen; einige Staatsorgane sind darüber hinaus befugt, die verfassungsrechtliche Gültigkeit des Vorgehens anderer Staatsorgane zu prüfen. Z u denken ist hier auch an die Ausübung des B u n deszwanges gemäß A r t . 37 GG, an die Bundespräsidentenanklage gemäß A r t . 61 GG, an das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten gemäß A r t . 82 GG u n d an den Zuständigkeitskatalog des B V e r f G gemäß A r t . 93 GG. Z u m Ganzen vgl. i n den Einzelheiten Hoffmann, JZ 1961, S. 193 ff.
« BVerfGE 1, S. 184 ff. (193). So auch schon BVerfGE 1, S. 184 ff. (195 ff.).
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keit primär die Aufgabe, den Willen des parlamentarischen Gesetzgebers als repräsentatives Organ der Volksvertretung vor dem Vorwurf eines jeden Instanzrichters zu schützen, verfassungswidrige Gesetze erlassen zu haben 58 . Anders sieht es hingegen bei den Verordnungen aus, die der Exekutivgewalt entstammen und somit ungeachtet der M i t w i r k u n g eines parlamentarischen Organs 54 außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens zustande kommen. Demnach entfällt bei Verordnungen der innere Grund einer Vorlagepflicht, insofern kann der Auffassung des BVerfG zugestimmt werden 55 . Die Tatsache, daß sich der europäische Gesetzgeber — vornehmlich als Rat und Kommission — weitgehend als Exekutivorgan darstellt, läßt die Möglichkeit entfallen, Rechtssetzungsakte der Europäischen Gemeinschaften als Gesetze vergleichbar dem Gesetzesbegriff des GG anzusehen 58 . A u f der anderen Seite handelt es sich ebensowenig u m Verordnungen i m Sinne unseres nationalen Rechtsverständnisses, da der Begriff — wie oben gesehen — den Gegensatz zum Gesetz voraussetzt, der i n den Gemeinschaften gerade fehlt 5 7 . Es gestaltet sich demnach schwierig, die Gesetzgebungsakte auf der europäischen Ebene i n die uns vom GG vorgegebene Katalogisierung einzugliedern. Es läßt sich jedoch erkennen, daß die von den EG-Organen gesetzten Rechtsnormen nicht dem vom BVerfG aufgestellten — und somit m i t Verfassungsrang unserem GG angehörenden — Inhalt des Gesetzesbegriffes zugeordnet sind 58 . 58 BVerfGE 1, S. 184 ff. (197 f.); 4, S.45ff. (48 f.). Es würde die Volksvertretung als ein Grundelement des demokratischen Staates (vgl. hierzu Hesse, VerfR, Rdnr. 125) i n seiner A u t o r i t ä t erheblich herabsetzen, w e n n jedes I n stanzgericht sich über das unmittelbar demokratisch legitimierte Gesetzgebungsorgan hinwegsetzen könnte. Näheres dazu bei: Fuß, Grundrechtsschutz, S. 151; Stern, B K , zu A r t . 100 GG, Rdnr. 72; BVerfGE 10, S. 124 ff. (127). 54 Vgl. Ulsamer, zu § 80 BVerfGG, Rdnr. 48, insbes. A n m . 9 m. w. N. 55 Dies Ergebnis hat i n der L i t e r a t u r meist Zustimmung erfahren: so auch ebd.; ferner Schäfer, S. 3; Stern, B K , zu A r t . 100 GG, Rdnr. 72. Die dagegen geäußerten Bedenken, daß eine solche restriktive Interpretation die Gefahr einer Rechtsunsicherheit u n d Rechtszersplitterung heraufbeschwören könnte, haben sich als unbegründet erwiesen. Den Regierungen als Verordnungsgeber bleibt es unbenommen, über die abstrakte Normenkontrolle zu einem Grundsatzurteil des B V e r f G zu gelangen, dazu Ulsamer, zu § 80 BVerfGG, Rdnr. 40. 56 Vgl. dazu Claudi , S. 48 m. w. N. i n Fn. 37; Fuß, Grundrechtsschutz, S. 151; Ipsen, E u R - L b , S. 410, 449. 57 Vgl. Ophüls, A W D / R I W , S. 67 f. 58 Die Rechtsakte, die gem. A r t . 189 I I E W G V als Verordnungen bezeichnet werden, allgemeine Geltung besitzen, i n allen Teilen verbindlich sind u n d unmittelbare Geltung i n jedem Mitgliedstaat beanspruchen, sind am ehesten einem materiellen Gesetz vergleichbar; vgl. dazu Nicolay sen, S. 57 f.; Ophüls, A W D / R I W , S. 67; Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 96 f.
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berprüfbarkeit bzgl.
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Ausgehend von diesem Ergebnis muß hier festgehalten werden, daß Gemeinschaftsrecht als Prüfungsgegenstand eines Verfahrens nach Art. 100 I GG auch insofern ausscheidet, als es i m EG-Recht darüber hinaus an einem parlamentarischen Gesetzgeber fehlt, den zu schützen sich das BVerfG i n diesem nationalen Verfahren zur Aufgabe machen kann 5 9 . Nach dem oben Gesagten fällt dem BVerfG nicht die Kompetenz zu, sich als internes Rechtsprechungsorgan i m EG-Bereich zu betätigen 60 . II. Der Geltungsbereich des Art. 100 I GG Bei dem Verfassungsbeschwerdeverfahren ist zudem schon festgehalten worden, daß jede Rechtsordnung nur die Rechtssätze zum Prüfungsgegenstand einer Rechtskontrolle über Gültigkeit oder Ungültigkeit m i t der nationalen Rechtsordnung erheben kann, die als nationale Rechtsnormen zu qualifizieren sind. Das Gemeinschaftsrecht, unabhängig i n welcher Rechtsgestalt es zutage tritt, stellt jedoch eine eigene, autonome Rechtsordnung dar, wie oben gesehen. Der Geltungsbereich des Art. 100 I GG erstreckt sich nur auf deutsche, formelle Gesetze61. Beide Voraussetzungen liegen bei den europarechtlichen Normen nicht vor. Dem BVerfG fehlt es an einer erforderlichen Kompetenzzuweisung 62 . Nicht-deutsches Recht steht außerhalb der Normenhierarchie, die das BVerfG zu wahren hat 6 3 . C. Ergebnis
Auch bei diesem Prüfungsabschnitt kann der Auffassung des BVerfG zugestimmt werden: Europarechtliche Normen, gleichgültig ob es sich um Primär- oder Sekundärrecht handelt, unterliegen — als unmittelbarer Prüfungsgegenstand — i m konkreten Normenkontrollverfahren nicht der Prüfungskompetenz des BVerfG, wenn damit das Ziel ver59
Vgl. dazu Pestalozza, DVB1. 1974, S. 717; Zuleeg, DÖV 1975, S. 44. Die i m GG zugewiesenen Kompetenzen sind enumerativ; das B V e r f G wäre allenfalls zur Lückenschließung befugt. Eine solche k a n n jedoch hier nicht angenommen werden, da wegen der ausdrücklichen Zuweisung an den E u G H keine Lücke vorliegt u n d diese Kompetenzübertragung an i h n verfassungsrechtlich erlaubtermaßen i m Rahmen des A r t . 24 I G G erfolgte, vgl. dazu: Zuleeg, DÖV 1975, S. 44; Carstens, Fs. Riese, S. 81 bzgl. der Erweiterung der Prüfungsbefugnis gestützt auf eine Analogie allgemein; vgl. ferner das Eurocontrol-Urteil i n BVerfGE 58, S. I f f . (30); zum Ganzen vgl. auch Stern, StaatsR, Bd. I I , § 44, I V . 2., S. 976. 61 Daß daran festzuhalten ist, w i r d von Scheuner, AöR 100 (1975), S. 50 ff. ausdrücklich hervorgehoben m. w. N. 62 Vgl. Lechner, zu § 13, Ziffer 11 BVerfGG, Anm. 4. a. bb., S. 138; Zuleeg, DÖV 1975, S. 44/45. 63 Schiaich, BVerfG, S. 76 f.; Stern, B K , zu. A r t . 100 GG, Rdnr. 78; ders., B K , zu A r t . 93 GG, Rdnr. 244 m. w. N. 60
. Abschn.: D a s t e
Normenkontrolle
37
folgt wird, diese wegen Unvereinbarkeit mit dem GG für ungültig oder nichtig zu erklären. 3. Abschnitt: Die abstrakte Normenkontrolle A. Der Prüfungsgegenstand
Ebenso wie die konkrete stellt die abstrakte Normenkontrolle ein Normüberprüfungsverfahren dar. Es hat allerdings nicht zum Ziel, den Gesetzgeber vor einer Desavouierung durch die Instanzgerichte zu schützen; dies spielt i m Verfahren nach Art. 93 I Nr. 3 GG i. V. m. den §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG keine Rolle 64 . Insofern können Beschränkungen des Prüfungsgegenstandes auf formelle Gesetze hier keine Anwendung finden. Rechtsverordnungen und andere untergesetzliche Rechtsnormen scheiden demzufolge — i m Gegensatz zur konkreten Normenkontrolle — hier nicht von vornherein als Prüfungsgegenstand aus 65 . Demnach steht der Rechtscharakter der europarechtlichen Norm, der einem materiell-rechtlichen Gesetzesbegriff i n unserem Sinne nahe kommt 6 8 , einer Überprüfung durch das BVerfG, wie beim konkreten Normenkontrollverfahren, nicht entgegen. Es erscheint jedoch nach dem bisher Gesagten nicht mehr als eine rhetorische Frage, ob das EG-Recht nicht aus anderen Gesichtspunkten als Prüfungsgegenstand — m i t dem Ziel, es wegen Unvereinbarkeit m i t dem GG für nichtig oder ungültig zu erklären — ausscheidet. B. Aufgabe und Ziel
Schon frühzeitig hat sich das BVerfG zur Funktion der abstrakten Normenkontrolle geäußert 87 . Danach hat das BVerfG i n diesem Verfahren darüber zu wachen, ob Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder formell oder materiell höherrangiges Recht verletzen. Auch hier geht es wie i m Verfahren nach Art. 100 I GG um die Sicherung des Vorrangs der Verfassung und des Bundesrechtes, d. h. um die 64 So ausdrücklich Meyer, zu A r t . 93 GG, Rdnr. 36; vgl. auch Maunz, zu A r t . 93 GG, Rdnr. 24 f.; Stern, B K , zu A r t . 93 GG, Rdnr. 199; siehe ferner die Ausführungen oben i m 2. Abschn. Β. I. Z u m Ganzen vgl. Klein, AöR 1983, S. 571 ff. 65 Z u dem Prüfungsgegenstand des A r t . 93 I Nr. 2 GG i m einzelnen siehe: Meyer, zu A r t . 93 GG, Rdnr. 41 ff.; Stern, B K , zu A r t . 93 GG, Rdnr. 220 ff.; Klein, AöR 1983, S. 573 f. ββ Vgl. dazu die Erörterungen oben i m 2. Abschn. Β . I. m i t den entsprechenden Nachweisen i n Fn. 56. 87 BVerfGE 1, S. 184 ff. (195 f.); 1, S. 396 ff. (413); 3, S. 225 ff. (236).
3 8 T e i l
: Unmittelbare
berprüfbarkeit bzgl.
keit
Wahrung des Stufenbaus der Rechtsordnung 68 , oder anders ausgedrückt, um die Beachtung der übergeordneten Rechtsebene. Es dient so als objektives Verfahren dem Schutz der Rechtsordnung und dem Rechtsfrieden 69 und stellt eine Klärung der verfassungsrechtlichen Lage i n dem Sinne her, daß auf diese Weise entweder eine Verfassungsverletzung oder eine Verfassungskonformität festgestellt werden kann. Somit trägt die abstrakte Normenkontrolle wesentlich zur Rechtsgewißheit und -Sicherheit bei 70 . Diese Funktion ist weithin unbestritten. C. Der Geltungsbereich
Die Europäischen Gemeinschaften verfügen als Rechtsgemeinschaften über ein eigenes Rechtsschutzsystem. Die Wahrung des Rechts bei Auslegung und Anwendung der EG-Verträge ist darin ausschließlich dem EuGH übertragen 71 . Dem BVerfG ist eine derartige Kompetenz vom EG-Recht nicht zugesprochen 71. Die Rechtsnormen der Europäischen Gemeinschaften stellen — als Rechtssätze einer eigenständigen Rechtsordnung — keine Bundes- oder Landesgesetzgebung dar. N u r diese kann das BVerfG zur Wahrung des innerstaatlichen Stufenbaus zur Überprüfung mit höherrangigem Recht heranziehen. Als möglicher Prüfungsgegenstand einer abstrakten Normenkontrolle kommt demzufolge nur eine Rechtsnorm in Betracht, die unter der Geltung der innerstaatlichen Rechtsordnung erlassen wurde. Überlegungen eines Vorranges einer bestimmten Rechtsnorm bzw. einer Rechtsordnung müssen hier außer Betracht bleiben. Solche Überlegungen setzen Kollisionen innerhalb einer Stufenfolge voraus, die wegen der Eigenständigkeit der EG-Rechtsordnungen i m Verhältnis zu den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten nicht auftreten können 73 . 88 Ulsamer, zu § 76 BVerfGG, Rdnr. 37; Söhn, BVerfG u n d GG, S.317; Stern, StaatsR, Bd. I, S. 80 ff. u n d S. 105 ff. m. w. N. et Söhn, B V e r f G u n d GG, S.2951, 303 f.; Stern, StaatsR, Bd. I I , S.984f.; Ulsamer, zu § 76 BVerfGG, Rdnr. 2; vgl. ferner BVerfGE 1, S. 396 ff. (407); 2, S. 213 ff. (217); 20, S.56ff. (86, 95); 20, S. 350 ff. (351); 40, S. 356 ff. (361). 70 Vgl. dazu Meyer, zu A r t . 93 GG, Rdnr. 36. 71 Daig, zu A r t . 183 EWGV, Rdnr. 2; Ipsen, E u R - L b , Kap. 43/1 ff. (7), S. 754 ff.; Nicolay sen, S. 63 ff. Z u m Ganzen vgl. Pernice, EWG-Kom., zu A r t . 164 EWGV, Rdnr. 1 ff. m. w. N. 72 Vgl. dazu die Ausführungen oben i m 2. Abschn. Β. I. m i t den besonderen Erörterungen i n Fn. 60; ferner Schiaich, BVerfG, S. 69 m. w. N. 73 Dies mag als kurzer Hinweis hier genügen, vgl. dazu auch Stern, B K , zu A r t . 93 GG, Rdnr. 244 m. w. N. Bei den Diskussionen u m die Rangordnung des EG-Rechts i m mitgliedstaatlichen Rechtsraum bleibt das meist unerwähnt, vgl. Hoff mann, D Ö V 1967, S. 438 m. w . N . ; Ipsen, E u R - L b , Kap. 10, S. 255 ff. m. w. N.; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 41 ff. m. w . N.; Zuleeg, K S E 9,
. Abschn.: D a s t e
Normenkontrolle
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D. Ergebnis
Ebenso wie i m konkreten können auch i m abstrakten Normenkontrollverfahren europarechtliche Normen — als Normen einer eigenständigen Rechtsordnung — nicht zum Prüfungsgegenstand erhoben werden, u m deren Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen nationale Rechtssätze — seien es auch Grundrechtsnormen — festzustellen.
Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil 1 Weder i m Verfassungsbeschwerde- noch i n den Normenkontrollverfahren können Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften einer unmittelbaren, nationalen Überprüfung — mit dem Ziel ihrer Vernichtung — zugeführt werden. Eine solche Überprüfung läßt sich m i t der Eigenständigkeit der Rechtsordnungen der Europäischen Gemeinschaften nicht vereinbaren.
S. 15 ff. m. w . N. Arnold, Rangverhältnis, S. 24 bezogen auf die „lex-posteriorRegel", die zwischen EG-Recht u n d nationalem Recht keine A n w e n d u n g findet.
Teil 2
Die unmittelbare Überprüfung europarechtlicher Normen bei modifizierter Urteilsformel
1. Abschnitt: Das Anwendungsverbot als eine für Rechtsnormen des Europäischen Gemeinschaftsrechts nicht mögliche Urteilsfindung A. Allgemeines A u s g e h e n d v o n d e n R e g e l u n g e n der §§ 78, 82 I, 95 I I I B V e r f G G h a t das B V e r f G die ü b e r p r ü f t e N o r m b e i e i n e m V e r s t o ß i n d e n V e r f a h r e n d e r a b s t r a k t e n u n d k o n k r e t e n N o r m e n k o n t r o l l e sowie b e i m V e r f a s sungsbeschwerdeverfahren i m allgemeinen f ü r nichtig zu erklären. G l e i c h w o h l sah sich das B V e r f G aus d e n verschiedensten G r ü n d e n v e r a n l a ß t , v o n dieser Regel u n t e r b e s t i m m t e n K o n s t e l l a t i o n e n abzusehen 1 . M i t t l e r w e i l e i s t n e b e n die U r t e i l s f o r m e l d e r N i c h t i g k e i t eine ganze P a l e t t e v o n E n t s c h e i d u n g s v a r i a n t e n g e t r e t e n 2 , die d e n w e i t e n R a u m 1 Vgl. dazu auch Hoff mann, JZ 1961, S. 198 rechte Sp.; insbesondere jedoch Moench, S. 13, bes. Fn. 14; Pohle, S. 29; Söhn, Anwendungspflicht, S. 4 f., bes. Fn. 2; Stern, B K , zu A r t . 93 GG, Rdnr. 269 ff., 276 ff. m. w. N. ; siehe dazu die zuletzt ergangenen Entscheidungen des B V e r f G etwa: BVerfGE 51, S. 1 ff. (1 f.); 52, S. 1 ff. (1 f., 42); 53, S. 366 ff. (367 f.); 55, S. 100ff. (101,113); 56, S. 192ff. (192 f., 215 f.); 57, S. 335 ff. (336); 57, S. 361 ff. (362). 2 Der Rechtsprechung lassen sich u.a. folgende Beispiele entnehmen: U m die Nichtigkeit zu vermeiden, hat das BVerfG zunächst verstärkt versucht, „kritische" Gesetze möglichst verfassungskonform auszulegen (nach einem Zitat des ehemaligen Bundesverfassungsrichters K a r l Heck zeigt das B V e r f G eine verstärkte Neigung, „ . . . verfassungskonform auszulegen, u m damit der Nichtigerklärung eines Gesetzes auszuweichen . . . " , zit. nach Moench, S. 15). Ferner ging es i n einigen Entscheidungen dazu über, lediglich die Verfassungswidrigkeit der geprüften N o r m festzustellen (Moench, S. 13), oder zur Vermeidung politisch oder rechtlich „untragbarer" Ergebnisse zwar die Nichtigkeit des Gesetzes auszusprechen, gleichzeitig jedoch von der Ungültigkeit dieses Gesetzes n u r die unmittelbar intendierten Rechtsfolgen erfassen zu lassen, so i n BVerfGE 1, S. 14 ff. (38); 3, S. 41 ff. (44/45). Z u r Begrenzung der m i t R ü c k w i r k u n g verbundenen Rechtsfolgen hat das B V e r f G i m weiteren dem § 79 B V e r f G G den allgemeinen Rechtsgrundsatz entnommen, daß die Nichtigerklärung grundsätzlich keine Auswirkungen auf bereits abgeschlossene Rechtsverhältnisse habe, vgl. BVerfGE 32, S. 387 ff. (389). Darüber hinaus verfestigte das B V e r f G seine Rechtsprechung, als verfassungswidrig erkannte Sätze oft nicht für nichtig zu erklären, sondern nur eine Unvereinbarkeit
1. Abschn.: Anwendungsverbot f ü r EG-Normen nicht möglich
41
zwischen G ü l t i g k e i t u n d N i c h t i g k e i t i n verschiedenster A b s t u f u n g ausfüllen 3. D e n f ü r e i n e n Rechtssatz e i n e r f r e m d e n R e c h t s o r d n u n g n i c h t m ö g l i c h e n U r t e i l s t e n o r der N i c h t i g k e i t v o r A u g e n 4 , suchte das B V e r f G d e m sich abzeichnenden K o n f l i k t b e i m Gemeinschaftsrecht d a d u r c h z u e n t gehen, sich b e i diesbezüglichen N o r m e n d a r a u f z u beschränken, gegeben e n f a l l s i h r e U n a n w e n d b a r k e i t f ü r d e n deutschen H o h e i t s b e r e i c h festzustellen®. I n s o f e r n m ü ß t e das B V e r f G e i n e n A n t r a g i n d e n d r e i z u r D i s k u s s i o n stehenden V e r f a h r e n s a r t e n m i t d e m Z i e l zulassen, b e i e i n e m G G - V e r s t o ß des Gemeinschaftsrechts dessen U n a n w e n d b a r k e i t — i n d e n d r e i m ö g l i c h e n Ü b e r p r ü f u n g s v e r f a h r e n — auszusprechen®. Es f r a g t sich jedoch, i n w i e w e i t zwischen d e m A u s s p r u c h d e r N i c h t i g k e i t u n d d e m d e r U n a n w e n d b a r k e i t — bzgl. der v o n d e n M i t g l i e d s t a a t e n d e m E G - R e c h t gegenüber z u g e w ä h r e n d e n E n t f a l t u n g s m ö g l i c h k e i t — e i n entscheidender U n t e r s c h i e d gesehen w e r d e n k a n n .
m i t höherrangigem Recht festzustellen u n d die Beseitigung dieser verfassungswidrigen Lage als alleinige Aufgabe des Gesetzgebers anzusehen, vgl. dazu Moench, S. 16 m. w. N. bes. i n A n m . 27, die sogenannte Appell-Entscheidung des B V e r f G betreffend; zur diesbezüglichen spezifischen Problematik siehe ferner Rupp-von Brünneck, S. 355 ff. 3 Vgl. Maunz, zu A r t . 93 GG, Rdnr. 37 ff.; Pestalozzi B V e r f G u n d GG, S. 520 ff.; Pohle, S.49f.; BVerfGE 37, S. 217 ff. (262). Eine ausschließlich mögliche Verfassungswidrigkeit von Gesetzen erscheint insofern besonders problematisch, w e i l das Dogma der ipso-iure-Nichtigkeit verfassungsrechtlicher Gesetze i m Grunde fortbesteht (vgl. dazu die umfangreichen Nachweise bei Moench, S. 11 bes. Anm. 3; Söhn, Anwendungspflicht, S. 6 ff.; vgl. ferner Böckenförde, S. 1 ff. u n d Scholzen, S. 1 ff.) u n d auch v o m B V e r f G grundsätzlich nicht i n Frage gestellt w i r d (seit der Entscheidung BVerfGE 1, S. 14 ff. (15), ferner Leitsatz 6 u n d S. 37. So geht das B V e r f G i n ständiger Rechtsprechung davon aus, daß nichtige Gesetze „ v o n Anfang an" rechtsunwirksam sind. Die daraus erwachsenden Schwierigkeiten zeigen sich etwa bei einem Gesetz, das für nichtig erklärt w i r d , nachdem es möglicherweise über Jahre hinaus zum Bestandteil der Rechtsordnung gezählt wurde, somit N o r m a t i v i tät entfaltete u n d als sachprägendes Ordnungsmodell fungierte, vgl. dazu Müller, S. 27 f.; Pohle, S. 30. 4 BVerfGE 22, S. 293 ff. (297); vgl. dazu auch die Ergebnisse von T e i l 1 dieser Arbeit. 5 BVerfGE 37, S. 271 ff. (285) bezogen auf sekundäres Gemeinschaftsrecht m i t der Einschränkung des Solange-Tenors. BVerfGE 52, S. 187 ff. (199) bezogen auf Primärrecht u n d die ins Auge gefaßte teilweise Unvereinbarkeit des Zustimmungsgesetzes, das den Rechtsanwendungsbefehl für die Geltung des Primärrechts beinhaltet. Diesen Schritt sah das BVerfG f ü r geboten an, w e i l es den Vollzug einer E G - N o r m durch dt. Behörden als dt. Verwaltungsakt qualifizierte u n d die dt. rechtsanwendenden Organe hierbei nicht aus der strengen Bindung an das nationale Verfassungsrecht entlassen seien, so BVerfGE 37, S. 271 ff. (283). 6 Dies hat bei Ulsamer, zu § 76 BVerfGG, Rdnr. 33 f ü r die abstrakte N o r menkontrolle ausdrücklich Erwähnung gefunden.
42
T e i l 2: Unmittelbare Überprüfbarkeit bzgl. Unanwendbarkeit B. Die Rechtsfolgen der Nichtigerklärung
Durch eine solche Entscheidung des BVerfG, als notwendige Bedingung rechtlich relevanter Nichtigkeit 7 , w i r d die geprüfte Norm unbeachtlich, sie besitzt keine Geltung und w i r d so zu einem rechtlichen „nullum" 8 . Der Urteilsspruch hat gem. § 31 I I BVerfGG Gesetzeskraft, w i r k t grundsätzlich ex tunc und löst somit die weitere Rechtsfolge aus, daß allen darauf gestützten Entscheidungen, seien es Rechtssätze, Verwaltungsakte oder Gerichtsentscheide, ihre Rechtsgrundlage entzogen wird®. C. Die Rechtsfolgen der Unanwendbarkeit
Stellt das BVerfG die Unanwendbarkeit einer Norm fest, so tastet es deren rechtlichen Bestand nicht an 10 . Sie besitzt weiterhin Gültigkeit, jedoch w i r d sie für den Geltungsbereich des Urteilsspruches für unanwendbar erklärt. Der Entscheidung kommt gem. § 31 I I BVerfGG gleichfalls Gesetzeskraft zu, m i t derselben Bindungswirkung, wie der des Ausspruchs der Nichtigkeit 1 1 . D. h. alle Staatsorgane der Bundesrepublik haben bei ihren diesbezüglichen Handlungen dieses Urteil zugrunde zu legen. D. Eine für den EG-Bereich irrelevante Differenzierung
Das BVerfG kann bei allen Einschränkungen, die es gegenüber den Normen des Gemeinschaftsrechts ausspricht, nur eine diesbezüglich rechtlich zu beachtende Wirkung für den innerstaatlichen Bereich erwirken. Es mangelt dem BVerfG an der notwendigen Kompetenzzuweisung, um eine über den nationalen Bereich hinausgehende Rechtswirkung seiner Urteile für Normen des Gemeinschaftsrechts zu erwirken. Die Versagung der Anwendbarkeit einer europarechtlichen Norm kann demnach schon von der Natur der Sache her nur für den bundesrepublikanischen Hoheitsbereich ausgesprochen werden. Eine vom BVerfG für nichtig erklärte Norm w i r d i n gleicher Weise nur für den Rechtskreis seiner Wirkung entkleidet, der unter der Geltung des GG und damit 7
Vgl. Hoffmann, J Z 1961, S. 198. Siehe dazu Brinckmann, S. 30 f. 9 Die vielfältigen Probleme, die sich hieraus ergeben, hat das B V e r f G w e gen der n u r teilweise i m Gesetz vorhandenen Lösungsmöglichkeiten oft dadurch zu lösen versucht, die Nichtigkeit n u r selten oder n u r modifiziert auszusprechen, siehe dazu die Nachweise i n Teil 2, 1. Abschn. Α., Fn. 2. Z u m Ganzen vgl. ferner Hesse, VerfR, § 19 I I 3. c, Rdnr. 688 m. w. N., bes. A n m . 29. 10 Zuleeg, D Ö V 1975, S. 45. 11 Ebd. I n w i e w e i t dabei auch eine R ü c k w i r k u n g ähnlich der der Nichtigkeit ausgelöst w i r d , k a n n hier unerörtert bleiben. 8
1. Abschn,: Anwendungsverbot für EG-Normen nicht möglich
43
unter der rechtsprechenden Gewalt des BVerfG steht 12 . Das kann auch nur der nationale Rechtskreis sein. Von einer territorial auf die Bundesrepublik beschränkten Nichtigkeit europarechtlicher Normen unterscheidet sich die Unanwendbarkeit dieser demnach nur formaliter, die rechtlichen Folgen sind die gleichen 13 . Der EG-Rechtsordnung geht es jedoch gerade darum, ihre Normen in allen Mitgliedstaaten gleich und unverändert Rechtswirkung entfalten zu sehen. Die Mitgliedstaaten unterstehen nach Art. 86 I und I I EGKSV, 192 EAGV, 5 EWGV der Verpflichtung, der Entfaltung des EG-Rechts keine Hindernisse entgegenzustellen. Dieser wie jener Urteilsspruch beinhaltet jedoch die gleichen Einschränkungen in dieser Hinsicht. Das BVerfG kann sich insofern nicht auf die formale Betrachtungsweise zurückziehen, es hat die Rechtsfolgen seiner Handlungen mitzubewerten 14 , und diese stellen auch hier mitentscheidende Kriterien dar: W i r d eine Norm wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unanwendbar erklärt, liegt der Sache nach nichts anderes vor, als der Norm ihre Entfaltungsmöglichkeit zu nehmen, sie kann sich nicht zur Geltung bringen, sie ist ohne Geltung, d. h. sie ist ungültig. „Diese Befugnis steht dem BVerfG gegenüber den Rechtsvorschriften der Gemeinschafteorgane (grundsätzlich) nicht zu 15 ." Vergegenwärtigt man sich dazu das Ergebnis vom 1. Teil der Arbeit, so zeigt sich, da die EG-Normen einer den nationalen Rechtsordnungen fremden Hoheitsgewalt entstammen, daß es dem BVerfG gleichfalls an der Kompetenz fehlt, Normen des EG-Rechts als Prüfungsgegenstand seinen Entscheidungen zugrunde zu legen, m i t dem Ziel, deren Unanwendbarkeit festzustellen 1®. 12 Z u m einzelnen siehe dazu von Münch, zu A r t . 1 GG, Rdnr. 47 ff. m. w. N. ; Schnapp, zu A r t . 20 GG, Rdnr. 35 ff. m. w. N. 13 Pestalozza, BVerfG u n d GG, S. 525 m . w . N . ; ders., DVB1. 1974, S.716; Zuleeg, D Ö V 1975, S. 45. Dieser w i e jener Urteilsspruch versagt der E G - N o r m i n der Bundesrepublik die Entfaltungsmöglichkeit, u n d dies ist das entscheidende, vgl. dazu Fuß, Grundrechtsschutz, S. 148 f.; Scheuner, AöR 100 (1975), S. 50 spricht insofern von einer Verdeckung, daß i n W i r k l i c h k e i t Gemeinschaftsrecht unmittelbar am GG gemessen w i r d . a. Α.: Börner, S. 20441, der der Auffassung des B V e r f G i n BVerfGE 37, S. 271 ff. folgt. 14 Vgl. dazu Hesse, Fs. Huber, S. 269 m. w. N. ; zum Ganzen Moench, S. 1 ff. So auch ansonsten die ständige Rechtsprechung des BVerfG; i n : BVerfGE 4, S. 157 ff. (168 f.) w u r d e diese Rechtsprechung entwickelt, auf die die abweichende Meinung i n BVerfGE 37, S. 271 ff. (298 f.) ausdrücklich verweist; vgl. ferner BVerfGE 33, S. 303 ff. (347); m i t Einschränkung BVerfGE 33, S. 1 ff. (12 f.); 41, S. 251 ff. (266 ff.). I m weiteren vgl. die ausführliche Darstellung unten i n T e i l 3, 3. Abschn., B. Z u erwähnen sind hier auch die Entscheidungen oben i n T e i l 2, 1. Abschn. Α., Fn. 2. Ferner siehe Schuppert, S. 97. 15 So BVerfGE 37, S. 271 ff. (299); zum Ganzen vgl. Pestalozza, B V e r f G u n d GG, S. 524 f. m . w . N . ; ders., DVB1. 1974, S.716; Zuleeg, D Ö V 1975, S.44f.
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T e i l 2: Unmittelbare Uberprüf barkeit bzgl. Unanwendbarkeit E. Ergebnis
Auch bei der modifizierten Rechtsfolge der Unanwendbarkeit muß grundsätzlich eine unmittelbare Prüfungskompetenz des BVerfG abgelehnt werden, es sei denn, die vom BVerfG angeführten Gegenargumente ließen eine andere rechtliche Beurteilung zu.
2. Abschnitt: Die Gegenargumente des Bundesverfassungsgerichtes Das BVerfG stützt seine unmittelbare Prüfungskompetenz bezüglich des sekundären Gemeinschaftsrechts auf zwei Hauptargumente. Zum einen stelle der Urteilstenor der Unanwendbarkeit eine erlaubte Fortbildung des Verfahrensrechts 17 und damit keine verbotene Kompetenzerweiterung 1 8 dar, zum anderen geböte das Defizit des Grundrechtsschutzes innerhalb der EG diese Überprüfung 1 9 . A. Der Gesichtspunkt der Verfahrensfortbildung
Das vom BVerfG vorgebrachte Argument, die i n Anspruch genommene Prüfungskompetenz m i t dem Ziel, die Anwendbarkeit der EGNorm zu untersagen, sei als Fortführung des bisherigen Verfahrensrechts zu werten, läßt sich am anschaulichsten anhand vergleichbarer Urteile des BVerfG untersuchen. L Die exemplarische Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes 1. Die Überprüfbarkeit von Normen außerstaatlichen Ursprungs allgemein Schon zu Beginn seiner Rechtsprechungstätigkeit hat das BVerfG festgestellt, daß Maßnahmen eines fremden Staates nicht der Kontrolle 16 a. A. Börner, S. 2044, rechte Sp., der i n dem Ausspruch der Unanwendbarkeit fälschlicherweise eine Aussage über deutsches Recht sieht, die die Geltung des europäischen Rechts nicht berühre. Doch stellt sich dies nach dem oben Gesagten anders dar; vgl. dazu auch die Erörterungen unten i n T e i l 5, 2. Abschn. Gleicher Auffassung: Fuß, Grundrechtsschutz, S. 148 f.; ferner BVerfGE 37, S. 271 ff. (298 f.). 17 BVerfGE 37, S. 271 ff. (285 ff.). 18 Vgl. dazu jedoch BVerfGE 1, S. 396 ff. (408 f.); 2, S. 341 ff. (346); 3, S. 368 ff. (376 f.); 13, S. 54 ff. (96); 22, S. 293 ff. (298); 37, S. 271 ff. (303), die dies anders sehen. 19 BVerfGE 37, S. 271 ff. (282 ff.).
2. Abschn.: Gegenargumente des B V e r f G
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des BVerfG unterliegen; desgleichen Maßnahmen, die von deutschen Behörden auf Anordnung der Militärregierung der Besatzungsmächte ergangen sind, da sie keine Akte deutscher öffentlicher Gewalt darstellen 20 . M i t gleicher Begründung hat es Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des obersten Rückerstattungsgerichtes verworfen, dabei sei unbedeutend, ob man mittelbar oder unmittelbar gegen eine solche Entscheidung vorgehe 21 . Unzulässig war mit gleicher Urteilsbegründung eine Verfassungsbeschwerde gegen eine rein innerkirchliche Maßnahme 22 . I m Rechtsstreit über die Durchführung eines Kontrollratsgesetzes hebt das BVerfG unter anderem hervor, daß das GG und das BVerfGG keine verfassungsrechtlichen Generalklauseln für die Zuständigkeit des BVerfG enthalten. Somit könne die Zuständigkeit auch aus rechtspolitischen Überlegungen heraus nicht über die positiven Zuständigkeitsnormierungen hinaus erweitert werden 23 . Auch Besatzungsrecht ist nicht unmittelbar auf seine Vereinbarkeit m i t dem GG h i n überprüfbar 24 . Führt man sich diese Urteile 2 5 vor Augen und legt sie den bisher gefundenen Ergebnissen zugrunde, scheinen sich Widersprüchlichkeiten i n der Rechtsprechung des BVerfG aufzutun. 2. Die Überprüfbarkeit des Besatzungsrechtes i m besonderen Aufgrund der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches übernahmen die Alliierten i n der Vier-Mächte-Erklärung vom 5. 6.1945 die oberste Regierungsgewalt i n ganz Deutschland. Diese wurde i m 20 BVerfGE 1, S. 10; während einer kriegerischen Okkupation ist die Besatzungsmacht k r a f t völkerrechtlicher Kompetenzzuweisung befugt, Normenkomplexe aus der Rechtsordnung des besetzten Staates außer Anwendung oder außer K r a f t zu setzen u n d durch eigenes Recht, sprich Besatzungsrecht, auszufüllen; so zu Recht Hoff mann, JZ 1961, S. 195, A n m . 33. 21 BVerfGE 6, S. 15 ff. (18); 22, S. 91 ff. (92 f.); die Befugnisse u n d Z u ständigkeiten der obersten Rückerstattungsgerichte beruhen auf den Rechten der alliierten Schutzmächte. 22 BVerfGE 18, S. 385 ff. (386 ff.): die öffentliche Gewalt i. S. v. § 90 I BVerfGG erfaßt keine rein inner kirchlichen Maßnahmen, vgl. ferner BVerwGE 25, S. 226 ff. (230 ff.) u n d Steiner, S. 2560 f. m. w. N. 23 BVerfGE 1, S. 396 ff. (408) ; 3, S. 368 ff. (376 f.) ; 13, S. 54 ff. (96); 22, S. 293 ff. (298). 24 BVerfGE 4, S. 45 ff. (48 ff.); ferner 12, S. 281 ff. (290); 15, S. 337 ff. (348); 36, S. 146 ff. (170), i m näheren vgl. die folgenden Erörterungen; zum Ganzen siehe die Ausführungen bei Fuß, Grundrechtsschutz, S. 152 ff. m. w. N. 25 Sie werden v o m B V e r f G zum T e i l selbst als Beleg dafür angeführt, daß es sich beim Urteilsspruch der Unanwendbarkeit bzgl. europarechtlicher Normen u m eine erlaubte Verfahrensfortbildung handele, BVerfGE 37, S. 271 ff. (285 ff.).
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T e i l 2: Unmittelbare
berprüfbarkeit bzgl. Unanwendbarkeit
w e i t e r e n nach d e r F u n k t i o n s u n f ä h i g k e i t des a l l i i e r t e n K o n t r o l l r a t e s i n d e n w e s t l i c h e n Besatzungszonen d u r c h d i e H o h e K o m m i s s i o n w a h r g e n o m m e n u n d h i e r später d u r c h das B e s a t z u n g s s t a t u t v o m 6. 5.1949 s o w i e d u r c h das r e v i d i e r t e B e s a t z u n g s s t a t u t v o m 6. 3 . 1 9 5 1 a u f T e i l bereiche begrenzt b z w . s c h r i t t w e i s e z u r ü c k g e n o m m e n . Das Besatzungsrecht s t e l l t eine v o n d e r i n n e r s t a a t l i c h e n O r d n u n g losgelöste, eigene Rechtsordnung dar 26. M i t B e e n d i g u n g des Besatzungszustandes e r h i e l t e n d i e O r g a n e v o n B u n d u n d L ä n d e r n d u r c h d e n Ü b e r l e i t u n g s v e r t r a g 2 7 die g l o b a l e K o m petenz zugesprochen, „ u n v e r s t e u e r t e s " B e s a t z u n g s r e c h t 2 8 a b z u ä n d e r n oder aufzuheben, K o n t r o l l r a t s r e c h t h i n g e g e n erst nach K o n s u l t a t i o n m i t d e n D r e i M ä c h t e n außer W i r k s a m k e i t setzen zu d ü r f e n 2 9 . Besatzungsrechtliche V o r s c h r i f t e n k ö n n e n d u r c h d i e deutsche R e c h t s o r d n u n g u n d i h r e O r g a n e s o m i t n u r i n d e r Weise t a n g i e r t w e r d e n , w i e es i h n e n die Besatzungsmächte a u s d r ü c k l i c h gestattet h a b e n 8 0 .
28 Vgl. dazu Hoffmann, JZ 1961, S. 195 A n m . 33, der klarstellt, daß die Besatzungsmacht während einer kriegerischen Okkupation k r a f t völkerrechtlicher Kompetenzzuweisung befugt ist, die Rechtsordnung des besetzten Staates abzuändern oder aufzuheben, statt dessen auch durch eigenes Recht zu ersetzen. Vgl. ferner BVerfGE 3, S. 368 ff. (375): Das Völkerrecht trägt insofern der normativen K r a f t des Faktischen Rechnung. 27 Vertrag zur Regelung aus K r i e g und Besatzung entstandener Fragen ( = Uberleitungsvertrag) v o m 26.5.1952 i n der Fassung des Pariser Protokolls v o m 23.10.1954, BGBl. 1955, T e i l I I , S. 405 ff. 28 Unter diesem „unversteuerten" Besatzungsrecht ist all das Besatzungsrecht zu verstehen, das nicht unter dem weiteren Vorbehalt der Drei Mächte steht. Den Gegensatz dazu stellt das sogenannte versteinerte Besatzungsrecht dar, dessen weiterer Beachtung die Bundesrepublik durch das Zustimmungsgesetz v o m 24. 3.1955 zugestimmt hat, BGBl. 1955, Teil I I , S. 213. Z u diesen Begriffen vgl. die Erläuterung von Ulsamer, zu § 80 BVerfGG, Rdnr. 57 ff., ferner BVerfGE 12, S. 281 ff. (289). Dazu gehören u. a. die Vorbehalte betr. Fragen hinsichtlich Berlins u n d Deutschlands als Ganzes, einschl. der Wiedervereinigung u n d einer Friedensregelung, auch der Vorrang des Besatzungsrechtes vor unserer Grundrechtsordnung, vgl. dazu Stern, StaatsR, Bd. I, § 14 I 4 b, S. 483. 29 § 1 I I 1 Überleitungsvertrag; zum Ganzen vgl. von Münch, zu A r t . 117 GG, Rdnr. 9; Hesse, VerfR, § 3 I I , Rdnr. 96 ff.; Ulsamer, zu § 80 BVerfGG, Rdnr. 61 ff.; BVerfGE 15, S. 337 ff. (346 f.); 36, S. 146 ff. (170). 30 Dieses sich i n den Urteilen des B V e r f G zur besatzungsrechtlichen Rechtsmaterie wiederfindende Ergebnis bestätigt das zuvor Erarbeitete, siehe dazu die Ausführungen i n Teil 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. Dies hat auch i n der L i t e r a t u r w e i t h i n Zustimmung gefunden, vgl. statt vieler: Meyer, zu A r t . 100 GG, Rdnr. 20 f. m . w . N . ; Ulsamer, zu § 80 BVerfGG, Rdnr. 55, 57 ff. Z u m Ganzen vgl. Fuß, Grundrechtsschutz, S. 151 ff.; Hoff mann, Bes. VerwR, Abschn. I V , 1. am Ende m. w. N.; Zuleeg, DÖV 1977, S. 463.
2. Abschn.: Gegenargumente des B V e r f G
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II. Die notwendige Gleichbehandlung in der Überprüfung europarechtlicher Normen Wenn das BVerfG von einer derartigen Unüberprüfbarkeit fremder Rechtsnormen ausgeht, kann beim Europarecht, dessen Eigenständigkeit gleichfalls vom BVerfG anerkannt wurde, nur schwerlich von einer Fortentwicklung des Verfahrensrechtes gesprochen werden, sofern Besatzungsrecht und Europarecht i n den entscheidenden Kriterien vergleichbar sind. 1. Die Eigenständigkeit der EG-Rechtsordnungen Die Europäischen Gemeinschaften stellen sich zwar als ein von den Mitgliedstaaten ausgehendes, nach Aufnahme ihrer Befugnisse aber als eigenständiges, von nationalen Rechtsordnungen losgelöstes Rechtsgebilde dar 81 . Es besteht m i t h i n „kein Rechtsband der Ableitung oder der Abhängigkeit" vom nationalen Recht. Dies eröffnet den Blick für die von den Europäischen Gemeinschaften ausgehenden Rechtsakte als neue eigenständige Autorität aufgrund eigener Rechtsquelle 32 . 2. Das Kriterium der Unabgeleitetheit als das entscheidende Ausgehend von der anerkannten Definition Kelsens™, wonach Normen dann ein einheitliches Normensystem, eine eigenständige Rechtsordnung bilden, wenn ihre Geltung auf ein und dieselbe Grundnorm zurückzuführen ist, stellt diese Grundnorm den gemeinsamen Geltungsgrund der Rechtssätze dieser Rechtsordnung dar 84 . A u f Besatzungs- und Gemeinschaftsrecht bezogen bedeutet dies: Die Eigenständigkeit dieser beiden Rechtsordnungen ergibt sich jeweils aus dem ihrem eigenen Recht zu entnehmenden Geltungsgrund, d. h. aus der Unabgeleitetheit ihrer Rechtssätze und damit aus dem Herausgelöstsein aus Völkerrecht und nationalem Recht. M i t h i n sind die Konstituierungen ihrer Rechtsordnungen als Ausfluß einer rein tatsächlichen Fähigkeit, als rechtliche Anknüpfung an ein gegebenes, soziales Faktum zu qualifizieren und zu würdigen, d. h. sie führen ihre Geltung auf eine ihrer Rechtsordnung angehörende Grundnorm zurück. Demnach befindet sich das rechtliche K r i t e r i u m zur Qualifikation dieser 81 Vgl. dazu A n m . 25 i n Teil 1, 1. Abschn. B. I I I . 2. m i t dem von Albert Haenel zitierten Satz: „ I n h a l t u n d Wesen einer Ordnung ist das eine, ihre Entstehungsgrundlage eine andere". Ipsen, EuR-Lb, S. 220 spricht i n diesem Zusammenhang von einer M u t a t i o n der völkerrechtlichen Gründungsverträge zur autonomen Rechtsordnung; Stern, StaatsR, Bd. I, § 15 I I I 2, S. 541. 82 Ipsen, EuR-Lb, S. 220; Stern, StaatsR, Bd. I, § 15 I I I 2, S. 541. 88 Kelsen, RR, S. 196 f.; vgl. dazu auch Schwan, S. 34. 84 Schwan, S. 34.
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beiden Rechtsordnungen jeweils i n ihnen selbst und w i r d nicht von außen an sie herangetragen. Entscheidend ist nicht das Schaffen von Voraussetzungen zur Bildung einer Rechtsordnung, sondern die weitere Entwicklung der daraus entstehenden Rechtsgebilde 35 . Haben sie die Schwelle zur Eigenständigkeit überschritten, bilden allein sie selbst den rechtlichen Beurteilungsmaßstab. Dabei ist es rechtlich unerheblich, aufgrund welcher Gegebenheiten sie diese Schwelle haben überspringen können. Demnach müssen bei der unmittelbaren Überprüfung von besatzungs- und europarechtlichen Normen grundsätzlich die gleichen Maßstäbe zugrunde gelegt werden3®. Führt man sich hierzu drei grundlegende Entscheidungen des BVerfG zum Besatzungsrecht vor Augen, läßt sich folgendes konstatieren: Bei der Überprüfung des Art. I des Devisenbewirtschaftungsgesetzes — als „unversteuertes" Besatzungsrecht — griff das BVerfG zunächst auf das Zustimmungsgesetz zum Überleitungsvertrag zurück, das dem Devisenbewirtschaftungsgesetz über den 5. Mai 1955 hinaus die Geltung i m bundesrepublikanischen Rechtsraum zusicherte 37 . I n gleicher Weise verfuhr es bei der Überprüfung des § 6 I 3 der britischen Höfeordnung und stellte zudem fest, daß das BVerfG i n diesem Zusammenhang zu prüfen habe, ob der Gesetzgeber seiner Verpflichtung aus dem Überleitungsvertrag, besatzungsrechtliche Normen i n angemessener Frist an das GG anzupassen, nachgekommen ist 3 8 . Auch für die Überprüfung des § 4 I I des Ehegesetzes — als Kontrollratsrecht — hat es auf diese Verfahrensweise verwiesen, die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Überleitungsvertrag bekräftigt und die Fortgeltung des § 4 I I EheG gem. Art. 1 des Überleitungsvertrages als verbindlich angesehen39. Obgleich diese drei Entscheidungen i m Wege eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens ergangen sind, so ist von der Allgemeingültigkeit der hier praktizierten Verfahrensweise auszugehen 40 . Da das ursprüng35 Die Ermächtigung des Völkerrechts zur Setzung besatzungsrechtlicher Normen ist ebenso irrelevant w i e die Kreierung der völkerrechtlichen G r ü n dungsverträge durch die Mitgliedstaaten. Vgl. dazu Birke, S. 120 f.; Haenel, S. 38; vgl. ferner die Erörterung oben i n T e i l 1* 1. Abschn. B. I I I . 2. u n d 3. 38 Vgl. dazu Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 205; ferner BVerfGE 37, S. 271 ff. (304) m i t der Auffassung des Minderheitenvotums. 37 BVerfGE 12, S. 281 ff. (288 ff.). 38 Vgl. die Leitsätze zu BVerfGE 15, S. 337; so auch i n BVerfGE 36, S. 147; ferner Bettermann, S. 339. 39 BVerfGE 36, S. 146 ff. (170 f.). 40 Vergleichbare Urteile liegen bei den v o m BVerfG durchgeführten k o n kreten Normenkontrollverfahren nicht vor. I m abstrakten Normenkontrollverfahren hat das B V e r f G bisher nicht über die Gültigkeit besatzungsrechtlicher Normen zu entscheiden gehabt, vgl. BVerfGE 3, S. 368 ff. (374 ff.); 4, S. 45 ff. (48 ff.).
2. Abschn.: Gegenargumente des B V e r f G
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liehe Besatzungsrecht auch nach Abschluß des Überleitungsvertrages weiterhin als fremdes Recht zu qualifizieren ist 4 1 , kann es nicht als solches, sondern nur über das Zustimmungsgesetz zum Überleitungsvertrag mittelbar vorlagefähig sein 42 . III.
Zusammenfassung
Muß man, wie dargelegt, von der Gleichbehandlung des Besatzungsrechtes und des Europarechtes bei der Überprüfung ihrer Rechtsnormen ausgehen, so kann nicht von einer kontinuierlichen Rechtsprechung des BVerfG gesprochen werden. Vielmehr verdeutlicht die Inanspruchnahme der unmittelbaren Prüfungskompetenz für sekundäre Gemeinschaftsnormen auch bei einem Urteilstenor der Unanwendbarkeit i m Vergleich zum Besatzungsrecht den Bruch i n der Rechtsprechung des BVerfG. Von Modifikationen bzgl. der Prüfungszuständigkeit oder bzgl. des Urteilstenors einer Rechtsprechung kann nur gesprochen werden 43 , wenn dem BVerfG zunächst die grundsätzliche Zuständigkeit dafür zugewiesen ist. Der Vergleich m i t dem Besatzungsrecht hat deutlich werden lassen, daß es dem BVerfG auch i n bezug auf europäisches Recht an dieser grundsätzlichen Prüfungskompetenz mangelt.
B. Der Gesichtspunkt des fehlenden Grundrechtsschutzes in den Europäischen Gemeinschaften
I. Die enumerative Kompetenzzuweisung an das Bundesverfassungsgericht Neben der materiell-rechtlichen Einbettung des BVerfG i n die nationale Rechtsordnung besteht die verfahrensrechtliche. Dazu zählt u. a. die Beschränkung auf die enumerativ aufgezählten Verfahrensmöglichkeiten: Die Zuständigkeit des BVerfG kann auch „durch ein noch so dringendes rechtspolitisches Bedürfnis nicht erweitert werden". Diese Aussage hat das BVerfG ausdrücklich i n der Entscheidung vom 18.10. 41 Vgl. dazu die ausführliche Kommentierung bei Ulsamer, zu § 80 B V e r f GG, Rdnr. 57 ff. m. w. N. 42 So ausdrücklich ebd., Rdnr. 61. Z u m ganzen Problemkreis siehe die A u s führungen bei Bettermann, S. 337 ff.; Frowein, B V e r f G und GG, S. 205; Fuß, Grundrechtsschutz, S. 153; ferner BVerfGE 37, S. 271 ff. (303 f.) i m M i n d e r heitenvotum. 43 Vgl. die andere Auffassung des B V e r f G i n seiner Urteilsbegründung zum Solange-Urteil, BVerfGE 37, S. 271 ff. (284, 287 f.) m. w . N. i n seiner „eigenen" J u d i k a t u r ; konsequent allerdings die abweichende Meinung i m Sondervotum zu dieser Entscheidung, BVerfGE 37, S. 271 ff. (303). Z u m Ganzen sei nochmals auf Fuß, Grundrechtsschutz, S. 151 ff. verwiesen.
4 Eibach
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1967 bestätigt; sie betraf die Zulässigkeitsfrage der unmittelbaren Verfassungsbeschwerde gegen eine EG-Verordnung 44 . I n vergleichbarer Weise hat das BVerfG sich auf die der Verfassungsgerichtsbarkeit vom Grundgesetz gezogenen Schranken berufen, als es die „Zulassung neuer Verfassungsstreitigkeiten" ablehnte 45 . Diè Beschränkung stelle eine dem BVerfG vorgegebene und von ihm zu beachtende „Grundentscheidung des Verfassungsgebers" dar 4 6 . Somit steht die Verfassungsgerichtsbarkeit nicht unter einer Generalklausel, sondern sie erfährt ihre Kompetenz kraft Zuweisung 47 . Damit kommt i h r nur i n begrenztem Maße eine ergänzende und konkretisierende Geschäftsordnungsgewalt und Verfahrensautonomie zu, etwa i n der Gestaltung des Urteilstenors oder der Festlegung des Zeitpunktes für die Zulässigkeit einer Klage 4 8 . Dies bedeutet, soweit die grundsätzliche Zuständigkeit gegeben ist, können Modifizierungen durch das BVerfG nur Grundentscheidungen des GG entgegengehalten werden, ansonsten kann das BVerfG i n diesem — aber auch nur i n diesem — Rahmen rechtsgestaltend tätig werden 49 . Für die unmittelbare Überprüfung des EG-Rechts fehlt es dem BVerfG an dieser grundsätzlichen Zuständigkeit, auch rechtspolitische Erwägungen können insofern keine Kompetenzzuweisungsnorm darstellen 50 . Die Schaffung eigener, ihm bisher nicht zugewiesener Zuständigkeiten ist dem BVerfG von Verfassungs wegen untersagt (Enumerationsprinzip). Eine diesbezügliche Zuweisung könnte allenfalls seitens der Europäischen Gemeinschaften vorgenommen werden, doch liegt eine solche hier nicht vor 5 1 .
44 BVerfGE 22, S. 293 ff. (296); vgl. ferner BVerfGE 1, S. 396 ff. (408 f.); 3, S. 368 ff. (376 f.); 13, S.54ff. (96); 37, S. 271 ff. (302 f.). Diese Entscheidungen sind weitgehend auf Zustimmung gestoßen, siehe etwa Klein, AöR 1983, S. 618 ff.; Schiaich, BVerfG, S.34ff., 43 u n d Stern, StaatsR, Bd. I I , S. 1028 f. jeweils m. w . N. 45 BVerfGE 21, S. 52 ff. (53 f.). 46 Z u r Beachtung dieser vorgegebenen Grundentscheide vgl. BVerfGE 1, S. 396 ff. (408 f.) ; 37, S. 271 ff. (303). 47 Siehe dazu Maunz, BVerfGG, Vorbemerkung, Rdnr. 29; BVerfGE 37, S. 271 ff. (302 f.). 48 Meyer, zu A r t . 93 GG, Rdnr. 8; siehe ferner oben T e i l 2, 1. Abschn. A . 49 Vgl. die Nachweise oben i n den Fn. 22 bis 24 dieses Teiles 2. 50 Siehe dazu BVerfGE 1, S. 369 ff. (408 f.); 3, S. 368 ff. (376 f.); 13, S.54ff. (96); 22, S. 293 ff. (298), hieran w i r d auch i n der Entscheidung BVerfGE 37, S. 271 ff. (286) ausdrücklich festgehalten. β1 Vgl. dazu die differenzierten Ausführungen unten i n T e i l 3, 4. Abschn. A. II. und III.
