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German Pages [412] Year 2021
Daniel Emmelius
Das Pomerium GESCHRIEBENE GRENZE DES ANTIKEN ROM
Studien zur Alten Geschichte
Studien zur Alten Geschichte Herausgegeben von Ernst Baltrusch, Peter Funke, Tanja Itgenshorst, Stefan Rebenich und Uwe Walter
Band 30
Daniel Emmelius
Das Pomerium Geschriebene Grenze des antiken Rom
Vandenhoeck & Ruprecht
Meinem Vater
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Umschlaggestaltung: disegno visuelle kommunikation, Wuppertal Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-949189-08-1
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Die rätselhafte Grenze. Definitions- und Ursprungsfragen . . . . . . 2.1 Pomerium quid esset… Grundlegende Definitionsfragen . . . . . . 2.1.1 Linie oder Fläche? Die Frage der materiellen Ausdehnung des Pomerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Pomerium als Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Pomerium als Grenzstreifen oder Bereich vor der Mauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eine dritte Möglichkeit? Das Pomerium als Gesamtfläche des Stadtgebiets . . . . d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Oszillieren des Begriffs zwischen Grenze und begrenztem Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Das Pomerium als freier Raum? . . . . . . . . . . . . . g) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Das Pomerium im Verhältnis zur Mauer . . . . . . . . . . . a) Eine zweite Grenze innerhalb der Mauer . . . . . . . . . b) Ein Pomerium beiderseits der Mauer . . . . . . . . . . . c) Ein Pomerium außerhalb der Mauer . . . . . . . . . . . d) Das Pomerium als Mauerlinie und als Gebiet intra muros e) Das Pomerium als von der Mauer unabhängige Grenze . . f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Pflugritual und inauguratio. Das Pomerium und das Problem seines rituellen Ursprungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Pomerium und Pflugritual . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbindungen von Pomerium und Pflugritual . . . . . . b) Die übrige Überlieferung zum Pflugritual . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Pflugritual als Ursprung einer „magischen“ Grenze? 2.2.2 Pomerium und inauguratio . . . . . . . . . . . . . . . . . a) inauguratio des Pomerium? . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
b) effatio des pomerialen Stadtgebiets? . . . . . . . . . . . . c) inauguratio des pomerialen Stadtgebiets? . . . . . . . . . 2.2.3 Weder dies noch das? Das Pomerium als nicht-rituell begründete Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Zur Frage der etruskischen Herkunft des Pomerium . . . . 2.2.5 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Roms „magische“ Grenze? Funktionszuschreibungen an das Pomerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Kultorte, Kultvorschriften und das Pomerium . . . . . . . . . . . 3.1.1 Das Pomerium und die „fremden“ und „gefährlichen“ Kulte a) „fremde“ Kulte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „gefährliche“ Kulte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritische Stimmen der Forschung und Fazit . . . . . . . 3.1.2 Der Flamen Dialis und das Pomerium . . . . . . . . . . . . a) Anwesenheitspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kopfbedeckungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Flamen Dialis und das Heer . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Pomerium und innerstädtisches Bestattungsverbot . . . . . . . . 3.2.1 Archäologischer Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frühes Rom und Republik . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kaiserzeit und Spätantike . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit und Einordnung der Nekropolen in eine „borderscape“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Schriftliche Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestattungsverbot und Stadtgrenzen . . . . . . . . . . . b) Die Frage nach dem Hintergrund des Bestattungsverbots c) Fazit und Nachtrag zur Exklusion der Leichenberufe . . . 3.3 Domi und militiae: Das Pomerium und die Trennung von Friedens- und Kriegssphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Waffen, Soldaten und Comitia Centuriata . . . . . . . . . a) Ein Waffenverbot im Stadtgebiet? . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss regulärer Truppen und der Centuriatscomitien in republikanischer Zeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Militär im kaiserzeitlichen Rom . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Militärische Befehlsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die gängige Sicht der Forschung – und früh erkannte Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ein problematischer Zentralbeleg: Laelius Felix bei Gellius c) Urbem egredi – der Aufbruch von Befehlshabern mit militärischem Kommando . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
d) Urbem inire – die Rückkehr eines Befehlshabers nach Rom e) Fazit zur militärischen Befehlsgewalt . . . . . . . . . . . 3.4 finis urbani auspicii – das Pomerium als augurale Grenze . . . . . 3.4.1 Direkte Belege für auspicia urbana und das Problem des Gegenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Auspicia urbana – Einholungsort und Geltungsbereich? . . . a) „Auszugsauspizien“ und repetitio auspiciorum innerhalb des Pomerium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Bindungen an das bzw. Ausschluss aus dem Stadtgebiet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Pomerium als Grenze des Beobachtungsfeldes bestimmter Auspizien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 pomerium transgredi – Zum Zusammenhang von Grenzübertritt und Auspizien . . . . . . . . . . . . . . . . a) Noch einmal: Grenzübertritt zurückkehrender Feldherrn b) Auspizierende Magistrate vor den Comitien: Die Gracchus-Episode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.4 Fazit zum Pomerium als auguraler Grenze . . . . . . . . . . 4. Das „Schreiben“ der Grenze: Zum Konstitutionsprozess des Pomerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Das Pomerium im antiquarischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Erwähnungen des Pomerium von Varro bis Florus als Teil des antiquarischen Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antiquarische Literatur und antiquarische Exkurse . . . . b) Die Berichte über den Fehler des Gracchus . . . . . . . . c) Livius: Definitionsexkurs, Perduellio-Gesetz und Camillus-Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Seneca und der Vortrag eines Gelehrten . . . . . . . . . e) Lukan und die Lustratio Urbis . . . . . . . . . . . . . . f) Exkurs: Prozessionen entlang des Pomerium als Teil des antiquarischen Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . g) Tacitus über Claudius und das Pomerium . . . . . . . . h) Florus und der Beginn der römischen Expansion . . . . . 4.1.2 Die Erweiterungen des Pomerium und der Pomerium-Exkurs in der Historia Augusta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Augustus und / oder Caesar als Erweiterer? . . . . . . . . b) Vorbild Sulla? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwei gesicherte Fälle: Claudius und Vespasian mit Titus d) Hadrians Erneuerung der Grenzsteine . . . . . . . . . . e) Die Frage der aurelianischen Erweiterung und der Exkurs in der Historia Augusta . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
4.1.3 Weitere Thematisierungen des Pomerium im antiquarischen Diskurs der Spätantike: Servius-Kommentar und Panegyrici . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Zwischenfazit zum Pomerium im antiquarischen Diskurs . . 4.1.5 Die Uneindeutigkeit des Pomeriumbegriffs und die Logiken des antiquarischen Diskurses . . . . . . . . . . 4.1.6 Der mediale Charakter der Grenzsteine . . . . . . . . . . . 4.2 Das Pomerium außerhalb des antiquarischen Diskurses . . . . . . 4.2.1 Das Pomerium in uneigentlicher Rede . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Das Pomerium im juristischen Diskurs . . . . . . . . . . . a) Ohne Pomerium – die Grenzen Roms im juristischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ein Pomerium in anderen Städten als Rom? . . . . . . . c) Pomerium in bodenrechtlichem Zusammenhang . . . . . d) Pomerium in einem anderen Rechtsgebiet? – Papinian . . e) Fazit zum juristischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Ein „alltagssprachlicher“ Pomeriumbegriff. Frühe Belege bei Mark Aurel und Apuleius . . . . . . . . . 4.2.4 Der Sonderfall Cassius Dio . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Das Pomerium außerhalb des antiquarischen Diskurses in der Literatur der Spätantike . . . . . . . . . . . . . . . . a) Von Ammian bis Gregor . . . . . . . . . . . . . . . . . b) pomerium und pomarium . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 Fazit zum Pomerium außerhalb des antiquarischen Diskurses und Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . .
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5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Zusammenfassung der Analyseergebnisse . . . . . . . . . . . . . 5.2 Die Rolle des Pomerium in der späten Republik und Kaiserzeit . . 5.3 Abschließende Überlegungen zum Pomerium in früherer Zeit . . .
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6. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Zu Quelleneditionen und bibliographischen Abkürzungen . . . . 6.2 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Sachen, Personen, Orte und Begriffe . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Quellen (in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Version meiner Dissertation, die im Sommersemester 2019 von der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld angenommen wurde. Die Disputation fand am 3. Februar 2020 in Bielefeld statt. Für die Begleitung auf dem Weg dahin bin ich zahlreichen Menschen zu Dank verpflichtet, vor allen anderen aber meinem Doktorvater Prof. Dr. Uwe Walter. Er hat meine Arbeit von Beginn an wohlwollend, geduldig und kritisch, immer aber mit außergewöhnlichem Engagement begleitet. Gerade in der Anfangszeit hat er genau die richtigen orientierenden Impulse gesetzt und mir zugleich insgesamt sehr große Freiheiten in der Ausrichtung der Arbeit und im Arbeitsprozess belassen. Für das Gelingen der Arbeit war all dies von immenser Bedeutung. Großer Dank gebührt ebenfalls der Zweitbetreuerin der Arbeit, Prof. Dr. Therese Fuhrer, für ihren Rat und ihre Unterstützung. Sie hat sich als Klassische Philologin voll auf eine Arbeit eingelassen, die zwar wichtige philologische Anteile hat, sich aber in erster Linie als althistorische Arbeit versteht. Als weitere Unterstützer aus der Althistorie sind Prof. Dr. Wolfgang Blösel und Prof. Dr. Gian Luca Gregori zu nennen, denen ich ebenfalls sehr herzlich danke. Auch von archäologischer Seite habe ich sehr wertvolle Unterstützung und Beratung erfahren, wofür ich besonders Prof. Dr. Ortwin Dally und Dr. HeinzJürgen Beste von der Abteilung Rom des Deutschen Archäologischen Instituts zu Dank verpflichtet bin. Unter den Mitarbeitenden des DAI Rom gebührt mein herzlicher Dank außerdem Dr. Gabriele Scriba und Sabina de Luca. Das DAI hat mir zudem großzügigerweise auch die Fotos der Grenzsteine aus seiner Fotothek zu Verfügung gestellt, die von Heide Behrens aufgenommen wurden. Für die Überlassung der Originaldateien der Pläne zum Pomeriumverlauf danke ich nicht weniger herzlich Dr. Saskia Stevens. In meinen ersten Bemühungen im Rahmen des Dissertationsprojekts haben mich Prof. Dr. Peter Eich, Prof. Dr. Sitta von Reden, Prof. Dr. Astrid Möller und Prof. Dr. Hans-Joachim Gehrke am Freiburger Seminar für Alte Geschichte auf je unterschiedliche Weise beraten, unterstützt und gefördert, wofür ich mich ebenfalls herzlich bedanken möchte. Das Evangelische Studienwerk Villigst hat meine Arbeit mit einem Promotionsstipendium unterstützt und mir unbezahlbare Begegnungen mit hoch interessanten Menschen jenseits des geschichts- bzw. altertumswissenschaftlichen Kontextes ermöglicht. Letzteres gilt auch für die Bielefeld Graduate School in History and Sociology (BGHS), die immer wieder Gelegenheiten zum internationalen und interdisziplinären fachlichen Austausch schuf und mir darüber hinaus auch eine hervorragende Arbeitsinfrastruktur bot.
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Vorwort
Seit den Anfängen der Arbeit an dieser Dissertation haben viele Kolleginnen und Kollegen meinen Weg freundschaftlich begleitet, mich mit gutem Rat unterstützt, ermutigt und intellektuell angeregt. Dafür sei allen, die sich damit angesprochen fühlen, ganz herzlich gedankt. Dankbar zu erwähnen ist hier einerseits das „Team“ des Bielefelder Arbeitsbereichs Alte Geschichte, darunter meine MitPromovierenden Marie Lemser und Julian Gieseke. Andererseits möchte ich – in alphabetischer Reihenfolge – die folgenden Personen dankend hervorheben, die alle in verschiedener Form zum Gelingen meiner Forschung beigetragen haben: Dr. Franziska Eickhoff, Robert Forke, Simon Füchtenschnieder, Dr. Jonas HofmannEifler, Mariko Jacoby, Dr. Ole Johannsen, Dr. Polly Lohmann, Dr. Elisabetta Lupi, Ulrike Probst, Christoph Rüßler, Dr. Anabelle Thurn und Daniele Toro. Meiner Mutter danke ich für ihre bedingungslose Unterstützung in allem, was ich tue. Mein im Jahre 2002 verstorbener Vater hat, neben so vielem anderen, was ich ihm verdanke, in mir auch das erste Interesse an den alten Sprachen und an der Antike geweckt. Seinem Andenken ist dieses Buch gewidmet. Essen, im Januar 2021
D. E.
1. Einleitung
Die Stadt Rom beeindruckte in der Antike nicht allein durch monumentale Bauwerke. In dieser Hinsicht zog sie zudem auch erst relativ spät mit den großen Städten des östlichen Mittelmeerraums gleich. Was die antike Metropole aber schon seit der späten Republik auszeichnete, war ihre in der damaligen Mittelmeerwelt singuläre physische Ausdehnung und Einwohnerzahl – ein Aspekt, der selbstverständlich auch ideologisch von Bedeutung war.1 Dabei kam noch hinzu, dass – wie in vielen modernen Großstädten – auch im antiken Rom die Übergänge zwischen dem urbanen Zentrum und dem suburbanen Raum sehr fließend waren. So schreibt etwa Dionysios von Halikarnassos im späten 1. Jh. v. Chr., dass in Rom die Kernstadt (ἄστυ) und das Umland (χώρα) so ineinander verwoben seien, dass man nicht sagen könne, wo die Stadt (πόλις) ende, und sogar den Eindruck gewinnen müsse, sie erstrecke sich ins Unendliche (εἰς ἄπειρον).2 Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt 1
Zur historischen Relevanz der Größe der Stadt und zu den Ansätzen zur begründeten Schätzung der Einwohnerzahl vgl. Morley 2013. Wie dieser feststellt, war „Rome’s greatness […] itself a crucial element of the ideology that sustained Roman rule“ (30). So nennt Plinius etwa in der Naturalis Historia (3,66 f.) für die zweite Hälfte des 1. Jh. n. Chr. sogar genaue Zahlenangaben zur Ausdehnung der Stadt und schließt diese mit der Bemerkung ab, dass die Größe keiner Stadt des ganzen Erdkreises damit verglichen werde könne (nullius urbis magnitudinem in toto orbe potuisse ei comparari). Über den Kaiser Elagabal berichtet die Historia Augusta (HA Heliog. 26,6 f.), er habe von Sklaven in der Stadt Spinnweben sammeln lassen, und als eine Menge von 10.000 römischen Pfund zusammengekommen sei, habe er dazu bemerkt, dass man die Größe Roms daran ermessen könne. Vielleicht am weitesten ausgeführt wird das entsprechende Argument aber von Aelius Aristides in seiner berühmten Lobrede auf die Stadt Rom von 155 n. Chr. (9): τοῦτο ἄν τις φαίη καὶ περὶ τῆσδε τῆς πάντα μεγάλης, ὡς ἄρα οὐκ ἀκόλουθον τὴν δύναμιν τῷ τοσούτῳ μεγέθει κατεσκευάσατο. ἀλλ’ ἔστιν εἰς μὲν τὴν ὅλην ἀρχὴν βλέψαντα μηκέτι τὴν πόλιν θαυμάζειν, πολλοστὸν μέρος τῆς ἁπάσης ἄρχειν νομίσαντα γῆς, εἰς δ’αὐτὴν τὴν πόλιν καὶ τοὺς τῆς πόλεως ὅρους ἰδόντα μηκέτι θαυμάζειν, εἰ ὑπὸ τοσαύτης ἄρχεται πᾶσα ἡ οἰκουμένη („Von dieser Stadt, die in allem groß ist, könnte niemand sagen, dass sie es versäumte, sich eine Macht zu schaffen, die einer solchen Größe angemessen ist. Wenn einer das gesamte Reich betrachtet, so wundert er sich über die Stadt, weil er bedenkt, wie klein der Teil ist, der die ganze Welt beherrscht. Wenn aber einer auf die Stadt selbst und auf ihre Grenzen sieht, so wundert er sich nicht mehr, dass die gesamte Oikumene von einer so großen Stadt beherrscht wird.“ Übers. R. Klein). 2 Dion. Hal. ant. 4,13,4: καὶ εἰ μὲν εἰς ταῦτά τις ὁρῶν τὸ μέγεθος ἐξετάζειν βουλήσεται τῆς Ῥώμης, πλανᾶσθαί τ᾽ἀναγκασθήσεται καὶ οὐχ ἕξει βέβαιον σημεῖον οὐδέν, ᾧ διαγνώσεται, μέχρι ποῦ προβαίνουσα ἔτι πόλις ἐστὶ καὶ πόθεν ἄρχεται μηκέτ᾽εἶναι πόλις, οὕτω συνύφανται τὸ ἄστυ τῇ χώρᾳ καὶ εἰς ἄπειρον ἐκμηκυνομένης πόλεως ὑπόληψιν τοῖς θεωμένοις παρέχεται („Und wenn jemand mit Blick auf diese Bereiche [außerhalb der Servianischen Mauer] die Größe Roms ergründen wollte, wird er notwendig in die Irre geführt werden und
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Einleitung
heute auch die archäologische Forschung zum römischen Suburbium, die in den letzten Jahrzehnten einen deutlichen Aufschwung erlebt hat. Demnach lassen sich auch auf Basis der materiellen Überreste keine klaren Grenzen zwischen urbanem und suburbanem Raum ziehen.3 Wie wir jedoch aus den literarischen und epigraphischen Quellen wissen, gab es in Rom gleichwohl eine ganze Reihe von materiellen und immateriellen, veränderbaren und unveränderlichen Grenzen, über welche jeweils unterschiedliche Gebiete als eigentliches Stadtgebiet definiert wurden und welche insofern zur kulturellen Topographie der Stadt gehörten. Zu diesen zählte nicht nur das Pomerium, sondern etwa auch die Grenze der ersten Meile, die Grenze der zusammenhängenden Bebauung (continentia) und nicht zuletzt die aus dem 4. Jh. v. Chr. stammende Stadtmauer, die freilich, wie das Zeugnis des Dionysios zeigt, im 1. Jh. v. Chr. bereits vielfach überbaut, in Teilen abgerissen und zuweilen gar „schwer zu finden“ (δυσεύρετος)4 war.5 Es stellt sich insgesamt die Frage, welche Rolle(n) diese Stadtgrenzen in der römischen Republik und Kaiserzeit spielten.6 Indes hat unter den Grenzen Roms von jeher das Pomerium die mit Abstand größte Aufmerksamkeit in der Altertumswissenschaft erfahren und steht aus Gründen, welche sogleich zu erläutern sein werden, auch im Zentrum dieser Arbeit. Beim Pomerium handelte es sich um eine sowohl von den Stadtmauern als auch von der tatsächlichen Bebauung verschiedene Grenze, welche zumindest seit der späten Republik mithilfe von Grenzsteinen (Cippi) markiert wurde.7 Gedeutet wird es in der Forschung keinen sicheren Anhaltspunkt haben, an dem er erkennen könnte, bis wohin sich die Stadt erstreckt und ab wo die Stadt aufhört, so sehr sind Kernstadt (ἄστυ) und Umland (χώρᾳ) miteinander verwoben, und für die Betrachter entsteht der Eindruck, die Stadt erstrecke sich ins Unendliche.“ Übers. N. Wiater, mit wenigen Änderungen). Ähnliche Aussagen finden sich ferner z. B. bei Strabon (5,3,7), der die Römer zwar dafür lobt, sich mehr auf die Tapferkeit ihrer Soldaten als auf Mauern zu verlassen, aber doch bemerkt, Rom brauche nun eine neue Befestigung (ἐρυμάτων ἑτέρων δεόμενον). 3 Einen Überblick mit weiterer Lit. bietet etwa Witcher 2013; ausführlich Goodman 2007 und zuletzt Emmerson 2020a. Die Fortschritte dieses Feldes bringen ferner die fünf dem Suburbium gewidmeten Bände des Lexicon topographicum urbis Romae – Suburbium (LTURS) sinnfällig zum Ausdruck: La Regina 2001–2008. 4 Dion. Hal. ant. 4,13,5. Als einschneidend in der Geschichte der republikanischen Stadtmauer gelten besonders die Maßnahmen des Maecenas im Rahmen der Anlage seiner Horti, vgl. dazu und zu weiteren ähnlichen Befunden Stevens 2017, 140 f., 234 f. 5 Über die Gesamtheit der Grenzen Roms liegen einige, zumeist freilich überblicksartige Beiträge vor, so etwa Goodman 2018; Dally 2010; Guilhembet 2006; Giardina 2000; Patterson 2000. 6 Die Rollenmetapher wird hier vor allem aufgrund ihrer Offenheit anderen Begriffen vorgezogen, wie z. B. dem theoriebeladeneren Begriff der Funktion, der in dieser Arbeit lediglich im Zusammenhang von Zuschreibung von Funktionen an das Pomerium durch antike Autoren oder durch die Forschung Verwendung findet. 7 Erwähnt bei Varr. ling. 5,143. Kaiserzeitliche Cippi und deren Fundorte siehe Abb. 4–9 (Kap. 4.1.6).
Forschungsstand
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gewöhnlich als die „sakrale“ Grenze der Stadt, welche von erheblicher Bedeutung für die politische und religiöse Ordnung besonders in der Republik gewesen sei. Die vorliegende Arbeit bildet den Versuch einer monographischen Gesamtdarstellung und zugleich grundlegenden Neubewertung der Rolle dieser Grenze. Diese geht jedoch, wie sich immer wieder zeigen wird, unmittelbar einher mit einem neuen Blick auch auf die anderen römischen Stadtgrenzen.
1.1 Forschungsstand Das Thema der Grenzen in der römischen Antike, darunter auch der stadtrömischen Grenzen und Grenzzonen, hat in den letzten Jahren eine steigende Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden, wie auch R. Dubbini in der Einleitung zu einem 2019 erschienen Tagungsband zum Thema mit Recht konstatiert.8 Diese Konjunktur des Themas betrifft auch das Pomerium, während dessen Forschungsgeschichte allerdings im Vergleich mit jener der anderen Grenzphänomene eine besondere Position einnimmt. So ist das Pomerium bereits seit dem 19. Jh. häufig Gegenstand von teils sehr detaillierten wissenschaftlichen Publikationen, während über andere Grenzen in Rom nicht annähernd so viel geforscht wurde.9 Vor allem Aufsätze zu Einzelaspekten existieren in kaum überschaubarer Zahl. Es fällt jedoch auf, dass – abgesehen von Lexikonartikeln – nur sehr wenige Beiträge den Anspruch einer auf die Gesamtheit des Themas gerichtete Darstellung zu erheben oder gar zu erfüllen scheinen.10 Letzteres gilt auch für einige Kurzmonographien, deren wesentlicher Gegenstand das Pomerium ist, welche aber eher den Umfang längerer Aufsätze haben und sämtlich schon viele Jahrzehnte alt sind.11 Die einzige längere Monographie, die sich hauptsächlich dem Pomerium widmet, ist eine bereits 1885 unter dem wenig aussagekräftigen Titel „Beiträge zum römischen Staatsrecht“ erschienene Schrift von Adolph Nissen.12 Auch diese behandelt dementsprechend überwiegend (wenn auch nicht ausschließlich) staatsrechtliche Detailfragen und kann dabei mit ihren vielfach eigenwilligen und weitreichenden Interpretationen der Quellen heutigen methodischen Ansprüchen nicht mehr genügen. Als die bedeutendste neuere Monographie, die das Pomerium mitbetrifft, kann die Untersuchung von Saskia Stevens gelten, besonders was die Debatte um die Definition und den 8
Dubbini 2019, 9. Noch die meisten Beiträge existieren zur (republikanischen) Stadtmauer als Grenze bzw. zu dem Umstand, dass die Stadt sich physisch deutlich über sie hinaus ausdehnte, z. B. Stevens 2015; Haselberger 2007, 224–237; Cibotto 2006; Le Gall 1991; Frézoul 1987. 10 Ein Ausnahme bildet Simonelli 2001. 11 Martorana 1978; Basanoff 1939; Karlowa 1896. 12 Nissen 1885. 9
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Einleitung
Zusammenhang von Pomerium und Bestattungsregeln betrifft.13 Indes bezieht sich die vier Einzelstudien vereinende Publikation von Koortbojian, die jüngste umfangreichere Publikation, die das Pomerium im Titel nennt, tatsächlich nur in zweiter Linie auf dieses selbst. Der Autor fragt primär auf einer abstrakteren Ebene nach der Entwicklung der Unterscheidung von militärischer und ziviler Sphäre in verschiedenen römischen Institutionen und liefert insofern auch interessante Einsichten, wobei aber die Funktion des Pomerium als Grenze zwischen diesen Sphären nicht hinterfragt wird.14 Eine neue Gesamtdarstellung zum Pomerium erscheint daher trotz der großen Anzahl einschlägiger Literatur und vielmehr gerade wegen einer seit den Anfängen der modernen Altertumswissenschaft nie abgebrochenen Forschungsdiskussion sinnvoll. Hinzu kommen vor allem zwei inhaltliche Aspekte dieser Diskussion, die zu einer systematischen Neubewertung Anlass geben. Dies ist zum einen das Problemfeld der korrekten Definition und ursprünglichen Lage des Pomerium sowie seines rituellen Ursprungs, das aus einer grundsätzlich anderen Perspektive betrachtet werden soll. Diese Thematik hat besonders in der älteren Forschung viel Raum eingenommen, wird aber auch in der Gegenwart noch weiter geführt, wobei etwa folgende Fragen im Mittelpunkt stehen: War das Pomerium nun im eigentlichen Sinne eine Linie oder aber ein Streifen (freien) Landes? Befand es sich ursprünglich innerhalb oder außerhalb der Mauer oder aber zu beiden Seiten? In welchem Verhältnis steht es zu der mit dem Pflug beim Gründungsritual gezogenen Furche? Die schon in der Antike geführte Debatte zu diesen und ähnlichen Fragen ist angesichts der äußerst widersprüchlichen und schwer zu deutenden Aussagen in den antiken Texten bis heute nicht zu einem allgemein anerkannten Abschluss gekommen.15 Ob ein solcher überhaupt erreichbar ist, erscheint nicht nur sehr fraglich; für die Frage nach der Rolle des Pomerium in der Republik und Kaiserzeit scheint dieser auch wenig zielführend. Stattdessen hat das Bestreben der Forschung, Deutungen zu formulieren, die mit möglichst vielen antiken Zeugnissen vereinbar sein sollten, die tatsächliche Vielgestaltigkeit der Aussagen antiker Autoren in diesen Fragen nicht immer in angemessener Weise deutlich werden lassen und damit, wie ich meine, einen für die Rolle des Pomerium in Rom durchaus wichtigen Aspekt zu wenig wahr- und ernstgenommen. Daher erscheint es ratsam, neu aufzuzeigen, in welchem Ausmaß der Pomeriumbegriff schon in der Antike unhintergehbar vieldeutig und der Ursprung des Pomerium unklar war. Nur so kann dieser 13
Stevens 2017. Koortbojian 2020, zum „common thread“ der vier Studien des Buches bs. 6 und 9. Bei der – soweit ich sehe – noch unpublizierten Dissertation von Castiello 2019, lässt der Titel ebenfalls die Untersuchung eines bestimmten Aspekts und keine neue Gesamtdarstellung erwarten. 15 Ein noch recht frühes, vielbeachtetes Beispiel ist Mommsen 1876; ein relativ aktuelles stellt De Sanctis 2007 dar. 14
Forschungsstand
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Aspekt in die historische Bewertung seiner Rolle für die römische Geschichte mit einbezogen werden. Eine Neubewertung verdient ferner ein weiterer Aspekt der langen Forschungsgeschichte des Pomerium, nämlich die Frage nach dem spezifischen Charakter des Pomerium im Verhältnis zu anderen Grenzen in Rom. Denn im Gegensatz zu den Problemen der Definition und des Ursprungs existiert hier eine in der Forschung weitgehend etablierte Antwort: Beim Pomerium habe es sich nämlich um die speziell für den sakralen bzw. sakralrechtlichen Bereich maßgebliche Grenze der Stadt gehandelt, welche einen inneren Bereich des Friedens bzw. der Lebenden und einen äußeren des Krieges bzw. der Toten getrennt habe. Häufig wird dabei ein „magischer“ bzw. apotropäischer Bedeutungskern des Pomerium angenommen, durch welches die intrapomeriale Stadt also zu einer Art quasi-sakralem Schutzraum geworden sei. Diese Vorstellungen hätten sich in erheblichem Maße nicht nur auf Fragen des Kults oder der Bestattung, sondern auch auf die politische Ordnung vor allem der Republik, und hier insbesondere im Hinblick auf die magistratischen Kompetenzen ausgewirkt. Diese zentrale Bedeutung habe es dann freilich in Folge der politischen Umwälzungen in der späten Republik und der Expansion der Stadt immer mehr eingebüßt und sei abgesehen vom engeren religiösen Bereich zu einem bloßen sakralrechtlichen Relikt oder „Fossil“ herabgesunken.16 Genaueres zum thematisch sehr verzweigten Forschungsstand wird im Verlauf der Arbeit stets zu Beginn der Unterkapitel zu einer bestimmten Einzelfrage diskutiert. Die bis heute einflussreichsten Beiträge zu diesen Aspekten sind allerdings wohl die entsprechenden Kapitel in Mommsens Staatsrecht17, die Beiträge von André Magdelain18 sowie Jörg Rüpkes Monographie „Domi militiae. Zur religiösen Konstruktion des Krieges in Rom“19. Jedoch sind wohl auch in jedem Handbuch zur römischen Republik vergleichbare Aussagen zum Pomerium zu finden. Bereits bei der Lektüre der genannten und anderer Forschungsliteratur drängt sich indes der Eindruck auf, dass weniger direkte Quellenaussagen die Grundlage für diese Bewertung der Rolle des Pomerium darstellen, als vielmehr eine rekonstruierte semantische Essenz. Eines der Ziele dieser Arbeit ist es nun aber, zu zeigen, dass solche Wesensbestimmungen und klaren Zuordnungen der verschiedenen Grenzen des antiken Rom zu 16
Den Begriff des Fossils verwenden etwa De Sanctis 2019, 32, Sisani 2016, 65; Gros 2007, 112; Giardina 2000, 31. Für den in der späten Republik angesetzten Niedergang spricht De Sanctis 2019, 31, auch von der „‚crisi‘ del pomerium“. Dem Sinne nach vergleichbar auch Koortbojian 2020, z. B. 4: „The pomerium, as a fundamental feature of Rome’s political topography, proved especially confounding […]. Its religious role lived on […]. But the realities that accompanied Rome’s growth from the Romulean foundation to the caput mundi rendered much of the surviving lore that surrounded the city’s mythic past incommensurate with early imperial life in the urbs.“ 17 Mommsen 1887/88. 18 Magdelain 1976; Magdelain 1977. 19 Rüpke 1990.
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jeweils eindeutig umrissenen Funktionsbereichen auf der Grundlage der Quellen kaum haltbar sind und deshalb auch der Rolle dieser Grenzen in der römischen Gesellschaft und im öffentlichen Leben nicht gerecht werden. Denn sowohl die etablierte Forschungsmeinung zum spezifischen Charakter des Pomerium als auch die Diskussionen zu den Definitions- und Ursprungsfragen beruhen nicht allein auf einer ungenauen oder methodisch fragwürdigen Quellenauswertung. Teil des Problems sind auch in theoretischer Hinsicht problematische, weil unterkomplexe, Prämissen über den Zusammenhang von Gesellschaften und den von ihnen konstituierten Räumen, und zwar insofern hier die Behandlung dieser Räume in Texten bzw. deren physische Markierung mittels Grenzsteinen als etwas nur sekundäres und nachträgliches, und nicht etwas von vornherein konstitutives erscheint. Es soll in dieser Arbeit entsprechend auch nicht mehr darum gehen, aus den uns erhaltenen Texten – in tendenziell holistischer und essentialistischer Ausrichtung – so etwas wie „Rome as a sacred landscape in republican times“20 oder „die mental map der Römer“21 und als Element darin das Pomerium zu rekonstruieren. Die in dieser Arbeit vorgeschlagene Neubewertung der Rolle des Pomerium wird vielmehr auf der Grundlage eines Perspektivwechsels erfolgen, der den fortlaufenden Prozess der Konstitution des Pomerium ins Zentrum rückt. Dieser bestand nach dem hier verfolgten Ansatz gleichsam aus vielfältigen Akten des „Schreibens“ dieser Grenze. Die theoretischen Hintergründe dieses Ansatzes werden sogleich darzulegen sein. Zuvor sollen jedoch der Gesamtaufbau der Arbeit skizziert und das methodische Vorgehen beschrieben werden.
1.2 Aufbau der Arbeit Zu Beginn wird in Kapitel 2 untersucht, welche Aussagen die antiken Autoren zu den Fragen der Definition (2.1) und des Ursprungs (2.2) des Pomerium machen. Im Hinblick auf die Definition wird es dabei einerseits um das Problem der materiellen Ausdehnung des Pomerium (als Linie oder Fläche) gehen, andererseits um das ur20
Cancik 1985/86. Die hier zugrundeliegende Perspektive wird besonders deutlich in dem Satz (258): „The material, we used to reconstruct Rome’s sacred landscape in republican times, we owe to a great extent to M. Terentius Varro. He dragged the itinary of the Argei procession and the formula to constitute the templum on the Capitol out of the archives; he scribed the foundation rites and collected a bulk of names of holy groves.“ 21 Rüpke 1990, 28: „Es gilt, die ‚mental map’ der Römer zu rekonstruieren, in der sie ihre natürliche Umgebung interpretiert haben und nach der sie diese ‚natürliche Umgebung’ in Kulturlandschaft verwandelt haben. Künstliche Zeichen, Grenzsteine, Haine, Tempel, setzen die ‚mental map’ – zumindest ansatzweise – in geographische Realität um, machen sie so erlernbar. Rituale und Rechtsvorschriften sanktionieren und stärken diese Zeichen und Grenzen.“
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sprüngliche Lageverhältnis von Pomerium und Stadtmauer. Der Einrichtungsakt, der den Ursprung des Pomerium bildete und der nicht anders als bei der Stadtmauer in der Antike fast immer als ein ritueller verstanden wurde, ist Gegenstand eines weiteren Abschnitts, wobei vor allem zwei Ritualkomplexe diskutiert werden: So wird untersucht, in welches Verhältnis die Autoren das Pomerium zum bekannten Stadtgründungsritual mit dem Pflug und der dabei gezogenen Furche setzen, bzw. welche Rolle sie hier den raumkonstitutiven Sprechakten der Augurallehre (inauguratio, effatio) beimessen. Wie oben bereits angedeutet, ist es das Ziel des Kapitels zu zeigen, dass es nicht zielführend sein kann, diese antiken Diskussionen, die bereits weitgehend einer validen Grundlage entbehrten, heute in der Forschung weiterzuführen. Stattdessen soll deutlich werden, dass sich das Pomerium bereits in der Zeit unserer Quellen durch eine unhintergehbare Vieldeutigkeit sowohl im Hinblick auf seine Definition als auch auf seinen Ursprung auszeichnete. Dazu werden alle verfügbaren antiken Zeugnisse gleichberechtigt so verglichen, dass erstens das Ausmaß der faktischen Widersprüchlichkeit deutlich wird, das zuweilen größer ist als von der Forschung anerkannt. Darüber hinaus entsprechen die in der Forschung verbreitetsten Auffassungen oft nicht deren Verbreitung in der antiken Diskussion bzw. vermischen verschiedene antike Auffassungen in neuartiger Weise. Zweitens wird die weitgehende Gleichartigkeit der Erkenntnisvoraussetzungen und Argumente der antiken Autoren herauszuarbeiten sein, die es nicht erlaubt, einzelnen Meinungen ein deutlich höheres Alter und eine höhere Authentizität im Hinblick auf die Frühzeit zuzusprechen. In Kapitel 3, welches das umfangreichste der Arbeit bildet, werden dann die verschiedenen dem Pomerium in der Forschung zugeschriebenen Grenzfunktionen der Reihe nach in den Blick genommen und einer neuen Prüfung an den Quellen unterzogen. Die skizzierte Vorstellung vom Pomerium als der sakralen Grenze stützt sich in der Forschung, wie angedeutet, wesentlich auf die Annahme bestimmter Regeln der politischen und religiösen Ordnung. Für diese gilt das Pomerium nicht nur als maßgebliche Grenze, sie werden auch häufig – sofern ihre Hintergründe überhaupt thematisiert werden – auf den apotropäischen Charakter des Pomerium bzw. die Vorstellung eines quasi-sakralen Schutzraums innerhalb des Pomerium zurückgeführt. Die bekanntesten dieser Regeln sind vermutlich das Verbot der Bestattung im Stadtgebiet (3.2), das Verbot, innerhalb des Pomerium Waffen zu tragen bzw. von militärischer Präsenz (3.3.1) und das Verbot der Ausübung des imperium, also der obersten militärischen Befehlsgewalt (3.3.2), wobei letztere gleichermaßen mit der Ansicht zusammenhängen, das Pomerium stelle die Grenze von Kriegs- und Friedenssphäre (militiae und domi) dar (3.3). Auch bestimmte Kulte, die als fremd oder in irgendeiner Hinsicht gefährlich angesehen wurden, waren – so wurde jedenfalls lange angenommen – aufgrund sakralrechtlicher Vorschriften aus dem Bereich innerhalb des Pomerium zumindest in der Frühzeit noch ausgeschlossen (3.1.1). Hinzu kommt eine Reihe weiterer etwas weniger prominenter Regeln, wie z. B. im Zusammenhang der Kultvorschriften für den
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Jupiterpriester, den Flamen Dialis, welche ebenfalls in einem kurzen Abschnitt behandelt werden (3.1.2). Eine letzte Regel schließlich wird in der Forschung mal in der Reihe dieser Regeln genannt, mal überhaupt als dessen Grundfunktion interpretiert, aus dem sich alles anderes ergeben habe: Dies ist die Funktion, das Gebiet „städtischer Auspizien“, auspicia urbana, zu definieren (3.4). Mit Ausnahme dieses letzten Abschnitts wird innerhalb der einzelnen Abschnitte des Kapitels 3 wie folgt vorgegangen: Zunächst ist zu prüfen, ob es bei angemessener Berücksichtigung aller relevanten Zeugnisse hinreichend zu belegen oder auch nur wahrscheinlich ist, dass in dem jeweiligen Bereich überhaupt so etwas wie eine rechtliche Vorschrift oder Regel existierte, die mit Grenzen der Stadt Rom operierte. Im Anschluss an Christoph Lundgreen, der eine Unterscheidung aus der Rechtstheorie für die Erforschung der römischen Republik fruchtbar gemacht hat, werden dabei wirkliche Regeln, die nur erfüllt oder nicht erfüllt werden konnten, von Prinzipien unterschieden, denen man in unterschiedlichem Maße entsprechen konnte und die sich darum der binären Logik einer Grenze entzogen.22 Für den Fall, dass sich tatsächlich eine Regel in den Quellen greifen lässt, ist ferner zu untersuchen, inwieweit diese Regel mit dem Pomerium und nicht mindestens in gleicher Weise auch mit anderen Grenzen verknüpft wurde. Einbezogen werden dabei einerseits explizite Verknüpfungen einer (vermeintlichen) Regel sowohl mit dem Pomerium als auch mit allen anderen Stadtgrenzen sowie Stadtbegriffen (v. a. urbs). Andererseits werden die in den antiken Texten auftauchenden Hinweise auf die Hintergründe einer Regel bzw. eines Prinzips untersucht, von denen einige bei erster Betrachtung zur Vorstellung eines quasi-sakralen Schutzraums im Stadtgebiet passen könnten. Dabei versuche ich jedoch zu zeigen, dass entsprechende Deutungen bestenfalls voreilig sind, teils auch in klarem Widerspruch zu den Quellen stehen. Und auch die expliziten Verknüpfungen von im Prinzip unstreitigen Regeln mit dem Pomerium können, wie deutlich werden soll, keinesfalls ausreichen, um allgemein eine spezifische konzeptionelle Verbindung von Regel und Pomerium zu behaupten, weil sie stets allenfalls eine unter mehreren belegten Möglichkeiten darstellen und dabei weitestgehend auf einen Autor, nämlich Cassius Dio, beschränkt bleiben. Einzig im Abschnitt über das Pomerium als augurale, also die Lehre der Priester schaft der Auguren betreffende Grenze (3.4) sind andere Untersuchungsschritte notwendig, da sich hier die Quellenlage etwas anders darstellt. Diese ähnelt eher jener von Kapitel 2, da auch hier zwar nicht wenige einschlägige Stellen vorliegen, die aber inhaltlich oft unklar und teilweise widersprüchlich sind. Die Augurallehre kreiste bekanntlich um die divinatorische Praxis der Auspizien, deren gleichsam klassischer und namensgebender Typ die Vogelschau darstellte, über welche göttliche Zustimmung zu wichtigen Handlungen wie etwa Wahlen eingeholt wurde. Wie bereits kurz erwähnt spielte dabei auch die Unterteilung des physischen 22
Lundgreen 2011, bs. 42–50.
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Raumes eine wichtige Rolle. Nun wird das Pomerium in der Antike nicht nur mehrfach als Grenze der auspicia urbana bzw. des urbanum auspicium bezeichnet; auch eine Reihe weiterer Stellen belegt klar, dass zwischen dem Pomerium und der Lehre der Auguren ein spezifischer Zusammenhang gesehen wurde. Das Problem besteht aber nun darin, zu klären, welcher Art der Zusammenhang von Pomerium und Auspizien war. Hierbei wird an zwei Punkten angesetzt, nämlich zum einen bei der Frage, was unter auspicia urbana überhaupt zu verstehen ist (3.4.1 und 3.4.2), zum anderen beim Aspekt der auguralen Relevanz des Übertritts über das Pomerium (3.4.3). Für beide wurden in der Forschung immer wieder verschiedene Erklärungen präsentiert. Durch eine kritische Analyse aller verfügbaren Zeugnisse soll jedoch gezeigt werden, dass in diesem Bereich schon für die Zeit unserer Quellen mit wenig eindeutigen und widersprüchlichen Auffassungen zu diesen Fragen zu rechnen ist. In jedem Fall kann keine der modernen Erklärungen sich auf eine hinreichende Quellenbasis stützen. Dies liegt, wie ebenfalls deutlich werden soll, insbesondere daran, dass sich – anders als meist vorausgesetzt – keine Parallelität zwischen den räumlichen Regelungen des magistratischen imperium (und dem domi-militiae-Gegensatz) einerseits und der Auspizien andererseits belegen lässt. Schließlich wird auch klar werden, dass sich aus der besonderen Verknüpfung von Pomerium und Auspizienwesen, die zwar im Prinzip auffällig, im Detail aber weitgehend unklar ist, keinerlei Verbindung mit den in den vorhergehenden Abschnitten behandelten Bereichen der religiös-politischen Ordnung ableiten lassen. Angesichts des im gesamten Kapitel 3 untersuchten Materials erscheint es insgesamt nicht zielführend, im Hinblick auf die Frage nach der Rolle des Pomerium die Vorstellung der sakralen bzw. apotropäischen Grenze hier durch die Rekonstruktion einer anderen semantischen Essenz zu ersetzen. Dennoch bleibt unweigerlich die Frage, warum dem Pomerium von den antiken Autoren und selbst einigen Kaisern, die das Pomerium erweiterten, eine insgesamt durchaus nennenswerte Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde, wenn es sich doch durch eine unhintergehbare Vieldeutigkeit und geringe spezifische Relevanz für Regeln der religiös-politischen Ordnung auszeichnete. Ziel des Kapitels 4 ist es daher, für die Klärung der Frage, auf welche andere Weise dies plausibel erklärt und somit die Rolle des Pomerium angemessener beschrieben werden kann, eine empirische Grundlage zu liefern. Dazu wird, wie bereits angedeutet, ein Perspektivwechsel vorgenommen: Alle überlieferten antiken Erwähnungen des Pomerium, von denen die meisten bereits in Kapitel 2 und 3 behandelt wurden, werden nun in ihrer Positivität als Überreste eines fortlaufenden Prozesses der Konstitution des Pomerium als Grenze betrachtet. Dieser wird gleichsam als ein fortlaufender Schreib- und Umschreibprozess verstanden, den es zu charakterisieren gilt. Hinzukommen in einzelnen Fällen weitere außertextuelle Thematisierungen des Pomerium (z. B. Pomeriumerweiterungen), von denen aber in Texten berichtet wird und für welche diese also Quellen darstellen. Leitend ist dabei die Fragestellung, welchen übergeordneten Diskursen die einzelnen
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Thematisierungen des Pomerium überwiegend zuzuordnen sind bzw. wie sie sich überhaupt hinsichtlich formaler Ähnlichkeiten sinnvoll kategorisieren lassen, unabhängig davon, ob der konkrete Aussageinhalt übereinstimmt, sich ergänzt oder auch (wie gesehen) widerspricht. Es geht hier also nicht mehr – wie in den Kapiteln 2 und 3 – darum, ob und ggf. wie eindeutig dem Pomerium ein ganz konkreter Bedeutungsaspekt, etwa Grenze für das Bestattungsverbot zu sein, zugeschrieben wurde. Stattdessen wird in einem ersten Abschnitt (4.1) gezeigt, dass ein Großteil der greifbaren Aussagen zum Pomerium vor dem 3. Jh. n. Chr. nur einem übergeordneten Diskurs zuzuordnen ist, den man als antiquarischen Diskurs bezeichnen kann. Damit knüpfe ich besonders an die Forschungen von Andrew Wallace-Hadrill an, der wiederum den Foucaultschen Diskursbegriff aufgegriffen hat.23 Dabei wird außerdem der Frage nachgegangen, inwieweit die so häufig zu konstatierende Vieldeutigkeit des Pomeriumbegriffs durch die Logiken sowohl dieses Diskurses als auch des ihn überwiegend tragenden medialen Kontextes der Schriftlichkeit mitbedingt war. In einem zweiten Abschnitt (4.2), der zum ersten gewissermaßen die Gegenprobe darstellt, werden die übrigen Erwähnungen des Pomerium einschließlich jener aus der Spätantike in den Blick genommen. Hier geht darum zu zeigen, dass die nicht dem antiquarischen Diskurs zuzuordnenden Erwähnungen des Pomerium entweder als Elemente uneigentlicher Rede (z. B. als metaphorisch) oder als seltene Ausnahmen in ihrem jeweiligen Diskurskontext anzusehen sind. Eine dritte Kategorie – und in diese fallen die meisten Erwähnungen aus der Spätantike – bilden jene Stellen, wo das Wort pomerium (oder der Plural pomeria) ohne jede symbolische Signifikanz als „alltagssprachlicher“ Begriff für einen Bereich vor der Stadtmauer oder ähnliches gebraucht wird. Das Schlusskapitel (Resümee) der Arbeit gilt dann wiederum der Frage nach der Rolle des Pomerium in Rom, wobei auf den Ergebnissen der Kapitel 2 und 3 einerseits, Kapitel 4 andererseits aufgebaut wird. Meine These ist hier, dass das Pomerium jedenfalls für die Zeit zwischen dem 1. Jh. v. Chr. und dem späten 2. Jh. n. Chr. weniger als eine für die religiös-politische Ordnung regulative Grenze, sondern in erster Linie als eine Art Kristallisationspunkt von antiquarischem Wissen fungierte. Zusammen mit Monumenten, Gebäuden und anderen Orten als Element eines Wissensraumes „Stadt Rom“ zu deuten, über den solches Wissen mit erzeugt und räumlich verankert wurde.24 Die konstatierte Vieldeutigkeit des 23
Z. B. Wallace-Hadrill 2008, bs. 213–258 (der Autor spricht sowohl von „antiquarian discourse“, 243, wie von „discourse of antiquarianism“, 235), und Wallace-Hadrill 2005. 24 Für den Begriff des Wissensraumes, der in den letzten Jahren auch in den Altertumswissenschaften allmählich Fuß fasst (vgl. Hofmann / S chreiber 2015, sowie die heterogenen Anwendungen des Konzeptes in diesem Band), existiert keine allgemein anerkannte Definition. Stets geht es jedoch um die konstitutive Bedeutung von Raum für Wissen, sowohl im Sinne der Gebundenheit des Wissens an konkrete, physische Orte der Wissensproduktion, -vermittlung und -verstetigung als auch im Sinne einer
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Pomeriumbegriffs war dabei insofern unproblematisch, als sie ohne sachliche Konsequenzen im öffentlichen Leben blieb. Sie war sogar, so versuche ich plausibel zu machen, im Konstitutionsprozess des Pomerium, d. h. in den daran beteiligten Diskursen, Medien und Praktiken mit ihrer jeweiligen Logik und Eigendynamik angelegt. Uneindeutigkeit war, so könnte man auch sagen, für die Rolle des Pomerium in der römischen Gesellschaft symptomatisch.
1.3 Theoretische Grundlagen Bevor mit der Analyse begonnen werden kann, sind indes, wie angekündigt, einige theoretische Grundlagen zu erläutern, auf denen diese Arbeit und die vorgebrachten Thesen aufbauen und die auch im Titel angesprochen werden, wenn das Pomerium als „geschriebene Grenze“ bezeichnet wird. Ausgehen möchte ich bei der Darlegung dieser Grundlagen von einem naheliegenden Einwand, den jemand angesichts der Ergebnisse der Quellenanalysen in Kapitel 2 und vor allem 3 und der darauf aufbauenden Dekonstruktion des Bildes vom Pomerium als der sakralen Stadtgrenze vorbringen könnte. Man könnte angesichts des beschränkten Quellenkorpus schlicht behaupten, dass das Pomerium „eigentlich“ doch genau jene Sakralgrenze gewesen sein könne, was sich leider nur in unseren wenigen und „späten“ Quellen nicht mehr hinreichend niederschlage. Doch geriete man damit nicht nur unweigerlich in den Bereich der Spekulation. Auch wäre eine solche Annahme vor dem Hintergrund der kultur- und sozialwissenschaftlichen Theoriebildung zu Raum als soziokulturellem Konstrukt (bzw. „Produkt“), wie sie sich vor allem in Anschluss an Henri Lefebvre entwickelt hat, kaum haltbar.25 Denn dabei würde dem Pomerium eine von den historischen Akteuren losgelöste Existenz und Bedeutung zugeschrieben, während diese in ihrem Verhältnis zum Raum als vollständig passiv konzeptualisiert werden müssten. Im Falle des Pomerium war es zwar – anders als bei scheinbar „natürlichen“ Grenzen – sowohl in der Antike als auch in der modernen Forschung stets selbstverständlich, dass es sich dabei um eine menschliche Setzung handelte. Diese wurde allerdings stets schon in der Frühzeit angesiedelt und entweder als einmaliger Einrichtungsakt vorgestellt oder aber als längere, nicht mehr im Detail nachzuräumlichen bzw. verräumlichten Strukturiertheit des Wissens selbst. Anders gesagt soll mit dem Begriff die Tatsache angesprochen werden, „dass Wissen durch Raum konstruiert, stabilisiert oder auch dynamisiert wird“ (Grässner 2011, 109). Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Systematisierungsversuch von Busche 2010. Sowohl für Rom als vorfindlichen wie als literarisch konstruierten Stadtraum scheint mir der Begriff des Wissensraumes anwendbar, wie im Resümee noch einmal ausgeführt werden wird. 25 Lefebvre 1974. Einen nützlichen Auszug zentraler Stellen in dt. Übers. und mit weiterer Lit. bietet Dünne 2006, 330–342.
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vollziehende Genese, die jedoch bereits früh abgeschlossen war und zumindest für die Geschichte der mittleren und späten römischen Republik als eine bloße Gegebenheit der politischen Ordnung und Religion, ja der römischen Kultur überhaupt angesehen werden konnte. Das Pomerium wird in der Forschung entsprechend auch bis heute fast durchweg nur als äußere Bedingung historischer Handlungen bzw. römischer Geschichte berücksichtigt, kaum jedoch – wenn man einmal von den Pomeriumerweiterungen absieht – als Resultat solcher Handlungen.26 Eine über Jahrhunderte konstante Rolle wie die beschriebene – das Pomerium als die sakrale Grenze Roms – kann aber aus den dargestellten Gründen nicht mehr einfach als gegeben verstanden werden; sie würde vielmehr voraussetzen, dass es in Rom zu einer zumindest weitgehend kontinuierlichen und zugleich konsistenten Folge von derartigen Grenzmarkierungen und passenden Bedeutungszuschreibungen an das Pomerium kam. Dies ist aber gerade nicht das Bild, was sich bei einer Zusammenschau der Quellen ergibt. Die spezifische Rolle des Pomerium in Rom, um die es gehen soll, ist also nicht einfach über die Bestimmung eines Bedeutungskerns zu erfassen, sondern muss über den tatsächlichen, wie auch immer gearteten Umgang historischer Akteure mit dieser Grenze erforscht werden, der, wie angedeutet, zugleich für diese Grenze selbst und ihren Fortbestand konstitutiv war. Dieser Umgang der Akteure mit dem Pomerium ist also zugleich der fortlaufende Prozess der Konstitution des Pomerium selbst. Um zu Aussagen über die Rolle des Pomerium zu gelangen, erscheint es also naheliegend, diesen Konstitutionsprozess genauer in den Blick zu nehmen, was in Kapitel 4 geschehen soll. Wie kann aber dieser Konstitutionsprozess des Pomerium konkret untersucht werden? Der Umgang der historischen Akteure mit dem Pomerium kann nicht nur nicht mehr in seinem Vollzug beobachtet werden – wie selbstverständlich bei allen historischen Gesellschaften –, er wird auch in den Quellen nur selten thematisiert. Zudem bleibt es oft unklar, ob, wenn beispielsweise bei Cassius Dio ausdrücklich davon die Rede ist, Pompeius oder Caesar hätten aus rechtlichen Gründen das Pomerium nicht überschritten, die genannten Akteure die zugrunde liegenden Regeln tatsächlich als Regeln zum Pomerium verstanden und thematisiert haben, oder ob deren Zuordnung zu dieser bestimmten Grenze nicht erst auf der Ebene der historiographischen Darstellung vorgenommen wurde. Und schließlich deutet
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Sehr explizit macht dies z. B. Nippel 1988, 11: „Ein Fundamentalprinzip der römischen Verfassung war die Scheidung zwischen den Rechtsbereichen innerhalb (domi) und außerhalb (militiae) der Stadt. Sie ging zurück auf die mit dem etruskischen Gründungsritus konstituierte sakrale Stadtgrenze (pomerium). Diese erhielt mit dem Übergang zur Republik eine spezifisch staatsrechtliche Qualität.“ Im Anschluss (12) heißt es zu den verschiedenen mit dem Pomerium verbundenen Regeln „Wann und wie sich im einzelnen diese Regeln herausgebildet haben, braucht hier nicht erörtert zu werden. Einmal in der Frühzeit der Republik etabliert, gehörten sie bis zu deren Ende zum unbestrittenen Fundament der Verfassungsordnung.“
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der eingangs erwähnte archäologische Befund sogar auf eine das Pomerium (und andere Grenzen) eher ignorierende alltägliche Praxis hin. Damit scheint ein wesentlich auf die Analyse alltäglicher sozialer Praktiken im Stadtraum ausgerichteter soziologischer Zugang zur Raumkonstitution gerade für das Pomerium nicht das passende Werkzeug zu bieten, obwohl dessen Prämisse einer Raumkonstitution in der sozialen Praxis natürlich auch hier geteilt wird.27 Für unsere Untersuchung des Konstitutionsprozesses des Pomerium wird daher ein eher kulturwissenschaftlicher Ansatz gewählt. Dieser sucht, wie bereits gesagt, die uns vorliegenden antiken Zeugnisse nicht nur als Quellen für von ihnen unabhängige Räume und Grenzen, sondern auch selbst als Überreste vielfältiger, zeitlich weit verteilter Akte von Raumkonstitution ernst zu nehmen. Es wird davon ausgegangen, dass diese – bei aller Vorsicht angesichts ihrer Ausschnitthaftigkeit – empirisch begründete Rückschlüsse auf den sozialen Konstitutionsprozess des Pomerium in seiner Gesamtheit und somit auch dessen Rolle in Rom erlauben. Dem steht entsprechend auch nicht entgegen, dass sich diese Zeugnisse oft nicht oder nur sehr bedingt als Quellen für den Umgang der im Text auftauchenden Akteure mit dem Pomerium eignen, also etwa des Pompeius oder Caesars, ganz zu schweigen von Figuren der Frühzeit. Dieser Zugang, auf den auch der Untertitel „geschriebene Grenze“ verweist, baut auf der Grundperspektive des sogenannten Topographical turn auf, eines vor allem in den kulturwissenschaftlich orientierten Literaturwissenschaften verfolgten Zweiges des Spatial turn.28 Anders als in soziologischen Ansätzen und anknüpfend an das ältere „Kultur-als-Text“-Paradigma wird hier Raum, jedenfalls sofern er einer kulturwissenschaftlichen Analyse zugänglich sein soll29, zunächst einmal als eine Art Text verstanden.30 Dieses Paradigma würde freilich auch zu den bereits zitierten Arbeiten zur Rekonstruktion stadtrömischer Sakraltopographie durchaus passen, über die diese Arbeit hinauszukommen versucht. Vertreterinnen und Vertretern des Topographical turn geht es allerdings vor allem um die Graphie im Wort Topographie, also nicht so sehr um Rekonstruktion oder Beschreibung kultureller Topographien, sondern um die ihr zugrundeliegenden Konstitutionsprozesse, gewissermaßen also das „Schreiben“ des Raumes und dessen historische Bedingtheit. Dabei wird Raumkonstitution (und mithin auch die Konstitution
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Am prominentesten hier Löw 2001. Döring / Thielmann 2008. 29 Ebd., 16: „Nur als Gegenstand in einer ‚Semiosphäre‘ – die sinnstrukturierte Welt der Bedeutungen im Gegensatz etwa zum metrischen Raum der Physik – kann Raum ein Korpus kulturwissenschaftlichen Fragens werden.“ 30 Weigel 2002, 160: „Der Raum ist hier nicht mehr Ursache oder Grund, von der oder dem die Ereignisse oder deren Erzählung ihren Ausgang nehmen, er wird vielmehr selbst als eine Art Text betrachtet, dessen Zeichen oder Spuren semiotisch, grammatologisch oder archäologisch zu entziffern sind.“ 28
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von Grenzen) als Zeichenprozess verstanden, für den handelnde Akteure, zugeschriebene Bedeutungen und ein Medium, das dabei vermittelt, (etwa ein Text, eine Karte, oder aber der menschliche Körper), gleichermaßen konstitutiv sind.31 Ein deutlicher Forschungsschwerpunkt jenes Feldes liegt dabei meist auf diesem letzten Aspekt, den „medienhistorische[n] Möglichkeitsbedingungen für kulturelle Topographien“32, wobei insbesondere die Kartographie große Aufmerksamkeit erfahren hat.33 Zwar wird der Aspekt der Medien der Raumkonstitution in dieser Arbeit nicht im Zentrum stehen, obgleich auch er Berücksichtigung findet. Vor allem aber scheint mir das geschilderte grundsätzliche Verständnis von Raum und Raumkonstitution für diese Arbeit und die Analyse der Zeugnisse zum Pomerium anschlussfähig. Für die Analyse einer in diesem Sinne verstandenen Raumkonstitution hat der Romanist und Kulturwissenschaftler Jörg Dünne ein Drei-Ebenen-Modell vorgeschlagen, an das hier lose angeknüpft werden soll. Es stellt seinerseits eine „Anverwandlung der von Charles W. Morris unterschiedenen drei Dimensionen von Zeichengebrauch (Pragmatik, Semantik und Syntaktik) für Raumfragen“34 dar. Dünne unterscheidet eine semiotische, eine (medial-) technische und eine kulturpragmatische Ebene der Raumkonstitution, die Morris’ Semantik, Syntaktik und Pragmatik entsprechen und die wiederum jeweils mit spezifischeren theoretischen Zugängen untersucht werden können. Dabei wird, wie der Autor erklärt, „die syntaktische, bei Morris letztlich auf Fragen der Logik zurückzuführende Beschreibung der Beziehung von Zeichen untereinander hier mediengeschichtlich zu ihrer technischen Fundierung erweitert“. Darauf aufbauend soll nun in Kapitel 4 der Konstitutionsprozess des Pomerium untersucht werden, der als ungeordnete Folge vieler einzelner, oft auch widersprüchlicher Konstitutionsakte verstanden wird. Die erhaltenen Zeugnisse stellen dabei analysierbare Überreste (und teilweise auch Quellen) solcher Konstitutionsakte dar, deren verschiedenartige „Produkte“ zusammenfassend als das Pomerium angesprochen werden, wobei man freilich durchaus auch von einer Pluralität von Pomeria sprechen könnte. Genauer gesagt richtet sich die Analyse der Zeugnisse auf zwei der drei Ebenen der Raumkonstitution, nämlich – in der Terminologie Dünnes – die semiotische und die technische Ebene, d. h. die Bedeutungszuschreibungen an das Pomerium und die medialen Kontexte, in welche diese eingebunden 31
Döring / Thielmann 2008, 16 (zu Weigel und dem Begriff des Topographical turn): „Sie setzt den Akzent der topographischen Wende auf das ‚graphein‘, das in ‚TopoGraphie‘ enthalten ist und damit – deutlicher als das unterbestimmte Attribut ‚spatial‘ es vermag – den Raumanalysen der Kulturwissenschaft einen erkennbaren Gegenstand zuweist.“ 32 Dünne 2008, 49. 33 So Weigel 2002 selbst, ebenso dann Dünne 2008, und Dünne 2011. 34 Dünne 2004b, 16–18; außerdem ausführlicher Dünne 2004a, 2.
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sind. In leichter Abwandlung dieser Terminologie soll für den Kontext dieser Arbeit zwischen einer diskursiven, einer medialen und einer pragmatischen Ebene unterschieden werden. Der Schwerpunkt der Untersuchung wird dabei auf der diskursiven Ebene liegen, zu welcher alle inhaltlichen Aussagen in antiken Zeugnissen gehören, die das Pomerium in seiner Definition und Bedeutung betreffen. Diese Ebene soll deshalb so bezeichnet werden, weil die Bedeutungszuschreibungen an das Pomerium, welche diese Ebene bilden, in diesem Schritt vor allem im Hinblick auf ihre Einbindung in bestimmte Diskurse betrachtet werden sollen. Nach einer für diesen Zweck praktikablen Definition des Diskursbegriffs Foucaults35 sind Diskurse „institutionalisierte oder institutionalisierbare Redeweisen, deren Regeln und Funktionsmechanismen gleichsam ‚positiv‘ zu ermitteln sind.“36 Insofern lässt sich ein Diskurs als „eine Ordnung begreifen, die den mit diesem Diskurs vertrauten Subjekten das gemeinsame Denken, Sprechen und Handeln erlaubt.“37 Auf der medialen Ebene sind die verschiedenen Medien angesiedelt, in welchen die Aussagen zum Pomerium zum Ausdruck gelangen; neben der Literatur mit ihrer Schriftlichkeit sind dies also auch die physischen Markierungen des Pomerium in Gestalt der Grenzsteine einschließlich ihrer Inschriften sowie schließlich performative Akte der Umrundung des Stadtgebietes. Diese Medien zeichnen sich ebenso wie die Diskurse durch je verschiedene nicht-intendierte Eigendynamiken aus, wie gerade im Topographical turn betont wird. Die dritte, pragmatische Ebene ist schließlich die der Akteure. Sie betrifft die Frage, wer in welchem Zusammenhang Aussagen mit Bezug zum Pomerium machte bzw. diese in irgendeiner Weise rezipierte. Diese Ebene entspricht den Praktiken des Umgangs mit dem Pomerium, an denen sich das manifestiert, was oben mit der Rolle des Pomerium bezeichnet wurde.38 Im Gegensatz zur diskursiven und medialen Ebene der Konstitution des Pomerium, von der wir in Gestalt der erhaltenen Zeugnisse Überreste zur Verfügung haben, können wir auf diese pragmatische Ebene nur Rückschlüsse ziehen. Und selbstverständlich geben diese Überreste nur einen sehr ausschnitthaften Einblick in die antike Auseinandersetzung mit dem Pomerium. Allerdings sind, so meine ich, die bei der Analyse erzielten Befunden zur diskursiven und medialen Ebene so aussagekräftig, dass sie schließlich – im Resümee – eine tragfähige Grundlage für Rückschlüsse auch auf diese Ebene und somit auf die Rolle des Pomerium in Rom bieten werden.
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Das wichtigste Werk in diesem Zusammenhang ist Foucault 1997; vgl. dazu auch Landwehr 2008, 65–79. 36 Schöttler 1997, 139. 37 Landwehr 2008, 67. 38 Unter Praktiken sollen hier im Sinne der Historischen Praxeologie kollektive, sozial geregelte Muster oder Gefüge des Handelns (und Sprechens) verstanden werden. Vgl. zu diesem Ansatz zusammenfassend Haasis / R ieske 2015.
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Einleitung
Vor dieser Neubewertung steht jedoch die Kritik der etablierten Deutungen durch eine weniger theoriebeladene, dafür aber möglichst detaillierte Untersuchung des gesamten verfügbaren Materials zum Pomerium, die dessen Widersprüchlichkeit und begrenzte Aussagekraft angemessen zu berücksichtigen sucht. Dies ist quantitativer Schwerpunkt der Arbeit, während die Analyse des „Schreibens“ dieser Grenze den Versuch einer produktiven Antwort auf die durch die Dekonstruktion aufgeworfenen Fragen darstellt.
2. Die rätselhafte Grenze. Definitions- und Ursprungsfragen
2.1 Pomerium quid esset… Grundlegende Definitionsfragen Zu den am häufigsten diskutierten Forschungsproblemen zum Pomerium gehören bezeichnenderweise die basalen Fragen, was genau das Pomerium eigentlich war und wo es ursprünglich verlief. Besonders gilt dies für die ältere Forschung, jedoch ohne dass die Diskussion darum je zum Erliegen gekommen wäre: War das Pomerium eine immaterielle Linie, welche die Stadt umzog und durch die erhaltenen Grenzsteine (Cippi) markiert wurde? Dabei dürfte es sich um das heute in der Forschung verbreitetere Verständnis handeln. Oder handelte es sich eher um einen zweidimensionalen Grenzbereich, auf dessen Außengrenze die Cippi standen? Auch diese Auffassung wird in Teilen der Forschung vertreten. Befand sich das Pomerium ferner schon immer außerhalb der Stadtmauer wie die kaiserzeitlichen Grenzsteine, oder verlief es ursprünglich und womöglich noch in republikanischer Zeit innerhalb der Mauer? Vor allem in Bezug auf die letztgenannte Frage stellte schon 1876 Theodor Mommsen fest: „Sprachlich und sachlich macht das Pomerium der Forschung Schwierigkeit; es erscheint nicht überflüssig den oft behandelten Gegenstand nochmals zur Sprache zu bringen.“1 Nicht viel anders resümieren die Autoren des Artikels zum Pomerium im aktuellen Oxford Classical Dictionary, ebenfalls primär in Bezug auf die basale Verortung des Pomerium: „Almost every aspect of the history of the pomerium of Rome is debatable.“2 Dass unsere Quellen zur Definition des Pomerium schon bei oberflächiger Betrachtung eklatante Widersprüche erkennen lassen, ist im Prinzip unstreitig.3 Schon mehrfach ist angesichts dieser Situation durchaus zurecht bemerkt worden, dass sich in der modernen Forschung die Uneinigkeit und Unsicherheit der antiken Autoren in folgerichtiger Weise fortgesetzt hat und dass zudem gerade der Rätselcharakter des Problems zum Interesse der Forschung an der Thematik maßgeblich beigetragen zu haben scheint.4 Diese Beobachtung wurde jedoch bis1 2 3 4
Mommsen 1876. Richmond / North / L intott 2012. Eine nahezu vollständige Übersicht der überlieferten Belegstellen im ThlL s. v. pomerium. So z. B. Antaya 1980, 185 („This modern uncertainty about the pomerium is essentially a continuation of the confusion of the ancient writers. Without question the Romans, by the time they came to write of it, had only the foggiest idea of what the pomerium was originally.“); vgl. auch Giardina 2000, 28; De Sanctis 2007, 504 Anm. 7; Stevens 2017, 23.
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Die rätselhafte Grenze
her kaum zum Anlass genommen, die schon bei den antiken Autoren beobachtete Art des Umgangs mit diesen Fragen grundsätzlich zu überdenken und von neuen Rekonstruktionsvorschlägen einer ursprünglichen oder eigentlichen Bedeutung des Pomeriumbegriffs Abstand zu nehmen.5 Stattdessen wird bis in die Gegenwart immer wieder versucht, eine möglichst weitgehende Harmonisierung möglichst vieler antiker Aussagen zum Thema in dem einen oder anderen Sinne zu erreichen. Dies impliziert allerdings einerseits fragwürdige oder zumindest einseitige Deutungen vieler Quellenaussagen, die häufig mehr als nur eine Interpretation erlauben würden. Andererseits werden solche Stellen, die der jeweils favorisierten Deutung offensichtlich widersprechen, ohne hinreichende sachliche Grundlage als Resultate späterer Entwicklungen oder schlicht als Irrtümer aussortiert. Im Folgenden soll dagegen ein anderer Ansatz verfolgt werden. Zum einen soll im Einzelnen demonstriert werden, wie sehr sich das Pomerium in der späten Republik und Kaiserzeit bereits in dieser grundlegenden Hinsicht als vieldeutiges Phänomen präsentiert, dessen Uneindeutigkeit sich auch nicht in der beschriebenen Weise vermindern oder relativieren lässt. Dabei wird sich im Gegenteil zeigen, dass in dem Bestreben, die Widersprüchlichkeit der antiken Zeugnisse zu reduzieren und eine ursprüngliche Definition zu rekonstruieren, bestimmte Positionen der antiken Diskussion in der Forschung nur unzureichend wahrgenommen wurden, während andererseits einflussreiche Definitionen der modernen Forschungsdiskussion in der antiken Diskussion eher randständig oder überhaupt nicht existent waren. Zum anderen soll gezeigt werden, warum diese definitorische Uneindeutigkeit des Pomeriumbegriffs unüberwindbar bleibt, und zwar nicht nur für die antiken Autoren, sondern auch für die moderne Forschung: Zwar gibt es heute immerhin linguistisch gut begründete Vorschläge zur realen etymologischen Herkunft des Wortes pomerium. Es ist jedoch nicht möglich, daraus oder aus den verfügbaren Quellen eine gewissermaßen traditionelle Definition des Begriffs Pomerium zu rekonstruieren, bezogen auf welche alle anderen als spätere (Miss-)Verständnisse bezeichnet werden könnten. Dies liegt nicht allein an den faktischen Mehrdeutigkeiten und Widersprüchen in den Quellen als solchen; diese bestehen tatsächlich zwischen fast allen antiken Aussagen zur Substanz und Lage des Pomerium, gerade auch den früheren, und sind eben nicht wegzudiskutieren. Ausschlaggebend ist aber vielmehr, dass bei keiner der greifbaren Positionen hinreichende Gründe dafürsprechen, dass genau diese einer älteren Überlieferung und nicht etwa antiquarischer Kreativität entstammt. So besteht in vielen antiken Aussagen 5
Querol 2019 bildet hier eine seltene Ausnahme. Angesichts der Vieldeutigkeit der antiken Zeugnisse und der Widersprüchlichkeit der modernen Interpretationen plädiert sie mit Recht dafür, die Unmöglichkeit einer Lösung dieser Definitionsfragen („de trancher sur la question du caractère interne ou externe du pomerium et de sa nature“, 44) anzuerkennen und sich mehr auf die in den Quellen greifbaren Effekte von Grenzübertritten zu konzentrieren, unabhängig davon, dass in diesen Kontexten das Pomerium nur selten erwähnt wird.
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zur Definition des Pomerium das entscheidende Argument in aus heutiger Sicht sehr zweifelhaften Spekulationen über den Wortursprung, über welche man zur eigentlichen Bedeutung vordringen zu können hoffte. Hinzu kommt, dass die Anschauung der jeweils gegenwärtigen Verhältnisse zumindest bei einigen Autoren einen nicht ermessbaren Einfluss auf deren Ansichten über den ursprünglichen Pomeriumbegriff besessen haben muss: Das römische Pomerium befand sich, wie gesagt, spätestens seit Claudius’ Pomeriumerweiterung von 49 n. Chr. klar außerhalb der Mauer. Zudem gab es gewisse öffentliche Freiräume zu beiden Seiten militärisch nutzbarer Befestigungen, eine Art Maueranger also, tatsächlich – so etwa in Ostia und Pompeji, wo der Status einer Zone von ca. 30 m vor der Mauer als locus publicus auch inschriftlich belegt ist.6 Und schließlich dürften die in den Quellen repräsentierten Auffassungen vom Pomerium nicht zuletzt der nicht immer genauen Rezeption anderer Autoren geschuldet sein, die in nicht sehr viel früherer Zeit schrieben und deren Positionen ihrerseits auf ähnliche Weise entstanden sein dürften. Die Rolle des Pomerium – so viel wird sich schon hier zeigen – wird in einer solchen Weise neu zu bestimmen sein, dass die auffällige definitorische Unklarheit dieser nicht entgegensteht, sondern diese selbst als ein wesentlicher Aspekt berücksichtigt wird. Im Folgenden sollen diese Thesen in zwei Abschnitten an den Quellen begründet werden. Zunächst wird es um die antiken Aussagen zu der Frage gehen, ob das Pomerium im eigentlichen Sinn den Charakter einer Linie oder einer Fläche besaß, ggf. auch was für eine Fläche genau es darstellte. Mit anderen Worten geht es um die Frage nach der (materiellen) Substanz oder Ausdehnung des Pomerium. In einem zweiten Schritt soll die Diskussion um die Lage des ursprünglichen bzw. generell des vorkaiserzeitlichen Pomerium im Verhältnis zur Mauer in den Blick genommen werden. Die Fülle der dazu vorliegenden wissenschaftlichen Literatur und der darin geäußerten Ansichten ist enorm. Deshalb wird eine vollständige Diskussion aller in der modernen Forschung jemals vorgebrachten Einschätzungen zu diesen Fragen, die sich z. T. in kleinen Details unterscheiden, hier nicht möglich 6
CIL X 1018; AE 2001, 795. Vgl. zu diesem konkreten Fall und der Institution allgemein Stevens 2017, 110–122, mit weiterer Lit. Für Pompeji z. B. bereits Nissen 1877, 466–477; Della Corte 1913; Kockel 1983; Ohlig 2004; Stevens 2017, 242–246; für Ostia: Brandt 1985, 44–46; Mar 1991, 87; Heinzelmann 2000; Stevens 2017, 215–230; Glogowski 2019. Für ähnliches auch in Griechenland siehe Stevens 2017, 29, mit weiterer Lit. In Anlehnung v. a. an die Pomeriumdefinition des Livius (1,44,3–5, s. u.), werden diese freien Bereiche an der Mauer in vielen der oben genannten Beiträge aus der archäologischen Forschung als Pomerium, Pomerialstraße o.ä. bezeichnet, was nicht auf lokale Belege gestützt werden kann und auf der Basis einer anderen Pomeriumdefinition von Stevens 2017 (z. B. 111) kritisiert wird. Angesichts der noch zu besprechenden antiken Zeugnisse, die den Begriff tatsächlich in diesem Sinne verwenden, sind solche Bezeichnungen jedoch m. E. gleichwohl zu rechtfertigen, wenn die antike Uneindeutigkeit des Begriffs dabei berücksichtigt wird.
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Die rätselhafte Grenze
sein.7 Die Untersuchung wird sich auf die einflussreichsten Grundpositionen beschränken sowie auf jene, denen auf Basis entsprechender Aussagen in den Quellen größere Aufmerksamkeit zukommen sollte.
2.1.1 Linie oder Fläche? Die Frage der materiellen Ausdehnung des Pomerium a) Das Pomerium als Linie Der wohl größere Teil der heutigen Forschung nennt das Pomerium entweder ausdrücklich eine Grenzlinie oder setzt ein solches monodimensionales Verständnis implizit voraus. Dies verwundert schon deshalb nicht, weil es dem in der Moderne geläufigen Verständnis einer Grenze entspricht.8 Hinzu kommt ein Weiteres: Naheliegenderweise nennen die meisten überlieferten Stellen das Pomerium nur in Verbindungen wie intra pomerium oder extra pomerium und lassen dementsprechend das zugrundliegende Verständnis von der möglichen eigenen Ausdehnung oder auch Substanz des Pomerium offen. Man könnte auch sagen, dass das Pomerium hier insofern zur Linie wird, als die Frage seiner eigenen Ausdehnung irrelevant wird. In Fällen, in denen lediglich eine konstitutive Differenz von innen und außen adressiert werden soll, ist dies jedoch zwangsläufig und somit etwas anderes, als dem Pomerium die eigene Substanz direkt abzusprechen und es zu einer bloßen Linie zu erklären.9 Da dies auch für die
7 Bereits
Nissen 1885, 1–3, zitiert eine Fülle von Einzelmeinungen der ältesten Forschung, die hier nicht mehr alle aufgegriffen werden können. 8 Pomerium als Linie z. B. Stevens 2017, bs. 25 f.; Sisani 2014; Orlin 2013, 5399; Witcher 2013, 209; Dally 2010, 133 f.; Harvey 2010; Goodman 2007, z. B. 60–62; Kolb 2002, 57 f.; Galsterer 2001, 86; Rüpke 2001, 179 f.; Sandberg 2001, 119 f.; Giardina 2000, 25 f., 29; Panciera 1999, 9; Beard / North / P rice 1998, 177; Rüpke 1990, bs. 29–36; Coarelli 1988, 386; Linderski 1986, bs. 2279; Magdelain 1976, bs. 74 f.(=1990, 158 f.); Rykwert 1976, 134–137, 31 f.; Blumenthal 1952, 1868–1870; Labrousse 1937; Besnier 1926; Wissowa 1902, 456; Valeton 1895–1898 bs. (25), 101 f.; Jordan 1878, 163–174. Mommsen 1876, 43, hält eine zweidimensionale Ursprungsbedeutung noch für möglich, das Verständnis des Pomerium als Linie habe aber in historischer Zeit klar überwogen. In der überarbeiteten Fassung des Aufsatzes in den Römischen Forschungen, 29–33, rückt er aber auch davon ab und bezieht den Begriff nun zugleich auf die innere Grenzlinie, welche „Wallstrasse“ bzw. „Mauerring“ nach innen begrenze, und auf den gesamten von dieser Linie umschlossenen Stadtraum. 9 Über die diesbezügliche Mehrdeutigkeit von Präpositionen wie intra wurde sogar schon in der Antike reflektiert, wie ein ausführlicher Abschnitt bei Gellius zeigt: Gell. 12,13,1–6. Vgl. etwa auch die Verwendung von intra in der in Kap. 3.2.2 c) besprochenen Inschrift.
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entsprechenden Formulierungen in den modernen Sprachen gilt, ist im Übrigen auch in der Forschungsliteratur die Position des bzw. der jeweiligen Gelehrten nicht immer leicht erkennbar. Für eine Position jedoch, in der das Pomerium auch in einem substanziellen Sinne als Linie angesprochen wird, ist die Quellengrundlage überaus schwach. Die meisten der in der Forschung üblicherweise als Grundlage für ein monodimensionales Verständnis des Pomerium herangezogenen Stellen, besonders Varro und Tacitus, sind in dieser Frage deutlich weniger eindeutig als oft dargestellt.10 Auf diese und alle weiteren einschlägigen Stellen wird im weiteren Verlauf noch ausführlich einzugehen sein. Unter den antiken Autoren ist es jedoch einzig Plutarch, der das Pomerium des Romulus eindeutig und explizit als Linie (γράμμα) bezeichnet.11 Gerade diese Darstellung unterscheidet sich jedoch in anderer Hinsicht fundamental sowohl von den in der Forschung verbreiteten Definitionen als auch von der gesamten übrigen Überlieferung: Denn sonst gilt das Pomerium in aller Regel – wie auch immer es definiert wird – als eine von der Mauer immer schon klar unterscheidbare Einrichtung, wenn auch häufig eine enge Verbindung zwischen beiden Grenzen angenommen wird. Bei Plutarch hingegen ist das ursprüngliche Pomerium schlicht diejenige Linie, auf welcher dann die erste Stadtmauer errichtet wurde. Auf die sich aufdrängende Frage, warum das Pomerium später und auch in der Zeit des Autors als eine offensichtlich von der Mauer separierte Grenze existierte, geht Plutarch mit keinem Wort ein. Das gerade an dieser Stelle also ein besonders traditionelles Verständnis überliefert wird, muss allein deshalb schon als wenig wahrscheinlich gelten. Deutlich plausibler ist, dass Plutarchs Version auf einer ungenauen Wiedergabe der Darstellung Varros
10
In diesem Zusammenhang wird gelegentlich (z. B. Sisani 2014, bs. 59; Jordan 1878, 168 Anm. 26), auch auf Dionysios von Halikarnassos (ant. 1,88,2) verwiesen, wo jedoch lediglich das durch Romulus auf dem Palatin vollzogene Pflugritual beschrieben und mit der Bemerkung versehen wird, dass auch in der Zeit des Autors die Römer noch Städte auf diese Weise gründeten. Die erste Furche, mit der die Form eines Vierecks (τετράγωνον σχῆμα) auf dem Hügel konstruiert wird, wird dabei ausdrücklich auf die Fundamente der Mauer bezogen, ohne dass von einem Pomerium die Rede ist. Gleiches gilt im Übrigen für Solin. 1,17 f., wo auf eine nicht überlieferte Beschreibung der Roma quadrata auf dem Palatin bei Varro verwiesen wird. Weitere explizite Verknüpfungen des Pomerium mit der Vorstellung der Roma quadrata sind nicht überliefert, trotz entsprechender Versuche der Forschung, diese herzustellen, dazu Coarelli 1999b (mit weiterer Lit.); Carter 1908; Platner 1901. Dazu, dass die Verknüpfung von Pomerium und Pflugritual nicht selbstverständlich ist, vgl. das folgende Kap. 2.2.1. 11 Plut. Rom. 11,3: τῇ μὲν οὖν γραμμῇ τὸ τεῖχος ἀφορίζουσι, καὶ καλεῖται κατὰ συγκοπὴν πωμήριον, οἷον ὄπισθεν τείχους ἢ μετὰ τεῖχος („Durch diese Linie bestimmen sie den Verlauf der Mauer, und man nennt sie zusammengezogen pomerium, das heißt hinter der Mauer.“ Übers. K. Ziegler).
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beruht, auf den er im Zusammenhang des Pflugrituals der Stadtgründung an anderer Stelle auch ausdrücklich verweist.12 Auf dessen höchstwahrscheinlich anders zu deutende Aussagen zum Pomerium wird, wie gesagt, in Kürze genauer einzugehen sein. Außerdem ist bei beiden Autoren, Plutarch wie auch Varro, die Definition des Pomerium offensichtlich nicht zu trennen von der spekulativen und aus heutiger Sicht fragwürdigen etymologischen Herleitung des Wortes pomerium von der Bezeichnung für Stadtmauer (murus). Damit geht auch eine nicht weniger problematische Verknüpfung mit der beim Pflugritual gezogenen Linie einher, die im folgenden Unterkapitel Thema sein wird. Dies spricht zusätzlich dagegen, dass hier ein besonders traditionelles Verständnis des Pomerium zu greifen ist. Abgesehen von Plutarchs Aussage gibt es als Hinweis auf ein lineares Verständnis des Pomerium in den Quellen nur noch eine bestimmte sprachliche Junktur, die in einigen Fällen auftaucht und für sich genommen ein solches Verständnis nahelegt: Es handelt sich um die Fügung pomerium proferre zur Bezeichnung der Pomeriumerweiterung, welche das Vorrücken einer Linie, nicht die Ausdehnung einer Fläche impliziert.13 Doch gibt es nur eine einzige Stelle, wo sich diese Implikation des Ausdrucks bruchlos mit den übrigen Aussagen des unmittelbaren Kontextes vereinbaren lässt, nämlich eine Passage bei Seneca, in welcher dieser den mündlichen Vortrag eines Gelehrten zu diesem Thema paraphrasiert (Sullam ultimum Romanorum protulisse pomerium).14 Alle anderen Autoren, welche diese Fügung verwenden, namentlich Livius, Festus und Gellius, vertreten jedoch zugleich explizite, zweidimensionale Definitionen des Pomerium.15 Der durch das Verb proferre angedeutete Liniencharakter wird so relativiert oder – so bei Livius – auf einen ganzen Grenzstreifen einschließlich der Stadtmauer bezogen, der vorgerückt wird.16 Dennoch stellt sich die Frage, ob pomerium proferre als eine Art feststehender Ausdruck eine traditionelle Auffassung vom linearen Charakter des Pomerium bewahrt haben könnte. Das entscheidende Problem besteht hier allerdings darin, dass der bezeichnete Vorgang, die Erweiterung des Pomerium, womöglich selbst keine lange Tradition besaß: Alle überlieferten Fälle vor Sulla betreffen die Königszeit. Seit wann es diese Erweiterungen überhaupt gab, ist somit völlig unklar. Ferner ist, wie im weiteren Verlauf deutlich werden wird, pomerium proferre auch nur eine neben mehreren anderen belegten Bezeichnungen für denselben Vorgang, die jeweils eher auf ein zweidimensionales Pomeriumverständnis 12 13 14 15
16
Varr. ling. 5,143 (zu dieser Stelle und ihrer Deutung ausführlich unten (Kap. 2.1.1 c)); ein diesbezüglicher Verweis auf Varro bei Plut. qu.R. 27. Vgl. z. B. den veränderten Nachdruck des Beitrags Mommsen 1876, in den Römischen Forschungen, 31. Sen. De brevitate vitae 13,8. Liv. 1,44,3–5; Fest. 294 L; Gell. 13,14. Diese Deutungsoption fällt jedoch bei den anderen Autoren weg, da die Pomerium erweiterungen hier anders als bei Livius nicht mit Erweiterungen des Mauerringes, sondern mit Erorberungen zusammenhängen.
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hindeuten.17 Es handelt sich also auch hier nur um einen Beleg für spätrepublikanisch-frühkaiserzeitliche Interpretationen des Pomerium als Linie, nicht aber dafür, dass ein Verständnis des Pomerium als Linie das traditionelle Verständnis darstellte. Trotz der spärlichen Belege für eine Pomeriumlinie in der antiken Diskussion soll ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden, dass pomerium als Wort ursprünglich tatsächlich auf eine Bezeichnung für eine Grenzlinie zurückgehen könnte. Im Gegenteil, läuft doch genau darauf die plausibel begründete Herleitung von Antaya hinaus.18 Dieser leitet pomerium nicht etwa von post, pro oder pone in Verbindung mit murus bzw. moiros / moerus ab. So nämlich lauten die Vorschläge der antiken Autoren, denen die moderne Forschung lange Zeit weitgehend gefolgt ist, auch wenn besonders die Lautentwicklung von oi / oe bzw. ū zu ē im Widerspruch zum eigentlich Erwartbaren steht.19 Antaya aber bestreitet mit lautgesetzlichen Gründen überzeugend die Möglichkeit der genannten Ableitungen von murus und schlägt stattdessen die indoeuropäischen Wurzeln *po + *smer vor, welche schlicht eine äußere Grenzlinie bezeichnet hätten.20 Die Aussagekraft dieser Erkenntnisse für 17
Zwar meinte Mommsen 1876, 45 Anm. 1, die Fügungen pomerium ampliare (Inschriften der Grenzsteine), pomerium augere (Tac. ann. 12.23 f.) und pomerio addere (HA Aurelian. 21,9–11) könnten genauso auch auf die Grenze bezogen werden, da jedes Vorrücken diese auch verlängere. Doch wie er selbst in der zweiten Fassung des Beitrags in den Römischen Forschungen (30) argumentiert, erscheint dies gegenüber der Annahme, mit pomerium werde die vergrößerte Fläche bezeichnet, viel weniger naheliegend und würde gerade im Fall von ampliare dem Wortsinn zuwiderlaufen. Vgl. zudem etwa die Ausdrücke fines augere ( fines = Gebiet, finem augere ist nicht belegt) und urbem augere (Cic. Att. 31,1; 33,1 (33,4); 37,1 (35), ferner die sehr ähnliche Wortwahl des Livius (1,44,3) bzgl. der Stadterweiterung des Servius Tullius, die Formulierungen Cassius Dios und die Tatsache, dass auf den Grenzsteinen des Claudius und der Flavier ampliare stets in Verbindung mit terminare erscheint, wodurch dann zwei unterschiedliche Aspekte desselben Vorgangs bezeichnet werden – auf Dios Wortwahl ebenso wie die der Inschriften wird in Kap. 2.1.1 c) genauer eingegangen. 18 Antaya 1980. 19 Eine frühe Ausnahme bildet Tucker 1931, 190 s. v. pomerium, dessen Alternativvorschlag jedoch auch von Antaya zusammen mit dem ganzen Werk als „thoroughly eccentric“ verworfen wird. Blumenthal 1952, 1870 f., plädiert für eine etruskische Wortherkunft. Anders jedoch z. B. Kent 1913 (pro-moerium); Walde 1972, 334 s. v. pomerium (post-moerium) und Simonelli 2001, 126–128, jeweils mit weiterer Lit. Hinweise auf ungewöhnliche Lautentwicklung z. B. bei Mommsen 1876, 41 (=1879, 25); Ernout / M eillet 2001, 423 s. v. murus; De Vaan 2008, 396 s. v. murus. 20 Nach einer anderen Rekonstruktion von Milani 1987, 7 f., die Antayas Beitrag nicht berücksichtigt, geht das zweite Element -merium zwar auf dieselbe Wurzel wie murus und moenia zurück (*moi̯- /*mei̯-), die jedoch sich in anderen Sprachen ebenfalls nicht in der Bedeutung „Mauer“, sondern eher „Grenze, Grenzmarkierung“ wiederfindet. Auch eine solche Verwandtschaft würde aber in keiner Weise eine tatsächliche Ableitung des Wortes pomerium von einem Wort für Mauer belegen – eine Verbindung, an der Milani nur aufgrund der von ihr vorausgesetzten Semantik von pomerium festhält, die aber natürlich auf den antiken Rekonstruktionen beruht.
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die Geschichte des Pomerium als Begriff und Institution ist jedoch – anders als auch Antaya selbst meint – sehr begrenzt. Definitionen des Pomerium als Fläche könnten ohne weiteres auf Bedeutungsübertragungen von der Grenze auf ein begrenztes Gebiet zurückgehen. Für eine solche Ansicht spricht, dass in zahlreichen Sprachen Übertragungen derselben Richtung zweifelsfrei feststehen21: Derartige metonymische Prozesse könnten zudem auch schon sehr früh stattgefunden haben und den Autoren der späten Republik und Kaiserzeit nicht mehr bewusst gewesen sein. Auch wenn das Wort pomerium also tatsächlich auf eine Bezeichnung für eine lineare Grenze zurückgehen sollte, wäre dieser Umstand doch offensichtlich nicht Grundlage der Darstellung Plutarchs, seiner Quelle oder irgendeiner anderen überlieferten Definition. b) Das Pomerium als Grenzstreifen oder Bereich vor der Mauer Unter den überlieferten Stellen bezeichnet jedenfalls eine weitaus größere Gruppe das Pomerium unmissverständlich als einen zweidimensionalen Bereich, nämlich als einen Streifen Landes, der in Verbindung mit der Mauer um die Stadt verläuft. Indes scheint in der Forschung ein solches Verständnis außerhalb von Spezial studien zum Pomerium noch immer weniger geläufig zu sein.22 Mit am deutlichsten expliziert wird es in der antiken Diskussion bei Livius (magis circamoerium; locus, spatium).23 Eine im Hinblick auf den Flächencharakter des Pomerium ähnlich 21
Milani 1987, 9 f. Pomerium als Fläche z. B. Carlà 2015, bs. 603 f.; Bendlin 2013, 463; Kvium 2011, 70; Simonelli 2001, 132; Thulin 1909 3–17; Nissen 1877, 466–477, und der überwiegende Teil der noch älteren Literatur, in welcher ein hauptsächlich von der Definition des Livius ausgehendes Verständnis des Pomerium vertreten wird (ein freier Streifen beiderseits der Mauer), siehe Kap. 2.1.2 b) Anm. 96. Zum Begriffsgebrauch in der archäologischen Forschung, bs. zu Ostia und Pompeji, siehe Kap. 2.1 Anm. 6. Nicht wenige Gelehrte bleiben freilich in dieser Frage auch unentschieden oder unklar, so etwa Gargola 2017, z. B. 126, 130 f.; Richmond / North / L intott 2012; Patterson 2000, 88; Catalano 1978, 479–485. 23 Liv. 1,44,3–5: Aggere et fossis et muro circumdat urbem. Ita Pomerium profert. Pomerium verbi vim solam intuentes, postmoerium interpretantur esse; est autem magis circamoerium, locus quem in condendis urbibus quondam Etrusci, qua murum ducturi erant, certis circa terminis inaugurato consecrabant, ut neque interiore parte aedificia moenibus continuarentur, quae nunc volgo etiam coniungunt, et extrinsecus puri aliquid ab humano cultu pateret soli. Hoc spatium, quod neque habitari neque arari fas erat, non magis quod post murum esset quam quod murus post id, pomerium Romani appellarunt; et in urbis incremento semper, quantum moenia processura erant, tantum termini hi consecrati proferebantur („Er [Servius Tullius] umgab die Stadt mit dem Wall und Gräben und der Mauer. So rückte er das Pomerium vor. Das Pomerium wird von denen, die nur die wörtliche Bedeutung (verbi vim) im Auge haben, als postmoerium [Raum hinter der Stadtmauer] gedeutet. Es ist aber eher ein circamoerium [Raum zu beiden Seiten der Stadtmauer], ein Streifen, den einst die Etrusker bei der Gründung ihrer Städte dort, wo sie die 22
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eindeutige Stelle ist ein Fragment aus einem antiquarischen Werk Suetons (locus apud antiquos circum muros reliquebatur).24 Beide Autoren greifen explizit die Aussagen anderer Autoren auf; der dabei jeweils markierte Dissens bezieht sich aber lediglich auf die Lage des ursprünglichen Pomerium im Verhältnis zur Stadtmauer, auf den im zweiten Schritt einzugehen ist, nicht aber auf den Flächencharakter an sich. Beide Autoren bezogen sich also offenbar schon auf weitere Autoren, die das Pomerium ebenfalls als Grenzstreifen an der Mauer ansahen. Ein ähnlich lautendes zweidimensionales Verständnis findet sich schließlich auch bei einem anonymen spätantiken Kommentator des Frontinus (spatium sub certa mensura demensum)25 sowie in fast allen diesbezüglichen spätantiken und mittelalterlichen Glossen.26 Stadtmauer ziehen wollten, nach Einholung des Auguriums durch exakte Abgrenzung nach beiden Seiten hin für heiligen Boden erklärten: auf der Innenseite durfte nicht bis an die Mauer heran gebaut werden – heute verbindet man die Häuser allgemein sogar direkt mit der Stadtmauer –, und an der Außenseite musste ein Stück Land von der Nutzung durch Menschen frei bleiben. Diesen Raum, der weder bewohnt noch gepflügt werden durfte, nannten die Römer Pomerium, ebensowohl weil es hinter der Mauer als auch weil die Mauer dahinter war. Und immer, wenn sich die Stadt ausdehnte, wurden diese geheiligten Grenzen entsprechend der geplanten Ausdehnung der Stadtmauer vorverlegt.“). 24 Suet. prata 313,7 Roth: Pomerium: locus apud antiquos circum muros reliquebatur, non interius, ne iungeretur aedificiis, sed ut esset aliquid vacui ad instruendas acies extra muros aliquid reliquebatur. Hunc locum appellabant pomerium, veluti postmerium, eo quod esset post murum („Pomerium: Bei den Alten wurde ein Bereich um die Mauern herum freigelassen, nicht etwa auf der Innenseite, damit man die Bebauung nicht direkt anschließe, sondern damit ein Freiraum da wäre, um die Schlachtreihen aufzustellen, wurde außerhalb der Mauern etwas frei gelassen. Diesen Bereich nannten sie Pomerium, so wie postmerium, daher, dass es hinter der Mauer lag.“). 25 Commentum ad Frontinum 17–18, 21 L (= 66, 70 C): Pomerium urbis est, quod ante muros spatium sub certa mensura demensum est. Sed aliquibus urbibus et intra muros simili modo est statutum propter custodiam fundamentorum. […] nam et pomeria urbium, de quibus iam superius suo loco disputauimus, publica loca esse noscuntur. („Das Pomerium einer Stadt ist der Raum, der vor den Mauern in einer bestimmten Breite abgemessen ist. Aber in einigen Städten ist ein Raum von ähnlicher Art auch innerhalb der Mauern festgelegt wegen der Bewahrung der Fundamente. […] Denn auch die Pomeria von Städten, die wir oben an passendem Ort schon diskutiert haben, gelten als öffentlicher Grund.“). 26 Prisc. Gramm. III 475,9 Keil: pomoerium, quasi post murum hoc est pone muros; Schol. Lucan. 1,594: pomeria dicuntur ante muros loca, quasi promoeria; CGL II 153 und 405: pomoerium ὁ περὶ τὸ τεῖχος; II 379: ὁ ἐντὸς ἢ ἐκτὸς τεíχους κῆπος pomarium; IV 147: regio determinata certis signis (regio dürfte hier anders als bei Gell. 13,14 wohl im Sinne von „Gebiet“ [nicht „Linie“] zu verstehen sein); V 231: spatium quod circa muros est; V 474: locus proximus muri. Tzetz. Allegoriae Iliadis 8,86: Πωμήριον λατινικῶς λέγεται τὸ ἀπὸ τῆς τάφρου μέχρι τοῦ τείχους διάστημα, καì τὸ ἐντὸς ἀπὸ τοῦ τείχους μέχρι τῶν οἰκιῶν („Pomerium wird im Lateinischen der Zwischenraum genannt, der vom Graben bis zu den Mauern und innen von den Mauern bis zu den Häusern reicht.“). Zu diesen Stellen
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Auch über diese das Pomerium explizit definierenden Aussagen hinaus, gibt es eine Reihe von Stellen in der antiken Literatur, wo zwar die Substanz des Pomerium nicht direkt zum Thema gemacht wird, aber die begleitende Wortwahl deutlich ein Verständnis im Sinne eines bestimmten Bereiches oder Streifens verrät. Dies gilt etwa für eine Stelle bei Lukan (longa per extremos pomeria cingere fines), nicht nur wegen des Plurals pomeria, der auch metrisch bedingt sein kann, sondern auch durch die terminologische Unterscheidung von longa pomeria (longus poetisch auch im Sinne von „weitläufig“, „weit sich erstreckend“27) und extremos fines sowie durch das regierende Verb cingere.28 Die Reihe lässt sich umso mehr bei späteren Autoren fortsetzen. In all jenen Texten der Zeit ab dem 2. Jh. n. Chr., wo der Kontext und die begleitende Wortwahl überhaupt Anhaltspunkte hinsichtlich der Substanz des Pomerium enthalten, verweisen diese recht eindeutig auf eine Fläche, wobei in den meisten Fällen auch ebenfalls klar wird, dass diese Fläche einen Grenzbereich einer Stadt darstellt. Dies ist etwa zu beobachten bei Florus (cum patrii soli glaeba nulla, sed statim hostile pomerium)29 und Apuleius (aspexit in pomeriis civitatis funus ingens; arbores, quae pomerium ambirent; pomerium pervaserint)30 sowie bei einer ganzen Reihe spätantiker Autoren. Die in dieser Hinsicht deutlichsten Beispiele sind Ammianus Marcellinus (sepulchrum […] Iuliani in pomerio situm itineris)31, Pseudo-Hegesippos (omne illud pomerium, in quo antea nemora viridantia; murum quem circa pomerium Titus duxerat)32, Prudentius (culta ad pomeria)33 und Ennodius
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siehe auch Kap. 2.1.2 b) Anm. 95. In dieser Hinsicht einzige Ausnahme unter den späten Zeugnissen: Schol. Iuv. 9,11: pomeria loca appellantur, quae intra muros sint, hoc est pone muros. Vgl. ThlL, s. v. longus, bs. 1634 f. und 1646 (man beachte auch die Wendung longe lateque); Georges 2013, 2919 f., s. v. longus. Lucan. 1,592–594: mox iubet et totam pavidis a civibus urbem / ambiri et festo purgantes moenia lustro / longa per extremos pomeria cingere fines / pontifices („Dann ließ er [Arruns] die ängstlichen Bürger die ganze Stadt umziehen und die Pontifices, denen die Leitung des Kults übertragen ist, entlang der äußersten Grenzen die weiten pomeria umrunden, um mit feierlichem Sühnopfer die Mauern [oder das Stadtgebiet, wenn moenia metonymisch] zu reinigen.“). Flor. epit. 1,3,6–8: liber iam hinc populus romanus prima adversus exteros arma pro libertate corripuit, […] quippe cum patrii soli glaeba nulla, sed statim hostile pomerium, mediusque inter Latium atque Etruscos quasi in quodam bivio conlocatus omnibus portis in hostem incurreret („Von hier an frei hat das römische Volk zuerst gegen andere die Waffen erhoben […], weil es ja keine Scholle des väterlichen Bodens besaß, sondern schon das Land unmittelbar vor der Mauer (pomerium) den Feinden gehörte, und es in der Mitte zwischen Latium und den Etruskern, gleichsam an einer Wegkreuzung liegend aus allen Toren dem Feind entgegenlief.“). Apul. flor. 19,2; met. 2,1 und 9,9. Amm. 25,10,5. Heges. 5,25,2 und 36,2. Prud. 11,151–154.
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von Pavia (urbis omne pomerium […] adteritur)34. In all diesen und weiteren Fällen35 scheint der Charakter des Pomerium als Fläche unmissverständlich, sodass diese hier nicht im Detail erläutert werden müssen. Da sich zugleich keine Texte mehr finden, die eindeutig auf ein anderes Begriffsverständnis hindeuten36, spricht viel dafür, dass die Bedeutung „Grenzbereich der Stadt“ (außerhalb der Mauer) mit der Zeit zum dominanten Verständnis geworden war. Auch aus einer noch so großen Zahl klarer und nicht ausschließlich später Belege für ein Verständnis des Pomerium als zweidimensionalem Grenzbereich an der Mauer kann nun aber nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass es sich dabei auch um eine besonders traditionelle oder gar ursprüngliche Definition des Begriffs handelt. Dazu ist einerseits auch hier der Einfluss der spekulativen Herleitung von murus in Verbindung mit bestimmten Präfixen gerade bei den früheren Zeugnissen zu stark. Zudem lag es natürlich nahe, den Pomeriumbegriff mit den erwähnten, tatsächlich existierenden öffentlichen Freiflächen zu verbinden, die vor und hinter den Mauern von antiken Städten existierten. Festzuhalten bleibt aber, dass die entsprechende Ansicht nicht nur bei einem Großteil der späteren Zeugnisse anzutreffen ist, sondern schon mindestens seit spätrepublikanischer Zeit präsent gewesen sein muss. Betrachtet man allein die bisher angesprochenen Stellen, könnte sogar der noch weitergehende Eindruck entstehen, dass in der antiken Diskussion die Auffassung vom Pomerium als Grenzstreifen gegenüber dem als Linie so vorherrschend war, dass wesentlich erst die moderne Forschung diese Frage verunklart habe. Im Folgenden hingegen wird deutlich werden, dass davon nicht die Rede sein kann. Denn gerade unter den älteren Zeugnissen stellen die bisher behandelten Stellen, insofern sie überhaupt eine bestimmte Begriffsbedeutung klar erkennen lassen, nur eine Minderheit dar. Wie nun demonstriert werden soll, lässt die Mehrzahl der antiken Aussagen zum Pomerium indes in dieser Hinsicht mehrere Interpretationen zu und ist diesbezüglich sogar auch in sich nicht immer konsistent. c) Eine dritte Möglichkeit? Das Pomerium als Gesamtfläche des Stadtgebiets Dabei kommt nun auch noch eine dritte Bedeutungsvariante des Pomeriumbegriffs ins Spiel, die, wie zu zeigen sein wird, vielfach eine plausible Deutungsmöglichkeit darstellt. Diese wurde bisher nur vereinzelt und, soweit ich sehe, nur von Vertretern 34
Ennod. Panegyricus 63. Cod. Theod. 10,3,5. 36 Möglich bleibt immerhin, dass Paulinus von Pella (Eucharisticon, 383: vallanturque urbis pomeria) und Claudian (Panegyricus de sexto consulatu Honorii Augusti, 393: ter Augustos intra pomeria vidi) das Wort auch schlicht als poetischen Ausdruck für die Stadtmauer selbst verwenden, siehe dazu Kap. 4.2.5 a) mit Anm. 224 und 225. 35
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der älteren Forschung diskutiert37 und besagt, dass der Begriff Pomerium zuweilen nicht (nur) auf eine Grenze selbst, sondern (auch, womöglich gleichzeitig) auf ein dadurch begrenztes Stadtgebiet insgesamt bezogen wurde. Es stellt sich – anders gesagt – die Frage, ob ein solcher Unterschied zwischen Grenze und begrenztem Gebiet überhaupt durchgängig gemacht wurde.38 Besonderen Anlass zu dieser Überlegung gibt gerade die wohl meistdiskutierte und zugleich älteste erhaltene Erwähnung des Pomeriumbegriffs, enthalten in Varros Schrift De Lingua Latina: aratro circumagebant sulcum […], ut fossa et muro essent muniti. Terram unde exculpserant, fossam vocabant et introrsum iactam murum. Post ea qui fiebat orbis, urbis principium; qui quod erat post murum, postmoerium dictum, † eiusque † auspicia urbana finiuntur. Cippi pomeri stant et circum Ariciam et circum Romam.39 Vielfach wurde aus diesen Sätzen ein Verständnis des Pomerium als Linie abgeleitet.40 Anhaltspunkte dafür scheinen hier vor allem die Beschreibung des Pflugrituals sowie die Erwähnung von Grenzsteinen als cippi pomeri gegeben zu haben. Möglicherweise ist auch die Darstellung Plutarchs bereits von einer solchen Lesart dieser Stelle beeinflusst. Eine unbefangene Lektüre der Ausführungen legt m. E. jedoch viel näher, dass das Pomerium hier nicht oder zumindest nicht ausschließlich als Linie verstanden wird: Der Autor setzt das Pomerium nämlich begrifflich gerade nicht mit Furche und Mauer gleich, sondern bezeichnet es als einen Kreis (orbis), welcher hinter der rituell konstituierten Verbindung von fossa und murus (post ea, post murum), d. h. innerhalb der mit dem Pflugritual gezogenen 37
So etwa bei Huschke 1838, 102; Göttling 1840, 17; Merrill 1909, 428, und Carter 1908, 177, hier auch mit explizitem Bezug auf die Varro-Stelle. Die von Mommsen 1876, 44 f., bereits angedeutete und in der veränderten Version des Beitrags (Römische Forschungen II, 23–41, bs. 29–33) ausgeführte Version ähnelt dem, lässt aber das Pomerium von innen nicht an die Mauer heranreichen. 38 Auf die grundsätzliche Nähe zwischen beiden Auffassungen hat Mommsen ebd. bereits überzeugend hingewiesen, dabei aber weiterhin an der Vorstellung einer zweiten Linie in gewissem Abstand innerhalb der realen Mauer als dem eigentlichen Pomerium festgehalten. 39 Varr. ling. 5,143: „Man zog mit dem Pflug […] um sie [die zu gründenden Städte] herum eine Furche […], damit sie durch Graben (fossa) und Mauer (muro) befestigt seien. Die Erde, aus der sie etwas herausgekratzt hatten, nannten sie fossa, die nach innen geworfene murus. Der Kreis, der dahinter entstand, war der Beginn der Stadt; und weil er hinter der Mauer war (post murum), wurde er post-moerium genannt, und dadurch [?] werden die städtischen Auspizien begrenzt. Grenzsteine (cippi) des Pomerium stehen rings um Aricia und rings um Rom.“ Das Zitat folgt der Edition Goetz / S choell 1909. 40 Für Sisani 2014, 362, gar „la più articolata formulazione di questa ipotesi“. Vgl. ferner die oben (Kap. 2.1.1 a)) Anm. 8 aufgeführte Lit.
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Linie entstanden sei (fiebat). Zwar ist das Wort orbis als solches doppeldeutig und kann wie das deutsche „Kreis“ sowohl eine runde Fläche als auch eine bloße Kreislinie bezeichnen. Eine Vereindeutigung des Wortes orbis in diesem Sinne einer Linie würde im Varro-Text jedoch den Unterschied zwischen fossa und murus bzw. dem zusammenfassenden urvus einerseits sowie pomerium bzw. orbis andererseits fast vollkommen nivellieren. Sowohl die begriffliche Unterscheidung zwischen diesen Objekten selbst als auch die Präposition post erschiene kaum sinnvoll. All dies genügt zwar nicht, um die lineare Deutung ganz auszuschließen. Es ist aber zu prüfen, ob sich nicht ein anderer Deutungsansatz als plausibler erweist. Wenn nun das Pomerium bei Varro nicht mit der ersten Furche des Pflugrituals gleichgesetzt wird, stellt sich die Frage, ob er das Pomerium dann womöglich als Streifen verstanden wissen will.41 Diese Option steht zwar der Mehrheit der übrigen, diesbezüglichen klaren Zeugnisse deutlich näher und kann angesichts einer Textverderbnis an entscheidender Stelle ebenfalls nicht gänzlich widerlegt werden. Auch diese Deutung ist jedoch aus einer Reihe von Gründen nicht als die naheliegendste Möglichkeit zu werten: Ein schwerwiegendes Problem besteht hier nämlich in der Frage, wo die innere Grenze des Streifens verlaufen soll, wenn die äußere durch die Mauer bzw. die erste Furche gebildet wird. Als Hinweis auf eine solche zweite Begrenzung kommt lediglich der korrupte Halbsatz †eiusque† auspicia urbana finiuntur in Betracht, und auch dies nur unter der Voraussetzung, dass man die auf Mommsen zurückgehende Emendierung der Korruptele zu eo usque oder etwas ähnliches voraussetzt.42 Für eine konstitutive zweite Begrenzung des Pomerium erschiene dieser Hinweis darauf im Text zudem merkwürdig spät, nachgeordnet und knapp. Der einzige Vorteil dieser Deutung besteht darin, die Erwähnung der Cippi zu erklären, wofür es jedoch, wie weiter unten erläutert wird, auch andere Möglichkeiten gibt; diese müssten zudem anders als in der Kaiserzeit noch in Varros Zeit innerhalb der Mauer gestanden haben, was den Schritt des Claudius, diese bei seiner Erweiterung nun vor die Mauer zu verlegen, als eine äußerst radikale Umdeutung erscheinen ließe. Ein weiteres Problem der Deutung des varronischen Pomerium als Streifen besteht schließlich darin, dass dessen Funktion völlig im Unklaren bliebe, wenn lediglich dessen innere Grenzlinie mit den auspicia urbana verbunden wäre. Genauso merkwürdig wäre es, lediglich diesen Streifen als orbis sowie als „Ursprung der Stadt“ (urbis principium) zu bezeichnen – hier wäre sogar die Deutung als Linie plausibler! Und schließlich würde auch das Pflugritual nur noch eine deutlich reduzierte Rolle bei der Konstitution des Pomerium spielen,
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De Sanctis 2007, 505–508, dem sich z. B. Carlà 2015, 608, angeschlossen hat. Mommsen 1876, 43. In der leicht veränderten Fassung seines Beitrages (1879, 29 Anm. 15) rückt er jedoch selbst von dieser Ergänzung wieder ab und plädiert stattdessen für das von Jordan 1878, 167, vorgeschlagene eoque, das freilich noch weniger auf eine zweite Linie hindeutet.
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während der gesamte Abschnitt aber offensichtlich gerade darauf abzielt, diesen Zusammenhang zu betonen. Aus diesen Gründen soll hier – wie angekündigt – eine dritte Option vorgeschlagen werden, dass nämlich der Begriff Pomerium bei Varro primär auf das gesamte ursprünglich von der ersten Furche umschlossene Gebiet bezogen wird. Akzeptiert man grundsätzlich den zweidimensionalen Charakter des varronischen Pomerium, der wie erläutert, aus der begrifflichen Unterscheidung von erster Furche und Pomerium sowie aus der Präposition post mit großer Wahrscheinlichkeit folgt, stellt sich einer solchen Deutung auf den ersten Blick lediglich der Verweis auf die Cippi entgegen: Dieses Problem lässt sich aber deshalb auflösen, weil Varro an keiner Stelle den murus, der Ergebnis des Pflugrituals ist, mit der in seiner Zeit existierenden, tatsächlichen Stadtmauer gleichsetzt. Man muss gar nicht so weit gehen zu behaupten, der von Varro genannte murus des Pflugrituals sei von vornherein nur als rein symbolische Mauer zu verstehen, wie es ebenfalls schon vielfach vertreten wurde.43 Dagegen spricht fast die gesamte übrige Überlieferung zur Verbindung von Pflugritual und Stadtmauer einschließlich einer weiteren Aussage desselben Autors zu diesem Thema.44 Für die Deutung der varronischen Pomeriumdefinition genügt es darauf hinzuweisen, dass Varro zunächst ein Ritual der Stadtgründung, mithin der fernen Vergangenheit beschreibt, die Grenzsteine – ebenso wie die Funktion für Auspizien – jedoch explizit in seiner Gegenwart verortet. Dies wird deutlich durch den Tempuswechsel ins Präsens (finiuntur, stant, conduntur). Vermutlich spielen die Steine für Varro also lediglich die Rolle eines symbolischen Ersatzes für die rituell vorbereitete Stadtmauer, etwa weil diese nicht ohne weiteres erweitert oder bei den Coloniegründungen seiner Zeit trotz Anwendung des Pflugritual auch oftmals gar nicht mehr errichtet wurde. Auch die merkwürdige Feststellung, dass es Cippi des Pomerium (nur?) in Rom und Aricia gebe, erscheint mit dieser Betrachtung vereinbar, da diese so keinen zwingenden Bestandteil eines Pomerium darstellen würden.45 Schließlich passt diese Deutung 43
Z. B. Nissen 1885, 1–34, Blumenthal 1952, 1868; Magdelain 1976, 75 (=1990, 159); Andreussi 1988, 222; Galsterer 2001; vgl. auch De Sanctis 2007, 506 f. Anm. 17 mit weiterer Lit. 44 Varr. rust. 2,1,9 f.: cum condita est, tauro et vacca quae essent muri et portae, definitum; zur übrigen Überlieferung siehe Kap. 2.2.1 b). 45 Hierzu hat Stevens 2017, 47 f., die interessante These formuliert, in Aricia habe das Pomerium deshalb durch Cippi sichtbar gemacht werden müssen, weil in Aricia die Triumphzüge auf den Mons Albanus begonnen hätten. Unabhängig von der in Kap. 3.3.2 dargestellten schwachen Quellenbasis für eine Verknüpfung von imperium, Triumph und Pomerium, stellt sich dabei allerdings die Frage, worin genau die rituelle Relevanz bestanden haben könnte, zumal Aricia bei der Prozession ja nicht – wie Rom – betreten, sondern in Richtung Mons Albanus verlassen wurde. Auch scheint es trotz der topographischen Nähe keine Hinweise auf eine besondere rituelle Bedeutung Aricias im Kontext der Triumphe auf dem Mons Albanus zu geben.
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auch besser zu der Bezeichnung des beim Pflugritual entstandenen orbis als urbis principium sowie zur etymologischen Herleitung der urbs als Verbindung von urvus und orbis. Auch wenn eine zweifelsfreie Klärung der varronischen Definition des Pomerium wohl nicht erreichbar sein wird, hat die Betrachtung somit doch gezeigt, dass ein Verständnis des Wortes Pomerium im Sinne von „Stadtgebiet“ auch bei der folgenden Untersuchung der weiteren, in dieser Hinsicht unklaren Verwendungen als Möglichkeit zu berücksichtigen ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Varros Darstellung – ebenso wie viele der bereits genannten – offensichtlich von der scheinbaren etymologischen Verbindung des Pomerium mit der Stadtmauer und dem Pflugritual geprägt ist und somit ebenfalls nicht als eine auf alter Überlieferung beruhende Definition angesehen werden sollte. Dies sollte auch keineswegs behauptet werden. Ebenso wenig wie bei den Definitionen als Linie und Grenzstreifen kann aber ausgeschlossen werden, dass ein solches Begriffsverständnis faktisch schon in deutlich früherer Zeit vertreten wurde. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass es in der Antike durchaus nahe lag, den Pomeriumbegriff auch für die Gesamtheit der durch Mauer oder Cippi begrenzten Fläche zu verwenden: Dagegen spricht auch nicht die erläuterte etymologische Herleitung von Antaya, wonach das Wort pomerium ursprünglich irgendeine Art von linearer Grenze oder Grenzmarkierung bezeichnete. Denn wie bereits gesagt mögen schon sehr früh metonymische Bedeutungsübertragungen nicht nur auf einen bestimmten Grenzbereich, sondern (auch) auf das begrenzte Gebiet insgesamt stattgefunden haben. Derselbe metonymische Prozess ist im klassischen Latein ebenso bei regio, welches zunächst eine Richtung oder Linie bezeichnete, wie auch beim Plural fines für „Gebiet“ noch zweifelsfrei zu erkennen – im Mittellatein ist schließlich sogar der Singular finis in der Bedeutung „Gebiet“ belegt,46 wobei dies auch nicht die einzigen Beispiele sind. Möglicherweise geht auch das Wort urbs letztlich auf eine ähnliche Bedeutungsübertagung von der Grenze zur Fläche zurück.47 Ein eindrückliches Beispiel für einen solchen Prozess ist etwa auch beim deutschen Wort „Grenze“ festzustellen, einem Lehnwort aus dem Altpolnischen; der Plural „Grenzen“ und seltener sogar der Singular waren bis ins 18. Jh. im Sinne von „Gebiet“ gebräuchlich.48 Genauso ist also beim Pomerium die Übertragung der Bezeichnung dieser Grenze selbst auf das durch sie begrenzte Gebiet schon in früher Zeit leicht denkbar. Selbst in der modernen Forschung wurde der Begriff Pomerium schon vereinzelt so gebraucht, nicht nur im Begriff „Pomeriumerweiterung“, wo dies gar nicht vermeidbar ist,
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ThlL s. v. regio; Georges 2013, 4105, s. v. regio; Niermeyer 1954, 128 s. v. finis, 902 s. v. regio. 47 Brachet 2004. 48 Grimm / G rimm 1999, IX, 125–149. Vgl. auch die ähnliche Entwicklung beim älteren Wort „Mark“, XII, 1633–1636 s. v.