2. Abschn.: Gegenargumente des BVerfG
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IL Die Identität der Rechtsfolgenwirkung von Ungültigkeit und Unanwendbarkeit Die Versagung der unmittelbaren Prüfungszuständigkeit ist noch auf ein weiteres Argument gestützt. I m vorhergehenden Prüfungsabschnitt kamen w i r zu dem Ergebnis, daß sich i n der Rechtsfolgenwirkung der Ausspruch der Nichtigkeit von dem der Unanwendbarkeit nicht unterscheidet, sich allenfalls i n zweiter Linie formal eine Differenzierung treffen läßt: Der EG-Norm w i r d i n beiden Fällen die Entfaltungsmöglichkeit genommen. Der Übertragungsakt der Hoheitsrechte beinhaltet demgegenüber gerade die mitgliedstaatliche Verpflichtung, die Entfaltungsmöglichkeit der EG-Rechtsordnung i n ihrem innerstaatlichen Bereich zu gewähren", so daß der formale Gesichtspunkt nur als untergeordnet eingestuft werden kann. 1. Der grundsätzliche Ausschluß exterritorialer Geltung I m Völkerrecht, i m internationalen Privat- oder öffentlichen Recht besteht für die Staaten i m allgemeinen keine Verpflichtung, Hoheitsakte eines fremden Staates i m innerstaatlichen Bereich als verbindliche Rechtsakte zu behandeln"; die Geltung staatlicher Hoheitsakte ist grundsätzlich nur m i t einer auf das eigene Territorium begrenzten W i r kung ausgestattet 54 . Geht man von diesem Grundsatz aus, bleibt es einem jeden Staat freigestellt, welchen Rechtsakten einer fremden Hoheitsgewalt er i n seinem Staatsgebiet Rechtswirkung zukommen lassen w i l l 5 5 . I n einem solchen Fall bleibt es diesem Staat darüber hinaus auch überlassen, die rechtlichen Beschränkungen für eine solche Öffnung — grundsätzlich frei von außerstaatlichen Bindungen — festzulegen. So liegt es i n seinem Machtbereich, solche Rechtsakte dahin gehend zu überprüfen, ob sie mit innerstaatlichem Recht vereinbar sind und ob i m Fall ihrer Unvereinbarkeit deren Anwendung zu beschränken ist". 52 BVerfGE 37, S. 271 ff. (299); siehe ferner oben i n T e i l 2, 1. Abschn. C. u n d unten die Ausführungen i n T e i l 3, 2. Abschn. B. I I I . 53 Vgl. Bauer, S. 463 f.; Hoff mann, Bes. VerwR, Abschn. I I . 3. Z u der N o r menkontrolle fremden Rechts: Neumayer, RabelsZ, S. 573 ff. 54 Insofern spricht man von dem „grundsätzlichen Ausschluß exterritorialer W i r k u n g " , vgl. dazu Hoff mann, Bes. VerwR, Abschn. I I . 3.; Magiera, N J W 1985, S. 1740 m. w. N. u n d BVerfGE 41, S. 126 ff. (168); 63, S. 343 ff. (373); 68, S. 1 ff. (80). 65 Folz, Geltungskraft, legt dar, daß auch die i m anglo-amerikanischen Rechtsraum als Verfassungsrang anerkannte „Act-of-State-Doctrin" (S. 192 ff.) „ k e i n zwingendes Prinzip des Völkerrechts" darstellt, sondern i m Rechtscharakter eines staatlichen Rechtsinstituts verbleibt, S. 116 ff. 36 Maßstab einer solchen Prüfung können nach Völkerrecht sowohl die eigenen Grundrechtsmaßstäbe als auch der eigene „ordre public" sein, Hoff-
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T e i l 2: Unmittelbare Uberprüfbarkeit bzgl. Unanwendbarkeit
Ist man jedoch die Verpflichtung eingegangen, diesen fremden Hechtsakten i m innerstaatlichen Territorium grundsätzlich uneingeschränkt Anwendung zu gewähren, kann eine Überprüfung dieser Normen ein rechtlich nicht gestattetes „Hineinregieren" i n den Hoheitsbereich dieser fremden Hoheitsgewalt nach sich ziehen 57 . 2. Der Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechtes Vergleichbar der i m angelsächsischen Rechtsraum vertretenen „Actof-State-Doctrin" 58 , die eine Überprüfung fremder Rechtsakte durch innerstaatliche Organe verbietet, stellen es die Rechtsordnungen der Europäischen Gemeinschaften den Mitgliedstaaten nicht frei, ob sie ihren Rechtssätzen Anwendung i m innerstaatlichen Bereich einräumen wollen oder nicht 59 . M i t der Zustimmung zu den EG-Verträgen sind die Mitgliedstaaten die Verpflichtung eingegangen, den Rechtsnormen der Europäischen Gemeinschaften den eigenen Hoheitsbereich zur Rechtsentfaltung zu öffnen und sie als i n ihrem Bereich verbindlich zu behandeln 60 . Eine unmittelbare Überprüfung i m oben genannten Sinne stellt sich dann als ein „Hineinregieren" i n den fremden Hoheitsbereich der Europäischen Gemeinschaften dar, weil damit die Rechtswirkung ihrer Rechtsnormen beeinträchtigt wird 6 1 . Dies ist m i t der Eigenständigkeit und der vom EG-Recht geforderten uneingeschränkten Rechtswirkung ihrer Rechtssätze i n den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht vereinbar. C. Ergebnis Eine u n m i t t e l b a r e Ü b e r p r ü f u n g europarechtlicher N o r m e n an nation a l e n Rechtsmaßstäben k a n n auch b e i e i n e m v e r m e i n t l i c h e n oder sogar tatsächlichen 6 * G r u n d r e c h t s d e f i z i t i n n e r h a l b der E u r o p ä i s c h e n G e m e i n mann, Bes. VerwR, Abschn. I V . 2. Z u r Behandlung internationaler Organakte durch staatliche Gerichte allgemein vgl. die ausführliche Darlegung von Schreuer, insbes. S. 173 ff., 246 ff. m. w. N. auch auf das Gemeinschaftsrecht i m besonderen bezogen. 67 Dahm, VR, Bd. I, S. 262 ff.; Hoff mann, Bes. VerwR, Abschn. I I I . 2. m. w. N. i n 5A8 n m . 22. Ausführlich dazu Folz, Geltungskraft, S. 1 ff. δ9 Vgl. dazu als interessante Gegenüberstellung die Ausführungen ebd., S. 212 ff., bzgl. der Ausnahmen i n der anglo-amerikanischen „Act-of-StateDoctrin", die „Exeptions". 80 Vgl. dazu die späteren ausführlichen Erörterungen unten i n T e i l 3, 2. Abschn. B. I I I . 61 Siehe dazu die Ausführungen oben i n T e i l 2, 1. Abschn. B. bis D. 62 Auch eine evtl. Verletzung des A r t . 19 I V GG kann nicht als Auffangzuständigkeit dt. Gerichte geltend gemacht werden, so ausdrücklich BVerfGE 58, S. 1 ff. (29 f.) zu Eurocontrol.
2. Abschn.: Gegenargumente des BVerfG
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Schäften nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung, d. h. nicht zu einer Bejahung der Prüfungszuständigkeit des BVerfG führen. Das Argument des Grundrechtsdefizits stellt i n diesem Zusammenhang nur einen rechtspolitischen Gesichtspunkt dar, der nicht zu einer Kompetenzerweiterung des BVerfG führen kann 6 8 .
Zusammenfassung der Ergebnisse von Teil 2 Für eine unmittelbare Überprüfung europarechtlicher Normen m i t der Rechtsfolge ihrer Unanwendbarkeit fehlt es dem BVerfG an der notwendigen Kompetenz. Zwar sind die einschlägigen Verfahrensarten einer solch modifizierten Urteilsformel zugänglich, doch unterscheidet sich ein solcher Urteilsspruch für eine EG-Norm nicht i n entscheidender Weise von dem der Nichtigkeit. Das EG-Recht und das noch heute gemäß dem Überleitungsvertrag zu beachtende Besatzungsrecht lassen sich auf die gleichen rechtlichen Eigenständigkeitskriterien zurückführen und verlangen insofern i n diesem Prüfungsabschnitt eine rechtliche Gleichbehandlung. Einer Kompetenzerweiterung aufgrund rechtspolitischer Erwägungen, seien sie auch noch so billigenswert, kann wegen der enumerativ erfaßten Kompetenzzuweisung an das BVerfG nicht gefolgt werden.
68 Siehe dazu die Nachweise i n diesem T e i l 2, Fn. 50. Vgl. i m weiteren die Ausführungen unten i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I I .
Teil 3
Die mittelbare Uberprüfbarkeit von primärem Gemeinschaftsrecht anhand der staatlichen Zustimmungsgesetze N a c h der V e r n e i n u n g d e r u n m i t t e l b a r e n K o n t r o l l m ö g l i c h k e i t e n f ü r Gemeinschaftsrecht k o m m t eine Ü b e r p r ü f u n g der n a t i o n a l e n Z u s t i m mungsgesetze z u d e n E G - V e r t r ä g e n als w e i t e r e M ö g l i c h k e i t — als m i t t e l b a r e Ü b e r p r ü f u n g des Gemeinschaftsrechts — i n B e t r a c h t . D i e Z u s t i m m u n g s g e s e t z e u n t e r l i e g e n als deutsche Gesetze 1 g r u n d sätzlich w i e jedes n a t i o n a l e Gesetz d e n S c h r a n k e n des Grundgesetzes 2 . I h r e i n h a l t l i c h e A u s g e s t a l t u n g e r g i b t sich h i n g e g e n aus d e n i h n e n „ a n gehefteten" völkerrechtlichen Verträgen 8 — hier den EG-Gründungsverträgen. D i e besondere i n h a l t l i c h e G e s t a l t u n g des EG-Rechts l ä ß t Z w e i f e l an d e r Ü b e r n a h m e der b e i v ö l k e r r e c h t l i c h e n V e r t r ä g e n a l l g e m e i n e r A r t 4 g e b r ä u c h l i c h e n V e r f a h r e n s w e i s e aufkommen®. 1
Vgl. dazu die näheren Ausführungen unten i m 2. Abschn. i n diesem Teil 3. Hesse, Fs. Huber, S. 267 m. w. N., macht zu Recht darauf aufmerksam, daß f ü r eine solche Überprüfung des Gesetzgebers die Respektierung der Gestaltungsfreiheit des Parlamentes, die j e nach Sachgebiet oder dem betroffenen Recht verschieden sein kann, die verfassungsrechtliche Nachprüfbarkeit beschränkt; vgl. ferner dazu BVerfGE 36, S. I f f . (14 f., 20 f.); 45, S. 187 ff. (238); 50, S. 290 ff. (336 ff.); 52, S. 187 ff. (199). 3 Bernhardt, B V e r f G u n d GG, S. 172 f. m . w . N . ; siehe dazu auch BVerfGE 4, S. 157 ff. (163); 29, S. 348ff. (358 f.); 31, S. 1 ff. (13); weitere Ausführungen dazu unten i m 2. Abschn. C. I. u n d I I . Vgl. dazu auch Schiaich, BVerfG, S. 69 m.w.N. 4 Darunter sind solche völkerrechtlichen Verträge zu verstehen, die keinen hoheitsrechteübertragenden Charakter i. S. v. A r t . 24 I GG aufweisen. 5 Vgl. Bernhardt, B V e r f G u n d GG, S. 164; BVerfGE 22, S. 134 ff. (147). F ü r die Überprüfung von Primärrecht der Europäischen Gemeinschaften faßt das BVerfG diese mittelbare Überprüfung als allein mögliche Verfahrensweise auf; so zuletzt BVerfGE 52, S. 187ff. (1. Leitsatz); ein Verfahren dieser A r t w a r bisher jedoch noch nicht anhängig. Vgl. i m weiteren BVerfGE 37, S. 271 ff. (276 am Ende) u n d die Ausführungen oben i n der Einleitung der Arbeit. Die diesbezügliche Verfahrensweise der mittelbaren Überprüfung des Gemeinschaftsrechts anhand des nationalen Zustimmungsgesetzes zu dem spezifischen EG-Vertrag w u r d e v o m Bundesminister der Justiz i n der SolangeEntscheidung (BVerfGE 37, S. 271 ff., 276) auch f ü r Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts als der vorgegebene Weg angesprochen. Dem ist das B V e r f G damals jedoch noch nicht gefolgt — BVerfGE 37, S. 271 ff. (285); an2
1. Abschn.: F u n k t i o n des Zustimmungsgesetzes
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Um die Übertragbarkeit der bei völkerrechtlichen Verträgen ohne hoheitsrechteübertragenden Charakter bisher praktizierten Überprüfung des Vertrages anhand des Zustimmungsgesetzes untersuchen zu können, ist zunächst eine kurze Darstellung und Betrachtung der dort üblichen Verfahrensweise vonnöten. Dabei soll die Untersuchung i n erster Linie auf das primäre Gemeinschaftsrecht konzentriert bleiben. I m sich anschließenden Teil 4 der Arbeit w i r d zu fragen sein, ob die hier erarbeiteten Ergebnisse unverändert auf das Sekundärrecht der Gemeinschaften übertragbar sind. Parallelen dieser beiden Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechtes i n grundsätzlicher A r t werden sich dabei auch hier schon ohne besondere Erwähnung konstatieren lassen.
1. Abschnitt: Die rechtliche Funktion des Zustimmungsgesetzes bei völkerrechtlichen Verträgen ohne hoheitsrechteübertragenden Charakter Für Vertragsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen allgemeiner A r t stellt die Überprüfung des Vertragsinhaltes anhand des Zustimmungsgesetzes gefestigte Rechtsprechung dar 6 . Dies beruht zum Teil darauf, daß sich die Rechtsprechung bei der Frage der innerstaatlichen Geltung völkerrechtlicher Verträge von der Transformationsthese leiten läßt 7 , wonach m i t Hilfe des Gesetzes nach Art. 59 I I 1 GG Vertragsvölkerrecht eine Umwandlung durch Übernahme i n innerstaatliches Recht i n Form eines Bundesgesetzes erfährt 8 . Die völkerrechtlichen Verträge werden zum Bestandteil des Zustimmungsgesetzes und durch dieses i n die deutsche Rechtsordnung übernommen 9 .
ders schon BVerfGE 22, S. 134 ff. (134 f., 146 f.), was die Solange-Entscheidung auch so schwer nachvollziehbar erscheinen läßt. • Bernhardt, B V e r f G u n d GG, S. 161, 166 ff., 172; Maunz, zu A r t . 59 GG, Rdnr. 22 ff., 25; BVerfGE 4, S. 157 ff. (163); 29, S. 348 ff. (358 f.); 36, S. 1 ff. (13). 7 BVerfGE 1, S. 396 ff. (410 f.); 6, S. 309ff. (363); 29, S. 348ff. (360); BVerwGE 3, S. 58; 35, S. 260; BGHZ 11, S. 138; 16, S. 211. Weitere Nachweise bei Bleckmann, GG u n d VR, S. 277; vgl. ferner Geck, BVerfG u n d GG, S. 140 f., der nachweist, daß sich das B V e r f G nicht von der Transformationslehre abgew a n d t hat, w i e bisweilen behauptet w i r d ; zum Ganzen ferner Stern, StaatsR, Bd. I, § 14 I 3 d, S. 482 f. 8 Stern, StaatsR, Bd. I, § 14 I 3 c, S. 478 ff.; BVerfGE 1, S. 396 ff. (410 f.); 6, S. 290 ff. (294); 15, S. 337 ff. (348); 30, S. 272 ff. (284); zur Begriffserläuterung vgl. i m weiteren Hoffmann, Verantwortung, S. 14 ff. (17 f.). 9 Stern, StaatsR, Bd. I, § 14 I 3 d, S. 4 8 1 1
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T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
A. Transformations- und Vollzugslehre
Die rechtstheoretische Deutung der Verbindlichkeit völkerrechtlicher Vertragsbestimmungen i m bundesrepublikanischen Geltungsbereich ist stark m i t der Beurteilung des Verhältnisses von Völkerrecht und nationalem Recht verbunden 10 . Danach lassen sich zwei Grundauffassungen herausstellen 11 : Die Transformationslehre — ausgehend von der dualistischen Betrachtungsweise, wonach völkerrechtliche Normen nur mit Hilfe eines Transformationsaktes innerstaatliche Geltung erlangen können 12 — betrachtet das Vertragsgesetz als den notwendigen „Transformator", um die Vertragsnorm aus ihrem völkerrechtlichen Geltungsgrund zu lösen und i h r den Rechtscharakter einer innerstaatlichen Rechtsquelle zu verleihen 13 . I m Gegensatz dazu genügt der Vollzugslehre 14 — ausgehend von der monistischen Betrachtungsweise m i t einer einzigen, einheitlich Völkerrecht und nationales Recht umfassenden Rechtsordnung 15 — die Erteilung des „Vollzugsbefehls", um der völkerrechtlichen Norm zur innerstaatlichen Geltung zu verhelfen 18 ; eine Lösung vom und eine Umwandlung des völkerrechtlichen Geltungsgrundes ist hier nicht erforderlich 17 . Gemeinsam ist beiden Rechtsauffassungen, daß es zur innerstaatlichen Geltung von völkerrechtlichen Verträgen erst durch Vermittlung eines staatlichen Hoheitsaktes kommt 1 8 . Der Wortlaut des Art. 59 I I 1 GG, der als spezielle Vorschrift für Vertragsvölkerrecht angesehen wird, läßt beide Möglichkeiten offen 19 . 10
Rojahn, zu A r t . 59 GG, Rdr. 40; vgl. auch Emrich, S. 98 ff. Vgl. Geck, BVerfG u n d GG, S. 140. 12 Rudolf, VR u n d dt. Recht, S. 46 ff.; Triepel, S. 20 ff., 254, 329 ff. 13 Rudolf, V R u n d dt. Recht, S. 205 ff. K r i t i k am Transformationscharakter des Zustimmungsgesetzes w i r d von Bernhardt, BVerfG u n d GG, S. 172 f. u n ter dem Gesichtspunkt geäußert, an i h m zumindest nicht i n der Weise festzuhalten, daß als Gegenstand einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle n u r das — allein meist inhaltsleere — Zustimmungsgesetz und nicht der die Sachaussagen enthaltende völkerrechtliche Vertrag herangezogen w i r d . Dieses Bedenken kann jedoch n u r dann durchgreifen, w e n n man davon ausgeht, daß Rechtssätze einer fremden Rechtsordnung der uneingeschränkten nationalen Überprüfung unterliegen. Gerade die Heranziehung des Zustimmungsgesetzes als nationales Gesetz geschieht, u m den entgegengesetzten G r u n d satz nicht zu verletzen, vgl. dazu die Ausführungen oben i n T e i l 2, 2. Abschn. Β . I I . 1. 14 Z u r Begriffserläuterung bzgl. der Zusammenhänge von Vollzugslehre u n d Adoptionslehre vgl. Rudolf, V R u n d dt. Recht, S. 165 m. w. N. 15 Vgl. Verdross, S. 1 ff. i n seinem grundlegenden Werk hierzu. 18 Z u den einzelnen Auffassungen und ihren Vertretern siehe die Nachweise bei Rojahn, zu A r t . 25 GG, Rdnr. 2 ff. 17 Partsch, S. 19 ff. 18 Ebd., S. 19, 156 m i t der Zusammenfassung i n These 3 u n d 4; Magiera, VR, Kap. 4, § 9 IV., S. 56. 19 Rojahn, zu A r t . 59 GG, Rdnr. 40; siehe auch Partsch, S. 158, bes. These 8. 11
1. Abschn.: F u n k t i o n des Zustimmungsgesetzes
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Die wohl noch überwiegende Ansicht i n der Literatur geht davon aus, an der Transformationsfunktion der Zustimmungsgesetze festzuhalten 20 , dies zumindest insoweit, als die Verträge Rechte und Pflichten für den Staatsbürger begründen 21 . Inwieweit das GG bei völkerrechtlichen Verträgen anderen Inhaltes für eine davon abweichende Regelung offenstehen wollte, bleibt zu untersuchen 22 . Geht man von der bisher h. M. aus und faßt das Zustimmungsgesetz zu völkerrechtlichen Verträgen als Transformationsakt auf, zeigt sich gerade für die gesetzesähnlichen oder „self-executing-Normen" völkerrechtlicher Verträge 23 die Möglichkeit einer Inkorporation: Sie können sich gemäß ihres zur unmittelbaren Geltung geeigneten Inhaltes an die Staatsbürger richten, ohne daß ein Adressatenaustausch notwendig wird. Zum Verständnis der i n Art. 59 I I GG getroffenen Regelung ist ferner Art. 25 GG heranzuziehen 24 . Dabei fließt m i t ein, daß die Völkerrechtswissenschaft sich von der klassischen Anschauung löst, Völkerrecht allein als „Staatenrecht" zu bezeichnen 25 . Der einzelne kann heute Subjekt völkerrechtlicher Rechte und Pflichten sein 26 ; die Europäische Menschenrechtskonvention zählt zu den markantesten Beispielen dieser Art 2 7 . Dennoch erging auch hier ein Zustimmungsgesetz, das neben der parlamentarischen Zustimmung gem. Art. 59 I I GG (in Art. 1) in Art. 2 I die Gesetzeskraftformel enthält 2 8 . Wenn auch hier von einer Transformation ausgegangen wird, unterscheidet sich demnach ihre Funktion von der der Transformation i m klassischen Sinne: Es erfolgt kein Adressatenaustausch, sondern nur eine völkerrechtskonforme Landesgesetzgebung 29 . Das Zustimmungsgesetz hat i n einem abgekürzten Verfahren eine deutsche Norm gesetzt, inhaltlich identisch m i t der völkerrechtlichen Vertragsnorm, quasi eine Verdoppelung dieser 30 . Der einzelne w i r d demzufolge sowohl vom völ20
Hesse, VerfR, § 3 I I I , Rdnr. 102. Maunz, zu A r t . 59 GG, Rdnr. 25. 22 Doch soll schon hier zu bedenken gegeben werden, daß es schwer begründbar erscheint, f ü r rechtssetzende u n d f ü r rechtsgeschäftliche Verträge von einer unterschiedlichen Regelung des GG auszugehen, bes. w e i l völkerrechtliche Verträge oft beide Regelungsmaterien i n sich vereinen. 23 Darunter werden Vertragsbestimmungen verstanden, die als fertig ausgeprägte, ohne weitere Schritte vollziehbare Rechtssätze bezeichnet werden können, vgl. dazu Bleckmann, Begriff u n d Kriterien, S. 20 f. 24 So auch Maunz, zu A r t . 25 GG, Rdnr. 28 am Ende. 25 Kritisch diesem sogenannten „modernen" Völkerrecht gegenüber hat sich Rudolf, V R u n d dt. Recht, S. 100 ff., 282 geäußert; vgl. ferner Partsch, S. 27 ff. 26 Hoff mann, Verantwortung, S. 30 f.; vgl. die umfangreichen Nachweise bei Emrich, S. 103. 27 Diesbezügliche Belege sind bei Emrich, S. 102 f. i n Fn. 58 zu finden. 28 Ebd., S. 103. 29 Ebd. 21
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Teil 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
kerrechtlichen Vertrag als auch durch das deutsche Zustimmungsgesetz berechtigt und verpflichtet 31 . Eine weitere Möglichkeit zur Einhaltung völkerrechtlicher Vertragspflichten bietet die Anweisung des Staates an seine Hechtssubjekte, auch diesbezügliche Normen von Staats wegen als verbindlich anzusehen (Rechtsbefolgungsbefehl); zugleich erfolgt ein Befehl an die Staatsorgane, diese Normen zu vollziehen (Rechtsanwendungsbefehl) 32 . I. Die Geltung des völkerrechtlichen Vertragsrechtes als innerstaatliches Recht in Folge einer Rezeption I m bundesrepublikanischen Rechtskreis scheint eine Tendenz sichtbar zu werden, die Übernahme vertragsvölkerrechtlicher Normen als Inkorporation i m Sinne der Vollzugslehre und nicht als Rezeption zu deuten 33 . Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die allgemeinen Regeln des Völkerrechts i m Sinne des Art. 25 Satz 1 GG überwiegend nur an Staaten m i t ihren Staatsorganen richten 84 . Verständlicherweise können ausschließlich staatsgerichtete Regeln — ebensowenig wie i m innerstaatlichen Recht speziell für juristische Personen geschaffene Normen gleichfalls für natürliche Personen gelten — ihrem Inhalt nach keine unmittelbaren Rechte für den einzelnen i m Sinne von Art. 25 Satz 2 GG erzeugen 35 . Völkerrechtliche Verträge ent30
Guggenheim, S. 651 ff. (657); Rudolf, V R u n d dt. Recht, S. 262, bes. Fn. 98. Dies ist allgemeine Auffassung, siehe etwa Morvay, S. 91 m. w . N. Durch solche vertragskonforme Normsetzung k o m m t der Vertragsstaat seiner vertraglichen Verpflichtung nach u n d schließt so am ehesten eine mögliche V e r letzung des Vertrages durch seine staatlichen Organe aus, vgl. Hoffmann, Verantwortung, S. 16, Fn. 5. Z u r Unterscheidung des andersgelagerten V o r ganges der klassischen Transformation ist diese Setzung völkerrechtsparalleler Landesrechtsnormen als Parallelisation zu bezeichnen; sie stellt w i e die Transformation einen Unterfall völkerrechtskonformer Landesgesetzgebung dar; beide können unter dem Oberbegriff der Rezeption zusammengefaßt werden. Z u dieser Begriffsdefinition vgl. Emrich, S. 103 m. w . N. u n d Hoffmann, Verantwortung, S. 17, Fn. 6. 32 Siehe dazu Emrich, S. 104 m. w. N. Diese A r t der Übernahme von Rechtsnormen eines anderen Rechtskreises bezeichnet man als Inkorporation (so Ho ff mann, Verantwortung, S. 17) oder als Adoption (so Rudolf, VR u n d dt. Recht, S. 151 ff.; Seidl-Hohenveidern, VR, Rdnr. 160, 408, 411; vgl. auch Triepel, S. 147 ff.). F ü r die Übernahme des Völkerrechts i n dieser F o r m spricht sich die „Vollzugslehre" aus, vgl. dazu Partsch, S. 160 ff. K l a r h e i t i n diesen B e g r i f f s w i r r w a r r versucht Maunz, zu A r t . 25 GG, Rdnr. 4 ff. zu bringen; vgl. ferner Stern, StaatsR, Bd. I, § 14 I 3 c, S. 480; zum Ganzen vgl. ferner Bleckmann, Begriff u n d Kriterien, S. 66 ff., 108, 157 ff., 186 ff., 233 ff. 33 Vgl. die bei Bernhardt, B V e r f G u n d GG, S. 172 f. geäußerten Bedenken, neben den umfangreichen Nachweisen bei Emrich, S. 104 ff. i n den Fn. 69 bis 81 a; Stern, StaatsR, Bd. I, § 14 I 3 d, Fn. 38, S. 481 f. 34 Hesse, VerfR, § 3 I I I , Rdnr. 102; Hoff mann, Bes. VerwR, Abschn. I. 1. 35 Doehring, Die allg. Regeln, S. 150; Rojahn, zu A r t . 25 GG, Rdnr. 12; Rudolf, VR u n d dt. Recht, S. 257. 31
1. Abschn.: F u n k t i o n des Zustimmungsgesetzes
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halten bisweilen Regelungsinhalte, die für eine unmittelbare, individuelle Geltung ungeeignet sind oder einer weiteren innerstaatlichen Umsetzung bedürfen. Dies t r i f f t besonders für rechtsgeschäftliche Verträge 36 zu, die i n diesem Sinne keinen unmittelbaren rechtlichen Gehalt aufweisen, sondern Programmsätze oder Rechtssetzungsgebote — an die Staaten gerichtet — enthalten 37 . Hier ist weder ein Adressatenaustausch noch eine Umwandlung i n eine innerstaatliche Norm zur innerstaatlichen Verbindlichkeit m i t Hilfe der Transformation vonnöten; die Erfüllung solcher Vertragspflichten bedarf aber meist eines weiteren innerstaatlichen Rechtsaktes. Die Verpflichtung dazu ergibt sich nach der Vollzugslehre aus den Vertragsnormen i. V. m. dem staatlichen Vollzugsbefehl, nach der Transformationslehre aus dem zuvor i n innerstaatliches Recht umgewandelten Völkerrechtssatz. Es können auch i n rechtsgeschäftlichen Verträgen einzelne Normen enthalten sein, die unmittelbare Rechtswirkungen i m innerstaatlichen Bereich zu bewirken i n der Lage sind, während andererseits normsetzende Verträge für den innerstaatlichen Rechtsraum unmittelbar irrelevant sein können oder beides beinhalten. Aus der Zusammenschau der Art. 25 und 59 I I GG geht nicht hervor, daß für „self-executing-Normen" 38 etwas anderes gelten soll oder muß. Es zeigt sich, daß bei solchen Normkomplexen keine Transformation m i t Adressatenaustausch vonnöten ist. Da völkerrechtliche Verträge jedoch auch Normen unterschiedlichen Rechtscharakters enthalten können, sprechen Gründe der Einheitlichkeit i n der Systematik, der Rechtsklarheit und -Sicherheit für eine einheitliche Übernahme solcher Verträge in den innerstaatlichen Bereich. Art. 25 GG ordnet zudem ausdrücklich an, daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu „Bestandteilen des Bundesrechtes" werden. Dies läßt sich nur durch eine Umformung des Geltungsgrundes und damit nur m i t Hilfe der Transformationsthese erreichen 39 . Schwierigkeiten, die sich bezüglich des Geltungsranges von völkerrechtlichen Normen ergeben, können durch eine generelle Umformung in nationales Recht klar und vorausberechenbarer ausgeräumt werden, da nun grundsätzlich alle für nationales Recht entwickelten Ausgleichsregeln zur Anwendung kommen 40 . 36 Z u m Unterschied zu rechtssetzenden Verträgen; auf die Berechtigung diesbzgl. Unterscheidungen seitens der h. M. k a n n hier nicht eingegangen werden, zu den Begriffen u n d den Nachweisen vgl. Dronsch, S. 77, bes. Fn. 126. 37 Vgl. Rudolf, VR u n d dt. Recht, S. 207. 88 Z u r näheren Erörterung dieses Begriffes siehe Dronsch, S. 77 m. w. N. i n Fn. 127. 39 Stern, StaatsR, Bd. I, § 14 I 3 d, S. 481 f. 40 ζ. B.: Lex posterior, specialis derogat legi . . .
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T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
Den Vorwurf, m i t der Transformationstheorie, die sich als Konsequenz aus der dualistischen Völkerrechtskonzeption ergibt, der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG nicht genügend Rechnung getragen zu haben, hat Rudolf überzeugend widerlegt 41 . Eine gemäßigte Transformationsthese w i r d allen Anforderungen am ehesten gerecht 42 . Damit gilt Völkerrecht i n all seinen Erscheinungsformen i n der Bundesrepublik als umgewandeltes innerstaatliches Recht 48 .
B. Die Überprüfbarkeit der Zustimmungsgesetze bei völkerrechtlichen Verträgen von nicht hoheitsrechteübertragender Art — in formeller Hinsicht
Wie gesehen, stellt für die Vertragsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen diese A r t der Überprüfung des Vertragsinhaltes anhand des Zustimmungsgesetzes gefestigte Rechtsprechung dar 4 4 . Legt man das Ergebnis der vorherigen Untersuchung zugrunde, erfüllt das Zustimmungsgesetz gem. Art. 59 I I GG die Umwandlungsfunktion i m Sinne einer Transformation und Parallelisation, indem der völkerrechtliche Vertrag zum Bestandteil des Vertragsgesetzes w i r d und es i h m so den Rechtscharakter einer innerstaatlichen Rechtsquelle verleiht. Das Zustimmungsgesetz erfährt demzufolge seinen materiell-rechtlichen Gehalt durch den völkerrechtlichen Vertrag; dieser w i r d Inhalt des nationalen Transformationsgesetzes. Bei der Überprüfung des Zustimmungsgesetzes ist das zu innerdeutschem Recht umgewandelte Vertragsvölkerrecht Prüfungsgegenstand 45 . Es w i r d auf seine Vereinbarkeit m i t den vorrangigen nationalen Rechtsnormen überprüft. Das Völkerrecht überläßt es den Staaten, wie sie den völkerrechtlichen Normen i n ihren innerstaatlichen Rechtsordnungen Geltung verschaffen 46 , so daß von völkerrechtlicher Seite gegen diese Umwandlung grundsätzlich nichts einzuwenden ist, da dem Geltungsanspruch des Völkerrechts damit voll Rechnung getragen wird 4 7 . Somit läßt sich 41
Rudolf, V R u n d dt. Recht, S. 159, bes. A n m . 135. So auch ebd., S. 171; Stern, StaatsR, Bd. I, S. 482 m. w . N. 48 So u. a. Hesse, VerfR, § 3 I I I , Rdnr. 102 ff., S. 38 f.; Hoff mann, Bes. VerwR, Abschn. 1.2. am Ende, bes. A n m . 9; Rudolf, V R u n d dt. Recht, S. 167, 175, 215 ff.; Partsch, S. 56 ff., 86 ff. 44 Bernhardt, B V e r f G u n d GG, S. 161, 166 ff., 172; Maunz, zu A r t . 59 GG, Rdnr. 22 ff., 25; S eidl-Hohenv eidern, VR, Rdnr. 180, 180 a, 428; BVerfGE 4, S. 157 ff. (163); 29, S. 348 ff. (358 f.); 36, S. 1 ff. (13). 46 Siehe dazu Rojahn, zu A r t . 59 GG, Rdnr. 44. 48 Magiera, VR, Kap. 4, § 9 V., S. 56; daneben gilt i m Völkerrecht der Satz: A l l dies, was völkerrechtlich nicht verboten ist, ist völkerrechtlich erlaubt, S eidl-Hohenv eidern, VR, Rdnr. 401, S. 127. 47 Hoffmann, V V D S t R L 23 (1966), S. 118. 42
2. Abschn.: Übertragungsgesetz i.S. v. A r t . 24 I GG
61
gegen diese Überprüfung des Zustimmungsgesetzes, die damit ausschließlich nationale Normen zum Prüfungsgegenstand erhebt, i n formeller Hinsicht nichts einwenden 48 .
2. Abschnitt: Die Ubertragungsgesetze im Sinne von Art. 24 I GG A. Art. 24 I GG als spezifische Norm zur Übertragung von Hoheitsrechten
Die Kompetenzzuweisung für die Mitbegründung einer zwischenstaatlichen Einrichtung, wie es die Europäischen Gemeinschaften darstellen, erhielten die bundesdeutschen Organe nach ganz einhelliger Ansicht aus Art. 24 I GG 49 . Ruppert hat i n seiner ausführlichen Untersuchung m i t überzeugender Begründung dargelegt, daß die Ermächtigung des Art. 24 I GG auch zwischenstaatliche Einrichtungen erfaßt, die mit eigener, originärer Hoheitsgewalt ausgestattet sind 50 . Dieses Ergebnis w i r d allgemein geteilt 5 1 und hat des weiteren i n der Rechtsprechung des BVerfG seinen Niederschlag gefunden 52 . Auch hier soll von Art. 24 I GG als Grundsatznorm für die deutsche M i t w i r k u n g bei den Europäischen Gemeinschaften ausgegangen werden 53 .
B. Die Funktion des Gesetzes nach Art. 24 I G G in formeller Hinsicht
Die Funktion des nach Art. 24 I GG notwendigen Gesetzes zur Übertragung von Hoheitsrechten hat unterschiedliche Bewertung erfahren: So beurteilt Kaiser dieses Gesetz als einen A k t internationaler Verfassungsgebung durch den deutschen Verfassungsgeber 54 . Dies bedeutet, 48 Damit ist jedoch noch nichts darüber ausgesagt, ob aus völkerrechtlicher Sicht dann nicht materiell-rechtliche Einwände entgegengesetzt werden müssen, wenn dieser Prüfung ein Maßstab zugrunde gelegt w i r d , der dem Geltungsanspruch des Völkerrechts nicht gerecht w i r d . Dies kann jedoch i m Rahmen dieser A r b e i t nicht erörtert werden. 49 So statt vieler: Ipsen, EuR-Lb, S. 49 ff.; Kaiser, V V D S t R L 23 (1966), S. 17 f.; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 6; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 3 m. w. N. 50 Ruppert, S. 94 ff. 51 z.B. Badura, S. 55; Ipsen, E u R - L b , S. 53 ff.; Kaiser, V V D S t R L 23 (1966), S. 17 f.; Maunz, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 7 f. 52 BVerfGE 22, S. 293 ff. (296); 31, S. 145 ff. (174); 37, S. 271 ff. (277 ff., 291 ff.); 58, S. 1 ff (9 ff). 63 Vgl. i m näheren Hoff mann, D Ö V 1967, S. 437 ff.; Nicolaysen, S. 8, der auch auf die diesbezüglichen Verfassungsnormen der anderen EG-Staaten verweist; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 2 ff. m. w. N.; Schwan, S. 58 f. m. w. N.; Stern, StaatsR, Bd. I , § 15 I I , S. 520 ff. (524) m. w. N. 54 Kaiser, V V D S t R L 23 (1966), S. 17 f.
62
T e i l 3: Mittelbare Uberprüf barkeit von Primärrecht
daß Art. 24 I GG die Bundesgesetzgebungsorgane zu einer Verfassungsgebung für eine zwischenstaatliche Gemeinschaft ermächtigt 55 . Die nationalen Verfassungen sind für ihren innerstaatlichen Bereich befugt, an eine Übertragung von Hoheitsrechten bestimmte Formerfordernisse zu stellen, wie dies i n Art. 24 I GG mit der Festlegung auf ein einfaches Gesetz geschehen ist. Dies ändert jedoch nichts an den tatsächlichen Gegebenheiten bei der Entstehung der Gemeinschaftsrechtsordnungen: Sie gründen sich, wie oben dargelegt, nicht allein auf einen fremden Staatsakt, sondern leiten sich aus der tatsächlichen Fähigkeit der Gemeinschaftsorgane ab, die Gemeinschaftsrechtsordnungen als eigenständige zu erzeugen. I h r Handlungsspielraum basiert zwar auf den völkerrechtlichen Gründungsverträgen, doch haben die EG-Organe nach Gründung der Europäischen Gemeinschaften die i n den Verträgen angelegten Normen und Befugnisse zur eigenständigen Rechtsordnung rezipiert 5®. Diese Verselbständigung wurde i n den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten — ebenso vom BVerfG — bestätigt 57 , so daß die Gemeinschaftsrechtsordnungen allgemein als eigenständige, unabgeleitete zu qualifizieren sind 58 . Diese Originarität bewirkt auch eine rechtliche Loslösung der EGRechtsordnungen von den besonderen Erfordernissen i m innerstaatlichen Bereich, die hier an eine solche Übertragung von Hoheitsrechten geknüpft sind 59 . Das Gesetz nach Art. 24 I GG muß zwar als Erleichterung für die Entfaltung originärer Hoheitsgewalt angesehen werden, doch kann es nicht die Funktion eines Verfassungsgebungsaktes für die Gemeinschaftsrechtsordnungen erfüllen 60 . Bis vor einiger Zeit wurde überwiegend kein wesentlicher Unterschied zwischen dem Übertragungsgesetz nach Art. 24 I GG und dem Zustimmungsgesetz nach A r t . 59 I I GG gesehen61. Sie sollten nur insoweit differieren, als es für den völkerrechtlichen Vertrag, der eine Übertragung von Hoheitsrechten zum Inhalt hatte, keines verfassungsändernden Gesetzes gem. Art. 79 I 1 GG bedurfte 62 . Demzufolge muß 55
Z u m Ganzen vgl. auch Schwan, S. 59 f. Siehe dazu die ausführlichen Erörterungen über die Eigenständigkeit des EG-Rechts oben i n T e i l 1,1. Abschn. B. I I I . 3. 57 BVerfGE 22, S. 293 ff. (296); zu diesbezüglichen Entwicklungen i n den anderen EG-Staaten vgl. Bleckmann, E u R - L b , S. 219 ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 209 ff.; vgl. auch die Ausführungen oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. 58 Ruppert, S. 198; vgl. dazu oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3., bes. Fn. 42. 59 Ruppert, S. 197 ff. 80 Ebd., S. 198 f., 204, 205; Schwan, S. 60. 81 Claudi, S. 203. 82 Vgl. dazu die Gutachten einiger Autoren u m den sogenannten deutschen Wehrbeitrag zur EVG, einzelne Nachweise bei ebd., S. 204 A n m . 30. 58
2. Abschn.: Übertragungsgesetz i.S. v. A r t . 24 I GG
63
das Gesetz nach A r t . 24 I GG den gleichen Regelungsgegenstand zum Inhalt haben®8. I. Mit Transformationscharakter? Folge der eben beschriebenen. Sichtweise ist es, die Geltung des Gemeinschaftsrechts m i t Hilfe der Transformationslehre zu deuten®4, wie dies für völkerrechtliche Verträge nicht hoheitsrechteübertragenden Charakters oben herausgearbeitet wurde. Das Primärrecht muß danach durch das Zustimmungsgesetz gem. A r t . 59 I I Satz 1 GG, das Sekundärrecht über Art. 24 I GG m i t Hülfe des Zustimmungsgesetzes und der Art. 189 I I EWGV bzw. 14 I I EGKSV, 161 I I EAGV i n deutsches Recht umgewandelt werden. Zusätzlich ist für das Sekundärrecht eine Umwandlung i n einem antizipierten Transformationsakt vonnöten, für das unmittelbar geltende Primärrecht könnte von einer speziellen Transformation ausgegangen werden®'1. Eine solche Deutung des Zustimmungsaktes kann jedoch der heute allgemein herrschenden und auch hier vertretenen Auffassung i n bezug auf die Eigenständigkeit und die unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts — ohne eine wie auch immer geartete Umwandlung in nationales Recht — nicht gerecht werden®®. IL Mit Inkorporationscharakter? Wegen dieser deutlichen Diskrepanz der Transformationslehre bezüglich des Geltungs- und Anwendungsanspruchs des EG-Rechts ist versucht worden, die Inkorporationsthese als weitere Deutungsmöglichkeit herkömmlicher A r t für den besonderen Charakter des EG-Rechts fruchtbar zu machen®7. Dies erwies sich zunächst als ein gangbarer Weg, da sie nicht m i t einem der Hauptangriffspunkte, die gegen die Transformationsthese erhoben werden, belastet ist: Hier w i r d das EG-Recht nicht von seinem eigenständigen Geltungsgrund gelöst und findet somit als EG-Recht i n unserem nationalen Rechtskreis Einlaß. Dabei geht die Inkorporationsthese von der grundsätzlichen Identität der Zustimmungsgesetze aus und sieht i n Funktion und Inhalt der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen allenfalls eine Modifizierung zu jenen 63
Schroeder, S. 27. Vgl. dazu die entsprechenden Nachweise bei Emrich, S. 97, i n Fn. 9. 85 Z u m einzelnen vgl. ebd., S. 97, Fn.15 bis 18; Spelten, S. 46 ; Zuleeg, KSE 9, S. 56, Fn. 55. 88 Eine U m w a n d l u n g i m Sinne der Transformationslehre scheidet demzufolge als Deutungsversuch aus. Zu weiteren Ablehnungsgründen der Transformationsthese vgl. die umfangreichen Nachweise bei Emrich, S. 109, Fn. 106; ferner Schwan, S. 64 f.; Spelten, S. 44 ff. 87 Vgl. dazu Bernhardt, B V e r f G u n d GG, S. 172. 84
64
T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
nicht hoheitsrechteübertragender A r t 8 8 . Demzufolge w i r d davon ausgegangen, daß das EG-Recht durch den innerstaatlichen Inkorporationsakt i m Bundesgebiet Geltung erlangt. Dieser A k t käme i n der innerstaatlichen Anweisung zum Ausdruck, die Tätigkeit der zwischenstaatlichen Einrichtung innerstaatlich zu dulden und das von i h r gesetzte Recht zu befolgen® 9. Das Gesetz nach A r t . 24 I GG ist den deutschen Rechtsanwendungsorganen gegenüber als Rechtsanwendungsbefehl, den nationalen Rechtssubjekten gegenüber als Rechtsbefolgungsbefehl aufzufassen 70. Dem Gesetz nach Art. 59 I I GG kommt die Bedeutung der notwendigen parlamentarischen Billigung des völkerrechtlichen Vertragsschlusses zu 71 . Hier w i r d die Geltung des europäischen Rechts von einem zusätzlichen staatlichen Rechtsakt abhängig gemacht, wohingegen Art. 189 I I EWGV von einer Verordnungswirkung ausgeht, die ohne Einschaltung eines innerstaatlichen Befehls erfolgt 72 . Die Inkorporationslehre — sei es i n der Form der speziellen oder generellen Inkorporation — kann demnach nicht auf einen staatlichen Vermittlungsakt verzichten, der fremdes, bereits existierendes oder zukünftiges Recht zur Anwendung befiehlt 73 . Gerade dies führt bei Primärrecht zu Deutungsschwierigkeiten: Zur Zeit der innerstaatlichen Zustimmung und des Übertragungsgesetzes nach A r t . 24 I GG, damit zum Zeitpunkt der eigentlich zu erfolgenden speziellen Inkorporation, konnten die EG-Organe noch nicht eigenrechtssetzend tätig sein und somit auch noch nicht unangefochten eigenes Recht setzend hervortreten, auch waren i n diesem Augenblick noch keine Bestimmungen des völkerrechtlichen Gründungsvertrages von den EG-Organen, die sich noch konstituieren mußten, rezipiert 74 . Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gründungsverträge standen die völkerrechtlichen Gründungsnormen nur zu einer Rezeption zur Verfügung: Eigenständiges Gemeinschaftsrecht, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden war, konnte einer Inkorporation nicht zugeführt werden 75 . Die Inkorporationslehre bedürfte für das Primärrecht zumindest einer weiteren Modifikation. 68
Emrich, S. 106; Spelten, S. 47. Emrich, S. 116; Hoffmann, D Ö V 1967, S.437; ders., W D S t R L 23 (1966), S. 117. 70 Emrich, S. 117. 71 Ebd., S. 110. 72 Daig, zu A r t . 189 EWGV, S. 334; Ipsen, E u R - L b , Kap. 2/56, S. 71. 78 Ipsen, EuR-Lb, Kap. 2/17, S. 57. 74 Schwan, S. 63. Die Inkorporationsklausel müßte demnach etwa unter der Bedingung der noch vorzunehmenden Rezeption der Gründungsverträge stehen. 75 Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 9, 10, 18; Schwan, S. 63. 89
2. Abschn.: Übertragungsgesetz i.S.v. A r t . 24 I GG
65
Ferner ergeben sich Deutungsschwierigkeiten i n grundsätzlicher Hinsicht: M i t dem „Übertragungsakt" ergeht nicht nur die innerstaatliche Anweisung, gegenwärtiges oder zukünftiges Gemeinschaftsrecht anzuwenden, vielmehr muß darüber hinaus gewährleistet sein, fremdes Recht zur Entfaltung und damit zur Eigenständigkeit, zu Originarität mit zu befähigen. I n Erweiterung des Inkorporationsgesetzes bewirkt das Übertragungsgesetz i m Sinne von Art. 24 I GG nicht n u r die Anwendung fremden Rechts, sondern es werden m i t i h m zugleich die innerstaatlichen Notwendigkeiten anbefohlen, die zur Entfaltung eigenständiger Hoheitsgewalt i m innerstaatlichen Bereich 78 benötigt werden. Dies kann aufgrund des Gemeinschaftsrechtes Maßnahmen ganz unterschiedlichen Ausmaßes erfordern 77 . Damit erfüllt das Übertragungsgesetz insgesamt weitergehende Funktionen: Es muß all jene Aufgaben übernehmen, die sich aus der Vollziehung der Verfassungsentscheidung zur Öffnung der innerstaatlichen Rechtsordnung i m Sinne von Art. 24 I GG ergeben; die eigenständige, supranationale EG-Rechtsordnung erfordert damit auch i n den Deutungsmöglichkeiten des Übertragungsvorganges eigenständige Wege 78 . HL Die andersgeartete Funktion
des Übertragungsgesetzes
Die auf Art. 24 I GG fußende Gemeinschaftsgründung kann i n ihrer Komplexität zunächst auf zwei Grundschritte zurückgeführt werden: zum einen auf die völkerrechtlichen Gründungsverträge, die die gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzen festlegen und deren Normen die Gemeinschaftsorgane zu ihrer eigenständigen Verfassung erhoben haben, und zum andern auf die Schaffung von innerstaatlichen Entfaltungsvoraussetzungen für die unabgeleitete Gemeinschaftsgewalt, die m i t auf dem einfachgesetzlichen, nationalen Ausschließlichkeitsverzicht basiert und durch die diesbezügliche nationale Duldungspflicht zur Entfaltung von Gemeinschaftsgewalt flankiert wird. Für den innerstaatlichen Bereich ergeben sich aus dem Gesetz nach Art. 24 I GG näher betrachtet weitere Auswirkungen: Der Verzicht 76 Schwan, S. 64 hat solch ein Gesetz, das fremdes Recht weder i n innerstaatliches Recht transformiert noch eine erst zur Entstehung zu bringende Rechtsmasse zur A n w e n d u n g befehlen kann, i. S. v. A r t . 24 I GG als ö f f nungs- oder „Admittationsgesetz" umschrieben, besser w i r d dieses jedoch als „Admissionsgesetz" bezeichnet. 77 Siehe dazu auch die Erörterungen unten i n T e i l 3, 4. Abschn. Β . I I . und i n T e i l 5, 1. Abschn.; ferner Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 16, der m i t Recht von parallellaufenden innerstaatlichen Anpassungsmaßnahmen spricht. 78 I m Ergebnis ähnlich Ipsen, E u R - L b , Kap. 2/27, S. 61 f.; Schwan, S. 63 f.; zum Ganzen vgl. Constantinesco, Rdnr. 628, S. 696; Bleckmann, ZaöRV 35 (1975), S. 81 f.; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 16 m. w. N.
5 Eibach
66
T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
auf die staatliche Ausschließlichkeit und die Anerkennung der Gemeinschaftsgewalt bedingen Befolgungsanweisungen für Gemeinschaftsrecht an sämtliche Rechtsunterworfene, gekoppelt m i t einem diesbezüglichen Anwendungsbefehl an die Staatsorgane. Dabei stellen sich diese Anweisungen weder als Transformation noch als Inkorporation dar. Sie geben dem Gesetz nach Art. 24 I GG den gesonderten Charakter eines den nationalen Hoheitsbereich für Gemeinschaftsrecht öffnenden Gesetzes ( = Admissionsgesetz). Aus Gründen parlamentarischer Zustimmungsbedürftigkeit zu völkerrechtlichen Verträgen dieser A r t , bleibt ein Vertragsgesetz i. S. v. Art. 59 I I GG notwendig 79 . Da zwischen dem Gesetz gem. Art. 24 I GG und dem gem. A r t . 59 I I GG nicht unterschieden wird, ergeht nur ein einheitliches Gesetz i n der beschriebenen und rechtlich zu trennenden Doppelfunktion 8 0 .
C. Die doppelte Aufspaltung des Zustimmungsgesetzes
I. Die Aufspaltung
in funktioneller
Hinsicht
Bei der Überprüfung des Vertragsgesetzes 81 muß demzufolge zunächst unterschieden werden, welcher Teil des einheitlich ergangenen Gesetzes zum Prüfungsgegenstand erhoben wird. Steht die Verfassungsmäßigkeit der parlamentarischen Zustimmung — i n formeller Hinsicht — i n Zweifel, ist das Zustimmungsgesetz gem. Art. 59 I I GG angesprochen 82. Werden hingegen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des EGBeitritts und/oder die Vereinbarkeit des EG-Rechts m i t unserer nationalen Rechtsordnung — Bedenken i n materieller Hinsicht — erhoben, tangiert dies das öffnungs- oder Admissionsgesetz i. S. v. Art. 24 I GG 88 . Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit befaßt sich m i t der Überprüfbarkeit europarechtlicher Normen durch das BVerfG bzgl. ihrer materiell-rechtlichen Vereinbarkeit, d. h. hier ist das Gesetz nach Art. 24 I GG angesprochen. 79
Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 40. Z u m Ganzen vgl. die Ausführungen bei Schwan, S.66; diese Doppelfunktion hat weitgehend Anerkennung gefunden, Nachweise bei Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 28. 81 I m folgenden soll unter „Vertragsgesetz" der Oberbegriff verstanden werden, der die rechtlich zu trennenden Teile des einheitlich ergangenen Gesetzes — das parlamentarische Zustimmungsgesetz u n d das die nationale Rechtsordnung öffnende Gesetz, als Admissionsgesetz bezeichnet — begrifflich zusammenfaßt. 82 Z u r Frage der „ Z u s t i m m u n g " oder „ M i t w i r k u n g " des Bundesrates vgl. die Erörterungen bei Birke, S. 99; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 40 m. w. N.; Stern, StaatsR, Bd. I, § 15 I I 7 b, S. 533 f. m. w. N.; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 31. 83 Vgl. dazu auch Schwan, S. 66. 80
2. Abschn.: Übertragungsgesetz i.S. ν. A r t . 24 I GG
67
IL Die Unterscheidung nach der Inhaltsgebung Das Zustimmungsgesetz i m Rahmen des Art. 24 I GG, das keine Umwandlungsfunktion i m Sinne einer Transformation erfüllt, w i r d nicht durch zuvor i n nationale Rechtssätze umgewandelte Norminhalte ausgefüllt, sondern durch Normen fremder Rechtssätze; dies zeigt den besonderen Konfliktfall auf: Zwar ist das Zustimmungsgesetz eindeutig als nationaler Rechtsakt zu qualifizieren 84 , seinen Inhalt erfährt es jedoch durch die nicht einer Umwandlung zur Verfügung stehenden fremden, hier europarechtlichen, Rechtsnormen. Diese Rechtssätze als eigenständige, mit der nationalen Rechtsordnung i n keinem Band rechtlicher Abhängigkeit stehenden Rechtsnormen unterliegen, wie die i n den beiden vorhergehenden Teilen der Untersuchung erarbeiteten Ergebnisse gezeigt haben, keiner unmittelbaren nationalen Rechtskontrolle. Die Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen können i n diesem Sinne unproblematisch nur bezüglich ihrer formellen Vereinbarkeit m i t dem GG überprüft werden. Diese Überprüfungsmöglichkeit steht jedoch außer Zweifel und hier nicht zur Untersuchung an 85 . Der rechtliche Konflikt, den es hier zu lösen gilt, besteht i n dem „Auseinanderfallen" von formeller und materieller Zuordnung des Zustimmungsgesetzes. Wandelt das Zustimmungsgesetz, gemäß der immer noch herrschenden und auch hier vertretenen Meinung, bei völkerrechtlichen Verträgen allgemeiner A r t deren Norminhalte i n Form einer Parallelisation zu nationalen Rechtsnormen um 8 8 , t r i t t eine solche Differenzierung nicht zutage. Ein „Auseinanderklaffen" war auch i n den ersten beiden Teilen der Arbeit nicht gegeben: Den Prüfungsgegenstand sollten hier jeweils die fremden, eigenständigen Normen der Rechtsordnungen der Europäischen Gemeinschaften bilden. Eine solche „Einheit" besteht hier nun nicht mehr. Geht man andererseits von der herrschenden Rechtsauffassung aus, daß die staatlichen Organe, die bei der Übertragung von Hoheitsrechten tätig werden müssen, nicht vollkommen losgelöst jeglicher verfassungsrechtlicher Bindungen agieren können 87 , muß i m Verfassungsstaat die Möglichkeit einer Kontrolle gegeben sein. 84 Als Kompetenznorm zum Erlaß dieses Gesetzes ist A r t . 24 I GG anzusehen, der als N o r m des GG auf keinen weiteren, außerhalb des GG stehenden Rechtssatz verweist u n d somit n u r i n der nationalen Rechtsordnung seine Einsetzungsnorm hat. 85 Siehe oben C. I. dieses Abschnitts; siehe dazu die Erörterungen bei Constantinesco, S. 705 f.; Ipsen, EuR-Lb, S. 290; Oppermann/Hintermaier, S. 784; Rengeling, EG-Magazin, S. 30; Sachs, S. 466, insbes. Fn. 13; Sasse, Fs. Ipsen, S. 703 ff. m. w . N. ; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 92 m . w . N . 88 Siehe oben i n T e i l 3, 1. Abschn. Α. I., d. h. ohne daß dabei die völkerrechtliche N o r m ihrer Völkerrechtsebene entzogen w i r d . 87 Vgl. dazu i m einzelnen unten i n T e i l 3, 3. Abschn. C. insbes. I., aber auch I I .
5*
68
T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
Des weiteren geht eine materiell-rechtliche Überprüfung i m oben genannten Sinne nicht ohne eine Untersuchung der spezifischen Ausgestaltung der errichteten zwischenstaatlichen Einrichtung vonstatten. Hier ist das Zustimmungsgesetz i n seinem materiellen Gehalt angesprochen, den es von außerstaatlichen, unabhängigen Rechtserzeugern erfährt. Demzufolge ist nach einem Weg zu suchen, der zum einen dem eigenständigen Charakter der EG-Rechtsordnung gerecht w i r d und zum andern den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Integrationsgesetzgeber, der i. S. v. Art. 24 I GG tätig geworden ist, i n rechtsstaatlicher Weise Ausdruck und Durchsetzungsmöglichkeit verleiht. Dazu ist es zunächst notwendig, sich den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die nationale Integrationsgewalt zuzuwenden. Somit liegt zugleich der sich anschließende Untersuchungsgegenstand fest: Es ist zu prüfen, ob und welche Schranken und Maßstäbe Art. 24 I GG — als spezifische Grundnorm für die Übertragung von Hoheitsrechten — der diesbezüglich tätigen Staatsgewalt 88 setzen kann. Dies soll unter den beiden Gesichtspunkten der M i t w i r k u n g an und der Duldung der eigenständigen Gemeinschaftsrechtsordnung geschehen.
3. Abschnitt: A r t . 24 I G G als Verfassungsmaßstab für die nationalen Integrationsorgane
Neben dem Bisherigen muß nun geklärt werden, wie weit Art. 241 GG mit Schranken belastet wird, deren Beachtung der nationalen Integrationsgewalt vorgegeben ist. Die Einhaltung dieser Schranken hängt ab von der inhaltlichen Ausgestaltung der EG-Verträge 89 . Das Gesetzgebungsrecht, die Verwaltungszuständigkeit und die Rechtsprechungskompetenz von Bund und Ländern haben durch die Übertragung von Hoheitsrechten i m Rahmen der Gemeinschaftsverträge Veränderungen erfahren 90 . Die EG-Verträge bewirken i n diesen Bereichen Grundgesetzänderungen, die sich ohne eine förmliche Änderung des GG i m Rahmen des Art. 24 I GG vollziehen 91 , d. h. die Übertragung von Hoheitsrechten stellt zugleich eine vereinfachte Form einer Grundgesetzänderung dar 92 . 88 I m weiteren als nationale Integrationsorgane oder als nationale Integrationsgewalt bezeichnet. 89 Siehe dazu die Ausführungen oben i n T e i l 3, 2. Abschn. C. I I . 90 F ü r die Änderungen i n der Kompetenzverteilung zwischen B u n d u n d Ländern siehe die Ausführungen bei Schwan, S. 15 bis 24. 91 So schon Schneider, S. 939. 92 Z u m Ganzen vgl. Rojahn, zu A r t . 24 I GG, Rdnr. 2 f., 17.