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sondern auch bei absolutem Gebrauch, in der Regel jedoch, ohne dass dies weiter ausgeführt wird.49 Tatsächlich existiert nun noch eine ganze Reihe weiterer Zeugnisse, welche das Pomerium in einer Weise thematisieren, die es als Fläche erscheinen lässt, ohne dass dabei aber eine innere Begrenzung zur Stadt hin oder gar eine besondere Qualität dieser Fläche – wie etwa ein sakraler Charakter – eine Rolle spielen würde. Diese Stellen kommen also für eine Deutung in Betracht, welche den Pomeriumbegriff auf ein Stadtgebiet als Gesamtheit ausdehnt. Als Bezeichnung für ein solches, nur nach außen hin klar begrenztes Gebiet erscheint das Pomerium etwa in der Terminologie der Inschriften der Grenzsteine des Claudius und der beiden Flavier: ampliavit terminavitque bzw. ampliaverunt terminaveruntque.50 Natürlich ist nicht auszuschließen, dass die republikanische Stadtmauer hier als innere Begrenzung des Pomerium angesehen werden sollte. In einer Situation der frühen Kaiserzeit, in der sich dieser Bereich jedoch faktisch nicht besonders – etwa durch fehlende Bebauung – auszeichnete und auch die Mauer nicht durchgängig sichtbar war, mag eine Übertragung des Begriffs auf das gesamte Stadtgebiet zumindest nahegelegen haben. Für eine Identifizierung mit dem Stadtgebiet insgesamt spricht ferner die hier erstmals fassbare Analogisierung des Pomerium mit dem gesamten römischen Herrschaftsgebiet (auctis populi Romani finibus). Und auch die ausführlichste literarische Quelle zur claudischen Pomeriumerweiterung, Tacitus’ diesbezüglicher Exkurs in den Annalen, erwähnt weder die Mauer noch eine andere Linie als innere Begrenzung des Pomerium.51 Vermutlich ist in ebendiesem Sinne auch die Fügung fines pomerii zu verstehen, die erstmals in genau diesem Zusammenhang belegt ist, nämlich in der lex de imperio Vespasiani (fines pomerii proferre promovere), jedoch auch in späteren literarischen Quellen auftaucht52: Der Ausdruck deutet klar auf eine Differenzierung von Pomeriumfläche und Grenzen des Pomerium hin, wobei nur letztere vorgerückt werden. Eine Interpretation im Sinne von die „Grenzen des Pomerium“ oder „Gebiet des Pomerium“ ist der Alternative „die Grenze Pomerium“ deshalb klar vorzuziehen, da in geographischen Zusammenhängen im klassischen Latein in aller Regel nicht explikativer Genitiv, sondern Apposition Verwendung findet (z. B. urbs Roma, flumen Rhenus, Taurus mons).53 Der Genitiv pomerii müsste demnach also die begrenzte Fläche bezeichnen, nicht bloß den Namen der Grenze. Wie bei den Cippi bleibt auch hier offen, ob es auch eine innere Begrenzung 49
Z. B. Freyberger 2013, 180 und 190. Claudius: CIL VI 1231a–c (= ILS 213); 31537a–d, 37022a,b; 37023; 37024; 40852; 40853; Vespasian und Titus: CIL VI 1232 (= ILS 248); 31538a–c; 40854. 51 Tac. ann. 12,23 f. 52 Crawford 1996, I, 552 f. (= CIL VI 930, 14–16); Gell. 13,14; Serv. auct. Aen. 1,305; vgl. auch Cass. Dio 55,6,6: τά τε τοῦ πωμηρίου ὅρια. 53 Menge 2009, 347 und 371. 50
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des Pomeriumgebietes gab. Von einer solchen Begrenzung ist hier jedenfalls nicht die Rede, was die plausible Möglichkeit offenhält, dass mit Pomerium hier das durch die Cippi definierte Stadtgebiet insgesamt bezeichnet wird. In die gleiche Richtung weist auch die einzige Erwähnung des Pomerium in den Digesten, nämlich in einer auf Papinian zurückgehenden Aussage: Cui pacto venditoris pomerio cuiuslibet civitatis interdictum est, Urbe etiam interdictum esse videtur. Quod quidem alias cum principum mandatis praeciperetur, etiam naturalem habet intellectum, ne scilicet qui careret minoribus, fruatur maioribus.54 Die Konstruktionen alicui pomerio cuiuslibet civitatis interdicere sowie alicui urbi interdicere, die beide ein Zutrittsverbot bezeichnen, wurden teilweise so gedeutet, dass hier das Pomerium einer beliebigen civitas im Sinne eines Bereichs vor der Mauer dem urbanen Kern derselben civitas gegenübergestellt werde.55 Sowohl der sachliche Kontext – kaufvertragliche Vorschriften über den Aufenthalt von Sklaven56 – als auch das Wort urbs deuten jedoch daraufhin, dass hier die neuere Übersetzung von Watson vorzuziehen ist: „When a slave is, by agreement with his vendor, banned from the limits of any city, he is deemed banned also from Rome. This rule which could, for the rest, be gleaned from imperial orders, also has its own inherent justification lest, obviously, one who lacks lesser things might enjoy those of more moment.“57 Zumindest im Hinblick auf die Identifikation der urbs mit Rom stimmen damit auch alle weiteren neueren Übersetzungen überein, wenngleich die Deutung von
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Dig. 18,7,5. So übersetzte Scott 1932, 50: „Where a slave is forbidden by an agreement with the vendor to reside in the suburbs of a certain city, he is also held to be forbidden to reside in the city itself. And, indeed, although this has been prescribed by the Edicts of the Emperors, its meaning is obvious, for he who is deprived of a residence in the less important parts of a city, cannot enjoy one in the more important parts of the same.“ Ein ähnliches Verständnis lassen auch Blumenthal 1952, 1870, und Sisani 2016, 67 Anm. 14, erkennen. 56 Eine inhaltlich vergleichbare, aber entgegengesetzte Regelung für einen Sklaven belegt die Inschrift des Sklavenhalsbandes des Asellus, der den Bereich innerhalb der Aurelianischen Mauer nicht verlassen durfte und als flüchtig galt, wenn er außerhalb (foras muru) aufgegriffen wurde (CIL XV 7172: ASELLUS SERVUS PRAEIECTI OFFICIALIS PRAEFECTI ANNONIS FORAS MURU EXIVI TENEME QUIA FUGI REDUC ME AD FLORA AD TOSORES). Vgl. Dey 2011, 213 f. 57 Watson 1998, 84. 55
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Pomerium uneinheitlich bleibt.58 Mit urbs ist hier demnach Rom gemeint; es geht also nicht um eine Gegenüberstellung von Stadt und Vorstadt, sondern zwischen dem Gebiet einer beliebigen civitas und Rom.59 Somit spricht auch einiges dafür, dass der Pomeriumbegriff hier auf ein Stadtgebiet in seiner Gesamtheit angewandt wurde.60 Zumindest wird ein möglicher Unterschied zwischen Pomeriumbereich und eigentlichem Stadtgebiet nivelliert. Ein weiterer Autor, bei dem es deutliche Hinweise auf ein Verständnis des Pomerium im Sinne einer Gesamtheit des Stadtgebietes gibt, ist Cassius Dio, der das Pomerium in seinem Geschichtswerk besonders häufig erwähnt: Dennoch ist bei diesem Autor neben der bloßen Ortsangabe – innerhalb bzw. außerhalb des Pomerium (ἐντὸς τοῦ πωμηρίου; ἔξω τοῦ πωμηρίου)61 – nur das Betreten und das Verlassen des Pomerium als eines bestimmten Gebietes belegt (z. B. ἔξω τοῦ πωμηρίου ἐξῆλθε; ἐν τῇ ἐσόδῳ τῇ εἴσω τοῦ πωμηρίου; τὴν εἴσω τοῦ πωμηρίου ἔσοδον)62. Von einem Überschreiten oder Überqueren ist bei Cassius Dio jedoch an keiner Stelle die Rede. Zudem finden sich für Pomeriumerweiterungen bei Cassius Dio Verben (ἐπαυξάνω; ἐπὶ πλεῖον ἐπεξάγω), die nahelegen, dass der hier mit Pomerium bezeichnete Gegenstand eine Fläche darstellt.63 Zudem spricht er dabei in einem Fall von den „Grenzen des Pomerium“ (τά τε τοῦ πωμηρίου ὅρια). Auch hier könnte mit Pomerium somit weniger ein überquerbarer Grenzstreifen als vielmehr das gesamte Gebiet innerhalb einer bestimmten (Pomerium-)Grenze gemeint sein. Besonders interessant ist in diesem Kontext ferner eine Formulierung in der Historia Augusta, bei der es um Aurelians Mauerbau und Pomeriumerweiterung geht.64 Hier wird nicht nur das Pomerium mit einem Verb verbunden, welches auf dieses als ein begrenztes Gebiet zu verweisen scheint (pomerio addidit)65. Sogar das Wort für die Stadtmauern wird offenbar bewusst metonymisch als Bezeichnung für 58
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Die jüngste niederländischen Übersetzung (Spruit / Feenstra / B ongenaar 1996, 485) entspricht etwa der Watsons („stadsgrenzen“), während die Übersetzer der jüngsten deutschen Ausgabe einen engen Zusammenhang mit der Mauer annehmen (Behrends 1999, 511: „Aufenthalt innerhalb des Mauerringes“). In der neuesten italienischen Übersetzung (Schipani 2007, 391) wird das Problem umgangen („‚l’entrare‘ nel pomerio“). Vgl. zudem für einen ähnlichen Sachverhalt Dig. 48,22,7, bs. 15 f., wo es um die Frage geht, ob Personen, die aus einer Provinz oder beliebigen civitas verbannt wurden, damit automatisch auch aus der Stadt Rom (urbs) ausgeschlossen sind. In eine ähnliche Richtung gehen in diesem Punkt auch die Deutungen von Catalano 1978, 476, und Simonelli 2001, 145 Anm. 221. Cass. Dio 39,63,4 und 65,1; 40,47,4 und 50,2; 41,15,2 und 16,1; 44,7,1; 49,15,3; 51,19,6; 53,2,4; 13,4; 17,4 und 6; 54,25,3; 55,8,2; epit. 77,1,6. Cass. Dio 39,39,7; 53,32,5; 55,2,2. Cass. Dio 43,50,1; 44,49,2; 55,6,6. HA Aurelian. 21,9–11. In Tacitus’ Exkurs zu Pomeriumerweiterungen (Tac. ann. 12,23 f.; siehe ausführlich Kap. 4.1.1 g)) wird dasselbe Verb in Bezug auf das Stadtgebiet urbs verwendet (urbi addidit).
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das ummauerte Gebiet verwendet (muros dilatavit). Zudem zeigt der Abschnitt klar, dass für den Autor die Erweiterung des Mauerringes nicht schon automatisch auch eine Erweiterung des Pomerium impliziert. Genau dies wäre aber der Fall, wenn die Stadtmauer die innere Begrenzung des Pomeriumstreifens darstellen oder von diesem zu beiden Seiten umgeben wäre. Auch hier ist die Deutung als Grenzstreifen bei der Mauer somit weniger plausibel, als ein Verständnis von Pomerium im Sinne von „Stadtgebiet“. Abschließend sei noch auf ein Scholion zu Juvenal verwiesen, welches ebenfalls in diesem Sinne auslegbar ist: „Pomeria loca appellantur, quae intra muros sint, hoc est pone muros.“66 Bemerkenswert ist die Stelle vor allem deshalb, weil es ausdrücklich von der üblichen spätantiken Praxis abweicht, das Pomerium außerhalb der Mauer zu verorten. Auch hier ist zudem von einer inneren Begrenzung, welche die pomeria zu einem Grenzstreifen machen würden, nicht die Rede. Die naheliegendere Lösung ist somit auch hier, dass tatsächlich die Gesamtheit des Stadtgebietes, d. h. in diesem Fall des Gebiets innerhalb der Mauer als pomeria bezeichnet wird. Es soll ausdrücklich eingeräumt werden, dass bei keiner der zuletzt betrachteten Stellen mit letzter Sicherheit zu entscheiden ist, ob mit Pomerium tatsächlich eine bestimmte räumliche Gesamtheit des Stadtgebietes gemeint ist. Zusammengenommen deutet der Befund aber doch deutlich in diese Richtung. Ferner stellt sich bei diesen Stellen immer dann, wenn das Pomerium weiterhin als Grenzstreifen vom eigentlichen Stadtgebiet unterschieden wird, die Frage, wodurch sich diese Fläche sowohl gegenüber dem Stadtgebiet auf der einen Seite als auch gegenüber dem Umland auf der anderen auszeichnete. Auf diesen Punkt wird in Kürze noch zurückzukommen sein. d) Zwischenfazit Zunächst soll jedoch ein kurzes Zwischenfazit gezogen werden: Bei der Untersuchung wurden bisher drei grundsätzlich verschiedene Auffassungen von der Ausdehnung oder Substanz des Pomerium in den Blick genommen. Davon lassen sich zwei ganz eindeutig in den Quellen greifen: das Pomerium als Linie und das Pomerium als Grenzsteifen. Eine weitere Variante lässt sich mit guten Gründen annehmen: das Pomerium als Gesamtheit des durch eine bestimmte Grenze definierten Stadtgebiets. Das lineare Verständnis ist zwar einzig in der Definition Plutarchs und in der Formulierung pomerium proferre eindeutig erkennbar und somit in der antiken Diskussion eher randständig, was angesichts seiner Bedeutung in der modernen Forschung überrascht. Diese Tatsache wird freilich durch den Umstand, dass je nach Perspektive und Kontext ein lineares Verständnis durchaus nahegelegen haben mag, wenn nämlich lediglich ein Gegensatz von Innen und Außen adressiert werden sollte, auch ein Stück weit relativiert. Die meisten 66
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eindeutigen Belege existieren indes für die Auffassung, das Pomerium stelle einen zweidimensionalen Grenzbereich dar, der in aller Regel außerhalb, zuweilen auch zu beiden Seiten der Stadtmauer verortet wird. Als weitere Möglichkeit ist damit zu rechnen, dass der Pomeriumbegriff teilweise auch auf das Stadtgebiet in seiner Gesamtheit übertragen oder dass zumindest nicht klar zwischen Grenze und Begrenztem unterschieden wurde. Neben der faktischen Widersprüchlichkeit der antiken Aussagen wurde außerdem deren Unhintergehbarkeit deutlich. Ein Urteil darüber, welche der genannten Auffassungen dem Verständnis der Frühzeit oder auch nur dem der mittleren Republik am nächsten kommt, ist in erster Linie deshalb nicht möglich, da sich die einer Position zugrundeliegenden Argumente bzw. Anknüpfungspunkte, so sie denn überhaupt vorgebracht oder zu erschließen sind, strukturell gleichen und leicht auch ohne eine jeweils zugrundeliegende, weit zurückreichende Überlieferung erklärbar sind: Sie beruhen vielmehr im Wesentlichen auf etymologischer Spekulation und Analogieschlüssen. Auch der Umstand, dass das Wort pomerium vermutlich auf eine Bezeichnung für eine Grenzlinie zurückgeht, hilft dabei nicht weiter, da metonymische Übertragungen sowohl auf einen Grenzbereich als auch auf eine räumliche Gesamtheit schon sehr früh stattgefunden haben können und mit der Entstehung des späteren Begriffs bzw. der Institution Pomerium nicht in notwendigem Zusammenhang stehen. Mit den bisher behandelten Stellen ist die Analyse der antiken Diskussion um die Substanz des Pomerium jedoch noch nicht vollständig. Sie beschränkte sich nämlich auf jene Stellen, denen trotz aller Widersprüche zu Aussagen jeweils anderer Autoren für sich genommen ein konsistentes Begriffsverständnis zugrunde zu liegen scheint. e) Oszillieren des Begriffs zwischen Grenze und begrenztem Gebiet Die erzielten Ergebnisse lassen sich nun noch umso mehr anhand von Stellen bestätigen, wo die Bedeutung von Pomerium hinsichtlich seiner Ausdehnung sogar innerhalb desselben Textes instabil wirkt, insofern es sich beim Pomerium mal um eine Grenze, mal um ein begrenztes Gebiet zu handeln scheint. Dies ist, wie wir nun sehen werden, bei den bisher noch nicht behandelten Zeugnissen zu diesem Problem der Fall. Im Rahmen dieses Oszillierens des Pomeriumbegriffs kommen alle drei bisher beschriebenen Varianten, neben dem insgesamt dominanten Verständnis als Grenzstreifen auch jenes als Linie und als Gesamtheit des Stadtgebietes wieder in Betracht. Ein frühes und besonders eindrückliches Beispiel findet sich in Ciceros De Natura Deorum. Hier kann das Pomerium in ein und demselben Satz sowohl betreten (intrasset) als auch überquert bzw. überschritten (transiret) werden: Post autem e provincia litteras ad collegium misit, se cum legeret libros recordatum esse vitio sibi tabernaculum captum fuisse hortos Scipionis, quod, cum pomerium
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postea intrasset habendi senatus causa, in redeundo cum idem pomerium transiret auspicari esset oblitus.67 Würde man hier ein konsistentes Begriffsverständnis voraussetzen, müsste das Pomerium also ein zweidimensionaler Bereich sein, der betreten werden kann, zugleich aber auch zur Stadt hin begrenzt ist, also überquerbar ist. Dem steht jedoch entgegen, dass beide Verben offenbar den gleichen Vorgang lediglich in verschiedenen Richtungen beschreiben: Denn hätte Tiberius Gracchus der Ältere, um den es hier geht, von außen kommend das Pomerium – verstanden als Streifen – tatsächlich nur betreten und nicht auch überquert, hätte er es bei der Rückkehr nur verlassen, nicht aber überqueren können. Plausibler ist daher, dass die Unterscheidung zwischen Linie und Fläche hier schlicht nicht konsequent durchgehalten wird. Der Pomeriumbegriff oszilliert zwischen Grenze und begrenzter Fläche. Bei dieser Fläche handelt es sich dann aber nicht um einen Grenzstreifen, sondern um das Stadtgebiet insgesamt. Ähnliches lässt sich mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch in der fragmentarisch überlieferten Darstellung der gleichen Episode bei Granius Licinianus beobachten, jedenfalls sofern man der Ergänzung von Criniti folgt.68 Das Pomerium ist zwar einerseits Grenze der Auspizien (pomerium finis esset urbanorum auspiciorum), kann aber andererseits betreten (nicht nur überschritten) werden (ingrederetur).69 Unter den Stellen, bei denen ebendieses Schwanken des Begriffs festzustellen ist, befinden sich schließlich auch drei vielzitierte Definitionen des Pomerium: Jene des Tacitus, jene des Festus und jene des Gellius. Besonders deutlich ist das Oszillieren des Begriffs im Pomeriumexkurs des Tacitus zu sehen: Et pomerium urbis auxit Caesar, more prisco, quo iis, qui protulere imperium, etiam terminos urbis propagare datur. […], et quod pomerium Romulus posuerit, noscere haud absurdum reor. Igitur a foro boario, ubi aereum tauri simulacrum adspicimus, quia id genus animalium aratro subditur, sulcus designandi oppidi coeptus, ut magnam Herculis aram amplecteretur; inde certis spatiis interiecti lapides per ima montis Palatini ad aram Consi, mox curias veteres, tum ad sacellum Larum. 67
Cic. nat. 2,11: „Später jedoch sandte er [Gracchus] aus der Provinz dem Augurenkollegium einen Bericht, er habe sich, nachdem er Bücher gelesen habe, daran erinnert, dass er die Gärten Scipios in fehlerhafter Weise für sich als Standort für das Beobachtungszelt ausgewählt habe, und zwar dadurch, dass er, nachdem er später einer Senatssitzung wegen über das Pomerium die Stadt betreten habe, bei der Rückkehr, als er das Pomerium abermals überschritt, vergessen habe zu auspizieren; deshalb seien die Consuln regelwidrig gewählt worden.“ 68 Criniti 1981. 69 Granius Licinianus 28,25 f. (Criniti): [coll]egio se ese doctum scripsit [se ex]tra pomerium auspi[ca]ri debuisse, cum a[d ha]bend[a in campo] comitia contende[re]t, quoniam [po]merium finis ess[et ur]banorum auspici[orum]. se vero in villa S[cipio]nis tabernaculu[m] posuisse, t quom i[ngrederet]ur pomerium.
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Forumque Romanum et Capitolium non a Romulo, sed a Tito Tatio additum urbi credidere. Mox pro fortuna pomerium auctum. Et quos tum Claudius terminos posuerit, facile cognitu et publicis actis perscriptum.70 Beide Aspekte – Grenze und begrenzte Fläche – werden jeweils auch mit anderen eindeutigen Ausdrücken bezeichnet, etwa termini, sulcus und urbs, von denen offenbar keiner mit pomerium völlig bedeutungsgleich ist; auch die verwendeten Verben (pomerium augere, pomerium ponere, terminos ponere) geben in dieser Hinsicht kein klares Bild. Nichts spricht jedoch dafür, dass das Pomerium, sofern es denn als Fläche innerhalb der Gründungsfurche verstanden würde, nach innen durch eine Stadtmauer oder etwas anderes begrenzt würde. Ein höchst fragmentarisch überlieferter Abschnitt zur Pomeriumdefinition, ist der entsprechende Eintrag im Wörterbuch des Festus. Er sei hier mit den Ergänzungen Lindsays zitiert: rium esse ait Antistius … ficalis pomerium, id est lcato. Olim quidem omntinum, nunc etiam intra aed … quasi promoerium. Solet au ius pomeri proferendi.71 Der Epitomator Paulus Diaconus schreibt zu dieser Stelle: Posimirium pontificale pomerium, ubi pontifices auspicabantur. Dictum autem pomerium, quasi promurium, id est proximum muro.72 Zusammengenommen entsteht hier der Eindruck, dass Festus das Pomerium einerseits als einen locus, also eine zweidimensionale Räumlichkeit nahe der Mauer 70
Tac. ann. 12,24: „Auch das Pomerium der Stadt erweiterte der Kaiser der althergebrachten Sitte gemäß, nach der es denjenigen, die das Reich vergrößert hatten, auch gestattet wurde, die Grenzen der Hauptstadt (terminos urbis) auszudehnen. […] und das Pomerium kennenzulernen, das Romulus dabei festlegte, halte ich nicht für abwegig. Demnach wurde vom Rindermarkt aus, wo wir das eherne Standbild eines Stiers sehen können, weil man diese Tierart vor den Pflug spannt, die Furche für die Abgrenzung der Stadt so begonnen, dass sie den großen Altar des Herkules mit einschloss; von da an wurden in bestimmten Abständen Steine gesetzt, am Fuß des Palatinberges entlang bis zum Altar des Consus, dann zu den alten Kurien, darauf zur Kapelle der Laren. Das römische Forum und das Kapitol wurden, so glaubte man, nicht von Romulus, sondern von Titus Tatius zur Stadt hinzugefügt (additum urbi). Später wurde das Stadtgebiet den Erfolgen entsprechend ausgeweitet, und welche Grenzen / Grenzsteine (terminos) Claudius damals setzte, kann man leicht erkennen; es ist auch in öffentlichen Verlautbarungen genau beschrieben.“ Übers. A. Städele, mit wenigen Änderungen. 71 Fest. 294 L. 72 Paul. Fest. 295 L.
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definiert, wo bestimmte Auspizien vorgenommen werden können. Im Zusammenhang der Pomeriumerweiterungen tritt dieser Flächencharakter dann aber perspektivisch in den Hintergrund. Dies zeigt die auf Linearität verweisende Verbindung pomerium proferre73. Eine etwas genauere Betrachtung verdienen schließlich die insgesamt ähnlichen und dabei vollständig erhaltenen Ausführungen des Gellius zum Pomerium. Auch diese Stelle hat der Forschung immer wieder Probleme bereitet, die sich möglicherweise auflösen, wenn man nicht von vornherein einen konsistenten Begriffsgebrauch in der Ausdehungsfrage unterstellt. „Pomerium“ quid esset, augures populi Romani, qui libros de auspiciis scripserunt, istiusmodi sententia definierunt: „Pomerium est locus intra agrum effatum per totius urbis circuitum pone muros regionibus certeis determinatus, qui facit finem urbani auspicii.“ Antiquissimum autem pomerium, quod a Romulo institutum est, Palati montis radicibus terminabatur. Sed id pomerium pro incrementis reipublicae aliquotiens prolatum est et multos editosque collis circumplexum est. Habeat autem ius proferendi pomerii, qui populum Romanum agro de hostibus capto auxerat. Propterea […] in quaestione est, quam ob causam ex septem urbis montibus […] Aventinus solum, extra pomerium sit, neque id Servius Tullius rex neque Sulla, qui proferundi pomerii titulum quaesivit, neque postea divus Iulius, cum pomerium proferret, intra effatos urbis fines incluserint. […] „Idcirco“, inquit „omnes, qui pomerium protulerunt, montem istum excluserunt quasi avibus obscenis ominosum“. Sed de Aventino monte praetermittendum non putavi, […] Aventinum antea, sicuti diximus, extra pomerium exclusum, post auctore divo Claudio receptum et intra pomerii fines observatum.74
73
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Siehe Kap. 2.1.1 a). Gell. 13,14: „Was das Pomerium sei, definierten die Auguren des römischen Volkes, die Bücher über die Auspizien geschrieben haben, mit dem folgenden Satz: ‚Das Pomerium ist der Raum innerhalb des als effatus definierten Gebietes, der längs des Umkreises der gesamten Stadt außerhalb der Mauer liegt, der durch bestimmte Linien abgegrenzt ist und der die Grenze der städtischen Auspizien bildet.‘ Das älteste Pomerium, das von Romulus eingerichtet wurde, wurde durch den Fuß des Palatin begrenzt. Aber dieses Pomerium wurde mehrfach wegen des Wachstums der res publica vorgerückt und umfasste viele und hoch aufragende Hügel. Es hatte aber derjenige das Recht, das Pomerium vorzurücken, wer das Gebiet des römischen Volkes um von den Feinden erobertes Land erweitert hatte. Deshalb […] steht es in Frage, aus welchem Grund von den sieben Hügeln der Stadt [innerhalb der Mauer, allein der Aventin, ein Stadtteil, der doch weder abgelegen noch wenig bevölkert ist, außerhalb des Pomerium sei, und diesen weder der König Servius Tullius noch Sulla, der den Ruhm, das Pomerium vorgerückt zu haben, suchte, noch später Caesar, obgleich er das Pomerium vorschob, in die durch effatio bestimmten Stadtgrenzen eingeschlossen hat. […] Deshalb [nämlich wegen der Auspizien des Remus], sagte er [Messala], haben alle, die das Pomerium vorgerückt haben, diesen Berg ausgeschlossen gleichsam als durch die ungünstigen Vögel unheilver-
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Auch hier wird zunächst in Form eines Zitats aus gewissen Auguralbüchern eine recht klare Definition als Raum (locus) geboten, der um die gesamte Stadt herum an der Mauer (per totius urbis circuitum pone muros) sich erstrecke und durch bestimmte Grenzlinien definiert sei (regionibus certeis determinatus); das erste Pomerium sei durch den Fuß des Palatinhügels begrenzt gewesen (terminabatur).75 Dann aber wechselt der Autor die Perspektive, indem er über das Problem der Pomeriumerweiterungen und in diesem Kontext über den Ausschluss des Aventins spricht: Doch dieser Ausschluss des Aventins ist mit der Vorstellung eines Grenzstreifens an der Mauer, wie er in der eben zitierten Definition erkennbar wird, nur schwer zu vereinbaren, da dieser Hügel sich ja gerade innerhalb der Mauer befand. Zudem tauchen entsprechend mehrfach Formulierungen auf, in denen das Pomerium sprachlich eher wie eine äußere, nach und nach vorgerückte und von der Mauer unabhängige Linie erscheint, vor allem das bereits erwähnte pomerium proferre sowie das Verb circumplecti. Die auf den Aventin bezogene Formulierung intra pomerii fines observatum ganz am Ende des Abschnitts eröffnet schließlich auch die Möglichkeit einer Übertragung des Begriffs auf die Gesamtheit des begrenzten Gebietes, da, wie erwähnt, der Ausdruck pomerii fines auf eine Unterscheidung zwischen dem Pomerium und dessen Grenzen hindeutet.76 Der Ertrag des letzten Abschnitts der Untersuchung stellt sich somit wie folgt dar: Es hat sich erstens gezeigt, dass nicht nur zwischen verschiedenen antiken Autoren widersprüchliche Auffassungen zur Substanz des Pomerium herrschten, sondern dass in einigen Fällen sogar innerhalb desselben Textes ein in dieser Hinsicht schwankender Gebrauch des Begriffs Pomerium zu beobachten ist. Außerdem haben die zuletzt untersuchten Stellen weitere Hinweise darauf geliefert, dass der Begriff Pomerium in der Antike zuweilen im Sinne von „Stadtgebiet“ gebraucht wurde, und dass somit die in der Forschung bisher überwiegend diskutierte Alternative „Grenzstreifen oder Linie“ das Problem offenbar nicht vollständig beschreibt. Es lässt sich natürlich, wie gesagt, weiterhin einwenden, dass hier keine völlige Sicherheit zu erreichen ist, während das Verständnis des Pomerium als Grenzstreifen oder -linie immerhin in einigen Zeugnissen zweifelsfrei belegbar ist. Es wurde jedoch ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Auslegung der in dieser Hinsicht unklaren Stellen in Richtung auf einen Grenzstreifen nur heißend. Aber ich glaube nicht übergehen zu dürfen […], dass der Aventin zwar früher, wie gesagt, aus dem Pomerium ausgeschlossen war, später aber durch den vergöttlichen Claudius aufgenommen und innerhalb der Grenzen des Pomerium bewahrt wurde.“ 75 Dass damit keine bloße Linie gemeint sein kann, stellt schon Nissen 1877, 470, zurecht fest. 76 Siehe Kap. 2.1.1 c). Zudem ist aus dem Kontext ersichtlich, dass mit intra pomerii fines keineswegs bloß der Pomeriumstreifen gemeint sein kann, da der Aventin wohl kaum im Innern dieses Streifens, sondern vollständig auf dessen Stadtseite verortet werden soll. Auch im Servius auctus (Aen. 1,305) findet sich eine solche Formulierung, wo ein Ort unmittelbar außerhalb (!) des Pomerium als in finibus pomerii bezeichnet wird.
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zu einem anderen Problem überleitet: nämlich zu der Frage, wodurch sich dieser Grenzbereich der Stadt denn im Verhältnis zum eigentlichen Stadtgebiet ebenso wie zum Umland auszeichnen solle. f ) Das Pomerium als freier Raum? Diese Überlegung macht nun auf einen weiteren Aspekt von definitorischer Uneindeutigkeit aufmerksam, der die materielle Substanz des Pomerium betrifft und auf den abschließend kurz eingegangen werden soll. Er betrifft alle Zeugnisse, welche das Pomerium als Fläche verstehen und welche wie gesagt die Mehrheit bilden: Denn wodurch zeichnete sich diese Fläche, wenn überhaupt, gegenüber den umliegenden Gebieten aus? Klare Angaben zum Charakter des von ihnen als Streifen angesprochenen Pomerium machen, wie gesehen, lediglich Livius, Sueton und der Kommentator des Frontinus, wo das Pomerium als ein zumindest ursprünglich aus religiösen oder pragmatischen Gründen unbebauter Bereich gilt. Davon findet sich indes nichts bei den anderen Autoren, und es spricht auch nichts dafür, dass dieser Aspekt bei irgendeiner dieser Darstellungen mitzudenken ist. Bei Cicero, Granius Licinianus, Festus und Gellius ist stattdessen die Relevanz des Pomerium als Auspiziengrenze das dominierende Element, welches wiederum bei Livius, Sueton und im Frontinus-Kommentar ganz fehlt. Wieder andere Autoren sowie die Inschriften auf den claudischen und flavischen Grenzsteinen sowie die Lex de imperio Vespasiani stellen das Thema der Pomeriumerweiterung in den Vordergrund, meist verbunden mit Angaben über die Bedeutung dieses Aktes als Folge von Eroberungen. Erweiterungen des Pomerium werden zwar auch in der Darstellung des Livius erwähnt, sind dort jedoch lediglich Teilaspekt der Erweiterung des Mauerringes infolge von Bevölkerungswachstum und Platzmangel. Wiederum taucht auch nur bei Gellius sowie vielleicht bei Festus der Aspekt auf, dass der schon früh bebaute Aventin die längste Zeit innerhalb der Mauer und des bebauten Stadtgebietes, aber außerhalb des Pomerium gelegen habe; ein Umstand, der außerdem bei Seneca belegt ist.77 Auch dieser Aspekt ist mit der Vorstellung eines freien Streifens, der überhaupt nur im Hinblick auf die Mauer geschaffen oder zur Aufstellung des Heeres dienen sollte, nur schwer in Einklang zu bringen, da dieser dann getrennt von der Mauer durch das bebaute Stadtgebiet hätte verlaufen müssen. Die zuletzt untersuchten „oszillierenden“ Zeugnisse haben somit einerseits das Ausmaß der Uneindeutigkeit des Pomeriumbegriffs deutlich gemacht. Andererseits sind sie auch im Hinblick auf die Frage der Rekonstuierbarkeit eines traditionellen Begriffsverständnisses aufschlussreich: Sie zeigen nämlich, dass mit der Überlieferung einer einzigen korrekten Definition über längere Zeiträume überhaupt nicht zu rechnen ist und dass in der Antike offenbar auf die scharfe Unterscheidung von Linie und begrenzter Fläche gar nicht derselbe Wert gelegt 77
Sen. De brevitate vitae 13,8.
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wurde wie in der modernen Forschung. Dass zudem lexikalische Eindeutigkeit in diesem Wortfeld grundsätzlich nicht leicht erreichbar war, wurde ebenfalls immer wieder deutlich. Umso weniger aussichtsreich ist daher jeder Versuch, ein ursprüngliches Verständnis rekonstruieren zu wollen, und umso weniger geeignet, der Rolle des Pomerium in Rom gerecht zu werden. g) Fazit Diese Überlegungen führen zu folgendem Fazit im Hinblick auf das Problem der Substanz des Pomerium: Die in der Forschung prominente Vorstellung vom Pomerium als bloßer Linie stimmt zwar womöglich mit dem Wortursprung von pomerium überein, wie ihn Antaya rekonstruiert hat. Dies ist aber für die hier interessierende Frage nach der Institution Pomerium in historischer Zeit unerheblich. Hier fällt vielmehr die relative Randständigkeit der Linien-Definition in der antiken Diskussion auf, die explizit nur bei Plutarch – dort gleichgesetzt mit der Mauerlinie – vertreten wird. Dieser überliefert hier wohl weniger eine traditionelle Sicht, sondern ist vielmehr dadurch beeinflusst, das Pomerium mit der Gründungsfurche des Pflugrituals in Zusammenhang zu bringen; diese Verbindung ist selbst als problematisch anzusehen, worauf im folgenden Unterkapitel ausführlich eingegangen wird. Ein lineares Verständnis scheint ferner gelegentlich im Zusammenhang von Pomeriumerweiterungen in der Formulierung pomerium proferre durch, wobei dieser Eindruck jedoch in den meisten Fällen durch gegenteilige Aussagen im selben Kontext relativiert wird. Bei einigen weiteren Autoren, etwa Tacitus, ist eine entsprechende Auffassung allenfalls als Möglichkeit innerhalb eines insgesamt unsicheren bzw. schwankenden Begriffsgebrauchs greifbar. Auch hier geht es überwiegend um Formulierungen im Kontext von Pomeriumerweiterungen, eine Thematik, deren Virulenz vor dem 1. Jh. v. Chr. selbst fraglich ist. Auch diese Formulierungen lassen somit nicht auf ein besonders traditionelles Begriffsverständnis schließen. Zu Bedenken bleibt natürlich immer, dass das Pomerium insofern sprachlich zuweilen wie eine bloße Linie behandelt werden konnte, als die eigene Substanz des Pomerium im Kontext seiner konstitutiven Grenzfunktion zwischen Innen und Außen zwangsläufig aus dem Blick geriet. Dies alles ändert jedoch nichts daran, dass unter jenen Autoren, welche eine klare Auffassung in dieser Frage erkennen lassen, die Auffassung vom Pomerium als einem Grenzgebiet oder -streifen deutlich gegenüber dem linearen Verständnis überwiegt. Dies gilt besonders, aber nicht ausschließlich für die späteren Zeugnisse ab dem 2. Jh. n. Chr. Doch, wie ebenfalls deutlich wurde, können auch die Vertreter des Pomeriumstreifens trotz ihrer relativen großen Zahl nicht ohne weiteres als die Träger einer älteren Überlieferung gelten. Vielmehr handelt es sich auch bei deren Rekonstruktionen, sofern sie sich überhaupt auf die Frühzeit und nicht bloß auf die eigene Gegenwart beziehen, nicht weniger um etymologisierende und analogisierende Spekulationen als bei der Darstellung Plutarchs.
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Neben diesem in der Forschung viel diskutierten Gegensatz von Linie und Grenzstreifen hat die Untersuchung der zahlreichen, weniger eindeutigen Zeugnisse zur Substanz des Pomerium noch drei weitere, bisher kaum berücksichtigte Aspekte der Vieldeutigkeit des Pomerium aufgezeigt. Dies ist zum einen eine weitere, von den beiden genannten Alternativen verschiedene Auffassung vom Pomerium, nämlich als Bezeichnung für die Gesamtheit des begrenzten Stadtgebietes, welche vermutlich von Varro vertreten wurde und bei einigen weiteren Zeugnissen zumindest sehr naheliegt. Ein weiterer Aspekt der Uneindeutigkeit des Pomerium liegt auf einer etwas anderen Ebene: Es wurde nämlich deutlich, dass einige Autoren den Begriff Pomerium selbst uneinheitlich gebrauchten und dessen Bedeutung sogar innerhalb desselben Satzgefüges durchaus zwischen verschiedenen Bedeutungen schwanken konnte. Uneindeutig war das Pomerium – was die Frage seiner Substanz betrifft – folglich nicht nur als Gegenstand gelehrter Meinungsverschiedenheiten unterschiedlicher Autoren, sondern auch im Sinne einer uneinheitlichen Begriffsverwendung durch jeweils denselben Autor. Der letzte Aspekt betrifft die Widersprüche innerhalb jener Gruppe von Stellen, die zusammengenommen die Mehrheit der Überlieferung bilden und das Pomerium als Grenzstreifen oder -bereich darstellen. Sie unterscheiden sich nämlich deutlich im Hinblick auf den spezifischen Charakter dieses Bereichs. Das Pomerium als einen von bestimmten Sonderregelungen betroffenen Freiraum zum Schutz der Mauer zu verstehen, wie er bei Livius, Sueton und dem Frontinus-Kommentator dargestellt wird, kommt bei vielen anderen nicht in Betracht. Je mehr von diesbezüglich unklaren Stellen man in Richtung des Grenzstreifens interpretiert, umso kleiner erscheint die Gruppe jener Autoren, die das Pomerium als einen Freiraum in Verbindung mit der Stadtmauer darstellen. Dieser Aspekt leitet somit zum zweiten Hauptthema der Pomeriumdefinitionen über, nämlich des ursprünglichen und überhaupt des vorkaiserzeitlichen Pomerium in Relation zur Stadtmauer.
2.1.2 Das Pomerium im Verhältnis zur Mauer Das zweite Hauptthema unter den Definitionsproblemen des Pomerium betrifft die Frage, wo sich das ursprüngliche Pomerium befand, und zwar vor allem in Relation zur Stadtmauer. Damit einher geht eine weitere Frage, nämlich ob das Pomerium ursprünglich an den Verlauf der Stadtmauer gebunden war, oder ob es immer schon eine davon unabhängige Grenze darstellte. Unstreitig – in der antiken wie auch der modernen Diskussion – sind in dieser Hinsicht lediglich die folgenden Aspekte: Zum einen befanden sich Grenzsteine des kaiserzeitlichen Pomerium durchgehend außerhalb der republikanischen Stadtmauer, wobei die Pomeriumerweiterungen, die sich in diesen Steinen manifestiert haben, auch
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nicht mit Veränderungen an dieser Mauer in Verbindung standen. Zum anderen ist mit einer gewissen Loslösung des Pomeriumverlaufs von der Mauer auch schon vor Claudius zu rechnen; dies zeigen die recht zahlreichen, wenn auch im einzelnen widersprüchlichen Nachrichten über frühere Pomeriumerweiterungen78 sowie insbesondere über die Sonderrolle des Aventin, der sich offenbar bis zur claudischen Pomeriumerweiterung innerhalb der Stadtmauer aber außerhalb des Pomerium befand. Doch bereits für das spätrepublikanische Pomerium ist unklar, ob dieses – vom Aventin abgesehen – innerhalb oder außerhalb der Stadtmauer zu lokalisieren ist. In der antiken wie auch der modernen Diskussion wurde und wird darüber hinaus der Frage nachgegangen, wie das ursprüngliche bzw. frühzeitliche Verhältnis von Mauer und Pomerium aussah bzw. wie man sich dies traditionell vorstellte. Während das zuletzt behandelte Problem der Substanz des Pomerium („Linie oder Fläche“) in der antiken Diskussion kaum explizit verhandelt wird, ist nun besonders in dieser Frage des Lageverhältnisses des ursprünglichen Pomerium zur Stadtmauer tatsächlich die Fortsetzung einer antiken Diskussion durch Teile der modernen Forschung zu beobachten. Den hauptsächlichen Anlass, die Frage nach dem Lageverhältnis von Pomerium und Mauer überhaupt näher zu diskutieren, stellt immer wieder der vermutete etymologische Zusammenhang von Pomerium und Mauer dar, dessen Fragwürdigkeit bereits erläutert wurde. Die antiken Autoren stellen hier – wie erwähnt – durchweg Verbindungen von pomerium mit murus, also dem Wort für die Stadtmauer her, wobei Ableitungen von post-, pone- oder pro- + murus bzw. moerus vertreten werden. Auch in der modernen Forschung wurde diese Ableitung lange Zeit überwiegend akzeptiert, obwohl zuweilen sogar eingeräumt wurde, dass die Lautentwicklung dann nicht den üblichen Regeln gefolgt wäre.79 Auch der von Antaya vorgelegte plausible Lösungsvorschlag für dieses Problem wurde bereits angesprochen; er spricht klar gegen eine etymologische Verbindung des Wortes pomerium mit der Stadtmauer.80 Damit kann nunmehr weder ein etymologischer noch ein ursprüng licher konzeptioneller Zusammenhang zwischen Pomerium und Stadtmauer einfach vorausgesetzt werden, geschweige denn ein solcher, der sich bis in die Zeit unserer Quellen im Bewusstsein erhalten haben könnte. Dies ist vorwegzuschicken, bevor nun die Untersuchung der antiken Zeugnisse folgen soll. Bei der folgenden Untersuchung der antiken Diskussion zu dieser Frage werden im Wesentlichen wieder dieselben Zeugnisse untersucht und die gleichen Ziele verfolgt, wie bereits im Kontext der Frage der Substanz des Pomerium. Erstens geht es also wieder darum, die unauflösbare Vielstimmigkeit der antiken Diskussion zu belegen. Dabei wird sich erneut zeigen, dass einerseits bestimmte Auffassungen, die
78
Zu den Berichten über Pomeriumerweiterungen vgl. Kap. 4.1.2. Vgl. Kap. 2.1.1 a) Anm. 19. 80 Antaya 1980. 79
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in der Forschung mit dem Ziel der Harmonisierung widersprüchlicher Zeugnisse in Sinne einer ursprünglichen Definition, in der antiken Diskussion selten oder gar nicht vorkamen, während andererseits bestimmte andere Auffassungen antiker Autoren kaum aufgegriffen wurden. Zweitens wird auch hier wieder zu zeigen sein, warum – sowohl für die antike wie für die moderne Beschäftigung mit dem Pomerium – die Vieldeutigkeit des Pomeriumbegriffs unhintergehbar ist, dass also die Rekonstruktion einer traditionellen oder gar ursprünglichen Pomeriumdefinition illusorisch bleiben muss. Bei einer Neubestimmung von dessen Rolle ist daher ein grundsätzlich anderer Ansatz zu wählen, der die antike Diskussion als solche gerade in ihrer Vielstimmigkeit ernstnimmt. a) Eine zweite Grenze innerhalb der Mauer Die Beobachtung, dass beim Problem Pomerium und Stadtmauer im Grundsatz eine antike durch eine moderne Diskussion fortgesetzt wurde, impliziert – wie gesagt – nicht, dass alle in der modernen Diskussion aufgekommenen Positionen auf Vorläufer bzw. Gewährsleute in der antiken Diskussion verweisen könnten. Vielmehr ist bei mindestens einer der in der modernen Forschung vertretenen Auffassungen zur Lage des frühzeitlichen Pomerium sehr fraglich, ob sie in der antiken Diskussion überhaupt vorkam: Dies gilt für die von prominenten Stimmen des Faches vertretene Position, beim Pomerium habe es sich ursprünglich und womöglich bis in die Kaiserzeit um eine ausschließlich innerhalb der Stadtmauer verlaufende Grenzlinie bzw. -zone gehandelt.81 Gegen diese Positionen spricht nicht allein die offensichtlich extramurale Aufstellung der frühkaiserzeitlichen Cippi. Diese wird von den Vertretern dieser Position lediglich als Ausdruck einer erst in diese Zeit gehörenden Verlagerung und Umdeutung des Pomerium erklärt.82 Doch die Quellenlage für eine intramurale Verortung des Pomerium in früherer Zeit erweist sich insgesamt als äußerst dürftig. Hauptsächlich stützt sich diese Auffassung auf die bereits zitierte Aussage Varros in De Lingua Latina: Post ea qui fiebat orbis, urbis principium; qui, quod erat post murum, postmoerium dictum, †eiusque† auspicia urbana finiuntur. Cippi pomeri stant et circum Ariciam et circum Romam.83
81
Pomerium innerhalb der Mauer z. B. Mommsen 1876; Jordan 1878, 163–171; Valeton 1895–1898, 25, 93–122; Magdelain 1976, 74 f. (=1990, 158 f.); Catalano 1978 480 Anm. 147; Coarelli 1988, 385–387; Giardina 2000, 28 f.; Kolb 2002, 58; Quilici 2006, 324 f.; De Sanctis 2007. 82 Z. B. Mommsen 1876, 50 (=1879, 40 f.). 83 Varr. ling. 5, 143, nach Goetz / S choell 1909.
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Hier ist zwar tatsächlich davon die Rede, dass sich das Pomerium ursprünglich hinter, und d. h. an dieser Stelle eindeutig innerhalb der Mauer befunden habe.84 Doch – wie erörtert – ist es dabei mit großer Wahrscheinlichkeit nicht als eine weitere Grenze zusätzlich zur Mauer zur verstehen. Vielmehr bezeichnet Varro das ursprüngliche Pomerium als einen orbis, der durch das Pflugritual gleichsam automatisch innerhalb des beim Pflügen aufgeworfen murus entstand (fiebat) und der in seiner Zeit durch Grenzsteine markiert werde. Mit orbis wird hier vermutlich primär die als rund vorgestellte Fläche innerhalb der Ersten Furche bzw. der ersten Stadtmauer bezeichnet. Auch diese Deutung wurde oben bereits erläutert. In welchem Verhältnis die von Varro genannten Grenzsteine zur tatsächlichen republikanischen Stadtmauer in Varros Zeit standen, bleibt indes völlig offen. Varros Zeugnis steht somit auch nicht im Widerspruch zu der Möglichkeit, dass sich nicht erst die kaiserzeitlichen, sondern bereits die nur an dieser Stelle belegten spätrepublikanischen Cippi des Pomerium außerhalb der realen republikanischen Stadtmauer befunden hätten. Anstatt mit einem Beleg für ein Pomerium als Streifen oder (zweiter) Linie innerhalb der Mauer, haben wir es also hier offenbar mit einer anderen, indes in der modernen Forschung kaum wahrgenommen Position zum ursprünglichen Verhältnis von Mauer und Pomerium zu tun: Das erste Pomerium als der gesamte Bereich innerhalb der ersten, rituell begründeten Stadtmauer.85 Neben Varro sind auch die weiteren Stellen, welche als Belege für ein Pomerium ausschließlich innerhalb der Mauer herangezogen wurden, in dieser Frage zumindest unklar: Dies gilt etwa für das stark fragmentarische Zeugnis des Festus, der das Pomerium von pro + murus (promurium) ableitet, als Alternative aber auch die varronische Herleitung von post + murus nennt: Auf lexikalischer Ebene ist schlicht nicht sicher zu sagen, aus welcher Perspektive das Pomerium „hinter“ bzw. „vor“ der Mauer gelegen haben soll.86 Der Epitomator Paulus Diaconus versieht dies zumal noch mit der Erklärung id est proximum muro, wobei die Frage nach innen oder außen völlig in den Hintergrund tritt. Drei Indizien deuten sogar eher 84 Das
post ea auf einen Bereich außerhalb des murus hin zu deuten, wie es etwa Gilbert 1883–1890, I, 116 f., versucht hat, kann nicht überzeugen. Die abweichende Deutung ist vielmehr ein Beispiel dafür, wie in dieser Diskussion häufiger Widersprüche zwischen verschiedenen Zeugnissen nivelliert wurden. 85 Vgl. hier auch das in Kap. 2.1.1 c) erwähnte Juvenal-Scholion (Schol. Iuv. 9,11: pomeria loca appellantur, quae intra muros sint, hoc est pone muros.). 86 Fest 294 L: „Pomerium: Bei den Alten wurde ein Bereich um die Mauern herum freigelassen, nicht etwa auf der Innenseite, damit man die Bebauung nicht direkt anschließe, sondern damit ein Freiraum da wäre, um die Schlachtreihen aufzustellen, wurde außerhalb der Mauern etwas frei gelassen. Diesen Bereich nannten sie Pomerium, so wie postmerium, daher, dass es hinter der Mauer lag.“ Die hier von Sueton genannte, aber verworfene Position, ist vermutlich jene des Livius, nach welcher das Pomerium ursprünglich ein unbebauter Streifen beiderseits der Mauer war.
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auf eine vorausgesetzte extramurale Lage des Pomerium: Zunächst natürlich die Entstehungszeit des Textes, in der das Pomerium faktisch unstreitig außerhalb der Mauer lag (anderes hätte somit eigentlich eines ausdrücklichen Hinweises bedurft), zweitens die Thematisierung von Pomeriumerweiterungen offenbar unabhängig von Erweiterungen der Stadtmauer und drittens die Tatsache, dass der Autor – korrekte Ergänzung vorausgesetzt – den Umstand betont, dass Pomerium verlaufe in seiner Zeit durch bebautes Gebiet. Die beiden ersten dieser drei Indizien lassen sich auch auf die weiteren hier relevanten Zeugnisse übertragen, wobei aber jeweils noch absolute Lokalisierungen des Ur-Pomerium als weiterer Aspekt hinzukommen: Bei Gellius, wo sich ebenfalls ein uneindeutiges Präpositionalgefüge (pone muros) findet, legt die Verortung des ersten Pomerium am Fuß des Palatinhügels (Palati montis radicibus) sehr nahe, dass „hinter der Mauer“ hier im Sinne von „außerhalb der Mauer“ zu verstehen ist: Die erste Siedlung Roms wurde bekanntlich traditionell oben auf dem Palatin lokalisiert.87 Gleiches gilt schließlich auch für die Variante des Tacitus, der ausführlich den Verlauf des Ur-Pomerium in den Tälern um den Palatin beschreibt und nicht etwa auf dem Hügelplateau (per ima montis Palatini).88 Es lassen sich nun mindestens zwei moderne Überlegungen nennen, welche die fragwürdige Vorstellung einer ursprünglich intramuralen Lage des Pomerium nahegelegt haben dürften. Zum einen ist in diesem Kontext stets auf den erwähnten Umstand verwiesen worden, dass der Aventin nach den übereinstimmenden Aussagen einer Reihe von Quellen bis zur Pomeriumerweiterung des Claudius zwar innerhalb der Stadtmauer, aber außerhalb des Pomerium gelegen habe. Dies ist jedoch erstens für die Frage nach dem ursprünglichen Pomerium überhaupt nicht relevant, da die Servianische Mauer, wie es auch in der Benennung nach Servius Tullius zum Ausdruck kommt, in der Überlieferung gar nicht mit der Stadtgründung verbunden wurde. Außerdem ist die Annahme nicht zwingend, das Pomerium müsse sich ursprünglich in jedem Teil seines Verlaufs auf der gleichen Seite der Mauer befunden haben. Dies ist vielmehr eine unbewiesene Prämisse, die zudem ebenfalls von den scheinbaren etymologischen Zusammenhängen beeinflusst zu sein scheint. Ein weiteres Argument rekurriert auf die angeblichen rechtlichen Funktionen des Pomerium. So haben andere Gelehrte argumentiert, das Pomerium könne noch in der Republik nur innerhalb der Stadtbefestigung gelegen habe, weil innerhalb des vom Pomerium angeblich eingehegten Friedensbereichs weder Waffen noch die militärische Befehlsgewalt legal gewesen
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Aus diesem Grund waren einige der ältesten Forscher der Ansicht, das von Tacitus beschriebene und dem Romulus zugeordnete Pomerium sei gar nicht das erste Pomerium, sondern stelle bereits eine Erweiterung der ursprünglichen Roma quadrata dar, vgl. z. B. Niebuhr 1828, 319; Ambrosch 1839, 137 Anm. 3. 88 Tac. ann. 12,24.
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wären.89 Diese Ansicht selbst ist jedoch, wie noch an anderer Stelle deutlich werden wird, schon für die republikanische Zeit zu hinterfragen, in keinem Fall aber ohne weiteres auf die Frühzeit übertragbar.90 Und selbst wenn man diese Regel als gegeben voraussetzte, ließe sich einwenden, dass im seltenen Ausnahmefall einer Belagerung der Stadt die üblichen Beschränkungen zu Waffen und militärischem Befehl ausgesetzt worden sein könnten. Die Quellenlage zu solchen Situationen ist zudem äußert dürftig.91 Es ist somit zweifelhaft, ob die in der modernen Diskussion relativ prominent vertretene Auffassung vom Pomerium als einer intramuralen Grenze in der Antike existierte. Dies ändert jedoch, wie nun deutlich werden soll, nichts an der Tatsache, dass der Pomeriumbegriff bereits in der antiken Diskussion auch in der Frage seines ursprünglichen Verhältnisses zur Stadtmauer ausgesprochen uneindeutig war. b) Ein Pomerium beiderseits der Mauer Eine in der Forschung vertretene Position, die recht eng an antike Vorläufer anschließt, ist jene, welche das ursprüngliche Pomerium als einen zu beiden Seiten der Mauer von Bebauung freigelassenen Raum versteht. Dies zeigt sich vor allem anhand der Darstellung des Livius, der an dieser Stelle sehr klar ist: Pomerium, verbi vim solam intuentes, postmoerium interpretantur esse; est autem magis circamoerium, locus quem in condendis urbibus quondam Etrusci, qua murum ducturi erant, certis circa terminis inaugurato consecrabant, ut neque interiore parte aedificia moenibus continuarentur, quae nunc volgo etiam coniungunt, et extrinsecus puri aliquid ab humano cultu pateret soli. Hoc spatium, quod neque habitari neque arari fas erat, non magis quod post murum esset quam quod murus post id, pomerium Romani appellarunt; et in urbis incremento semper, quantum moenia processura erant, tantum termini hi consecrati proferebantur.92 89
So argumentieren etwa Magdelain 1976, 73 f. (=1990: 157) und Sandberg 2001, 143 f. 90 Siehe Kap. 3.3. 91 Vgl. ausführlich Sisani 2014, 393. 92 Liv. 1,44,4 f.: „Das Pomerium wird von denen, die nur die wörtliche Bedeutung (verbi vim) im Auge haben, als postmoerium (Raum hinter der Stadtmauer) gedeutet. Es ist aber eher ein circamoerium (Raum zu beiden Seiten der Stadtmauer), ein Streifen, den einst die Etrusker bei der Gründung ihrer Städte dort, wo sie die Stadtmauer ziehen wollten, nach Einholung des Auguriums durch exakte Abgrenzung nach beiden Seiten hin für heiligen Boden erklärten: auf der Innenseite durfte nicht bis an die Mauer heran gebaut werden – heute verbindet man die Häuser allgemein sogar direkt mit der Stadtmauer –, und an der Außenseite musste ein Stück Land von der Nutzung durch Menschen frei bleiben. Diesen Raum, der weder bewohnt noch gepflügt werden durfte, nannten die Römer Pomerium, ebensowohl weil es hinter der Mauer als auch weil die Mauer dahinter
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Das Pomerium ist nach Livius also eigentlich ein circamoerium, ein auf beiden Seiten der Mauer von jeglicher Bebauung ausgenommener Raum, selbst wenn dies zu seiner Zeit zumindest auf der Innenseite nicht mehr vollständig beachtet werde. Die Etymologie sei also irreführend. Livius’ Darstellung impliziert somit eine ursprünglich feste Bindung des Pomerium an die Mauer. Daher seien auch Pomeriumerweiterungen eigentlich in den Zusammenhang von Erweiterungen des ummauerten Stadtgebietes einzuordnen. Es ist unwahrscheinlich, dass es sich hier um eine alleinige Meinung des Livius handelte. Dieselbe Position klingt etwa auch explizit in Suetons Pomeriumdefintion an, wo sie indes verworfen wird (non interius, ne iungeretur aedificiis).93 Der spätantike Kommentator des Frontinus berichtet zudem immerhin davon, dass in manchen Städten auch innerhalb der Mauern aus Gründen der Instandhaltung ein freier Bereich existiere, auch wenn dieser hier vom Pomerium im engeren Sinn unterschieden wird (sed aliquibus urbibus et intra muros simili modo est statutum propter custodiam fundamentorum).94 Auf diese beiden Stellen wird unten ausführlicher eingegangen werden. Ferner wird die entsprechende Auffassung – freilich neben anderen – auch noch in spätantiken bzw. mittelalterlichen Glossarien überliefert.95 Insgesamt zeigt sich somit, dass die Vorstellung eines Pomerium beiderseits der Mauer zwar an relativ wenigen Stellen greifbar ist. Sie ist jedoch schon bei einem relativ frühen Autor belegt und offenbar auch bis in die Spätantike nicht aus der Diskussion verschwunden. Es ist darum auch durchaus plausibel, wenn gerade in der ältesten Forschung diese „livianische“ Position lange die verbreitetste war96, auch wenn Mommsen sie dann polemisch als „Spitzfindigkeit […] der augusteischen Zeit“97 verwarf. Entsprechend verteidigt wurde das „doppelte“ Pomerium gegen diesen Vorwurf allerdings besonders von H. Nissen und
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war. Und immer, wenn sich die Stadt ausdehnte, wurden diese geheiligten Grenzen entsprechend der geplanten Ausdehnung der Stadtmauer vorverlegt.“ Suet. prata 313,7 Roth. Commentum ad Frontinum 17 f. L (= 66 C). CGL II 379: ὁ ἐντὸς ἢ ἐκτὸς τεíχους κῆπος pomarium, wo allerdings bereits eine Vermischung mit der auch in anderen Glossen belegten Herleitung des Wortes pomerium von pomum zu beobachten ist, vgl. etwa VI 146,8 und V 234,27: Pomerium locus ipse arborum; V 576, 33: Pomerium locus proximus mari vel muri ubi arbores pomarum. Ähnliches ist vielleicht auch bei CGL IV 554, 37 gemeint (Pomoerium spatium quod circa muros est; auch Livius verwendet circa in diesem Sinne). Unmissverständlich wird ein Pomerium auf beiden Mauerseiten beschrieben bei Tzetz. Allegoriae Iliadis 8,86: Πωμήριον λατινικῶς λέγεται τὸ ἀπὸ τῆς τάφρου μέχρι τοῦ τείχους διάστημα, καì τὸ ἐντὸς ἀπὸ τοῦ τείχους μέχρι τῶν οἰκιῶν. Zu diesen Stellen vgl. Kap. 2.1.1 b) Anm. 26. Für weitere, in dieser Hinsicht unklare Zeugnisse aus den Glossarien vgl. Lugli 1952, 117. Z. B. Müller 1828, III, 6, 9 (147–149); Becker 1843, 96; Schwegler 1853, 447. Mommsen 1876, 42 (= 1879, 26 f.); er spricht ebd. von der „in der Regel“ vertretenden Position.
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A. Nissen.98 Während andere gerade die archäologischen Befunde zu unbebauten Streifen beiderseits der Mauer auf den ursprünglichen Pomeriumbegriff bezogen99, verwies Blumenthal in seinem RE-Artikel gerade auf die provinziale Herkunft des Autors und dessen Beobachtung der Grenzen in den Colonien als Grund für dessen angeblichen Irrtum.100 Derartige Erklärungen machen freilich nur dann Sinn, wenn anderen Autoren ein unmittelbarer Zugang zu den früheren Verhältnissen zugesprochen wird, was jedoch nicht zu beweisen ist. Außerdem zeigt die Stelle ausdrücklich, dass die abweichenden Auffassungen anderer Livius durchaus bekannt waren. Dessen Position kann daher nicht kurzerhand der Status einer innerhalb der antiken Diskussion zumindest vertretbaren Position abgesprochen werden. c) Ein Pomerium außerhalb der Mauer Wieder anders verhält es sich bei der Lokalisierung des frühzeitlichen Pomerium außerhalb der Mauer, wobei eine ursprüngliche Verbindung oder Korrelation mit dieser ebenfalls vorausgesetzt wird. Diese Ansicht wurde allerdings von weniger und zudem weniger einflussreichen modernen Gelehrten vertreten, als die bisher betrachteten Positionen.101 Oftmals wird das extramurale Pomerium als Grenzbereich, welches – wie bereits dargestellt – aus den allermeisten späteren Zeugnissen deutlich hervortritt, von den modernen Vertretern anderer Definitionen nur als Ergebnis einer ebenfalls erst späten Bedeutungsverschiebung anerkannt. Doch auch wenn Mommsen auch hier wieder ähnlich scharf urteilte, es gebe nämlich „kein einziges irgend in Betracht kommendes Zeugniss“, welches das Pomerium klar außerhalb der Mauer ansiedele102, kann sich auch diese Position durchaus auf Aussagen einiger durchaus ernstzunehmender antiker Autoren stützen, die auch das ursprüngliche und republikanische Pomerium als extramural darstellen. Dazu sei zunächst erneut verwiesen auf die oben zitierten Aussagen des Festus sowie vor allem des Tacitus und des Gellius. Bei ersterem, und vielleicht auch schon bei dem Autor seiner Vorlage, Verrius Flaccus, spricht aus den oben genannten Gründen viel für ein Pomerium außerhalb der Mauer. Tacitus und Gellius verorten das erste Pomerium am Fuße des Palatin bzw. in den umliegenden Tälern: per ima montis Palatini bzw. Palati montis radicibus. Es scheint kaum plausibel, dass etwa 98
Nissen 1877, 466–77; Nissen 1885, 59–51; Thulin 1909, 10–17; auch noch Milani 1987, 7. 99 Zum „Pomerium“ in Pompeji z. B. Della Corte 1913; Kockel 1983, 11–14. Für Entsprechendes in Ostia vgl. z. B. die bei Stevens 2017, 28 Anm. 69, genannte Lit. 100 Blumenthal 1952, 1869. 101 Z. B. Gilbert 1883–1890, I, 114–130; Detlefsen 1886, bs. 508 f.; Besnier 1926, 543 f.; Basanoff 1939, 14–20; Le Gall 1959, bs. 50; Laurence 1993, 80. 102 Mommsen 1876, 42 (nicht wortgleich und ausführlicher 1879, 26–29).
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Tacitus den von ihm sogar noch genauer beschriebenen Umlauf um den Palatin innerhalb einer Stadtmauer verortet wissen wollte.103 Man kann freilich einwenden, dass zumindest bei Festus und Gellius der ursprüngliche Zusammenhang mit der Mauer sich wesentlich auf einen sprachlichen zu beschränken scheint und bei Tacitus sogar ganz fehlt. Zumindest letzterer ist also eher als Vertreter einer wieder anderen Position zu werten, nämlich eines von der Mauer unabhängigen, wenn auch faktisch ursprünglich außerhalb liegenden Pomerium. Auf diese Position, die ebenfalls in der Forschung vertreten wird, wird noch einmal gesondert zurückzukommen sein. Andere antike Autoren stellen jedoch recht deutlich einen konzeptionellen Zusammenhang zwischen Mauer und Pomerium her, auch wenn sie dieses außerhalb ansiedeln. Das bei Lukan, also für ein spätrepublikanisches Szenario erwähnte Pomerium ist klar als vor der Mauer liegend zu verstehen. Im Rahmen einer durch unheilvolle Vorzeichen veranlassten rituellen Umgehung der Stadt wird das Pomerium an seiner Außengrenze umrundet (urbem / ambiri et festo purgantes moenia lustro / longa per extremos pomeria cingere fines). Auch die von Mommsen als per se „unnatürlich“104 verworfene Möglichkeit, einen außerhalb der Mauer befindlichen Bereich als post murum zu bezeichnen, findet sich – ebenso wie bei Livius – auch ausdrücklich in dem bereits kurz erwähnten Fragment aus einer antiquarischen Schrift Suetons: Pomerium: locus apud antiquos circum muros reliquebatur, non interius, ne iungeretur aedificiis, sed ut esset aliquid vacui ad instruendas acies extra muros aliquid reliquebatur. Hunc locum appellabant pomerium, veluti postmerium, eo quod esset post murum.105 Und auch Livius, der – wie erläutert – das ursprüngliche Pomerium beiderseits der Mauer verortet, schränkt dies doch immerhin dahingehend ein, dass in seiner eigenen Zeit die Häuser auf der intramuralen Seite dennoch bis an die Mauer 103
Vgl. auch Kent 1913, 20. Mommsen 1876, 42. 105 Suet. prata 313,7 Roth: „Pomerium: Bei den Alten wurde ein Bereich um die Mauern herum freigelassen, nicht etwa auf der Innenseite, damit man die Bebauung nicht direkt anschließe, sondern damit ein Freiraum da wäre, um die Schlachtreihen aufzustellen, wurde außerhalb der Mauern etwas frei gelassen. Diesen Bereich nannten sie Pomerium, so wie postmerium, daher, dass es hinter der Mauer lag.“ Die Möglichkeit, bezüglich des post beide Blickrichtungen – von innen wie von außen – einzunehmen, behauptet im Übrigen auch Livius ausdrücklich, bei dem dies freilich mit seiner These zusammenhängt, das Pomerium sei eigentlich ein sich beiderseits der Mauer erstreckender Streifen. Bei Plutarch, der wahrscheinlich Varro rezipierte, schließlich liegt das Pomerium nur insofern „hinter der Mauer“, als es selbst die Linie darstellt, die dessen Verlauf markiert. 104
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herangerückt seien. Dies impliziert, dass sich das Pomerium auch für Livius faktisch als ein in erster Linie extramuraler Raum darstellte. Ferner ist aus diesem Grund zu vermuten, dass sich seine explizite Kritik an jenen, die lediglich auf die Etymologie des Wortes verwiesen (verbi vim solam intuentes), nicht allein gegen die Definition Varros, sondern zumindest teilweise auch gegen die Auffassung richtete, dass Pomerium sei allein außerhalb der Mauer zu verorten. Im Hinblick auf die für die Autoren gegenwärtige, durch die Grenzsteine markierte Lage des Pomerium in Rom war die Situation spätestens seit der Erweiterung des Claudius ohnehin klar. Es verwundert daher nicht, wenn ein dieser Situation entsprechendes Begriffsverständnis auch bei den meisten späteren Autoren unmissverständlich hervortritt, wobei diese freilich meist nicht die Frühzeit und zudem auch andere Städte als Rom in den Blick nehmen. Hier sei auf die im Zusammenhang mit der Zweidimensionalität des Pomerium bereits zitierten Autoren verwiesen, insbesondere Florus, Apuleius und Ammianus Marcellinus. Die Pomeriumdefiniton aus dem spätantiken Kommentar zu Frontinus ist in dieser Reihe lediglich die ausführlichste und eindeutigste: Pomerium urbis est, quod ante muros spatium sub certa mensura demensum est. Sed aliquibus urbibus et intra muros simili modo est statutum propter custodiam fundamentorum.106 Sie deutet zwar auch die Möglichkeit an, zusätzlich den in einigen Städten innerhalb der Mauer freigelassenen Streifen in Zusammenhang mit dem Pomerium zu bringen. Insgesamt scheint es sich aber bei der extramuralen Verortung des Pomerium klar um die mehrheitliche Meinung der antiken Autoren, besonders ab dem 2. Jh. n. Chr. zu handeln, die allerdings wahrscheinlich schon bei Livius zumindest aufgegriffen wird – wenn auch ablehnend. Dabei ist freilich stets deutlich, dass auch für diese Position keine hinreichenden Argumente vorliegen, die es rechtfertigen würden, gerade hierin ein besonders traditionelles Verständnis und nicht einen bloßen Rückschluss aus scheinbarer Etymologie und gegenwärtiger Situation zu erkennen.
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Commentum ad Frontinum 17 f. L (= 66 C): „Das Pomerium einer Stadt ist der Raum, der vor den Mauern in einer bestimmten Breite abgemessen ist. Aber in einigen Städten ist ein Raum von ähnlicher Art auch innerhalb der Mauern festgelegt der Bewahrung der Fundamente halber.“
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d) Das Pomerium als Mauerlinie und als Gebiet intra muros Eine wieder andere eindeutig fassbare Auffassung aus der antiken Diskussion, die in der bisherigen Forschung weniger beachtet wurde107, ist die zu Beginn vorgestellte Darstellung des Plutarch, die zugleich den einzigen eindeutigen Beleg für ein ausschließlich lineares Verständnis des Pomerium darstellt. Sie kommt jener hier rekonstruierten Auffassung des Varro relativ nahe und beruht vielleicht auf einer ungenauen Lektüre eines Varrotextes, da Plutarch im thematischen Kontext und allgemein häufig auf Varro verweist. Bei Plutarch ist aber, wie gesagt, das Pomerium nicht das rituell markierte Stadtgebiet insgesamt, sondern es ist identisch mit der Ersten Furche (sulcus primigenius), auf welcher dann die erste Stadtmauer errichtet wird. In ihrem Verlauf fallen erstes Pomerium und erste Stadtmauer also völlig zusammen. In dieser Weise haben dann ja, wie gesehen, auch moderne Interpreten die oben zitierte Varrostelle gedeutet, wobei sie jedoch der daraus sich ergebenden, fast vollständigen Gleichsetzung von erster Stadtmauer und Pomerium dadurch zu entgehen suchten, dass sie Varros murus als rein symbolische, zweite Mauer deuteten. Tatsächlich stellt die Position Varros selbst, wenn sie hier korrekt rekonstruiert wurde, eine weitere, wieder andere Auffassung dar, die zudem auch in dem zitierten Scholion zu Juvenal wieder aufzutauchen scheint: die Auffassung also, dass mit Pomerium der Gesamtbereich innerhalb der ersten Mauer bezeichnet worden sei. Auf den Umstand, dass beide Versionen gleichermaßen auf einer zweifelhaften Etymologie sowie einer ebenso zweifelhaften Bindung an das Pflugritual aufbauen, ist im ersten Teil bereits eingegangen worden, ebenso darauf, dass die Position in der Forschung kaum eine Rolle gespielt hat. e) Das Pomerium als von der Mauer unabhängige Grenze Auffallend ist insgesamt, dass nicht nur bei Plutarch und Varro, sondern bei den allermeisten genannten Autoren eine zumindest ursprüngliche Bindung des Pomeriumverlaufs an die Stadtmauer ausdrücklich behauptet oder wenigstens impliziert scheint: Bei Livius ist, wie gesehen, die Lokalisierung des Pomerium als Streifen beiderseits der Mauer nicht zu trennen von einer Bindung an deren Verlauf, die seiner Aussage nach zumindest bei frühen Erweiterungen auch noch Bestand hatte. Ähnlich enge Verbindungen zwischen beiden Grenzverläufen 107
Relativ nah kommen dieser Auffassung – auf je verschiedene Weise – Stevens 2017, 23–30 (Das Pomerium sei eine Linie, die zeitlich vor dem sulcus da war und mit diesem dann bis auf die Torlücken zusammenfiel; die Trennung sei später durch Erweiterungen zustande gekommen) und Blumenthal 1952, 1868–1870 (Das Pomerium sei praktisch identisch mit dem sulcus – es „begrenzt die Mauer gegen die Stadt“ – die Worte fossa und murus seien dabei symbolisch zu verstehen; grundsätzlich sei von Abweichungen der tatsächlichen Mauer durch Gelände und praktische Erfordernisse auszugehen, wobei er sich nicht auf eine Seite der Mauer festlegt).
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scheinen auch bei Sueton und dem Frontinus-Kommentator impliziert zu sein, zumal laut deren Aussagen – wie bei Livius – das Pomerium überhaupt nur als eine funktionale Ergänzung zur Mauer eingerichtet wurde. Ein solches Verständnis liegt auch bei Autoren nahe, welche das Pomerium als Grenzstreifen außerhalb der Mauer ansehen, also etwa bei Lukan, dann auch bei Florus und Apuleius, sowie schließlich bei Ammianus Marcellinus und den übrigen spätantiken Belegstellen. Außerdem zeigt der Umstand, dass die Situation des Aventin – innerhalb der Mauer, außerhalb des Pomerium – überhaupt als erklärungsbedürftig galt, wie es die Zeugnisse Senecas108 und des Gellius zeigen, dass eine so gravierende Abweichung der beiden Grenzverläufe trotz der kaiserzeitlichen und womöglich auch schon in der späten Republik vorgenommenen mauerunabhängigen Erweiterungen des Pomerium nicht als „normal“ oder gar als ursprünglich wahrgenommen wurde. Auch Gellius erklärt immerhin, dass es zu derart deutlichen Abweichungen erst im Zuge späterer Erweiterungen von Mauer und Pomerium gekommen sei, woraus sich recht deutlich ergibt, dass sie in seiner Vorstellung zumindest ursprünglich weitgehend korrespondiert haben müssten. Dies liegt bei der angedeuteten Ableitung von „pone muros“ auch nahe. Ähnliches ist sogar noch in der Historia Augusta zu beobachten, wo vom Bau der Aurelianischen Mauer die Rede ist: Trotz des Baus einer neuen Stadtmauer habe Aurelian „zum Pomerium“ zunächst nichts „hinzugefügt“ (pomerio addidit), da ihm dazu anfangs noch die Berechtigung gefehlt habe, die er sich erst durch Eroberungen habe erwerben müssen. Auch hieraus ergibt sich, dass der Autor zwar vorübergehende und durch bestimmte Umstände eingetretene Abweichungen von Mauer und Pomerium kennt, diese aber als einen erklärungsbedürftigen und bei Gelegenheit zu beseitigenden Zustand betrachtet; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Pomerium und Stadtmauer hier sehr wohl als ursprünglich korrelierend angesehen werden. In dieser Frage kommen also die antiken Autoren einem Konsens schon relativ nahe. Ganz erreicht wird dieser allerdings auch hier nicht: Wie bereits kurz angesprochen repräsentiert Tacitus hier am deutlichsten eine abweichende und damit zugleich eine weitere nicht-kompatible Sicht, indem er überhaupt keinen Zusammenhang zwischen einer ersten Stadtmauer und dem ersten Pomerium herstellt: Dieses sei vielmehr (allein) Resultat des Pflugrituals und sei immer schon durch Grenzsteine markiert worden. Tacitus beschreibt auch recht detailliert dessen ursprünglichen Verlauf. Eine Stadtmauer wird indes nirgends erwähnt. Doch bei den bereits als Vertreter eines Pomerium außerhalb der Mauer genannten Autoren erscheint der Zusammenhang Pomerium-Mauer sich auf das Sprachliche zu beschränken, so nämlich bei Gellius sowie vermutlich auch bei Festus, bei den Autoren also, die im Pomerium vornehmlich eine Auspiziengrenze erblickten. Auch dieser Deutung eines von Beginn an von der Mauer unabhängigen Pomerium, welches dann faktisch überwiegend außerhalb der Mauer verortet wird, sind nicht 108
Sen. De brevitate vitae 13,8.
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wenige moderne Gelehrte ausdrücklich gefolgt.109 In der Sache, d. h. im Hinblick auf die tatsächliche Herkunft des Pomeriumbegriffs, ist diese Hypothese auch vielleicht die am wenigsten unwahrscheinliche. Für die hier verfolgte Fragestellung entscheidend ist aber, dass diese Ansicht in der antiken Diskussion eine klare Minderheit gegenüber der gegenteiligen Ansicht repräsentiert und dass ferner auch diese ohne weiteres allein auf der Anschauung gegenwärtiger Verhältnisse beruhen kann. Bei Tacitus kommen dafür gleich mehrere Gesichtspunkte in Betracht: Die Praxis, dass Pflugritual zu vollziehen und die Furche durch Steine zu markieren wurde offenbar in Colonien angewandt, ohne dass dort auch eine Mauer errichtet wurde. Der Verlauf des Pomerium dürfte von der Lage des im Text genannten Stierbildes auf dem Forum Boarium sowie von der Route des alljährlichen Luperkerlaufs geprägt sein.110 Und auch die Pomeriumerweiterungen des 1. Jh. n. Chr. hatten ja offensichtlich ganz unabhängig vom Verlauf der Servianischen Mauer stattgefunden. Es leuchtet ein, dass Tacitus, der auch keine etymologische Herleitung von murus vornimmt, keinen Ursprungszusammenhang von Pomerium und Stadtmauer voraussetzt. Selbst wenn also, wie es durchaus plausibel scheint, das Pomerium tatsächlich eine von der Mauer immer schon unabhängige Grenze dargestellt haben sollte, dann ist doch das Zeugnis des Tacitus als Beleg dafür nicht geeignet. Es stellt vielmehr mit großer Wahrscheinlichkeit auch nur ein weiteres Beispiel kreativer Rückprojektion dar. f ) Fazit Folgendes lässt im Hinblick auf die Lage des ursprünglichen Pomerium im Verhältnis zur Mauer als Fazit formulieren: Zunächst sind von den – grob gefasst – vier in der Forschung hauptsächlich diskutierten Varianten nur drei in der antiken Diskussion zweifelsfrei greifbar: Dabei handelt es sich um jene, laut derer sich das Pomerium auf beiden Seiten der Mauer erstreckte, ferner jene, welche das Pomerium außerhalb der Mauer doch ebenso in Korrelation mit derselben sieht, 109
Z. B. Burn 1871, 53; Richter 1901, 32 f.; Antaya 1980; R adke 1980, bs. 27; Goodman 2007, 60–62; Sisani 2014; Mignone 2016, 429 Anm. 11. Ein ähnliches Verständnis liegt aber wohl faktisch auch bei den meisten jener Gelehrten vor, die sich in dieser Frage – mit guten Gründen – nicht klar positionieren, so z. B. Catalano 1978, 479–485; Patterson 2000, 88, Richmond / North / L intott 2012; Gargola 2017 z. B. 126, 130 f. u. v. a. 110 Den Verdacht, die Route des Luperkerlaufs könne Tacitus beeinflusst haben, äußerte bereits Platner 1901, 425; ähnlich auch z. B. Magdelain 1976, 78 f. (=1990, 162). Andere haben indes gerade hierin eine Bestätigung gesehen, dass es sich tatsächlich um den Verlauf des ersten Pomerium gehandelt habe, so etwa Jordan 1878, 162 f. und auch noch jüngst Carlà 2015, 624 f. Allgemein zur modernen Kritik an Tacitus’ Darstellung des Ur-Pomerium vgl. die sehr frühen Beispiele Kap. 2.1.2 a) Anm. 87 sowie Boatwright 1984.
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und schließlich jene, welche davon ausgeht, dass (auch) anfänglich kein bewusster Zusammenhang zwischen Mauer- und Pomeriumverlauf bestanden habe. Doch diese Positionen schließen sich nicht nur überwiegend wechselseitig aus, sondern ihre antiken Vertreter nehmen in mindestens zwei Fällen auch explizit widersprechend aufeinander Bezug.111 Hinzu kommen in der antiken Diskussion zudem eine vierte und vermutlich auch eine fünfte Position, welche die moderne Forschung überwiegend ignoriert hat: Das Pomerium als die ursprüngliche Mauerlinie (Plutarch) sowie das Pomerium als Bezeichnung für eine räumliche Gesamtheit innerhalb der ersten Mauer (Varro, Juvenal-Scholion). Es ist also einerseits festzuhalten, dass die Frage nach der Lage des frühzeitlichen Pomerium im Verhältnis zur Mauer bereits in der Antike äußerst uneinheitlich beantwortet wurde und dass eine Harmonisierung der Zeugnisse in keiner denkbaren Richtung überzeugen kann. Andererseits ist festzustellen, dass die moderne Forschung zwar im Grundsatz die antike Diskussion fortgesetzt hat, dabei aber mit dem Ziel einer möglichst weitgehenden Harmonisierung der Zeugnisse sowohl bestimmte antike Positionen weitgehend unberücksichtigt gelassen hat als auch selbst mindestens eine neue Deutung entwickelt und in die antiken Zeugnisse hineininterpretiert hat. Darüber hinaus wurde immer wieder deutlich, warum keine der genannten Positionen in dem Sinne einen Vorrang vor den anderen beanspruchen kann, dass hier so etwas wie das traditionelle Verständnis wiederzufinden wäre. Denn was bereits in der Frage der Substanz beobachtet wurde, gilt nun in diesem Kontext umso mehr: Entscheidendes Argument in den allermeisten antiken Aussagen zum ursprünglichen Lageverhältnis Mauer-Pomerium ist eine angebliche Etymologie des Wortes pomerium, über welche man zur ursprünglichen Bedeutung vordringen zu können hoffte. Dies gilt sogar für Festus und Gellius, wobei beide bis auf den sprachlichen offenbar keinen in der Sache begründeten Zusammenhang zwischen Mauer und Pomerium herstellen. Hinzu kommt, dass die eigene Anschauung gegenwärtiger Verhältnisse einen nicht ermessbaren Einfluss auf die Ansichten der antiken Autoren besessen haben muss: Die Grenzsteine des römischen Pomerium befanden sich, wie gesagt, spätestens seit Claudius außerhalb der Servianischen Mauer; Freiräume zu einer oder zu beiden Seiten einer Befestigung gab es zweifelsfrei in anderen antiken Städten als Rom. Auf diese Weise ist auch leicht erklärbar, wie Tacitus zu seiner von der murus-Etymologie unabhängigen Sicht gelangen konnte. Es ist vielmehr damit zu rechnen, dass es sich hier wie auch in anderen Fällen primär um Rückprojektionen aus gegenwärtigen oder jedenfalls späteren Verhältnissen auf die Frühzeit handelt. Und schließlich sind die Widersprüche in den Quellen wohl nicht zuletzt der ungenauen Rezeption anderer Autoren geschuldet, die in nicht sehr viel früherer Zeit schrieben und deren Positionen auf ähnliche Weise entstanden sein dürften. Somit lässt sich zwar eine Diskussion mit Interventionen aus der späten Republik bis in die Spätantike teilweise nachvollziehen; dies bietet jedoch 111
Liv. 1,44,4; Suet. prata 313,7 Roth.
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keine hinreichende Grundlage, um zu entscheiden, wo das Pomerium traditionell verortet wurde, ganz zu schweigen von den tatsächlichen Ursprüngen des Begriffs Pomerium. Die antiken Aussagen zur Lage des ursprünglichen Pomerium sowie zu den Erweiterungen der Frühzeit sind so tiefgreifend von scheinbaren etymologischen Herleitungen sowie von der Beobachtung jeweils gegenwärtiger Verhältnisse geprägt, dass sie im Kern als Ergebnis antiquarischer Spekulation anzusehen sind. Selbst für die Bestimmung der Lage des spätrepublikanischen Pomerium ist die Quellenbasis sehr dürftig; zusammengenommen sprechen die Indizien wohl eher für eine Lage außerhalb, aber nicht weit entfernt von der Servianischen Mauer, mit Ausnahme des Aventin, der, wie es scheint, bis 49 n. Chr. außerhalb des Pomerium verblieb.112 Noch hypothetischer muss die Antwort für die noch frühere Zeit ausfallen, wobei die antike Diskussion aus den erläuterten Gründen kaum weiterhilft. Bei der Frage nach der Substanz des Pomerium hatte sich ja sogar herausgestellt, dass die aufgrund moderner etymologischer Überlegungen und gängiger Muster metonymischer Bedeutungsübertragung ein ursprünglich lineares Verständnis des Pomerium durchaus plausibel ist, obwohl in der antiken Diskussion zweidimensionale Definitionen überwiegen. Nicht unähnlich verhält es sich nun auch in der Frage nach dem Lageverhältnis von Mauer und Pomerium. Die plausibelste Vermutung bezüglich der älteren Verhältnisse ist nämlich gerade jene, die sich aufdrängt, wenn man von in den Quellen so prominenten angeblichen etymologischen Zusammenhängen zwischen Pomerium und Mauer absieht: Es ist dies die Annahme, dass Pomerium und Mauer ursprünglich zwei völlig voneinander getrennte Konzepte von Grenzen darstellten, weshalb sie auch in ihrem Verlauf nicht aneinander gebunden waren. Die gegenteilige Position, wonach ursprünglich eine feste Verbindung von Mauer und Pomerium bestand, sieht sich jedoch zwangsläufig mit größeren Problemen konfrontiert: Sie muss annehmen, dass das Pomerium erst später durch den Bau der sog. Servianischen Mauer, die im Gegensatz zum Pomerium auch den Aventin einschloss, sowie dann durch die immer weiter über die Mauer hinausreichenden Pomeriumerweiterungen der späten Republik und frühen Kaiserzeit immer mehr von der Mauer gelöst worden sei. Dies ist zwar nicht auszuschließen, aber eine ungleich aufwendigere und in keiner Weise erforderliche Erklärung. Für die Frage nach der Rolle des Pomerium in Republik und Kaiserzeit sind diese hypothetischen Überlegungen jedoch ohne Belang.
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Livius scheint (1,44,4–6) einen extramuralen Streifen vor Augen zu haben; Claudius würde sonst mit seiner Erweiterung erstmals die Mauer überquert haben.
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2.1.3 Rückblick Anhand zweier zentraler Aspekte der Definition des Pomerium sollte in diesem Unterkapitel gezeigt werden, wie sehr schon die grundlegendsten Aspekte des Begriffs in der Antike Gegenstand einer vielstimmigen Diskussion waren. In der Forschung wurde seit dem 19 Jh. versucht, diese Vielstimmigkeit durch harmonisierende Interpretationen zu reduzieren sowie durch das Verwerfen der jeweils unpassenden antiken Zeugnisse zu einer ursprünglichen Definition vorzudringen. Dabei sind zwar bestimmte in der Antike nur vereinzelt vertretene Auffassungen in der modernen Diskussion zu größerem Einfluss gelangt, etwa die Definition des Pomerium als bloßer Linie oder die Verortung des frühzeitlichen Pomerium als zweiter Grenze innerhalb der Befestigung. Andere wiederum sind weitgehend aus der Diskussion verschwunden, wie etwa die Auffassung, dass erste Pomerium sei mit der ersten Mauerlinie gleichzusetzen und hätte sich erst später davon gelöst, oder die Annahme, das Pomerium sei auch oder gar primär eine Bezeichnung für das rituell begrenzte Stadtgebiet insgesamt. Die moderne Diskussion konnte aber weder die faktische Vielstimmigkeit durch neue Interpretation als nur vordergründig erweisen noch zu einer zwingenden Rekonstruktion einer traditionellen oder gar tatsächlich ursprünglichen Definition gelangen. Dies liegt daran, dass die antiken Autoren von im Wesentlichen gleichen Voraussetzungen ausgingen und sich auf nicht viel anderes als scheinbare etymologische Zusammenhänge, Analogieschlüsse von ihnen gegenwärtigen Verhältnissen sowie die strukturell ähnlich begründeten Ansichten anderer Autoren stützen konnten.113 Es ist also – anders gesagt – nicht möglich, überhaupt einen Ausgangspunkt zu rekonstruieren, von dem ausgehend sich eine Entwicklungsgeschichte von Definitionen des Pomerium erzählen ließe.114 Dass der Begriff des Pomerium durchaus in sehr frühe Zeit zurückreichen dürfte, soll dabei gar nicht bezweifelt werden. Darauf deutet nicht allein der Umstand hin, dass grundsätzlich vergleichbare, konzentrische Kreise bildende, Grenzvorstellungen schon für deutlich ältere Kulturen greifbar sind.115 Für ein hohes Alter spricht auch gerade die genannte Tatsache, dass über die Etymologie des Wortes Pomerium bereits von den antiken Autoren nur mehr spekuliert werden konnte. Auch dass es sich dabei um eine von den Befestigungen anfänglich ganz unabhängige Grenze handelte, ist vielleicht die plausibelste An113
In dieser Hinsicht beschreibt auch Koortbojian 2020, 1–4, in seinen einleitenden Worten die Erkenntnisvoraussetzungen der römischen Antiquare durchaus zutreffend. Daher überrascht es, dass er die Prämisse einer ursprünglichen konzeptionellen Verbindung des Pomerium mit dem domi-militiae-Gegensatz als „fundamental feature of Rome’s political topography“(4) und „pomerial ideology“ (99) nicht problematisiert. Siehe dazu Kap. 3.3. 114 So versucht dies etwa De Sanctis 2019, bs. 30–33. 115 Gehrke 2007, 17 f.
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nahme zu dieser Frage, obwohl gerade diese Möglichkeit in der antiken Diskussion kaum eine Rolle spielte. Insgesamt kann die antike Diskussion zur Frage nach den tatsächlichen Ursprüngen des Pomerium, die ohnehin völlig hypothetisch bleiben müssen, jedoch wenig beitragen. Historisch signifikant kann diese Diskussion vielmehr erst dadurch werden, dass sie selbst als Teil der Rolle angesehen wird, die das Pomerium als Grenze in der späten Republik und Kaiserzeit spielte.
2.2 Pflugritual und inauguratio. Das Pomerium und das Problem seines rituellen Ursprungs In der antiken wie auch der modernen Diskussion um das Pomerium beschränkt sich dessen Vieldeutigkeit nicht auf die zuletzt behandelten basalen Fragen nach dessen Linien- oder Flächencharakter sowie nach der Lage des ursprünglichen Pomerium in Relation zur Stadtmauer. Während dazu hier wie dort, wie gesehen, außerordentlich zahlreiche und sich widersprechende Auffassungen zu beobachten sind, gilt ein damit zusammenhängender Aspekt doch zumindest in der modernen Forschung in aller Regel als unstreitig: Dies ist die Annahme, dass die Entstehung des Pomerium in der Antike mit einem oder mehreren miteinander verknüpften rituellen Konstitutionsakten im Zusammenhang mit der Stadtgründung verbunden worden sei. Diese hätten entweder tatsächlich einmal stattgefunden, oder seien von den Römern der historischen Zeit immer schon so verstanden und auf die tatsächlichen Ursprünge übertragen worden.116 Das Pomerium gilt in der Forschung somit gerade auch im Hinblick auf seinen angenommenen rituellen Ursprung als eine im Kern religiöse Institution. Nun findet sich diese Auffassung zwar in dieser Allgemeinheit auch in den meisten antiken Zeugnissen zum Ursprung des Pomerium
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Die Frage nach dem tatsächlichen Ursprung der Institution des Pomerium ist davon natürlich zu unterscheiden und wird, wie hier insgesamt deutlich werden soll, mangels geeigneter Quellengrundlage kaum mehr zu klären sein (vgl. aber Kap. 5.3). Entsprechend unbeweisbar ist auch die Vermutung einiger Gelehrter, dass dabei neben der rituellen Grenzsetzung auch die in den Tälern um den Palatin verlaufenden Bachläufe als „natürliche“ Grenzen“ eine Rolle spielten, trotz interessanter Parallelen zum etruskischen Volsinii und zum umbrischen Iguvium. Zu dieser Diskussion vgl. Sisani 2014; Citarella 1980; Adams Holland 1961. Was aber die antike literarische Tradition betrifft, so ist diese im Hinblick auf den prinzipiellen Zusammenhang der Pomerium einrichtung mit der Stadtgründung weitgehend eindeutig, auch wenn diese nicht immer mit dem zentralen Gründungsakt gleichgesetzt wird. Anders als gelegentlich behauptet wurde, führt auch Livius (1,44,4) das Pomerium nicht auf Servius Tullius, sondern auf die Stadtgründung zurück, auch wenn er dieses erst im Zusammenhang mit dem Servianischen Mauerbau und der damit verbundenen Pomeriumerweiterung erstmals erwähnt und definiert.
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wieder. Angesichts des bereits behandelten, extrem widersprüchlichen Inhalts und Charakters dieser Zeugnisse verwundert es jedoch nicht, dass über die Art des konstituierenden Rituals und über dessen genaues Verhältnis zur Stadtgründung sehr verschiedene Aussagen zu beobachten sind. Auch der rituelle Charakter der Pomeriumeinrichtung an sich tritt zwar aus den meisten, jedoch nicht aus allen Definitionen so eindeutig hervor, wie man vermuten könnte. Und schließlich wird auch die Frage nach der kulturellen Herkunft des Einrichtungsrituals und damit auch der Institution Pomerium selbst offensichtlich unterschiedlich bewertet. In der Forschung wird indes auch immer wieder versucht, ein möglichst eindeutiges Bild des in der Antike angenommen oder gar des tatsächlichen Ursprungs des Pomerium zu rekonstruieren, wobei die Vielstimmigkeit der einschlägigen Quellenaussagen oft nicht umfassend berücksichtigt, vorschnell eingeebnet, oder aber, wo dies nicht möglich ist, als Ausdruck individueller Irrtümer bzw. späterer Bedeutungsentwicklungen relativiert wird. Zugleich stellt genau dieser angenommene rituelle Charakter der ursprünglichen Pomeriumeinrichtung einen der Hauptansatzpunkte dar, an denen in der Forschung die weitergehende Vorstellung vom Pomerium als der sakralen Grenze des Stadtgebietes sowie deren im Kern apotropäischer Charakter festgemacht wird.117 Im Folgenden sollen beide Aspekte dieser Forschungslage, also die Frage nach dem Einrichtungsritual an sich sowie die nach dessen Deutung, neu mit den Quellen konfrontiert werden, um so dreierlei zu demonstrieren: An erster Stelle ist dies auch hier die faktische Vieldeutigkeit des Pomerium, welche schon bei der Frage nach der Linien- bzw. Flächengestalt des Pomerium und der Verortung des Ur-Pomerium im Verhältnis zur Mauer zu beobachten war. Es wird sich zunächst zeigen, dass alle gängigen Annahmen der Forschung über die Frage des Einrichtungsrituals sich jeweils bestenfalls bei Minderheiten der einschlä117
Nur sehr selten wird in der Forschung der spezifische Sakralcharakter des Pomerium aus Gründen erklärt, die ganz oder teilweise unabhängig vom rituellen Akt seiner Setzung sind. Ein Beispiel ist Šterbenc Erker 2013, die mit Verweis auf Livius davon spricht, der Bereich innerhalb des Pomerium habe deshalb als heilig gegolten, weil sich dort „eine Fülle von Göttern“ befand. Dem ist entgegenzuhalten, dass in der entsprechenden Stelle aus der Camillus-Rede erstens nicht speziell vom Pomerium die Rede ist, sondern von der Stadt und ihrer Gründung allgemein. Zweitens ist die Aussage, dass kein Ort in der Stadt nicht voll von Göttern und religiösen Obliegenheiten sei, im Kontext der Camillus-Rede als eine rhetorische Übertreibung zu verstehen. Und drittens ist festzustellen, dass der livianische Camillus den Aspekt der Stadtgründung und den der Fülle sakraler Orte in der Stadt nur aneinanderreiht und in keiner Weise miteinander verknüpft. Es geht lediglich darum, dass weder die Stadt insgesamt noch die zahlreichen darin befindlichen Heiligtümer ohne weiteres von ihren jeweiligen Orten gelöst und verlegt werden könnten: Dies lässt Livius den Camillus dann auch mit der Bemerkung veranschaulichen, dass ja auch die Tage des Festkalenders nicht verschoben werden könnten.
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gigen antiken Zeugnisse wiederfinden, die sich zudem auch untereinander wieder in zentralen Punkten substanziell unterscheiden. Die zahlreichen Versuche der Forschung, diese Unterschiede zu minimieren, werden sich also als nicht haltbar erweisen. Vielmehr gab unter den antiken Autoren offensichtlich zu keinem historisch greifbaren Zeitpunkt eine klare Mehrheitsmeinung noch gar einen Konsens über die dem Pomerium zugrundeliegenden rituellen Handlungen; gerade auch zeitlich und gattungsmäßig nah beieinander liegende Autoren lassen sehr unterschiedliche Auffassungen zu dieser Frage erkennen. Dieser Variationsbreite der Positionen in der antiken Diskussion und insofern auch der Uneindeutigkeit des Pomerium schon für die Römer selbst wird die bisherige Behandlung der Forschung immer noch nur unzureichend gerecht. Sie hat zugleich vor allem durch fragwürdige Integrationen verschiedener Quellen auch noch neue Positionen kreiert, welche sich so überhaupt nicht in der antiken Diskussion wiederfinden. Diese faktische Vieldeutigkeit des Pomerium wird sich an zweiter Stelle auch in diesem Kontext als unhintergehbar erweisen, wie es ebenfalls schon bei der Frage nach der Verortung des ursprünglichen Pomerium festzustellen war: Dies gilt bereits für die antiken Autoren, erst recht aber für die moderne Forschung. Denn so wie schon für jene die realhistorischen Ursprünge des Pomerium unzugänglich blieben, erweist es sich für die heute Forschenden als unmöglich, in methodisch überzeugender Weise so etwas wie die traditionelle Ansicht zu diesen Fragen aus der antiken Diskussion herauszuschälen. Die einzelnen Aussagen zum Ursprung des Pomerium können somit auch nicht oder nur sehr bedingt in eine lineare historische Entwicklung sich wandelnder Auffassungen eingeordnet werden. Denn wie sich zeigen wird, ähnelt sich bei allen Unterschieden in der Sache bei den allermeisten antiken Autoren das methodisches Vorgehen und der Charakter der jeweiligen Argumente: Die unterschiedlichen Positionen zum konstituierenden Ritual des Pomerium erscheinen nämlich hauptsächlich als kreative Deutungen auf der Basis von etymologischer Spekulation, eigener Anschauung gegenwärtiger Verhältnisse und Praktiken, Analogieschlüssen und der Rezeption der auf ähnliche Weise gewonnen Ansichten anderer Autoren. Sie eignen sich daher zwar dazu, eine Diskussion vor allem der späten Republik und frühen Kaiserzeit teilweise nachzuvollziehen, nicht aber dazu, zu entscheiden, welche Konstruktionshandlung(en) ursprünglich oder traditionell mit dem Pomerium assoziiert wurde(n). An dritter Stelle soll in diesem Unterkapitel schließlich demonstriert werden, dass sich aus keiner der in den Quellen greifbaren Auffassungen zum rituellen Ursprung des Pomerium ein spezifisch „magischer“ Charakter dieser Grenze oder irgendeine Art von Sakralisierung des Stadtgebietes auf der Grundlage eines Rituals ableiten lässt. Für den von vielen antiken Autoren beschriebenen rituellen Aufwand bei der Einrichtung des Pomerium soll daher eine andere Deutung vorgeschlagen werden, welche das Pomerium enger mit anderen Grenzkonzepten der römischen wie auch griechischen Welt verbindet. Dies ist die sakrale Dimension von Grenzen an sich, unabhängig von einer sakralen Dimension des durch sie begrenzten Raumes.
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Die soeben allgemein beschriebene Forschungslage lässt sich konkret wie folgt skizzieren: Zur Frage nach der dem Pomerium zugrundeliegenden rituellen Handlung handelt es sich bei den seit dem 19 Jh. diskutierten Rekonstruktionen meist um Versuche, zwei Rituale zu einem Komplex zusammenzuführen, die in den Quellen stets getrennt voneinander thematisiert werden: Dies ist zum einen das Ritual des sulcus primigenius, bei dem mit einem Rindergespann und einem Pflug eine Furche rund um die neu zu gründende Stadt gezogen wurde. Zum anderen wird das Pomerium verbunden mit einer in den Bereich der Augurallehre gehörenden, raumkonstruierenden Handlung, bei der ein Raum primär durch Sprechakte konstituiert wurde. Im Hinblick auf das Pflugritual setzen nun sehr viele Gelehrte das Pomerium mit der rituell gezogenen Furche völlig gleich; andere sehen das Pomerium zumindest als unmittelbares Korrelat des Furchenzuges an, z. B. indem dadurch dessen Außengrenze markiert worden sei. Die oft nicht genau benannten Abweichungen zwischen diesen Positionen entsprechen den bereits behandelten Aporien bzgl. der Linien- oder Flächengestalt des Pomerium und seines Verhältnisses zur Stadtmauer, die hier nicht mehr Thema sind. Bei allen Unterschieden im Detail ist es jedoch bis heute die überwiegende Meinung der Forschung, dass das Pflugritual für das Pomerium eine irgendwie konstitutive Rolle spielte.118 Eine Minderheit von Gelehrten tritt zwar für eine räumliche Trennung von erster Furche und Pomerium ein, betrachtet beide aber dennoch als Teil eines einzigen rituellen Zusammenhangs.119 Ganz abweichende Stimmen, die diese Assoziation des Pomerium mit dem Pflugritual grundsätzlich erst als eine spätere Entwicklung ansahen, sind zwar schon in der älteren Forschung und auch bis in jüngste Zeit
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Diese Position ist in nahezu allen Beiträgen mit Überblickscharakter und auch in den meisten einflussreichen Spezialstudien mindestens seit dem späten 19 Jh. bis in jüngste Zeit präsent, wie die folgende Auswahl zeigen soll: Carlà 2015, bs. 603 f. Anm. 28; Orlin 2013, 5399; Witcher 2013, 209; Dally 2010, 133 f.; Harvey 2010; Goodman 2007, 60–62; Kolb 2002, 57; Galsterer 2001, 86; Simonelli 2001, 132; Giardina 2000, 25 f.; Liou-Gille 1993, bs. 101; Andreussi 1988; Coarelli 1988, 386; Catalano 1978, 482–486; Magdelain 1976, bs. 74 f. (=1990, 158 f.); Rykwert 1976, 134–137; Müller-Karpe 1962, 31 f.; Blumenthal 1952, 1868–1870; Labrousse 1937; 165 f.; Besnier 1926, 543 f.; Valeton 1895–1898 bs. 25, 93–109; Karlowa 1896, 3 f.; Detlefsen 1886, 508; Nissen 1885, bs. 14–16; In der Ritualfrage vage bleiben Jordan 1878, 163–174, und auch Mommsen 1876. 119 In ähnlicher Weise bereits Nissen 1877, 466–477, und der überwiegende Teil der noch älteren Literatur, in welcher ein hauptsächlich von der Definition des Livius ausgehendes Verständnis des Pomerium vertreten wird (freier Streifen beiderseits der Mauer), während der sulcus entsprechend nicht als Begrenzung oder Markierung des Pomerium gilt, sondern der Mauerlinie zugeordnet wird, siehe Kap. 2.1.2 b) Anm. 96. In jüngerer Zeit argumentieren so Cibotto 2006; De Sanctis 2007, Stevens 2017, welche das Pflugritual zumindest ursprünglich primär auf die Stadtmauer beziehen, mit Unterschieden in den Einzelheiten.
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erhoben worden, haben jedoch nie in den „Mainstream“ vordringen können120, wobei zweifellos auch der Umstand eine Rolle spielt, dass das Pflugritual zum angeblich spezifisch „magischen“ Charakter des Pomerium viel besser zu passen scheint als etwa zur scheinbar „profanen“ Stadtmauer.121 Der Aspekt des „magischen“ Charakters wird nun aber ebenso berührt durch das zweite Ritual, eine meist als inauguratio bezeichnete raumkonstitutive Handlung durch die Priesterschaft der Auguren bzw. nach deren Lehre, der Auguraldisziplin. Diese Handlung, die offenbar divinatorische Vogelschau mit bestimmten Spruchformeln und Gesten verband, wird in der Forschung als eine schwächere Art von Sakralisierung behandelt, die von der ggf. aber nicht immer folgenden, eigentlichen Weihung an eine Gottheit, der mit den Pontifices assoziierten consecratio unterschieden wird. In den Quellen wird inauguratio sehr unterschiedlich gebraucht (s. u.) und sowohl mit der Einsetzung von Priestern als auch mit kleinräumigen Arealen, sogenannten templa, assoziiert. Im Kontext des Pomerium wird sie von der Forschung oft dem Furchenzug vor-, nach- oder übergeordnet, z. B. indem der Furchenzug als deren Teilaspekt verstanden wird. Dabei werden in der Regel weder der genaue Charakter des auguralen Rituals noch das genaue Verhältnis der beiden Rituale zueinander klar expliziert und ggf. auch durchaus unterschiedlich bewertet. Dennoch ist die grundsätzliche konstitutive Rolle auch des auguralen Rituals in der Forschung eine fast ebenso verbreitete Ansicht wie jene über das Pflugritual, mit der sie meist kombiniert wird.122 Im Zusammenhang der auguralen Handlungen sind jedoch zwei klar verschiedene Forschungspositionen zu beobachten, die auch für die zweite Frage, nämlich die nach der Deutung des Pomerium als der sakralen Grenze, von Belang sind: So verstehen einige das Pomerium als einen um das Stadtgebiet verlaufenden Grenzstreifen und betrachten primär diesen als den durch das Ritual definierten und herausgehobenen Raum (locus inauguratus, was zuweilen mit locus sanctus oder gar templum gleichgesetzt wird).123 Andere sind jedoch der Ansicht, nicht das Pomerium als solches, sondern vielmehr das gesamte durch das Pomerium definierte Stadtgebiet, die auguralrechtliche urbs, sei inaugurata, habe also im Zuge der Festlegung dieser Grenze eine Art von Sakralisierung erfahren. Die angenommenen sakralrechtlichen Funktionen des Pomerium, z. B. das Verbot 120
Thulin 1909 3–17; in jüngerer Zeit z. B. Rüpke 2001, 179 f.; Sisani 2014; andeutungsweise auch Gargola 2017, 172 f. 121 Explizit z. B. bei Karlowa 1896, 3 f. 122 Ein augurales Ritual nennen in allgemeiner Form z. B. Richmond / N orth / L intott 2012; Patterson 2000, 88; Panciera 1999, 9. Grundsätzliche Unsicherheit über einer Beteiligung auguraler Handlungen an der Festlegung des Pomerium äußerte noch Wissowa 1902, 456. 123 Pomerium als „inaugurierter“ Grenzstreifen: Gargola 2017, bs. 126, 130–132, 150; Sisani 2016, 367 Anm. 31; Bendlin 2013, 463; Kvium 2011; Liou-Gille 1993, bs. 100 f.; Linderski 1986, 2156–2158; Catalano 1978, 479–485; Valeton 1895–1898, bs. 21(1893), 65–67.
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von Bestattung, Waffen und imperium im Stadtinnern, seien folglich genau auf dieses Verständnis zurückzuführen.124 Ähnliche Deutungen des religiösen Sinns dieser Handlungen – also zur zweiten Frage – werden in der Forschung freilich unabhängig von diesen je unterschiedlichen Auffassungen und Akzentuierungen hinsichtlich des konstituierenden Rituals selbst vertreten: Sowohl der Furchenzug als auch die inauguratio werden immer wieder, wenn auch oft implizit als Herstellung einer „magischen“ Grenze bzw. als eine Art von sakraler Aufladung des Stadtgebietes intra pomerium interpretiert.125
2.2.1 Pomerium und Pflugritual Das Stadtgründungsritual, bei dem ein Pflug um das zukünftige Stadtgebiet herumgeführt wird, gehört sicher zu den bekanntesten und am besten überlieferten Ritualen der römischen Religion. Besonders die Gründung von Colonien wurde auch in Bildwerken durch Darstellungen des Pflugrituals thematisiert, wie etwa in einem eindrucksvollen Relief aus Aquileia (Abb. 1).126 Auch auf Münzen unterschiedlicher Epochen wird das Pflugritual häufig dargestellt, wobei stets ebenfalls auf Gründungsakte von Colonien erinnernd Bezug genommen wird.127 124
Pomerium als Grenze der „inaugurierten“ urbs: Mignone 2016; De Sanctis 2007, 519–521; Cibotto 2006, bs. 28 f.; Giardina 2000, 24 f.; Magdelain 1977; Magdelain 1976; Besnier 1926, 543 f.; Nissen 1885, 1–27; Bouché-Leclercq 1882, bs. 190 f., 225; Nissen 1869, 6. Der Sache nach ähnlich auch die Position bei Scheid 2003, 60–62, der lediglich terminologisch abweicht; anscheinend im Widerspruch dazu allerdings Scheid 2006, 26. Gelegentlich wird der Begriff der inauguratio auch gleichermaßen auf das Pomerium wie auch auf das Stadtgebiet intra pomerium bezogen: Stevens 2017, z. B. 14, 26, 46; Simonelli 2001, z. B. 129, 138, 151. 125 Besonders explizit z. B. bei Karlowa 1896, 3 f.; Magdelain 1976, 76 (=1990, 159); Panciera 1999, 9. 126 Dazu mit weiterer Forschung Stevens 2017, 17 f. 127 Ein frühes Beispiel ist RRC I 378/1c, weitere RIC 2I 272 und 402 (Octavian), RPC I 1658 (Tiberius und Dursus), RPC I 4749 (Nero), RIC II 568 (Trajan). Vgl. hier auch Stevens 2017, 20 f. Doch wie schon Strack 1931, 130, feststellt, gehört der Typus „zu den häufigsten auf kolonialen Münzen“ und ist auch für Rom durch Commodus im Rahmen von dessen Neugründung als colonia wieder aufgegriffen worden: RIC II 570 (Commodus), und dies nicht nur auf Münzen, sondern auch in Statuenform (Cass. Dio 73,15,2). Der Annahme einer selbstverständlichen Verbindung zwischen Pflugritual und Pomerium folgend, sind die Münzen zuerst von Laffranchi 1919, als Verweise auf Pomeriumerweiterungen verstanden worden, was in jüngerer Zeit Seelentag 2004, 436–438, vorsichtig wieder aufgegriffen hat. Auch Strack, der gegen diese Deutung argumentierte, stellte die Verbindung mit dem Pomerium nicht grundsätzlich in Frage, wies sie aber eher Coloniegründungen bzw. Gründungsjubiläen zu, was im Ganzen plausibler erscheint, da in jedem einzelnen Fall die Pomeriumerweiterung selbst historisch zweifelhaft ist, während zu den sicher belegten Erweiterungen keine Münzen existieren.
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Abb. 1: Relief mit einer Darstellung des Pflugrituals bei der Gründung der Colonie Aquileia, frühes 1. Jh. n. Chr. Museo Archeologico Nazionale di Aquileia.
In der Forschung wird dieses Ritual, wie gesagt, sehr oft und mit großer Selbstverständlichkeit als Definitionsakt des Pomerium verstanden. Diese Selbstverständlichkeit überrascht, da bereits ein oberflächlicher Blick auf die Quellen zum Pomerium sowie zum Pflugritual zeigt, dass die Verbindung zwischen Pflugritual und Pomerium in den Quellen längst nicht immer so deutlich und so unmittelbar erscheint wie in der Forschung häufig vorausgesetzt. a) Verbindungen von Pomerium und Pflugritual Genauer gesagt sind es lediglich vier Stellen, in welchen das Pomerium im Zusammenhang mit dem Pflugritual überhaupt angesprochen wird: Es handelt sich um die Pomeriumdefinitionen von Varro, Tacitus, Plutarch und Festus. Selbst unter den nicht eben zahlreichen acht Stellen der antiken Literatur, die überhaupt Angaben zum Ursprung des Pomerium machen, machen diese vier somit lediglich die Hälfte aus. Die übrigen Autoren, namentlich Livius, Sueton und Gellius sowie der Kommentator des Frontinus, haben, wie noch deutlich werden wird, eine solche Verbindung mit Sicherheit nicht gesehen. Für die Auffassung, der Furchenzug des Pflugrituals markiere den Verlauf des Pomerium, sind die eindeutigsten antiken Vertreter die Autoren Tacitus und Plutarch, welche beide die rituell gezogene Furche als mit dem Pomerium mehr oder weniger identisch darstellen.128 Beide Stellen, die im vorangegangen Unterkapitel bereits angesprochen wurden, sollen hier erneut betrachtet werden: 128
De Sanctis 2007, versucht sowohl bei Tacitus als auch bei Plutarch zu zeigen, dass diese von der Konstruktion zweier verschiedener Linien sprächen, einer für die Mauer,
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Sed initium condendi, et quod pomerium Romulus posuerit, noscere haud absurdum reor. Igitur a foro boario, ubi aereum tauri simulacrum adspicimus, quia id genus animalium aratro subditur, sulcus designandi oppidi coeptus, ut magnam Herculis aram amplecteretur; inde certis spatiis interiecti lapides per ima montis Palatini ad aram Consi, mox curias veteres, tum ad sacellum Larum.129 ὁ δ᾽ οἰκιστὴς ἐμβαλὼν ἀρότρῳ χαλκῆν ὕνιν, ὑποζεύξας δὲ βοῦν ἄρρενα καὶ θήλειαν, αὐτὸς μὲν ἐπάγει περιελαύνων αὔλακα βαθεῖαν τοῖς τέρμασι, τῶν δ᾽ ἑπομένων ἔργον ἐστίν, ἃς ἀνίστησι βώλους τὸ ἄροτρον, καταστρέφειν εἴσω καὶ μηδεμίαν ἔξω περιορᾶν ἐκτρεπομένην. τῇ μὲν οὖν γραμμῇ τὸ τεῖχος ἀφορίζουσι, καὶ καλεῖται κατὰ συγκοπὴν πωμήριον, οἷον ὄπισθεν τείχους ἢ μετὰ τεῖχος·130 Die Übereinstimmung in der Beschreibung des Pflugrituals als Pomeriummarkierung ist zunächst durchaus bemerkenswert. Relativiert wird dieser Eindruck jedoch sofort, wenn man beachtet, wie unterschiedliche Positionen beide Autoren zum Verhältnis zwischen Pomerium und Stadtmauer vertreten. Für Tacitus ist das Pomerium eine klar von der Mauer getrennte Institution; letztere erwähnt er in seinem Exkurs nicht nur mit keinem Wort; auch sind eigentliches Thema des Abschnitts die Pomeriumerweiterungen der jüngeren Vergangenheit, die offensichtlich von der Mauer unabhängig waren. Bei Plutarch hingegen besitzt das Pomerium überhaupt nur die Funktion, den Verlauf der dann zu errichtenden Mauer zu markieren und ist nichts anderes als eine Bezeichnung für die zu diesem Zweck mit dem Pflug markierte Linie. Diese konzeptionelle Unterordnung wird auch durch die etymologische Ableitung von der Mauer deutlich. Gleich ganz unerwähnt einer für das Pomerium. Dabei bezöge sich der Furchenzug lediglich auf Mauer. Diese Interpretation ist jedoch m. E. dem Bedürfnis geschuldet, beide Zeugnisse mit der übrigen Überlieferungslage zum Pflugritual in Einklang zu bringen und aus dem Text nicht überzeugend zu belegen. 129 Tac. ann. 12,24: „Doch den Beginn seiner Einrichtung und das Pomerium kennen zulernen, das Romulus dabei festlegte, halte ich nicht für abwegig. Demnach wurde vom Rindermarkt aus, wo wir das eherne Standbild eines Stiers sehen können, weil man diese Tierart vor den Pflug spannt, die Furche für die Abgrenzung der Stadt so begonnen, dass sie den großen Altar des Herkules mit einschloss; von da an wurden in bestimmten Abständen Steine hineingesetzt, am Fuß des Palatinberges entlang bis zum Altar des Consus, dann zu den alten Kurien, darauf zur Kapelle der Laren.“ Übers. A. Städele, mit einer Änderung. 130 Plut. Rom. 11,2–3: „Der Gründer befestigt an einem Pflug eine eherne Pflugschar, spannt einen Ochsen und eine Kuh davor und zieht selbst, rings an der Stadtgrenze entlanggehend, eine tiefe Furche, und Aufgabe der Hinterhergehenden ist es, die Schollen, die der Pflug aufwirft, nach innen zu werfen und darauf zu achten, daß keine draußen liegen bleibt. Durch diese Linie bestimmen sie den Verlauf der Mauer, und man nennt sie zusammengezogen pomerium, das heißt hinter der Mauer (= post-moerium).“ Übers. K. Ziegler.
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bleibt das Pomerium in Plutarchs Quaestiones Romanae (27), wo er ähnlich ausführlich auf das Pflugritual und die daraus abgeleitete Unverletzlichkeit der Mauern eingeht (s. u.). Somit ist zwar festzuhalten, dass die Entstehung des Pomerium durch das Pflugritual durch zwei eindeutige Zeugnisse bestätigt wird und diese Auffassung daher offenbar auch in ihrer jeweiligen Zeit eine gewisse Verbreitung besessen haben dürfte. Andererseits unterscheiden sich diese beiden Zeugnisse schon untereinander so erheblich, dass nur bedingt noch von einer einheitlichen Grundposition gesprochen werden kann. Von Tacitus und Plutarch abgesehen sind nur von zwei weiteren Autoren Passagen überliefert, die das Pomerium im Zusammenhang mit dem Ziehen der Gründungsfurche erwähnen: Varro, also immerhin der älteste erhaltene Autor, der sich zum Pomerium äußert, sowie Festus, jedenfalls sofern man der von Lindsay vorgeschlagenen Rekonstruktion des Textes an einer entscheidenden Stelle folgt. Welcher Art der hier dargestellte Zusammenhang zwischen sulcus primigenius und Pomerium jedoch ist, ist beiden Stellen nicht mit der gleichen Eindeutigkeit zu entnehmen, wie bei den eben genannten, was in beiden Fällen auch mit textkritischen Problemen zu tun hat. Gerade die Stelle aus Varros De Lingua Latina ist schon auf so viele unterschiedliche Weisen interpretiert worden, wie wohl keine andere zum Pomerium. Sie soll hier erneut zitiert werden: Oppida condebant in Latio Etrusco ritu multi, id est iunctis bobus, tauro et vacca, interiore aratro circumagebant sulcum (hoc faciebant religionis causa die auspicato), ut fossa et muro essent muniti. Terram unde exculpserant, fossam vocabant et introrsum iactam murum. Post ea qui fiebat orbis, urbis principium; qui quod erat post murum, postmoerium dictum, †eiusque† auspicia urbana finiuntur. Cippi pomeri stant et circum Ariciam et circum Romam.131 Varro identifiziert hier im Gegensatz zu Tacitus und Plutarch die Furche selbst eindeutig nicht mit dem Pomerium. So deutet schon die ausdrückliche Nennung von fossa und murus klar daraufhin, dass es sich auch für Varro beim Ziehen der Furche ursprünglich um eine Vorbereitung eines Mauerbaus bzw. dessen symbolische Vorwegnahme handelte, während das Pomerium davon auch begrifflich unter131
Varr. ling. 5,143: „Viele Städte gründete man in Latium nach etruskischem Ritus, das heißt man zog mit dem Pflug, mithilfe von zwei Rindern, einem Ochsen und innen einer Kuh, um sie herum eine Furche (dies tat man aus religiösen Gründen an einem durch Auspizien bestimmten Tag), damit sie durch Graben (fossa) und Mauer (muro) befestigt seien. Die Erde, aus der sie etwas herausgekratzt hatten, nannten sie fossa, die nach innen geworfene murus. Danach war, was der Kreis beschrieb, der Beginn der Stadt; das, was hinter der Mauer war (post murum), wurde post-moerium genannt, und dadurch [?] werden die städtischen Auspizien begrenzt. Grenzsteine (cippi) des Pomerium stehen rings um Aricia und rings um Rom.“ Das Zitat folgt der Edition Goetz / S choell 1909, 43.
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schieden wurde. Gestützt wird diese Interpretation auch dadurch, dass derselbe Autor in seinem Werk Res Rusticae eindeutig davon spricht, dass beim Pflugritual die Stadtmauern und sogar auch die Stadttore markiert wurden: „quod, urbs cum condita est, tauro et vacca qua essent muri et portae definitum“132. Das Pomerium hingegen stellt für Varro offenbar einen runden Bereich (orbis) dar, der durch den Furchenzug gewissermaßen automatisch innerhalb der Mauerlinie entstand (fiebat), eben jenen orbis, der neben urvus zur Bildung des Wortes urbs geführt haben soll. Das Pomerium ist somit ein zwar mit dem Furchenzug notwendig verbundener, aber konzeptionell eher nachgeordneter Gegenstand, was auch hier durch etymologische Herleitung des Pomerium vom murus des Rituals deutlich wird. Die großen Schwierigkeiten der Forschung mit dieser Stelle hängen nun vor allem mit der Korruptele direkt nach „post moerium“ sowie der Nennung der Pomerialcippi zusammen, die gewöhnlich entweder als eine Ersatzmarkierung für eine nur symbolisch zu verstehende erste Mauer verstanden werden133 oder als eine zweite Grenzlinie, die das Pomerium (nun als Streifen verstanden) in der anderen Richtung begrenzte.134 Die erstgenannte Möglichkeit einer prinzipiell nur symbolischen Mauer scheint mir angesichts der genannten Parallelstelle auszuscheiden. Nicht mit Sicherheit zu klären ist jedoch auch, ob Varro in den eingestreuten Bemerkungen zu den auspicia urbana sowie zu den Grenzsteinen, auf eine innere Begrenzung dieses orbis verweist, wodurch dieser zu einem Grenzstreifen würde; dies wird aber außer durch den Verweis auf die Cippi nur durch Mommsens oft übernommene Emendierung eo usque für das überlieferte, aber hier unverständliche eiusque nahegelegt.135 Diese wiederum ist aber vermutlich von dessen Ansicht beeinflusst, das Pomerium müsse sich ursprünglich innerhalb der Mauer befunden haben.136 Eine plausiblere Möglichkeit wäre indes, das gesamte Stadtgebiet als den orbis und damit als das Pomerium zu verstehen, dessen äußere Grenze eben durch 132
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Varr. rust. 2,1,9 f. Dass Mauern und Tore für Varro das entscheidende Merkmal von Urbanität waren, zeigt ferner die Stelle rust. 3,1,3: quod tempus si referas ad illud principium, quo agri coli sunt coepti atque in casis et tuguriis habitabant nec murus et porta quid esset sciebant, immani numero annorum urbanos agricolae praestant. Vgl. auch Solin. 1,17 f.: Nam, ut affirmat Varro auctor diligentissimus, Romam condidit Romulus […]: dicta primum est Roma quadrata, quod ad aequilibrium foret posita. Ea incipit a silva quae est in area Apollinis, et ad supercilium scalarum Caci habet terminum, ubi tugurium fuit Faustuli. Ibi Romulus mansitavit, qui auspicato murorum fundamenta iecit. Z. B. Detlefsen 1886, 508; Blumenthal 1952, 1868 f.; Magdelain 1976, 75 (=1990, 158 f.). Z. B. De Sanctis 2007, 506–508, übernommen z. B. von Carlà 2015, 602. Z. B. in der Loeb-Ausgabe Kent 1958, I, 134. Mommsen 1876, 43. Möglicherweise spielte dabei auch die Prämisse vom Ausschluss des imperium militiae aus dem Bereich innerhalb des Pomerium eine Rolle: In dieser Sicht müssten sich die Mauern als militärische Befestigungsanlage ursprünglich innerhalb des Pomerium befunden haben, um eine militärische Verteidigung zu erlauben. So argumentiert jedenfalls Magdelain 1968, 64.
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die Linie des Pflugrituals markiert würde. Der Verweis auf die für den Autor sichtbaren Cippi (cippi stant) könnte so zu interpretieren sein, dass in Varros eigener Zeit das Pomerium nicht mehr mit der tatsächlichen Stadtmauer übereinstimmte, und aus diesem Grund anderweitig markiert wurde. Dies würde außerdem erklären, warum laut Varro nicht in jeder auf diese Art gegründeten Stadt Cippi des Pomerium standen, sondern nur in Rom und Aricia. Dass hier im Gegensatz zu den Sätzen davor Dinge bezeichnet werden, denen der Autor für seine Gegenwart Gültigkeit zuschreibt, wird durch den signifikanten Tempuswechsel ins Präsens (finiuntur, stant, conduntur) erkennbar. Doch auch wenn das genaue hier dargestellte Verhältnis zwischen Pomerium und Mauerlinie nicht sicher rekonstruierbar ist, steht doch fest, dass Varro einen direkten Zusammenhang zwischen Pflugritual und Pomerium herstellt, wenn man den Abschnitt bis zu Ende weiterliest. Der wesentliche Zweck des Abschnitts ist, wie in diesem Werk üblich, etymologischer Art: Es geht um die Erklärung des Wortes urbs aus einer Kombination der Worte orbis und urvus und zugleich um die Erklärung der Tatsache, dass einige Städte – darunter auch die coloniae – als urbes gelten, während dies für andere nicht gilt. Das Pomerium ist in einer Weise in die Argumentation integriert, die nur dann plausibel ist, wenn man von einer konstitutiven Verbindung von Pflugritual und Pomerium ausgeht. Varro gelingt auf diese Weise der Kunstgriff, dass Pflugritual einerseits im gewohnten Sinne als ein Ritual zur Markierung der Stadtmauer und -tore im Rahmen der Gründung zu erklären, zugleich aber auch das durch Cippi markierte und daher offensichtlich von der tatsächlichen Stadtmauer verschiedene Pomerium seiner Gegenwart etymologisch und substanziell von diesem Ritual herzuleiten. Damit ist Varros Interpretation weder mit der Variante des Tacitus noch der des Plutarch identisch und somit eine dritte Version. Die gemeinsame Betrachtung der drei bisher behandelten Stellen zeigt somit nicht nur die Uneindeutigkeit des Zusammenhangs von Plugritual und Pomerium. Sie legt auch noch etwas anderes nahe: Dass nämlich die Versionen sowohl des Plutarch als auch des Tacitus sehr gut auf jeweils verkürzten Rezeptionen Varros beruhen könnten: Tacitus teilt mit diesem das Pflugritual als Pomeriummarkierung und die in die Furche gesetzten Cippi, Plutarch dagegen den Aspekt der Vorbereitung des Mauerbaus durch den Furchenzug, einschließlich der Markierung der Tore, sowie den der Etymologie von Pomerium. Zumindest Plutarch beruft sich zudem an vielen Stellen explizit auf Varro, so auch in der thematisch benachbarten Frage, zu welchem Zweck die Mauern für „heilig“ gehalten würden.137 In der Konsequenz kann somit die gesamte Verknüpfung von Pomerium und Pflugritual allein schon durch Varros etymologisch inspirierte Darstellung plausibel erklärt werden. Hier fügt sich schließlich auch die hinsichtlich des Zusammenhangs von Pomerium und Pflugritual am schwierigsten zu bewertende Quelle ein. Sie findet sich im 137
Plut. qu.R. 27.
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Wörterbuch des Festus, und ist überhaupt nur dann einschlägig, wenn man die von Lindsay vorgeschlagene Ergänzung an entscheidender Stelle als gegeben akzeptiert: rium esse ait Antistius … ficalis pomerium, id est l cato. […] Dictum autem pomerium> quasi promoerium. Solet au rus pomeri proferendi […] veluti post moe … atro muris urbis.138 Der Autor erwähnt ganz am Ende des Abschnitts zum Pomerium zwar höchstwahrscheinlich den Pflug, jedoch unmittelbar gefolgt von der Nennung der Stadtmauern (atro muris urbis), während die Erwähnung des Pomerium davon im Abstand einer ganzen Zeile getrennt ist. Die Korrektheit der Ergänzung vorausgesetzt, kann man hier kaum anderes als den Hinweis auf die Markierung der Mauerlinie durch den Furchenzug vermuten, wie sie bereits bei Varro und Plutarch auftauchte und wie es auch der übrigen Überlieferung zum Pflugritual entspricht, auf die gleich noch zurückzukommen ist.139 Auch bei Festus und vermutlich auch schon bei seiner Vorlage, Verrius Flaccus, scheint somit der Furchenzug primär als Mauermarkierung zu gelten, welche auch Ausgangspunkt der sprachlichen Herleitung ist. Doch spricht dies allein, wie gesehen, noch nicht gegen eine gleichzeitige Verknüpfung des Rituals mit dem Pomerium, wie das Beispiel Plutarchs und Varros zeigt. Zudem werden auch hier in der gleichen Weise etymologische Zusammenhänge zwischen Pomerium und Mauer (murus) hergestellt, wobei Festus allerdings zwei verschiedene Herleitungen präsentiert (quasi promoerium; veluti post moe…). Dabei wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach lediglich die zweite Herleitung post moe…, die sich auch bei Varro und Plutarch findet, mit der Nennung des Pfluges und der Mauer verbunden. Deren Knappheit und Position ganz am Ende des Lexikoneintrags deutet zudem darauf hin, dass es sich dabei nicht um die vom Autor favorisierte, ihm jedoch als Alternativmeinung bekannte Version handelt. Die kurze aber vollständig erhaltene Zusammenfassung des Abschnitts durch Paulus Diaconus erwähnt diese Version entsprechend auch nicht: Dictum autem pomerium, quasi promurium, id est proximum muro. Vielmehr zeigt diese in Verbindung mit den Originalfragmenten, dass das Pomerium nach Festus einen für bestimmte Auspizien geeigneten Bereich außerhalb der Mauer und keine Linie darstellte, was bereits gegen die Ineinssetzung von Furche und Pomerium spricht: Weitere Anhaltspunkte, die gegen eine konstitutive Verbindung mit dem Pflugritual sprechen, sind folgende: Folgt man den plausiblen Ergänzungen Lindsays, ist zu Beginn des Abschnitts von der topographischen Lage des Pomerium im Verhältnis zur
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Fest. 294 L. Auch der Buchstabe a in atro ist nicht ganz sicher. Die von Maccari vorgeschlagene Ergänzung circumductis aratro muris ist also durchaus sinnvoll: Maccari 2015, 330.
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Bebauung zu verschiedenen Zeiten sowie von Pomeriumerweiterungen die Rede. Beides ist jedoch nur schwer mit dem Pflugritual in Verbindung zu bringen, wenn dies – anders als bei Tacitus – zugleich mit der Mauer verbunden ist. Auch weitere Stellen im Wörterbuch sprechen eher gegen eine Verbindung von Pomerium und Pflugritual. So kommt das Pflugritual als zentraler Gründungsakt einer Stadt bei Festus mehrfach an anderen Stellen vor; die rituell gezogene Furche erhält sogar eine eigene Sonderbezeichnung, die nur hier belegt ist: primigenius sulcus.140 In diesen Erwähnungen fehlen jedoch jegliche Hinweise auf Verbindungen des Furchenzugs mit dem Pomerium. Umgekehrt gilt entsprechendes für die Erwähnung von termini urbis Romae an einer anderen Stelle, mit denen freilich kaum etwas anderes als die Cippi des Pomerium gemeint sein können.141 Weitere Indizien liefern schließlich eine Gegenüberstellung der inhaltlichen Kontexte, in welche Pomerium und Pflugritual im Wörterbuch gestellt werden: In dem oben zitierten Abschnitt geht es neben der etymologischen Herleitung des Wortes Pomerium wie gesagt vor allem um die Bedeutung des Pomerium für die Auspizien, um dessen Lage sowie um die Regeln zur Pomeriumerweiterung. In den Kontext der Auspizien gehört auch noch eine zweite Erwähnung des Pomerium im Wörterbuch (jedenfalls nach Lindsay), deren genauer Gehalt aber nicht mehr auszumachen ist.142 Die Stadtgründung und die Stadtmauern und -tore scheint der Autor dabei hingegen in einen ganz anderen Themenbereich einzuordnen, den er insgesamt als Gegenstand der etruskischen Libri Rituales darstellt.143 Trägt man all diese Indizien zusammen, sprechen diese somit eher gegen die Annahme einer konstitutiven Verbindung von Pomerium und Pflugritual bei Festus, obwohl eine entsprechende Deutung aufgrund des fragmentarischen Charakters des Textes auch nicht mit Sicherheit auszuschließen ist. Die plausibelste Erklärung für die schlechte Vereinbarkeit des in der beschriebenen Weise erwähnten Pflugrituals mit den übrigen Angaben des Festus zum Pomerium ist jedoch denkbar einfach und auch in der älteren Forschung schon erwogen worden144: Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem letzten Satz des Lexikoneintrags um nichts anderes als einen Verweis auf die bereits
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Fest. 271 L: Primigenius sulcus dicitur, qui in condenda nova urbe tauro et vacca designationis causa inprimitur. Vgl. auch 392 L. 141 Paul. Fest. 5 L: Amburbiales hostiae dicebantur, quae circum terminos Urbis Romae ducebantur. Vgl. zur Identifikation dieser termini mit den Cippi des Pomerium De Sanctis 2019, 28. 142 Fest. 368 L: ut --- officio Augu ---o in consilio fa --- libet loco pullis ---ium facit auspi ---lit, intra pome --- plo consistit. 143 Fest. 358 L: Rituales nominantur Etruscorum libri, in quibus perscriptum est, quo ritu condantur urbes, arae, aedes sacrentur, qua sanctitate muri, quo iure portae, quomodo tribus, curiae, centuriae distribuantur, exercitus constituant, ordinentur, ceteraque eiusmodi ad bellum ac pacem pertinentia. 144 Mommsen 1876, 43 Anm. 1.
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besprochene Worterklärung Varros (postmoerium), die kurz genannt, aber nicht vom Autor selbst weiter vertreten wird. Neben der faktischen Unvereinbarkeit der verschiedenen Versionen hat sich bisher also schon folgendes gezeigt: Erstens beziehen drei von vier Zeugnissen, die Pomerium und Pflugritual verbinden, letzteres immer noch primär auf die Stadtmauer und bestenfalls in zweiter Linie auf das Pomerium. Zweitens sind die beiden Belege des Plutarch und des Festus bzw. Verrius Flaccus mit hoher Wahrscheinlichkeit stark von der Version Varros beeinflusst; möglicherweise gilt dies sogar auch für Tacitus. Diese Version Varros stellt indes im Hinblick auf das Pomerium wohl keine Wiedergabe älterer Überlieferung dar, sondern eine geschickte Vermischung des durch Cippi markierten Pomerium der späten Republik mit der Mauer und damit auch dem Pflugritual, ganz im Sinne der von Varro in De Lingua Latina insgesamt angewandten etymologisch-spekulativen Methode. b) Die übrige Überlieferung zum Pflugritual Die geringe Zahl selbst bloßer Erwähnungen des Pomerium im Kontext des Pflugrituals und die Verschiedenheit der dabei hergestellten Verbindungen scheint aber noch umso bemerkenswerter, wenn man sie nicht nur in Relation zu den anderen Pomeriumdefinitionen betrachtet, sondern sie auch zur übrigen Überlieferung zum Pflugritual ins Verhältnis setzt. Grundsätzlich ist das Pflugritual nicht nur deutlich zahlreicher und auch früher als der Begriff Pomerium belegt; es zeichnet sich zudem im Hinblick auf seinen primären Gegenstand durch bemerkenswerte Eindeutigkeit aus: Fast alle Erwähnungen des Pflugrituals in der antiken Literatur stellen dieses ausdrücklich als eine Handlung zur Markierung derjenigen Linie dar, auf der eine Stadtmauer gebaut werden soll. Schon Cato beschreibt die Handlung in den Origines in dieser Hinsicht und auch sonst recht detailliert, wie ein bei Servius und Isidor v. Sevilla überliefertes Fragment zeigt: Urbem designat ar atro quem Cato in Originibus dicit morem fuisse. Conditores enim civitatis taurum in dexteram, vaccam intrinsecus iungebant, et incincti ritu Gabino, id est togae parte caput velati, parte succincti, tenebant stivam incurvam, ut glebae omnes intrinsecus caderent, et ita sulco ducto loca murorum designabant, aratrum suspendentes circa loca portarum.145 145
FRH I 18a: Serv. Aen. 5,755 (F 18 HRR): „‚Er bezeichnete die Stadt mit einem Pflug‘: Dies sei, so sagt Cato in den Origines, Brauch gewesen. Gründer einer Stadt spannten nämlich einen Stier auf der rechten Seite, eine Kuh nach innen an, und geschürzt nach Gabinischem Ritus, das heißt das Haupt mit einem Teil der Toga bedeckt, mit dem anderen Teil gegürtet, hielten sie die krumme Pflugsterz, so dass alle Schollen nach innen fielen, und so bezeichneten sie mit der Führung der Furche den Verlauf der Mauern, wobei sie an den Stellen der (künftigen) Tore den Pflug anhoben.“
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Qui urbem novam condet, tauro et vacca aret; ubi araverit, murum faciat; ubi portam vult esse, aratrum sustollat et portet, et portam vocet.146 Es steht unmissverständlich fest, dass das hier beschriebene Ritual nach Cato als Vorbereitung für den Bau von Stadtmauer und -toren zu verstehen ist, die genau an bzw. auf der an den Torstellen unterbrochenen Furche errichtet werden sollen. Vom Pomerium oder überhaupt noch einer anderen Grenze ist nicht die Rede, wobei es sich freilich um ein Fragment handelt. Die Verknüpfung des Pomerium mit der Furche des Pflugrituals findet allerdings auch im weit überwiegenden Teil der späteren Zeugnisse zum Pflugritual keine Bestätigung, während sich die explizite Verknüpfung mit der Mauer hier überwiegend fortsetzt. Dies gilt gerade für diejenigen Autoren, die sich auf die Gründung Roms oder allgemeiner auf Stadtgründungen der Frühzeit beziehen, wo es also ausdrücklich um die Wiedergabe ursprünglicher Zusammenhänge geht und denen somit ein antiquarischer Charakter bescheinigt werden kann. Die wohl meist zitierte Stelle aus dieser Reihe findet sich bei Dionysios von Halikarnassos: Nach seinem ausführlichen Zeugnis zog Romulus bei der Stadtgründung eine Furche, welche die Fundamente einer Mauer aufnehmen sollte.147 Eine ähnliche Ansicht hat offenbar auch schon der spätrepublikanische Jurist Alfenus Varus vertreten, was deutlich wird, wenn man die von ihm überlieferten Fragmente zu den Begriffen urbs und murus zusammenführt.148 Explizite Verknüpfungen des Pflugrituals mit Stadtmauern ohne Erwähnung des Pomerium finden sich dann an prominenter Stelle in der augusteischen Dichtung, namentlich in der Aeneis
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FRH I 18b: Isid. orig. 15,2,3 (F 18 HRR sub linea): „Wer eine neue Stadt gründen will, soll mit einem Stier und einer Kuh pflügen. Wo er gepflügt hat, soll er die Mauer errichten. Wo ein Tor sein soll, soll er den Pflug anheben und tragen (portare), und er soll die Stelle Tor (porta) nennen.“ 147 Dion. Hal. ant. 1,88,2: ἐπεὶ δὲ πᾶν, ὅσον ἦν ἐκ λογισμοῦθεοῖς φίλον, ᾤετο πεπρᾶχθαι καλέσας ἅπαντας εἰς τὸν ἀποδειχθέντα τόπον περιγράφει τετράγωνον σχῆμα τῷ λόφῳ, βοὸς ἄρρενος ἅμα θηλείᾳ ζευχθέντος ὑπ’ ἄροτρον ἑλκύσας αὔλακα διηνεκῆ τὴν μέλλουσαν ὑποδέξεσθαι τὸ τεῖχος· ἐξ οὗ Ῥωμαίοις τὸ ἔθος τοῦτοτῆς περιαρόσεως τῶν χωρίων ἐν οἰκισμοῖς πόλεων παραμένει („Sobald er glaubte, alles, was nach sorgfältiger Überlegung den Göttern erwünscht war, sei durchgeführt, rief er alle zum festgelegten Ort und zog ein Viereck um den Hügel, indem er ein Rind und eine Kuh gemeinsam vor einen Pflug spannte und eine durchgehende Furche zog, in die die Stadtmauer eingelassen werden sollte. Seitdem überdauert bei den Römern dieser Brauch der Umpflügung von Plätzen bei Stadtgründungen.“ Übers. N. Wiater). Zur Vorstellung eines viereckigen Ur-Rom, der Roma quadrata, vgl. auch Kap. 2.1.1 Anm. 10. 148 Dig. 50,16,87,1 (Marcellus): Ut Alfenus ait, ‚urbs‘ est ‚Roma‘, quae muro cingeretur, ‚Roma‘ est etiam, qua continenti aedificia essent; 50,16,239,6 (Pomponius): ‚Urbs‘ ab urbo appellata est: urbare est aratro definire. et Varus ait urbum appellari curvaturam aratri, quod in urbe condenda adhiberi solet.
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Vergils149 und den Fasti Ovids150. Auch Marcus Manilius151, Silius Italicus152 und andeutungsweise auch Lukan153 erwähnen in ihren Werken das Pflugritual als Markierung der Mauerlinie; gleiches gilt für Columella und damit auch für einen Prosaautor der frühen Kaiserzeit.154 Damit übereinstimmende Versionen tauchen dann erneut in der spätantiken antiquarischen Literatur auf, so beispielsweise an der schon erwähnten Stelle aus dem Aeneis-Kommentar des echten Servius, welche das Cato-Fragment überliefert, sowie auch an einer weiteren, welche zu den nicht Servius zuzurechnenden Erweiterungen des Kommentars (Servius auctus) gehört.155 Ähnliches findet sich zudem im Terenz-Kommentar des Donat156, hier einschließlich der Bemerkung zur Markierung der Tore durch Anheben des Pfluges, ferner bei Solinus157, der sich wiederum auf Varro beruft, sowie schließlich bei dem frühbyzantinischen Autor Johannes Lydos158. Von den genannten Autoren erwähnen allein der echte Servius und der Verfasser des Servius auctus den Begriff Pomerium überhaupt, jedoch in vom Kontext des Pflugrituals und der Stadtgründung völlig getrennten Kontexten. Von einer weiten Verbreitung des Zusammenhangs von Pomerium und Pflugritual unter den antiken Autoren kann indes nicht die Rede sein; im Gegensatz zu den Stadtmauern, mit denen das Ritual oft explizit verbunden wird, handelt es sich bei jenen Stellen, welche dieses zusätzlich oder gar ausschließlich mit dem Pomerium verbinden, um eine Minderheit, die zudem auch untereinander nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen ist. 149
Verg. Aen. 7,156–158: ipse humili designat moenia fossa / moliturque locum primasque in litore sedes / castrorum in morem pinnis atque aggere cingit; vgl. auch 5,752: Aeneas urbem designat aratro. 150 Ov. Fast. 4,811–848, bs. (819) apta dies legitur, qua moenia signet aratro; (825) inde premens stivam designat moenia sulco. 151 Manil. 4,555 f.: urbibus augebit terras iunctisque iuvencis / moenia succinctus curvo describet aratro. 152 Sil. 13,117 f.: Capys […], cum moenia sulco / signaret. 153 Lucan. 7,429 f.: nec vetitos errare Dahas in moenia ducat / Sarmaticumque premat succinctus consul aratrum. 154 Colum. 6 pr. 7,4: in ea urbe, cuius moenibus condendis mas et femina boves aratro terminum signaverunt. 155 Serv. auct. Aen 4,212: A r andum videtur illud attingere moris antiqui, quod cum conderetur nova civitas, tauro et vacca, ita ut vacca esset interior, a magistratu muri designarentur. Nam ideo ad exaugurandas vel diruendas civitates aratrum adhibitum, ut eodem ritu, quo conditae, subvertantur. Horatius „inprimetque muris hostile aratrum“ (Vgl. Kap. 2.2.2 c) Anm. 212. Zitiert wird Hor. carm. 1,16,20 f., siehe auch unten Anm. 162.). 156 Donat. Ter. Ad. 583: Porta autem ab aratro portando dicta est, quod eo loco coloniae conditor et deductor subiunctis vacca et tauro aratrum, quo urbem designat, suspendit manu, ne imprimat sulcos, ubi civitatis aditus relinquendi sunt. 157 Solin. 1,17 f.: Nam, ut affirmat Varro auctor diligentissimus, Romam condidit Romulus […] qui auspicato murorum fundamenta iecit (vgl. Kap. 2.1.1 a) Anm. 10). 158 Lyd. mens. 4,73: μετὰ δὲ τὴν ἐπὶ τῇ ἀναγορεύσει τῆς πόλεως τελετὴν ζεύξας ταῦρον μετὰ δαμάλεως περιῆλθε τὸ τεῖχος.
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Neben den bereits besprochenen sind freilich noch einige weitere antike Erwähnungen des Pflugrituals überliefert, die nicht explizit zum Ausdruck bringen, ob nach ihrem Verständnis durch den Furchenzug nun eine Mauerlinie oder ein Pomerium oder beides markiert wurde. Einige Autoren sprechen hier nur allgemein von der Stadtgründung; im Vergleich zu jenen, die ausdrücklich die Mauer erwähnen, sind diese jedoch eine Minderheit, namentlich Pomponius, der eine der erwähnten Aussagen des Alfenus Varus überliefert159, ferner Augustinus160 und Macrobius161. Auch bei jenen Stellen, die sich zur rituell markierten Zerstörung einer Stadt äußern, bei der ebenfalls ein Pflug zum Einsatz komme, wird in der Mehrzahl der Fälle explizit auf die Stadtmauer Bezug genommen.162 Während diese Stellen in der Forschung nur wenig Aufmerksamkeit finden, wird indes eine Reihe von anderen Zeugnissen für das Pflugritual häufig ohne weiteres auf den Pomeriumbegriff hin gedeutet: Es handelt sich dabei im Gegensatz zu den bisher behandelten Stellen allerdings nicht um Aussagen aus der historiographischen oder antiquarischen Literatur, sondern um solche, in denen nicht Stadtgründungen der Frühzeit, sondern Coloniegründungen der späten Republik oder der Kaiserzeit thematisiert werden. Dass in diesem Rahmen das Pflugritual tatsächlich zur Anwendung kam, ist kaum zu bezweifeln: Auf diesen Umstand wird nicht nur in mehreren der bereits zitierten Texte ausdrücklich hingewiesen163; dies stellt zweifellos auch die Grundlage für die zahlreichen detaillierten Angaben zu den angeblich frühzeitlichen Gründungsritualen dar. Für die Frage nach der Verbindung zum Pomerium sind diese Zeugnisse deshalb relevant, weil der Furchenzug hier offenbar vorgenommen wurde, ohne dass dem die Errichtung einer tatsächlichen Befestigung folgte. Angesprochen sind damit zunächst zwei epigraphische Zeugnisse, welche Neugründungen Octavians und des Marcus Antonius betreffen. Es handelt sich um eine Reihe von Grenzsteinen aus Capua mit der Inschrift Iussu Imp. Caesaris qua aratrum ductum est164 sowie um die Lex Ursonensis, also des Stadtgesetzes der Colonia Iulia Genetiva, heute Urso in Spanien. Dort heißt es: 159
Dig. 50,16,239: Urbs ab urbo appellata est: urbare est aratro definire. Et Varus ait urbum appellari curvaturam aratri, quod in urbe condenda adhiberi solet. 160 Aug. De dialectica 6: ut urbem ab orbe appellatam volunt, quod auspicato locus aratro circumduci solet, cuius rei et Vergilius meminit, ubi Aeneas urbem designat aratro. 161 Macr. sat. 5,19,13: Sed Granii viri curiosissimi et docti verba ponam, qui in libro de Italia secundo sic ait: „prius itaque et Tuscos aeneo vomere uti cum conderentur urbes solitos, in Taegeticis eorum sacris invenio“. 162 Prop. 3,9,41: moenia cum Graio Neptunia pressit aratro; Hor. carm. 1,16,21: imprimeretque muris hostile aratrum; Sen. clem. 1,26,4: aratrum vetustis urbibus inducere; Dig. 7,4,21 (Modestinus): Si ususfructus civitati legetur et aratrum in eam inducatur, civitas esse desinit, ut passa est Carthago, Serv. auct. Aen. 4,212: nam ideo ad exaugurandas vel diruendas civitates aratrum adhibitum, ut eodem ritu, quo conditae, subvertantur. 163 Varr. ling. 5,143; Dion. Hal. ant. 1,88,2; Donat. Ter. Ad. 583. 164 CIL X 3825. Zu diesen Steinen und deren Zuweisung nicht zur Coloniegründung durch Caesar, sondern einer folgenden Octavians: Chioffi 2014, 289.
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decurio in ea colon(ia) intra qua aratro circumductum est aedificium […] fines oppidi coloniaeve, qua aratro circumductum erit.165 Hinzu kommt eine Stelle in Ciceros 2. Phillippischer Rede, welche sich auf die Gründung der Colonie Casilinum durch Antonius bezieht: Tu autem insolentia elatus omni auspiciorum iure turbato Casilinum coloniam deduxisti, quo erat paucis annis ante deducta, ut vexillum tolleres, ut aratrum circumduceres; cuius quidem vomere portam Capuae paene perstrinxisti, ut florentis coloniae territorium minueretur.166 In allen drei Fällen ist offensichtlich, dass die hier angesprochenen Anwendungen des Pflugrituals nicht der Vorbereitung eines wirklichen Mauerbaus dienten und auch keinen solchen nach sich zogen. Stattdessen wird die gezogene Linie durch Grenzsteine markiert und durch Umschreibungen wie qua aratrum ductum est bezeichnet. Sie dient der Markierung des Stadtgebietes, welches aufgeteilt und neuen Besitzern zugewiesen werden sollte. In einen solchen Kontext gehört auch die Cicero-Stelle: Antonius hatte die Colonie Casilinum auf dem Gebiet einer bereits bestehenden Stadt – Capua – eingerichtet und damit, so Cicero, rechtswidrig Teile von deren Territorium für seine Veteranen in Beschlag genommen. Die Tatsache, dass das Pflugritual bei diesen Coloniegründungen der späten Republik offenbar keinen tatsächlichen Mauerbau vorbereitete, kann allerdings nicht ausreichen, um den Furchenzug hier, wie es gewöhnlich geschieht, stattdessen als Markierung eines Pomerium zu deuten. Dies gilt auch nicht nur deshalb, weil das Pomerium in diesem Zusammenhang nicht explizit genannt wird. Es ging bei den Coloniegründungen der späten Republik bekanntlich um die (Neu-)Verteilung von Land in bereits seit langem von Rom beherrschten Gebieten, nicht um sicherheitspolitische Erwägungen. Daher kann es nicht verwundern, dass in diesen und sicher auch in noch anderen Fällen Colonien auch ohne den Bau einer tatsächlichen neuen Befestigung eingerichtet und der zu verteilende Grund mit weniger aufwendigen Mitteln begrenzt wurde. Entscheidend muss vielmehr der mit dem Ritual verbundene Rechtsakt gewesen sein, der mit der Neuanlage einer Stadt auch die Aufhebung der zuvor geltenden Raumordnung bedeutete.167 165
Lex Urson. 14 (Caballos Rufino 2006, 208–223), und 73 (Crawford 1996, I, 403 f.). 166 Cic. Phil. 2,102: „Du aber, von Überheblichkeit fortgerissen, warfst alle Grundsätze der Auspizien über den Haufen und richtetest in Casilinum eine Kolonie ein, wo man erst wenige Jahre zuvor eine eingerichtet hatte: du hast eine Standarte mitgeführt, hast den Pflug um sie herumgeführt. Mit der Pflugschar hättest du freilich beinahe das Tor von Capua gestreift, sodass der Landbesitz der blühenden Kolonie geschmälert wurde.“ Übers. M. Fuhrmann, mit wenigen Änderungen. 167 Vgl. Stevens 2017, 17.
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Nichtsdestotrotz ist es gut möglich, dass diese faktische Trennung des Rituals vom Bau einer Stadtmauer im Fall der spätrepublikanischen Colonien mit zur Entstehung einer neuen konzeptionellen Verbindung mit dem Pomerium beigetragen hat und insbesondere die Darstellung Varros in diesem Übergangsbereich anzusiedeln ist. Denn dieser spricht nicht nur explizit von Cippi des Pomerium; er erwähnt auch ausdrücklich die für ihn gegenwärtige Praxis, Colonien in einem Pomerium anzulegen. Da der Begriff des Pomerium jedoch in keiner einzigen Inschrift außerhalb von Rom überliefert ist und auch in keinem späteren literarischen Zeugnis, welches nicht Rom betrifft, in diesen Zusammenhang gestellt wird, verbieten sich hier vorschnelle Verallgemeinerungen. c) Zwischenfazit Das bisher Gesagte ermöglicht ein Zwischenfazit: Die Position, nach der das Pflügen des sulcus primigenius das ursprüngliche und für das Pomerium spezifische Konstitutionsritual sei, hat allein in Tacitus einen antiken Vertreter. Zugleich steht diese Position einer überwältigenden Mehrheit von Zeugnissen gegenüber, welche das Pflugritual allein oder zumindest primär als eine Handlung zur Markierung der zukünftigen Stadtmauer darstellen. Letzteres gilt auch für Varro und Plutarch, die den Pomeriumbegriff als drittes Element in den Zusammenhang von Furche und Mauer integrieren: Varro kann zwar so verstanden werden, als würden die Cippi des Pomerium eine auf ihrer Linie verlaufende Mauer gewissermaßen ersetzen; konzeptionell ist jedoch auch Varros Darstellung dahingehend klar, dass es sich bei dem Furchenzug ursprünglich in erster Linie um ein Ritual zur Definition der Stadtmauer und -tore gehandelt habe. Der vermutlich von Varro beeinflusste Plutarch sieht das Pomerium zwar ebenfalls als Resultat des Pflugrituals an, jedoch in einer im Verhältnis zur Mauer noch weiter untergeordneten Position: Der Pomeriumbegriff dient hier nämlich als bloße Bezeichnung für die den Mauerbau vorbereitende Furche. Bei Festus schließlich, und damit wahrscheinlich auch schon bei Verrius Flaccus, wird, wie es scheint, hauptsächlich ein vom Pflugritual unabhängiges Verständnis des Pomerium vertreten und lediglich im Verweis auf eine alternative, zuvor von Varro vertretene, Etymologie des Pomerium auf dieses verwiesen. Auch hier wird das Ritual offenbar primär als Markierung der Mauerlinie verstanden. Insgesamt hat sich somit gezeigt, dass die Verbindung des Pflugrituals primär mit der Stadtmauer sowohl die früheste noch greifbare als auch die durch die gesamte Antike am weitesten verbreitete Auffassung darstellte, während die Auffassung des Tacitus, der das Ritual nur dem Pomerium zuweist, einen klaren Sonderfall bildet. Selbst solche Zeugnisse, die das Pflugritual ohne expliziten Verweis auf die Mauer als Stadtgründungsritus bezeichnen, stellen gegenüber jenen, welche die Mauer ausdrücklich nennen, eine Minderheit dar. Von der Verbindung von erster Furche und Mauer wurde zwar zum Teil in der Praxis, nämlich bei
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den erwähnten Koloniegründungen der späten Republik, nachvollziehbarerweise abgewichen: Das Pflugritual wurde hier als reiner Rechtsakt vollzogen, ohne dass dem ein tatsächlicher Mauerbau zu folgen brauchte. Selbst in diesen Fällen tritt jedoch nicht etwa der Pomeriumbegriff auf, sondern lediglich Umschreibungen wie qua aratrum ductum est u. ä. Jene Autoren, also in erster Linie Varro und Plutarch, die nun das Pomerium als eine Art drittes Element in den Zusammenhang von Furche und Mauer integrieren, erweisen sich indes als stark inspiriert von einer heute nicht mehr haltbaren etymologischen Herleitung des Pomerium von der Mauer (murus). Als einziges echtes Gegenbeispiel für eine „mauerlose“ Verknüpfung von Pomerium und erster Furche bleibt somit lediglich Tacitus, bei dem folgerichtig auch die etymologische Herleitung fehlt. Doch auch in seinem Fall sind zahlreiche Gründe denkbar, die zur Entstehung dieser Position Anlass gegeben haben könnten. Diese könnten in der verkürzten Rezeption einer älteren Quelle, z. B. Varros liegen; vielleicht hatte auch Claudius, um dessen Pomeriumerweiterung es bei Tacitus geht, dieses mit dem oft als etruskisch verstanden Pflugritual verbunden, was zu den etruskologischen Forschungen und Schriften dieses Kaisers passen würde. Schließlich könnte Tacitus bzw. seine Quelle durch das von ihm beschriebene Bild eines Stieres auf dem Forum Boarium inspiriert worden sein; dem Ort, wo übrigens auch die Nummerierung der claudischen Pomeriumsteine vermutlich begann.168 In jedem Fall ist somit die Annahme einer ursprünglichen konzeptionellen Verbindung von Pflugritual und Pomerium als sehr zweifelhaft zu bewerten. Zugleich haben sich aber auch Anhaltspunkte ergeben, welche das spätere Aufkommen solcher Positionen aufgrund verschiedener Umstände durchaus plausibel erscheinen lassen. Im Ganzen erweist sich das Pomerium also auch im Hinblick auf diesen Aspekt seines Ursprungs als in mehrfacher Hinsicht uneindeutiges Phänomen: Erstens haben sich selbst unter den Autoren, welche das Pflugritual an der Pomeriumeinrichtung beteiligt sehen, mindestens drei unterschiedliche Versionen dieses Zusammenhangs ausgebildet, die miteinander weitgehend unvereinbar sind. Zweitens wird auch die grundsätzliche Auffassung, das Pflugritual stehe am Anfang des Pomerium, bestenfalls von der Hälfte der erhaltenen Pomeriumdefinitionen gestützt, während sie mit der anderen Hälfte dieser Definitionen nicht überein zu bringen ist und auch in der großen Mehrheit der Überlieferung zum Pflugritual keine Bestätigung findet. Auf diese anderen Definitionen wird gleich zurückzukommen sein. Drittens gibt nicht zuletzt der Vergleich mit dieser Überlieferung zum Pflugritual viel Anlass dazu, an dessen tatsächlicher Verbindung mit dem Pomerium in früherer Zeit zu zweifeln. Viel eher ist diese aus der Kombination von scheinbaren etymologischen Verbindungen mit der Mauer, in Kombination mit der Anschauung topographischer Details (Cippi, Stierbildnis) zu erklären. 168
Zum möglichen Einfluss der Stierbildnisses Mommsen 1876, 48. Zur vermutlichen Zählung der Cippi vgl. Coarelli 2009, 303.
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d) Das Pflugritual als Ursprung einer „magischen“ Grenze? Dieses Zwischenergebnis ist nun auch von Bedeutung für die Frage, wie sich die Verbindungen des Pomerium zum Pflugritual einerseits zu der Auffassung vom Pomerium als der sakralen Grenze Roms andererseits verhalten. Trotz der erläuterten Zweifel an der historischen Tiefe dieser konzeptionellen Verbindung soll auch dieser Frage nachgegangen werden. Tacitus deutet das Ritual selbst nicht, sondern verwendet es, im Gegenteil selbst als Aition: Das Bild eines Stieres auf dem Forum Boarium befinde sich dort deshalb, weil von dort Romulus mit dem Ziehen der Furche begonnen habe. Explizite Deutungen des Pflugrituals finden sich in den Quellen indes nur bei zwei Autoren, die überdies beide ausdrücklich den Mauerverlauf durch das Ritual vorgezeichnet sehen. Am nächsten an einer apotropäischen Deutung sind noch die Bemerkungen des Johannes Lydos aus dem 6. Jh. n. Chr., welche jedoch fast das späteste Zeugnis zu diesem Ritual überhaupt darstellen. Der Autor versucht hier den Umstand zu deuten, dass der Stier stets auf der Außen-, die Kuh auf der Stadtinnenseite vor den Pflug gespannt werden müsse, wie auch im Cato-Fragment und bei Varro berichtet wird: Dies sei so nämlich deshalb geschehen, damit die Frauen innerhalb der Stadt fruchtbar, die Männer von den Feinden außerhalb gefürchtet würden.169 Zwar ist hier ansatzweise die Vorstellung einer Trennung von Kriegs- und Friedensbereich zu erkennen, jedoch keineswegs in dem sakralrechtlichen Sinne, wie es häufig dem Pomerium zugeschrieben wird. Ganz davon abgesehen, wird bei Lydos das Pomerium auch überhaupt nicht erwähnt. Der einzige ältere Autor, von dem Bemerkungen zur Deutung des Pflugrituals erhalten sind, ist Plutarch, der – wie beschrieben – Pomerium und Mauerlinie gleichsetzt. Ansatzpunkt für diese von Plutarch gleich an zwei Stellen vorgebrachte Deutung170 ist der auch schon bei Cato und andeutungsweise bei Lyd. mens. 4,73: μετὰ δὲ τὴν ἐπὶ τῇ ἀναγορεύσει τῆς πόλεως τελετὴν ζεύξας ταῦρον μετὰ δαμάλεως περιῆλθε τὸ τεῖχος. 170 Neben Plut. Rom. 11 auch qu.R. 27: ’Διὰ τί πᾶν τεῖχος ἀβέβηλον καὶ ἱερὸν νομίζουσι, τὰς δὲ πύλας οὐ νομίζουσιν;’ ἦ καθάπερ ἔγραψε Βάρρων, τὸ μὲν τεῖχος ἱερὸν δεῖ νομίζειν, ὅπως ὑπὲρ αὐτοῦ μάχωνται προθύμως καὶ ἀποθνήσκωσιν; οὕτω γὰρ δοκεῖ καὶ Ῥωμύλος ἀποκτεῖναι τὸν ἀδελφὸν ὡς ἄβατον καὶ ἱερὸν τόπον ἐπιχειροῦντα διαπηδᾶν καὶ ποιεῖν ὑπερβατὸν καὶ βέβηλον. τὰς δὲ πύλας οὐχ οἷόν τ’ ἦν ἀφιερῶσαι, δι’ ὧν ἄλλα τε πολλὰ τῶν ἀναγκαίων καὶ τοὺς νεκροὺς ἐκκομίζουσιν. ὅθεν οἱ πόλιν ἀπ’ ἀρχῆς κτίζοντες ὅσον ἂν μέλλωσι τόπον ἀνοικοδομεῖν, ἐπίασιν ἀρότρῳ, βοῦν ἄρρενα καὶ θήλειαν ὑποζεύξαντες· ὅταν δὲ τὰ τείχη περιορίζωσι, τὰς τῶν πυλῶν χώρας διαμετροῦντες τὴν ὕννιν ὑφαιροῦσι, καὶ μεταφέρουσιν οὕτω τὸ ἄροτρον, ὡς τὴν ἀρουμένην πᾶσαν ἱερὰν καὶ ἄσυλον ἐσομένην. („Warum sehen sie die ganze Stadtmauer als unverletzlich und heilig an, die Tore aber nicht? Ist es, wie Varro schrieb, weil man die Mauer als heilig ansehen muss, um feurig dafür zu kämpfen und zu sterben? Deshalb hat, scheint es, auch Romulus seinen Bruder getötet, als dieser es wagte, diesen unverletzlichen und heiligen Ort zu überspringen und so überquerbar und profan zu machen. Es war aber unmöglich, die Tore unverletzlich zu machen, durch die sie allerlei notwendige Güter und auch die Leichen transportieren. Deshalb spannen die 169
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Varro greifbare Aspekt, dass der Pflug zur Markierung der späteren Tore in der Mauer jeweils für ein kurzes Stück angehoben und getragen worden sei. Auch diese Deutung ist wahrscheinlich von einem nicht erhaltenen Werk Varros beeinflusst, da Plutarch in diesem Zusammenhang auf jenen verweist. Plutarch nun deutet das Ziehen des Pfluges ausdrücklich als Ursprung der sanctitas der Mauern, einer Vorstellung, die insgesamt gut belegt ist171: Diese Mauern seien ἱερά mit Ausnahme der Tore, deren Bereich beim Pflügen ausgespart worden sei, denn andernfalls könne nichts Unreines aber doch Notwendiges ohne religiösen Verstoß in die Stadt gelangen. Diese Deutung ist nur schwer vereinbar mit der Vorstellung, das Stadtinnere stelle in Folge des Rituals einen quasi-sakralen Schutzraum dar. Die Aussparung der Tore bildet vielmehr ein Element, das kaum eine andere Deutung des Rituals denn als sakrale Überhöhung der Mauer an sich zulässt: Diese wird so zu einem unverletzlichen Gegenstand.172 Bemerkenswert ist auch die von Plutarch in diesen Zusammenhang gestellte Erzählung über den Tod des Remus, die bekanntlich auch von zahlreichen anderen Autoren überliefert wird: Dieser habe die (noch niedrige) Befestigung der Stadt übersprungen und sei daher von Romulus oder durch einen von dessen Leuten getötet worden. Unter den einschlägigen Autoren ist Plutarch nicht der einzige, der einen expliziten Bezug zwischen der sanctitas der Mauern und dem Tod des Remus herstellt.173 Doch stimmen die für diese Variante einschlägigen Zeugnisse alle darin überein, dass sie das Überspringen der Mauer an sich zum ersten Gründer einer Stadt ein männliches und ein weibliches Rind ein und umgehen mit dem Pflug das Land, das sie bebauen wollen. Und wenn sie die Mauerlinie ziehen und den Raum der Tore vermessen, heben sie die Pflugschar und tragen den Pflug, mit der Vorstellung, daß all das Gepflügte heilig und unverletzlich ist.“ Übers. J. Scheid) 171 Vgl. dazu z. B. Stevens 2015, 290; Stevens 2017, 107–110; Smith / Tassi Scandone 2014; Cibotto 2006. 172 Etwas zu weitgehend scheint mir allerdings die Annahme (so Stevens 2017, 66–69), Schutzgötter, apotropäische Symbole oder Rituale an Stadttoren (siehe Kap. 3.1.2 b) Anm. 62) seien als Kompensation für das Anheben des Pfluges an den Toren im Rahmen des Pflugrituals aufgefasst worden. Hier müsste eine sehr hohe Kohärenz unterschiedlicher Vorstellungen angenommen werden; zudem waren Schutzgottheiten an Übergangs- und Kreuzungspunkten (z. B. Lares Compitales) in antiken Kulturen allgemein verbreitet und kamen auch unabhängig von Stadttoren vor (für Griechenland vgl. z. B. Johnston 2002). Die Lares Praestites sind in den Quellen nicht speziell mit Stadttoren verbunden (bei Ov. Fast. 5,166 u. a. mit den moenia, aber ebenso mit dem Haus, so auch bei Plut. qu.R. 51). 173 Bei einigen verletzt Remus diese sanctitas, so bei Dig. 1,8,11 (Pomponius); ähnlich auch Enn. ann. 1, frg. 47 und 50 Skutch (Cic. div. 1,48,107 f.; Macr. sat. 6,1,15); Liv. 1,7,2.; bei anderen wird der Tod des Remus in die Nähe eines Bauopfers gerückt, welches die sanctitas erst begründen würde: Prop. 3,9,49 f.; Flor. epit. 1,1,8. Letzteres wurde von Wiseman 1995, bs. 125, für die ursprüngliche Bedeutung gehalten. Zu dieser Frage ausführlich De Sanctis 2009 und daran anknüpfend Castiello 2017.
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Anlass für den Tod des Remus erklären, also die illegitime Art des Grenzüber tritts.174 Unabhängig davon, ob diese dann als Ausdruck von Spott oder aber als religiöser Frevel gewertet wird – es geht jedenfalls offensichtlich nicht darum, dass Remus den Raum innerhalb der Mauer gar nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen hätte betreten dürfen. Dass diese Vorstellung der Befestigungen als res sanctae im Prinzip älter ist, als die frühesten Stadtmauern aus Stein, ist durchaus denkbar. Da jedoch die Autoren unserer Quellen selbstverständlich davon ausgingen, dass Rom bereits seit seiner Gründung eine Mauer besessen habe, ist diese Frage in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Bei den übrigen Zeugnissen zum Pflugritual fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, wie die religiösen Hintergründe des Rituals in der Republik oder der Kaiserzeit gedeutet wurden.175 Damit lässt sich zur Frage der Ritualdeutung folgendes festhalten: Einerseits beziehen sich die wenigen aus der Antike überlieferten Deutungen des Sinnes des Pflugrituals ausnahmslos auf die Stadtmauer, auch im Falle des Plutarch, der den Begriff des Pomerium immerhin in engen Zusammenhang mit dieser stellt. Andererseits ist gerade die Deutung Plutarchs, der im Pflugritual die sanctitas der Mauern gerade ohne die Tore begründet sieht, mit einer sakralen Aufwertung des Innenraums nicht in Einklang zu bringen. Die rituell konstituierte Sakralität wird somit zum einen primär mit einer anderen Grenze als dem Pomerium – nämlich der Stadtmauer – verbunden, zum anderen an keiner Stelle dem Raum innerhalb der Grenze, sondern vielmehr der Grenze selbst zugeschrieben. Der Bereich innerhalb der Furche wird zwar von der Außenwelt unterschieden, wodurch die Stadt als Entität überhaupt zur Existenz gelangt. Das Ritual sakralisiert aber die Grenze und damit die Unterscheidung an sich, jedoch nicht das Stadtgebiet. Dieser sakrale Status von Grenzen als solchen ist ganz allgemein nicht nur für Rom, sondern auch für Griechenland eine geläufige und gut belegte Vorstellung. Sie wird bei den Römern primär greifbar in der Vorstellung von Terminus als Gottheit, welche mit dem Fest der Terminalia geehrt wird, das Ovid in den Fasti ausführlich beschreibt.176 Eine verwandte griechische Vorstellung ist die des Zeus Horios.177 Sakrale Dimension besitzen in dieser Sicht also auch die Grenzen eindeutig nicht-sakraler Räume, wie privater und öffentlicher Grundstücke. In eine ähnliche Richtung weisen auch
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Neben den bereits besprochenen Stellen Liv. 1,44,3–5; Fest. 294 L; Gell. 13,14 sind dies v. a. Diod. 8,6; Dion. Hal. ant. 1,87,4; Ov. Fast. 3,69–70. 175 Tac. ann. 12,24 stellt vielmehr das Pflugritual selbst als den Grund dafür dar, warum auf dem Forum Boarium, welches er als Ausgangspunkt des Furchenzugs bezeichnet, ein goldenes Bildnis eines Stieres zu sehen sei. 176 Vgl. Phillips 2002; ausführlicher De Sanctis 2015. 177 Thür 1998. Entsprechend setzt Dionysios beide Gottheiten auch gleich (Dion. Hal. ant. 2,74,2); vgl. Paul. Fest. 505 L: Termino sacra faciebant, quod in eius tutela fines agrorum esse putabant. Denique Numa Pompilius statuit, eum, qui terminum exarasset, et ipsos et boves sacros esse.
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die Ergebnisse der modernen etymologischen Forschung. Danach geht vermutlich nicht nur pomerium (siehe Kap. 2.1.1 a)), sondern auch urbs auf ein Wort für eine Grenze zurück, das erst später auf die Fläche und die Stadt insgesamt übertragen wurde.178 Entsprechend scheinen auch andere frühe Begriffe für künstlich abgegrenzte Räume mehr deren feste, unwiderufliche Definition betont zu haben als Unterscheidungen wie sakral und profan. Dies gilt jedenfalls für das griechische τέμενος; letzteres bezeichnete ursprünglich noch unspezifisch sowohl sakrale wie profane Bezirke; erst in späterer Zeit verengte sich der Begriff auf Heiligtümer.179
2.2.2 Pomerium und inauguratio Die zweite in der Forschung weit verbreitete Ansicht über die rituelle Konstitution des Pomerium geht von einem vom Pflugritual unterschiedenen, in den Bereich der Auguraldisziplin gehörenden Konstitutionsakt aus, welcher in der Regel als inauguratio bezeichnet wird. Verstanden wird darunter ein durch die Priesterschaft der Auguren vorgenommener Komplex von Handlungen, welcher die divinatorische Vogelschau mit Sprechakten verband. Als Ergebnis der inauguratio gilt dabei, sofern sie sich auf Räume bzw. Orte bezieht, ein locus inauguratus. Umstritten ist in diesem Kontext lediglich der genaue Status des Pomerium: Wie eingangs erläutert gilt dieses einigen Gelehrten als Grenze eines Stadtgebietes urbs, welches in seiner Gesamtheit als locus inauguratus zu betrachten sei. Andere sehen hingegen nur das Pomerium selbst – als Grenzstreifen – als „inauguriert“ an, während die innerhalb liegende urbs lediglich als Gegenstand einer gewissermaßen unvollständigen inauguratio, einer effatio et liberatio betrachtet wird.180 Auf diese Problematik wird zurückzukommen sein. Zunächst ist zu klären, auf welcher Quellengrundlage das Pomerium überhaupt als Resultat auguraler Handlungen bezeichnet wird. Grundsätzlich ist die Quellenlage für augurale Konstitutionshandlungen als Ursprung des Pomerium eher noch problematischer als jene für die Verbindung von Pomerium und Pflugritual: Zwar ist die Thematisierung des Pomerium im Kontext der Auspizien in den Quellen im Prinzip durchaus verbreitet, wie an anderer Stelle ausführlicher zu zeigen sein wird. Auch eine Zuständigkeit des Augurencollegiums für das Pomerium ist durch die Inschrift auf den Cippi der hadrianischen Pomeriumrestitution belegt, jedoch ohne eine auf das Einrichtungsritual verweisende Terminologie (restituendos curavit).181 Explizite Erwähnungen
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Brachet 2004. Zimmermann 2002. Vgl. ausführlich z. B. Sokolicek 2010. 180 Siehe für beide Varianten die in Kap. 2.2 Anm. 123 bzw. 124 angebene Lit. 181 CIL VI 1233a,b (= ILS 311); 31539a–c; 40855. 179
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des Pomerium im Zusammenhang mit den auguralen Termini der Raumkons truktion, nämlich inaugurare und effari und zugehörigen Derivaten, die also dessen rituelle Einrichtung selbst betreffen könnten, finden sich wie beim Pflugritual nur an vier Stellen überliefert: In den Pomeriumdefinitionen bei Livius und Gellius sowie in kurzen Bemerkungen bei Servius und in den Saturnalia des Macrobius. Keine dieser vier Stellen ist im Hinblick auf die genaue Rolle der auguralen Handlung unmittelbar verständlich. Bei den beiden letztgenannten Stellen ist dieser Zusammenhang sogar so vage und assoziativ, dass die hier zugrundeliegende Auffassung zum Zusammenhang von Pomerium und effatio nicht rekonstruierbar ist: In der Macrobius-Stelle ist lediglich die Tatsache erkennbar, dass pomeria und effata offenbar dem gleichen Wortfeld zugeordnet und als Begriffe für Grenzen bzw. Grenzzonen verwendet werden.182 Über einen derart vagen Zusammenhang geht auch Servius nicht weit hinaus, der zudem den Ausdruck effari ausdrücklich nicht als Definition eines Raumes versteht (effata sunt augurum preces) und auch nicht auf das Pomerium, sondern nur auf den ager effatus bezieht.183 Als Belege für die Auffassung, das Pomerium sei Ergebnis oder zumindest Gegenstand einer inauguratio oder effatio kommen somit nur die Ausführungen des Livius und des Gellius in Betracht, wobei sich letzterer auf den Augur M. Valerius Messala Rufus, einen Zeitgenossen des Livius beruft. Unter den bereits angesprochenen acht antiken Stellen, die Angaben zum Modus der Einrichtung des Pomerium enthalten, machen diese somit lediglich ein Viertel aus. Dies ist ein noch geringerer Anteil als der jener Stellen, die das Pflugritual erwähnen. Die entscheidenden zwei Stellen sollen auch hier zunächst einmal direkt einander gegenübergestellt werden, um ihre Verschiedenheit in zentralen Punkten deutlich zu machen. Livius schreibt: Pomerium, verbi vim solam intuentes, postmoerium interpretantur esse; est autem magis circamoerium, locus quem in condendis urbibus quondam Etrusci, qua murum ducturi erant, certis circa terminis inaugurato consecrabant, ut neque interiore parte aedificia moenibus continuarentur, quae nunc volgo etiam coniungunt, et extrinsecus puri aliquid ab humano cultu pateret soli. Hoc spatium, quod neque habitari neque arari fas erat, non magis quod post murum esset quam quod murus
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Macr. sat. 1,24,12: Ita sibi belli isti homines certos scientiae fines et velut quaedam pomeria et effata posuerunt, ultra quae si quis egredi audeat, introspexisse in aedem deae a qua mares absterrentur existimandus sit. („So haben sich diese feinen Menschen bestimmte Grenzen ihrer Wissenschaft und gleichsam pomeria und effata gesetzt, damit jeder, der es wagen sollte, diese zu überschreiten, als jemand gelte, der in den Tempel der Göttin hineingeblickt hat, von der alle männlichen Personen abgeschreckt werden.“). 183 Serv. Aen. 6,197: proprie effata sunt augurum preces: unde ager post pomeria, ubi captabantur auguria, dicebatur effatus.
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post id, pomerium Romani appellarunt; et in urbis incremento semper, quantum moenia processura erant, tantum termini hi consecrati proferebantur.184 Bei Gellius ist Folgendes zu lesen: „Pomerium“ quid esset, augures populi Romani, qui libros de auspiciis scripserunt, istiusmodi sententia definierunt: „Pomerium est locus intra agrum effatum per totius urbis circuitum pone muros regionibus certeis determinatus, qui facit finem urbani auspicii.“ Antiquissimum autem pomerium, quod a Romulo institutum est, Palati montis radicibus terminabatur. […] nunc etiam in quaestione est, quam ob causam ex septem urbis montibus […] Aventinus solum […] extra pomerium sit, neque id Servius Tullius rex neque Sulla […], neque postea divus Iulius, cum pomerium proferret, intra effatos urbis fines incluserint.185 Beide Stellen unterscheiden sich offensichtlich stark. Gemeinsam ist ihnen lediglich, dass sie das Pomerium als einen zweidimensionalen Raum darstellen, den sie in irgendeiner Weise mit auguralen Handlungen wie inaugurare und effari in Verbindung bringen, wobei aber jeweils auch nicht-augurale Begriffe wie (de-)terminare einerseits und consecrare andererseits auftauchen. Doch an diesem Punkt beginnen bereits die grundlegenden Unterschiede hinsichtlich des Zusammenhangs dieser 184
Liv. 1,44,4 f.: „Das Pomerium wird von denen, die nur die wörtliche Bedeutung (verbi vim) im Auge haben, als postmoerium (Raum hinter der Stadtmauer) gedeutet. Es ist aber eher ein circamoerium (Raum zu beiden Seiten der Stadtmauer), ein Streifen, den einst die Etrusker bei der Gründung ihrer Städte dort, wo sie die Stadtmauer ziehen wollten, nach Einholung des Auguriums durch exakte Abgrenzung nach beiden Seiten hin für heiligen Boden erklärten: auf der Innenseite durfte nicht bis an die Mauer heran gebaut werden – heute verbindet man die Häuser allgemein sogar direkt mit der Stadtmauer –, und an der Außenseite musste ein Stück Land von der Nutzung durch Menschen frei bleiben. Diesen Raum, der weder bewohnt noch gepflügt werden durfte, nannten die Römer Pomerium, ebensowohl weil es hinter der Mauer als auch weil die Mauer dahinter war. Und immer, wenn sich die Stadt ausdehnte, wurden diese geheiligten Grenzen entsprechend der geplanten Ausdehnung der Stadtmauer vorverlegt.“ 185 Gell. 13, 14: „Was das Pomerium sei, definierten die Auguren des römischen Volkes, die Bücher über die Auspizien geschrieben haben, mit dem folgenden Satz: ‚Das Pomerium ist der Raum innerhalb des als effatus bestimmten Gebietes, der längs des Umkreises der gesamten Stadt außerhalb der Mauer liegt, der durch bestimmte Linien abgegrenzt ist und der die Grenze der städtischen Auspizien bildet.‘ Das älteste Pomerium, das von Romulus eingerichtet wurde, wurde durch den Fuß des Palatin begrenzt. […] es steht auch heute noch in Frage, aus welchem Grund von den sieben Hügeln der Stadt [innerhalb der Mauer], während doch sechs innerhalb des Pomerium liegen, allein der Aventin, ein Stadtteil, der doch weder abgelegen noch wenig bevölkert ist, außerhalb des Pomerium sei, und diesen weder der König Servius Tullius noch Sulla, […] noch später Caesar, obgleich er das Pomerium vorschob, in die durch effatio bestimmten Stadtgrenzen (effatos urbis fines) eingeschlossen hat.“
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Definitionshandlungen mit dem Pomerium: Während bei Livius sehr deutlich nur vom Pomerium an sich als einem „inaugurierten“ und „konsekrierten“ Raum die Rede ist, bildet das Pomerium bei Gellius offenbar lediglich die Grenze oder Grenzzone eines durch effatio definierten auguralen Stadtgebietes urbs. Nach Livius war der Pomeriumstreifen ursprünglich nicht nur „inauguriert“ sondern vor allem auch „konsekriert“, was umfangreiche Reinheitsvorschriften mit sich gebracht habe, die in seiner Zeit nicht mehr oder wenigstens nicht umfänglich beachtet würden. Nach Gellius hingegen besitzt das Pomerium zwar eine bei Livius nicht erwähnte Grenzfunktion für die Auspizien, ist aber als besonderer Raum selbst offenbar nicht von nennenswerten Regelungen betroffen. Festzuhalten ist somit zunächst, dass es nicht mehr als zwei antike Autoren sind, welche das Pomerium überhaupt als zumindest teilweises Resultat auguraler Handlungen wie inauguratio oder effatio darstellen. Dies deutet schon darauf hin, dass die damit angesprochenen Auffassungen in der antiken Diskussion auch nicht präsenter waren als die Assoziation des Pomerium mit dem Pflugritual. Und ähnlich wie bei den beiden von Tacitus und Plutarch vertretenen Varianten der Identifikation von erster Furche und Pomerium, so unterscheiden sich auch die beiden hier interessierenden Versionen von Livius und Gellius so grundlegend, dass nicht von einer einheitlichen Position gesprochen werden kann. Klar ist zudem, dass das Pflugritual, welches beide Autoren im Übrigen auch an keiner anderen Stelle erwähnen, für beide nichts mit der Pomeriumeinrichtung zu tun hat: In das livianische Verständnis passt dieses schon deshalb nicht, weil es dann entweder – bei einem Pomeriumstreifen beiderseits der Mauer (magis circamoerium) – gleich für zwei Linien, nämlich jeweils innerhalb und außerhalb der Mauer hätte vollzogen werden müssen. Diese Möglichkeit wird jedoch in keiner Quelle zum Pflugritual eingeräumt. Oder aber es wäre – als Markierung der Mauerlinie – ganz unabhängig von der Einrichtung des Pomeriumstreifens erfolgt. Gellius und seine Quelle hingegen sprechen zwar nur von einer Begrenzungslinie des Pomerium, hier steht aber die Wortwahl gegen eine Integration des Pflugrituals in diesen Kontext: Ein durch ein derart markantes Ritual begrenzter Raum würde sicher nicht bloß als regionibus certis determinatus bezeichnet. Zudem wird die Einrichtung des ältesten Pomerium zwar auf Romulus zurückgeführt, jedoch ziemlich sicher nicht mit dem Akt der eigentlichen Stadtgründung in eins gesetzt (a Romulo institutum), während das Pflugritual in der gesamten Überlieferung ausnahmslos als gerade dieser Gründungsakt verstanden wird.186 Damit erweisen sich also die Aussagen des Livius und des Gellius einerseits untereinander als grundlegend verschieden. 186
Auch der Begriff urbs wird so verwendet, als sei er üblicherweise auf das Gebiet der traditionellen sieben Hügel innerhalb der Stadtmauer bezogen (septem urbis montibus), was ja überhaupt die Frage nach dem Ausschluss des Aventin aufwirft, und nur im spezifischen Kontext der Auguraldisziplin mit dem Pomerium verbunden (effati urbis fines).
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Sie sind andererseits auch aus je unterschiedlichen Gründen mit den Positionen des Varro, Tacitus und Plutarch nicht zusammenzubringen.187 Diese wiederum haben ebenso wie Festus das Pflugritual offensichtlich nicht als ein Ritual der Auguren verstanden. Varro lässt immerhin noch den Tag des Rituals durch Auspizien bestätigen (die auspicato), bei Tacitus, Plutarch und Festus sowie auch in allen anderen antiken Erwähnungen des Pflugrituals fehlt selbst dieser marginale Hinweis. Der Versuch, Pflugritual und augurale Handlung zu verbinden, erweist sich somit nur mehr als eine theoretische Option. Die faktische Vieldeutigkeit des Pomerium hinsichtlich seines Ursprungs bestätigt sich somit auch in diesem Kontext. Es bleibt aber zu untersuchen, inwiefern die in der Forschung diskutierten Ansichten zum Zusammenhang von auguralen Konstitutionsakten und Pomerium sich zu den beiden genannten Zeugnissen des Livius und des Gellius verhalten. Fraglich ist also, ob sie, wenn schon nicht dominante, so doch mindestens in der antiken Diskussion tatsächlich vertretene Auffassungen darstellen, welche ggf. sogar weiter als die übrigen in die Vergangenheit zurückreichen könnten. Angesichts der begründeten Zweifel an einer langen Tradition der Verbindung des Pomerium mit dem Pflugritual, ist dabei auch danach zu fragen, ob die Verbindungen mit den Konstruktionsritualen der Auguren in dieser Hinsicht anders zu bewerten sind. Nicht zuletzt wird dabei aber zu zeigen sein, dass Deutungen der auguralen Handlungen als eine Art von Sakralisierung des intrapomerialen Raumes nicht in Frage kommen können. Bevor die maßgeblichen Stellen daraufhin noch einmal einer genaueren Betrachtung unterzogen werden, ist zuerst eine wesentliche Prämisse der Forschung im Umgang damit zu problematisieren: Meist wird einfach vorausgesetzt, dass in der Antike über die Bedeutung der entscheidenden auguralen Termini selbst Einigkeit geherrscht habe. Doch anders als im Falle des an sich weitgehend eindeutigen Pflugrituals, dessen Elemente gut und ohne große Widersprüche überliefert sind, ist für die Handlungen und Spezialtermini der Auguraldisziplin das Gegenteil der Fall: Die Überlieferung umfasst zwar eine nicht geringe Zahl von einschlägigen Stellen. Dabei ist aber das genaue Verhältnis der genannten Termini zueinander den Quellen entweder nicht klar zu entnehmen oder stellt sich offensichtlich widersprüchlich dar. Dies betrifft insbesondere den Begriff der inauguratio. Für inaugurare bzw. das seltenere augurare und deren Derivate ist nicht einmal sicher, ob sie als technische Ausdrücke verwendet wurden; wenn überhaupt, dann wurden sie zumindest nicht ausschließlich als solche gebraucht. Eine als inauguratio bezeichnete Handlung erscheint zudem nur in einer Minderheit der Fälle überhaupt in Bezug auf Räume oder Orte, dann zumeist kleine Areale; meist bezieht sie sich
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Der extrem fragmentarische Eintrag im Wörterbuch des Festus (294 L) enthielt vermutlich eine dem Text des Gellius ähnelnde Version mit einem nachträglichen Verweis auf die anderslautende Etymologie nach Varro (post moerium, s. o.).
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hingegen auf Personen, die in ein Priesteramt eingeführt werden.188 Hinzukommen noch weitere Fälle, in denen entweder allein schon der divinatorische Akt als solcher oder noch andere Arten von Einführungen so bezeichnet werden.189 Auch in diesem Kontext ist somit davon auszugehen, dass über den korrekten Gebrauch des Terminus inauguratio bereits in der Antike keine Einigkeit bestand und dass er sich im Laufe mehrerer Jahrhunderte verändert haben dürfte. Somit ist weder die substanzielle Bedeutung noch sein Verhältnis zu den ebenfalls in diesen Zusammenhang gehörenden Begriffen locus sanctus, templum und nicht zuletzt zum Begriff der effatio in allgemeingültiger Form rekonstruierbar. Angesichts dessen greift die bisher in der Forschung intensiv diskutierte Frage, ob das Pomerium an sich oder aber das intrapomeriale Stadtgebiet als loca inaugurata anzusehen seien, in dieser Formulierung zu kurz. Um das Problem der terminologischen Unklarheit von inauguratio zu umgehen, ist das Problem somit allgemeiner zu formulieren. Zu fragen ist, ob das Pomerium, sofern es denn überhaupt auf ein der Auguraldisziplin zugehörendes Ritual zurückgeführt wurde, als bloße Grenze eines Stadtgebietes mit einem sakralen Sonderstatus anzusehen ist oder aber ob es selbst den mit diesem Sonderstatus belegten Raum darstellte. Um dies entscheiden zu können, ist es notwendig, konsequenter als in der bisherigen Diskussion für jede in diesem Zusammenhang relevante Stelle den unmittelbaren Kontext zu berücksichtigen und zu prüfen, wie der jeweilige Autor das Wort inaugurare ggf. an anderen Stellen einsetzt. Auch für die hier interessierende zweite Frage, ob nämlich ein augurales Ritual das Pomerium nicht nur geschaffen, sondern damit auch zu einer apotropäischen Grenze des Stadtgebietes gemacht habe, sind diese Schwierigkeiten unausweichlich, da diese gerade von der Bedeutung des Begriffs inauguratio abhängt. a) inauguratio des Pomerium? Die Position, das Pomerium als Grenzstreifen sei an sich ein durch inauguratio besonders ausgezeichneter Bereich, beruht, wie gesagt, im Wesentlichen auf der Pomeriumdefinition des Livius. Im Vorfeld der Errichtung der ersten Stadtmauer, welche als das zentrale Element der Gründung erscheint, wurde nach Livius ein bestimmter Bereich beiderseits der künftigen Mauer nach Einholung eines Auguriums zu heiligem Boden erklärt (inaugurato consecrabant), für den in der Folge Reinheitsvorschriften galten (puri aliquid ab humanu cultu). Die Formulierung ähnelt stark jenen, die der Autor an anderer Stelle in Bezug auf Heiligtümer verwendet: Diese werden nach Darstellung des Livius sowohl „inauguriert“ als auch „konsekriert“; sollen sie entfernt bzw. anders genutzt werden, ist dies nur nach einer 188 189
Z. B. Liv. 27,8,4 f.; Cic. Brut. 1,1; Phil. 2,110 und zahlreiche weitere Beispiele. Intransitiver Gebrauch z. B. Plaut. Asin. 259; Varr. ling. 5,47; Liv. 1,6,4; 1,18,6; 1,36,3 f. In Bezug auf die Centurien Liv. 1,43,9. Vgl. auch ThlL s. v. inauguro.
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erfolgreichen exauguratio möglich, wie es offenbar auch schon Cato formuliert hatte.190 Da man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schließen kann, dass für Livius die Formulierungen inaugurato consecrata und consecrata inaugurataque gleichbedeutend sind, drängt sich der Eindruck auf, dass die Konstitution des Pomerium bei Livius genau dem Modell der Konstitution eines Heiligtums nachgebildet ist. Fragt man auf dieser Grundlage danach, inwiefern die Auffassung eines Teils der Forschung über das Pomerium als locus inauguratus hier bestätigt wird, muss die Antwort zweigeteilt sein: Zwar ist einerseits klar, dass Livius die Konstitution des Pomeriumstreifens als durch inauguratio bestätigt darstellt. Andererseits liegt aber die entscheidende Qualitätsveränderung des so bestimmten Bereichs eben noch nicht in der inauguratio als solcher begründet, sondern erst in der consecratio. Dies deckt sich nicht nur mit Aussagen Ciceros zu Heiligtümern, wo dieser klar zwischen der lediglich vorbereitenden „Inauguration“ eines Ortes und der „Konsekration“ unterscheidet.191 Das gleiche wird auch für Livius selbst noch deutlicher, wenn man dessen Umgang mit den Ausdrücken inaugurare bzw. den entsprechenden Ableitungen dort berücksichtigt, wo nicht zugleich auch von consecratio die Rede ist: Dies geschieht bei ganz verschiedenen Gelegenheiten, von denen nur ein Teil überhaupt Örtlichkeiten betrifft. So werden etwa der König Numa, dann Flamines durch eine von Auguren vorgenommene inauguratio in ihr Amt eingeführt192; auch der Auspizien-Wettstreit zwischen Romulus und Remus wird mit einer „Inauguration“ des Romulus gleichgesetzt, an der man sich später orientiert habe.193 Hinsichtlich der Schaffung von neuen Elementen der politischen Ordnung wie der Centurien spricht Livius ebenfalls von inauguratio.194 Auch die Stadt Rom insgesamt ist bei Livius inaugurato condita, worauf erneut einzugehen sein wird.195 Somit ist festzuhalten, dass Livius die Pomeriumeinrichtung auf einen Handlungskomplex zurückführt, in den auch eine inauguratio gehörte. Diese stellt für ihn jedoch in jedem Fall nur einen vorbereitenden Teilaspekt der rituellen Einrichtung des Pomerium dar. Aus den Ausführungen des Livius geht somit also durchaus etwas anderes hervor, als in der Forschung häufig dargestellt wird; insbesondere ist es sicher nicht möglich, die hier beschriebenen Reinheitsvorschriften für das Pomerium auf alle loca inaugurata zu übertragen, da diese von Livius erst mit der consecratio verknüpft werden. 190
Liv. 1,55,2–3: exaugurare fana sacellaque statuit, quae aliquot ibi, a Tatio rege primum in ipso discrimine adversus Romulum pugnae vota, consecrata inaugurataque postea fuerant […] omnium sacellorum exaugurationes admitterent aves, in Termini fano non addixere. Vgl. Fest 160 L: Cato Originum lib. I: ‚Fana in eo loco conpluria fuere: ea exauguravit, praeterquam quod Termino fanum fuit; id nequitum exaugurari.‘ 191 Cic. dom. 137; in diesem Sinne auch Serv. auct. Aen. 1,446. 192 Numa: Liv. 1,36,3 f., Flamines: z. B. Liv. 27,8,4 f., 29,38,6; 37,47,8. 193 Liv. 1,6,4; 1,18,6 zusammen mit 1,36,3 f. 194 Liv. 1,43,9. 195 Liv. 5,52,2.
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Im Hinblick auf die Auffassung, die Einrichtung des Pomerium sei Ergebnis einer inauguratio eines Grenzstreifens, ist also zunächst festzuhalten, dass dies nicht mehr als lediglich der Definition eines Autors, nämlich der des Livius entspricht, die damit noch dazu verkürzt wiedergegeben ist. Ferner gibt es deutliche Anhaltspunkte, die gegen die Auffassung sprechen, gerade die Position des Livius spiegele ein besonders ursprüngliches Verständnis wieder. Dies zeigt sich zunächst darin, dass auch bei Livius die scheinetymologische Verbindung mit der Stadtmauer einen zentralen Platz einnimmt, auch wenn er genau diese teilweise problematisiert (est autem magis circamoerium). Diese Verbindung mit der Stadtmauer kombiniert Livius offenbar mit der vermutlich auch aus eigener Anschauung gewonnenen Tatsache, dass als locus publicus geltende Freiräume zu beiden Seiten von Stadtmauern bei realen Städten vorkamen und auf die oben bereits eingegangen wurde.196 Die gleiche Beobachtung ist offensichtlich noch bei zwei weiteren Zeugnissen wiederzufinden, die jedoch dessen Einrichtung nicht als rituellen Akt und zudem als pragmatisch begründet erklären. Auf diese wird später zurückzukommen sein. Bei Livius hingegen werden diese Freiräume offenbar mit Heiligtümern analogisiert, wobei ferner auch die Vorstellung von der sanctitas der Mauern eine Rolle gespielt haben könnte. Alles in allem wird also klar, dass auch die Position des Livius sich plausibel als antiquarische Spekulation erklären lässt. Insofern es Livius zudem stets allein um Mauer und Pomerium an sich und nicht um das dadurch abgeschlossene Stadtgebiet geht, bietet diese Stelle folgerichtig keinerlei Hinweis auf sakrale Funktionen des Pomerium im Hinblick auf den Stadtraum, den es umzog. b) effatio des pomerialen Stadtgebiets? Die auf Livius gestützte Auffassung vom Pomerium als locus inauguratus wird von ihren modernen Vertretern oft mit der Ansicht kombiniert, das Pomerium stelle zugleich die Grenze eines Stadtgebietes dar, das als Objekt einer effatio und liberatio zu verstehen sei, einer von der „vollen“ inauguratio zu unterscheidenden Definitionshandlung. Nach weitgehend übereinstimmender Aussage der Quellen handelte es sich bei einer effatio um die Bestimmung der Grenzen eines zu konstituierenden Areals mithilfe von Sprechakten.197 Der genaue Gehalt der an nur sehr wenigen Stellen belegten liberatio ist nicht mehr sicher rekonstruierbar; vermutlich betraf er die Aufhebung älterer, konkurrierender Raumkonstrukte.198 Als Grundlage für 196
Siehe Kap. 2.1 mit Anm. 6. Verwendungen von effatio: Varr. ling. 6,7,53; 7,8; Cic. Att. 13,42,3, Fest. 146 L; vgl. auch Cic. dom. 137; Liv. 2,20,6.; Fest. 498 L. Erst im Servius auctus erscheinen diese Handlungen nicht, ohne dass in der Folge durch consecratio loca sacra entstehen: Serv. auct. Aen. 1,446; 3,463; 4,200. 198 So jedenfalls bei Liv. 5,54,7 in Verbindung mit 1,55,2; weitere Belege: Cic. leg. 2,21; Serv. auct. Aen. 1,446. 197
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die Verknüpfung dieser Handlungen mit dem Pomerium dient in erste Linie die zitierte Stelle aus den Noctes Atticae des Gellius, trotz ihrer Unvereinbarkeit mit Livius. Zumindest die effatio findet sich auch tatsächlich im Text angesprochen, wenn auch eher beiläufig. Der Autor zitiert zunächst gewisse Libri de Auspiciis, wonach das Pomerium ein durch bestimmte Linien begrenzter Bereich außerhalb der Stadtmauer sei (locus […] regionibus certeis determinatus) sei, wo die auspicia urbana ihr Ende fänden. Im weiteren Verlauf spricht er allerdings davon, dass durch Erweiterung des Pomerium die effati urbis fines vorgeschoben würden. Diese werden somit offenbar mit dem Pomerium bzw. mit dessen Außengrenze identifiziert, wobei allerdings unklar ist, inwieweit Gellius hier noch der Quelle folgt oder selbst formuliert. Man wird die Aussage wohl so verstehen müssen, dass die urbs, sofern sie unter auguraltechnischen Gesichtspunkten betrachtet wird, als Produkt oder jedenfalls Objekt einer effatio anzusehen sei, bei welcher das Pomerium bzw. dessen Außengrenze die konstitutive Grenze bilde. Obwohl von den üblichen etymologischen Verbindungen mit der Mauer nicht ganz frei – daher wohl die bewusst altertümliche Formulierung pone muros – gehört diese Stelle zu der Minderheit, welche für das Pomerium einen von der Mauer konzeptionell unabhängigen Konstitutionsakt, hier eben eine effatio des Stadtgebiets, andeutet. Angesichts der grundsätzlichen Zweifel an der historischen Tiefe der Verbindung des Pomerium mit der Mauer spricht dies jedoch noch nicht gegen ein höheres Alter dieser Auffassung. Auch wird keinerlei anderweitige Begriffsherleitung geboten, die so deutlich wie in den bisher behandelten Fällen auf antiquarische Kreativität hindeuten würde. Dennoch kann das Fehlen naheliegender Gegenargumente allein noch keinen Beweis bedeuten. Denn was mit der knappen Aussage des Gellius greifbar wird, selbst wenn sie auf den spätrepublikanischen Augur Messala zurückgehen sollte, ist anders als häufig aufgefasst kein unvermittelter Einblick in die Praxis der Auguren, sondern lediglich in eine andere antiquarische Diskussion dieser Zeit.199 Von einer effatio der urbs ist zwar noch an einer anderen Stelle die Rede, nämlich in Ciceros Schrift De Legibus, wo zusätzlich auch die liberatio genannt wird. Der Kontext mahnt jedoch auch hier zur Vorsicht: Cicero listet hier in Form eines fiktiven Gesetzestextes auf, was von den Auguren zu leisten sei und nennt darunter die Regelung: urbem et agros et templa effata et liberata habento.200 Es ist aber schlicht nicht zu beurteilen, in welchem Verhältnis dieser Text, der nach Ciceros eigenem Bekunden bewusst einen angeblichen alten, nicht den verbreiteten Sprachgebrauch verwendet, zur sonstigen Entwicklung der Augurallehre steht. Daher kann es auch nicht überraschen, dass der ebenfalls an der spätrepublikanischen Diskussion um die Augurallehre beteiligte Varro nur für templa von effari spricht201, während die urbs bei Varro zwar eigene auspicia besitzt, 199
Vgl. z. B. Sehlmeyer 2009, bs. 67 f. Cic. leg. 2,21. 201 Varr. ling. 6,7,53; 7,8. 200
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aber – wie oben dargestellt – selbst etrusco ritu und gerade nicht durch Handlungen der Auguren eingerichtet wurde. Im Hinblick auf die Frage nach der Deutung der auguralen Handlung als Quasi-Sakralisierung des Stadtgebietes liefern die bisher genannten Stellen indes klare Gegenargumente: Die Gellius-Stelle thematisiert zwar eine die Auspizien betreffende Unterscheidung von urbs und nicht-urbs, gibt jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Höherwertigkeit der urbs, die sich etwa in Reinheitsvorstellungen manifestieren würde. Stattdessen ist für urbs und ager auch begrifflich gleichermaßen von effatio die Rede. Noch deutlicher wird dies in De Legibus: urbem et agros et templa effata et liberata habento. Unabhängig davon, was man sich genau unter effatio und liberatio vorzustellen hat, wird doch deutlich, dass diese Handlungen für Cicero offensichtlich nicht die urbs im Besonderen, sondern gleichermaßen auch Landgebiete (agri) und templa betreffen. Die Unbestimmtheit von agros et templa legt nahe, dass es hier vielmehr um eine universale auguralrechtliche Unterteilung des Raumes gehen soll. Jedenfalls unterscheiden sich urbs, agri und templa offensichtlich nicht dadurch voneinander, dass sie als Objekte von effatio und liberatio verstanden wurden. Letzteres wiederum zeigt auch, dass diese Handlungen hier lediglich als Definitions- und Bestätigungsakte, nicht aber als eine Art von Sakralisierung des definierten Raumes gemeint sein können. Diese Deutung befindet sich schließlich im Einklang mit der Begriffsverwendung bei anderen Autoren.202 Fest steht somit, dass Cicero hier Handlungen benennt, die seinem Verständnis nach gleichermaßen die urbs, agri und templa betreffen und somit offensichtlich noch keinen qualitativen Unterschied zwischen diesen Entitäten bedingen. c) inauguratio des pomerialen Stadtgebiets? Dennoch setzt genau hier die andere in der Forschung vertretene Position zur auguralen Konstitution des Pomerium an. Diese betrachtet, wie gesagt, nicht (oder wenigstens nicht nur) das Pomerium als Grenzstreifen, sondern das gesamte Stadtgebiet innerhalb des Pomerium als „inauguriert“. Die bei Gellius und Cicero angedeutete effatio der urbs wird als Teil dieser inauguratio derselben verstanden, an welcher dann wiederum eine umfassende Höherwertigkeit oder Sakralisierung des Gebietes intra pomerium festgemacht wird. Da aber, wie gesehen, aus jenen Stellen, in denen die urbs als effata bezeichnet wird, noch gar kein auguralrechtlicher Qualitätsunterschied von urbs und ager abgeleitet werden kann, fußt diese These wiederum auf deren zusätzlicher Verknüpfung mit anderen Stellen: Diese erwähnen zwar nicht das Pomerium, scheinen diesem Verständnis aber ansonsten auf der terminologischen Ebene zu entsprechen, da hier tatsächlich von inauguratio
202
Siehe oben Anm. 197 und 198.
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im Hinblick auf die urbs die Rede ist. Es handelt sich vor allem um einzelne Formulierungen des Livius, in den Fasti Praenestini sowie im Servius auctus. Wie schon von den Vertretern der Gegenposition wird jedoch auch von den Anhängern dieser Position die Uneindeutigkeit des Begriffs inauguratio ignoriert und damit die Notwendigkeit, die Kontexte seiner jeweiligen Verwendung in Bezug auf die urbs angemessen zu berücksichtigen. Unter diesen Verwendungen wird als vermeintlich eindeutigster Beleg stets eine Stelle der Fasti Praenestini angeführt, die eine Bemerkung des frühen römischen Historikers Lutatius zu überliefern angibt: Es geht darin – im Zusammenhang der Erklärung des Tubilustrium-Tages – um die angebliche Auffindung des Augurenstabs des Romulus in den Trümmern des Palatinhügels nach dem sogenannten Gallierbrand, von der auch eine Reihe weiterer Autoren berichtet:203 Hic dies apellatur ita, quod in atrio sutorio tubi lustrantur, quibus in sacris utuntur. Lutatius quidem clavam eam ait esse in ruina Palancensi a Gallis repertam, qua Romulus urbem inauguravit.204 Der Text der Inschrift weist jedoch gleich mehrere Merkwürdigkeiten auf, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Missverständnissen oder ungenauer Wiedergabe älterer Quellen beruhen: So ist etwa die Bezeichnung clava (Knüppel) für den üblicherweise als Lituus bezeichneten Augurenstab ausgesprochen seltsam; außerdem bleibt der Zusammenhang mit dem eigentlich für den betreffenden Kalendertag eingetragenen Ritual des Tubilustrium vollkommen unklar. Er beruht möglicherweise auf der fälschlichen Gleichsetzung des Lituus der Auguren mit einem ebenfalls als Lituus bezeichneten militärischen Signalhorn, welche beim Tubilustrium eine Rolle gespielt haben dürfte.205 Angesichts dieser Schwierigkeiten wird schon klar, dass bei der Deutung der Stelle nicht allzu großes Gewicht auf den verwendeten Terminus gelegt werden kann. Es sollte vielmehr darauf geachtet werden, welche Handlung hier überhaupt gemeint sein kann. Berücksichtigt man die übrige Überlieferung, so ist mit recht hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es hier um die Vogelschau des Romulus im Rahmen des Wettstreits mit Remus geht. Diese wird etwa auch von Livius als inaugurare bezeichnet.206 Dort 203 Cic.
div. 1,30; Dion. Hal. ant. 14,2,2; Val. Max. 1,8,11; Plut. Rom. 22,1–2; Cam. 32,4–5. 204 Walter 2009, F 11 (Fasti Praenestini a. d. X kal. Apr., CIL I 2 1 p. 234 = F 11 HRR = F 6 GRF). „Dieser Tag heißt so [scil. Tubilustrium], weil im Atrium Sutorium die Trompeten (tubi) rituell gereinigt werden, die man bei den heiligen Handlungen benutzt. Lutatius freilich sagt, dass derjenige Knüppel (clava) in den Trümmern des von den Galliern niedergebrannten Palatin gefunden worden sei, mit dem Romulus die Stadt inaugurierte.“ 205 Vgl. ebd. 206 Liv. 1,6,4; für weitere Belege für intransitiven Gebrauch des Wortes vgl. oben Anm. 189.
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und in der gesamten sonstigen Überlieferung betrifft diese Handlung primär die Person des Romulus als Gründer und König und nie unmittelbar die Gründung selbst im Sinne der Konstitution eines Ortes.207 Die Stelle in den Fasti Praenestini ist somit wohl nicht einmal so zu verstehen, dass die urbs hier im technischen Sinne als Ergebnis eines auguralen Definitionsaktes gedacht wird. Doch auch im gegenteiligen Fall ist damit über die substanzielle Bedeutung der inauguratio noch gar nichts gesagt. Von den Livius-Stellen in diesem Zusammenhang ist die wichtigste wohl jene aus der Rede des M. Furius Camillus aus dem 5. Buch, in welcher Camillus auf die augural bestätigte Stadtgründung verweist, welche eine Auswanderung der Stadtbevölkerung nach dem Galliersturm unmöglich mache: urbem auspicato inauguratoque conditam habemus.208 Die auf den ersten Blick naheliegende Interpretation dieser Stelle dahingehend, dass hier das Stadtgebiet im beschriebenen Sinne „inauguriert“ worden sei, empfiehlt sich jedoch nicht, wenn man die Verwendungsweise der hier genannten Termini im livianischen Geschichtswerk insgesamt betrachtet, auf die oben bereits eingegangen wurde. Zudem ist von einer inauguratio des Stadtgebiets im Zusammenhang mit der Gründungsgeschichte bei Livius nirgends die Rede: Stattdessen werden inaugurare (und auch augurare sowie die Adverbien augurato / inaugurato) dort eindeutig als Bezeichnung für die Vogelschau der Zwillinge auf dem Palatin bzw. dem Aventin verwendet (Palatium Romulus, Remus Aventinum ad inaugurandum templa capiunt)209. Diese wiederum stellte auch nach Livius eindeutig keine „Inauguration“ eines Ortes dar, sondern diente der Entscheidung über die Herrschaft (regnum), welche erst zur Gründung der Stadt berechtigte: Romulus augurato urbe condenda regnum adeptus est.210 Dort, wo bei Livius Orte „inauguriert“ oder „konsekriert“ werden, geht es immer um kleinräumige Grundstücke außerhalb wie innerhalb der Stadt, die dann als Heiligtümer geweiht oder aber als für bestimmte Handlungen geeignete politische Versammlungsplätze dienen können.211 In die Reihe dieser Orte gehört dann auch das livianische Pomerium, also, wie bereits erwähnt, ein Streifen zu beiden Seiten der Mauer, der bei der Gründung mit göttlicher Zustimmung geweiht worden sei (inaugurato consecrabant). Dass nun Livius – neben der „Inauguration“ von kleineren Arealen wie Heiligtümern sowie des Pomeriumstreifens – zugleich die gesamte Stadt innerhalb des Pomerium als locus inauguratus betrachtet haben sollte, ist somit nur unter der Voraussetzung möglich, das darunter nichts anderes als die durch Augurien bestätigte Gründung (inaugurato condita), jedoch keine wie auch immer geartete Sakralisierung verstanden wurde. 207
Alle einschlägigen Stellen bei Rosenberg 1914, bs. 1089–1092. Liv. 5,52,2. 209 Liv. 1,6,4. 210 Liv. 1,18,6. 211 Liv. 5,52,2–5; 5,54,7; 3,20,6. 208
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Die letzte hier eingehender zu besprechende Textstelle stammt aus dem Servius auctus. Sie enthält die Angabe, dass Städte, die unter Anwendung des Pflugrituals gegründet worden seien, ebenfalls durch den Pflug rituell zerstört bzw. „exauguriert“ würden: A r andum videtur illud attingere moris antiqui, quod cum conderetur nova civitas, tauro et vacca, ita ut vacca esset interior, a magistratu muri designarentur. nam ideo ad exaugurandas vel diruendas civitates aratrum adhibitum, ut eodem ritu, quo conditae, subvertantur. Horatius „inprimetque muris hostile aratrum“.212 Bedeutet dies nun im Umkehrschluss, dass der Autor Stadtgründungen als augurales Ritual versteht? Schon der Kontext des Pflugrituals mit explizitem Verweis auf die Stadtmauer lässt die Verwendung der Stelle als Beleg für eine das Pomerium konstituierende inauguratio der Stadt im auguraltechnischen Sinne fragwürdig erscheinen. Zudem wird das Pflugritual, wie bereits erwähnt, in der Überlieferung sonst nie in den Zusammenhang mit der Auguraldisziplin gestellt. Es kommt hinzu, dass der Autor eine gewisse Unsicherheit über die korrekte Begrifflichkeit durch die Bemerkung vel diruendas quasi einräumt, während das Gründen der Stadt wie üblich als condere bezeichnet wird. Zugleich zeigt der Vergleich mit den wenigen anderen Stellen, an denen der Autor von exauguratio oder inauguratio spricht, dass auch er diesen Begriff in unspezifischer Weise verwendet.213 Von der inauguratio von Orten spricht der unbekannte Kommentator jedoch nur in Bezug auf die liberatio et effatio von loca sacra: Als solche gelten ihm gleichermaßen gewöhnliche Heiligtümer als auch solche Areale, in denen bestimmte Staatshandlungen auguralrechtlich vorgenommen werden können, jedoch sicher nicht das Stadtgebiet Roms insgesamt.214 In Bezug auf die Frage der inauguratio der urbs lässt dies logisch nur zwei Möglichkeiten zu: Entweder die urbs selbst ist nicht im technischen Sinne „inauguriert“ wie die loca sacra; bei exaugurandas läge – wie bereits angedeutet – ein übertragener Sinn vor. Oder aber die urbs ist tatsächlich inaugurata im Sinne von effata et liberata, wie sie auch von Cicero bezeichnet wurde, oder im Sinne von inaugurato condita wie bei Livius. In diesem Fall könnte es sich aber nicht schon um eine Art von Sakralisierung, sondern ledig um eine
212
Serv. auct. Aen. 4,212: „‚Pflügen‘ scheint jenes Stück alten Brauchs zu betreffen, dass, wenn eine neue Stadt gegründet wurde mithilfe von Stier und Kuh – so, dass die Kuh innen lief – vom Magistrat die Mauern markiert wurden. Daher nämlich kommt es, dass, um Städte zu exaugurieren oder zu zerstören, der Pflug verwendet wird, damit sie durch dasselbe Ritual, mit dem sie gegründet, auch vernichtet werden. Horaz schreibt: ‚und es wird in die Mauern drücken der feindliche Pflug‘.“ 213 Z. B. intransitiv: Serv. auct. Aen. 3,117; in Bezug auf einen Flamen: Serv. auct. Aen. 4,262. 214 loca sacra: 1,446; 3,463; 4,200.
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divinatorisch bestätigte Konstitution handeln, da sonst innerstädtische Heiligtümer dieser Handlung gar nicht bedürften. Diese Konstellation ist schließlich übertragbar auch auf jene weiteren antiken Autoren, die sich sonst zur Konstitution von templa durch die Auguren äußern, wie etwa Varro, der zu diesem Punkt bei Gellius zitiert wird.215 Auch der eigentliche Servius greift Ähnliches auf, freilich wieder mit etwas anderer Terminologie. Die von den Auguren eingerichteten Orte sind auch bei diesen Stellen stets offensichtlich recht eng begrenzte Grundstücke, die selbstverständlich auch innerhalb des Stadtgebietes liegen können.216 Entsprechend betonen beide Autoren, dass etwa der bekanntermaßen innerstädtische Vestatempel zwar ein Heiligtum, aber augural nicht so eingerichtet sei, dass sich dort der Senat versammeln könne. Nachvoll ziehbarerweise ist daher z. B. von Catalano, der sich gegen die inauguratio der gesamten urbs auspricht, der Umstand betont worden, dass eine inauguratio der urbs sich mit der inauguratio dieser innerstädtischen templa logisch nicht vertrage.217 Dies wiederum gilt freilich nur unter der Prämisse, dass mit inauguratio bereits eine Art von Sakralisierung gemeint sei, was alles andere als zwingend ist. Versteht man inauguratio eines Ortes lediglich als eine durch Auspizien bestätigte Definition bzw. Konstituierung, löst sich das Problem auf, da diese gleichermaßen templa wie die urbs insgesamt betreffen könnte. Von denjenigen Stellen, welche als Belege für die Vorstellung einer inauguratio der Stadt intra pomerium in Frage kommen, ist somit letztlich bei keiner sicher auszumachen, was genau jeweils unter inauguratio zu verstehen ist. Im technischen Sinne eines auguralrechtlichen Definitionsaktes wie bei einem templum ist das Wort wahrscheinlich an keiner dieser Stellen gemeint: Beim Lutatius-Fragment der Fasti Praenestini aufgrund der im Ganzen höchst ungewöhnlichen Wortwahl, bei Livius aufgrund seiner relativ gut greifbaren sonstigen Verwendung des Begriffs und im Servius auctus aufgrund der Tatsache, dass der Begriff exauguratio hier offenbar nur eine Art Verlegenheitsformulierung für die Umkehrung des Pflugrituals darstellt. Doch selbst im anderen Fall, dass der Begriff doch als auguraltechnischer Terminus gemeint sein sollte, bleibt das folgende entscheidend: Jede Interpretation der urbs als inaugurata schränkt sowohl bei Livius als auch im Servius auctus zugleich die substanzielle Bedeutung des inauguratio-Begriffs dahingehend ein, dass sie nicht mehr über eine bloße göttliche Zustimmung zu Konstitution eines Ortes (also etwa im Sinne der livianischen Formulierung inaugurato condita) hinausgehen kann.218 215
Gell. 14,7. Serv. Aen. 7,153. 217 Catalano 1978, 476. 218 Da nun davon ausgegangen wurde, dass bei der Bewertung einzelner Stellen in dieser Frage nicht allein die Terminologie ausschlaggebend sein kann, soll hier noch eine weitere Stelle nicht übergangen werden, die nicht explizit von inauguratio spricht, doch zunächst auf eine das Pomerium konstituierende Quasi-Sakralisierung des Stadtgebiets als in der Antike denkbare Position hindeuten könnte. Sie stammt einmal mehr aus 216
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2.2.3 Weder dies noch das? Das Pomerium als nicht-rituell begründete Einrichtung Die bei Livius beobachtete Auffassung, das Pomerium sei ein Streifen Landes außerhalb und potentiell auch innerhalb der Stadtmauer, ist nicht nur in den späteren antiken Zeugnissen zum Pomerium durchaus verbreitet; auch der Aspekt, dass dieser Bereich zumindest der Idee nach freizuhalten war, klingt, wie gesehen, noch bei mehreren anderen Autoren in je verschiedener Weise an. Dass die Existenz eines solchen Streifens von locus publicus in anderen Städten auch der Realität entsprach und die Verbindung mit dem Pomeriumbegriff somit durchaus nahelag, wurde bereits mehrfach erwähnt.219 In der Forschung zu wenig beachtet wird jedoch, dass viele, aber nicht alle antiken Autoren ihre Auffassungen von der Einrichtung eines solchen Pomeriumstreifens in einen rituellen bzw. überhaupt religiösen Kontext einordnen. Von den erwähnten acht Stellen, die explizit von dem Servius auctus: Ostiam vero ideo veteres consecratam esse voluerunt, sicut Tiberim, ut si quid bello navali ageretur, id auspicato fieret ex maritima et effata urbe, ut ubique coniunctum auspici, ut Tiberis, cum colonia esset (Serv. auct. Aen. 1,13). Hier ist davon die Rede, dass die Colonie Ostia ebenso wie der Tiber früher als consecrata wie auch als effata verstanden worden sei, damit bei der Vorbereitung von Seekriegen Auspizien ihre Geltung behielten. Allgemein ist festzustellen, dass der Kommentator das Wort consecratum häufig und in unspezifischer Weise gebraucht; jedoch verwendet er es hier offenbar als auguraltechnischen Ausdruck: Aus einer anderen Stelle geht hervor, dass er im Gegensatz zu Varro und Gellius der Ansicht ist, dass jedes templum, welches auguralrechtlich korrekte Staatshandlungen ermöglichte, nicht allein von den Auguren „inauguriert“ (im Sinne von effatio et liberatio), sondern auch von den Pontifices „konsekriert“ worden sei (antiqui enim aedes sacras ita templa faciebant, ut prius per augures locus liberaretur effareturque, tum demum a pontificibus consecraretur, ac post ibidem sacra edicerentur. erant tamen templa in quibus auspicato et publice res administrarentur et senatus haberi posset, erant tantum sacra, Serv. auct. Aen. 1,446). An der Stelle zu Ostia liegt möglicherweise eine Übertragung derjenigen Regel, dass bestimmte politische Handlungen nur in einem templum stattfinden durften, auf die Stadt Ostia insgesamt vor. Es spielen in Bezug auf Ostia aber wohl auch Vorstellungen über die augurale Relevanz des Wassers eine Rolle, was die Einbeziehung des Tibers erklären würde (vgl. Catalano, ebd., 499). Doch wie dem auch sei, dahingehend, dass auch die Stadt Rom oder noch andere Städte insgesamt als augurale templa angesehen werden sollten, kann die Stelle nicht gedeutet werden; andernfalls wäre kaum zu verstehen, warum dann etwa der Senat sich nicht ausnahmslos an jedem innerstädtischen Ort hätte versammeln können, was jedoch der Stoßrichtung der entsprechenden Aussage des Kommentators völlig zuwiderläuft, in der es gerade darum geht, dass politische Akte nur an ganz bestimmten Orten wie Tempeln oder heiligen Hainen vollzogen werden. Im Ergebnis wird also klar, dass auch die Aussagen des Servius auctus trotz der im Vergleich zu den früheren Autoren ungewöhnlichen Wortwahl nicht als Beleg für eine religiöse Sonderbehandlung des Stadtgebietes intra pomerium jenseits des Zusammenhangs der Auspizien gewertet werden können. 219 Siehe bs. Kap. 2.1 mit Anm. 6.
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der Einrichtung des Pomerium sprechen, fallen immerhin zwei in diese Kategorie: Ein Fragment aus einem antiquarischen Werk Suetons sowie ein anderes aus einem spätantiken Kommentar zum Gromatiker Frontinus: Pomerium: locus apud antiquos circum muros reliquebatur, non interius, ne iungeretur aedificiis, sed ut esset aliquid vacui ad instruendas acies extra muros aliquid reliquebatur. Hunc locum appellabant pomerium, veluti postmerium, eo quod esset post murum.220 Pomerium urbis est, quod ante muros spatium sub certa mensura demensum est. Sed aliquibus urbibus et intra muros simili modo est statutum propter custodiam fundamentorum.221 Beide Autoren beschreiben zwar ähnlich wie Livius einen unbebauten Streifen, stellen aber diesen Umstand und auch die Konstitution des Pomerium in keinen religiösen oder gar spezifisch auguralen Zusammenhang (aliquid reliquebatur; sub certa mensura demensum; statutum). Auch im Hinblick auf die Details zeigen beide ähnliche Auffassungen. Das Pomerium ist zumindest primär außerhalb der Mauer zu verorten; für seine Einrichtung werden zwar verschiedene jedoch gleichermaßen praktische Zwecke angegeben: Bei Sueton die ungehinderte Aufstellung des Heeres in Schlachtordnung, im Frontinus-Kommentar die Zugänglichkeit der Mauer für Nachbesserungsarbeiten, die als Gesichtspunkt auch bei Sueton, jedoch als zu verwerfende Erklärung anderer angedeutet wird. Gegen eine Überbewertung des zweiten Zeugnisses mag man sicherlich einwenden, dass bei einem spätantiken Frontinus-Kommentator eine Bezugnahme auf auguralrechtliche Vorstellungen auch nicht zu erwarten ist und das Vokabular des Vermessungswesens verwendet wird. Eine religiöse Dimension des Pomerium wird auch schon von Frontinus selbst nicht nahegelegt, der dieses vermutlich als öffentlichen Grund vor einer Stadtmauer versteht; der Pomeriumbegeriff scheint zudem auch in den meisten nicht-antiquarischen Texten seit der Hohen Kaiserzeit nur noch eine Bedeutung wie „Gebiet vor der Mauer“ zu besitzen.222 Und schließlich bezieht sich auch der Kommentar ausdrücklich auf seine eigene Gegenwart und könnte somit noch nicht 220
Suet. prata 313,7 Roth: „Pomerium: Bei den Alten wurde ein Bereich um die Mauern herum freigelassen, nicht etwa auf der Innenseite, damit man die Bebauung nicht direkt anschließe, sondern damit ein Freiraum da wäre, um die Schlachtreihen aufzustellen, wurde außerhalb der Mauern etwas frei gelassen. Diesen Bereich nannten sie Pomerium, so wie postmerium, daher, dass es hinter der Mauer lag.“ 221 Commentum ad Frontinum 17 f. L (= 66 C): „Das Pomerium einer Stadt ist der Raum, der vor den Mauern in einer bestimmten Breite abgemessen ist. Aber in einigen Städten ist ein Raum von ähnlicher Art auch innerhalb der Mauern festgelegt der Bewahrung der Fundamente halber.“ 222 Siehe Kap. 4.2.3 und 4.2.5.
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als Beleg für eine nicht-religiöse Ursprungsdeutung, zumal in der Diskussion der späten Republik und frühen Kaiserzeit gelten. Anders jedoch das Sueton-Fragment: Dieses ist nicht nur erheblich älter, sondern besitzt auch eindeutig antiquarischen Charakter; dennoch erscheint das Pomerium hier keineswegs als ein auguraler oder überhaupt aus religiösen Gründen eingerichteter Raum. Bemerkenswert ist auch, dass Sueton neben seiner eigenen Auffassung noch eine weitere anspricht, die ebenfalls pragmatischen Charakter zu besitzen scheint. Damit wird deutlich, dass es auch schon in der antiquarischen Diskussion dieser Zeit und vermutlich auch schon früher Auffassungen gab, wonach die Ursprünge des Pomerium nicht im religiösen Bereich lagen und seiner Einrichtung kein ritueller Charakter zugeschrieben wurde. Auch wenn es sich dabei um eine Minderheitsposition gehandelt zu haben scheint, ist auch dies doch als weiterer Aspekt der Uneindeutigkeit des Pomerium in Rechnung zu stellen. Alle hier thematisierten Varianten gleichen sich freilich in einem Punkt: Zu einer Deutung im Sinne einer Grenze zum sakralen Schutz des Stadtgebiets geben sie keinerlei Anlass: Insoweit das Pomerium überhaupt eine Schutzfunktion erfüllt, bezieht sich diese allein auf die Stadtmauer.
2.2.4 Zur Frage der etruskischen Herkunft des Pomerium In der Rückschau auf die bisher besprochenen Stellen soll abschließend noch auf einen weiteren Aspekt der Uneindeutigkeit des Pomerium eingegangen werden, der zwar mit der Frage nach der Art des Einrichtungsritual eng verbunden, aber nicht mit diesem deckungsgleich ist: Dies ist die Frage nach der etruskischen Herkunft des Einrichtungsrituals, welche dann auch eine etruskische Herkunft der Institution Pomerium nahelegt. Von einigen der bisher genannten Autoren wird ausdrücklich betont, dass der Akt der Stadtgründung und der damit verbundenen Schaffung eines Pomerium genau einem bereits existierenden, den Etruskern zugeordneten Ritual gefolgt sei. Ausdrücklich in diesem Sinne äußern sich sowohl Varro als auch Livius und Plutarch, die alle drei, wie gesehen, unterschiedliche Vorstellungen vom Pomerium selbst und der Art der rituellen Einrichtung vertraten: Varro und Plutarch betrachteten das Pomerium als Ergebnis des Pflugrituals, Livius als Ergebnis der inauguratio und consecratio des Mauerstreifens. Auch im Wörterbuch des Festus werden die Rituale der Stadtgründung den etruskischen Libri Rituales zugeordnet, wobei jedoch, wie oben erläutert, fraglich ist, ob auch das Pomerium in diesen rituellen Zusammenhang eingeordnet wurde. Im Zusammenhang mit der bei Lukan beschrieben Lustratio Urbis, einer rituellen Umrundung des Pomerium, ist es ebenfalls ein etruskischer Spezialist, der zur Durchführung des Rituals herangezogen wird.223
223
Lucan. 1,592–609.
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Die moderne Forschung ist der Auffassung der genannten Autoren oft gefolgt und hat für das Pomerium tatsächlich etruskische Ursprünge angenommen; Grenzsteine aus verschiedenen etruskischen Siedlungen werden entsprechend mit dem Pomeriumbegriff in Verbindung gebracht. Zudem besaßen die Etrusker unzweifelhaft Auguren und betrieben Vogelschau, wie verschiedene Überreste ihrer materiellen Kultur zeigen.224 Sie betätigten sich also in einem Bereich, mit dem in Rom das Pomerium vielfach verbunden wurde. Einzelne Gelehrte haben sogar noch über die Etrusker hinaus in die Vergangenheit reichende Ursprünge in Kulturen des alten Orients gesucht.225 Im Hinblick auf Rom führte die Annahme des etruskischen Charakters des Pomerium einige auch dazu, es historisch als eine Neuerung der etruskischen Könige, namentlich des Servius Tullius anzusehen, was später die Kritik jener auf den Plan rief, die im Gefolge von Carandini das Pomerium und die Stadtmauer des Romulus auf dem Palatin archäologisch fassen zu können glaubten. Diese in der einen wie der anderen Richtung unbeweisbaren Thesen, die auch nicht nur das Pomerium, sondern den Stadtcharakter des frühen Roms insgesamt betreffen, sollen hier nicht weiter diskutiert werden.226 Allgemein kann die bloße Zuschreibung etruskischer Ursprünge an ganz verschiedene Institutionen, wie sie bei vielen Autoren der späten Republik und frühen Kaiserzeit auftaucht, nicht als Beleg für eine tatsächliche Übernahme von den Etruskern gelten. Sie ist vielmehr sehr gut mit dem hohen Ansehen der etruskischen Kultur in dieser Zeit, gewissermaßen als „Veredelung“ von Ursprüngen zu erklären.227 Es stellt sich aber die Frage, ob diese Zuschreibung etruskischer Herkunft an das Pomerium in der antiken Diskussion überhaupt mehrheitlich vertreten wurde, auch unabhängig davon, wie genau man sich den ursprünglichen Akt der Pomeriumeinrichtung vorstellte. Dies ist jedoch unwahrscheinlich, wie die folgende Überlegung deutlich machen soll. Das verbindende Element jener Aussagen zum Pomerium, die es in einen etruskischen Zusammenhang stellen, ist nicht etwa die Auguraldisziplin, sondern ein untrennbarer Bezug des Pomerium sowohl zur Stadtmauer als auch zur Stadtgründung als einem Komplex ritueller Handlungen. Beschrieben wird hier entweder das Pflugritual oder, wie bei Livius, ein ritueller Gesamtkomplex in ebenfalls engem Zusammenhang mit der Errichtung der ersten Stadtmauer. Einzig bei Lukan geht es zwar nicht um diese Stadtgründung, aber immerhin doch um rituelle Fragen, in denen Pomerium und Mauer gemeinsam im Zentrum stehen. Es handelt sich also in all diesen Fällen genau um solche Themen, die, wenigstens nach dem Zeugnis des Festus, Gegenstand der etruskischen Libri Rituales waren: quo ritu condantur urbes, […] qua sanctitate muri, quo iure portae.228 Dies legt 224
Das bekannteste Beispiel sind vielleicht die Darstellungen der Tomba degli Auguri in Tarquinia. 225 Z. B. Labrousse 1937, 165. 226 Eine Zusammenfassung dieser Diskussion bietet Andreussi 1999, 97–99. 227 Vgl. Šterbenc Erker 2009b, bs. 93. 228 Fest. 358 L.
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den Verdacht nahe, dass das Pomerium nur dann als etruskisch gelten konnte, wenn es als Teil dieses Zusammenhangs verstanden wurde. Hier ist nun aber zweierlei zu bedenken: Erstens war schon die Zuschreibung des Pflugrituals zu den Etruskern unter den antiken Autoren keineswegs selbstverständlich, wie einige bereits erwähnte Stellen zeigen229: Auffällig ist schon bei Cato, dass die Tracht des Gründers nicht etwa auf die Etrusker, sondern das latinische Gabii verweist (cinctus Gabinus)230 – eine Bekleidung, die Varro allerdings nichtsdestoweniger mit dem etruscus ritus verknüpft. Andere, so z. B. Dionysios von Halikarnassos und Ovid, die durchaus detailliert über die rituellen Vorgänge bei der Gründung Roms berichten, lassen dennoch keinerlei Bezug zu den Etruskern erkennen.231 Vergil verbindet das Pflugritual etwa schon mit Aeneas, Silius Italicus mit Capys, dem mythischen Gründer Capuas.232 Zweitens haben die bisherigen Betrachtungen bereits gezeigt, dass ein Teil der antiken Überlieferung zum Pomerium dieses durchaus nicht in den Zusammenhang des Pflugrituals einordnete. Gellius stellt mit Verweis auf die Libri de Auspiciis sowie auf Messala das Pomerium weder in einen sachlichen Zusammenhang mit der Mauer noch dessen Einrichtung als Teil des eigentlichen Stadtgründungsaktes dar, sondern als eine lediglich auguralrechtliche Institution. Das gleiche gilt wahrscheinlich auch für das Wörterbuch des Festus, welches neben der genannten Inhaltsangabe der Libri Rituales noch weitere Informationen zum sulcus primigenius enthält.233 Die Annahme einer etruskischen Herkunft des Pomerium ist ferner auch bei jenen Autoren nicht plausibel, welche dessen Einrichtung gar nicht erst als durch rituelle Vorgaben, sondern vielmehr durch pragmatische Erwägungen begründet sehen. Dies gilt insbesondere für Sueton, aber auch für den spätantiken gromatischen Autor. Und schließlich gab es mindestens einen recht frühen und prominenten Autor, welcher zumindest die rechtlichen Funktionen des Pomerium im Kontext der Auspizien und insgesamt das Auguralrecht ausdrücklich als genuin römisch bezeichnete und den Etruskern nachdrücklich die Kompetenz dafür absprach: Cicero. Dies wird besonders deutlich im Zusammenhang der von ihm mehrfach erzählten Episode um Tiberius Gracchus den Älteren, der einen mit dem Überschreiten des Pomerium verbundenen Formfehler bei den Auspizien beging. Es kommt darüber zum Streit zwischen diesem und den etruskischen Haruspices, und in diesem Kontext wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass deren Lehre – gerade durch ihre Etruskizität – sie selbstver229
Vgl., auch zum Folgenden, Kap. 2.2.1 b) und die dort wörtlich zitierten Stellen zum Pflugritual. 230 FRH I 18a: Serv. Aen. 5,755 (F 18 HRR). 231 Dion. Hal. ant. 1,88–89; Ov. Fast. 4,811–848. Bei Dionysios passt dies freilich auch zu der Agenda des Autors, Rom als ursprünglich griechische Stadt zu präsentieren. 232 Verg. Aen. 5,752; 7,156–158; Sil. 13,117 f. 233 Die in dem extrem fragmentarischen Nachsatz des ausführlichen Abschnitts angedeutete Verbindung mit Pflug und Mauer ist, wie in Kap. 2.2.1 a) bereits gesagt, vermutlich nur etymologischer Art.
Pflugritual und inauguratio
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ständlich nicht dazu befähige, Fragen des ius pomerii zu beurteilen.234 Somit lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit schließen, dass auch das auch Pomerium selbst von Cicero nicht als eine ursprünglich etruskische Institution angesehen wurde. In der Summe ist also auch die Frage der etruskischen Herkunft des Pomerium und seines Einrichtungsrituals als weitere Facette der Uneindeutigkeit des Pomerium zu werten. Wie weit genau diese Ansicht verbreitet war, muss offen bleiben; einen Konsens gab es dazu aber sicher nicht.