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
69
Α. Die vereinfachte Grundgesetzänderung
Grundsätzlich regelt Art. 79 GG Verfahren und Schranken einer Grundgesetzänderung 98 . Sein Geltungsbereich umfaßt jedoch zum einen nur Verfassungsrecht i n formellem Sinne 94 , zum andern hat das GG bestimmte Einzelfälle speziell geregelt 95 . Das Übertragungsgesetz i. S. v. A r t . 24 I GG ergeht ohne die i n Art. 79 I und I I GG vorgeschriebenen Mehrhéitserfordernisse, es genügt ein einfaches Bundesgesetz9®. Art. 24 I GG erteilt dem Gesetzgeber insofern einen Dispens. Wo dessen Grenzlinie verläuft, inwieweit der Dispens sich über diese reinen Formerfordernisse hinaus auf weitere Grundrechtsnormen bezieht, w i r d weitgehend uneinheitlich beurteilt 9 7 . I n der Rechtswissenschaft w i r d heute davon ausgegangen, daß A r t . 24 I GG, obgleich seinem Wortlaut keine Bindung an Verfassungsnormen zu entnehmen ist, eine Übertragung von Hoheitsrechten nicht schrankenlos zuläßt 98 . B. Der Grundsatznormcharakter des Art. 24 I G G
I m konkreten gehen die Ansichten über die den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen Rahmenbedingungen weit auseinander: Da der Hoheitsverzicht i. S. v. Art. 24 I GG einen A k t der Verfassungsänderung darstelle 99 , könne er somit nicht den Schranken des einfachen Gesetzgebers unterliegen. Für die auswärtige Gewalt bestünde ohnehin eine Lockerung der Grundrechtsbindung nach den Grundsätzen der sogenannten Annäherungstheorie 100 , die hier entsprechende Anwendung finden müsse 101 . 93
Vgl. statt vieler: Bryde, zu A r t . 79 GG, Rdnr. 1. Verstanden als Verfassungsnormen, die i m G G aufgeführt sind, vgl. Bryde, zu A r t . 79 GG, Rdnr. 2. 95 Maunz, zu A r t . 79 GG, Rdnr. 3. 96 So die ganz überwiegende Meinung, vgl. etwa Maunz, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 14 m . w . N.; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 33 m. w. N.; ferner BVerfGE 58, S. 1 ff. (35 ff. — Eurocontrol-Urteil). 97 Vgl. etwa Arnold, Rechtsstaatlichkeit, S. 122; Emrich, S. 131 ff. m. w. N.; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 30 ff., 40 m . w . N . ; BVerfGE 37, S. 271 ff. (279, 296). 98 Die These des vollkommen unbeschränkten „Integrationsgesetzgebers" w i r d , soweit ersichtlich, i n voller Konsequenz nirgends vertreten, vgl. Arnold, Rechtsstaatlichkeit, S. 121 f.; Badura, S. 66, Fn. 129; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 31; Tomuschat, W D S t R L 36 (1978), S. 38 ff. 99 Vgl. dazu die jüngste Entscheidung des B V e r f G i n dieser A r t : BVerfGE 58, S. 1 ff. (36). 100 Seit BVerfGE 4, S. 157 ff. (168 ff. — U r t e i l zum Saar-Statut) ständige Rechtsprechung. 101 Ipsen, EuR 1975, S. 15 £ 94
70
T e i l 3: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Primärrecht
Andererseits w i r d verstärktes Gewicht auf die Bewahrung der demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien des GG gelegt. Diesen könne sich der Gesetzgeber auch i n der Funktion des Integrationsgesetzgebers 102 nicht entziehen, somit müßte die Forderung nach unbedingter „struktureller Kongruenz" der zwischenstaatlichen Einrichtungen m i t dem an das GG gebundenen Nationalstaat aufgestellt werden 103 . Als vermittelnd kann man die Auffassungen ansehen, die eine uneingeschränkte Anwendung des Art. 79 I I I GG auf die Gründungsvereinbarungen einer zwischenstaatlichen Gemeinschaft ablehnen und nur die darin angesprochenen Strukturprinzipien ihren Kernaussagen nach, bezogen auf den spezifischen Charakter der supranationalen Gemeinschaften, verankert wissen wollen 1 0 4 . I. Art. 24 I GG als Verfassungsentscheidung für eine „offene" Staatlichkeit Die Entstehungsgeschichte zu Art. 24 GG läßt deutlich werden, daß der Verfassungsgeber durch die starke Schwächung des geschrumpften „Neustaates" Bundesrepublik Deutschland Schwierigkeiten sah, die elementaren Aufgaben — wie Friedenssicherung und materielles Wohl seiner Staatsbürger — ohne überstaatliche Zusammenarbeit lösen zu können. Art. 24 GG sollte dafür das notwendige rechtliche Instrumentarium bereitstellen 105 . So hat Vogel i n den Art. 24 bis 26 GG, zusammen m i t der Präambel des GG 1 0 e , eine i m GG verankerte Verfassungsentscheidung für eine offene Staatlichkeit 1 0 7 gesehen 108 . Art. 24 GG w i r d in diesem Zusammenhang allgemein als Staatszielbestimmung aufgefaßt 109 . Als solche fordert er wie andere von sämtlichen Staatsorganen Beachtung. 102
Z u m Begriff vgl. Badura, S. 65 m. A n m . 126. Nachweise bei Emrich, S. 137 u n d Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 32 am Anfang. 104 Ausführlich erörtert bei Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 32 am Ende; Arnold, Rechtsstaatlichkeit, S. 122 sieht diese „Hypothekentheorie" i n ihrem vermittelnden Charakter auch als diejenige an, die i n der Staatenpraxis am ehesten auf Zustimmung stoßen kann; vgl. ferner Tomuschat, V V D S t R L 36 (1978), S. 43 m. w. N., der auf die i n den A r t . 1 u n d 20 G G niedergelegten Grundsätze verweist; zum Ganzen auch Bleckmann, GG u n d VR, S. 227 ff. 105 Badura, S. 64 f.; Matz, S. 223; Thieme, S. 55; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 1; vgl. ferner Schuppert, S. 25 m. w. N. 106 „ . . . v o m W i l l e n beseelt, . . . als gleichberechtigtes Glied i n einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen . . . " 107 Vogel, S. 42 ff. 108 Zustimmend etwa Ipsen, E u R - L b , S. 52; Häberle, Fs. Schelsky, S. 141, 148; Stern, StaatsR, Bd. I , § 15 I. 1., S. 516; Zuleeg, Der Staat, S. 27, 30. 109 Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 3. 103
3. Abschn.: A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
71
II. Die Eigengesetzlichkeit internationaler Kooperationsverträge Bei Vereinbarungen, die zwischen mehreren Staaten geschlossen werden, sind oft die unterschiedlichsten Vorstellungen, Voraussetzungen und Anliegen i n Übereinstimmung zu bringen. Dies erfordert besonders dann eine weitreichende Kooperationsbereitschaft, wenn ein solches Zusammenwirken Verfassungsstrukturen zusammenführt, die sich von der des eigenen Staates erheblich unterscheiden, oder wenn sonstige Gegebenheiten Berücksichtigung finden müssen 110 . Dies führt zu Zweifeln, ob es angemessen ist, für staatliches Handeln, das einer Kooperation über den staatlichen Bereich hinaus bedarf, den auf innerstaatliche Maßnahmen zugeschnittenen verfassungsrechtlichen Maßstab 111 anzulegen, oder ob nicht statt dessen ein Regulativ — etwa das des effektiv Erreichbaren — m i t i n Rechnung zu stellen ist 1 1 2 . So geht das BVerfG u. a. i m Verfassungsstreit um das Saar-Statut davon aus, daß nicht nur solche Vereinbarungen dieses Statuts als verfassungsgemäß anzusehen sind, die dem GG voll entsprechen, sondern darüber hinaus auch solche, die „ m i t dem Willen unternommen wurden und die Tendenz i n sich tragen, dem voll verfassungsmäßigen Zustand wenigstens so weit, wie es politisch erreichbar ist, näher zu kommen" 1 1 8 . Diese und ähnliche Gerichtsurteile 114 werden — überwiegend i n der Literatur — auch für die Überprüfung der EG-Verträge fruchtbar zu machen versucht. So soll auch hier nicht der strenge verfassungsrechtliche Maßstab zugrunde gelegt werden; ein anderes Ergebnis käme einer Übersteigerung der eigenen rechtsstaatlichen und demokratischen A n liegen gleich 115 . 1. Die verfassungsrechtlichen Bindungen der auswärtigen Gewalt Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, daß die auswärtige Gewalt wie jede andere Staatsgewalt einer vollen Bindung an Gesetz 110 Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 33. Bei solch überstaatlichem Zusammenw i r k e n treten zudem Gegebenheiten auf, die innerstaatlichem Handeln fremd sind: Eine kooperative Außenpolitik hat die Souveränität der V e r tragspartner zu respektieren und k a n n keine einseitigen Tatbestände schaffen, sie ist auf die Einigung m i t diesen gleichberechtigten Gliedern der Staatengemeinschaft angewiesen. 111 Schuppert, S. 36 ff., 45 ff. 112 BVerfGE 40, S. 141 ff. (178). 118 BVerfGE 4, S. 157 ff. (169). 114 Diese Gedanken der sog. „Annäherungstheorie" haben ihren speziellen Niederschlag i n weiteren Entscheidungen gefunden, ζ. B.: BVerfGE 14, S. 1 ff. (7 f.); 15, S. 337 ff. (348 f.); 27, S. 253 ff. (281 f.). 115 So u. a. Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 7; zum Ganzen vgl. ferner Trevianus, S. 1 ff.; Badura, S. 64 f.; Thieme f S. 50 ff.
72
T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
und Recht unterliegt 1 1 8 . Das BVerfG hat jedoch Modifikationen vorgenommen: Sie resultieren i n erster Linie aus Vereinbarungen der Bundesrepublik m i t den Besatzungsmächten. Dort fand man folgende Ausgangslage vor: a) Die S aar-Statut-Entscheidung Auf Drängen Englands und der USA kam es zu Verhandlungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik über die ungelöste SaarFrage, die nach langem, schwierigem Verlauf am 23.10.1954 zum Abschluß des Saar-Statuts führten. Der Verhandlungsspielraum besonders auf Seiten der Bundesrepublik wurde stark durch die gleichzeitig laufenden Gespräche über einen politischen Zusammenschluß der westeuropäischen Staaten und über die Schaffung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft eingeengt: Ein gutes Verhältnis war Vorbedingung für eine politische und militärische Integration der Bundesrepublik i n Europa; die Geschlossenheit des Westens wiederum war erforderlich für ein einheitliches Verhandeln mit dem Osten 117 . Diese politischen Zusammenhänge ließ das BVerfG m i t zur Grundlage seines Urteils werden, als es die Verfassungsmäßigkeit des diesbezüglichen Zustimmungsgesetzes zu überprüfen hatte 1 1 8 . Seine Überlegungen führten nicht dazu, einen durch das Saar-Statut möglicherweise geschaffenen verfassungswidrigen Zustand zu tolerieren, es modifizierte vielmehr die Anforderungen der Verfassung für die am Zustandekommen verantwortlichen Staatsorgane und gelangte so zur Verfassungsmäßigkeit des Saar-Statuts 119 . Dabei w i r d sowohl ein subjektives ( = Wille) als auch ein objektives K r i t e r i u m ( = Tendenz) aufgestellt 120 : Unter Beachtung dieser „Grundtendenz zur Verfassungsmäßigkeit", besteht nach Ansicht des BVerfG „hinsichtlich der Auswahl der i m einzelnen i m Vertrag vorgesehenen Maßnahmen für die vertragsschließenden Organe der Bundesrepublik Deutschland ein ansonsten breiter Bereich politischen Ermessens . . . , zumal der Kreis der an sich zur Auswahl stehenden vertraglichen Lösungen sich praktisch auf das dem jeweiligen Vertragspartner gegenüber politisch Erreichbare verengt" 1 2 1 . Insofern könnten vom BVerfG die politische Ausgangslage, aus der heraus der Ver118
Vgl. etwa BVerfGE 4, S. 157 ff. (169). Diese Verknüpfung k o m m t besonders deutlich i n den Sitzungsberichten des Dt. Bundestages zum Ausdruck, vgl. dazu das Protokoll der 61. Sitzung v o m 15.10.1954, S. 3126 ff. 118 BVerfGE 4, S. 157 ff. (168 ff.). 119 BVerfGE 4, S. 157 ff. (178); vgl. dazu die Ausführungen von Schuppert, S. 97. 120 Vgl. dazu den Wortlaut der Entscheidung, BVerfGE 4, S. 157 ff. (169); zum Ganzen Zeitler, S. 42 ff. 121 BVerfGE 4, S. 157 (168 f.). 117
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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trag geschlossen wird, und die politischen Gegebenheiten, die der Vertrag zu ändern oder zu gestalten übernimmt, nicht unberücksichtigt bleiben 122 . Dies kann dazu führen, „politische Verträge, die eine besatzungsrechtliche Ordnung schrittweise abbauen, . . . für ein Verfassungsgericht . . . i n den Bereich der Nichtjustiziabilität" zu rücken 123 . Diesen Ausführungen des BVerfG kommt insbesondere deshalb große Bedeutung zu, weil sie als allgemeine Grundsätze der Urteilsbegründung vorangestellt sind. Das BVerfG macht jedoch des weiteren darauf aufmerksam, daß dabei nicht „unverzichtbare Grundprinzipien des GG klar verletzt" werden dürfen 1 2 4 , „also etwa die in Art. 79 I I I oder 19 I I GG bezeichneten Grundsätze" 125 . b) Das JEIA-Urteil I m Urteil über die Aufrechterhaltung der JEIA-Entscheidung ( = Joint Export-Import Agency) knüpft das BVerfG an das Saar-Statut-Urteil an: Das Zustimmungsgesetz und Art. 2 I des Ersten Teils des Überleitungsvertrages, der anordnet, daß die Entscheidungen der JEIA i n Kraft bleiben, sind insofern m i t dem GG vereinbar, als „es den deutschen Verhandlungspartnern gerade i n diesem Punkt nicht möglich war, eine unseren heutigen rechtsstaatlichen Anschauungen v o l l entsprechende Regelung durchzusetzen" 126 . c) Die Entscheidung zur britischen Höfeordnung Die verfassungsrechtliche Überprüfung von § 6 I 3 der britischen Höfeordnung an Art. 3 I I , I I I GG läßt sich als Verfestigung der vom BVerfG eingeschlagenen Rechtsprechung einordnen: Der deutsche Gesetzgeber durfte der getroffenen Regelung zustimmen, weil eine „ . . . verfassungsrechtlich befriedigendere Vereinbarung politisch nicht erreichbar w a r . . . " und unverzichtbare Grundprinzipien der Verfassung nicht verletzt wurden 1 2 7 . d) Die Entscheidung zur Geltendmachung von Besatzungsschäden I n BVerfGE 27, S. 253 ff. (282) führt das BVerfG über den Verzicht der Bundesrepublik auf Geltendmachung von Besatzungsschäden gegen122 BVerfGE 4, S. 157 ff. (168); vgl. ferner den ähnlich lautenden Leitsatz 3 zu dieser Entscheidung (S. 157). 123 BVerfGE 4, S. 157 ff. (169). 124 Die entsprechende Passage (S. 157, Leitsatz 4) zu dieser Entscheidung lautet: „Unverzichtbare Verfassungsgrundsätze dürfen jedoch nicht angetastet werden" ; Zeitler, S. 43, Fn. 74 sieht dies als eine strengere Formulierung an. 125 BVerfGE 4, S. 157 ff. (170). 126 BVerfGE 14, S. 1 ff. (7). 127 BVerfGE 15, S. 337 ff. (349); auf diese Entscheidung w i r d auch i n BVerfGE 36, S. 146 ff. (170), bzgl. § 4 I I Ehegesetz als Kontrollratsrecht, verwiesen u n d damit die diesbezügliche Rechtsprechung weiterhin gefestigt.
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T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
über den Alliierten aus: Dieser „Verzicht auf möglicherweise bestehende, praktisch aber nicht durchsetzbare Ansprüche" durfte von den deutschen Staatsorganen i n Kauf genommen werden, da i n dieser Verzichtserklärung eine wesentliche Voraussetzung für die Beendigung der Besatzungsherrschaft seitens der Alliierten gesehen wurde. Bei all diesen Entscheidungen, die als Konkretisierung der sogenannten Annäherungstheorie zu qualifizieren sind, führt das BVerfG als weiteres K r i t e r i u m an, daß i n den dort zur Prüfung vorgelegten Regelungen zum Abbau des Besatzungsrechts ein Zustand erreicht worden sei, der erheblich „näher beim Grundgesetz steht" als der vorhergehende, ohne daß hierbei unverzichtbare Grundprinzipien des GG preisgegeben wurden 1 2 8 . e) Die Entscheidung zur Sachschädenregulierung
durch das BS AG
Aufschlußreich i n diesem Zusammenhang ist der Beschluß des BVerfG vom 3.12.1969, der sich m i t der Verfassungsmäßigkeit der Sachschädenregulierung durch das Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden ( = BSAG) befaßt 129 . Dort hat das BVerfG zu den tragenden politischen Realitäten ausführlich Stellung bezogen und ausgeführt, „daß auch vor der Verzichtserklärung i m Überleitungsvertrag keine Aussicht bestand, etwaige weitergehende Entschädigungsansprüche . . . gegen die Besatzungsmächte durchzusetzen . . . A n dem Zustandekommen der Verträge bestand (hingegen) ein überragendes Interesse . . . besonders an der Ablösung des Besatzungsregimes . . . Es liegt aber auf der Hand, daß die Alliierten i n der Verzichtserklärung eine wesentliche Voraussetzung für die Beendigung der Besatzungsherrschaft sahen . . . Erst hierdurch wurde der Weg für eine deutsche gesetzliche Regelung frei, die für den gesamten Personenkreis der Besatzungsgeschädigten i m Verhältnis zu der besatzungsrechtlichen Regelung erhebliche Verbesserungen brachte.. ." 13 °. Hier kommt zum Ausdruck, daß der Verzicht auf möglicherweise bestehende, praktisch doch kaum durchsetzbare Ansprüche u m des höheren Zieles willen — des Abbaus von Besatzungsrecht — i n Kauf genommen werden muß 1 3 1 , zumal durch den Abschluß des Vertragswerkes insgesamt ein Rechtszustand erreicht wurde, der bezüglich der Ausgangslage wesentlich „näher am Grundgesetz" liegt 1 8 2 . 128
(7 f.).
BVerfGE
4, S. 157 ff. (170); 15, S. 337 ff. (349); 27, S. 253 ff. (282); 14, S. 1 ff.
129
BVerfGE 27, S. 253 ff.; zum Gesetzestext vgl. BGBl. 1955, T e i l l , S. 734ff. 130 BVerfGE 27, S. 253 ff. (281 f.). 131
Schuppert, S. 107. BVerfGE 27, S. 253 ff. (282); so auch schon BVerfGE Saar-Urteil. 132
4, S. 157 ff. (168 ff.) —
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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I m Saar-Urteil bewirkte die Berücksichtigung der politischen Realität eine Abschwächung rechtsstaatlicher Geltungsanforderungen an die abschließenden Staatsorgane, hier ein Zurücktreten einzelner Vermögensinteressen hinter die gesamtpolitischen Notwendigkeiten 1 3 8 . f) Das AKU-Urteil Erwähnung soll i n dieser Betrachtung auch das Urteil des BVerfG vom 25. 6.1968, das sogenannte AKU-Urteil, finden 1 3 4 , i n welchem das Gericht eine mögliche Verletzung des Gleichheitsgebotes aus Art. 3 GG m i t dem Auslegungsgrundsatz der Berücksichtigung der politischen Ausgangslage ausräumte: „Bedenken können sich daraus ergeben, daß die an sich jedermann auch gegen Gesetze zustehende Verfassungsbeschwerde für den Kreis derjenigen, die von dem Vertragsgesetz betroffen sind, ausgeschlossen wird. Der Gesetzgeber hatte indessen sachlich einleuchtende Gründe für diese Regelung. Der Ausgleichsvertrag und das Zusatzabkommen zum Finanzvertrag, ohne das die Ratifizierung des Vertragswerkes gefährdet gewesen wäre, dienten dem Ausgleich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden und der Beseitigung von Schwierigkeiten, die zwischen beiden Ländern entstanden waren. Angesichts dieser besonderen, durch den Krieg und seine Folgen bedingten Ausnahmesituation und der außenpolitischen Notwendigkeit, das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu den Niederlanden zu normalisieren, hat sich der Gesetzgeber bei der getroffenen Regelung noch innerhalb der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit gehalten 135 ." Hervorstechend an dieser erneuten Einbeziehung politischer Realitäten sind die verallgemeinerten Maßstäbe verfassungsrechtlicher Überprüfbarkeit auswärtiger Gewalt. Die Beseitigung von Kriegsfolgen stellt hier nur noch ein verbindendes und kein konstitutives Element wie i n den vorhergehenden Entscheidungen dar 1 3 6 . Diese Verallgemeinerung, der Grundsatz der Berücksichtigung der politischen Ausgangslage, die sich über die spezifische Situation des Abbaus von Besatzungsrecht hinaus erstreckt und nicht wie bisher an eine Annäherung an das Grundgesetz gekoppelt ist, begnügt sich allein m i t außenpolitischen Notwendigkeiten, hier m i t dem politisch wünschenswerten Normalisierungsprozeß i m Verhältnis Bundesrepublik Deutschland zu den Niederlanden 137 . 138 Schuppert, S. 107. 134 BVerfGE 24, S.33ff.; vgl. den Gesetzestext BGBl. 1963, T e i l I I , S. 629 ff. 135 186 137
BVerfGE 24, S. 33 ff. (52 f.). Schuppert, S. 112. Ebd., S. 112 f.
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g) Zwischenergebnis A n diesen Entscheidungen des BVerfG lassen sich m i t Schuppert 138 drei Elemente der von der Rechtsprechung zu beachtenden politischen Ausgangslage verdeutlichen: Zunächst muß ein gewichtiger Grund für die Bundesrepublik vorgelegen haben, der sie veranlaßte, der so getroffenen Regelung zuzustimmen. Für das Saar-Abkommen stellten die angestrebte Westintegration der Bundesrepublik und die Wahrung gesamtdeutscher Interessen die Gründe für die getroffene Vereinbarung dar. Auch sollte dem stetig fortschreitenden Entfremdungsprozeß des Saargebietes entgegengewirkt werden 139 . Für den Verzicht gegenüber den Besatzungsmächten auf die Geltendmachung von Forderungen wegen Besatzungsschäden war ausschlaggebend, daß darin seitens der Alliierten „eine wesentliche Voraussetzung für die Beendigung der Besatzungsherrschaft" gesehen wurde 1 4 0 . Beim Zusatzabkommen war die Gefährdung der Ratifizierung des Gesamtvertrages durch die Niederlande der ausschlaggebende Faktor für die dort getroffene Regelung 1 4 1 . Des weiteren muß sich die vorgegebene politische Situation als unabdingbare Voraussetzung erweisen: Für das Saar-Abkommen war es der Zustand, „der i n einem Teil Deutschlands von dem Vertragspartner kraft seiner Besatzungshoheit und ohne Bindung an höherrangige Normen geschaffen worden ist" 1 4 2 . Bei dem Verzicht auf Ausgleich der Besatzungsschäden standen die politische Realität — die Bundesrepublik als „besiegter und unterworfener Staat" — i m Raum 1 4 3 und der Versuch, die Souveränität wiederzuerlangen, i m Vordergrund. Für das Zusatzabkommen m i t den Niederlanden stellten die „durch den Krieg und seine Folgen" 1 4 4 stark beeinträchtigten Beziehungen das zu lösende Problem dar. Als drittes läßt sich hinsichtlich der angeführten Beispiele das gemeinsame, zu rechtfertigende Interesse der Bundesrepublik an dem Zustandekommen der Regelungen ins Feld führen: Bei den ersten beiden der Wunsch der Bundesrepublik, die besatzungsrechtliche oder die darauf aufbauende Ordnung durch eine der eigenen Ordnung näherstehende zu ersetzen 145 , bei dem letzteren „die außenpolitische Notwendigkeit, das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und dem Vertragspartner zu normalisieren" 14 ®. 138
Ebd., S. 113 f. BVerfGE 4, S. 157 ff. (171). wo BVerfGE 27, S. 253 ff. (282). 141 BVerfGE 24, S. 33 ff. (53). 142 BVerfGE 4, S. 157 ff. (168 f.). 143 BVerfGE 27, S. 253 ff. (281). 144 BVerfGE 24, S. 33 ff. (53). 145 BVerfGE 24, S. 33 ff. (52 f.). 139
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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2. Ableitungen aus dieser Rechtsprechung Es fragt sich, ob diese Rechtsprechung des BVerfG Zustimmung finden kann. Die staatliche Verfassung, die die Machtausübung der Staatsorgane rechtlich diszipliniert, setzt voraus, daß sich die durch sie eingesetzten und an die Verfassung gebundenen Organe verfassungskonform verhalten können. Die Vorstellung vom allmächtigen pouvoir constituant 147 und der Gedanke der inneren Souveränität haben oft zu einer Anschauung geführt, die der verfassungsrechtlichen Normierung unbegrenzte Wirkungskraft beimaß. Bei den die Staatsgrenzen überschreitenden Handlungsbereichen stoßen die Vertragspartner als gleichberechtigte aufeinander, so daß es i m außenpolitischen Bereich nicht mehr m i t einem schlichten „ita ius esto" getan sein kann. Hier setzen sich eigene Wünsche in besonderem Maße nur bei Konsens aller Beteiligten durch 148 . Diese Abhängigkeit macht deutlich, daß die Staatsorgane i m innerstaatlichen Bereich bei entsprechenden Machtverhältnissen zwar ohne weiteres anordnend und normierend tätig werden können, i m außenpolitischen Bereich jedoch auch bei Regelungen gleicher Materie kontrahierend verfahren müssen. Dies läßt einen unterschiedlichen Spielraum für die an die Verfassung gebundenen Staatsorgane bei den rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Innen- und Außenpolitik notwendig werden 1 4 9 , w i l l man sich nicht dem V o r w u r f einer verfassungsrechtlichen Introvertiertheit 1 5 0 und, schlimmer noch, einer außenpolitischen Immobilität 1 5 1 aussetzen. Daß besonders dies letztere vom Verfassungsgeber nicht gewollt ist, zeigt die i m GG vollzogene und oft als große Errungenschaft postulierte „Öffnung" des nationalen Hoheitsbereiches 152 . Diesem natürlichen Spannungsverhältnis zwischen nationaler Verfassung und Auswärtiger Gewalt ist jedoch auf normativer Seite bisher 146
Vgl. zum Ganzen Schuppert, S. 114. Z u den Begriffen pouvoir constituant als derjenigen Staatsgewalt, die sich auch über die Fundamentalnormen der Verfassung hinwegsetzen kann, u n d pouvoir constitué als derjenigen, die i m Rahmen dieser Grenzen frei agiert, vgl. Zippelius, Kap. I I I , § 11 I I I 2., S. 57 ff. 148 Tomuschat, DÖV 1973, S. 804. 149 Z u m Ganzen vgl. Schuppert, S. 98. 150 Diesen Ausdruck gebraucht Ipsen, W D S t R L 23 (1966), S. 130 (Diskussionsbeitrag). 161 So auch schon BVerfGE 4, S. 157 ff. (172). Daher obliegt dem BVerfG größte Zurückhaltung bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Maßnahmen der Auswärtigen Gewalt; ebenso Delbrück, S. 83 ff.; von Arnim, S. 381 ff.; zum Ganzen vgl. Magiera, N J W 1985, S. 1739 ff.; siehe ferner BVerfGE 55, S. 349 ff. (369). 162 Vgl. dazu Häberle, W D S t R L 36 (1978), S. 130; Tomuschat, W D S t R L 36 (1978), S. 16 ff., 43, 105. 147
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T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
nicht sichtbar abgeholfen worden. Die Verfassungen des 19. Jahrhunderts haben sich einer inhaltlichen Regelung der Auswärtigen Gewalt ganz enthalten 163 . Selbst i n der Weimarer Reichsverfassung, die zwar das allgemeine Völkerrecht als verfassungsmäßige Schranke allen staatlichen Handelns normierte 1 5 4 , fehlte es an Richtlinien für die inhaltliche Ausfüllung der Auswärtigen Gewalt. Erst das Grundgesetz beginnt durch die Art. 24 und 26 GG m i t einer partiellen Absonderung bestimmter außenpolitischer Bereiche. Doch abgesehen von dem Verbot i n Art. 26 GG bleibt es bei einer allgemeinen Staatszielbestimmung 155 . Die Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Bindungen bleibt insofern der Rechtsprechung und der Wissenschaft überlassen. 3. Die allgemeine Geltung der gefundenen Grundsätze Aus den Entscheidungen des BVerfG läßt sich herauslesen, daß eine verfassungsrechtliche Überprüfung derjenigen völkerrechtlichen Verträge, die politische Beziehungen des Bundes zum Gegenstand haben, stets nur unter bestimmten Vorbehalten durchgeführt werden kann: Beachtung finden muß die dem Vertragsschluß zugrundeliegende politische Situation, die es der Bundesrepublik i m konkreten Fall nicht ermöglichte, darüber hinausgehende, eigene Vorstellungen i n die Vertragsgestaltung m i t einfließen zu lassen 156 . Die vertragsschließenden Organe sind demzufolge von dem strengen Maßstab der innerstaatlichen Rechtsordnung entbunden, dies jedoch nur i n dem Maße, wie sich eine Berücksichtigung der politischen Ausgangslage als sachgerecht erweist und sich für dieses Entbundensein praktikable Maßstäbe finden lassen. I n der Weimarer Republik sah der Staatsgerichtshof seine Aufgabe ausschließlich darin, „über die verfassungsrechtlichen Streitigkeiten nach Rechtsgrundsätzen zu entscheiden. Die Ergebnisse, zu denen er aufgrund des von i h m anzuwendenden objektiven Rechts gelangt, (habe) er auszusprechen, ohne die politischen Folgen seines Spruchs in Betracht ziehen zu dürfen" 1 5 7 . Das BVerfG hält hingegen die Beachtung politischer Realitäten gerade aus dem Grunde für angemessen, w e i l der Richter die Folgen seiner Entscheidung zu bedenken habe 158 , und führt 153
Tomuschat, DÖV 1973, S. 804. Siehe dort A r t . 4 der Weimarer Reichsverfassung. 155 I m Zusammenhang erstmals angesprochen von Scheuner, Fs. Forsthoff, S. 335 ff. ΐ5β v g l . d a z u Schuppert, S. 114 f. 154
157 Z i t i e r t nach Schuppert, S. 97, Fn. 44. 158 Kreile, S. 88 sieht darin „das klare Bekenntnis des Verfassungsgerichts zur politischen Beurteilung einer politischen Rechtsstreitigkeit"; dem vergleichbar Spanner, Fs. Leibholz, S. 617, der darin die Befugnis erblickt, „bei der Prüfung völkerrechtlicher Verträge auch politische Gesichtspunkte heranzuziehen".
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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d a z u aus: „ W o l l t e m a n n u r eine d e m Grundgesetz v o l l entsprechende v e r t r a g l i c h e R e g e l u n g als verfassungsgemäß g e l t e n lassen, so hieße das, e i n e n verfassungsrechtlichen R i g o r i s m u s v e r t r e t e n , der sich i n d e n Satz v e r d i c h t e n ließe: Das Schlechte d a r f d e m Besseren n i c h t weichen, w e i l das Beste n i c h t e r r e i c h b a r ist. Das k a n n v o m Grundgesetz n i c h t g e w o l l t sein159." D e r M a n g e l a n a u t o n o m e r G e s t a l t u n g s m ö g l i c h k e i t i m zwischenstaatl i c h e n B e r e i c h u n d die N o t w e n d i g k e i t , sich d o r t a u f e i n e n g e m e i n s a m e n N e n n e r e i n i g e n z u müssen, zeigt, daß m a n es h i e r m i t E i g e n a r t e n staatl i c h e n H a n d e l n s z u t u n h a t , d i e n i c h t n u r a u f F ä l l e a n w e n d b a r sind, d i e sich a u f F r a g e n d e r A b l ö s u n g v o n Besatzungsrecht beziehen, sond e r n d a r ü b e r h i n a u s f ü r a l l d i e F ä l l e B e d e u t u n g besitzen, die sich i n politischer Realität u n d Verfassungsanforderung zu widersprechen scheinen 1 6 0 . Dies h a t z u r Folge, daß sich die verfassungsrechtliche B i n d u n g d e r A u s w ä r t i g e n G e w a l t n i c h t m i t der d e r a n d e r e n S t a a t s g e w a l t e n i n h a l t l i c h schlechthin gleichsetzen läßt. D e n besonderen — a u ß e r h a l b der V e r f a s s u n g u n d a u ß e r h a l b des eigenen verfassungsrechtlichen W i r kungsbereichs l i e g e n d e n — G e g e b e n h e i t e n m u ß i n angemessener Weise R e c h n u n g g e t r a g e n w e r d e n 1 6 1 . D i e d a b e i z u beachtenden G r e n z e n lassen sich jedoch n u r i n concreto e r m i t t e l n 1 6 2 .
"· BVerfGE 4, S. 157 ff. (170); vgl. ferner die Ausführungen oben i n Teil 2, 1. Abschn. D., besonders m i t den Nachweisen i n Fn. 14. 160 Vgl. dazu Schuppert, S. 99 m. w. N.; a. A . Kr eile, S. 89 f., der diesen Auslegungsgrundsatz auf den A b b a u von Besatzungsrecht beschränkt wissen w i l l , w e i l aus einer historischen Interpretation der Verfassung der Wille des Verfassungsgebers zum A b b a u des Besatzungsrechts zu entnehmen sei, der wegen „machtpolitischer Verhältnisse" keinen Ausdruck habe finden können; andere politische Realitäten u n d Zielvorstellungen hätten demgegenüber i m GG zum Ausdruck gebracht werden können u n d müssen. Die Existenz u n gewollter Lücken, auch i m GG, ist hingegen unbestreitbar, so daß dieses Argument nicht zu überzeugen vermag. Die Berücksichtigung politischer Realität darf jedoch andererseits nicht dazu führen, die Auswärtige Gewalt n u r noch Sachzwängen u n d keinen rechtlichen Grenzen zu unterwerfen, darauf weist zu Recht Tomuschat, W D S t R L 36 (1978), S. 43 m. w. N. hin. 1β1 Vgl. dazu Tomuschat, DÖV 1973, S. 804. 162 Das B V e r f G geht i n seiner Rechtsprechung deshalb folgerichtig nicht dazu über, einen an sich verfassungswidrigen Zustand hinzunehmen, sondern es schlägt den Weg ein, die Anforderungen der Verfassung an die an sie gebundenen Organe i n realistischer Weise zu modifizieren, u m somit zur Verfassungsmäßigkeit diesbezüglicher A b k o m m e n zu gelangen, vgl. dazu Schuppert, S. 97. Das B V e r f G hat dazu i m U r t e i l zum Grundlagenvertrag mit der DDR ausgeführt — BVerfGE 36, S. 1 ff. (14) —, daß „gerade i n der V e r bindung m i t der verfassungsrechtlichen Prüfung von Verträgen, . . . die sich auf Beziehungen der Bundesrepublik m i t anderen Staaten beziehen, deren schrankensetzender, also Spielraum für die politische Gestaltung lassender Charakter nicht außer Betracht bleiben darf. I n dieser Begrenzung setzt das Grundgesetz . . . auch i m Bereich der auswärtigen P o l i t i k rechtliche Schranken; das ist das Wesen einer rechtsstaatlichen Ordnung . . . "
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Teil 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
4. Zusammenfassung Von den staatlichen Organen muß verlangt werden, daß von ihnen eine Regelung ausgehandelt wird, die keine reale Möglichkeit ausläßt, um eine dem GG vollends entsprechende Lösung herbeizuführen 1 ® 3 . K o m m t das Gericht zu der Bewertung, daß zwar das Mögliche erreicht wurde, dies dennoch nicht den unaufgebbaren Anforderungen des GG gerecht wird, so muß auch die Auswärtige Gewalt, wie jede andere Staatsgewalt, an diesen Maßstäben des GG scheitern. A l l e n zwischenstaatlichen Beziehungen, mögen sie noch so dringlich und vorteilhaft erscheinen, ist dort eine Grenze zu ziehen, wo die Identität des Staates i n seinen grundlegenden Bereichen betroffen ist. Dies sind die in Art. 79 I I I GG festgelegten Grundprinzipien. Doch auch diese besitzen unterschiedliche Gewichtungen 184 . Der konkret mitzuprüfende Vertragsinhalt i n seinen beabsichtigten Folgen und Auswirkungen muß i m einzelnen den Ausschlag hierfür geben. Überschreitungen dieser unaufgebbaren Schranken können unter der Geltung des GG nicht auf legalem Wege vorgenommen werden 185 . Es fragt sich, inwieweit die hier gefundenen allgemeinen Ergebnisse auf die mittelbare Uberprüfung des EG-Rechts anhand des Zustimmungsgesetzes übertragbar sind, d. h. auf die Einhaltung der den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen Schranken. III. Die EG-Verträge
als europäische Kooperationsverträge
Es stellt wohl mehr eine rhetorische Frage dar, ob unter diese bisweilen auftretende Diskrepanz von politischer Realität und nationaler Verfassungsanforderung auch die EG-Gründungsverträge fallen, die aufgrund der Ermächtigung des Art. 24 I GG abgeschlossen wurden. Es läßt sich i n bezug auf die kooperative Tätigkeit der westeuropäischen Staaten schon hier i n globaler Form feststellen, daß auch diese als Teil außerstaatlichen Handelns, soll ihrer Staatszielbestimmung i n wirksamer 163 Die diesbezügliche Beurteilung ist jedoch weitgehend der gerichtlichen Nachprüfung entzogen, da von i h r n u r die dieser Wertung zugrundeliegenden Tatsachen u n d nicht die darauf aufbauenden Prognosen überprüft w e r den können, vgl. dazu etwa: BVerfGE 16, S. 147 ff. (167 ff.); 30, S. 250 ff. (263); 36, S. 1 ff. (14 f.); 37, S. 1 ff. (21); 38, S. 61 ff. (82); 39, S. 156 ff. (160); 39, S.210ff. (228 ff.); 48, S. 155 ff. (198); 49, S. 89 ff. (130 ff.); 50, S. 290 ff. (314, 331 ff.); vgl. ferner die umfassende Untersuchung von Ossenbühl, S. 459 ff., 496 ff. m . w . N . ; zu verweisen ist ferner auf Buchheim, S. 170 ff.; Jesch, S. 94: „Schutzfunktion f ü r den Innenraum der Gesellschaft" ; zum Ganzen ferner Schuppert, S. 36 ff. m . w . N . ; Spanner, Fs. Leibholz, S. 618 f.; Tomuschat, DÖV 1973, S. 804; a. A. Kreile, S. 89 f. 164 Evers, B K , zu A r t . 79 I I I GG, Rdnr. 151. 185 Z u diesen unumstößlichen Barrieren zählen i n jedem F a l l die i n A r t . 1 u n d A r t . 20 GG niedergelegten Grundsätze.
3. Abschn.: A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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Weise zum Ausdruck verholfen werden, insoweit von einer strengen Bindung an das GG entbunden sein muß, als es die politischen Realitäten erfordern und es die unverzichtbaren Grundprinzipien des GG gestatten. Doch bedarf diese grundsätzliche Weichenstellung für die Gründungsverträge zu den Europäischen Gemeinschaften insofern einer intensiveren Betrachtungsweise, als es gilt, sich neben der politischen Ausgangslage auch die weiteren rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten — etwa die der Grundrechtsverankerung i n der EG als dem Hauptkritikpunkt — vor Augen zu führen, und es notwendig ist, den globalen Begriff der unverzichtbaren Grundprinzipien des GG i m Rahmen dieser errichteten zwischenstaatlichen Einrichtung i n seiner spezifischen Ausgestaltung mit Inhalt zu füllen. IV. Die politischen Gegebenheiten als verfassungsrechtlich zu berücksichtigende Faktoren bei Gründung der Europäischen Gemeinschaften M i t der Errichtung der Europäischen Gemeinschaften für Kohle und Stahl sollte der Versuch unternommen werden, die zwischen Frankreich und der Bundesrepublik bestehenden Gegensätze abzubauen. Diese beruhten besonders auf dem die Bundesrepublik einseitig belastenden Vertrag vom 28. 4.1949, die Internationale Ruhrbehörde betreffend, der gegenüber der Bundesrepublik als Besatzungsrecht Geltung besaß 166 . M i t Errichtung der EGKS ging der stufenweise Abbau der Tätigkeit der Ruhrbehörde einher, deren Liquidierung am 31. 3. 1953, also acht Monate nach Inkrafttreten des Montanvertrages, abgeschlossen war 1 6 7 . Bei dem EWG- und EAG-Vertrag wurde die m i t der Errichtung der Montanunion von den Alliierten eingeschlagene politische Richtung — der Hinführung der westeuropäischen Staaten zu einer festgefügten Zusammenarbeit — unter Einbeziehung der Bundesrepublik Deutschland fortgeführt. Nach dem Scheitern des Zusammenwirkens auf m i l i tärischem Gebiet i m Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 168 , setzte man verstärkte Hoffnung darauf, die europäische Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet und damit die politische 168 Diese Ruhrbehörde ist i m Rahmen der alliierten Pläne zu sehen, die nach dem 2. Weltkrieg auf eine militärische, politische u n d wirtschaftliche Entmachtung Deutschlands abzielten, siehe dazu Badura, S. 40; Wildenmann, S. 13, 185, 263. 167 Z u m Ganzen vgl. Tobler, S. 90 f. m i t weiterführenden Literaturangaben; ferner Badura, S. 39 f. m. w. N. 168 Die französische Nationalversammlung hatte am 29./31.8.1954 dem diesbezüglichen Vertragswerk die Zustimmung versagt.
6 Eibach
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Integration vorantreiben zu können16®. Die politische Lage der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg ließ über die Notwendigkeit und die Bedeutung der europäischen Integration nie Zweifel aufkommen. Seit jeher bestand und besteht diesbezüglich ein breiter Konsens aller politischen und wirtschaftlichen Kräfte 1 7 0 . Bereits i n ihren Anfängen hatte die europäische Integration aus deutscher Sicht eine hohe politische Bedeutung, auch wenn man sich des wirtschaftlichen Instrumentariums bediente 171 . War die Bundesrepublik i n der Nachkriegszeit darum bemüht, durch die Zusammenarbeit der freien Staaten Westeuropas — m i t dem Kern eines deutsch-französischen Ausgleichs — Frieden, Freiheit und Sicherheit zu stärken und nach dem Ende der Diktatur ein freiheitlich-demokratisches Gesellschaftssystem durch den Anschluß an die westliche Staatenwelt zu festigen, u m nach der Ächtung wieder als gleichberechtigtes Glied innerhalb der Staatengemeinschaft anerkannt zu werden 1 7 2 , bestand das Ziel unserer Partner darin, „den als potentielle Gefahr empfundenen, wiedererstarkten westlichen Teil Deutschlands i n einen größeren Zusammenhang einzubinden" 178 . Die Europäischen Gemeinschaften stellen insofern nicht nur einen wirtschaftlichen Zweckverband zur Erhöhung des Lebensstandards dar, sie dienen vielmehr der Sicherung des Friedens, der Freiheit und der demokratischen Strukturen 1 7 4 , neben dem wirtschaftlichen und sozialen Ausgleich, den sie erreichen wollen. Diesen wichtigen und umfassenden Zielen dauerhaft und besser zu dienen, als es die Einzelstaaten je tun könnten, stellt die 169 v g L dazu die Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. W a h l periode, Stenographische Berichte, 200. Sitzung v o m 21.3.1957, S. 11371 ff.; auch wiedergegeben i n : Krämer, S. 8. Der Bundesrepublik w a r an ihrer E i n beziehung sehr gelegen, versprach sie sich von dieser Einbindung i n die westliche Staatenwelt, i n ihrer Anerkennung als vollwertiges M i t g l i e d einen weiteren Schritt voranzukommen. Von französischer Seite wurde sogar i n der Debatte am 16.1.1957 vor der Nationalversammlung über die E W G - u n d EAG-Verträge zum Ausdruck gebracht, daß diese hinfällig würden, w e n n Deutschland aus der Gemeinschaft ausscheide. Ausführliche Nachweise über die Entstehungsgeschichte der E W G u n d E A G siehe bei: Groeben, S. I f f . ; Küster, Gründung, S. I f f . ; ders., Von der E V G zur EWG, S. 1 ff.; Pipkorn, S. 28 ff.; Weilemann, S. 1 ff. 170 Everling, Fs. Sasse, S. 36. 171 Siehe dazu die Anweisung von Bundeskanzler Dr. Adenauer v o m 19.1. 1956, wiedergegeben i n : Weidenfeld, S. 352; ferner Hallstein, Gemeinschaft, S. 16 ff. 172 Diesbezügliche Nachweise finden sich bei Schmid , S. 417 ff., 514 ff. 173 Everling, Fs. Sasse, S. 36; vgl. ferner Monnet , Mémoires, S. 341 ff. u n d Couve de Murville, Außenpolitik, S. 238 ff. — beide zit. nach Everling, Fs. Sasse, S. 36, Fn. 6; Pipkorn, S. 31. 174 Vgl. dazu die E r k l ä r u n g des Europäischen Rates zur Demokratie v o m 7./8. A p r i l 1978, B u l l - E G 1978, Nr. 3, S. 5; abgedruckt ferner i n : Schweitzer/ Hummer, Textbuch, S. 256.
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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eigentliche m o r a l i s c h e u n d p o l i t i s c h e L e g i t i m a t i o n d e r G e m e i n s c h a f t e n — auch h e u t e noch — d a r 1 7 5 . Die Verfassungen v o n E W G u n d E A G , die gemeinsam verhandelt w u r d e n , gingen gleichfalls nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten. Die z a h l r e i c h e n M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n u n d V o r b e h a l t e gegen die V e r tragsentwürfe machten drei Konferenzen zur K l ä r u n g der Differenzen n o t w e n d i g . B e i m Z u s a m m e n t r e f f e n d e r sechs Regierungschefs u n d i h r e r A u ß e n m i n i s t e r a m 19. u n d 20. F e b r u a r 1957 i n P a r i s k o n n t e n v o n d e n bis d a h i n noch i m m e r s t r i t t i g e n F r a g e n das P r o b l e m d e r A s s o z i i e r u n g überseeischer Gebiete u n d die E i g e n t u m s f r a g e a n d e n K e r n b r e n n s t o f f e n als g e k l ä r t angesehen w e r d e n 1 7 6 . G r u n d s ä t z l i c h e verfassungsrechtliche B e d e n k e n w u r d e n v o n k e i n e r Seite v o r g e t r a g e n , sie g a l t e n v o n deutscher Seite als i n d e n G u t a c h t e n ü b e r die gescheiterte E V G g e n ü g e n d a b g e k l ä r t . V o n d e n B u n d e s t a g s d e b a t t e n w u r d e n z w e i A n r e g u n g e n a u f g e g r i f f e n , die i n d e m e n d g ü l t i g e n V e r t r a g s w e r k noch B e r ü c k s i c h t i g u n g f i n d e n k o n n t e n 1 7 7 ; m a n g i n g a l l g e m e i n v o n der V e r f a s s u n g s m ä ß i g k e i t der G r ü n d u n g s v e r t r ä g e aus. Sie e r h i e l t e n eine große Z u s t i m m u n g i m B u n d e s t a g 1 7 8 . 175 Siehe dazu auch die Rede von Alt-Bundeskanzler Schmidt auf dem dt. Katholikentag am 16. September 1978, B u l l e t i n der BReg, Nr. 101 v o m 20. 9. 1978. ne v i e r Wochen vor der Unterzeichnung der Verträge legte die Bundesregierung den vorläufigen Vertragstext dem Bundestag vor. I n dieser Debatte kamen u. a. zwar Fragen über die rechtliche Ausgestaltung der Gemeinschaften, insbesondere über ihren Zuständigkeitsumfang u n d ihre parlamentarische Kontrolle, zum Tragen, doch blieb die Verfassungsmäßigkeit außer Frage. Vgl. dazu Nachweise von Krämer, S. 6 rechte Sp. Von seiten der Bundesregierung w u r d e m i t Nachdruck hervorgehoben, daß die Errichtung der Gemeinschaften, die die Möglichkeiten direkten E i n w i r kens auf das innerstaatliche Leben aufgrund der i n den Verträgen fixierten eigenständigen Befugnisse m i t einschlössen, neben ihren wirtschaftlichen Bedeutungen einen „eminent politischen Charakter" hätten u n d große politische Möglichkeiten i n sich bergen würden, vgl. dazu die Stenographischen Berichte der 200. Sitzung des Deutschen Bundestages v o m 21. 3.1957, S. 11328 ff. Die Stellung der Gemeinsamen Versammlung, insbesondere die parlamentarische Kontrolle, w u r d e von Sprechern aller Parteien als unbefriedigend erachtet, Nachweise bei Krämer, S. 8 rechte Sp., insbes. Fn. 34. V o n der B u n desregierung wurde der Wunsch geäußert, diesbezüglich i m Laufe der Jahre Verbesserungen zu erreichen, vgl. Krämer, S. 10 rechte Sp. I n a l l diesem wurden jedoch keine verfassungsrechtlichen Hindernisse gesehen. 177 So wurde i n das Protokoll über den innerdeutschen Handel der Passus aufgenommen, daß der E W G - V e r t r a g „keinerlei Änderung des bestehenden Systems" i m Interzonenhandel erfordert, vgl. Abs. 1 des Protokolls über den innerdeutschen Handel, BGBl. 1957, T e i l I I , S. 984. B e r l i n betreffend wurde der Schlußakte der Regierungskonferenz über den Gemeinsamen M a r k t u n d über Euratom eine E r k l ä r u n g beigefügt, die bekräftigt, daß sich die Gemeinschaft dafür einsetzt u n d alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, „ u m die wirtschaftliche u n d soziale Lage Berlins zu erleichtern, seine Entwicklung zu fördern u n d seine wirtschaftliche Stabilität zu sichern", vgl. die Gemeinsame E r k l ä r u n g betreffend Berlin, BGBl. 1957, T e i l I I , S. 760.
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E i n Scheitern dieses Versuchs europäischer Zusammenarbeit hätte zunächst das Ende jeglicher europäischer Integration bedeutet. Die Folgen besonders für die Bundesrepublik waren unkalkulierbar 1 7 9 . Diese politischen Gegebenheiten können i n den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die nationalen Integrationsorgane nicht unberücksichtigt bleiben. Sie bilden vielmehr die Ausgangslage jeglicher weiteren verfassungsrechtlichen Betrachtung, d. h. die Integrationsgewalt unterlag für die zu vollziehende Westintegration einer gelockerten Grundrechtsbindung. C. Die verfassungsrechtlichen Schranken des Art. 24 I G G
Nach dem bisher Erörterten bleibt jedoch trotz der „Besonderheiten" internationaler Kooperationsverträge zu beachten, daß die Integrationsorgane keine unverzichtbaren Grundprinzipien des GG verletzen. Dies muß auch hier als Verfassungsverstoß geahndet werden, wie es das BVerfG schon i m Urteil zum Saar-Statut ausdrücklich hervorgehoben hat 1 8 0 . Das, was einem verfassungsändernden Gesetzgeber nicht erlaubt ist, darf grundsätzlich auch den i m Rahmen des Art. 24 I GG gleichfalls als verfassungsändernde Gesetzgeber auftretenden Integrationsorganen nicht erlaubt sein 181 . I. Unmittelbar
aus dem Wortlaut
des Art. 24 I GG
Dem Wortlaut des Art. 24 I GG sind keine speziellen Schranken zu entnehmen, deren Beachtung den Integrationsorganen vorgegeben ist 1 8 2 , doch muß Art. 24 I GG wie jede Bestimmung des GG so ausgelegt werden, daß er nicht gegen das „Prinzip der Einheit der Verfassung" verstößt 183 . 178 M a n w a r sich von bundesdeutscher Seite i m klaren darüber, daß w e i tere Änderungen der Verträge unter den gegebenen politischen Voraussetzungen nicht zu erreichen waren. Vgl. dazu die Nachweise bei Krämer, S. 10. 179 I n dem Abschluß der EG-Verträge sah man einen entscheidenden Schritt zum A b b a u der politischen Isolation u n d zur Stärkung der eigenen demokratischen Verfassungsstruktur. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, daß die Verfassungsmäßigkeit der EG-Verträge unter diesen Gegebenheiten nur vereinzelt i n Frage gestellt — vgl. dazu die Nachweise bei Erler, S. 45 f.; Emrich, S. 138 ff., 147 f. m. w. N. — oder verneint wurde, vgl. dazu Küchenhof f, S. 61 f.; Rupp, N J W 1970, S.353f.; F G Neustadt, DÖV 1964, S.306; vgl. i m weiteren die Nachweise bei Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 34. 180 BVerfGE 4, S. 157 ff. (170). 181 Vgl. dazu die Ausführungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. Α., bes. m i t den Nachweisen i n Fn. 96 u n d 97, ferner: Claudi, S. 208 ff. m . w . N . ; Fuß, G r u n d rechtsschutz, S. 146, 163 ff.; Schreuer, S. 248 f.; zum einzelnen F ü r u n d Wider der exakten Grenzziehung für die nationalen Integrationsorgane vgl. Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 29 ff. m. w . N., er lehnt die strikte A n w e n d u n g des A r t . 79 I I I GG zu Recht ab, darauf sei hier schon hingewiesen. 182 Vgl. dazu Zuleeg, DÖV 1977, S. 463 f.
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II. Aus dem Prinzip der Einheit der Verfassung Bei Zugrundelegen des Prinzips der Einheit der Verfassung gilt es hier zweierlei zu berücksichtigen: Zum einen muß der Entscheidung des GG für eine „offene Staatlichkeit", wie sie i n den Art. 24 bis 26 GG und i n dem Bekenntnis zu einem vereinten Europa i n der Präambel des GG zum Ausdruck gebracht wird, zu optimaler Geltung verholfen werden. Zum andern darf die gleichwertige Sorge des GG u m die Wahrung des demokratischen Rechtsstaates, wie sie besonders i n Art. 79 I I I GG ihren Niederschlag gefunden hat, nicht zur Bedeutungslosigkeit degradiert werden. Beide verfassungsrechtlichen Anliegen sind i n ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen, u m ihnen zur optimalen Geltung zu verhelfen 184 . Forderungen nach unbedingter „struktureller Kongruenz" zwischen den innerstaatlichen Hoheitsträgern i. S. v. Art. 24 I GG und der bundesrepublikanischen Verfassung 185 laufen insofern i n gleicher Weise fehl wie Thesen von der Schrankenlosigkeit des „Integrationsgesetzgebers", die i n extremer Form — soweit ersichtlich — auch nicht i n letzter Konsequenz vertreten werden 1 8 6 . Denn bei alledem ist zu beachten, daß sich die Rechtswirkungen des Gemeinschaftsrechts i m innerstaatlichen Rechtskreis m i t auf die diesbezüglichen Rechtsakte der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zurückführen lassen 187 : Grundlage dafür bildet Art. 24 I GG, der — so schon eben angesprochen — „wie jede Verfassungsbestimmung ähnlich grundsätzlicher A r t i m Kontext der gesamten Verfassung verstanden und ausgelegt werden" muß 1 8 8 . Dies bewirkt, daß Art. 24 I GG den staatlichen Organen nicht gestattet, Hoheitsrechte zu übertragen, bei deren Anwendung i m Gemeinschaftsrecht die Bürger nicht i n ähnlicher Weise geschützt sind wie i m deutschen Recht durch das Grundgesetz 189 . Doch kann das nicht 183 So u.a.: Constantinesco, Rdnr. 637; Hesse, VerfR, Rdnr. 71 ff. m. w. N.; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 49; BVerfGE 37, S. 271 ff. (279). 184 Z u m Ganzen w i r d nochmals auf Hesse, VerfR, Rdnr. 72 verwiesen; vgl. ferner Fuß, Grundrechtsschutz, S. 165. 185 Nachweise bei Emrich, S. 137. 186 Hinweise diesbezüglicher A r t finden sich bei Badura, S. 66 f. i n Fn. 126; zum Ganzen vgl. Arnold, Rechtsstaatlichkeit, S. 122 u n d Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 31. 187 Auch das Sekundärrecht k a n n seine Rechtswirkung n u r entfalten, w e i l die staatlichen Organe die Gemeinschaften m i t den entsprechenden Kompetenzen versehen haben u n d den von ihnen erlassenen Rechtsakten Entfaltungs- u n d Anwendungsfreiraum zugestehen, vgl. Constantinesco, Rdnr. 637. 188 BVerfGE 37, S. 271 ff. (279); siehe dazu auch oben unter I. die Nachweise i n den Fn. 182 u n d 183. 189 Die Übertragung von Hoheitsrechten konnte demnach nicht „vorbehaltlos" bzw. „schrankenlos" erfolgen; entscheidend ist vielmehr, w o man die Grenzlinie zieht, siehe dazu Benda/ Klein, S, 394 m, w , N. ; Gorny, S. 161 ; Zuleeg, DÖV 1975, S. 45 f.