2.2.5 Rückblick Die Untersuchung der antiken Aussagen zu den rituellen oder sonstigen Handlungen, auf welche das Pomerium zurückgeführt wurde, hat insgesamt zu den folgenden Ergebnissen geführt: Erstens wurde gezeigt, dass die Vieldeutigkeit des Begriffs Pomerium in der Antike sich über die bereits besprochene Problematik seiner räumlichen Gestalt hinaus auf alle Aspekte seiner rituellen oder auch nichtrituellen Einrichtung und damit auch seiner kulturellen Herkunft erstreckte. Klare Mehrheitsmeinungen lassen sich dabei nur in ganz basalen Fragen feststellen, wie etwa darin, dass die Einrichtung in einem ursprünglichen Zusammenhang mit der Stadtmauer gestanden habe, was jedoch vor allem am scheinbaren etymologischen Zusammenhang zu liegen scheint. Darüber, auf welche Weise das Pomerium ursprünglich eingerichtet worden sei, lassen sich aber etwa sechs verschiedene, nicht oder nur theoretisch miteinander vereinbare Positionen in den Quellen ausmachen. Die moderne Forschung hat diese Vieldeutigkeit bisher nicht in angemessenem Umfang als Faktum anerkannt, wie sich daran zeigt, dass bestimmte in der Antike strittige Aspekte des Themas in der Regel noch immer als Selbstverständlichkeit angesehen werden: Dies gilt sowohl für den konstitutiven Zusammenhang von Pomerium und Pflugritual als auch für dessen Verbindung mit Raumkonstruktionsakten der Auguren. Wie außerdem deutlich wurde, hat die Forschung einerseits durch ungenaue Interpretationen und fragwürdige Kombinationen der antiken Zeugnisse noch weitere Positionen hervorgebracht, die so in der antiken Diskussion überhaupt nicht wiederzufinden sind. Dies gilt etwa für alle Versuche, Pflugritual und augurale Handlungen zu einem Komplex zu integrieren, ferner auch für beide in der Frage der Auguralhandlungen vertretenen Forschungspositionen: sowohl für die Vorstellung, das Pomerium sei zugleich ein locus inauguratus und Grenze einer urbs effata et liberata, als auch für die gegenteilige Ansicht, wonach das gesamte Stadtgebiet innerhalb des Pomerium – im Gegensatz zum Umland (ager) – einen locus inauguratus darstelle. Andererseits wurden in der Forschung bestimmte Positionen der antiken Diskussion weitgehend ignoriert, etwa jene, die das Pomerium gar nicht als rituelle Einrichtung betrachtet. 234
Cic. nat. 2,11 f.; div. 2,75.
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Die rätselhafte Grenze
Zweitens hat sich die Vieldeutigkeit des Pomerium auch in der Frage der ursprünglichen Konstitutionshandlung als unhintergehbar erwiesen, und zwar gleichermaßen für die antiken Autoren wie für die moderne Forschung. Damit ist nicht allein der Umstand gemeint, dass die realen historischen Ursprünge des Pomerium in der Frühzeit bereits für die antiken Gelehrten und genauso für die moderne Forschung unzugänglich bleiben. Gezeigt hat sich vielmehr auch, dass es auf der Grundlage der verfügbaren Quellen nicht einmal möglich ist, eine gewissermaßen traditionelle, also auf deutlich älterer Überlieferung beruhende Sicht zu diesen Fragen zu rekonstruieren. Fast alle einschlägigen Zeugnisse zu den für das Pomerium konstitutiven Handlungen erwecken im Gegenteil gerade den Eindruck, hauptsächlich Produkte antiquarischer Spekulation zu sein, und dies auf der Grundlage von scheinbarer Etymologie, der Anschauung gegenwärtiger Verhältnisse und den im Charakter vergleichbaren Ausführungen anderer, meist nicht viel älterer Autoren. Eine gewisse Ausnahme bildet hier zwar jene der Darstellung des Gellius bzw. des Messala zu entnehmende Position, welche das Pomerium mit einer effatio der urbs in Verbindung bringt, die ohne Nennung des Pomerium auch von Cicero erwähnt wird. Doch ist auch über diese Position kein gut begründetes Urteil möglich, vor allem angesichts der extremen Knappheit der Belegstellen, der Unvereinbarkeit mit Varro und der fehlenden Überlieferung weiterer auguraltechnischer Texte der späten Republik oder gar älterer Zeit. Drittens und letztens ist folgendes festzuhalten: Weder diejenigen Stellen, welche das Pomerium als Resultat des Pflugrituals darstellen, noch jene, in denen es als Ergebnis auguraler Handlungen erscheint, geben Anlass dazu, es als die „magische“ oder sakralrechtliche Grenze schlechthin, also als die in allen die Religion betreffenden Bereichen maßgebliche Stadtgrenze anzusehen. In keinem Fall wird in den Quellen der Eindruck erweckt, das Stadtgebiet (durch welche Grenze es auch definiert sein mag) besitze insgesamt einen sakralen Sonderstatus. Wenn ein solcher überhaupt angesprochen oder auch nur implizit nahe gelegt wird, geht es stets um den sakralen Status einer Grenze an sich. Dieser wiederum wird insgesamt eher noch in Bezug auf die Stadtmauer thematisiert als in Bezug auf das Pomerium. Dies fügt sich zudem ein in die aus anderen Zusammenhängen sowohl der römischen wie der griechischen Kultur bekannten Vorstellungen von Grenzen, die als religiöse Überhöhungen der Grenzziehung an sich als eines wirklichkeitskonstitutiven Aktes verstanden werden können. Durch diesen konnte die Unverletzlichkeit der Grenze begründet werden, ohne dass dies aber mit apotropäischen Funktionen der Grenze im Hinblick auf den definierten Raum bzw. mit einem besonderen religiösen Charakter dieses Raumes einherging. Diese Ergebnisse zum Aspekt des rituellen Ursprungs des Pomerium schließen freilich eine spezifisch sakralrechtliche Funktion des Pomerium noch nicht aus. Um diese Frage beurteilen zu können, müssen daher nun die einzelnen Funktionen beleuchtet werden, die dem Pomerium einerseits in der modernen Forschung, andererseits in einigen antiken Quellen zugeschrieben werden.
3. Roms „magische“ Grenze? Funktionszuschreibungen an das Pomerium
3.1 Kultorte, Kultvorschriften und das Pomerium Die Prüfung der dem Pomerium zugeschriebenen Funktionen soll mit einem Themenbereich beginnen, der für eine Deutung des Pomerium als „magischer“ und für den Sakralbereich maßgeblicher Grenze besonders zentral erscheint, nämlich dem des Kults. Mit dem Pomerium sind in der Forschung Regelungsfunktionen sowohl im Hinblick auf die Orte des Kults als auch zumindest im Hinblick auf Kultvorschriften vor allem eines bestimmten Priesters, des Flamen Dialis, verbunden worden. Diese Zuschreibungen sollen im Folgenden in zwei separaten Abschnitten auf ihre Tragfähigkeit hin geprüft werden.
3.1.1 Das Pomerium und die „fremden“ und „gefährlichen“ Kulte In einem der beiden genannten Bereichen ist eine lange gesichert scheinende Position in den letzten Jahrzehnten bereits stark in die Defensive geraten: Es ist dies die lange sehr verbreitete Annahme, dass ein regelhafter Zusammenhang bestanden habe zwischen dem Pomerium und den Orten, an welchen die Kulte bestimmter Gottheiten praktiziert und deren Tempel errichtet werden durften. Bei diesem angeblichen Zusammenhang geht es einerseits um die Herkunft, andererseits um die „Natur“ der jeweiligen Gottheiten. a) „fremde“ Kulte So war es lange Zeit praktisch communis opinio, dass für – aus stadtrömischer Sicht – fremde bzw. als fremd geltende Kulte wenigstens in republikanischer Zeit nur außerhalb des Pomerium Heiligtümer errichtet werden durften. Jordan sah hierin gar eine der „wichtigsten Qualitäten“ des Pomerium überhaupt, die bis in die Kaiserzeit bestand gehabt habe.1 Diese erstmals bereits 1839 von Ambrosch2 vorgebrachte These findet sich vereinzelt bis in neuere Veröffentlichungen.3 1 2
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Jordan 1872, 318; vgl. auch Labrousse 1937, 191. Ambrosch 1839, 189–191. Ohne Einschränkung übernommen z. B. von Jordan 1872; Gilbert 1883–1890, III, 66 (der auch in Rom selbst neu aufkommende Kulte ausgeschlossen sieht); Marquardt 1885, 44. Neuere Vertreter z. B. Rüpke 1990, 35 f. (der allerdings einräumt, dass die Belege spät und ohne expliziten Bezug zum Pomerium sind); Galsterer 2001, 87; Simonelli 2001, 139–144.
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Roms „magische“ Grenze?
Offensichtliche Gegenbeispiele für diese angebliche Regel, wie die Kulte der Castores auf dem Forum, der aus Sizilien stammenden Venus Erycina seit 217 v. Chr. auf dem Capitol oder der phrygischen Mater Magna auf dem Palatin seit 204 v. Chr. (der Bau eines Tempels dort folgte 191 v. Chr.) fielen zwar natürlich auch der älteren Forschung auf. Sie führten aber lange Zeit nicht zu einer Abkehr von Ambroschs These.4 Stattdessen wurden über Jahrzehnte immer wieder z. T. sehr komplizierte Modifizierungen und Verfeinerungen der These vorgeschlagen, welche die genannten sowie noch weitere Fälle mit der angeblichen Grundregel in Einklang bringen sollten. So seien z. B. als „einheimisch“ alle italischen Gottheiten behandelt worden, auch wenn diese nicht aus Rom selbst stammten.5 Damit wurde der Standort des Tempels der angeblich aus Tusculum oder Lavinium übernommenen Castores auf dem Forum begründet (wobei freilich außerdem die Annahme notwendig war, die Castores seien von Beginn an nicht mehr als griechische, sondern als latinische Gottheiten verstanden worden6).7 In den Fällen der Venus Erycina8 und der Mater Magna wurden jeweils Gründe vorgebracht, warum man gerade hier Ausnahmen von der alten Regel gemacht oder nach dem Hannibalkrieg sogar ganz von ihr abgekommen sei.9 Eine verbreitete Auffassung der Forschung war z. B., dass die beiden genannten Gottheiten aufgrund ihrer mythologischen Verbindungen mit Aeneas bzw. den Troianern als quasi-einheimisch verstanden worden seien.10 Darüber hinaus führte man etwa die Wirren des Hannibalkrieges als Begründung für den angeblichen Präzedenzfall
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In der älteren Forschung vielleicht die einzige Ausnahme: Aust 1889, 47–49. Wissowa 1902, bs. 37 f., 40, 55. Dies setzt in anachronistischer Weise ein Konzept von Italien schon für die Frühzeit voraus, vgl. Giardina 1997, 125 f. Zur Entstehung und Institutionalisierung dieses Konzepts ausführlich Carlà-Uhink 2017. Gilbert 1883–1890, III, 59 f.; Schilling 1960; Castagnoli 1983. Die extrapomeriale Lage der Heiligtümer anderer italischer Gottheiten (z. B. Juno Regina auf dem Aventin) wurde dann wiederum dadurch zu begründen versucht, dass diese im Gegensatz zu den Castores durch das Ritual der evocatio nach Rom gekommen seien, vgl. z. B. Simonelli 2001, 140. Wissowa 1902, 217 f.; Dumézil 1966, 433. Zur in diesem Kontext ebenfalls oft diskutierten Minerva Capta siehe Ziolkowski 1992, 112–115; Torelli 1984, 53 f. Im Fall der Venus Erycina spielt eine weitere Diskussion eine Rolle, die sich um die Frage dreht, ob das Capitol bereits seit Servius Tullius oder erst seit dem 1. Jh. v. Chr. (Erweiterungen Sullas oder Caesars) innerhalb des Pomerium gelegen habe (dagegen z. B. Karlowa 1896, 4 f.; Besnier 1926, 546; Homo 1900, 401; dafür Schilling 1949). Magdelain 1976, 94 (=1990, 177 f.), sieht nur die Arx, nicht das eigentliche Capitol außerhalb des Pomerium. Aust 1889, 47–50; Mommsen 1890, 405; Wissowa 1902, 55, 217 f.; für eine völlige Abkehr von der Regel nach dem Hannibalkrieg plädierte z. B. Besnier 1926, 545. Besnier 1926, 545; Schilling 1949, 35; Dumézil 1966, 456 f. und 470.
Kultorte, Kultvorschriften und das Pomerium
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bzw. die Ausnahmereglung an.11 Auch wenn diese extremen Umstände offenbar auch in anderen Fällen zu Dehnungen oder Ausnahmen von Regeln führten, muss eine solche Regel in diesem Fall gar nicht vorausgesetzt werden. Der interpretatorische Aufwand, der zur Aufrechterhaltung der „Pomeriumregel“ betrieben wurde, ist umso bemerkenswerter, als kein einziger expliziter literarischer oder inschriftlicher Beleg für These existiert. Berufen konnten sich ihre Vertreter also fast ausschließlich auf die verhältnismäßig hohe Zahl von Kulten von eindeutig oder mutmaßlich fremder Herkunft in bestimmten außerhalb des Pomerium gelegenen Gebieten, vor allem auf dem Aventin.12 Die einzigen Aussagen in Quellen, die überhaupt explizit einen Zusammenhang von Kulten und Pomerium herstellen, finden sich bei Cassius Dio. Dieser berichtet, Augustus habe den privaten Vollzug ägyptischer Kulte innerhalb des Pomerium verboten. An anderer Stelle betont er außerdem, das viel später errichtete öffentliche Heiligtum ägyptischer Gottheiten sei außerhalb des Pomerium errichtet worden und impliziert, dies sei ganz bewusst geschehen.13 Selbst wenn man Cassius Dio, wie die Forschung es allgemein tut, hier uneingeschränkt folgen möchte, kann diese Nachricht über punktuelle Maßnahmen gegen ganz bestimmte Kulte unmöglich als Beleg für eine allgemeine Regel bezüglich „fremder“ Kulte gewertet werden. Mit Recht wurde in jüngerer Zeit außerdem auf den naheliegenden Zusammenhang mit dem politischen Programm des Augustus verwiesen, wobei allerdings zu bedenken ist, dass Cassius Dio von Maßnahmen gegen ägyptische Kulte von Seiten des Senats auch schon für eine deutlich frühere Zeit berichtet.14 Auch die in kritischer Absicht geäußerte Ansicht, Augustus habe zur Begründung seines Vorgehens auf eine von ihm wohl selbst erfundene Tradition bezüglich Kulten und Pomerium Bezug genommen, scheint mir nicht aus dem Text hervorzugehen.15
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Wissowa 1902, 55; Schilling 1949, 27; Magdelain 1977, 25 (=1990, 224); LiouGille 1998, 349. Die Situation ist somit ähnlich wie bei den sogenannten militärischen Festen wie z. B. dem armilustrium oder dem Ritual des Oktoberpferdes, die beide ebenfalls gelegentlich mit dem Pomerium assoziiert werden (siehe Kap. 4.1.1 f)). Deren rituelle Handlungen fanden ebenfalls eher in der Peripherie – außerhalb jedenfalls des frühen Pomerium – statt, oder begannen zumindest dort, um dann ins Stadtzentrum zu führen. Allein dies kann aber keinen konzeptionellen Zusammenhang mit Stadtgrenzen oder gar einer spezifischen Grenze belegen. Cass. Dio 40,47,4; 53,2,4; 54,6,6. Früher: Cass. Dio 40,47,4 (52 v. Chr.); 42,26,2 (48 v. Chr.), vgl. auch Tert. apol. 6 und nat. 1,10. Außerdem gibt es Zeugnisse für ein Vorgehen gegen ägyptische Kulte auf Betreiben des Tiberius, wenn auch noch unter dem Prinzipat des Augustus (9 n. Chr.): Tac. ann. 2,85, Suet. Tib. 36; Ios. ant. Iud. 18,3,4. Boatwright 1986, 24 und 35; Beard / North / P rice 1998, 180; Orlin 2002, 6; Orlin 2010, 211.
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b) „gefährliche“ Kulte Trotz ähnlich gelagerter Schwierigkeiten konnte nun sogar noch eine weiter reichende These zu Kulten und dem Pomerium weite Verbreitung in der Forschung finden. Nicht nur für die sogenannten fremden, sondern auch innerhalb der Gruppe der als einheimisch geltenden Kulte wurden in der Forschung Regeln postuliert, die den Standort der entsprechenden Heiligtümer innerhalb bzw. außerhalb des Pomerium erklären sollten. So wurde behauptet, dass bestimmte Gottheiten aufgrund ihrer als gefährlich oder jedenfalls unpassend betrachteten „Natur“ nur extra pomerium verehrt werden konnten. Eine Stelle bei Festus wurde zuweilen auf einen Zusammenhang von Kulten und dem Pomerium hin interpretiert, nach der die Ludi Tauri deshalb im Circus Flaminius stattfänden, damit die di inferi, denen diese gewidmet waren, nicht innerhalb der Mauern angerufen würden.16 Noch deutlich verbreiteter war aber die sowohl von Karlowa als auch von Wissowa vertretene Ansicht, dass neben den nicht-italischen Gottheiten all jene, die im weitesten Sinne mit Krieg oder Zerstörung zu tun hatten, nur extra pomerium verehrt worden seien.17 Diese Position klingt in abgeschwächter Form auch in neueren Veröffentlichungen nach, zumindest in Bezug auf Mars und oft auch auf Vulcanus.18 Die beiden in diesem Kontext oft angeführten literarische Quellenbelege halten jedoch einer kritischen Überprüfung nicht stand:19 So empfiehlt zwar Vitruv für den Bau z. B. von Tempeln des Mars extra urbem sed ad campum, des Merkur in foro oder in emporio als Orte, weist also verschiedenen Göttern solche Orte zu, die zu deren jeweiligem Zuständigkeitsbereich passen. Er betont zudem mehrfach, bestimmte Gottheiten seien – nach den Schriften der Haruspices – außerhalb der Mauern zu verehren, da sie einen schädlichen Einfluss auf den physischen (Vulcanus) oder moralischen (Venus) Bestand des Gemeinwesens haben könnten. Vom Pomerium ist hier allerdings an keiner Stelle die Rede.20 Vor allem mahnt 16
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Festus, 478 L; Karlowa 1896, 7, Anm. 1; Patterson 2000, 92. Aus der Stelle meint Simonelli 2001, 139 (Anm. 171) gar eine entsprechende Regel für alle Arten von Spielen, auch in den Coloniae, ableiten zu können. Karlowa 1896, 6–7; Wissowa 1902, z. B. 133, 185; Merlin 1906, 66–68 (der auch Kulte mit Bezug zur Landwirtschaft für ausgeschlossen hält). Rüpke 1990, 35 f. (räumt ein, dass die entsprechende Bestimmung „spät und terminologisch nicht klar mit dem Pomerium verbunden“ ist); Liou-Gille 1993, 101 f., und Liou-Gille 1998, 349; Beard / North / P rice 1998, 180; Giardina 2000, 28 und 32 (deutet den Bau des Mars-Ultor-Tempels als Symbol für das Eindringen des militärischen imperium in die Stadt); Simonelli 2001, 148; Bendlin 2013, 465. Vitr. 1,7,1. Vgl. die Analyse von Orlin 2002, 6. Auch der Verweis auf die Haruspices weist nicht unbedingt in Richtung auf das Pomerium, da diese nach Auskunft Ciceros (div. 2,75) gerade in diesem Bereich nicht als kompetent galten.
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auch der normative Charakter der Schrift Vitruvs zu größter Vorsicht, was die Rekonstruktion stadtrömischer Realität seiner Zeit angeht. Die zweite in diesem Zusammenhang zu nennende Stelle findet sich in Servius’ Aeneiskommentar.. Sie stellt, ganz abgesehen von ihrer späten Entstehungszeit, nur zwei ganz konkrete Heiligtümer einander gegenüber und erklärt, warum Mars in der Stadt als friedlicher Quirinus, vor dem Tor jedoch als kriegerischer Gradivus verehrt werde.21 Auch hier wird das Pomerium nicht genannt. Zudem sind auch hier klare Gegenbeispiele zu berücksichtigen, wie die Heiligtümer des Mars in der Regia (vom augusteischen Mars-Ultor-Tempel ganz zu schweigen) sowie das des Vulcanus im Comitium.22 c) Kritische Stimmen der Forschung und Fazit Für beide Varianten eines Zusammenhangs von Kulten und Pomerium sind skeptische Positionen zwar schon sehr früh formuliert worden, fanden aber lange wenig Beachtung.23 Erst in den letzten Jahrzehnten scheint sich zumindest die Unhaltbarkeit der ersten These, also der eines Verbots „fremder“ Kulte intra pomerium, weitgehend durchgesetzt zu haben, abgesehen von vereinzelten Ausnahmen, welche die entsprechenden jüngeren Beiträge offenbar nicht zur Kenntnis genommen haben.24 So ist einerseits die erläuterte und besonders von Wissowa ausführlich entfaltete und als substanziell verstandene Unterscheidung von einheimischen und fremden Kulten bzw. Gottheiten heute nur noch von wissenschaftshistorischer Bedeutung: Zu keinem Zeitpunkt hat es eine authentisch römische oder italische, also von äußeren wie etwa etruskischen oder griechischen Einflüssen freie Religion gegeben.25 Darüber hinaus ist zu betonen, dass die vollständige Rekonstruktion dessen was im Einzelnen tatsächlich „etruskisch“ oder „griechisch“ ist mit den uns vorliegenden Quellen kaum möglich ist, auch wenn in bestimmten Fällen (wie z. B. der Mater Magna) die fremde Herkunft feststeht.26
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Serv. Aen. 1,292. Castagnoli 1984, 19. Skeptisch ist auch R adke 1980, 27. Ziolkowski 1992, 266, verweist außerdem auf den kriegerischen Bezug bei weiteren innerhalb des Pomerium gelegenen Tempeln, wie dem der Victoria auf dem Palatin und dem des Honos und der Virtus, wobei bei letzterem diese Lage nicht gesichert scheint. 23 Schon Aust 1889 stellte zurecht fest, dass eine feste Regel in diesen Hinsicht weder aus den Quellen hervorgeht, noch überhaupt angenommen werden muss. Vgl. auch z. B. Besnier 1926, 545, der annimmt, dass zumindest „einheimische“ Kulte „indifférement“ platziert worden seien. 24 Galsterer 2001; Simonelli 2001. 25 Prescendi 2003; Graf 2003. 26 Scheid 1995; Scheid 2005, 87–110; Šterbenc Erker 2013. 22
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Nichtsdestoweniger sind entsprechende Herkunfts- und Fremdheitszuschreibungen natürlich gelegentlich in den Quellen greifbar. Daher bleibt es wichtig zu betonen, dass sich auch eine mit der zugeschriebenen Fremdheit zusammenhängende Regel im Hinblick auf den intra- oder extrapomerialen Standort von Heiligtümern in Rom nicht nachweisen lässt, wie besonders Ziołkowksi und Orlin haben überzeugend zeigen konnten.27 So weist Orlin z. B. darauf hin, dass selbst die aus dem nahen Praeneste übernommene Fortuna Primigenia als alienigena bezeichnet werden konnte, ihr Heiligtum sich aber eindeutig innerhalb des Pomerium befand.28 Nach Ziółkowski spielte stattdessen schlichter Platzmangel in den zentralen Bereichen der Stadt bei der Standortwahl von Tempeln seit der mittleren Republik eine wesentliche Rolle.29 Orlin betont das Kriterium der räumlichen Nähe zu den mit der jeweiligen Gottheit verbundenen Gebäuden und Praktiken.30 Beide Aspekte werden zweifellos eine Rolle gespielt haben. Es ist selbstverständlich auch nicht auszuschließen, dass der Verlauf des Pomerium oder anderer Grenzen bei einzelnen Standortentscheidungen berücksichtigt wurde.31 Dies bzw. die Gewichtung einzelner Kriterien muss aber, da sich kein eindeutiges Muster erkennen lässt, eine Sache des Einzelfalls gewesen sein, dessen genaue Umstände sich wiederum aber in den Quellen kaum je fassen lassen. Eine feste Regel, nach der bestimmte Kulte aus dem Bereich intra pomerium ausgeschlossen wurden, lässt sich in keinem Fall mehr behaupten. Festgehalten werden kann lediglich, dass die genannten und andere Textstellen Vorstellungen einer Schutzbedürftigkeit der Stadt vor bestimmten Kulten bzw. Gottheiten belegen, welche aber in unseren Quellen nur an zwei Stellen und nur bei Cassius Dio mit dem Pomerium verknüpft werden. Dass zudem das Zeugnis Cassius Dios insofern zu relativieren ist, als er als einziger Autor das Pomerium in nahezu jedem Zusammenhang für die maßgebliche Stadtgrenze hält, wird im Laufe dieser Untersuchung immer wieder zu beobachten sein.
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Ziolkowski 1992; Orlin 2002. Vgl. auch Giardina 1997, 125 f. Val. Max. 1,3,2; Orlin 2002, 2. 29 Ziolkowski 1992, 265–277. Auf diesen Gesichtspunkt hatte zuvor lediglich Aust 1889, 49, hingewiesen, während Karlowa 1896, 8 f. (Anm. 5), dies energisch zurückwies. 30 Orlin 2002, 8. 31 Orlin 2002, 9–16, und Orlin 2010, 82, 126, 211, wobei allerdings nicht zu entscheiden ist, inwiefern der Gesichtspunkt der intra- bzw. extrapomerialen Lage überhaupt ins Gewicht fiel. Standorte z. B. auf dem Palatin oder dem Aventin müssen auch ohnedies schon als bedeutsam empfunden worden sein. 28
Kultorte, Kultvorschriften und das Pomerium
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3.1.2 Der Flamen Dialis und das Pomerium Unabhängig vom Problem der Kultorte wird in der Forschung immer wieder auch im Hinblick auf gewisse Kultvorschriften angenommen, dass sich in ihnen das Pomerium als „magische“ Grenze der Stadt „ausgeprägt“ habe.32 Dabei geht es um Regelungen für die Priesterämter der Flamines maiores, insbesondere für den Flamen Dialis, der als Sonderpriester des Jupiter mit einer besonderen und für die römische Religion ungewöhnlichen Vielfalt von Restriktionen und Tabus belegt war. Unter diesen Vorschriften wurden in der Forschung drei mit dem Pomerium in Verbindung gebracht: die Anwesenheitspflicht in Rom, Regelungen über seine rituelle Kopfbedeckung sowie das Verbot, ein Heer in Kampfbereitschaft zu sehen. Durch eine ganze Reihe expliziter Belege verschiedener Autoren steht die historische Existenz der genannten Vorschriften für die Flamines im Prinzip nicht in Frage, auch wenn die Zeugnisse darüber erhebliche Widersprüche in den Details aufweisen. Auch lassen sich für alle drei Aspekte Belegstellen finden, in deren zumindest weiterem Kontext auch das Pomerium erwähnt wird. Diese bedürfen jedoch einer genaueren Betrachtung als bisher, um entscheiden zu können, ob dem Pomerium in diesem Zusammenhang dabei tatsächlich eine signifikante Rolle zugeschrieben wurde. Sofern darüberhinausgehende begründete Vermutungen über die ursprünglichen Hintergründe der jeweiligen Vorschrift möglich sind, ist ebenso zu berücksichtigen, ob für diese eine konzeptionelle Verbindung mit Stadtgrenzen überhaupt plausibel ist. a) Anwesenheitspflichten Zunächst soll geprüft werden, ob der Aufenthalt der Flamines maiores oder auch nur des Flamen Dialis in den Augen der antiken Autoren in irgendeiner Form an das Pomerium bzw. den so definierten Boden gebunden war, wie von einigen behauptet wurde.33 Der Hintergrund wurde dabei etwa im angeblich inaugurierten Status des Gebietes intra pomerium gesehen, an welches der Flamen infolge seiner eigenen inauguratio gebunden sei. Eine andere Theorie besagt, der Flamen Dialis werde durch die Vorschrift vor der Sphäre des Krieges und besonders davor geschützt, dem außerhalb geltenden unbeschränkten imperium unterworfen zu werden. Verbote für Flamines, sich längere Zeit außerhalb Roms aufzuhalten, werden von den antiken Autoren immer wieder in verschiedenen Varianten zur Sprache gebracht. Häufig geht es im Kontext dieser Thematisierungen darum, dass Personen 32 33
So formuliert Hänger 2001, 85. Karlowa 1896, 9; Magdelain 1968, 62 Anm. 6; Catalano 1966, 269; Catalano 1978, 528 f. Anm. 370; Martorana 1978, 72; Martorana 1980, 1457; Simonelli 2001, 148 (mit Anm. 249); De Sanctis 2012b, 124.
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aufgrund ihres Priesteramtes und mit dem Verweis auf die damit verbundene Anwesenheitspflicht an der Übernahme von politischen und militärischen Aufgaben außerhalb Italiens gehindert wurden.34 Eindeutige und explizite Verknüpfungen des Anwesenheitsgebots mit dem Pomerium oder anderen Stadtgrenzen sind jedoch nicht überliefert. Die für einen Zusammenhang mit dem Pomerium am ehesten in Frage kommende Belegstelle findet sich wiederum in der Camillus-Rede bei Livius, in der sowohl der Flamen Dialis als auch das Pomerium Erwähnung finden.35 In dieser Rede lässt Livius den Camillus bekanntlich verschiedene Argumente vorbringen, warum trotz der Zerstörung großer Teile der Stadt durch die Gallier eine Übersiedelung der Bevölkerung nach Veji inakzeptabel sei. Camillus verweist dabei unter anderem auf die Vorschrift, der Flamen Dialis dürfe nicht einmal eine Nacht außerhalb der Stadt verbringen, ohne dass es zu einem religiösen Vergehen (piaculum) komme. Sieht man das Stadtgebiet als quasi-sakralen Bezirk und das Pomerium als die für den religiösen Bereich maßgebliche Grenze, liegt es nahe, dieses auch hier für maßgeblich zu halten. Gegen ein solches Verständnis der Stelle sind aber mehrere Argumente ins Feld zu führen, die sich aufdrängen, wenn man einerseits die genauen Formulierungen beachtet, anderseits die Stelle im Zusammenhang liest: Zunächst verweisen die hinsichtlich des Flamen Dialis entscheidenden Ausdrücke manere extra urbem und peregre habitando nicht eindeutig auf bestimmte Grenzen. Die angesprochene Erwähnung des Pomerium folgt dagegen erst im folgenden Abschnitt und steht zudem bereits erkennbar in anderem Zusammenhang, nämlich dem von Auspizien und politischen Versammlungen.36 Auf die Stelle wird daher noch an anderem Ort erneut einzugehen sein. Es gibt im Gegenzug keine Anzeichen, dass Livius die Anwesenheitspflicht des Flamen Dialis als eine Bindung an den römischen Boden versteht. Vielmehr scheint er den Gehalt der Vorschrift allein darin zu sehen, sich nicht zu lange von den konkreten Orten des Kultes zu entfernen. Gerade die Heiligtümer der Stadt, die natürlich ebenfalls nicht ohne weiteres hätten „umziehen“ können, werden zudem im unmittelbar vorangehenden Abschnitt auch ausdrücklich genannt.37 Die Gefahr einer Ver34
Liv. 24,8,10; 37,5,1 und per. 19; Cic. Phil. 11,18; Val. Max. 1,2; Tac. ann. 3,58,1–59,2 und 3,71,2–3. 35 Liv. 5,52,13–17. 36 Ebd.: Quid alia quae auspicato agimus omnia fere intra pomerium, cui oblivioni aut neglegentiae damus? Comitia curiata, quae rem militarem continent, comitia centuriata, quibus consules tribunosque militares creatis, ubi auspicato, nisi ubi adsolent, fieri possunt? („Und die anderen Dinge, die wir fast alle mit einem Auspizium innerhalb des Pomeriums tun, welchem Vergessen und welcher Vernachlässigung geben wir sie anheim? Die Curiatcomitien, die das Kriegswesen umfassen, die Centuriatcomitien, in denen ihr die Konsuln und Militärtribunen wählt, wo können sie mit einem [korrekten] Auspizium durchgeführt werden, wenn nicht am gewohnten Ort?“ Übers. H. J. Hillen, mit der markierten Ergänzung). 37 Liv. 5,52,9–12.
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nachlässigung des Kultes bestünde freilich nicht schon durch Überschreiten einer Stadtgrenze, sondern durch die Distanz, die durch einen Aufenthalt an einem als weit entfernt verstandenen Ort (peregre) gegeben wäre. Der livianische Camillus vergleicht die Anwesenheitspflicht des Flamen Dialis dementsprechend auch mit jener der Vestalinnen am Vesta-Tempel. Festzuhalten bleibt also, dass Livius in der Camillus-Rede die Anwesenheitspflicht des Flamen Dialis in Rom trotz der Nennung des Pomerium im folgenden Abschnitt keineswegs mit diesem verknüpft oder einen solchen Zusammenhang nahelegt. Die genannten Beobachtungen bestätigen sich noch, wenn man die weiteren Stellen im Werk des Livius betrachtet, an denen von Anwesenheitspflichten von Flamines maiores in Rom die Rede ist, bei denen aber auch im weiteren Kontext keine Stadtgrenzen genannt werden: Es ist hier stets ausdrücklich von den sacra die Rede, die nicht zurückgelassen werden sollten, und zwar durch mögliche Reisen bzw. Feldzüge des Flamen.38 Bereits die Einführung der Ämter der Flamines, die Livius Numa zuschreibt, wird ausdrücklich mit dem Argument verbunden, die zu erwartende Abwesenheit der kriegführenden Könige dürfe nicht zu Unterbrechungen des Kultes führen.39 Dies gilt in gleicher Weise für eine Reihe weiterer Autoren, die eine Anwesenheitspflicht von Flamines in der Stadt Rom teils noch ausführlicher thematisieren, ebenfalls ohne dabei auf Stadtgrenzen einzugehen: Dies sind Cicero, Valerius Maximus, Plutarch und Tacitus. Während Cicero überhaupt nicht auf Abwesenheit an sich, sondern nur auf das Verlassen der Orte des Kultes Bezug nimmt (si a sacris discessisset), tauchen bei Tacitus und Plutarch nur unscharfe Formulierungen für Abwesenheit wie abesse40 und ἀποδημεῖν41 auf. Valerius Maximus spricht immerhin von urbem egredi42, letzteres jedoch nicht allgemein, sondern in Bezug auf einen konkreten historischen Fall, indem der Aufbruch eines Flamen martialis (des amtierenden Consuln A. Postumius Albinus) in eine Provinz durch den Pontifex Maximus verhindert worden sei. Mit Ausnahme von Plutarch, der die Regelung nur sehr knapp im Rahmen einer Aufzählung verschiedener Vorschriften nennt, bezieht sich die Abwesenheit im Kontext dieser Stellen zudem stets auf sehr große Entfernungen und Zeiträume, nämlich auf Aufgaben in Kleinasien, Nordafrika, und Sizilien. Es wird zudem – wie auch bei Livius – stets explizit betont, dass es bei dem Verbot darum gehe, die notwendigen Kulthandlungen nicht zu vernachlässigen oder aber für längere Zeit den Pontifices aufzuladen: Dementsprechend werde – so Tacitus – dem Flamen Dialis nach einer Bestimmung des Augustus Abwesenheit auch nur bei Krankheit gestattet.
38
Liv. 24,8,10; 37,5,1 und per. 19. Liv. 1,20,1–2. 40 Cic. Phil. 11,18; Tac. ann. 3,58,1–59,2 und 3,71,2–3. 41 Plut. qu.R. 40. 42 Val. Max. 1,2. 39
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Es gibt somit in all diesen Fällen keinerlei Anzeichen dafür, dass in den Augen der antiken Autoren eine über die Kultausübung hinausgehende, konzeptionelle Bindung des Amtes der Flamines an den „römischen Boden“ und somit an Stadtgrenzen wie das Pomerium bestand. Als weiteres Argument in diesem Zusammenhang ist auf solche Zeugnisse zu verweisen, welche zwar von einem Anwesenheitsgebot für Flamines maiores bzw. den Flamen Dialis sprechen, dies aber ganz ausdrücklich nicht an die Stadt Rom knüpfen, sondern es entweder deutlich weiter oder aber deutlich enger fassen: Eine ganz über das Stadtgebiet hinausweisende Rechtsauffassung wird zuerst an der bereits angesprochenen Stelle bei Tacitus greifbar: Es ist dies die Bindung des Flamen Dialis nicht an die Stadt Rom, sondern an Italien. Tacitus berichtet über den Flamen Dialis Ser. Cornelius Lentulus Maluginensis, dieser habe, nachdem er durch Augustus als Flamen Dialis eingesetzt worden war, unter Tiberius die Statthalterschaft in der Provinz Asia antreten wollen und daher gegen das Verbot argumentiert, Italien zu verlassen: Die Existenz dieser Vorschrift werde – so Maluginensis – zwar häufig behauptet, sei aber nicht zu belegen oder zu rechtfertigen. Einerseits sei ein Flamen Dialis den übrigen Flamines maiores des Mars und des Quirinus gleich zu behandeln, die bereits mehrfach in Provinzen entsandt worden seien. Andererseits beruhten die überlieferten Fälle, an denen Ihnen dies durch Pontifices Maximi verweigert wurde, in Wahrheit lediglich auf persönlichen Feindschaften. Zwar kann sich Maluginensis nach Tacitus’ Bericht mit seiner Auffassung nicht durchsetzen: Ihm wird jedoch eine ausdrücklich erst auf Augustus zurückgeführte Bestimmung speziell für den Flamen Dialis entgegengehalten, nach der jener keine drei aufeinander folgenden Nächte fernbleiben (wohl nicht nur von Italien, sondern von Rom – abesse) dürfe und dies – wie erwähnt – auch nur aus Krankheitsgründen, ferner nicht an bestimmten Festtagen und nur mit begrenzter Häufigkeit. Auch für diese Variante gilt das bereits Gesagte: Anwesenheit wird nicht an bestimmte Stadtgrenzen gebunden und allein im Hinblick auf die Vermeidung zu langer Unterbrechungen bzw. Vertretungen in der Kultausübung angesprochen.43 Die von Maluginensis als verbreitete Meinung kritisierte Bindung des Amtes an Italien taucht dann aber auch in dem spätantiken Vergil-Kommentar wieder auf, der als Servius auctus bezeichnet wird.44 Im krassen Gegensatz zu dieser Auffassung steht nun aber eine Vorschrift, welche in der wohl bekanntesten Quelle zu den Tabuvorschriften (caerimoniae) des Flamen Dialis formuliert wird: Dies ist eine Passage in den Noctes Atticae des Gellius, an der sich der Autor auf Libri de sacerdotibus publicis sowie auf einen 43
44
Tac. ann. 3,58,1–59,2 und 3,71,2 f. Serv. auct. Aen. 8,552. Von einer Bindung an Italien, ebenfalls wegen kultischer Verpflichtungen, spricht Livius an einer Stelle übrigens auch für den Pontifex Maximus: Liv. 28,38,12.
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Fabius Pictor beruft, wobei es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den bekannten Geschichtsschreiber handelt.45 In dem hier gebotenen Katalog von Einzelvorschriften für den Flamen Dialis wird anstelle einer Anwesenheitspflicht in der Stadt die Vorschrift erwähnt, der Flamen Dialis dürfe nicht einmal das eigene Bett für drei auf einander folgende Nächte verlassen.46 Dieses müsse darüber hinaus an den Füßen mit Erde beschmiert sein. Hier erscheint also bereits der Schlaf in diesem präparierten Bett als kultische Handlung. Offensichtlich ist ein Zusammenhang mit dem Pomerium weder mit dieser Vorschrift, noch der Bindung des Flamen lediglich an Italien in Einklang zu bringen. Die Widersprüchlichkeit der beschriebenen Varianten der Vorschrift setzt sich im Übrigen in den weiteren Einzelheiten fort: Während Livius für die Zeit des Camillus nicht einmal eine Nacht Abwesenheit für gestattet hält, sprechen Tacitus und Gellius von zwei, Plutarch von drei Nächten. Die für die republikanische Zeit überlieferten konkreten Fälle, in denen Flamines am Verlassen der Stadt gehindert werden, betreffen Flamines Martiales und Quirinales, während die abstrakte Vorschrift schon bei Livius stets auf den Flamen Dialis beschränkt wird. Dabei kann hier nicht die Frage weiterverfolgt werden, ob die widersprüchlichen Aussagen in den Quellen, wie behauptet wurde, unterschiedliche Stufen eines linearen historischen Prozesses der allmählichen Lockerung darstellen.47 Bei aller in den überlieferten Texten greifbaren Widersprüchlichkeit hinsichtlich sowohl der räumlichen wie zeitlichen Einzelheiten der Anwesenheitspflicht und ihrer Geltung für die verschiedenen Flamines, gilt für sie doch in einem Punkt das gleiche: Anzeichen dafür, dass die Autoren unserer Quellen bestimmte Stadtgrenzen in diesem Kontext für relevant hielten, finden sich nicht. Wo immer sich erkennen lässt, worin der Hintergrund der Vorschrift gesehen wurde, geht es offensichtlich nicht um eine Bindung an den Boden der Stadt an sich, sondern an den jeweiligen Kult. 45
Zur Identifikation vgl. Albanese 1969, 76–79. Gell. 10,15,14. 47 Zu dieser Diskussion: Samter 1909, 2490; Pötscher 1968; Albanese 1969, 85–89; Catalano 1978, 526 f., mit Anm. 370; 227 f., jeweils Anm. 1; Vanggaard 1988, 64–66; Marco Simón 1996, 107 f.; Stepper 2003, 164–168. Allgemein scheint bei der Annahme, dass je strenger eine Vorschrift sei, sie umso älter sein müsse, Vorsicht geboten. Denkbar ist schließlich auch für eine frühe Zeit die gleichzeitige Existenz unterschiedlicher Auffassungen, etwa zu der Frage, wie viele Nächte ein Flamen Dialis sich entfernen dürfe, oder welche Flamines überhaupt von welcher Vorschrift betroffen seien. Gerade für das Amt des Flamen Dialis, das in der späten Republik über mehr als zwei Generationen vakant war und erst von Augustus wieder hergestellt wurde, wurden von diesem offenbar neue Bestimmungen zur Anwesenheitspflicht (so Tacitus, siehe oben Anm. 43) erlassen. Bei diesen ist es völlig unklar, inwieweit sie sich faktisch an früheren Vorbildern orientierten. Gerade bei Einzelheiten muss die Möglichkeit von schlichten Missverständnissen der antiken Autoren oder auch der nachträglichen Rekonstruktion einer angeblich strengeren Frühzeit stets einkalkuliert werden. 46
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Wie die folgenden Überlegungen zeigen sollen, spricht viel dafür, dass in diesem Bereich auch die tatsächlichen Ursprünge der überlieferten Anwesenheitsregeln liegen und nicht in einer ursprünglichen Semantik von bestimmten Stadtgrenzen. Denn als explizite Vorschriften sind sie wahrscheinlich nicht, wie dies die Autoren der späten Republik und Kaiserzeit annahmen, schon seit der Frühzeit mit den Ämter den Flamines verbunden, sondern erst Ergebnis späterer Entwicklungen:48 Gerade für den Dialis ist es plausibel anzunehmen, dass die Vorstellung einer Anwesenheitspflicht in der Stadt sich erst sekundär aus Erfordernissen der Kult ausführung selbst entwickelte, welche in Konflikt mit der Möglichkeit großräumlicher politisch-militärischer Aktivität geriet. Denkbar ist auch ein Zusammenhang mit den Vorschriften über seine Ehe.49 Die zahlreichen weiteren Restriktionen der Lebensführung für den Flamen Dialis, welche vermutlich ein hohes Alter haben, erschwerten die Entfernung von der Stadt ohnehin oder ließen sie ganz obsolet werden: Zu denken ist hier besonders an das Verbot, ein Pferd zu reiten oder das bewaffnete Heer zu sehen. Hier fügt sich auch die Vorschrift zur Übernachtung im eigenen Bett gut ein, welches ja darüber hinaus auch noch in besonderer Weise präpariert werden musste.50 Auch für die übrigen Flamines maiores ist es wenig wahrscheinlich, dass sie irgendwelchen aus der Frühzeit stammenden Bindungen an die Stadt an sich und nicht allein an die Ausführung des Kultes unterlagen. Eine lange Abwesenheit widersprach dabei sicher dem Charakter des Amtes, ohne dass man für die Frühzeit von genauen Regeln über tolerierbare Zeitspannen der Abwesenheit oder Vertretungen bei den Kulthandlungen ausgehen muss. Die Formulierung institutionalisierter, explizit auf die Stadt bezogenen Anwesenheitspflichten, wie sie in den übrigen Quellen dargestellt werden, erscheint auch mit Blick auf die Entwicklung Roms insgesamt erst für eine Zeit plausibel, in der durch die Expansion auch häufiger Anlass dazu bestand, sich für längere Zeit in so großer Entfernung von der Stadt aufzuhalten, dass Kulthandlungen länger ausgesetzt oder von anderen Priestern übernommen werden müssten. Auf das Fehlen solcher Regeln deuten auch der Verlauf und die Umstände der überlieferten Konflikte über diese Fragen hin. In allen überlieferten Fällen bedurfte es der entschiedenen Initiative von Einzelpersonen, um Flamines am längeren Verlassen der Stadt zu hindern oder überhaupt auf das Problem aufmerksam zu machen. Die betroffenen Flamines hatten sich also offenbar nicht von vornherein in einer aussichtslosen Position in den Konflikten mit dem jeweils amtierenden Pontifices Maximi gesehen. Teilweise überliefert 48
Vgl. zum folgenden auch Albanese 1969; Latte 1960, 403. Ogilvie 1965, 746 mit Verweis auf Filhol 1960 1960. 50 Zum ursprünglichen Sinn dieser weiteren Vorschriften selbst ist viel geschrieben worden, was hier nicht von Belang sein soll. Auch die antiken Autoren konnten über die Hintergründe offensichtlich nur spekulieren. Vgl. z. B. Pötscher 1968 und Scheid 1986 mit weiterer Lit. 49 So
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und auch ohnedies naheliegend ist zudem, dass diese Konflikte auch auf Seiten der Pontifices erheblich von persönlichen Interessen geprägt waren, und somit das erwähnte, hierauf Bezug nehmende Argument des Maluginensis nicht völlig abwegig war. Auch hatte die Niederlage der betroffenen Flamines in den Konflikten keineswegs von Beginn an festgestanden: Nach Cicero entschied erst das Volk im Streit zwischen dem Consul und Pontifex Maximus Licinius Crassus einerseits und Valerius Flaccus, dessen Consulkollegen und Flamen Martialis andererseits; die Entscheidung fällt gegen den Flamen aus, dem aber immerhin eine vom Pontifex Maximus bereits verhängte Strafzahlung erlassen wird.51 Nach Livius verhinderte erst die Intervention des – ebenfalls im eigenen Interesse handelnden – amtierenden Consuls Fabius Maximus die Wahl eines Flamen Quirinalis zum Consul, obwohl leicht absehbar gewesen war, dass dieser Verpflichtungen im Krieg gegen Hannibal würde übernehmen müssen.52 All dies erweckt den Eindruck, als wären die Vorschriften zur Anwesenheit von Flamines in Rom in der mittleren Republik allenfalls gerade dabei gewesen, sich zu etablieren. Das erwähnte Zeugnis des Tacitus über den Streit mit Maluginensis53 wirft schließlich die Frage auf, ob man für den Flamen Martialis und den Flamen Quirinalis überhaupt jemals über Einzelfallentscheidungen hinausgekommen ist: Dagegen spricht einerseits das Gleichbehandlungsargument des Maluginensis, dass nämlich Flamines Martiales und Quirinales bereits mehrfach Provinzen übertragen bekommen hätten. Die Tatsache, dass solche Fälle nicht überliefert sind, kann gut damit zusammenhängen, dass es dabei eben nicht zu größeren Konflikten gekommen war. Fragen wirft auch der Umstand auf, dass nach Tacitus die Pontifices die Behauptung des Maluginensis offenbar nicht rundheraus bestreiten konnten. Primär argumentieren sie mit dem Verweis auf angeblich auf Augustus zurückgehende Spezialregelungen für den Flamen Dialis. In zweiter Linie verwiesen sie auf den auch bei Livius und Valerius Maximus überlieferten Fall des Flamen Martialis Postumius; sie zogen sich damit also auf die Position zurück, dass auch schon einmal andere Flamines als diejenigen des Jupiter durch einen Pontifex Maximus am Verlassen der Stadt gehindert worden seien. Die in der Forschung oft vertretene Auffassung, ursprünglich hätten für alle Flamines maiores formale Anwesenheitspflichten in der Stadt gegolten, die später für den Martialis und den Quirinalis gelockert oder abgeschafft, allein jedoch für den Dialis beibehalten worden seien, ist somit mit großer Vorsicht zu betrachten.54 Umso weniger wahrscheinlich ist somit auch ein konzeptioneller Zusammenhang mit sakralen Ursprungsbedeutungen des Pomerium, der ja gerade weit in die Frühzeit zurückreichen müsste.
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Cic. Phil. 11,18. Liv. 24,8,10. 53 Tac. ann. 3,58,1–59,2 und 3,71,2 f. 54 Z. B. Albanese 1969, 87; Vanggaard 1988, 64; Marco Simón 1996, 107. 52
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b) Kopfbedeckungsvorschriften Ein weiterer Zusammenhang, in dem das Pomerium speziell für den Flamen Dialis von Bedeutung gewesen sein soll, betrifft seine rituelle Kopfbedeckung, den sogenannten apex.55 Hier ist tatsächlich eine einzelne Quelle vorhanden, welche einen solchen Zusammenhang ausdrücklich herstellt. Es geht um eine Passage im bereits erwähnten Servius auctus: So soll es einem Flamen Dialis verboten gewesen sein, nach Sonnenuntergang außerhalb des Pomerium die Kopfbedeckung abzulegen.56 Dies impliziert, dass das Ablegen innerhalb im Allgemeinen erlaubt gewesen sei. Zwar erscheint das Tragen der Kopfbedeckung auch hier als Normalzustand. Zugleich wird aber impliziert, es sei dem Flamen üblicherweise gestattet, den apex abzulegen, nur nicht unter der besonderen Bedingung, dass er sich nach Sonnenuntergang außerhalb des Pomerium befinde. Während der Text in seinen inhaltlichen Aussagen recht klar ist, muss jedoch aus mehreren Gründen der Wert dieses Zeugnisses an sich deutlich relativiert werden: Wenn man diese Stelle zunächst mit den anderen, zudem deutlich früheren Stellen zu Kopfbedeckungspflichten des Flamen Dialis vergleicht, wird – ähnlich wie auch für die Anwesenheitspflicht – deutlich, dass diese deutlich strengere Regeln enthalten: So ist etwa Plutarch der Ansicht, dass ein Flamen (auch hier fehlt die spezifische Bezugnahme auf den Flamen Dialis) seine Kopfbedeckung überhaupt nicht abnehmen dürfe: Selbst das versehentliche Herunterfallen des apex – dies freilich während einer Kulthandlung – habe schon dazu geführt, dass ein Flamen zurücktreten musste.57 Gellius spricht an der oben erwähnten Stelle von einer ähnlichen Grundregel (hier explizit für den Dialis), führt aber aus, dass man es als Erleichterung später erlaubt habe, den apex wenigstens im Haus (sub tecto) abzulegen.58 Beide Aussagen lassen keinen Zusammenhang mit dem Pomerium oder überhaupt einem Stadtgebietskonzepts erkennen bzw. schließen diesen sogar logisch aus. Dass aber nun gerade die im Servius auctus dargestellte Variante einer Bindung der Vorschrift an das Pomerium eine ursprüngliche oder zumindest frühe Variante des Verbots darstellt, die sich aus dem Charakter des Pomerium ergab, ist mehr als unwahrscheinlich. Sowohl hier als auch hinsichtlich der angesprochenen Stelle zur Anwesenheitspflicht ist bisher nicht berücksichtigt worden, dass alle Aussagen im Servius 55
Hänger 2001, 85; Simonelli 2001, 148 Anm. 246; Marco Simón 1996, 119; Vanggaard 1988, 93. Für die Kopfbedeckung existieren auch andere Bezeichnungen wie etwa galerus und pilleus; da aber die hier besprochenen Quellen die Bezeichnung apex verwenden, soll auf diese Problematik nicht weiter eingegangen werden. Vgl. allgemein Messerschmidt 1950. 56 Serv. auct. Aen. 1,305. Die übrigen Flamines hätten laut diesem Zeugnis den apex überhaupt nur zu Kulthandlungen tragen müssen. 57 Rücktritt wegen heruntergefallenem apex: Val. Max. 1,1,4–5.; Plut. Marc. 5,4. 58 Gell. 10, 15, 14.
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auctus über die Religion und insbesondere über Priester von einer starken Agenda bestimmt sind: Der Autor möchte beweisen, dass Vergil seinen Aeneas durch subtile Andeutungen als Pontifex oder Flamen – meist als Flamen Dialis – darstelle.59 Diese Prämisse führt einerseits zu erheblichen Problemen mit jenen Stellen im Vergiltext, an denen Aeneas eindeutig nicht im Sinne der überlieferten Vorschriften handelt. Andererseits werden die verschiedensten Aussagen oder Handlungen des Aeneas als Hinweise auf ein bewusstes Befolgen von Kultvorschriften hin gedeutet. An beiden bisher angesprochenen Stellen aus dem Servius auctus liegen solche Fälle vor: Während der Autor an der Stelle zur Bindung an Italien60 rechtfertigen muss, dass Aeneas ein Pferd reitet, geht es bei den Aussagen zum apex darum, dass er nach seiner Landung nahe Karthago und dann auch in der Stadt offenbar keine Kopfbedeckung trägt. Nur dies gibt überhaupt den Anlass, jeweils genau solche Varianten der Vorschriften darzustellen, die von Aeneas im Text auch erfüllt werden: Das Reiten sei Aeneas deshalb erlaubt, da er von Evander gleichsam in die Provinz entsandt werde; dies wiederum sei nur dem Flamen Dialis, nicht aber den anderen Flamines verboten. Im Hinblick auf den apex verweist der Kommentator dann wieder ausdrücklich auf eine spezifische Vorschrift des Flamen Dialis: Aeneas zeige durch einen Hinweis auf den nahenden Abend an, die Stadt aufgrund der fehlenden Kopfbedeckung unbedingt vor Sonnenuntergang erreichen zu wollen; dies sei wiederum als Hinweis auf sein Bewusstsein für die betreffende Kult vorschrift zu deuten. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob die Vorschrift über die Kopfbedeckung außerhalb des Pomerium nicht insgesamt eine antiquarische Konstruktion des Kommentators darstellt mit dem Ziel, aus dem Umstand der fehlenden Kopfbedeckung, der ja nach anderswo überlieferten Vorschriften einen Verstoß darstellen müsste, ein Argument zu seinen Gunsten machen. Doch auch wenn dies nicht der Fall ist, wird man kaum annehmen können, dass gerade diese im Vergleich zu den älteren Varianten leicht zu erfüllende Vorschrift ursprüngliche Bindungen des Flaminats an das Pomerium bewahrt hat. Sie kann lediglich als ein Beispiel dafür gewertet werden, dass dem Pomerium auch noch in der Spätantike immer wieder neue Bedeutungen zugeschrieben werden konnten. Zu berücksichtigen ist ferner, dass neben der Stelle im Servius auctus nur noch ein weiteres Zeugnis existiert, welches überhaupt für konzeptionelle Zusammenhängen von Stadtgrenzen und Kopfbedeckungspflichten eines Flamen spricht – hier wiederum ohne ausdrückliche Beschränkung auf den Flamen Dialis. Dieses bezieht sich jedoch ganz ausdrücklich nicht auf das Pomerium und unterscheidet sich vom eben besprochenen auch darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht: Es handelt sich um eine Passage in einem Brief des Mark Aurel an seinen Lehrer Fronto, der in dessen Briefkorpus überliefert ist. Mark Aurel berichtet hier davon, 59
60
Vgl. zu diesem Komplex Starr 1997. Serv. auct. Aen. 8,552.
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er habe am Stadttor der Stadt Anagnia in Latium die Formel flamen sume samentum gelesen und auf Nachfrage die Auskunft erhalten, bei dem samentum handele es sich nach dem örtlichen Dialekt um ein kleines Stück vom Fell eines Opfertieres, welches der Flamen bei Eintritt in die Stadt auf den apex aufstecke.61 Dies könnte man zunächst als Anzeichen für einen sakralen Sonderstatus des gesamten Gebietes zwar nicht innerhalb des Pomerium, wohl aber innerhalb der Stadtmauer auffassen. Möglich scheint mir indes auch eine andere Interpretation. Da die Vorschrift offenbar nach beiden Seiten hin (bifariam) zu lesen ist und dem Kaiser außerdem erst beim Verlassen der Stadt (cum eximus) ins Auge fällt, wäre auch denkbar, dass das Aufstecken des apex nur für das Durchschreiten des Tores, dies aber sowohl beim Betreten als auch beim Verlassen der Stadt gefordert war. Damit würde der Akt des Grenzübertritts besonders markiert, nicht aber einer besonderen Qualität der innerstädtischen Fläche Rechnung getragen.62 Wie dem auch sei, lässt sich auch dieses Zeugnis nicht als Beleg für eine Relevanz des Pomerium im Hinblick auf die Vorschriften des Flamen Dialis heranziehen. Es zeigt vielmehr, dass auch eindeutig dem kultischen Bereich angehörende Vorschriften durchaus mit Stadttoren und nicht mit dem Pomerium assoziiert werden konnten.63 Die in der Forschung geäußerten Annahmen über die beiden bisher diskutierten Funktionen des Pomerium für den Flamen Dialis erweisen sich somit nicht als tragfähig. Sie beruhen hinsichtlich der Anwesenheitspflicht hauptsächlich auf der fragwürdigen Überinterpretation von Stellen, in denen das Pomerium – und überhaupt Grenzen – allenfalls im weiteren Kontext und meist gar nicht genannt werden. Im Fall der Kopfbedeckungsvorschrift wurde in der Forschung eine zwar explizite aber singuläre Aussage unkritisch übernommen und verallgemeinert, wobei weder der fragwürdige Kontext des Zeugnisses noch die dazu im Widerspruch stehenden älteren Zeugnisse angemessen berücksichtigt wurden.
61
Fronto, Epistulae ad Marcum Caesarem et invicem 4,4. In Iguvium fand nach Auskunft der Iguvinischen Tafeln ein priesterliches Ritual zu beiden Seiten von Stadttoren statt, das den Übertritt betraf. Vgl. dazu (auch zu einem älteren Vorschlag, diese Rituale mit einem Pomerium zu verbinden) überzeugend Stevens 2017, 68 f.; zu Darstellungen von Gottheiten an Toren, die auch nach beiden Seiten angebracht sein konnten, ebd., 67. 63 Es ist aus dem Text heraus nicht sicher zu klären, ob Mark Aurel hier lediglich das Wort samentum als ihm unbekannte lokale Besonderheit darstellt, oder auch die Sache selbst bzw. die damit verbundene Vorschrift (wahrscheinlicher ist wohl letzteres). Klar ist aber, dass das dauerhafte Tragen des apex unabhängig von Stadtgrenzen ähnlich wie bei Plutarch und Gellius vorausgesetzt wird und beim Überschreiten lediglich eine als samentum bezeichnete Erweiterung erfährt. 62
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c) Der Flamen Dialis und das Heer Auch bei dem letzten Aspekt, der im Zusammenhang des Flamen Dialis zu diskutieren ist, ist eine Überinterpretation einer isolierten Nennung des Pomerium durch einzelne Gelehrte zu konstatieren, nämlich dahingehend, dass diesem im Zuge dieser bloßen Erwähnung auch maßgebliche Funktionen zugeschrieben würden: Gellius berichtet in dem bereits mehrfach erwähnten Vorschriftenkatalog, es sei dem Flamen Dialis verboten, ein kampfbereites Heer außerhalb des Pomerium zu sehen.64 Auch hieraus hat man, wie erwähnt, konzeptionelle Verbindungen zwischen dem Pomerium und dem Amt des Flamen Dialis entnehmen wollen.65 Von einer unmittelbaren Relevanz des Pomerium für den Flamen Dialis könnte man hier allerdings nur dann sprechen, wenn er das Heer zwar nicht außerhalb, wohl aber innerhalb des Pomerium zu Gesicht bekommen dürfte. Dafür spricht freilich aus mehreren Gründen sehr wenig. Ausschlaggebend ist dabei nicht einmal der naheliegende Hinweis, dass die Präsenz eines Heeres innerhalb des Pomerium nach übereinstimmender Meinung der Forschung einen Rechtsverstoß darstellt. Diese Auffassung wird an anderer Stelle selbst noch zu prüfen sein, und der Hinweis darauf soll daher hier nicht allein genügen, um eine Signifikanz des Pomerium für den Flamen Dialis auszuschließen. Dessen ungeachtet spricht aber auch die genaue Formulierung bei Gellius nicht dafür, dass dem Pomerium hier eine entscheidende Rolle als Grenze zugeschrieben wird: item religio est classem procinctam extra pomerium, id est exercitum armatum, videre. Die Position des erklärenden Einschubs deutet vielmehr daraufhin, dass der Verweis auf das Pomerium nicht als Einschränkung des Tabus (also von videre), sondern als erläuternde Ergänzung des Ausdrucks classis procincta zu verstehen ist.66 Das Tabu ist also nicht primär räumlicher Art; es betrifft vielmehr das Heer im spezifischen Zustand der Kampfbereitschaft und Schlachtordnung, den es üblicherweise außerhalb des Pomerium einnimmt.67 Eine dasselbe Thema betreffende Aussage bei Festus68 deutet in eine ähnliche Richtung: Hier fehlt der Verweis auf das Pomerium ganz, es taucht jedoch ebenfalls die Formulierung classis procincta auf. Man kann auf dieser Basis somit auch hier nicht davon ausgehen, dass dem Pomerium jemals eine ausschlaggebende
64
Gell. 10,15,4. Hänger 2001, 85; Martorana 1980, 1457 mit Anm. 42; Albanese 1969, 88. 66 Der gesamte Ausdruck (einschließlich der Erwähnung des Pomerium) stellt möglicherweise ein wörtliches Zitat aus einer Quelle dar, woraus aber noch nicht geschlossen werden kann, dass hier, wie Martorana meint, alte, womöglich noch umfassendere Funktionen des Pomerium im Hinblick auf die Flamines greifbar würden („antiche distinzioni flaminiche“, ebd.). 67 Vgl. ThlL s. v. procinctus, -us und s. v. procingo. 68 Fest. 294 L; Paul. Fest. 295 L. 65
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Funktion im Hinblick auf das beschriebene Tabu zugeschrieben werden sollte. Auf die angesprochenen Stellen wird vielmehr im Hinblick auf den Aspekt der Exklusion des Heeres erneut einzugehen sein. d) Fazit Auch die Vorschriften für die Flamines geben somit insgesamt kaum Anhaltspunkte für ein „magisches“ Verständnis des Pomerium im beschriebenen Sinne oder einen für den Kult relevanten Charakter des umschlossenen Gebietes. Damit ist für den Bereich des Kultes insgesamt keine mit dem Pomerium zusammenhängende Regel hinreichend zu belegen, weder im Hinblick auf die Lage von Kultorten noch auf die Kultvorschriften für Priester. Dies schließt punktuelle Bezugnahmen auf das Pomerium, wie im Falle der von Cassius Dio überlieferten Verbannung der ägyptischen Kulte aus der Stadt durch Augustus natürlich nicht aus, ebenso wenig wie Einzelmeinungen, wie sie im Servius auctus in Bezug auf den Flamen Dialis greifbar sind. Diese sind jedoch zunächst einmal lediglich als Belege dafür zu werten, dass das Pomerium bis in die Spätantike Objekt von widersprüchlichen Bedeutungszuschreibungen blieb. Indes scheint es nur sehr wenige Stellen in den antiken Texten zu geben, in denen – unabhängig von der Frage bestimmter Grenzen – überhaupt ein Stadt-Umland-Gegensatz als relevant für Fragen des Kultes bezeichnet wird. Gerade in diesem im engeren Sinne religiösen Bereich, ist somit von der Vorstellung, das Pomerium sei die universal maßgebliche magische Stadtgrenze, in den Quellen kaum etwas finden.
3.2 Pomerium und innerstädtisches Bestattungsverbot Ein weiterer Hauptansatzpunkt für apotropäische oder „magische“ Deutungen des Pomerium, etwa als „Grenze zwischen dem Leben und dem Tod“, ist das Thema des Bestattungsverbots in der Stadt.69 Anders als im Bereich des Kultes ist der Gegensatz von Stadt und Umland hier in seiner grundsätzlichen Relevanz unbestreitbar. Der Ausschluss von Bestattungen stellte in allen römischen Städten vielleicht die „most significant exclusion“ aus dem urbanen Zentrum dar.70 Während auf dem Land Gräber weit verstreut angelegt wurden, konzentrierten sie sich bekanntlich in der Peripherie der Städte zu Nekropolen, die sich typischerweise im Umfeld der aus der Stadt hinausführenden Hauptstraßen befanden. Sie prägten somit suburbane Räume maßgeblich, fehlten hingegen in zentralen Bereichen der Städte in aller Regel vollständig.71 Nicht wenige Schriftquellen, die im Folgenden 69
Dally 2010, 130. Ähnlich auch Hänger 2001, 84 f. Patterson 2000, 92. 71 Patterson 2000; Goodman 2007, 2. 70
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genauer betrachtet werden, enthalten zudem explizite Verbote für das Stadtgebiet. Sie belegen, dass das Thema von der republikanischen Zeit bis in die Spätantike immer wieder für relevant und regelungswürdig gehalten wurde, wohl auch, weil Verstöße vorkamen.72 In weiten Teilen der Forschung wird nun mit großer Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass das innerstädtische Bestattungsverbot im antiken Rom konzeptionell mit dem Pomerium verbunden war.73 Das Bestattungsverbot in der Stadt sei eigentlich ein Bestattungsverbot intra pomerium, wodurch der quasisakrale oder inaugurierte Charakter dieses Bereichs geschützt worden sei.74 Die unstreitige Verbannung der Bestattung an die Peripherie sei somit eine Folge dieser Regelung. Bis in die Gegenwart bildet diese Prämisse zudem eine wesentliche Grundlage für die Rekonstruktion des Pomeriumverlaufs in der Kaiserzeit, für den sonst durch die wenigen in situ gefundenen Cippi nur einige Eckpunkte gesichert sind.75 72
Labrousse 1937, 172, geht für Rom selbst von einer weitgehenden Beachtung des Verbots aus und will die kaiserzeitlichen Wiederholungen des Verbotes v. a. auf die Provinzen des Reiches beziehen. Dagegen argumentiert Stevens 2017, 173, m. E. mit Recht, dass Bestattungsverbote sich in erster Linie an die ärmere Bevölkerung gerade auch der Hauptstadt gerichtet haben dürften, die die notwendigen Mittel für legale Bestattungen kaum aufbringen konnte. 73 Beispielhaft seien die folgenden Publikationen genannt: O rlin 2013; Witcher 2013, 210; Dally 2010, 130; Harvey 2010, 429; Galsterer 2001, 87; Stroszeck 2001; Giardina 2000, 27 f.; Patterson 2000, bs. 92 f.; Andreussi 1999, 100; B eard / North / P rice 1998, 180. Auf die Stadtmauern wird das Bestattungsverbot stattdessen v. a. dann bezogen, wenn es für Datierungsfragen genutzt wird und der Pomeriumverlauf unklar ist. Im Zusammenhang der Datierung der republikanischen Stadtmauer z. B. Holloway 1994, 91–102, bs. 96–99, vgl. auch die mit Verweis auf die Aurelianische Mauer datierten Gräber (s. u.). Vielfach wird freilich auch nicht klar zwischen Mauer und Pomerium differenziert (z. B. Goodman 2007, 48). Davon abzuheben ist Rüpke 1990, 36, der zwar im Kontext des Pomerium auf das Bestattungsverbot eingeht, es aber mit den Mauern verknüpft und mit Recht auch auf die diesbezügliche Uneindeutigkeit des urbs-Begriffs in den Quellen hinweist. 74 Dies wird besonders betont in der italienischen und französischen Forschung (vgl. De Sanctis 2007, 519 (Anm. 77); Simonelli 2001, 144 f.; Giardina 2000, 27 f.; Andreussi 1988, 225; Martorana 1978, 72; Magdelain 1977, 24 (= 1990, 222 f.); Magdelain 1976, 71 (= 1990, 155); Besnier 1926, 545. 75 Als Ansatzpunkt zur Rekonstruktion des Pomeriumverlaufs wurde das Prinzip, dass Gräber zum Zeitpunkt der Bestattung außerhalb des Pomerium gelegen haben müssen, zunächst von Léon Homo formuliert und schließlich von Michel Labrousse 1937 in einem grundlegenden Aufsatz für einen vollständigen Rekonstruktionsversuch zur Anwendung gebracht. Ausführlich Homo 1904, 228–230, zuvor schon Homo 1900, 399. Auch Oliver 1932, berücksichtigte in seiner Rekonstruktion einer angeblichen augusteischen Pomeriumerweiterung die Lage von Gräbern. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist Sofia 2012.
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Zwar gibt es seit längerem einzelne Stimmen in der archäologischen Forschung, die in Bezug auf einzelne Befunde darauf hingewiesen haben, dass zumindest für die kaiserzeitlichen Pomeriumerweiterungen, eine strikte Beachtung eine an das Pomerium gebundenen Bestattungsverbotes nicht mehr als gesichert gelten kann – auf diese ist unten genauer einzugehen. Im Gegensatz zu den angeblichen Regeln zur Platzierung von Kulten ist der Zusammenhang von Bestattungsverbot und Pomerium aber erst in jüngster Zeit – parallel zu meiner eigenen Arbeit an der Thematik – durch Stevens einer ausführlichen kritischen Überprüfung unterzogen worden, welche gleichermaßen den archäologischen Befund und die schriftlichen Quellen berücksichtigt.76 Die folgenden Überlegungen schließen an die Ergebnisse von Stevens in vielen Punkten an, besonders im Hinblick auf den archäologischen Befund, der auch auch auf aus diesem Werk übernommenen Karten (Abb. 2 und 3) erkennbar wird. Während Stevens den Akzent jedoch allgemeiner auf die Bestattungspraxis und die diesbezügliche Rechtslage im Zusammenhang mit verschiedenen Stadtgenzen und dem „urban development“ legt, liegt der Fokus im Folgenden in erster Linie auf der Frage konzeptioneller Verbindungen von Bestat tungsverbot und Pomerium in Verbindung mit der Deutung des Pomerium als „magischer“ Grenze.
3.2.1 Archäologischer Befund a) Frühes Rom und Republik Die Praxis, Bestattungen von Wohnsiedlungen räumlich zu trennen sowie an bestimmten Orten zu konzentrieren, ist im alten Latium wie auch in den meisten antiken Kulturen wesentlich älter als jede schriftliche Überlieferung.77 Sie ging auch jeder Urbanisierung deutlich voraus. Im Stadtgebiet Roms zeigen dies schon die ältesten, spätbronze- und früheisenzeitlichen Grabfunde, die vor allem an Hügelabhängen oder im Tal des Forums gemacht wurden und die deutlich von den frühesten Hütten separiert lagen.78 Die frühesten bisher bekannten Beispiele sind wohl die vor einigen Jahren im Bereich des Caesarforums gefundenen Gräber, die in eine Übergangsphase von 76
Stevens 2017, bs. 161–213. Zudem sind für Griechenland und Karthago aus späterer Zeit auch rechtliche Vorschriften belegt, die den römischen ähneln, vgl. Stevens 2017, 163 f. Zu den im folgenden zusammengefassten Befunden für archaische Gräber vgl. auch ebd., 191 f., mit weiterer Lit. 78 Einen allgemeinen Überblick mit Karte bietet Kolb 2002, 55. Eine Ausnahme mögen hier die benachbarten Hütten und Gräber auf dem Cermalus darstellen, deren relative Chronologie jedoch sehr umstritten ist, vgl. Edlund-Berry 2013, 412 (mit Lit.). Ausführlich Fulminante 2014, bs. 9. 77
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der Bronze- zur Eisenzeit um 1000 v. Chr. datiert werden. Als in dem Bereich Wohnhütten errichtet wurden, hatte die Bestattung hier bereits aufgehört.79 Das etwas jüngere und schon lange bekannte Gräberfeld in der Nähe des Tempels des Antoninus Pius und der Faustina im Tal des Forums, dessen Nutzungsbeginn in das 9. Jh. v. Chr. datiert wird, verlor offenbar im Lauf im Laufe des 8. Jh. v. Chr. seine sepulkrale Funktion; bis gegen Ende des 7. Jh. v. Chr. konnten in dem Gebiet noch Kindergräber festgestellt werden, bevor die Bestattungspraxis ganz aufhörte.80 Bereits um 800 v. Chr. wird hingegen die Entstehung einer großflächigen Nekropole auf dem Esquilin datiert, die bis in augusteische Zeit genutzt wurde.81 Es ist also offenkundig, dass die Praxis, die Bereiche der Lebenden im Zentrum von Bereichen der Toten an der Peripherie zu trennen, selbst in einer präurbanen Phase bereits greifbar ist und bis in die Spätantike insgesamt der Normalfall bleibt.82 Die Annahme einer in der Frühzeit angeblich üblichen Bestattung im eigenen Haus, die im Anschluss an spätantike Schriftquellen auch in Teilen der Forschung schon vertreten wurde, ist zurecht verworfen worden.83 Ebenso wenig ist es jedoch methodisch vertretbar, aus dem archäologischen Befund abzuleiten, dass die Bestattungspraxis sich bereits in präurbaner Zeit an genau bestimmten Siedlungsgrenzen orientierte, zu denen sie in konzeptioneller Verbindung gestanden hätte. Dies gilt im Übrigen auch im Hinblick auf Befestigungsanlagen. Die Siedlungen auf den teilweise schroff abfallenden Hügeln waren allein durch ihre Lage gut geschützt, die frühesten Befestigungen in Rom beschränkten sich daher höchstwahrscheinlich auf bestimmte besonders verwundbare Bereiche; die Tatsache, dass
79 Vgl.
Edlund-Berry 2013, 412. Tagliamonte 1995; Holloway 1994, bs. 35 f. 81 Edlund-Berry 2013, 413; Holloway 1994, 20–36. 82 Anders verhielt es sich natürlich bei Expansion von Städten über die vormals separierten Nekropolen hinaus. So ist etwa sowohl in Ostia als auch in Pompeji auch Wohn- und Geschäftsbebauung in einer Nekropole nachweisbar, vgl. ausführlich Stevens 2017, 215–230, 242–246, 248. In diesen Zusammenhängen stellt sich dann jeweils die Frage, inwiefern die Gräber entweiht wurden und ob noch weitere Grabstätten in dem Bereich angelegt wurden. 83 Gegen diese erst bei spätantiken Grammtikern (Serv. Aen. 5,64; 6,152; Isid. orig. 11,1) erstmals belegte Auffassung, die offenbar aus dem Kult der Laren und Penaten abgeleitet wurde, spricht sich schon z. B. Jordan 1878, 171 Anm. 32 aus. Simonelli 2001, 145, hält an der Annahme einer solchen „consuetudine gentilizia“ fest. Auch Livius ist aber der Ansicht, dass es schon vor den Zwölftafeln als res atrox gegolten habe, jemandem heimlich in einem Wohnhaus zu bestatten: Liv. 3,33,9–10, vgl. Stroszeck 2001, 73 Anm. 2. 80 Vgl.
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Bestattungen in aller Regel faktisch außerhalb dieser Linien liegen, sagt nichts über eine konzeptionelle Verbindung aus.84 Materielle Belege fehlen indes auch für die Existenz nur symbolischer Siedlungsgrenzen. Selbst wenn man deren Existenz grundsätzlich für plausibel hält, wäre die Annahme eines konzeptionellen Zusammenhangs mit der Bestattungspraxis nur dann zu begründen, wenn ein solcher Grenzverlauf sich in der Lage von Gräbern widerspiegeln würde. Im dem bekannten Fall der von Carandini ausgegrabenen Mauerstücke am Nordhang des Palatinhügels, die er als erste sakrale Siedlungsbegrenzung Roms deutet, ist allerdings gerade das Gegenteil der Fall. Seine Interpretation des von ihm in das späte 8. Jh. v. Chr. datierten Fundes ist nicht nur an sich problematisch. Sie wird auch dadurch verkompliziert, dass direkt innerhalb der Mauer eine Reihe von Gräbern angelegt wurde. Carandini sieht sich mit dem Problem konfrontiert, gleichzeitig an seiner Deutung, die den Aspekt Bestattungsverbot selbstverständlich einschließt, festhalten zu müssen und die Lage dieser Gräber zu erklären. Diese seien, so Carandini, bei Errichtung einer neuen Mauer im frühen 7. Jh. v. Chr. als Sühnopfer für Auflassung dieser ersten Mauer angelegt worden; sie lägen zudem noch außerhalb des eigentlichen Pomerium, dass er mit einer angeblichen Palisade in einem gewissen Abstand innerhalb Mauer identifiziert.85 Derartige völlig spekulative Interpretationen werden allerdings nur notwendig, wenn man Angaben aus literarischen Quellen bruchlos in das 7. oder 8. Jh. v. Chr. zurückprojiziert.86 Doch auch Forscher, welche die Idee eines ersten Pomerium um den Palatin ablehnten, versuchten dessen Entstehung mit Grabfunden in Zusammenhang zu bringen. So sah Müller-Karpe es immerhin als wahrscheinlich an, das erwähnte Ende der Bestattungen in der Forumnekropole im Laufe des 8. Jh. v. Chr. und der Beginn von Bestattungen auf dem Esquilin seien im Kontext der Einrichtung eines ersten Pomerium mit Bestattungsverbot zu deuten.87 Allerdings begann die Bestattung auf dem Esquilin bereits deutlich früher, als sie im Forumstal endete.88 Die Aufgabe der Nekropole im Tal des Forums ist zudem gut ohne Rekurs auf ein Bestattungsverbot erklärbar. Geo- und hydrologische Forschungen haben zeigen können, dass an die Stelle der Gräber im Forumstal wohl keine Wohnhütten traten, wie bisher angenommen, da diese regelmäßig überflutet worden wären. Stattdessen fand hier ein großangelegtes Landgewinnungsprojekt statt, das den Boden um bis zu neun Meter erhöhte, sodass dort dauerhafte Bebauung möglich wurde.89 84 85
86 87
88 89
Kolb 2002, 55 und 98 f. Carandini 2002, 579–582. Vgl. auch die Kritik bei Kolb 2002, 56–58. Müller-Karpe 1962, 30 f. Holloway 1994, 36. Ammerman 1990.
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Teile der Forschung versuchen unter anderem mit dem Verweis auf die verstreute Lage von Gräberfeldern zu belegen, dass Rom bereits im 7. Jh. v. Chr. ein geschlossenes Siedlungsgebiet von 200 bis sogar 300 ha einnahm.90 Angesichts der zunehmenden faktischen Nutzung der zentralen Bereiche um das Forum Romanum für öffentliche Gebäude und Wohnbebauung, zweifellos verbunden mit einem Zentrumsbewusstsein, stellt aber die Lage der Nekropolen an der Peripherie keine Überraschung dar. Auch wenn Ursprünge des Pomerium durchaus in eine Zeit vor dem Bestehen von Stadtmauern zurückreichen könnten, müssen Überlegungen dazu doch notwendigerweise spekulativ bleiben. Der archäologische Befund für die Frühzeit zeigt aber umso klarer, dass bereits zu dieser Zeit eine Konzentration der Bestattungspraxis an bestimmten üblicherweise peripheren Orten oder Bereichen üblich war, die sich in weitem Abstand zu den dazugehörigen Siedlungen befanden. Auch für die Zeit der Republik ist aus dem archäologischen Befund hinsichtlich der Frage nach der konzeptionellen Verbindung des Pomerium mit der Bestattungspraxis kaum etwas zu gewinnen. Dies liegt zunächst daran, dass das Pomerium in dieser Zeit archäologisch weiterhin nicht greifbar ist. Die antiken Autoren sahen das Pomerium, wie erwähnt, durchweg im engen Zusammenhang mit der Stadtmauer, auch wenn sie es im Einzelnen unterschiedlich definierten. Die Forschung geht daher überwiegend davon aus, dass das Pomerium in der republikanischen Zeit, spätestens aber mit Sulla, weitgehend dem Verlauf der sogenannten Servianischen Mauer folgte, wobei sich allein der Aventin innerhalb der Mauer aber außerhalb des Pomerium befand.91 Bis auf letzteren Aspekt, die extrapomeriale Lage des Aventin in republikanischer Zeit, gibt es für diese durchaus plausible Annahme aber keine Quellengrundlage. Auch die Datierung der Stadtmauer selbst ist weiterhin umstritten. Zwar ist man sich einig, dass der Großteil der heute noch teilweise sichtbaren Mauer aufgrund des überwiegend verwendeten Steins erst im 4. Jh. v. Chr. entstanden sein kann; sehr verbreitet ist allerdings die Auffassung, es habe einen Vorläuferbau aus dem 6. Jh. v. Chr. gegeben. Dagegen sprechen indes schwerwiegende Argumente, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann.92 Hinzu kommen noch die Probleme bei der Datierung des (ersten) gesetzlichen Bestattungsverbots. Cicero überliefert die Regelung in De Legibus als eine Neuerung des Zwölftafelgesetzes93, die Geschichtsschreibung impliziert es schon für 90
Z. B. Fulminante 2014, 80. Z. B. Stroszeck 2001, 91, Anm. 29; Kolb 2002, 101. 92 Holloway 1994, 91–102; Kolb 2002, 97–102. 93 Cic. leg. 2,58. Ob die Vorschrift in diesem Wortlaut tatsächlich in das 5. Jh. v. Chr. zurückgeht, kann nicht geklärt werden. Theoretisch denkbar ist, dass derartige explizite Verfügungen mit der Errichtung der ersten umlaufenden Stadtmauer in Zusammenhang standen. 91
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noch frühere Zeiten94, Servius schließlich weist es einem Consul Duellius (wohl Duilius) zu, was die Datierungen 336 und 260 v. Chr., bei Einbeziehung namensgleicher Volkstribunen auch 471 oder 357 v. Chr. ermöglicht.95 Für eine klare konzeptionelle Zuordnung eines Bestattungsverbotes zu Mauer oder Pomerium sind all dies aber denkbar schlechte Voraussetzungen. Nach dem heutigen archäologischen Befund hört die Bestattung innerhalb der Linie der Servianischen Mauer tatsächlich spätestens im 3. Jh. v. Chr. auf. Es kann hier nicht entschieden werden, ob auch die Mauer selbst, zumindest als geschlossene Befestigung der Gesamtstadt, erst in diese Zeit datiert oder ob das Bestattungsverbot vielleicht erst nach einigen Jahrzehnten auch in allen Randbereichen des intramuralen Gebietes befolgt wurde.96 Jedenfalls sind innerhalb der Servianischen Mauer Bestattungen dann erst wieder in der Spätantike, seit dem 5. und vor allem dem 6. Jh. n. Chr. nachweisbar.97 Dieser Befund schließt allerdings auch den in republikanischer Zeit mit einiger Sicherheit extrapomerialen, aber innerhalb der Mauer gelegenen Aventin ein. Das archäologische Material für die Zeit der Republik reicht somit aufgrund der fehlenden Unterscheidbarkeit von Mauer und Pomerium, verbunden mit der unsicheren Datierung sowohl der Mauer als auch des Bestattungsverbotes selbst nicht aus, um für diese Zeit eine feste konzeptionelle Verbindung des Bestattungsverbotes mit einer von beiden Grenzen zu belegen. b) Kaiserzeit und Spätantike Durch Grenzsteine ist der Verlauf des Pomerium, wie erwähnt, erst für die frühe Kaiserzeit teilweise gesichert, konkret für die Pomeriumerweiterungen des Claudius und Vespasians.98 94
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97
98
Dion. Hal. ant. 5,48,3; Plut. Publ. 23,3. Die z. B. von Simonelli 2001, 145 (Anm. 222) vertretene Ansicht, auch die Tatsache, dass Livius (1,26,11) die Gräber der Curatier extra pomerium lokalisiere, deute auf ein frühzeitliches Bestattungsverbot hin, überstrapaziert das Zeugnis indes deutlich. Die Passage deutet nicht einmal daraufhin, dass Livius selbst hier ein Bestattungsverbot im Sinn hatte. Serv. Aen. 11,206. Vgl. Rüpke 1990, 36. Holloway 1994, 91–102, bs. 96–99, der die Mauer „as we know it“, d. h. als eine rings um die Stadt geführte, geschlossene Befestigungsanlage, erst frühestens in die Jahre vor dem Pyrrhus-Krieg datiert. Der Datierung der Gräber folgt auch Goodman 2007, 48. Claridge 2010, 128, 319, 340. Besonders finden sich solche auf dem bald darauf verlassenen Palatin, in der Porticus der Livia und im Ludus Magnus. Zur weiteren Entwicklung Meneghini / S antangelo Valenzani 1993 und Stevens 2017, 188 f., sowie die Karten aus diesem Werk, hier Abb. 2 und 3 im folgenden Abschnitt. Vgl. zu den Cippi die Kap. 4.1.2 c) Anm. 97 angegebene Lit.
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Auf deren Grundlage scheint es unbestreitbar, dass zumindest bestehende und auch gut sichtbare Grabstätten in den Bereich des Pomerium gelangten. Das bekannteste Beispiel ist das Grab des Bibulus am Fuße des Capitols.99 Derartige Gräber wurden offenbar nicht als Problem angesehen, wobei eingeräumt werden muss, dass Bibulus’ Grab nach Ausweis der Inschrift bereits auf Senatsbeschluss, auf öffentliche Kosten und honoris virtutisque caussa an dieser Stelle errichtet worden war.100 Es gibt allerdings auch sonst keine Hinweise darauf, dass – wie etwa Lindsay annimmt – bestehende Gräber bei Pomeriumerweiterungen entfernt wurden.101 Die entscheidende Frage ist nun, ob sich jüngere Bestattungen innerhalb der kaiserzeitlichen Pomeriumverläufe nachweisen lassen. Hier wird schnell eines deutlich: Auch die Informationen zu den kaiserzeitlichen Erweiterungen, die sich aus den in situ gefundenen Cippi ergeben, sind insgesamt zu lückenhaft, um die kontinuierliche Beachtung eines Bestattungsverbots intra pomerium für die Kaiserzeit zu belegen. Es ist vielmehr gerade umgekehrt die topographische Forschung zum kaiserzeitlichen Pomerium, die unter anderem auf der Prämisse aufbaut, dass innerhalb des Pomerium niemand bestattet werden durfte. Außer auf die besagten Cippi stützt sie sich nämlich ganz wesentlich auf die Lage und den Benutzungszeitraum von Gräbern und Nekropolen, um so den Umfang der verschiedenen Pomeriumerweiterungen zu rekonstruieren. Doch selbst wenn man allein jene Cippi gelten lässt, die allgemein als in situ anerkannt werden, stellen sich höchst merkwürdige Befunde ein. Dies gilt besonders für die Nekropole am Beginn der Via Salaria im Norden der Stadt, deren Nutzung epigraphisch bis ins 2. Jh. n. Chr. belegt ist.102 Ein Beispiel ist das Grab des Q. Sulpicius Maximus, das auf das Ende des 1. Jh. n. Chr. datiert wird.103 Es fanden sich zudem mehrere Columbaria in diesem Bereich, die bis ins 2. Jh. genutzt wurden.104 Ein Pomerialcippus des Claudius wurde in situ nördlich dieser Zone gefunden, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nahelegt, dass der Bereich südlich davon intra pomerium lag.105 Während Labrousse nun argumentierte, das Pomerium sei in einem Bogen um den Bereich herumgeführt 99
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Witcher 2013, 211; Gallitto 1999. CIL VI 1319. Vgl. auch Stevens 2017, 182 f. Lindsay 2000, 171. Stevens 2017, 15 mit Anm. 10 und 237–240; vgl. auch die Karten aus diesem Band, hier als Abb. 2 und 3. Zur Datenbasis dieser Karten ebd., 176–181. Die scharfe Linie, die die Nekropole nach Süden begrenzt und bereits der Linie der viel später errichteten Aurelianischen Mauer entspricht, erklärt sich vermutlich als Nordgrenze der Horti Sallustiani. In ähnlicher Weise ist anzunehmen, dass auch die übrigen Horti als Privatbesitz zu der relativ geringen Zahl von Gräbern zwischen der Servianischen und der Linie der Aurelianischen Mauer beigetragen haben. Vgl. ebd., 192 und 238. Caruso 1999. Stevens 2017, 193 und 239. CIL VI 37023, gefunden im Bereich der Via Tevere / Via Po.
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Abb. 2: Gräber und Cippi des Pomerium im Bereich der Via Flaminia, Via Salaria und Via Nomentana.
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worden106, vermutete Lugli, der die ersten Bestattungen erst auf das Ende des 1. Jh. n. Chr. datierte, Vespasian habe hier das Pomerium des Claudius nicht etwa erweitert, sondern zurückgesetzt, was die Anlage der Gräber ermöglicht habe.107 Beide Vorschläge muten indes nicht als wahrscheinlich an. Ein weiterer in dieser Hinsicht interessanter Bereich liegt im östlichen Teil des Esquilin innerhalb der Porta Maggiore.108 Labrousse nahm die dort nachweisbaren Bestattungen zum wesentlichen Beleg für die Annahme, das Pomerium sei im Osten der Stadt auch in der Kaiserzeit gar nicht oder fast gar nicht über die Linie des Servianischen Mauer hinaus bewegt worden.109 Auch hier wurde das angeblich auf das Pomerium bezogene Bestattungsverbot für eine topographische Frage genutzt und nicht etwa selbst durch eine evidenzbasierte Argumentation gestützt. Gegen die Auffassung, der Bereich habe außerhalb des claudischen Pomerium gelegen, sprechen die unstreitigen großen Erweiterungen im Norden und Süden, zudem zwei Cippi, einer des Claudius und einer des Hadrian, die weit östlich der Servianischen Mauer, in der Nähe der späteren Aurelianischen Mauer gefunden wurden, wenn auch wohl nicht in situ. Denkbar ist freilich, wie Rizzo gemeint hat, dass ein bestehendes Recht zu Bestattung an einem bestimmten Ort durch die Pomeriumerweiterung nicht aberkannt worden sei.110 Eine näherliegende Erklärung ist jedoch, dass zwischen Pomerium und Bestattung – wenigstens in der betreffenden Zeit – keine zwingende Verbindung gesehen wurde. Dafür sprechen schließlich auch die Grabstätten, die 2015 nahe des Lateran bei Arbeiten an einer Metro-Station im Komplex einer Kaserne aus spätestens hadrianischer Zeit gefunden wurden.111 Auch diese lagen zur Zeit ihrer Anlage höchstwahrscheinlich innerhalb des Pomerium.112 Insgesamt zeigt sich also, dass die tatsächliche Lage von kaiserzeitlichen Gräbern nicht als hinreichender Beleg für einen Zusammenhang von Pomerium und Bestattung ins Feld geführt werden kann. Eine durch das Bestattungsverbot bedingte Statusveränderung der neueingeschlossenen Gebiete, von dem Goodman113 spricht, lässt sich in dieser Hinsicht archäologisch nicht greifen.
106
Labrousse 1937, 181 f. Lugli 1934, 96. 108 Vgl. zu diesem Bereich, dem claudischen Pomerium und den dortigen Gräbern v. a. Coates-Stephens 2004, 40 und 60–62. Der Autor plädiert dafür, dass auch der heute als Porta Maggiore bekannte Bogen selbst eine Monumentalisierung des Pomerium dargestellt haben könnte. 109 Labrousse 1937, bs. 169 und 181. 110 Rizzo 1977, 26 f. 111 De la Bédoyère 2017, 99 und 308, Anm. 40. 112 Für dieses und weitere Grabfunde im Verhältnis zu möglichen Pomeriumverläufen vgl. die Karte Abb. 3, aus Stevens 2017, 178 f. 113 Goodman 2007, 44. 107
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Neben gewöhnlichen Grabstätten spielt auch die Lage einiger besonderer Anla gen mit sepulkraler Funktion in diesem Kontext eine Rolle. Dies gilt etwa für den Bereich der Ustrina des antoninischen Kaiserhauses, der durch Altäre, die vermutlich an der Stelle der Scheiterhaufen errichtet wurden, lokalisierbar ist. In dem Komplex wurde später auch die Mark-Aurel-Säule errichtet. Es ist umstritten und allein auf der Basis von Cippi auch nicht zu entscheiden, ob diese bei den Pomeriumerweiterungen ausgespart wurden.114 Coarelli, der den Bereich innerhalb des vespasianischen Pomerium sieht, argumentiert, dies sei möglich gewesen, weil der Aspekt der Apotheose gegenüber dem sepulkralen Charakter des Ortes überwogen habe.115 Das gleiche gilt nach Coarelli für das Templum Gentis Flaviae, den unter Domitian errichtete Bestattungsort des flavischen Kaiserhauses, der sich vermutlich ebenfalls innerhalb des Pomerium befand, das ja erst unter Vespasian erweitert worden war. Sueton lokalisiert es ad malum Punicum in der 6. Region, also auf dem Quirinal oder Viminal.116 Die einzige in fast der gesamten Forschung anerkannte Ausnahme vom Bestattungsverbot innerhalb des Pomerium ist die Trajanssäule, in bzw. unter deren Basis die Asche des Kaisers bestattet worden sein soll. Sie wird häufig als eine die Regel bestätigende Ausnahme dargestellt.117 Zwar befand sie sich knapp außerhalb der Linie der Servianischen Mauer, die allerdings hier bei Bau des Trajansforums abgetragen worden war.118 Dass sie sich innerhalb des im 1. Jh. n. Chr. zweimal erweiterten Pomerium befand, kann jedoch fast als sicher gelten. Weniger sicher ist allerdings, ob die Asche Trajans auch tatsächlich hier beigesetzt wurde. An der Säule selbst gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass sie als Grabmonument geplant war.119 Von der Beisetzung der Urne des bei einem Feldzug im Osten verstorbenen Kaisers an dieser Stelle berichtet als einziger antiker Autor Eutrop.120 Auf die Stelle wird noch zurückzukommen sein. Vom materiellen Befund her spricht die Trajanssäule aber weder für noch gegen die Verbindung von Bestattungsverbot und Pomerium. Spekulativ ist daher auch die Vermutung Boatwrights, die intrapomeriale Bestattung Trajans sei auf ein nachlassendes Be114
Während etwa Sofia 2012 dies weiterhin annimmt und Beard / North / P rice 1998, 180, sogar betonen, dass hier das Pomerium ganz bewusst respektiert worden sei, argumentiert Coarelli 2009, bei den Ustrina ebenso wie z. B. bei der Trajanssäule und dem Templum Gentis Flaviae überwiege der Charakter der Apotheose über den sepulkralen, was eine Lage innerhalb des Pomerium ermöglicht habe. Dagegen verortet sie Sofia 2012, 114, außerhalb, auch weil in diesem Bereich auch Sulla, Caesars Tocher Iulia und evtl. Caesar selbst verbrannt worden seien. 115 Coarelli 2009, 305 f. 116 Coarelli 2009; Suet. Dom. 1,5,17. 117 Z. B. Palombi 2008, 311; Beard / N orth / P rice 1998, 180. 118 Stevens 2017, 189–191. 119 Davies 2000, 30. 120 Eutr. 8,5.
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wusstsein für das Pomerium zurückzuführen, welches erst Hadrians Restaurierung wiederhergestellt habe.121 Ein letzter zeitlicher Kontext, innerhalb dessen die Archäologie Hinweise auf die Bedeutung des Pomerium oder der Stadtmauer im Hinblick auf das Bestattungsverbot geben könnte, ist die Phase nach dem Bau der Aurelianischen Mauer in den 270er Jahren n. Chr. Doch auch hier treten wieder ganz ähnliche Probleme auf wie für die republikanische Zeit. Zwar stellt diesmal die Mauer ein sicher datiertes Element dar. Tatsächlich sind aber die allermeisten antiken Gräber im Bereich zwischen den beiden Mauerringen sehr viel älter als 271 n. Chr. Überhaupt sind Gräber des 3. Jh. n. Chr. innerhalb der Aurelianischen Mauer nur in recht geringer Zahl bekannt.122 Es scheint somit fraglich, ob das zumindest weitgehende Ende der Bestattungen in diesem Bereich überhaupt durch ein entsprechendes Bestattungsverbot zu erklären ist. Selbst ein möglicherweise mit der Servianischen Mauer verbundenes Bestattungsverbot muss nicht automatisch auf die neue Mauer übertragen worden sein.123 Schon wesentlich früher setzte eine generelle Verlagerung aristokratischer Wohnbereiche in Bereiche außerhalb der republikanischen Stadtmauer ein. Dies ist im Prinzip schon mit der Anlage der Horti in augusteischer Zeit, verstärkt seit dem Bau von Neros Domus Aurea zu beobachten. Nach dem neuen Mauerbau wird der umschlossene Bereich durch die zusätzliche Sicherheit noch an Attraktivität gewonnen haben. Selbst das Scipionengrab wurde im 3. Jh. n. Chr., möglicherweise bereits vor dem Mauerbau, durch eine Domus überbaut.124 Was nun das Pomerium in dieser Zeit angeht, ist die Lage noch weniger klar, da seit der Erneuerung durch Hadrian keine späteren Cippi mehr bekannt sind. Die Historia Augusta berichtet zwar recht ausführlich, eine solche Erweiterung sei, wenn nicht unmittelbar mit dem Mauerbau, so doch noch unter Aurelian erfolgt, wenn auch erst eine gewisse Zeit später (postea).125 Aurelian sei zunächst noch nicht zur Erweiterung berechtigt gewesen, da er das Imperium noch nicht durch eigene Eroberungen vergrößert hatte. Die Stelle, auf die andernorts noch genauer einzugehen ist, reicht sicher nicht als alleiniger Beleg für eine Erweiterung des Pomerium durch Aurelian, geschweige denn deren Umfang, aus.126 Dennoch scheint – wie auch der Mehrheit der Forschung meint – eine Erweiterung des 121
Boatwright 1986, 22 f. Anm. 32. Vgl. allgemein Borg 2013. 123 Ähnlich bereits Le Gall 1959, 51. 124 Patterson 2000, 96, der allgemein einen „most dramatic impact on the organisation of the city“ diagnostiziert. 125 HA Aurelian. 21,9. Fertiggestellt wurde die Mauer allerdings erst unter Probus, vgl. Pisani Sartorio 1996a. 126 Siehe Kap. 4.1.2 e). 122
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Abb. 3: Verlaufsrekonstruktionen des Pomerium mit Gräbern und Stadtmauern.
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Pomerium im Zusammenhang des Mauerbaus zumindest nicht ganz unplausibel.127 Eine juristische Argumentation, die Aurelian wegen fehlender Erorberungen schlicht die Berechtigung zur Pomeriumerweiterung abspricht, kann jedenfalls unmöglich ausreichen.128 Genau wie bei der Mauer ist zudem auch bei einer Pomeriumerweiterung durch Aurelian nicht zu klären, welche Bedeutungen dem Pomerium zu dieser Zeit zugeschrieben wurden. Schon Henzen wies zurecht auf die Möglichkeit hin, es könne sich bei einer aurelianischen Erweiterung auch um eine rein antiquarische Formalität gehandelt haben.129 Trotz dieser Ausgangslage wurde in der archäologischen Forschung versucht, den Bau der Aurelianischen Mauer bzw. die damit angeblich verbundene Pomeriumerweiterung für nicht-stilistische Datierungen von Grabmonumenten heranzuziehen. Wie bei der Rekonstruktion der Pomeriumverläufe der frühen Kaiserzeit ergibt sich auch bei dieser Thematik offensichtlich die Gefahr von Zirkelschlüssen. Im Mittelpunkt des Problems liegt hier die Nekropole an der Via Ardeatina südlich der Caracalla-Thermen, einer von wenigen Bereichen innerhalb der Aureliansmauer, der aufgrund einiger unstreitiger Cippi mit großer Wahrscheinlichkeit außerhalb des claudischen und des vespasianischen Pomerium lag. Am Rande dieser Nekropole wurde das Grab mit dem Sarkophag des Julius Achilleus ausgegraben.130 Es wurde nach seiner Entdeckung zunächst in die Zeit kurz vor dem aurelianischen Mauerbau datiert – mit dem Argument, dass es später illegal gewesen sein müsse.131 Stroczeck vertritt jedoch mit stilistischen Argumenten die Auffassung, der Sarkophag gehöre eindeutig erst in das Jahrzehnt nach dem Bau der Aurelianischen Mauer. Sie wertet dies als Beleg dafür, dass das Pomerium, die ihrer Prämisse nach für das Bestattungsverbot relevante Grenze, hier noch nicht bis an den neuen Mauerverlauf erweitert worden und somit die Anlage einer Grabstätte an dieser Stelle noch erlaubt gewesen sei.132 Auch für die benachbarte Nekropole ist, wie weitere Funde nahelegen, ein Fortleben deutlich über den Mauerbau hinaus nicht auszuschließen; lediglich die schlechte Dokumentation der Funde verhindert laut Stroszeck eine genauere Datierung.133 Bereits im 4 Jh. n. Chr. wurde auch über dem Grabbau des Julius Achilleus ein neues Gebäude, errichtet; möglicherweise handelte sich dabei erneut um einen Grabbau, wobei allerdings eine Domus die wahrscheinlichere Varainte darstellt.134 127
Syme 1983; zur Frage der Pomeriumerweiterung Aurelians siehe auch Kap. 4.1.2 e). So hingegen Stroszeck 1993, und ausführlicher (2001). 129 Henzen 1857, 13. 130 Avetta 1985, bs. 57 f. 131 Siehe die Literatur bei Stroszeck 1993, 200, Anm. 11, bzw. (2001), 74 Anm. 4. 132 Ebd. 133 Ebd. Vgl. Auch Le Gall 1959, 51. 134 Ebd. mit Lit. 128
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Anders als Stroszeck meint, deuten diese Befunde aber lediglich daraufhin, dass trotz der Lage der Nekropole innerhalb der Aurelianischen Mauer hier faktisch kein Bestattungsverbot respektiert wurde. Die Schlussfolgerung, der Bereich habe darum noch außerhalb des Pomerium gelegen, ergibt sich daraus nicht. Auch für das Schicksal eines zwischen 220 und 240 n. Chr. angelegten Grabbaus, des sogenannten Hypogäum der Aurelii am heutigen Viale Manzoni, also erneut auf dem Esquilin, wird ein Zusammenhang mit dem aurelianischen Mauerbau bzw. Pomerium angenommen. Es sei daran erinnert, dass der Bereich durchaus schon innerhalb des claudischen Pomerium gelegen haben kann.135 Die Bestattungen in der Anlage sollen nun, so die Forschung, im Zusammenhang mit dem Bau der aurelianischen Mauer bzw. einer damit verbundenen Pomeriumerweiterung abgebrochen worden sein. Diese Annahme hat aber keine Grundlage im archäologischen Befund, sondern beruht selbst auf der unhinterfragten Prämisse, mit der neuen Stadtmauer bzw. dem neuen Pomerium sei zwingend ein Bestattungsverbot verbunden gewesen.136 c) Zwischenfazit und Einordnung der Nekropolen in eine „borderscape“ Als Zwischenfazit kann somit gelten, dass der archäologische Befund kaum Hinweise auf konzeptionelle Verbindungen von Bestattungsverbot und Pomerium im antiken Rom liefert. Dass damit auch das Gegenteil noch unbewiesen bleibt, muss freilich eingeräumt werden. Zumindest die konsequente Beachtung des Verbots in der Praxis ist vor allem ab der Kaiserzeit eher als unwahrscheinlich anzusehen, da dies wenig plausible Verläufe des Pomerium voraussetzen würde. Nichts spricht hingegen gegen eine Verknüpfung des Bestattungsverbots mit der alten republikanischen Stadtmauer. Diese ist immerhin die einzige feste Grenze, innerhalb derer das faktische Fehlen von Bestattungen wenigstens ab dem 3 Jh. v. Chr. archäologisch gesichert scheint. Für die Aurelianische Mauer des 3. Jh. n. Chr. gibt es diese Sicherheit indes nicht. Worauf der archäologische Befund aber insgesamt hindeutet, ist folgendes: Im Hinblick auf das Prinzip, Bestattungen außerhalb der Siedlung oder Stadt vorzunehmen, können die für uns greifbaren genau definierten Grenzen historisch nicht als Auslöser, sondern allenfalls als spätere Konkretisierungen und Deutungen einer älteren, davon im Prinzip unabhängigen Praxis gelten. Die Konzentration der Bestattung in bestimmten unscharf begrenzten Bereichen in der Peripherie, die oft über sehr lange Zeiträume hinweg genutzt werden, stellt eine Konstante von der Frühzeit bis in die Spätantike dar. Auch in der antiken Literatur werden Nekropolen im Übrigen oft als liminale Orte dargestellt, die nicht nur durch die Präsenz von Geistern der Toten, sondern auch 135
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Siehe Abb. 3. Richardson 1992, 353; Bisconti 1999.
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hybride Gestalten wie Zauberinnen oder Werwölfe geprägt sind. Dem dürfte in der Realität die – ebenfalls literarisch aufgegriffene – Anwesenheit von sozialen Randgruppen wie Prostituierten und Obdachlosen entsprochen haben.137 Insofern waren Nekropolen in römischen Städten generell Teil einer Grenzzone, einer „borderscape“, die durchaus auch schon innerhalb der Stadtmauer beginnen und sich weit über diese hinaus erstrecken konnte.138 Dieses Phänomen entzieht sich offensichtlich der Logik einer klaren Grenzlinie, selbst wenn die Stadtmauer schon aufgrund ihrer Materialität sicher ein prägendes Element darstellte. Die durch die Cippi des Pomerium markierten Linien verliefen indes, wie erwähnt, mitten durch diese Bereiche und selbst mitten durch Nekropolen hindurch, ohne dass dies einen im Befund greifbaren Effekt besaß.
3.2.2 Schriftliche Quellen Die Frage, inwieweit im antiken Rom konzeptionelle Verbindungen zwischen dem Pomerium und der Bestattungthematik bestanden, kann nur auf der Grundlage der schriftlichen Quellen beantwortet werden. Interessanterweise war das Thema des Bestattungsverbotes in der nah an diesen Quellen arbeitenden ältesten Forschung zum Pomerium noch vergleichsweise wenig prominent und wurde nur selten und mit eher vorsichtigen Formulierungen angesprochen.139 a) Bestattungsverbot und Stadtgrenzen Schon die Betrachtung derjenigen Zeugnisse in den literarischen Quellen, die den Begriff Pomerium zu definieren suchen, gibt dieser Vorsicht recht: In keinem dieser Texte wird an irgendeiner Stelle auf einen Zusammenhang mit dem innerstädtischen Bestattungsverbot verwiesen.140 Umgekehrt verwendet gerade der am häufigsten und oft als einziger zitierte Beleg für den Zusammenhang von Pomerium 137
Hope 2000, 125. Vgl. Hor. sat. 1,8,19 (Zauberinnen); Lucan. 6, 507–830 (Erictho); Petron. 62 (Werwolf); Mart. 1,34,8; 3,93,15 (Prostituierte); Apul. met. 4,18,21 (Diebe); Dig. 47,12,3 (Obdachlose). Auf die direkt mit Leichen umgehenden Personengruppen, die ebenfalls mit diesem Raum verbunden waren, wird zum Ende dieses Unterkapitels (Kap. 3.2.2 c)) noch einmal gesondert eingegangen. 138 Vgl. zu „borderscapes“ Stevens 2017, 9 f., mit weiterer Lit. 139 Hülsen 1887, stellt am Ende seines Aufsatzes die Frage: „Ist die Annahme zwingend, dass intra pomerium keine Grabstätten angelegt werden durften, dass also ein Punkt, an dem Gräber aus der Kaiserzeit constatirt worden sind, extra pomerium gelegen haben muss?“ Cuq 1881, geht ausführlich auf das Bestattungsverbot „dans l’enceinte“ ein, erwähnt das Pomerium jedoch mit keinem Wort, während Besnier 1926, 545, das Bestattungsverbot gerade aus dem „inaugurierten“ Charakter des Pomerium herleitet. 140 Etwa Varr. ling. 5,143; Liv. 1,44; Tac. ann. 12,23; Gell. 13,14.
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und Bestattung, eine von Cicero überlieferte Bestimmung des Zwölftafelgesetzes, für das betreffende Stadtgebiet nur den Begriff urbs: Hominem mortuum in urbe ne sepelito neve urito.141 Ob dabei ursprünglich überhaupt an eine bestimmte Stadtgrenze gedacht wurde, scheint indes nicht sicher, zumal die Zwölftafeln – wie der archäologische Befund zeigt – wohl nur eine ohnehin etablierte Praxis festschrieben. Doch auch wenn tatsächlich bereits hier eine genau definierte Grenze gemeint sein sollte, ist aus der Stelle allein nicht zu ergründen, ob es sich dabei um eine Stadtmauer oder ein Pomerium oder noch etwas anderes handelte. Es war vielleicht zuerst Mommsen, der vor allem mit Verweis auf eine Formulierung der Lex Ursonensis die Auffassung vertrat, auch in der zitierten Formulierung der Zwölftafeln müsse das Pomerium gemeint sein.142 In der 1870/71 entdeckten Inschrift, die Teile des Gesetzes enthält, wird ein Bestattungsverbot mit den fines oppidi colon(iae)ve qua aratro / circumductum erit verknüpft, was als Umschreibung eines Pomerium zu verstehen sei. Daher sei auch die Formulierung des Zwölftafelgesetzes in diesem Sinne zu deuten. Die Stelle wird seither bisweilen ergänzend zur Stelle aus den Zwölftafeln angeführt, wenn auch das zugrundeliegende Argument selten explizit gemacht wird.143 Das entscheidende Problem besteht dabei weniger im Fehlen einer Erwähnung des Pomerium im Text der Lex. Die zitierte Umschreibung entspricht durchaus einer der bereits erläuterten Definitionen des Begriffs Pomerium in den Quellen, besonders jener bei Tacitus und Plutarch.144 Ob die hier beschriebene Grenze, die ja in jedem Fall weder mit der Mauer noch der tatsächlichen Bebauung identisch war, und die noch dazu durch ein Pflugritual konstituiert wurde, auch Pomerium genannt wurde, ist für den hier interessierenden Sachverhalt nicht einmal vorrangig. Denn selbst wenn die Lex das Pomerium explizit nennen würde, bliebe es eine mehr als gewagte Annahme, dass die Formulierung eines spätrepublikanischen Stadtgesetzes einer colonia Aufschluss über die genaue Bedeutung des urbs-Begriffes in den Zwölftafeln geben sollte. Die Lex Ursonensis mag tatsächlich im Rückgriff auf die lex Iulia municipalis und über diese auf die Zwölftafeln entworfen worden sein145; sie stellt dann aber nichts als eine mögliche Interpretation dieses Textes im
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Cic. leg. 2,58. Auch wenn man annimmt, dass es zur Zeit des Zwölftafelgesetzes noch keine umlaufende Stadtmauer gab, würde auch dies nicht zwingend eine Bindung des Verbots an ein Pomerium implizieren. Vor allem aber würde dies nichts über das in späterer Zeit vorherrschende Verständnis des Gesetzes aussagen, da die Tradition bekanntlich davon ausging, dass Rom von Beginn an Mauern besessen hatte. 143 Anders z. B. Simonelli 2001, 145. 144 Tac. ann. 12,23 f.; Plut. Rom. 11,2–3. Diese Autoren identifizieren das Pomerium mit der beim Gründungsritual gezogenen Furche. 145 Vgl. Stevens 2017, 173–175 mit weiterer Lit. 142
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Hinblick auf die Verhältnisse eines schon bestehenden, als colonia negegründeten oppidum dar. Die Forschung ist nun aber teilweise sogar so weit gegangen, die Lex Ursonensis nicht nur als Deutungshilfe für das Zwölftafelgesetz, sondern zugleich auch als Beleg für die Verbreitung eines generell am Pomerium orientierten Bestattungsverbotes in allen römischen Städten anzuführen.146 Dies stellt offensichtlich eine nicht tragfähige Verallgemeinerung dar. Zu diskutieren ist in diesem Kontext zudem der archäologische Befund aus Pompeji, das seit 80 v. Chr. eine Colonie war. Der erwähnte locus publicus an der Stadtmauer wird in der Forschung zuweilen als Pomerium bezeichnet, womit v. a. an die Definitionen des Livius und Suetons angeknüpft wird.147 Diese Deutungen stehen aber kaum auf besserer Grundlage als die Identifikationen der mit dem Pflug gezogenen Linie in der Lex Ursonensis mit dem Pomerium jener Stadt. Auch dass ein Pflugritual bei der Coloniegründung außerhalb der bestehenden Stadtmauer vollzogen wurden, ist durchaus wahrscheinlich, wenn man die Zeugnisse für andere Colonien berücksichtigt.148 Unabhängig davon, welche Pomeriumdefinition man zugrundelegt; es befindet sich jedenfalls eine ganze Nekropole eindeutig innerhalb dieses ansonsten unbebauten Streifens und zieht sich bis vor die Porta di Ercolano.149 Dabei handelt es sich zwar um als Ehrengräber für besonders verdiente Personen ähnlich wie sie in Rom auf dem Marsfeld nachgewiesen sind, allerdings auch für Mittellose.150 Von einem religiös begrundeten Bestattungsverbot innerhalb eines bestimmten Stadtgebietes müssten aber auch solche Bestattungen prinzipiell betroffen sein. Für die Colonien wird im Corpus Agrimensorum zudem ein Gesetz des Tiberius überliefert, dass lediglich – mit Verweis auf eine frühere lex Sempronia et Iulia – bestimmt, dass Gräber weitab von Häusern (longe ab aedibus) zu errichten seien.151 Ferner spricht Ulpian noch zu Beginn des dritten Jahrhunderts sogar davon, dass es Municipia gebe, welche die Bestattung in civitate gesetzlich erlaubten und dass ein kaiserliches Verbot gegen diese Munizipalgesetze durchzusetzen sei.152
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Z. B. Besnier 1926, 545; Marquardt 1879, 350 Anm. 5. Siehe dazu Kap. 2.1 Anm. 6. Siehe Kap. 2.2.1 b). Dazu ausführlich Kockel 1983; Stevens 2017, 242–246. Kockel 1983, 11–14; Albers 2013, 206–209; Stevens 2017, 183. Dass dies eine konsequente Beachtung eines entsprechenden Verbotes in Rom nicht wahrscheinlicher macht, räumt auch Stroszeck 2001, 106, ein. Dass auch das Marsfeld zumindest in weiten Teilen als locus publicus galt, zeigen auch die Inschriften zu Adrastus (CIL VI 1585a,b), der für die Nutzung eines Landstücks zum Bau einer Bude (cannaba), die er im Zusammenhang seiner Tätigkeit als Wächter der Mark-Aurel-Säule nutzen wollte, eine Pacht zu entrichten hatte, vgl. Stevens 2017, 118. De sepulchris 271 f. L (=220 C). Dig. 47,12,3,5.
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Für eine explizite Verknüpfung von Bestattungsverbot und Pomerium scheint mir hingegen nur ein einziger, noch dazu eher indirekter Beleg vorzuliegen, auf den in der Forschung bemerkenswerterweise zugunsten der genannten älteren Belege eher selten verwiesen wird und der einmal mehr von Cassius Dio stammt153: Dieser berichtet, Caesar habe während seiner Dictatur vom Senat die Erlaubnis erhalten, sein Grab innerhalb des Pomerium (ἐντὸς τοῦ πωμηρίου) anzulegen. Zwar ist damit klar, dass die konzeptionelle Verbindung von Pomerium und Bestattung prinzipiell möglich war. Allein aufgrund dieser einzelnen Aussage kann jedoch nicht behauptet werden, dass nur diese Assoziation als die eigentlich korrekte anzusehen ist. Speziell Cassius Dio verweist besonders häufig und in vielen Kontexten auf das Pomerium.154 Die Stelle ist also im Ergebnis ebenso wenig verallgemeinerbar wie jene zwei, in denen er von der Verbannung der ägyptischen Kulte in den Bereich jenseits des Pomerium berichtet.155 In der Geschichtsschreibung kommt das Bestattungsverbot vor der Spätantike ansonsten nur noch bei Dionysios von Halikarnassos und Plutarch zur Sprache, auch hier im Zusammenhang mit berühmten Ausnahmen, jedoch ohne Erwähnung bestimmter Stadtgrenzen.156 Im Kontext der häufigen Wiederholungen des Bestattungsverbotes im Laufe der Kaiserzeit und seiner Ausweitung auf alle Städte des Imperiums wird ebenfalls nicht mit dem Pomeriumbegriff operiert. Überhaupt fehlt der Pomeriumbegriff im überlieferten juristischen Schrifttum fast völlig157, während das Bestattungsverbot hier mehrfach verhandelt wird. In den dem Julius Paulus zugeschriebenen Sentenzen wird sogar explizit die Stadtmauer als für das Verbot relevante Grenze angeführt. Der Autor bezieht sich hier zwar offenbar weniger auf Rom, sondern eher allgemein auf civitates.158 Allerdings folgt er damit genau der mehrfach überlieferten und auf Rom selbst bezogenen urbs-Definition der Juristen, welche dabei ebenfalls auf die republikanische Stadtmauer Bezug nehmen.159 In den noch späteren Quellen fehlt dann wieder jeder Anhaltspunkt für eine genauere Bestimmung des vom Bestattungsverbot betroffenen Gebietes. Dies gilt etwa für die schon kurz angesprochene Aussage Eutrops über die Bestattung Trajans in urbe.160 Zwar wird die Stelle in der Forschung meist auf das Pomerium hin ge153
Cass. Dio 44,7,1. Auch ist die Aussage dadurch mitzuerklären, dass Caesars Asche auf dem Marsfeld bestattet wurde, von dem zu Dios Zeit große Teile tatsächlich innerhalb des Pomerium lagen, vgl. Stevens 2017, 193. 155 Cass. Dio 40,47,4; 43,2,4. Vgl. Kap. 3.1.1 a). 156 Z. B. Dion. Hal. ant. 3,1,2; Plut. qu.R. 79. Dazu ausführlicher Kap. 3.2.2 b). 157 Die einzige Ausnahme (Dig. 18,7,5) steht in einem völlig anderen thematischen Kontext, vgl. Kap. 4.2.2 d). 158 Paul. sent. 1,21,3. 159 Dig. 50,16,87, vgl. auch Dig. 30,9,4,4; 50,16,147, 173,1 und 199. 160 Eutr. 8,5. 154
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deutet, jedoch lässt es die für eine Bestattung tatsächlich singuläre Lage auf einem Forum fraglich erscheinen, dass hier überhaupt an bestimmte Stadtgrenzen gedacht wurde.161 Vage formuliert auch Servius, der, wie bereits erwähnt, den Ursprung des Bestattungsverbots in der Stadt nicht etwa auf die Zwölftafeln, sondern auf ein Gesetz eines nicht klar zu identifizierenden republikanischen Consuls zurückführt. Auch hier ist nur von urbs (in urbe) die Rede.162 Auch in der Historia Augusta, die für Antoninus Pius sowie für Mark Aurel und Lucius Verus von Bestattungsgesetzen berichtet, fehlen genauere Angaben zu den maßgeblichen Grenzen, im zweiten Fall fehlt sogar eine allgemeine Bezugnahme auf ein Stadtgebiet.163 Zu berücksichtigen sind außerdem zwei weitere Zeugnisse, welche Pomerium und Bestattungen zwar miteinander in Verbindung bringen, aber ohne dass ein Verbot eine Rolle spielt. Sie zeigen, dass zumindest im informellen Sprachgebrauch Pomerium und Bestattung sich gerade nicht ausschlossen, zumindest, wenn darunter ein außerhalb der Mauern einer Stadt gelegenes Gebiet bezeichnet wurde. Apuleius, der den Pomeriumbegriff in seinen Schriften mehrfach in diesem Sinne verwendet164, lokalisiert gerade hier ein Begräbnis (in pomoeriis civitatis funus ingens).165 Ähnlich berichtet auch später Ammian, das Grab Kaiser Julians habe sich in Tarsos in pomerio befunden.166 Beide Belege scheinen auch zum angesprochenen archäologischen Befund in Pompeji aus dem 1. Jh. n. Chr. zu passen.167 Man kann also festhalten, dass sich die Annahme, die für das Bestattungsverbot in römischen Städten maßgebliche Stadtgrenze sei das Pomerium, sich nur auf sehr wenige, zudem indirekte Quellenaussagen stützen kann. Ihnen stehen andere gegenüber, die eher einen Bezug zu Stadtmauern nahelegen, wobei allerdings die weitaus meisten keine genauen Stadtgrenzen benennen. 161
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Zwar vermutet die Forschung die Trajanssäule außerhalb Linie der republikanischen Stadtmauer; in diesem Sinne stand sie also nicht in urbe. Es ist aber sehr fraglich, inwieweit der ursprüngliche Mauerverlauf in diesem Bereich auch nach den enormen Umgestaltungen für das Trajansforum noch erkennbar war, vgl. Palombi 2008, bs. 306 f. Die Annahme, Eutrop habe sich in diesem Zusammenhang auf den Verlauf der Aurelianischen Mauer oder die continentia seiner Zeit bezogen (Stevens 2017, 191), wirft allerdings die Frage auf, warum dann nicht z. B. auch die Bestattungen der antoninischen Kaiser von ihm als in urbe verzeichnet wurden. Serv. Aen. 11,206. Vgl. Rüpke 1990, 36. Unabhängig davon kann diese isolierte Stelle nicht als hinreichender Beleg für die Historizität eines entsprechenden Gesetzes oder gar eine vorherige mangelnde Beachtung der Zwölftafelbestimmung gewertet werden, wie Simonelli 2001, 145, und Stroszeck 2001, 108, meinen. HA Pius 12,3; Aur. 13,3. Besonders deutlich Apul. met. 2,1 und 9,9; in dieser Hinsicht nicht eindeutig allerdings met. 1,21; De deo Socratis 19,13. Apul. flor. 19,2. Amm. 25,10,5. Siehe Kap. 3.2.2 a).
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b) Die Frage nach dem Hintergrund des Bestattungsverbots Es drängt sich der Eindruck auf, dass die entsprechende Deutung in der Forschung ganz wesentlich aus dem Vorverständnis des Pomerium als einer „magischen“ Grenze abgeleitet wurden, ähnlich wie dies etwa auch beim Thema der „fremden“ oder „gefährlichen“ Kulte zu beobachten war. Die Zuordnung des Bestattungsverbots zum Pomerium erweist sich als untrennbar von der Frage nach dessen Hintergründen. Da man überwiegend einen quasi-sakralen Charakter des Stadtgebietes für die Entstehung des Bestattungsverbots verantwortlich machte, musste es folgerichtig erscheinen, dass nur das Pomerium als immaterielle, rituell konstituierte Grenze hierfür maßgeblich sein konnte. Doch auch diese Annahme erweist sich bei genauerem Blick in die Quellen als kaum haltbar. Aus den antiken Thematisierungen des Bestattungsverbotes in der Stadt (keine der angesprochenen Stellen erwähnt das Pomerium) sind nicht immer auch Einschätzungen über die dem Verbot zugrundeliegenden Motive herauszulesen.168 Am ausführlichsten und klarsten ist hier Cicero169, der zunächst scharf zwischen den zum ius pontificium gehörenden Bestattungsvorschriften einerseits und einem durch leges bestimmten ius sepulchrorum unterscheidet, zu dem er auch das Bestattungsverbot im Stadtgebiet rechnet. Als Hintergrund für das Verbot der Zwölftafeln gibt er Brandgefahr an, auch wenn diese freilich nur das Verbot der Verbrennung erklären würde. Diese gewissermaßen unvollständige Herleitung erklärt sich zum Teil wohl auch daraus, dass die Brandbestattung zu Ciceros Zeit die vorherrschende Bestattungsform darstellte.170 Entscheidend ist aber, dass die Regelung als von Beginn an ordnungspolitische, nicht als religiös motivierte Maßnahme verstanden wird.171 Verbote der Leichenverbrennung und der irregulären Entsorgung von Leichen treten in den Quellen auch getrennt von der übrigen Bestattungsthematik auf und sind in der Regel mit genauen, wenn auch divergierenden, Angaben zum Mindestabstand von der Stadt versehen. Der pragmatische Hintergrund steht dabei
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Ganz ohne Motive: De sepulchris 271 f. L; Dig. 47,12,3,5 (Ulpian): Divus Hadrianus rescripto poenam statuit quadraginta aureorum in eos qui in civitate sepeliunt; HA Pius 12,3: intra urbes sepeliri mortuos vetuit; Serv. Aen. 11,206: Duellio consule senatus […] lege cavit, ne quis in urbe sepeliretur. Die Tatsache, dass in diesen Gesetzen nur Erdbestattung explizit genannt ist, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass dies zum Zeitpunkt der Texte die allgemein übliche Bestattungsform darstellte (vgl. Stevens 2017, 166, 172 f.). 169 Cic. leg. 2,58. 170 Stevens 2017, 166. Vgl. für den umgekehrten Fall (nur Erdbestattung wird thematisiert) oben Anm. 168. 171 So auch Lindsay 2000, 169 f.
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nicht in Zweifel.172 Dies gilt allem Anschein nach auch für die wohl um 90 v. Chr. zu datierende Sonderregelung, welche einen durch die Aufstellung von Grenzsteinen definierten Bereich auf dem Esquilin außerhalb der Servianischen Mauer betraf. Die Inschrift des erhaltenen Cippus, aufgestellt im Auftrag eines Praetors L. Sentius, verkündet einen Senatsbeschluß, wonach in dem so abgegrenzten Bereich zur Stadt hin weder Ustrina errichtet noch Fäkalien, Abfall, Menschen- oder Tierleichen entsorgt werden dürften (nei quis intra terminos propius urbem ustrinam fecisse velit neive stercus cadaver iniecisse velit).173 Im Hinblick auf letzteren Aspekt, die Beseitigung der Leichen jener Personen, für deren Bestattung niemand aufkam, scheint man ohnehin sehr pragmatisch gedacht zu haben, wie besonders die Untersuchungen Bodels zeigen.174 Cicero vergleicht das Bestattungsverbot in der Stadt ferner auch mit einer anderen Regelung, die er dem Collegium der Pontifices zuschreibt: Es ist dies das Verbot, auf öffentlichem Grund (in loco publico) ein privates Grab anzulegen. Er berichtet von einem Fall, in dem Gräber von einem Grundstück entfernt werden mussten, nachdem man die in Vergessenheit geratene Zugehörigkeit der Stelle zur Gottheit Honos wiederentdeckte. Auch dies wird trotz der religiösen Dimension als eine ordnungspolitische Regelung dargestellt: Der öffentliche Charakter des Platzes dürfe nicht durch eine privata religio beeinträchtigt werden.175 Diese oder eine ähnliche Regel mag auch die Bestattung auf dem Marsfeld geregelt haben, die, wie auch der archäologische Befund zeigt, höchstwahrscheinlich auf öffentliche Begräbnisse für besondere Persönlichkeiten beschränkt war.176 In eine ähnliche Richtung scheint schließlich auch die Historia Augusta zu weisen, die von vergleichbaren Gesetzen der Kaiser Mark Aurel und Lucius Verus berichtet. Diese hätten, als durch eine Epidemie besonders viele Tote in kurzer Zeit bestattet werden mussten, durch strenge Gesetze verboten, Gräber einfach dort anzulegen, wo man wolle (ne quis ut vellet fabricaretur sepulcrum).177 Alle bisher genannten Zeugnisse weisen die betreffenden Regelungen als ordnungspolitisch motiviert aus oder legen dies zumindest nahe. Dabei ist es wenig Dio 48,43,3: μήτε τὰς καύσεις τῶν νεκρῶν ἐντὸς πεντεκαίδεκα ἀπὸ τῆς πόλεως σταδίων γίγνεσθαι; Lex Urson. 74: Ne quis ustrinam novam, ubi homo mortuus combustus non erit, prop(r)ius oppidum passus B facito. Vgl. Lindsay (2000), 170. 173 CIL I 838 f. = VI 31615 (= ILS 8208). Zu dieser Inschrift einer weiteren ähnlichen (CIL I2 591), bei der allerdings der explizite Bezug zur Stadt fehlt, ausführlich Stevens 2017, 166–173. Richardsons These, die seien Steine markierten ein von Sulla erweitetes Pomerium, hat keine Grundlage im Befund (Richardson 1992, 294). 174 Bodel 2000 und Bodel 1994. Zu Abfallentsorgung im Bereich von Stadtmauern (auch auf der Innenseite) in anderen römischer Städten Stevens 2017, 63–65. 175 Cic. leg. 2,58. Vgl. zu Gräbern als loci religiosi auch Gai. inst. 2,6 und Stevens 2017, 161 f. 176 Siehe Kap. 3.2.2 a) Anm. 150. 177 HA Aur. 13,3. 172 Cass.
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verwunderlich, dass jeweils unterschiedliche Grenzen für die jeweilige Regel für maßgeblich erklärt wurden und dass auch Bereiche außerhalb des Stadtgebiets, namentlich das Marsfeld und der von den Cippi des Sentius definierte Bereich, Gegenstand solcher Regelungen sein konnten. Eine weitere Gruppe von Autoren erwähnt das Bestattungsverbot indirekt im Kontext bestimmter Ausnahmen von der Regel, wie dies auch bei Cassius Dio zu beobachten war. Einzelnen Personen oder Personengruppen wurde nach diesen Quellen das Recht auf eine Bestattung in der Stadt eingeräumt. Auch in diesen Fällen ist nirgends eine religiöse Dimension des Stadtgebiets greifbar. Überwiegend, namentlich bei Cicero, Dionysios von Halikarnassos und Plutarch, sind es bedeutende Consuln der frühen Republik wie Valerius Poplicola, Postumius Tubertus und Fabricius Luscinus, für die und für deren Nachkommenschaft ein entsprechendes Privileg überliefert wird.178 Plutarch spricht außerdem davon, man habe bei verstorbenen Triumphatoren ein nach der Verbrennung zurückbleibendes ὀστέον in der Stadt beigesetzt.179 Diese besonderen Ehrungen werden aber von keinem der genannten Autoren mit einer besonderen sakralen Qualität des Stadtgebiets in Zusammenhang gebracht. Während Dionysios und Plutarch eher die Zentralität der Grabstätten im Bereich des Forums betonen, hebt Cicero im Kontext seiner bereits erwähnten Überlegungen zum Bestattungsverbot eher die bloße Befreiung von einer gesetzlichen Vorschrift (virtutis causa soluti legibus) hervor. Nicht viel anders stellt es sich bei spätantiken Autoren dar, auch wenn diese vollkommen andere Personen nennen und sich im Einzelnen untereinander widersprechen. Den gleichen Status außerhalb der Gesetze wie Cicero schreibt etwa Servius prinzipiell allen imperatores sowie den Vestalinnen zu, deren Gräber darum in der Stadt lägen180; er sieht darin aber offenbar einen eher formalen Umstand, keine für besondere Leistungen verliehene Ehrung. Ferner erklärt Servius daraus auch die Tatsache, dass sogar der Campus Sceleratus, in welchem die Vestalinnen, die ihr Keuschheitsgelübde gebrochen hatten, lebendig begraben wurden, innerhalb 178
Auch für Könige einschließlich Romulus, für Acca Larentia oder die Familie der Cincii werden teilweise Gräber nahe bei oder auf dem Forum überliefert, jedoch ohne dass in diesem Kontext auf ein sonst übliches Bestattungsverbot eingegangen wird (vgl. zum Grab des Romulus Rosenberg 1914, 1099 f. mit den Quellen; weitere Könige Dion. Hal. ant. 3,1,2 (Numa), Cic. leg. 2,58; zu Acca Larentia: Varr. ling. 6,24; Macr. sat. 1,10,15 f.; zu den Cincii: Fest. 318 L, vgl. Jordan 1878, 176 mit Anm. 40. Appian verortet die Gräber zumindest einiger Könige auf dem Marsfeld (civ. 1,106). Vgl. Wesch-Klein 1993, 103. 179 Plut. qu.R. 79. Mommsen 1887/88, I, 442 Anm. 1, leitete daraus ab, dass Triumphatoren ursprünglich das Privileg der Beisetzung in der Stadt besaßen, wogegen aber auf verschiedene Fälle von Triumphatoren zu verweisen ist, die außerhalb der Stadtmauern beigesetzt wurden. Vgl. dazu und zu der entsprechenden Forschungsdiskussion WeschKlein 1993, 103–108. 180 Serv. Aen. 11,206.
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der Stadt liege. Die Lage dieses Ortes unmittelbar innerhalb der Porta Collina bestätigen im Übrigen auch frühere Autoren, offenbar ohne darin ein Problem zu sehen.181 Von einer besonderen sakralen Qualität des Stadtgebiets kann damit auch hier nicht die Rede sein. Dies gilt schließlich auch für die bereits erwähnte Aussage Eutrops, der schreibt, Trajan sei mit seiner unter der Säule bestatteten Urne der Einzige, der in der Geschichte je in urbe beigesetzt worden sei.182 Entscheidend ist hier die Singularität und Zentralität des Bestattungsortes, nicht eine vorgängige besondere Qualität des Bodens. Für einen im weitesten Sinne sakralen Aspekt des Bestattungsverbots sprechen maximal fünf Stellen, von denen jedoch keine einen per se sakralen Charakter einer bestimmten Grenze bzw. eines bestimmten Gebietes impliziert. Es handelt sich um einen Abschnitt in der genannten Lex Ursonensis, zudem ein Fragment eines weiteren in augusteische Zeit datierten Stadtgesetzes, ferner die ebenfalls bereits erwähnte Stelle in den Sententiae des Julius Paulus sowie schließlich zwei kaiserliche Dekrete aus dem späten 3. sowie aus dem späten 4. Jh. n. Chr. Die Lex Ursonensis – datiert auf das Jahr 44. v. Chr. und damit bereits das älteste Zeugnis – thematisiert das Bestattungsverbot in einem Abschnitt zwischen Kult- und öffentlichen Bauvorschriften.183 Dies überrascht nicht, da das Errichten von Gräbern thematisch beiden Bereichen nahesteht. Der Text selbst behandelt das Bestattungsverbot jedoch fast ganz ohne Bezugnahme auf eine religiöse Dimension: Bei Verstoß ist eine Strafe zu zahlen, und ggf. errichtete Grabmonumente sind unter Aufsicht eines Duumvirn oder Ädil zu zerstören. Ganz ohne religiöse Bezüge ist dann auch die unmittelbar folgende Vorschrift (Abschnitt 74), wonach innerhalb von zwei Meilen vom oppidum aus gerechnet keine Leichenverbrennungen stattfinden dürften. Die einzige Ausnahme stellt die Forderung nach einer Entsühnung (expianto uti oportebit) am Ende des Abschnitts 73 dar, die in der Forschung Anlass gegeben hat, im Verstoß gegen das Bestattungsverbot eine Art Sakrileg zu sehen.184 Überzeugender scheint jedoch die Deutung, dass es hier nicht um eine Sühnehandlung für die illegale Anlage des Grabes geht, sondern für dessen vom Gesetz selbst geforderte Zerstörung.185 181
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Liv. 8,15,8; Dion. Hal. ant. 2,67,4; Plut. Numa 10,4–5. Vgl. Stevens 2017, 236 f. Die für mehrere Situationen in der mittleren Republik überlieferten Opferungen eines Gallier- und eines Griechenpaaren durch Lebendig Begraben werden von Liv. 22,57,6 und Oros. 4,13 auf dem Forum Boarium verortet. Es ist durchaus möglich, dass die betreffenden Autoren sie damit auch innerhalb der Stadtmauer ansiedelten, wobei der Mauerverlauf in diesem Bereich allerdings umstritten ist. Eutr. 8,5. Lex Urson. 73 (Crawford 1996, I, 403 f.). Aber auch Rüpke 2006, 35, argumentiert in diese Richtung. Stevens 2017, 174 Anm. 61 (mit Verweis auf CIL VI 1884); Scheid 2006, 25.
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In dieselbe Richtung weist auch das sogenannte Riccardi-Fragment, ein von Crawford in augusteische Zeit datiertes Fragment eines Stadtgesetzes einer vermutlich italischen Colonie, welches sich heute in einer Wand des Palazzo Medici Riccardi in Florenz befindet. Im Kontext eines mit einer Geldstrafe bewehrten Bestattungsverbotes wird bestimmt, dass illegal angelegte Gräber von den üblichen religiösen Schutzvorschriften frei seien und von jedem zerstört werden dürften. Es liegt sehr nahe, hier ein wie auch immer definiertes Stadtgebiet als Geltungsbereich des Verbots anzunehmen. Der Kontext ist, soweit ersichtlich, auch hier ein ordnungspolitischer. Auf das Bestattungsverbot folgt in dem Text eine Vorschrift zur Aufstellung von Bienenstöcken.186 Beide Stadtgesetze präsentieren das Bestattungsverbot also als eine Frage der öffentlichen Ordnung, nicht der Religion. Eine sakrale Dimension besitzen hier nur die Gräber selbst, nicht jedoch das Stadtgebiet. Es mag überraschen, dass unter allen das Bestattungsverbot in der Stadt thematisierenden Zeugnissen lediglich drei überhaupt auf die Gefahr der religiösen Verunreinigung durch den Leichnam eingehen. Dass sie frühestens in das 3. Jh. n. Chr. datieren, liegt sicher nicht daran, dass, wie Casavola meint, das Wissen um die entsprechenden Gefahren zuvor von den Pontifices geheimgehalten worden wäre.187 Wie Emmerson kürzlich mit guten Gründen zeigen konnte, ist die Vorstellung einer metaphysischen Verunreinigung durch Leichen vielmehr ganz grundsätzlich offenbar erst in der Spätantike aufgekommen, anders als in der Forschung lange vorausgesetzt wurde.188 Die Vorstellung eines sakralisierten Stadtgebietes ist zudem auch bei diesen Stellen nicht auszumachen. Dies gilt zunächst für die bereits erwähnte Passage aus den Paulus-Sententiae. Der Autor spricht davon, man dürfe keine Toten in eine Stadt (civitas) hineintragen, weil die sacra civitatis vor einer Entweihung durch Leichen geschützt werden müssten (ne […] funestentur). Im unmittelbaren Anschluss folgt das nicht weiter begründete Verbot der Bestattung intra muros, welches ähnlich wie in den Zwölftafeln mit dem Verbot der innerstädtischen Leichenverbrennung parallelisiert wird.189 Trotz dieser expliziten Bezugnahme auf die Mauer, hat man auch diesen Hinweis auf die sacra civitatis als Beleg für die Priorität des Pomerium in diesem Kontext lesen wollen, da hier das Bestattungsverbot in der Stadt religiös begründet wird.190 186
CIL I1 1409; Crawford 1996, I, 489–491. Casavola 1958, 79. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die genau gegenteilige Aussage Plutarchs (Plut. Num. 12,1), dass nämlich die Pontifices jedem auf seine Nachfrage die überlieferten Bestattungsriten erklärten, und bereits Numa gelehrt habe, nichts von diesen Dingen als Verunrenigung (μίασμα) zu betrachten. 188 Emmerson 2020b. 189 Paul. sent. 1,21,2–3. Es handelt sich um die bereits erwähnte Stelle, in welcher die Mauern als für Bestattungen maßgebliche Stadtgrenze bezeichnet werden. 190 Mommsen 1877, 110. 187
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Von einer durch das Pomerium bedingten besonderen Qualität des Stadtraumes ist allerdings auch hier nicht die Rede. Berücksichtigt man den unmittelbar vorangehenden Satz, wird klar, dass die Vorschrift weniger die Bestattung als den Transport eines Leichnams betrifft, dessen Grab aufgrund äußerer Einflüsse in seinem Bestand bedroht ist und der darum verlegt werden soll (ob incursum fluminis vel metum ruinae corpus […] transferri potest). Im Rahmen eines solchen Transports, der außerdem nachts stattzufinden habe, dürfe der Leichnam nun nicht in eine Stadt hineingetragen werden (inferri), also auch nicht, um diese bloß zu durchqueren. Unter den sacra civitatis sind in der Stadt angesiedelte Heiligtümer bzw. praktizierte Kulte zu verstehen, ähnlich den bei Festus erwähnten municipalia sacra.191 Die Vorschrift hat somit wohl schon einen ähnlichen Sinn wie ein späteres Edikt Julians von 363 n. Chr., indem er vorschreibt Bestattungen nachts vorzunehmen, u. a. weil man nach der Konfrontation mit dem Tod sich scheuen müsse einen Tempel aufzusuchen.192 Die Begründung ne sacra civitatis funestentur bezieht sich also auch in diesem Fall nicht etwa auf ein durch ein Ritual sakralisiertes Stadtgebiet. Als Beleg für eine entsprechende Bedeutung des Pomerium ist auch diese Stelle ungeeignet.193 Der Vorstellung eines sakralisierten Stadtgebietes noch am nächsten kommen schließlich zwei kaiserliche Dekrete aus dem späten 3. sowie dem späten 4. Jh. n. Chr. In einem Dekret der Kaiser Diocletian und Maximian von 290 n. Chr. ist vom sanctum municipiorum ius die Rede, dass nicht durch Bestattungen intra civitatem „befleckt“ werden dürfe (ne […] polluatur).194 Auch auf diese Stelle ist als Indiz
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Fest. 146 L. Cod. Theod. 9,17,5,1: Secundum illud est, quod efferri cognovimus cadavera mortuorum per confertam populi frequentiam et per maximam insistentium densitatem; quod quidem oculos hominum infaustis incestat aspectibus. Qui enim dies est bene auspicatus a funere aut quomodo ad deos et templa venietur? Ideoque quoniam […] functis nihil interest, utrum per noctes an per dies efferantur, liberari convenit populi totius aspectus […] („Die zweite Sache ist, dass wir erfahren haben, dass Leichname von Toten durch die gedrängte Volksmenge und die größte Dichte von Beistehenden (zur Bestattung) hinausgetragen werden; dies freilich beschmutzt die Augen der Menschen durch den unheilverheißenden Anblick. Welcher Tag nämlich stünde unter guten Vorzeichen durch ein Begräbnis, und wie wird man dann zu den Göttern und Tempeln kommen? Und daher, wo es doch […] für die Verstorbenen keinen Unterschied macht, ob sie bei Nacht oder bei Tag hinausgetragen werden, ist es angebracht, das ganze Volk von dem Anblick zu befreien […].“). Noch deutlicher werden die Motive der Vorschrift in einem Brief Julians zu dieser Thematik, mit Übersetzung in Weis 1973, 196–201. Zu den Ähnlichkeiten mit der Stelle aus den Sententiae Cuena Boy 2013. 193 Vgl. Laubry 2007, 170. 194 Cod. Iust. 3,44,12: Mortuorum reliquias, ne sanctum municipiorum ius polluatur, intra civitatem condi iam pridem vetitum est. 192
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für einen sakralen Charakter des Stadtgebiets verwiesen worden.195 Doch hier ist ebenfalls eine Interpretation im Hinblick auf ein sakralisiertes Stadtgebiet als vorschnell zu werten. Als sanctum im Sinne von „unverletzlich“ wird hier das ius selbst bezeichnet; die Wortwahl polluatur bezieht sich allenfalls mittelbar auf einen verunreinigten Raum, primär aber auf den Verstoß als solchen. Aus dem späten 4. Jh. n. Chr., also bereits aus christlicher Zeit, stammt schließlich ein Dekret der Kaiser Gratian, Valentinian II. und Theodosius I.196 Diese weisen den römischen Stadtpräfekten Pancratius an, dafür zu sorgen, dass oberirdisch (supra terram) in Urnen oder Sarkophagen verwahrte Verstorbene außerhalb der Stadt beigesetzt werden müssten. Als Grund wird angegeben, dass so die sanctitas der menschlichen Wohnbereiche gewahrt bleibe. Zwar mögen dabei Vorstellungen von einer metaphysischen Unreinheit des Leichnams mitschwingen. Es wird aber zugleich deutlich, dass es auch hier nicht um eine abstrakte Sakralität eines bestimmten umgrenzten Stadtgebietes, sondern um die Vermeidung des direkten Kontaktes der Verstorbenen mit den lebenden Einwohnern geht, weshalb auch ausschließlich von oberirdischen Urnen und Sarkophagen die Rede ist. Eine besondere Bedeutung des von der Bebauung unabhängigen Pomerium erscheint dabei viel weniger plausibel als etwa eine Orientierung an der Aurelianischen Mauer oder der faktischen Bebauung (continentia). c) Fazit und Nachtrag zur Exklusion der Leichenberufe Auch in der schriftlichen Überlieferung deutet somit kaum etwas daraufhin, dass das Pomerium als eine Art apotropäische Grenze von Leben und Tod im antiken Diskurs über Bestattung und das Stadtgebiet eine nennenswerte Rolle spielte. Die Cassius Dio-Stelle zu einem Grabprivileg Caesars stellt vielmehr eine Ausnahme dar. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle tauchen lediglich Begriffe wie urbs auf, die nicht näher durch Grenzen bestimmt werden. Am ehestens werden statt des Pomerium die Stadtmauern als Grenze erwähnt oder zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit impliziert. Die Annahme, das Pomerium sei für das Bestattungsverbot deshalb maßgeblich, weil es dem Stadtgebiet eine besondere sakrale Qualität verliehen habe, erweist sich ebenfalls als nicht haltbar. Keine antike Quelle begründet – unabhängig von der dabei vorausgesetzten Qualität des Pomerium – das Bestattungsverbot in der Stadt mit einer solchen Qualität des Stadtgebietes. Dies führt freilich auch dazu, dass es aus meiner Sicht nicht hinreicht, die entsprechende Vorstellung nur
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Mommsen 1877, 110; sehr pointiert in diesem Sinne López-Melero 1997, 111 f. Cod. Theod. 9,17,6: omnia quae supra terram urnis clausa vel sarcofagis corpora detinentur, extra urbem delata ponantur, ut et humanitatis instar exhibeant et relinquant incolarum domicilio sanctitatem.
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vom Pomerium auf die Stadtmauer zu übertragen197 und mit dem Pflugritual zu verknüpfen, zumal auch dieses, wie in Kap. 2.2.1 d) argumentiert, nicht in dieser Weise interpretiert wurde. Sie muss vielmehr auch grundsätzlich in Frage gestellt werden. Im Hinblick auf die realen Verhältnisse an der Peripherie Roms sollte die Relevanz dieser Frage allerdings nicht überschätzt werden. Denn wie gerade auch aus Stevens’ Untersuchung sehr deutlich wird, lagen die entscheidenden Fragen hier schon im Bereich des öffentlichen oder privaten Besitzes des für die Bestattung vorgesehenen Grund und Bodens, also auf einer anderen Ebene.198 In diesem Zusammenhang sei abschließend ergänzt, dass auch die Auffassung, ein Henker habe wegen einer Nähe zur Sphäre des Todes aus sakralrechtlichen Gründen nicht innerhalb des Pomerium wohnen dürfen199, nicht zu belegen ist. Sie stützt sich offenbar lediglich auf die folgende Aussage Ciceros: Sed moreretur prius acerbissima morte miliens Gracchus quam in eius contione carnifex consisteret; quem non modo foro sed etiam caelo hoc ac spiritu censoriae leges atque urbis domicilio carere voluerunt.200 Einmal mehr ist hier nur von urbs und nicht vom Pomerium die Rede, was aber nicht der einzige Aspekt ist, der gegen die genannte Deutung spricht. Vor allem scheint mir der Kontext entscheidend, bei dem es offenbar um die graduelle Nähe des Henkers zur politischen Sphäre und zur Stadtgesellschaft insgesamt geht. So wird schon die bloße Anwesenheit in einer politischen Versammlung als grundsätzlich inakzeptabel dargestellt; durch ein Gesetz verboten sei dann überhaupt der Aufenthalt auf dem Forum und in der politischen Sphäre – wenn man den Verweis auf die dortige Luft und Atmosphäre (caelo hoc ac spiritu) so deuten will – und schließlich der Wohnsitz in der Stadt. Belegt ist dadurch zwar die Vorstellung eines an sich wenig überraschenden Prinzips, nicht aber einer an eine bestimmte Grenze geknüpften Regel – eine Unterscheidung, die in den im nächsten Unterkapitel folgenden Untersuchungen zum domi-militiae-Gegensatz noch eine Rolle spielen wird. Das Phänomen der sozialen und auch räumlichen Exklusion von Scharfrichtern und generell von Leichenberufen aus der Gesellschaft ist indes historisch so verbreitet201, dass daraus keine sakralrechtliche Grundlage oder ein spezifischer Zusammenhang mit dem Pomerium abgeleitet werden kann. 197 Anders
Stevens 2017, z. B. 248. Ebd. 246 f. 199 Rüpke 1990, 36; Karlowa 1896, 22. 200 Cic. Rab. perd. 15,5: „C. Gracchus aber wäre eher tausendfach auf die bitterste Art umgekommen, als daß sich in einer von ihm geleiteten Volksversammlung ein Henker hätte aufstellen dürfen; die zensorischen Gesetze schreiben ja vor, daß dieser Person nicht nur das Forum, sondern auch der Himmel und die Luft hier und der Wohnsitz in der Stadt verwehrt sei.“ Übers. M. Fuhrmann. 201 Vgl. dazu für die griechische und römische Antike Bodel 2000; Aigner 1988. 198
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Ein aussagekräftiges Beispiel für eine vergleichbare Regelung, in der Henker (carnifices) und Totengräber (libitinarii) nicht unterschieden werden, ist durch eine inschriftlich überlieferte lex aus Puteoli überliefert202: Die betreffenden Personen durften dort die Stadt nur zum Zwecke des Abtransports von Leichen bzw. zur Vollstreckung von Todesurteilen betreten und nicht näher an der Stadt wohnen, als ein bestimmter Turm sich befand. Dieser stand wiederum in der Nähe eines Hains der Göttin Libitina, die mit Leichen und Bestattungen verbunden wurde.203 Wohl damit man sich leichter von ihnen fernhalten konnte, mussten sie überdies bei Eintritt in die Stadt eine deutlich sichtbare farbige Kappe tragen. Neben der räumlichen war also eindeutig die soziale Absonderung der entscheidende Aspekt, nicht jedoch ein sakral aufgeladenes Stadtgebiet. Selbst die naheliegende Annahme, dem Umgang mit Leichen sei überhaupt in einem metaphysischen Sinne als unrein empfunden worden, ist, wie erwähnt, für Rom vor der Spätantike jüngst mit guten Argumenten in Frage gestellt worden.204
3.3 Domi und militiae: Das Pomerium und die Trennung von Friedens- und Kriegssphäre Die neben dem Bestattungsverbot wohl prominentesten Regeln, die in der Forschung mit dem Pomerium verbunden werden, betreffen die Unterscheidung eines befriedeten, entmilitarisierten Stadtgebiets von einem potentiell kriegerischen Außen. Dabei wird in der Regel die in den Quellen häufiger auftauchende Unterscheidung zwischen domi und militiae, also zwischen einer friedlichen oder zivilen und einer kriegerischen oder militärischen Sphäre, auf die am Pomerium festgemachte Unterscheidung von Stadt und Nicht-Stadt bezogen. Konkret – so die gängige Sicht – manifestiere sich diese Unterscheidung hauptsächlich in einem Verbot von Waffen innerhalb des Pomerium (oder zumindest des offen sichtbaren Waffentragens), in einem Zutrittsverbots für das Heer bzw. militärische Truppen und nicht zuletzt in einem Ausschluss der militärischen Befehlsgewalt römischer Magistrate.205 Das Pomerium sei, anders gesagt, für „die Definition des Krieges die 202
AE 1971, 88 (=AE 2004, 421) II,3–5: ne intra turrem ubi hodie lucus est Libit(inae) habitent laventurve ab h(ora) I noctis, neve veniant in oppid(um) nisi mortui tollend(i) conlocand(i)ve aut supplic(ii) sumend(i) c(ausa), dum ita quis eor(um) veniat quotiens oppid(um) intrab(it) in oppid(o)ve erit ut pilleum color(atum) in capit(e) habeat; Vgl. Bodel 1994,72–80; Bodel 2000, 143. 203 Einen solchen Hain der Libitina gab es auch in Rom, vgl. ausführlich Bodel 1994, bs. 13–18. 204 Emmerson 2020b. 205 Als die in diesem Bereich bis heute einflussreichsten Beiträge dürfen wohl jene von Theodor Mommsen, André Magdelain und Jörg Rüpke gelten, insbesondere Mommsen 1887/88, I, 61–74; Magdelain 1976; und umfassend Rüpke 1990. Daran
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alles entscheidende Linie, die radikal alles ausgrenzt, was mit Krieg zu tun hat.“206 Eine Quellenaussage, welche die Lokative domi und militiae ausdrücklich mit dem Pomerium oder einer anderen Stadtgrenze verbinden würde, existiert allerdings nicht, und auch keine andere, welche einen ähnlich umfassenden Zusammenhang mit anderen Worten behaupten würde. In diesem Unterkapitel soll es dementsprechend darum gehen, die genannten und noch weitere Regeln, welche gemeinhin als Folgen oder Manifestationen der sakralrechtlichen Trennung von Kriegs- und Friedenssphäre durch das Pomerium verstanden werden207, einzeln einer neuen Prüfung an den Quellen zu unterziehen. Dabei soll jeweils zunächst danach gefragt werden, ob für eine bestimmte Situation überhaupt eine formale, räumlich auf ein bestimmtes Gebiet bezogene Regel im Bewusstsein der antiken Akteure anzunehmen ist. Die Alternative dazu besteht freilich nicht automatisch im völligen Fehlen jeglicher Normen. Im Sinne der von Lundgreen für die Geschichte der Republik fruchtbar gemachten Unterscheidung von Regel und Prinzip208 bleibt vielmehr zu prüfen, ob man in dem jeweiligen Bereich nicht stattdessen von flexibleren, nicht unbedingt bewussten oder gar expliziten Prinzipien ausgehen sollte, an denen man sich in der Praxis in unterschiedlichem Maße orientieren konnte, die sich aber der binären Logik einer Grenze von vornherein entzogen. Dabei wird zudem geprüft, ob die betreffenden schließen auch an die jüngst zusammenfassend publizierten Einzeluntersuchungen von Koortbojian 2020. Trotz des Titels „Crossing the Pomerium“ ist hier jedoch meist die Frage nachrangig, ob die Unterscheidung von domi und militiae spezifisch mit dem Pomerium verbunden war. Koortbojian setzt diese rechtliche domi-militiae-Unterscheidung und deren Bindung an das Pomerium zwar als Ausgangspunkt der Entwicklung voraus, betont aber, dass die rechtlichen Unterscheidungen in der Praxis spätestens seit der späten Republik immer weniger beachtet worden seien (10 f.). Als Ideologie („pomerial ideology“, 99) seien die entsprechenden Regeln aber bis in die Kaiserzeit virulent geblieben, weshalb etwa bildliche Darstellungen der Kaiser in militärischer Ausrüstung im Stadtraum gerade das „crossing the pomerium“ versinnbildlicht hätten (so besonders im ersten Kapitel (10–42), dem bereits unabhängig publizierten Beitrag Koortbojian 2010). Nimmt man aus dieser Argumentation die nicht hinterfragte prinzipielle Verknüpfung von domi bzw. militiae und Pomerium heraus, die in diesem Kapitel problematisiert wird, bleibt der Kern des Beitrages von Koortbojian davon indes unberührt. 206 Ebd., 57. Auf die Frage, inwiefern auch bestimmte Rituale, die als mit Waffen oder Krieg verbunden gelten, mit dieser Ausgrenzung zu tun hatten, wird im Zusammenhang der möglichen rituellen „Thematisierungen“ des Pomerium in Kap. 4.1.1 f) eingegangen. 207 Der grundsätzliche Waffenausschluss – seinerseits verstanden als ein Korrelat einer Exklusion des Todes – wird dabei oft als sakrale Grundlage aufgefasst, aus der sich die anderen, mehr staatsrechtlichen Regeln ergeben, so z. B. bei Magdelain 1976, 71 f. (=1990, 155), Simonelli 2001, 148. Rüpke 1990, 35 f. scheint indes umgekehrt davon auszugehen, dass sich die Verbannung des Heeres und das Waffenverbot womöglich erst später aus dem Ausschluss des imperium militiae ergeben hätten. 208 Lundgreen 2011, bs. 42–50.
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Normen – wie gemeinhin angenommen – in den Quellen als religiös begründet erscheinen, und sich somit mit dem etablierten Bild vom Pomerium als Grenze eines quasi-sakralen Stadtgebietes verbinden lassen. Nur in dem Fall, dass die Existenz einer bestimmten Regel mit Bezug auf das Stadtgebiet, ggf. gar mit religiöser Begründung, nicht in Zweifel steht, soll in einem zweiten Schritt untersucht werden, ob diese in den Quellen speziell mit dem Pomerium verbunden wird, bzw. ob diese Verbindung ggf. auch oder sogar eher mit anderen Stadtgrenzen oder unscharfen Begriffen des Stadtgebiets hergestellt wird. Das Unterkapitel ist dabei wie folgt aufgebaut: In einem ersten Teil sollen das Waffentragen an sich sowie die Frage nach dem Ausschluss des Heeres aus dem Stadtgebiet diskutiert werden. Bei letzterem Aspekt wird auch auf die damit verbundenen Fragen nach den legitimen Orten der als ursprüngliche Heeresversammlung geltenden Centuriatscomitien sowie ihrem intrapomerialen Gegenstück, den Curiatscomitien einzugehen sein. Ein zweiter Teil wendet sich dann demjenigen Bereich zu, zu dem die meisten Quellen vorliegen und der noch häufiger im Zentrum des historischen Interesses steht: Die militärische Befehlsgewalt von Magistraten und Promagistraten, das damit verbundene Triumphritual sowie die Obstruktionsrechte besonders der Volkstribunen. In einem Exkurs wird auch auf das verwandte Problem der Exklusion von Gesandtschaften feindlicher Mächte aus der Stadt eingegangen. Die Frage der zeitlichen Entwicklung dieser Regeln und der möglichen Veränderungen im Übergang zur Kaiserzeit wird jeweils im Zusammenhang der einzelnen thematischen Aspekte behandelt.
3.3.1 Waffen, Soldaten und Comitia Centuriata Die wohl weitreichendste und grundlegendste Regel, welche in der Forschung häufig mit der domi-militiae-Unterscheidung und mit dem Pomerium verbunden wird, ist das angebliche Verbot, im Stadtgebiet Waffen zu tragen, oder zumindest, dies in offen sichtbarer Weise zu tun. Dies ist noch einmal zu unterscheiden von dem in der Forschung ganz allgemein angenommenen Verbot, dass ein Heer bzw. reguläre Truppen die Stadt betreten, obwohl die Grenze zwischen beiden Regeln, insbesondere im Fall der bewaffneten Konflikte im Rom der späten Republik nicht immer klar zu ziehen ist. Als besonders manifester Ausdruck dieser Regel gilt indes allgemein die Tatsache, dass die schon in der Antike auf eine Heeresversammlung zurückgeführten Centuriatscomitien außerhalb des Pomerium auf dem Marsfeld stattfanden. Diese Aspekte sollen im Folgenden zunächst in den Blick genommen werden.
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a) Ein Waffenverbot im Stadtgebiet? Das grundsätzliche Verbot jeglichen oder zumindest des offenen Waffentragens innerhalb des Pomerium wird – zumindest als Ursprungszustand – in der Forschung oftmals als gegeben angenommen, wobei der Verweis auf Quellen häufig ganz unterbleibt.209 Als die maßgebliche Stadtgrenze für die Regeln zum Waffentragen gilt das Pomerium deshalb, weil dessen spezifischer sakraler Charakter die Exklusion von allem Kriegerischen bedingt habe und sich neben dem Bestattungsverbot auch besonders in diesem Bereich manifestiere. Die Quellenlage dafür, dass es jemals einen so grundsätzlichen Ausschluss von jeglicher und selbst von sichtbarer Bewaffnung mit sakralrechtlicher Begründung gegeben hätte, ist indes ausgesprochen dürftig. Zwar ist unstreitig, dass es erst in der Bürgerkriegszeit vor allem des 1. Jh. v. Chr. zu umfangreichem Einsatz von Waffengewalt im Stadtgebiet kam, während zuvor jedenfalls in politischen Kontexten in der Regel keine Waffen eingesetzt bzw. mitgeführt wurden. Dies allein muss aber offensichtlich nicht durch eine formale Regel bedingt sein, und ebenso wenig mit bestimmten Stadtgrenzen wie mit sakralrechtlichen Vorstellungen verbunden sein. Es könnte sich durchaus um eine eher unausgesprochene Norm gehandelt haben, die sich auch eher auf bestimmte Situationen als auf Stadtgrenzen bezog. In vergleichbarer Weise wurde das Waffentragen in der Öffentlichkeit etwa auch schon im klassischen Griechenland bewertet, wo man zwar einräumte, dass die Helden der Vorzeit stets bewaffnet waren, das Waffentragen im zivilen Bereich jedoch in der eigenen Gegenwart, wo Waffen zur Selbstverteidigung nicht mehr nötig seien, nur mehr als Kennzeichen barbarischer Lebensformen gelten könne.210 Auch wurden einigen griechischen Gesetzgebern und Tyrannen in späterer Überlieferung Gesetze gegen das Waffentragen in der Öffentlichkeit zugeschrieben, insbesondere in der Volksversammlung, was deutlich ein Bewusstsein für die Unangemessenheit von Waffen im innenpolitischen Kontext zeigt.211 Ganz offensichtlich fehlt dabei 209
So etwa bei Bendlin 2013, 464 (der immerhin einräumt, dass es sich um „an ideological construct historical reality could not be expected to reflect accurately“ handelte), Cibotto 2006, 28 f.; Guilhembet 2006, 96 Anm. 49: „sacrilège“. Bei Magdelain 1976 und in ihm folgenden Beiträgen (z. B. Sofia 2012, 114 Anm. 17) wird das Waffenverbot wie auch das Bestattungsverbot aus dem angeblich „inaugurierten“ Status der intrapomerialen urbs abgeleitet, was, wie bereits in Kap. 2.2.2 c) ausgeführt, eine in der Antike vermutlich gar nicht existierende Auffassung darstellt. Ferner ist unklar, warum sich aus einem Status als locus inauguratus überhaupt ein Waffenverbot ergeben sollte. Selbst Livius, welcher von einem nicht nur „inaugurierten“, sondern sogar „konsekrierten“ Pomeriumstreifen ausgeht, nennt für diesen Streifen nur ein Bebauungsverbot (1,44,4 f.: puri aliquid ab humano cultu; neque habitari neque arari fas erat). 210 Gröschel 1989, 77–80, der etwa Thuk. 1,5; 1,6,1 und Aristoph. Lys. 555–559, anführt. 211 Gröschel 1989, 80. Vgl. Diod. 12,19; Val. Max. 6,5,5 ext. 4, die von zwei verschiedenen sizilischen Gesetzgebern berichten, die zunächst ein Verbot von Waffen in
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aber jede sakrale Dimension und auch Stadtgrenzen tauchen nicht auf. Dies zeigt, dass es sich auch in Rom im Prinzip ähnlich verhalten haben könnte, und die Quellenbelege für die gegenteilige Annahme umso kritischer zu prüfen sind. Ferner stellt sich bei der Annahme eines expliziten Verbots unweigerlich die Frage, was genau überhaupt als Waffe gegolten hätte. War das Material entscheidend oder die Frage, ob ein Gegenstand von vornherein als Waffe gedacht war? Wenn etwa Plutarch herausstellt, dass bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen, die zum Tod des Tiberius Gracchus und seiner Anhänger führten, ausschließlich Knüppel und improvisierte Waffen wie zerbrochene Bänke und keine Schwerter zum Einsatz kamen, so kann daraus sicher nicht geschlossen werden, Eisenwaffen seien innerhalb der Stadt zu jener Zeit regelrecht tabuisiert gewesen.212 Schon im Hinblick auf die faktische Ebene des Dargestellten ist zu bedenken, dass in Plutarchs Bericht sowohl der tumultuarische Charakter der Geschehnisse als auch dessen Charakter als historischer Wendepunkt und erster politischer Gewaltausbruch innerhalb Roms betont werden soll213, gerade auch im Kontrast zum Konflikt um Gaius Gracchus ein gutes Jahrzehnt später, wo die bewaffnete Auseinandersetzung von vornherein einkalkuliert war.214 Auch gibt es plausible Gründe für ein zumindest weitgehendes Fehlen von Waffen aus Eisen in der betreffenden Situation, ohne dass hier unerwähnte sakralrechtliche Vorschriften angenommen werden müssten: Zunächst ist, wie wir sogleich sehen werden, nicht auszuschließen, dass es bereits zu dieser Zeit gesetzliche Beschränkungen gegen das private Waffentragen gab, ähnlich jenen des 1. Jh. v. Chr., die eine Rolle gespielt haben könnten. Genauso könnte es aber auch sein, dass ebendiese späteren Gesetze auf die dem Bericht des Plutarch zugrundeliegende Tradition eingewirkt haben.215 Und schließlich – und dies ist vielleicht die plausibelste Erklärung – könnte der Einsatz von für den Krieg gedachten Waffen zumal gegen Mitbürger noch einen zu großen Bruch mit etablierten sozialen Normen bedeutet und gerade auch gegen nicht oder schlechter bewaffnete Personen als unehrenhaft gegolten haben. Man denke hier etwa auch an das mehrfach überlieferte anfängliche Zögern der Gracchus-Anhänger, sich tatsächlich auch gewaltsam gegen die Senatoren zur Wehr zu setzen.216 Ein sakralrechtliches Tabu für Waffen im engeren Sinne, das sich an Stadtgrenzen orientiert hätte, kann jedenfalls aus der bloßen Praxis, dass wohl bis 133 v. Chr. keine Waffen Volksversammlung bzw. auf der Agora erlassen hätten, es dann versehentlich oder aus einer Notlage heraus selbst gebrochen und sich sogar selbst gerichtet haben sollen. Die Verbote der Tyrannen, auf die Gröschel ebenfalls Bezug nimmt (für Peisistratos z. B. Arist. Ath. pol. 15; zahlreiche weitere Belege 173 Anm. 381), galten selbstverständlich nicht für diese selbst. 212 Plut. Ti. Gracch. 19,5 f. 213 So auch Nippel 1988, 62. 214 Plut. C. Gracch., 13 f.; App. civ. 1, 24–26. Vgl. z. B. auch Lintott 1999b, 68 f. 215 So Bauman 1989, 45 Anm. 108; Nippel 1995, 58. 216 App. civ. 1,16,69; Rhet. ad Her. 4,62. Vgl. auch Nippel, ebd.
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bzw. auch dann zunächst nur improvisierte Waffen in innenpolitischen Konflikten gebraucht wurden, nicht erschlossen werden. Ein solches müsste sich vielmehr auch auf der Diskursebene erkennbar niedergeschlagen haben. Genau dies war aber, wie im Folgenden gezeigt werden soll, in keiner Weise der Fall. Einen Diskurs über das Waffentragen (und nicht nur über deren tatsächlichen Einsatz) greifen wir in den Quellen seit der späten Republik zwar durchaus, besonders in Form von Zeugnissen zur diesbezüglichen Gesetzgebungspraxis. Doch, wie wir nun sehen werden, zeigen diese klar, dass es hier nicht um sakralrechtlich begründete, sondern um ordnungspolitische Maßnahmen ging. Entscheidend waren auch nicht Stadtgrenzen; die meisten Bestimmungen, die es gab, waren in keiner Weise auf das Stadtgebiet von Rom beschränkt. Entscheidend waren vielmehr die situativen Kontexte oder auch die mutmaßlichen Motive, die jemanden zum Mitführen einer Waffe veranlasst haben mochten. Gesetze, die das Waffentragen regeln sollten, könnte es, wie gesagt, vielleicht schon in der mittleren Republik gegeben haben.217 Dafür spricht jedenfalls eine Stelle in der Aulularia des Plautus218, wo die Hauptfigur Euklio dem Koch Congrio damit droht, ihn bei den Tresviri Capitales anzuzeigen, weil er ein Messer besitze. Dies kann jener jedoch erfolgreich damit kontern, dass er dieses als Koch aus offensichtlichen Gründen benötige. Es entsteht also der Eindruck, als wäre der Besitz einer Waffe zwar unter bestimmten Umständen durchaus strafrechtlich verfolgbar gewesen, nicht aber, wenn es dafür plausible und legitime Gründe gab. Ein ähnliches Grundverständnis liegt auch der spätrepublikanischen Gesetzgebung in diesem Bereich zugrunde.219 Das erste als sicher anzusehende Gesetz ist Sullas lex Cornelia de sicariis et veneficiis aus dem Jahr 81 v. Chr. Schon der Name des Gesetzes („über Dolchmänner und Giftmischer“220) deutet an, dass es als Maßnahme zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit zu verstehen ist.221 Es richtete sich nach übereinstimmender Aussage der Quellen222 nur dann gegen das Mitführen einer Waffe, wenn dies in der Absicht geschah, jemanden damit zu töten; es sollte also bereits die Vorbereitung oder der Versuch einer Gewalttat zur Anklage gebracht werden können. Dies impliziert, dass das Mitführen von Waffen zur Selbstverteidigung – gerade für Reisen – oder zur Jagd davon nicht betroffen war. Ferner kann die lex Cornelia in ihrem Geltungsanspruch kaum auf die Stadt Rom beschränkt 217
Nippel 1988, 42, und Nippel 1995, 55; Kunkel 1962, 68. Plaut. aul. 415–417. 219 Vgl. zu den folgenden Überlegungen zur römischen Gesetzgebung über Waffenbesitz und Waffentragen allgemein Krause 2004, 117 f.; Lintott 1999b, 107–124; Nippel 1995, bs. 54 f.; Nippel 1988, bs. 62, sowie Brunt 1975. 220 Vgl. Nippel 1988, 37. 221 Vgl. auch Cloud 1969. 222 Für eine Liste der Nennungen und Anspielungen auf die lex Cornelia siehe Crawford 1996, II, 749–751. Zur Zuordnung der einzelnen Zeugnisse zur lex Cornelia vgl. auch Ferrary 1991. 218
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gewesen sein. Denn zum einen enthalten die nicht wenigen Erwähnungen oder Anspielungen auf die Bestimmungen der lex nicht den geringsten Hinweis darauf, dass die entsprechenden Verbote nur innerhalb Roms gegolten hätten. Beispielhaft zu nennen ist hier etwa eine Aussage ist Ciceros Rede für Milo, wo er das legitime Mitführen einer Waffe zum Selbstschutz ausdrücklich als ein vom Gesetz unberührtes, unbedingtes Rechtsprinzip dargestellt, während das Waffentragen in offensiver Absicht als unbedingt vom Gesetz erfasst dargestellt wird: Etsi persapienter et quodam modo tacite dat ipsa lex potestatem defendendi, quae non hominem occidi, sed esse cum telo hominis occidendi causa vetat, ut, cum causa, non telum quaereretur, qui sui defendendi causa telo esset usus, non hominis occidendi causa habuisse telum iudicaretur.223 Zum anderen betrifft die einzige Stelle unter diesen Erwähnungen, in der eine Stadtgrenze (die erste Meile) genannt wird und die auf Ulpian zurückgeht, eindeutig nicht die verfolgten Tatbestände als solche, sondern Zuständigkeitsfragen bei der Verfolgung.224 All dies kann kaum überraschen: Schon in der Sache erschiene es widersinnig anzunehmen, dass Mitführen einer Waffe mit Tötungsabsicht sei nur bei Betreten des Stadtgebiets für justitiabel gehalten worden. Zwar folgten auf Sullas Gesetz in den folgenden Jahrzehnten noch weitere leges, welche Gewaltakte betrafen, doch können auch diese – abgesehen von rein situativen Regelungen – kaum grundsätzliche Verbote des Mitführens von Waffen enthalten haben.225 Noch im Jahre 70 v. Chr. konnte es Cicero jedenfalls als ungewöhnliche Härte bezeichnen, dass den Sklaven in Sizilien aus Angst vor Aufständen das Mitführen von Waffen auch zum Zwecke der Jagd untersagt war; entsprechend muss zumindest dies in Rom zweifellos erlaubt gewesen sein.226 Die noch am ehesten greifbare, wohl aus dem Jahrzehnt vor 63 v. Chr. stammende lex 223
Cic. Mil. 11: „Immerhin gesteht uns das Gesetz selbst auf höchst verständige Weise und gewissermaßen stillschweigend die Befugnis zu, uns zu verteidigen: es verbietet uns nicht, einen Menschen zu töten, wohl aber, in Tötungsabsicht Waffen zu tragen, so dass man nach der Absicht, nicht nach dem Waffentragen an sich fragt und, wenn jemand seine Waffe zu Verteidigungszwecken gebraucht hat, zu dem Ergebnis kommt, dass er sie nicht in Tötungsabsicht getragen habe.“ 224 Ulpian, De officio proconsulis 1, 7, in Coll. I, 3. Vgl. zu Text, Übersetzung und Kommentar dazu Crawford 1996, II, 749–753, mit weiterer Lit. 225 Im Hinblick auf das wohl früheste Gesetz von diesen ist nicht einmal zu klären, ob es überhaupt – wie die lex Cornelia – schon das bloße Mitführen von Waffen thematisierte: Es handelt sich um das von Cicero als Grundlage der Anklage gegen Caelius Rufus genannte Gesetz (Cic. Cael. 70), das die Forschung als lex Lutatia bezeichnet und auf den Consul des Jahres 78 v. Chr. zurückführt. Vgl. z. B. Lintott 1999b, 107–124, Hough 1930, und die Lit. bei Nippel 1995, 54 Anm. 3. 226 Cic. Verr. 2,5,7.
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Plautia de vi ist zwar ein in seinen Einzelheiten nicht mehr rekonstruierbares Gesetz primär gegen politische Gewalt, auf dessen Grundlage aber eine Reihe gut belegter Prozesse geführt wurden.227 Auch aus diesen Zeugnissen ergibt sich eindeutig, dass es weder das Waffentragen per se unter Strafe stellte noch in seiner Geltung auf das Stadtgebiet Roms beschränkt war. Dies gilt, obwohl in diesem Gesetz vermutlich auch bereits Bestimmungen enthalten waren, die objektive Tatbestandsmerkmale festlegten: So war wohl schon mit der lex Plautia das Waffentragen an bestimmten Orten bzw. deren bewaffnete Besetzung auch unabhängig von den dabei verfolgten Intentionen in das Verbot eingeschlossen.228 Verwiesen sei hier besonders auf eine Stelle beim Cicero-Kommentator Asconius zur bereits erwähnten Rede für Milo: Saufeius, ein Anhänger des Milo, sei, wie der Kommentator ausführt, zusätzlich zum Angriff auf Clodius, den er persönlich angeführt habe, auch nach der lex Plautia angeklagt worden, und zwar mit dem Vorwurf bestimmte Orte besetzt zu haben und (dabei) bewaffnet gewesen zu sein.229 Leider ist für diese Orte (loca) das spezifizierende Attribut nicht überliefert (vorgeschlagen wurde unter anderem edita und publica). Klar ist jedoch in jedem Fall, dass mit diesen loca nicht das Stadtgebiet in seiner Gesamtheit gemeint sein kann, zumal sich das in Rede stehende Verbrechen ja an der Via Appia, einige Meilen vor der Stadt zugetragen hatte. Dass natürlich auch und gerade Orte innerhalb der Stadt durch die lex Plautia geschützt waren, ist anzunehmen, auch wenn ähnliches erst in der augusteischen Gesetzgebung zweifelsfrei enthalten war.230 Gerade der Fokus auf ganz bestimmte Orte und nicht auf das (ganze) Stadtgebiet findet seine Bestätigung, wie gleich deutlich werden wird, auch im nicht-juris tischen Diskurs über das Waffentragen, wo dies primär in Abhängigkeit von seinem Einsatz als politisches Instrument bewertet wurde. Damit war selbstverständlich auch die Verbindung mit bestimmten zentralen Orten verknüpft. Wenn nun schon diesen Gesetzen der Bezug zum Stadtgebiet fehlt, stellt sich gar nicht erst die Frage nach einem Zusammenhang mit einer sakralrechtlichen Raumordnung. Zudem sei hier angemerkt, dass in der späten Republik durchaus bereits beschlossene Gesetze angefochten werden konnten, wenn bei deren Zustandekommen objektive Verstöße gegen Sakralrecht nachgewiesen werden konnten (contra auspicia), während selbst für die Aufhebung von Gesetzen, die unter Gewalteinwirkung durchgebracht worden waren, diese Umstände nicht ohne weiteres ausgereicht zu haben scheinen.231Auch dies zeigt, dass das Waffentragen 227
Eine entsprechende Liste bietet Hough 1930, 135. diese Bestimmungen könnten freilich Vorläufer in der Gesetzgebung zu Verletzungen der maiestas des römischen Volkes haben, wie Nippel 1995, 55, meint. 229 Ascon. In Milonianam 55C, 12–13. 230 Zum Problem des Verhältnisses von lex Plautia und augusteischer lex Iulia vgl. auch Cloud 1988; Cloud 1989. 231 So u. a. Cic. Att. 8,3,3 (zu den Gesetzen von 59); Phil. 5,10 (zu denen von Antonius 44), vgl. Nippel 1988, 64 Anm. 44 und 45; ausführlich Lintott 1999b, 132–148. 228 Auch
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innerhalb einer bestimmten Stadtgrenze gerade keinen eindeutig festzustellenden, objektiven Sakralrechtsverstoß darstellte, der dann in ähnlicher Weise hätte geltend gemacht werden können, wie etwa Fehler bei den Auspizien. Rechtliche Maßnahmen, die das Waffentragen ohne Ansehen von Motiven grundsätzlich verboten, dabei aber nur innerhalb der Stadt Geltung beanspruchten, sind lediglich als situative Verfügungen von Magistraten zur Ordnungssicherung belegt: Erstmals geschah dies unter dem Consul Pompeius im Jahr 52 v. Chr.232 Es stellte offensichtlich eine unmittelbare Reaktion auf die Unruhen nach der Ermordung des Clodius dar (in tumultu necis Clodianae). Entsprechend sind auch für das Eingreifen des Marcus Antonius 48 v. Chr. in einen Konflikt zwischen Volkstribunen233 sowie im Nachgang zu Caesars Ermordung 44 v. Chr. ähnliche Maßnahmen überliefert, die aber ebenfalls rein situativ und nicht als auf Dauer fortbestehende Regel aufgefasst werden können.234 Zudem waren Soldaten von diesen Verboten ausdrücklich ausgenommen (so Cassius Dio auch ausdrücklich zu den beiden letztgenannten Verboten), da diese ja gerade zur Sicherung der Situation in der Stadt eingesetzt werden sollten. Auch in diesen Fällen ging es also schlicht um die Eindämmung von Gewalt, nicht um die Rückkehr zur Beachtung einer sakralrechtlichen Befriedung bzw. Entmilitarisierung. Augustus wiederum untersagte mit der lex Iulia de vi235, zu der eine reichhaltige kaiserzeitliche Überlieferung236 existiert, gerade nicht den Waffenbesitz oder das Waffentragen an sich, sondern nur in Abhängigkeit von der Menge und dem zu vermutenden Zweck: Das Vorhalten von Waffen im eigenen Haus oder Landsitz war sowohl für die Jagd als auch zur Selbstverteidigung auf Reisen ausdrücklich gestattet; verboten war es lediglich, Waffen in größerer Menge und zu anderen als den genannten Zwecken zu horten.237 Sicher fassbar ist in der Überlieferung 232
Plin. nat. 34,139. Cass. Dio 42,29,2. 234 Cass. Dio 44,51,1. 235 Die Diskussion, ob es sich dabei ursprünglich um ein einziges oder – wie nach der Überlieferung der kaiserzeitlichen Juristen zwei Gesetze (je eines zu vis publica und vis privata) handelte, ist hier nicht von Belang, ebenso wenig die Frage, ob nicht bereits Caesar mit einem früheren Gesetz als deren Urheber anzusehen ist. Vgl. Crawford 1996, II, 789–792, sowie ausführlich Cloud 1988, und Cloud 1989, deren Ansicht hier gefolgt wird. 236 V.a. Dig. 46,6–7 und Paul. sent. 5,26. 237 Auch eine derartige Bestimmung war vielleicht schon in einem älteren Gesetz enthalten. Jedenfalls musste sich bereits der Catilinarier Cethegus rechtfertigen, weil er große Mengen Eisenwaffen in seinem Haus vorrätig hielt, wobei er auf eine angebliche Sammelleidenschaft verwies (Cic. Cat. 3,10). Zwar hatte dies keinen Erfolg, zeigt jedoch, dass es zumindest denkbar war, mit dem Hinweis auf einen harmlosen Zweck den Waffenbesitz auch im Stadtgebiet als weniger problematisch erscheinen zu lassen. Hätte es sakralrechtliche Dimension des Verbots gegeben, wäre eine solche Argumentation hingegen kaum denkbar. Dass die kriminelle Intention auch weiterhin eine Rolle 233
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zur lex Iulia auch die Spezifizierung auf bestimmte Orte und Gelegenheiten, wie etwa bei dem Verbot z. B. bei Volksversammlungen und vor Gericht bewaffnet zu erscheinen, die aber, wie gesagt, vermutlich spätrepublikanische Gesetze weiterführte.238 Zwar ist im Einzelfall nicht immer sicher zu sagen, welche von diesen und noch weiteren Spezifizierungen für sensible Gelegenheiten oder Orte bereits explizit im Rahmen der augusteischen Gesetzgebung genannt waren und welche vielleicht erst in späterer Zeit als Erläuterungen entsprechend ergänzt wurden.239 Anders als bei den situativen Waffenverboten durch Pompeius, Antonius und die Consuln des Jahres 44 spielten aber jedenfalls bei Augustus Stadtgrenzen in keiner der genannten Regelungen eine Rolle; das Verbot, Waffen in größeren Mengen zu lagern, bezog sich sogar ausdrücklich auch auf Anwesen auf dem Land. Und wie Sueton berichtet, mussten sich weiterhin auch eindeutig außerhalb der Stadt befindliche Personen, wenn sie in Verdacht gerieten, Wegelagerer (grassatores) zu sein, dafür rechtfertigen, dass sie offen Waffen trugen – zum Selbstschutz, wie sie nach Sueton angaben.240 Die augusteische Gesetzgebung muss dann für Jahrhunderte der wesentliche juristische Maßstab in diesem Bereich geblieben sein, was auch die Zeugnisse der kaiserzeitlichen Juristen zeigen. Weitreichendere Einschränkungen des Waffentragens bzw. überhaupt des Waffenbesitzes stammen erst aus der Spätantike. Erst ein Gesetz von 364 untersagte Privatpersonen grundsätzlich die Verwendung von Waffen ohne ausdrückliche kaiserliche Genehmigung.241 Justinian schließlich wies im Jahre 535 die Provinzstatthalter ausdrücklich an, dafür zu sorgen, dass nur Soldaten bewaffnet waren242 und untersagte – abgesehen von Messern – zudem ausdrücklich die private Waffenproduktion und den Verkauf an Privatpersonen243, auch hier mit dem ausdrücklichen Verweis auf die innere Sicherheit. Erwartungsspielte, zeigt die spätere Klarstellung, dass Waffenansammlungen, die durch Erbschaft erworben worden waren, von dem Verbot ausgenommen waren. 238 Die kaiserzeitlichen Juristen überliefern hierfür auch die Formulierung in publico, so Paul. sent. 5,26,3 (s. u.) und Dig. 48,6,3,1 (Marcian): Eadem lege tenetur, qui pubes cum telo in publico fuerit: Dies ist jedoch eindeutig als Oberbegriff für diese öffentliche Sphäre zu verstehen, und kann nicht einfach jeden Ort außerhalb des eigenen Hauses bezeichnen, da sonst die ebenfalls überlieferten Nennungen ganz bestimmter Orte bzw. Gelegenheiten wie Versammlungen, Gerichtsverhandlungen aber auch das Verbot, Tempel, Stadttore und andere Orte bewaffnet zu besetzen, überflüssig gewesen wäre. Vgl. dazu die übrigen Aussagen in Dig. 48,6, bs. 48,6,10pr. (Ulpian), Paul. sent. 5,26,3 sowie Brunt 1975, 262–264, und Cloud 1989, 442 f. Bei Ulpian wird dabei zusätzlich noch betont, dass die Waffe dolo malo mitgeführt worden sein muss, was also wieder ein subjektives Tatbestandsmerkmal unterstreicht. 239 Vgl. dazu Crawford 1996, II, 789–792, und Cloud 1989. 240 Suet. Aug. 32,1. 241 Cod. Theod. 15,15,1. 242 Nov. 17,17. 243 Nov. 85.
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gemäß sind auch diese Gesetze völlig von räumlichen Einschränkungen oder religiösen Aspekten entkoppelt. Es zeigt sich also recht klar, dass rechtliche Beschränkungen oder Verbote im Bereich des Waffentragens bis in die Spätantike weder auf Stadtgebiete beschränkt waren noch auf sakralrechtliche Vorstellungen zurückgeführt wurden. Mit Ausnahme der eher als Notstandsmaßnahmen zu verstehenden Verbote durch Pompeius, Antonius und die Consuln des Jahres 44 v. Chr. betrafen solche zudem bis in die Spätantike nie das Waffentragen an sich, sondern lediglich das Mitführen von Waffen zu bestimmten verbrecherischen Zwecken oder in bestimmten, als besonders heikel angesehenen Kontexten. Dabei waren sie in ihrem Geltungsanspruch aber, wie gesagt, nicht auf das Stadtgebiet beschränkt. b) Ausschluss regulärer Truppen und der Centuriatscomitien in republikanischer Zeit? Wie steht es nun aber mit dem Aufenthalt regulärer Truppen in Rom? Gab es nicht zumindest im republikanischen Rom für das Heer im engeren Sinne ein Verbot, das Stadtgebiet zu betreten, außer im Rahmen eines Triumphes? Fanden nicht aus diesem Grund auch die auf eine Heeresversammlung zurückgehenden Centuriatscomitien stets außerhalb des Pomerium statt? Diese Auffassungen gehören zum etablierten Handbuchwissen über die politische und religiöse Ordnung der Republik.244 Zweifellos gehörte es bis in die späte Republik zu den unhinterfragten Selbstverständlichkeiten, dass römische Heere faktisch außerhalb der Stadt verblieben und außer in wenigen Ausnahmefällen nicht in die Stadt geführt, geschweige denn dort eingesetzt wurden. Es stellt sich jedoch auch hier die Frage, inwieweit dieser Praxis sakralrechtliche Vorschriften zugrunde lagen und ob Stadtgrenzen wie das Pomerium hier eine entscheidende Rolle spielten. Zudem ist die Frage, ob ein Heer aus sakralrechtlichen Gründen außerhalb der Stadt zu bleiben hat, offensichtlich eng verknüpft mit der eher politischen Frage der Befehlsgewalt der jeweiligen Anführer. Dass es für den Aspekt der militärischen Kommandogewalt aus dem Stadtgebiet und auch für den damit verbundenen Triumph zumindest bestimmte Normen gab, ist nicht zu bestreiten – darauf wird in Kap. 3.3.2 noch ausführlich einzugehen sein. Auch wird hier als unstreitig vorausgesetzt, dass die gewaltsame Einnahme der Stadt mit regulären Truppen, wie sie erstmals Sulla ins Werk setzte, einen schwerwiegenden Verstoß gegen fundamentale Ordnungsvorstellungen 244
Vgl. für Überblickswerke stellvertretend die jüngsten von Mouritsen 2017, 39, und Walter 2017, 59 und 196, ferner Bleicken 1995, z. B. 69, und Lintott 1999a, 55 f., der aber eher vage formuliert, sowie das forschungsgeschichtlich einflussreichste Werk, Mommsen 1887/88, III, 379 f. Im Ergebnis ähnlich auch Überblickswerke zur römischen Religion, etwa Linke 2014, 53; De Sanctis 2012a, 61 f.; Scheid 2003, 62, und Beard / North / P rice 1998, 179.
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darstellte, wie wenig explizit diese vor ihrer grundlegenden Infragestellung in den Bürgerkriegen auch gewesen sein mögen.245 Ob es jedoch die Vorstellung gab, schon die bloße Anwesenheit eines Heeres bzw. von regulären Truppen stelle an sich eine Art Sakrileg dar246, nämlich auf der Grundlage eines sakralrechtlichen Ausschlusses des Militärischen überhaupt, ist eine davon analytisch zu trennende Frage. Als fortwährende Manifestation einer solchen sakralrechtlich bedingten Entmilitarisierung des intrapomerialen Stadtgebiets gilt in der Forschung von jeher die Tatsache, dass die wohl auf eine Heeresversammlung zurückgehende Volksversammlung nach Centurien, die vor allem als Wahlversammlung bekannt ist, sich außerhalb der Stadt versammelte.247 Betrachtet man jedoch die Quellengrundlage dieser Auffassung, wird klar, dass die Forschung sich in diesem Punkt im Wesentlichen auf nur ein einziges Zeugnis stützt, das selbst bereits diese Verbindung zwischen Pomerium, Heer und Centuriatscomitien herstellt und bei dem es sogar primär um diese Volksversammlung geht: Es ist eine von Gellius überlieferte Aussage des in hadrianischer Zeit wirkenden Juristen Laelius Felix, welche zugleich die einzige ist, die unabhängig von konkreten Einzelfällen eine grundsätzliche Regel zu dieser Thematik formuliert:248 245
Vgl. z. B. Appians Bericht über die Einnahme Roms durch Sulla und den Widerstand der Bevölkerung (b. c. 1,58). Zu dieser Thematik auch Walter 2017, 147; Walter 2014. 246 Explizit z. B. bei Liou-Gille 1993, 102: „un sacrilège abominable“. 247 Vgl. innerhalb der spezielleren Literatur zum Pomerium, zum domi-militiae-Gegensatz und zu Volksversammlungen z. B. Gargola 2017, 107 und 134; Mignone 2016, 430; Bendlin 2013, 464; Dally 2010, 129; Momigliano / C ornell 2012, 372; Drogula 2007, 435 f. Anm. 119; Gros 2007, 103; Sandberg 2001, 119; Simonelli 2001, 149 f.; Patterson 2000, 91; Andreussi 1999, 99; Giardina 1997, 27; Rüpke 1990, 35; Catalano 1978, 475 und 481; Martorana 1978, 74; Magdelain 1977, 24 (=1990, 223); Blumenthal 1952, 1871 f.; Besnier 1926, 545; Liebenam 1900, 689; Karlowa 1896, 25–27; Valeton 1895–1898 bs. 21, 35 und 75; Nissen 1885, 39–41, u. v. m. Im Hinblick auf die Rekonstruktion kaiserzeitlicher Pomeriumverläufe gilt auch die extrapomeriale Lage der Saepta, des Versammlungsortes der Centuriata, oft als sichere Gegebenheit, so z. B. Sofia 2012, 114 Anm. 15, und schon Valeton 1895–1898, 25, 71. Gegen eine zu große Sicherheit wäre für die Kaiserzeit indes der Bedeutungsverlust der Volksversammlungen einzukalkulieren. 248 Eine weitere Stelle, die gelegentlich mit dem sakralrechtlichen Ausschluss militärischer Truppen aus dem Pomerium in Verbindung gebracht wurde, ist die bereits erwähnte Kultvorschrift für den Flamen Dialis, wonach dieser kein bewaffnetes Heer außerhalb des Pomerium sehen darf (Vgl. z. B. Simonelli 2001, 148 Anm. 246; Martorana 1978, 71 f.; Magdelain 1968, 62). Die einschlägigen Quellen (Gell. 10,15,4; Fest. 294 L) legen den Akzent aber stets allein auf den Flamen selbst und nicht auf das Heer. Die Nennung des Pomerium bei Gellius ist zudem, wie bereits an anderer Stelle (Kap. 3.1.2 c)) ausgeführt, eher als Ergänzung zu exercitus armatus zu verstehen, und zwar im Hinblick auf den Zustand der Kampfbereitschaft, der üblicherweise außerhalb des Pomerium angenommen wird. Wenn ohnehin jede Präsenz von Truppen
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Item in eodem libro hoc scriptum est: […] centuriata autem comitia intra pomerium fieri nefas esse, quia exercitum extra urbem imperari oporteat, intra urbem imperari ius non sit. Propterea centuriata in campo Martio haberi exercitumque imperari praesidii causa solitum, quoniam populus esset in suffragiis ferendis occupatus.249 Zumeist wird in der Forschung nur der erste der beiden von Gellius in indirekter Rede wiedergegebenen Sätzen rezipiert, und zwar üblicherweise in Kombination mit der durch andere Quellen begründeten Auffassung, dass die Centuriatscomi tien ursprünglich eine Heeresversammlung gewesen seien, in welcher der populus womöglich sogar in Waffen zusammengetreten sei.250 Folglich sei diese Volksversammlung von jeher aus dem Gebiet innerhalb des Pomerium ausgeschlossen gewesen. Die Stelle erscheint so als unabweisbarer Beleg für die gängige Sicht zu Pomerium, Heer, Comitien und auch zum magistratischen imperium. Erst bei genauerer Betrachtung erweist sich die Stelle allerdings als weit weniger leicht handhabbar, als es zunächst erscheint. Als Beleg für eine sakralrechtliche Regel, die am Pomerium hängt, erscheint schon im ersten Satz die Anordnung von Bedingung und Folge immerhin merkwürdig: Nach der gängigen Sicht müsste man erwarten, dass Pomerium und göttliches Recht (nefas) Teil der Bedingung für den Ausschluss der Centuriatscomitien wären, welcher dann dessen Folge im Bereich des gewissermaßen menschlichen Rechts (ius) darstellen würde. Genau dieses Verhältnis erscheint in der Stelle aber umgekehrt. Eine noch größere Merkwürdigkeit wird aber sichtbar, wenn man die häufig ignorierte Erklärung für den Zusammenhang von Heer und Volksversammlung im zweiten Satz betrachtet. Hier wird nämlich klar, dass Laelius bzw. Gellius die von der Forschung vorausgesetzte Identifikation der Comitia Centuriata mit innerhalb des Pomerium schon an sich ein Sakrileg dargestellt hätte, wäre dessen Erwähnung in der Vorschrift für den Flamen Dialis überflüssig. Vielmehr betrifft die Regel also wohl das kampfbereite Heer in Schlachtordnung, welche diese außerhalb des Pomerium annimmt und dann vom Flamen Dialis nicht (mehr) gesehen werden darf. Entsprechend gab es auch keine Vorschrift, wonach einen Flamen Dialis sich von den Centuriatscomitien fernhalten musste, obwohl diese als Heeresversammlung galt (vgl. Nissen 1885, 58). Ein sakralrechtlicher Ausschluss jeglicher Truppen aus dem Stadtgebiet ist auch aus den diesbezüglichen Zeugnissen nicht zu entnehmen. 249 Gell. 15,27: „In ebendemselben Buche steht auch Folgendes: […] Die Centuriats comitien dürften nicht innerhalb des Pomerium abgehalten werden, weil das Heer nur außerhalb der Stadt einberufen werden dürfe, die Berufung innerhalb der Stadt aber nicht erlaubt sei. Deshalb seien die Centuriatscomitien gewöhnlich auf dem Marsfeld abgehalten und das Heer einberufen worden, des Schutzes halber, solange das Volk mit der Stimmabgabe beschäftigt war.“ 250 Zusammentreten in Waffen z. B.: Carlà 2015, 606; Karlowa 1896, 26; anders aber Mommsen 1887/88, III, 387. Etwas anders auch Magdelain 1977, 24 (=1990, 223), der eher von einer fiktiven Angleichung der politischen an die militärische Versammlung ausgeht, jedoch mit dem gleichen Ergebnis im Hinblick auf das Pomerium.
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dem hier genannten exercitus gerade nicht vornehmen. Diese Gleichsetzung mag aus einer Reihe von Gründen in der Sache, also hinsichtlich der tatsächlichen Frühgeschichte, durchaus richtig sein: Schon Varro und Livius bezeichnen diese Versammlung jedenfalls als exercitus urbanus bzw. bloß als exercitus, freilich als eher technische Ausdrücke.251 Die Centuriatscomitien wählten zudem die Oberbeamten und damit auch die militärischen Anführer. Der Begriff centuria war natürlich mit der Gliederung des Heeres verbunden; auch wenn die politischen Centurien als Abstimmungskörperschaften und militärische Centurien als Abteilungen einer Legion sich in historisch fassbarer Zeit zahlenmäßig nicht (mehr) entsprachen, wurden sie doch auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgeführt, den die Überlieferung mit Servius Tullius verband.252 Dessen ungeachtet setzen Gellius und vielleicht auch schon Laelius Felix, die Gewährsleute für einen formalen Ausschluss der Centuriata aus dem Pomerium, Volksversammlung und Heer gerade nicht (mehr) in eins: Hier ist stattdessen davon die Rede, ein exercitus müsse zum Schutz (praesidii causa) des mit den Wahlen beschäftigten populus einberufen werden. Von einer solchen Einheit und als Teil der traditionellen Formalhandlungen im Zusammenhang der Centuriatscomitien ist auch bei Cassius Dio die Rede; sie stellt also an sich wohl keine bloße Erfindung zur Begründung der hier beschrieben Regel dar.253 Plausibler ist es daher, bei Gellius bzw. Laelius von einem Missverständnis eines älteren Sprachgebrauchs auszugehen: Es ist durchaus verständlich, dass der schon bei Varro und Livius mehr als Terminus Technicus behandelte Begriff exercitus für eine Volksversammlung in der hohen Kaiserzeit in dieser Hinsicht missverstanden und auf diese aus formalen Gründen einberufene militärische Einheit übertragen wurde: Man muss diesen vermutlichen Fehler also durchaus nicht – wie Karlowa – als „plumpes Missverständnis“ bezeichnen.254 Die Beobachtung mahnt aber zur Skepsis im Hinblick auf Rückschlüsse aus dieser Stelle auf allgemeine Regeln zu Heer und Volksversammlungen in der Republik. Man mag nun einwenden, dass dieser vermutliche Irrtum hinsichtlich der Frage, ob exercitus ein tatsächliches militärisches Aufgebot oder die Versammlung selbst bezeichnete, nichts daran ändert, dass Laelius bzw. Gellius das exercitum imperare innerhalb der urbs (die hier durch das Pomerium definiert ist) als nefas bezeichnen. Zwar war der Ausschluss der Centuriatscomitien nach Laelius bzw. 251
Varr. ling. 6,88–93; Liv. 39,15,11: comitiorum causa exercitus eductus (ähnlich auch 1,44,2 zum Census; der Ausdruck exercitus urbanus wird jedoch bei Liv. 22,11,8 nicht in diesem Sinne gebraucht.); Fest. 264 L: exercitus suffrag[…]. Zum militärischen Charakter der Centuriatscomitien vgl. außerdem Dion. Hal. ant. 4,84. Die im Zusammenhang mit dem Flamen Dialis erwähnten Ausdrücke classis procincta und exercitus armatus könnten auch als Gegenbegriffe zu dieser Versammlung zu verstehen sein, siehe Kap. 3.1.2 c). 252 Vgl. z. B. Sage 2013 und Liv. 1,43; Dion. Hal. ant. 4,16 f.; Cic. rep. 2,39. 253 Cass. Dio 37,28. Vgl. auch Mommsen 1887/88, III, 387. 254 Karlowa 1896, 27 Anm. 1.
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Gellius nicht durch den (anderweitig freilich bezeugten) militärischen Charakter der Versammlung selbst bedingt. Dies allein würde aber nicht genügen, um die Aussagekraft der Stelle auch in Bezug auf den Ausschluss tatsächlicher Truppen zu relativieren. Dazu muss der entscheidende Kausalsatz noch einmal gesondert betrachtet werden: quia exercitum extra urbem imperari oporteat, intra urbem imperari ius non sit. Entgegen der Vorstellung, dass es letztlich die Waffen und die Zugehörigkeit des exercitus zu einer Sphäre des Krieges waren, die alles andere bedingten, bleibt festzustellen, dass diese Aspekte in keiner Weise angesprochen werden. Stattdessen liegt der Akzent nicht auf dem Heer als solchem, insofern es Waffen trägt, sondern klar auf dem Akt des imperare. Wenn überhaupt, könnte die Stelle also als Zeugnis für Regelungen zu diesem imperium gewertet werden, nicht aber für einen Ausschluss des Militärischen per se. Genau genommen ist es dabei sogar fraglich, ob die Formulierung exercitum extra urbem imperari oporteat, intra urbem imperari ius non sit, als im Hinblick auf die republikanische Zeit hinreichender Beleg für einen allgemeinen Ausschluss von militärischem Kommando aus dem Stadtgebiet gewertet werden kann. Denn nicht nur exercitus, auch exercitum imperare taucht in anderen Quellen als technischer Ausdruck auf, nämlich als Bezeichnung für den Akt der Einberufung sowohl des Heeres wie auch der Comitien.255 In dem ausführlichsten dieser Zeugnisse bei Varro erscheint der Ausdruck nicht nur in diesem Sinne (qui exercitum imperaturus erit), sondern auch als Element einer Art Einberufungsformel (impero qua convenit ad comitia centuriata). In welchem Verhältnis dieses imperare als Einberufungsakt der Comitien aber zum militärischen Oberbefehl stand, ist bereits in Varros Darstellung unklar und Gegenstand einer Forschungsdiskussion, die seit dem 19. Jh. anhält.256 Auf diese Stelle und diese Fragen wird im Abschnitt zum imperium (3.3.2) zurückzukommen sein. Hier genügt es zunächst Folgendes festzuhalten: Die Vorstellung, das Heer an sich habe die Sphäre des Krieges nicht in den intrapomerialen Friedensbereich hineintragen dürfen, ist eine über die von Gellius überlieferte Regel deutlich hinausgehende Annahme, die durch den Text selbst nicht hinreichend zu belegen ist. 255
Als Einberufung des Heeres: Fest. 92 L: Iusti dies dicebantur triginta, cum exercitus esset imperatus et vexillum in arce positum; sehr ähnlich auch Serv. auct. Aen. 8,1 (vexillum […] specimen imperati exercitus); Macr. sat. 1,16,15; für die Centuriata: Varr. 6,88–93. 256 Nicht wenige Gelehrte haben entsprechend den Ausschluss der Centuriatscomitien nicht nur an deren militärischen Kern als Heeresversammlung, sondern auch an ein angeblich notwendiges militärisches imperium für die Einberufung und Abhaltung der Versammlung geknüpft, welches innerhalb des Pomerium nicht gegolten habe, z. B. De Sanctis 2012a, 60 f.; Sandberg 2001, 123; Bleicken 1995, 69; Catalano 1978, 481; Blumenthal 1952, 1871 f.; Besnier 1926, 545; Karlowa 1896, 25–27. Diese Grundannahme bringt jedoch verschiedene Schwierigkeiten mit sich, zu denen in der Forschung eine Reihe unterschiedlicher Lösungen vorgeschlagen wurden, siehe Kap. 3.3.2 a).
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Auch auf den angeblichen Ausschluss der Centuriatscomitien ist noch einmal zurückzukommen, um ein grundsätzlicheres Argument anzuführen, dass auch den unmittelbaren Kontext bei Gellius berücksichtigt: Der gesamte Abschnitt widmet sich der Erklärung von Bezeichnungen für verschiedene Arten von Volksversammlungen der republikanischen Zeit sowie von damit in Zusammenhang stehenden Begriffen, die jeweils durch bestimmte Hintergrundinformationen ergänzt werden. Gerade in diesem Kontext erweckt die hier formulierte Regel den Eindruck einer antiquarischen Konstruktion, der in erster Linie den traditionellen Versammlungsort den Centuriatscomitien auf dem Marsfeld erklären soll. Dieser muss zudem erst recht dann als erklärungsbedürftig erschienen sein, wenn man diese Comitien – wie zumindest Gellius – nicht mehr als Heeresversammlung verstand. Vielleicht spielte in diesem Zusammenhang auch die Tatsache eine Rolle, dass das Pomerium durch die Erweiterungen des 1. Jh. n. Chr. nah an diesen Versammlungsort herangeführt worden war. Dass es aber in der Republik tatsächlich eine formale Regel gab, wonach die Centuriata nicht innerhalb der Stadt zusammentreten durften, ist wenig wahrscheinlich, und zwar schlicht deshalb, weil es dafür einen etablierten, wesentlich spezifischeren Versammlungsort auf dem Marsfeld gab, der als Ovile oder Saepta bekannt war und der von Caesar als Saepta Iulia sogar monumentalisiert wurde.257 Andere Ortsangaben als das Marsfeld sind für Centuriatscomitien nirgends explizit überliefert, sondern beruhen durchweg auf der modernen Deutung von in den Quellen nicht näher bestimmten, meist sehr frühen Volksversammlungen als
257 Dies
zeigt abgesehen von der hier besprochenen Gellius-Stelle auch bs. Cic. Rab. perd. 4,11: in campo Martio comitiis centuriatis auspicato in loco und Liv. 6,20,10: in campo Martio cum centuriatim populus citaretur. Zu Ovile und Saepta vgl. z. B. Albers 2013, 10; Richardson 1992, 278 und 340 f. mit den Belegen (zur Lage vgl. Abb. 9, Kap. 4.1.6). Es ist davon auszugehen, dass dort auch bis weit in die Kaiserzeit hinein Comitien stattfanden, deren genaue Entwicklung aber angesichts ihrer politischen Marginalisierung im neuen System kaum rekonstruierbar ist, vgl. z. B. in Bezug auf die Formalhandlungen rund um die Centuriata Cass. Dio 37,28,2: καὶ ἔτι [τε] καὶ νῦν ὁσίας ἕνεκα ποιεῖται („und es wird um des heiligen Brauches willen noch heute so gehandhabt“). Zur Bedeutung solcher spezifischer Orte auch für andere politische Handlungen vgl. auch Walter 2017, 73 f. Die Belege für Comitia Centuriata auf dem Forum hat bereits Mommsen weitgehend entkräftet: Bei App. civ. 3,30 lag in den Handschriften wohl eine einfache Vertauschung von Centuritatscomitien und Tributscomitien vor, die beide genannt werden. Bei der bei Plutarch (Cras. 15 und Pomp. 52) angesprochenen, von Gewalt geprägten Versammlung auf dem Forum handelte es sich wohl tatsächlich nicht um die eigentliche Wahlversammlung, sondern eine contio im Vorfeld, was für Plutarch nicht von Belang war. Ähnliches gilt auch für die erste Versammlung, die über M. Manlius urteilen sollte (Plut. Cam. 36), sofern man überhaupt annehmen will, diese sei in der Tradition als Centuriata verstanden worden. Zu diesen Stellen vgl. Mommsen 1887/88, III, 379 Anm. 6.
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Comitia Centuriata. Ein Beispiel ist jene Versammlung, die den M. Manlius zum Tode verurteilte und, so die Überlieferung, außerhalb der Sichtweite des Capitols standfinden sollte, um das Volk nicht durch die Erinnerung an dessen heldenhafte Verteidigung durch den Angeklagten zu beeinflussen.258 Selbst wenn es tatsächlich vereinzelte Ausnahmen gegeben haben sollte, so ist dennoch klar, dass die Abhaltung der Centuriata auf dem Marsfeld, noch dazu an einem nach Gesichtspunkten der Augurallehre eingerichteten Platz, eine selbstverständliche Praxis war:259 Livius berichtet gar, schon Romulus habe auf dem Marsfeld eine Heeresversammlung abgehalten.260 Die namensgebende Verbindung dieser Gegend mit Mars, welche die Überlieferung mindestens bis zum Ende der Königszeit, teilweise auch in noch frühere Zeiten zurückführte, kommt noch hinzu.261 Zwar berichtet Livius auch einmal von einer nicht zustande gekommenen Versammlung, welche wohl als Comitia Centuriata zu verstehen ist und welche die amtierenden Consuln am Regillus-See einberufen wollen, um so das an die erste Meile gebundene Provocationsrecht zu umgehen. Dies wird jedoch klar als unerhörtes Ansinnen dargestellt; zudem wird es auch hier als notwendig erachtet, einen Platz zu konstitutieren, von wo auspicato mit dem Volk verhandelt werden könne. In diesem Punkt und der unhinterfragten Gewohnheit liegt nach Livius also die Ortsbindung der Versammlung an das Marsfeld begründet.262 Für die korrekte Ausführung der Versammlung selbst wäre folglich ein Hinweis auf das Pomerium oder andere Stadtgrenzen weder notwendig noch hinreichend gewesen.263 Entsprechend erklärt es sich auch, dass keine andere Quelle einen normativen Zusammenhang zwischen den Comitia Centuriata und irgendeiner
258 Ebd.,
380 mit den Quellen. Sowohl bei Plin. nat. 16,10,37 als auch Liv. 6,20,11 und Plut. Cam. 36 werden die ungewöhnlichen Versammlungsorte lucus Petelinus und Aesculetum auch jeweils ausdrücklich auf besondere Umstände zurückgeführt; außerdem ist deren Deutung als Centuriata nicht zu belegen. Wie auch immer die hier angesprochenen Ereignisse im Einzelnen zu bewerten sind, steht doch fest, dass es sich allenfalls um seltene Ausnahmen gehandelt haben kann. 259 Vgl. Cic. Rabir. perd. 4,11: in Campo Martio comitiis centuriatis auspicato in loco. Wie Berthelet 2015, 234–258, mit guten Gründen argumentiert, wurden bei Saepta und Comitium im engeren Sinne nur die Rednerbühnen, von denen aus ein Magistrat die Versammlung leitete, als inaugurierte templa angesehen. Vgl. in diesem Sinne auch Cic. Sest. 62; Liv. 2,56,10. Weitere Lit. zu dieser Frage siehe dort sowie Anm. 261. 260 Liv. 1,16,1: ad exercitum recensendum contionem in campo ad Caprae paludem. 261 Richardson 1992, 340 f. s. v. Saepta Iulia, mit den Quellen. 262 Liv. 3,20. 263 Dies gilt auch dann, wenn das Pomerium im Zusammenhang mit der formal korrekten Auspikation im Vorfeld relevant gewesen sein sollte. Die Berichte über den mit dem Pomerium zusammenhängenden Formfehler des älteren Tiberius Gracchus (dazu Kap. 3.4.3 b)) betreffen ja nicht die Versammlung selbst, sondern nur die korrekte Auspikation im Vorfeld.
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Stadtgrenze herstellt.264 Vor diesem Hintergrund sind aber die Aussagen des Gellius bzw. Laelius wohl eher als nachträgliche antiquarische Erklärungen für eine in der Republik ohnehin selbstverständliche Praxis zu werten.
Exkurs: Der Ort der Comitia Curiata Ähnliches wie für Centuriatscomitien gilt im Übrigen auch umgekehrt für die Curiatscomitien. Von diesen wird gelegentlich behauptet, sie hätten – quasi als ziviles Gegenstück der Centuriata – nur innerhalb des Pomerium zusammentreten dürfen.265 Die Quellenlage stellt sich hier aber nicht weniger problematisch dar. Auch die einzige Erwähnung der Comitia curiata, die auf den ersten Blick eine Verbindung mit dem Pomerium herzustellen scheint, erweist sich bei genauerer Betrachtung als wenig aussagekräftig. Sie findet sich in der livianischen Rede des Camillus gegen die Auswanderung nach Veji: Quid alia quae auspicato agimus omnia fere intra pomerium, cui oblivioni aut neglegentiae damus? Comitia curiata, quae rem militarem continent, comitia centuriata, quibus consules tribunosque militares creatis, ubi auspicato, nisi ubi adsolent, fieri possunt? Veiosne haec transferemus? An comitiorum causa populus tanto incommodo in desertam hanc ab dis hominibusque urbem conveniet?266
264
Cassius Dio (37,28,3) betont zwar, dass die Centuriata auf dem Marsfeld und damit „vor den Mauern“ stattfanden, jedoch nur als Erklärung, warum dies eine besondere Schutzbedürftigkeit und dadurch bedingte Begleithandlungen erfordere, v. a. die Einberufung der auch bei Gellius erwähnten bewaffneten Einheit (siehe Kap. 3.3.1 b)). Der feste Versammlungsort der Centuriata wird somit auch hier als gegeben dargestellt; anderes wird davon abgeleitet. Auch bei diesem Beispiel bestätigt sich im Übrigen der Eindruck, dass Cassius Dio die Mauern v. a. als Defensivbauwerk und physische Grenze sieht, während er in Kontexten, wo er rechtliche Aspekte betonen will, das Pomerium oder die Grenze der ersten Meile nennt (vgl. Kap. 4.2.4). Cass. Dio 38,17,1 stellt eine Ausnahme dar. 265 Z. B. Gargola 2017, 135 mit Anm. 59 (251); Zack 2012, 86; Catalano 1978, 475; Martorana 1978, 78; Blumenthal 1952, 1873; Karlowa 1896, bs. 26; Mommsen 1887/88, I, 378 f. 266 Liv. 5,52,13 f.: „Die anderen Dinge, die wir fast alle nach einem Auspicium innerhalb des Pomeriums tun, welchem Vergessen und welcher Vernachlässigung geben wir sie anheim? Die Curiatcomitien, die das Kriegswesen umfassen, die Centuriatcomitien, in denen ihr die Consuln und Militärtribunen wählt, wo können sie mit einem [korrekten] Auspizium durchgeführt werden, wenn nicht am gewohnten Ort? Werden wir sie nach Veji verpflanzen? Oder wird das Volk unterentsprechend großer Unbequemlichkeit in dieser von Göttern und Menschen verlassenen Stadt zu den Comitien zusammenkommen?“ Übers. H. J. Hillen, mit der angegeben Ergänzung.
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Ein Verweis auf das Pomerium ist zwar vorhanden, bleibt aber sehr vage: Einerseits wird die unbestreitbare Tatsache festgestellt, dass beinahe alle (omnia fere) wichtigen Handlungen Roms faktisch innerhalb des Pomerium stattfänden, andererseits werden im unmittelbaren Anschluss sowohl eine innerhalb (Curiata) wie auch eine außerhalb (Centuriata) stattfindende Versammlung genannt. Es scheint also, dass Camillus bzw. der Autor Livius das Pomerium hier eher um seines symbolischen Gewichts willen und nicht aufgrund damit verbundener Regeln erwähnt. Als wirklich entscheidend – auch für die extrapomerialen Centuriata – werden dagegen, wie der Folgesatz zeigt, auch hier die spezifischen, durch die Auguren rituell eingerichteten Versammlungsorte dargestellt (ubi auspicato, nisi ubi adsolent, fieri possunt) und nicht ein einfacher Gegensatz von Stadt und Umland. Es wird eben keineswegs behauptet, die Curiatscomitien seien normativ an das Pomerium gebunden.267 Vor dem Hintergrund einer angeblichen Exklusion des Militärischen ist außerdem bemerkenswert, dass Livius den Camillus in seiner Rede gerade die Curiatscomitien, die sich inmitten der Stadt auf dem Comitium trafen, als jenen Versammlungstyp charakterisieren lässt, der das Militärische betreffe (qui rem militarem continent) – gerade im Gegensatz zu den Centuriatscomitien. Ein weiteres in der Forschung gelegentlich angeführtes Zeugnis zu den Curiata erweist sich ebenfalls als wenig tragfähig. Es handelt sich um eine nicht leicht zu deutende Aussage Cassius Dios, die sich auf die 49 v. Chr. in Thessalonike sich aufhaltenden Anhänger des Pompeius bezieht.268 Auch diese Stelle wurde 267
Anders deutet dies z. B. Gargola 2017, 251 Anm. 59, ohne dies aber näher zu begründen. Dio 41,43,2–4: οἱ δὲ ἐν τῇ Θεσσαλονίκῃ τοιοῦτο μὲν οὐδὲν προπαρεσκευάσαντο, καίτοι τῆς τε ἄλλης βουλῆς, ἐς διακοσίους ὥς φασί τινες, καὶ τοὺς ὑπάτους ἔχοντες, καί τι καὶ χωρίον ἐς τὰ οἰωνίσματα, τοῦ δὴ καὶ ἐν νόμῳ δή τινι αὐτὰ δοκεῖν γίγνεσθαι, δημοσιώσαντες, ὥστε καὶ τὸν δῆμον δι’ αὐτῶν τήν τε πόλιν ἅπασαν ἐνταῦθα εἶναι νομίζεσθαι, αἴτιον δὲ ὅτι τὸν νόμον οἱ ὕπατοι τὸν φρατριατικὸν οὐκ ἐσενηνόχεσαν, τοῖς δὲ δὴ αὐτοῖς ἐκείνοις οἷσπερ καὶ πρόσθεν ἐχρήσαντο, τὰς ἐπωνυμίας σφῶν μόνας μεταβαλόντες καὶ τοὺς μὲν ἀνθυπάτους τοὺς δὲ ἀντιστρατήγους τοὺς δὲ ἀντιταμίας ὀνομάσαντες. πάνυ γάρ που τῶν πατρίων αὐτοῖς ἔμελε τά τε ὅπλα ἀνταιρομένοις καὶ τὴν πατρίδα ἐκλελοιπόσιν, ὥστε μὴ πάντα τὰ ἀναγκαῖα πρὸς τὴν τῶν παρόντων ἀπαίτησιν καὶ παρὰ τὴν τῶν τεταγμένων ἀκρίβειαν ποιεῖν („Hingegen hatte die Gruppe in Thessalonike nichts dergleichen [sc. Wahlen] vorbereitet, obschon sie, wie einige berichten, etwa zweihundert Mitglieder des restlichen Senats sowie die beiden Konsuln bei sich hatten. Auch war ein kleines Stück Land für die Augurien, damit sie unter einem gewissen Schein von Gesetzlichkeit stattfinden könnten, zum Staatsbesitz erklärt worden, so dass das Volk und die gesamte Stadt durch sie als dort anwesend galten. Ursache dafür aber war der Umstand, dass die Consuln die lex curiata nicht eingebracht hatten. Stattdessen bediente man sich der gleichen Beamten wie zuvor und änderte lediglich ihre Bezeichnungen, indem man die Konsuln Prokonsuln, die Praetoren Propraetoren, die Quaestoren aber Proquaestoren nannte. Denn obschon sie gegen ihr Vaterland die Waffen erhoben und es verlassen hatten, lag ihnen doch sehr am alten Herkommen, und sie waren darum besorgt, dass nicht alle durch die augenblickliche Lage geforderten Notmaßnahmen gegen die strenge Einhaltung der Ordnung verstießen.“ Übers. O. Veh).
268 Cass.
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gelegentlich mit dem Pomerium in Verbindung gebracht und so verstanden, dass die Pompeianer keine lex curiata für neue Magistrate hätten verabschieden können, weil Curiatscomitien dort – außerhalb des Pomerium – nicht möglich gewesen seien.269 Explizit stellt der Autor jedoch nur fest, dass die Consuln keine lex curiata eingebracht hätten (αἴτιον δὲ ὅτι τὸν νόμον οἱ ὕπατοι τὸν φρατριατικὸν οὐκ ἐσενηνόχεσαν) und man deshalb alle regulären Amtsträger zu Promagistraten erklärt habe; die genauen Hintergründe dieses Vorgehens bleiben unklar. Wenn aber die Pompeianer, wie Cassius Dio direkt anschließend ausdrücklich hervorhebt, darauf achteten, so wenig wie in dieser Situation möglich von den hergebrachten Formen der Amtsübertragung abzuweichen, ist es einerseits durchaus plausibel, wenn sie davon Abstand nahmen, in Thessalonike die Comitia Curiata einzuberufen, die stets in Rom auf dem Comitium stattgefunden hatten.270 Andererseits deutet die Formulierung Dios nicht einmal daraufhin, dass es seiner Ansicht nach räumliche Gesichtspunkte waren, die eine lex curiata unmöglich gemacht hätten. Gerade im Satz davor wird zudem betont, dass die Pompeianer zum Zwecke korrekt erscheinender Auspizien offenbar zu einer Rechtsfiktion gegriffen hatten, indem sie sich dafür ein Stück Land aneigneten. Wie dem auch sei, eine spezifische Bindung der Curiata an das Pomerium ist der Stelle jedenfalls nicht zu entnehmen. Das gewichtigste Argument gegen die Existenz einer formalen Regel, welche die Curiatscomitien an den Bereich intra pomerium gebunden hätte, ist ohnehin dasselbe, was schon für die Comitia Centuriata angeführt wurde: Auch diese Versammlung hatte von jeher einen festen Versammlungsort, das Comitium, und trat mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließlich hier zusammen.271 Gemäß der communis opinio der Forschung galt auch das Comitium zudem – ebenso wie auch der Versammlungsort der Centuriata – als ein nach auguralen Regeln
269
So z. B. Mommsen 1887/88, III, 378 f. mit Anm. 1 (379). Magdelain 1968, 18 Anm. 8, meint, die amtierenden Consuln hätten selbst keine lex curiata besessen, und deshalb keine Centuriatscomitien zur Wahl neuer Magistrate einberufen können. 271 Vgl. z. B. Varr. ling. 5,155. Eine Ausnahme erschließt Mommsen 1887/88, III, 379 Anm. 2, aus einer lex curiata, die nach Liv. 5,46,10–11, während des Galliersturms erging, als das Comitium in der Hand der Angreifer war. Die Versammlung müsse auf dem Capitol stattgefunden haben, obwohl dies nach Mommsens eigener Ansicht zu jener Zeit sogar außerhalb des Pomerium lag. Insofern liefert Mommsen hier sogar eher ein Gegenargument für die These, die Curiatscomitien hätten zwingend innerhalb des Pomerium zusammentreten müssen. Allerdings dürfte die Stelle insgesamt für die Rekonstruktion derartiger Fragen nicht brauchbar sein. Gleiches gilt für die von Mommsen hier ebenfalls angesprochene lex curiata für Tiberius, deren Verabschiedung Sueton (Aug. 65) in foro lokalisiert: Wie Mommsen selbst andeutet, ist bei Sueton – allein schon wegen der inzwischen eingetretenen baulichen Veränderungen – nicht mehr mit einer strengen Unterscheidung von Forum und Comitium zu rechnen. 270
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zum Zweck politischer Versammlungen rituell eingerichteter Ort.272 In einer solchen Ortsbindung könnte dann durchaus eine Erklärung für das Vorgehen der Pompeianer im Jahre 49 v. Chr. liegen, auch wenn Cassius Dio dies im Dunkeln lässt. Dass man sich nun noch nicht einmal in Italien befand, mag diesen Aspekt noch verstärkt haben. In früherer Zeit wäre aber für eine rechtliche Bindung der Curiata an das Pomerium in jedem Fall – ähnlich wie bei den Centuriatscomitien auf dem Marsfeld – kaum ein Anlass entstanden.
Bewertungen von Leibgarden in der späten Republik als Testfall Wurden bisher hauptsächlich solche Zeugnisse zum Waffentragen einerseits, zum angeblichen Ausschluss regulärer Truppen und der Centuriatscomitien andererseits untersucht, in denen explizit Regeln zu beiden Themen formuliert werden, bleibt nun zu klären, ob sich in der antiken Diskussion über konkrete Transgressionshandlungen Hinweise auf ein Verständnis des Pomerium als Grenze eines sakralrechtlich entmilitarisierten Stadtraumes finden lassen. Als Testfall eignet sich hier insbesondere die antike Diskussion über das bewaffnete Gefolge bzw. die Leibgarden hochrangiger politischer Akteure der Bürgerkriegszeit, die bisher, soweit ich sehe, noch nicht unter dieser Fragestellung betrachtet wurde, da man die sakralrechtlichen Verhältnisse der früheren Zeit als hinreichend belegt ansah. Dass solche bewaffneten Mannschaften bis hin zu regulären Soldaten in den letzten Jahrzehnten der Republik faktisch immer wieder in Rom eingesetzt wurden, gehört zu den Grundmerkmalen der Epoche und bedarf hier keiner weiteren Ausführung. Entscheidend für die Frage, ob es die Vorstellung eines religiös begründeten Waffen- bzw. Heeresverbots gab, das sich auf Stadtgrenzen wie das Pomerium bezog, sind freilich weniger jene faktischen Handlungen selbst als die diskursiven Reaktionen darauf in der Literatur der späten Republik und Kaiserzeit. Wie eingangs bereits betont, ist es nicht zu bezweifeln, dass das Auftreten von bewaffneten Gruppen im politischen Leben Roms nicht als selbstverständlich hingenommen wurde. Auch dass erst recht der tatsächliche Einsatz von Waffengewalt in innenpolitischen Auseinandersetzungen als schwere Transgression etablierter Normen galt, obwohl er in der Praxis der späten Republik immer wieder vorkam, steht umso weniger in Frage.273 Man müsste also unbedingt erwarten, dass auch die Vorstellung einer sakralrechtlichen Dimension des Waffentragens bzw. Truppeneinsatzes in der Stadt, so sie im Horizont der Zeitgenossen lag, sich in dieser Diskussion deutlich niedergeschlagen hätte. Wie im Folgenden aber 272
Ob eigentlich nur die vom leitenden Magistrat genutzten Bereiche solche templa waren, wie Berthelet 2015, 234–258, meint, oder das Comitium insgesamt, kann hier dahingestellt bleiben. Siehe Anm. 258. 273 Vgl. stellvertretend die zu Beginn des Kapitels in Anm. 245 zitierte Lit.
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deutlich werden wird, gibt es auch hier keinerlei Anzeichen, dass im Kontext der politischen Gewalt der späten Republik, selbst wenn sie aus verschiedenen Gründen verurteilt wurde, an eine sakralrechtliche Regel wie ein Waffen- bzw. Militärverbot in einem genauer definierten Stadtgebiet gedacht wurde. Was stattdessen in den Aussagen der antiken Texte greifbar wird, ist das Bewusstsein für ein Prinzip der Waffen- und Gewaltlosigkeit in der Innenpolitik: Dafür waren zwar primär bestimmte Orte und Situationen, weniger aber Stadtgrenzen zentral, zum anderen war der räumliche Aspekt auch nur einer unter anderen, die über die Schwere des Normverstoßes entschieden. Zunächst ist festzustellen, dass es keine Stelle unter den recht zahlreichen Zeugnissen zu dieser Thematik gibt, in der das Pomerium überhaupt erwähnt wird. Selbst Cassius Dio, der das Pomerium sonst häufig und in verschiedenen Kontexten nennt, verweist auf dieses zwar im Hinblick auf das imperium von Magistraten274, nicht aber im Zusammenhang von bewaffneten Eingriffen im Innern. Auch die bloße Erwähnung der Mauern oder anderer Stadtgrenzen ist in den Quellen zu diesem Themenkomplex nur in seltenen Einzelfällen zu beobachten, und selbst der Verweis auf ein nicht genau definiertes Stadtgebiet (durch Begriffe wie urbs, ἄστυ, πόλις) fehlt in der Regel. Dies ist umso bemerkenswerter, als gerade die Stadtmauer als eigentliches Defensivbauwerk den inneren Stadtraum gleichsam zwangsläufig als einen gewissen Schutzraum vor Gewaltakten erscheinen lassen konnte. Es wäre also wenig verwunderlich, wenn Kämpfe im Innern des Mauerringes, obgleich dieser in der späten Republik nicht mehr wirklich verteidigungsfähig war, auch ohne jede rechtliche Dimension in diesem Zusammenhang einen hohen symbolischen Gehalt besessen hätten. Eine grundsätzlichere Verurteilung des militärischen Einmarschs in Rom, in deren Rahmen auch die Mauern direkt angesprochen werden, steht ebenfalls im Kontext des Themas Bürgerkrieg, stammt allerdings erst von Seneca.275 Es ist 274
275
Siehe Kap. 3.3.2. Sen. De beneficiis 5,15,5–6: Qui ne triumphaturi quidem inire urbem iniussu senatus deberetis quibusque victorem exercitum reducentibus curia extra muros praeberetur, nunc civibus caesis perfusi cruore cognato urbem subrectis intrate vexillis. Obmutescat inter militaria signa libertas, et ille victor pacatorque gentium populus remotis procul bellis, omni terrore conpresso, intra muros obsessus aquilas suas horreat („Ihr, die ihr nicht einmal als Triumphanwärter ohne Geheiß des Senats in die Stadt einziehen dürftet und denen bei der Rückführung des siegreichen Heeres ein Versammlungsort außerhalb der Mauern gewährt würde, treten ein in die Stadt, nach dem Mord an Mitbürgern vom Verwandtenblut überströmt, mit hochgereckten Standarten! Mag unter den militärischen Feldzeichen die Freiheit verstummen, und jenes Volk, das die Völkerschaften besiegt und befriedet hat, mag, da die Kriege in die Ferne verbannt, aller Schrecken niedergedrückt ist, innerhalb seiner Mauern belagert seine eigenen Adler fürchten.“). Vgl. die Exempla in diesem Sinne in 5,16, bs. zu Sullas proelia in urbe und zu Caesars Lager, das der Stadt sogar näher als das des Porsenna gewesen sei.
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hier von der bekannten Praxis die Rede, dass eigentlich nicht einmal Triumph anwärter (triumphaturi) ohne Zustimmung des Senats mit ihrem Heer in die Stadt einziehen dürften und der Senat mit diesen daher extra muros verhandele. In der Gegenwart aber (nunc) seien diese Prinzipien untergegangen und Befehlshaber und Heere zögen, sogar vom Blut der Mitbürger getränkt, in die Stadt ein. Auf die mit dem Triumph verbundenen Regeln werden wir im folgenden Unterkapitel zur Befehlswalt noch zurückkommen. Hier bleibt zunächst folgendes festzuhalten: So radikal diese Kritik an Truppen im Stadtraum hier auch formuliert erscheinen mag, so wenig sind doch (sakral)rechtliche Bezüge zu erkennen. Die Signifikanz der Mauern liegt vor allem darin, dass sie eigentlich dem Schutz der Bevölkerung dienen sollten; bei Truppen in der Stadt werde aber das Volk in geradezu absurder Weise innerhalb seiner Mauern von den eigenen Truppen belagert (intra muros obsessus). Der Schaden, der durch die Einzüge von Truppen in die Stadt entsteht, ist ein politischer, nämlich der Untergang – in Senecas Worten, das „Verstummen“ – der republikanischen Freiheit (obmutescat in militaria signa libertas). Man mag hier nun einwenden, dass dies durch den Kontext bedingt und in einer ethischen Schrift Senecas nicht anders erwartet werden könne. Doch aus der gesamten überlieferten Literatur der späten Republik und frühen Kaiserzeit liegt, soweit ich sehe, nur ein einziges Zeugnis vor, wo das tatsächliche bewaffnete Auftreten eines Akteurs speziell mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf kritisiert wird, dass es in der Stadt geschieht, nämlich in Ciceros 5. Philippischer Rede.276 Hier hält Cicero dem Antonius vor, dieser sei der einzige gewesen, 276 Cic.
Phil. 5,17: An illa non gravissimis ignominiis monumentisque huius ordinis ad posteritatis memoriam sunt notanda, quod unus M. Antonius in hac urbe post conditam urbem palam secum habuerit armatos? Quod neque reges nostri fecerunt neque ei qui regibus exactis regnum occupare voluerunt. Cinnam memini; vidi Sullam; modo Caesarem: hi enim tres post ciuitatem a L. Bruto liberatam plus potuerunt quam universa res publica. Non possum adfirmare nullis telis eos stipatos fuisse; hoc dico: nec multis et occultis. At hanc pestem agmen armatorum sequebatur; Cassius, Mustela, Tiro, gladios ostentantes, sui similis greges ducebant per forum; certum agminis locum tenebant barbari sagittarii. Cum autem erat ventum ad aedem Concordiae, gradus complebantur, lecticae conlocabantur, non quo ille scuta occulta esse vellet, sed ne familiares, si scuta ipsi ferrent, laborarent. Illud vero taeterrimum non modo aspectu sed etiam auditu, in cella Concordiae conlocari armatos, latrones, sicarios; de templo carcerem fieri; opertis valvis Concordiae, cum inter subsellia senatus versarentur latrones, patres conscriptos sententias dicere („Muss nicht auch dies mit den schwersten Rügen unseres Hauses zu dauerndem Gedächtnis der Nachwelt gebrandmarkt werden, daß sich einzig M. Antonius in dieser Stadt – seit sie besteht – ganz offen von bewaffneten Leuten begleiten lässt? Das haben weder unsere Könige getan noch diejenigen, die sich nach der Vertreibung der Könige einer königlichen Stellung zu bemächtigen suchten. Ich erinnere mich an Cinna, ich habe Sulla erlebt und eben erst Caesar – diese drei haben ja, seit L. Brutus unserem Volk die Freiheit geschenkt hat, mehr Macht besessen als der ganze Staat. Ich könnte nicht behaupten, sie seien überhaupt nicht von Bewaffneten begleitet gewesen; ich sage nur:
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der sich je in der Stadt mit einer sichtbar bewaffneten Entourage umgeben habe, was nicht einmal die Könige getan hätten: unus M. Antonius in hac urbe post conditam urbem palam secum habuerit armatos. Selbst die Leute Cinnas, Sullas und Caesars hätten ihre Waffen noch verdeckt getragen. Es ist hier nicht von Belang, ob dies eine faktisch korrekte Aussage ist. Klar ist jedoch, dass Cicero in den Philippischen Reden jedes rhetorische Mittel einsetzt, um Antonius zu diskreditieren277, und darum Verstöße gegen Sakralrecht höchstwahrscheinlich auch so benannt hätte. Nichts an der Stelle deutet indes daraufhin, dass Cicero das angeprangerte Verhalten des Antonius als Verstoß gegen ein formales Verbot – und sei es nur eine der oben besprochenen leges – oder gar als einen religiösen Frevel darstellen konnte, abgesehen vom bewaffneten Betreten des Concordia-Tempels. Nach Ciceros invektivischer Darstellung handelte Antonius schlicht gegen den mos maiorum, die hergebrachte Ordnung. Dabei ist auch keine besondere Relevanz von bestimmten Stadtgrenzen festzustellen. Diese bleiben nicht nur ungenannt; Cicero zeigt auch durch die Verwendung des Demonstrativpronomens (in hac urbe) an, dass es ihm hier wesentlich um „diese Stadt“, also Rom im Unterschied zu anderen Städten geht, wo vergleichbare Handlungen schon vorgekommen sein mochten, nicht aber um einen Gegensatz von eigentlichem Stadtgebiet urbs und einem außerhalb liegenden Umland (z. B. ager). Auch im darauffolgenden Abschnitt wird deutlich, dass der Hauptansatzpunkt für Ciceros Vorwürfe die Beeinflussung des Senats durch die Präsenz der Bewaffneten auf dem Forum und im Tempel der Concordia ist, die zudem noch als Banditen und Barbaren dargestellt werden. Der Tabubruch besteht in Ciceros Darstellung also in weit mehr als dem bewaffneten Übertreten einer Stadtgrenze oder dem sichtbaren Tragen von Waffen. Vielmehr geht es um eine bestimmte Art des öffentlichen Auftretens, welche er als Element politischer Gewalt und als tyrannenhaftes Gebaren des Antonius zu brandmarken sucht. Ständig und überall von einer bewaffneten Leibgarde umgeben zu sein, gehörte zudem zu den
es waren wenige, und man sah’s nicht. Doch diesem elenden Kerl folgte ein ganzes Heer von Bewaffneten: Cassius, Mustela, Tiro führten, mit den Schwertern fuchtelnd, Horden von ihresgleichen übers Forum, und einen bestimmten Platz dieses Zuges nahmen ausländische Bogenschützen ein. Als man nun beim Tempel der Eintracht angelangt war, da füllten sich die Stufen, und Sänften wurden dort abgestellt – nicht als ob er die Schilde hätte versteckt halten wollen, sondern um seinen Genossen die Mühe zu ersparen, die Schilde selbst zu tragen. Dies aber war das Widerlichste nicht nur für die Augenzeugen, sondern für jeden, der davon hörte: dass im Allerheiligsten der Göttin Bewaffnete, Banditen, Meuchelmörder bereit standen, daß aus dem Tempel ein Gefängnis geworden war, dass bei geschlossenen Türen des Gotteshauses, während sich neben den Bänken des Senats Banditen aufhielten, von den versammelten Vätern verhandelt wurde.“ Übers. M. Fuhrmann). 277 Vgl. dazu ausführlich Thurn 2018.
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etablierten Tyrannentopoi.278 Dieser Eindruck bestätigt sich auch, wenn man unabhängig von dieser Stelle die Philippischen Reden insgesamt betrachtet. Zum einen fällt hier auf, wie Cicero selbst durchaus das prophylaktische Mitführen und auch den Einsatz von Waffen zum Schutz gegen Antonius rechtfertigt. Der Schutz beispielsweise von Senatsversammlungen aber auch der Consuln durch Bewaffnete sei eine Notwendigkeit, da jene gerade durch Antonius und seine Anhänger bedroht seien.279 Selbst der aktive Gebrauch von Waffen in der Stadt wird mit dem Verweis auf das Vorgehen des Lucius Opimius gegen Gaius Gracchus gerechtfertigt.280 Zum anderen wird das bewaffnete Auftreten des Antonius an anderer Stelle schlicht mit dem Ausdruck secum habuit armatos bezeichnet, was deutlich erkennen lässt, dass eben dies und nicht das bewaffnete Übertreten einer bestimmten Grenze das eigentliche Verbrechen darstelle.281 An wieder anderer Stelle macht Cicero schließlich deutlich, dass Antonius die Verabschiedung von Gesetzen mit Waffengewalt erzwungen habe, da er Gegnern den Zutritt zum Forum verwehrt habe.282 Auch hier finden sich trotz der maximalen Schärfe der Vorhaltungen keinerlei Anzeichen für eine besondere Relevanz von Stadtgrenzen oder eine sakralrechtliche Dimension der Vorwürfe. Im Hinblick auf das von Cicero vorausgesetzte Verständnis normalen Verhaltens in Bezug auf das Waffentragen ist weiterhin auch noch eine Stelle in einer früheren Rede aufschlussreich. So wird Caesar in der Rede für Marcellus von Cicero dafür gelobt, dass er nur in äußeren Kriege Siege errungen habe, „in der Stadt“ aber keine Gewalt angewandt habe. Er fasst dies in die Worte, man habe 278 Vgl.