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T e i l 3: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Primärrecht
bedeuten, daß eine unmittelbare Bindung der EG-Organe an die Grundrechte der Bundesrepublik besteht. Zum andern erklärt das GG fast ausnahmslos den Kernbestand der nationalen Grundrechte für unantastbar, so daß sich die Grenzen des Art. 24 I GG auch daran orientieren 190 und sich darüber hinaus an die vorgegebenen Notwendigkeiten für die m i t den Gründungsverträgen eröffneten Tätigkeitsbereiche anlehnen müssen 191 . So reicht verfassungsrechtlich ein den Grundrechten vergleichbarer Schutz aus. Dabei hat die verfassungsrechtliche Tradition anderer Mitgliedstaaten Berücksichtigung zu finden: Die Geschichte Großbritanniens, strenggenommen auch die Frankreichs, zeigt, daß Grundrechtsschutz ohne einen kodifizierten Katalog und Demokratie ohne eine geschriebene Verfassung rechtlichen Bestand und Effektivität garantieren können 192 . Die Forderung des BVerfG nach einem „kodifizierten Grundrechtskatalog" 1 9 8 ist demzufolge ebensowenig zwingend wie Forderungen nach einer den Grundrechten inhaltlich voll entsprechenden Absicherung auf Gemeinschaftsebene 194 . Jedoch muß ein Mindestmaß an verfassungsstaatlicher Organisation vorausgesetzt werden, i n der freiheitlich-demokratische Verhältnisse ebenso wie Freiheitsverbürgungen und »Sicherungen verankert sind, die eine Entbindung der Gemeinschaften von nationalen Grundrechten wirksam und vertretbar werden lassen 195 . Daß i m Gemeinschaftsrecht essenzielle Grundrechte geschützt werden, w i r d heute kaum noch bestritten 196 . Doch darf die Übertragung weder die Bundesstaatlichkeit noch die grundsätzliche M i t w i r k u n g der Bundesländer bei der Gesetzgebung oder die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze derart beschneiden, daß dadurch die Rechtsordnung der Bundesrepublik i n ihren Grundfesten i n Frage gestellt wird 1 9 7 . Verletzungen dieser A r t und in solchen 190
Constantinesco, Rdnr. 936. Vgl. dazu oben T e i l 3, 3. Abschn. B. I I I . u n d I V . 192 Constantinesco, Rdnr. 936; Däubler, S. 127; Dauses, JöR 1982, S. 2; Scheuner, AöR 100, S. 48. 193 BVerfGE 37, S. 271 ff. (280); Frowein, B V e r f G und GG, S.203; Pestalozza, DVB1. 1974, S. 718; Zuleeg, DÖV 1975, S. 46; — zumal auch er keinen Verfassungswandel verhindert, ebensowenig w i e eine sich ändernde Interpretation, und damit kein ein für allemal feststehender Katalog existieren kann, auch w e n n er einmal grundrechtsadäquat gewesen sein sollte. 194 Vgl. dazu Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 61 m. w . N.; Fuß, G r u n d rechtsschutz, S. 146; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 29 ff. m. w . N. 195 Grundlegende Ausführungen etwa bei Bleckmann, E u R - L b , S. 252 ff.; Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 202 ff.; Ipsen, E u R - L b , Kap. 41/1, S. 717; von Simson, Handbuch des VerfR, S. 65. 198 Ausführlich dargelegt von Pernice, Grundrechtsgehalte, insbes. die S. 15 ff., 25 ff.; Folz, Fs. Fröhler, S. 130 ff.; Pestalozza, DVB1.1974, S.719; von Simson, Handbuch des VerfR, S. 66 ff., 69 f.; Streil, Kap. 7.2.3., S. 199 f. 197 Badura, S. 74; Bleckmann, ZaöRV 35 (1975), S. 83/84; Carstens, K S E 24, S. 183; Constantinesco, S. 709 ff. m . w . N . ; Stern, StaatsR, Bd. I, § 15 I I 9 b, 191
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Ausmaßen können zur Übertretung der verfassungsrechtlich garantierten Grundstrukturen führen. Der innerstaatliche Aufbau läßt sich nur teilweise und nur i n seinen grundlegenden Teilen auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen, zumal die Gründung einer zwischenstaatlichen Einrichtung zum Scheitern verurteilt ist, wollte jeder Mitgliedstaat bei den durchaus unterschiedlichen Verfassungsstrukturen — der bundesstaatliche Aufbau der Bundesrepublik sticht als ein besonderes Merkmal ins Auge — derartige Forderungen erheben 198 . Es kann also nur darauf ankommen, daß die wesentlichen demokratischen und rechtsstaatlichen Bauelemente westlichen Demokratieverständnisses zum Schutz des Bürgers vor staatlicher W i l l k ü r in den Europäischen Gemeinschaften eine hinreichende Verankerung erfahren haben 199 . 1. Die i n Art. 79 I I I GG angesprochenen Verfassungsgrundsätze und deren Ausformung i m Recht der Europäischen Gemeinschaften Von den Gemeinschaftsverträgen ist insofern zu verlangen, daß die EG-Marktbürger nicht zu einem Spielball von Willkürakten der Gemeinschaftsgewalt werden können. Dazu muß insbesondere ein unabhängiges Gericht zur Überprüfung der Gemeinschaftsakte bestellt sein, das einen wirksamen Rechtsschutz garantiert 2 0 0 . Des weiteren darf, wie oben erwähnt, von den i n Art. 79 I I I GG aufgestellten Grundsätzen 201 S. 538 m . w . N.; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 57 m . w . N . ; Zuleeg, Der Staat, S. 29 m. w. N.; ders., DÖV 1977, S. 464. 198 Vgl. dazu Arnold, Rechtsstaatlichkeit, S. 122; Fuß, Grundrechtsschutz, S. 17 ff., 30 ff. gibt einen ausführlichen Uberblick über die Grundrechtsinhalte i n Frankreich u n d Großbritannien u n d setzt sie i n Vergleich zu denen i n der Bundesrepublik. Rengeling, EG-Magazin, S. 30 weist ferner auf die ungeschriebenen Grundrechts verbürgungen i n Frankreich h i n ; Zuleeg, EuR 1972, S. 14; Pestalozza, DVB1. 1974, S. 718: A u f eine Grundrechtskodifikation k o m m t es nicht an, auch w e n n sie wünschenswert ist. 199 So ausdrücklich u.a. Bleckmann, EuR-Lb, S. 252 m . w . N . ; vgl. ferner Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 52 m. w. N., Rdnr. 57 m. w . N., Rdnr. 94 auf Sekundärrecht bezogen; Ipsen/Nicolay sen, S. 965 betonten schon 1964, daß es bei der Beurteilung des Rechtsschutzes i n den Europäischen Gemeinschaften auf den ausreichenden Schutz der Eigensphäre des Bürgers ank o m m t u n d nicht auf die rechtstechnische Ausgestaltung dieses Schutzes. Vgl. i m weiteren auch die jüngste diesbezügliche Entscheidung des B V e r f G zu Eurocontrol, BVerfGE 58, S. 1 ff. (30 f.) m. w . N. u n d die Erläuterungen von Magiera, N J W 1985, S. 1744. 200 Arnold, Rechtsstaatlichkeit, S. 96 ff.; Fuß, Grundrechtsschutz, S. 16; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 49 ff. (53) m . w . N . ; vgl. nochmals BVerfGE 58, S. 1 ff. (30). 201 Z u r grundsätzlichen Anwendbarkeit des A r t . 79 I I I als Integrationsschranke vgl. die Ausführungen bei Erler, S. 38 ff.; Schwan, S. 80 ff. m . w . N . ; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 51 m . w . N . ; neben den bei Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 31 f t genannten Nachweisen; vgl. ferner BVerfGE 30,
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nur insoweit abgewichen werden, wie es das Zusammenwirken m i t den weiteren Gründungs- oder Mitgliedstaaten westlicher Verfassungsprägung für den Errichtungs- oder Mitgliedschaftsakt notwendig werden läßt und es für die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften, i n dem vom GG erlaubten Zweck, erforderlich ist. Eine solche Interpretation der verfassungsrechtlichen Schranken des Art. 24 I GG erweist sich als ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Integrationsbestreben und der Wahrung der rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungsstruktur des GG 2 0 2 . Anhand der i n Art. 79 I I I GG angesprochenen Verfassungsstrukturen soll kurz aufgezeigt werden, welche Entsprechungen diese i n den EGVerträgen gefunden haben. Dies kann insofern skizzenhaft erfolgen, als ganz überwiegend davon ausgegangen wird, daß die verfassungsrechtlichen Strukturen des GG in der von Art. 79 I I I GG geforderten Weise i n den Europäischen Gemeinschaften eine entsprechende rechtliche Verankerung erfahren haben 208 . a) Die demokratische
Legitimation
Die Rechtssetzungs- und sonstigen Entscheidungsbefugnisse liegen in den EG-Verträgen weitgehend bei Rat und Kommission, die nach unserem Verfassungsverständnis allenfalls mittelbar demokratisch legitimiert sind 204 . Das Europäische Parlament, das seit der ersten Direktwahl 1979 aus einer demokratischen Willensentscheidung hervorgeht, ist bisher nur als Organ geringwertiger Bedeutung i n den Entscheidungsprozessen beteiligt, das politische Gewicht seiner Stellungnahmen ist jedoch unbestritten 2 0 5 . Das Parlament hat darüber hinaus i m HausS. I f f . (Leitsatz 5 u n d S. 19 f.); 37, S. 271 ff. (279 ff., 296 ff.) bzgl. der elementaren Grundsätze des GG. Z u r Einbeziehung der Grundrechte i n die U n antastbarkeitsgarantie des A r t . 79 I I I GG allgemein vgl. Stern, JuS 1985, S. 336 ff. 202 Tomuschat, B K , zu A r t . 24 I GG, Rdnr. 79 f. 203 Statt vieler: Birke, S. 103 f.; Frowein, EuR 1983, S. 317; Fuß, G r u n d rechtsschutz, S. 16, 48 ff.; Ophüls, A W D / R I W , S. 65 ff. (69) so schon 1964; Rengeling, EG-Magazin, S.30; Scheuner, AöR 100, S.48; Stern, StaatsR, Bd. I, § 15 I I 9 d, S. 548 ff. m . w . N . ; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 66, der indirekt darauf verweist; so auch BVerfGE, 37, S. 271 ff. (277) auf die augenblickliche Lage bezogen; ferner BVerfGE 22, S. 134 ff. (144 ff.) die Meinung der beigeladenen Bundesregierung; indirekt auch BVerfGE 29, S. 198 ff.; (207 ff.); 31, S. 145 ff. (173 f.). Z u m Grundrechtsschutz i n der E G allgemein vgl. Bahlmann, S. I f f . ; Dauses, JöR 1982, S. 1 ff.; Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 1 ff. jeweils m. w . N. 204 Z u m Ganzen vgl. die umfangreiche Untersuchung von Zuleeg, Der Staat, S. 27 ff.; Frowein, EuR 1983, S. 301 ff. (305) m. w. N. 205 Harnier, Vorbem. zu den A r t . 137 bis 198 EWGV, Rdnr. 10; Zuleeg, Der Staat, S. 45 ff. sieht m i t Recht i n der D i r e k t w a h l n u r einen ersten Schritt zur weiteren Demokratisierung der EG; das EG-Parlament k a n n sich selbst keine erweiterten Befugnisse zugestehen, solche k a n n man i h m nur auf dem
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haltsrecht 1971 und 1977 entscheidende Zuständigkeiten erhalten 208 . Gleichwohl werden demgegenüber von den Europäischen Gemeinschaften Hoheitsrechte m i t innerstaatlicher Geltung ausgeübt, die einen „demokratischen Souverän" i n unserem Verfassungsverständnis vermissen lassen 207 . Insofern weisen die Europäischen Gemeinschaften ein demokratisches Defizit auf 2 0 8 . Dieses Defizit zeigt sich des weiteren darin, daß die hoheitsrechteausübenden Organe weder i n einer dem Art. 80 I GG vergleichbaren Form zur Rechtssetzung ermächtigt sind 2 0 9 noch einer dem Art. 19 I V GG v o l l entsprechenden gerichtlichen Kontrolle unterliegen 210 . Dieser Mangel an demokratischer Legitimation ist jedoch unvermeidbar, solange es keinen europäischen Gesamtstaat gibt, der sich wiederum unter den Voraussetzungen des Art. 24 I GG nicht konstituieren kann 2 1 1 . Darüber hinaus haben das Gewaltenteilungsprinzip und die demokratische Legitimation i n den EG-Verträgen Ausprägungen erfahren, die sich i n ihrer ausgewogenen Gesamtheit voll und ganz in dem von Art. 79 I I I GG festgeschriebenen Rahmen bewegen 212 . b) Die Rechtsstaatlichkeit Die Europäischen Gemeinschaften verfügen über einen rechtlich begrenzten und rechtlich normierten Zuständigkeitsbereich. Aus dem diesbezüglichen Rahmen leiten sich ihre Handlungsbefugnisse ab, die der unabhängigen Rechtskontrolle des EuGH unterliegen 213 . Des weiteWeg einer Vertragsänderung zukommen lassen (Zuleeg, Der Staat, S. 47). Vgl. dazu den Verfassungsentwurf des EG-Parlaments v o m Februar 1984, Sitzungsdokument des EG-Parlaments, Dok. I — 1200/83; vgl. ferner dazu Seeler, S. 41 ff. 206 Einzelheiten bei Heck, zu A r t . 203 EWGV, Rdnr. 2 ff.; eine diesbezügliche Fortentwicklung scheint auch weiterhin möglich, i n kleinen Schritten. 207 Vgl. Rupp, N J W 1970, S. 353 ff. (354). 208 Siehe dazu Zuleeg, Der Staat, S. 27, A n m . 3 u n d Fuß, Grundrechtsschutz, S. 163 m. w . N. 209 Frowein, EuR 1983, S. 305 f. weist darauf hin, daß eine solch vergleichbar strenge Bindung n u r i n der Bundesrepublik besteht, das deutsche Modell somit f ü r die E G kein allgemeingültiges „ V o r b i l d " sein kann. 210 Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 35; vgl. des weiteren die auch hier i n teressierenden Ausführungen i n : BVerfGE 58, S. 1 ff. (26 ff.) m. w. N. 211 Siehe dazu die Erläuterungen bei von Simson, Handbuch des VerfR, S. 66 u n d Zuleeg, DÖV 1977, S. 464. 212 Badura, S. 68 ff.; Fuß, Rechtsstaatsgedanke, S. 16 ff.; ders., Fs. Küchenhoff, S. 782 ff.; Martens, EuR 1970, S. 209 ff.; Ophüls, A W D / R I W , S. 68; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 35 m . w . N . ; Friauf, DVB1. 1964, S. 781 ff.; von Simson, DVB1. 1966, S. 653 ff.; Erler, S. 42 f.; Thieme, S. 62; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 60; Zuleeg, EuR 1972, S. 2 f f. (14); ders., Der Staat, S. 27 ff. Z u r Ausprägung des Rechtsschutzes i n supranationalen Organisationen vgl. ferner das Eurocontrol-Urteil i n : BVerfGE 58, S. 1 ff. (30). 213 Nähere Ausführungen bei Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 58; Martens, EuR 1970, S. 209 ff. (220, 226).
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ren hat i n den Verträgen eine gegenseitige Kontrolle der EG-Organe Eingang gefunden: Das Zustandekommen eines Gemeinschaftsaktes erfordert zum einen häufig ein Zusammenwirken mehrerer Organe 214 , zum andern sehen die Verträge vor, daß i n begrenztem Umfang eine gewisse Kontrolle einiger EG-Organe über andere stattfindet 2 1 5 . Eine politisch-parlamentarische Kontrolle ist jedoch nur i n Ansätzen erkennbar 2 1 6 . Die Gemeinschaftsakte, die einer umfangreichen Rechtskontrolle durch den EuGH unterliegen, weisen zwar keinen lückenlosen Rechtsschutz auf, vergleichbar dem Grundsatz des Art. 19 I V GG in unserer Verfassung, doch besitzt der EuGH ansonsten 217 eine weitergehende Zuständigkeit zur Überprüfung von EG-Rechtssatzakten, als dies i m allgemeinen i m nationalen Bereich der übrigen Mitgliedstaaten der Fall ist 2 1 8 . c) Die Sozialstaatlichkeit Die Sozialstaatlichkeit stellt i n unserer Rechtsordnung kein historisch gewachsenes Rechtsprinzip dar 2 1 9 ; sie w i r d als Abkehr von einem nur bürgerlich-liberalen Rechtsstaat verstanden, der weitgehend ein Rechtsbewahrstaat war und die bestehende Güterverteilung sicherte, statt sie i m Sinne eines sozialen Ausgleichs umzugestalten, wie es das Sozialstaatsprinzip zur Aufgabe erhebt. I n der neueren Diskussion hat das Sozialstaatsprinzip darüber hinaus besonders i n der umstrittenen Frage der Umpolung von Abwehr- in Teilhaberechte Bedeutung erlangt 2 2 0 . 214 Hier werden wiederum drei Formen unterschieden: vgl. etwa A r t . 58 E G K S V (Zustimmung); A r t . 87 I E W G V (Anhörung); A r t . 149 I E W G V (Vorschlag). 215 Vgl. etwa die Regelungen zur Budgetgewalt, A r t . 202 ff. EWGV. Die prinzipielle A u f t e i l u n g der Drei Gewalten hat auch i m Recht der E G ihren Niederschlag gefunden, darauf macht besonders Ophüls, A W D / R I W , S. 68 aufmerksam. 216 Fuß, Rechtsstaatsgedanke, S. 33 m. w. N. 217 Z u m eingeschränkten, aber dennoch ausreichenden Rechtsschutz P r i vater gegenüber normativen Rechtsakten der EG-Organe i m Gemeinschaftsrecht vgl. die ausführlichen Erörterungen von Schwarze, Fs. Schlochauer, S. 927 ff.; ferner Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 58 m . w . N . ; vgl. zu dieser Problematik allgemein die Ausführungen i n : BVerfGE 58, S. 1 ff. (26 ff.); Fuß, Grundrechtsschutz, S. 15 f. u n d Heyde, S. 1219, w o zu Recht ausdrücklich darauf hingewiesen w i r d , daß A r t . 19 I V GG einen umfassenden Rechtsschutz n u r gegenüber der deutschen an das Grundgesetz gebundenen öffentlichen Gewalt fordert, nicht aber auch gegen eine i. S. v. A r t . 24 I GG ausgehende Gewalt. 218 Badura, S. 38; Ipsen/Nicolay sen, S. 965; Martens, EuR 1970, S. 226 m . w . N . ; Ophüls, Fs. Hallstein, S. 410; Rabe, S. 23 f. (Verordnungsrecht); Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 58. Vgl. ferner die A n m . oben 188 m i t weiteren Hinweisen. 219 Z u r extremen Lückenhaftigkeit des Sozialstaatsprinzips, genannt i n den A r t . 20 I und 28 I 1 GG, vgl. dazu Schnapp, zu A r t . 20 GG, Rdnr. 16 f.
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Dieses Sozialstaatsprinzip ist i n den Europäischen Gemeinschaften kein Strukturelement 2 2 1 . Es findet aber i n abgewandelter Form i n ihnen Verwirklichung: Soweit die Entwicklungsprogramme für wirtschaftlich unterentwickelte Regionen innerhalb der EG-Staaten einen Ausgleich bewirken 2 2 2 oder gleiches Entgelt für Männer- und Frauenarbeit festschreiben 223 , kommt es zum Tragen und w i r d der Anforderung des Art. 79 I I I GG gerecht. d) Der Föderalismus — Die Mitwirkungsrechte
der Bundesländer
Der bundesstaatliche Aufbau hat i n Art. 79 I I I GG eine bestimmte Garantie durch die dort festgelegte Unantastbarkeit erfahren 224 . Eine zeitgerechte, d. h. der Bewältigung der anstehenden Probleme gerecht werdende, föderative Ordnung kann jedoch nicht nach einem vereinfachten Muster strikter Trennung von Landesrecht und Bundesrecht aufgebaut sein, sie hat vielmehr die oft übergreifenden Regelungsund Kooperationsnotwendigkeiten miteinander i n Einklang zu bringen. Verstärkt zeigt sich dies auf kommunal- und landesrechtlicher Ebene. Auch auf anderen Rechtsebenen, etwa auf der von Bund zu Land und sogar i m Rechtsbereich des Bundes zu den Europäischen Gemeinschaften treten föderative Elemente und vergleichbare Strukturen i n Erscheinung 225 . Unter diesem Blickwinkel sind die unmittelbaren Eingriffe der Gemeinschaften i n die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen — am Rande auch in die Rechtsprechungsbefugnis — der Länder zu sehen. Die Gemeinschaftserrichtung hatte darüber hinaus zur Folge, daß bestimmte Mitwirkungsbefugnisse der Länder bei Gesetzgebung und Verwaltung gegenüber dem Bund entfallen sind, so daß auch mittelbar i n den föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik eingegriffen wurde. Ein 220 Grundlegend BVerfGE 33, S. 303 ff. (330 ff. — Numerus-Clausus-Urteil), m . w . N . ; ausführlich zu diesem Problem Martens, W D S t R L 30 (1972), S. 7 ff.; ferner von Münch, GG-Kommentar, Vorbem., Rdnr. 17 bis 20; zum Ganzen ferner Schnapp, zu A r t . 20 GG, Rdnr. 16 ff. 221 Doch ist i n der Präambel zum E W G V eine diesbezügliche Zielsetzung zum Ausdruck gebracht worden, vgl. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 43 ff. (62 f.). 222 Vgl. dazu Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 37; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 59. 225 Vgl. die A r t . 117 ff. EWGV, insbes. A r t . 119 EWGV, des weiteren die Nachweise bei Streil, Kap. 13. 2. m . w . N . ; vgl. dazu auch EuGH, Rs. 149/77 (Defrenne I I I ) , Slg. 1978, S. 1365 ff. (1377 ff.). 224 Birke, S. 101; Bryde, zu A r t . 79 GG, Rdnr. 32; Evers f zu A r t . 79 I I I GG, Rdnr. 119 m. w. N.; Schwan, S. 85 f. 225 Vgl. zum Ganzen Stern, StaatsR, Bd. I, § 19 I I 8, S. 664 f.
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solcher Eingriff kann sich ferner bei Durchführungsmaßnahmen von Gemeinschaftsrecht i n legislativer und exekutiver Hinsicht ergeben 226 . Da den Bundesländern durch die Art. 2 der Zustimmungsgesetze zu den Römischen Verträgen eine normative Mitwirkungsmöglichkeit garantiert wird, überdies durch die EG-Verträge ein weiterer Ausbau der innerstaatlichen Mitgestaltungsart i n dieser Form nicht blockiert ist 2 2 7 und somit zusätzliche Ausgleichsmöglichkeiten für den eingetretenen „Verlust" geschaffen werden können 2 2 8 , sieht man die Grenzen des Art. 79 I I I GG allgemein als eingehalten an 229 . e) Die Grundrechtsgarantie Die EG-Verträge selbst enthalten keinen eigenen Grundrechtskatalog, doch sind einige Freiheiten — bezogen auf die Regelungsbereiche der Verträge — normiert worden, die einen grundrechtsähnlichen Charakter aufweisen, wie ζ. B. das Diskriminierungsverbot (Art. 7 b EGKSV, Art. 7 I EWGV, Art. 52 EAGV), die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 48 I, I I EWGV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 52 I EWGV), die Eigentumsgarantie (Art. 83 EGKSV, Art. 222 EWGV), die Koalitionsfreiheit (Art. 48 EGKSV, Art. 118 I EWGV) und das Geschäfts- und Briefgeheimnis in Art. 214 I EWGV (ähnlich Art. 47 I I EGKSV). Darüber hinausgehende Grundrechte, wie sie für ein Staat-Bürger-Verhältnis als Abwehr- und Teilhaberechte i n unserem GG zu finden sind, wurden in den EG-Verträgen nicht normiert. Des weiteren beziehen sich die i n den EG-Verträgen gewährten Grundfreiheiten auf den spezifischen Charakter und auf die andersgearteten Ziele der Verträge und können insofern nur teilweise grundrechtstypische Eigenschaften aufweisen. Dies führte zu kritischen Ansätzen unterschiedlichster A r t und zu einer fast unüberschaubaren Literaturflut. Deshalb bedarf es hier einer vertiefenden, separaten Erörterung. Zunächst soll eine kurze Zwischenbilanz gezogen werden. 226
I m einzelnen vgl. Schwan, S. 26 ff., 90 ff. A r t . 2 der Zustimmungsgesetze zu den Römischen Verträgen ist insofern vorbildlich, so Tomuschat, V V D S t R L 36 (1978), S. 38 m . w . N . ; vgl. ferner Schwan, S. 86 ff. 228 Vgl. die diesbezüglichen Ergebnisse u n d Vorschläge bei Schwan, S. 93 ff., 126 ff., 131 f.; Birke sieht aufgrund der Bundestreue die Verpflichtung der Bundesregierung, die Länderbeteiligung i m Verfahren nach A r t . 2 der Z ü stimmungsgesetze auszubauen, S. 114 f. 229 Birke, S. 130 ff.; Schwan, S. 86 ff., ferner S. 177, insbes. P u n k t 8. I n t e r essant auch der Gedanke, daß der durch A r t . 79 I I I GG festgelegte Schutzzweck der Bundesstaatlichkeit p r i m ä r sein Augenmerk auf die vertikale Gewaltenteilung legt, u m so einer Zusammenballung staatlicher Macht zum Schutz des einzelnen vorzubeugen. Dies bleibt jedoch unberührt, w e n n die den Ländern zustehenden Kompetenzen auf die Europäischen Gemeinschaften übergehen, da es nicht den innerstaatlichen, vertikalen Bereich berührt, Birke, S. 130 ff. 227
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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2. Resümee Diese i n A r t . 79 I I I G G angesprochenen G r u n d e r f o r d e r n i s s e k ö n n e n i n d e n e r ö r t e r t e n B e r e i c h e n als e r f ü l l t angesehen w e r d e n ; doch k o m m e n sie a m ehesten d a n n z u r G e l t u n g , w e n n eine K o o p e r a t i o n a u f der Basis des A r t . 24 I G G m i t d e n S t a a t e n gesucht u n d eingegangen w i r d , d i e sich z u m i n d e s t w e r t g l e i c h d e n d u r c h A r t . 79 I I I G G abgesicherten G r u n d sätzen v e r p f l i c h t e t f ü h l e n 2 3 0 . F ü r d i e Gemeinschaft besteht b e i d e r b i s h e r v o n i h r v e r f o l g t e n u n d p r o p a g i e r t e n „ P o l i t i k " a n dieser Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t d e n g r u n d r e c h t l i c h e n A n f o r d e r u n g e n auch i n Z u k u n f t k e i n e r n s t h a f t e r Z w e i f e l , z u m a l das B e s t r e b e n der E G festere K o n t u r e n e r l a n g t , b e i d e n A u f n a h m e v e r h a n d l u n g e n w e i t e r e r M i t g l i e d s t a a t e n die E n t w i c k l u n g u n d F e s t i g u n g d e m o k r a t i s c h e r S t r u k t u r e n i n diesen S t a a t e n als v o r r a n g i g e s Z i e l z u verfolgen 2 3 1 » 2 3 2 .
230 Weitere Ausführungen zu diesem Problemkreis sind bei Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 52 u n d Frowein, EuR 1983, S. 309 ff. zu finden. 231 Vgl. dazu die E r k l ä r u n g des Europäischen Rates zur Demokratie v o m 7./8. A p r i l 1978, B u l l - E G 1978, Nr. 3, S. 5; ferner die Gemeinsame Grundrechtserklärung des Europäischen Parlamentes, des Rates u n d der K o m m i s sion v o m 5. A p r i l 1977, B u l l - E G 1977, Nr. 3, S. 5; beides auch abgedruckt i n : Schweitzer/Hummer, Textbuch, S. 255 f. Das Parlament hat i n seiner E n t schließung v o m 18.1.1979 — A B l . 1979, Nr. C 39 v o m 12. 2.1979, S. 47 ff. — zu den anstehenden Erweiterungen der Gemeinschaften das Prinzip der Homogenität noch deutlicher hervorgehoben: Wahrung u n d Verteidigung demokratischer Prinzipien stellen danach eine der wesentlichen Grundlagen der Gemeinschaften dar. Bisher w u r d e n diese genannten Äußerungen u n d Entschließungen nicht näher rechtlich eingeordnet, auch sind sie noch nicht expressis verbis zur Anwendung gekommen. Gleichwohl zeigt die „Einfrierung" der AssoziationsVerhältnisse m i t Griechenland nach 1967 u n d der T ü r k e i nach 1981 deutlich diesbezügliche Ansätze (vgl. A B l . v o m 2. 6.1967, S. 2058 u n d A B l . Nr. C 101 v o m 4. 5.1981, S. 110 f.), ebenso die E r k l ä r u n g des Europäischen Parlamentes zum Putschversuch 1981 i n Spanien (ABl. Nr. C 77 v o m 6. 4.1981, S. 85 f.). 232 Die Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten k a n n sich nicht ohne das einstimmige V o t u m des Rates und der Ratifizierung dieses Erweiterungsabkommens durch alle Mitgliedstaaten gem. ihren eigenen verfassungsrechtlichen Vorschriften vollziehen. Das Veto eines EG-Staates bringt damit jede angestrebte Erweiterung zu Fall. Die einzelstaatlichen Interessen können somit w i r k u n g s v o l l zur Geltung gebracht werden, einer ungewollten E n t fremdung der Gemeinschaft kann auf diese Weise massiv entgegengesteuert werden (vgl. die A r t . 237 EWGV, 205 E A G V und 98 u n d 99 EGKSV).
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berprüfbarkeit von Primärrecht
III. Die Grundrechtsdiskussion
im Rahmen des Art. 24 I GG
1. Der fehlende Grundrechtskatalog i m Europäischen Gemeinschaftsrecht Die Europäischen Gemeinschaften verfügen über keinen eigenen Grundrechtskatalog 233 . Es muß geklärt werden, inwieweit dies unaufgebbare Grundrechtsstrukturen des GG berühren kann 2 3 4 . Die Übertragung von Hoheitsrechten, die nichts m i t dem sachenrechtlichen Vorgang einer Übertragung von dinglichen Rechten zu tun hat 2 3 5 , läßt deutlich werden, daß hierbei keine wie auch immer geartete nationale „Hypothek" an Grundrechten „automatisch" i n die eigenständigen EG-Rechtsordnungen m i t einfließen konnte 2 3 8 . Hierfür mußten entweder in den Gründungsverträgen Möglichkeiten einer Rezeption dieser A r t für die EG-Organe angelegt sein, oder eine solche Übernahme hätte sich nach Konstituierung der EG-Gewalt als diesbezüglich vollkommen eigenständig i n Erscheinung tretender Willensakt der zuständigen EGOrgane vollziehen können. Es kann auf keines der beiden verwiesen werden 237 . 2. Die Grundrechte i n der Rechtsprechung des EuGH Vom EuGH w i r d bezüglich der Beachtung grundrechtlicher Rechtspositionen i n der tragenden Entscheidung „Internationale Handelsgesellschaft" vom 17. 12. 1970 ausgeführt 238 , daß „die einheitliche Gel233 Siehe dazu die Ausführungen von Dauses, JöR 1982, S. 2 ff.; Folz, Fs. Fröhler, S. 132; Zuleeg, Fs. Schlochauer, S. 983 ff. u n d die Ausführungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . 1. e). 234 Constantinesco, Rdnr. 630 spricht i n diesem Zusammenhang von einer conditio sine qua non; es sei schon hier darauf verwiesen, daß dem P r i m ä r recht eine Anzahl von grundrechtsähnlichen Rechten angehört, vgl. die A u f zählung auf den vorhergehenden Seiten: T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . 1. e) u n d bei Folz, Fs. Fröhler, S. 132. 235 Statt vieler: Ho ff mann, DÖV 1967, S. 435 ff.; vgl. i m einzelnen die Ausführungen oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. bes. m i t den Nachweisen i n den Fn. 34 u n d 35. 236 Vgl. die Erörterungen von Fuß, Grundrechtsschutz, S. 161 f.; von Simson, Handbuch des VerfR, S. 63; so auch schon oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. bes. m i t Fn. 42. 237 Siehe die Ausführungen oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3., bes. die Fn. 37, 40 u n d 41; vgl. ferner die weiteren Ausführungen unten, Teil 3, 4. A b schn. I I I . Über die Notwendigkeit einer grundrechtsähnlichen Absicherung der Tätigkeit der Gemeinschaftsorgane besteht inzwischen k a u m noch Z w e i fel, doch über M i t t e l u n d Wege einer diesbezüglichen Absicherung gehen die Ansichten weit auseinander; siehe dazu i m einzelnen die Abhandlungen u n ten, T e i l 3, 3. Abschn. C. I I I . 3. u n d die Ausführungen von Pernice, E W G Kom., zu A r t . 164 EWGV, Rdnr. 58 ff. bei der Interpretation der E u G H Rechtsprechung zur Grundrechtsfrage. 238 EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135); vgl. ferner die i m Urteilstenor gleichlautende Entscheidung: EuGH, Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, S. 1249 ff. (1270).
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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tung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt würde, wenn bei der Entscheidung über die Gültigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane Normen oder Grundsätze des nationalen Rechts herangezogen würden. Die Gültigkeit solcher Handlungen kann nur nach dem Gemeinschaftsrecht beurteilt werden, denn dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht können wegen seiner Eigenständigkeit keine wie auch immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen, wenn i h m nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst i n Frage gestellt werden soll 230 . Daher kann es die Gültigkeit einer Gemeinschaftshandlung oder deren Geltung i n einem Mitgliedstaat nicht berühren, wenn geltend gemacht wird, die Grundrechte i n der ihnen von der Verfassung dieses Staates gegebenen Gestalt oder die Strukturprinzipien der nationalen Verfassung seien verletzt". Der EuGH fährt jedoch fort, daß „zu prüfen ist, ob nicht eine entsprechende gemeinschaftsrechtliche Garantie verankert wurde, denn die Beachtung der Grundrechte gehört zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat" 2 4 0 . Dies letztere wurde durch die Rechtsprechung des EuGH dahin gehend konkretisiert, daß als Gemeinschaftsgrundrechte nur solche Rechtsnormen in Frage kommen, die sich von Struktur und Zielsetzung her i n die EG-Rechtsordnung einfügen lassen und überdies „von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten getragen sein" müssen 241 . Hiernach w i r d der EuGH keine Maßnahme für Rechtens erkennen, die m i t den von den Verfassungen der EG-Staaten anerkannten und geschützten Grundrechten unvereinbar ist 2 4 2 . 239 Ziel der Gemeinschaften ist wie oben gesehen (Teil 2, 1. Abschn. D.) die einheitliche Anwendung des EG-Rechts i n allen Mitgliedstaaten, die anders — wegen der zwar westlich orientierten, aber dennoch i m Detail unterschiedlich ausgestalteten Verfassungsstrukturen der Mitgliedstaaten — nicht gewährleistet ist. Insofern w i r d der Charakter des EG-Rechts berührt, w e n n auch n u r h i n u n d wieder i n diesem oder jenem Mitgliedstaat die E G - N o r m i n veränderter F o r m zur Anwendung kommt. Doch k a n n dies das Gemeinschaftsrecht als solches noch nicht grundlegend i n Frage stellen, hier schießt der E u G H ein wenig über das Ziel hinaus, vgl. dazu die Ausführungen oben i n Teil 1, 1. Abschn. B. I I I . 3., insbes. Fn. 39. 240 EuGH, Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135); vgl. ferner EuGH, Rs. 29/69 (Stauder), Slg. 1969, S. 419 ff. (425); zum Ganzen vgl. auch Folz, Fs. Fröhler, S. 131 ff. 241 EuGH, Rs. 4/73 (Nold), Slg. 1974, S. 491 ff. (507). 242 EuGH, Rs. 4/73, ebenda; insofern kommen die ähnlichen Verfassungsverständnisse der EG-Staaten, ihre nicht gänzlich konträren Verfassungsstrukturen zum Tragen, von denen sich die Europäischen Gemeinschaften i n ihrer rechtlichen Abhängigkeit gelöst haben, jedoch bleibt das G r u n d verständnis von Rechtsstaatlichkeit, etc. auch i n den Europäischen Gemeinschaften darauf aufgebaut u n d w i r d als i n diesen Rahmen eingebettet verstanden.
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So sieht sich die Rechtsprechung des EuGH u. a. an die internationalen Verträge über den Schutz der Menschenrechte, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten zum Teil beteiligt waren oder denen sie mittlerweile alle beigetreten sind 243 , insoweit gebunden, als sie „Hinweise geben können, die i m Rahmen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind" 2 4 4 . Um welche konkreten Rechtssätze es sich dabei handelt, die somit neben den i n den Verträgen ausdrücklich normierten Grundrechten durch das Gemeinschaftsrecht geschützt werden, hat der EuGH i n seiner bisherigen Rechtsprechung noch nicht abschließend entscheiden können. Dies betrifft sowohl die Katalogisierung der Grundrechte als auch ihre inhaltliche Ausgestaltung 245 . Dazu zieht der EuGH all jene europäischen und nationalen Rechtsnormen als Anknüpfungspunkte für die eigene Rechtsprechung i m oben genannten Sinne heran, die durch die Tätigkeiten der Gemeinschaften tangiert werden; das gilt auch für die Ausprägung sozialer Grundrechte 246 . Damit umspannt der „Grundrechtskatalog" des EuGH all die Grundrechte, die i n einem Bezug zu den primär wirtschaftlichen und sozialen Handlungsbereichen der EG-Organe stehen, besonders das Eigentum, die Berufsfreiheit und gleiche Arbeitsbedingungen 247 ; des weiteren die allgemeinen Grundrechte wie Schutz der Privat Sphäre 248 und Anspruch auf ein „faires Gerichtsverfahren" 249. Zudem sind aus der Rechtsprechung zu dem Beamtenrecht die Grundrechte der Religions- 250 und Vereinigungsfreiheit 251 zu nennen. Der Gleichheitsgrundsatz i n seiner 243
Von Frankreich wurde die E M R K erst am 3. 5.1974 ratifiziert. EuGH, Rs. 4/73, ebenda; vgl. ferner Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 19; Folz, Fs. Fröhler, S. 134. Als Basis der Gemeinschaften prägen die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen m i t ihrem Umfeld u n d ihren S t r u k t u r - und Rechtsprinzipien das Gemeinschaftsgefüge, auch wenn keine rechtsverbindlichen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen ihnen bestehen; vgl. dazu Daig, zu A r t . 164 EWGV, Rdnr. 12; Folz, Fs. Fröhler, S. 143, der ausdrücklich von der Rechts(erkenntnis)quelle der „internationalen Verträge" spricht; Lecheler, Allg. Rechtsgrundsätze, S. 186; Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 17 m . w . N . ; EuGH, Rs. 4/73 (Nold), Slg. 1974, S. 491 ff. (507); Rs. 11/70 ( I n ternationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135); Rs. 44/79 (Hauer), S. 3727 ff. (3744 f.). 245 Z u m Ganzen statt vieler: Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 19; Folz, Fs. Fröhler, S. 132 ff.; Pernice , Grundrechtsgehalte, S. I f f . ; Rupp, Grundrechtsschutz, S. 9 ff. 24β EuGH, Rs. 149/77 (Defrenne I I I ) , Slg. 1978, S. 1365; vgl. auch A r t . 117 ff. EWGV. 247 EuGH, Rs. 4/73 (Nold), Slg. 1974, S. 491 ff. (507); Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727 ff. (3744 ff.); zum Eigentumsschutz siehe ferner Frowein, Fs. K u t scher, S. 189 ff. 248 EuGH, Rs. 136/79 (National Panasonic), Slg. 1980, S. 2033 ff. (2056 f.). 24 » EuGH, Rs. 98/79 (Pecastaing), Slg. 1980, S. 691 ff. (711 ff.). 250 EuGH, Rs. 130/75 (Prais/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff. (1599). 251 EuGH, Rs. 175/73 (Gewerkschaftsbund), Slg. 1974, S. 917 ff. (925); der E u G H hat sich hier jedoch ausdrücklich auf A r t . 24 des Beamtenstatuts bezogen. 244
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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überragenden Bedeutung hat i n mehreren Entscheidungen seine Konkretisierung erfahren 252 . Wie diese ungeschriebenen Grundrechte ins EG-Recht Aufnahme finden, ob durch Lückenschließung oder durch andere Rechtserzeugung, kann anhand der Rechtsprechung des EuGH nicht eindeutig beantwortet werden und ist auch i n der Literatur umstritten 2 5 3 . Es sei kurz erwähnt, daß aus rechtsdogmatischen Überlegungen heraus zu dem Ergebnis zu kommen ist, daß der EuGH erlaubterweise diese Grundrechte kreiert 2 5 4 . Indem er sie zur Entscheidungsgrundlage werden läßt, hebt er sie über die Rechtsebene der an ihr geprüften Norm hinaus. Seine Befugnis, i n dieser Weise rechtserzeugend tätig zu werden, ist aus den Art. 164 EWGV, 136 EAGV und 31 EGKSV abzuleiten 255 . Entscheidend ist, daß bei der Konkretisierung der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte die mitgliedstaatlichen Normierungen und die diesbezüglichen internationalen Verträge — unter Beachtung der Selbständigkeit, der besonderen Struktur und Zielsetzung des Gemeinschaftsrechts — den Ableitungszusammenhang bilden und insofern nicht losgelöst von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten vonstatten gehen. Dabei sollte es selbstverständlich sein, daß die Ausgestaltung dieser gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte auch nach den spezifischen Bedürfnissen der EG-Rechtsordnungen vorgenom252 U. a. EuGH, Rs. 130/75 (Prais/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff. (1599); Rs. 149/77 (Defrenne I I I ) , Slg. 1978, S. 1365; Rs. 1322/79 (Auslandszulage), Slg. 1981, S. 127 ff. (138); nicht zuletzt i n der erst auszugsweise veröffentlichten E n t scheidung des EuGH, Rs. 293/83 v o m 13. 2.1985 (Gravier/Stadt Lüttich) bzgl. der Studiengebühren, N J W 1985, S. 2085 ff. 253 F ü r eine erlaubte Rechtssetzung sehen es etwa Schwarze, Befugnis, S. 223 ff., 236 ff. u n d Stadler, S. 133 ff. an. Als Aufgabe i m Rahmen einer Lückenfüllung w i r d es zum Beispiel von Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 26 gesehen. Z u m Ganzen vgl. Pernice , Grundrechtsgehalte, S. 212 ff. m . w . N . ; ders., EWG-Kom., zu A r t . 164 EWGV, Rdnr. 57 ff. spricht sogar von einer denkbaren Rezeption der nationalen Grundrechte durch den EuGH. Dies stößt jedoch besonders dann auf rechtsdogmatische Schwierigkeiten, w e n n man bedenkt, daß der E u G H bei seiner diesbezüglichen Rechtsprechung die so gefundenen Grundrechte den spezifischen gemeinschaftsrechtlichen Gegebenheiten anpaßt u n d dabei i n unterschiedlicher Intensität auf die Ausformung des Grundrechts i n diesem oder jenem Mitgliedstaat zurückgreift, somit keine Einheitlichkeit erkennen läßt. 254 w i r haben zu Beginn der Erörterungen dieses Teils festgestellt, daß die EG-Rechtsordnungen über keinen geschriebenen Grundrechtskatalog verfügen. Wenn insofern eine Lücke besteht, kann sie v o m E u G H n u r durch Rechtsschöpfung geschlossen werden, insofern k o m m t n u r eine erlaubte „ E r findung" u n d keine „ F i n d u n g " von Grundrechtsnormen i n Betracht. Den dafür gangbaren Weg über die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten etc. haben die A r t . 215 I I EWGV, 188 E A G V vorgezeichnet. 255 Z u der Lückenschließungstätigkeit des E u G H vgl. Lecheler, Allg. Rechtsgrundsätze, S. 189 ff., 193 ff., 199; Pernice , Grundrechtsgehalte, S. 42 ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 187 f.
7 Eibach
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berprüfbarkeit von Primärrecht
men werden und den hier vorliegenden Besonderheiten anzupassen sind 256 . 3. Die Weiterentwicklung der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsstrukturen a) In der Rechtsprechung des EuGH Die Konkretisierung und der weitere Ausbau gemeinschaftsrechtlicher Grundrechtsbestimmungen setzt sich besonders i n der Rechtsprechung des EuGH kontinuierlich fort 2 5 7 . Der Erwähnung bedürfen hier etwa 2 5 8 die Konkretisierungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 259 , des Gebotes des rechtlichen Gehörs 260 , der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes 261 , daneben die Pflicht zur Begründung hoheitlicher Maßnahmen 262 und das Verbot der Doppelbestrafung 263 . b) Außerhalb der Normierung
durch den EuGH
Die Entwicklung seit Mitte der 70er Jahre verdeutlicht, daß auch bei den übrigen EG-Organen eine wachsende Grundrechtssensibilität zu beobachten ist, die sie für den Ausbau einer m i t Grundrechten versehenen Verfassungsstruktur der Europäischen Gemeinschaften eintreten läßt. Man w i l l es nicht mehr nur m i t der bisherigen Verankerung hauptsächlich durch die Rechtsprechung des EuGH bewenden lassen und t r i t t m i t diesbezüglichen Erklärungen und Entschließungen hervor. I n diesem Zusammenhang sind die Gemeinsame Erklärung der Gemeinschaftsorgane vom 5. A p r i l 1977 zu nennen 264 , die Erklärung des Europäischen Rates zur Demokratie 2 6 5 , die Entschließung des Europäischen Parlamentes zum Ausbau des Grundrechtsschutzes 268 vom 16. November 1977, das Memorandum der Kommission, i n dem der Beitritt der Gemeinschaften zur Europäischen Menschenrechtskonvention befürwortet 258
So auch Tomuschat, B K , zu A r t . 24 I GG, Rdnr. 61 m. w. N. Streil, Kap. 7.2. 3., S. 119 f. weist besonders auf die Orientierung an den i n der E M R K niedergelegten Grundsätze h i n ; Folz, Fs. Fröhler, S. 135 belegt dies m i t der weiteren Konsolidierung der EuGH-Rechtsprechung, m.w.N. i n A n m . 36. 258 Z u m Ganzen vgl. Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 44 ff. m. w. N.; Folz, Fs. Fröhler, S. 133 ff.; Pernice , Grundrechtsgehalte, S. 15 ff. 259 EuGH, Rs. 114/76 (Bela-Mühle), Slg. 1977, S. 1211 ff. (1221); Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727 ff. (3745 ff.). 280 EuGH, Rs. 42 u n d 49/59 (Snupat), Slg. 1961, S. 109 ff. (140 ff.); Rs. 98/79 (National Panasonic), Slg. 1980, S. 2033 ff. (2058). 281 EuGH, Rs. 1/73 (Westzucker), Slg. 1973, S. 723 ff. (729 ff.); Rs. 98/78 (Racke), Slg. 1979, S. 69 ff. (86); Rs. 99/78 (Decker), Slg. 1979, S. 101 ff. (111). 282 EuGH, Rs. 8 bis 11/66 (NCA), Slg. 1967, S. 99 ff. (125). 283 EuGH, Rs. 7/72 (Boehringer), Slg. 1972, S. 1281 ff. (1290 f.). 284 Quelle: B u l l - E G 1977, Nr. 3, S. 5. 285 V o m 7./8. A p r i l 1978, B u l l - E G 1978, Nr. 3, S. 5. 288 A B l . 1977, Nr. C 299, S. 27 f. 257
3. Abschn.: A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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wird 2 0 7 , und nicht zuletzt der Vertragsentwurf 2 6 8 des Europäischen Parlamentes zur Gründung einer Europäischen Union vom 14. Februar 1984, der als Grundrechte aller Bürger der Union die gemeinsamen Verfassungsgrundsätze der Mitgliedstaaten und die Grundrechtsgehalte der EMRK festschreiben w i l l 2 6 9 . c) Die Lösungsansätze in der Rechtswissenschaft Die diesbezüglichen Auffassungen über einen Grundrechtsschutz innerhalb der Europäischen Gemeinschaften divergieren derart, daß sich noch keine durchgreifende Entwicklung abzeichnen läßt 2 7 0 , wobei der Wunsch nach einer Verfestigung der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte überwiegend geteilt wird 2 7 1 . Die Spannweite ist weit gestreckt und schließt die Forderung von Grundfreiheiten der EG-Bürger i n und gegenüber den Mitgliedstaaten m i t ein 2 7 2 . Zugleich w i r d an die Pläne einer politischen Einigung Europas angeknüpft 273 . Auch fordert man der Praktikabilität wegen Beschränkungen auf einen Mindeststandard klassischer Grundrechte; i m Gegensatz dazu steht das Verlangen nach Einbeziehung von Teilhabe- und Leistungsrechten 274 . Die Forderung nach allgemeiner Geltung der Gemeinschaftsgrundrechte 275 läßt deutlich werden, daß sich der Grundrechtsschutz innerhalb der Gemeinschaften nicht nur auf die aktuellen Probleme des gegenwärtigen Grundrechtsverständnisses bezieht, sondern sich darüber hinaus auf Grundfragen der Gemeinschaftsstruktur erstreckt 276 . Die vom EuGH i n seinen Entscheidungen zugrundegelegten Grundrechte beziehen sich bislang allein auf Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane. Der Grundrechtsschutz gegen Rechtsakte der Mitgliedstaaten m i t gemein267 V o m 10. A p r i l 1979, B u l l - E G , Beilage 2/79; zum Verhältnis des G r u n d rechtsschutzes der E M R K zu dem des E W G V siehe Soerensen, S. 32 ff. 288 Z u m V o r e n t w u r f des Vertrages siehe Sitzungsdokument des Europäischen Parlamentes, Dok. I - 1200/83; zur synoptischen Gegenüberstellung des Entwurfes v o m 14. Februar 1984, vgl. Pfennig/Eckes, S. 211 ff. (mit der Gegenüberstellung des Entschließungsantrages über die Ausarbeitung einer Europäischen Verfassung — E V P - A n t r a g vom 26.9.1983); vgl. ferner dazu Seeler, S. 41 ff. 269 Hier A r t . 4 des Entwurfs, vgl. dazu Pernice, EuR 1984, S. 129 f.; Seeler, S. 43. 270 Vgl. i m einzelnen die Nachweise bei Bahlmann, S. I f f . ; Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 64 ff.; Zuleeg, Fs. Schlochauer, S. 985 ff. 271 Vgl. dazu B u l l - E G , Beilage 5/76, S. 10f. m . w . N . ; Sasse, Grundrechtsschutz, S. 51 ff.; zum Ganzen Bahlmann, S. 1 ff. 272 So auch das Europäische Parlament i n seiner Entschließung v o m 11. N o vember 1977, A B l . 1977, Nr. C 299, S. 27 f. 273 Vgl. dazu Bieber, S. 338 ff. 274 Siehe dazu Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 2. 275 d . h . ein Geltungsanspruch, der sich auch auf die Mitgliedstaaten u n d deren Rechtsordnung erstrecken soll. 276 Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 3.
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schaftsrechtlichem Bezug liegt daher nach wie vor bei den hierfür zuständigen nationalen Instanzen 277 . d) Probleme grundsätzlicher
Art
A l l e Vorschläge sind nicht ohne Beseitigung mehr oder weniger großer Schwierigkeiten materiell-rechtlicher oder verfahrenstechnischer A r t verifizierbar. So brächte der von der Kommission befürwortete und auch sonst i n der Wissenschaft vielfach favorisierte Beitritt der Gemeinschaften zur Europäischen Menschenrechtskonvention zwar den Vorteil der schriftlichen Fixierung eines Grundrechtskataloges m i t sich, der damit die rechtsstaatliche Stellung der EG stärken würde 2 7 8 , doch sind einige Grundrechte der Konvention nicht ohne weiteres auf die meist wirtschaftlichen Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaften übertragbar 2 7 9 , so daß eine gewisse Modifizierung vonnöten wäre 2 8 0 . Überdies erscheint die Zulässigkeit des Beitritts unter den Voraussetzungen des Art. 235 EWGV rechtlichen Bedenken ausgesetzt. E i n solcher Beitritt läßt sich nur m i t Schwierigkeiten auf A r t . 235 EWGV stützen, er verlangt ein einhelliges Votum der Mitgliedstaaten i. S. d. Vertragsänderungsverfahrens gem. Art. 236 EWGV 2 8 1 . Dies ist besonders dann vonnöten, wenn man davon ausgeht, daß sich m i t einer solchen Grundrechtsverankerung auch die Möglichkeit einer Grundrechtskontrolle der Mitgliedstaaten durch die Gemeinschaften ergibt 2 8 2 .
277 Dies k a n n jedoch i m Widerspruch zur sonstigen umfassenden Geltung des Gemeinschaftsrechts stehen, vgl. dazu Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 73; vgl. zu dieser Forderung des Gemeinschaftsrechts nach uneingeschränkter Geltung u n d Wirkungsentfaltung auf allen mitgliedstaatlichen Rechtsebenen die ausführlichen Erörterungen i n T e i l 5, 3. Abschn. Β . I I . 2. 278 Vgl. dazu Sasse, Grundrechtsschutz, S. 63; Streil, Kap. 7.2.3., S. 200 m. w. N.; zum Ganzen vgl. Folz, Fs. Fröhler, S. 127 ff. 279 Doch w i r d i n der Zusammenfassung am Ende zu Recht darauf verwiesen, daß es sich beim heutigen Stand der Gemeinschaften n u r noch u m w e nige Rechte handelt, die, i n der E M R K niedergelegt, von den Europäischen Gemeinschaften nicht tangiert werden können, w i e das Recht auf Leben, das Verbot der Folter u n d der Sklaverei sowie die fehlende Strafgewalt, w i e sie i n den A r t . 2 und 3 der E M R K vorausgesetzt w i r d , Folz, Fs. Fröhler, S. 143. Beispiele gemeinschaftsrechtlicher Relevanz der E M R K siehe bei Ehlermann/ Noel, S. 693 ff.; Folz, Fs. Fröhler, S. 135 ff. 280 Frowein, Grundrechte, S. 4 ff.; ders., Grundrechtsprobleme, S. 730 ff. So bzgl. der Beitritts- u n d Mitarbeitsmöglichkeiten von zwischenstaatlichen Gemeinschaften, auch bzgl. der Unterstellung des E u G H unter die Gerichtsbarkeit der i n der E M R K vorgesehenen Verfahren, vgl. dazu i m einzelnen Sasse, Grundrechtsschutz, S. 60 f. 281 Dies hat das Europäische Parlament i n seiner Entschließung vom 16. November 1977 m i t einbezogen, A B l . 1977, Nr. C 299, S. 27 f. (Ziffer 2). 282 Ehlermann/ Noel, S. 698 f. schlägt insofern vor, den B e i t r i t t von v o r n herein auf die A r t . 235 u n d 236 E W G V zu stützen.
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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Einige der angesprochenen Probleme versucht man dadurch zu umgehen, daß man statt des Beitritts zur EMRK die Aufstellung eines eigenen — der EMRK angelehnten — Grundrechtskataloges für die Gemeinschaften fordert 2 8 8 . Die konkrete Ausgestaltung stößt hingegen auf ähnlich hohe Hürden 2 8 4 : Der demokratischen Legitimation wegen soll das Europäische Parlament m i t der Ausarbeitung dieses Grundrechtskataloges befaßt werden; dies kann es zwar aufgrund der i h m zustehenden Parlamentsautonomie tun 2 8 5 , doch muß dessen Verbindlicherklärung die gleichen Hürden, wie oben angesprochen, nehmen (Art. 235, 236 EWGV) 2 8 8 . I m Bewußtsein all dieser Schwierigkeiten 287 werden statt einer materiellen Grundrechtsverankerung lediglich Verbesserungen des formellen Grundrechtsschutzes für angebracht und ausreichend erachtet 288 : die Zulassung einer Grundrechtsbeschwerde zum EuGH 2 8 9 oder die Verpflichtung des EuGH, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte grundrechtsbezogene Fragen zur Auslegung vorzulegen 290 . Beides zieht wiederum umfassende Vertragsänderungen nach sich 291 . Die Eröffnung eines Rechtsweges zur EMRK muß des weiteren die bisher nicht gegebene Parteifähigkeit 2 9 2 der Europäischen Gemeinschaften und die diesbezüglich fehlende Klagelegitimation 2 9 3 i n der EMRK beseitigen. Die 283 Die möglichen Formen bei Abwägung ihrer V o r - u n d Nachteile sind u. a. von Ehlermann/Noel, S. 689 ff. ausführlich erörtert worden, m. w. N. 284 So w i r d von Sasse, Grundrechtsschutz, S. 60 eine feierliche Grundrechtserklärung des Europäischen Parlamentes favorisiert, die von den anderen EG-Organen als verbindlich anzusehen ist. I h r e Verbindlichkeit ergibt sich daraus jedoch noch nicht. A n diese E r k l ä r u n g w i r d der weitergehende Wunsch geknüpft, m i t i h r über den i n den Mitgliedstaaten bzgl. der sozialen u n d umweltpolitischen Bereiche oft als zu eng empfundenen Grundrechtskatalog hinausgehen zu können. E i n solcher E n t w u r f soll zugleich als Anstoß zu einer gemeinsamen Verfassungsentwicklung i n Europa verstanden w e r den. 285 Vgl. dazu Pernice, EuR 1984, S. 134 ff., er spricht von einer bloßen p o l i tischen Stellungnahme des Europäischen Parlamentes u n d hat dabei das Einbringen des Vertragsentwurfes v o m 14. Februar 1984 zu einer Europäischen Union i m Auge. Z u r Parlamentsautonomie allgemein vgl. EuGH, Rs. 230/81 (Luxemburg/Parlament), Slg. 1983, S. 255 ff. (287). 286 Glaesner, S. 123; a.A. w o h l Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 69 (Fn. 250); zum Ganzen vgl. Zuleeg, Fs. Schlochauer, S. 983 ff. 287 Vgl. zum Bereich der Beitrittsverhandlungen der EG zur E M R K Glaesner, S. 122. 288 So Capotorti, S. 725; Frowein, EuR 1983, S. 317. 289 Capotorti, S. 725. 290 Sperduti, Brüssel 1981, S.47ff.; ders., R M C 1980, S. 170. 291 Betroffen wären die A r t . 164 ff. u n d 219 EWGV, vgl. dazu auch Glaesner, S. 122 f. Es müßte das Vertragsänderungsverfahren gem. A r t . 236 E W G V eingeschlagen werden, d. h. es ist eine Ratifikation i n den Mitgliedstaaten erforderlich. 292 Vgl. A r t . 44 E M R K . 293 Vgl. A r t . 48 E M R K .