Sigmund 2014, 34, sowie, exemplifiziert an der Darstellung des Romulus bei Livius und Plutarch, 217 und 343. 279 Cic. Phil. 3,13: Quam ob rem, tribuni plebis, quamquam vos nihil aliud nisi de praesidio ut senatum tuto consules Kalendis Ianuariis habere possint rettulistis, tamen mihi videmini magno consilio atque optima mente potestatem nobis de tota re publica fecisse dicendi. Cum enim tuto haberi senatum sine praesidio non posse iudicavistis, tum statuistis etiam intra muros Antoni scelus audaciamque versari („Demgemäß, ihr Volkstribunen: euer Vortrag bezog sich eigentlich nur auf eine Schutzwache, die es den Consuln erlauben soll, am 1. Januar den Senat ungestört verhandeln zu lassen; zugleich aber habt ihr, scheint mir, viel Einsicht gezeigt und sehr klug gehandelt, indem ihr uns Gelegenheit gabt, die gesamte politische Lage zu erörtern. Ihr wart ja der Ansicht, eine ungestörte Senatssitzung sei ohne eine Schutzwache unmöglich – hiermit habt ihr zugleich ausgesprochen, dass die tückischen und bedenkenlosen Anschläge des Antonius auch vor unseren Mauern nicht haltmachen“). Wenn hier davon die Rede ist, diese reale Bedrohung bestehe sogar intra muros wird auf die den Symbolcharakter der Mauer als Schutz gegen Angreifer angespielt, nicht auf damit verknüpfte Regelungen. Vgl. z. B. 7,13: etiam intra muros Antoni scelus audaciamque versari. 280 Cic. Phil. 8,14. Der Umstand, dass Gracchus sich auf dem Aventin, also außerhalb des Pomerium verschanzt hatte, ist hier offensichtlich nicht der Punkt. 281 Cic. Phil. 8,27: quid enim commisit umquam? num aut pecuniam publicam attigit aut hominem occidit aut secum habuit armatos? 282 Cic. Phil. 5,9.
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kein blank gezogenes Schwert in der Stadt gesehen (gladium vagina vacuum in urbe non vidimus).283 Im Umkehrschluss impliziert dies, dass das bloße Mitführen des Schwertes in der Stadt nicht schon von vornherein zu verurteilen wäre und die Transgression lediglich darin bestanden hätte, das Schwert drohend zu ziehen oder gar einzusetzen. Stellen zu dieser Thematik, die ausdrücklich auf die Stadt als begrenzten Raum oder auf die Stadtmauer bezugnehmen, finden sich dann wieder bei den griechischen Autoren des 2. und 3. Jh. n. Chr., und auch hier nur vereinzelt und nicht zufällig in deren Berichten über die Bürgerkriegszeit.284 Hier bestätigen sich die bei Cicero gewonnen Eindrücke, mehr noch, die meisten dieser Stellen sind mehr oder weniger direkte Anlehnungen an die angesprochenen Reden Ciceros, der sowohl bei Appian als auch bei Cassius Dio als redende Figur auftritt. Beide Autoren greifen dabei auch dessen Agitation gegen Antonius in direkter Rede wieder auf: Bei Appian bezeichnet Cicero die Leibwache des Antonius, mit der sich dieser in der Stadt (ἐν τῇ πόλει) umgibt, explizit als „königlich“ (σπεῖραν […] βασιλικὴν)285, und zwar nicht etwa erst mit dem Betreten der Stadt Rom, sondern schon bei ihrer Einrichtung noch in Brundisium. Auch wird der Aspekt der offenen Sichtbarkeit (φανερῶς) betont. Bei Cassius Dio spricht Cicero davon, Antonius sei „innerhalb der Stadtmauer, auf dem Forum, im Senatsgebäude, auf dem Capitol“ (ἐντὸς τοῦ τείχους, ἐν τῇ ἀγορᾷ, ἐν τῷ βουλευτηρίῳ καὶ ἐν τῷ Καπιτωλίῳ) von Soldaten umgeben aufgetreten.286 Zwar erscheint hier die Stadtmauer, jedoch lediglich als erstes Glied einer Kette von zentralen Orten der politischen Kultur, gewissermaßen als eine 283
Cic. Marcell. 17: Vidimus tuam victoriam proeliorum exitu terminatam: gladium vagina vacuum in urbe non vidimus. 284 Die Aussage des Velleius Paterculus (2,3) über Tiberius Gracchus, bei diesem sei der Beginn des Blutvergießens unter Bürgern in der Stadt Rom (initium in urbe Roma civilis sanguinis) anzusetzen, ist primär auf die Stadt als Gemeinwesen, nicht als Stadtgebiet zu beziehen. 285 App. civ. 3,52: σπεῖραν ἐν Βρεντεσίῳ βασιλικὴν συνέταξεν ἀμφ’ αὑτὸν εἶναι, καὶ φανερῶς αὐτὸν ἐν τῇ πόλει σιδηροφοροῦντες ἄνδρες ἐδορυφόρουν („Er stellte in Brundisium eine königliche Kohorte zu seinem persönlichen Schutz auf, und in aller Öffentlichkeit schützten ihn in der Stadt bewaffnete Männer“). Die senatorische Kritik daran stellt Appian an anderer Stelle (civ. 3,5) als Ausdruck von Missgunst (ἐπίφθονον; φθονοῖεν) ohne rechtliche Dimension dar, die sich v. a. an der Größe der Garde entzündet habe. 286 Cass. Dio 45,29,2: ὦ γῆ καὶ θεοί, πρῶτον μὲν ἐτόλμησεν ἐνταῦθα, ἐντὸς τοῦ τείχους, ἐν τῇ ἀγορᾷ, ἐν τῷ βουλευτηρίῳ καὶ ἐν τῷ Καπιτωλίῳ, τό τε ἔσθημα ἅμα τὸ περιπόρφυρον ἐνδύεσθαι καὶ ξίφος παραζώννυσθαι ῥαβδούχοις τε χρῆσθαι καὶ ὑπὸ στρατιωτῶν δορυφορεῖσθαι· („Himmel und Erde, wie konnte er sich erstens erdreisten, hier innerhalb der Stadtmauern, auf dem Forum, im Senatsgebäude, auf dem Kapitol, zugleich das Staatskleid mit dem Purpursaum […] anzulegen, sich mit einem Schwert zu gürten, Liktoren zu gebrauchen und sich von einer Leibwache aus Soldaten begleiten zu lassen?“ Übers. O. Veh).
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räumliche wie auch symbolische erste Stufe der Transgression.287 Der Verweis auf die Stadt als begrenzten Raum bzw. auf die Mauer ist so auch hier klar als Element rhetorischer Emphase gestaltet, von dem der Kern des Vorwurfs unabhängig bleibt. Auch der Cicero Appians und Cassius Dios orientiert sich also wenig überraschend an ähnlichen Argumenten wie der tatsächliche und lässt abgesehen von einer gewissen symbolischen Bedeutung der Stadtmauer keine nennenswerte Relevanz von Stadtgrenzen oder von Sakralrecht erkennen. Dieser Eindruck bestätigt sich an zwei weiteren thematisch ähnlich gelagerten Stellen im Werk Cassius Dios, nicht zufällig ebenfalls im Rahmen von Reden. Auch hier lässt der Autor es zwar durchaus als signifikant erscheinen, dass Gewaltakte bzw. Soldaten in der Stadt auftreten: in Bezug auf Caesars Ermordung in der darauffolgenden Rede des Antonius288 sowie in Bezug auf ebendessen Soldaten in der Rede des Calenus.289 In beiden Fällen geht es um unterschiedliche Formen des Einsatzes von Gewalt bzw. Militär in einem inneren Konflikt. Auf bestimmte Stadtgrenzen wird dabei jedoch an keiner Stelle Bezug genommen – auch nicht auf die Stadtmauer –, was sich nicht von selbst versteht, da Dio, wie gesagt, in anderen Kontexten sowohl auf die Bedeutung des Pomerium wie auch der ersten Meile für die republikanische Ordnung durchaus Wert zu legen scheint.290 In diesem 287 Vgl.
z. B. die Formulierung Cic. Verr. 2,5,97, ähnlich auch Cass. Dio 44,30,6 und 44,49,1 f. 288 Cass. Dio 44,49,1: ἐν τῇ πόλει ἐνεδρευθεὶς ὁ καὶ τὸ πωμήριον αὐτῆς ἐπαυξήσας („in der Stadt verübtet ihr einen Anschlag auf den, der ihr Pomerium erweiterte“). Hier erwähnt Antonius zwar auch das Pomerium, jedoch nicht im Hinblick darauf, dass der Mord innerhalb dieser Grenze stattgefunden habe (obwohl er sie irrtümlich in der Curia lokalisiert), sondern, weil die Bedeutung Caesars für die Stadt sich auch in einer Pomeriumerweiterung manifestiert habe. Auch hier geht also eindeutig um eine symbolische und nicht um eine rechtliche Signifikanz. 289 Cass. Dio 46,26,3–7: οὕτω δὴ τούτων ἐχόντων πότερος ὑμῖν ἀδικεῖν δοκεῖ, […] Ἀντώνιος ὁ μηδένα τούτων τῶν στρατιωτῶν τῶν ὑφ’ἡμῶν αὐτῷ δοθέντων ἐς τὴν πόλιν ἐσαγαγών, ἢ Καῖσαρ ὁ τοὺς πάλαι ἐστρατευμένους ἀναπείσας χρήμασι δεῦρο ἐλθεῖν; […] διὰ γὰρ τοῦτο καὶ τὴν παρὰ τῶν στρατιωτῶν φυλακὴν ἐλάβετε, ἵν’ ἀσφαλῶς ὑπὲρ τῶν παρόντων, οὐκ Ἀντωνίου ἕνεκα τοῦ μήτε ἰδίᾳ τι πεποιηκότος μήτ’ ἔν τινι ὑμᾶς πεφοβηκότος, ἀλλ’ ἐκείνου τοῦ καὶ δύναμιν ἐπ’ αὐτὸν συνειλοχότος καὶ πολλοὺς στρατιώτας καὶ ἐν αὐτῇ τῇ πόλει πολλάκις ἐσχηκότος, βουλεύσησθε („Wer von beiden Männern scheint euch unter diesen Umständen im Unrecht zu sein, […] Antonius, der nicht einen einzigen von diesen Soldaten, die ihm von uns gegeben wurden, in die Stadt brachte, oder Caesar, der die längst entlassenen Veteranen mit Geld bestach hierher zu kommen? […] Denn deshalb habt ihr euch ja auch gerade in den Schutz der Soldaten begeben, damit ihr euch in Sicherheit über die augenblickliche Lage beraten könnt, nicht des Antonius wegen, der nichts auf seine persönliche Verantwortung hin getan und euch nicht irgendwie eingeschüchtert hat, sondern wegen seines Nebenbuhlers; der hat nicht nur eine Streitmacht gegen ihn gesammelt, sondern wiederholt auch Soldaten in der Stadt selbst gehalten.“ Übers. O. Veh). 290 Vgl. z. B. Cass. Dio 44,49,1.
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Kontext der politischen Gewalt geht es ihm aber offensichtlich weniger um eine rechtliche als um eine politische und symbolische Bedeutung der Stadt. Verbunden ist dies sicher auch mit einem grundsätzlichen Vorbehalt gegenüber Soldaten und gegenüber auf militärische Macht sich stützender Herrschaft, welche auch an vielen anderen Stellen im Werk sichtbar wird und der senatorischen Perspektive des Autors entspricht.291 Nur eine Stelle in Dios Werk scheint eine gewisse Ausnahme darzustellen, insofern hier offenbar auch Stadtgenzen sowie eine rechtliche Dimension von Militär in der Stadt eine Rolle spielen. Es geht darin einmal mehr um Marcus Antonius, jedoch um frühere Begebenheiten als die von Cicero thematisierten. Cassius Dio berichtet, Marcus Antonius sei im Jahr 48 v. Chr., als er sich als Caesars Militärtribun in Rom aufhielt, vom Senat ermächtigt worden, „Soldaten innerhalb der Mauer zu halten“ (στρατιώτας τε ἐντὸς τοῦ τείχους τρέφειν).292 Angesichts von Unruhen, die zwischen den Volkstribunen Trebellius und Dolabella und deren jeweiligen Anhängern ausgebrochen waren, habe Antonius gemeinsam mit den übrigen Volkstribunen für Ordnung sorgen sollen. Die Stelle impliziert, dass hier durch den Senat eine Regel suspendiert worden sei, wonach Antonius die Soldaten
291
Vgl. dazu ausführlich De Blois 1997. Dio 42,29,2: ταραχή τε οὖν καὶ ἐκ τούτων πολλὴ ἐγίγνετο, καὶ ὅπλα πολλὰ καὶ πανταχοῦ ἑωρᾶτο, καίτοι τῶν τε βουλευτῶν ἀπαγορευσάντων μηδὲν πρὸ τῆς τοῦ Καίσαρος ἀφίξεως καινοτομηθῆναι, καὶ τοῦ Ἀντωνίου μηδένα ἐν τῷ ἄστει ἰδιώτην ὁπλοφορεῖν. καὶ οὐ γὰρ ἐσήκουον, ἀλλὰ πάντα δὴ πάντως καὶ ἐπ’ ἀλλήλοις καὶ ἐπ’ ἐκείνοις ἐποίουν, τρίτη στάσις τοῦ τε Ἀντωνίου καὶ τῆς γερουσίας ἐγένετο· ἵνα γὰρ καὶ παρ’ αὐτῆς τά τε ὅπλα καὶ τὴν ἐξουσίαν τὴν ἀπ’ αὐτῶν, ᾗ φθάσας ἐχρῆτο, προστεθεῖσθαι νομισθείη, στρατιώτας τε ἐντὸς τοῦ τείχους τρέφειν καὶ τὴν πόλιν διὰ φυλακῆς μετὰ τῶν ἄλλων δημάρχων ποιεῖσθαι ἔλαβε. κἀκ τούτου Ἀντώνιος μὲν ἐν νόμῳ δή τινι πάνθ’ ὅσα ἐπεθύμει ἔδρα, Δολοβέλλας δὲ καὶ Τρεβέλλιος ὄνομα μὲν βιαίου πράξεως εἶχον, ἀντηγωνίζοντο δὲ ὑπό τε τῆς θρασύτητος καὶ ὑπὸ τῆς παρασκευῆς καὶ ἀλλήλοις καὶ ἐκείνῳ, ὥσπερ τινὰ καὶ αὐτοὶ ἡγεμονίαν παρὰ τῆς βουλῆς εἰληφότες („Auch das führte natürlich zu großer Verwirrung, und allenthalben konnte man viele Waffen sehen, obwohl die Senatoren jede Veränderung vor Caesars Ankunft und Antonius das Waffentragen von Privatleuten in der Stadt verboten hatten. Die Volktribunen jedoch kehrten sich nicht daran und erlaubten sich gegeneinander wie auch gegen die eben erwähnten Autoritäten ganz und gar jegliches Vorgehen. Daraufhin bildete sich eine dritte Partei, bestehend aus Antonius und Senat. Damit man nämlich glaube, dass seine Waffen und die darauf gegründete, von ihm übrigens schon vorher in Anspruch genommene Macht von dieser Körperschaft verliehen worden seien, ließ sich Antonius vom Senat das Recht einräumen, Soldaten innerhalb der Mauern halten und mit den anderen Volkstribunen zusammen die Stadt bewachen zu dürfen. So konnte Antonius alles, was er nur wollte, mit einem gewissen Schein von Gesetzlichkeit ausführen, während Dolabella und Trebellius nur dem Namen nach sich der Gewalttätigkeit schuldig machten, in Wirklichkeit aber infolge ihrer Frechheit und gestützt auf ihre Hilfsmittel einander sowie Antonius in einer Art bekämpften, als hätten auch sie eine gewisse Befehlsgewalt vom Senat übertragen erhalten.“ Übers. O. Veh).
292 Cass.
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nur oder wenigstens eher außerhalb der Stadtmauern als innerhalb hätte mit sich führen und einsetzen dürfen. Kann hier für Cassius Dio ein grundsätzliches Truppenverbot in der Stadt im Hintergrund gestanden haben? Aus mehreren Gründen ist auch dieses Zeugnis in dieser Hinsicht zu relativieren. Zunächst könnte man natürlich argumentieren, dass es hier lediglich um die Frage des imperium gegangen sein könnte. Dagegen spricht aber zugegebenermaßen die Tatsache, dass Cassius Dio hier die Stadtmauern und nicht das von ihm sonst allgemein und gerade auch in Bezug auf imperium „bevorzugte“ Pomerium nennt; eine Eigenheit, durch die er sonst gerade heraussticht, worauf wir zurückkommen werden. Außerdem spricht hier auch der Kontext dafür, dass es durchaus die Waffen sind, auf denen hier das Augenmerk liegt. Denn unmittelbar zuvor ist von der bereits erwähnten Verfügung des Antonius die Rede, nach der keine Privatperson – und dies bedeutet wohl keine dazu nicht öffentlich beauftragte Person – in der Stadt Waffen tragen dürfe, ungeachtet der Tatsache, dass auch Antonius selbst sich bereits im Vorfeld bewaffnet und von Bewaffneten umgeben gezeigt hatte, und das neue Verbot außerdem keinen nennenswerten Effekt gezeitigt hatte. Genau dieses Verbot lässt, wie bereits ausgeführt, erkennen, dass nach Cassius Dio das Tragen von Waffen im Stadtgebiet nicht schon von vornherein einen rechtlichen Verstoß darstellte, sondern eigens verboten werden konnte. Was Antonius nach Cassius Dio nun vom Senat verliehen wird, erscheint vor diesem Hintergrund nicht unbedingt als eine Ausnahme von einem grundsätzlichen Truppenverbot innerhalb der Stadt, auch wenn dies nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Es gibt aber mindestens zwei plausiblere Deutungsmöglichkeiten, die bei genauer Betrachtung des Kontexts deutlich werden: Zum einen kann es gut sein, dass es hier lediglich um eine Ausnahmeregelung geht, die Antonius und seine Anhänger von dem durch ihn selbst zuvor vorangebrachten Verbot des Waffentragens in der Stadt entband, indem er und seine Leute nun als von öffentlicher Seite Beauftragte galten. Dafür spricht, dass der Autor die Waffen des Antonius in der Überleitung ausdrücklich in den Vordergrund rückt: „damit man glaube, dass seine [des Antonius] Waffen […] und die darauf gestützte Macht ihm von dieser Körperschaft verliehen worden seien“ (ἵνα γὰρ καὶ παρ’αὐτῆς τά τε ὅπλα καὶ τὴν ἐξουσίαν τὴν ἀπ’ αὐτῶν […] προστεθεῖσθαι νομισθείη). Für den expliziten Verweis auf die Stadtmauer als Grenze ist aber auch noch eine weitere Erklärung denkbar: So könnte es auch sein, dass Cassius Dio eine solche Begrenzung auf das Stadtgebiet innerhalb der Mauern auch für die spätrepublikanischen Gesetze de vi annimmt, auf die er nämlich im Folgenden anspielt. Dass diese, wie erwähnt, eine solche Begrenzung faktisch wohl nicht enthielten, schließt dies nicht aus. Aufschlussreich für Cassius Dios eigene rechtliche Einordnung der in Rede stehenden Ereignisse sind aber auch seine Aussagen über die ja ebenfalls mit Waffengewalt vorgehenden Volkstribunen Trebellius und Dolabella: Deren Taten, so Dio, hätten zwar formal den Tatbestand der (politischen) Gewalt erfüllt (ὄνομα μὲν βιαίου πράξεως εἶχον), doch hätten sie faktisch genauso agieren können wie Antonius, nämlich so, als sei ihnen ihre Position ebenfalls vom Senat
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verliehen worden (ὥσπερ τινὰ καὶ αὐτοὶ ἡγεμονίαν παρὰ τῆς βουλῆς εἰληφότες). Hier meint der Autor vermutlich die erwähnten spätrepublikanischen leges de vi, welche die Volkstribunen – aber auch Antonius – offensichtlich verletzten. Dies bedeutet, dass er auch deren Verhalten im Horizont der Gesetzgebung zu politischer Gewalt einordnet und nicht als Verstöße gegen Sakralrecht. Wie dem auch sei, es wird aus dem weiteren Kontext des Abschnitts sehr deutlich, dass es dem Autor hier in erster Linie darum geht, die usurpierte Machtposition und das monarchische Gebaren des Antonius herauszustellen. So wird ausdrücklich betont, dass Antonius durch den Senatsbeschluss, lediglich seiner schon seit seiner Ankunft in Rom gepflegten Praxis, sich ständig von Soldaten begleiten zu lassen, den Anschein der Legitimität verlieh. In der Sache lag für Cassius Dio das Problem des innerstädtischen Einsatzes von Soldaten durch Antonius also primär darin, dass dies – neben anderen Aspekten von dessen Auftreten – Basis und sichtbarer Ausdruck einer quasimonarchischen Machtposition und einer allgemeinen Erosion der politischen Ordnung darstellte.293 Für ein umfassendes staats- oder gar sakralrechtliches Verbot des Waffentragens bzw. des bewaffneten Auftretens innerhalb bestimmter Stadtgrenzen bietet Cassius Dio aber keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Untersuchung hat bisher somit Folgendes gezeigt: Bei den in den Quellen greifbaren Normvorstellungen zum Waffentragen und zu räumlichen Beschränkungen für Truppen können insgesamt keine fundamentalen Tabus und auch keine grundsätzlichen Zusammenhänge mit Stadtgrenzen wie dem Pomerium nachgewiesen werden. Das Tragen (und auch das Besitzen) von Waffen wurde – von situativen, das Stadtgebiet insgesamt betreffenden Maßnahmen abgesehen – stets in Abhängigkeit von den jeweiligen Motiven bewertet und erst dann verboten bzw. kritisiert, wenn es entweder als Vorbereitung einer individuellen Gewalttat erschien oder eine politische Dimension besaß, also etwa beim Auftreten in politisch sensiblen Situationen, beim Besetzen von politisch wichtigen Orten oder beim privaten Horten größerer Waffenmengen. Dieser Bereich war also offenbar eher von Prinzipien als von festen Regeln bestimmt. Es gibt auch keine tragfähigen Hinweise darauf, dass reguläre Truppen als per se aus dem Stadtgebiet ausgeschlossen verstanden wurden, auch wenn diese sicher faktisch von gewissen Regelungen oder etablierten Praktiken betroffen waren. Diese betrafen die Möglichkeit, dass Magistrate und Promagistrate diese Truppen in die Stadt führten und dort befehligten, worauf 293 Entsprechend
zeigt sich im Übrigen an einer späteren Stelle im Werk (Cass. Dio 54,10,1–2), die sich auf das Jahr 19 v. Chr. bezieht, dass Leibgarden für andere Akteure als den Kaiser nun nicht mehr benötigt wurden: Der Consul C. Sentius Saturninus bekommt zwar vom Senat eine Leibgarde gewährt, weil es zu Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit der Besetzung der zweiten Consulstelle gekommen war. Dieser macht davon jedoch keinen Gebrauch, und schließlich klärt Augustus durch Benennung eines Kandidaten die Situation.
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im Folgenden einzugehen sein wird. Dass diese Unterscheidung in der Praxis oft auf dasselbe hinauslaufen musste, soll hier gar nicht in Abrede gestellt werden. Geht es aber darum, Aussagen über den spezifischen Charakter des Pomerium als Grenz von Friedens- und Kriegsbereich zu treffen, kann diese Differenzierung nicht ignoriert werden. Es kann vor allem nicht davon die Rede sein, Regelungen zur magistratischen Befehlsgewalt seien ein nachgeordnetes Phänomen zu einem prinzipiellen Ausschluss von allem Kriegerischen aus dem Stadtgebiet, da letztere Vorstellung sich im antiken Diskurs eben nicht greifen lässt. Die Regelungen und Praktiken rund um das militärische Kommando sind vielmehr als eigenständige Elemente der politischen Ordnung zu untersuchen, bei denen wiederum zu fragen ist, worin genau hier die Rolle von Stadtgrenzen bestand und ob dabei das Pomerium in spezifischer Weise maßgeblich war. Die Relevanz einer analytischen Unterscheidung zwischen einem Ausschluss von Waffen und Truppen einerseits, militärischer Befehlsgewalt andererseits, tritt spätestens dann unmittelbar zutage, wenn man sich den Verhältnissen der Kaiserzeit zuwendet. c) Militär im kaiserzeitlichen Rom Mit dem Übergang zum Prinzipat wurde die Präsenz von bewaffneten militärischen Einheiten im Stadtgebiet bekanntlich zum Dauerzustand, vor allem in Gestalt der Prätorianer, die sich als kaiserliche Leibgarde in der Stadt bewegten. Hinzu kamen weitere Einheiten wie etwa die dem praefectus urbi unterstellten Stadtkohorten.294 Diese dauerhafte Stationierung von Truppen in der Stadt stellte in der Sache zweifellos einen bedeutenden Einschnitt dar. Legt man die gängige Sicht zum Pomerium zugrunde, erscheint es dabei aber als ein bemerkenswerter Widerspruch, dass gerade Augustus, der einerseits in vielen Bereichen eine Restaurationspolitik im Hinblick auf (angeblich) aus der Frühzeit stammende sakrale Institutionen betrieb, andererseits den vermuteten sakralrechtlichen Ausschluss von Waffen und Truppen in drastischer und offensichtlicher Weise ignoriert haben sollte.295 Dies deutet schon daraufhin, dass die Annahme, es habe in der römischen Republik die Vorstellung eines sakralrechtlich entmilitarisierten Stadtgebietes gegeben, in Bezug auf die Kaiserzeit eher neue Fragen aufwirft als konkretes Handeln von Akteuren zu erklären. Nichtsdestoweniger haben einige Gelehrte gemeint, auch noch in der Kaiserzeit gewisse Spuren eines solchen Verständnisses ausmachen zu können, und zwar vor allem in dreierlei Hinsicht: Zum ersten wird die Tatsache, dass das unter Tiberius eingerichtete permanente Lager der Prätorianer auf dem Viminal
294
Vgl. zur faktischen Militärpräsenz im kaiserzeitlichen Rom ausführlich Busch 2011 und Busch 2007. 295 So z. B. ebd., 317 f. Nach republikanischem Verständnis sei die Truppenpräsenz in der Stadt sogar „Inbegriff der Verletzung des Sakralrechts“ (Busch 2011, 15).
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(Castra Praetoria)296, in dem auch die Stadtkohorten untergebracht waren, vor den Toren der Stadt errichtet wurde, mit einem noch vorhandenen Respekt für ein Waffen- bzw. Truppenverbot innerhalb des Pomerium in Verbindung gebracht.297 Zum zweiten wird immer wieder angenommen, dass sich das ursprüngliche Verbot des Waffentragens zumindest insoweit fortgesetzt habe, dass die Prätorianer innerhalb des Pomerium die Toga getragen und ihre Bewaffnung darunter versteckt gehalten hätten.298 Ähnliches oder gar eine völlige Abgabe von Waffen wird zum dritten auch als Norm für vorübergehend in der Stadt befindliche sonstige Soldaten postuliert, aus welchen Gründen auch immer sich diese dort befanden.299 Diese in Teilen der Forschung vertretenen Auffassungen stützen somit umgekehrt die Vorannahme, das Pomerium sei traditionell die sakrale Grenze für alles Militärische. Zum Abschluss dieses ersten Teils des Unterkapitels zum domi-militiae-Gegensatz soll daher auch bei diesen Annahmen eine Prüfung ihrer Quellengrundlage vorgenommen werden. Zunächst jedoch ist schon einmal festzuhalten, dass ein erheblicher Teil der Spezialliteratur zu den Prätorianern, welche den genannten Auffassungen zur Ortswahl des Lagers und zur Bewaffnung zwar in der Sache im Wesentlichen folgt, diese nicht oder wenigstens nicht ausdrücklich mit dem Pomerium und mit Sakralrecht verknüpfen.300 Stattdessen wird hier mehrheitlich – und durchaus plausibel – von machtstrategischer Zurückhaltung gegenüber dem „civilian sentiment“ oder Ähnlichem gesprochen.301 Solche durch die Bürgerkriegserfahrung zusätzlich befeuerten Widerstände302 hätten besonders die frühen Kaiser durch die
296
Als Datierungen werden 20 und 23 n. Chr. diskutiert, vgl. dazu z. B. Bingham 2013, 70 f. 297 Witcher 2013, 210; Busch 2007, 223; Patterson 2000, 91; Rüpke 1990, 57; Premerstein 1937, 111; Karlowa 1896, 49; Nissen 1885, 217 f. 298 Pogorzelski 2014, 20; Rüpke 2001, 130; Rüpke 1990, 35 und 57; Karlowa 1896, 49; Nissen 1885, 218. Ohne das Pomerium ausdrücklich anzusprechen, plädierten u. a. auch schon Mommsen 1887/88, I, 431 Anm. 3; Premerstein 1937, 110 (mit weiterer älterer Lit.); Grant 1974, 89, und Rankov 1994, bs. 5, 24 und 31 für die Toga (ggf. sogar über der Rüstung, so R ankov 2015, 778) als übliche Dienstkleidung in der Stadt. 299 Favro 2008, 285; Rüpke 2001, 130; Rüpke 1990, 35 f. und 57. Von einer Kontinuität dieser Regeln bis mindestens in 3. Jh. n. Chr. geht Sofia 2012, 113 Anm. 5, aus. Ebenfalls nicht zu belegen ist die These (z. B. Pogorzelski 2014, 21; Töpfer 2011, 219, 262) die Soldaten hätten – selbst bei Triumphen – keine Feldzeichen mit über das Pomerium bringen und dabei auch keine Rüstungen tragen dürfen. 300 Unter diesen eher die Ausnahme bilden die oben zitierten Beiträge von Busch (siehe oben Anm. 294) sowie das eher populärwissenschaftliche Werk von Pogorzelski 2014, 20 f. 301 R ankov 2015, 778. 302 Dies betont zurecht Busch 2007, 317 f.
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Art der Bewaffnung und Unterbringung der Truppen bewusst vermeiden wollen.303 Auch wird hier in der Regel nicht behauptet, die Bewaffnung der Prätorianer sei faktisch unsichtbar gewesen304, und ebenso wenig, dass Auftritte in voller Rüstung in der Stadt gar nicht vorgekommen seien, was zudem eindeutig der Quellenlage widerspricht.305 Dies vorweggeschickt, gilt es die wenigen Stellen, die für eine Relevanz des Pomerium und von Sakralrecht in diesem Zusammenhang angeführt werden, umso kritischer zu betrachten.
Castra Praetoria – die Prätorianer aus der Stadt ausgelagert? Tatsächlich ist auffällig, dass das Lager der Prätorianer außerhalb der Linie der Servianischen Mauer und auch des damaligen Pomerium angelegt wurde.306 Direkte Belege dafür, dass in diesem Zusammenhang das Pomerium und damit verbundene Vorstellungen eine Rolle spielten, gibt es allerdings nicht. Für einen erheblichen Teil der in späterer Zeit eingerichteten kleineren militärischen Anlagen Roms stellt sich diese Frage ohnehin nicht, da diese sicher innerhalb des dann ja erweiterten und teilweise rekonstruierbaren Pomerium lagen, wenn auch in der Regel außerhalb des republikanischen Mauerrings.307 Im Hinblick auf das Lager der Prätorianer ist zudem zu berücksichtigen, dass der Bau einer Militäranlage von dessen Ausmaßen innerhalb des Stadtgebietes weder in politischer noch in pragmatischer Hinsicht besonders nahe lag. Die Provokation, die dies allein aufgrund der Ausmaße des Bauwerks zweifellos bedeutet hätte, liegt auch unabhängig von rechtlichen Aspekten auf der Hand. Auch wenn die Beschaffung des notwendigen Baulandes auch an einigen wenigen Orten innerhalb der Stadtmauer wohl möglich gewesen wäre, ohne dafür bestehende Gebäude abzureißen, bleiben doch Fragen des Grundstückseigentums respektive von Enteignungen ein möglicher Faktor.308 Nicht zu vergessen ist dabei auch, dass der Bereich zwischen den Castra Praetoria und der Stadtmauer
303 Vgl.
De la Bédoyère 2017, 48 und 171; Bingham 2013, 69; Campbell 2001, 262; Keppie 1996, 120; R ankov 1994, bs. 5, 24, 31; Durry 1938, 45. 304 Dass Prätorianer sich auf Grabreliefs in der Toga darstellen ließen, bedeutet selbstverständlich nicht, dass sie diese als Dienstkleidung ansahen, vgl. zur privaten Selbstdarstellung ausführlich Busch 2007 (anders Durry 1938, 207 mit entsprechenden Verweisen). 305 Z. B. Tac. ann. 12,36; Suet. Nero 13; Cass. Dio 62,4; dazu ausführlich Bingham 2013, 76. Vgl. auch De la Bédoyère 2017, 138; Busch 2011, 26; R ankov 1994, 5. 306 Wie die Fundorte der Cippi nahelegen, befand es sich auch nach den Erweiterungen des 1. Jh. n. Chr. noch außerhalb des Pomerium, siehe Abb. 9 (Kap. 4.1.6). 307 Dazu Busch 2007, 323 f. und 341. 308 Busch 2007, 323, verweist hier etwa auf den später von den Diokletianthermen eingenommen Bereich; dagegen De la Bédoyère 2017, 171 f.
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als Exerzierplatz der Prätorianer (Campus Praetorianus) freigehalten wurde309, der militärisch genutzte Bereich also noch deutlich größer als das eigentliche Lager war. Bei militärischen Anlagen ist ferner immer mit gewichtigen strategischen Faktoren zu rechnen. Die spezifische Lage, erhöht und gut erreichbar, mag in dieser Hinsicht eine Rolle gespielt haben: Von dort führte eine gerade Straße direkt zum ca. 1,5 km entfernten Forum Romanum und zum Palatin, eine weitere Straße verlief parallel auf der anderen Seite der Befestigungsanlage, sodass diese genau den Zwischenraum einnahm.310 Schließlich könnte genauso wie die Zentralisierung auch die gewisse Separierung von der Stadt im Hinblick auf die Disziplin der Truppen vorteilhaft gewirkt haben.311 Es gibt also eine ganze Reihe von denkbaren Faktoren, die zur Wahl des Standortes für das Prätorianerlager beigetragen haben mögen. Außerdem ist festzuhalten, dass Prätorianer und Stadtkohorten die Stadt ja ohnehin, und zwar bewaffnet, betraten und zudem vor dem Bau des Lagers bereits innerhalb der Mauern in über die Stadt verteilten Privathäusern untergebracht gewesen waren312, wobei Augustus freilich, so Sueton, immer nur drei von neun Prätorianerkohorten zugleich in der Stadt hielt und die übrigen im weiteren Umland unterbrachte.313 309
Vgl. dazu z. B. Keppie 1996, 111 Anm. 90, auch für Quellenbelege. Zur strategischen Lage vgl. bs. De la Bédoyère 2017, 171 f.; Bingham 2013, 71, und Busch 2007, 320 und 323, die ähnliches auch für die später errichteten und kleineren Militäranlagen in Rom betont. Dass die Lage der Castra Praetoria auch Nachteile hatte, soll hier nicht in Abrede gestellt werden, aber der Schluss, dass deshalb zwingend „respect for traditional sacral laws“ (ebd., 323) entscheidend gewesen sein soll, ist dennoch nicht haltbar. 311 Durry 1938, 5. Vgl. Tac. ann. 4,2,1: Vim praefecturae modicam antea intendit, dispersas per urbem cohortis una in castra conducendo, ut simul imperia acciperent numeroque et robore et visu inter se fiducia ipsis, in ceteros metus oreretur. praetendebat lascivire militem diductum; si quid subitum ingruat, maiore auxilio pariter subveniri; et severius acturos si vallum statuatur procul urbis inlecebris („Die Macht des Präfekten, die bis dahin gemäßigt war, erhöhte er [Sejan] dadurch, dass er die über die Stadt hin verstreuten Kohorten in ein einziges Lager zusammenzog, so könnten sie die Befehle gleichzeitig erhalten. Auch würden die Gesamtzahl und Schlagkraft und der gegenseitige Anblick – für die Soldaten Selbstvertrauen, für Außenstehende Furcht erwachsen lassen. Er schützte vor, dass sich Soldaten, die getrennt untergebracht seien, leichter gehen ließen; wenn eine plötzliche Gefahr auftrete, könne man gleichzeitig mit einem größeren Aufgebot eingreifen; auch würden die Soldaten eine strengere Disziplin halten, wenn ein befestigtes Lager errichtet werde fern von den Verlockungen der Stadt.“ Übers. E. Heller, mit wenigen Änderungen). 312 Ebd. und Suet. Tib. 37,1: praetorianae cohortes vagae ante id tempus et per hospitia dispersae continerentur. 313 Suet. Aug. 49,1. Dass damit lediglich die Stadtkohorten gemeint sein sollten, wie in der Forschung schon vorgeschlagen wurde, ist m. E. eher unwahrscheinlich. Auch ist möglich, dass Sueton lediglich eine Situation zu Beginn des augusteischen Prinzipats reflektiert und allmählich auch weitere Kohorten in die Stadt geholt wurden. Zu diesen Diskussionen z. B. Bingham 2013, 70 mit Anm. 142 (177); Keppie 1996, 114. 310
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Selbst wenn all diese Gesichtspunkte eine zusätzliche Relevanz des Pomerium in diesem Kontext nicht unmöglich machen, so gibt es doch keine Hinweise darauf. Insgesamt hat die Forschung zu den Prätorianern den auf die Initiative des wohl prominentesten Pratorianerpräfekten Aelius Seianus (Sejan) zurückgehenden Vorgang der Einrichtung der Castra Praetoria vor den Mauern schließlich – und mit guten Gründen – keineswegs als einen Ausdruck der Zurückhaltung betrachtet, etwa dahingehend, dass die cohortes praetoriae von nun an außerhalb des Stadtgebiets untergebracht waren. Ganz im Gegenteil: Die Militärpräsenz war so, auch angesichts der regelmäßig von dort durch die Stadt zum Palatin und wieder zurück ziehenden Einheiten, eher noch manifester geworden als unter Augustus.314 Auch waren diese Einheiten nun natürlich leichter zu organisieren und zu kontrollieren als bei verstreuter Unterbringung, was zwar vielleicht die Sicherheit der Zivilbevölkerung erhöht haben dürfte, aber den politischen Einfluss der Prätorianer auf Dauer erheblich stärkte, wie es Sejan wohl auch beabsichtigt haben dürfte.315
Prätorianer in der Stadt in „Zivilkleidung“? Als ebenso problematisch erweist sich die These, wonach die Prätorianer im Stadtgebiet in der Regel die Toga getragen und ihre Waffen darunter verdeckt gehalten hätten.316 Sie stützt sich besonders auf eine Stelle in Tacitus’ Historien, genauer gesagt auf eine Rede des Otho an seine Legionssoldaten. Darin behauptet dieser, sein Gegner Galba werde in Rom lediglich von einer cohors togata bewacht, die ihn im Ernstfall nicht verteidigen werde und daher keine Gefahr darstelle.317 Dieser nur an dieser Stelle auftauchende Begriff wird nun gelegentlich geradezu als technischer Ausdruck für in der Stadt diensthabende Prätorianer gedeutet, die mit unter der Toga verdeckten Waffen aufgetreten seien, solange sie sich innerhalb des Pomerium befanden.318 Diese Deutung ist jedoch alles andere als zwingend. Zum einen ist gerade im Kontext einer Rede an Legionssoldaten der Gegenseite nicht sicher, ob der Ausdruck tatsächlich so wörtlich zu verstehen ist, dass die be314 Vgl.
Busch 2011, 25; Durry 1938, 43–45. Vgl. Tac. ann. 4,2,1 und z. B. Bingham 2013, 70. Den beabsichtigten Machtzuwachs der Prätorianer durch das neue Lager betonte auch schon Mommsen 1887/88, II, 864. Vgl. auch Flaig 1992, 240 f. 316 Vgl. zum Folgenden v. a. Bingham 2013, 77–79. Pogorzelski 2014, 21, geht sogar soweit, dass selbst bei Paraden und Triumphen Rüstungen nicht zulässig gewesen seien. 317 Tac. hist. 1,38: nec una cohors togata defendit nunc Galbam, sed detinet: cum vos adspexerit, cum signum meum acceperit, hoc solum erit certamen, quis mihi plurimum imputet („Die eine Kohorte in der Toga verteidigt jetzt nicht etwa den Galba, sondern sie hält ihn fest. Wenn sie euch erblickt, wenn sie mein Zeichen vernommen hat, dann wird der Wettstreit allein darum gehen, wem ich am meisten Dank schulde.“). 318 Bs. Rüpke 1990, 57 Anm. 187. 315
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treffenden Prätorianer im Dienst üblicherweise die Toga trugen. Fest steht lediglich, dass diese hier polemisch in die Nähe von Zivilisten gerückt werden sollen, indem darauf angespielt wird, dass sie in der Stadt einen dem normalen Stadtleben nahekommenden und damit deutlich leichteren Dienst zu leisten hätten als Soldaten im Feld.319 Unterstrichen wird dies noch durch den folgenden Abschnitt, wo diesen Prätorianern ausdrücklich mangelnder Mut und Käuflichkeit unterstellt werden. Diese Polemik würde freilich auch dann funktionieren, wenn der Ausdruck tatsächlich wörtlich zu verstehen sein sollte und es solche Einheiten in der Toga tatsächlich gab. Doch auch dies bedeutete noch lange nicht, dass Prätorianer generell innerhalb Roms ausschließlich oder überwiegend in der Toga auftraten, geschweige denn, dass dies mit Respekt für alte sakralrechtliche Vorschriften zusammenhing. Zumindest gegen einen regelmäßigen Einsatz in der Toga sprechen jedenfalls auch die erheblichen praktischen Nachteile dieses Kleidungsstücks vor allem in Bezug auf die Bewegungsfreiheit.320 Schließlich ist auch der Einsatz von bewaffneten Einheiten in der Toga durchaus auch neben normal gerüsteten Einheiten denkbar. Dies bezeugt jedenfalls explizit eine weitere Stelle bei Tacitus, und zwar in den Annalen im Zusammenhang mit dem Senatsgericht über Thrasea Paetus.321 Auch diese Stelle wird häufig auf die Prätorianer bezogen und als Beleg für ein regelmäßiges Verbergen der Waffen innerhalb des Pomerium genannt.322 Hier ist davon die Rede, dass sich vor der Versammlung des Senats bewaffnete Kohorten im gesamten Umfeld des Versammlungsgebäudes eingefunden hatten, während unmittelbar am Eingang ein „Haufen Togaträger“ (globus togatorum) standen, und zwar mit nicht bzw. schlecht verborgenen Schwertern (non occultis gladiis). Diese werden zwar nicht ausdrücklich als Prätorianer identifiziert, was aber für unsere Frage nicht entscheidend ist. Tatsächlich legt die Formulierung nahe, dass Tacitus eine Norm impliziert, wonach Waffen unter bestimmten Umständen, so sie denn mitgeführt wurden, doch wenigstens nicht gezeigt werden sollten. Doch gilt dies offenbar nur für diejenigen Einheiten am Eingang des Senatsgebäudes. Aus dem Kontext ergibt sich 319 So
Stoll 2001, 120 Anm. 54. Ähnlich zu verstehen ist wohl auch die Anrede als pagani in Tac. hist. 3,24. 320 Bingham 2013, 78 f. Bei dem hier ebenfalls angesprochenen Grabepigramm Martials (6,76) für einen Prätorianerpräfekten liegt aber schon ein sprachliches Missverständnis vor, da nicht der Präfekt, sondern der Kaiser als „Mars in der Toga“ bezeichnet wird (ille sacri lateris custos Martisque togati). Der z. B. von R ankov 2015, 778, R ankov 1994, 5, angeführte Beleg ist also schon deshalb hinfällig. 321 Tac. ann. 16,27. 322 Bs. Pogorzelski 2014, 20; Rüpke 1990, 57 Anm. 187. In der bei letzterem zitierten Literatur (Grant 1974, 89; Premerstein 1937, 110) finden sich jeweils vorsichtigere Deutungen ohne Verweis auf das Pomerium, und auch die angeführten Quellenbelege zeigen – anders als der Autor meint – keineswegs, dass das Wort togatus verdeckte Waffen implizieren könne.
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hingegen, dass die zuvor genannten, weiter entfernt stehenden cunei militares keine Toga und eine als normal angesehene Bewaffnung trugen. Vor dem Hintergrund etwa der lex Iulia de vi, wonach bewaffnetes Erscheinen im Senat verboten war, wird ein solches Vorgehen auch unmittelbar verständlich. Es wird eine maximale Drohkulisse bei – dem Anspruch nach – formaler Wahrung der Vorschriften erzeugt. Auf einen Reflex älterer sakralrechtlicher Bestimmungen für das ganze Stadtgebiet deutet hingegen auch hier nicht das Geringste hin. Dabei soll keineswegs behauptet werden, dass Prätorianer oder Soldaten allgemein auch in der Stadt üblicherweise in voller Rüstung auftraten. Auch dies ist zwar für besondere Anlässe durchaus bezeugt.323 Die jüngste Forschung zu den Prätorianern geht aber mit überzeugenden Argumenten davon aus, dass die Prätorianer in den meisten Fällen außerhalb von Feldzügen keine volle Rüstung trugen, wenngleich sie dennoch offensichtlich mit Speer, Schild und ggf. Schwert bewaffnet waren.324 So ausgestattet und mit dem kapuzenbesetzten Umhang, der paenula, über der Tunika bekleidet, erscheinen sie auch auf den zwei bekanntesten bildlichen Darstellungen, nämlich einem der sogenannten Cancelleria-Reliefs sowie auf dem Grabrelief des L. Septimius Valerinus.325 Martial spricht in einem Epigramm von einer „speerbewehrten Kohorte“ (pilata cohors), die zur achten Stunde durch eine andere ersetzt wird, höchstwahrscheinlich mit Bezug auf Prätorianer, welche zur Wachablösung regelmäßig vom Lager zum Palatin zogen.326 Äußerlich nicht als solche erkennbare Soldaten „in Privatkleidung“ (ἐν σχήματι ἰδιωτικῷ) sind hingegen lediglich für Spionage- bzw. Undercover-Aktionen bezeugt.327 All diese Befunde passen neben praktischen Vorteilen leichter Bewaffnung deutlich besser zu der bereits angesprochenen politischen Zurückhaltung im Sinne republikanischer Prinzipien als zu sakralrechtlichen Vorschriften und Stadtgrenzen. Gleiches gilt für den gesamten Aspekt der Sichtbarkeit bzw. Unsichtbarkeit der 323
Z. B. bei der Krönung des Tiridates zum König von Armenien durch Nero im Jahre 66 n. Chr. (Suet. Nero 13; Cass. Dio 62,4); allerdings werden bei Dio die schwerbewaffneten Truppen von den den Kaiser umgebenden „Speerträgern“ unterschieden (σὺν τοῖς δορυφόροις). Für weitere Belege für voll gerüstete Prätorianer vgl. Bingham 2013, 76 mit Anm. 190 (184), die aber nicht oder nicht eindeutig das innere Stadtgebiet betreffen. 324 De la Bédoyère 2017, 48 und 138; Bingham 2013, 76. 325 Großformatige Abbildungen z. B. bei R ankov 1994, 46, bzw. Busch 2007, 337; Bingham 2013, Abb. 8 und 15. De la Bédoyère 2017, 48, vgl. ausführlich Bingham 2013, 75–77. 326 Mart. 10,48,1–2: Nuntiat octavam Phariae sua turba iuvencae, et pilata redit iamque subitque cohors („Der pharischen Färse kündet ihre Schar die achte Stunde an, und die Kohorte, speerbewehrt, kommt schon zurück, die nächste folgt nach.“). Vgl. De la Bédoyère 2017, 171. 327 Epikt. 4,13,5. Der Kontext macht also eindeutig klar, dass es sich gerade nicht um die normale Kleidung von Soldaten handelt.
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Waffen. Denn ohne Zweifel dürfte es auch in der Kaiserzeit und besonders bei den Senatoren weiterhin Anstoß erregt haben, in der beschriebenen Weise mit bewaffneten Drohkulissen zu operieren. Auch dass unter bestimmten Umständen durch Zivilkleidung bzw. verdeckte Waffen eine gewisse Zurückhaltung demonstriert und vielleicht auch gesetzliche Verbote umgangen werden konnten, wird hier greifbar. All dies kann jedoch kaum überraschen und ist leicht auch ohne sakralrechtliche Vorschriften oder religiöse Tabus verständlich. Jedenfalls fehlt bei all diesen Stellen jegliche Bezugnahme auf das Stadtgebiet oder Stadtgrenzen; es sind vielmehr einmal mehr die politisch sensiblen Orte und Situationen, die im Zentrum stehen. So scheint sich auch der spätrepublikanische Diskurs einigermaßen nahtlos fortsetzen. Damit ist auch im Hinblick auf andere Abteilungen des römischen Militärs zu rechnen, die in der Kaiserzeit in verschiedenen Situationen in die Hauptstadt kamen.
Sonstige Truppen im kaiserzeitlichen Rom – unbewaffnet? Auch für andere Teile des römischen Militärs ist deren temporäre Präsenz im kaiserzeitlichen Rom anhand zahlreicher literarischer, epigraphischer und archäologischer Quellen unstreitig.328 Im Hinblick auf diese Truppen bleibt nun noch die dritte These zu prüfen, wonach diese, zumindest noch in der frühen Kaiserzeit, ihre Waffen innerhalb des Pomerium nicht hätten tragen dürfen, um so eine gewisse Kontinuität zum völligen Ausschluss von Truppen in der Republik zu wahren. Die einzige Stelle, die hinsichtlich der These, dass noch in der Kaiserzeit reguläre Truppen in der Stadt üblicherweise unbewaffnet sein mussten, nähere Betrachtung verdient, findet sich erneut in Tacitus’ Darstellung des Vierkaiserjahres.329 Konkret geht es hier um den Einzug Galbas in Rom, in dessen Verlauf es zu einem Massaker an dort bzw. vor der Stadt sich aufhaltenden Soldaten gekommen sein muss.330 Tacitus bezeichnet diese Getöteten als inermes, was z. B. Rüpke dahingehend zu deuten scheint, dass diese aufgrund des innerstädtischen Waffenverbots keine Waffen getragen hätten.331 Diese Interpretation ist jedoch mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen. Zunächst ist mit inermis wohl keine völlige Waffenlosigkeit, sondern eher eine unvollständige Ausrüstung gemeint, insbesondere in defensiver Hinsicht, wie eine Reihe anderer Belege für den Begriff nahelegt.332 Vor allem 328 Ausführlich
Busch 2011, und Busch 2007, dort auch eine kurze Übersicht über die Quellenlage (315 Anm. 2 und 3). 329 Zu Tacitus’ und Suetons Bericht über den Einzug des Vitellius – in Zivilkleidung aber an der Spitze seiner Truppen – siehe weiter unten in diesem Kapitel. 330 Tac. hist. 1,6,2. 331 Rüpke 1990, 35. 332 Z. B. Suet. Cal. 48,1: inermes, atque etiam gladiis depositis. Für weitere Belege und Literatur vgl. Morgan 2003, 495.
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aber wird aus den weiteren Bezugnahmen des Tacitus im weiteren Verlauf und ebenso aus den Berichten Suetons und Plutarchs deutlich333, dass das Ereignis keineswegs Soldaten innerhalb des bebauten Stadtgebiets oder gar intra pomerium betraf. Vielmehr handelte es sich um eine von Nero neu eingerichtete Legion ehemaliger Flottensoldaten (daher wohl auch die mangelnde Ausrüstung), die Legio I Adiutrix, die in einigem Abstand vor der Stadt von dem heranziehenden Galba die Bestätigung ihres Status als Legion verlangte.334 Als Galba diese Bestätigung nicht sofort gewährte und die Neu-Legionäre dies nicht akzeptieren wollten, ließ der Kaiser zunächst die Kavallerie einschreiten und, nachdem sich die Überlebenden ergeben hatten, eine decimatio durchführen, also jeden Zehnten hinrichten. Die Bemerkung des Tacitus, die Getöteten seien inermes gewesen, hat also nichts mit einem innerstädtischen Waffenverbot zu tun. Weder ist inermis hier als wirkliche Waffenlosigkeit (also z. B. ohne Schwerter) zu verstehen, noch verortet auch nur einer der immerhin vier Autoren, deren Berichte über das Ereignis uns vorliegen, das Geschehen im Innern der Stadt. Dieses wird vielmehr stets im Gebiet der Milvischen Brücke (Tacitus) oder jedenfalls in deutlichem Abstand vor der Stadt angesiedelt.335 Auch die auf kaiserzeitliche Verhältnisse bezogenen Zeugnisse belegen also in keiner Weise die Annahme, dass Truppen in Rom regelmäßig unbewaffnet waren und so die Vorstellung eines sakralrechtlich demilitarisierten Stadtgebietes intra pomerium gewahrt hätten. Während die zuletzt besprochene Stelle gar nicht in den Zusammenhang von Militär im Stadtgebiet gehört, fügen sich die Zeugnisse zu Unterbringung und Ausrüstung der Prätorianer gut in den republikanischen Diskurs ein, wonach Waffen und Soldaten in der Stadt dann kritisch betrachtet werden, wenn sie ein Sicherheitsrisiko darstellen sowie in innenpolitischen Auseinandersetzungen eingesetzt werden bzw. werden könnten. Entscheidend waren dabei aber weniger Stadtgrenzen als vielmehr spezifische Situationen und Orte. Im Hintergrund stehen nicht sakralrechtliche Regeln, sondern die im Grundsatz gleichen Prinzipien einer möglichst von Militär freien Innenpolitik, wobei lediglich das Ausmaß, in dem man diesen in der Praxis entsprach, sich grundlegend gewandelt hatte.
333
Tac. hist. 1,31,2; 37,2–3; 87,1; Suet. Galba 12,1–2; Plut. Galba 15,3–4. bei Cass. Dio 64,3,1 handelt es sich um δορυφόροι τοῦ Νέρωνος, womit zweifellos Prätorianer gemeint sind. 335 Tac. hist. 1,87,1; Plut. Galba 15,3 (ἀπεῖχε τῆς πόλεως περὶ πέντε καί εἴκοσι σταδίους); Cass. Dio 64,3,1 (ὡς δ’ ἐπλησίασε τῇ πόλει). 334 Lediglich
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Kaiserzeitliche Bewertungen von Truppen und deren Einzug in die Stadt Dieser Eindruck bestätigt sich schließlich auch, wenn man direkte Bewertungen von Militär in Waffen in der Stadt in der Kaiserzeit durch antike Autoren betrachtet. Interessante Stellen betreffen hier v. a. den konkreten Einmarsch von bestimmten Kaisern in Rom im Zusammenhang ihrer Machtübernahme. Und auch in diesem Kontext sind zunächst historiographische Darstellungen des Vierkaiserjahres 69 n. Chr. aufschlussreich, so etwa die Berichte des Tacitus und Suetons über den Einzug des Vitellius im Juli.336 Übereinstimmend in ihrer Ablehnung des Vitellius berichten beide Historiker, dass dieser an der Spitze eines großen Heeres mit allen Waffen und Feldzeichen einrückte. In beiden Fällen sind es indes nicht in erster Linie die Truppen, sondern vor allem das Auftreten des Kaisers selbst, das im Zentrum der Betrachtung steht. Nach Tacitus wird Vitellius immerhin noch im letzten Moment von seinen Freunden davon überzeugt, für den Einmarsch in Rom die Toga, also Zivilkleidung anzulegen und vom Pferd zu steigen, damit der Adventus nicht wie der Einmarsch in eine eroberte Stadt erscheinen solle (quo minus ut captam urbem ingrederetur).337 Diese Begründung ist aufschlussreich, da sie ja gerade kein rechtliches Argument darstellt, auch nicht im Sinne einer Anknüpfung an früheres Recht: Betont wird vielmehr ausschließlich die öffentliche Symbolwirkung eines Einzugs in militärischer Kleidung und die Möglichkeit für Vitellius, in dieser Hinsicht guten Willen zu zeigen. Dies musste auch gerade nach den Erfahrungen des laufenden Jahres, insbesondere im Angesicht des Schicksals Galbas, ratsam erscheinen. Natürlich kann man ein solches Vorgehen des Vitellius auch als Versuch einer Anknüpfung an die übliche republikanische Praxis bei der Rückkehr von Befehlshabern nach Rom deuten.338 Diese und ihr Zusammenhang mit Stadtgrenzen werden im folgenden
336
Tac. hist. 2,88 f.; Suet. Vit. 10,2–11,1. hist. 2,89: Ipse Vitellius a ponte Mulvio insigni equo, paludatus accinctusque, senatum et populum ante se agens, quo minus ut captam urbem ingrederetur, amicorum Consilio deterritus: sumpta praetexta et composito agmine incessit („Vitellius selbst, der auf stattlichem Roß, im Feldherrnmantel und schwertgegürtet von der mulvischen Brücke herkam und den Senat und das Volk vor sich herdrängte, wurde durch den Rat seiner Freunde davon abgebracht, in Rom wie in einer eroberten Stadt einzuziehen; so legte er eine purpurverbrämte Toga an und rückte mit dem Heer in Reih und Glied ein.“ Übers. J. Borst). Vgl. die ähnliche Formulierung in Appians Bericht über den Einmarsch Sullas (b.c. 1,58): ὁ Σύλλας ἐς τὴν πόλιν ἐχώρει δόξῃ καὶ ἔργῳ πολεμίου. 338 Zuletzt Koortbojian 2010, 272–274, = Koortbojian 2020, 40–42. Die Stelle wird hier im noch spezifischeren Kontext von imperium diskutiert, wobei Koortbojian aber selbst einräumt, dass Vitellius bereits umfassende Befehlsgewalt besaß. Zu den mit dem magistratischen imperium zusammenhängenden Fragen siehe das folgende Unterkapitel. 337 Tac.
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Unterkapitel Thema sein. Festzuhalten ist aber, dass Tacitus’ Bericht bei aller Ablehnung einen solchen Zusammenhang nicht herstellt, weder im Hinblick auf Vitellius selbst noch auf seine Soldaten. Die gleiche Haltung zu Vitellius ist auch im Bericht Suetons über dasselbe Geschehen zu beobachten, der zudem von einem Einzug des Kaisers in der Toga nichts weiß: Er betont vielmehr ausdrücklich, dass Vitellius in vollem militärischen Aufzug (paludatus ferroque succintus) und umgeben von den sichtbar bewaffneten Truppen339 in Rom einmarschierte. Interessant für unsere Fragestellung ist hier jedoch, dass Suetons Kritik daran sich nicht auf die Hauptstadt beschränkt. Vielmehr stellt er es schon zuvor als Zeichen der charakterlichen Nichteignung des Vitellius dar, dass dieser auf seinem ganzen Zug nach Rom immer wieder mitten durch Städte gezogen sei wie ein Triumphator (per medias civitates ritu triumphantium).340 Diese Bemerkung, die zudem im Kontext einer Auflistung von Ausschweifungen auf dem Marsch steht, macht ebenfalls klar, dass es Sueton hier nicht um die Verletzung einer – womoglich früher einmal – sakralrechtlich entmilitarisierten Hauptstadt ging, sondern um die an seinem ganzen Auftreten erkennbaren Charakterzüge und politischen Botschaften des Kaisers. Die Bewertung der Soldaten erfolgt sowohl bei Tacitus als auch bei Sueton nach anderen Maßstäben, wobei auch diese in keinem erkennbaren Zusammenhang mit Stadtgrenzen als solchen steht. Sueton äußert sich gar nicht speziell zum Verhalten oder zur Präsenz der Soldaten in der Stadt, beschreibt das Heer des Vitellius aber grundsätzlich als disziplinlos und gewalttätig gegenüber der Zivilbevölkerung, die mit ihm während des Marsches in Kontakt kam. Tacitus hingegen lobt sogar den geordneten Einmarsch in Rom, gerade auch den Glanz der Waffen, als prächtigen Anblick eines Heeres, das eines anderen Anführers als Vitellius würdig gewesen wäre (armis donisque fulgentes […] decora facies et non Vitellio principe dignus exercitus). Kritisch betrachtet wird hingegen die Unruhe im Vorfeld des eigentlichen Einzugs. Sowohl dadurch, dass eine Volksmenge dem Heer entgegenströmte, als auch durch in die Stadt vorlaufende Soldaten sei es zu Unruhe und gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. So waren laut Tacitus etwa Teile des Heeres in Waffen zum Forum gelaufen, um die Stelle zu sehen, an der die Leiche Galbas gelegen hatte. Dabei sei es durch die Ungeschicklichkeit der bewaffneten Soldaten in der Volksmenge, die – teils in Tierfelle gekleidet und zahlreiche riesige Speere tragend (tergis ferarum et ingentibus telis horrentes) – mit Zivilpersonen zusammenstießen, zu Handgreiflichkeiten und Schwerteinsatz gekommen: Insgesamt ein wildes Schauspiel (saevum spectaculum), an dem auch nicht nur die untersten Ränge beteiligt waren: Sogar Tribune und Präfekten seien
339
Suet. Vit. 11,1: urbem denique ad classicum introiit paludatus ferroque succinctus, inter signa atque vexilla, sagulatis comitibus ac detectis commilitonum armis. 340 Suet. Vit. 10,2.
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dabei mit bewaffneten Haufen (catervis armatorum) durch die Straßen gezogen und hätten Schrecken (cum terrore) verbreitet.341 Es ist also vor allem die allgemeine Unordnung in der Stadt und die Anwesenheit ungeordneter, disziplinloser Bewaffneter, die Tacitus’ Abscheu erregt. Es geht erkennbar nicht um die bloße Überschreitung bestimmter Stadtgrenzen. Die Waffen selbst werden dabei nicht wegen ihrer bloßen Sichtbarkeit in der Stadt, sondern primär insofern als Problem beschrieben, als sie bei ungeschickter Bewegung im Gedränge hinderlich waren und zudem zur Gefahr bei spontanen Auseinandersetzungen werden konnten. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass es sowohl Tacitus als auch Sueton insgesamt darum gehen dürfte, Vitellius als einen Anführer darzustellen, der derartiges tolerierte. All dies zeigt deutlich, dass Militärpräsenz in Rom zwar von bestimmten Kreisen und in bestimmter Hinsicht kritisiert wurde. Die Vorstellung einer rechtlich entmilitarisierten Stadt intra pomerium spielte dabei aber keine greifbare Rolle. Dabei bleibt festzustellen, dass auch noch Jahrhunderte später, in einer Zeit also, als die Republik endgültig der fernen Vergangenheit angehörte, bewaffnete Truppen in der Stadt mit sehr ähnlichen Maßstäben bewertet wurden, jedenfalls in senatorischen Kreisen.342 Als Beispiel und zugleich als Beleg für die lange Kontinuität dieser Haltungen soll die Darstellung der diesbezüglichen Politik der Severer in der Geschichtsschreibung angeführt werden. Unter severischer Herrschaft fand bekanntermaßen geradezu eine Militarisierung des städtischen Raumes statt.343 Wie dies zumindest in Teilen der Bevölkerung aufgenommen wurde, zeigen etwa die Berichte über den von Truppen begleiteten Einzug des Septimius Severus in Rom in der Historia Augusta und in der Cassius-Dio-Epitome, obwohl diese sich durchaus unterscheiden. Cassius Dio lobt – ähnlich wie Tacitus bei Vitellius – zwar
341
Tac. hist. 2,88,2–3: In urbe tamen trepidatum praecurrentibus passim militibus; forum maxime petebant, cupidine visendi locum in quo Galba iacuisset. Nec minus saevum spectaculum erant ipsi, tergis ferarum et ingentibus telis horrentes, cum turbam populi per inscitiam parum vitarent, aut ubi lubrico viae vel occursu alicuius procidissent, ad iurgium, mox ad manus et ferrum transirent. Quin et tribuni praefectique cum terrore et armatorum catervis volitabant („In Rom jedoch ging es, da massenhaft Soldaten vorauseilten, aufgeregt zu. Vor allem liefen sie zum Forum, begierig den Platz zu sehen, wo Galbas Leiche gelegen habe. Ein ungemütliches Schauspiel war es auch, wenn die Leute, die in struppigen Tierfellen und mit ungeheuren, emporstarrenden Waffen daherkamen, infolge ihrer Ungeschicklichkeit dem Volksgedränge nicht recht auswichen oder, wenn sie teils auf dem schlüpfrigen Boden, teils bei einem Zusammenstoßen ausglitten, zu Gezänk und dann zu Handgreiflichkeiten und Schwerthieben übergingen. Sogar Tribunen und Präfekten trieben sich zum allgemeinen Schrecken mit Haufen von Bewaffneten herum.“ Übers. J. Borst). 342 Dass der Großteil der Stadtbewohner exerzierende Truppen in voller Rüstung jedoch gerne beobachtete zeigt Tac. ann. 12,36, vgl. auch Busch 2011, 25. 343 Vgl. ausführlich, auch zum Folgenden Busch 2013.
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ausführlich das Schauspiel des Einzugs selbst, bei dem die Truppen voll gerüstet in die Stadt einrückten, nämlich als „die glänzendste Schau, die ich je gesehen habe“ (ἡ θέα πασῶν ὧν ἑόρακα λαμπροτάτη)344. Zudem wird zwar betont, dass der Kaiser selbst, und nur er, am Stadttor vom Pferd abgestiegen sei und Zivilkleidung angelegt habe, ebenfalls ähnlich wie dies Tacitus über Vitellius berichtet hatte. Zugleich wird aber auch ausdrücklich erklärt, dass die folgende Präsenz so vieler Truppen in der Stadt dem Autor und der Senatorenschaft nicht gefiel, weil dadurch Unruhe entstanden sei (ἐπὶ τῷ πλήθει στρατιωτῶν ὀχλώδη τὴν πόλιν ποιῆσαι).345 Noch wesentlich drastischer fallen die Darstellung und das Urteil des Autors der Historia Augusta aus346: Nicht nur ist hier keine Rede von Zivilkleidung des Kaisers. Dieser
Cass. Dio epit. 75,1,3–2,3, bs. 1,3 f. und 2,2 f.: πράξας δὲ ὁ Σεουῆρος ταῦτα ἐς τὴν Ῥώμην ἐσῄει, [καὶ] μέχρι μὲν τῶν πυλῶν ἐπί τε τοῦ ἵππου καὶ ἐν ἐσθῆτι ἱππικῇ ἐλθών, ἐντεῦθεν δὲ τήν τε πολιτικὴν ἀλλαξάμενος καὶ βαδίσας· καὶ αὐτῷ καὶ ὁ στρατὸς πᾶς, καὶ οἱ πεζοὶ καὶ οἱ ἱππεῖς, ὡπλισμένοι παρηκολούθησαν. καὶ ἐγένετο ἡ θέα πασῶν ὧν ἑόρακα λαμπροτάτη· ἥ τε γὰρ πόλις πᾶσα ἄνθεσί τε καὶ δάφναις ἐστεφάνωτο καὶ ἱματίοις ποικίλοις ἐκεκόσμητο, φωσί τε καὶ θυμιάμασιν ἔλαμπε („Nach dieser Maßnahme hielt Severus seinen Einzug in Rom. Bis hin zu den Toren war er zu Pferd und trug Reiteruniform, von dort wählte er bürgerliche Tracht und ging zu Fuß. Und das gesamte Heer, Fußvolk wie Reiterei, gab ihm in voller Rüstung das Geleit. Es war die allerglänzendste Schau, der ich jemals beigewohnt habe; denn die ganze Stadt war mit Blumen und Lorbeerzweigen bekränzt und mit bunten Tüchern geschmückt, strahlte von Fackeln und loderndem Räucherwerk“ Übers. O. Veh). 345 Cass. Dio epit. 75,2,2 f.: καὶ πολλὰ μὲν ἡμῖν οὐ καταθύμια ἔπραττεν, αἰτίαν τε ἔσχεν ἐπὶ τῷ πλήθει στρατιωτῶν καὶ πολλὰ μὲν ἡμῖν οὐ καταθύμια ἔπραττεν, αἰτίαν τε ἔσχεν ἐπὶ τῷ πλήθει στρατιωτῶν ὀχλώδη τὴν πόλιν ποιῆσαι […] („Er traf auch viele Maßnahmen, die nicht unserem Geschmack entsprachen. So beklagte man sich, dass er die Stadt durch die Anwesenheit von so zahlreichem Militär in Unruhe bringe […]“ Übers. O. Veh). Die schärfste Kritik des Autors an der kaiserlichen Militärpolitik richtet sich indes gegen etwas anderes, nämlich die Ersetzung der italischen Prätorianer durch Einheiten aus den Provinzen; diese zeichneten sich durch ein wildes Erscheinungsbild sowie ungehobelte Sprache und Umgangsformen aus (75,2,6): καὶ τὸ ἄστυ ὄχλου στρατιωτῶν συμμίκτου καὶ ἰδεῖν ἀγριωτάτων καὶ ἀκοῦσαι φοβερωτάτων ὁμιλῆσαί τε ἀγροικοτάτων ἐπλήρωσε („und er füllte außerdem die Stadt mit einer buntgemischten Masse von Soldaten, gar wild in ihrem Aussehen, höchst schreckenerregend in ihrer Sprache, durchwegs bäuerisch im Umgang.“ Übers. O. Veh). 346 HA Sept. Sev. 7,1–7: Ingressus deinde Romam armatus cum armatis militibus Capitolium ascendit. inde in Palatium eodem abitu perrexit praelatis signis, quae praetorianis ademerat, supinis, non erectis. tota deinde urbe milites in templis, in porticibus, in aedibus Palatinis quasi in stabulis manserunt, fuitque ingressus Severi odiosus atque terribilis, cum milites inempta diriperent vastationem urbi minantes. alia die armatis stipatus non solum militibus, sed etiam amicis in senatum venit. […] sed cum in senatu esset, milites per seditionem dena milia poposcerunt a senatu exemplo eorum, qui Augustum Octavianum Romam deduxerant tantumque acceperant. et cum eos voluisset comprimere Severus nec potuisset, tamen mitigatos addita liberalitate dimisit („Danach hielt er in voller Rüstung 344
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wird darüber hinaus so dargestellt, als habe er sich in der Folgezeit dem Druck der anwesenden Truppen, bestimmte Entscheidungen in ihrem Sinne zu treffen, kaum erwehren können; auch sei der Senat direkt bedroht worden. Bei allen Unterschieden zwischen Cassius Dio und der Historia Augusta ist jedoch auch für diese beiden Berichte festzustellen, dass selbst im Kontext scharfer Kritik an der Truppenpräsenz in der Stadt keine Anzeichen dafür zu erkennen sind, dass diese an sich schon als Normverstoß verstanden worden wäre. Ebenso wenig deutet darauf hin, dass von diesen Truppen erwartet worden wäre, ihre Waffen vor Betreten der Stadt abzugeben oder sie in irgendeiner Weise verdeckt zu halten. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen auch hier wieder die Gesichtspunkte der inneren Sicherheit und, ähnlich wie in Dios Darstellung der späten Republik, die mögliche Beeinflussung politischer Entscheidungen. Dass auch das äußere Erscheinungsbild der Soldaten dabei sicher einen wichtigen Faktor dafür darstellte, wie deren Auftreten bewertet wurde, ist naheliegend und auch an anderer Stelle belegt.347 In Plinius’ Panegyrikus auf Trajan betont der Autor dagegen, dass beim Adventus Trajans die Soldaten sich, was ihre äußere Erscheinung und ihr zurückhaltendes Auftreten betraf, nicht vom Volke unterschieden hätten: milites nihil a plebe habitu tranquillitate modestia differebant.348 Dies zeigt zum einen gerade, dass dies nicht dem Normalfall, ja vielleicht nicht einmal der Realität unter Trajan entsprach, zum anderen, nach welchem Maßstab Soldaten in der Stadt von der senatorischen Schicht bewertet wurden. Die Untersuchung auch von Berichten über entsprechende Ereignisse der Kaiserzeit hat somit ebenfalls keine Grundlage dafür geliefert, von einem Bewusstsein für sakralrechtliche Waffen- oder Truppenverbote in Rom auszugehen. Ebenso wenig spielten klar markierte Stadtgrenzen in den untersuchten Stellen eine nennenswerte mit bewaffneter Heeresmacht seinen Einzug in Rom und stieg zum Kapitol hinauf. Von dort begab er sich in demselben Aufzug auf den Palatin, wobei ihm die den [zuvor entlassenen] Prätorianern abgenommenen Feldzeichen vorangetragen wurden, die Spitze nach unten, nicht nach oben gekehrt. Dann nisteten sich in der ganzen Stadt die Soldaten in Tempeln und Säulenhallen sowie in den kaiserlichen Bauten auf dem Palatin wie in Unterkünften ein; der Einmarsch des Severus verbreitete Mißvergnügen und Schrecken, da die Soldaten bei ihren ‚Einkäufen‘ das Bezahlen vergaßen und die Stadt mit Verwüstung bedrohten. Anderntags erschien Severus im Senat nicht nur mit seiner militärischen Eskorte, sondern auch in Begleitung gleichfalls bewaffneter Parteigänger. […] Aber während er noch im Senat weilte, forderten die aufsässigen Soldaten vom Senat zehntausend Sesterze für jeden von ihnen nach dem Vorbild der Truppen, die den Octavianus Augustus nach Rom geleitet und soviel bekommen hatten. Nachdem Severus sie ohne Erfolg in die Schranken zu weisen versucht hatte, konnte er sie schließlich doch durch Gewährung einer Sonderzulage beschwichtigen und wegtreten lassen.“ Übers. E. Hohl, mit wenigen Änderungen). 347 Vgl. Busch 2011, 25 f. mit weiteren Quellen. 348 Plin. pan. 23,3.
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Rolle, wenn man von der Geste des Septimius Severus beim Durchschreiten des Stadttores absieht, der die Truppen selbst gerade nicht folgten. Stattdessen wird in Bezug auf die Truppenpräsenz in Rom auch der Übergang von der Republik zum Prinzipat und die Politik des Augustus leichter verständlich bzw. erscheint weniger überraschend, wenn man von einem sakralrechtlichen Truppen- und Waffenverbot absieht und sich bei den rechtlichen Veränderungen in diesem Bereich auf den Aspekt des militärischen Kommandos der Magistrate und Promagistrate konzen triert. Immerhin haben die untersuchten Stellen auch gezeigt, dass das militärische oder zivile Auftreten des Befehlshabers der in die Stadt einrückenden Truppen auch noch in der Kaiserzeit besondere Aufmerksamkeit fand.
3.3.2 Militärische Befehlsgewalt Obwohl also von einem sakralrechtlichen Ausschluss des Militärischen an sich aus dem Gebiet intra pomerium nicht die Rede sein kann, gab es vor allem im republikanischen Rom doch einen Aspekt des Militärischen, für den die Existenz gewisser Regeln im Zusammenhang mit dem Stadtgebiet im Prinzip unstreitig ist. Dies ist der Bereich der militärischen Kommandogewalt der Magistrate und Promagistrate, die in der Forschung gewöhnlich als imperium bzw. imperium militiae bezeichnet wird. Ohne Zweifel hat dieser für die Forschung überhaupt erst den Anlass geboten, von einer umfassenden Exklusion des Militärischen aus dem Stadtgebiet auszugehen. Im Zusammenhang des potentiellen Verbots von Waffen und Truppen in Rom wurde bereits betont, dass militärische Eingriffe römischer Befehlshaber in den zivilen Bereich der politischen Ordnung, sofern sie nicht gesondert legitimiert waren, bis in die späte Republik hinein höchst außergewöhnlich waren und als grobe Verstöße gegen diese Ordnung angesehen wurden. Bereits bei einer oberflächlichen Durchsicht der einschlägigen Zeugnisse wird klar, dass es im Bereich der magistratischen Kompetenzen in der römischen Republik durchaus bestimmte mit dem Stadtgebiet bzw. mit Stadtgrenzen zusammenhängende Regeln gegeben haben muss, die über die bisher beobachteten Prinzipien gewaltfreier und unbewaffneter Innenpolitik hinausgingen. Es ist jedoch die Frage zu klären, worin genau die regelbehafteten Gegensätze zwischen Stadt und Nicht-Stadt in dieser Hinsicht bestanden. Es soll im Folgenden gezeigt werden, dass hier eher von verschiedenen Einzelregeln und etablierten Praktiken für bestimmte Situationen auszugehen ist als von einem abstrakten, diesen zugrundeliegenden Ausschluss der militärischen Befehlsgewalt per se, die wiederum außerhalb der Stadt unbeschränkt gegolten hätte. Wenn nun aber zumindest eine gewisse Relevanz von Stadtgrenzen in diesem Kontext anzunehmen ist, stellt sich – ähnlich wie etwa beim Bestattungsverbot – die Frage, ob dabei in spezifischer Weise das Pomerium entscheidend war, oder ob in den Quellen hier in gleicher oder gar überwiegender
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Weise auch andere Grenzen oder aber unspezifische Begriffe wie urbs genannt werden. Wie zu zeigen sein wird, ist die Verwendung des Pomeriumbegriffs auch in diesem Zusammenhang nur eine Möglichkeit unter anderen, die zudem erst in Texten ab dem 2. Jh. n. Chr. auftaucht. a) Die gängige Sicht der Forschung – und früh erkannte Probleme Nach der praktisch einhelligen Sicht der Forschung war die militärische Befehlsgewalt von Magistraten und Promagistraten rechtlich aus dem eigentlichen Stadtgebiet Roms verbannt. Der Hintergrund für diese Regel wird allgemein im Sakralrecht verortet; entsprechend gilt als maßgebliche Grenze für diesen Ausschluss das Pomerium, welches als die für sakrale Gegenstände umfassend „zuständige“ Stadtgrenze gilt.349 Jeweils unterschiedlich akzentuiert wird in der Forschung lediglich, inwieweit sich dieser Ausschluss direkt aus dem Ausschluss des Militärischen an sich ergeben habe oder aber eher mittelbar, aus der Unterscheidung von städtischen und außerstädtischen (und damit militärischen) Auspizien, welche mit militärischem Kommando verbunden gewesen seien. Wie zunächst betont werden muss, ist bereits diese enge Verknüpfung und teilweise auch Gleichsetzung der angeblichen Funktion des Pomerium als Grenze zwischen Kriegs- und Friedensbereich mit seiner Bedeutung im Bereich der Auspizien als problematisch anzusehen. Denn bei allen Verbindungen, die zwischen auspicium und dem wie auch immer definierten imperium zweifellos bestanden, geht doch die Auffassung Mommsens, diese „Zeichenschau und Beamtengewalt“ seien eigentlich „nichts anderes als Bezeichnungen desselben Begriffs nach verschiedenen Seiten, jene des himmlischen, diese des irdischen Verkehrs“350, am Sprachgebrauch der Quellen vorbei. In der jüngeren Forschung wird dies in dieser Zuspitzung auch kaum mehr 349
Auch diese Auffassung ist eng mit Mommsens Staatsrecht und dessen Rezeption verbunden. Dabei hatte dieser selbst (Mommsen 1887/88, I, 63 und 66 Anm. 2) die praktische Relevanz der Unterscheidung von Mauer und Pomerium ebenso wie des sakralen Hintergrunds noch recht stark relativiert, was in der Rezeption jedoch nicht fortgesetzt wurde. Im Gegenteil erfuhren gerade diese Aspekte noch eine besondere und ebenfalls sehr einflussreiche Zuspitzung durch die Arbeiten von Magdelain. Nach Ansicht von Rüpke 1990, 36, hatte sich der Ausschluss des Heeres und des Waffentragens sogar erst aus dieser Unterscheidung von imperium domi / militiae ergeben. Bis in jüngste Zeit taucht die entsprechende Auffassung mit gewissen Differenzierungen sowohl in allgemeineren Werken zur politischen Ordnung der römischen Republik (z. B. Walter 2017, 26; Sandberg 2001, bs. 120 f.; Bleicken 1995, 98; Nippel 1988, 11) wie auch in der Spezialliteratur zur sakralen Raumordnung Roms bzw. zum Pomerium als etablierter Forschungsstand auf, z. B. Sisani 2016, 70; Bendlin 2013, 464; De Sanctis 2012a, 160 f.; Walser 2012, 216 f.; Dally 2010, 129 und 133; Koortbojian 2010, 247–249; Favro 2008, 285; Drogula 2007; Galsterer 2001, 87; Simonelli 2001, 147–151; Beard / North / P rice 1998, 197 f.; Andreussi 1988, 227 f.; Karlowa 1896, 12–16. 350 Mommsen 1887/88, I, 91.
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behauptet.351 Als exemplarisches Gegenbeispiel in den Quellen sei hier nur auf die Aussage Ciceros verwiesen, wonach die in seiner Zeit kriegführenden Promagistrate kein Recht auf Auspizien besäßen, während sie selbstverständlich sehr wohl über imperium verfügten.352 Auch wenn es natürlich denkbar bleibt, dass nicht alle antiken Autoren stets scharf zwischen Auspizien und Befehlsgewalt unterschieden, so ist es doch in jedem Fall methodisch unzulässig, ein solches Verständnis immer schon vorauszusetzen und Belegstellen des jeweils einen Begriffs als Belege für den jeweils anderen Begriff zu verwenden. Dies macht ein getrenntes Vorgehen bei der Untersuchung notwendig. Außerdem kommt entscheidend hinzu, dass es keine direkten Belege für eine auguralrechtliche Relevanz der Unterscheidung von Friedens- und Kriegssphäre bzw. von domi und militiae gibt. Die in der Forschung gelegentlich verwendeten Fügungen auspicia domi und auspicia militiae bzw. militaria beruhen lediglich auf Übertragungen von den Forschungsbegriffen imperium domi und imperium militiae, deren Authentizität mittlerweile, wie sogleich zu erläutern ist, ebenfalls bezweifelt wird. Die Verknüpfung der an nur drei Stellen belegten auspicia urbana mit dem Konzept domi ist ebensowenig zu rechtfertigen, nicht nur wegen fehlender expliziter Verbindungen in den Quellen, sondern auch deshalb, weil die Sphäre domi, wie ebenfalls gleich zu begründen ist, auch auf (zivile) Handlungen im engeren Umfeld der Stadt zu beziehen ist, wohingegen auspicia urbana tatsächlich nur in ausdrücklicher Verbindung mit dem Pomerium belegt sind. Und schließlich ist auch die Deutung des von Cicero in einem sehr spezifischen Kontext verwendeten Ausdrucks eines „ganz und gar militärischen Auspizium“ (totum militare auspicium)353 nicht als Beleg für die Existenz von auspicia militiae bzw. militaria als binäres Gegenstück zu jenen „städtischen Auspizien“ geeignet. Entsprechend wird in dieser Arbeit der Zusammenhang von Pomerium und Auspizien von der domi-militiae-Thematik analytisch getrennt und in einem eigenen Unterkapitel angesprochen. Eine genauere Besprechung der angesprochenen sowie von weiteren hier relevanten Stellen und eine ausführlichere Begründung für die separate Behandlung der Auspizien wird dabei jenem Unterkapitel vorbehalten bleiben. Dies ist auch nicht der Ort, um die alte und in den letzten ca. 15 Jahren neu aufgeflammte Debatte um das Konzept des magistratischen imperium insgesamt zu besprechen.354 Ein wesentlicher Streitpunkt war und ist dabei etwa die Frage, ob 351
Berthelet 2015 z. B. argumentiert (bs. 147–200) für ein Korrespondenzverhältnis von auspicium und potestas, wobei letztere sowohl mit als auch ohne imperium auftreten könne; wieder eine andere Deutung vertritt z. B. Vervaet 2014, bs. 17–28. Vgl. dazu auch Kap. 3.4.1. 352 Cic. div. 2,76: auspicia non habent. 353 Cic. div. 2,77. 354 Dazu insbesondere Gargola 2017; Berthelet 2015; Drogula 2015; Vervaet 2014; Beck 2011; Pina Polo 2011.
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der Begriff imperium auch für zivile, innerhalb der Stadt verortete, oder allein für militärische, außerhalb geltende Amtsbefugnisse anzuwenden ist. Vertreter der in der Forschung lange Zeit vorherrschenden Position, die besonders mit Mommsen und Magdelain verbunden wird, gehen in der Regel von zwei Anwendungsbereichen oder gar Typen von imperium aus, die als imperium domi und imperium militiae bezeichnet werden. Eine andere Auffassung, die zuletzt besonders von Drogula vertreten wurde, ist jene, wonach der Begriff imperium im ursprünglichen, engeren Sinne als rein militärische Befehlsgewalt zu verstehen ist, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur außerhalb des Bereiches domi galt.355 Alle zivilen, innerstädtischen Handlungen von Magistraten wurden nach dieser Auffassung durch deren potestas, nicht durch imperium oder eine bestimmte Form davon legitimiert. Für die folgende Argumentation ist diese Frage jedoch nachrangig. Denn es steht fest und wird von Drogula auch ausdrücklich eingeräumt356, dass in den uns vorliegenden Texten das Wort imperium in einer derart unspezifischen Weise verwendet wird, dass sich stets erst aus dem jeweiligen Kontext und dem sonstigen Begriffsgebrauch des Autors entnehmen lässt, was genau mit imperium jeweils bezeichnet wird und ob es dabei überhaupt um ein militärisches Kommando geht. Livius, der neben Cicero in diesem Kontext wichtigste Autor, verwendet imperium „almost as a synonym for the consulship“, wie Drogula feststellt357; in der Lex Ursonensis ist vom imperium der lokalen Duumvirn und Ädilen die Rede358, Velleius Paterculus spricht von dem imperium der Tribunen, Cicero von dem der spartanischen Könige.359 Ein weiter gefasstes Verständnis ist wohl auch bei den kaiserzeitlichen Juristen greifbar.360 Von größerer Bedeutung ist hier freilich ein anderer Aspekt der Debatte, nämlich die spezifische Bindung der Unterscheidung von domi und militiae an das Pomerium, welche am eindeutigsten und prominentesten wohl von Rüpke vertreten worden ist.361 Seiner Auffassung nach habe es zwar imperium zu beiden Seiten der Grenze gegeben, im Bereich domi sei es „lediglich eines (wesentlichen) Teils seiner Sanktionsmöglichkeiten beraubt.“ Doch interessanterweise ist der Forschung schon sehr früh bewusst geworden, dass die gängige, umfassende Gleichsetzung der Grenze zwischen domi und militiae mit dem Pomerium im Bereich der magistratischen Kompetenzen einige Fragen aufwirft. So scheint es nämlich tatsächlich für den Normalfall der republikanischen Politik kaum denkbar, dass leitende Magistrate schon im direkten Nahbereich der Stadt, etwa 355
Drogula 2015, bs. 46–130, und Drogula 2007; vorsichtig zustimmend Walter 2017, 26. 356 Drogula 2007, 420 f. mit weiterer Lit. 357 Drogula 2007, 423 mit zahlreichen Belegen. 358 Lex. Urson. 94,30; 125,14; 128,12–13. 359 Vell. 2,2,3; Cic. rep. 2,50. 360 Z. B. Gai. inst. 4,104 f.; dazu Drogula 2015, 98 f. 361 Rüpke 1990, bs. 29–57.
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bei den Centuriatscomitien auf dem Marsfeld, allein aufgrund des extraurbanen Ortes uneingeschränkte militärische Befehlsgewalt hätten ausüben können. „Die ganze römische Geschichte“, so schrieb Mommsen im Hinblick auf dieses Problem, werde „umgeworfen, wenn man den Oberbeamten das volle militärische Imperium als Regel dann einräumt, wenn sie das Pomerium überschritten haben.“362 Die Forschung erklärt diese faktische Beschränkung der Befehlsgewalt primär mit den Obstruktionsrechten gegen Handlungen der Magistrate, namentlich mit dem Recht auf Anrufung der Volksversammlung (provocatio ad populum) und dem Vetorecht der Volkstribunen (intercessio), die gewöhnlich als Provocation und (tribunizische) Intercession bezeichnet werden. In Ciceros De Re Publica wird indes sogar im Prinzip jede Obstruktion gegen Magistrate als eigentümlich für den Bereich domi dargestellt: Sed ut ille qui navigat, cum subito mare coepit horrescere, et ille aeger ingravescente morbo unius opem inplorat, sic noster populus in pace et domi imperat et ipsis magistratibus, minatur, recusat, appellat, provocat, in bello sic paret ut regi; valet enim salus plus quam libido.363 Auch Livius stellt mehrfach enge Verbindungen zwischen dem domi-Konzept und den Volkstribunen her.364 Er bezeichnet zugleich ausdrücklich die erste Meile als diejenige Grenze, innerhalb derer allein Provocation möglich war, und dies schon für eine sehr frühe Zeit: Außerhalb des Bereiches domi, so heißt es etwa an einer Stelle, sei der Magistrat von den „tribunizischen Fesseln“ (tribuniciis vinculis) befreit.365 Zudem formuliert er recht klar, dass es ebendiese Obstruktionsrechte gewesen seien, die kommandierende Magistrate an Übergriffen in politische Entscheidungsprozesse gehindert hätte; deshalb seien Consuln in Einzelfällen sogar auf den Gedanken gekommen, Volksversammlungen an weit von der Stadt entfernten Orten – wie dem Regillus-See oder dem Lager bei Sutrium – abzu362
Mommsen 1887/88, I, 68 f., mit 68 Anm. 5; ähnlich auch Domaszewski 1977, 218 Anm. 3. 363 Cic. rep. 1,63: „Und wie jener, der mit dem Schiff fährt, wenn plötzlich raue See aufkommt, und jener Kranke, wenn sich die Krankheit verschlimmert, einen einzigen Menschen um Hilfe bittet, so erteilt auch unser Volk in ruhigen Zeiten selbst den Magistraten Befehle, spricht Drohungen aus, erhebt Einspruch, ruft eine höhere Instanz an, legt Berufung ein; im Krieg aber gehorcht es so wie einem König.“ Übers. R. Nickel. 364 Liv. 2,58,4: eadem in militia saevitia Appi, quae domi, esse, liberior, quod sine tribuniciis vinculis erat („Die grausame Strenge des Appius war im Felde dieselbe wie daheim, sogar noch ungehinderter, da sie von den tribunizischen Fesseln frei war.“). Ähnlich auch Liv. 3,24,1 (tribunicium domi bellum); 3,30,1; 4,2,1; 7,18,3. 365 Liv. 3,20,7: neque enim provocationem esse longius ab urbe mille passuum, et tribunos, si eo veniant, in alia turba Quiritium subiectos fore consulari imperio („es gebe nämlich kein Provocationsrecht weiter als eine Meile von der Stadt, und die Tribunen, wenn sie dorthin kämen, würden der consularischen Befehlsgewalt unterworfen sein“).
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halten.366 Auch als Grenze für die Befugnisse der Volktribunen, insbesondere das Intercessionsrecht, gilt in der Forschung daher meist – zumindest in historischer Zeit und wahrscheinlich auch zurecht – die erste Meile, unabhängig von der Frage, ob man Livius auch im Hinblick auf die Chronologie jener Institutionen folgt.367 Bei zwei anderen Autoren, nämlich Dionysios von Halikarnassos und Appian, wird die gesamte tribunizische Amtsgewalt auf das Gebiet innerhalb der Stadtmauer beschränkt368, bei Cassius Dio, wie bei diesem zu erwarten, auf das Gebiet innerhalb des Pomerium.369 Beide Zuordnungen sind aber jedenfalls für den einigermaßen rekonstruierbaren Teil der republikanischen Geschichte aus den angedeuteten sachlichen Gründen kaum plausibel und in der Forschung verständlicherweise nicht akzeptiert worden, da nämlich ansonsten bei einem großem Teil der politischen und rechtlichen Handlungen der Republik kein Intercessionsrecht bestanden bzw. ein solcher Zustand sehr leicht durch Verlagerung vor die Mauer hätte hergestellt werden können: Man hätte, kurz gesagt, nicht erst zum RegillusSee ziehen müssen. Zudem ist die Bedeutung der ersten Meile als Grenze auch für viele andere Bereiche gut bezeugt, etwa im Bereich der Rechtsprechung sowie ordnungspolitischer Regelungen (z. B. Fahren mit dem Wagen).370 Die Nennung von Mauer und Pomerium bei den genannten Autoren erklärt sich wahrscheinlich schlicht daraus, dass diese jeweils eine Grenze als allgemeingültige Begrenzung 366
Vgl. ebd. und 7,16,7–8: ceterum tribuni plebis non tam lege quam exemplo moti, ne quis postea populum sevocaret, capite sanxerunt; nihil enim non per milites iuratos in consulis verba quamvis perniciosum populo, si id liceret, ferri posse („Aber die Volkstribunen regten sich auf, nicht so sehr über das Gesetz wie über das Verfahren, und verboten bei Todesstrafe, dass einer künftig hin außerhalb der Stadt eine Volksversammlung abhielt; denn wenn das erlaubt werde, gebe es nichts, was nicht durch die Soldaten, die den Eid auf den Consul abgelegt hätten, durchgebracht werden könne, wie verderblich es auch für das Volk sei.“). 367 So z. B. Gargola 2017, 193 f.; Berthelet 2015, 191–194; Galsterer 2001, 87; Rüpke 1990, 47, Anm. 116; Radke 1980, 28; Magdelain 1977, 11 (=1990, 210); Magdelain 1976, 72 (1990, 155 f.); Besnier 1926, 545; Karlowa 1896, 53 f.; Valeton 1895–1898, XXI, 73 f.; Gilbert 1883–1890, III, 5 f. Anm. 3. Zur Diskussion um die (frühe) Geschichte der Provocation vgl. Walter 2017, 190–192, Giovannini 2015, 173–178. Das hohe Alter der Bindung betont dagegen Fiori 2014, bs. 67 f., 74 f. und 170 f. 368 Dion. Hal. ant. 8,87 f. (περιγέγραπται γὰρ αὐτῶν τὸ κράτος τοῖς τείχεσι), App. civ. 2,31,23 (οὐδὲ γὰρ προϊέναι τῶν τειχῶν τοῖς δημάρχοις ἐφίεται). 369 Cass. Dio 51,19,6: καὶ τὸν Καίσαρα τήν τε ἐξουσίαν τὴν τῶν δημάρχων διὰ βίου ἔχειν, καὶ τοῖς ἐπιβοωμένοις αὐτὸν καὶ ἐντὸς τοῦ πωμηρίου καὶ ἔξω μέχρις ὀγδόου ἡμισταδίου ἀμύνειν, ὃ μηδενὶ τῶν δημαρχούντων ἐξῆν („Außerdem sollte Caesar lebenslang die tribunizische Gewalt besitzen, ferner das Recht haben, allen, die ihn um seinen Beistand angingen, innerhalb des Pomeriums und außerhalb davon bis auf eine Meile weit Hilfe zu leisten, ein Privileg, wie es keinem Volkstribunen zustand.“ Übers. O. Veh). 370 Vgl. z. B. Gai. inst. 4,104; ferner den Text der Tabula Heracleensis (Crawford 1996 I, 363–369), wo auf diese Grenze standardmäßig Bezug genommen wird, und die Zusammenstellung bei Karlowa 1896, 51–54, mit weiteren Quellen.
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der Stadt auffassten – die Mauer bei Dionysios und Appian, das Pomerium bei Cassius Dio. Entsprechend bezogen sie die von ihnen rezipierte Aussage, die Tribunen seien an die Stadt Rom gebunden, jeweils auf die von ihnen „bevorzugte“ Stadtgrenze. Cassius Dio nimmt auch die Ein-Meilen-Grenze durchaus in seine Darstellung auf, schreibt sie freilich als Änderung erst Augustus zu, und zwar insofern, als dessen tribunicia potestas bis an den ersten Meilenstein ausgedehnt worden sei – aus den genannten Gründen vermutlich ein Irrtum.371 Da sich alle drei Stellen zudem auf die späte Republik beziehen, liefern sie auch keine guten Belege zu der oftmals vertretenen Ansicht, dass ursprünglich bzw. in der frühen Republik auch in diesem Bereich noch das Pomerium maßgeblich gewesen sei; erst aus praktischen Gründen, die sich mit dem Wachstum der Stadt ergeben hätten, habe man, so diese verbreitete These, die Provocation und Intercession bis zum ersten Meilenstein ausgedehnt.372 An dieser spekulativen Annahme wird vielmehr das Bestreben deutlich, Provocation und Intercession mit dem Pomerium und der angeblich innerhalb befindlichen Friedenszone in Verbindung zu bringen und so zu einem geschlossenen Ursprungsbild zu gelangen. Im Hinblick auf die historische Zeit war man allerdings weiterhin mit der geschilderten Diskrepanz konfrontiert. Ein großer Teil der Forschung, besonders vertreten durch Mommsen und Magdelain, hat in diesem Zusammenhang für eine recht komplizierte Kompromisslösung plädiert: Zwar sei der ursprünglich durch das Pomerium definierte Bereich domi (und damit die Ausübung der eben angesprochenen Obstruktionsrechte) schon früh bis zum ersten Meilenstein erweitert worden.373 Zugleich habe der Bereich militiae aber weiterhin von außen bis an das Pomerium gereicht, wodurch eine Übergangszone zwischen Pomerium und Ein-Meilen-Grenze entstanden sei. Zugleich sei aber die Ausübung eines uneingeschränkten Kommandos, d. h. ohne Provocation und Intercession, innerhalb dieser Zone an zusätzliche Bedingungen geknüpft gewesen, und zwar in Gestalt der sogenannten „Auszugsauspizien“, die ein Magistrat für ein solches Kommando besitzen musste.374 Dieser Logik folgend, 371
In ähnlicher Form verbindet Cassius Dio (53,2,4) den Ausschluss der ägyptischen Kulte durch Octavian zunächst mit dem Pomerium (siehe Kap. 3.1.1 a)); erst Agrippa habe das Verbot bis zur ersten Meile ausgeweitet (54,6,6). 372 So etwa die oben in Anm. 367 angegebene Literatur mit Ausnahme von Gargola und Berthelet. 373 Magdelain 1976, 72 (=1990, 155 f.) und Magdelain 1977, 11 (=1990, 210), ordnet auch die zivile Jurisdiktion in diesen Zusammenhang ein und meint daher, auch der Bereich domi insgesamt sei mit der Zeit aus praktischen Gründen zum ersten Meilenstein hin ausgedehnt worden. So wird auch z. B. bei Humm 2012, 76, ausdrücklich die erste Meile als Grenze des Bereichs domi bezeichnet. 374 Mommsens Lösungsvorschlag bestand – genauer gesagt – darin, den Bereich zwischen Pomerium und erster Meile als eine Übergangszone beschrieben, in dem das (als ungeteilt verstandene) imperium eines Magistraten nur dann uneingeschränkt gegolten habe, wenn er mit „Auszugsauspizien“ zu einem Feldzug ausgezogen sei. Im Ergebnis ähnlich ist die Interpretation Magdelains, der meinte, es handele sich überhaupt bei dem
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stellt sich freilich weiterhin die Frage, warum auch vom Feldzug zurückkehrende Magistrate, die also jene „Auszugauspizien“ besessen haben müssten, im Nahbereich der Stadt, etwa bei Wahlen oder Verhandlungen über einen Triumphzug, in der Regel keinen Gebrauch von militärischem Kommando machten.375 Ebenso wie diese Konstruktionen unbefriedigend bleiben, gilt das gleiche für die von Rüpke vertretene Lösung, die in einer Entkoppelung des domi-Konzeptes von den Obstruktionsrechten besteht: Diese Rechte seien zwar auf Bereiche außerhalb des Pomerium (militiae) erweitert worden, seien aber dort nur gegen andere Formen von Amtsgewalt, aber nie gegen ein militärisches Kommando wirksam gewesen, weshalb dieser Bereich nicht als Übergangszone, sondern uneingeschränkt als militiae anzusehen sei. Als domi habe jedoch von jeher und auch nach diesen Änderungen allein der Bereich intra pomerium gegolten.376 Auch hier ergeben sich jedoch Schwierigkeiten: Zwar ist es wohl richtig, dass die provocatio ad populum einerseits nicht wirklich so alt war, wie die Überlieferung sagt (509 v. Chr.), sondern erst seit der lex Valeria von 300 v. Chr. als institutionalisiert angesehen werden kann, während sie andererseits seit dem 2. Jh. v. Chr. sogar für römische Bürger in den Provinzen möglich wurde. Die tribunizische Intercession dürfte jedoch in frühere Zeit zurückreichen. Zudem werden, wie bereits erwähnt, sowohl die Provocation als auch die Rechte der Volkstribunen in den Quellen mehrfach als geradezu kennzeichnend für den Bereich domi bezeichnet. Man muss also davon ausgehen, dass diejenigen Bereiche, in denen Provocation und tribunizische Intercession möglich waren, auch dann sehr wohl als domi angesehen wurden, wenn sie außerhalb von Pomerium und Stadtmauer lagen. Und nicht zuletzt fehlt eben jeder Beleg für eine ursprüngliche, diesen Rechten gegenüber vorgängige und rein geographische Auffassung des Konzeptes domi als des Bereiches innerhalb von Pomerium oder auch Stadtmauer. Die unmittelbare Verbindung des Pomeriumbegriffs mit dem domi-militiaeGegensatz hat somit ganz offenbar zu einer Verkomplizierung der Verhältnisse geführt. Da sie zudem in keiner Quelle so hergestellt wird, ist ihre weite Verbreitung
imperium mit „Auszugsauspizien“ um das imperium militiae; dies sei sogar ein eigener Typ von Befehlsgewalt (im Unterschied zum imperium domi), den es nur außerhalb des Pomerium gegeben habe. Vgl. Mommsen 1887/88, I, 67–73; Magdelain 1976, 72 (=1990, 155 f.) und Magdelain 1977, 11 f. (1990, 210 f.). 375 Das Verhalten des Fabius Maximus 214 v. Chr. wird von Livius (24,9,1–3) klar als normwidrig markiert, obwohl es erfolgreich ist. Die vielfältigen Schlüsse, die aus dieser Episode im Hinblick auf eine angebliche rechtliche Uneingeschränktheit von Maximus’ Kommando gezogen wurden (Berthelet 2015, bs. 192; Drogula 2007, 438–440; Mommsen 1887/88, I, 68; dagegen z. B. Fiori 2014, 96–98) verkennen m. E. das hier ein Machtkampf beschrieben wird, der in einem nicht vollständig geregelten Feld ausgetragen wird. 376 Rüpke 1990, bs. 41–46.
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in der Forschung durchaus bemerkenswert. Bei allen Unterschieden ist somit den angesprochenen und auch noch weiteren Positionen377 zu diesem Problem bis heute gemeinsam, dass sie die Unterscheidung von Stadt und Nicht-Stadt für ein zentrales Element der räumlichen Begrenzung der militärischen Befugnisse von Amtsträgern halten und dabei dem Pomerium die Rolle der – zumindest ursprünglich – alles entscheidenden Grenze zusprechen. Auch eine von Giovannini vertretene radikale Gegenposition, nach der die Unterscheidung domi und militiae als von räumlichen Aspekten ganz losgelöste Rechtsbeziehung zu betrachten ist, hat sich insgesamt nicht durchsetzten können.378 Tatsächlich besteht hier, ähnlich wie bei Rüpke, ein Problem darin, dass die in den Quellen eindeutig greifbaren räumlichen Begrenzungen von Provocation und Intercession ganz aus dem Komplex domi-militiae herausgerechnet werden: Es mag zwar sein, das für vereidigte Soldaten ohnehin kein Provocationsrecht bestand, dies ändert aber nichts an der engen Verbindung der Kompetenz der Volkstribunen sowohl mit dem Konzept domi als auch mit der Stadt Rom, die, wie bereits gesagt, an vielen Stellen durchaus greifbar wird. In den letzten Jahren hat schließlich Drogula versucht, die Hauptpositionen der bisherigen Debatte zu verbinden379: Dabei schließt er teilweise eher an Mommsen und Magdelain an, wobei er freilich die Vorstellung eines imperium domi ablehnt: So habe die Sphäre domi zwar den entmilitarisierten Bereich intra pomerium – von Ausnahmesituationen abgesehen – innerhalb des Pomerium eingeschlossen, doch habe sie auch über diesen hinausgereicht, insoweit dort die Rechte der Volkstribunen und das Provocationsrecht galten; diese seien zwar ursprünglich an das Pomerium gebunden gewesen, jedoch dann bis zur ersten Meile erweitert worden.380 Ferner seien diese Rechte zwar gegen andere Vollmachten wie potestas und coercitio gültig gewesen, nicht allerdings gegen imperium, welches eine rein militärische Befehlsgewalt gewesen sei.381 Hingegen habe es imperium außer bei Notstand und Triumph nur außerhalb des Pomerium gegeben. Was Drogula jedoch mit Giovannini verbindet, ist, dass er – mit Recht – die Unterscheidung domi und militiae 377
Z. B. Fiori 2014, Nissen 1885, 168–181. Giovannini 1983, bs. 7–26. Ihm folgt z. B. Liou-Gille 1993, 101 f., die dafür aber umso stärker das Waffentabu betont. 379 Drogula 2015, 47–56; Drogula 2007. 380 In der Konsequenz versteht zwar auch Drogula in Bezug auf die Frühzeit das Pomerium, dann die erste Meile als Grenze der „territorial sphere domi“ (Vgl. Drogula 2015, 49 f. Anm. 8), wobei der Begriff für ihn aber nicht in dieser Territorialität aufgeht. 381 Die Frage der Kompetenz des leitenden Magistraten bei den Centuriatscomitien wird bei Drogula 2015 jedoch inkonsequent behandelt: Einerseits wird argumentiert, die Amtsgewalt der leitenden Magistrate sei in diesen Versammlungen nicht durch die üblichen Obstruktionsrechte beschränkt gewesen, wie auch der Fall des Fabius Maximus (s. u.) zeige (54), andererseits sei es unwahrscheinlich, dass man jedesmal die vollen Auszugsriten vorgenommen habe, weshalb die Versammlungsleiter normalerweise kein imperium besessen hätten (109 Anm. 207). 378
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auf einer anderen Ebene als die von Stadt und Nicht-Stadt verortet, insofern er sie nicht als rein geographisch versteht. Zwar hält auch er weiterhin an der Vorstellung eines entmilitarisierten Stadtgebietes fest, welches stets als domi gegolten und in das imperium außerhalb von wenigen Ausnahmesituationen nicht hineingetragen werden konnte. Doch obwohl er die Vorstellung einer religiösen „pollution of war“ am Rande erwähnt und nicht in Frage stellt, geht er doch immerhin soweit, die Bedeutung des angeblich spezifisch religiösen Charakters des Pomerium für den Ausschluss des militärischen Kommando zu relativieren: „[…] although imperium was normally forbidden inside the sphere marked by the pomerium, exceptions to this prohibition could be made by the people, indicating that this was a legal or social prohibition that was created and managed by the citizens. Thus, the religious nature of the pomerium did not block imperium from entering the city; rather, the pomerium was a marker that defined a sphere in which imperium (and therefore the sphere militia) was normally forbidden by law or customary practice.“382 Diese Feststellung stellt m. E. tatsächlich einen großen Fortschritt in der Debatte dar. Sie soll im Folgenden weiter untermauert werden, wobei ich aber zwei Modifikationen vorschlagen möchte: Zum einen wird zu zeigen sein, dass rechtliche Vorschriften zu militärischem Kommando und Stadtgrenzen lediglich bei Promagistraten zu belegen sind, während es in Bezug auf regulär amtierende Magistrate eher als Aspekt von „customary practice“ anzusehen ist, ein militärisches Kommando mit Wiedereintritt in die Stadt zu beenden, insofern damit die militärische Unternehmung als beendet galt. Weder im einen noch im anderen Kontext ist die Vorstellung einer religiösen Tabuisierung der Kommandogewalt oder gar des Militärischen überhaupt innerhalb bestimmter Stadtgrenzen fassbar. Zum anderen soll – wie auch schon in den vorangegangen Unterkapiteln – gezeigt werden, dass die Auffassung nicht haltbar ist, in diesem Kontext sei allein das Pomerium als maßgeblich angesehen worden, welche sich durch die gesamte bisherige Debatte zieht. b) Ein problematischer Zentralbeleg: Laelius Felix bei Gellius Der einzige antike Text, der einen umfassenden Regelzusammenhang von imperium und Stadtgebiet ausdrücklich zu behaupten scheint, ist die bereits im vorherigen Unterkapitel analysierte, bei Gellius zitierte Aussage des Laelius Felix. Sie stellt zugleich die einzige Stelle außerhalb von Cassius Dio dar, die in diesem Kontext explizit das Pomerium nennt:
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Drogula 2015, 54.
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Item in eodem libro hoc scriptum est: […] centuriata autem comitia intra pomerium fieri nefas esse, quia exercitum extra urbem imperari oporteat, intra urbem imperari ius non sit. Propterea centuriata in campo Martio haberi exercitumque imperari praesidii causa solitum, quoniam populus esset in suffragiis ferendis occupatus.383 Die Untersuchung der Stelle im letzten Unterkapitel hat aber bereits gezeigt, warum aus diesem Zeugnis aus verschiedenen Gründen zumindest kein allgemeiner Ausschluss des Heeres oder alles Militärischen in republikanischer Zeit abzuleiten ist. Auch wurde bereits kurz angedeutet, dass auch ein allgemeiner Ausschluss von militärischer Befehlsgewalt aus der Stelle nicht mit Sicherheit zu entnehmen ist. Dies soll nun noch etwas ausführlicher begründet werden. Die Formulierung intra urbem imperari ius non sit scheint zunächst, besonders wenn sie isoliert betrachtet wird, einen grundsätzlichen rechtlichen Ausschluss von imperium aus dem Stadtgebiet zu bezeichnen. Betrachtet man aber den Kausalsatz im Ganzen, wird klar, dass auch hier eine andere Interpretation schon auf der sprachlichen Ebene näher liegt: Die parallele Konstruktion der beiden Glieder (quia exercitum extra urbem imperari oporteat, intra urbem imperari ius non sit) sowie die Beibehaltung des Passivs bei imperari sprechen eher dafür, dass auch dieser zweite Satzteil nicht als allgemeine Aussage über das magistratische imperium, sondern lediglich als verdeutlichende Wiederaufnahme der unmittelbar vorangehenden Aussage über die Einberufung des exercitus zu verstehen ist. Es sei zudem daran erinnert, dass die Formel exercitum imperare unter anderem bei Varro, aber auch bei späteren antiquarischen Autoren weniger die abstrakte Ausübung des militärischen Oberbefehls als vielmehr den konkreten Akt der Einberufung des Heeres bzw. der Centuriatscomitien bezeichnet, der von verschiedenen rituellen Handlungen begleitet wird. Entsprechend werden beide imperari des zitierten Satzes auch in der deutschen Übersetzung von Weiss ebenso wie der englischen von Rolfe mit „berufen werden“ bzw. „to be summoned“ wiedergegeben.384 Wie schon im Hinblick auf den Ausschluss des Heeres gezeigt, ist also auch im Hinblick auf militärisches Kommando die Annahme, Laelius bzw. Gellius würde hier einen über den Kontext der Centuriatscomitien bzw. den Akt der Einberufung eines Heeres hinausgehenden Geltungsanspruch erheben, problematisch. Es ist ferner erneut zu berücksichtigen, dass die Stelle vermutlich nichts anderes darstellt als eine antiquarische Erklärung für die selbstverständliche Praxis der 383
Gell. 15,27: „In ebendemselben Buche steht auch Folgendes: […] Die Centuriatscomitien dürften nicht innerhalb des Pomerium abgehalten werden, weil das Heer nur außerhalb der Stadt einberufen werden dürfe, die Berufung innerhalb der Stadt aber nicht erlaubt sei. Deshalb seien die Centuriatscomitien gewöhnlich auf dem Marsfeld abgehalten und das Heer einberufen worden, des Schutzes halber, solange das Volk mit der Stimmabgabe beschäftigt war.“ 384 Weiss 1875/76, II, 303; Rolfe 1978, 119–121.
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republikanischen Zeit, die Centurien auf dem Marsfeld abzuhalten. Auch auf diesen Aspekt ist im vorangegangenen Unterkapitel bereits eingegangen worden. Auf einen prinzipiellen rechtlichen Ausschluss jeglichen militärischen Kommandos aus dem republikanischen Rom kann allein aus dieser Stelle somit noch nicht geschlossen werden. Um zu klären, inwiefern besonders in republikanischer Zeit, aber auch in der Kaiserzeit dennoch Regelungen existierten, die den Gebrauch bzw. die Anerkennung von militärischer Befehlsgewalt mit Stadtgrenzen verknüpften, müssen daher auch die weniger allgemein formulierten Zeugnisse betrachtet werden, welche dafür konkrete Situationen schildern, in denen Stadtgrenzen für das Kommando eines Magistrats von Bedeutung waren. Naturgemäß sind die beiden Situationen, an denen ein solcher Ausschluss in der Regel festgemacht gemacht wird, zum einen der Auszug eines Befehlshabers zu einer militärischen Unternehmung, zum anderen dessen Rückkehr in die Stadt. Dass für diese Situationen überhaupt gewisse Regeln bestanden, ist, wie gesagt, schon nach oberflächlicher Durchsicht durch die Quellen nicht zu bestreiten. Es stellen sich jedoch die drei folgenden Fragen, ob nämlich diese Regeln für alle militärischen Befehlshaber gleichermaßen galten, ob sie ferner aus einem prinzipiellen Ausschluss von militärischem Kommando aus der Stadt erwuchsen und ob dieser schließlich mit dem Pomerium verbunden war. Betrachten wir zunächst die Situation des Aufbruchs bzw. der Aufnahme eines militärischen Kommandos. c) Urbem egredi – der Aufbruch von Befehlshabern mit militärischem Kommando Beginn des Kommandos für Proconsuln in der Kaiserzeit? Die vermutlich eindeutigsten Zeugnisse zu dieser Thematik betreffen die Situation der kaiserzeitlichen Proconsuln, die als Statthalter in eine Provinz entsandt wurden, und von denen viele ihr Kommando nicht etwa, wie es in der Republik lange die Regel war, noch als amtierende reguläre Magistrate aufnahmen. Diese Promagistrate besaßen ihr imperium im Prinzip, sobald sie Rom verlassen hatten. Dies zeigen am deutlichsten die entsprechenden Aussagen der Juristen Ulpian und Marcian.385 Auch Cassius Dio beschreibt im Wesentlichen diesen Zustand und 385
Dig. 1,16,1 und 1,16,16 (Ulpian): Proconsul ubique quidem proconsularia insignia habet statim atque urbem egressus est; potestatem autem non habet nisi in ea provincia sola, quae ei decreta est. […] Proconsul portam Romae ingressus deponit imperium („Ein Proconsul besitzt proconsularische Insignien ab dem Augenblick, wo er die Stadt verlässt. Aber er übt seine Amtsgewalt nur in der Provinz aus, die ihm zugeteilt wurde. […] Ein Proconsul, der in das Stadttor Roms eingetreten ist, legt sein Kommando nieder.“); Dig. 1,16,2pr (Marcian): omnes proconsules statim quam urbem egressi fuerint habent iurisdictionem, sed non contentiosam, sed voluntariam, ut ecce manumitti apud eos possunt
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stellt ihn als Ergebnis augusteischer Reformen dar.386 Und zu diesem Bild passen auch die Berichte des Tacitus und der Historia Augusta von Verleihungen eines imperium proconsulare extra urbem; ein solches hätten Claudius bzw. Antoninus Pius jeweils an ihre zukünftigen Nachfolger, Nero und Mark Aurel verliehen.387 Auch in diesem Zusammenhang wiederholt sich freilich die Beobachtung, dass lediglich Cassius Dio auf das Pomerium als maßgebliche Stadtgrenze verweist, während die anderen Zeugnisse – in diesem Fall Tacitus, Ulpian, Marcian und die Historia Augusta – lediglich von urbs bzw. porta sprechen. Und so klar die genannten Regelungen auch sind, sagen sie doch nichts darüber aus, ob sie sich aus der Vorstellung eines grundsätzlichen Ausschlusses von militärischem Kommando aus dem Stadtgebiet in früherer Zeit ergeben hatten.388
tam liberi quam servi et adoptiones fieri („Alle Proconsuln haben Jurisdiktionsgewalt von dem Moment an, wo sie die Stadt verlassen, aber nicht bei strittigen, sondern nur bei einvernehmlichen Angelegenheiten, wie zum Beispiel sowohl Kinder als auch Sklaven vor Ihnen freigelassen oder Adoptionen vollzogen werden können.“). 386 Cass. Dio 53,13,4: καὶ ἀνθυπάτους καλεῖσθαι μὴ ὅτι τοὺς δύο τοὺς ὑπατευκότας ἀλλὰ καὶ τοὺς ἄλλους τοὺς ἐκ τῶν ἐστρατηγηκότων ἢ δοκούντων γε ἐστρατηγηκέναι μόνον ὄντας, ῥαβδούχοις τέ σφας ἑκατέρους ὅσοισπερ καὶ ἐν τῷ ἄστει νενόμισται χρῆσθαι, καὶ τὰ τῆς ἀρχῆς ἐπίσημα καὶ παραχρῆμα ἅμα τῷ ἔξω τοῦ πωμηρίου γενέσθαι προστίθεσθαι καὶ διὰ παντὸς μέχρις ἂν ἀνακο-μισθῶσιν ἔχειν ἐκέλευσε. („Und Prokonsuln sollten nicht nur die zwei gewesenen Konsuln heißen, sondern auch die anderen, die nur die Praetur bekleidet hatten oder wenigstens den Rang eines Expraetors besaßen. Beide Gruppen sollten ferner über ebenso viele Liktoren wie in der Hauptstadt üblich verfügen, und die Abzeichen ihres Amtes hatten sie – auf Caesars Befehl – sogleich nach Verlassen des Pomeriums anzulegen und unausgesetzt bis zu ihrer Rückkehr zu tragen.“ Übers. O. Veh). Vgl. auch die Stellen zum Proconsulat der Kaiser selbst Cass. Dio 53,17,4 und 32,5. 387 Tac. ann. 12,41,1: proconsulare imperium extra urbem; HA Aur. 6,6: imperio extra urbem proconsulari. 388 Zu bemerken ist zwar, dass zwischen dem Recht auf Insignien und der vollen Entscheidungsgewalt, welche die Promagistrate erst in ihrer Provinz erreichen, unterschieden wird. Cassius Dio legt nahe, dass sich die Übernahme der Insignien unmittelbar nach Verlassen der Stadt nicht von selbst verstand, sondern zum Gegenstand eines Gebots werden konnte. Auch sind im Detail unterschiedliche Auffassungen festzustellen: Cassius Dio und Ulpian (siehe Anm. 385 und 386) sind der Ansicht, dass Promagistrate mit dem Verlassen der Stadt nur berechtigt sind, die Insignien zu führen, was Cassius Dio auf Änderungen des Augustus zurückführt. Marcian ist hingegen der Meinung, dass sie sofort mit dem Verlassen der Stadt auch zumindest eine abgeschwächte Form ihrer Jurisdiktionsgewalt ausüben könnten. Zu dieser Frage scheint es somit unterschiedliche Ansichten gegeben zu haben, was aber an der zentralen Bedeutung des Verlassens der Stadt für den Beginn des imperium nichts ändert.
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Aufbruch eines amtierenden Magistraten in der Republik Deutlich weniger eindeutig stellt sich die Quellenlage dar, wenn wir für die republikanische Zeit die Situation des Aufbruchs eines amtierenden Magistraten zu einem Feldzug bzw. in seine Provinz betrachten. Aus zahlreichen Stellen bei verschiedenen Autoren ergibt sich zwar durchaus klar, dass Amtsträger bei der Aufnahme eines neuen Kommandos für eine militärische Unternehmung bestimmte rituelle Handlungen vollziehen mussten.389 Dazu gehörten Auspizien, außerdem Gelübde (vota), die auf dem Capitol vor Jupiter Optimus Maximus abgelegt wurden, und schließlich der feierliche Auszug aus der Stadt, im Zuge dessen der Feldherr ebenso wie seine Lictoren einen Kriegsmantel, das paludamentum, anlegten und damit als paludati bezeichnet wurden. Dass diesen Handlungen große Bedeutung beigemessen wurde, zeigt Livius an mehreren Stellen: Er berichtet sogar von einem Fall, in dem einem amtierenden Consul, der ohne die notwendigen Riten zu seinem Heer aufgebrochen war, deshalb der Gehorsam verweigert wurde, wodurch er zur Rückkehr gezwungen war.390 In einem anderen Fall, dem des Gaius Flaminius im Jahr 217 v. Chr., führt ein ähnliches Verhalten zumindest zu großer Erregung unter dessen Gegnern im Senat und kündigte dessen spätere Niederlage an.391 Ferner gehört in diesen Zusammenhang auch die sogenannte lex curiata, ein von den bereits erwähnten Curiatscomitien verabschiedetes Gesetz über das imperium eines Magistrats, das traditionell offenbar ebenfalls als dessen notwendige Bestätigung angesehen wurde.392 Für keinen dieser Vorgänge kann jedoch zweifelsfrei festgestellt werden, dass erst dieser dem Magistraten das Kommando übertrug. Eher scheint es um einen rituellen Rahmen zu gehen, der dem Oberbefehl bei einer militärischen Unternehmung jeweils einen Teil seiner Legitimität verlieh, die, wenn einzelne Elemente fehlten, angezweifelt werden konnte. Davon abgesehen ist es in diesem Zusammenhang ebenso unklar, ob bei der korrekten Aufnahme eines Kommandos durch einen amtierenden Magistraten der Übertritt über eine bestimmte Stadtgrenze eine besondere rituelle, geschweige denn rechtliche Signifikanz besaß.393 Direkte Quellenaussagen gibt es zu diesem 389
Vgl. z. B. Varr. ling. 7,37; Liv. 21,63,8; 22,49,1–2; 45,39,11. Die weiteren Belege bei Giovannini 1983, 16–19. 390 Liv. 10,41. 391 Liv. 21,63,5–15 und 22,1,5–8. Eine andere Version des Falles berichten Cicero und Plutarch; hier hatte Flaminius ungünstige Zeichen mehrfach nicht beachtet (Cic. div. 1,77; Plut. Fab. 2,3–3,1). Zu diesem Fall mit eigener Interpretation zuletzt Koortbojian 2020, 60–63. 392 Zur umfangreichen Forschungsdiskussion über die lex curiata vgl. die Zusammenfassung bei Walter 2017, 156; ausführlich und mit eigener Position Vervaet 2014, 300–351. Neuere Diskussionsbeiträge auch bei Koortbojian 2020,49–52, 64–66; Drogula 2015, 105–109; Humm 2012. 393 Zum performativen Charakter dieser profectio von Magistraten vgl. z. B. Pina Polo 2011, 215–218 mit weiterer Lit.
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Detail kaum. Zwar nennt eine Stelle bei Cassius Dio im Zusammenhang mit dem Aufbruch eines regulären Magistraten – des Consuls Crassus – zu einem Feldzug einen Grenzübertritt, nämlich, wie bei diesem Autor üblich, das Überschreiten des Pomerium.394 Aus dem Kontext wird jedoch nicht deutlich, ob für Cassius Dio mit diesem Übertritt das imperium des Crassus überhaupt erst begann, oder ob dieses lediglich diejenige Grenze darstellte, innerhalb derer die Volkstribunen, die Crassus kurz zuvor noch hatten festsetzen wollen, über Kompetenzen verfügten.395 Ein eindeutiger Hinweis auf eine Bedeutung der Stadtgrenze für den Beginn des Kommandos eines amtierenden Magistraten ist die Stelle darum nicht, ganz abgesehen von der Möglichkeit, dass die Darstellung Cassius Dios natürlich auch von der späteren Praxis der kaiserzeitlichen Proconsuln beeinflusst sein könnte. Zwar wird der Handlungskomplex der Übernahme des Kommandos stets als Auszug aus der Stadt beschrieben und bezeichnet. Wie aber bereits Giovannini zurecht betont hat, findet sich in keiner einschlägigen Quelle eine Nennung des Pomerium, eines Stadttors oder einer anderen Stadtgrenze, deren Überschreiten nach der üblichen Lesart den zentralen Moment des Gesamtrituals darstellen müsste.396 Stattdessen werden in den einschlägigen Zeugnissen die Auspizien, die vota auf dem Capitol und auch das Anlegen des paludamentum in den Vordergrund gestellt. Ob dieser Mantel aber bereits auf dem Capitol oder erst bei bzw. nach dem Verlassen des Stadttores, des Pomerium oder zu einem anderen Zeitpunkt angelegt wurde, bleibt unklar. In der Forschungsdiskussion hat man die Bedeutung des Grenzübertritts nach außen bei Aufnahme des imperium vor allem an dem Moment festmachen wollen, an dem der Magistrat und seine Lictoren, die Insignien der Beile in den Fasces und das paludamentum angelegt hätten. Immer wieder ist zu lesen, diese Handlungen seien unmittelbar nach dem Überschreiten des Pomerium nach außen erfolgt.397 Livius’ Aussagen lassen sich aber durchaus auch dahingehend Dio 39,39,7: ἐπεχείρησε μὲν γὰρ ὁ Ἀτέιος καὶ ἐς τὸ δεσμωτήριον αὐτὸν ἐμβαλεῖν· ἀντιστάντων δὲ ἑτέρων δημάρχων μάχη τε αὐτῶν καὶ διατριβὴ ἐγένετο, κἀν τούτῳ ὁ Κράςσος ἔξω τοῦ πωμηρίου ἐξῆλθε („Ateius versuchte sogar, Crassus ins Gefängnis zu werfen, doch dem widersetzten sich andere Volkstribunen, und der Streit unter ihnen und die Verzögerung dauerten noch an, während Crassus schon das Pomerium verlassen hatte.“ Übers. O. Veh). 395 Dass Cassius Dio das Pomerium als die Grenze der tribunizischen Amtsgewalt in der Republik betrachtete, geht indirekt aus der bereits zitierten Stelle 51,19,6 hervor (vgl. Kap. 3.3.2 a) Anm. 369): Die Stelle, die sich auf Augustus bezieht, besagt, dass erst dieser über das Recht verfügt habe, die tribunizische Amtsgewalt auch bis zum ersten Meilenstein auszuüben. 396 Giovannini 1983, 16–19. 397 Zur Verbindung der mutatio vestis mit dem Pomerium z. B. Rüpke 1990, 35 und 135; Mommsen 1887/88, I, 63 f. Es ist wohl möglich, dass das in der Forma Urbis auftauchende mutatorium, das im Curiosum als mutatorium Caesaris bezeichnet wird, mit einer solchen mutatio vestis vor der Porta Capena in Zusammenhang steht; dies muss letztlich aber offen bleiben, weil natürlich auch praktischere Gesichtspunkte wie 394 Cass.
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deuten, dass das paludamentum üblicherweise bereits auf dem Capitol im Anschluss an die vota angelegt wurde: C. Flaminius sei vor der Zeit aufgebrochen, „um nicht nach Durchführung der Auspizien auf das Capitol zu ziehen, um die Gelübde abzulegen, und darauf im Kleid des Feldherrn mit den Lictoren in die Provinz zu gehen“ (ne auspicato profectus in Capitolium ad vota nuncupanda, paludatus inde cum lictoribus in provinciam iret)398. Und selbst wenn beim Aufbruch der Magistrate der Augenblick des Grenzübertritts wirklich eine signifikante Rolle gespielt haben sollte, steht doch immerhin fest, dass die entscheidende Rolle in diesem Kontext jedenfalls nicht speziell dem Pomerium zugewiesen werden kann. Dieses taucht zwar, wie üblich, bei Cassius Dio in dieser Funktion auf, sofern man die diskutierte Stelle zu Crassus doch nicht allein auf die Volkstribunen, sondern auch auf dessen imperium beziehen möchte. Bei Livius, Varro und Cicero und anderen Autoren hingegen evozieren unspezifische Formulierungen wie (urbe) exire, egredi und proficisci, wenn man denn überhaupt an eine bestimmte Grenze denken möchte, eher ein Stadttor als das immaterielle Pomerium.399 d) Urbem inire – die Rückkehr eines Befehlshabers nach Rom Die Frage nach einem grundsätzlichen Ausschluss von militärischem Kommando aus dem Stadtgebiet wird sich an den Zeugnissen zur Rückkehr eines Feldherrn in die Stadt entscheiden, die nun in den Blick genommen werden sollen. Bei der Untersuchung der Quellen zu dieser Rückkehrsituation muss erneut analytisch zwischen amtierenden Magistraten und Promagistraten unterschieden werden.
Ende des Kommandos der Promagistrate Sehr eindeutig stellt sich die Quellenlage in Bezug auf Rückkehr von Promagistraten nach Rom dar. Für diese war der Wiedereintritt in die Stadt mit Niederlegung ihres militärischen Kommandos verbunden. Dies war besonders brisant, weil sie ja keinerlei reguläres Amt mehr innehatten und somit nicht ohne weiteres ein neues Kommando aufnehmen konnten. Hier sind nicht nur die bereits erwähnten der Umstieg in bzw. aus dem Reisewagen denkbar ist (vgl. zu dieser Diskussion Pisani Sartorio 1996b und Stevens 2017, 41 f.). Dieses Problem ist aber unabhängig von der Frage nach der Relevanz des Pomerium in diesem Kontext. 398 Liv. 21,63,8; vgl. auch die weiteren in Anm. 399 genannten Stellen. 399 Z. B. Varr. ling. 7,37: ad bellum cum exit imperator ac lictores mutarunt vestem et signa incinuerunt, paludatus dicitur proficisci; Cic. Pis. 31: cum proficiscebamini paludati in provincias; Liv. 36,3,14: ipse ante diem quintum nonas Maias paludatus urbe egressus est; Val. Max. 9,3,1: cum adversus Hasdrubalem Livius Salinator bellum gesturus urbe egrederetur. Vgl. außerdem Berthelet 2015, 190, mit zahlreichen weiteren Belegen.
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Aussagen über die kaiserzeitlichen Verhältnisse anzuführen, am deutlichsten jene Ulpians: proconsul portam Romae ingressus deponit imperium.400 Auch für die republikanische Zeit ist diese Rechtslage vielfach bezeugt. Zu den deutlichsten Belegen gehören Livius’ Bericht über den Proconsul Fulvius Flaccus401, auf den gleich noch ausführlicher eingegangen werden wird, sowie Ciceros Wiedergabe der Aussage des Appius Claudius Pulcher, des Consuls von 54 v.Chr, er werde gemäß einer lex Cornelia solange als Proconsul imperium besitzen, bis er in die Stadt zurückkehre (lege Cornelia imperium habiturum quoad in urbem introisset).402 In der Rede gegen Piso spricht Cicero davon, dass bei dessen Rückkehr aus Makedonien – ohne Triumph, wie er betont – die Lictoren einfach am Tor (ad portam) ihre Zivilkleidung erhalten hätten.403 Überliefert sind in diesem Zusammenhang auch einige Fälle, in denen Versammlungen des Senats oder des Volks deshalb außerhalb der Stadt stattfanden, damit Promagistrate ihr imperium nicht aufgeben mussten, um daran teilnehmen zu können. Diese Situationen beschreibt besonders Cassius Dio für die späte Republik mehrfach.404 Erst Augustus habe, so Dio explizit, die Regel für sich selbst aussetzen können, sodass er das proconsularische imperium bei Übertreten des Pomerium nicht abzulegen und später auch nicht wieder zu erneuern hatte.405 Möglicherweise gehört in diesen Zusammenhang auch eine Stelle aus den Reden gegen Verres, doch obwohl Cicero hier davon spricht, die heimlichen Besuche des Verres in der Stadt seien contra auspicia, geht er nicht so weit zu behaupten, das imperium des Verres sei darum insgesamt nichtig gewesen.406
Promagistratische Triumphanwärter Die sowohl zahlenmäßig größte als auch signifikanteste Gruppe von Zeugnissen, die mit dem Ende eines promagistratischen Kommandos zusammenhängen, betrifft die Situation der Triumphanwärter. Der vielleicht bekannteste derjenigen Fälle, die Promagistraten betreffen, ist jener Caesars, der vor dem Dilemma stand, entweder vor der Stadt auf einen Triumph zu hoffen oder in Rom eine Kandidatur 400
Dig. 1,16,2pr. (Ulpian). Liv. 26,9,9–10,10. 402 Cic. fam. 1,9,25. 403 Cic. Pis. 55: Togulae lictoribus ad portam praesto fuerunt; quibus illi acceptis sagula reiecerunt, catervam imperatori suo novam praebuerunt („Für die Liktoren wurden am Tor Zivilkleider bereit gehalten; sie nahmen sie in Empfang, legten die Kriegsmäntel ab und stellten sich ihrem Imperator als neue Art von Gefolge zur Verfügung.“ Übers. M. Fuhrmann). 404 Cass. Dio 39,63,4; 40,50,2; 41,3,3; 41,15,2; 41,16,2; 49,15,3. Ähnlich auch Cic. ad Q. fr. 2,3,3: senatus ad Apollinis fuit, ut Pompeius adesset. 405 Cass. Dio 53,17,4 und 32,5. 406 Cic. Verr. 2,5,34. 401
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für das Consulat von 59 v. Chr. zu erklären, mit dem Betreten der Stadt aber den Triumphanspruch zu verspielen. Caesar entschied sich gegen den Triumph und für die am Ende auch erfolgreiche Kanditatur.407 Besonders bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang ferner diejenigen aus der späten Republik überlieferten Fälle von Promagistraten, die außergewöhnlich lange, teilweise mehrere Jahre, außerhalb der Stadt blieben, da sie noch hofften, es könnte ihnen ein Triumph gewährt werden. Ein Beispiel ist Gaius Pomptinus, dem erst acht Jahre nach seinen Siegen über die Gallier ein Triumph zugestanden wurde.408 Und auch Cicero selbst hoffte bekanntlich eine Zeitlang auf einen Triumph und geht in den Briefen mehrfach auf diese Situation ein.409 Angesichts der bereits erläuterten Regel, wonach Promagistrate bei Eintritt in die Stadt ihr imperium automatisch verloren, ist dies aber nur folgerichtig. Zudem ist an weiteren Stellen zu promagistratischen Triumphanwärtern (nicht jedoch bei amtierenden Magistraten) sogar explizit von Verleihungen von imperium für den Triumph die Rede: Livius spricht immerhin zweimal davon, dass solchen Heerführern mit verlängertem (prorogiertem) imperium jeweils durch Volksbeschlüsse für den Tag ihres Triumphes bzw. ihrer Ovatio, des „kleinen Triumphes“, imperium gewährt wurde, welches sie offenbar andernfalls beim Eintritt in die Stadt verloren hätten.410 Dies schließt freilich nicht aus, dass in diesem Zusammenhang noch weitere Aspekte eine Rolle spielten, die auch die regulären Magistrate betroffen haben mögen, für die eine ähnliche Praxis überliefert ist. Darauf wird gleich zurückzukommen sein. Bei den Stellen zum Ende des promagistratischen Kommandos ist ferner auffällig, dass zwar ein Teil der Zeugnisse für diesen Kontext das Pomerium ausdrücklich nennt, diese jedoch ausnahmslos von Cassius Dio stammen. Alle anderen sowohl früheren als auch späteren Autoren nehmen auf das Pomerium in diesem Kontext keinen ausdrücklichen Bezug. Sie nennen entweder einen unspezifischen Begriff wie urbs oder verweisen auf das Stadttor als Endpunkt des promagistratischen imperium. Zitiert werden soll hier noch einmal Cicero, der in einem Brief an Atticus schreibt, er werde sein laufendes imperium, wenn dies dazu führe, dass ihm neue unerwünschte Aufgaben angetragen würden, einfach verfallen lassen, und zwar indem er das nächstbeste Stadttor durchschreite: itaque si hoc imperium mihi molestum erit, utar ea porta quam primam videro („deshalb werde ich, wenn dieses imperium mir lästig wird, dasjenige Tor benutzen, welches ich zuerst sehe“).411 Auch beim Triumph wurde offenbar regelmäßig ein Stadttor, die Porta Triumphalis, deren Lage umstritten ist, durchschritten. Aufgrund der 407
Plut. Caes. 13,1 und Cat. Min. 31,2–3. Cass. Dio 39,65,1. Vgl. auch Cic. Att. 4,18,4. 409 Vgl. mit den Belegen Itgenshorst 2005, 66–69; Beard 2007, 187–198. 410 Liv. 24,9,1–3: ut M. Marcello quo die urbem ovans iniret imperium esset; 45,35: ut iis, quo die urbem triumphantes inveherentur, imperium esset. 411 Cic. Att. 7,7,4. 408
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Annahme, beim Triumph sei das Pomerium die maßgebliche Stadtgrenze, wird freilich häufig die These vertreten, dieses Tor sei kein eigentliches Stadttor, sondern ein freistehender Bogen gewesen, der den Übertritt über das Pomerium markiert habe.412 Die beiden einzigen Erwähnungen dieses Tores bei Cicero und Flavius Josephus belegen dies aber in keiner Weise. Cicero stellt das Tor sogar explizit weiteren portae wie der Caelimontana und Esquilina gegenüber, die unstreitig Tore in der Stadtmauer darstellten.413 Wie an der bereits erwähnten Stelle zu den Lictoren des Piso, geht es auch hier darum, dass es Piso nicht gelungen war, einen Triumph zugesprochen zu bekommen: Es war dann gleichgültig, durch welches Tor er in die Stadt zurückkehrte, solange es nicht die Porta Triumphalis war. Von der problematischen Verbindung mit dem Pomerium abgesehen reichen die Zeugnisse zu den Promagistraten aber auch noch nicht aus, um einen grundsätzlichen rechtlichen Ausschluss von militärischem Kommando als solchem zu belegen. Viele der bereits betrachteten Stellen bringen explizit zum Ausdruck, dass sie die proconsularische Amtsgewalt betreffen, was eher auf einen Unterschied zu regulären Magistraten hinweist. Zugleich ist es offensichtlich, dass ein gravierender Unterschied schon darin bestand, dass etwa ein amtierender Consul, der nach einem Feldzug in die Stadt zurückkehrte, dadurch jedenfalls nicht sein Amt verlor.
412
So etwa Rüpke 1990, 228 f. (mit älterer Lit.), der sogar vermutet, dass eine feste Porta Triumphalis erst nach der Pomeriumerweiterung Sullas auf dem neuen Pomerium errichtet worden sein könnte. Sehr entschieden und ausführlich plädiert für eine Lokalisierung auf dem Pomerium auch Coarelli 1988, 363–414 (neben vielen anderen Beiträgen). Vorsichtiger Magdelain 1977, 24 (=1990, 223): „peut-être sur la ligne pomériale elle-même“ und anders z. B. Gargola 2017, 130, der die Porta Triumphalis als echtes Stadttor interpretiert. Die rituelle Bedeutung des Durchschreitens gerade dieses Tores (zu dieser Frage Stevens 2017, 48–51), das ja offenbar auch von Opferhandlungen begleitet war (Ios. bell. Iud. 7,5,4), ist davon unabhängig zu diskutieren. 413 Cic. Pis. 55: Cum ego eum Caelimontana introisse dixissem, sponsione me ni Esquilina introisset homo promptus lacessivit; quasi vero id aut ego scire debuerim aut vestrum quisquam audierit aut ad rem pertineat qua tu porta introieris, modo ne triumphali, quae porta Macedonicis semper consulibus ante te patuit; tu inventus es qui consulari imperio praeditus ex Macedonia non triumphares („Als ich gesagt hatte, er sei durch die Porta Caelimontana hereingekommen; da wollte dieser schlagfertige Mensch mit mir wetten, er sei durch die Porta Esquilina hereingekommen. Als ob ich dies wissen müsste oder jemand von euch davon gehört hätte oder als ob es zur Sache gehörte, durch welches Tor du hereingekommen bist – solange nicht durch die Porta Triumphalis, die für die Statthalter von Makedonien vor dir stets offenstand: Du bist der erste, der, mit konsularischem imperium versehen, aus Makedonien nicht im Triumph heimgekehrt ist.“ Übers: M. Fuhrmann, mit wenigen Änderungen). Vgl. auch Ios. bell. Iud. 7,5,4.
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Ende des Kommandos regulärer Magistrate Um einen grundsätzlichen Ausschluss von militärischer Befehlsgewalt aus dem Stadtgebiet nachweisen zu können, müsste man ihn also auch und vor allem in einer Situation greifen können: Bei der Rückkehr noch regulär amtierender Magistrate von einem Feldzug. Es ist dies jedoch zugleich unter den hier analysierten Situationen diejenige, bei der die Quellenlage am schwierigsten zu beurteilen ist. Gerade dieser Punkt ist daher auch immer wieder Gegenstand von Forschungskontroversen.414 Die zentrale Frage lautet: Welche Bedeutung hatten Stadtgrenzen für das militärische Kommando als einem Teil der Amtsgewalt der regulären Magistrate? Hierzu ergibt sich insgesamt ein komplexes Bild, und dies obwohl die allermeisten relevanten Zeugnisse von einem einzigen Autor stammen, nämlich Livius.
Expliziter Vergleich von regulären und Promagistraten Zunächst einmal existiert nur eine Stelle, wo in Bezug auf die Frage der Stadtgrenzen das imperium von regulären Magistraten ausdrücklich dem eines nach Rom zurückkehrenden Promagistraten gegenübergestellt wird. Sie wurde bereits kurz erwähnt und betrifft den Proconsul Fulvius Flaccus, der im Jahre 211 v. Chr., während Hannibal vor Rom steht, durch einen Senatsbeschluss die Möglichkeit erhalten soll, mit seinem Heer das Stadtgebiet zu durchqueren, ohne sein imperium zu verlieren.415 Zu diesem Zweck habe der Senat beschlossen, das imperium des Proconsuls solle dem der Consuln gleichgestellt sein: cui ne minueretur imperium si in urbem venisset, decernit senatus ut Q. Fulvio par cum consulibus imperium esset. 414 Vgl.
z. B. die Forschungsüberblicke und eigenen Positionen von Drogula 2015, 113–115, und Vervaet 2014, 82 f. Anm. 47, die v. a. von der Situation der Triumphanwärter ausgehen. 415 Liv. 26,10,1: Inter hunc tumultum Q. Fulvium proconsulem profectum cum exercitu Capua adfertur; cui ne minueretur imperium si in urbem venisset, decernit senatus ut Q. Fulvio par cum consulibus imperium esset. […] In hoc tumultu Fulvius Flaccus porta Capena cum exercitu Romam ingressus, media urbe per Carinas Esquilias contendit; inde egressus inter Esquilinam Collinamque portam posuit castra („In diesem Durcheinander traf die Nachricht ein, der Prokonsul Quintus Fulvius sei mit seinem Heer von Capua aufgebrochen; damit dessen Befehlsgewalt durch das Betreten der Stadt nicht beschnitten werde, beschloß der Senat, Quintus Fulvius solle in seinen Befugnissen den Konsuln gleichgestellt sein. […] Während dieses Durcheinanders zog Fulvius Flaccus, der mit seinem Heer durch das Capenische Tor in Rom eingerückt war, mitten durch die Stadt über die Straße von Carinae zum Esquilinus; dort ging er wieder hinaus und schlug zwischen dem esquilinischen und collinischen Tor sein Lager auf.“ Übers. J. Feix). Zur der Diskussion um diese Stelle, in der z. T. auch die Historizität des Ereignisses wegen seiner Normwidrigkeit angezweifelt wurde, vgl. ausführlich Vervaet 2014, 162–166.
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Dies impliziert, dass wenigstens in der betreffenden Situation die amtierenden Consuln das Recht, die Stadt ohne Verlust ihres imperiums zu betreten, selbstverständlich schon besessen hätten. Tatsächlich durchquert Flaccus dann auch ohne weiteres das Stadtgebiet, indem er es durch das eine Tor betritt und durch ein anderes wieder verlässt, um vor der Stadt ein Lager aufzuschlagen. Hier ist nun zum einen zu berücksichtigen, dass Livius den Begriff imperium sehr häufig in wesentlich weiterem Sinne gebraucht als in dem des rein militärischen Kommandos. In diesem Sinne verstanden, besaßen Consuln grundsätzlich auch innerhalb der Stadt imperium, während der Proconsul ohne die genannte Ausnahmeregelung das seinige bei deren Betreten verloren hätte. Zum anderen ist zu beachten, dass Livius im konkreten Fall eine Sondersituation beschreibt, in der Rom selbst belagert wird. Die Schilderung impliziert recht klar, dass die amtierenden Consuln in dieser Lage auch über militärisches Kommando in der Stadt verfügten, auch wenn sie die tatsächliche Truppenführung dort an den praefectus urbi delegiert hatten, während sie selbst über eigene vor der Stadt liegende Heere verfügten. Zudem hält sich der Senat dauerhaft auf dem Forum auf, um den Magistraten, also zweifellos auch den amtierenden Consuln, für Beratungen zur Verfügung zu stehen. Dies zeigt, dass diese ohne Weiteres die Stadt betreten und wieder verlassen konnten. Und schließlich wird, so Livius, kurz darauf aufgrund der weiter zugespitzten Lage und innerer Unruhen auch allen ehemaligen Dictatoren, Consuln und Censoren imperium verliehen (placuit omnes, qui dictatores consules censoresve fuissent, cum imperio esse), und damit eine noch weitergehende Notstandsmaßnahme verhängt, wobei sich aus dem Kontext ergibt, dass dieses imperium auch und gerade innerhalb der Stadt gelten soll. Dies wäre im Übrigen absurd, wenn nicht einmal die gegenwärtig amtierenden Magistrate dieses in der Stadt besessen hätten. Die Betrachtung der Stelle gibt somit Anlass zu folgenden Schlussfolgerungen: Nach Livius’ Verständnis scheint grundsätzlich nur ein promagistratisches Kommando aus der Stadt ausgeschlossen gewesen zu sein, während dies für das Kommando regulär amtierender Magistrate nicht in gleicher Weise galt. Dabei ging es offenbar auch nicht allein um den militärischen Charakter des promagistratischen Kommandos im Gegensatz zu einem irgendwie zivilen imperium der amtierenden Magistrate. Denn obwohl die Stadt selbst Kriegsschauplatz geworden war, verstand es sich offenbar nicht von selbst, dass der Proconsul sein imperium beim Durchzug durch die Stadt behielt. Was also konzeptionell beim Betreten der Stadt endete, war das promagistratische Kommando, nicht aber militärisches Kommando an sich und erst recht nicht jegliches imperium, was bei Livius, wie gesagt, auch Amtsgewalt im umfassenderen Sinne bezeichnen konnte. Die Stelle spricht schließlich klar gegen einen sakralrechtlichen Ausschluss des Militärischen aus der Stadt, zumindest in dem Fall, dass der Krieg diese direkt bedrohte. Angesichts der extremen Besonderheit der Situation, nämlich einer direkten militärischen Bedrohung Roms, kann eine angemessene Beurteilung der Stelle
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freilich nur im Lichte der weiteren Zeugnisse zum Umgang kommandierender regulärer Magistrate mit Stadtgrenzen beurteilt werden. Die Schwierigkeit besteht nun darin, diesen auf Basis eines ausdrücklichen Vergleichs gewonnenen Befund mit den von Livius und anderen Autoren beschriebenen Praktiken ins Verhältnis zu setzen, welche mit dem Ende militärischer Unternehmungen verbunden waren. Hier sind nämlich tatsächlich deutliche Parallelen zwischen regulären Magistraten und Promagistraten festzustellen.
Praxis bei Wiedereintritt in die Stadt Am deutlichsten sind diese zu erkennen im Zusammenhang mit dem Rechenschaftsbericht, den Feldherrn nach Abschluss ihres Unternehmens vor dem Senat ablegten und der oft mit der Bitte um Gewährung eines Triumphs verbunden war. Dabei scheint die bereits bei den Promagistraten beobachtete Praxis, die Stadt vor dem Triumph nicht zu betreten, auch von amtierenden Consuln geübt worden zu sein, freilich ohne deshalb in vergleichbare Situationen zu geraten wie Caesar, Pomptinus oder Cicero. Livius nennt eine ganze Reihe von Beispielen auch von regulären Magistraten, die mit dem Senat in den extraurbanen Tempeln des Apollo oder der Bellona am südöstlichen Ende des Marsfeldes über ihre Triumphe verhandeln. Dabei zeigt er sich bemerkenswert konsequent; es wird kein einziger Fall einer solchen Sitzung innerhalb von Mauer und Pomerium lokalisiert416. Ein Zufall scheint somit ausgeschlossen; der Punkt muss dem Autor wichtig erschienen sein. Dies zeigt umso mehr eine Episode, die als historische Erklärung für die Wahl gerade dieser, wie gesagt, unmittelbar benachbarten Tempel des Apollo und der Bellona angesehen werden kann.417 Sie bezeugt zugleich, dass der Autor die Praxis der außerstädtischen Triumphverhandlungen als sehr alt ansah, in jedem Fall älter als die Promagistratur. Die extraurbanen Verhandlungsorte ergaben sich also sicher nicht nur aus der spezifischen Situation der promagistratischen Befehlshaber, was zuweilen als Argument für die Auffassung gebraucht wurde, auch die amtierenden Magistrate hätten wegen des Ausschlusses von imperium aus der Stadt außerhalb verhandeln müssen. Doch bedeutet dies, dass Livius für die regulären Magistrate ebenfalls davon ausging, dass sie das mit den triumphwürdigen Erfolgen verbundene Kommando verloren hätten, wenn sie die Stadt betreten hätten? Gegen eine solche juristische Interpretation der beschriebenen Praxis sprechen neben den bereits diskutierten expliziten Bemerkungen des Livius zum promagistratischen imperium einige weitere Indizien. So fügen sich auch solche Zeugnisse
416 417
Vgl. die Übersicht mit allen Belegen bei Bonnefond-Coudry 1989, 144–147. Liv. 3,63,5–11.
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in das beschriebene Muster, bei denen gar keine Triumphanfrage formuliert wird, in denen es aber doch um die abschließende Beurteilung eines vollendeten militärischen Unternehmens, also eine Art Rechenschaftsbericht des Heerführers ging. In einem solchen Fall, von dem Livius berichtet, ist der Heerführer selbst nicht einmal anwesend, sondern lässt durch Legaten berichten.418 Ein weiteres Indiz gegen ein Verständnis der extraurbanen Sitzungsorte bei Triumphverhandlungen quasi als Ausweichquartiere ist ihre bereits erwähnte geringe Variabilität: Denn für nahezu all diese Sitzungen bezeugt Livius explizit den Apollo-Tempel oder den direkt daneben liegenden Bellona-Tempel als Sitzungsort, wobei zumindest beim Bellona-Tempel auch der semantische Bezug zum Krieg nicht von der Hand zu weisen ist.419 Dies deutet eher auf eine starke Regelmäßigkeit des gesamten Verfahrens als auf einen bloßen Ausschluss des Kommandos aus dem Stadtgebiet, der auch Sitzungen an anderen außerstädtischen Orten erlaubt hätte. Ein letzter und vielleicht der stärkste Hinweis ist schließlich den von Livius beschriebenen Triumphdebatten selbst zu entnehmen. So erwidert nämlich der amtierende Consul Postumius Megellus im Jahr 294 v. Chr. dem gegenüber seinem Triumph ablehnend eingestellten Senat, er werde auch gegen dessen Willen, kraft seines imperium triumphieren: „Non ita“ inquit, „patres conscripti, vestrae maiestatis meminero, ut me consulem esse obliviscar. Eodem iure imperii, quo bella gessi, bellis feliciter gestis, Samnio atque Etruria subactis, victoria et pace parta triumphabo.“420 Dies wäre offensichtlich eine unsinnige Bemerkung, wenn gerade dieses imperium bei Betreten der Stadt ohne anderslautenden Senats- oder Volksbeschluss erlöschen würde. Es ergibt sich somit für Livius folgendes Ergebnis: Einerseits betont er explizit den grundsätzlichen Unterschied zwischen dem imperium eines Promagistrats und eines regulären Magistrats. In zwei Fällen spricht er auch von der Notwendigkeit, Promagistraten zusätzliches imperium für den Triumph bzw. die Ovatio zu
418
Liv. 41,17,4. auch hier die Übersicht mit allen Belegen bei Bonnefond-Coudry 1989, 144–147: Livius nennt keine anderen Sitzungsorte für Triumphverhandlungen; nur einmal bleibt es bei einer ungenauen Loklisierung extra urbem. Zum Ensemble von Bellona- und Apollo-Tempel und deren möglicher symbolischer Bedeutung ebd., 152–156. 420 Liv. 10,36,8: „Senatoren, ich werde nicht so sehr an eure Hoheit denken, dass ich vergesse, dass ich Konsul bin. Mit demselben Recht zu befehlen, mit dem ich meine Kriege geführt habe, werde ich nach erfolgreicher Kriegführung, nach der Unterwerfung von Samnium und Etrurien und der Erringung von Sieg und Frieden triumphieren.“ (Übers. H. J. Hillen). Vgl. dazu auch Itgenshorst 2005, 159 f. 419 Vgl.
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verleihen – eine Entscheidung, die für ihn offenbar nicht mit der eigentlichen Triumphgewährung zusammenfällt. Andererseits beschreibt er die etablierte Praxis des Beginns, der Unterbrechung und des Endes einer militärischen Unternehmung, ohne dass dabei nennenswerte Unterschiede zwischen regulären und Promagistraten zu erkennen sind. Der Schluss, Livius setze bei dem amtierenden Magistraten einen ähnlichen rechtlichen Hintergrund voraus, nämlich das Ende des imperium bei Betreten der Stadt, ist jedoch nicht möglich. Die Indizien deuten insgesamt eher daraufhin, dass Livius für die hier relevanten Abläufe schlicht ein seit sehr früher Zeit etabliertes Verfahren mit relativ festen Handlungsorten annimmt, die im Prinzip von der rechtlichen Frage des imperium losgelöst betrachtet und nur bei den Promagistraten um diesen Aspekt ergänzt werden. Ein ähnliches Bild zeigt sich dann auch bei späteren Autoren: Velleius Pater culus, Plutarch und Cassius Dio scheinen zwar im Hinblick auf den außerhalb der Stadt vorgelegten Rechenschaftsbericht und das Nicht-Betreten der Stadt vor dem Triumph keine Unterschiede zwischen regulären und Promagistraten zu sehen: Sie ordnen die beschriebene Regel jedoch in keiner Weise dem militärischen Kommando, sondern vielmehr allein der Triumphsituation zu. Dies gilt, obwohl all diejenigen Personen, die jeweils als Beispiele genannt werden (Aemilius Paullus, Caesar und Octavian), zum Zeitpunkt ihrer Triumphanfrage Promagistrate waren. Für diese hätte also in jedem Fall auch die Vorschrift zum Verlust ihres imperium bei Betreten der Stadt gegolten. Es scheint aber bei all diesen Autoren so, als würden alle Triumphanwärter von jeher zunächst dem außerhalb der Stadt versammelten Senat Bericht erstatten, bevor sie ggf. im Triumph in die Stadt einziehen durften. Velleius bezeichnet dies als einen mos maiorum421, Cassius Dio wiederum spricht von Bräuchen der Väter (κατὰ τὰ πάτρια).422 Und wenn Plutarch, der über das erwähnte Dilemma Caesars schreibt, dem ganzen hier zusammenkommenden Regelkomplex Rechtscharakter zuschreibt (κατὰ νόμον), so ist zu bedenken, dass dies im konkreten Beispiel ja sogar in doppelter Weise der Fall war: Nicht nur hätte Caesar mit dem Betreten der Stadt das promagistratische imperium verloren, auch beruhte die Notwendigkeit, die Stadt doch zu betreten, um die Kandidatur für das Consulat zu erklären, offenbar auf einem entsprechenden Gesetz.423 Etwas abstrakter und grundsätzlicher wird das Thema noch bei Seneca in De Beneficiis angesprochen, jener Stelle, die bereits im Zusammenhang der spätrepublikanischen Leibgarden eingegangen wurde. Wie bereits gesagt, wird aber hier ebenfalls nicht auf das imperium verwiesen und nicht juristisch argumentiert. Die Verpflichtung (deberetis), nur mit Zustimmung des Senats zu triumphieren
421
Vell. 1,10,4. Cass. Dio 49,15,3. 423 Plut. Caes. 13,1. 422
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und die Verhandlungen zuvor extra muros zu führen, stellt Seneca vielmehr in den Zusammenhang eines Bürgerethos und der Bewahrung von libertas.424 Unabhängig davon ist es auch durchaus plausibel, dass beim Triumph und bei der Ovatio noch weitere, das Ritual selbst betreffende Aspekte hinzukamen, die einem vorherigen Betreten der Stadt entgegenstanden. Dies ist gerade auch in diesem Kontext von der Forschung schon mehrfach zurecht betont worden.425 Beide Rituale wurden zweifellos als Eintrittsrituale empfunden, wie nicht nur die sehr häufig auftauchenden verbalen Umschreibungen triumphans bzw. ovans in urbem inire oder ähnliches (introire, intrare etc.) deutlich zeigen.426 Der Logik des Rituals hätte ein vorheriger Eintritt in die Stadt also widersprochen. Es verwundert deshalb auch nicht, dass der Form halber sogar noch Vespasian und Titus die Nacht vor ihrem Triumph auf dem Marsfeld verbrachten, wie Flavius Josephus berichtet.427 Cassius Dio berichtet außerdem von gewissen (von Triumph und Ovatio verschiedenen) Riten zum Dank für die Erfolge des Feldherrn, die nach Feldzügen mit dem Wiedereintritt in der Stadt verbunden gewesen seien. Diese hätten Augustus noch im Jahr 8 v. Chr., wo er eindeutig bereits über ein dauerhaftes proconsularisches imperium verfügte, davon abgehalten, dass Stadtgebiet vor Ende seines Feldzugs zu betreten, um den Leichnam des Drusus aufzusuchen.428 Auf die Möglichkeit eines Zusammenhangs mit den Auspizien wird im folgenden Unterkapitel noch einmal zurückzukommen sein.429 All diese Indizien lassen also die Praxis auch amtierender Magistrate, vor dem Triumph die Stadt nicht zu betreten, durchaus plausibel erscheinen, auch ohne dass man annehmen muss, ein anderes Vorgehen sei wegen des Ausschlusses von militärischem Kommando rechtlich unmöglich gewesen. Demgegenüber sind die Aussagen Ciceros, auf denen eine gegenteilige Sicht aufbaut, weil er häufig von imperium spricht, durchaus relativierbar. Denn an den hier relevanten Stellen, so etwa mit Bezug auf seinen eigenen Wunsch nach einem Triumph, ist fast ausnahmslos von konkreten Fällen von promagistratischem imperium die Rede, 424
Sen. De beneficiis 5,15,5–6. Siehe Kap. 3.3.1 b), Anm. 275. Z. B. Richardson 1975, 59 f.; Versnel 1970, 388. 426 Vgl. z. B. Liv. 7,11,9; 26,21,2 und 4; 28,9,6 u. v. m.; Tac. ann. 3,11,1; 13,8,1; Gell. 5,18,9. Vgl. auch Versnel, ebd. 427 Ios. bell. Iud. 7,5,4. 428 Cass. Dio 55,2,2: καὶ αὐτοῦ ἐν τῇ ἀγορᾷ προτεθέντος διπλοῦς ὁ ἐπιτάφιος ἐλέχθη· ὅ τε γὰρ Τιβέριος ἐνταῦθα αὐτὸν ἐπῄνεσε, καὶ ὁ Αὔγουστος ἐν τῷ Φλαμινίῳ ἱπποδρόμῳ· ἐξεστράτευτο γάρ, καὶ οὐκ ἦν οἱ ὅσιον μὴ οὐ τὰ καθήκοντα ἐπὶ τοῖς κατειργασμένοις, παρ’ αὐτὴν τὴν εἴσω τοῦ πωμηρίου ἔσοδον, ἐπιτελέσαι („Als er [der tote Drusus] dann prunkvoll auf dem Forum aufgebahrt lag, erhielt er zwei Nachrufe: Tiberius widmete ihm dort eine Lobrede, desgleichen tat Augustus im Circus Flaminius. Der Kaiser hatte sich nämlich auf einem Feldzug befunden, und da durfte er nicht die zu Ehren seiner Erfolge üblichen Bräuche gleichzeitig mit dem Betreten des Pomeriums erfüllen.“ Übers. O. Veh). 429 Kap. 3.4.3 a). 425
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dessen spezifische Situation ja unstreitig ist.430 Lediglich an einer Stelle in der zweiten Rede gegen Verres formuliert er, dass, wenn jemand triumphiere, derselbe Tag seinem imperium und dem Leben der im Triumph mitgeführten Kriegsgefangenen ein Ende bereite.431 Ob diese rhetorisch zugespitzte Aussage jedoch so allgemeingültig interpretiert werden sollte, dass sie auch auf noch amtierende Magistrate zu beziehen ist, die in dieser Zeit ja nur noch eine kleine Minderheit der Triumphatoren darstellten, kann durchaus bezweifelt werden. Zudem ging es ja auch bei Verres selbst, an den hier als potentieller Triumphator zu denken ist, um ein promagistratisches Kommando.
Beile in den Fasces Stellen, die jenseits der Triumphthematik Aufschluss über den Umgang regulärer kommandierender Magistrate mit den Stadtgrenzen geben können, finden sich durchaus, wenn auch ausschließlich bei Livius. Die wohl wichtigste unter diesen Stellen betrifft erneut den Bereich der Insignien, die eine unbeschränkte Kommandogewalt zum Ausdruck brachten, namentlich die Beile in den Rutenbündeln (Fasces), welche dem Befehlshaber vorangetragen werden. Diese spielen die zentrale Rolle in einer Episode, die Livius über Fabius Maximus, den berühmten Cunctator, erzählt:432 Dieser sei im Jahr 214 v. Chr. als amtierender Consul, direkt aus dem Kampfgebiet gegen Hannibal kommend, nach Rom zurückgekehrt, um die Centuriatscomitien zur Wahl der Consuln des folgenden Jahres zu leiten. Bei seiner Ankunft habe er das Stadtgebiet nicht betreten, sondern sei daran vorbei direkt zum Versammlungsplatz auf dem Marsfeld gezogen. Als nun in der Folge Personen gewählt zu werden drohten, die Maximus angesichts des Hannibalkrieges für ungeeignet hielt, habe er zunächst eine Rede gehalten und sodann eine neue Abstimmung verlangt. Als sich dagegen Widerstand erhob, habe er drohend darauf verwiesen, dass ihm die Beile in den Fasces noch vorangetragen würden, weil er das Stadtgebiet (urbem) noch nicht betreten habe. Die Episode impliziert also, dass, wenn Maximus das Stadtgebiet zuvor betreten und dann erst zu den Comitien wieder verlassen hätte, seine Lictoren die Beile nicht mehr mitgeführt hätten. Zumindest im Hinblick auf das Führen dieser Beile bedeutete 430
Entsprechendes gilt m. E. auch für Ciceros Vorwurf gegenüber Antonius, dieser habe illegitimerweise angekündigt, die Stadt zu betreten und zu verlassen, wann immer er wolle (Phil. 3,27: se introiturum in urbem dixit exiturum cum vellet). Drogula 2007, 89, deutet dies dahingehend, dass es Antonius auch als amtierendem Consul verboten gewesen sei, mit imperium die Stadt zu betreten. Der Kontext legt jedoch nahe, dass die Drohung sich auf einen tatsächlichen Einmarsch mit einem Heer bezog und es bei diesen Aussagen nicht um eine juristische Frage zum imperium ging. 431 Cic. Verr. 2,5,77. 432 Liv. 24,7,11–9,3.
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der Wiedereintritt in die Stadt nach Livius also eine Art von Abschluss, der mit der unstreitigen Situation der Promagistrate vergleichbar war. Das Zeugnis deutet somit in eine andere Richtung als die zuvor betrachtete Stelle zu Fulvius Flaccus und den Consuln bei der hannibalischen Belagerung. Es ist allerdings Vorsicht gegenüber zu weitgehenden juristischen Schlussfolgerungen angebracht. Es mag naheliegen, vom Führen der Beile unmittelbar auf die Kommandogewalt des Fabius Maximus zu schließen: Wie bei den Promagistraten wäre das Kommando (imperium bzw. imperium militiae) des amtierenden Consuls bei Betreten der Stadt erloschen. Dadurch, dass er dies absichtlich vermieden habe, habe er sich planvoll in die Lage versetzt, sein noch bestehendes imperium zur Beeinflussung der Wahlversammlung einzusetzen.433 Es muss jedoch betont werden, dass Livius auch hier zu rechtlichen Hintergründen des beschriebenen Falls ebenso wie des daraus rekonstruierbaren Normalfalls keinerlei Angaben oder Andeutungen macht. Stattdessen schildert er das Geschehen eher als Kampf der Persönlichkeiten und der Symbole. Auch die Auffassung, Maximus habe schon von vornherein genau aus dem Grund das Stadtgebiet geradezu umgangen, um seine rechtliche Position als Versammlungsleiter zu stärken, wie man häufig gemeint hat, ist der Erzählung nicht eindeutig zu entnehmen. Der drohende Verweis auf die Beile in den Fasces, der in dieser Situation zweifellos eine Grenzüberschreitung darstellte, erscheint sich in der Erzählung vielmehr erst aus der Situation des unmittelbaren Machtkampfes heraus ergeben zu haben. Einer streng juristischen Interpretation entziehen sich auch die übrigen Zeugnisse zum Zusammenhang von Insignien und Stadtgrenzen bei anderen Autoren. So berichtet etwa Dionysios von Halikarnassos ohne Nennung bestimmter Grenzen, die Beile seien regelmäßig innerhalb der Stadt entfernt, und nur, wenn man die Stadt zu Feldzügen oder anderen Unternehmungen verlassen habe, auf die Fasces aufgesteckt worden. Die Praxis, so ist dort zu lesen, gehe auf Poplicola zurück und stelle eine Demutsgeste gegenüber dem Volk dar, und zwar in erklärter Abgrenzung zu den Königen, deren Lictoren überall die Beile in den Fasces mitgeführt hätten.434 Was aber auch hier in bemerkenswerter Weise fehlt, ist der Hinweis auf rechtliche 433
Tatsächlich stützt die Episode zudem die bereits im ersten Teil im Zusammenhang mit der Gellius-Stelle geäußerte Annahme, dass zumindest in historischer Zeit das exercitum imperare als Einberufung der Comitia Centuriata nicht in gleicher Weise verstanden und gehandhabt worden sein kann, wie das imperium bei einem Feldzug: Im Normalfall trug der leitende Magistrat offensichtlich keine Beile in den Fasces und war wahrscheinlich auch nicht paludatus. Auch Pina Polo 2011, 6, nimmt zwar sehr wohl an, dass die Versammlungsleiter normalerweise paludati gewesen seien, verweist als Begründung aber nicht auf den militärischen Charakter der Versammlungsleitung („plainly a civil task“), sondern auf die unmittelbar bevorstehende Rückkehr des Consuls in die Provinz. Auch Drogula 2015 findet zu diesem Problem keine klare Position, siehe Kap. 3.3.2 a) Anm. 381. 434 Dion. Hal. ant. 5,19,3; 10,59,5.
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Hintergründe dieser Praxis. Zumindest das Absenken der Fasces ist auch an anderer Stelle als Geste der Zurückhaltung ohne rechtlichen Hintergrund belegt.435 Die von der Forschung häufig unterstellte zwingende Verbindung von Insignien und Amtsgewalt, wird aber weder von Livius noch von anderen Autoren hergestellt.
Weitere Zeugnisse zur zwischenzeitlichen Rückkehr kommandierender Magistrate Eine letzte relevante Gruppe von Zeugnissen betrifft vergleichbare Situationen wie die eben betrachtete des Fabius Maximus, ohne jedoch ähnlich deutlich auf einen regelhaften Zusammenhang zu verweisen. Es sind dies Situationen, in denen ein amtierender Magistrat vor Beendigung der militärischen Unternehmung kurzzeitig nach Rom zurückkehrt. Bei zweien dieser Stellen lässt Livius nicht erkennen, ob die Magistrate auch das Gebiet innerhalb von Mauer und Pomerium betraten.436 An zwei anderen Stellen erwähnt Livius jedoch, dass Senatsversammlungen, zu denen Consuln vor Abschluss ihrer Operation zurückkehrten, an Orten außerhalb der Stadt bzw. der Stadtmauer stattfanden oder stattfinden sollten. So hätten bereits die Consuln des Jahres 215 v. Chr. dem Senat vor ihrem Aufbruch aufgetragen, sich bei einer Aufforderung zur Versammlung automatisch bei (und dies heißt wohl außerhalb) der Porta Capena einzufinden.437 Als im Jahr 173 v. Chr. der Consul M. Popillius Laenas seinen Feldzug kurzzeitig unterbrach, um gegenüber dem Senat gegen einen ihn betreffenden Beschluss zu protestieren, fand diese Sitzung, so Livius, im extramuralen Bellona-Tempel statt.438 Die Betonung des Sitzungsortes deutet auch daraufhin, dass dem nach Livius’ Ansicht eine etablierte Praxis zugrundelag. Dass dies aber wegen des Kommandos des Feldherrn rechtlich notwendig war, wird auch hier nicht ausdrücklich gesagt. Selbst praktische Gesichtspunkte im Blick auf eine beschleunigte Wiederabreise sind in diesem Zusammenhang m. E. nicht ganz auszuschließen.
Exkurs: Gesandte feindlicher Mächte Dieselben Versammlungsorte, die für Triumphverhandlungen und andere Beratungen mit kommandierenden Feldherrn überliefert sind, tauchen ferner auch in einem anderen Kontext auf, in dem sich nach einer immer wieder vertretenen Auffassung der mit dem Pomerium verbundene sakralrechtliche Ausschluss der Kriegssphäre aus dem Stadtgebiet ebenfalls ausgewirkt haben soll. Es geht dabei um 435
Z. B. Cic. rep. 1,62; Plin. nat. 7,112. Liv. 23,23; 27,4,5–5,18. Vgl. dazu auch Karlowa 1896, 14 f. 437 Liv. 23,32,3. 438 Liv. 42,9,2. 436
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den Umgang Roms mit nicht-kämpfenden Angehörigen feindlicher Gemeinwesen. Dessen Betrachtung könnte auch für die Bewertung der Situation heimkehrender Magistrate hilfreich sein. Besonders Livius berichtet häufiger davon, dass Gesandte von mit Rom verfeindeten Mächten, die zu Verhandlungszwecken nach Rom kamen, nicht in die eigentliche Stadt eingelassen wurden, sondern außerhalb, namentlich auf dem Marsfeld, empfangen und auch untergebracht wurden, wobei eine entsprechende Regel impliziert wird.439 Weniger zahlreiche, aber noch explizitere Aussagen zu einer solchen Regel finden sich aber auch bei Polybios, Sallust und Appian, der diese als ἔθος bezeichnet.440 Und auf eine ähnliche „Gewohnheit“ 439
Einen entsprechenden Brauch impliziert besonders Liv. 42,36,1; Per idem tempus legati ab rege Perseo venerunt. Eos in oppidum intromitti non placuit, cum iam bellum regi eorum et Macedonibus et senatus decresset et populus iussisset („Zur selben Zeit kamen Gesandte von König Perseus. Man beschloss, sie nicht in die Stadt zu lassen, da der Senat schon den Krieg gegen ihren König und die Makedonen beschlossen und das Volk ihn angeordnet hatte.“). Konkrete Beispiele außerdem Liv. 30,21,12; 33,24,5; 45,22,2. 440 Pol. 35,2,3–4: τῶν δὲ πρέσβεων εἰς τὴν Ῥώμην παραγενομένων, τοὺς μὲν παρὰ τῶν Βελλῶν καὶ Τίττων, ὅσοι τὰ Ῥωμαίων ᾑροῦντο, παρεδέξαντο πάντας εἰς τὴν πόλιν, τοὺς δὲ παρὰ τῶν Ἀραυακῶν πέραν τοῦ Τιβέρεως ἐκέλευσαν κατασκηνοῦν διὰ τὸ πολεμίους ὑπάρχειν, ἕως βουλεύσωνται περὶ τῶν ὅλων („Als die Gesandten in Rom ankamen, wurden die Beller und Titter, soweit sie auf römischer Seite standen, in der Stadt aufgenommen, die Arauaken (Aravaci oder Arevaci) dagegen als Feinde angewiesen, jenseits des Tiber zu zelten, bis der Senat in der ganzen Frage einen Beschluss gefasst habe.“ Übers. H. Drexler); Sall. Iug. 28: qui postquam Romam adventabant, senatus a Bestia consultus est, placeretne legatos Iugurthae recipi moenibus, iique decrevere, nisi regnum ipsumque deditum venissent, uti in diebus proxumis decem Italia decederent. consul Numidis ex senatus decreto nuntiari iubet. ita infectis rebus illi domum discedunt („Als sie auf dem Wege nach Rom waren, fragte Bestia beim Senat an, ob es ihm richtig scheine, die Abgesandten Jugurthas innerhalb der Stadtmauern zu empfangen. Und die Senatoren entschieden: Wenn sie nicht gekommen seien, um das Königreich und ihn selber zu übergeben, hätten sie innerhalb der nächsten zehn Tage wieder aus Italien zu verschwinden. Der Konsul lässt das den Numidern gemäß Senatsbeschluss mitteilen. So kehren sie, ohne etwas ausgerichtet zu haben, in die Heimat zurück.“ Übers. J. Lindauer); App. Ib. 49: τῶν δὲ πρέσβεων οἱ μὲν ἐκ τῆς φιλίας ἐς τὴν πόλιν ἐσελθόντες ἐξενίζοντο, οἱ δὲ ἐκ τῶν πολεμίων, ὡς ἔθος ἐστίν, ἔξω τειχῶν ἐστάθμευον („Die Gesandten der befreundeten Gruppe wurden nach ihrem Einzug in die Stadt als Gäste aufgenommen, während die Leute der feindlichen Partei – so wollte es das Herkommen – außerhalb der Mauern Quartier beziehen mussten.“ Übers. O. Veh); Lib. 31: Σκιπίων μὲν οὖν αὐτοῖς ἀνοχάς τε ἔδωκεν, καὶ τὴν δαπάνην τοῦ στρατοῦ λαβὼν πρεσβεύειν ἐφῆκεν ἐς Ῥώμην· οἳ δὲ ἐπρέσβευον καὶ τειχῶν ἐκτὸς ἐστάθμευον, ὡς ἔτι πολέμιοι, ἀχθέντες τε ἐπὶ τὴν βουλὴν ἐδέοντο συγγνώμης τυχεῖν („Scipio gewährte ihnen einen Waffenstillstand, und nachdem er für seine Truppen hinreichend Verpflegung erhalten hatte, erlaubte er ihnen die Entsendung einer Gesandtschaft nach Rom. Die Karthager verfuhren dementsprechend, die Gesandten aber mussten, da ja immer noch Feinde, vor den Stadtmauern kampieren, wurden dann vor den Senat geladen und durften um Gnade bitten.“ Übers. O. Veh); Fest. 470 L: tertium citra aedem Bellonae, in quo exteriorum nationum legatis, quos in urbem admittere nolebant,
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(consuetudo) der Römer verweist schließlich auch Servius, nach welcher Fremde in früherer Zeit zumindest erst dann eingelassen worden seien, nachdem sie in einer außerhalb der Stadt abgehaltenen Senatssitzung vorgesprochen hätten und ihnen durch einen Beschluss Einlass gewährt worden war.441 Auch dieses Vorgehen wird nun in der Forschung regelmäßig als rechtlich bedingt, oftmals geradezu als ein Automatismus interpretiert, der sich aus dem jeweils bestehenden (oder fehlenden) Vertragsverhältnis ergeben habe und über den domi-militiae-Gegensatz mit dem Pomerium verbunden gewesen sei.442 Betrachtet man die einschlägigen Zeugnisse jedoch genauer, wird schnell klar, dass sie weder auf eine spezifische konzeptionelle Bedeutung des Pomerium in diesem Kontext noch auf rechtliche Selbstverständlichkeiten hindeuten. Zunächst einmal kommen explizite Nennungen des Pomerium in keiner der einschlägigen Stellen vor. Dass die Stadtmauern und Tore als die den Zutritt faktisch regelnden, materiellen und monumentalen Stadtgrenzen gemeint sind, liegt sehr viel näher, und diese werden zumindest bei Sallust und Appian auch ausdrücklich genannt. Polybios meint an der angesprochenen Stelle sogar, feindliche Gesandte würden auf der gegenüberliegenden Tiberseite untergebracht, was den Aspekt der demonstrativen physischen Trennung noch stärker hervortreten lässt. Zudem finden sich auch an keiner Stelle Hinweise darauf, dass bei der Praxis, feindliche Gesandte nicht einzulassen, sakralrechtliche Gesichtspunkte eine Rolle gespielt hätten. Insgesamt ist es nicht einmal klar, ob für die Autoren das Verbot, die Stadt zu betreten, von vornherein selbstverständlich war und nicht bloß eine gängige Praxis darstellte, über die aber immer erst im konkreten Fall zu entscheiden war. Die meisten diesbezüglichen Zeugnisse vermitteln eher den Eindruck, als habe letztlich immer erst der Senat über die Zutrittserlaubnis für die jeweiligen
senatus dabatur („das dritte [Senaculum] befindet sich diesseits des Bellona-Tempels; in diesem wurde für Gesandte auswärtiger Nationen, die man nicht in die Stadt lassen wollte, Senat gehalten.“). 441 Serv. Aen. 7,168: intr a tecta vocari dissentit hoc loco a Romana consuetudine. nam legati si quando incogniti venire nuntiarentur, primo quid vellent ab exploratoribus requirebatur, post ad eos egrediebantur magistratus minores, et tunc demum senatus ab eis extra urbem postulata noscebat, et ita si visum fuisset, in urbem admittebantur (‚In die Häuser gerufen werden‘ weicht an dieser Stelle vom römischen Brauch ab. Denn wenn einmal angekündigt wurde, dass Unbekannte kämen, wurde zuerst durch Kundschafter erfragt, was diese wollten, dann zogen niedere Magistrate zu ihnen hinaus, und dann schließlich erfuhr der Senat, was von ihnen verlangt wurde, und sie wurden, wenn so entschieden worden war, in die Stadt eingelassen.‘). 442 Z. B. Carlà 2015, 605 f.; Drogula 2015, 115; Sisani 2014, 376; Pina Polo 2011, 80 f.; Torregalay Pagola 2006; Patterson 2000, 91; Linderski 1995, 477 f.; Rüpke 1990, 35; Bonnefond-Coudry 1989, 139–143, 149–151; Poe 1984, 72; Martorana 1978, 75 f. Anm. 19; Magdelain 1977, 25 (=1990, 223); Karlowa 1896, 27; Mommsen 1887/88, III, 930, 1150–54; Willems 1883, 161 und 458.
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Gesandten befunden: Der Aspekt, dass über den Umgang mit einer bestimmten Gesandtschaft ein besonderer Beschluss gefasst wird, über den zuvor beraten wird, tritt aus vielen Zeugnissen deutlich hervor (z. B. βουλεύσωνται bei Polybios, consultus est, placeretne und decrevere bei Sallust; non placuit bei Livius; nolebant bei Festus). Gegen sakralrechtliche Vorschriften spricht schließlich die Wortwahl, wenn es darum geht, die Praxis des Zutrittsverbots selbst zu benennen: Servius spricht, wie bereits oben erwähnt, von einer consuetudo, Appian von ἔθος; bei Livius beklagt sich der Rhodier Astymedes, man habe ihn und seine Gesandtschaft im Hinblick auf die Aufnahme beinahe more hostium behandelt.443 Dabei kann offen bleiben, ob bestimmte Fälle des Eintritts oder Ausschlusses von Gesandten als manifeste Ausnahmen von der Regel gelten können, wie Bonnefond-Coudry meint, oder ob sie sich nicht jeweils, wie Linderski dagegen hält, auch mit rechtlichen Argumenten erklären ließen.444 Insgesamt ist aber schlicht nicht zu belegen, dass die überlieferten Fälle, in denen Gesandtschaften von Kriegsgegnern der Zutritt in die Stadt verwehrt wurde, der Ausdruck eines rechtlich oder gar sakralrechtlich absolut gebotenes Vorgehen sind und nicht lediglich einer etablierten Praxis, eines mos. Der Umstand, dass ein Zutritt zur Stadt den feindlichen Gesandten zugleich Zugang zu Informationen geliefert hätte, die im Krieg von Bedeutung hätten werden können, ist dabei nicht der einzige nachvollziehbare Grund. Denn unabhängig von strategischen Überlegungen liegt die Praxis, einen Kriegszustand bzw. ein politisches Bündnis auch räumlich durch je verschiedene Grade des Zutritts zum Kern des eigenen Gemeinwesens demonstrativ deutlich zu machen, recht nahe und ist auch ohne Verrechtlichung oder sakrale Dimension unmittelbar nachvollziehbar, freilich eher als Prinzip denn als starre Regel.445 Rechtliche Determiniertheit wäre der demonstrativen Kraft dieses Vorgehens sogar eher abträglich. In diese Logik fügt sich zudem auch die Entscheidung des Senats, den von Sallust angesprochenen numidischen Gesandten nicht nur den Aufenthalt in Rom, sondern überhaupt in Italien zu verwehren. Umso weniger spricht also auch in diesem Zusammenhang für eine besondere konzeptionelle Bedeutung gerade des immateriellen Pomerium. Sieht man von der besonderen Situation der Promagistrate ab, unterschieden sich nun auch die Zeugnisse zur Rückkehr eines Feldherrn nach Rom im Hinblick auf rechtliche Dimensionen des etablierten Vorgehens nicht entscheidend von den Stellen zu den feindlichen Gesandten. In ähnlicher Weise wie der Einlass der Fremden in die Stadt das Ende eines Kriegszustands räumlich symbolisierte, mag 443
Liv. 45,22,1. Bonnefond-Coudry 1989, 139–143; dagegen Linderski 1995, 59 f. Anm. 55 mit weiterer Lit. Zu dieser Diskussion zusammenfassend auch Pina Polo 2011, 80 Anm. 122 f. 445 In diese Richtung argumentiert auch mit guten Gründen Bonnefond-Coudry 1989, 139–143. 444
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auch der Einzug des Feldherrn in die Stadt, ob im Triumph oder nicht, das Ende des militärischen Unternehmens symbolisiert haben, wobei natürlich auch religiöse bzw. rituelle Aspekte ein Rolle gespielt haben könnten. Doch auch über diesen Abschluss des Unternehmens und damit einhergehend die Frage des Triumphs wurde im Regelfall offenbar erst im Senat beraten.
Zwischenfazit Damit lässt sich für die Kommanden regulärer Magistrate das folgende Zwischenfazit ziehen: Einerseits wird vor allem in Livius’ Bericht über das von Hannibal belagerte Rom der grundsätzliche Unterschied von promagistratischem und magistratischem imperium herausgestellt: Während ersteres, sofern keine Ausnahmeregelung geschaffen wird, beim Betreten der Stadt verloren geht (minueretur446 kann hier nur so verstanden werden), bleibt letzteres im konkreten Fall auch innerhalb der Stadt erhalten. Dass es hier um eine besondere Situation geht, ist zwar nicht von der Hand zu weisen; von einer Sonderregelung auch für die amtierenden Consuln spricht Livius allerdings nicht. Andererseits beschreiben zahlreiche Stellen sowohl bei Livius wie bei anderen Autoren die etablierte Praxis, das Stadtgebiet im Zuge der rituellen Aufnahme des Kommandos für einen Feldzug zu verlassen und diese nicht vor dem Abschluss desselben wieder zu betreten. Hier bestand offenbar kein praktisch deutlich wirksamer Unterschied zwischen regulären Magistraten und Promagistraten, und das Vorgehen galt eindeutig als älter als die Promagistratur. In allen Fällen, die eindeutig auch amtierende Magistrate betreffen, fehlt jedoch jegliche explizite Bezugnahme auf die Kommandogewalt des Feldherrn. Eindeutige rechtliche Regelungen, die das Kommando betreffen, sind somit allein für die Situation der Promagistrate nachzuweisen, für die tatsächlich das Betreten der Stadt den Verlust ihrer Befehlsgewalt bedeutete. Für die regulären Magistrate sind lediglich bestimmte rituelle Rahmungen ihrer Feldzüge greifbar, die freilich im Ergebnis ebenfalls dazu führten, dass militärisches Kommando im Regelfall außerhalb der Stadt blieb. Doch kein antiker Autor äußert sich klar und mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit zum Verhältnis zwischen diesen Praktiken und der militärischen Befehlsgewalt des Feldherrn. Die Indizien sprechen insgesamt eher dagegen, dass ein grundsätzlicher Ausschluss von imperium aus dem Stadtgebiet als deren Hintergrund verstanden wurde. Wenn man aber diese Regeln zum Beginn und Ende von Feldzügen vom Konzept des imperium entkoppelt und als weniger jurifiziert versteht, erscheinen auch andere Beobachtungen weniger erklärungsbedürftig. Zum einen ist dies die Tatsache, dass kein Feldherr sein Kommando, welches er ja vor dem Eintritt in die Stadt zweifellos noch besaß, einsetzen konnte, um die Entscheidung über 446
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seinen Triumph oder die Wahlen selbst in irgendeiner Weise zu beeinflussen: Die Handlungen des Fabius Maximus wurden klar als Regelverstoß verstanden. Zum anderen erscheint es dann auch unproblematisch, dass militärisches Kommando in der Stadt eingesetzt wurde, wenn diese selbst militärisch bedroht war, wie etwa bei der drohenden Belagerung durch Hannibal. All dies lässt sich vielleicht auf die relativ einfache Formel bringen, dass der Einsatz des militärischen Kommandos überall dort durch ein Konglomerat von etablierten Praktiken (mores) faktisch (wenn auch nicht unbedingt abstrakt-konzeptionell) ausgeschlossen war, wo es um nicht-militärische Situationen bzw. innere Angelegenheiten (domi) ging. Eine belegbare Rolle spielten Stadtgrenzen in diesem Kontext aber nur im Hinblick auf die Obstruktionsrechte gegen magistratisches Handeln, auf der symbolischen Ebene (Beile) sowie, wie gesagt, für das Kommando der Promagistrate. Bei den letzten beiden Aspekten kommt ein weiteres Argument hinzu.
Ein weiteres Argument – die zeitliche Logik der Regeln und Praktiken zum Kommando Den aus der Analyse der Quellen gewonnenen Gesamteindruck stützt außerdem die Überlegung, dass die beobachteten Regeln und Praktiken allein durch einen prinzipiellen Ausschluss von militärischem Kommando per se überhaupt nur teilweise erklärt werden könnten: Dies zeigt recht klar die Tatsache, dass es in allen überlieferten Fällen nicht lediglich darum geht, dass das Kommando nicht innerhalb der Stadt gehalten oder ausgeübt werden darf. Denn in diesem Fall würde es keine Rolle spielen, ob ein Befehlshaber die Stadt kurzzeitig betreten hätte, dann aber wieder verlassen würde. Entscheidend ist offenbar vielmehr, dass das laufende Kommando mit dem regulären Betreten der Stadt ganz erlischt und beim erneuten Verlassen der Stadt nicht oder zumindest nicht ohne weiteres wieder zur Verfügung steht.447 Eine ähnliche zeitliche Logik ist auch bei dem Zeugnis zu Fabius Maximus und den Fasces zu beobachten: Der amtierende Consul würde die Beile offenbar nicht ohne weiteres auf die Fasces stecken dürfen (aus welchen genauen Gründen auch immer), wenn er die Stadt kurzzeitig betreten, dann aber wieder verlassen hätte. Eine bloße Verbannung der Beile aus der Stadt erklärt diese Situation nicht. Es ging vielmehr wohl darum, dass der Wiedereintritt in die Stadt den Feldzug zum Abschluss gebracht hätte. Diese zeitliche Logik passt schließlich auch zur Situation der Triumphanwärter. Wenn in den Quellen überhaupt von 447
Dass das Überschreiten des Pomerium für die Promagistrate wesentlich als zeitliche Befristung zu verstehen, arbeitet auch Rüpke 1990, 46 f., sehr klar heraus, will diese Logik aber nicht auf das imperium militiae insgesamt übertragen wissen. Das „Verstehensmodell“ sei vielmehr das befristete, für „eine provincia übertragene imperium, eine Aufgabe, die ‚zufällig’ im Bereich militiae liegt.“
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auf den Triumph bezogenen Sonderegelungen beim imperium die Rede ist, scheint jedenfalls eher ein zeitlicher Gesichtspunkt im Vordergrund zu stehen, die Gewährung von imperium am Tage des Triumphes.448 Diese betreffen dann freilich wieder ausschließlich Promagistrate, für die feststeht, dass sie das imperium mit dem Eintritt in die Stadt aufgaben. Von Verlängerungen von imperium oder ähnlichem ist hingegen im Zusammenhang von Triumpherlaubnissen für amtierende Magistrate nicht die Rede. Dies bedeutet zugleich Folgendes: Bei fast allen untersuchten Stellen erscheinen die betreffenden Regeln gewissermaßen von der Grenze (und dem Akt des Überschreitens) und nicht von der Fläche her gedacht. Dies ist eine Differenz zu dem heute vertrauten Verständnis von Territorialität, welche auch schon in anderen Zusammenhängen beobachtet wurde, z. B. im Zusammenhang mit dem mythischen Sakrileg des Remus.449 Die Vorstellung eines von vornherein, womöglich gar aus sakralen Gründen entmilitarisierten Stadtgebietes ist mit diesen Beobachtungen zwar nicht von vornherein unvereinbar. Man kann aber festhalten, dass ein prinzipieller Ausschluss des militärischen imperium aus dem Stadtgebiet im Sinne einer rein örtlichen450 Frage die beobachteten Regeln, deren Grundlage er sein soll, gar nicht hinreichend erklären kann, da diese sich daraus nicht mit Notwendigkeit ergeben. Zwar folgt als faktisches Resultat aus dem Komplex dieser Regeln und Praktiken der weitgehende Ausschluss der Ausübung militärischer Kommandogewalt und ihrer Insignien aus dem Stadtgebiet; dieser stellte aber nicht unbedingt schon deren konzeptionelle oder gar historische Ursache dar. Plausible andere Gründe ließen sich ohne Probleme auch für die einzelnen Regelungen finden, insbesondere in der Hinsicht, dass sie eine Ordnung für die kritische Wiedereingliederung gerade der erfolgreichen Kommandanten in die zivile Sphäre darstellten.451 Zu diskutieren bleibt freilich, ob hier insofern eine sakralrechtliche Dimension bestand, als es um die Auspizien des jeweiligen Magistraten ging, ohne dass diese substanziell mit einem Gegensatz von Friedens- und Kriegssphäre zusammenhingen. In diese Richtung deutet auf den ersten Blick eine einzelne Bemerkung Ciceros in Bezug auf Verres: Dieser sei, nachdem er bereits mit allen Formen aus der Stadt ausgezogen war, um als Propraetor in Sizilien zu amtieren, immer wieder heimlich zurückgekehrt, um seine Geliebte, eine verheiratete Frau aufzusuchen. Dabei habe er gegen jedes menschliche und göttliche Gebot verstoßen, u. a. auch 448
Vgl. oben Anm. 410. Vgl. Kap. 2.2.1 d). 450 Mommsen 1887/88, I, 63: „Es ist also dieser Gegensatz ein rein örtlicher, wie er auch in den uralten charakteristischen Locativen domi und militiae deutlich sich ausprägt.“ 451 Zumindest in Bezug auf die Regelungen für die Promagistrate ist folgerichtig, dass sie zumindest teilweise als Gegenstand von leges behandelt wurden, wie vor allem die Aussage Ciceros (Cic. fam. 1,9,25) zeigt, wo diese Regeln, die er im Übrigen nicht an das Pomerium knüpft, explizit mit einer lex Cornelia Sullas verbunden werden. 449
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contra auspicia.452 In ähnlicher Weise könnten die Auspizien theoretisch für die Triumphanwärter ausschlaggebend gewesen sein, wie wiederum andere vorgeschlagen haben.453 Auch hierzu gibt es immerhin ein alleinstehendes Zeugnis. Es handelt sich um eine Aussage des Tacitus zu Drusus: Dieser habe, um mit einer Ovatio nach Rom einziehen zu können, aus der Stadt, die er zuvor bereits betreten hatte, wieder hinausgehen müssen, um die Auspizien zu erneuern (At Drusus, urbe egressus repetendis auspiciis, mox ovans introiit.).454 Auf den Zusammenhang von Stadtgebiet und Auspizien wird, wie gesagt, noch gesondert einzugehen sein. In Bezug auf diese andere „almost impenetrably complicated debate“455 muss hier aber das Folgende genügen: Keine der hierzu vertretbaren Vorstellungen erlaubt es, daraus auf einen prinzipiellen sakralrechtlichen Ausschluss von imperium als etwas Militärischem zu schließen.456
452
Cic. Verr. 2,5,34: Alterum quod, cum paludatus exisset votaque pro imperio suo communique re publica nuncupasset, noctu stupri causa lectica in urbem introferri solitus est ad mulierem nuptam uni, propositam omnibus, contra fas, contra auspicia, contra omnis divinas atque humanas religiones! („Und das andere: nachdem er bereits im Feldherrnmantel hinausgezogen war und die Gelübde für seinen Oberbefehl und für das allgemeine Wohl des Staates dargebracht hatte, da pflegte er sich nachts, um der Unzucht zu frönen, mit einer Sänfte in die Stadt tragen zu lassen, zu einer Frau, die zwar mit einem verheiratet war, aber allen zur Verfügung stand – gegen das heilige Recht, gegen die Auspizien, gegen alle göttlichen und menschlichen Verpflichtungen!“). 453 Z. B. Laqueur 1909, 220–226, gegen Mommsen 1887/88, I, 124–133; ausführlich zu dieser Debatte, mit wieder einer eigenen Deutung, Versnel 1970, 164–198; für eine gleiche Wichtigkeit von imperium und auspicium plädiert z. B. Vervaet 2014, 82–90, mit weiterer Lit. 454 Tac. ann. 3,19,3. 455 Beard 2007, 203. 456 Ebenso wie sich auch die Vorstellung zweier qualitativ verschiedener Arten von imperium, nämlich eines imperium domi und eines imperium militiae, als fragwürdig erwiesen hat, ist auch im Bereich der Auspizien keine räumlich verankerte Unterscheidung von ziviler und militärischer Sphäre belegt, etwa im Sinne von auspicia domi oder auspicia militiae. Zwar verfügen wir über drei Belege für auspicia urbana, die mit dem Pomerium verbunden werden. Wie noch an anderer Stelle (Kap. 3.4.1) ausführlicher zu erläutern ist, ist aber der Beleg für ein „ganz und gar militärisches Auspizium“ (totum militare auspicium) bei Cicero nicht etwa als komplementäres Gegenstück zu diesen auspicia urbana zu verstehen, also als Oberbegriff für außerhalb des Pomerium eingeholte bzw. sich ereignende Auspizien, sondern bezieht auf den Charakter und Sachzusammenhang von Auspizien „an den Speerspitzen“ (ex acuminibus).
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Gegenprobe: Zum diskursiven Umgang mit Ausnahmen, Regelverstößen und -änderungen Ein letztes Argument in diesem Zusammenhang soll schließlich aus einem Perspektivwechsel gewonnen werden. Dieser geht von folgender Überlegung aus: Hätte es in Rom die Vorstellung einer sakralrechtlichen Verbannung des militärischen Kommandos aus der Stadt gegeben, obwohl diese aus den rekonstruierbaren Einzelregeln und -praktiken selbst nicht erschlossen werden kann, müsste man damit rechnen, dass sie sich in irgendeiner Weise diskursiv niedergeschlagen hätte. Bei denjenigen Stellen, die bisher im Hinblick darauf betrachtet wurden, inwiefern sie die Rekonstruktion eines Regelfalls erlauben, waren nun keine Hinweise auf eine solche Vorstellung festzustellen. Besonders aufschlussreich müsste aber erst recht die Bewertung oder Rechtfertigung von Ausnahmen, Verstößen oder Änderungen in der antiken Literatur sein. Dies betrifft erstens die tatsächlichen bewaffneten Eingriffe in der Stadt, zweitens die Triumphthematik und drittens die Änderungen, die an den republikanischen Regeln im Wesentlichen durch Augustus vorgenommen wurden. Dass der als legitim verstandene Gebrauch von militärischem Kommando in der Stadt in der Republik faktisch und normativ eine Ausnahme war, ist wie gesagt unstreitig. Die einschlägigen überlieferten Fälle betreffen abgesehen vom Triumph stets Notstandssituationen, namentlich die Dictatur und das sogenannte Senatus Consultum Ultimum. Wie nun bereits gezeigt wurde, stellte aber die faktische Präsenz von Militär in der Stadt wohl kein Sakrileg, sondern lediglich einen extremen Widerspruch zu republikanischen Prinzipien gewaltfreier, unbewaffneter Innenpolitik dar. Dies bestätigt sich nun, wenn man das Augenmerk auf die Begründung bzw. Rechtfertigung von Triumphen sowie dieser Notstandsmaßnahmen richtet. Zunächst ist festzuhalten, dass wir von keinerlei formalen Aspekten in den jeweiligen Verfahren wissen, die als Reaktionen auf die Verletzung religiöser Regeln durch das Betreten der Stadt im Triumph verstanden werden könnten, etwa von Sühnopfern, der Einbindung spezifischer Priester oder Ähnlichem. Die entscheidenden Instanzen waren Senat und Volksversammlung. In formaler Hinsicht waren die Verfahren der legitimen Herstellung der Ausnahmesituation, sei es ein Triumph oder ein Notstand, offenbar nicht mit nennenswerten sakralen Hürden verbunden. Erinnert sei noch einmal an die Sonderbefugnis für den Proconsul Fulvius Flaccus, angesichts der Belagerung mit seinem Heer durch das Stadtgebiet zu ziehen. Diese beruhte nach Livius auf einem einfachen Senatsbeschluss (decernit senatus).457 Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang außerdem der Fall des gegen den Willen des Senats vollzogenen Triumphes des Appius Claudius Pulcher im Jahr 143 v. Chr. Dem Triumphator gelingt es, obwohl man ihn zunächst von seinem Wagen herunterzuziehen versucht, den Triumph zu vollenden, da 457
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seine Tochter, eine Vestalin, mit auf den Wagen steigt, und die Gegner nun das Sakrileg fürchten, auch gegen diese Priesterin körperliche Gewalt anzuwenden. Das vermutlich einzige, mindestens aber deutlich gewichtigere Sakrileg stellte in dieser Situation also nicht etwa der gegen den Willen des Senats vollzogene Triumph, sondern die potentielle Gewaltanwendung gegen eine Vestalin dar. Außerdem muss betont werden, dass nur Cassius Dio und Orosius den Triumph dieses amtierenden Consuls überhaupt als unrechtmäßig darstellen, während Cicero und Valerius Maximus lediglich die pietas der Tochter bei der Verteidigung ihres Vaters loben.458 Ferner ist festzustellen, dass die erwähnten Debatten, die der Gewährung von Triumphen ebenso vorausgingen wie der Ernennung von Dictatoren, auf der inhaltlichen Ebene mit politischen und moralischen Argumenten geführt wurden, welche die Frage betrafen, ob der Prätendent einer solchen Ehrung würdig sei.459 Bei der Dictatur und dem sogenannten Senatus Consultum Ultimum, um diesen modernen Forschungsbegriff hier zusammenfassend zu verwenden, sind ebenfalls keine Debattenargumente oder formale Verfahrensaspekte belegt, die auf prinzipielle sakralrechtliche Hindernisse gegen ein innerstädtisches Kommando schließen ließen. Dies kann auch kaum verwundern, wenn man bedenkt, dass auch die Verhältnisse der Königszeit, von der man zweifellos annahm, dass die Könige überall eine unbeschränkte militärische Befehlsgewalt ausgeübt (und Beile in den Fasces geführt) hatten, sicher nicht als Verstoß gegen irgendeine sakrale Ordnung verstanden wurden, wurden doch zentrale Elemente der römischen Religion gerade auf diese Zeit zurückgeführt. Sie galten vielmehr als das Gegenbild der Republik in politischer Hinsicht, einer Ordnung, innerhalb derer man darum bemüht war, jede Wiederannäherung an diese Vergangenheit auf bestimmte, sorgfältig ausgehandelte Situationen zu beschränken.460 Damit sollen in keiner Weise die zahlreichen religiösen Elemente in diesem Kontext oder die Verwobenheit des Religiösen mit dem Politischen bestritten werden, wie etwa die vor einem Feldzug – wie auch in so vielen anderen Kontexten – notwendigen Auspizien, ferner die Gelübde (vota) auf dem Capitol vor dem Auszug oder das Opfer für Jupiter am Ende des Triumphes. Lediglich scheint es so, dass diese Elemente auf einer anderen Ebene verortet wurden als die Regeln über die Einbettung von militärischem Kommando in die politische Ordnung der Republik. Nicht umsonst hat noch Mommsen einen religiösen und königszeitlichen Kern des Gegensatzes domi-militiae zwar nicht ganz 458
Cass. Dio frg. 74,2; Oros. 5,4,7; Cic. Cael. 34; Val. Max. 5,4,6; vgl. auch Suet. Tib. 2,4 und Itgenshorst 2005, Nr. 212. 459 Die Versuche der Rekonstruktion eines „ius triumphi“ im Sinne einer festen Ordnung, unter welchen Voraussetzungen ein erfolgreicher Feldherr als triumphberechtigt galt, haben sich dagegen als kaum haltbar erwiesen, Beard 2007, bs. 199–218, Itgenshorst 2005, 177 und 180–188 (zu den entsprechenden Kapiteln bei Valerius Maximus). 460 Zur Sicht auf das Königtum in der Republik ausführlich Sigmund 2014.
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bestritten, legte aber zugleich Wert darauf, dass er erst in republikanischer Zeit zu einer „qualitativen Verschiedenheit“ (d. h. wohl einer nicht nur symbolischen) geworden sei.461 Der Widerspruch löst sich aber auf, wenn man die rituelle Rahmung militärischer Unternehmungen von dem staatsrechtlichen domi-militiae-Gegensatz so trennt, wie dies ja auch in den Quellen geschieht. Auf eine politische, nicht aber sakralrechtliche Natur der Vorschriften zu Befehlsgewalt und Stadtgebiet deuten schließlich auch diejenigen Zeugnisse hin, in welchen die diesbezüglichen neuen Amtsbefugnisse des Augustus ins Verhältnis zum System der Republik gesetzt werden. Dieser Aspekt wurde bereits in Bezug auf die Einrichtung der Prätorianer angesprochen, er lässt sich aber ähnlich auch für Augustus’ Umgang mit der magistratischen Kommandogewalt feststellen. Für Cassius Dio etwa bestand diese einerseits in einer Perpetuierung des Proconsulats, dass erst jetzt seine räumlich-zeitlichen Beschränkungen verliert: Es galt nun auch dann uneingeschränkt weiter, wenn der Kaiser die Stadt zunächst betrat und dann wieder verließ. Die Befugnisse innerhalb der Stadt aber (bei Dio innerhalb des Pomerium), die sich bis zur Hinrichtung von Senatoren erstreckten, deutet er dahingehend, dass sie faktisch jenen der Könige und Dictatoren entsprächen, wobei lediglich diese Bezeichnungen vermieden würden. Selbst für die Consuln nimmt er offenbar an, dass sie in der ferneren Vergangenheit auch im Stadtgebiet eine weniger eingeschränkte Macht besessen hätten.462 Schon in der Vergangenheit war nach dieser Auffassung also eine unbeschränkte Befehlsgewalt auch in der Stadt nicht schon von vornherein ausgeschlossen gewesen, sondern stand lediglich im Widerspruch zum in der Republik akzeptierten Normalfall. Unabhängig von der Frage der faktischen Richtigkeit dieser Erklärungen zeigen sie doch, dass zumindest dieser Autor die Thematik nicht in sakralrechtliche Zusammenhänge einordnete. Man mag dies bei Cassius Dio noch auf die späte Entstehungszeit zurückführen, doch gibt es auch bei anderen Autoren keine Hinweise darauf, dass in diesem Zusammenhang sakralrechtliche Bedenken aufgekommen oder gar vom Kaiser, etwa durch bestimmte Ausgleichshandlungen, adressiert worden wären. e) Fazit zur militärischen Befehlsgewalt Die zusammengetragenen Indizien zu der Frage, wie in Rom, insbesondere in der Republik, Befehlsgewalt und Stadtgrenzen regelhaft zusammenhingen, sprechen in der Gesamtschau somit eher gegen die in der Forschung üblicherweise vertretene These, es habe die abstrakte Vorstellung gegeben, dass militärische Befehlsgewalt innerhalb der Stadt aus prinzipiellen, womöglich gar sakralrechtlichen Gründen verboten sei. Erstens ist die tatsächliche Verallgemeinerbarkeit der einzigen Quelle, die eine solche Vorstellung auf den ersten Blick explizit zu formulieren scheint, 461
462
Mommsen 1887/88, I, 63 f. Cass. Dio 53,17,4–6.
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fraglich, auch angesichts ihrer im Verhältnis zur republikanischen Zeit späten Entstehung. Zweitens sind die in den Quellen greifbaren Einzelregeln und -praktiken zu Aufbruch und Rückkehr promagistratischer wie regulärer magistratischer Befehlshaber durchaus auch ohne eine solche, sie verbindende Grundregel erklärbar, ganz zu schweigen von deren angeblicher sakraler Basis. Sie enthalten zudem auch starke temporale Aspekte, die sich aus einem rein räumlichen Gegensatz von Stadt und Nicht-Stadt gar nicht ergeben würden. Drittens enthält die antike Diskussion auch im Hinblick die faktische Ausübung von militärischer Befehlsgewalt auch in der Stadt, sei es im Hinblick auf die Königszeit, beim Triumph und im Falle von Notstandsbefugnissen, sei es bei offensichtlichen Regelverstößen oder -änderungen, keine Hinweise darauf, dass diese im Gegensatz zu einem sakralrechtlichen Schutz des Stadtraums vor dem Militärischen gestanden hätten. Eines steht aber fest: Die in diesem Kontext geltenden Regeln, wie ausgeprägt sie auch immer waren, können nicht spezifisch mit dem Pomerium oder gar mit dessen eigentümlichem Charakter verknüpft werden. Kein uns vorliegender Autor vor Cassius Dio und Gellius / L aelius Felix verweist im Zusammenhang mit militärischem Kommando auf das Pomerium. Dabei verwendet es zudem Cassius Dio praktisch ubiquitär für „Stadtgrenze“, was dieser Zuweisung jede allgemeine Aussagekraft nimmt. Cicero spricht stattdessen, neben Formulierungen wie urbem introire, auch explizit von den Stadttoren, während bei Livius allein Formulierungen wie urbem inire zu finden sind, die ohne weitere Erläuterung und angesichts der an anderer Stelle besprochenen spezifischen Pomeriumdefinition des Livius ebenfalls eher an Stadttore denken lassen. Wenn der Mangel von expliziten Erwähnungen des Pomerium in diesem Kontext in der Forschung bisher kaum als Problem aufgefasst worden ist, liegt dies offenbar zumindest teilweise daran, dass man von vornherein davon ausging, dass die erläuterten Regeln zur Befehlsgewalt wesentlich durch einen sakralrechtlichen Ausschluss dieser Befehlsgewalt als etwas Militärischem bedingt gewesen seien; diese mussten am Pomerium hängen, das als spezifische Sakralgrenze galt. All jene Stellen, die das Pomerium nicht ausdrücklich nennen, werden so schlicht mit ungenauer oder untechnischer Ausdrucksweise gerechtfertigt und auf das Pomerium hin interpretiert. Dass diese Argumentation jedoch zirkulären Charakter hat, ist offensichtlich. Ein anderer Grund für die selbstverständliche Verbindung von magistratischen imperium und Pomerium dürfte in der bereits angesprochenen angeblichen Analogie der diesbezüglichen Regeln zu den Regeln des Auspizienwesens liegen. Diesem Komplex wird sich das folgende Unterkapitel widmen.
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3.4 finis urbani auspicii – das Pomerium als augurale Grenze Die einzige Grenzfunktion, die nicht nur in der Forschung, sondern auch in den Quellen tatsächlich mehrfach und von unterschiedlichen Autoren explizit dem Pomerium zugeordnet wird, betrifft das Auspizienwesen bzw. das dazugehörende Auguralrecht: Das Pomerium wird hier nämlich als Grenze der auspicia urbana bzw. des urbanum auspicium bezeichnet. Genauer gesagt taucht dieser Terminus in den Quellen dreimal auf, bei Varro, Granius Licinianus und Gellius, stets mit ausdrücklichem Bezug zum Pomerium.463 Varro und Gellius stellen den Umstand, dass das Pomerium die Grenze der urbana auspicia sei, sogar als seine Hauptfunktion dar, indem sie diese als einzige im Kontext ihrer jeweiligen Definitionen von Pomerium erwähnen. Gellius zitiert dabei außerdem aus gewissen „Büchern über die Auspizien“, welche die „Auguren des römischen Volkes“ verfasst hätten (augures populi Romani, qui libros de auspiciis scripserunt). Weitere Aussagen anderer Autoren kommen hinzu, die das Pomerium ebenfalls klar in den Zusammenhang des Auspizienwesens einordnen, obwohl hier die auspicia urbana nicht genannt werden. Diese finden sich zum Teil ebenfalls in der antiquarischen Literatur, und zwar in der fragmentarischen Pomeriumdefinition des Festus, ferner in einem weiteren Fragment desselben Autors sowie bei Servius und im Servius auctus.464 Auch ein epigraphisches Zeugnis belegt den konzeptionellen Zusammenhang: Auf den Grenzsteinen der hadrianischen Restitution des Pomerium wird nämlich das Collegium der Auguren als ausführende Instanz genannt.465 Die ausführlichsten und meist diskutierten Aussagen zum Zusammenhang von Auspizien und Pomerium stammen jedoch von Cicero und betreffen ein historisches Exemplum: Es handelt sich um den Fall des Tiberius Sempronius Gracchus, des Vaters der Gracchen, der als amtierender Consul und Augur im Jahr 163 v. Chr. bei der Wahl der neuen Consuln einen folgenschweren Formfehler bei den Auspizien begangen haben soll, der mit einem Übertritt über das Pomerium zu tun hatte.466 Die Episode wird ihrerseits auch von anderen Autoren überliefert, darunter Valerius Maximus und Plutarch, dort allerdings jeweils ohne Nennung des Pomerium und mit Unterschieden im Detail.467 Lediglich der bereits genannte Granius Licinianus stellt eine explizite Verbindung zwischen dieser Episode, dem Pomerium und dem Begriff der auspicia urbana her. Worin genau der Fehler des Gracchus bestand bzw. von den antiken Autoren jeweils gesehen wurde, ist ihren 463
Varr. ling. 5,143; Granius Licinianus 28,25 f.; Gell. 13,14. Fest. 294 L; 368 L: officio Augu ---o in consilio fa --- libet loco pullis ---ium facit auspi ---lit, intra pome --- plo consistit; Serv. Aen. 6,197; Serv. auct. Aen. 1,103. 465 CIL VI 1233a,b (= ILS 311); 31539a–c; 40855. 466 Cic. nat. 2,11; div. 1,33; 2,75. Vgl. auch Quint. 2,2,1. 467 Val. Max. 1,1,3; Plut. Marc. 5. 464
f inis urbani auspicii – das Pomerium als augurale Grenze
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Schilderungen jedoch nicht immer klar zu entnehmen, und sie unterscheiden sich auch untereinander deutlich in ihren Auffassungen. Stellt man dieses Problem, auf das wir ausführlich zurückkommen werden, aber vorerst zurück, kann man immerhin das Folgende festhalten: Im Gegensatz zu allen bisher untersuchten angeblichen Funktionsbereichen des Pomerium existiert in diesem Fall eine sich über relativ viele verschiedene Autoren und Epochen erstreckende gemeinsame Auffassung darüber, dass das Pomerium mit den Auspizien in Verbindung gestanden habe. Zwar bilden diejenigen Autoren, welche diese Verbindung herstellen, noch immer keine Mehrheit unter all jenen antiken Autoren, die das Pomerium erwähnen, und zwar selbst dann nicht, wenn man die spätantiken Zeugnisse herausrechnet. Gerade auch Cassius Dio, derjenige Autor, der in so vielen anderen Bereichen zahlreiche Verbindungen zwischen Pomerium und bestimmten Regeln herstellt, tritt in dieser Hinsicht überhaupt nicht in Erscheinung, obwohl er sich ansonsten durchaus zum römischen Auspizienwesen äußert. Dennoch ist ein besonderer, spezifischer Zusammenhang zwischen Pomerium und Auspizienwesen, den auch die Forschung in ihrer großen Mehrheit voraussetzt, grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen.468 Denn einerseits gibt es, wie eben ausgeführt, für diese Verbindung relativ breit gestreute Belege, gerade auch bei früheren Autoren. Andererseits wird der Bereich der Auspizien in den antiken Texten offensichtlich mit keiner anderen Stadtgrenze in auch nur annähernd vergleichbarer Weise verknüpft. Man darf daher sogar vermuten, dass Pomerium noch in der späten Republik primär als ein Terminus aus dem Bereich des Auspizienwesens angesehen wurde. Nun ist selbstverständlich bei der naheliegenden Schlussfolgerung, hier liege auch die ursprüngliche Funktion des Pomerium, weiterhin Vorsicht geboten. Ähnlich wie bei den Definitionsproblemen und der Frage des rituellen Ursprungs des Pomerium, kann man nicht genug betonen, dass auch unsere frühesten Zeugnisse bereits Ergebnisse eines deutlich weiter zurückreichenden gelehrten Diskurses darstellen, dessen Entwicklung wir nicht mehr nachvollziehen können. Doch immerhin deutet alles darauf hin, dass die Verbindung mit dem Auspizienwesen deutlich weiter zurückreicht als alle anderen rechtlichen Funktionszuschreibungen an das Pomerium, die erst in Quellen ab dem 2. Jh. n. Chr. auftauchen und weit überwiegend nur durch Cassius Dio belegt sind. Mit diesen Einschränkungen und Vorbehalten bleibt es darum vertretbar, wenn in der Forschung zuweilen vom Pomerium als der „auguralen“ Grenze Roms469 (anstelle der „sakralen“) die Rede ist. 468 Eine
nur marginale Bedeutung für die Auspizien hat dem Pomerium zwar Rüpke 1990, bs. 30–35, attestiert, der es stattdessen primär als eine Grenze von Kriegs- und Friedenssphäre betrachtet. Ihm folgt z. B. Bendlin 2013, 464, allerdings nicht die Mehrheit der Forschung. Der Kritik an bestimmten gängigen Rekonstruktionen der auguralen Funktion des Pomerium ist dabei teilweise durchaus zuzustimmen (s. u.), doch ist seiner Gesamtthese entgegenzuhalten, dass die relative Vielzahl der erhaltenen expliziten Nennungen des Pomerium in auguralen Kontexten kaum ein Zufall sein kann. 469 Z. B. Mignone 2016; Sisani 2016, 71; De Sanctis 2012a, 161.
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So verhältnismäßig eindeutig dieser Befund auch ist, zeigt sich doch auch hier wieder die vielfach beobachtete Uneindeutigkeit des Pomerium, allerdings auf einer anderen Ebene. Sie beginnt, sobald man danach fragt, worin genau denn die Funktion des Pomerium als augurale Stadtgrenze bestanden haben soll. Über diese Frage wurden in der Forschung vielleicht ebenso viele unterschiedliche Ansichten vertreten wie zur Definition des Pomerium selbst oder zur Frage seines rituellen Ursprungs, was im Verlauf dieses Unterkapitels auch immer wieder deutlich werden wird. Zugleich wird auch in dieser Diskussion häufig nicht ausreichend transparent gemacht, in welchem Ausmaß diese Frage tatsächlich umstritten ist, und welche Schwierigkeiten sich bei der Deutung der einschlägigen Quellenaussagen ergeben.470 Wie schon bei der Definitions- und Ursprungsproblematik, soll es auch im Folgenden indes nicht darum gehen, eine neue umfassende Interpretation des Zusammenhangs von Pomerium und Auspizien in die Forschungsdiskussion einzuführen. Stattdessen wird sich auch hier zeigen, dass eine allgemeingültige Klärung der diesbezüglichen Fragen auf Grundlage unserer Quellen vermutlich unerreichbar bleiben wird. Denn zum einen finden sich in den Quellen teilweise ebenso klare Widersprüche wie z. B. zwischen den verschiedenen antiken Definitionen von Pomerium, die sich nur durch nicht zu rechtfertigendes Aussortieren oder Glätten einzelner Zeugnisse beseitigen ließen. Zum anderen ist die im Verhältnis zu den Definitionen noch geringere Quantität und Eindeutigkeit der einzelnen Zeugnisse selbst zu berücksichtigen, bei denen dieses antiquarische Detail auch meist nicht im Fokus der Darstellung liegt. Es wird daher lediglich möglich sein, einige wesentliche Aspekte der zugrundeliegenden Auffassungen aus einigen Zeugnissen herauszuarbeiten. Als wirklich ergiebig werden sich dabei lediglich die verschiedenen Darstellungen der erwähnten Episode um den älteren Gracchus erweisen, wobei auch deren Analyse zwar kein vollständiges, aber in jedem Fall ein komplexeres Bild der zugrundeliegenden Vorstellungen hervorbringen wird, als es die in der Forschung meist vertretenen Deutungen bieten. Von den verschiedenen häufiger zu lesenden Interpretationen zum Begriff der auspicia urbana lässt sich hingegen, wie im Folgenden zunächst deutlich werden soll, bei keiner hinreichend belegen, dass sie in der antiken Diskussion überhaupt vorkam. Und auch die fundamentale Bedeutung, die dem Zusammenhang von Pomerium und Auspizien für das Verständnis der gesamten Magistratur oftmals zugeschrieben wird, wird sich in den Quellen in dieser Weise ebenfalls nicht wiederfinden.
470
So meint beispielsweise Carlà 2015, 605, die Gracchus-Episode sei „extremely clear“.
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3.4.1 Direkte Belege für auspicia urbana und das Problem des Gegenbegriffs Die Frage danach, was es bedeutet, wenn das Pomerium als Grenze der auspicia urbana bezeichnet wird, ist schon deshalb so schwierig zu beantworten, weil dieser Ausdruck nur genau an jenen erwähnten drei Stellen belegt ist, wo er mit dem Pomerium verknüpft wird. Von diesen handelt es ich bei zweien – jener bei Varro und jener bei Gellius – um Definitionen des Pomerium, innerhalb derer der Begriff auspicia urbana bzw. urbanum auspicium zwar genannt, aber nicht weiter erläutert wird. Die einzige Stelle, wo ein Beispiel für eine Situation gegeben wird, die mit auspicia urbana zu tun hat, ist – wie gesagt – jene bei Granius Licinianus, in der es um die Gracchus-Episode geht. Die Stelle enthält jedoch so erhebliche Textlücken an entscheidenden Stellen, dass auch sie kaum ausreicht, um zu rekonstruieren, was genau der Autor unter auspicia urbana und deren Zusammenhang mit dem Pomerium verstanden wissen wollte. Allein aus den Belegstellen für auspicia urbana bzw. urbanum auspicium ist somit so gut wie nichts über den semantischen Gehalt des Begriffs und damit auch die augurale Bedeutung des Pomerium zu gewinnen. Auch nicht aufschlussreicher sind jene ebenfalls wenigen Stellen, wo der Begriff urbs in einem spezifisch auguraltechnischen Kontext auftaucht, so etwa in der Pomeriumdefinition des Gellius, wo in Bezug auf das Pomerium von effati urbis fines die Rede ist.471 Auch Cicero spricht in De Legibus davon, dass die Auguren die urbs, die agri und die templa liberata et effata halten sollten.472 Beide Stellen zeigen somit zwar, dass urbs überhaupt als ein auguralrechtlich signifikanter Begriff existierte, nicht jedoch, welche konkrete Bedeutung dies für die Auspizien besaß. Anders als in der Forschung häufig suggeriert473, sind auch keine wirklichen Gegenbegriffe zu auspicia urbana überliefert, und zwar weder solche, die auf einen extraurbanen Raum Bezug nehmen (etwa als auspicia extraurbana o. ä.), noch solche, die einen bestimmten Rechtsbereich kennzeichnen würden. Insbesondere gibt es, wie auch bereits im vorangehenden Unterkapitel ausgeführt, in den Quellen keinerlei nachweisbare Analogie zwischen verschiedenen Auspizien (oder Auspiziengebieten) und der domi-militiae-Dichotomie (z. B. als auspicia militiae bzw. militaria). Diese wird zwar in der Literatur, besonders im Zusammenhang 471
Gell. 13,14. Cic. leg. 2,21. 473 Vgl. etwa Berthelet 2015, bs. 198 f. („auspices militaires“); Drogula 2015, bs. 53; Fiori 2014, 122 f. u.v.m; Vervaet 2014, bs. 82–90; Orlin 2013, 5399 („Civic auspices“); Humm 2012, 63 Anm. 27; De Sanctis 2012a, 160 f.; Dally 2010, 129; Koortbojian 2010, 248 („military auspices“); Brennan 2000, I, 19 u. v. m.; LiouGille 1993, bs. 103–106 („auspices militaires“); Catalano 1978, 481; Martorana 1978, 81; Magdelain 1968, 67 („auspices in agro“); Karlowa 1896, 10–12; Valeton 1890, z. B. 221 f.; Nissen 1885, 144 Anm. 1, 148, 158 u. a. („Kriegsauspizien“). Mit gutem Grund skeptisch gegenüber solchen Begriffen sind allerdings z. B. Gargola 2017, 136, und Rüpke 1990, 43 f. 472
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mit den Kompetenzen der Magistrate, immer wieder vorausgesetzt, teilweise bis hin zu einer annähernden Gleichsetzung von auspicia mit dem magistratischen imperium.474 Die in diesem Zusammenhang einschlägigen Belege halten einer kritischen Prüfung aber nicht stand: So gibt es zwar durchaus einige Stellen, in denen von auspicia die Rede ist, die man domi militiaeque bzw. bello domique besitze oder anwende, wie beispielsweise die folgende Aussage Ciceros: exactis regibus nihil publice sine auspiciis nec domi nec militiae gerebatur.475 Um Belege für auspicia domi und auspicia militiae oder ähnliches als eigenständige Begriffe handelt es sich bei diesen Zeugnissen aber nicht.476 Auch der einmal bei Cicero auftauchende Begriff eines auspicium totum militare stellt dafür kein Gegenbeispiel dar, wie sich zeigt, wenn man die entsprechende Passage aus De Divinatione genauer betrachtet477: Bellicam rem administrari maiores nostri nisi auspicato noluerunt; quam multi anni sunt, cum bella a proconsulibus et a propraetoribus administrantur, qui auspicia non habent! Itaque nec amnis transeunt auspicato nec tripudio auspicantur. Ubi ergo avium divinatio? Quae, quoniam ab iis, qui auspicia nulla habent, bella administrantur, ad urbanas (res) retenta videtur, a bellicis esse sublata. Nam ex acuminibus quidem, quod totum auspicium militare est, iam M. Marcellus ille quinquiens consul totum omisit, idem imperator, idem augur optumus.478 Insgesamt geht es hier darum, dass man – nach Ciceros Meinung – im Rom seiner Zeit die Auspizien nur noch in zivilen Dingen einhole bzw. beachte und in militä 474 Vgl.
z. B. Mommsens diesbezügliche Aussage, die bereits angesprochen wurde (Kap. 3.3.2 a) mit Anm. 350). Ähnlich auch Dally 2010, 129. 475 Cic. div. 1,3: „Nach der Vertreibung der Könige wurde von Staats wegen nichts betrieben ohne Auspizien, weder im Innern noch im Krieg“: Weitere ähnliche Stellen: Cic, div. 1,95: omitto nostros, qui nihil in bello sine extis agunt, nihil sine auspiciis domi habent; Liv. 1,36,6: ut nihil belli domique postea nisi auspicato gereretur; 6,41,4: auspiciis bello ac pace, domi militiaeque omnia geri quis est, qui ignoret?; 10,8,9: vos solos gentem habere, vos solos iustum imperium et auspicium domi militiaeque. 476 Z. B. Fiori 2014, 112 f.; Vervaet 2014, 82 f. Anm. 47; Brennan 2000, I, 253 Anm. 89. 477 Vgl. dazu bereits Wissowa 1896, 2584 f. 478 Cic. div. 2,76 f.: „Von den kriegerischen Angelegenheiten wollten unsere Vorfahren, dass sie nur nach Einholung eines Auspizium betrieben würden. Seit wie vielen Jahren aber werden Kriege von Prokonsuln und Proprätoren besorgt, die keine (Berechtigung zu) Auspizien besitzen! So kommt es, dass sie sowohl Flüsse überschreiten, ohne ein Auspizium eingeholt zu haben, als auch das ‚Tripudium‘ vernachlässigen. Wo also bleibt die Divination durch Vögel? Da ja eben solche, die keine Auspizien haben, die Kriege besorgen, hielt man anscheinend für den zivilen Bereich an ihr fest, beseitigte sie aber aus dem militärischen. Zum Beispiel das ‚Zeichen an den Speerspitzen‘: ausgerechnet dieses ganz und gar militärische Auspizium vernachlässigte bereits jener fünffache Konsul M. Marcellus ganz und gar, er, der vorzügliche Feldherr und zugleich Augur.“ Übers. Ch. Schäublin, mit wenigen Änderungen.
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rischen aufgegeben habe (ad urbanas res retenta, a bellicis esse sublata). Er verweist hier insbesondere auf die kriegführenden Promagistrate seiner Zeit, die nicht einmal das Recht besessen hätten, Auspizien anzustellen (auspicia non habent). Dies zeigt, dass Cicero die Verbindung von militärischem Kommando mit Auspizien zwar für wünschenswert hielt, insofern sie dem mos maiorum entsprach, nicht aber per se für eine untrennbar damit verbundene Seite derselben Medaille, für die in der Folge auch die Bedeutung von Grenzen analog sein müsste.479 Ebenso wenig eignet sich diese Passage als Beleg für eine Unterteilung der Auspizien selbst in „urbane“ und „militärische“ Auspizien; sie deutet sogar eher in die gegenteilige Richtung: Denn Cicero akzentuiert seine Beobachtung in einer Weise, welche vermuten lässt, dass ebendiese scharfe Unterteilung in einen militärischen und einen zivilen Bereich – wie in der politischen Praxis – im Auspizienwesen seiner Ansicht nach nicht etwa schon angelegt war, sondern vielmehr erst durch eine kritikwürdige oder bedauernswerte Praxis in jenes hineingetragen worden sei. Erst in diesem Zusammenhang bezeichnet Cicero nun ein Auspizium „an den Speerspitzen“ (ex acuminibus) als „ganz und gar militärisches Auspizium“ (totum militare auspicium). Dieses habe bereits Marcellus, der Feldherr des Hannibalkrieges und fünffache Consul, bewusst und konsequent vernachlässigt. Das Wort totum impliziert noch deutlicher als der Kontext, dass für Cicero im Bereich der Auspizien gerade keine grundsätzliche binäre Unterscheidung von militärisch und nicht-militärisch herrschte, sondern es auspicia mehr oder weniger militärischen Charakters geben konnte. Das Attribut militare bezieht sich hier also auf den Charakter des Zeichens und den sachlichen Zusammenhang und nicht auf den Ort des Ereignisses oder der Auspikation, selbst wenn dieser selbstverständlich im Feld und nicht in der Stadt anzusiedeln ist.480 Somit ist festzustellen, dass auch die Suche 479
Koortbojian 2020, 56, will die Aussage Ciceros nur auf legati beziehen, was aber nichts daran ändern würde, dass imperium und auspicia für Cicero nicht zwingend miteinander verbunden waren. 480 Vgl. zu auspicia ex acuminibus auch Cic. nat. 2,9: Sed neglegentia nobilitatis augurii disciplina omissa veritas auspiciorum spreta est, species tantum retenta; itaque maximae rei publicae partes, in is bella quibus rei publicae salus continetur, nullis auspiciis administrantur, nulla peremnia servantur, nulla ex acuminibus, nulli viri vocantur ex quo in procinctu testamenta perierunt; tum enim bella gerere nostri duces incipiunt, cum auspicia posuerunt („Deshalb werden die wichtigsten Aufgaben des Staatswesens, darunter auch die Kriege, auf denen das Wohl des Staates beruht, ohne Auspizien geführt, keine Peremnien mehr beachtet, keine Anzeichen mehr dem Leuchten der Lanzenspitzen entnommen, keine Auspizien mehr beachtet, wenn die Krieger zum Kampf gerufen werden, weshalb seitdem auch die Testamente vor Beginn der Schlacht weggefallen sind; denn unsere Feldherren beginnen mit dem Kampf erst dann, wenn sie das Recht auf die Durchführung der Auspizien bereits abgegeben haben.“); Arnob. 2,67: aut Martium discrimen obeuntes spem proelii sumitis et ex acuminibus auspicatis? („Oder, wenn ihr an die Entscheidung im Krieg herangeht, fasst ihr Hoffnung auf die Schlacht und auspiziert an den Speerspitzen?“).
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nach Belegen für Gegenbegriffe oder Analogien mit dem domi-militiae-Gegensatz insgesamt nicht weiter führt. Angesichts dessen bleibt nur die Möglichkeit bestehen, für die verschiedenen in der Forschung diskutierten auguralen Funktionen des Pomerium jeweils zu untersuchen, wie sie sich zu den übrigen Zeugnissen über das Auspizienwesen verhalten. Dabei sollen nacheinander zwei Ansätze verfolgt werden, die in der Forschung zumeist miteinander vermischt auftreten, deren analytische Unterscheidung aber sinnvoll erscheint. Der eine Ansatz besteht darin, trotz der beschriebenen Schwierigkeiten weiterhin vom Begriff der auspicia urbana auszugehen und Hinweise darauf zu prüfen, dass man bestimmte Auspizien nur innerhalb des Stadtgebietes einholen konnte oder durfte. Dabei ist es zunächst einmal nachrangig, wodurch genau diese Bindung bedingt sein könnte. Teile der Forschung sehen offenbar einen substanziellen Unterschied von urbanen und extraurbanen Auspizien, meinen also, dass auspicia urbana Auspizien von besonderer Art waren, die deshalb nur innerhalb des Pomerium möglich waren.481 Von einigen ist sogar vertreten worden, dass der Ausdruck finis auspiciorum urbanorum sich weniger auf den Bereich der möglichen Einholungsorte, sondern auf das Beobachtungsfeld bei der Vogelschau selbst bezogen habe.482 Ebenso könnte man eine solche Bindung bestimmter Auspizien freilich auch einfach darauf zurückführen, dass diejenigen Handlungen, auf die sich die Auspizien bezogen, an Orten innerhalb des Pomerium stattfanden bzw. stattfinden mussten, und dort nur innerhalb des Pomerium eingeholte Auspizien galten.483 Der zweite Ansatz, der im Anschluss verfolgt werden soll, besteht stattdessen in einer Untersuchung all jener Stellen, bei denen einem Grenzübertritt in die Stadt hinein oder aber aus ihr heraus eine Bedeutung für die Geltung zuvor eingeholter Auspizien zugeschrieben wird, etwa in dem Sinne, dass diese hinfällig wurden oder aber durch weitere Handlungen davor bewahrt werden mussten. Immerhin existiert bei diesem Ansatz auch eine Stelle, jene bei Granius Licinianus, die den Begriff der auspicia urbana in den Zusammenhang solch eines bedeutungsvollen Grenzübertritts einordnet. Anders als in der Regel vorausgesetzt wird, besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen dieser Relevanz des Grenzübertritts und einem vorgeschriebenen Einholungsort: So könnte es theoretisch durchaus sein, dass bestimmte Auspizien zwar innerhalb des Pomerium einzuholen waren, ohne dass es aber für ihre Geltung im Hinblick auf eine politische Handlung von Bedeutung wäre, ober der auspizierende Magistrat zwischenzeitlich das Pomerium überschritten hatte. Ebenso könnte der Grenzübertritt selbst bestimmte Hand481
So z. B. ausdrücklich Giardina 2000, 25. Siehe die in Kap. 3.4.2 c) Anm. 511f. angebenene Lit. 483 So z. B. Wissowa 1896, 2584 f., der die Frage der substanziellen Andersartigkeit der auspicia urbana explizit offen lässt. 482
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lungen oder eine eigene Auspikation erforderlich gemacht haben, unabhängig von der Frage, ob bestimmte Auspizien nur innerhalb des Pomerium möglich waren.
3.4.2 Auspicia urbana – Einholungsort und Geltungsbereich? Die wohl meisten Gelehrten haben den Begriff auspicia urbana als eine Bezeichnung für eine bestimmte Gruppe oder Art von Auspizien verstanden, die sich dadurch ausgezeichnet habe, dass sie nur innerhalb des Pomerium eingeholt werden könnten und allein dort Geltung besäßen. In diesem Sinne sei das Pomerium eben deren Grenze gewesen.484 Grundlage dieser Vorstellung erscheint dabei, wie gesagt, teils die Annahme einer besonderen Qualität des Stadtgebiets zu sein, die einen substanziellen Unterschied zwischen auspicia urbana und anderen Auspizien bedingt habe. Teils scheint eher die Prämisse ausschlaggebend, dass das Attribut urbana auf den Bereich der Geltung von Auspizien zu beziehen sei: Für innerhalb des Pomerium zu vollziehende Handlungen seien auch Auspizien notwendig gewesen, die innerhalb der Stadt eingeholt worden waren, während außerhalb der Stadt entsprechendes gegolten habe. Diese Unterscheidung ist aber für die folgende Untersuchung nachrangig. Es gilt vielmehr zu prüfen, inwieweit es überhaupt Anhaltspunkte dafür gibt, dass in der römische Augurallehre bestimmte Auspizien als entweder substanziell oder mittelbar an das Gebiet intra pomerium gebunden galten und daher als auspicia urbana bezeichnet wurden. a) „Auszugsauspizien“ und repetitio auspiciorum innerhalb des Pomerium? Hier ist zunächst ein Paradox zu beobachten. Denn gerade die meistdiskutierten angeblichen Beispiele für nur in Rom einholbare Auspizien scheinen nicht zu den beschriebenen Konzepten zu passen: Es sind dies diejenigen Auspizien, die Magistrate bei Amtsantritt bzw. vor dem Aufbruch zu einem Feldzug einholten, sowie jene, die im Rahmen einer Unterbrechung während eines Feldzugs als repetitio auspiciorum angestellt wurden485 und die wahrscheinlich als eine Wiederholung der bei dessen Beginn vorgenommenen Auspizien zu verstehen sind. Von den sogenannten „Auszugsauspizien“ eines Magistrats, die nach einer verbreiteten 484
Vgl. die in Kap. 3.4.1 Anm. 473 („militärische Auspizien“ u. ä.), 481, und 483 zitierte Literatur sowie z. B. Carlà 2015, bs. 604; Šterbenc Erker 2013, 230–232; Favro 2008, 285; Gros 2007, 110; Dalla Rosa 2003, 188 f.; Panciera 1999; Giovannini 1983, 54 f.; Magdelain 1977, bs. 13 (=1990, 211); Blumenthal 1952, 1871; Mommsen 1887/88, I, 64 f. und 99–101. 485 Vgl. stellvertretend etwa Magdelain 1968, 36–48; Mommsen 1887/88, I, 97–101, die auch in diesem Punkt als die in der Forschung einflussreichsten Gelehrten gelten können. Für die jüngere Diskussion vgl. z. B. Berthelet 2015, 119–125 und 165 f.; Humm 2012, 73–81.