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T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
damit verbundene Änderung der entsprechenden Vorschriften hätten alle 21 Unterzeichnerstaaten der EMRK zu ratifizieren 294 . e) Resümee Es ist unschwer zu erkennen, daß eigentlich kein i n der Rechtswissenschaft angebotener Lösungsvorschlag geeignet ist, zu einer schnellen, umfassenden und eindeutigen Verbesserung des Grundrechtsschutzes i n der EG zu gelangen 295 . Ein schnelles Ende dieses Diskussionsprozesses kann — u m eines wirksamen Grundrechtsschutzes w i l l e n — jedoch nicht auf einem nur kleinen gemeinsamen Nenner fußen 296 . Die Forderung des BVerfG nach einem von einem frei gewählten Parlament zu verabschiedenden Grundrechtskatalog erscheint aus dem staatsrechtlichen Blickwinkel einer Verankerung von Grundrechten innerhalb der EG konsequent und politisch wünschenswert 297 , doch aufgrund der Ausgangslage und der mannigfach dabei zu überwindenden Schwierigkeiten eben kaum realisierbar 298 . Was den EG-Organen aufgrund der ihnen mitgegebenen Kompetenzen i n diesen Bereichen ermöglicht war, haben sie i n Angriff genommen und zum Teil schon weitgehend bewältigt. Forderungen an die EG-Rechtsordnungen i. S. d. Solange-Entscheidung 2 9 9 gehen an den Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Gemeinschaften vorbei. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die die bundesdeutsche Rechtsordnung an den nationalen Integrationsgesetzgeber stellt, entspricht die bisherige Ausformung des Grundrechtsschutzes i n der Gemeinschaft, er steht materiell i n weiten Teilen nicht hinter den vom GG geschützten Grundrechten zurück 890 . 4. Zusammenfassende Betrachtung Die Grundrechtssensibilität aller EG-Organe hat — besonders seit Mitte der 70er Jahre — erheblich zugenommen. I n der Rechtsprechung des EuGH ist dies i n rechtlich verbindlicher Form, i n einigen Erklärungen der übrigen EG-Organe i n politischer Manifestation deutlich zum Ausdruck gekommen 801 . Nach Lösungen eines weiteren Ausbaus w i r d 294 Z u r Problematik des Beitritts der E G zur E M R K vgl. nochmals Frowein, Grundrechtsprobleme, S. 736 ff.; Folz, Fs. Fröhler, S. 141 f. 295 Vgl. dazu Becker, S. 539; ferner Dauses, JZ 1980, S. 297 f. m . w . N . 296 Sasse, Grundrechtsschutz, S. 57. 297 Ebd., S. 54; Zuleeg, DÖV 1975, S. 46. 298 Siehe dazu Zuleeg, Fs. Schlochauer, S. 988 ff. 299 BVerfGE 37, S. 271 ff. (285). 800 Vgl. dazu die Erörterungen oben, T e i l 3, 3. Abschn. Β I I I . u n d C. I I . 1.; ferner Folz, Fs. Fröhler, S. 131 ff.; Fuß, Vertrauensschutz, S. 210; Pestalozza, DVB1. 1974, S. 719; ders., VerfassungsprozeßR, S. 20 f. m . w . N . 301 Diese können aufgrund der Selbstbindung der EG-Organe oder aufgrund gewohnheitsrechtlicher Übung durchaus zur Rechtsverbindlichkeit erstarken.
3. Abschn. : A r t . 24 I GG als Verfassungsmaßstab
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ernsthaft gesucht, sie gestalten sich jedoch alle als ein politisch schwieriger und damit als ein meist langwieriger Prozeß 302 . A l l e Vorschläge, die einer weiteren Verbesserung des grundrechtlichen Schutzes des Marktbürgers dienen, sind zu begrüßen und ausführlichen Erörterungen zuzuführen. Die Gemeinschaftsverträge werden darüber hinaus den grundrechtlichen Anforderungen des GG an die nationalen Integrationsorgane der Bundesrepublik gerecht, w e i l sie sich einem weiteren Ausbau des Grundrechtsschutzes nicht verschließen und für eine Kontinuität i n diesen Grundstrukturen Sorge tragen. Der Grundrechtsschutz als solcher erfährt durch die Rechtsprechung des EuGH eine fortschreitende Entfaltung 8 0 3 und ist insofern zu einem Bestands- und Vertrauensschutz auf Rechtskontinuität herangereift 804 . Der EuGH befindet sich nicht mehr i m Stadium einer pauschalen Bezugnahme auf die Grundrechte allgemein, sondern konkretisiert die rechtliche Verfestigung einzelner Grundrechtspositionen 805 . Seine Rechtsprechung hat i n diesem Sinne gefestigte Konturen erlangt 3 0 6 . Bei aller sich noch zeigenden Unzulänglichkeit der Rechtsprechung des EuGH bleibt festzuhalten, daß die m i t vielen rechtsquellendogmatischen und verfassungspolitischen Problemen belastete Frage der Grundrechtsverankerung i m Gemeinschaftsrecht zur Zeit nur durch die rechtschöpfende Judikatur des EuGH gelöst werden kann und daß i m einzelnen dazu von i h m sehr Konstruktives und an den grundrechtlichen Maßstäben gemessen in hohem Maße Übereinstimmendes kreiert wurde 8 0 7 . Sieht man sich die den europäischen Marktbürger tangierenden europarechtlichen Regelungen an, die vor allem die freie wirtschaftliche Betätigung, die freie Berufsausübung und das Eigentum betreffen, ist festzustellen, daß der EuGH dazu bereits Wichtiges ausgeführt hat808» 8 0 9 . Nach völlig unangefochtener Auffassung w i r d das Gemein302 Siehe dazu Pescatore , Grundrechtsschutz, S. 70 ff.; Sasse, Grundrechtsschutz, S. 56 ff.; Zuleeg, Fs. Schlochauer, S. 983 ff., der auch die unterschiedlichen Schwierigkeiten i n den einzelnen Mitgliedstaaten anspricht. 303 Es sei hier n u r an die Zusammenstellung i n der Beilage 5/76 zum B u l letin der E G verwiesen; vgl. dazu Fuß, Vertrauensschutz, S. 208 f.; Scheuner, AöR 100, S. 48. 304 Vgl. dazu Fuß, Vertrauensschutz, S. 214. so« Fr owein, Grundrechtsprobleme, S. 730; vgl. ferner dazu die Zusammenstellung bei Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 186 ff.; Nicolay sen, S. 17 ff. m i t ausführlicher Literaturangabe; Folz, Fs. Fröhler, S. 135 m. w . N. 306 Folz, Fs. Fröhler, S. 135, 142 f.; Hilf, Grundrechte, S. 23ff., 30f.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 186 ff. (189), die insoweit die Rechtsprechung des E u G H analysieren. Der E u G H w i r d i n seiner Rechtsprechung keine grundlegende Tendenzwende vollziehen, solange i h m keine anderen Maßstäbe vorgegeben werden, vgl. dazu Streil, Kap. 7.2.3., S. 200; EuGH, Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727 ff. (3745). 307 So auch Fuß, Vertrauensschutz, S. 210; Zuleeg, D Ö V 1975, S. 46. 308 Bleckmann, ZaöRV 35 (1975), S. 83; Folz, Fs. Fröhler, S, 131 ff.; Fuß,
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T e i l 3: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Primärrecht
schaftsrecht, obgleich ihm vergleichbare Regelungen des GG fehlen, von wertgleichen Prinzipien eines freiheitlichen Rechtsstaates beherrscht 310 . Daneben sei nochmals erwähnt, daß die Verträge selbst eine Reihe von Rechten gewähren, die ihrem Inhalt und ihrer Wirkung nach als spezifische Grundrechte der Gemeinschaften zu verstehen sind, weil sie nicht nur gegenüber den Gemeinschaftsorganen, sondern überdies auch gegenüber den Mitgliedstaaten unmittelbare Geltung besitzen 311 , auf die sich der einzelne auch vor innerstaatlichen Gerichten berufen kann 3 1 2 . Das Eingebundensein i n die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, zum anderen die Notwendigkeit kooperativer Zusammenarbeit der demokratischen Staaten Westeuropas, das stetige Bemühen und die erreichten Verbesserungen i m Grundrechtsschutz führen zu dem Ergebnis, daß von einer grundrechtswidrigen Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäischen Gemeinschaften weder gesprochen werden konnte noch eben gesprochen werden kann. Die Abweichungen i n den Verfassungsstrukturen der Europäischen Gemeinschaften von denen der Bundesrepublik Deutschland halten sich i n den von Art. 24 I i. V. m. Art. 79 I I I GG den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen Schranken. Ein von einem demokratisch legitimierten Parlament verabschiedeter und den deutschen Grundrechten völlig adäquater Grundrechtskatalog stellt i n diesem Sinne keine conditio sine qua non dar 3 1 3 . Vertrauensschutz, S. 210; ders., Grundrechtsschutz, S. 147; Streil, Kap. 7.2.3., S. 200. 309 I n der Solange-Entscheidung (BVerfGE 37, S. 271 ff., 288 ff.) w i r d v o m B V e r f G somit zu Recht darauf verwiesen, daß die zur Prüfung vorgelegte gemeinschaftsrechtliche Kautionsregelung nicht m i t Grundrechtsnormen des GG kollidiert. Dies w a r insofern zu erwarten, als die Maßstäbe materiellrechtlich gesehen die gleichen sind, die vom E u G H u n d v o m BVerfG an die Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung angelegt werden, u n d man so zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommen mußte, das v o m E u G H her aufgrund einer Vorabentscheidung gem. A r t . 177 E W G V dem B V e r f G vorlag. 310 Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 188 f. 311 Folz, Fs. Fröhler, S. 132 ff.; Nicolay sen, § 3, S. 21 f.; zum Ganzen siehe Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 1 ff.; vgl. ferner die Aufzählung bei Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 186 ff. 312 Diese Ausweitung ihrer unmittelbaren Geltung sieht der E u G H nach dem Ende der Übergangszeit besonders f ü r a l l jene Normen des EG-Rechts als gegeben an, die sich m i t der Schaffung einer gemeinsamen Marktorganisation für Agrar-Produkte befassen: Eine bei I n k r a f t t r e t e n des E W G V bestehende einzelstaatliche M a r k t o r d n u n g hat danach n u r bis zum A b l a u f der Übergangszeit Ausnahmen von den allgemeinen Vertragsregeln v o r sehen können, vgl. dazu Wägenbaur, Vorbem. zu A r t . 30 bis 37 EWGV, Rdnr. 15 ff. Seit Ende der Übergangszeit, d. h. zum 1.1.1970, sind f ü r die l a n d wirtschaftlichen Erzeugnisse, soweit sie den Vorschriften der gemeinsamen Marktorganisation unterliegen, die A r t . 30 ff. E W G V i n vollem Umfang anwendbar, vgl. dazu EuGH, Rs. 48/74, Slg. 1974, S. 1383 ff. (1394 ff.). Vgl. i m weiteren die Aufstellung der EG-Bestimmungen, f ü r die der E u G H die u n mittelbare innerstaatliche Anwendbarkeit bejaht, bei Nicolay sen, § 2 I I , S. 8 ff., bes. S . l l .
4. Abschn.: Uberprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
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D. Fazit
Art. 24 I GG, als die für die Übertragung von Hoheitsrechten spezifische Rechtsnorm, modifiziert zugleich die von den nationalen Integrationsorganen zu beachtenden Verfassungsschranken. Dies sind die i n Art. 79 I I I GG auf ihre Wesenszüge reduzierten und den spezifischen Bedürfnissen der Gemeinschaften angepaßten integrationsfesten Verfassungsgrundzüge. Die Grundrechtsverankerung und -verbürgung i n den Rechtsordnungen der Europäischen Gemeinschaften, die seit der Ratifizierung der Gründungsverträge — besonders seit Mitte der 70er Jahre — eine stetige Verbesserung erfahren, erfüllen i n ihrer Gesamtschau und ihrer kontinuierlichen Weiterentwicklung die verfassungsrechtlichen Grundanforderungen, denen sich die nationalen Integrationsgesetzgeber ausgesetzt sehen 314 . Das, was aus den Verträgen heraus von den EG-Organen — insbesondere vom EuGH — zur Vervollkommnung rechtlich möglich und politisch durchsetzbar war, ist in vielerlei Hinsicht verwirklicht worden. Der erreichte Integrationsstand läßt das Vertragsrecht der Europäischen Gemeinschaften insgesamt bedenkenlos verfassungsgemäß erscheinen 315 .
4. Abschnitt: D i e Uberprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze zu den E G - V e r t r ä g e n A. Anhand der vom Integrationsgesetzgeber zu beachtenden Verfassungsschranken
Die nationale Rechtsordnung hält sich m i t der Überprüfungsmöglichkeit der nationalen Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen die Möglichkeit offen, hier die von den nationalen Integrationsorganen einzuhaltenden verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, die der europäischen Zusammenarbeit auf Gemeinschaftsebene zugrunde liegen, zu überwachen. Dieser Minimalstandard, den Art. 24 I GG i. V. m. Art. 79 I I I GG den nationalen Integrationsorganen zur Beachtung vorschreibt, muß nationalstaatlich insofern überprüfbar bleiben, als es den Organen der Bundesrepublik nicht gestattet ist, seine Bürger einer 813 Vgl. statt vieler: Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 203/204; Fuß, Grundrechtsschutz, S. 147; Pestalozza, DVB1. 1974, S. 718; Zuleeg, D Ö V 1975, S. 48. 314 So auch die ganz herrschende Auffassung, vgl. dazu Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 209 u n d die weiteren Nachweise oben i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . 1. i n Fn. 203. 315 Das B V e r f G sieht isofern ganz folgerichtig auch f ü r eine Verfassungsw i d r i g k e i t des Primärrechts keine Anhaltspunkte, so i n : BVerfGE 52, S. 187ff. (202), bezogen auf die zur Prüfung unterbreiteten A r t i k e l 92 bis 94 EWGV.
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T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
Hoheitsgewalt auszuliefern, die sich diesen Minimalanforderungen nicht verpflichtet weiß, zumal niemand die Zukunft der Europäischen Gemeinschaften kennt 3 1 6 . I n einer diesbezüglichen Überprüfung der nationalen Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen w i r d zu untersuchen sein, inwieweit für die spezifischen — dieser Überprüfung mittelbar zugrundeliegenden — EG-Normen die Öffnung der bundesrepublikanischen Rechtsordnung zurückgenommen werden kann, d. h. inwieweit — bei Unvereinbarkeit m i t den integrationsfesten Verfassungskernen — ihre Anwendung i m nationalen Bereich zu untersagen ist 3 1 7 . Die Bundesrepublik kann i n einem solchen Verfahren eine Vertragsverletzung begehen, wenn das Gemeinschaftsrecht ohne Beachtung der innerstaatlichen Integrationsschranken auch diesbezügliche Überprüfungsverfahren als gegen die Eigenständigkeit ihrer Rechtsordnungen gerichtet einzustufen hat. I. Eine eingeschränkte Geltung des Gemeinschaftsrechts aufgrund besonderer Ratifikationsklauseln? 1. Vorüberlegungen Die völkerrechtlichen Gründungsverträge sind nach Aufnahme der Tätigkeiten der EG-Organe, damit nach erfolgter Rezeption, für den völkerrechtlichen Verkehr nicht obsolet geworden: Sie stellen zwar die Verfassungen der eigenständigen Gemeinschaften dar, und insofern ist ihnen ein neuer Rechtscharakter zugewiesen; doch konnte sich der nur für den internen Bereich der Gemeinschaften wandeln, dem allgemeinen völkerrechtlichen Verkehr verblieben sie darüber hinaus als Vertragsvölkerrecht 318 . Insofern können sie i n ihrer Eigenschaft als völkerrechtliche Verträge auf ihre Vereinbarkeit m i t dem allgemeinen 316 Vgl. dazu Constantinesco, Rdnr. 638; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 33; Stern, StaatsR, Bd. I, § 15 I I 9 a, S. 540; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 54 m. w. N. Als Verfahren zur Überprüfung dieser nationalen Zustimmungsgesetze bieten sich wiederum die allgemein vorgesehenen Kontrollmöglichkeiten der konkreten u n d abstrakten Normenkontrolle, daneben das V e r fassungsbeschwerdeverfahren an, vgl. dazu Benda/ Klein, S.389f. m . w . N . ; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 92. 317 Vgl. Börner, S. 2043; Stern, StaatsR, Bd. I, § 15119 b, S.538; zur Rechtstechnizität i m einzelnen siehe die Ausführungen unten i n T e i l 3, 4. Abschn. I I I . 3. 318 Siehe dazu die Ausführungen oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3., bes. Fn. 37 m. w. N., ferner Teil 3, 2. Abschn. C. I m weiteren sei verwiesen auf Nicolay sen, § 4 I I I , S. 23 f., m i t seinen Ausführungen allgemeinerer A r t ; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 99 m. w . N. verweist auf die allgemein herrschende Auffassung, daß die Mitgliedstaaten noch Herren der V e r träge sind, die E G sich insofern nicht von der vertraglichen Grundlage gelöst hat; a. A. Ipsen, E u R - L b , S. 60 ff., 100.
4. Abschn.: Uberprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
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Völkerrecht dahin gehend überprüft werden, ob ein Geltungsanspruch, der über die innerstaatlichen Integrationsschranken der Mitgliedstaaten — hier der Bundesrepublik — hinausgeht, völkerrechtlich begründet ist 3 1 9 . 2. Der Geltungsanspruch der EG-Gründungsverträge nach allgemeinem Völkerrecht a) Der Wortlaut
der Ratifikationsklauseln
Aus den nahezu wörtlich übereinstimmenden Ratifikationsklauseln der drei Gründungs Verträge geht hervor, daß diese „der Ratifikation durch die Hohen Vertragsparteien gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften" bedurften 320 . b) Der Bedeutungsgehalt
solcher Ratifikationsklauseln
„Verfassungsklauseln" dieser A r t werden i m Schrifttum allgemein dahin gehend interpretiert, i n ihnen den Hinweis auf die Erheblichkeit der eigenen verfassungsrechtlichen Beschränkungen bezüglich der Vertragsabschlußkompetenz zu sehen. Sie sollen für die völkerrechtliche Gültigkeit des Vertrages von ausschlaggebender Bedeutung sein 321 . Ratifikationsklauseln dieser A r t sind selten. Es ist das Verdienst von Geck, diese systematisch erfaßt und eingehend untersucht zu haben 322 . Der Gebrauch solcher Klauseln erweist sich zum einen darin, „entweder die durch das Völkergewohnheitsrecht nicht gewährleistete Verknüpfung von Vertragsgültigkeit und Verfassungsrecht zu schaffen, oder aber die Schwierigkeiten bei der Feststellung eines (diesbezüglich) allgemein anerkannten Völkerrechtssatzes durch die Aufnahme eines ausdrücklichen Verweises auf das Verfassungsrecht auszuräumen" 323 . Geht man m i t Geck von einer diesbezüglichen Bedeutung aus, so ergibt sich, daß der Gebrauch dieser Klauseln die innerstaatlichen Verfassungsnormen für die Willensbildung der beteiligten Vertragsstaaten nicht unbeachtlich werden läßt 3 2 4 . Wo die Grenzen dieser Beachtlichkeit liegen, bedarf einer näheren Untersuchung. I m sogenannten Kampf um den Wehrbeitrag spielte die ähnlich formulierte Ratifikationsklausel i n Art. 131 EVG-Vertrag auch eine nicht unwesentliche Rolle: Vor dem BVerfG erklärte die Bundesregierung 319
Vgl. dazu Gorny, S. 88 f. m. w . N., S. 157. So die A r t . 99 I EGKSV, 247 I EWGV, 224 I E A G V . 321 Dahm, VR, Bd. I I I , S. 25 m . w . N . ; Guggenheim/Marek, S. 533 m . w . N . ; Wengler, VR, Bd. I, S. 204 m. w. N. 322 Geck, Völkerrechtliche Wirkungen, S. 239 ff. 323 Ebd., S. 263. 324 Ebd., S. 254; vgl. dazu auch Wengler, VR, Bd. I, S. 204 m i t A n m . 3. 320
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T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
seinerzeit dazu, sie sehe i n der Klausel zum einen eine Versicherung des ratifikationsberechtigten Staatsoberhauptes für die Wahrung der eigenen Verfassungsnormen; zum anderen mache sie deutlich, daß m i t der Ratifikation kein Verzicht auf spätere Einwände aus dem Verfassungsrecht verbunden sei, vielmehr würde aus ihr bei einem Mißbrauch der Ratifikation, wenn dieser „offenkundig und für die andere Seite erkennbar war, unter Berufung darauf die Ungültigkeit der Verträge erwachsen" 325 . Dies läßt deutlich werden, daß die Bundesregierung eine so formulierte Ratifikationsklausel i m Sinne einer modifizierten Relevanztheorie interpretiert 3 2 6 . c) Die Übertragbarkeit
auf die EG-Verträge
Die gleiche Betrachtungsweise scheint sich i n ähnlicher Weise für die EG-Verträge anzubieten, der Gebrauch der spezifischen Ratifikationsklauseln und der ursprünglich ausschließlich völkerrechtliche Charakter der EG-Gründungsverträge sprechen dafür. Ausgehend von dem allgemeinen Auslegungsgrundsatz der herrschenden Vertrauenstheorie ( = modifizierte Relevanztheorie), ist das Vertrauen der Vertragspartner auf eine einmal abgegebene Willenserklärung trotz internen Verfassungsverstoßes insoweit — aber auch nur insoweit — zu schützen, als nicht besondere Umstände vorliegen, etwa die Offenkundigkeit der Verfassungsverletzung, die dieses Vertrauen ausschließen oder für nicht schutzwürdig erachten 327 . Es bleibt zunächst zu klären, ob diese Ratifikationsklauseln nur auf die speziellen Verfassungsnormen über den Abschluß völkerrechtlicher Verträge oder ganz allgemein auf grundlegende Verfassungsbestimmungen verweisen können. Geck und anscheinend auch die Prozeßparteien i m „Kampf u m den Wehrbeitrag" neigen eher der ersteren Auffassung zu, da die Vertragspartner i n aller Regel das gesamte Verfassungsrecht der Beteiligten kaum überblicken können 328 . Dagegen spricht jedoch, wie von Geck selbst eingeräumt wird 3 2 9 , daß die hier verwandten Ratifikationsklau325 So Ministerialdirigent Dr. Römer i n der mündlichen Verhandlung am 18. 7.1952 vor dem BVerfG, wiedergegeben i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag, Bd. I (1952), S. 387. 326 Hierzu und zum Ganzen vgl. Gorny, S. 159. 327 Dahm, VR, Bd. I I I , S.27ff.; Geck, Völkerrechtliche Wirkungen, S.40ff.; Guggenheim/Marek, S. 533; vgl. dazu auch A r t . 46 Wiener Vertragsrechtskonvention als Normierung eines heute überwiegend anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Völkerrechts. 328 Geck, Völkerrechtliche Wirkungen, S. 254; vgl. ferner die Ausführungen i n der mündlichen Verhandlung am 18. 7.1952 vor dem B V e r f G von Dr. Römer, wiedergegeben i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag, Bd. I (1952), S. 388 u n d die vergleichbaren Äußerungen des Abgeordneten Dr. Arndt, ebd., auf Seite 415. 329 Geck, Völkerrechtliche Wirkungen, S. 254.
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sein gerade über das hinausgehen wollen, was die Klauseln beinhalten, „die sich ausdrücklich nur auf das verfassungsmäßige Verfahren bzw. auf die parlamentarische Zustimmung beziehen" 330 . Zu berücksichtigen ist ferner, daß i m Rahmen der Europäischen Gemeinschaften Staaten zusammenwirken, von denen man eine gewisse Kenntnis des Verfassungsrechts der Partnerstaaten in seinen grundlegenden Strukturen voraussetzen kann. Dieses K r i t e r i u m gewinnt stärker an Gewicht als dies bei völkerrechtlichen Verträgen von Staaten der Fall ist, die kaum i n eine solch enge politische und wirtschaftliche Beziehung zueinander treten wollen 3 3 1 . Darüber hinaus w i r d i n der Völkerrechtswissenschaft darauf verwiesen, daß Verfassungen keine Geheimdokumente sind, Vertragspartner sich leicht über das Landesrecht der betreffenden Staaten informieren können und die gegenseitige Beachtung der verfassungsmäßigen Normen mit dem völkerrechtlichen Prinzip der gegenseitigen Achtung i n Einklang steht, zumal wenn es u m die Beachtung demokratischer Grundsätze i n rechtsstaatlichen Verfassungen geht 3 3 2 . Unsere Fragestellung kann sich demnach darauf beschränken, ob durch diese bei den EG-Verträgen gewählte Ratifikationsklausel die Beachtung der integrationsfesten Verfassungsregeln, wie sie Art. 79 I I I GG zum Ausdruck bringt, eingeschlossen ist. Forsthoff mißt dem Art. 79 GG — i m Gegensatz zu Art. 59 GG — i n diesem Zusammenhang keine elementare Bedeutung bei: Alle differenzierteren, nur aufgrund genauer Kenntnis der Verfassung und der dahinterstehenden Problematik zu beurteilenden Rechtsfragen müßten insoweit für die völkerrechtliche Gültigkeit der ratifizierten Verträge irrelevant bleiben, als eine solche spezifische Kenntnis von fremden Verfassungsstrukturen nicht verlangt werden könne 333 . Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Beachtung der „Wesensgehaltsgarantie" als elementarer betrachtet werden muß als die gleichfalls keineswegs einfache und eindeutige Regelung des Art. 59 GG 3 3 4 .
330
Gorny, S. 160. Kaiser, Fs. Ophüls, S. 122. 332 Guggenheim/Marek, S. 533. 333 Forsthoff, S. 357 f. 334 A u f A r t . 59 I 2 GG geht Geck, Völkerrechtliche Wirkungen, i n den Seiten 121 ff. u n d 156 ausführlich ein; A r t . 59 I I 2 GG w i r d sogar als eine der unklarsten Normen des GG angesehen, so Geck, Völkerrechtliche W i r k u n gen, S. 73 m i t Fn. 106. Vgl. dazu i m einzelnen auch Gorny, S. 161; Rojahn, zu A r t . 59 GG, Rdnr. 1 ff., 62 f. ; Bernhardt, Verträge, weist auf die besonderen Schwierigkeiten hin, die ein bundesstaatlicher Aufbau m i t sich bringt, S. 1 ff. 331
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T e i l 3: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Primärrecht
d) Der völkerrechtlich zu beachtende integrationsfeste Verfassungskern Die weiteren EG-Mitgründungsstaaten müssen demnach über ausreichende Kenntnisse der bundesdeutschen Verfassungsstruktur 335 , insbesondere über den Stellenwert der Wesensgehaltsgarantie i n der bundesrepublikanischen Rechtsordnung, verfügen. Die sechs Gründerstaaten der EG haben, bevor es zum Abschluß der Verträge kam, i n langwierigen Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen zusammengearbeitet. Der Neuaufbau der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg, der Wunsch der Partnerstaaten bezüglich des Eingebundenseins und der damit möglichen Einflußnahme auf die weitere Entwicklung der Bundesrepublik, neben der aufsichtsführenden und anleitungsgebenden Funktion der westlichen Besatzungsmächte bei Kreierung des demokratischen Verfassungslebens, insbesondere des Grundgesetzes336 — m i t der direkten Beteiligung Frankreichs —, vermittelten auch den weiteren Mitgründungsstaaten einen weitreichenden Einblick i n den Staatsaufbau der Bundesrepublik. Die Verfassungsgarantien des Art. 79 I I I GG stellen Eckpfeiler der deutschen Staatsstruktur dar, sie sind unter diesen besonderen Zusammenhängen den Mitgründerstaaten als i n groben Zügen bekannt zu betrachten. Hinzu kommt die Entscheidung des BVerfG zum SaarStatut 3 3 7 , die nicht nur wegen der mittelbaren Beteiligung Frankreichs auf ein über die nationalen Grenzen hinausgehendes Interesse stieß und somit als ein weiteres Indiz für diesbezügliche Kenntnisse der europäischen Nachbarstaaten angesehen werden muß. I n ihr festigte das BVerfG die zentrale Bedeutung der i n Art. 79 I I I GG niedergelegten Verfassungsstrukturen. Darüber hinaus wurden vergleichbare Diskussionen i n bezug auf die Verträge zur EVG geführt, die die allgemeine Bedeutung des Art. 79 I I I GG schon zu Beginn der 50er Jahre publik werden ließen 338 . Von einer völkerrechtlich relevanten Kenntnis bezüglich des Stellenwertes der Wesensgehaltsgarantie i n der Bundesrepublik kann bei den EG-Mitgründerstaaten demnach ausgegangen werden. 335 Das B V e r f G - U r t e i l v o m 4. 5.1955 bzgl. des Saar-Statutes, BVerfGE 4, S. 157 ff. (169 f.), könnte zu solch einer vertiefenden Kenntnis beigetragen haben, allerdings nicht für den Abschluß des EGKSV, da er bereits am 23. 7. 1952 i n K r a f t getreten ist. 336 Vgl. dazu Tosch, S. 87 f. m . w . N . ; Hoff mann, Dt. Teilung, S. 26, bezogen auf das Verhältnis des DDR-Rechtes zum Recht der UdSSR; vgl. ferner das Genehmigungsschreiben der westlichen Alliierten, das f ü r das I n k r a f t t r e t e n des GG konstitutive Bedeutung hatte, vgl. dazu Doehring, StaatsR, S. 59 f. ; vgl. i m weiteren die Ausführungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. Β . IV., insbes. die Nachweise i n Fn. 173. 337 BVerfGE 4, S. 157 ff. (169 f.). 338 Siehe dazu die A n m . i n Fn. 335.
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berprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
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Unter diesen Umständen muß ebenfalls die Kenntnis der generellen Erstreckung dieser Verfassungsgarantien auch auf Art. 24 I GG festgestellt werden: Art. 24 GG enthält keinen Hinweis, daß Verfassungsorgane, die aufgrund seiner Ermächtigung tätig werden, von verfassungsimmanenten Schranken befreit sind. Ein Vertrauen, das sich darauf beruft, muß insofern auf einen ausdrücklichen, diesbezüglichen Dispens verweisen können85®. Überraschungen konnte die allgemeine Geltung der „Ewigkeitsklausel" für die fünf Nachbarstaaten nicht auslösen, i n einem diesbezüglichen guten Glauben, den es zu schützen gegolten hätte 8 4 0 , befanden sie sich nicht. Nach der herrschenden Vertrauenstheorie kann man bezüglich der Integrationsschranken insofern von einer elementaren, den Mitgliedstaaten der EG nicht unbekannten und daher auch völkerrechtlich relevanten Klausel ausgehen 341 . Dies hat zur Folge, daß — aufgrund des besonderen Inhaltes der Ratifikationsklauseln zu den Gemeinschaftsverträgen — die Beachtung des integrationsfesten Verfassungskerns der Bundesrepublik i m völkerrechtlichen Verkehr dieser Vertragsstaaten ein zu beachtendes Gebot darstellt. 3. Die direkte Auswirkung des integrationsfesten Verfassungskerns auf die Rechtsordnungen der Europäischen Gemeinschaften Es stellt sich die Frage, inwieweit, nach der Rezeption der völkerrechtlichen Gründungsverträge durch die EG-Organe zur eigenständigen Verfassungsgrundlage, dieses völkerrechtliche Gebot der Beachtung des nationalen integrationsfesten Verfassungskerns in den EG-Rechtsordnungen seinen Niederschlag gefunden hat. a) Der Inhalt der von den EG-Organen vollzogenen Rezeption — allgemein Die EG-Organe rezipierten die Gründungsverträge, so hat es der EuGH schon i n den ersten sich i h m bietenden Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht, als ihre eigenen Verfassungsordnungen 342 . Dabei konnte nur das — aber auch all das — über die Rezeption der Gründungsverträge Eingang i n die eigenständige EG-Rechtsordnung finden, was Inhalt der EG-Verträge ist. Damit kommt eine Übernahme dieser nationalen Verfassungsschranken i n Betracht. 889 Vgl. zu diesem Ergebnis auch Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 41. 340 So m i t Recht Guggenheim/Marek, S.533 rechte Sp. m . w . N . , der eine diesbezügliche Einschränkung der Erheblichkeit nationaler Verfassungsbestimmungen sieht. 841 Vgl. dazu Forsthoff, S. 357 u n d Guggenheim/Marek, S. 533. — Diese deutschen Ratifikationsklauseln werden von A r t . 46 W V K einbegriffen. 842 ζ. B.: EuGH, Rs. 13/61, Slg. 1962, S. 97 ff. (110); Rs. 6/64, Slg. 1964, S. 1251 ff. (1269 f.); Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135).
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T e i l 3: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Primärrecht
b) Der Umfang der vorgenommenen Rezeption — i m besonderen Die Rechtsordnungen der Europäischen Gemeinschaften als eigenständige, unabgeleitete müssen i n gleicher Weise, wie sie ohne eine nationale „Hypothek" von Grundrechtsnormen zu verstehen sind, i n diesem Fall grundsätzlich auch ohne eine rechtliche Bindung an völkerrechtlich zu beachtende nationale Grundrechtsstrukturen verstanden werden 3 4 3 : Zum einen sind die Europäischen Gemeinschaften nicht Vertragspartner der Gründungsverträge, zum anderen geht es hier um die Verbindlichkeit von nationalen Verfassungsgrundsätzen. Die völkerrechtliche Beachtung ändert nichts an ihrer Rechtszugehörigkeit zur nationalen Rechtsordnung 344 . Damit bedürfen diese wie andere nationale Rechtsnormen der Übernahme in die eigenständigen Rechtsordnungen der Gemeinschaften 345 . Dies kann ausdrücklich oder auch stillschweigend erfolgen. Der EuGH hat i n seiner Rechtsprechung immer wieder betont, daß dem Gemeinschaftsrecht keine wie auch immer geartete mitgliedstaatliche Rechtsnorm entgegengehalten werden kann. Solche werden von ihm nur als Rechtsinhaltsquellen verstanden 348 . Dies läßt nur den einen Schluß zu: Die nationalen Integrationsschranken — obgleich über die Ratifikationsklauseln zu völkerrechtlicher Relevanz für die Vertragsstaaten erhoben — haben keine direkte Übernahme i n die EG-Rechtsordnungen gefunden 347 . Damit besteht keine unmittelbare Geltungsbeschränkung des Gemeinschaftsrechts aufgrund der besonderen Ratifikationsklauseln. II. Der eingeschränkte Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts aufgrund eigener verfassungsimmanenter Geltungsbeschränkungen 1. Einleitendes Wie die i m Grundgesetz als ungeschriebener Verfassungsgrundsatz verankerte Bundestreue, die Bund und Länder zu gegenseitiger Rück843 Ipsen, EuR-Lb, § 41/29 f., S. 739 ff., spricht i n diesem Zusammenhang davon, daß die EG auch von keiner völkerrechtlichen „ H y p o t h e k " belastet sind; ferner Zieger, Grundrechtsproblem, S. 19, insbes. Fn. 71; Erler, S. 31 ff., auch zur Verneinung der unmittelbaren W i r k u n g der E M R K i n der E G Stellung beziehend. 344 I h r e Einsetzungsnorm ist i m nationalen Recht zu sehen, vgl. dazu die Erörterungen oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. 345 Siehe dazu oben i n Teil 3, 3. Abschn. C. I I I . 1. die diesbezüglichen Ausführungen. 346 z.B.: EuGH, Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, S. 1249 ff. (1270); Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135). 847 Vgl. die weiteren Nachweise i n Teil 1,1. Abschn. B. I I I . 3., besonders i n Fn. 42.
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berprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
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sichtnahme und Unterstützung verpflichtet 3 4 8 oder der Rechtsmißbrauchsgedanke i n der universellen Völkerrechtsgemeinschaft 349 , so sollen die Rechtsordnungen der Europäischen Gemeinschaften eine vergleichbare, allumfassende Kooperationsverpflichtung enthalten. Von Bleckmann w i r d diese Verpflichtung als i n den Art. 5 EWGV, 192 EAGV und 86 I und I I EGKSV verankert angesehen. Eine dahin gehende Interpretation dieser Grundnormen, die damit auch bezüglich der Handlungen der EG-Organe Rechtswirkung entfaltet, läßt sich bisher nur vereinzelt finden 8 5 0 . Der hier interessierende Aspekt, der die Gemeinschaften bezüglich des Geltungsanspruchs ihrer Rechtsakte gegenüber den Mitgliedstaaten umfaßt, läßt sich i m Wortlaut dieser Normen nicht wiederfinden 3 5 1 . Von diesem ausgehend, springt zunächst nur eine Stoßrichtung ins Auge: Die Mitgliedstaaten sollen den EG-Organen die Erfüllung ihrer Aufgaben erleichtern (Abs. 1, Satz 2 dieser Normen) und alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben aus dem Vertrag und aus den Handlungen der EG-Organe notwendig werden (Abs. 1, Satz 1 dieser Normen). Hinzu t r i t t die Unterlassungspflicht der Mitgliedstaaten gem. Absatz 2 der genannten Grundsatznormen. 2. Die nationalen Grundrechtsinhalte und der Gemeinschaftsvorbehalt Über diese Stoßrichtung hinaus, die sich unmittelbar aus dem Wortlaut ergibt, gilt es, sich zur Interpretation dieser Grundsatznormen folgendes bewußt zu machen: Die Zusammenarbeit von Staaten i n internationalen Organisationen oder i n sonstigen nicht organisch gewachsenen Formen kann nur zu einem geringen Teil auf präzis umrissene Normen zurückgreifen 352 . Darüber hinaus zeigt sich bei den i n Teilbereichen vergleichbaren föderalistischen Strukturen der Gemeinschaften, wie i m bundesstaatlichen Gefüge der Bundesrepublik, das Bedürfnis, Überschneidungen bei der Wahrnehmung von ineinandergreifenden Kompetenzen einer ausgleichenden Regelung zuzuführen. Dies w i r d unterstützt durch die Aussagen des EuGH, die sich m i t dem Problem der Grundrechtsgarantie i n den Gemeinschaftsrechtsordnungen 848
Vgl. i m einzelnen dazu Schnapp, zu A r t . 20 GG, Rdnr. 9 m. w . N. Z u r Problematik seiner inhaltlichen Bestimmung vgl. Neuhaus, S. 1 ff. 350 Vgl. etwa Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 2; ders., DVB1. 1976, S. 486 f.; ders., E u R - L b , § 4. V I I . , S. 122 ff.; Hilf, ZaöRV 35 (1975), S. 58 m. w. N., faßt diese Gemeinschaftstreue als ungeschriebenes Verfassungsprinzip der Gemeinschaften auf; weitere Nachweise m i t zum T e i l ablehnender Stellungnahme bei Beutler, B / B / P / S , Kap. 3.2.2.3., S. 75 u n d Feige, Gleichheitssatz, S. 89 ff. 351 Vgl. etwa Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 41. 852 Ebd., Rdnr. 1. 349
8 Eibach
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T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
auseinandersetzen: Hiernach w i r d die Frage etwaiger Grundrechtsverletzungen durch Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane zwar grundsätzlich nicht anders als i m Rahmen des Gemeinschaftsrechts selbst beurteilt 3 6 3 , doch werden die nationalen Grundrechte den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätzen insofern zugeordnet, als sie Rechtsinhaltsquellen auch für europarechtliche Maßnahmen bilden 3 5 4 . Dies bedeutet, daß bei der Gewährleistung der Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts auch von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ausgegangen wird. Des weiteren stellen die internationalen Verträge über den Schutz der Menschenrechte, bei deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie später beigetreten sind, i n der Ausformung der spezifischen europarechtlichen Rechtsgrundsätze i n gleicher Weise eine Rechtsinhaltsquelle dar 3 5 5 . Damit besteht für die Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane eine „faktische" Bindung an den Grundrechtskonsens der Mitgliedstaaten 35 ®. Diese bilden m i t ihren Struktur- und Rechtsprinzipien gewissermaßen die „Basis" der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätze. Sieht man sich die i n den A r t . 5 EWGV, 192 EAGV und 86 I und I I EGKSV an die Mitgliedstaaten gerichteten Rechtsbehelfe daraufhin genauer an, w i r d deutlich, daß bei der Ausrichtung dieser an die M i t gliedstaaten auch deren Handlungsmöglichkeiten i n ihren rechtlichen Beschränkungen gebührende Berücksichtigung zu finden haben 3 5 7 : Die Verpflichtungen ergeben sich aus den EG-Verträgen selbst oder aus 353
(3744). 354
EuGH, Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135); Rs. 44/79, Slg. 1979, S. 3727 ff.
Vgl. dazu Claudi , S. 412; Hilf, ZaöRV 35 (1975), S. 57. EuGH, Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135); Rs. 4/73, Slg. 1974, S. 491 ff. (507); Rs. 44/79, Slg. 1979, S. 3727 ff. (3745); vgl. i m weiteren dazu Folz, Fs. Fröhler, S. 134 ff., spezifiziert auf die E M R K ; Becker, S. 551 ff. u n d Deringer/ Sedemund, S. 1179 ff., stehen dieser EuGH-Rechtsprechung insofern kritisch gegenüber, als die Bewertung dieser Grundrechte aufgrund rein m a r k t politischer Bewertung vorgenommen w i r d , ohne Blick auf die tatsächlichen Konsequenzen der umstrittenen Regelung f ü r die betroffenen Marktbürger. 358 So auch Badura, S. 68; Scheuner, Fs. Verdross, S. 242; Zieger, G r u n d rechtsproblem, S. 57 ff.; Hilf, ZaöRV 35 (1975), S. 56 f. m . w . N . ; Folz, Fs. F r ö h ler, S. 134, der von einem „Rechts(erkenntnis)quellencharakter" der diesbezüglichen internationalen Verträge ausgeht; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 10, der darauf verweist, daß die Hoheitsgewalt der EG keine „ganz fremde Hoheitsgewalt" darstellt, w e i l die Bundesrepublik als M i t g l i e d dieser Einrichtungen auch von innen her den K u r s mitbestimmen kann. Z u m Ganzen vgl. auch Strack, S. 467 ff., insbes. S. 475 ff., der die gemeinsamen Grundrechtsnormierungen i n den europäischen Staaten untersucht u n d m i t weiterführenden Hinweisen dienen kann; Benda, S. 17 ff., zeigt i n ähnlicher Weise diese gemeinsamen Norminhalte auf; Scheuner, AöR 100, S. 48 ebenfalls. 357 Noch weitergehender Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 41; w i e hier Hilf, ZaöRV 35 (1975), S. 58 f. 355
4. Abschn.: Überprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
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Handlungen der EG-Organe aufgrund der Verträge und damit jeweils unmittelbar oder mittelbar aus EG-Vertragsrecht. Das Gemeinschaftsrecht und alle Maßnahmen der EG-Organe werden jedoch an den gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätzen gemessen858. Es dürfen demzufolge nach Gemeinschaftsrecht keine Anordnungen an die Mitgliedstaaten ergehen, die diesen europarechtlichen Geboten nicht gerecht werden. Demzufolge beinhalten diese Grundsatznormen zugleich auch die Verpflichtung, nur m i t solchen Rechtsbefehlen an die Mitgliedstaaten heranzutreten, die m i t den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts übereinstimmen 859 . Die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätze wiederum erfahren ihre inhaltliche Ausgestaltung durch die vom EuGH anerkannten Rechtsinhaltsquellen, wozu auch die mitgliedstaatlichen Verfassungsgrundsätze gehören, so daß die Handlungsbefugnisse der EG-Organe von den rechtlichen Handlungsbeschränkungen der Mitgliedstaaten mitgeprägt sind. Das heißt, für die EG-Rechtsordnungen können aufgrund ihrer allgemeinen Rechtsgrundsätze Verbote bestehen, die es ihnen untersagen, Maßnahmen an die Mitgliedstaaten zu richten, die deren internen Verfassungsanforderungen entgegenlaufen 860 . Wenn davon ausgegangen wird, daß Maßnahmen der EG-Organe vor den EG-Rechtsgrundsätzen nur dann Bestand haben können, wenn sie nicht gegen die von den Mitgliedstaaten anerkannten und geschützten Grundwerte verstoßen, so bleibt zu beachten, daß sich dies „Anlehnen" an die mitgliedstaatlichen Verfassungen i n die Struktur und Zielsetzungen der Gemeinschaften einfügen lassen muß 8 8 1 . I n diesem Sinne stehen die völkerrechtlichen und mitgliedstaatlichen Rechtsgrundsätze unter einem allgemeinen Gemeinschaftsvorbehalt 882 . Es gilt nun zu untersuchen, inwieweit die übertragungsfesten Grundrechtsgarantien der Bundesrepublik für den EuGH als m i t heranzuziehende Rechtsinhaltsquellen aufzufassen sind.
358 v g l dazu die Ausführungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. Β . I I . 2. m. w . N. EuGH, Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135); Rs. 44/79, Slg. 1979, S. 3727 ff. (3745). 360 So ausdrücklich Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 41; i n diesem Sinne auch Hilf, ZaöRV 35 (1975), S. 58/59. 301 Vgl. dazu EuGH, Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1125 ff. (1135); Becker, S.552f.; Oeringer ISedemund, S. 1197 f.; Hilf, ZaöRV 35 (1975), S. 56; Scheuner, AöR 100, S. 48; siehe auch die Erörterungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I I . 2. m. w. N. i n Fn. 256. 382 Beutler, G / B / T / E , Grundrechtsschutz, Rdnr. 30; Folz, Fs. Fröhler, S. 134; Hilf, ZaöRV 35 (1975), S. 56 f. 359
8*
116
T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit v o n Primärrecht
3. Die inhaltliche Konkretisierung Der von den bundesrepublikanischen Staatsorganen bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäischen Gemeinschaften zu beachtende Verfassungskern des Grundgesetzes stellt sich als Minimalforderung des Art. 79 I I I GG dar, modifiziert i n seiner inhaltlichen Ausformung durch die Wahrnehmung der konkreten Integrationsmöglichkeiten i. S. d. Art. 24 I GG. Die Einhaltung dieser Verfassungsstrukturen erweist sich gegenüber den sonstigen grundrechtlichen Geboten, denen die staatlichen Verfassungsorgane unterliegen, als extreme Komprimierung. Wenn der EuGH i n seiner Rechtsprechung ausdrücklich die Feststellung trifft, daß keine Maßnahme rechtens sein kann, die m i t den von den mitgliedstaatlichen Verfassungen anerkannten und geschützten Grundrechten unvereinbar ist 3 8 3 , so bezieht sich dies auf die mitgliedstaatlichen Grundwerte i n ihrem allgemeingültigen und damit umfassenderen Geltungsanspruch. Die den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen komprimierten Verfassungsnormen sind insofern erst recht von dieser „Anlehnung" der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätze an die mitgliedstaatlichen Grundrechte erfaßt. Hinzu kommt, daß diese Minimalforderung i n weiten Teilen auf eine vergleichbare oder darüber hinausgehende Ausformung i n der i n allen Mitgliedstaaten geltenden EMRK verweisen kann, die der EuGH ausdrücklich als Rechtsinhaltsquelle anerkennt 384 . Daneben hat sich auf der völkerrechtlichen Ebene dieser bundesdeutsche integrationsfeste Verfassungskern i n den Gründungsverträgen als beachtlich erwiesen 386 . Gehen die Gründungsverträge i n ihrer weiterhin auch existierenden Eigenschaft als völkerrechtliche Verträge 3 8 8 von der Beachtlichkeit dieser nationalen Verfassungsschranken aus, stellen diese für die Rechtsordnungen der Gemeinschaften i n gleicher Weise wie die EMRK Rechtsinhaltsquellen dar, die i m Rahmen des allgemeinen Rückgriffs auf „internationale Verträge", an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt sind und die Hinweise auf das Vorhandensein allgemeiner Rechtsgrundsätze geben, Berücksichtigung zu finden haben 387 . Damit bilden die i n Art. 79 I I I GG niedergelegten inte363 EuGH, Rs. 4/73 (Nold), Slg. 1974, S. 491 ff. (507); Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727 ff. (3745). I m weiteren vgl. Pernice , EWG-Kom., zu A r t . 164 EWGV, Rdnr. 57 ff. m. w . N. 3β4 Erwähnung sollen hier n u r die beiden vorgenannten Entscheidungen finden. 365
Siehe oben T e i l 3, 4. Abschn. Α. I. 2. d). Vgl. zum Doppelcharakter der Gründungs Verträge: Arnold, Rangverhältnis, S. 237 ff., jedoch unter einem anderen B l i c k w i n k e l erörtert. Z u r weiteren Existenz rezipierter Völkerrechtsnormen allgemein, vgl. Hoffmann , Bes. VerwR, Abschn. I. 2.; vgl. i m weiteren die Nachweise oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. i n Fn. 37, ferner i n Teil 3, 4. Abschn. A. 1.1., Fn. 318. 366
4. Abschn.:
berprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
117
grationsfesten Verfassungsschranken eine für den EuGH zu beachtende Rechtsinhaltsquelle. III. Rechtsfolgen 1. Die Beachtung der i n Art. 79 I I I GG niedergelegten übertragungsfesten Verfassungsschranken Ist von einer solchen inhaltlichen Übernahme der integrationsfesten nationalen Verfassungsschranken i n das Recht der Europäischen Gemeinschaften auszugehen, muß eine mittelbare Überprüfung des primären Gemeinschaftsrechts anhand der nationalen Zustimmungsgesetze — mit dem Ziel der Einhaltung der nationalen Integrationsschranken durch die nationalen Integrationsorgane — auch i m Interesse der Gemeinschaftsrechtsordnungen liegen 368 , da an der Beachtung dieser Schranken den Gemeinschaften i n gleicher Weise gelegen ist. Denn auch sie dürfen grundsätzlich nur Maßnahmen ergreifen, die zu den allgemeinen, von den Mitgliedstaaten zu beachtenden Rechtsgrundsätzen zu zählen sind 369 . Die i n Art. 79 I I I GG niedergelegten Verfassungsgrundsätze zählen nach dem oben Erarbeiteten zu diesen allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Doch gilt es, den möglichen Vorwurf auszuräumen, i n dieser nationalen Überprüfung einen Eingriff i n die Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts zu sehen 370 , weil hierbei EG-Recht mittelbar an den nationalen Verfassungsschranken überprüft werden muß, da es dem nationalen Zustimmungsgesetz — als dem primären Prüfungsgegenstand — den spezifischen Norminhalt verleiht. 387 Insofern sind die EG-Gründungs Verträge auf der gleichen rechtlichen Stufe w i e die E M R K stehend zu betrachten. Siehe die diesbezüglichen Aussagen i n erster L i n i e die E M R K betreffend: EuGH, Rs. 4/73 (Nold), Slg. 1974, S. 491 ff. (507); Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727 ff. (3745); allgemein dazu: Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 68; ders., EuR 1976, S. 63 auf A r t . 235 E W G V bezogen; Folz, Fs. Fröhler, S. 134 f. auf die E M R K Bezug nehmend. Der auch i n der E G anerkannte Rechtsgrundsatz der Selbstbindung der V e r w a l t u n g — EuGH, Rs. 113/77 ( N T N Toyo), Slg. 1979, S. 1185 ff. (1209) — bezogen auf die Gemeinsame E r k l ä r u n g von Versammlung, Rat u n d Kommission zum Grundrechtsschutz i n den Gemeinschaften — B u l l - E G , 1977, Nr. 3, S. 5 —, auf die der E u G H i n seiner Entscheidung zur Rechtssache 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727 ff. (3745) ausdrücklich verweist, läßt die EG-Organe an die dort niedergelegten Grundsätze, damit auch an die Verfassungsgrundsätze der Mitgliedstaaten, gebunden sein, so Simon, S. 73. 388 Vgl. dazu Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 68; ders., EuR 1976, S. 63; ferner Folz, Fs. Fröhler, S. 134 f. 389 EuGH, Rs. 4/73 (Nold), Slg. 1974, S. 491 ff. (507); Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727 ff. (3745); vgl. ferner Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 41, der dies n o d i wesentlich globaler faßt. Siehe ferner die Ausführungen kurz zuvor hierzu. A u f Sekundärrecht bezogen vgl. Pestalozza, DVB1. 1974, S. 717/718. 370 Siehe dazu Stern, B K , zu A r t . 93 GG, Rdnr. 245; ders., StaatsR, Bd. I, § 15 I I I . 4., der auch aufgrund des dem Primärrecht zukommenden A n w e n dungsvorranges den Umfang der diesbezüglichen Kontrolle begrenzt sieht.
118
T e i l 3: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Primärrecht
2. Die Notwendigkeit der mitgliedstaatlichen Beteiligung A n der grundsätzlichen Zulässigkeit der Überprüfung der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen als nationale Gesetze kann kein Zweifel bestehen 371 . Die Einhaltung der i n Art. 79 I I I GG niedergelegten Integrationsschranken hat der EuGH nach dem oben Gesagten bei seiner Urteilsfindung i m Rahmen seines inhaltlichen Rückgriffs auf die in den Mitgliedstaaten allgemein anerkannten Grundrechte m i t zu berücksichtigen. Da es hier allerdings u m die Beachtung nationaler Grundstrukturen geht, denen die nationalen Integrationsorgane unterliegen, kann deren Rechtsverbindlichkeit für den nationalen Bereich auch nur von einem nationalen Gericht konstatiert werden. Der EuGH ist ebenso wie das BVerfG nur i n der Lage, über Normen seiner eigenen, i h m unterstellten Rechtsordnung rechtsverbindlich zu entscheiden. Die nationalen Grundrechte stellen, da sie für den EuGH nur als Rechtsinhaltsquelle zu beachten sind, für ihn weiterhin Rechtsnormen einer fremden Rechtsordnung dar 3 7 2 . Hier geht es jedoch um die Beachtung von Verfassungsnormen, denen sich beide Rechtsordnungen m i t nahezu identischem Inhalt verpflichtet fühlen. Die Überprüfung erfolgt nur mit abweichender Zielsetzung und i n unterschiedlichen Rechtskreisen, die zwar in keiner rechtlichen Unter-Über-Ordnung zueinander stehen, doch eine rechtliche Verzahnung i n verschiedenster Weise aufzeigen. Dem EuGH mangelt es an der Überprüfungsmöglichkeit der Einhaltung dieser nationalen Grundrechtsnormen für den nationalen Bereich; da er sich aber zu deren Wahrung i m internen Gemeinschaftsbereich verpflichtet sieht, erlauben es die Gemeinschaftsordnungen, dies von den Mitgliedstaaten — auch unter Einbeziehung der mittelbaren Überprüfung von Gemeinschaftsrecht — vollziehen zu lassen 373 . Es kann insofern keinen Eingriff i n die Eigenständigkeit der Gemeinschaften darstellen, wenn Gemeinschaftsrecht mittelbar zum Prüfungsgegenstand erhoben werden muß, um die diesbezügliche Beachtung der den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen Verfassungsschranken nachzuprüfen. Diese Erhebung setzt jedoch aufgrund der Eigenständigkeit und des allgemeinen Gemeinschaftsvorbehaltes diesen außergemeinschaftsrecht371 Vgl. dazu u. a. Sehr euer, S. 247 ff.; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 92; BVerfGE 52, S. 187 ff. (199); ferner oben i m 3. Abschn. C. I. i n diesem T e i l 3. 372 Eine Rezeption, die diese Normen i n die eigene EG-Rechtsordnung übernehmen könnte, liegt bisher noch nicht vor. 373 M a n k a n n hierbei auch von einer „ungeschriebenen" Kompetenzzuweisung des Gemeinschaftsrechts an die Mitgliedstaaten sprechen, i n diesem spezifischen Bereich zur Grundrechtswahrung anstelle des p r i m ä r zuständigen E u G H ausnahmsweise tätig werden zu dürfen.
4. Abschn.:
berprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
119
liehen Grundrechtsnormen gegenüber folgendes voraus: Zunächst ist verbindlich, d. h. unter Einbeziehung des EuGH, die Frage zu klären, m i t welchem Inhalt die mittelbar der nationalen Überprüfung zugrundeliegende EG-Norm zu verstehen ist, und ob bei der Ausgestaltung dieser Regelung die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätze gebührend Beachtung gefunden haben 874 . Dem EuGH ist so die Möglichkeit gegeben, bei Verneinung des letzteren, diese EG-Norm wegen Unvereinbarkeit m i t gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätzen aufzuheben 875 . Sollte der EuGH — etwa aufgrund des von ihm zu bewahrenden Gemeinschaftsvorbehaltes — zu dem Ergebnis kommen, daß die i h m vom mitgliedstaatlichen Gericht vorgelegte Norm nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, kann das vorlegende Gericht unter Zugrundelegung des bisher Erarbeiteten zu der Auffassung gelangen, daß m i t der vom EuGH getroffenen Vorabentscheidung nicht die Zweifel an der Einhaltung der von den nationalen Integrationsorganen zu beachtenden nationalen verfassungsrechtlichen Grundstrukturen ausgeräumt sind 878 . 3. Die vom Bundesverfassungsgericht zu gebrauchende Urteilsformel Kommt das BVerfG nach einem dann zu ihm weitergeleiteten Verfahren jedoch zu der Rechtsauffassung, daß das nationale Zustimmungsgesetz nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des A r t . 79 I I I GG entspricht, steht die Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgeset374 Vgl. dazu Daig, zu A r t . 77 EWGV, Rdnr. 23 ff.; zum Ganzen siehe auch Börner, S. 2041 ff.; Feige, AöR 100 (1975), S. 530 ff. m . w . N . , der ausdrücklich von einer diesbezüglichen Vorlagepflicht des BVerfG spricht u n d darauf aufmerksam macht, daß das B V e r f G i n der Solange-Entscheidung erstmals verbindlich von seiner eigenen Vorlageverpflichtung spricht — BVerfGE 37, S. 271 ff. (281 f., 285 u n d Leitsatz der Entscheidung) —, bevor es die Frage der Vereinbarkeit der für sie entscheidungserheblichen E G - N o r m m i t den Grundrechtsgarantien des G G aufwirft. I n BVerfGE 22, S. 134 ff. (150); 29, S. 198 ff. (207); 31, S. 145 ff. (168 ff.) w i r d A r t . 177 E W G V unter anderen A s pekten herangezogen. Siehe ferner den interessanten Bericht des Rechtsausschusses des Europäischen Parlamentes über die Verantwortung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften f ü r die einheitliche A n w e n dung des Gemeinschaftsrechts i n den Mitgliedstaaten, i n : Europäisches P a r lament, Sitzungsdokumente 1981—1982, Dokument 1 - 414/81 v o m 1. September 1981. 376 Siehe dazu A r t . 174 E W G V i. V. m. A r t . 177 EWGV. Vgl. i m weiteren Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 200 f.; Kleinmann, S. 358. 376 Obgleich die Wahrscheinlichkeit einer Diskrepanz bei der sich i n dieser Weise gefestigten Grundrechtsprechung des E u G H als annähernd N u l l zu bezeichnen ist, bleibt das verfassungsrechtliche Gebot bestehen, die E i n h a l t u n g der den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen Verfassungsschranken überprüfen zu können; vgl. dazu auch Sehr euer, S. 248 ff. m . w . N . ; a. A. Rengeling, EG-Magazin, S. 30, der die Eigenständigkeit der EG-Rechtsordnungen als unüberwindbares Hindernis auffaßt.
120
T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
zes i m Raum. Aufgrund der mitgliedstaatlichen Verpflichtungen der Art. 5 EWGV, 192 EAGV und 86 I und I I EGKSV ist davon auszugehen, daß die Mitgliedstaaten — hier die Bundesrepublik — trotz einer Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgesetzes alle die ihnen verfassungsrechtlich zur Verfügung stehenden M i t t e l einsetzen müssen, u m dem EG-Recht i m innerstaatlichen Bereich dennoch ungehinderte Entfaltungsmöglichkeit zu gewähren 377 . Der Urteilsspruch der Nichtigkeit bzw. der Teilnichtigkeit des Zustimmungsgesetzes 378 kann dabei nur als ultima ratio i n Betracht gezogen werden 379 . a) Die abgestuften Möglichkeiten Wie i n Teil 2 dieser Untersuchung deutlich wurde, stehen die hier i n Frage kommenden nationalen Verfahrensarten 380 einem jeglichen Urteilstenor offen, der die Spannweite zwischen noch verfassungsgemäßer und unmittelbarer Nichtigkeit der geprüften Norm ausfüllt 3 8 1 . Für das BVerfG kann sich insofern als geringstmöglicher Eingriff i n die Entfaltungsmöglichkeit des EG-Rechts ein Appell an die nationalen EG-Vertreter anbieten, i n den zuständigen EG-Organen für eine schnelle Beseitigung dieses verfassungswidrigen Zustandes einzutreten und dafür alle erfolgversprechenden M i t t e l einzusetzen 382 . Dies kann das BVerfG etwa m i t einer Terminierung verbinden und nach Verstreichen dieser Frist entweder — soweit möglich und notwendig — die Teilnichtigkeit des Zustimmungsgesetzes aussprechen und damit die Anwendung der mittelbar überprüften EG-Norm i m nationalen Rechtskreis untersagen oder sich allein darauf beschränken, den inner377 I m einzelnen siehe die Erörterungen unten i n Teil 3, 4. Abschn. B. I L ; ferner Börner, S. 2042. 378 Ausführlicher w i r d darauf anschließend eingegangen. Schon hier sei auf Sachs, S. 465 ff., insbes. S. 467 verwiesen. 379 Z u den einzelnen Möglichkeiten, ζ. B. der vorläufigen uneingeschränkten Fortgeltung des Zustimmungsgesetzes, der Verpflichtung der Bundesregierung gem. A r t . 173 I EWGV, zur K l ä r u n g der Vereinbarkeit der E G N o r m m i t den nationalen Anforderungen an die Übertragung von Hoheitsrechten den E u G H anzurufen, die Festlegung weiterer konkreter Bemühungspflichten, wie bei rechtlichen Divergenzen auf völkerrechtlicher Ebene v o m BVerfG praktiziert — BVerfGE 15, S. 337 ff. (346 ff.); 36, S. 146 ff. (171 f.) —, vgl. die Ausführungen von Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 204 ff. m. w. N. 380 Dies sind die Verfahren der konkreten u n d abstrakten Normenkontrolle sowie die Verfassungsbeschwerde, vgl. dazu die Hinweise über den U n t e r suchungsgegenstand der Arbeit. 381 Siehe dazu die Erörterungen oben i n T e i l 2, 1. Abschn. A. 382 So auch Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 95; Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 204 ff.; vgl. auch Fn. 356 oben i n T e i l 3, 4. Abschn. Α. I I . 2., insbes. m i t dem Hinweis von Tomuschat; besonders ist auch auf die Ausführungen oben i n T e i l 2, 1. Abschn. A . i n Fn. 2 m i t den aufgeführten Appell-Entscheidungen des BVerfG zu verweisen; dazu Moench, S. 13 ff. m. w. N. u n d Rupp-von Brünneck, S. 355 ff.
4. Abschn.:
berprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
121
staatlichen „Vollzugsbefehl", der sich aus dem Zustimmungsgesetz ergibt 3 8 3 , für die mittelbar mitgeprüfte EG-Norm i m innerstaatlichen Rechtsraum zu suspendieren. b) Insbesondere
die Teilnichtigkeit
des
Zustimmungsgesetzes
Spricht das BVerfG die Nichtigkeit des Zustimmungsgesetzes aus 384 , hat es zu beachten, daß dies das Zustimmungsgesetz nur insoweit erfaßt, als es zur Beachtung der nationalen Integrationsschranken unumgänglich ist. Es fragt sich jedoch, ob das Zustimmungsgesetz für einen solchen Ausspruch der Teilnichtigkeit zugänglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG zieht die Nichtigkeit einer Gesetzesbestimmung grundsätzlich nicht die Nichtigkeit des ganzen Gesetzeswerkes nach sich. Dies muß nur für den Fall gelten, daß die übrigen Gesetzesnormen keinen selbständigen Bedeutungswert aufweisen oder die als verfassungswidrig erkannte Norm Teil einer Gesamtregelung ist, die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verliert, wenn man diese Norm — e t w a als untrennbaren Bestandteil — herausbricht 385 . Diese Grundsätze gelten i n gleicher Weise auch für Zustimmungsgesetze der hier vorliegenden A r t 3 8 8 , es sei denn, man geht von der grundsätzlichen Unteilbarkeit eines Zustimmungsgesetzes aus 387 . Hält man sich zunächst die Textgestaltung des Art. 1 der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen vor Augen („Dem . . . Vertrag . . . w i r d zugestimmt . . . " ) , mag es naheliegen, eine Unteilbarkeit anzunehmen 388 . W i r haben jedoch gesehen, daß das Zustimmungsgesetz seinen spezifischen Inhalt von der jeweils dahinterstehenden Gemeinschaftsrechtsordnung bzw. -norm erhält. Die Einhaltung der den Integrationsorganen vorgegebenen Verfassungsschranken bezieht sich i n den hier zur Untersuchung anstehenden Fragen auf die spezifische Ausgestaltung der mittelbar mitzuprüfenden EG-Norm. Das Zustimmungsgesetz w i r d demnach immer nur punktuell für die spezifische Normgestaltung als 383 Siehe oben i m 2. Abschn. Β. I I . und I I I . dieses Teiles 3 die diesbezüglichen Erörterungen. 384 Vgl. dazu Fuß, Grundrechtsschutz, S. 159. 385 BVerfGE 8, S. 274 ff. (301); 9, S. 305 ff. (333); 10, S. 200 ff. (220); 15, S . l f f . (25). 386 BVerfGE 1, S. 396 ff. (410); 2, S. 307 ff. (312); 4, S. 157 ff. (162); 12, S. 205 ff. (240); insbes. 22, S. 134 ff. (152). 387 So Erler, S. 45. 388 Die rechtstechnische Betrachtungsweise, welcher Teil dieses Wortlauts für nichtig erklärt, „herausgeixt" werden soll, steht als gewichtiges Gegenargument i m Raum. So auch das Parteivorbringen der Beschwerdeführerin i n : BVerfGE 31, S. 145 ff. (158 f.): „Teilnichtigkeit innerhalb eines grammatikalischen Satzes könne es nicht geben"; dieses Argument w i r d v o m B V e r f G i n dieser Entscheidung jedoch verworfen.
122
Teil 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
Prüfungsgegenstand herangezogen und bildet nur insoweit den Untersuchungsgegenstand. Dieser kann demzufolge auch i n seinem der Prüfung zugrundegelegten Teilbereich als vereinbar oder unvereinbar m i t den Integrationsschranken des GG erklärt werden. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob man meint, die mittelbar überprüfte EGNorm, als für das Zustimmungsgesetz inhaltsfüllend, nicht aus dem einheitlich zu verstehenden Vertragsgesetz herausnehmen zu können 889 , um dessen Anwendungsverbot unmittelbar für den innerstaatlichen Rechtsbereich auszusprechen, oder ob man statt dessen das Zustimmungsgesetz in seinem einheitlichen Ganzen aufschlüsselt, so daß der Anwendungsbefehl, der i n diesem Gesetz m i t enthalten ist 8 9 0 , punktuell für die mittelbar überprüfte EG-Norm beseitigt wird. Beide Möglichkeiten führen zum gleichen Resultat und können hier und dort i n einem der beiden Bereiche nicht auf eine punktuelle Betrachtungsweise verzichten. Es ist jedoch vom Zustimmungsgesetz — als dem primären Prüfungsgegenstand des Verfahrens — und von der weitestgehenden Wahrung der Eigenständigkeit des EG-Rechts her gesehen konsequenter, eine punktuelle Teilnichtigkeit des Zustimmungsgesetzes m i t der Folge der Unanwendbarkeit der indirekt mitgeprüften EGNorm auszusprechen 891 . Darüber hinaus w i r d davon ausgegangen, daß keine EG-Norm ein derartiges Gewicht hat, daß sie bei den i m wesentlichen übereinstimmenden Grundrechtsstrukturen den ganzen Vertrag sinnlos erscheinen läßt, wenn dieser indirekt überprüften Regelung des EG-Rechts i m nationalen Bereich punktuell i n der zur Prüfung anstehenden spezifischen Ausgestaltung keine uneingeschränkte Entfaltungsmöglichkeit gewährt wird. Selbst bei einer für den EWGV zentralen Vorschrift wie dem Art. 189 EWGV kann i n den hier zur Diskussion stehenden Ausmaßen i n einer Anwendungsbeschränkung kein grundsätzlicher Eingriff gesehen werden 8 9 2 . Das BVerfG, das i n solchen Entscheidungen nur befugt ist, den innerstaatlichen Organen die Anwendung der anstehenden EG-Norm zu untersagen, t r i t t damit nicht an die Stelle des europäischen Gesetz389 Vgl. nochmals die Argumentation oben i n Fn. 387 u n d 388 m i t den entsprechenden Nachweisen. 390 Siehe oben 2. Abschn. B. I I I . dieses Teiles 3 der Arbeit. 391 Z u dieser Problematik vgl. auch Bleckmann, ZaöRV 35 (1975), S. 84 m. w. N., der jedoch n u r global diese Schwierigkeiten andeutet. 392 So auch das B V e r f G i n : BVerfGE 22, S. 134 ff. (152); zum Ganzen vgl. auch Emrich, S. 139 ff. Zudem ist es k a u m vorstellbar, daß i n einem i n den Grundsätzen verfassungskonformen Vertragswerk über das Zustimmungsgesetz insgesamt entschieden werden muß, sondern es w i r d sich immer n u r u m jeweils einzelne Normen handeln. Demzufolge k a n n grundsätzlich von einer punktuellen Verfassungswidrigkeit u n d einer diesbezüglichen innerstaatlichen Geltungsaufhebung gesprochen werden, vgl. dazu Badura, S. 140.
4. Abschn.:
berprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
123
gebers, um die mittelbar überprüfte EG-Norm seinen Vorstellungen entsprechend abzuändern. Es besteht keine Gefahr, daß der EG-Norm i n diesen Verfahren durch Aktivitäten nichtkompetenter Organe zudem ein Sinn verliehen wird, der der Eigenständigkeit der EG-Ordnung i n weiteren Bereichen Modifizierungen aufnötigt 3 9 3 . IV. Abschließende Betrachtung I n die Eigenständigkeit und damit i n die nur der EG-Rechtsordnung zustehende Beurteilung des Rechtsschicksals ihrer eigenen Rechtssätze w i r d unmittelbar nicht eingegriffen 394 : Den Untersuchungsgegenstand und das Ziel der nationalen Überprüfung stellen i n erster Linie das nationale Zustimmungsgesetz bzw. die nationalen Integrationsorgane dar. N u r das Zustimmuingsgesetz w i r d der Vernichtbarkeit ausgesetzt; allerdings zeigt dies Auswirkungen auf das EG-Recht, da an dessen Wirksamkeit der innerstaatliche Öffnungsbefehl für die mittelbar überprüfte EG-Norm geknüpft ist. Die grundsätzlich uneingeschränkte Geltungsanforderung des EGRechts i n allen Mitgliedstaaten hat eine Modifizierung erfahren: Die „Einbettung" der EG-Rechtsordnungen in die mitgliedstaatlichen Verfassungsstrukturen und das Bestreben der EG-Organe, diesen so weit wie möglich i n ihren eigenen Rechtsordnungen Rechtswirkung zu verschaffen und keine Maßnahme für rechtens zu erkennen, die m i t den von den mitgliedstaatlichen Verfassungen geschützten Grundrechten unvereinbar ist, überlagert den Geltungsanspruch des EG-Rechts allgemein und den der Art. 5 EWGV, 192 E A G V und 86 I und I I EGKSV i m besonderen. Soweit die mitgliedstaatlichen Verfassungsstrukturen i n den allgemeinen Rechtsgrundsätzen als Rechtsinhaltsquellen des Gemeinschaftsrechts unverändert Eingang gefunden haben, ergeben sich keine Schwierigkeiten. Das Gemeinschaftsrecht gestattet, seinen Normen dann eine punktuelle Anwendungsbeschränkung mitgliedstaatlicherseits aufzuerlegen, wenn sich dies als Folge der Beachtung allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten zeigt, die bisher i m EG-Recht keine adäquate Ausprägung erfahren haben. Das heißt, i n diesem dargelegten Bereich gestehen es die Gemeinschaftsordnungen den Mitgliedstaaten zu, ihre nationalen übertragungsfesten Verfassungsschranken, soweit 393 Auch dies spricht i m weiteren für die Möglichkeit einer Teilnichtigkeit von A r t . 1 der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen ; i n dieser Weise positiv geäußert haben sich i n der L i t e r a t u r schon recht frühzeitig: Badura, S. 139 f.; Hoffmann , V V D S t R L 23 (1966), S. 117; vgl. i m weiteren als Beispiele der jüngeren L i t e r a t u r : Gorny, S. 165 m. w. N. u n d von Simson, H a n d buch des VerfR, S. 67. 394 Vgl. dazu die Ergebnisse von Teil 1 u n d Teil 2.
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T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
sie zu den grundsätzlich von den EG-Rechtsordnungen m i t zu berücksichtigenden Grundrechtsausgestaltungen zählen und dies m i t dem Ziel der Beachtung dieser unternommen wird, auch dann mittelbar anhand der Zustimmungsgesetze zu überprüfen, wenn dabei als Rechtsfolge der an sich durch nationale Rechtsnormen uneingeschränkten A n wendbarkeit des Gemeinschaftsrechts i n Teilbereichen Grenzen gezogen werden können 895 . Das EG-Recht, das i n seinen internen Rechtsgrundsätzen von den spezifischen Ausformungen dieser Regeln i n den Mitgliedstaaten ausgeht und sich insofern von den mitgliedstaatlichen Verfassungen m i t getragen wissen w i l l , fordert i n den Fällen der Nichtberücksichtigung der übertragungsfesten Verfassungskerne des Art. 79 I I I GG i n der oben beschriebenen spezifischen Ausformung 89 ® unter Beachtung der hier aufgestellten Grundsätze — der Berücksichtigung der weitestgehenden Entfaltungsmöglichkeit des Gemeinschaftsrechts — keine Gewährung einer uneingeschränkten Anwendbarkeit seiner Normen. Diese Anwendungsbeschränkung ist als eine dem Gemeinschaftsrecht zu entnehmende, immanente Verfassungsschranke zu verstehen. B. Die Überprüfung der nationalen Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen anhand der nationalen Grundrechtsbestimmungen „allgemeiner Art" I.
Vorüberlegungen
Von den Ergebnissen der beiden letzten Abschnitte ausgehend, wonach sich die EG-Rechtsordnungen zum einen grundsätzlich nicht außerhalb des Rahmens bewegen, den die bundesrepublikanischen Integrationsorgane ausschöpfen konnten, und sie zum anderen für die nationale Überprüfung der Einhaltung der übertragungsfesten Verfassungsanforderungen des A r t . 79 I I I GG offenstehen, fragt es sich, ob eine darüber hinausgehende Überprüfung der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen, da damit mittelbar das Gemeinschaftsrecht als fremdes Recht am Maßstab des GG gemessen werden muß, nicht als Verstoß gegen die umfassenden Kooperationsverpflichtungen der Mitgliedstaaten aufzufassen ist 3 9 7 . 395 p u ß f Grundrechtsschutz, S. 173, spricht i n diesem Zusammenhang bei der Nichtanwendung von dem kleineren Schaden, den man Vorschriften des Gemeinschaftsrechts antut. Allerdings geht er, u n d dies sei einschränkend zu sagen, von anderen Prämissen aus. Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 96 f. m. w. N., spricht i n diesem Zusammenhang von strukturellen Fehlerquellen, die und nur die dürfen auf diese Weise behoben werden, was sich nach dem hier Erarbeiteten gleichfalls als Ergebnis zeigt. 398 Siehe oben dazu die Erörterungen u n d Konkretisierungen i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . bes. m i t den Nachweisen i n den Fn. 184 bis 199.
4. Abschn.: Uberprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
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Das BVerfG, das i n seiner Monopolstellung an Verfahren dieser A r t festhält und dem Gemeinschaftsrecht gegenüber den Instanzgerichten insofern einen zusätzlichen innerstaatlichen Anwendungsschutz gewährt 3 9 8 , kann i n diesbezüglichen Verfahren unter den gegebenen Umständen nur zu dem Ergebnis kommen, daß keine Unvereinbarkeit des Zustimmungsgesetzes vorliegt, da eine verfassungsrechtliche Bindung des Integrationsgesetzgebers für die EG-Verträge an Grundrechtsbestimmungen „allgemeiner A r t " nicht gegeben ist 3 9 9 . II. Die Einschränkung der Handlungsbefugnisse der Mitgliedstaaten in allgemeiner Hinsicht Beschränkungen i n den Handlungsbefugnissen der Mitgliedstaaten sind i n allgemeiner Form i n den EG-Verträgen in den Art. 5 EWGV, 192 EAGV und 86 I und I I EGKSV zu finden 4 0 0 . 1. Der Geltungsanspruch der Art. 5 EWGV, 192 EAGV und 86 I und I I EGKSV Diese i n den EG-Verträgen normierten Verpflichtungen stellen Grundsatznormen dar 4 0 1 und deuten darauf hin, daß sich die Aufgaben der Mitgliedstaaten nicht i n Gründungs- oder Beitrittsakten erschöpft haben, sondern ihnen zudem eine rechtlich verbindliche Verantwortung für die Weiterentwicklung der Gemeinschaften angetragen ist 4 0 2 . Die weite Fassung dieser Bestimmungen trug zur Kompromißbereitschaft hinsichtlich der divergierenden Vorstellungen der Gründungsstaaten bei und bietet auch heute noch für die einzelnen Entwicklungsphasen der Gemeinschaften den notwendigen und angemessenen elasti397 So auch Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 53. see BVerfGE 37, S. 271 ff. (284 f.); vgl. i m weiteren BVerfGE 31, S. 145 ff. (175): Der umgekehrte F a l l hingegen, die Lösung des Normenkonflikts z w i schen einfachem nationalen Recht u n d einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts, obliegt den zuständigen Instanzgerichten; das B V e r f G ist insoweit nicht zuständig. 399
Vgl. dazu die Erörterungen i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . 1. Vgl. dazu Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. I f f . ; Hilf, ZaöRV 35 (1975), S. 58. 401 Vgl. dazu aus der Rechtsprechung: EuGH, Rs. 78/70, Slg. 1971, S. 478 ff. (498); Rs. 30/72, Slg. 1973, S. 161 ff. (171); Rs. 208/80, Slg. 1981, S. 2205 ff. (2218 f.). Aus der L i t e r a t u r : Ipsen, E u R - L b , §9/12, S. 213; Härringer, zu A r t . 5 EWGV, S. 96 m. w . N . ; siehe ferner oben i n Teil 3, 4. Abschn. A. I I I . 2. u n d 3. 402 So schon EuGH, Rs. 6/61, Slg. 1964, S. 1251 ff. (1270); Rs. 22/70, Slg. 1971, S. 263 ff. (275); Rs. 78/70, Slg. 1971, S. 487 ff. (498); Rs. 51-54/71, Slg. 1971, S. 1107 f f (1116); Rs. 30/72, Slg. 1972, S. 161 ff. (171), seitdem ständige Rechtsprechung des EuGH. Vgl. i m weiteren Beutler, B / B / P / S , S. 73 f.; Ipsen, EuR-Lb, § 9/14, S. 214; Härringer, zu A r t . 5 EWGV, S. 102 f. m . w . N . ; a. A. Fuß, EuR 1968, S. 366. 400
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sehen Rahmen 403 . I h r Geltungsanspruch ergeht an die Mitgliedstaaten, die sich für eine diesbezügliche innerstaatliche Umsetzung notfalls vor dem EuGH zu verantworten haben 404 . I n diesen Normen, i n denen sich der die Gemeinschaft tragende Charakter zeigt, läßt sich deutlich eine Dreigliederung feststellen: Eine Vertragserfüllungspflicht (Abs. 1 Satz 1), eine Unterstützungspflicht (Abs. 1 Satz 2) und eine Unterlassungspflicht bezüglich vertragsgefährdender Maßnahmen (Abs. 2) 405 . I n Satz 1 w i r d der vertragsspezifische Aufgabenbereich angesprochen; Satz 2 statuiert die Staatenverpflichtungen, die sich unter anderem auch aus den Aufgabenbereichen der Gemeinschaftsorgane ableiten 4 0 0 ; Absatz 2 verbietet den Mitgliedstaaten all jene Maßnahmen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaften gefährden können, und geht damit über die in Absatz 1 formulierte Verpflichtung hinaus. Hier kann die mögliche Gefährdung des Gemeinsamen Marktes schon zu einem Verstoß führen 4 0 7 . Der konkrete Inhalt des Absatzes 2 leitet sich „ i m Einzelfall von den Vertragsvorschriften oder den sich aus dem allgemeinen System des Vertrages ergebenden Rechtsnormen" ab 408 . Die Tragweite dieser Bestimmungen nimmt i n dem gleichen Maße zu, wie „der Integrationsstand der Gemeinschaft fortschreitet" 409 . 2. Der umfassende Anwendungsbereich M i t der weiten Formulierung dieser Grundsätze werden alle Bereiche des staatlichen Handelns erfaßt. Damit vervielfältigen sich auch diejenigen Rechtsbereiche, i n denen die innerstaatlichen Maßnahmen der Mitgliedstaaten m i t diesen gemeinschaftsrechtlichen Geboten in Kollision geraten können 410 . Selbst Regelungen, die ursprünglich nur für den nationalen Rechtskreis gedacht und zugeschnitten waren, können für die volle Entfaltung 403
von Boeckh, zu A r t . 5 EWGV, S. 15. EuGH, Rs. 77/69, Slg. 1970, S. 237 ff. (243); Rs. 52/75, Slg. 1976, S. 277 ff. (285), so i n ständiger Rechtsprechung; vgl. ferner Daig, zu A r t . 169 EWGV, Rdnr. 33 ff. 405 Härringer, zu A r t . 5 EWGV, S. 103; Ipsen, EuR-Lb, § 9/19 ff., S. 215 ff. Abweichend von der hier dargelegten Untergliederung sei erwähnt, daß sich A r t . 861 E G K S V n u r i n zwei Halbsätze aufspaltet, sonst jedoch inhaltlich identisch m i t den diesbezüglichen Normen der Römischen Verträge ist; darauf w i r d i m weiteren der Einfachheit halber nicht nochmals gesondert h i n gewiesen. 406 Härringer, zu A r t . 5 EWGV, S. 103 f. 407 Ebd., S. 105; Ipsen, EuR-Lb, § 9/21, S. 217; Ehle, zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 9 u n d 11. 408 EuGH, Rs. 78/70, Slg. 1971, S. 478 ff. (498). 409 Meier, S. 327 m. w. N. 410 Härringer, zu A r t . 5 EWGV, S. 105. 404
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des EG-Rechts und damit für die Entwicklung der Gemeinschaftsziele hemmend und erschwerend wirken. Dies etwa, wenn kürzere Anfechtungs- oder Verjährungsvorschriften i m nationalen Bereich der Aufhebung eines rechtswidrigen nationalen Abgabenbescheides entgegenstehen, weil dieser auf einem vom EuGH für nichtig erklärten EGRechtsakt beruht 4 1 1 . I n gleicher Weise haben sich die Voraussetzungen der Pflichtmitgliedschaft i n einer berufsständischen Kammer nach den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszurichten: Auch wenn die diesbezügliche Berufsausübung nationalstaatlich erlaubterweise eine Mitgliedschaft i n einer Berufsgenossenschaft voraussetzt, so darf dennoch dem freien ärztlichen Niederlassungsrecht i m EG-Bereich dadurch kein Hindernis in den Weg gestellt werden 4 1 2 . 3. Die Überlagerung der nationalen Rechtsordnung Den Belangen des Gemeinschaftsrechts muß auf all den Ebenen, die i n den Grundsatznormen angesprochen sind, Rechnung getragen werden 418 . Dies hat zur Folge, daß das nationale Recht vom Gemeinschaftsrecht auch i n den Bereichen Befolgung verlangt, die ursprünglich keine Berührungspunkte m i t dem EG-Recht aufzuweisen hatten. Dies zeigt spätestens dann Rechtswirkung, wenn den Anforderungen des EGRechts i n der konkreten Rechtsgestaltung nicht zur Anwendung verholfen werden kann. Es bedarf der Erinnerung, daß der Übertragungsakt unter anderem die Pflicht beinhaltet, all diejenigen staatlichen Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen, die für die Entfaltung von Gemeinschaftsgewalt geboten sind 414 . Dies kann i n Einzelfällen zu konkreten Mitwirkungsverpflichtungen der Mitgliedstaaten führen 4 1 5 . 411 Vgl. dazu Ehle, DVB1. 1974, S. 733; Bleckmann, EuR-Lb, S. 243, spricht von einer punktuellen Änderung nationalen Verfassungsrechts; EuGH, Rs. 33/76 (Rewe), Slg. 1976, S. 1998 weist darauf hin, daß die nationalen Verfahrensmodalitäten nicht darauf hinauslaufen dürfen, die Ausübung der durch EG-Recht eingeräumten Rechte „praktisch" unmöglich zu machen; Aubin, S. 47 ff., zieht entsprechende Folgerungen aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz eines effektiven Rechtsschutzes; vgl. ferner Huthmacher, S. 56 f.; Ress, S. 61 ff. m . w . N . ; vgl. darüber hinaus die Erörterungen unten i n T e i l 5, 3. Abschn. Β . I I . 2. m. w . N. 412 Vgl. EuGH, Rs. 271/82, U r t e i l v o m 16.9.1983, auszugsweiser Abdruck i n : EG-Magazin, Heft 1/84, S. 8 1 ; zum Ganzen vgl. auch Winkler, S. 263 ff., 266 f. 418 Vgl. dazu Hoff mann, D Ö V 1967, S. 433 ff.; Kaiser, W D S t R L 23 (1966), S. I f f . ; Mosler, Fs. Wehberg, S. 294 ff. m . w . N . ; Zuleeg, K S E 9, S. 15 ff. 414 Siehe oben 2. Abschn. B. I I I . dieses Teiles 3. 415 Vgl. dazu Aubin, S. 63, der eine diesbezügliche Mitwirkungspflicht der Mitgliedstaaten bzgl. der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes aus A r t . 5 I E W G V herausarbeitet.
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4. Das Erfaßtsein von konkreten Gefährdungen Für einen Verstoß der Mitgliedstaaten gegen Abs. 2 dieser Grundsatznormen genügt auch eine Gefährdung der Vertragsziele. Es ist jedoch den Interessen der Gemeinschaften nach ungehinderter, voller Entfaltungsmöglichkeit dann Genüge getan 416 , wenn hierfür eine konkrete Gefährdung der Vertragsziele verlangt wird. Eine solche Gefährdung hat der EuGH etwa auf dem Gebiet seiner Vertragsabschlußkompetenzen gesehen: Sobald die EG i n Vertragsverhandlungen eingetreten sind, hat jeder Mitgliedstaat die diesbezüglich konkurrierende Kompetenz verloren und ist „verpflichtet, alle (ihm) zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen M i t t e l einzusetzen, um die Teilnahme der Gemeinschaft an dem Übereinkommen und ähnlichen Abkommen sicherzustellen" 417 . Auch ein Verhalten, das nur mittelbar auf die Entwicklung der Vertragsziele hemmende Auswirkungen zeigt, kann i n solchen Fällen als Verstoß aufgefaßt werden 418 . Von besonderer Problematik zeigen sich dabei diejenigen nationalen Rechtsakte, die an und für sich keinen direkten Gemeinschaftsbezug aufweisen, aber dennoch m i t fortschreitender Integration immer stärker i n eine diesbezügliche Gefahrenzone geraten 41®. III. Der mögliche Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EWGV i. V. m. den Art. 164,177 EWGV 4 2 0 Art. 5 I Satz 1 EWGV geht von der Vertragserfüllungspflicht der Mitgliedstaaten aus. I n den i n den EG-Verträgen aufgelisteten Aufgabenbereichen findet sich keine direkte Normierung, die sich über die Überprüfbarkeit des nationalen Zustimmungsgesetzes ausläßt. Die Überprüfung als solche, bei der die mitgeprüften EG-Normen i n der hier diskutierten Alternative keine Anwendungsbeschränkungen erfahren, stellt für die Entfaltung des EG-Rechts grundsätzlich kein Hindernis dar 4 2 1 . 416 Vgl. dazu die Ausführungen von Hoffmann, DÖV 1967, S. 440, bzgl. der Unanwendbarkeit deutscher, verbotswidrig erlassener, w e i l gegen E W G Recht verstoßender Rechtsnormen. 417 EuGH, Rs. 3, 4 u n d 6/76, Slg. 1976, S. 1279 ff. (1312 f.); zur Vertragsschließungskompetenz der EG allgemein vgl. das Gutachten des E u G H zum E n t w u r f des Übereinkommens über die Errichtung eines europäischen S t i l l legungsfonds f ü r die Binnenschiffahrt, EuGH, Rs. 1/76, Slg. 1977, S. 741 ff. (755 ff.). 418 Ipsen, EuR-Lb, § 9/21, S. 217; Wohlfarth, zu A r t . 5 EWGV, Anm. 4. 419 Ehle, zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 12 f.; Härringer, zu A r t . 5 EWGV, S. 105. 420 Diesen entsprechen i m E A G V die A r t . 136 u n d 151 wörtlich; die A r t . 31, 34, 40 I u n d I I , 47 I V E G K S V stellen die i m Montan-Vertrag vergleichbaren Regelungen dar.
4. Abschn.: Uberprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
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1. Das Auslegungsmonopol des EuGH Das deutsche Zustimmungsgesetz zu den EG-Verträgen erhält seinen materiellen Gehalt durch die EG-Verträge m i t dem zur Zeit der Überprüfung existierenden Integrationsstand der Gemeinschaften, d. h. unter Umständen durch den gesamten Rechtsbestand der EG 4 2 2 . Die Wahrung des Rechts der Gemeinschaften ist dem EuGH gem. Art. 164 EWGV übertragen. Diese ausdrückliche Verweisung dokumentiert, daß das Gemeinschaftsrecht verbindlich nur durch seinen Richterspruch ausgelegt werden kann 4 2 '. 2. Die Differenzierung zwischen Prüfungsgegenstand und Prüfungsmaßstab Der EuGH hat zur Wahrung des EG-Rechts als Prüfungsmaßstab das Gemeinschaftsrecht zugrunde zu legen 424 . Für das BVerfG bildet bei der Uberprüfung des Zustimmungsgesetzes — wie gesehen — mittelbar EG-Recht den Prüfungsgegenstand, als Prüfungsmaßstab legt es nationales Recht zugrunde 425 . Eine Auslegung von Gemeinschaftsrecht findet dabei jedoch nicht statt, obgleich sich beide Verfahren vom Prüfungsgegenstand her nur graduell voneinander unterscheiden. 3. Die Kompetenzabgrenzung nach dem Ziel der Verfahren Die nationale Überprüfung des Zustimmungsgesetzes w i r d nicht m i t dem Ziel unternommen, EG-Recht auf seine interne Vereinbarkeit mit der Gemeinschaftsrechtsordnung h i n zu untersuchen, sondern die Einhaltung der dem deutschen Integrationsgesetzgeber vorgegebenen nationalen verfassungsrechtlichen Schranken bildet das Ziel dieser Verfahren. Das BVerfG befaßt sich demzufolge m i t der Wahrung des nationalen Rechts. Die Aufgabe des EuGH, wie es i n den Art. 164 und 177 EWGV zum Ausdruck kommt, beschränkt sich auf das Gemeinschaftsrecht 426 ; nur insofern stellt sich diese Zuständigkeit als eine ausschließliche gegenüber der nationalen Gerichtsbarkeit dar 4 2 7 . I n einem Vorabentschei421
Siehe oben i n T e i l 3, 4. Abschn. I. Vgl. BVerfGE 37, S. 271 ff. (280); siehe ferner die Ausführungen oben i m 2. Abschn. Β. I I . dieses Teiles 3. 423 Statt vieler: Beutler, EG-Magazin, S. 14; Daig, zu A r t . 164 EWGV, Rdnr. 5; Simon, S. 1270 f. 424 Über den I n h a l t des Gemeinschaftsrechts i m einzelnen siehe die A u f schlüsselung bei Daig, zu A r t . 164 EWGV, Rdnr. 6 ff.; vgl. dazu auch oben T e i l 3, 4. Abschn. Α. I I . 3. u n d I I I . 2. 425 Vgl. dazu die Erörterungen oben i n Teil 3, 4. Abschn. A . I I I . 1. u n d 2. 426 Bleckmann, EuR-Lb, S. 218; Ipsen, EuR-Lb, Kap. 43/5, S. 755; Simon, S.1271. 427 Davon geht auch das BVerfG aus, w e n n es wiederholt betont, daß es für die Auslegung des EG-Rechts unzuständig u n d insofern an die Recht422
9 Eibach
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T e i l 3: Mittelbare Überprüfbarkeit von Primärrecht
dungsverfahren steht dem EuGH demnach weder eine Entscheidungskompetenz über die Vereinbarkeit von Rechtsnormen der Mitgliedstaaten m i t Bestimmungen des EG-Rechts zu 4 2 8 , noch kann er nationales Recht auslegen oder seine Wirkung i m innerstaatlichen Bereich würdigen 429 . Dem EuGH obliegt jedoch die Aufgabe, dem vorlegenden nationalen Gericht alle Kriterien an die Hand zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Vereinbarkeit der nationalen Normen m i t den spezifischen Rechtssätzen des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden 480 . Die mittelbare Überprüfung des Gemeinschaftsrechts bildet für die Überprüfung des Zustimmungsgesetzes demgegenüber nur eine Verknüpfung und stellt, wie oben gesehen, keine Auslegung des EG-Rechts dar, denn der Inhalt des Zustimmungsgesetzes läßt sich nur durch die inhaltfüllenden EG-Normen ermitteln. Auch die Rechtmäßigkeit der Öffnung der nationalen Rechtsordnung als Teil des Zustimmungsgesetzes ergibt sich aus dem — etwa vom EuGH zuvor eingeholten — konkreten Norminhalt der i n Frage stehenden EG-Norm. 4. Ergebnis E i n Eingriff i n das dem EuGH zugewiesene Monopol zur Auslegung des EG-Rechts ist demnach i n der Überprüfung der nationalen Zustimmungsgesetze nicht zu sehen, auch wenn mittelbar EG-Recht zum Prüfungsgegenstand erhoben werden muß und Grundrechtsbestimmungen „einfacher, allgemeiner A r t " den Prüfungsgegenstand bilden. Eine Vertragsverletzung i n dem hier zu überprüfenden Sinne liegt demnach nicht vor: I n den nationalen Überprüfungsverfahren geht es um die Einhaltung der den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen Verfassungsschranken, die m i t allgemeiner Rechtsverbindlichkeit nur vom BVerfG vorgenommen werden kann und darf 4 8 1 . sprechung des E u G H gebunden ist, so zuletzt BVerfGE 52, S. 187 ff. (200); vgl. ferner BVerfGE 45, S. 142 ff. (162). 428 EuGH, Rs. 154/77, Slg. 1978, S. 1573 ff. (1583); Rs. 13/78, Slg. 1978, S. 1935 ff. (1952). 429 Vgl. dazu Pestalozza, DVB1.1974, S. 717; ferner Börner, S. 2041 f.; siehe auch die Ausführungen oben i n Teil 3, 4. Abschn. A. I I I . 430 EuGH, Rs. 52/76, Slg. 1977, S. 163 ff. (183); zum Ganzen siehe auch BVerfGE 52, S. 187 ff. (200 f.); Simon, S. 1269 ff. 431 Es fragt sich jedoch, ob das B V e r f G i n einem solchen Überprüfungsverfahren m i t dem Prüfungsmaßstab der „einfachen, allgemeinen G r u n d rechtsbestimmungen", die unterhalb der von den nationalen Integrationsorganen zu beachtenden Verfassungsschranken des A r t . 79 I I I GG liegen u n d insofern nicht zu der „erwünschten" Rechtsfolge der Unanwendbarkeit der mittelbar überprüften E G - N o r m führen, nicht schon das Rechtsschutzbedürfnis verneinen w i r d . Vgl. allgemein dazu die Ausführungen von Pestalozza, DVB1. 1974, S. 717 ff. u n d Börner, S. 2042. I m Gegensatz dazu steht die v o m Bundesfinanzhof i n Anspruch genommene Kompetenz, über die Frage der unmittelbaren Geltung einer E G -
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IV. Ein Verstoß gegen die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EWGV, 192 Abs. 1 Satz 2 EAGV und 86 Abs. 1 2. Halbsatz EGKSV 1. Das Regelungsausmaß Wie oben schon erwähnt, verpflichtet Satz 2 dieser Normen die M i t gliedstaaten, die Gemeinschaftsorgane bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen, und erfaßt damit auch diejenigen Verpflichtungen, die sich aus dem Aufgabenkatalog der Gemeinschaftsorgane ableiten 432 . Bleckmann faßt darunter hauptsächlich eine Pflicht zur Verfügungstellung von Einrichtungen und ähnlichem, die zur Durchführung einzelner Maßnahmen nötig und förderlich sind 433 . Art. 5 I Satz 2 EWGV geht über Satz 1 hinaus: Die Verpflichtung, „dieser die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern", besagt, daß auf die Gemeinschaft allgemein und allumfassend abzustellen ist. So bedeutet dies nicht nur, daß alles zu unterlassen ist, was eine Erschwerung bedeuten könnte, wie es i n Abs. 2 als Unterlassungspflicht formuliert ist, sondern Satz 2 fordert die Mitgliedstaaten auf, zu diesem Zweck Positives zu ergreifen 434 . Er steht damit in seiner Aussagekraft zwischen den Verpflichtungen des Satzes 1 und der des Abs. 2. 2. Die Mitgliedstaaten als Glieder der Gemeinschaften Das europäische Gemeinschaftsrecht besteht nur teilweise aus Normen, die i n den Mitgliedstaaten unmittelbar, d. h. ohne die M i t w i r k u n g nationalstaatlicher Normsetzung, anwendbar sind. Der weit überwiegende Teil des EG-Rechts bedarf der mitgliedstaatlichen AusführungsRichtlinie selbst zu entscheiden, sogar gegen den ausdrücklichen Richterspruch des EuGH, w e i l er insofern dem E u G H die Kompetenz abspricht, die innerstaatliche Verbindlichkeit der Richtlinie festzustellen: Das dt. Zustimmungsgesetz zu dem EWG-Gründungsvertrag ermächtige die Gemeinschaft nicht, auf dem Wege der Richtlinie innerstaatlich wirksames Recht zu setzen. Die Beschränkung gelte, so der Bundesfinanzhof, auch f ü r die Auslegung des EG-Rechts durch den EuGH, U r t e i l des Bundesfinanzhofes v o m 25.4.1985, wiedergegeben u n d besprochen von Beutler, EG-Magazin, S. 13 f. Dieser Auffassung ist aufs schärfste zu widersprechen. Vgl. dazu ders., EG-Magazin, S. 14. Diese Tendenz, das Auslegungsmonopol des E u G H bei EG-Richtlinien i n Frage zu stellen, zeigte der französische Conseil d'Etat schon i n seiner berühmten Cohn-Bendit-Entscheidung, vgl. dazu die Anmerkungen von Beutler, EG-Magazin, S. 14; Fundstelle u n d nähere Ausführungen dazu bei Oldenbourg, S. 186 ff., 192 ff. 432 Härringer, zu A r t . 5 EWGV, A n m . I I . 3. B., S. 104; Wohlfarth, zu A r t . 5 EWGV, A n m . 2. 433 Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 19, abweichend von der Meinung des EuGH, der auch hier v o n einer generellen Kooperationspflicht ausgeht. 434 Wohlfarth, zu A r t . 5 EWGV, A n m . 3. 9*
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bestimmungen; auch soweit es unmittelbar anwendbar ist, bleibt es oft auf die Durchführung der zuständigen nationalen Organe, wie Verwaltungsbehörden und Gerichte, angewiesen 435 . Die Gemeinschaften verfügen grundsätzlich über keine eigene Exekutivgewalt, Einrichtungen eines gemeinschaftseigenen Verwaltungsunterbaus gehören bisher zu den Ausnahmeerscheinungen 436 . Die Richtlinie, als eine i n den Römischen Verträgen normierte Mitwirkungsmöglichkeit, bedarf schon von ihrer Struktur her nationaler Ausführungsmaßnahmen 437 . 3. Die Kooperationsnotwendigkeit i m EG-Bereich Ein besonderes Gewicht i n der Gliedstellung der Mitgliedstaaten kommt der nationalen Gerichtsbarkeit zu. Sie leistet — etwa durch die Regelungen des Vorabentscheidungsverfahrens zusammen m i t der Rechtsprechung des EuGH — einen gewichtigen Beitrag zur Sicherung der einheitlichen Geltung des Gemeinschaftsrechts 438 . Die Gemeinschaften sind somit i n fast allen Belangen auf eine enge Zusammenarbeit m i t den Mitgliedstaaten angelegt. 4. Die uneingeschränkte Überprüfung als Verletzung der Erleichterungsverpflichtung? Die Überprüfung des Zustimmungsgesetzes ist, wie oben festgestellt, verfassungsrechtlich nur insoweit vonnöten, als damit die Überschreitung der der Integrationsgewalt vorgegebenen Verfassungsschranken verhindert werden muß 4 3 9 . Nur für diesen Bereich besteht das rechtsstaatliche Gebot, die Überprüfungsmöglichkeit wahrzunehmen und aufrechtzuerhalten. Eine negative Betrachtungsweise, d. h. nach einer möglichen Erschwerung durch die weitergehende Überprüfung des Zustimmungsgesetzes suchend, läßt deutlich werden, daß auch bei deren Ausweitung über die i n Art. 79 I I I GG verankerten Verfassungsschranken hinaus keine zusätzlichen Beeinträchtigungen entstehen: Das Gemeinschaftsrecht er435
Bleckmann, E u R - L b , S. 243 ff., 247 ff. m. w. N. Ipsen, EuR-Lb, Kap. 9/23, S. 218; Hilf, VerwR, S. 69; zum Ganzen vgl. die ausführlichen Erörterungen unten i n Teil 5, 1. Abschn. m. w. N. 437 Hier können die Besonderheiten der nationalen Lebensverhältnisse u n ter der Einschränkung Berücksichtigung finden, daß die Einheit des Gemeinschaftsrechts u n d deren Zielverwirklichung nicht gefährdet werden, Vgl. dazu Ipsen, EuR-Lb, Kap. 9/24, S. 218 f. 438 Vgl. dazu Fuß, Fs. Sasse, S. 171 ff.; Bleckmann, EuR-Lb, S. 244 f. 439 Siehe oben i n T e i l 3, 4. Abschn. A. Insoweit w i r d aus Gemeinschaftsrecht einer Mitunterstellung des EG-Rechts unter die nationale Gerichtsbarkeit i n diesen Bereichen kein Veto auferlegt, siehe dazu oben i n T e i l 3, 4. Abschn. A. I I I . 1. u n d 2. 436
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berprüfbarkeit der nationalen Zustimmungsgesetze
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fährt dadurch keine Anwendungsbeschränkung, da sich hier keine Divergenzen zu den grundrechtlichen Anforderungen an das Zustimmungsgesetz einstellen können, wie oben gesehen. Der Wegfall dieser erweiterten Überprüfungspraxis stellt demnach auch keine Erleichterung für das EG-Recht dar. 5. Ergebnis I n der Aufrechterhaltung der Überprüfung des nationalen Zustimmungsgesetzes auch bezüglich der den nationalen Integrationsorganen abbedungenen Verfassungsnormen liegt kein Verstoß gegen die i n Satz 2 der Grundsatznormen normierten Erleichterungsverpflichtungen der Mitgliedstaaten 440 . Damit kommt als letztmöglicher Verstoß noch der Absatz 2 dieser Grundsatznormen i n Betracht. V. Der mögliche Verstoß gegen die Art 5 Abs. 2 EWGV, 192 Abs. 2 EAGV und 86 Abs. 2 EGKSV 1. Die Regelungsbereiche Wie oben unter Β. II. 4. dieses Abschnitts schon kurz angedeutet, ist es nach der weitergehenden Verpflichtung der Absätze 2 dieser Normen durchaus möglich, daß Handlungen der Mitgliedstaaten, die zwar nicht dem Wortlaut der Verträge widersprechen, i n ihren Auswirkungen m i t einer der weiterreichenden Zielsetzungen der Verträge i n Widerspruch geraten können 441 . Es muß sich dabei jedoch um eine konkrete, d. h. naheliegende Gefährdung der Vertragsziele handeln 4 4 2 . Art. 2 EWGV, der Ziele und Aufgaben der EWG zusammenfaßt, stellt konkrete Verpflichtungen auf 4 4 8 . Aber auch außerhalb dieser Regelung finden sich weitere Zielsetzungen. Zu nennen sind neben der Präambel zum EWGV etwa die Art. 104, 105, 117 und 118 EWGV 4 4 4 ; es zeigen sich Ziele wirtschaftlicher und politischer Ausrichtung 4 4 5 . 440 Doch sei auch hier wiederum vermerkt, daß das B V e r f G i n einem solch gelagerten F a l l der Überprüfung der Zustimmungsgesetze zu den E G - V e r trägen an den allgemeinen, unter den Rechtsgeboten des A r t . 79 I I I GG bleibenden Grundrechtsbestimmungen das Rechtsschutzbedürfnis verneinen u n d damit der Klage i n einem Verfassungsbeschwerdeverfahren die Annahme verweigern, bzw. diese allgemein an den Zulässigkeitsvoraussetzungen scheitern lassen w i r d . Z u m Ausmaß der Erleichterungsverpflichtung allgemein vgl. EuGH, Rs. 208/80, Slg. 1981, S. 2205 ff. (2218 f.). 441 Vgl. dazu nochmals Wohlfarth, zu A r t . 5 EWGV, A n m . 4. 442 Wie oben angesprochen i n T e i l 3, 4. Abschn. Β . I I . 4. 443 von Boeckh, zu A r t . 2 EWGV, A n m . I ; vergleichbare Zielsetzungen i n bezug auf den spezifischen Regelungsgegenstand der Verträge finden çiçh auch i n A r t . 2 E A G V und A r t . 2 EGKSV,
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T e i l 3: Mittelbare Überprüf bar keit von Primärrecht
D a n e b e n m u ß m a n sich v o r A u g e n f ü h r e n , daß i n d e n A n f a n g s j a h r e n M i ß t r a u e n i n d i e rechtliche A u s g e w o g e n h e i t u n d S t a b i l i t ä t d e r G e m e i n s c h a f t e n m ö g l i c h e r w e i s e z u Hecht a m P l a t z e w a r , doch daß dies seit d e r gefestigten G r u n d r e c h t s p r e c h u n g des E u G H 4 4 8 , d e r „ G e m e i n samen G r u n d r e c h t s e r k l ä r u n g des E u r o p ä i s c h e n P a r l a m e n t e s , des Rates u n d der K o m m i s s i o n " 4 4 7 u n d d e r „ E r k l ä r u n g des Europäischen Rates z u r D e m o k r a t i e " 4 4 8 , d. h. spätestens seit E n d e der 70er J a h r e , n i c h t m e h r i n gleicher Weise g i l t 4 4 9 . D i e h e u t e noch u n v e r ä n d e r t u n e i n g e s c h r ä n k t e Ü b e r p r ü f u n g s m ö g l i c h k e i t des Zustimmungsgesetzes k a n n A u s d r u c k eines p o l i t i s c h e n B e w u ß t s e i n s sein, welches d e m Z i e l e i n e r f o r t s c h r e i tenden Vertiefung der wirtschaftlichen u n d politischen Zusammenarbeit, d. h. d e m w e i t e r e n A b b a u n a t i o n a l s t a a t l i c h e r Ressentiments, i m Wege steht. 2. D i e z u sehende G e f a h r E i n e n a t i o n a l s t a a t l i c h o r i e n t i e r t e „ G e m e i n s c h a f t s " p o l i t i k dieser A r t k a n n jedoch noch n i c h t als V e r t r a g s v e r s t o ß g e b r a n d m a r k t w e r d e n , da sie die europäische Z u s a m m e n a r b e i t a l l e n f a l l s l a t e n t g e f ä h r d e t : D i e n a t i o n a l e Ü b e r p r ü f u n g des Zustimmungsgesetzes ohne eine rechtliche 444 Vgl. dazu Zuleeg, G / B / T / E , zu A r t . 2 EWGV, A n m . 4, 9; solche besonderen Zielbestimmungen finden sich noch an mehreren Stellen der E G Verträge. 445 Die Ziele des A r t . 2 EWGV, vergleichbar den Zielbestimmungen m i t ihren spezifischen Regelungsgegenständen i n den anderen EG-Verträgen, umfassen u. a. eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens, eine beständige u n d ausgewogene Wirtschaftsausweitung, größere wirtschaftliche Stabilität, beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und Förderung engerer Beziehungen zwischen den Staaten, die i n dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind. H i e r i n w i r d deutlich, daß die ökonomischen Zielsetzungen zwar den Schwerpunkt bilden, dodh außerökonomische Ziele, w i e die Förderung enger staatlicher Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, i n gleicher Weise hervorgehoben werden. Vergleichbare Zielvorgaben kommen i n der Präambel zum Ausdruck: Die wirtschaftlichen Ziele umfassen hier den wirtschaftlichen Fortschritt, die stetige Besserung der Lebens- u n d Beschäftigungsbedingungen, einen ausgewogenen Handelsverkehr, einen redlichen Wettbewerb, etc. Z u diesen u n d weiteren Zielvorgaben der EG-Verträge vgl. die Ausführungen von Everling, Fs. Kutscher, S. 155 ff. u n d ders., Fs. Sasse, S. 35 ff., 42 ff. 449 Vgl. EuGH, Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, S. 3727 ff. (3744 ff.), bekräftigt hier nochmals seine bisherige Rechtsprechung und verweist ausdrücklich auf die E M R K u n d die Gemeinsame Grundrechtserklärung der übrigen E G Organe, Fundstelle Vgl. Fn. 447. 447 V o m 5. A p r i l 1977, B u l l - E G 1977, Nr. 3, S. 5; auch abgedruckt i n : Schweitzer/Hummer, Textbuch, S. 255. 448 B u l l - E G 1978, Nr. 3, S. 5 wiedergegeben ferner i n : Schweitzer/Hummer, Textbuch, S. 256. 449 E r w ä h n u n g bedarf hier auch der am 14. Februar 1984 v o m Europäischen Parlament verabschiedete Verfassungsentwurf zur Gründung der E u ropäischen Union, abgedruckt i n : Pfennig/Eckes, S. 211 ff.; vgl. dazu Seeler, S. 41 ff. u n d Pernice, EuR 1984, S. 126 ff.
5. Abschn.: Rechtsfolge i n rechtspolitischer Hinsicht
135
Auswirkung auf die Entfaltungsmöglichkeit des Gemeinschaftsrechts bringt diese nicht ernsthaft in Gefahr, doch ist nicht auszuschließen, daß es sich hierbei um eine latente Gefahr für den angestrebten weiteren Ausbau der europäischen Zusammenarbeit handelt, da die Gemeinschaft nicht so gefestigt ist, daß solche Praktiken als gefahrlos angesehen werden können 450 . Ein Verstoß gegen die Absätze 2 der hier geprüften Grundsatznormen liegt jedoch nicht vor. VI. Zusammenfassende
Betrachtung
Zu den Grundlagen der Europäischen Gemeinschaften zählt die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den Gemeinschaften bei all ihren Handlungen so weit wie möglich Unterstützung zu gewähren und all das zu unterlassen, was den Zielsetzungen der Verträge hinderlich ist bzw. sich ihnen gegenüber als konkrete Gefährdung darstellt. Eine uneingeschränkte Überprüfung der nationalen Zustimmungsgesetze auch an den „allgemeinen, einfachen" Grundrechtsnormen stellt sich jedoch i n keiner der geprüften Alternativen als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar, da darin keine Anwendungsbeschränkung gemeinschaftsrechtlicher Maßnahmen liegt. Soweit die nationalen Integrationsorgane von der strengen Bindung an die Grundrechte entbunden sind, reicht auch der Anwendungsfreiraum des Gemeinschaftsrechts i m nationalen Hoheitsbereich. Das BVerfG w i r d bei einem i n dieser Weise offensichtlich unbegründeten Überprüfungsverfahren deren Annahme etwa als Verfassungsbeschwerde ablehnen bzw. das Rechtsschutzbedürfnis verneinen müssen, wenn die den Integrationsorganen vorgegebenen Verfassungsschranken i m Sinne des Art. 79 I I I GG in offenkundiger Weise eingehalten sind 451 . 5. Abschnitt: D i e Rechtsfolgen i n rechtspolitischer Hinsicht
A. Allgemeines — Der prima-facie-Beweis Anhand der bisherigen Ergebnisse ist deutlich geworden, daß eine i n der geschilderten Weise weithin uneingeschränkte Überprüfungsmög450
Vgl. dazu Beutler, B / B / P / S , Kap. 3.2.2.2., S. 73 f. Das B V e r f G ging i n einigen seiner Entscheidungen noch wesentlich weiter: BVerfGE 46, S. 128 ff.; 53, S. 205 ff: Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde, w e i l kein schwerer Nachteil zu erwarten sei. K r i t i s c h dazu zu Recht Mußgnug, S, 1359 ff.; zum Ganzen vgl* Vitzthum, S, 293 ff, (306 ff.) m, w, N, 451
136
T e i l 3: Mittelbare Überprüfbarkeit von Primärrecht
lichkeit der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen nicht gegen geltendes EG-Recht verstößt; auch ist zu berücksichtigen, daß die Römischen Verträge auf unbegrenzte Zeit geschlossen wurden, die in der entfernteren Zukunft liegenden Rechtsentwicklungen der Gemeinschaften nicht präzise vorhergesehen werden können und die grundsätzliche A n bindung des Integrationsgesetzgebers an die innerstaatliche Rechtsordnung durch die EG-Verträge nicht aufgehoben ist. Andererseits ist jedoch auch zu fragen, ob man aufgrund der für die Weiterentwicklung der Gemeinschaften so entscheidenden Kooperationsverpflichtungen der Mitgliedstaaten und der allseits weitgehend anerkannten positiven Grundrechtsentwicklung innerhalb der Gemeinschaften es den Mitgliedstaaten, d. h. hier der Bundesrepublik Deutschland, nicht nahelegen sollte, von einer solchen Überprüfung demonstrativer nur i n den Fällen Gebrauch zu machen, die einen begründeten Verdacht auf eine rechtsrelevante Diskrepanz ergeben können 452 . Die widerlegbare Vermutung der Rechtmäßigkeit europarechtlicher Maßnahmen w i r d ebenso wie die erreichten Grundrechtsverbürgungen i n den EG-Rechtsordnungen unbegründet geschmälert, hält man die Solange-Entscheidung weiterhin aufrecht, obgleich gegenwärtig und i n absehbarer Zukunft ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügender Grundrechtsschutz auf Gemeinschaftsebene existiert. Der prima-facie-Beweis spricht ganz eindeutig für die Vermutung der Rechtmäßigkeit europarechtlicher Handlungen. Auch aufgrund der i n Art. 2 EWGV zum Ausdruck gebrachten Zielvorstellung, daß die Mitgliedstaaten „ihren festen Willen bekunden, die Grundlage für einen immer engeren Zusammenschluß der EGStaaten zu schaffen" 453 , liegt es rechtspolitisch nahe, dem prima-facieBeweis i n Form einer Rechtmäßigkeitsvermutung den Rechtshandlungen der EG-Organe gegenüber wirkungsvoller Ausdruck zu verleihen 454 . B. Der ausdrückliche Widerruf der bisherigen Rechtsprechung Durch die seit Mitte der 70er Jahre einsetzende Rechtsentwicklung bezüglich der Grundrechtsverankerung i m EG-Bereich ist eine Situation eingetreten, die das Auftreten möglicher rechtsrelevanter Diskrepanzen zwischen den verfassungsrechtlichen Anforderungen, denen der 452
Vgl. dazu Börner, S. 2043; Frowein, B V e r f G u n d von Boeckh, zu A r t . 2 EWGV, A n m . I. 5. 454 Börner, S. 2043, k o m m t bei einer möglicherweise rechtsgarantie zu der Auffassung, daß für das BVerfG stehen kann, von einer nationalen Überprüfung ein sehen. 453
GG, S. 201 f. hinreichenden G r u n d dann die Pflicht befür alle Male abzu-
5. Abschn.:
echtsfolge i n rechtspolitischer Hinsicht
137
nationale Integrationsgesetzgeber unterliegt, und den verfassungsrechtlichen Maßstäben, die i n den Gemeinschaftsordnungen Beachtung finden, i n der absehbaren Zukunft als unrealistisch erscheinen lassen 455 . Sollen die Mitgliedstaaten für die Grundlagen ihres engeren Zusammenschlusses m i t Sorge tragen, bedarf es diesbezüglicher Maßnahmen ihrerseits, auch über den rechtlich abgesteckten Rahmen hinaus. Für das BVerfG besteht ein solcher Schritt darin, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit auf die Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung aus der Solange-Entscheidung 458 hinzuweisen und den i n der Vielleicht-Entscheidung 457 vorgezeichneten Weg ausdrücklich i n dem hier erarbeiteten Sinne zu bestätigen und zu bekräftigen. C. Der Ausbau von Kooperationsmechanismen A u f der Rechtsebene der Mitgliedstaaten kann diesem rechtspolitischen Gebot in dem hier angesprochenen Bereich etwa dadurch nachgekommen werden, daß gesetzgeberische Maßnahmen m i t folgendem Tenor ergriffen werden: Der Bundesgesetzgeber bringt i n einer Gesetzesnovelle zum Ausdruck, daß die verfassungsrechtliche Überprüfung der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen materiell-rechtlich gesehen nur dann zum Erfolg führen kann, wenn ein Verstoß gegen die übertragungsfesten Verfassungsschranken des Art. 79 I I I GG geltend gemacht wird. Dies mündet gesetzestechnisch etwa in die Überlegung ein, für die Überprüfung des Zustimmungsgesetzes und damit für die mittelbare verfassungsrechtliche Kontrolle des primären EG-Rechts, vergleichbar dem Annahmeverfahren zur Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Nr. 4 a GG, §§ 90 ff., 93 a BVerfGG), eine Vorprüfung durch den Richterausschuß des BVerfG vorzuschreiben 458 . Das bedeutet, daß die diesbezügliche Überprüfung i n allen drei möglichen Verfahrensarten der Annahme zur Entscheidung bedarf. Diese Vorprüfung nimmt den EG-Rechtsakten den Makel der jederzeitigen verfassungsrechtlichen Überprüfung und festigt die Eigenstän455
Vgl. dazu Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 66. BVerfGE 37, S. 271 ff. (285). 457 BVerfGE 52, S. 187 ff. (202 f.). 458 Die Verfahrensvorschriften der §§ 76 ff. BVerfGG müßten ebenso w i e die der §§ 80 ff. B V e r f G G durch einen dem § 93 a BVerfGG entsprechenden Hinweis ergänzt werden. Denn der Gesetzgeber kann, so haben es schon die Entscheidungen BVerfGE 6, S. 290 ff. (295) u n d 45, S. 83 ff. (96) i n grundsätzlicher Weise zum Ausdruck gebracht, gehalten sein, alle Möglichkeiten eines irgendwie gearteten Ausgleichs auszuschöpfen, u m auf diese Weise den Erfordernissen beider Rechtskreise (eher) Rechnung zu tragen; vgl. dazu die Ausführungen von M agier a, N J W 1985, S. 1739 m. w. N. 459
138
Teil 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
digkeit der EG-Rechtsordnung i n rechtspolitischer Hinsicht. Für offensichtliche Fehlentwicklungen des Gemeinschaftsrechts besteht andererseits die verfassungsrechtlich gebotene, nationale Rechtskontrolle zur rechtsstaatlichen Absicherung des Bundesbürgers i m oben erörterten Sinne, d. h. die Wahrung der in Art. 79 I I I GG festgeschriebenen Verfassungsschranken 469 . Daneben oder statt dessen bieten sich weitere Möglichkeiten an, dem nationalen Kooperationswillen Ausdruck zu verleihen: Die Überprüfungsverfahren zu den Zustimmungsgesetzen der EG-Verträge können weiteren erschwerten Bedingungen unterworfen werden. Zu denken ist neben der Vorprüfung durch den Dreier-Ausschuß des BVerfG an die Zuleitung solcher Entscheidungen an das Plenum des BVerfG 4 6 0 . Als Abstufung bietet sich eine absolute Mehrheitsentscheidung i n den einzelnen Senaten an, m i t der gleichzeitigen Verpflichtung, vom anderen Senat i n dieser zur Entscheidung anstehenden Frage ein Gutachten einzuholen. U m die Verzahnung der Rechtsordnungen sichtbar hervortreten zu lassen, ist des weiteren an die Einholung von Rechtsgutachten — etwa von den mit der zur Entscheidung anstehenden Regelung i n ihrer materiellen Ausformung befaßten EG-Organen — zu denken. I n Erinnerung sei die Vorlageverpflichtung des BVerfG an den EuGH gebracht. Diese sollte zu einer generellen Verpflichtung ausgebaut werden, wenn das BVerfG i n der Vorprüfung zu der Rechtsauffassung gelangt, daß eine Unvereinbarkeit m i t den nationalen Integrationsschranken vorliegt 4 6 1 . Beides könnte zur Sperrwirkung für das BVerfG dahin gehend ausgestaltet sein, daß es vor Einholung diesbezüglicher Gutachten nicht zur eigentlichen Entscheidungsfindung schreiten darf 4 6 2 . 459 Vgl. dazu die Erörterungen oben m i t den spezifischen, die den A r t . 79 I I I G G i n seinen allgemeingültigen Anforderungen modifizierenden Ausformungen die Europäischen Gemeinschaften betreffend, oben T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . 1. u n d 4. Abschn. A. I I I . 1. bis 3. 4β0 Das Plenum als die höchste A u t o r i t ä t des Gerichts könnte zudem für eine kontinuierlichere Entscheidungsfindung Sorge tragen. 481 Siehe dazu oben i n Teil 3, 4. Abschn. A . I I I . 2. u n d 3.; zum Ganzen vgl. ferner: Feige, AöR 100 (1975), S. 530 ff. m . w . N . u n d Ophüls, A W D / R I W , S. 65. 462 Z u r Rechtslage bzgl. des Ranges u n d der Überprüfungsmöglichkeit von Gemeinschaftsrecht i n den anderen Mitgliedstaaten vgl. die Ausführungen bei Constantinesco, Rdnr. 641 ff., S. 717 ff.; Frankreich, die Benelux-Staaten, Großbritannien, I r l a n d u n d Dänemark haben zum Teil schon sehr f r ü h erkannt, daß ihre nationalen Verfassungen einer grundlegenden Reform bedürfen, u m den Anforderungen u n d Bedürfnissen der Gemeinschaftsordnungen gebührend Rechnung tragen zu können, vgl. dazu auch die Schlußbetrachtung, ders., Rdnr. 712. Z u den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Diskussionen i n den sechs Gründerstaaten vgl. die ausführliche Erörterung bei Claudi, S. 196 ff. u n d die Zusammenfassung auf den Seiten 382 ff.
5. Abschn. : Rechtsfolge i n rechtspolitischer Hinsicht
139
D. Die Modifizierung der einstweiligen Anordnungen Das BVerfG ist allgemein zurückhaltend m i t dem Erlaß einstweiliger Anordnungen i. S. v. § 32 BVerfGG. Es wägt dabei jeweils für den Einzelfall die Vor- und Nachteile einer solchen Entscheidung ab. Dies bedeutet, es stellt die Rechtsfolgen, die sich bei Fortgeltung einer möglicherweise verfassungswidrigen Regelung oder Lage ergeben, denen gegenüber, die bei der Aussetzung der fraglichen Norm auftreten 4®3. Hierbei soll i n eine sachliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bzw. -Widrigkeit allenfalls summarisch eingetreten werden 464 . Dies hat nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich auch für die verfassungsrechtliche Kontrolle völkerrechtlicher Verträge zu gelten, wobei auch den politischen Besonderheiten in gebührender Weise Rechnung getragen werden soll 465 . Besondere Zurückhaltung sei gerade dann geboten, „wenn es sich um Zustimmungsgesetze (Art. 59 I I GG) zu völkerrechtlichen Verträgen von hoher politischer Bedeutung handelt" 4 6 6 . Als Verträge von hoher politischer Bedeutung lassen sich die EGVerträge ohne weiteres qualifizieren 467 . Dies bleibt jedoch nicht das allein entscheidende: M i t den EG-Verträgen sind Rechtsordnungen geschaffen worden, die als eigenständig zu bezeichnen sind, die i n verfassungsrechtlich erlaubter Weise unmittelbar i n die staatlichen Rechtsordnungen hineinwirken 4 6 8 . Die Überprüfbarkeit der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen ist eng m i t der materiell-rechtlichen Ausgestaltung des EG-Rechts verknüpft 4 6 9 . Nur soweit die EG-Norm einen „strukturellen Defekt" aufweist, gelangt das BVerfG zu einer Unvereinbarkeit dieser m i t dem verfassungsrechtlichen Gebot an die Integrationsgewalt. I n allen anderen Fällen w i r d sich kein diesbezüglicher Verfassungsverstoß aufzeigen lassen 470 . Die mittelbare Überprüfung der 4β3 BVerfGE
25, S. 367 ff. (369 f.); 33, S. 232 ff. (234).
464
BVerfGE 16, S. 220 ff. (226); 35, S. 193 ff. (196 f.); der Umstand, daß andererseits über die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde noch nicht entschieden ist, soll demgegenüber nicht die Entscheidung über den A n t r a g auf Erlaß einer einstweüigen Anordnung hindern. 465 BVerfGE 33, S. 195 ff. (197 ff.); 33, S. 232 ff. (234 f.); 35, S. 193 ff. (196 ff.). 486 BVerfGE 33, S. 232 ff. (243); 35, S. 193 ff. (196); dieses K r i t e r i u m w i r d von Bernhardt, B V e r f G u n d GG, S. 176 zu Recht angezweifelt, da dies allein kein ausreichendes K r i t e r i u m für den Erlaß oder Nichterlaß einer einstweiligen Anordnung sein kann, diese Auffassung w i r d auch hier vertreten. 467 Siehe oben die diesbezüglichen Ausführungen m i t den weiterführenden Hinweisen i n T e i l 3, 3. Abschn. Β. I V . 468 v g l . dazu die ausführlichen Erörterungen oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. u n d i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . 2. u n d I I I . 4. m i t den entsprechenden Nachweisen. 469 Siehe oben die diesbezüglichen Erörterungen i n T e i l 3, 2. Abschn. C. I I . m. w. N. 470 So die Ergebnisse dieses Teiles 3 i n den Abschnitten 4 A. u n d Α. I I . 2. m. w. N.
140
T e i l 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
Gründungsverträge sollte demnach auf das notwendige Maß beschränkt bleiben. Nur in den Fällen, i n denen eine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Bindungen der Integrationsgewalt als begründet erscheint, dürfte es zu einem diesbezüglichen Verfahren vor dem BVerfG kommen. Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung zieht rechtspolitisch hinsichtlich der Überprüfung der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen folgendes nach sich: Er ist nur dann auszusprechen, wenn das BVerfG nach erfolgter Vorprüfung die Erfolgsaussichten der Klage positiv bewertet 471 . Dies bedeutet, daß auch i n diesem Bereich der Verfahrensvorschriften für den § 32 BVerfGG eine Modifizierung erforderlich w i r d : Dies kann von gesetzgeberischer Seite etwa durch die A n fügung eines Absatzes 7 an § 32 BVerfGG vollzogen werden, der das hier erarbeitete Ergebnis für die Überprüfung der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen — i n Abweichung der bisherigen Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung — zum Ausdruck bringt. E. Die verfassungspolitische, die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit Betrachtet man die Ausdrucksformen möglicher erweiterter Kooperationsmechanismen unter politischen und rechtlichen Gesichtspunkten, so sei hier kurz auf folgendes hingewiesen: M i t der Grundentscheidung der Verfassung für eine offene Staatlichkeit, wie sie insbesondere i n Art. 24 I GG zum Ausdruck kommt, sieht es etwa Tomuschat als unvereinbar an, die Tätigkeit der Gemeinschaften — und sei es auch nur mittelbar — einer laufenden Kontrollmöglichkeit nationaler Rechtsschutzinstanzen zu unterziehen 472 . Eine solch permanente „Vormundschaft" der nationalen Rechtsordnung ist seiner Meinung nach spätestens dann abzulegen, wenn die notwendigen verfassungsrechtlichen Grundsätze i n der neu gegründeten zwischenstaatlichen Einrichtung als gesichert angesehen werden können. 471 Vgl. dazu BVerfGE 33, S. 232 ff. (234), i n der das B V e r f G bei der P r ü fung der Voraussetzungen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung h i n sichtlich völkerrechtlicher Verträge nicht hoheitsrechteübertragender A r t — i m Gegensatz zu dem hier erarbeiteten Ergebnis — von dem Grundsatz ausgeht, daß es zunächst außer Betracht zu bleiben hat, „ob die von den Antragstellern vorgebrachten Gesichtspunkte geeignet sind, die Verfassungsw i d r i g k e i t dieser Gesetze zu begründen" ; so auch schon BVerfGE 25, S. 367 ff. (369). Allgemein zur Zulässigkeit der einstweiligen Anordnung i n allen nach dem BVerfGG vorgesehenen Verfahren vgl. die Ausführungen von Erichsen, BVerfG u n d GG, S. 170 ff. (175) m . w . N . ; ferner Schiaich, Fs. Bachof, S. 336 ff. auf das Organstreitverfahren bezogen, bzgl. der Bundestagsauflösung durch Anordnung des Bundespräsidenten v o m 6. Januar 1983; die tragenden G r ü n de dieser Entscheidung sind i n BVerfGE 62, S. 1 ff. wiedergegeben. 472 Vgl. dazu Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 53.
5. Abschn.: Rechtsfolge i n rechtspolitischer Hinsicht
141
Die verfassungsrechtliche Möglichkeit einer Übertragung von Hoheitsrechten, wie es Art. 24 I GG vorsieht, verliert an politischer Glaubwürdigkeit, wenn an Überprüfungsverfahren festgehalten wird, deren Berechtigung eigentlich nur noch formal-juristisch gegeben ist: Die in absehbarer Zukunft gleichwohl auftretenden Divergenzen können allenfalls als verfassungsrechtlich vertretbare Bandbreite von Grundprinzipien einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung eingestuft werden 473 . Der Verfassungsgeber hat durch die Normierung einer Übertragungsmöglichkeit von Hoheitsrechten, die nur den verfassungsimmanenten Schranken des Art. 79 I I I GG unterliegen soll, bewußt sein Vertrauen i n diese zwischenstaatliche Zusammenarbeit gesetzt 474 . Die durch Art. 24 I GG eingeräumte Öffnung der nationalen Rechtsordnung w i r d demnach rechtspolitisch in zu großem Maße relativiert, wenn jeder Hoheitsakt der Gemeinschaft m i t Außenwirkung zunächst m i t den für das Zustimmungsgesetz geltenden Voraussetzungen überprüft werden müßte: Erlaubt es die Verfassung, sich einem eigenständigen Hoheitsverband einzugliedern, beschränkt sich die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Schranken auf die Bauelemente der supranationalen Gemeinschaft und deren grundsätzlicher Ausrichtung auf die gebotene Rechts- und Sozialstaatlichkeit. Zudem kann nur bei wiederholt auftretenden Fehlleistungen von einem „strukturellen Defekt" gesprochen werden, der dann auch dem Zustimmungsgesetz anzulasten ist 4 7 5 . Nur gravierende Divergenzen, die nach vorheriger „Befragung" des EuGH noch immer bestehen, müssen bei Verstoß gegen die unaufgebbaren nationalen Verfassungsschranken einer ausnahmsweise den Verfassungsstrukturen des GG angepaßten Regelung seitens der Gemeinschaften zugeführt werden oder außer Anwendung bleiben47®. Die diesbezüglich rechtspolitisch gebotenen Einschränkungen bei Überprüfung der nationalen Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen verstoßen insofern nicht gegen die verfassungsrechtlichen Gebote an die Integrationsgewalt; verfassungsrechtliche Bedenken in dieser A r t bestehen nicht 4 7 7 .
473
Siehe dazu die Erörterungen ebd. Siehe oben die ausführliche Darlegung i n Teil 3, 3. Abschn. C. I. u n d I I . m. w. N. 475 Vgl. zum Ganzen Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 65. 47β Siehe dazu die Ausführungen oben i n Teil 3, 4. Abschn. A. I I I . 1. bis 3. m. w. N. 477 Z u der Unbedenklichkeit diesbezüglicher Änderungsbefugnisse der L e gislative i m Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit vgl. die Untersuchung von Alberts, insbes. die S. 139 ff. 474
142
Teil 3: Mittelbare
berprüfbarkeit von Primärrecht
F. Ergebnis des 5. Abschnitts Obgleich sich gegen die angesprochenen Ergänzungen des BVerfGG bezüglich der erschwerten Überprüfbarkeit der Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen keine verfassungsrechtlichen Bedenken erheben lassen, bleibt deren Durchsetzung nur i m rechtspolitischen Bereich geboten 478 . K u r z e zusammenfassende Betrachtung von T e i l 3
Eine Überprüfung des primären Gemeinschaftsrechts kann vom BVerfG nur mittelbar anhand der nationalen Zustimmungsgesetze zu den EG-Verträgen vorgenommen werden; dies i m weiteren nur m i t dem Ziel, die Einhaltung der den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen Verfassungsschranken nachzuprüfen. Solchen Verfahren sind jedoch wegen der weitgehenden Übereinstimmung der Grundrechtsverbürgung des Gemeinschaftsrechts m i t dem des deutschen Rechts aus rechtspolitischen Gründen besondere verfahrenstechnische „Hürden" zu setzen, denn es verstößt gegen die i m rechtspolitischen Bereich weitergehende Kooperationsverpflichtung, das eigenständige EG-Recht ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg einer uneingeschränkten nationalen Überprüfung — sei sie auch nur mittelbar — zu unterziehen. Den Prüfungsmaßstab stellen i n den möglichen Verfahrensarten der Überprüfung des Zustimmungsgesetzes die durch Art. 24 I GG den Integrationsorganen vorgegebenen, übertragungsfesten Verfassungsschranken dar, die — auf ihre Grundelemente reduziert und den A n forderungen der Gemeinschaften so weit wie möglich angepaßt — dem Normbereich des Art. 79 I I I GG zu entnehmen sind. Bei Nichtbeachtung dieser Integrationsschranken hat das BVerfG anhand des Zustimmungsgesetzes als ultima ratio die Anwendung der indirekt mitüberprüften EG-Norm i m nationalen Rechtsraum zu untersagen, falls dem nationalen Verfassungsgebot nicht i n anderer Weise zur Geltung verholfen wird. Das Gemeinschaftsrecht gestattet eine diesbezügliche Überprüfung, da die i n Art. 79 I I I GG niedergelegten Grundrechtsstrukturen zu den von den EG-Organen zu beachtenden Verfassungsgrundsätzen der Ge478 Z u m Ganzen vgl. auch Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 204 ff., der noch weitere Möglichkeiten der Kooperation beider Rechtsordnungen, besonders seitens der Bundesrepublik, aufzeigt.
5. Abschn.: Rechtsfolge i n rechtspolitischer Hinsicht
143
meinschaftsordnungen — als Rechtsinhaltsquelle — zu zählen sind und deren Beachtung m i t Rechtsverbindlichkeit für die nationalen Integrationsorgane nur vom BVerfG geprüft und ausgesprochen werden kann.
Teil 4
Die mittelbare Uberprüfbarkeit von sekundärem Gemeinschaftsrecht anhand der staatlichen Zuetimmungsgeeetze zu den EG-Verträgen
1. Abschnitt: D i e formell-rechtlichen Überlegungen
Rechtstheoretisch-konstruktive Überlegungen scheinen eine Differenzierung zwischen dem Primär- und dem Sekundärrecht, d. h. dem vom Primärrecht abgeleiteten Recht, bei der mittelbaren Überprüfung des Gemeinschaftsrechts zu fordern — etwa wie es das BVerfG i n seiner Rechtsprechung bisher getan hat 1 . Nach dualistischem Ansatz w i r d einem völkerrechtlichen Vertrag i n der Bundesrepublik die Rangstufe des ihn transformierenden Zustimmungsgesetzes zugeordnet 2 . Sekundärrechtsakte hingegen lassen sich demnach nicht ohne weiteres eingruppieren: Sie haben keinen direkten, vergleichbaren Anknüpfungspunkt zur nationalen Legislativgewalt. Doch auch dem primären Gemeinschaftsrecht als unabgeleitete Rechtsmaterie fehlt dieser unmittelbare Bezug 3 . A. Die Einheit von Primär- und Sekundärrecht Die Eigenständigkeit der EG-Rechtsordnungen bezieht sich auf ihr gesamtes Erscheinungsbild: Die zugrundeliegenden völkerrechtlichen Gründungsverträge sind zu eigenständigen Verfassungsnormen der Gemeinschaften geworden, die für Primär- und Sekundärrechtsakte den — und zwar den alleinigen — rechtlichen Ableitungsgrund bilden 4 . Da1 BVerfGE 37, S. 271 ff. (284 ff.) einerseits, BVerfGE 52, S. 187 ff. (199) andererseits; mißverständlich wiedergegeben bei: von Simson, Handbuch des VerfR, S. 65 f. 2 Siehe oben die diesbezüglichen Erörterungen i n Teil 3, 1. Abschn. A. 3 Siehe oben Teil 1, 1. Abschn. B. I I I . 3., insbes. Fn. 40 bis 42 m . w . N . ; T e i l 3, 2. Abschn. Β . I. bis I I I . m i t den diesbezüglichen Erörterungen u n d weiterführenden Nachweisen. 4 Vgl. die Ausführungen oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. m. w. N.
1. Abschn.: Formell-rechtliche Überlegungen
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bei unterliegen die Sekundärrechtsakte denselben allgemeinen Rechtsgrundsätzen des EG-Rechts wie die Normen des Primärrechts 5 . Der von der Bundesrepublik den Europäischen Gemeinschaften überlassene Hoheitsbereich bezieht sich unterschiedslos auf das gesamte EG-Tätigkeitsfeld, unabhängig davon, ob aufgrund von Primär- oder Sekundärrechtsakten i n den nationalen Souveränitätsbereich eingegriffen wird. Dies schließt demnach auch die Handlungsformen der EGOrgane m i t ein, die auf Primär- oder Sekundärrecht beruhen. Eine Unterscheidung der beiden Rechtsmaterien läßt die hier notwendige funktionelle Betrachtungsweise nicht zu. Eine dem Dualismus nachgezeichnete Differenzierung kann den besonderen Gegebenheiten des EG-Rechts nicht gerecht werden. Die bisher vom BVerfG vorgenommene Unterscheidung bei der Überprüfung von primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht® scheint damit außer acht zu lassen, daß das Gesetz nach Art. 24 I, 59 I I GG zwar als verfassungsabhängiger A k t der unmittelbaren verfassungsrechtlichen Bindung unterliegt 7 , daß dieser jedoch seinen konkreten Inhalt nicht nur durch die Ausgestaltung der EG-Verträge erfährt, denn deren inhaltliche Ausfüllung erfolgt i m weiteren durch die Sekundärrechtsakte und die diesbezüglichen Handlungen der EG-Institutionen, so daß das sekundäre Gemeinschaftsrecht i n gleicher Weise, als für das Zustimmungsgesetz inhaltsfüllend, heranzuziehen ist 8 . I. Die nur mittelbare Überprüfungsmöglichkeit des sekundären Gemeinschaftsrechtes Die Sekundärrechtsnormen müßten demnach i n gleicher Weise dem direkten Zugriff der Mitgliedsstaaten entzogen sein, wie dies für Primärrecht gilt: Die Sekundärrechtsakte erhalten ihre Rechtsverbindlichkeit allein aus den EG-Verfassungen. Die Eigenständigkeit des Primärrechts, das nicht ohne die Überprüfung der staatlichen Zustimmungsgesetze einer mittelbaren nationalen verfassungsrechtlichen Kontrolle unterzogen werden kann, ist zugleich auch der Garant für das Losgelöstsein des Sekundärrechts von den Verfassungen der Mitgliedstaaten. Wie für das primäre hat demnach auch für das sekundäre Gemeinschaftsrecht zu gelten, daß seine Überprüfung — hier sogar i n einem weiteren Glied 5 Siehe die Erläuterungen von Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 94 ff.; i m weiteren vgl. auch die Überlegungen unten i m 2. Abschn. A. dieses Teiles 4. 6 BVerfGE 37, S. 271 ff. (285); 52, S. 187 ff. (203). 7 Vgl. Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 65 m. w. N. 8 Siehe dazu die Erläuterungen oben i n T e i l 3, 2. Abschn. C. I I . m. w . N.
10 E i b a c h
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T e i l 4: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Sekundärrecht
der Mittelbarkeit — nur indirekt erfolgen kann, da es, als zur eigenständigen Rechtsmaterie der EG-Rechtsordnungen gehörend, wie das Primärrecht zur weiteren Konkretisierung des materiellen Gehalts des Zustimmungsgesetzes beiträgt. Der ausdrücklich gegenteilig geäußerten Auffassung des BVerfG wegen bedarf dies einer kurzen, vertiefenden Erörterung, i n der sich zeigen wird, daß das BVerfG bei konsequenter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung nicht zu einer Differenzierung bei der Überprüfung von EG-Recht hätte gelangen dürfen. 1. Allgemeines Für die unmittelbare Überprüfung von sekundärem Gemeinschaftsrecht besteht m i t dem Ziel seiner Vernichtbarkeit kein Raum 9 . Dies hat das BVerfG für die unmittelbare Verfassungsbeschwerde gegen Sekundärrecht ausdrücklich festgestellt 10 . Die Hoheitsgewalt der Europäischen Gemeinschaften ist nach der hier zugrundeliegenden Auffassung — unbeschadet der Beteiligung der Bundesrepublik an der Gründung und der Willensbildung innerhalb der Gemeinschaften — eine eigenständige, von den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten rechtlich unabhängige, nicht-staatliche Gemeinschaftsgewalt 11 . Damit ist jedoch, wie es sich beim Primärrecht gezeigt hat 1 2 , eine verfassungsrechtliche Überprüfung nicht gänzlich ausgeschlossen18. Die innerstaatliche Verbindlichkeit beruht für beide Rechtsmaterien des EG-Rechts i n gleicher Weise m i t auf der Rücknahme des zuvor ausschließlichen, staatlichen Herrschaftsanspruches der Mitgliedstaaten i n ihren Territorien. Durch die Gründung der EG wurde der unmittelbaren Geltung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts i n seiner Gesamtheit innerhalb des staatlichen Herrschaftsbereichs Raum gegeben14. 9 Vgl. die Bedenken von Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 95, der i n jedem F a l l den E i n w a n d ausgeschlossen sehen w i l l , daß ein Sekundärrechtsakt gegen das GG verstoße; er läßt allenfalls den „ V o r w u r f einer Verletzung der durch A r t . 79 I I I GG abgesicherten Verfassungssubstanz sowie einer U n terschreitung des gemeinsamen Standards der Verfassungskultur der M i t gliedstaaten" gelten. Siehe dazu auch die i n T e i l 1 erarbeiteten Ergebnisse: 1. Abschn. C.; 2. Abschn. C.; 3. Abschn. D. u n d die Zusammenfassung des 1. Teils. 10 U r t e i l vom 18.10.1967, BVerfGE 22, S. 293 ff. (295 ff.); i m Schrifttum w a r dies bis dahin s t r i t t i g : vgl. die Nachweise bei Badura, S. 90, A n m . 234; Erler, S. 36; Stern, AöR 91 (1966), S. 241 f., A n m . 73. 11 Siehe dazu statt vieler: Gorny, S. 165; vgl. ferner die Ausführungen oben i n T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. 12 Siehe dazu oben T e i l 3, 4. Abschn. Α. I I . die diesbezüglichen Erörterungen m. w. N. 18 So auch BVerfGE 22, S. 293 ff. (298 f.).
1. Abschn.: Formell-rechtliche Überlegungen
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Inwieweit diese innerstaatliche Öffnung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, denen die nationalen Integrationsgesetzgeber unterliegen, kann und muß demnach anhand einer Rechtskontrolle durch das BVerfG verbindlich festgestellt werden können 15 . Weil das Vertragsgesetz, das formell Gegenstand dieser verfassungsrechtlichen Kontrolle ist, auch teilweise, d. h. nur insoweit, als eine punktuelle, verfassungsrechtlich relevante Diskrepanz statuiert wird, für unvereinbar oder nichtig erklärt werden kann1®, erscheint jede innerstaatlich verbindliche Norm des Sekundärrechts auf ihre Vereinbarkeit m i t der deutschen Verfassung überprüfbar 17 , soweit diese Überprüfung mittelbar anhand des Zustimmungsgesetzes bezüglich der Einhaltung der i n Art. 79 I I I GG niedergelegten Grundsätze durch die nationalen Integrationsorgane erfolgt 18 . 2. Beispiele aus der bisherigen Verfassungsrechtsprechung Dieser Weg kann durch die Rechtsprechung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des Überleitungsvertrages zum Besatzungsrecht 1® als grundsätzlich vorgezeichnet betrachtet werden: Die in diesem Vertrag zusammengefaßten Regelungsgegenstände haben ihren auf Besatzungsrecht beruhenden Vorrang vor dem deutschen Recht verloren. Ihre formelle Weitergeltung geht seit Abschluß dieses Vertrages auf die diesbezügliche Anordnung des dazu ergangenen Zustimmungsgesetzes zurück 20 . Aufgrund seiner Überprüfungskompetenz hinsichtlich des innerstaatlichen Vertragsgesetzes hat das BVerfG darüber zu entscheiden, „ob der Gesetzgeber auch solchem Besatzungsrecht Fortgeltung zusichern durfte, das m i t dem Grundgesetz nicht vereinbar ist" 2 1 . Die 14
Birke, S. 90; Claudi, S. 151, 200 ff.; Hoffmann, D Ö V 1967, S. 437; Ipsen, EuR-Lb, Kap. 2/15, S. 56; Schwan, S. 38; Spelten, S. 38. 15 Vgl. Gorny, S. 166; ferner die Erörterungen oben Teil 3, 2. Abschn. C. I I . u n d 3. Abschn. C. I. 18 BVerfGE 22, S. 134 ff. (152): Soweit die Gesamtregelung dadurch nicht ihren Sinn verliert; die Gültigkeit der übrigen Vertragsbestimmungen bleibt unberührt; vgl. dazu die Ausführungen oben i n T e i l 3, 4. Abschn. A. I I I . 3. b) m . w . N . ; vgl. ferner BVerfGE 8, S. 274 ff. (301); 9, S. 305 ff. (333); 10, S. 200 ff. (220); 12, S. 205 ff. (240); 15, S. 1 ff. (25). Badura, S. 140; Hoff mann, V V D S t R L 23 (1966), S. 117; a. A . Erler, S. 45. 17 Gorny, S. 166, so auch schon auf S. 98. 18 Siehe dazu das oben erarbeitete Ergebnis diesbezüglicher A r t , T e i l 3, 4. Abschn. A . I I I . 2. 19 Vertrag zur Regelung aus K r i e g u n d Besatzung entstandener Fragen, vom 26. 5.1952/23.10.1954, BGBl. 1955, T e i l I I , S. 405 ff. 20 BVerfGE 12, S. 281 ff. (288 ff.); 15, S. 337 ff. (348 ff. — Britische Höfeordnung). 21 BVerfGE 12, S. 281 ff. (290 — Devisenbewirtschaftungsgesetz). 10·
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T e i l 4: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Sekundärrecht
Verfassungsmäßigkeit des Besatzungsrechts beurteilte das Gericht dabei nur mittelbar, es gibt jedoch dem Zustimmungsgesetz — vergleichbar dem abgeleiteten EG-Recht — seinen materiellen Gehalt 22 . Die weitergeltenden Besatzungsnormen selbst sind nicht Bestandteil des Überleitungsvertrages; i n Art. 1 I dieses Vertrages w i r d darauf nur generell Bezug genommen. Der Überleitungsvertrag stellt demzufolge — vergleichbar der Stellung der EG-Verträge bezüglich des sekundären Gemeinschaftsrechts — noch ein zusätzliches Glied i n der Kette der Ableitungsgründe des Besatzungsrechts dar. Das BVerfG greift auf die besatzungsrechtliche Norm selbst, d. h. über die Schwelle des Uberleitungsvertrages hinaus, nur mittelbar zurück 23 . Diese Norm ist es jedoch, die zunächst dem Überleitungsvertrag und dann dem diesbezüglichen nationalen Zustimmungsgesetz die inhaltliche Ausgestaltung i n concreto verleiht 2 4 . Dies läßt sich i n vergleichbarer Weise auch für das Gemeinschaftsrecht nachzeichnen: Die Ausgestaltung des Sekundärrechts i n seiner konkreten Form gibt dem primären Gemeinschaftsrecht die inhaltliche Konkretisierung. Diese wiederum läßt dem Zustimmungsgesetz seinen spezifischen Inhalt zukommen. 3. Die Übertragbarkeit der gefundenen Rechtsauffassung auf das sekundäre Gemeinschaftsrecht Die Parallelität zwischen sekundärem Gemeinschaftsrecht und Besatzungsrecht bezüglich der Möglichkeiten einer Verfassungskontrolle drängt sich förmlich auf 2®. Beide Zustimmungsgesetze erfahren ihre inhaltliche Ausgestaltung durch den Überleitungsvertrag bzw. durch den entsprechenden EG-Vertrag, diese wiederum von den dahinterstehenden Rechtssätzen der Besatzungsnormen beziehungsweise den 22 Dabei spricht das BVerfG die Nichtigkeit des Zustimmungsgesetzes i m mer n u r insoweit aus, als ein Widerspruch des weiter geltenden Besatzungsrechtes m i t der nationalen Verfassung besteht, BVerfGE 12, S. 281 ff. (294); 18, S. 353 ff. (357, 361). 23 I n gleicher Weise ist es bei der Überprüfung des § 6 Abs. 1 Satz 3 der brit. HöfeO verfahren: BVerfGE 15, S. 337 ff. (342 ff.); ebenso i n BVerfGE 14, S. I f f . (7); vgl. dazu oben i n T e i l 3, 3. Abschn. Β . I I . 1. b) die nähere Besprechung dieser Entscheidung; ferner i n BVerfGE 18, S. 353 ff. (360 ff.) betreffend die Fortgeltung des Devisenbewirtschaftungsgesetzes u n d die Regelung des Interzonenhandels; siehe ferner BVerfGE 36, S. 146 ff. (170 f.), i n der das BVerfG die Erwägungen, die für die Uberprüfung des „gewöhnlichen" Besatzungsrechtes gelten, i n gleicher Weise auch die i n A r t . 1 Abs. 1 Satz 3 Uberleitungsvertrag angesprochenen Regelungen des Kontrollratsrechtes überträgt. 24 So a u d i Gorny, S. 166 f.; vgl. dazu die Erörterungen oben bzgl. des sich zeigenden Konfliktes bei der Uberprüfung von primärem Gemeinschaf tsrecht, i n T e i l 3, 2. Abschn. C. I I . 25 Gleichfalls w i r d dies so von Gorny, S. 166, gesehen.
. Abschn.:
r e l l - r e c h t l i c h e Überlegungen
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Normen des Sekundärrechts. Da beide Rechtsnormen aus einer eigenständigen Rechtsordnung stammen2®, zeigt sich die verfahrensrechtliche Gleichbehandlungsnotwendigkeit bei der Überprüfung der hier angesprochenen Rechtsnormen 27 . I n beiden Fällen ist von einem nur indirekt möglichen Rückgriff auf die eigenständigen Rechtssätze des Besatzungsrechts bzw. des sekundären Gemeinschaftsrechts auszugehen. Von einer Rechtskontinuität, die das BVerfG bei der Erhebung des Sekundärrechts zum unmittelbaren Prüfungsgegenstand i m konkreten Normenkontrollverfahren, m i t dem Ziel seiner Unanwendbarkeit, walten ließ, kann demnach auch hier nicht gesprochen werden 28 . Ein kleiner, rechtlich nicht ins Gewicht fallender Unterschied sei noch erwähnt. Bei der mittelbaren Überprüfung des Besatzungsrechts geht es um Rechtsnormen, deren fortgeltender Bestand zu überprüfen ist, d. h. es w i r d auf eine i n sich abgeschlossene Rechtsmaterie zurückgegriffen. Beim sekundären Gemeinschaftsrecht hingegen haben w i r es zum Teil m i t einer Rechtsmaterie zu tun, die von den Gemeinschaftsorganen noch gesetzt werden muß oder Änderungen unterworfen ist und somit auf keinen überschaubaren oder feststehenden Bestand aufbaut. Doch geht es bei der hier vorzunehmenden Überprüfung immer nur um die spezifische verfassungskonforme Ausgestaltung einer konkreten, zur Prüfung vorgelegten Norm, so daß dieses „Umfeld" ohne Bedeutung ist 29 . Das BVerfG kann demzufolge kraft seiner Prüfungskompetenz bezüglich der Zustimmungsgesetze nur darüber befinden, ob der innerstaatliche Gesetzgeber den staatlichen Hoheitsbereich einer solchen sekundären Gemeinschaftsrechtsnorm öffnen bzw. der Weitergeltung von Besatzungsrecht diesen Inhalts zustimmen durfte 8 0 . 26 Vgl. die diesbezüglich aufgezeigten Parallelen von Besatzungsrecht u n d Gemeinschaftsrecht oben i n Teil 2, 2. Abschn. II., bes. m i t den Hinweisen u n d weiterführenden Literaturangaben i n den Fn. 36 bis 42. 27 So auch das Minderheitenvotum BVerfGE 37, S. 271 ff. (302 f.), auf das hier nochmals zu verweisen ist. Vgl. dazu auch die ausführlichen Erörterungen oben i n Teil 2, 2. Abschn. I I . 28 a. A. BVerfGE 37, S. 271 ff. (284); so wie hier die abweichende Meinung i n BVerfGE 37, S. 271 ff. (304); vgl. zum Teil nochmals BVerfGE 2, S. 341 ff. (346); 3, S. 368 ff. (374 f.); 14, S. 1 ff. (7); 15, S. 337 ff. (346 f); 36, S. 146 ff. (171). Siehe ferner die Ausführungen oben i n Teil 2, 2. Abschn. Α. I I . u n d I I I . , die auch dort zur Gleichbehandlung von Besatzungsrecht u n d Gemeinschaftsrecht führen u n d den diesbezüglichen Bruch der Verfassungsrechtsprechung i n diesem T e i l der Untersuchung gleichfalls offenlegen. 29 Vgl. dazu Gorny, S. 167. 30 Die Zulässigkeit einer mittelbaren Verfassungskontrolle des Sekundärrechts bejaht auch Ulsamer, zu § 80 BVerfGG, Rdnr. 55, 55 a; vgl. auch die i n dieser Hinsicht nicht ganz eindeutige Formulierung von Badura, S, 69 vor I.; ferner Hoffmann, V V D S t R L 23 (1966), S. 117,
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T e i l 4: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Sekundärrecht
Soweit das BVerfG die Einhaltung der dem Integrationsgesetzgeber vorgegebenen Verfassungsschranken überprüft, bildet das Zustimmungsgesetz, i n Verbindung m i t der — etwa durch Art. 189 EWGV — die Verbindlichkeit der Sekundärrechtsnorm anordnenden Norm des Primärrechts, i n Verbindung m i t der spezifischen Ausgestaltung des Sekundärrechtssatzes, den allein möglichen Prüfungsgegenstand 31 . Kommt das BVerfG i n dieser Überprüfung zu einer Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgesetzes, kann die innerstaatliche Verbindlichkeit der mittelbar überprüften Sekundärrechtsnorm, d. h. deren A n wendbarkeit, als „ultima ratio" entfallen 32 . I h r Rechtsbestand auf der Gemeinschaftsrechtsebene erfährt i m übrigen dadurch keine Einschränkung 3 3 . Die weiteren gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik bleiben i n allen anderen Bereichen davon unberührt 3 4 .
2. Abschnitt: D i e materiell-rechtlichen Anforderungen
Nach Klärung der Frage der grundsätzlichen formell-rechtlichen Überprüfungsmöglichkeit soll auf die Frage der materiell-rechtlichen Anforderungen an das Sekundärrecht nochmals — zum Teil kurz zusammenfassend — eingegangen werden. A. Die gleichen europarechtlichen Bindungen von Primär- und Sekundärrecht Das Zustimmungsgesetz zu den EG-Verträgen unterliegt als verfassungsgebundener A k t der grundrechtlichen Bindung der Integrationsgewalt (siehe oben 1. Abschn. A. dieses Teiles 4 m. w. N.). Doch wie schon für das Primärrecht festgestellt, untersteht auch das eigenständige Sekundärrecht keiner unmittelbaren Bindung an die speziellen 31 Gorny, S. 166 f.; vgl. ferner Ulsamer, zu § 80 BVerfGG, Rdnr. 55 a, bzgl. des Primärrechts ausformuliert m.w.N. ; verwiesen sei nochmals auf BVerfGE 12, S. 281 ff. (288 ff.); 15, S. 337 ff. (348 ff.); 18, S. 353 ff. (360 ff.). 32 Gorny, S. 166 f.; vgl. dazu die oben erarbeiteten Einschränkungen für die mittelbare Uberprüfung des Primärrechts, die hier i n gleicher Weise Geltung besitzen, T e i l 3, 4. Abschn. A. I I I . 2. u n d 3.; 4. Abschn. Β . I. u n d den 5. Abschn. insgesamt. 33 Allgemein dazu Badura, S. 68; vgl. dazu die Erörterungen oben i n T e i l 3, 4. Abschn. Β . I. u n d I V . 4., ferner V. 2. des 4. Abschn. 34 I n allgemeiner Formulierung dazu Hoffmann, W D S t R L 23 (1966), S. 117 am Ende. Das heißt auch, daß die Bundesrepublik etwa aufgrund des A r t . 5 E W G V alle Möglichkeiten wahrzunehmen hat, u m keine Anwendungsbeschränkung aussprechen zu müssen, vgl. dazu die Hinweise, das P r i m ä r recht der Gemeinschaften betreffend, oben i n Fn. 32.
2. Abschn.: Materiell-rechtliche Überlegungen
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Regelungen der einzelnen nationalen Verfassungen. Sie können insofern nur als Rechtsinhaltsquelle dienen 85 . Diese Sachlage stellt sich für das Sekundärrecht i n noch exponierterer Form dar: Die zur Erzeugung des sekundären Gemeinschaftsrechts berufenen EG-Institutionen leiten ihre diesbezügliche Befugnis von den jeweiligen EG-Verträgen ab. Als EG-Organe sind sie nicht Garanten für die nationalen Verfassungsbestimmungen. Dies bedeutet zwar keine „Herrschaft ohne Grundrechte" 88 , wie es der EuGH i n seiner Grundrechtsjudikatur deutlich zum Ausdruck gebracht hat, doch rührt eine solche rechtliche Bindung nur vom Gemeinschaftsrecht her 8 7 . Da keine europarechtliche Maßnahme, welcher Rechtsebene sie auch angehört, für rechtens anerkannt wird, die gegen die allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätze verstößt, unterliegen Primärund Sekundärrecht den gleichen europarechtlichen Bindungen 88 . B. Die gleichen grundrechtlichen Anforderungen an das Primär- und Sekundärrecht Wie gesehen kann auch hier über das Zustimmungsgesetz nur dem verfassungsrechtlichen Gebot nach einer den Grenzen des Integrationsgesetzgebers vorgegebenen, rechtsstaatlich ausgestalteten zwischenstaatlichen Einrichtung Nachdruck verliehen werden 89 . Insofern besteht für die Mitgliedstaaten ein verfassungsrechtliches Gebot, die zu gründende zwischenstaatliche Einrichtung so auszugestalten, daß durch ihre spezifischen Wirkungsmechanismen die Rechtsunterworfenen nur solchen rechtlichen Einschränkungen ausgesetzt werden, die i m Rahmen der Integration als verfassungsrechtlich erlaubt anzusehen sind 40 . Doch wenn die Integrationsgewalt diesen innerstaatlichen Anforderungen nachgekommen ist, bleibt nur die Möglichkeit, die weitere Entwicklung der Gemeinschaft i n dem Sinne i m Auge zu behalten, daß weder eine strukturelle Änderung i n der Gemeinschaft noch eine Weiterentwicklung des Grundrechtsverständnisses i n den Mitgliedstaaten an der Ge35 So auch Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 66; vgl. die diesbezüglichen Erörterungen oben i n T e i l 3, 4. Abschn. Α. I I . u n d I I I . 38 So i n polemischer Überspitzung Rupp, N J W 1970, S. 354. 37 Siehe die ausführlichen Erörterungen dazu oben i n T e i l 3, 4. Abschn. A . I. 3. a) u n d b). 38 Vgl. dazu etwa EuGH, Rs.4/73, Slg. 1974, S. 491 ff. (507); i m weiteren vgl. die Ausführungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I I . 2. m. w. N. 39 Vgl. dazu Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 94 f.; ferner die A u s führungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . 40 Vgl. dazu Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 65; ferner die Ausführungen oben i n Teil 3, 2. Abschn. Ç. I I . und 3. Abschn. C. I.
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T e i l 4: Mittelbare Uberprüfbarkeit von Sekundärrecht
meinschaft dahin gehend unreflektiert vorübergeht, daß sie nun den innerstaatlichen Geboten an die Integrationsgewalt nicht mehr gerecht wird. Die Supranationalen Gemeinschaften stellen sich jeweils als ein i n sich geschlossenes, eigenständiges Rechtsgebilde dar und treten somit nach außen als einheitliches, fremdes Recht i n Erscheinung. Der Übertragungsakt von Hoheitsrechten auf die Europäischen Gemeinschaften beinhaltet jeweils einen mit mehreren Folgeschritten versehenen Gesamtvorgang 41 . A n diesen Gesamtakt und die daraus resultierenden Einzelakte ist der dieser Übertragung i n seiner Komplexität zugrundeliegende nationale Verfassungsmaßstab ganzheitlich anzulegen. Das bedeutet, daß für alle aus diesem Übertragungsvorgang resultierenden Rechtshandlungen auch dieselben übertragungsfesten Gründrechtsiiormen des GG als Prüfungsmaßstab zugrunde zu legen sind. Sekundärrechtsakte müssen demnach den gleichen Schranken unterworfen werden, denen das Primärrecht unterliegt, somit den i n Art. 79 I I I GG verankerten, den Bedürfnissen und den Notwendigkeiten der Gemeinschaften angepaßten Grundelementen 42 . Das sekundäre Gemeinschaftsrecht kann somit nur i n gleicher Weise und nur unter den gleichen rechtlichen Maßstäben wie das primäre einer mittelbaren Überprüfung anhand des Zustimmungsgesetzes m i t dem Ziel zugeführt werden, die Einhaltung der den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen Verfassungsschranken zu überprüfen. Diese mittelbare Verfassungskontrolle w i r d durch das BVerfG i n den Verfahren der konkreten und abstrakten Normenkontrolle sowie der Verfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz ausgeübt, ungeachtet der spezifischen Voraussetzungen dieser einzelnen Verfahrensarten 48 .
41
Vgl. die diesbezüglichen Erörterungen oben i n Teil 3, 2. Abschn. B. I I I . Siehe dazu die Ausführungen oben, T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . Wie bei N o r men des Primärrechts können die i n A r t . 79 I I I G G niedergelegten G r u n d strukturen, die zu den von den EG-Organen zu beachtenden Verfassungsgrundsätzen der Gemeinschaftsordnung als Rechtsinhaltsquelle zu zählen sind, nach Gemeinschaftsrecht n u r mittelbar i n einem nationalen Verfahren m i t dem Ziel zum Prüfungsgegenstand des nationalen Zustimmungsgesetzes erhoben werden, d a m i t die Einhaltung der den staatlichen Integrationsorganen vorgegebenen Verfassungsschranken diesbezüglicher A r t zu überprüfen, siehe dazu die Ausführungen oben i n Teil 3, 4. Abschn. A . I I I . 1. u n d 2. 43 Vgl. dazu auch Gorny, S. 170, der allerdings die Verfassungsbeschwerde n u r für den deutschen Hoheitsakt zur Ausführung sekundären Gemeinschaftsrechts aufführt u n d nicht schon das Zustimmungsgesetz zu den E G Verträgen als einen nationalen Hoheitsakt erwähnt, vgl. i m weiteren den diesbezüglichen Vorschlag des Bundesministers der Justiz i n : BVerfGE 37, S. 271 ff. (276), ferner BVerfGE 22, S. 134 ff. (146 f.). 42
2. Abschn.: Materiell-rechtliche Überlegungen
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Ergebnis zu T e i l 4
Primär- und Sekundärrecht der Gemeinschaften bilden i n formeller und materieller Hinsicht eine rechtliche Einheit. Ihre Überprüfung kann somit nur in für beide gleicher Weise erfolgen, das heißt mittelbar anhand des nationalen Zustimmungsgesetzes zur Überprüfung der Einhaltung der den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen integrationsfesten Grundrëchtsschranken.
Teil
Die überprüfbarkeit von nationalen Durchführungsbestimmungen zum Recht der Europäischen Gemeinschaften
1. Abschnitt: D i e Notwendigkeit nationaler Durchführungsmaßnahmen
Praktisch alle Rechtsakte des Gemeinschaftsrechts können ergänzender oder durchführender Maßnahmen der Mitgliedstaaten bedürfen 1 . Dies ist darauf zurückzuführen, daß sich zum einen die EG-Verträge primär an die EG-Organe und selten direkt an die EG-Mitgliedstaaten wenden, zum anderen selbst bei den EG-Verordnungen nationale Durchführungsbestimmungen notwendig sii>d2, zumal die Gemeinschaften nur i n wenigen Bereichen über einen eigenen Verwaltungsunterbau verfügen 8 . Der nationalen Ausfüllung sind i n erster Linie die EG-Richtlinien zugänglich 4 . Entscheidungen enthalten eine Ermächtigung an den M i t gliedstaat oder verpflichten ihn zu einer bestimmten Handlung 5 . Auch von den Gemeinschaften abgeschlossene Verträge und uneigentliche Organbeschlüsse der EG-Organe benötigen bisweilen flankierende Maßnahmen der EG-Staaten*. 1 Siehe dazu die Ausführungen oben i n Teil 3, 4. Abschn. Β . I V . 2. u n d 3. m. w . N. 2 Zuleeg, K S E 9, S. 226 m . w . N . ; Emrich, S. 68. Siehe dazu auch die systematisierende Übersicht bei Rengeling, KSE 27, S. 9 ff. m. w. N. 8 Ipsen, EuR-Lb, Kap. 9/23, S. 218; Nicolaysen, § 4 IV., S. 24; Voss, S. 657, verweist m i t Recht darauf, daß das Gemeinschaftsrecht sich oft darauf beschränkt, Regelungen i n diesem Bereich n u r i n groben Zügen festzulegen, die weitere verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Ausgestaltung dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleibt. 4 Nach der Legaldefinition ist n u r das Ziel verbindlich, die W a h l der M i t tel den Mitgliedstaaten überlassen: A r t . 189 I I I EWGV, A r t . 161 I I I E A G V u n d A r t . 14 I I I EGKSV, der entsprechende Rechtsakte dieser A r t als E m p fehlung bezeichnet. δ Vgl. A r t . 14 I I EGKSV, A r t . 189 I V E W G V = A r t . 161 I V E A G V . • Z u denken ist hier etwa an die sogenannten Beschleunigungsbeschlüsse, näher ausgeführt bei Kaiser, Fs. Ophüls, S. 110 ff. (Ziff. 19, 28, 41, 55 u n d 60); vgl. dazu auch Zuleeg, KSE 9, S. 227.
1. Abschn.: Notwendigkeit nationaler Durchführungsmaßnahmen
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A. Das integrale Zusammenwirken zwischen E G und Mitgliedstaat
Die Mitgliedstaaten werden bisweilen aus eigenem Antrieb tätig 7 und ergänzen etwa auf eine unverbindliche Stellungnahme oder Empfehlung der EG-Organe h i n ihre Rechtsordnung, indem sie zur leichteren Anwendbarkeit, zur besseren Durchsetzung des EG-Rechts oder zur Beseitigung von möglichen Schwierigkeiten und Zweifeln bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht nationale Rechtsnormen erlassen 8. Die diesbezügliche Zusammenarbeit m i t den nationalen Rechtsetzungsorganen bildet einen nicht zu unterschätzenden Integrationsfaktor. Oft finden sich so Lösungen, die bei ausschließlicher Regelung auf Gemeinschaftsebene nur mühsam durchzusetzen wären 9 . Zudem bedeutet dies eine Stärkung des demokratischen Elementes i n der Gemeinschaft, wenn den Parlamenten der Mitgliedstaaten ein gewisser Spielraum erhalten bleibt 1 0 . Als unbedingt notwendig 1 1 stellt sich eine solche Zusammenarbeit auf der Verwaltungsebene dar, denn die Gemeinschaften verfügen — wie schon erwähnt — n u r i n wenigen Bereichen über einen eigenen Verwaltungsunterbau 12 . Zwar werden die Gemeinschaftsorgane in geringem Maße selbstverwaltend tätig, etwa i m gemeinschaftsinternen Bereich des Beamtenrechts oder gemeinschaftsextern i m EGKS-Bereich und i m EWG-Kartellrecht 1 8 , doch liegt insgesamt das Schwergewicht auf dem nationalen Verwaltungsvollzug 1 4 . 7 Der EuGH hat seine diesbezügliche Rechtsprechung geändert: Nachdem er noch i n der Rs. 40/69, Slg. 1970, S. 69 ff. (80) ausdrücklich jede ergänzende mitgliedstaatliche Rechtssetzung ohne ausdrückliche Ermächtigung durch die EG-Organe oder das EG-Recht als m i t dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ansah, hält er n u n eine autonome, ergänzende Rechtssetzung der EG-Staaten f ü r zulässig, soweit sich diese Rechtsakte dem Gemeinschaftsrecht v ö l l i g u n terordnen, so EuGH, Rs. 74/69, Slg. 1970, S. 451 ff. (459); so n u n ständige Rechtsprechung des EuGH. 8 Häufig ergehen diesbezügliche Verwaltungsvorschriften zur Ergänzung des lückenhaften Gemeinschaftsrechts, vgl. dazu Zuleeg, K S E 9, S. 227 m.w.N. 9 Dafür bildet die Verordnung Nr. 19 von der Jahreswende 1961/62 ein gutes Beispiel: Nach den politischen Verhältnissen i n den EG-Staaten w a r es damals nicht möglich, sich auf einen für alle Mitgliedstaaten verbindlichen einheitlichen Getreidepreis zu einigen. So überließen es die E G - I n s t i tutionen den Mitgliedstaaten, innerhalb eines bestimmten Rahmens den Grundpreis festzulegen. Nachdem sich dieses System über Jahre eingespielt hatte, gelang es erstmals 1967 durch die Verordnung Nr. 120/67/EWG des Rates v o m 13. 6.1967 (ABl. 2269/67), einen einheitlichen Getreidepreis zu bestimmen. Vgl. dazu Zuleeg, K S E 9, S. 229 f. m. w. N. 10 Zuleeg, K S E 9, S. 230. 11 Schmitz, S. 40. 12 Ipsen, EuR-Lb, Kap. 9/23, S. 218; Nicolaysen, § 4 IV., S. 24; Rengeling, EuR 1974, S. 17 ff.; Voss, S. 658, n i m m t eine diesbezügliche Unterteilung i n vier Gruppen v o r ; vgl. ferner die Hinweise u n d Nachweise oben i n T e i l 3, 4. Abschn. Β . I V . 2. 13 Rengeling, Fs. Scupin, S. 476.
156
T e i l 5: Überprüf barkeit nationaler Durchführungsbestimmungen
I n diesen Bereichen zeigt sich die besondere Sorgfalt, die man an solchen Nahtstellen zwischen EG und EG-Staaten walten lassen muß, die auf der einen Seite die Selbständigkeit und Einheit des Gemeinschaftsrechts nicht gefährden darf 1 5 , andererseits dem Gebot der Beachtung der nationalen Rechtsordnung, soweit die Durchführung des EGRechts als staatlicher A k t zu werten ist, gebührend Rechnung zu tragen hat 1 6 . 2. Abschnitt: Die rechtliche Einordnung der nationalen Durchführungsakte Inwieweit es sich bei den Durchführungsakten um nationales Recht oder um Gemeinschaftsrecht handelt, kann auch hier am anschaulichsten wiederum anhand des Geltungsgrundes verdeutlicht werden 17 . A. Als Rückdelegation von Gemeinschaftsbefugnissen?
Die Rechtsnormen des Gemeinschaftsrechts, die die EG-Staaten anweisen, i n bestimmter Weise von der nationalen Rechtssetzungskompetenz Gebrauch zu machen, wurden verschiedentlich als Rückdelegation von Gemeinschaftsbefugnissen an die Mitgliedstaaten aufgefaßt: Diese EG-Akte sollten nicht nur die gemeinschaftsrechtliche Erlaubnis, sondern darüber hinaus die Fähigkeit zum Erlaß dieser Rechtsnormen (wieder-)verleihen 18 . Wie schon oben ausführlich bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäischen Gemeinschaften erörtert, ist i n den Zustimmungsgesetzen zu den EG-Verträgen kein dinglicher Verzicht auf nationale 14 „Verwaltungsvollzug" w i r d hier i n Anlehnung an Zuleeg als ein F a l l der „Anwendung", d. h. der Konkretisierung von Gemeinschaftsrecht durch die Verwaltungsbehörde verstanden. Die „ A n w e n d u n g " steht damit i m Gegensatz zur „Ausführung" von EG-Recht; diese bezeichnet den Erlaß staatlicher Rechtsnormen u n d Verwaltungsvorschriften. Anwendung u n d Ausführ u n g sollen unter dem Oberbegriff „Durchführung" zusammengefaßt w e r den; vgl. dazu Zuleeg, K S E 9, S. 47, 209, 225; so i n etwa auch Ipsen, E u R - L b , Kap. 9/23, S. 218 u n d Rengeling, EuR 1974, S. 217. 15 Nicolaysen, § 4 IV., S. 24. 18 Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 87. 17 Siehe oben die diesbezüglichen Ausführungen zur K l ä r u n g des Rechtscharakters des EG-Rechts, T e i l 1,1. Abschn. B. I I I . 3. Ist dieser i m innerstaatlichen Bereich zu finden, so sind die sich davon ableitenden Rechtsakte als nationale Rechtssätze zu qualifizieren, siehe zu diesen grundsätzlichen E r wägungen der Heranziehung des Geltungsgrundes die Erörterungen oben i n Teil 1, 1. Abschn. B. I I I . 2. m . w . N . ; ferner Hoffmann, D Ö V 1967, S. 435; Schwan, S. 27 ff. 18 Vgl. dazu die Nachweise bei Emrich, S. 68, Fn. 195.
2. Abschn.: Rech ti. Einordnung der nationalen Durchführungsakte
157
Hoheitsrechte zu sehen 19 . Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Öffnung ihres staatlichen Hoheitsraumes m i t der diesbezüglichen Duldung der Entfaltung von Gemeinschaftsgewalt und den innerstaatlichen Anpassungsmaßnahmen bilden die Charakteristika des Übertragungsvorganges 20 . Soweit das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten die Durchführung oder Ergänzung überläßt oder sie zu bestimmten Handlungen „ermächtigt", kann darin auch keine (Rück)Übertragung zur Befähigung einer Vornahme von Rechtshandlungen gesehen werden 21 . Ihre diesbezüglichen Kompetenzen haben die Mitgliedstaaten durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Gemeinschaften nie abgegeben oder verloren, sondern sich nur verpflichtet, diesbezüglich nicht mehr tätig zu werden 22 . Der Ansicht, daß die Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf die Europäischen Gemeinschaften ein Erlöschen der nationalen Rechtssetzungskompetenzen i n den Aufgabenbereichen der Gemeinschaften zur Folge hat, kann insofern nicht gefolgt werden 23 .
B. Als Wahrnehmung ursprünglicher Kompetenz
Die nationalen Durchführungshandlungen lassen sich also auf die nationalen Kompetenznormen zurückführen und beruhen somit ausschließlich auf der eigenstaatlichen Hoheitsgewalt und nicht auf einer Kompetenzzuweisung des Gemeinschaftsrechts 24 . Dieses öffnet nur den europarechtlichen Rechtsakt der nationalen Beteiligung und stellt entweder einen Verzicht des Gemeinschaftsrechts auf die eigene Regelung dar oder offenbart die Notwendigkeit mitgliedstaatlicher Beteiligung. Die EG-Staaten haben allerdings in solchen Fällen von ihrer eigenen Hoheitsgewalt i n der materiell-rechtlichen Weise Gebrauch zu machen, 19 Siehe dazu oben die Erörterungen i n Teil 1, 1. Abschn. B. I I I . 3. m . w . N . , bes. i n Fn. 34 f. 20 Diesbezügliche Erläuterungen sind oben i n Teil 3, 2. Abschn. B. I I . u n d I I I . geführt. 21 Schmitz, S. 33 ff.; a. A. aber Bunten, S. 125. 22 Vgl. dazu auch Hoff mann, DÖV 1967, S.437; Hallstein, Fs. Ophüls, S. 15, spricht i n diesem Zusammenhang von einer Selbstbeschränkung der M i t gliedstaaten. 23 Vgl. dazu Jaenicke, ZaöRV 23 (1966), S. 524; Schmitz, S. 34. 24 Vgl. dazu Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 88; Schmitz, S. 33 f.; Voss, S. 659; zum Ganzen auch Rengeling, EuR 1974, S. 221 ff., der auf die verschiedenen Ansichten i n der L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung hinweist und es auf eine Untersuchung i m Einzelfall ankommen lassen w i l l (S. 223). Dies erscheint jedoch k a u m praktikabel u n d kann m i t der hier vertretenen Grundauffassung nicht i n Einklang gebracht werden.
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T e i l 5: Überprüfbarkeit nationaler Durchführungsbestimmungen
die i h n e n a u f g r u n d d e r gemeinschaftsrechtlichen „ A n w e i s u n g " v o r g e geben ist. D e r B e g r i f f d e r gemeinschaftsrechtlichen „ E r m ä c h t i g u n g " oder „ A n w e i s u n g " ist i n s o f e r n n u r m a t e r i e l l - r e c h t l i c h z u v e r s t e h e n 2 5 . S o w e i t die Gemeinschaftsorgane n i c h t selbst d i e M a ß n a h m e n z u r D u r c h f ü h r u n g des Gemeinschaftsrechts e r g r e i f e n oder e r g r e i f e n k ö n nen, h a n d e l t es sich u m die Setzung n a t i o n a l e r Rechtsakte, auch w e n n die Mitgliedstaaten insoweit v o m EG-Recht die „ A n w e i s u n g " erhalten, diesbezüglich t ä t i g z u werden 2 ®.
3. Abschnitt: D i e Beachtung nationaler Verfassungsnormen A. Die Kompetenzabgrenzungsregeln zwischen Bund und Ländern S i n d die n a t i o n a l e n D u r c h f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n z u m E G - R e c h t v o n d e n M i t g l i e d s t a a t e n z u erlassen, k o m m e n d a m i t g r u n d s ä t z l i c h auch die verfassungsrechtlichen R e g e l n ü b e r die K o m p e t e n z a b g r e n z u n g z w i schen B u n d u n d L ä n d e r n z u m T r a g e n 2 7 . F ü r die A u s f ü h r u n g , d. h. f ü r die D u r c h f ü h r u n g a n h a n d v o n Rechtsetzungsakten, b e t r i f f t dies die A r t . 70 ff. G G 2 8 , f ü r die A n w e n d u n g , d. h. f ü r die D u r c h f ü h r u n g d u r c h 25 Vgl. dazu die Ausführungen von Götz, S. 266, der diesbezügliche Erörterungen aufgrund der Getreidemarktorganisation der E W G schon 1963 angeführt hat. Überschreitet ein staatliches Oorgan bei dem Vollzug der europarechtlichen Anordnungen die i h m gegebene gemeinschaftsrechtliche „Ermächtigung", so werden die diesbezüglichen nationalen Maßnahmen weder nicht i g noch unanwendbar, sondern stellen gegebenenfalls einen Vertragsbruch dar. Die zuständigen EG-Organe können i n einem solchen F a l l nur i m K l a gewege die Aufhebung der vertragswidrigen Maßnahmen von den M i t g l i e d staaten verlangen, vgl. dazu Emrich, S. 69 m. w. N. u n d Hoffmann, D Ö V 1967, S. 441. 26 So auch die überwiegende Meinung i n L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung: Achterberg, § 24 1.1. b., Rdnr. 4, S. 587; Birke, S. 118 f.; Bleckmann, GG u n d VR, S. 330; Emrich, S. 68 f. m . w . N . ; Frowein, BVerfG u n d GG, S. 187, 209; Grabitz, S.67f.; Ipsen, EuR-Lb, Kap. 20/59, S.443f. u n d Kap. 21/21, S.455; Kleinmann, S. 355; Rengeling, EuR 1974, S. 216 f.; ders., K S E 27, S. 23 f., 30 f.; Voss, S. 659 f.; Zuleeg, KSE 9, S. 326 ff. BVerfGE 45, S. 142 ff. (162) m i t zustimmender A n m . von Ipsen, EuR 1978, S. 152; a. A . Bunten, S. 147, i m H i n blick auf eine „integrierte" Sachmaterie; Zweigert, EuR 1972, S. 310 f.; zweifelnd Erichsen, V e r w A r c h 1975, S. 180 f.; Riegel, BayVerwBl. 1976, S. 359. Z u m Ganzen vgl. Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 87 m . w . N . ; Schmitz, S. 34 ff. u n d EuGH, Rs. 151/78 (Sukkerfabrik Nykoebing), Slg. 1979, S. 1 ff. (13), der auch ergänzende nationale Rechtsvorschriften zu Recht als staatliche Hoheitsakte ansieht. 27 Everling, Fs. Ophüls, S. 36; Fuß, Rechtsschutz, S. 1783; Ipsen, Fs. H a l l stein, S. 264; Magiera, Fs. Menzel, S. 637; Schmitz, S. 36 ff.; vgl. ferner Rengeling, EuR 1974, S. 226 ff. (228); Zuleeg, K S E 9, S. 211. 28 Bleckmann, GG u n d VR, S. 330; Götz, S. 266; Ipsen, Fs. Hallstein, S. 264 f. ; Keune, S. 222; Magiera, Fs. Menzel, S. 638; Schmitz, S. 38; Voss, S. 660; Weber, S. 86 f.; Zuleeg, K S E 9, S. 315 ff.
3. Abschn.: Beachtung nationaler Verfassungsnormen
159
die Verwaltungsbehörden, kommen die Regeln der Art. 83 ff. GG i n Betracht". B. Die materiell-rechtlichen Verfassungsmaßstäbe
Sind die Durchführungsbestimmungen von den nationalen Organen erlassen, stellt sich die Frage, welchen materiell-rechtlichen Anforderungen sie unterliegen 80 . I. Die vertretenen
Rechtsansichten
Einerseits w i r d der Standpunkt eingenommen, daß die nationalen Durchführungsmaßnahmen nur formaliter dem nationalen Recht zuzuordnen seien, es sich ihrem materiellen Gehalt nach aber um Gemeinschaftsrecht handele und deshalb das Recht der Mitgliedstaaten nicht auf sie anwendbar sei 81 . Andererseits sollen die Durchführungsbestimmungen den üblichen Anforderungen des nationalen Rechts nicht nur der Form, sondern auch dem Inhalt nach v o l l genügen müssen 82 . Dazwischen ist als vermittelnd die Auffassung einzuordnen, die die nationalen Durchführungsbestimmungen nur den Anforderungen unterziehen w i l l , die Art. 24 I GG dem Integrationsgesetzgeber für die Übertragung von diesbezüglichen Hoheitsrechten vorgegeben hat 8 8 . 1. Das Gemeinschaftsrecht als Rechtsmaßstab Das zuständige nationale Organ setzt bei dem Erlaß von Ausführungs- und Anwendungsvorschriften zum EG-Recht nationales Recht 84 . Wie schon oben gesehen (2. Abschn. A. und B.) gibt es eine diesbezügliche formelle Einsetzungsnorm nur i m nationalen Recht.
20 Z u m T e i l w i r d auf eine analoge A n w e n d u n g abgestellt: Birke, S. 119 f., 125 f.; Götz, S. 266; Magiera, Fs. Menzel, S. 637; Riegel, DVB1. 1979, S. 251; Schmitz, S. 66; Voss, S. 660 f.; Zuleeg, K S E 9, S. 212. 30 Siehe zum Ganzen Zuleeg, K S E 9, S. 326 ff. m . w . N . ; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 86 ff. m. w. N. 31 Sohier u n d Mégret, Seminar de Bruges, S. 115, zitiert nach Zuleeg, KSE 9, S. 326, Anm. 136. 32 Vgl. dazu Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 87; Voss, S. 659 f. 33 So auch Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 87 m. w. N. 34 Vgl. dazu EuGH, Rs. 151/78 (Sukkerfabrik Nykoebing), Slg. 1979, S. 1 ff. (12 ff.). I n w i e w e i t dabei den Gemeinschaftsorganen u n m i t t e l b a r aus E G Recht oder aus implied powers ein Weisungsrecht gegenüber innerstaatlichen Durchführungsorganen zugestanden werden muß, kann unerörtert bleiben; vgl. dazu Rengeling, EuR 1974, S. 231 ff. Bei der Untersuchung hier geht es u m die innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Anforderungen, denen die als nationale Maßnahmen qualifizierten Durchführungshandlungen der staatlichen Organe unterliegen.
160
T e i l 5: Überprüfbarkeit nationaler Durchführungsbestimmungen
Diese formelles Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rechtsordnung — so haben w i r es gleichfalls für das Gemeinschaftsrecht bejaht — zieht auch die entsprechenden materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstäbe nach sich 35 . Soweit den EG-Staaten beim Erlaß dieser Maßnahmen ein freier Entscheidungsspielraum verbleibt, unterliegen sie demnach keinen weiteren gemeinschaftsrechtlichen Bindungen i n materiell-rechtlicher Sicht. Diese Bereiche nationaler Ausführung bilden zwar m i t dem vom Gemeinschaftsrecht vorgegebenen Rahmen bildlich eine Einheit, doch kann dies nichts an der rechtlichen Zuordnung zum nationalen Recht ändern 36 . Somit kann der ersteren Auffassung nicht gefolgt werden. 2. Das i n umfassender Weise zu beachtende nationale Recht Die grundsätzliche materiell-rechtliche Einordnung i n die nationale Rechtsordnung ist gegeben; die innerstaatlichen Voraussetzungen bezüglich der Wirksamkeit, Geltungsdauer, Aufhebung etc. dieser nationalen Durchführungsbestimmungen unterstehen demnach dem innerstaatlichen Recht 37 und sind i n das nationale Rechtsgefüge eingebettet 38 . Für die „Eingliederung" dieser Vorschriften i n die innerstaatliche Normhierarchie ist grundsätzlich das nationale Recht maßgebend, i m Verhältnis zu den übrigen Rechtssätzen sind die i m jeweiligen M i t gliedstaat geltenden Kollisionsregeln heranzuziehen 39 , bei gleichem Rang findet etwa der Grundsatz lex posterior derogat legi priori bei uns i n der Bundesrepublik Anwendung 4 0 . Auch die allgemeinen Regeln der deutschen Rechtsordnung über den Rechtsschutz gegen Handlungen von Legislative und Exekutive kommen zum Tragen 41 . Die diesbezüglichen Gesetze unterstehen damit der i n Art. 93 I und Art. 100 I GG vorgesehenen Nachprüfung 42 . Die entsprechenden Verwaltungsakte können vor den allgemeinen oder den Sonderverwaltungsgerichten einer Nachprüfung unterzogen werden 4 3 ; der Weg zur Ver85 Siehe oben T e i l 1, 1. Abschn. B. I I I . 3.; T e i l 3, 2. Abschn. C. I I . n i m m t Bezug auf das nationale Zustimmungsgesetz zu den EG-Verträgen u n d legt die daraus resultierenden Schwierigkeiten offen. 36 So auch Zuleeg, K S E 9, S. 326 f.; Voss, S. 659/660. 37 Vgl. auch die Zusammenfassung bei Zuleeg, KSE 9, S. 331. 38 Vgl. Härringer, zu A r t . 5 EWGV, Anm. I I . 2.; Voss, S. 659. 39 Siehe dazu S eidl-Hohenv eidern, Intern. Org., Rdnr. 1707, der ausdrücklich darauf verweist, daß diesbezügliche Normen hinsichtlich Dauer u n d Grad ihrer Wirksamkeit keine bevorzugte Stellung gegenüber gleichartigen innerstaatlichen Normen genießen. 40 Z u m Ganzen vgl. Zuleeg, K S E 9, S. 327 m. w. N. 41 Frowein, B V e r f G u n d GG, S. 208 f.; Fuß, Rechtsschutz, S. 1783; Ipsen, Fs. Ophüls, S. 78 f., 84; Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 98 m . w . N . (S. 71 f.) ; Zuleeg, K S E 9, S. 329. 42 Kropholler, S. 143; Ritterspach, S. 313; Scheuing, S. 149; Weber, S. 93. 43 Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 98 (S. 72).
3. Abschn.: Beachtung nationaler Verfassungsnormen
161
fassungsbeschwerde bleibt uneingeschränkt seiner spezifischen Voraussetzungen gegeben44. 3. Die der Integrationsgewalt vorgegebenen Verfassungsgrundsätze Es fragt sich jedoch, ob diese allgemeinen nationalen Rechtsanforderungen nicht dem Errichtungsakt der Europäischen Gemeinschaften — der sich keineswegs i m Abschluß der Integrationsverträge und der Verabschiedung des i n Art. 24 I GG vorgesehenen Gesetzes erschöpft 45 — und der Entfaltungsmöglichkeit des Gemeinschaftsrechts zuwiderlaufen, da es „ständiger Bestätigung und Konkretisierung des i m Grundsatz erklärten Verzichts auf die Ausschließlichkeit der Staatsgewalt bedarf" 4 6 . Darüber hinaus ist zu bedenken, daß die Errichtung der Gemeinschaften von der Intention des Grundgesetzes her getragen ist, die sich vor einer möglichst umfassenden Entfaltung originärer Hoheitsgewalt nicht verschließt, und daß die dazu erforderlichen Anpassungsmaßnahmen i n Ausübung der i n Art. 24 I GG normierten Integrationsmöglichkeit erfolgen 47 . Es steht demnach die Klärung der Frage i m Raum 48 , ob die nationalen Organe bei ihrer Durchführung von EG-Recht einem uneingeschränkten Grundrechtsmaßstab ausgesetzt sind oder ob ihnen der gleiche Handlungsspielraum wie dem Integrationsgesetzgeber von Verfassungs wegen eingeräumt wird. IL Die gemeinschaftsrechtlichen
Grunderfordernisse
1. Die Verzahnungen der mitgliedstaatlichen und gemeinschaftsrechtlichen Rechtsordnungen Gemeinschaftsrecht und nationales Recht sind zwei rechtlich getrennte, aber dennoch nicht zusammenhanglos nebeneinanderstehende Rechtsordnungen: Zwar bestehen zwischen ihnen feste Kompetenzabgrenzungen4®, doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die 44 Klein, Grundrechtsschutz, S. 127; Ipsen, Fs. Ophüls, S. 83 f.; Zuleeg, K S E 9, S. 330. 45 Siehe dazu oben i n T e i l 3, 2. Abschn. Β. I I . u n d I I I . u n d 4. Abschn. Β. I I . 3. m. w. N. i n Fn. 415 die diesbezüglichen Ausführungen. 40 Birke, S. 121. 47 Vgl. dazu die Erörterungen ebd. 48 Diese Problematik w i r d zum T e i l unter anderen Aspekten auch von Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 87; Ipsen, Fs. Hallstein, S. 264 f.; ders., Fs. Ophüls, S. 78; Everling, Grundrechtsschutz, S. 84; Oppermann/Fleischmann, S. 528 ff.; Zuleeg, K S E 9, S. 333; ders., JR 1973, S. 447, angesprochen. 49 Siehe oben etwa i n T e i l 3, 4. Abschn. Β . I V . 3. u n d 5. Abschn. A . u n d B. die diesbezüglichen Erläuterungen m i t weiterführenden Hinweisen.
11 E i b a c h
162
T e i l 5: Überprüfbarkeit nationaler Durchführungsbestimmungen
K o o p e r a t i o n dieser H e c h t s o r d n u n g e n n i c h t n u r a u f e i n faktisches, s o n d e r n auch a u f e i n rechtliches G e b o t — z u m i n d e s t a u f die G r u n d s a t z n o r m e n d e r A r t . 86 I u n d I I E G K S V , 5 E W G V u n d 192 E A G V — stützen kann50. a) Die Durchführung
gesetzgeberischer
Vorhaben
F ü h r e n w i r u n s die „ S t a t i o n e n " eines gesetzgeberischen V o r h a b e n s v o r A u g e n , so e r k e n n e n w i r gewisse typische Phasen: Z u m e i s t steht a m A n f a n g d e r p o l i t i s c h e W i l l e , d e r sich nach u n d nach z u d e m v e r dichtet, w a s m a n als „ G e s e t z g e b u n g s p o l i t i k " bezeichnen k a n n 5 1 ; d a r a n schließt sich d i e v e r b i n d l i c h e Phase d e r e i g e n t l i c h e n „ G e s e t z g e b u n g " an. D a m i t ist d i e R e c h t s n o r m z w a r f o r m a l entstanden, i n der sozialen W i r k l i c h k e i t m u ß jedoch noch der A k t d e r „ R e c h t s a n w e n d u n g " h i n z u t r e t e n , d e r j e nach d e r S p e z i f i t ä t der M a t e r i e i n d e n H ä n d e n d e r V e r w a l t u n g u n d i n letzter Instanz bei der Gerichtsbarkeit liegt. Die V o l l z i e h u n g des Rechts i s t d a m i t g l e i c h w o h l noch n i c h t abgeschlossen. A u f die R e c h t s a n w e n d u n g f o l g t gegebenenfalls noch e i n A k t des „ V o l l z u g s " , d. h. d i e z w a n g s w e i s e D u r c h s e t z u n g ; e r erst sichert d i e v o l l e Rechts50 Siehe insbesondere den Schlußvortrag von Pescatore, K S E 13, Teil: S, S. 18 f.; ders., EuR 1970, S. 308; Rengeling, EuR 1974, S. 225 m . w . N . ; Voss, S. 657; i m weiteren vgl. Beutler, B / B / P / S , Kap. 3.2.2., S. 73 f.; Bleckmann, DVB1. 1976, S. 486 f.; Constantinesco, Rdnr. 212 ff.; Härringer, zu A r t . 5 EWGV, A n m . I I . 1. m. w. N.; EuGH Rs. 78/70 (Dt. Grammophon), Slg. 1971, S. 478 ff. (498); Rs. 208/80, Slg. 1981, S. 2205 ff. (2218 f.). H i n z u t r i t t die Rechtserfahrung, die gelehrt hat, daß i n vielen Beziehungen das Gemeinschaftsrecht auf die nationale Rechtsordnung angewiesen ist, u m sich v o l l realisieren zu können, vgl. hierzu Pescatore, EuR 1970, S. 307 f.; vgl. ferner die Erörterungen oben i m 1. Abschn. A. dieses Teiles 5 der Arbeit. Versucht man die Rechtsprobleme eines solchen Zusammenwirkens i n ihrer E n t w i c k l u n g nachzuzeichnen, so lassen sich bestimmte Akzentverschiebungen feststellen: Sprach m a n i n den Gründungs jähren der Gemeinschaft von dem Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationaler Rechtsordnung, so wurde darunter besonders der rechtliche K o n f l i k t zwischen den beteiligten Rechtsordnungen verstanden, vgl. dazu Ho ff mann, DÖV 1967, S. 438 ff. m. w. N. Dementsprechend standen i n der deutschen L i t e r a t u r das Postulat des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts (siehe dazu Ipsen, E u R - L b , Kap. 10/36 ff., S. 277 ff. m. w . N.) u n d das Problem der strukturellen K o n gruenz (vgl. Emrich, S. 94 f. m. w. N., S. 136 ff. m. w. N.) i m Diskussionsmittelpunkt, beides fand durch die Solange-Entscheidung des B V e r f G (BVerfGE 37, S. 271 ff.) zur nochmaligen A k t u a l i t ä t zurück, siehe dazu die Erörterungen u.a. bei Ipsen, EuR 1975, S. I f f . ; Hilf, ZaöRV 35 (1975), S.51ff.; Feige, JZ 1975, S. 476 ff.; Börner, S. 2041 ff.; Klein, ZaöRV 35 (1975), S.67ff.; Zuleeg, D Ö V 1975, S. 44 ff. Doch t r i t t i n immer stärkerem Maße das Bemühen i n den Vordergrund, anstelle der K o n f l i k t e der Rechtsordnungen die „ V e r zahnung", das gegenseitige Aufeinanderangewiesensein i n den M i t t e l p u n k t der rechtlichen Abhandlungen zu stellen; erwähnt seien i n diesem Zusammenhang die Abhandlungen von Aubin, S. 1 ff. ; Schwarze, Europäisches VerwR, S. I f f . ; Everling, DVB1. 1983, S. I f f . ; ferner Zuleeg, K S E 9, S. I f f . ; vgl. auch Pescatore, EuR 1970, S. 307 ff. u n d Winkler, S. 265 ff. Besonderer E r w ä h n u n g bedarf hier auch die Dissertation von Huthmacher, insbes. S. 7 f., 121 ff., 134 ff., 200 ff., 229 f. 51
Pescatore, EuR 1970, S. 309.
3. Abschn.: Beachtung nationaler Verfassungsnormen
163
Wirkung i n der sozialen Wirklichkeit. Diese vier Elemente stellen typische „Phasen" dar, die eine Rechtsschöpfung durchläuft: Beginnend bei der Gesetzgebungspolitik, über die Rechtssetzung und Rechtsanwendung bis h i n zum Vollzug 5 2 . I n einem Staat sind diese Funktionen verschiedenen Organen und Körperschaften zugeteilt, die, gemäß den Prinzipien der Gewaltenteilung, zwar rechtlich voneinander geschieden, jedoch als Ausdruck einer einzigen Staatsgewalt i n Erscheinung treten. Gesetzgebung, Regierung, Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Verwaltungsvollzug gehen alle auf denselben — eine Einheit bildenden — Staat zurück 53 . Legen w i r dieses Schema der Gemeinschaftsstruktur zugrunde, kommt das diesbezüglich „Neuartige" in der europäischen Zusammenarbeit zum Vorschein. b) Die abgestuften
Zusammenwirkungsmechanismen
Innerhalb der Gemeinschaften teilt sich der Rechtsetzungsprozeß, je nach Materie etwa aufgrund der komplexen Abgrenzung und Verlagerung der Zuständigkeiten, in ein vielfältiges Zusammenspiel zwischen der Gemeinschaftsgewalt und der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten 54 . Die Gemeinschaftskompetenz bezieht sich je nach Sachgebiet entweder nur auf die gesetzgebungspolitische Entschließung oder darüber hinaus auf die Gesetzgebungskompetenz selbst und kann zuweilen auch die Rechtsanwendungsbefugnis beinhalten 55 . I h r bleibt i n jedem Fall jedoch der Rechtsvollzug untersagt, dies haben sich die Mitgliedstaaten von vornherein vorbehalten 56 . Aus diesem Grunde waren die Gemeinschaftsordnungen zur voll durchsetzbaren Rechtsverwirklichung schon immer auf die Mithilfe der EG-Staaten angewiesen. Für die den Rechtsvollzug ausführenden staatlichen Organe besteht die Verpflichtung, die diesbezüglichen „Anordnungen" der Gemeinschaftsorgane unverändert durchzuführen. Die einzige Befugnis, die den Mitgliedstaaten hierbei überlassen bleibt, ist die formelle Prüfung der Authentizität der Vollzugsanordnung 57 . 62
Pescatore , KSE 13, Teil: S, S. 3. Pescatore , EuR 1970, S. 309 f., 312. Auch i n einem Bundesstaat w i e der Bundesrepublik Deutschland w i r d von einem einheitlichen „Gesamtstaat", einem „bundesstaatlichen System" gesprochen, vgl. BVerfGE 36, S. 342 ff. (362, 365 f.); Stern, StaatsR, Bd. I, § 19 I., S. 644 ff. m . w . N . 54 Pescatore , KSE 13, Teil: S, S. 2 f. 55 Vgl. dazu die Ausführungen oben i m 1. Abschn. A. dieses Teils m. w. N. 56 Siehe dazu Constantinesco, Rdnr. 835 ff. m . w . N . ; Ipsen, E u R - L b , Kap. 26/13, S. 535 m.w.N.; Pescatore , EuR 1970, S.312; Runge, A W D / R I W , S. 337 ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 107f. m . w . N . ; vgl. ferner die A r t . 192 E W G V = 164 E A G V u n d 92 EGKSV, der nur i n Einzelheiten abweicht. Vgl. die diesbezügliche Kommentierung dazu von Wohlfahrth, zu A r t . 192 EWGV, m. w. N. u n d der Kommentierung von Daig, zu A r t . 192 EWGV, m. w . N. Z u m Ganzen vgl. Schniewind, S. 1 ff.; Zuleeg, KSE 9, S. 382 ff. 53
11*
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T e i l 5: Überprüfbarkeit nationaler Durchführungsbestimmungen
2. Das Gebot uneingeschränkter Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts Die sich hier zeigende Beschränkung der mitgliedstaatlichen Vollzugsbehörden kann als Indiz dafür aufgefaßt werden, worauf es den EG-Rechtsordnungen bezüglich der Beteiligung der EG-Staaten bei der Durchführung von EG-Recht allgemein anzukommen scheint. Soweit es erforderlich ist, dem Gemeinschaftsrecht i n effektiver Weise Rechnung zu tragen, sind die Mitgliedstaaten gehalten, besonders dort, wo es den EG-Rechtsordnungen an den tatsächlichen Möglichkeiten fehlt und den Mitgliedstaaten keine ausdrückliche Gestaltungsfreiheit eingeräumt wurde, der unverfälschten Durchsetzung der Gemeinschaftsgebote Geltung zu verschaffen 58 . Die Vollzugsverpflichtung stellt dazu eine ausdrücklich normierte Vorgehensweise dar. Sie ist zugleich das letzte Glied i n der oben beschriebenen „Rechtschöpfungsphase". Diese hier normierte Forderung des Gemeinschaftsrechts muß jedoch aus Gründen unverfälschten Geltungsanspruches des EG-Rechts auch überall dort zum Tragen kommen, wo und soweit den Mitgliedstaaten seitens des Gemeinschaftsrechts eine verbindliche Regelung zur weiteren M i t w i r k u n g überlassen w i r d ; dies ist aus der umfassenden Kooperationsverpflichtung der Art. 5 EWGV, 192 EAGV und 86 I und I I EGKSV abzuleiten 59 . a) Der Bereich der politischen
Willensbildung
Die Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaften m i t den M i t gliedstaaten i m Stadium der politischen Willensbildung muß von diesen Verpflichtungen ausgenommen werden. Solange keine gesetzgebungspolitischen Entscheidungen getroffen sind, treten die Mitgliedstaaten — vertreten i n den EG-Institutionen — i m Prozeß der gemeinsamen Willensbildung als gleichberechtigte Partner und Verfechter von nationalen Interessen auf 60 . Lösungen i n diesem Stadium können nur durch gegenseitige Annäherung m i t Hilfe der Europäischen Institutionen und aufgrund der i n den Verträgen festgelegten Beschlußformen gesucht werden. 57
Pescatore , EuR 1970, S.312; Ipsen, E u R - L b , Kap. 26/13, S.534f.; Wohlzu A r t . 192 EWGV, A n m . 4; Zuleeg, KSE 9, S. 388 f. m . w . N . 58 So auch Zuleeg, K S E 9, S. 389; Ipsen, EuR-Lb, Kap. 26/13, S. 535; Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 108; Runge, Einführung, S. 183; Thieme, S. 75. 59 Siehe dazu die ausführliche Darlegung über die Geltungsbereiche dieser Grundsatznormen oben i n T e i l 3, 4. Abschn. B. I I . m. w. N. 60 Vgl. oben T e i l 3, 4. Abschn. Β . V. 2., der auf die gleichwohl darin liegende Gefahr aufmerksam macht; Pescatore, EuR 1970, S. 309 ff., spricht von einer unverbindlichen „Schicht". farth,
3. Abschn.: Beachtung nationaler Verfassungsnormen
165
b) Der Bereich der Umsetzung von Gemeinschaftsbeschlüssen Anders ist es jedoch zu beurteilen, wenn die entscheidenden gesetzgeberischen Beschlüsse auf Gemeinschaftsebene i n Form von Verträgen, Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen zustande gekommen sind. Liegen solch gemeinsam konkretisierte, verbindliche „Zielvorgaben" oder Regelungen vor, stellt sich die Zusammenarbeit nicht mehr als eine Partnerschaft souveräner Staaten dar, sondern verkörpert ein Verhältnis von „Föderalismus" zwischen dem Gemeinschaftsbereich als Ganzem und den Mitgliedstaaten als Glieder dieses Ganzen 81 . Ihre rechtliche Normierung haben diese Formen föderativer Zusammenarbeit zum Teil i n den als Grundsatznormen zu verstehenden Art. 86 I und I I EGKSV, 5 EWGV und 192 E A G V gefunden 62 . Als Normen allgemein gehaltener A r t bilden sie die alles umspannende Klammer der Zusammenarbeit für Gemeinschaftsgewalt und mitgliedstaatliche Hoheitsgewalt 63 . Dies heißt für unseren Untersuchungsgegenstand, daß das EG-Recht von jedem Mitgliedstaat verlangt, die i n der Übertragung der Hoheitsrechte vollzogene Öffnung i m staatlichen Hoheitsbereich auf allen innerstaatlichen Rechtsebenen i n gleicher Weise umfassend zu vollziehen, um so der getroffenen Grundentscheidung die stetige Bestätigung und Konkretisierung zur weitestgehend uneingeschränkten Entfaltung originärer Gemeinschaftsgewalt angedeihen zu lassen 64 . 61 Z u r Verdeutlichung dieses Verhältnisses sei auf den föderativen Staatsaufbau i n der Bundesrepublik verwiesen. Auch das Verhältnis M i t g l i e d staat— Gemeinschaft weist föderativen Charakter auf, vgl. dazu die Ausführungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . 2. d), bes. m i t dem Nachweis i n Fn. 225. 62 Vgl. dazu Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 3 ff.; ders., E u R Lb, S. 122 ff.; Hilf, ZaöRV 35 (1975), S. 58; ferner die Ausführungen oben, T e i l 3, 4. Abschn. Β. I I . u n d V I . 83 Z u m Ganzen vgl. Pescatore, K S E 13, Teil: S, S. 1 ff. 84 Vgl. dazu EuGH, Rs. 14/68, Slg. 1969, S. 1 ff. (17): Die Anwendung des nationalen Rechts darf die uneingeschränkte u n d einheitliche A n w e n d u n g des Gemeinschaftsrechts u n d die Wirksamkeit der zu seinem Vollzug ergangenen oder zu treffenden Maßnahmen nicht beeinträchtigen. Siehe ferner EuGH, Rs. 33/76 (REWE), Slg. 1976, S. 1989 ff. (1998): möglicherweise muß sich der Richter über Verfahrensregeln u n d Fristen des innerstaatlichen Rechts hinwegsetzen, w e n n anderenfalls die Wahrnehmung der v o m Gemeinschaftsrecht eingeräumten Rechte praktisch unmöglich w i r d . Der E u G H verweist aus Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen ansonsten uneingeschränkt auf das innerstaatliche Recht; seiner Rechtsauffassung nach sind die hier erarbeiteten Forderungen nach allgemeinen „ A n gleichungen" des innerstaatlichen Rechts — bei Verweisung von Durchführungsbestimmungen auf das nationale Recht — an die Bedürfnisse des EG-r Rechts noch nicht i n dieser grundsätzlichen F o r m zu erheben, vgl. EuGH, Rs. 121/73 (Markmann/Deutschland), Slg. 1973, S. 1495 ff. (1507); v o n Hilf, VerwR, S. 79 ff., auch als Solange-Entscheidung des E u G H bezeichnet; siehe ferner EuGH, Rs. 45/76, Slg. 1976, S. 2043 ff. (2053): Die grundsätzliche A n -
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T e i l 5:
berprüfbarkeit nationaler Durchführungsbestimmungen
I I I . Die innerstaatlichen
Anforderungen
Primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht müssen aufgrund der verfassungsrechtlichen Schranken, denen die Integrationsgewalt unterliegt, eine einschränkbare Anwendungswirkung i m innerstaatlichen Bereich erfahren können 65 . Das bundesdeutsche Staatsorgan, das Durchführungsbestimmungen zum EG-Recht erläßt, könnte demzufolge auch nur diesbezüglichen, Art. 79 I I I GG zu entnehmenden Schranken unterliegen 66 und i m weiteren einer Grundrechtsbindung enthoben sein. 1. Grundsätzliches Der nationale Normsetzer, der beim Erlaß von Ausführungsvorschriften zum EG-Recht nationales Recht setzt, ist, wie oben festgestellt, grundsätzlich an innerstaatliches Recht gebunden. Die Durchführung der diesbezüglichen Ermächtigung aus dem Gemeinschaftsrecht enthebt ihn zunächst nicht der Verpflichtung, von dieser „Anordnung" nur i n dem Maße Gebrauch zu machen, soweit dadurch entgegenstehendes höherrangiges nationales Recht nicht verletzt wird. Bei Erfüllung seiner gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen untersteht der nationale Normsetzer auch dem Gebot, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die einen K o n f l i k t i n diesem Bereich vermeiden helfen 67 . Ist ein solcher unumgänglich, scheint sich nur die Alternative zu bieten, entweder der staatlichen Regelung zu folgen und damit der gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zuwiderzuhandeln oder den Ausführungsvorschriften unabhängig von höherrangigem nationalen Recht — entsprechend der EG-rechtlichen Anordnung — Geltung zu verschaffen und damit den innerstaatlichen Verfassungsanforderungen nicht genügen zu können. 2. Die Regelungsmodalitäten i n anderen EG-Staaten I n einigen Mitgliedstaaten können nationale Gesetze aus Gründen der Gewaltenteilung keiner Verfassungsmäßigkeitskontrolle durch ein gleichungsverpflichtung der Mitgliedstaaten w i r d darin — bezogen auf den gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts — n u r eingeschränkt bejaht. Bleckmann, G / B / T / E , zu A r t . 5 EWGV, Rdnr. 15, 19; ders., DVB1.1976, S. 485; Riegel, DVB1. 1978, S. 469 ff., bezüglich des Verfahrensrechts u n d Winkler, S. 266 f., fassen das gemeinschaftsrechtliche Gebot w i e hier auch beim gegenwärtigen Stand der Integration schon allgemein u n d umfassender auf; zum Ganzen vgl. Hilf, VerwR, S. 67 ff.; Schwarze, Europäisches VerwR, S. 11 ff.; Huthmacher, S. 7 ff., 72 ff. 85 Siehe dazu die Erörterungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I. und I I . u n d 4. Abschn. A . I I I . 3. 88 Vgl. die einleitenden Ausführungen oben Β . I. 3. dieses Abschnitts. 87 Vgl. dazu auch die zusammenfassende Betrachtung oben i n Teil 3, 4. A b schn. V I .
3. Abschn.: Beachtung nationaler Verfassungsnormen
167
Gericht zugeführt werden 68 . I n keinem dieser Länder w i r d die Verfassungsmäßigkeit der Gründungsverträge zu den Europäischen Gemeinschaften angezweifelt, so daß die Legislative dieser EG-Staaten den Erlaß nationaler Ausführungsnormen zum EG-Recht nur unter dem rechtlichen K r i t e r i u m verweigern kann, daß dadurch der i n der nationalen Verfassung festgeschriebene Staatsaufbau verändert oder mißachtet wird 6 9 . Dies aber sind auch gerade die Grenzen, denen die Integrationsgewalt i n der Bundesrepublik unterstellt ist, so daß es zur einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts beiträgt, wenn i n der Bundesrepublik nur der der Integrationsgewalt vorgegebene Verfassungsmaßstab auf allen Rechtsebenen Anwendung findet, die einen „Gemeinschaftsbezug" aufweisen. 3. Die zu beachtenden Schranken des Art. 24 I GG a) Art. 24 I GG als allgemeine Schranke Wie die Untersuchungen bisher gezeigt haben, gestattet Art. 24 I GG Einschränkungen der verfassungsrechtlichen Anforderungen, soweit dabei nicht der i n seinen Essentialen festgeschriebene Staatsaufbau und weitere, unaufgebbare Leitprinzipien der Verfassung 70 überschritten werden 71 . Erst dann fordert die bundesdeutsche Verfassung i n abgestufter Weise Geltungsanspruch 72 . Liegt hingegen „ n u r " ein Verstoß gegen die i m Sinne von A r t . 24 I GG einschränkbaren Grundrechte vor, die nicht zu einer Überschreitung 88 Nachweise diesbezüglicher A r t f ü r Belgien, Frankreich, L u x e m b u r g u n d die Niederlande finden sich bei Zuleeg, K S E 9, S. 332 i n Fn. 1. Dies entbindet die Legislative jedoch nicht von der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Gebote, die Kontrolle darüber steht jedoch n u r i h r selbst zu. 89 Ebd., S. 332 f. I n I t a l i e n u n d i n der Bundesrepublik ist hingegen die P r ü fung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen einem letztentscheidenden besonderen Organ, der Verfassungsgerichtsbarkeit, übertragen. 70 Wie es das GG i n A r t . 1 u n d A r t . 20 zum Ausdruck gebracht hat, insbesondere den demokratischen Gedanken, die Rechts- u n d Sozialstaatlichkeit; vgl. dazu Zuleeg, K S E 9, S. 162 m . w . N . , bes. i n den Fn. 493, 494. I m weiteren ist auf die Ausführungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I. u n d I I . zu verweisen. 71 Siehe dazu die Ausführungen oben i n T e i l 3, 3. Abschn. C. I I . 1. u n d 4. Abschn. A . I I I . m i t den entsprechenden Nachweisen. Diesen Anforderungen des A r t . 241 GG entspricht auch weitgehend A r t . 11 der italienischen V e r fassung, vgl. dazu Zuleeg, K S E 9, S. 333, 162 m . w . N . i n Fn. 495; zum Ganzen vgl. ferner Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 61; Rojahn, zu A r t . 24 GG, Rdnr. 29 ff. 72 Zuleeg, K S E 9, S. 160 ff. m. w . N. auch bzgl. der italienischen Verfassung; vgl. ferner dazu Badura, S. 64, insbes. Fn. 124 m. w . N. Über die diesbezüglichen Abstufungen des bundesdeutschen Geltungsanspruches siehe diç Erörterungen oben, Teil 3, 4. Abschn. At I I I , 2. y n d 3. XV,
168
T e i l 5: Überprüfbarkeit nationaler Durchführungsbestimmungen
der übertragungsfesten Verfassungsschranken führen 73 , ist den Integrationsgesetzgebern kein Verfassungsriegel vorgeschoben 74 . Die Einhaltung der diesbezüglich gesetzten Schranken untersteht, wie oben herausgearbeitet, der Überprüfbarkeit durch das BVerfG 7 6 . b) Art. 24 I GG als Maßstab der innerstaatlichen Durchführungsbestimmungen Sind von der Exekutive Anwendungsmaßnahmen aufgrund europarechtlicher Weisung zu vollziehen, sollte prinzipiell nichts anderes gelten, wenn man sich über das Bisherige hinaus vor Augen führt, daß zum Beispiel die diesbezüglichen Maßnahmen auf Verwaltungsebene i n der bundesdeutschen Normenhierarchie unterhalb der förmlichen Gesetze rangieren. Stehen sie damit i n Widerspruch, müssen sie demzufolge grundsätzlich als nichtig oder ungültig angesehen werden 76 , das heißt jedes einfache Gesetz kann dem Geltungsgebot des Gemeinschaftsrechts, soweit es der mitgliedstaatlichen Beteiligung auf dieser Rechtsebene bedarf, entgegengehalten werden. Doch angesichts des durch Art. 24 I GG abgesteckten Integrationsrahmens und des einheitlichen Geltungsanspruchs des Gemeinschaftsrechts i n allen Mitgliedstaaten und auf allen Ebenen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen liegt eine Betrachtungsweise nahe, die der „Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften" umfassender Rechnung trägt 7 7 . Für die nationalen Durchführungsakte zum Gemeinschaftsrecht muß das gleiche gelten, was für den nationalen Gründungsakt zu den Gemeinschaften herausgearbeitet wurde: Beide sind nationale Rechtsakte, die unter dem Geltungsanspruch des Grundgesetzes stehen. Die Übertragung von Hoheitsrechten i m Sinne von Art. 24 I GG, die aus mehreren Teilen besteht, hat auch die staatlichen Anpassungsmaßnahmen zum Gegenstand 78 , die m i t eine der Entfaltungsvoraussetzungen für die Gemeinschaftsgewalt bilden. Die Entfaltung vollzieht sich, wegen der vielschichtigen Verzahnung von Gemeinschaftsgewalt und mitglied73 E i n solcher Verstoß erscheint eben und i n absehbarer Z u k u n f t durch die Grundrechtsentwicklung innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnungen allerdings so gut w i e ausgeschlossen, vgl. dazu oben, T e i l 3, 3. Abschn. D. u n d 4. Abschn. V. 1. m. w. N. 74 Z u undifferenziert sieht dies allerdings Everling, Niederlassungsrecht, 5. 12; zum Ganzen vgl. Zuleeg, K S E 9, S. 333 m . w . N . Vgl. dazu ferner auch die Ausführungen oben i n T e i l 3, 4. Abschn. Β . I. u n d V I . 75 Vgl. die Erörterungen oben, Teil 3, 4. Abschn. A. I I I . 2. u n d I V . m. w. N. 7β Wagner, KSE 5, S. 351 m. w. N. 77 Ebenso Ipsen, E u R - L b , Kap. 10/41 f., 45, S. 280 ff.; Pescatore, EuR 1970, S. 307 ff.; Winkler, S. 267. 78 Vgl. dazu die Erörterungen oben i n T e i l 3, 2. Abschn. Β . I I . u n d I I I . m. w. N.
3. Abschn.: Beachtung nationaler Verfassungsnormen
169
staatlicher Rechtsordnung, i n vielen Fällen erst durch die entsprechenden Mitwirkungsakte der EG-Staaten 79 . Hat sich ein Mitgliedstaat dieser Öffnung seiner Hoheitsgewalt der Gemeinschaft gegenüber verschrieben und sind dabei die verfassungsrechtlichen Schranken gewahrt, darf der Mitgliedstaat unter Beachtung dieser Grenzen auf keiner Ebene seines Hoheitsbereiches von diesem vollzogenen oder noch zu vollziehenden Souveränitätsverzicht Einschränkungen i n gemeinschaftsrechtswidriger Weise vornehmen 80 . Andererseits kann das Gemeinschaftsrecht die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht zu Ausführungs- oder Anwendungsmaßnahmen verpflichten, die gegen die unaufgebbaren Leitprinzipien ihrer Verfassungen verstoßen 81 . Unter Beachtung dieser Verfassungsschranken sind die nationalen Organe bei der Durchführung von gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen der strengen Grundrechtsbindung enthoben, das heißt ihren Maßnahmen sind dieselben Handlungsspielräume einzuräumen, die der Integrationsgewalt verfassungsrechtlich zugestanden werden. Dies bedeutet, die innerstaatlichen Durchführungsbestimmungen haben sich, in gleicher Weise wie primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht, nur den durch Art. 24 I GG gebotenen, damit den auf allen Ebenen einheitlich geltenden Verfassungsgrundsätzen zu unterwerfen 82 . 4. Rechtsfolgenwirkung Unter diesen Prämissen kann der Exekutive, wie es i n Luxemburg* 3 möglich ist, die Befugnis eingeräumt werden, sich i m Hinblick auf eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung über entgegenstehendes förmliches Gesetz hinwegzusetzen; oder man leitet von Fall zu Fall aus Art. 86 I und I I EGKSV, Art. 5 EWGV und Art. 192 EAGV die mitgliedstaatliche Verpflichtung ab, die innerstaatlichen Voraussetzungen für eine ungehinderte Befolgung der gemeinschaftsrechtlichen „Anordnungen" — i n den Grenzen des Art. 79 I I I GG — zu schaffen 84 . 79
Siehe dazu die Ausführungen m i t den weiterführenden Hinweisen i m 1. Abschn. u n d i m 3. Abschn. Β . I I . 1. dieses Teiles 5. 80 So auch Tomuschat, B K , zu A r t . 24 GG, Rdnr. 65, 87. 81 Siehe dazu die Erörterungen oben i n T e i l 3, 4. Abschn. A. I I I . 2. 82 Weitergehender als hier sind w o h l Ipsen, EuR-Lb, Kap. 41/26 f., S. 736 f. u n d Claudi, S. 488, die selbst die Verfassungsgrundsätze des A r t . 79 I I I GG den nationalen Ausführungsnormen als nicht entgegensetzbar aufführen, zumindest w i r d i n dieser Hinsicht zu Unrecht nicht differenziert. 83 Hier ist es möglich, daß eine Rechtsverordnung, die auf einer gültigen Ermächtigung der Legislative beruht, ein älteres förmliches Gesetz ändert oder aufhebt, Nachweise bei Zuleeg, K S E 9, S. 333, Fn. 5. 84 j n Frankreich ist die Exekutive gem. A r t . 37 der französischen Verfassung dann nicht an das förmliche Gesetz gebunden, w e n n die zu regelnde Materie nicht i n den „domaine de la loi" fällt, vgl. dazu Zuleeg, K S E 9, S. 334 m i t Fn. 6.
170
T e i l 5: Überprüfbarkeit nationaler Durchführungsbestimmungen
Dies kann zum einen dadurch geschehen, daß die mitgliedstaatliche Kollision von den zuständigen Organen beseitigt wird, die gesetzgebende Körperschaft selbst die Ausführungsmaßnahme erläßt oder das ausführende Organ allgemein einer Bindung an höherrangiges Recht i n dem speziell notwendigen Rahmen — bis zur Grenze des Art. 79 I I I GG — enthoben ist 85 . Zu beachten und gerichtlich nachprüfbar bleibt, ob diese staatliche „Regelung" zur Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung nicht gegen einen fundamentalen Grundsatz des Art. 79 I I I GG — i n dem angeführten Sinne — verstößt 86 . Beim Überschreiten dieser Grenzen sind die gefundenen „Regelungen" der gerichtlichen Verwerfung anheimgestellt; für unwirksam oder nichtig erklärt werden können sie jedoch nur durch das BVerfG — wegen des vorgegebenen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabes, der hier, wie bei allen staatlichen Maßnahmen m i t Gemeinschaftsbezug, Art. 79 I I I GG zu entnehmen ist 87 .
Ergebnis zu T e i l 5
Obgleich die Durchführungsbestimmungen zum EG-Recht als nationale Rechtsakte zu qualifizieren sind, obliegen sie nicht den strengen nationalen Verfassungsmaßstäben. I n gleicher Weise, wie die Übertragungshandlungen nur den modifizierten Verfassungsanforderungen des Art. 79 I I I GG unterworfen sind, vollziehen sich die Durchführungshandlungen — als letzte Glieder des Integrationsvollzuges i m Rahmen des Art. 24 I GG — i n diesen erweiterten Verfassungsbahnen. Soweit Diskrepanzen zwischen den Anforderungen der Gemeinschaftsrechtsordnung und dem nationalen Recht bestehen, sind die innerstaatlichen Durchführungsorgane i n den Grenzen des Art. 79 I I I GG ihren strengen verfassungsrechtlichen Bindungen enthoben und einer diesbezüglichen Überprüfung durch das BVerfG unterworfen. Darüber hinausgehenden Anforderungen des Gemeinschaftsrechts kann auch auf dieser Ebene nicht stattgegeben werden. 85
E i n T e i l dieser Gedanken findet sich bei Zuleeg, K S E 9, S. 333 f., er läßt jedoch n u r die Möglichkeit des Selbsttätigwerdens des Legislativorgans als prädestiniert i n seine Überlegungen m i t einfließen. Dem bundesstaatlichen Aufbau i n der Bundesrepublik w i r d jedoch am ehesten die „ E n t b i n d u n g " der vollziehenden Staatsorgane von den allgemeinen, einfachen Grundrechtsanforderungen gerecht. 8e Siehe dazu die Ausführungen von Zuleeg, K S E 9, S. 333; ders., JR 1973, S. 447. 87 Auch hier hat sich das B V e r f G von dem geringstmöglichen E i n g r i f f i n die EG-Rechtsordnung leiten zu lassen, vgl. die diesbezüglichen A u s f ü h r u n gen,. die Überprüfung der nationalen Zustimmungsgesetze zu den E G - G r ü n dungsverträgen betreffend, oben T e i l 3, 4. Abschn. A. I I I . 3.
Schlußbetrachtung 1.
Das Gemeinschaftsrecht unterliegt i n seiner Gesamtheit keiner unmittelbaren verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Auch der Urteilstenor der Unanwendbarkeit ändert nichts an der grundsätzlichen Unzulässigkeit der unmittelbaren Überprüfung.
2. a) Gemeinschaftsrecht kann jedoch anhand des nationalen Zustimmungsgesetzes mittelbar überprüft werden, indem das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung der den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen verfassungsrechtlichen Schranken bezüglich der dem Vertragsgesetz erteilten Zustimmung nachprüft. b) Da das Zustimmungsgesetz seinen materiellen Gehalt durch den entsprechenden Gründungsvertrag i n Verbindung m i t der spezifischen Ausgestaltung der EG-Rechtsnorm erhält, muß insofern das eigenständige Gemeinschaftsrecht zwangsläufig einer mittelbaren Überprüfung mit unterzogen werden. c) Prüfungsmaßstab kann dabei jedoch nur nationales Verfassungsrecht m i t den Anforderungen sein, die Art. 24 I GG an die Übertragung von Hoheitsrechten an zwischenstaatliche Einrichtungen — hier insbesondere an die Europäischen Gemeinschaften — stellt. Dies sind die i n Art. 79 I I I GG niedergelegten und auf die spezifischen Bedürfnisse der Gemeinschaftsrechtsordnungen modifizierten Verfassungsgrundsätze i n ihren unaufgebbaren Wesenszügen. 3. a) Bezüglich der auf dieses Maß reduzierten Grundrechtsschranken gestattet das Gemeinschaftsrecht, Normen seiner eigenständigen Rechtsordnung mittelbar zum Prüfungsgegenstand eines nationalen Überprüfungsverfahrens werden zu lassen, in dem die Einhaltung dieser den nationalen Integrationsorganen vorgegebenen Grundrechtsschranken überprüft wird. b) Dies erlauben die Gemeinschaftsrechtsordnungen jedoch nur, weil die i n Art. 79 I I I GG niedergelegten Verfassungsstrukturen von ihnen als zu beachtende Rechtsinhaltsquellen aufzufassen sind, deren Wahrung sie sich verschrieben haben und deren innerstaatliche Beachtung nur vom Bundesverfassungsgericht rechtsverbindlich statuiert werden kann.
172
Schlußbetrachtung
4. a) Bei Feststellung einer Diskrepanz zwischen den Anforderungen an die nationalen Integrationsorgane und der konkreten Ausgestaltung des EG-Rechts, darf — bei zuvor erfolgter Vorlage, gemäß A r t i k e l 177 EWGV, an den EuGH — vom Bundesverfassungsgericht nach Ausschöpfung aller sonstigen Möglichkeiten zu deren Beseitigung als ultima ratio der i m Zustimmungsgesetz enthaltene Anwendungsbefehl für die indirekt überprüfte EG-Norm aufgehoben werden, was zu einem Anwendungsverbot dieser EG-Norm i m bundesstaatlichen Rechtsraum führt. b) Die weitestgehende Beachtung der Eigenständigkeit der EGRechtsordnungen und die mittlerweile erreichte Stabilität i n der Absicherung der dem A r t i k e l 79 I I I GG entsprechenden Grundrechtsgarantien i n den Europäischen Gemeinschaften geben — aufgrund der i n den Gemeinschaftsverträgen niedergelegten umfassenden Kooperationsverpflichtungen und dem i m Grundgesetz zum Ausdruck gebrachten Vertrauen i n die überstaatliche Zusammenarbeit — der Bundesrepublik als rechtspolitisches Gebot auf, die innerstaatliche Überprüfung des Zustimmungsgesetzes, da damit die mittelbare Überprüfung des rechtlich eigenständigen Gemeinschaftsrechts verknüpft ist, nur dann zuzulassen, wenn eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage gegeben ist, weil die der Übertragung der Hoheitsrechte zugrundeliegenden unaufgebbaren Verfassungsschranken als verletzt erscheinen. 5.
Dies alles hat i n gleicher Weise für primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht zu gelten. Unterscheidungen i n Prüfungsart und Prüfungsmaßstab können dem eigenständigen und i n sich geschlossenen Gemeinschaftsrecht nicht gerecht werden.
6.
Die innerstaatlichen Organe sind bei der Durchführung von gemeinschaftsrechtlichen Normen, obgleich als innerstaatliche Rechtsakte zu qualifizieren, i m gleichen Umfang vom strengen Maßstab des Grundgesetzes befreit, wie dies für den Integrationsgesetzgeber gilt, der i m Rahmen des Art. 24 I GG — bezogen auf die Europäischen Gemeinschaften — tätig geworden ist. Die Überprüfung solcher innerstaatlicher Rechtsakte erfährt i n diesem Sinne eine gleichgeartete Modifikation bezüglich des Prüfungsmaßstabes.
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