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Forschungsmeinung von den Auspizien bei Amtsantritt zu unterscheiden sind, war bereits im Zusammenhang mit dem militärischen Kommando die Rede. Ihre historische Existenz ist selbst Gegenstand einer Forschungskontroverse, die aber hier nicht weiter beleuchtet werden soll.486 Hier kann es genügen zu untersuchen, ob sich in diesem Zusammenhang Bindungen von Auspizien an das Pomerium feststellen lassen. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass mit den genannten gerade eine Gruppe von Auspizien in die Kategorie der auspicia urbana eingeordnet wird, die wesentlich oder gar ausschließlich für den außerstädtischen, ja militärischen Bereich bedeutsam war, was zu der Vorstellung, dass das Pomerium auch die Grenze der Geltung der auspicia urbana sei, in einem gewissen Widerspruch steht. Man kann versuchen, diesen durch das Argument aufzulösen, dass die „Auszugsauspizien“ eben nur den Auszug selbst beträfen und lediglich die Voraussetzung dafür darstellten, nach Verlassen des Stadtgebietes andere Auspizien anstellen zu können. Dies ist zwar denkbar, aber nicht zu belegen und kann auch nicht gerade als naheliegend gelten. Wie dem auch sei, das Problem ist unabhängig von der Frage nach der Bindung dieser Auspizien an das Pomerium. Schwerwiegender ist die Tatsache, dass auch keine Quelle, die man als Indiz für „Auszugsauspizien“ oder „repetierte“ Auspizien kommandierender Magistraten deuten könnte, deren Einholungsort an das intrapomeriale Stadtgebiet bindet. Wenn die Forschung dies dennoch tut, geschieht dies daher vor allem auf einem problematischen Umweg. Zugrunde gelegt werden hier nämlich regelmäßig Stellen, welche die Auspizien ausziehender Feldherrn mit dem Capitol bzw. mit der Arx, die in der Regel als Teil des Capitolshügels aufgefasst wird, in Verbindung zu bringen scheinen, obwohl eine solche spezifische Ortsbindung offensichtlich ebenfalls keinerlei konzeptionellen Bezug zum Pomerium implizieren würde. Mehr noch: Selbst diese spezifischen Einholungsorte Capitol bzw. Arx erweisen sich bei genauerer Betrachtung als sehr fragwürdig, wie auch schon überzeugend Ziółkowski aufgezeigt hat.487 Zwar bestand auf der Arx ein sogenanntes auguraculum, also eine von den Auguren genutzte Beobachtungseinrichtung. Dieses taucht in den Quellen jedoch nicht im Zusammenhang der Auspizien ausziehender Feldherrn, sondern nur im Rahmen der von den Auguren selbst vorgenommenen Beobachtungen auf, die ein davon klar zu trennendes Thema darstellen.488 486 Ausführliche
Grundsatzkritik an der Existenz von „Auszugsauspizien“ üben z. B. Koortbojian 2020, 66–71, und Fiori 2014, 76–97, jeweils mit weiterer Lit., knapp auch Rüpke 1990, 45 f. 487 Ziółkowski 2011. 488 Von einem auguraculum auf der Arx bzw. einer dortigen Aktivität der Auguren sprechen auch Varr. ling. 5,47; 7,8; Cic. off. 3,66; Liv. 1,18,6–10; 10,7,9–10; Val. Max. 8,2,1. Vgl. z. B. Coarelli 1993; Ziółkowski 1993; Magdelain 1969.
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Und auch eine Passage bei Festus, die man auf „Auszugsauspizien“ auf dem Capitol hin gedeutet hat, ist nicht wirklich für diesen Zusammenhang zu gebrauchen489: Insgesamt handelt es sich hier nämlich lediglich um eine aitiologische Erklärung dafür, dass ausziehende Propraetoren und Proconsuln am Tor als Praetoren begrüßt würden (Praetor ad portam nunc salutatur is qui in provinciam pro praetore aut pro consule exit). Festus nimmt dazu auf eine Praxis Bezug, die während der Zeit des Latinischen Bundes geübt worden sein soll: Wie Cincius überliefere, habe zu dieser Zeit, immer wenn ein römischer Feldherr auszog, um die Führung des gemeinsamen latinischen Heeres zu übernehmen, eine zahlenmäßig unbestimmte Gruppe von anderen (complures nostros) vom Capitol aus auspiziert. Der offenbar bereits am Tor stehende zukünftige Feldherr sei dann, sobald die Vögel ihn bestätigt hätten, von den dort Anwesenden als Praetor begrüßt worden. Auch dies kann kaum als Beleg für die übliche Praxis bei Aufbruch in späterer Zeit gedeutet werden: Denn erstens wird der gesamte Handlungskomplex ausdrücklich in den Kontext des Latinischen Bundes gestellt und auf dessen Dauer begrenzt (usque ad P. Decium Murem consulem), und zweitens auspizierte auch hier gerade nicht der ausziehende Magistrat selbst. An einer bereits erwähnten Stelle bei Livius erscheint es schließlich sogar so, als hätte der Magistrat im Normalfall zunächst an einem anderen Ort Auspizien angestellt und sei erst dann auf das Capitol gezogen, um die Gelübde abzulegen: 489
Fest. 276 L: Praetor ad portam nunc salutatur is qui in provinciam pro praetore aut pro consule exit: cuius rei morem ait fuisse Cincius in libro de consulum potestate talem: Albanos rerum potitos usque ad Tullum regem: Alba deinde diruta usque ad P. Decium Murem consulem populos Latinos ad caput Ferentinae, quod est sub monte Albano, consulere solitos, et imperium communi consilio administrare: itaque quo anno Romanos imperatores ad exercitum mittere oporteret iussu nominis Latini, conplures nostros in Capitolio a sole oriente auspicis operam dare solitos. Ubi aves addixissent, militem illum, qui a communi Latio missus esset, illum quem aves addixerant, praetorem salutare solitum, qui eam provinciam optineret praetoris nomine („Als Praetor wird zu unserer Zeit derjenige am Tor begrüßt, der als Propraetor oder Proconsul in die Provinz geht. Der zu dieser Sache gehörende Brauch, so schreibt Cincius im Buch über die Amtsgewalt der Consuln, sei folgende gewesen: Bis zum König Tullus hätten die Albaner die Herrschaft innegehabt. Dann, von der Zerstörung Albas bis zum Consulat des P. Decius Mus hätten die latinischen Völker beim Caput Ferentinae, das unter dem Albanerberg liegt, gewöhnlich Rat gehalten und die Kommandogewalt durch gemeinsamen Beschluss gelenkt: Deshalb hätten in den Jahren, wo die Römer Feldherrn zum Heer entsenden mussten auf Befehl des latinischen Namens, gewöhnlich einige von den unsrigen auf dem Capitol vom Sonnenaufgang Auspizien angestellt. Sobald die Vögel das zustimmende Zeichen gegeben hätten, hätten sie gewöhnlich jenen Soldaten, der vom gemeinschaftlichen Latium geschickt worden war, jenen, den die Vögel bestätigt hatten, als Praetor begrüßt, damit er diesen Amtsbereich übernahm unter dem Namen eines Praetors.“). Vgl. zu dieser Stelle ausführlich und im Wesentlichen überzeugend Koortbojian 2020, 67–70.
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auspicato profectus in Capitolium ad vota nuncupanda.490 Wo genau diese Auspizien aber angestellt wurden, bleibt dabei offen; eine Bindung an das Pomerium ist nicht zu greifen. Bei einigen weiteren Stellen, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, ist die Lage indes genau umgekehrt, da der in Rede stehende Raum, der als Voraussetzung korrekter Auspizien erscheint, deutlich größer zu sein scheint als das Gebiet intra pomerium. In diesem Sinne erweist sich etwa ein weiteres Zeugnis bei Livius, das man zunächst als Hinweis auf eine konzeptionelle Verbindung der Auspizien zum Amtsantritt oder Auszug mit dem Pomerium auffassen könnte, bei genauerer Betrachtung eher als Gegenargument. Dort wird vom Senat gegen den ganz ohne Auspizien ausgezogenen Gaius Flaminius vorgebracht, er könne diese nicht auf fremdem, ausländischem Boden nachholen: nec sine auspiciis profectum in externo ea solo nova atque integra concipere posse.491 Dass mit einer solchen Formulierung eine das Pomerium betreffende Vorschrift gemeint sein sollte, ist aber so gut wie ausgeschlossen, da man dann mit einer deutlich spezifischeren Formulierung wie extra urbem rechnen müsste. Zugleich kann ein als ager romanus geltendes Gebiet und erst recht das unmittelbar vor der Stadt liegende Land, das verschiedentlich als ager effatus bezeichnet wurde, kaum schon als ein fremder Boden verstanden worden sein. Im Gegenteil, es ist gut möglich, dass Auspizien regelmäßig gerade in diesem direkten Umland der Stadt vorgenommen wurden. Es gibt nämlich durchaus Stellen, welche als das typische Gebiet zur Einholung von Auspizien eher den Bereich unmittelbar außerhalb des Pomerium erscheinen lassen: Varro etwa spricht von bestimmten Grenzen, welche die Auguren außerhalb der Stadt (extra urbem) zum Zwecke der Auspizien konstituierten492, Servius bezeichnet den ager effatus, den er als ager post pomeria definiert, ausdrücklich als den Bereich, wo die Auspizien eingeholt worden seien.493 Wie dem auch sei, die Livius-Stelle spricht 490
Liv. 21,63,7. Liv. 22,1,6: „und wer ohne Auspizien von Rom aufgebrochen sei, könne sie im fremden Land nicht neu und gültig anstellen.“ Koortbojian 2020, 63, begründet diesen Hinweis mit der von ihm vorausgesetzten Bindung der Comitia curiata an das Pomerium. Diese Deutung entfernt sich allerdings sehr weit vom Text und lässt die Betonung des sine auspiciis und des externum solum wenig sinnvoll erscheinen. 492 Varr. ling. 6,53: Hinc effata dicuntur, qui augures finem auspiciorum caelestum extra urbem agri sunt effati ut esset („Daher [von fari] werden die Worte effata genannt, mit denen die Auguren die Grenze der Himmelsauspizien außerhalb der Stadt (in?) den agri ‚ausgesprochen‘, effati, haben.“). 493 Serv. Aen. 6,197: ager post pomeria, ubi captabantur auguria, dicebatur effatus (Servius verwendet auguria synonym zu auspicia). Vgl. auch die Berichte Ciceros und des Granius Licinianus über das tabernaculum des Gracchus in den Gärten des Scipio, dazu ausführlich Kap. 3.4.3 b). Rüpke 1990, 32, meint sogar, auch diese Auspizien seien auspicia urbana; von diesen sei sogar ein Großteil, sofern es sich um Vogelschau 491
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insgesamt deutlich eher für eine Bindung der dem Flaminius fehlenden Auspizien an ager Romanus als an das Pomerium. Als weitere Belege für die Notwendigkeit, die Auspizien bei Amtsantritt bzw. Auszug intra pomerium einzuholen, und zugleich als weiteres Beispiel für auspicia urbana werden in Teilen der Forschung schließlich bestimmte Zeugnisse über eine „Wiederholung der Auspizien“ (repetitio auspiciorum) gesehen.494 Auch diese Auffassung ist allerdings zurecht schon mehrfach aufgrund der uneindeutigen Quellenlage kritisiert worden495: Zwar überliefert Livius tatsächlich drei zeitlich relativ frühe Fälle, in denen römische Heerführer – es sind ausnahmslos Dictatoren – noch während des Krieges nach Rom (Romam) hätten zurückkehren müssen, um Auspizien zu wiederholen (ad auspicium repetendum u. ä.).496 Auch Valerius Maximus sowie eine der elogischen Inschriften vom Augustusforum greifen einen der bereits von Livius genannten Fälle, nämlich jenen des Papirius Cursor, mit ähnlichen Worten auf (in urbem proficiscente; Romam redisset).497 Aus diesen Formulierungen ist allerdings nicht ohne weiteres zu schließen, dass hier eine Bindung der Auspizien an das Stadtgebiet intra pomerium gemeint war.498 Mindestens ebenso wahrscheinlich ist etwa, dass die Auspizien, um die es hier ging, im eben erwähnten ager effatus, jenem augural definierten Umland Roms, eingeholt werden, der vielleicht mit einem als ursprünglich geltenden Territorium der Stadt, dem in der Forschung viel diskutierten ager Romanus antiquus identisch war.499 im engeren Sinne (auspicia ex avibus) handelte, außerhalb der Stadt im ager effatus eingeholt wurden, dessen innere Grenze das Pomerium gewesen sei. Dies wirkt als Begriffsdeutung allerdings insgesamt wenig plausibel; ebenso scheint das Argument wenig tragfähig, der Terminus auspicia urbana stelle keine „authentische“ auguraltechnische Begrifflichkeit dar (43 Anm. 98), taucht er doch in genau derartigen Kontexten auf. Diese besitzen zwar antiquarischen Charakter, doch gilt dies für die gesamte antike Diskussion über die Einzelheiten der Augurallehre. Vgl. dazu auch Linderski 1986, 2277. 494 Vgl. oben Anm. 485, doch scheint Mommsen 1887/88, III, 824 f., lediglich noch von der Notwendigkeit von ager Romanus auszugehen. 495 Z. B. Rüpke 1990, 31–35; Catalano 1978, 491–502. Unentschieden in dieser Frage Konrad 2008, 350 Anm. 4. 496 Liv. 8,30,2: a pullario monitus cum ad auspicium repetendum Romam proficisceretur; 10,3,6: dictator auspiciorum repetendorum causa profectus Romam esset; 23,19,3: dictatore auspiciorum repetendorum causa profecto Romam. 497 Val. Max. 3,2,9: Papirio Cursore propter auspicia repetenda in urbem proficiscente; CIL VI 1318 (= ILS 53): Bello Samnitium | cum auspicii repe|tendi caussa | Romam redisset. 498 Zu diesen Fällen Koortbojian 2020, 57–60, der allerdings nur eine mittelbare Bindung der Auspizien an die Stadt anerkennt, insofern die den Feldherrn ins Amt bringenden Handlungen an die Stadt gebunden waren. Dies lässt allerdings unerklärt, warum dann in keinem der hier behandelten Fälle von einer Wiederholung anderer Handlungen als der Auspikation selbst die Rede ist. 499 Diese Diskussion (vgl. zuletzt Fulminante 2019; Gargola 2017, 146–149; Smith 2017; Ziółkowski 2009) ist hier nachrangig.
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Unabhängig von dieser Frage ist bei einer Reihe weiterer Zeugnisse, wo Heerführer für die Auspizienwiederholung das Kampfgebiet verlassen, nicht einmal mehr davon die Rede, dass sie bis nach Rom zurückkehren mussten. Hier scheint stattdessen lediglich eine Einholung auf ager Romanus für notwendig gehalten worden zu sein. Ein zwar spätes, aber auch recht eindeutiges Zeugnis für diese Vorstellung stellt eine Passage des Servius auctus dar: Zwar habe, so der Autor hier, die Praxis der Auspizienwiederholung in früherer Zeit die zwischenzeitliche Rückkehr des Feldherrn nach Rom notwendig gemacht, doch nur solange man in Italien gekämpft habe: postquam vero imperium longius prolatum est, ne dux ab exercitu diutius abesset, si Romam ad renovanda auspicia de longinquo revertisset, constitutum, ut unus locus de captivo agro Romanus fieret in ea provincia, in qua bellabatur, ad quem, si renovari opus esset auspicia, dux rediret.500 Um die Rückkehr nach Rom zu vermeiden, sei also zu einer Art Rechtsfiktion gegriffen worden, indem ein Stück Land zu ager Romanus (und nicht etwa urbs, intra pomerium o. ä.501) erklärt und dort auspiziert worden sei. Möglicherweise war von einem ähnlichen Verfahren auch schon bei Festus unter dem Stichwort ager Romanus die Rede; von dem vermutlich dazu gehörenden Eintrag ist aber lediglich der Schluss erhalten: ubi incubare posset auspicii repetendi causa.502 Und auch jenseits der Frage der Auspizienwiederholung ist die Vorstellung unterschiedlicher Aus pizien in Abhängigkeit von verschiedenen Kategorien von ager recht gut belegt.503 500
Serv. auct. Aen. 2,178: „Nachdem aber das Reich weit ausgedehnt worden war, wurde festgesetzt, dass, damit der Feldherr nicht zu lange vom Heer abwesend sei, wenn er zur Erneuerung der Auspizien aus weiter Entfernung nach Rom zurückgekehrt sei, ein Platz aus dem eroberten Gebiet zu römischen Gebiet gemacht werde, in der Provinz, in der gekämpft wurde, zu dem der Feldherr, wenn eine Erneuerung der Auspizien nötig würde, zurückkehren solle.“ 501 Dies betont zurecht z. B. Rüpke 1990, 35. 502 Fest. 326 L. Vielleicht hängt auch der als obscum bezeichnete Platz im Gebiet von Veji (in agro Veienti), dessen sich die römischen Auguren laut Festus (204 L) bedient haben sollen mit solchen Vorstellungen zusammen, vgl. zu diesen Stellen Catalano 1978, 493, 499, 503. 503 Vgl. dazu ausführlich ebd., 492–503. Das wichtigste Zeugnis stellt zweifellos Varr. ling. 5,33 dar: Ut nostri augures publici disserunt, agrorum sunt genera quinque: Romanus, Gabinus, peregrinus, hosticus, incertus. Romanus dictus unde Roma ab Romulo; Gabinus ab oppido Gabiis; peregrinus ager pacatus, qui extra Romanum et Gabinum, […] Gabinus quoque peregrinus, sed quod auspicia habet singularia, ab reliquo discretus; hosticus dictus ab hostibus; incertus is, qui de his quattuor qui sit ignoratur („Wie unsere augures publici lehren, gibt es fünf Arten von agri: Romanus, Gabinus, peregrinus, hosticus und incertus. Der Romanus wird wie auch Rom nach Romulus so genannt, der Gabinus nach der Stadt Gabii, der peregrinus ist ein befriedeter ager, der außerhalb des Romanus und des Gabinus
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Weitere Stellen zur repetitio auspiciorum bei früheren Autoren weisen zwar nicht die gleiche Klarheit auf, deuten aber ebenfalls daraufhin, dass es bei den räumlichen Voraussetzungen dafür wenigstens ab dem 3. Jh. v. Chr. nicht mehr einmal mehr um eine Rückkehr in die Nähe Roms, sondern nur um ager Romanus gegangen sein kann. So etwa im Bericht des Valerius Maximus über den Consul des Jahres 252 v. Chr.: Für diesen, der gerade mit einer Belagerung auf der Insel Lipara beschäftig ist und dann eine repetitio auspiciorum für nötig hält, genügt es offenbar, dass der von Lipara nach Messana übersetzt, sich vielleicht auch noch auf das italische Festland begibt, keinesfalls aber nach Rom zurückkehrt.504 Dies passt wiederum – wenigstens grob – zu einem Zeugnis des Livius, der in diesem geographischen Bereich die Grenze des ager Romanus im Jahr 210 v. Chr. ansiedelt.505 Die Stelle liefert zugleich selbst noch ein weiteres Indiz: So wurde es nach Livius als nicht zulässig betrachtet, außerhalb des ager Romanus einen Dictator zu ernennen – eine Vorschrift, die ebenfalls mit Auspizien in Verbindung stehen könnte. Jedenfalls wird so indirekt bezeugt, dass ein Dictator auch an weit von Rom entfernten Orten ernannt werden konnte, solange diese nur als zum ager Romanus gehörig liegt […], der Gabinus ist auch ein ager peregrinus, aber weil er besondere Auspizien hat, ist er vom übrigen unterschieden; der hosticus ist nach den Feinden benannt, der incertus ist derjenige, bei dem man nicht weiß, welcher von diesen vieren er ist.“). 504 Val. Max. 2,7,4: C. Cotta consul P. Aurelium Pecuniolam sanguine sibi iunctum, quem obsidioni Liparitanae ad auspicia repetenda Messanam transiturus praefecerat, virgis caesum militiae munere inter pedites fungi coegit, quod eius culpa agger incensus, paene castra erant capta („Der Consul C. Cotta ließ den P. Aurelius Pecuniola, einen Blutsverwandten, dem er die Führung der Belagerung Liparas übertragen hatte, als er zur Wiederholung der Auspizien nach Messana übersetzen wollte, mit Ruten schlagen und zwang ihn unter den Fußtruppen Dienst zu tun, weil durch seine Schuld der Wall in Brand gesteckt und das Lager fast eingenommen worden war.“). Fast wortgleich berichtet von der Begebenheit auch Frontin. strat. 4,1,31: ad auspicia repetenda Messanam transiturus praefecerat. Trotz der Argumente von Konrad 2008 kann die Tatsache, dass Cass. Dio / Z onaras (8,14) offenbar davon ausging, dass Cotta „nach Hause“ (οἴκα αδε), d. h. nach Rom, zurückkehrte, nichts daran ändern, dass die älteren Autoren eine solche Rückkehr offensichtlich nicht annahmen, sondern eher von einer kürzeren Abwesenheit des Consuls ausgingen, während der gleichwohl folgenschwere Fehler begangen worden waren. 505 Liv. 27,5,15 (zur Frage der Ernennung eines Dictators zur Leitung der Wahlcomitien, weil die Consuln nicht abkömmlich waren): Illa disceptatio tenebat, quod consul in Sicilia se M. Valerium Messallam, qui tum classi praeesset, dictatorem dicturum esse aiebat, patres extra Romanum agrum – eum autem Italia terminari – negabant dictatorem dici posse („Die Debatte darüber ging weiter, weil der Konsul sagte, er werde in Sizilien M. Valerius Messala, der jetzt das Kommando über die Flotte habe, zum Dictator ernennen, die Senatoren aber erklärten, außerhalb des ager Romanus – der aber sei auf Italien beschränkt – könne ein Dictator nicht ernannt werden.“ Übers. H. J. Hillen). Vgl. auch 27,29,5: Hi nuntiare consuli iussi, ut, si ad comitia ipse venire Romam non posset, dictatorem in agro Romano diceret comitiorum causa („Diese sollten dem Konsul mitteilen, wenn er zu den Wahlen nicht selbst nach Rom kommen könne, solle er auf römischem Gebiet einen Dictator für die Wahlen ernennen.“ Übers. H. J. Hillen).
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galten. Auch dies spricht wiederum dagegen, dass die notwendige Wiederholung der Auspizien, die Livius ja gerade bei Dictatoren annimmt, im Stadtgebiet hätte stattfinden müssen, wenn dies schon nicht für deren Kommandoübernahme galt. Insgesamt gibt es somit zwar einige Indizien, die nahelegen, dass bestimmte, vor allem von kommandierenden Magistraten einzuholende Auspizien nur auf ager Romanus möglich waren, was gerade in früherer Zeit praktisch eine Rückkehr nach Rom erfordert haben kann. Dafür aber, dass diese Auspizien auch an das Stadtgebiet in einem engeren Sinne gebunden wurden und somit mit dem Pomerium in Zusammenhang gestanden haben könnten, gibt es keine überzeugenden Belege. b) Sonstige Bindungen an das bzw. Ausschluss aus dem Stadtgebiet? Die Tatsache, dass die Bindung der beschriebenen Auspizien zu Amtsantritt oder Auszug (und deren Wiederholung) an das Pomerium fragwürdig ist, schließt natürlich noch nicht aus, dass der Ausdruck auspicia urbana andere Auspizien bezeichnet haben könnte, für welche eine solche Bindung bestand. Mit anderen Worten: Wenn es im römischen Auspizienwesen die Vorstellung gab, dass die Einholung bestimmter Auspizien nur in bestimmten Räumen wie dem ager Romanus möglich war, ist es natürlich denkbar, dass es eine analoge Vorstellung auch für das Stadtgebiet gab. Ebenfalls wäre es selbstverständlich möglich, dass zwar keine substanzielle Bindung an das Pomerium bestand, diese sich aber mittelbar dadurch ergab, dass die Handlung, derentwegen auspiziert wurde, an einem Ort innerhalb des Pomerium vollzogen werden sollte oder musste. Allerdings lassen sich auch für eine solche Bindung keine klaren Belege finden. Vielmehr scheinen sich gerade diejenigen Auspizien, welche den innenpolitischen Alltag in Rom begleiteten, einer solchen Logik zu entziehen. Dies gilt allemal für Handlungen wie z. B. Senatsversammlungen, die sowohl innerhalb wie außerhalb der Stadt stattfinden konnten, wenn auch nur an Orten, die selbst als augurale templa galten. Für diese wurden Auspizien wahrscheinlich jeweils am Versammlungsort oder in dessen Nähe angestellt. Auch im Zusammenhang mit der geplanten Volksversammlung am Regillus-See, die im vorangegangenen Unterkapitel erwähnt wurde, spricht Livius davon, dass dort ein Ort „inauguriert“ worden sei, von dem aus man auspicato eine Volksversammlung leiten konnte; auch zu einem solchen, wie gesehen, politisch höchst normwidrigen Vorgehen, bestanden aus Livius’ Sicht zumindest in auguralrechtlicher Hinsicht offenbar keine unüberwindbaren Hürden.506 506 Liv.
3,20,6: augures iussos adesse ad Regillum lacum […] locumque inaugurari, ubi auspicato cum populo agi posset […] („die Auguren seien aufgefordert worden, sich am Regillus-See einzufinden, und es solle ein Platz inauguriert werden, wo nach Durchführung der Auspizien mit dem Volk verhandelt werden könne […].“ Übers. H. J. Hillen, mit einer Änderung). Vgl. außerdem den Bericht über die Volksversammlung im
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Zu beachten ist schließlich das ebenfalls bereits erwähnte Zeugnis Cassius Dios über die Volksversammlung, welche die im Jahr 49 v. Chr. in Thessalonike versammelten Anhänger des Pompeius abhalten wollten. Dort habe man zum Zwecke der Auspizien ein Landstück in öffentlichen Besitz überführt (δημοσιώσαντες), was wahrscheinlich so zu verstehen ist, dass es zu ager Romanus deklariert wurde.507 Dieses Vorgehen erinnert also an jenes, welches im Servius auctus in Bezug auf die repetitio auspiciorum überliefert ist: Auch im Hinblick auf Volksversammlungen scheint somit immer noch eher eine Bindung der Auspizien an ager Romanus als an das Gebiet intra pomerium plausibel. Von derartigen Ausnahmesituationen abgesehen waren, wie im vorangehenden Unterkapitel gezeigt, etwa die Comitia Curiata und Centuriata ohnehin jeweils praktisch an ganz bestimmte Orte innerhalb bzw. außerhalb der Stadt gebunden, wobei offenbar ebenfalls augurale Gesichtspunkte eine Rolle spielten: Auch diese Plätze galten entweder insgesamt oder in den von den leitenden Magistraten genutzten Teilen (wie den rostra) als templa.508 Dass hier jeweils auch die zu diesen Versammlungen gehörenden Auspizien eingeholt wurden, ist darum nicht unwahrscheinlich. Nichts anderes legt schließlich auch die bereits mehrfach zitierte Passage aus. Livius’ Rede des Camillus gegen die Auswanderung nach Veji nahe.509 Zwar wird dort das Pomerium – wohl aufgrund seiner eigenen Symbolkraft – erwähnt; Lager bei Sutrium, welche zwar scharf kritisiert wird, nicht aber mit auguralrechtlichen Argumenten, Liv. 7,16. 507 Cass. Dio 41,43,2–4: οἱ δὲ ἐν τῇ Θεσσαλονίκῃ τοιοῦτο μὲν οὐδὲν προπαρεσκευάσαντο, καίτοι τῆς τε ἄλλης βουλῆς, ἐς διακοσίους ὥς φασί τινες, καὶ τοὺς ὑπάτους ἔχοντες, καί τι καὶ χωρίον ἐς τὰ οἰωνίσματα, τοῦ δὴ καὶ ἐν νόμῳ δή τινι αὐτὰ δοκεῖν γίγνεσθαι, δημοσιώσαντες, ὥστε καὶ τὸν δῆμον δι’ αὐτῶν τήν τε πόλιν ἅπασαν ἐνταῦθα εἶναι νομίζεσθαι („Hingegen hatte die Gruppe in Thessalonike nichts dergleichen [sc. Wahlen] vorbereitet, obschon sie, wie einige berichten, etwa zweihundert Mitglieder des restlichen Senats sowie die beiden Konsuln bei sich hatten. Auch war ein kleines Stück Land für die Augurien, damit sie unter einem gewissen Schein von Gesetzlichkeit stattfinden könnten, zum Staatsbesitz erklärt worden, so daß das Volk und die gesamte Stadt durch sie als dort anwesend galten.“ Übers. O. Veh.). Vgl. dazu z. B. Catalano 1978, 500 f.; Valeton 1890, 237 f. 508 Zu Versammlungsorten in templo siehe Kap. 3.3.1 b) Anm. 259. 509 Liv. 5,52,15 f.: Quid alia quae auspicato agimus omnia fere intra pomerium, cui oblivioni aut neglegentiae damus? Comitia curiata, quae rem militarem continent, comitia centuriata, quibus consules tribunosque militares creatis, ubi auspicato, nisi ubi adsolent, fieri possunt? Veiosne haec transferemus? An comitiorum causa populus tanto incommodo in desertam hanc ab dis hominibusque urbem conveniet? („Die anderen Dinge, die wir fast alle nach einem Auspizium innerhalb des Pomerium tun, welchem Vergessen und welcher Vernachlässigung geben wir sie anheim? Die Curiatcomitien, die das Kriegswesen umfassen, die Centuriatcomitien, in denen ihr die Konsuln und Militärtribunen wählt, wo können sie mit einem [korrekten] Auspizium durchgeführt werden, wenn nicht am gewohnten Ort? Werden wir sie nach Veji verpflanzen? Oder wird das Volk unter entsprechend großer Unbequemlichkeit in dieser von Göttern und Menschen verlassenen Stadt zu den Comitien zusammenkommen?“ Übers. H. J. Hillen, mit der markierten Ergänzung).
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es ist jedoch für die Ortsbindung der dort genannten verschiedenen politischen Praktiken offensichtlich gerade nicht entscheidend, da Camillus sowohl die Comitia Curiata auf dem Comitium als auch die Centuriata auf dem extrapomerialen Marsfeld als jeweils ortsgebunden aufzählt. Darauf aber, dass bestimmte Auspizien nur innerhalb bzw. nur außerhalb des Pomerium eingeholt werden konnten, ohne aber zugleich an wesentlich spezifischere Orte gebunden zu sein, gibt es somit auch in diesem Zeugnis keine Anhaltspunkte. Zu den in Rom regelmäßig praktizierten Auspizien, welche die verschiedensten politischen Handlungen begleiteten, ergibt sich also folgendes Bild: Entweder erscheinen bestimmte Auspizien – so wie die Handlungen, die sie vorbereiteten – an ganz bestimmte Orte innerhalb (oder auch außerhalb) des Pomerium gebunden, wodurch eine gleichzeitige Bindung an das Pomerium unlogisch wird. Capitol und Arx scheinen solch eine besondere Rolle für bestimmte Auguralhandlungen gespielt zu haben, wenn auch wohl nicht für von Magistraten vorgenommene Auspizien. Auch die Auspizien zu den Comitia Curiata, die auf dem Comitium zusammentraten, dürften an diesen Ort gebunden gewesen sein. Oder aber die durch Auspizien begleiteten Handlungen konnten an ganz verschiedenen Orten stattfinden, die sich dann aber sowohl außerhalb wie innerhalb des Pomerium befinden konnten: Dies ist etwa bei Senatsversammlungen der Fall. Hier muss man davon ausgehen, dass auch die jeweiligen Auspizien innerhalb wie außerhalb des Pomerium – an oder bei diesen Orten – stattfinden konnten. Dafür, dass sich die zugehörigen Auspizien je nachdem, ob man sich außerhalb oder innerhalb des Pomerium befand, entweder substanziell oder hinsichtlich der Zulässigkeit ihrer Einholung unterschieden, gibt es keine Hinweise. Die Auffassung, dass es sich bei auspicia urbana um besondere Auspizien gehandelt haben sollte, die nur innerhalb des Pomerium, dort aber an verschiedenen Orten als einholbar und gültig angesehen worden seien, erweist sich somit als nicht belegbar, auch wenn deren Existenz natürlich auch nicht völlig auszuschließen ist.510 510
Eine ähnliche Vorstellung zu der zuletzt diskutierten, wurde schließlich auch im Hinblick auf das Vorzeichenwesen geäußert: R adke 1980, 27, hat die These vertreten, dass es für den Umgang mit Vorzeichen für relevant gehalten worden sei, ob sie innerhalb oder außerhalb des Pomerium aufgetreten waren. Die einzige Erwähnung des Pomerium im Zusammenhang eines solchen Prodigiums (Cass. Dio epit. 78,1,6), zugleich auch die einzige Erwähnung von Stadtgrenzen in diesem Kontext, liefert jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt für diese Auffassung. Es wird dort lediglich berichtet, dass im Jahre 211 n. Chr. zwei Wölfe auf das Capitol vorgedrungen und dann von dort verjagt worden seien. Einer sei daraufhin auf dem Forum getötet worden, der andere habe später „außerhalb des Pomerium“ sein Ende gefunden. Dies habe auf das Schicksal der beiden zu diesem Zeitpunkt noch offiziell gemeinsamen regierenden Brüder Caracalla und Geta vorausgewiesen. Wie aus dem Kontext ersichtlich wird, ist damit der kurz bevor-
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c) Das Pomerium als Grenze des Beobachtungsfeldes bestimmter Auspizien? Trotz des Gesagten geht eine von einem Teil der Forschung vertretene Variante der Vorstellung, dass es bei der auguralen Funktion des Pomerium um eine Begrenzung im Hinblick auf Einholungsorte gehe, gewissermaßen noch einen Schritt weiter als die bisher besprochenen. Nach einer immer wieder zu lesenden Auffassung bezieht sich die Rede von einem finis urbani auspicii nämlich nicht auf einen Bereich vieler potentieller Einholungsorte der „städtischen“ Auspizien; dem Pomerium wird vielmehr selbst eine technische Bedeutung für die Vogelschau der Auguren auf der Arx zugeschrieben, nämlich als Grenze des Beobachtungsfeldes511 oder „interne Hilfslinie“ innerhalb desselben.512 Angeführt wird in diesem Zusammenhang stets die Beschreibung der „Inauguration“ des Numa bei Livius, die sich vermutlich stehende Mord Caracallas an Geta in Rom sowie dessen eigene Ermordung während eines Parther-Feldzuges gemeint. Man mag nun zwar die Angabe ἔξω τοῦ πωμηρίου für den Tod des zweiten Wolfes als Anspielung auf Caracallas Tod außerhalb von Rom deuten. Von einer speziell mit dem Pomerium zusammenhängenden grundsätzlichen Andersbehandlung des Vorzeichens kann jedoch keine Rede sein. Das Eindringen von wilden Tieren, v. a. von Wölfen, durch die Stadttore und ins Stadtzentrum, besonders auf das Capitol, wurde ohne Zweifel von jeher als unheilvoll gedeutet, wie zahlreiche ältere Berichte über vergleichbare Vorfälle zeigen, z. B. Liv. 32,29,2: […] Formiis duo lupi oppidum ingressi obvios aliquot laniaverant, Romae non in urbem solum, sed in Capitolium penetraverat lupus („[…] in Formiae waren zwei Wölfe in die Stadt gekommen und hatten einige, die ihnen begegneten, zerrissen, und in Rom war ein Wolf nicht nur bis in die Stadt, sondern sogar bis aufs Kapitol vorgedrungen.“ Übers. H. J. Hillen); 33,26,9: […] lupus Esquilina porta ingressus, frequentissima parte urbis cum in forum decurrisset, Tusco vico atque inde Cermalo per portam Capenam prope intactus evaserat („Ein Wolf war durch die Porta Esquilina eingedrungen, durch die am dichtesten besiedelten Teile der Stadt auf das Forum gelaufen und durch das Tuscerquartier und dann über den Cermalus durch die Porta Capena fast unversehrt entkommen.“ Übers. H. J. Hillen). Vgl. zu diesem und ähnlichen Fällen Rosenberger 1998, bs. 122 f. Zahlreiche ähnliche Begebenheiten finden sich aufgelistet bei Engels 2007 (RVW). Allein für Wölfe finden sich dort die folgenden Eintragungen: RVW 45, 81, 99, 127, 145, 147, 175, 197, 249, 260, 263, 312, 317, 323, 335, 351, 352, 361, 374, jeweils mit den Belegen. Das Pomerium wird in diesem Kontext in den Quellen allerdings niemals erwähnt, während von Stadttoren und / oder von Zentralorten wie dem Capitol häufig die Rede ist (dies betont zurecht auch Querol 2019, 42); auch von Wölfen in Militärlagern (z. B. RVW 351) und anderen Städten als Rom (z. B. RVW 127, 145, s. o.) wird als unheilvolles Vorzeichen berichtet. 511 Z. B. Guilhembet 2006, 85; Ziółkowski 1993, 215; Linderski 1986, 2279; Magdelain 1969, 261 f.; Magdelain 1968, 51–57; Regell 1881, 613 f. Ausdrücklich dagegen aber z. B. Catalano 1960, 303; Karlowa 1896, 12. 512 Rüpke 1990, 34. Valeton 1890, 246–248, hat die noch weiter entwickelte Ansicht vertreten, dass das Pomerium das Beobachtungsfeld in einen oberen und einen unteren Teil unterteilt habe, welche jeweils zur Beobachtung unterschiedlicher Vögel gedient hätten.
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an der „Inauguration“ von Priestern in späterer Zeit orientiert.513 Hier spricht Livius davon, der Augur habe vom Arx-Hügel aus seinen Beobachtungpunkt in Richtung auf urbs und ager eingenommen: prospectu in urbem agrumque capto. Diese Konstruktion wurde von einigen Gelehrten auf das Pomerium bezogen, welches das Beobachtungsfeld begrenzt bzw. in templum (die urbs) und tescum (den ager) eingeteilt habe. Doch offensichtlich wird das Pomerium hier nicht erwähnt, und selbst wenn man annehmen wollte, dass die Unterscheidung von urbs und ager das Pomerium impliziere, lässt sich daraus noch keinerlei funktionale Bedeutung für die Auspikation entnehmen. Hinzu kommt, dass Varro eine Spruchformel überliefert, mit der die Auguren – offenbar in wiederkehrenden Abständen – auf der Arx Beobachtungsfelder am Himmel eingerichtet hätten. Auch diese Formel enthält keinerlei Bezug zum Pomerium oder zum Stadtgebiet; die Rede ist vielmehr von Bäumen als sichtbaren Grenzmarkierungen des Beobachtungsfeldes.514 Die Be deutung von Sichtachsen in diesem Zusammenhang zeigen ferner auch die Nachrichten über den Gebäudekomplex eines Centumalus auf dem Caelius, dessen Höhe die Beobachtungen der Auguren auf der Arx behinderte und dessen oberer Teil daher auf Befehl der Auguren niedergerissen werden musste.515 Auch 513
Liv. 1,18,7–10: Augur ad laevam eius capite velato sedem cepit dextra manu baculum sine nodo aduncum tenens, quem lituum appellarunt. Inde ubi prospectu in urbem agrumque capto deos precatus regiones ab Oriente ad occasum determinavit, dextras ad meridiem partes, laevas ad septentrionem esse dixit; signum contra, quoad longissime conspectum oculi ferebant, animo finivit; tum lituo in laevam manum translato dextra in caput Numae imposita precatus ita est: „Iuppiter pater, si est fas hunc Numam Pompilium, cuius ego caput teneo, regem Romae esse, uti tu signa nobis certa adclarassis inter eos fines, quos feci.“ Tum peregit verbis auspicia, quae mitti vellet. Quibus missis declaratus rex Numa de templo descendit („Der Augur ließ sich zu seiner Linken nieder, das Haupt verhüllt und in der Rechten einen oben gekrümmten Stab ohne Knoten, den man als lituus bezeichnete. Dann blickte er auf die Stadt und das Land, betete zu den Göttern und grenzte durch eine Linie von Ost nach West die Himmelsgegenden ab; das Gebiet im Süden bezeichnete er als rechts, das im Norden als links und merkte sich gegenüber ganz weit am Horizont einen Punkt. Dann nahm er den Krummstab in die linke Hand, legte die Rechte auf Numas Haupt und betete so: ‚Vater Jupiter, wenn es den Göttern recht ist, dass dieser Numa Pompilius, auf dessen Haupt ich meine Hand gelegt habe, in Rom König sei, dann offenbare du uns untrügliche Zeichen in den Grenzen, die ich festgelegt habe.‘ Dann formulierte er, welche Zeichen erscheinen sollten. Als sie erschienen, wurde Numa zum König erklärt und stieg von dem Beobachtungsplatz herab.“ Übers. H. J. Hillen). 514 Varr. ling. 7,7,8 f. Genau diesen Aspekt der archaischen Formel betont Varro sogar noch mit den klärenden Worten in hoc templo faciundo arbores constitui fines apparet. Ob damit stets wirkliche Bäume gemeint waren, oder ob, wie Linderski 1986, 2279, meint, diese Bezeichnung auch auf andere Objekte übertragen werden konnte, kann dahingestellt bleiben. Um das Pomerium scheint es jedenfalls hier nicht zu gehen. 515 Cic. off. 3,66: quorum altitudo officeret auspiciis, Val. Max. 8,2,1: quia his ex arce augurium capientibus officiebat.
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hier mag es um die Sichtbarkeit von solchen Grenzpunkten des Beobachtungsfeldes gegangen sein, die aber in keinerlei erkennbarem Zusammenhang mit dem Pomerium stehen.516 Die gewichtigste Grundlage der Ansicht, das Pomerium habe eine Funktion für die Beobachtungen der Auguren auf der Arx besessen, scheinen mir indes einige Stellen auf den Iguvinischen Tafeln zu sein, jenen wohl im 2. und 1. Jh. v. Chr. in umbrischer Sprache abgefassten, bronzenen Inschriftentafeln aus Iguvium (Gubbio). Diese Tafeln enthalten umfangreiche Vorschriften zu religiösen Praktiken in Iguvium, darunter zur divinatorischen Vogelschau von einem offenbar mit der römischen Arx vergleichbaren Beobachtungsplatz am Stadtrand. In diesem Zusammenhang werden gewisse fines urbici (so die übliche lateinische Wiedergabe für den Ausdruck tuderor totcor) in ihrem Verlauf genau beschrieben, da sie für die Vogelschau von praktischer Bedeutung sind: Auf der unteren Seite müssen andere Vögel erblickt werden als auf der oberen.517 Die Vertreter einer praktischen Funktion des römischen Pomerium für die Auspikation auf der Arx gehen nun davon aus, dass dieses – als augurale Stadtgrenze – diese oder eine ähnliche Funktion erfüllt habe. Doch sind auch schon gut begründete Zweifel an dieser Übertragung geäußert worden.518 Schließlich ging es auch bei der auf den Iguvinischen Tafeln beschriebenen Grenze offenbar um eine vom Beobachtungspunkt aus sichtbare Begrenzung eines Bereichs in der Luft, ähnlich wie in den Zeugnissen zur Auspikation auf der Arx. Dem entsprechend wurde die Sichtgrenze auf den Tafeln offenbar durch die gedachte Linie zwischen diversen für den Beobachter sichtbaren Landschaftsmerkmalen und sogar Gebäuden gebildet; während dies für das römische Pomerium, das mit Grenzsteinen von überschaubarer Größe markiert wurde, offensichtlich nicht galt. Dieses, sei es Grenze oder Fläche, erscheint in allen Zeugnissen als eine am Boden verlaufende Grenze, deren genauer Verlauf kaum von einen Punkt aus vollständig hätte überblickt werden können und der sich auch nicht an natürlichen Landmarken orientierte – ganz zu schweigen von Gebäuden. Zwar ist sicher nicht auszuschließen, dass auch in Rom eine Unterscheidung von Stadt und Umland, von urbs und ager, wie Livius schreibt, eine visuelle Bedeutung für die Beobachtungsfelder der Auguren besessen hat. Nimmt man aber alle 516
Vgl. etwa Ziółkowski 1993, 214 f., der allerdings daran festhält, die Grenzlinie müsse mit dem Pomerium identisch sein, weil dies aus der oben zitierten Livius-Stelle (in urbem agrumque) hervorgehe. 517 Tabulae Iguvinae VI A, 10–16, vgl. z. B. Devoto 1940, 162–168, und Poultney 1959, 234–238, mit dessen engl. Übersetzung: „Then within the city boundaries he shall make observation in either direction. The city boundaries are: [Beschreibung des Grenzverlaufs anhand von natürlichen Landschaftsmerkmalen und Gebäuden]. Below these limits which are described above, watch for a parra in the west, a crow in the west. Above these limits watch for a woodpecker in the east, a magpie in the east.“ 518 Z. B. Devoto 1940, 162.
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erhaltenen antiken Aussagen zum Pomerium sowie zur Vogelschau der römischen Auguren zusammen, muss man den Eindruck gewinnen, dass eine solche divinationspraktische Grenzfunktion, wie sie die in den Iguvinischen Tafeln beschriebene Grenze offenbar besaß, zumindest den Autoren unserer literarischen Quellen zum Pomerium in keiner Weise geläufig gewesen zu sein scheint.
3.4.3 pomerium transgredi – Zum Zusammenhang von Grenzübertritt und Auspizien Die Suche nach auspicia urbana als an das Pomerium gebundenen Auspizien hat in der bisher diskutierten Weise insgesamt nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt. Zwar ist es unmöglich auszuschließen, dass bestimmte Auspizien nur innerhalb des Pomerium möglich waren bzw. Geltung besaßen. Es hat sich jedoch als ebenso unmöglich erwiesen, für derartige Bindungen eindeutige Beispiele in den Quellen zu finden. Vielversprechender scheint es daher zu sein, sich der auguralen Funktion des Pomerium nicht zuerst darüber anzunähern, welche Bereiche es als Grenze von einander trennte, sondern vielmehr darüber, welche auguralen Bedeutungen und ggf. welche Regeln mit dem Grenzübertritt über das Pomerium verbunden wurden. Auch hierzu gibt es gewisse in der Forschung verbreitete Ansichten, die vielfach um den potentiellen oder tatsächlichen Geltungsverlust von Auspizien kreisen, der mit dem Grenzübertritt – besonders dem von außen nach innen – einhergehen soll. Für die Junktur finis urbani auspicii, welche Gellius aus gewissen libri de auspiciis zitiert, wäre demnach neben der Übersetzung „Grenze“ auch „Ende“ sinnvoll, was in Verbindung mit dem dort ebenfalls zu lesenden finem facit auch durchaus naheliegt. Außerdem wird immer wieder die Auffassung vertreten, der Grenzübertritt an sich – besonders der von innen nach außen – habe eine Auspikation erfordert, um in korrekter Weise vollzogen werden zu können. Inwiefern diese Auffassungen sich auf antike Zeugnisse stützen können, soll nun in einem zweiten Schritt untersucht werden. Es wird sich dabei zeigen, dass beide zwar immerhin in Teilaspekten durch Quellenaussagen gestützt werden, jedoch keine von beiden in der beschriebenen Allgemeinheit aufrechterhalten werden kann. Beginnen wir zunächst bei der Annahme, ein Übertritt über das Pomerium habe automatisch dazu geführt, dass zuvor eingeholte Auspizien „verloren“ wurden. Die Frage nach eigenen Auspizien zum Grenzübertritt an sich, die damit teilweise verwoben ist, wird im weiteren Verlauf an passender Stelle in die Diskussion integriert werden. Die wohl am weitesten gehende Zuschreibung einer auguralen Funktion an das Pomerium hat Blumenthal im RE-Artikel zum Pomerium wie folgt formuliert: Innerhalb wie außerhalb der Stadt einholte Auspizien „verlieren wechselseitig bei
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Überschreitung des p. durch den Einholenden ihre Gültigkeit.“519 Dazu ist zunächst festzustellen, dass für innerhalb des Stadtgebiets angestellte Auspizien, die durch das bloße Verlassen der Stadt ungültig geworden wären, schlicht gar keine auch nur diskussionswürdigen Belegstellen existieren, abgesehen natürlich von den erwähnten Stellen zum finis urbani auspicii, aus denen ein endgültiger Geltungsverlust beim Grenzübertritt aber nicht hervorgeht. Auch diejenigen Auspizien, um die es in der Gracchus-Episode geht, sind, wie wir noch genauer sehen werden, außerhalb des Pomerium zu lokalisieren. Auch können die bereits besprochenen „Auszugsauspizien“, sofern es diese überhaupt gab und sie innerhalb des Pomerium verortet werden, wie gesagt, nur unter der Voraussetzung mit dieser Vorstellung verbunden werden, dass sie allein auf den Akt der Kommandoübernahme, oder aber auf das Verlassen der Stadt als solches bezogen wurden, nicht aber auf den folgenden Feldzug oder andere extrapomeriale Handlungen (z. B. Centuriatscomitien). Auch dies scheint aber wenig naheliegend. Jedenfalls liefern die hypothetischen „Auszugsauspizien“ gerade keine Hinweise darauf, dass der Grenzübertritt über das Pomerium nach außen bestehende Auspizien gleichsam gelöscht hätte. Das entsprechende Verständnis der Funktion des Pomerium, wie es in der Forschung häufig vertreten wird, beruht also fast ausschließlich auf Aussagen, die als Belege für die umgekehrte Situation, nämlich das „Ungültigwerden“ von Auspizien bei Betreten der Stadt hin gedeutet werden. In der Regel wird der Sachverhalt dementsprechend auch nur im Hinblick auf dieses Eintreten in das Stadtgebiet diskutiert. Es kann nicht überraschen, dass es auch zu dieser Regel keine erhaltenen expliziten Formulierungen aus der antiken Literatur gibt; die Diskussion basiert daher auch hier ausschließlich auf Stellen, die konkrete Fälle betreffen, die, wie man meint, durch die Regel bestimmt worden seien und aus denen daher auf die zugrundeliegende Regel geschlossen werden könne. Diese Fälle betreffen im Wesentlichen zwei Situationen: Dies ist erstens die Rückkehr kommandierender Magistrate von einer militärischen Unternehmung, die bereits im vorangegangenen Unterkapitel im Hinblick auf den Aspekt des imperium betrachtet wurden: Deren „Kriegsauspizien“, so eine verbreitete Position, „gehen“ mit der Rückkehr über das Pomerium „unter“. Hier wird dann meist auch der Grund dafür gesehen, dass selbst amtierende Magistrate vor ihrem (potentiellen) Triumph offenbar regelmäßig außerhalb des Pomerium verblieben, um die „Continuität derselben Kriegsauspizien“, die mit ihren Erfolgen verbunden waren, nicht zu durchbrechen.520 Die zweite Situation ist jene eines Magistrats, der 519
Blumenthal 1952, 1871. Auch Vervaet 2014, 348, spricht davon, dass Magistrate beim Verlassen der Stadt die auspicia urbana am Pomerium ablegten („the moment they laid down their auspicia urbana“). 520 Mommsen 1887/88, I, 99 Anm. 5 und 127 f. Anm. 2. Vgl. auch Vervaet 2014, 82–90; Bastien 2007, 202; R adke 1980, 28 f.; Laqueur 1909, 226; Karlowa 1896, 15. Dagegen Versnel 1970, 190 f.
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außerhalb des Pomerium Auspizien für die Centuriatscomitien einholte und dann in die Stadt zurückkehrte, also jene Situation, über die wir – ausschließlich – durch die erwähnten Zeugnisse zu Tiberius Gracchus dem Älteren informiert werden. Auch hier wird vielfach ein Beleg für die Eigenschaft des Pomerium gesehen, außerhalb gültige Auspizien beim Übertritt zu beenden oder zu annullieren. Die Zeugnisse für beide Situationen sollen somit im Folgenden daraufhin untersucht werden, inwiefern sie geeignet sind, diese Annahmen zu bestätigen. a) Noch einmal: Grenzübertritt zurückkehrender Feldherrn Cicero über Verres Die allermeisten Stellen, welche sich auf den Wiedereintritt von zurückkehrenden Kommandoträgern nach Rom beziehen, nehmen keinen expliziten Bezug auf Auspizien. Wie im vorangegangenen Unterkapitel gezeigt, ist bei Promagistraten recht eindeutig von ihrem imperium die Rede, während die relativ wenigen Zeugnisse zu regulären Magistraten in dieser Hinsicht vage bleiben. Nur an zwei Stellen, die in diesen Kontext gehören und ebenfalls bereits im Unterkapitel zum domi-militiaeGegensatz kurz erwähnt wurden, ist überhaupt von den Auspizien die Rede, die mit dem militärischen Kommando dieser Heerführer verbunden waren. Keine davon erwähnt aber den Begriff Pomerium oder auspicia urbana ausdrücklich. Und auch unabhängig davon erweisen sie sich im Hinblick auf unsere Fragestellung als wenig aussagekräftig, wie sogleich deutlich werden wird. Das eine hier zu betrachtende Zeugnis ist die Stelle aus Ciceros zweiter Rede gegen Verres, welche dessen heimliche Besuche in der Stadt betrifft, die er angeblich noch nach dem formalen Antritt seines Kommandos als Statthalter unternahm. Cicero bezeichnet diese u. a. als contra auspicia.521 Dies könnte man als Hinweis darauf verstehen, dass Verres das Pomerium von außen nach innen überquert hatte und dass damit die sein Kommando begründenden Auspizien „verfallen“ waren.522 521
Cic. Verr. 2,5,34: alterum quod, cum paludatus exisset votaque pro imperio suo communique re publica nuncupasset, noctu stupri causa lectica in urbem introferri solitus est ad mulierem nuptam uni, propositam omnibus, contra fas, contra auspicia, contra omnis divinas atque humanas religiones! („Und das andere: Nachdem er bereits im Feldherrnmantel hinausgezogen war und die Gelübde für sein Kommando und für das allgemeine Wohl des Staates dargebracht hatte, da pflegte er sich nachts, um der Hurerei zu frönen, mit einer Sänfte in die Stadt tragen zu lassen, zu einer Frau, die zwar mit einem verheiratet war, aber allen zur Verfügung stand – gegen das heilige Recht, gegen die Auspizien, gegen alle göttlichen und menschlichen Verpflichtungen!“ Übers. M. Fuhrmann, mit wenigen Änderungen). 522 Eine Unstimmigkeit ergibt sich dadurch, dass Cicero – wie oben zitiert – von den Promagistraten seiner Zeit behauptet, sie „besäßen“ gar keine Auspizien, an anderer Stelle (nat. 2,9), dass sie diese bei Beginn des Krieges abgelegt hätten. Dies bezieht sich aber
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Weiter verfolgt und expliziert wird der Vorwurf von Cicero jedoch nicht, und auch die Begriffe Pomerium oder auspicia urbana werden nicht erwähnt. Wollte man diese Stelle auf das Pomerium und die auspicia urbana bzw. extraurbana beziehen, müsste man voraussetzen, dass diese Unterscheidung den Hintergrund für die Regel bildete, dass Promagistrate ihr Kommando bei Betreten der Stadt niederlegten.523 Wie aber die bisherige Untersuchung bereits gezeigt hat, ist dies alles andere als sicher: Die Begrenzung des promagistratischen Kommandos wird in unseren Quellen erst von Cassius Dio mit dem Pomerium verbunden. Gerade bei diesem Autor ist aber offensichtlich keine auguralrechtliche Bedeutung des Pomerium mehr erkennbar. Bei den früheren Autoren wiederum fehlen explizite Verbindungen zwischen den räumlichen Regeln und Praktiken des militärischen Kommandos einerseits und der auguralen Raumordung andererseits völlig. Auch das Pomerium taucht dort nicht in diesem Zusammenhang auf, sieht man einmal von der ausführlich diskutierten Gellius-Stelle zum imperare exercitum bei der Einberufung der Centuriatscomitien ab. Außerdem trifft auch auf diesen Zusammenhang das gleiche zu, was schon zu der Vorstellung einer Art Kriegstabu im Stadtraum zu sagen war: Die Art und Weise, wie Ausnahmen von diesen Regeln gewährt oder Regeländerungen vorgenommen wurden, nämlich durch formal recht simple politische Entscheidungen, spricht kaum für sakrale Hintergründe dieser Regeln: Nach Livius genügte, wie das Beispiel des Fulvius Flaccus gezeigt hat, ein einfacher Senatsbeschluss, um einen Promagistraten vor dem Verlust seines Kommandos bei Eintritt in die Stadt zu bewahren; heimkehrenden Promagistraten konnte, politischen Willen vorausgesetzt, relativ unkompliziert ein imperium für den Tag des Triumphes gewährt werden, um ebendiesen zu ermöglichen.524 Hinzu kommen schließlich die Ausführungen, die Cicero selbst an der besprochenen Stelle über die fehlenden Auspizien der Promagistrate seiner Zeit macht.525 Zumindest für Cicero, der auch an anderer Stelle explizit betont, dass die Promagistrate seiner Zeit erst dann in den Krieg zogen, wenn sie das Recht auf Auspizien (und das reguläre Amt) niederlegt hatten526, kann die Begrenzung dieses Kommandos bis zur Rückkehr in die Stadt, die er mehrfach sehr klar thematisiert, kaum ursächlich durch eben diese Auspizien bedingt gewesen sein.
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vielleicht noch nicht auf die Auspizien vor Antritt des Kommandos, jedenfalls dann nicht, wenn die betreffenden Personen – wie Verres – zu diesem Zeitpunkt noch reguläre Ämter innehatten. Cicero spricht an den genannten Stellen explizit auch nur von den während der eigentlichen Kriegführung einzuholenden Auspizien (wie peremnia, und ex acuminibus), etwa vor Schlachten oder Flussübergängen, zu deren Einholung nach seiner Auffassung offenbar nur regulär amtierende Magistrate in der Lage waren. Ähnlich z. B. Berthelet 2015, 123 Anm. 111. Liv. 26,10,1. Vgl. Kap. 3.3.2 d). Cic. div. 2,76. Cic. nat. 2,9: tum enim bella gerere nostri duces incipiunt, cum auspicia posuerunt.
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Vor diesem Hintergrund ist nun auch die Aussage zu Verres zu lesen: Zwar muss man davon ausgehen, dass die Regel über die Rückkehr eines Promagistrats in die Stadt den Hintergrund des Vorwurfs bildet.527 Wenn diese aber nicht durch das „Erlöschen“ von Auspizien am Pomerium bedingt war, wie ist dann der Ausdruck contra auspicia zu verstehen? Gerade Cicero verwendet diesen zwar auch sonst immer wieder, doch an keiner überlieferten Stelle bezeichnet er so etwas wie das „Ungültigwerden“ von Auspizien. Er bezieht sich vielmehr stets auf Handlungen, die zwar korrekter und positiver Auspizien bedurft hätten, bei denen diese aber fehlten (so z. B. auch die Consulwahl, die durch den Fehler des Gracchus ungültig geworden war).528 Als contra auspicia wird dabei in allen Fällen also nicht derjenige Vorgang bezeichnet, der selbst den Fehler bzgl. der Auspizien konstituiert (also z. B. ein Überschreiten des Pomerium), sondern jener, der in dessen Folge „gegen die Auspizien“ vollzogen wird, etwa die Verabschiedung von Gesetzen oder die Wahl von Consuln. Von diesen Parallelstellen ausgehend, ist die plausibelste Deutung also nicht, dass durch Verres’ Eintritte in die Stadt Auspizien vorzeitig „ungültig wurden“, sondern vielmehr, dass Verres in irgendeiner Weise ohne die Legitimation durch Auspizien handelte. Damit wiederum kann nur die Fortsetzung seines Kommandos gemeint sein, welches eigentlich bereits beim ersten Wiedereintritt in die Stadt erlosch und wieder neu hätte aufgenommen werden müssen, was vermutlich neue Auspizien erfordert hätte. Das faktisch aber einfach weitergeführte Kommando des Verres war wohl in diesem Sinne contra auspicia.
Tacitus über Drusus Ein zweites Zeugnis, das hier zu behandeln ist, sind die Aussagen des Tacitus über den aufgeschobenen „kleinen Triumph“ – die Ovatio – des jüngeren Drusus. Dabei scheint es mir um einen ganz ähnlichen Sachverhalt zu gehen. Drusus, so berichtet Tacitus, habe, als er nach einem Feldzug nach Rom zurückgekehrt sei, jegliche Feierlichkeit zunächst aufgeschoben und das Stadtgebiet ohne besondere Form betreten. Erst später sei er noch einmal zur „Wiederholung der Auspizien“ (urbe egressus repetendis auspiciis) ausgezogen, um dann mit einer Ovatio in die Stadt einziehen zu können.529 Auch hierzu ist häufig die Deutung zu lesen, dass 527 Vgl.
Drogula 2015, 111, und Rüpke 1990, 32 Anm. 31. contra auspicia bei Cicero: dom. 40; harus. 48; prov. cons. 46; phil. 3,9; 5,8 und 10; 6,3; 12,12; 13,5; Vat. 5,7; Cat. mai. 11; div. 2,71; Att. 8,3,3; Quint. 2,2,1; ebenso auch Liv. per. 19,23; 22,26. Vgl. auch Linderski 1986, 2166 f. 529 Tac. ann. 3,11; 3,19: Atque interim Drusus rediens Illyrico, quamquam patres censuissent ob receptum Maroboduum et res priore aestate gestas ut ovans iniret, prolato honore urbem intravit. […] At Drusus, urbe egressus repetendis auspiciis, mox ovans introiit („Inzwischen war Drusus aus Illyricum zurückgekehrt, und obwohl die Väter beschlossen hatten, er solle wegen der Unterwerfung des Maroboduus und der im vorangegangenen Sommer 528
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die ursprünglichen Auspizien des Drusus mit dem Eintritt in die Stadt ihre Gültigkeit verloren hatten, welche eigentlich eine notwendige Voraussetzung für einen Triumph oder eine Ovatio dargestellt hätten – daher die angesprochene Praxis, bis zum Triumph außerhalb des Pomerium zu bleiben. Unklar bleibt dann freilich, warum Drusus offenbar im Gegensatz zu Befehlshabern früherer Zeiten die Möglichkeit hatte, die zuvor erloschenen Auspizien zu erneuern, um dann die Ovatio vollziehen zu können.530 Genau wie im Fall von Verres ist die Bewertung der Stelle also entscheidend dadurch bedingt, ob man den bei Promagistraten unstreitigen automatischen Verlust der Befehlsgewalt bei Eintritt in die Stadt auf die augurale Raumordnung zurückführt. Auf wesentlich plausiblere Art ist die Stelle m. E. ohne diese Voraussetzung zu erklären: Drusus hatte das promagistratische imperium, mit dem er seine militärischen Erfolge erzielt hatte, zunächst abgegeben, als er die Stadt betrat. So entsprach es der vielfach bezeugten Regel. Im Gegensatz zu Promagistraten früherer Generationen konnte sich Drusus aber sicher sein, ohne größere Schwierigkeiten ein formal neues Kommando für einen Triumph bzw. eine Ovatio zugesprochen zu bekommen; die Möglichkeit, den Triumph zu verschieben und zwischenzeitlich die Stadt zu betreten, hatte wie erwähnt noch für Caesar und Cicero offensichtlich nicht zur Verfügung gestanden. Wenn Tacitus nun schreibt, Drusus sei „aus der Stadt hinausgezogen, um die Auspizien zu erneuern“, ist vermutlich nichts anderes gemeint, als eine – von Auspizien begleitete – Aufnahme eines neuen imperium für den Tag der Ovatio. Solche Sonderverleihungen von imperium beschreibt bereits Livius im Hinblick auf Triumphe von Promagistraten.531 Auch dieser Stelle kann darum kein großes Gewicht hinsichtlich der spezifisch auguralen Bedeutung des Pomerium zukommen, das – wie gesagt – auch hier nicht genannt wird. Zumindest in diesem Zusammenhang, also der Rückkehr von Feldherrn, sind somit für eine Rolle des Pomerium als Endpunkt der Geltung von Auspizien keine hinreichenden Belege zu finden. b) Auspizierende Magistrate vor den Comitien: Die Gracchus-Episode Die Ergebnisse der bisherigen Betrachtung der Zeugnisse zu den zurückkehrenden Feldherrn genügen selbstverständlich noch nicht für den Schluss, dass die Vorstellung, der Grenzübertritt über das Pomerium könne Auspizien hinfällig machen, der antiken Diskussion ganz grundsätzlich fremd gewesen wäre. geleisteten Taten im kleinen Triumph einziehen, schob er diese Ehrung auf und kam so in die Stadt. […] Drusus jedoch verließ die Stadt, um die Auspizien wiederholen, und zog dann im kleinen Triumph ein.“). 530 Dies räumt Mommsen 1887/88, I, 127 Anm. 2, auch durchaus ein. 531 Liv. 24,9,1–3: ut M. Marcello, quo die urbem ovans iniret, imperium esset; 45,35: ut iis, quo die urbem triumphantes inveherentur, imperium esset, vgl. Kap. 3.3.2 d).
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Hier kommen nun die erwähnten Zeugnisse zu Ti. Gracchus dem Älteren und seinem Formfehler bei den Auspizien zu den Centuriatscomitien ins Spiel. Wie nun die Analyse zumindest einer der Versionen der erwähnten Gracchus-Episode zeigen wird, hat es offenbar im Prinzip diese Vorstellung durchaus gegeben, wenn auch nicht in der bisher diskutierten Allgemeinheit, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen und in einem spezifischen Kontext. Und auch als solche kann sie nur als eine Meinung unter anderen gelten, da die Untersuchung ebenfalls zeigen wird, dass sie sich schon in den Darstellungen anderer Autoren zum selben Sachverhalt nicht mehr wiederfindet. Dafür ist diese andere Gruppe von Zeugnissen allerdings, wie deutlich werden wird, für die Frage nach eigenen Auspizien zum Grenzübertritt über das Pomerium von entscheidender Bedeutung. Überhaupt können diese Stellen als die einzigen in der erhaltenen antiken Literatur gelten, in denen sich tatsächlich etwas konkretere Vorstellungen von der auguralen Funktion des Pomerium greifen lassen. Dabei kann es selbstverständlich nicht darum gehen, die Frage nach dem ursprünglichen oder tatsächlichen Fehler des Gracchus, sofern die Überlieferungen einen historischen Kern besitzen, zu beantworten, was sicher illusorisch ist. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass ursprünglich weniger das Pomerium als die Petronia amnis, ein auf dem Marsfeld fließender Bach, als die hier entscheidende Grenze angesehen wurde, wie auch in der Forschung schon gelegentlich angenommen wurde532: Nach dem Zeugnis des Festus nämlich waren, wenn ein Magistrat sich für bestimmte Handlungen auf das Marsfeld begeben wolle, bei Überschreiten des durch das Marsfeld fließenden Baches Petronia – wie auch bei anderen Flüssen – besondere Auspizien notwendig, sogenannte auspicia peremnia. Bemerkenswert ist, dass Festus in diesem Kontext ausdrücklich auf eine Situation von Magistraten verweist, die exakt zu jener des Gracchus passt: cum in campo quid agere volunt.533 Solche „Auspizien bei Überschreiten eines Flusses“ werden auch bei Cicero, jedoch in anderem Zusammenhang erwähnt.534 Auch wenn dadurch umso klarer wird, 532
Z. B. Berthelet 2015, 195–200; Rüpke 1990, 32 f.; Domaszewski 1977, 218–220; Valeton 1890, 209–211; Mommsen 1887/88, I, 103 f. Anm. 4; Regell 1881, 625. 533 Fest. 296 L: Petronia amnis est in Tiberim perfluens, quam magistratus auspicato transeunt, cum in campo quid agere volunt; quod genus auspici peremne vocatur („Die Petronia ist ein in den Tiber mündender Fluss, den Magistrate nach Einholung von Auspizien überqueren, wenn sie etwas auf dem Marsfeld betreiben wollen. Diese Art von Auspizien heißt ‚zum Flussübergang‘.“). Vgl. auch 284 L: Peremne dicitur auspicari, qui amnem, aut aquam, quae ex sacro oritur, auspicato transit („‚Zum Flussübergang’, sagt man, auspiziert der, welcher einen Fluss oder einen Wasserlauf, der aus dem Heiligen entspringt, nach Einholung von Auspizien überquert“). Zur Petronia vgl. ferner Paul. Fest. 39 L und z. B. Coarelli 1999a, mit weiterer Lit. 534 Cic. nat. 2,9. Auch Liv. 23,36,9 f. berichtet im Zusammenhang mit dem Übersetzen des Heeres über einen Fluss von einer repetitio auspiciorum. Serv. Aen. 9,24 spricht von
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dass Cicero selbst den Gracchus-Fall bewusst mit dem Pomerium und nicht mit diesem Bachlauf verband, mahnt dieses Zeugnis doch auch zur Vorsicht, wenn es darum geht, diese Verbindung für allgemeingültig zu erklären: Zwar nimmt Festus nicht auf den Fall des Gracchus Bezug. Es ist jedoch gut möglich, dass die inhaltlich naheliegende und in der modernen Forschung hergestellte Verbindung der Auspizien an der Petronia mit dem Fehler des Gracchus auch in der Antike schon formuliert wurde. Zudem ist es, obwohl die auspicia peremnia auf dem Marsfeld erst bei Festus greifbar sind, insgesamt wenig plausibel, dass sich eine derartige Vorstellung erst in der Kaiserzeit gebildet haben sollte, ganz zu schweigen von dem Umstand, dass Festus es vermutlich bereits bei seiner augusteischen Vorlage, dem Werk des Verrius Flaccus vorfand. Nichtsdestoweniger handelt es sich hier gegenüber den erhaltenen Belegen für die Verbindung der Situation des Gracchus mit dem Pomerium um eine nur hypothetische Alternativdeutung. Die uns vorliegenden Berichte über den von Gracchus begangenen Formfehler verbinden diesen, sofern sie überhaupt auf dessen Einzelheiten eingehen, ausdrücklich mit dem Pomerium oder wenigstens – im Fall von Plutarch – mit dem Stadtgebiet (ἔξω πόλεως; εἰς πόλιν).
Plutarchs Version: Geltungsverlust bei Unterbrechung des Rituals Die Version der Gracchus-Episode bei Plutarch – unter den Gracchus-Zeugnissen das gerade in der älteren Forschung am wenigstens ernstgenommene535 – ist die einzige, die ganz eindeutig die Vorstellung belegt, eine vorherige Auspikation könnte durch das bloße Betreten des Stadtgebiets hinfällig werden, sodass sie ggf. neu vorgenommen werden müsste. Warum dies für die Versionen Ciceros und Granius’ nicht in gleicher Weise gilt, werden wir im Folgenden noch sehen. Allerdings weicht auch die von Plutarch beschriebene Situation in mehreren entscheidenden Punkten von den zuvor betrachteten Zeugnissen zu den zurückkehrenden Promagistraten ab, und dies nicht einmal nur dadurch, dass Gracchus amtierender Consul war und die Auspizien nicht ein echtes militärisches Kommando, sondern die Leitung der Centuriatscomitien betrafen. Gracchus, den auch Plutarch ebenso wie Cicero als untadeligen Charakter und Beispiel für religiöse Ehrfurcht vorstellt536, der für das Eingeständnis eines eigentlich geringfügigen Fehlers zu loben sei, habe im Gebeten und Gelübden der Auguren am Ufer von Gewässern – für den Bestand zuvor gesehener Zeichen, die durch das Wasser eines Flusses abgebrochen werden könnten (aquae intercessu disrumpitur). 535 Vgl. z. B. Catalano 1960, 98 Anm. 16.; Valeton 1890, 244 Anm. 26; Nissen 1885, 179; Regell 1881, 636 f. Dagegen meint Vaahtera 2001, 149–151, wohl mit Recht, dass Plutarch sich einfach auf andere, aber nicht notwendiger Weise weniger „kundige“ Quellen gestützt haben dürfte als Cicero. 536 Plut. Marc. 5,1–3.
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Nachhinein in gewissen „priesterlichen Aufzeichnungen“ (ἱερατικοῖς ὑπομνήμασιν) folgende Regel gefunden, die er aus entschuldbarer Unkenntnis nicht beachtet hatte: ὅταν ἄρχων ἐπ᾽ ὄρνισι καθεζόμενος ἔξω πόλεως οἶκον ἢ σκηνὴν μεμισθωμένην ὑπ᾽ αἰτίας τινὸς ἀναγκασθῇ μήπω γεγονότων σημείων βεβαίων ἐπανελθεῖν εἰς πόλιν, ἀφεῖναι χρῆν τὸ προμεμισθωμένον οἴκημα καὶ λαβεῖν ἕτερον, ἐξ οὗ ποιήσεται τὴν θέαν αὖθις ἐξ ὑπαρχῆς, τοῦτο ἔλαθεν, ὡς ἔοικε, τὸν Τιβέριον, καὶ δὶς τῷ αὐτῷ χρησάμενος ἀπέδειξε τοὺς εἰρημένους ἄνδρας ὑπάτους.537 Plutarch sieht das Problem also einerseits darin, dass Gracchus das für die Auspikation bezogene Beobachtungshaus oder -zelt (οἶκον ἢ σκηνὴν) habe unbrauchbar werden lassen, da er die Stadt betreten habe, bevor sichere Zeichen aufgetreten waren (μήπω γεγονότων σημείων βεβαίων); er habe die Auspikation also unterbrochen, bevor sie abgeschlossen war. Andererseits habe er nach seiner Rückkehr aus der Stadt dasselbe, nun unbrauchbare tabernaculum – um den auguraltechnischen Terminus aufzugreifen – erneut bezogen. Er hätte stattdessen ein neues tabernaculum beziehen und die Beobachtung neu beginnen müssen. Eine vergleichbare Regel zu diesen tabernacula überliefert auch der Servius auctus, allerdings ohne direkten Bezug zu Gracchus’ Fall oder zum Pomerium.538 Als Beleg für die Vorstellung, dass jedes Überschreiten des Pomerium zum Erlöschen regulär eingeholter Auspizien führe, z. B. bei zurückkehrenden Feldherrn, kann auch diese Stelle somit offensichtlich nicht gelten. Es handelt sich zwar um die einzige Stelle, in der ein Betreten der Stadt ausdrücklich als eine Unterbrechung hinsichtlich der Auspizien dargestellt wird. Allerdings geht es bei Plutarchs Beschreibung des Gracchus-Falles nicht um die Geltung zuvor regulär eingeholter Auspizien, sondern den Auspikationsvorgang selbst, der durch das 537
Plut. Marc. 5,2: „Wenn ein Magistrat zum Zweck der Vogelschau außerhalb der Stadt in einem hierfür gemieteten Hause oder Zelt saß und aus irgendeinem Anlass genötigt war, in die Stadt zurückzukehren, bevor noch entscheidende Zeichen geschehen waren, so musste er die zuerst gemietete Behausung aufgeben und eine andere mieten, um von dort aus die Vogelschau noch einmal von Anfang an vorzunehmen. Das war dem Tiberius offenbar unbekannt gewesen, und er hatte zweimal dasselbe Lokal zur Vogelschau benützt und danach die erwähnten Männer zu Konsuln ernannt.“ Übers. K. Ziegler, mit wenigen Änderungen. Zu der merkwürdigen Aussage, Gracchus habe die Behausungen „gemietet“ bzw. „mieten“ sollen, erklärt Vaahtera 2001, 150 Anm. 26, überzeugend, dass sie höchstwahrscheinlich auf ein Missverständnis eines technischen Ausdrucks wie tabernaculum capere (in Plutarchs Quelle vielleicht tabernaculum locare) zurückgeht. 538 Serv. auct. Aen. 2,178: item in constituendo tabernaculo si primum vitio captum esset, secundum eligebatur; quod si et secundum vitio captum esset, ad primum reverti mos erat („Ebenso wurde bei der Bestimmung des tabernaculum, wenn das erste regelwidrig eingenommen worden war, ein zweites ausgewählt; wenn aber auch das zweite regelwidrig eingenommen wurde, war es der Brauch zum ersten zurückzukehren.“).
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zwischenzeitliche Betreten der Stadt vorzeitig abgebrochen worden sei, und dann – zudem an anderer Stelle – von Grund auf neu hätte begonnen werden müssen. Gerade die Präzisierung, dass die Regel nur gelte, bevor sichere Zeichen aufgetreten seien, impliziert sogar, dass im Normalfall der Magistrat nach einem erfolgreichen Abschluss der Auspikation in die Stadt hätte zurückkehren können, ohne dass diese dadurch verfallen wäre. Plutarch verortet die Relevanz des Pomerium hier also allein innerhalb des rituellen Zusammenhangs der Auspikation und gerade nicht im Zusammenhang der dann anschließenden Geltung der eingeholten Zeichen. Dies wurde jedoch in der Forschung meist entweder ignoriert oder mit Verweis auf die vermutete Unkenntnis Plutarchs zugunsten der Auffassung Ciceros – oder was man dafür hielt – verworfen.539
Gracchus bei Cicero und Granius Licinianus: Eine versäumte Auspikation Man muss sich nun fragen, ob auch in den nicht so unmittelbar verständlichen Darstellungen Ciceros und des Granius Licinianus ein Beleg für das „Erlöschen“ von Auspizien bei Übertritt über das Pomerium in die Stadt hinein zu erkennen ist, und zwar womöglich ohne den bei Plutarch formulierten Umstand, dass die Auspikation noch nicht erfolgreich abgeschlossen war. Damit eng zusammen hängt ferner die weitere Frage, ob jeder Übertritt über das Pomerium nach außen durch Auspizien hätte vorbereitet bzw. begleitet werden müssen. Die verschiedenen denkbaren Deutungen dieser Zeugnisse sollen daher gemeinsam diskutiert werden, und es erscheint sinnvoll, sie zunächst vollständig zu zitieren: Post autem e provincia litteras ad collegium misit, se cum legeret libros recordatum esse vitio sibi tabernaculum captum fuisse hortos Scipionis, quod, cum pomerium postea intrasset habendi senatus causa, in redeundo cum idem pomerium transiret auspicari esset oblitus; itaque vitio creatos consules esse.540 Qui cum tabernaculum vitio cepisset inprudens, quod inauspicato pomerium transgressus esset, comitia consulibus rogandis habuit.541 539
Vgl. Anm. 535. nat. 2,11: „Später jedoch sandte er [Gracchus] aus der Provinz dem Augurenkollegium einen Bericht, er habe sich, nachdem er Bücher gelesen habe, daran erinnert, dass er die Gärten Scipios in fehlerhafter Weise für sich als Standort für das Beobachtungszelt ausgewählt habe, und zwar dadurch, dass er, nachdem er später einer Senatssitzung wegen über das Pomerium die Stadt betreten habe, bei der Rückkehr, als er das Pomerium abermals überschritt, vergessen habe zu auspizieren; deshalb seien die Consuln regelwidrig gewählt worden.“ 541 Cic. div. 1,33: „Er [Gracchus] führte, nachdem er unversehens die Vogelschau fehlerhaft angestellt hatte, die Versammlung zur Wahl der Consuln durch, hatte er doch das Pomerium überschritten, ohne auspiziert zu haben.“ 540 Cic.
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[Qui cum augurales libros] legeret, [coll]egio se ese doctum scripsit [se ex]tra pomerium auspi[ca]ri debuisse, cum a[d ha]bend[a in campo] comitia contende[re]t, quoniam [po]merium finis ess[et ur]banorum auspici[orum]. se vero in villa S[cipio]nis tabernaculu[m] posuisse, t quom i[ngrederet]ur pomerium –542 Während diese Darstellungen des Sachverhalts bei Cicero schon nicht leicht zu deuten sind, ist der Text des Granius Licinianus überhaupt nur teilweise zu rekonstruieren. Wie gleich zu erläutern sein wird, ist er an einer entscheidenden Stelle vermutlich auch anders zu ergänzen, als die gängige, oben zitierte Edition von Criniti vorschlägt. Gemeinsam ist beiden Autoren jedenfalls die Auffassung, dass Gracchus zunächst außerhalb des Pomerium543 die mit tabernaculum capere bzw. ponere bezeichnete Auguralhandlung vorgenommen oder begonnen habe, dann aber – nach Cicero zu einer Senatssitzung – in die Stadt zurückgekehrt sei. Bei seiner anschließenden Rückkehr auf das Marsfeld und dem damit verbundenen Überschreiten des Pomerium habe Gracchus dann ein notwendiges Auspizium versäumt. Dabei ist allerdings, auch wegen der lückenhaften Überlieferung der Passage des Granius, nicht auf den ersten Blick zu entscheiden, ob diese innerhalb oder außerhalb des Pomerium einzuholen gewesen wären. Zu diskutieren ist, mit anderen Worten, ob es sich dabei um eine Wiederholung des ersten Auspizium gehandelt hätte, wie ein Teil der Forschung meint, oder aber ein davon zu trennendes Auspizium, das den Übertritt über das Pomerium betraf, wie andere vertreten haben. Ein Teil der Forschung hat – gerade auch vor dem Hintergrund der Plutarchschen Version – dafür argumentiert, die erste Auspikation außerhalb des Pomerium sei durch den Eintritt in die Stadt ungültig geworden und hätte von Gracchus extra pomerium wiederholt werden müssen.544 Andere wiederum haben – mit Recht, wie sich zeigen wird – darauf hingewiesen, dass dies nicht gemeint sein kann, da das versäumte Auspizium zumindest von Cicero (und bei anderer Ergänzung des Textes auch Granius) innerhalb des Pomerium 542
Granius Licinianus 28,25 f.: „Dieser [Gracchus] schrieb dem Collegium [der Auguren], er sei, als er Bücher über die Auguraldisziplin gelesen habe, darüber belehrt worden, dass er außerhalb [vermutlich falsche Konjektur, richtiger ‚innerhalb‘, dazu s. u.] des Pomerium hätte auspizieren müssen, als er zur Abhaltung der Comitien auf dem Marsfeld aufgebrochen sei, weil ja das Pomerium die Grenze der städtischen Auspizien sei. Er aber habe in der Villa des Scipio das Beobachtungszelt platziert; und als er das Pomerium betreten habe […].“ Die zitierte Edition ist weiterhin Criniti 1981. 543 Die Deutung einiger Gelehrter, die erste Auguralhandlung habe innerhalb des Pomerium stattgefunden, (so z. B. Carlà 2015, 605; Favro 2008, 286; Patterson 2000, 90 f.) ist praktisch auszuschließen, v. a. da Cicero schreibt, Gracchus sei „danach in das Pomerium eingetreten“ (postea intrasset pomerium), zusätzlich verbunden mit den Bezeichnungen des Ortes als horti (Cicero) oder villa (Granius). 544 Z. B. Fiori 2014, 164–168; Liou-Gille 1993, 104 f.
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verortet wird und sich auf den Grenzübertritt nach außen bezogen haben muss.545 Dieses Auspizium wurde dann allerdings von einigen als Wiederholung eines noch früheren, in den Texten nicht erwähnten „Auszugsauspizium“ gedeutet, welches Gracchus bei seinem ersten Gang auf das Marsfeld, noch vor dem tabernaculum capere eingeholt habe, welches aber durch die Rückkehr über das Pomerium (ebenfalls) ungültig oder – durch den Verlust des zugehörigen imperium – hinfällig geworden sei.546 Dass diese weitergehende Deutung in der beschriebenen Form wiederum nicht überzeugen kann, soll im Folgenden ebenfalls begründet werden. Ganz offensichtlich ist, dass sich die Darstellung des Sachverhalts bei Cicero und Granius von jener Plutarchs in zentralen Punkten unterscheidet: Nach dessen Bericht war das erste Auspikationsritual ja durch den zwischenzeitlichen Eintritt in das intrapomeriale Gebiet unterbrochen worden, bevor sich überhaupt die notwendigen Zeichen gezeigt hatten. Für Cicero fällt diese Option jedoch aus, da er zum einen sagt, dass Auspizien vergessen worden seien (auspicari oblitus esset), zum anderen in dem gesamten Abschnitt ausführlich klar macht, dass Gracchus die Comitien in dem Bewusstsein abhielt, korrekt und vollständig auspiziert zu haben (inprudens) und auch danach noch länger an dieser Meinung festhielt. Gegenüber den etruskischen Haruspices, welche ihm den Fehler zunächst – und letztlich zurecht – angelastet hatten, sei Gracchus, so Cicero, sogar in Zorn geraten und habe ihnen vorgehalten, vom Auguralrecht keine Kenntnis besitzen zu können, die gegenüber seiner eigenen als Augur bestehen könnte.547 Dies wäre freilich kaum denkbar, wenn die Handlung ihm als unabgeschlossen vorgekommen wäre. Und auch bei Granius ist von einer vorzeitigen Unterbrechung nichts zu erkennen. Woran wird nun der Fehler des Gracchus festgemacht, wenn beide Autoren anders als Plutarch offensichtlich nicht von einem frühzeitigen Abbruch einer noch ergebnislosen Auspikation ausgingen? Konzentrieren wir uns zunächst auf die Schilderungen Ciceros. Eine Schlüsselrolle für die Bewertung spielt hier das Verständnis des Ausdrucks tabernaculum capere, wörtlich also „das Zelt (zur Vogelschau) einnehmen“. Dieser ist nur bei Cicero (an den zitierten Stellen), Livius, Valerius Maximus und im Servius auctus
545
Z. B. Linderski 1986, 2204; Nissen 1885, 179–181. Magdelain 1968, 46–48; Humm 2012, 80 f. 547 Cic. nat. 2,11: itane vero, ego non iustus, qui et consul rogavi et augur et auspicato? an vos Tusci ac barbari auspiciorum populi Romani ius tenetis et interpretes esse comitiorum potestis? („Bin ich vielleicht selbst nicht korrekt vorgegangen, der ich als Konsul und als Augur und nach Einholung der Vogelzeichen die Wahlversammlung eröffnet habe? Habt ihr Etrusker und Barbaren das Recht, über die Korrektheit der römischen Auspizien zu wachen, und könnt ihr über den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl versammlungen urteilen?“ Übers. O. Gigon, L. Straume-Zimmermann). Vgl. auch Cic. div. 2,75, siehe unten mit Anm. 558. 546 Bs.
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belegt, wobei die beiden erstgenannten ihn auch nur in Bezug auf die zu den Centuriatscomitien gehörenden Auspizien verwenden.548 Der Ausdruck vitio tabernaculum capere, den neben Cicero auch Valerius Maximus, ebenfalls in Bezug auf den Gracchus-Fall, aber ohne weitere Erklärung verwendet, erweckt daher wörtlich genommen den Eindruck, es ginge um einen Formfehler in der Wahl oder Einrichtung des Beobachtungsplatzes.549 Dabei ergibt sich jedoch aus allen oben zitieren Schilderungen eindeutig, dass dies nicht gemeint sein kann. Das vitium kam vielmehr erst durch die mit der Rückkehr in die Stadt beginnende Handlungskette zustande. In der Forschung wird darum zurecht meist davon ausgegangen, dass es sich bei tabernaculum capere um einen feststehenden Ausdruck handeln muss, der nicht allein die Festlegung eines Beobachtungsplatzes oder eine bloße Vorbereitung der Auspikation bezeichnet haben kann.550 Was aber dann? Häufig wird der Ausdruck stattdessen quasi als synonym zum Verb auspicari verstanden, welches die Zeichenbeobachtung selbst bezeichnet, oder auch als Spezialfall des auspicari, der aber auch einfach durch das Wort auspicari bezeichnet werden könnte. Auf dieser Prämisse beruht dann die Deutung, wonach sich Ciceros auspicari esset oblitus (und Granius’ auspicari debuisset) auf eine fehlende Wiederholung des tabernaculum capere bezögen, also der ersten Auspikation außerhalb des Pomerium. Demnach sei also eine zunächst vollständig korrekte Auspikation in den Gärten des Scipio durch das Überschreiten des Pomerium in die Stadt hinein ungültig geworden und hätte nach der Rückkehr erneut vorgenommen werden müssen. Diese Auffassung erscheint von der Vorstellung inspiriert, bei den für die Centuriata eingeholten Auspizien handele es sich um auspicia militiae, die – wie auch jene von Feldherrn – bei der Rückkehr über das Pomerium erloschen wären. Die hier zugrundeliegende Übertragung des domi-militiae-Gegensatzes und bestimmter Regeln zum Ende eines Kommandos auf den Bereich der Auspizien hat sich aber, wie oben ausgeführt, insgesamt als fragwürdig erwiesen. Und auch wenn man im Einzelnen diejenigen Formulierungen betrachtet, mit denen Cicero
548 Livius
spricht auch an einer anderen Stelle (4,2,7) davon, dass Wahlen von Militärtribunen im Nachhinein als ungültig angegriffen wurden, weil der Wahlleiter das tabernaculum capere nicht korrekt vollzogen habe: […] tertio mense, quam inierunt, augurum decreto perinde ac vitio creati honore abiere, quod C. Curtius, qui comitiis eorum praefuerat, parum recte tabernaculum cepisset („[…] im dritten Monat nach Aufnahme des Amtes traten sie aufgrund eines Bescheids der Auguren, als fehlerhaft gewählt von ihrem Amt zurück, weil C. Curiatius, der ihre Wahl geleitet hatte, den Platz für das Zelt nicht ganz richtig gewählt hatte.“ Übers. H. J. Hillen, mit wenigen Änderungen). Vgl. auch Val. Max. 1,1,3; Serv. auct. Aen. 2,178. 549 Siehe Anm. 548. 550 Anderer Ansicht ist indes Gargola 2017, 134 f. der offenbar von der wörtlichen Bedeutung ausgeht, ohne dies allerdings weiter zu diskutieren.
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wie auch Granius das Versäumnis des Gracchus benennen, spricht eine ganze Reihe von Indizien dafür, dass diese Deutung nicht zutrifft.551 So muss es aus dieser Perspektive bereits irritierend erscheinen, dass beide Autoren den Akzent der Darstellung sehr deutlich auf Gracchus’ zweiten Übertritt über das Pomerium – von innen nach außen – legen, und nicht auf den ersten, der doch nach dieser Deutung für das vitium entscheidend sein müsste. Darüber hinaus legt auch die Zeitenfolge in dem Satzgefüge aus De Natura Deorum sehr nahe, dass Cicero hier bei der Rückkehr auf das Marsfeld eine diesen Grenzübertritt betreffende Auspikation am bzw. noch innerhalb des Pomerium anspricht: in redeundo cum idem pomerium transiret auspicari esset oblitus. Auch die Formulierung inauspicato pomerium transgressus in De Divinatione deutet klar in diese Richtung.552 Mit dem versäumten auspicari, das ja auch mit diesem anderen Verb bezeichnet wird, dürfte somit nicht einfach eine Wiederholung einer ersten, am tabernaculum in den Gärten des Scipio vorgenommenen Auspikation gemeint sein, sondern eine weitere, den Pomeriumübertritt selbst betreffende Auspikation. Die plausibelste Deutung für den Terminus Technicus tabernaculum capere besteht somit darin, dass es den rituellen Handlungskomplex insgesamt bezeichnete, der vermutlich bis mindestens zum Beginn der rituell vorbereiteten Versammlung anhielt.553 Jeder Fehler, der in diesem Rahmen auftrat, ließ den gesamten Vorgang ungültig werden. Zu insgesamt ähnlichen Ergebnissen wie die Analyse der Cicero-Stellen führt auch die Betrachtung der Granius-Stelle, die freilich an entscheidender Stelle eine Lücke aufweist. Criniti ergänzt [se ex]tra pomerium auspi[ca]ri debuisse, doch führt dies zu einem logischen Bruch: Denn am einigermaßen feststehenden Beginn des Folgesatzes, markiert der Autor durch vero einen Gegensatz zur vorangehenden Aussage und nennt dann den Ort des tabernaculum in der „Villa des Scipio“; diese, die vermutlich identisch mit Ciceros horti Scipionis ist, kann aber kaum innerhalb des Pomerium gelegen haben, wie nicht nur der Vergleich mit Cicero, sondern auch die Begrifflichkeit (villa, horti) nahelegt. Somit spricht einiges dafür, dass im ersten Satz nicht etwa auf eine fehlende Auspikation außerhalb, sondern innerhalb des Pomerium Bezug genommen wurde und die Stelle somit zu se intra
551
Vgl. außerdem Liv. 4,7,3. Serv. auct. Aen. 2,178 verwendet allerdings den ähnlichen Ausdruck tabernaculum constituere auch für anderen Situationen. 552 Dagegen ist so gut wie ausgeschlossen, dass mit inauspicato lediglich gemeint ist, dass Gracchus vor dem Abschluss der zu den Comitien gehörenden Auspikation das Pomerium überschritt: Bei allen anderen Belegstellen (vor dem 5. Jh. n. Chr.) geht es nämlich eindeutig darum, dass eine Handlung ohne die für ebendiese Handlung notwendigen, korrekten Auspizien vorgenommen wurde: consulem ante inauspicato factum (Liv. 21,63,7); C. autem Flaminius inauspicato consul creatus (Val. Max. 1,6,6); inauspicato sententiam de eo tulerit (Gell. 6,19). 553 Linderski 1986, 2166 und 2188.
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pomerium auspicari debuisse zu ergänzen ist, was Ciceros Darstellung entsprechen würde.554 Zusätzlich deutet darauf auch das Verb contenderet in dem eingeschobenen Temporalsatz hin, welches eher den Anfang als das Ende der Bewegung betont. Dieser Nebensatz steht überdies – ähnlich wie Ciceros cum […] transiret – im Verhältnis der Gleichzeitigkeit (und nicht etwa der Vorzeitigkeit) zum auspicari debuisset, des übergeordneten Satzes: Gracchus hätte demnach auspizieren müssen, als er das Pomerium überschritt und nicht erst im Nachhinein, nachdem er wieder die Gärten des Scipio oder einen anderen Beobachtungsplatz aufgesucht hätte. Auch die Tatsache, dass Granius die Notwendigkeit des versäumten Auspizium damit begründet, dass das Pomerium Grenze der auspicia urbana sei, ist kein Argument gegen diese Deutung, im Gegenteil: Denn auch, wenn man voraussetzt, auspicia urbana bezeichneten innerhalb des Pomerium eingeholte Auspizien, würde der Satz [se ex]tra pomerium auspi[ca]ri debuisse, […] quoniam [po]merium finis ess[et ur]banorum auspici[orum] gerade keinen Fehler beschreiben: Die Bedingung, dass Auspizien für extrapomeriale Handlungen (wie die Centuriata) außerhalb des Pomerium vorgenommen werden müssten, für intrapomeriale Handlung aber innerhalb, wären durch den extrapomerialen Ort des tabernaculum ja erfüllt gewesen. Selbst wenn es solche Bindungen an den Bereich intra pomerium gegeben hat, erklären sie jedenfalls nicht den Fall des Gracchus. Gemeint ist also wahrscheinlich auch hier, dass es zumindest im konkreten Fall einen Fehler bedeutet habe, das Pomerium als eine augurale Grenze ohne eine dafür notwendige Auspikation nach außen zu übertreten, wodurch die gesamte rituelle Rahmung der Comitien – das tabernaculum capere – hinfällig geworden sei. Die Vorstellung, dass ein Grenzübertritt Auspizien erforderlich macht, ist außerdem, wie erläutert wurde, auch grundsätzlich durchaus belegt, sowohl in Gestalt der Auspizien bei Flussübertritt (peremnia) als auch des auspicium pertermine, welches laut dem spätantiken Grammatiker Marius Victorinus bei Übertritten von ager romanus in ager peregrinus notwendig wurde.555 Wenn wir also davon ausgehen dürfen, dass Cicero und Granius den Fehler des Gracchus in einer fehlenden Auspikation innerhalb des Pomerium betrachten, stellt sich die Frage, wie dieses Ergebnis in der Gesamtdiskussion um die augurale Bedeutung des Pomeriumübertritts zu bewerten ist. Bedeutet das Gesagte, dass für Cicero und Granius Magistrate bei jedem beliebigen Überschreiten des
554
555
Dies meinen auch Rüpke 1990, 33 Anm. 33; Domaszewski 1977, 218 f. Zu den peremnia vgl. oben mit Anm. 533 und 534. Marius Victorinus 14,21 Keil: auspicium pertermine: pertermine dicitur auspicium, quod fit cum de fine Romano in agrum peregrinum transgrediuntur („‚Auspizium zum Grenzübertritt‘: ‚Zum Grenzübertritt‘ wird ein Auspizium genannt, das geschieht, wenn man von der römischen Grenze aus in den ager peregrinus hinübertritt.“).
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Pomerium hätten auspizieren müssen, oder mindestens dann, wenn sie außerhalb des Pomerium Amtshandlungen vornehmen wollten?
Auspizien zu jedem Pomeriumübertritt? Genau dies, dass nämlich ein Magistrat vor jedem Übertritt über das Pomerium eigene Auspizien eingeholt habe, die diesen Übertritt gestatteten, ist, wie gesagt, ebenfalls immer wieder behauptet worden.556 Mindestens zwei Aspekte sprechen allerdings gegen eine derartige Deutung der Aussagen Ciceros und des Granius557: Da ist erstens der Charakter der ganzen Episode, in welcher der Fehler des Gracchus überdeutlich in den weniger prominenten Aspekten der Auguraldisziplin verortet wird, ganz anders als die im Verhältnis dazu offenbar allgemein bekannten Regeln und Praktiken zum Kommando von Feldherrn, die jedenfalls bei Cicero immer als bekannt vorausgesetzt werden. Hätte jeder Übertritt über das Pomerium eine Auspikation erfordert, wäre es schlicht wenig einleuchtend, dass Gracchus sich einer derart trivialen Regel, die jedem Magistraten hätte bekannt sein müssen und die er selbst eben noch befolgt haben müsste, erst viel später und nach der Lektüre von Fachliteratur bewusst geworden sein sollte. Zweitens wäre auch die Tatsache, dass Cicero und Granius konsequent auf das vorherige tabernaculum capere eingehen und explizit den extrapomerialen Ort des tabernaculum benennen, merkwürdig, wenn ganz unabhängig davon der Übertritt über das Pomerium allein schon den Fehler dargestellt hätte. Diese beiden Aspekte werden ferner durch eine weitere Stelle aus De Divinatione noch untermauert, an der Cicero erneut auf den Fall zurückkommt. Er betont hier, dass der Fehler des Gracchus von der Art gewesen sei, dass die Haruspices, die Gracchus aufgrund des Todesfalls bei der Auszählung anklagten, ihn unmöglich hätten erkennen können: quid enim scire Etrusci haruspices aut de tabernaculo recte capto aut de pomerii iure potuerunt?558 Diese rhetorische Frage wäre kaum sinnvoll, wenn es hier lediglich darum ginge, dass Gracchus das Pomerium ohne Auspizien überschritten hatte, was sonst immer zu tun gewesen wäre. Denn weder könnte man dann ausschließen, dass auch die Haruspices oder auch andere Personen von dieser einfachen Regel hätten wissen können, noch würde es die Komplexität der 556
Z. B. Vervaet 2014, 315; De Sanctis 2012a, 160; Humm 2012, bs. 77–81; Andreussi 1999, 96; Magdelain 1977, 25 f. (=1990, 224 f.); Karlowa 1896, 11. 557 Ein solche ist etwa zu finden bei Magdelain 1968, 46–48, und wird aufgegriffen z. B. von Sisani 2016, 69 f.; Humm 2012, 80 f. Ähnlich auch R adke 1980, 28 f. Anm. 152, der die Stelle ohne weitere Erklärung auf das militärische Kommando bezieht. 558 Civ. div. 2,75: „Was hätten etruskische Haruspices schon darüber wissen können, ob das tabernaculum capere den Vorschriften entsprechend vollzogen worden sei, oder über das ius pomerii?“
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Formulierung erklären, in der nicht nur der technische Ausdruck tabernaculum recte capere aufgegriffen wird, sondern auch der sonst nirgends belegte Terminus ius pomerii Verwendung findet. Darüber hinaus gibt es auch jenseits der Stellen zu Gracchus keine Anhaltspunkte dafür, dass Magistrate grundsätzlich bei Verlassen des Stadtgebiets über das Pomerium speziell im Hinblick darauf Auspizien eingeholt hätten. Man könnte hier natürlich wieder an die umstrittenen „Auszugsauspizien“ denken. Wie aber bereits ausführlich erläutert, ist völlig unklar, wo diese Auspizien vom ausziehenden Magistraten angestellt worden sein könnten. Selbst wenn man sie auf dem Capitol verorten möchte, spricht dies nicht für einen besonderen Zusammenhang mit dem Pomerium. Dies gilt erst recht dann, wenn man diese – wie Livius nahelegt – zeitlich noch vor dem Gang des Magistrats auf das Capitol ansetzt.559 Das versäumte Auspizium des Gracchus, das nach Cicero und Granius recht klar im Bereich des Pomerium einzuholen gewesen wäre, passt auch deshalb eindeutig nicht in diese Kategorie. Es spricht also wenig dafür, dass die Auspizien, die ein Magistrat möglicherweise zu Beginn einer militärischen Unternehmung einholte, sich in besonderer Weise auf das Überschreiten des Pomerium bezogen hätten. Deutlich plausibler ist es, dass sie, sofern es sie denn gab, das Kommando und den Feldzug in seiner Gesamtheit betroffen hätten – ebenso wie die auf dem Capitol abgelegten Gelübde.
Wiederholung verfallener „Auszugsauspizien“? Aus diesen Gründen besteht auch kein Anlass, die versäumte Auspikation innerhalb des Pomerium als eine Wiederholung einer unerwähnten ersten Auspikation zu verstehen, die Gracchus noch vor seinem ersten Gang auf das Marsfeld als eine Art „Auszugsauspizium“ angestellt hatte, die dann aber durch die Rückkehr „ungültig“ geworden war. Auch die Aussagen Ciceros und Granius’ zu Gracchus sind nicht als Belege dafür zu werten, dass gültige Auspizien bei Überschreiten des Pomerium in die Stadt hinein „erloschen“. Selbst wenn man an der Vorstellung festhalten wollte, bei jedem Verlassen der Stadt über das Pomerium sei eine Auspikation nötig gewesen, impliziert dies keineswegs, dass die Rückkehr über das Pomerium mit einem „Erlöschen“ der ursprünglichen Auspizien verbunden worden sein muss, bzw. dass hier der Grund dafür gesehen wurde, bei einem neuerlichen Auszug aus der Stadt erneut auspizieren zu müssen. Nun ist, wie gesagt, schon die Existenz der „Auszugsauspizien“ bei tatsächlichen Feldzügen umstritten. Ob es die Vorstellung, dass bestimmte an sich korrekt eingeholte Auspizien bei Übertritt über bestimmte Grenzen unvermeidlich ihre Geltung 559
Siehe Kap. 3.3.2 c) mit Anm. 398.
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verlören, überhaupt gab, ist, soweit ich sehe, erst recht unsicher. Möglicherweise liegt auch hier einfach eine Übertragung einer aus dem Kontext des militärischen Kommandos entnommenen Logik auf den Bereich der Auspizien vor.560 In jedem Fall gibt es gute Argumente, die dagegensprechen, dass Cicero und Granius ein solches Verständnis der Auspizien voraussetzten: Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass beide Autoren den Akzent der Darstellung stark auf den Grenzübertritt nach außen legen, während sie die vorherige Rückkehr in die Stadt nur in Nebensätzen ansprechen. Zudem würde die Vorstellung, die Geltung derjenigen Auspizien, mit denen Gracchus zuerst aus der Stadt hinaus gezogen war, seien durch die Rückkehr „erloschen“, doch wohl implizieren, dass er nicht nur diese „Auszugsauspizien“ hätte wiederholen müssen, sondern auch das tabernaculum capere außerhalb der Stadt, dessen Geltung ja gleichermaßen durch die Rückkehr in die Stadt hinfällig geworden sein müsste. Davon, dass noch eine zweite Auspikation hätte neu vorgenommen werden müssen, ist allerdings weder bei Cicero noch bei Granius etwas zu erkennen. Vielmehr hätte Gracchus nach ihrer Darstellung das vitium offenbar allein dadurch verhindert, dass er bei seiner Rückkehr beim Übertritt über das Pomerium auspiziert hätte.
Ein anderer Deutungsvorschlag Aufgrund dieser Überlegungen muss m. E. jede potentiell überzeugende Deutung der Darstellungen Ciceros und Granius’ beide Elemente, also sowohl die zu den Comitien gehörenden Auspikation in den Gärten des Scipio als auch das Überschreiten des Pomerium in irgendeiner Weise miteinbeziehen. Es sei hier auch noch einmal an die zitierte rhetorische Frage Ciceros erinnert, was denn die Haruspices aut de tabernaculo recte capto aut de pomerii iure wissen könnten, in der also beide Elemente erneut aufgegriffen werden. Von entscheidender Bedeutung ist nämlich offenbar, dass der inauspicato erfolgte Pomeriumübertritt zeitlich zwischen dem Akt des tabernaculum capere bzw. dessen Beginn einerseits und der Volksversammlung anderseits stattfand. Im von den Autoren implizierten Normalfall folgte die Abhaltung der Versammlung auf das tabernaculum capere, ohne dass der leitende Magistrat zwischenzeitlich in die Stadt zurückkehrte. Wenn diese Rückkehr aber doch nötig wurde, sei dies – so scheinen beide Autoren zu meinen – nur möglich, wenn beim Grenzübertritt, jedenfalls dem von innen nach außen, eine Auspikation vorgenommen wurde, von der ihrer Ansicht nach auch die formale Korrektheit des gesamten Komplexes abhing. Vielleicht kann man diese Auspikation dahingehend deuten, dass sie das Ergebnis der ersten Auspikation hätte bestätigen müssen, um sicherzustellen, dass letztere auch nach dem zwischenzeitlichen „Besuch“ 560
Vgl. die oben in Anm. 556 und 557 zitierte Literatur, bei der dies in je unterschiedlichem Ausmaß der Fall zu sein scheint.
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im Stadtgebiet noch Bestand hatte. Eine ähnliche Auffassung hat z. B. Basanoff vertreten.561 Doch würde auch diese Deutung offensichtlich nur für Cicero und Granius Licinianus, nicht aber für Plutarch und dessen vermutlich antiquarische Quelle gelten. Eine gewisse Verallgemeinerbarkeit für die antike Diskussion zu Pomeriumübertritt und Auspizien kann also bestenfalls einigen zentralen Gemeinsamkeiten der verschiedenen Darstellungen des Gracchus-Falles zukommen. Bezieht man die Version Plutarchs mit ein, lassen sich noch folgende Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen Berichten über den Sachverhalt feststellen: Der Fehler des Gracchus wird erstens von keinem der betrachteten Autoren in der Wahl des ersten Beobachtungsortes außerhalb des Pomerium gesehen. Der Consul nahm die Auspikation korrekterweise außerhalb der Stadt (Plutarch), bzw. im konkreten Fall in den Gärten des Scipio (Cicero, Granius Licinianus) vor, die von den Autoren klar außerhalb des Pomerium verortet werden; sie bezogen sich auf die Centuriatscomitien, die ebenfalls außerhalb des Pomerium auf dem Marsfeld stattfanden. Als entscheidend betrachten alle Autoren stattdessen einen bestimmten Übertritt über das Pomerium durch den Magistrat (Plutarch spricht freilich nur vom Betreten und Verlassen der Stadt). Und die Autoren stimmen schließlich darin überein, dass Gracchus entweder im Zusammenhang mit diesem Grenzübertritt oder in dessen Folge eine weitere Auspikation hätte vornehmen müssen, was er entweder ganz versäumte (Cicero, Granius) oder nicht in der korrekten Weise (Plutarch) tat.
3.4.4 Fazit zum Pomerium als auguraler Grenze Versucht man nun aus diesen Befunden ein Fazit über den Zusammenhang von Auspizien und Pomerium bzw. die Bedeutung des Begriffs der auspicia urbana zu ziehen, lässt sich wenigstens Folgendes mit einer gewissen Sicherheit sagen: Diejenigen modernen Deutungen, die auf eine substanzielle Unterscheidung oder absolute räumliche Trennung urbaner und extraurbaner Auspizien hinauslaufen, sind zwar nicht rundheraus zu widerlegen, finden in den Quellen aber nur wenig Rückhalt. Denn es existieren schlicht keine stichhaltigen Beispiele dafür, dass bestimmte Auspizien nur innerhalb des Stadtgebietes, dort aber an mehr als nur einem spezifischen Ort (oder sehr wenigen), hätten eingeholt werden können. Derartige Bindungen bestimmter Auspizien an ein bestimmtes Gebiet sind lediglich für die verschiedenen auguralen Kategorien von ager, insbesondere bei ager Romanus greifbar. 561
Basanoff 1939, 19 f. Dieselbe Deutung klingt auch deutlich an bei Simonelli 2001, obwohl die Autorin dabei in erster Linie auf die anders gelagerte Deutung bei Magdelain 1968, 46–48, verweist, und jene Basanoffs lediglich als „diversa interpretazione“ bezeichnet.
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Noch weniger zu belegen ist die Auffassung, das Pomerium habe die Grenze eines Beobachtungsfeldes markiert. Diese Ansicht beruht ausschließlich auf bestimmten Aussagen auf den Iguvinischen Tafeln; sie spielt aber in der Diskussion unter den uns vorliegenden Autoren über die römischen Auspizien nicht die geringste Rolle. Insgesamt hat es sich daher als wenig zielführend erwiesen, bei der Untersuchung vom Begriff der auspicia urbana auszugehen und diesen in Kombination mit anderen Stellen zu interpretieren, die – ohne Nennung dieses Terminus oder des Pomerium – einen Bezug zwischen Auspizien und Stadtgebiet herzustellen scheinen. Daher wurde im zweiten Schritt der Frage nach der auguralen Bedeutung des Grenzübertritts über das Pomerium nachgegangen. Doch auch für die Auffassung, dass der Übertritt über das Pomerium automatisch den „Verfall“ von bis dahin gültige Auspizien bedeutete, fällt das Ergebnis zumindest zwiespältig aus: Belege für einen solchen Geltungsverlust von intra pomerium eingeholten Auspizien bei Verlassen der Stadt gibt es gar nicht. Für den umgekehrten Fall gilt, dass zumindest jene üblicherweise angeführten Belege, die den Kommandoverlust zurückkehrender Feldherrn betreffen, überhaupt nur ausnahmsweise Verweise auf Auspizien enthalten, und sich auch dann im Hinblick auf den auguralen Aspekt als wenig aussagekräftig erweisen. Fruchtbarer war lediglich die Untersuchung der verschiedenen Zeugnisse über den konkreten, aber auch sehr spezifischen Fall des älteren Gracchus, obwohl auch diese weder untereinander widerspruchsfrei noch in allen Aspekten eindeutig sind. Diese sprechen in der Tat dafür, dass eine augurale Funktion des Pomerium auch oder gar primär im Aspekt des Grenzübertritts gesehen wurde. Doch zum einen ist der Zusammenhang zwischen Pomerium und Auspiziengeltung offenbar komplexer, als man häufig annimmt. Zudem lassen die Zeugnisse kaum Verallgemeinerungen über die Ansicht des einzelnen Autors hinaus zu. Nach genauer Analyse der Aussagen Ciceros und Granius’ hat es sich als sehr wahrscheinlich erwiesen, dass diese den Fehler des Gracchus darin sahen, bei der Rückkehr auf das Marsfeld eine Auspikation innerhalb des bzw. am Pomerium versäumt zu haben, die sich auf diesen Grenzübertritt an sich bezog. Der Fehler hätte demnach durch eine zusätzliche Auspikation am Pomerium verhindert werden können. Gestützt wird diese Deutung noch durch die antiquarischen Zeugnisse über Fluss- und Grenzübergangsauspizien sowie insbesondere über die Auspizien von Magistraten beim Übertritt über den Bach Petronia auf dem Marsfeld, wenn diese – wie auch Gracchus – dort Amtshandlungen vollziehen wollten. All diese Auspizien folgen einer parallelen Logik. Im Übrigen war die Vorstellung einer sakralen Bedeutung von Grenzübertritten sowie Grenzen an sich auch in anderen Kontexten schon zu beobachten. Zugleich ist jedoch auch wahrscheinlich, dass beide Autoren die Auspizien bei Grenzübertritt nicht in jeder beliebigen Situation für notwendig erachteten, sondern sich vornehmlich auf den rituellen Zusammenhang der Comitien-Vorbereitung bezogen. Einen Beleg für die Vorstellung, dass
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jegliche Auspizien bei Überschreiten des Pomerium „erlöschen“ würden, liefern beide Autoren dagegen nicht. Diese Spezifität der Situation des Gracchus betont noch stärker das Zeugnis Plutarchs, das in der Forschung weit weniger beachtet wurde. Dieses ist zwar insgesamt anders gelagert, doch geht es auch hier um die Geltung eines Auspikationsrituals für eine spätere Handlung. Und auch hier besteht die Rolle des Grenzübertritts nicht einfach darin, zuvor eingeholte Auspizien ungültig werden zu lassen: Der Grenzübertritt des Gracchus, hier von außen nach innen, ist nämlich nur deshalb relevant, weil die vorherige Auspikation noch nicht zu einem Ergebnis gekommen war. Nach dem korrekten Abschluss – so impliziert Plutarch – wäre das Betreten der Stadt ganz unproblematisch gewesen, und zwar selbst noch vor der Volksversammlung, derentwegen auspiziert worden war. Auch hier kann also von einer Relevanz des Pomerium, die über einen sehr spezifischen Kontext hinausging, nicht die Rede sein. Ferner zeigt dieses Zeugnis sehr deutlich, dass auch die Auffassungen Ciceros und des Granius, wie auch immer sie genau aussahen, keinesfalls als allgemein akzeptiert gelten können. Sie sind vermutlich ebenso als Resultate antiquarischer Rekonstruktionen zu verstehen wie die nach seiner ursprünglichen Definition und seinem rituellen Ursprung. Dieser Eindruck wird dadurch noch deutlich vertieft, dass der ältere Gracchus als positives Exemplum dargestellt wird, dem es trotz unstrittiger prinzipieller Kompetenz nachgesehen werden konnte, das vitium erst viel später und nach entsprechender Lektüre von Spezialliteratur erkannt zu haben. Sein Fehler kann somit, wie bereits gesagt, nicht in einem völlig trivialen Versehen bestanden haben. Letztlich bleibt nichts anderes übrig als einzuräumen, dass ein richtiges oder auch nur traditionelles Verständnis dessen, was genau die augurale Bedeutung des Pomerium war, unerreichbar bleibt, wobei allerdings viel dafürspricht, dass sie nicht derart prominent und fundamental gewesen ist, wie üblicherweise dargestellt. Gleiches gilt entsprechend für den Begriff der auspicia urbana, der wohl ebenfalls einen anderen Gehalt besitzt, als gewöhnlich angenommen wird. Auf der Grundlage der Zeugnisse zur Gracchus-Episode könnte es z. B. sein, dass er zwar auf unterschiedliche „Auspiciengebiete“562 verwies, welcher aber nur in bestimmten Phasen wie vor Abschluss einer Auspikation (Plutarch) oder zwischen einer Auspikation und der zugehören Handlung (Cicero, Granius) nicht bzw. nur bei zusätzlichen Maßnahmen verlassen werden durften. Jedenfalls war die Verbreitung des Begriffs außerhalb eines auguraltechnischen Kontextes vermutlich wenig ausgeprägt, wofür deutlich die Tatsache spricht, dass er nur an drei Stellen mit ausgeprägt antiquarischem Charakter überliefert ist, und sich – wie gesehen – nur schlecht mit anderen Erwähnungen der Auspizien in der antiken Literatur überein bringen lässt.
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Karlowa 1896, 10.
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Diese Ergebnisse zum Zusammenhang von Pomerium und Auspizien wirken sich nun schließlich auch auf die Bewertung des spezifischen Charakters des Pomerium insgesamt aus: Sie zeigen nämlich, dass sich trotz der regelmäßigen Verknüpfung von Pomerium und Auspizienwesen in den antiken Texten sogar in diesem Bereich keine sakrale Höherwertigkeit des intrapomerialen Raumes gegenüber dem Umland greifen lässt. Erst recht erlaubt es keine der zitierten Stellen, jene engen Zusammenhänge zwischen der auguralen Bedeutung des Pomerium und anderen Bereichen der politischen und religiösen Ordnung herzustellen, die in der Forschung so oft behauptet oder vorausgesetzt werden.563 Mit anderen Worten: Auch eine im Grundsatz durch viele Zeugnisse gestützte Bedeutung des Pomerium im Bereich des Auspizienwesens – worin auch immer diese ganz genau bestanden haben mag – machte das Pomerium noch nicht zu der sakralen Grenze Roms schlechthin, welche sie gemäß der etablierten Sicht dargestellt haben soll.
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In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, wie deutlich Cicero (nat. 3,5) zwischen sacra und auspicia, auch im Hinblick auf die jeweiligen Ursprünge, unterscheidet: cumque omnis populi Romani religio in sacra et in auspicia divisa sit, terium adiunctum sit si quid praedictionis causa ex portentis et monstris Sibyllae interpretes haruspicesve monuerunt, harum ego religionum nullam umquam contemnendam putavi mihique ita persuasi, Romulum auspiciis Numam sacris constitutis fundamenta iecisse nostrae („Da nun der gesamte Kult des römischen Volkes aufgeteilt ist in sacra und auspicia, zu denen als drittes das hinzutritt, was als Hinweise auf die Zukunft aus Wundern und Zeichen die Ausleger der Sibylle oder die Haruspices an Mahnungen entnommen haben, so habe ich niemals geglaubt, dass irgendeiner dieser Gebräuche verachtet werden dürfe. Ich bin überzeugt davon, dass Romulus durch die Begründung der auspicia und Numa durch die Einrichtung der sacra das Fundament für unseren Staat gelegt haben.“ Übers. O. Gigon, L, Straume-Zimmermann, mit wenigen Änderungen). Vgl. dazu auch Linderski 1986, 2147 f.
4. Das „Schreiben“ der Grenze: Zum Konstitutionsprozess des Pomerium
Für die bisher durchgeführten Untersuchungen kann vor allem das folgende übergreifende Ergebnis festgehalten werden: Die in der Forschung regelmäßig vorausgesetzten Definitionen, Funktionen und Kernbedeutungen des Pomerium beruhen auf einer insgesamt recht spärlichen und überaus widersprüchlichen Quellengrundlage. Bei deren Deutung wurden und werden oftmals verstreute Einzelaussagen überinterpretiert, in problematischer Weise verallgemeinert bzw. geglättet, wobei bestimmte Vorannahmen über die spezifische Essenz des Pomerium eine maßgebliche Rolle spielen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die eigentliche Definition des Pomerium wie auch die Verknüpfung der genannten das Stadtgebiet betreffenden Regelungen mit dem Pomerium. Das Pomerium, so wurde insgesamt deutlich, stellte in der Antike ein grundsätzlich vieldeutiges Konzept und Phänomen dar. Besonders für die Fragen der Definition des Pomerium, seines Ursprungs und der Art seines Zusammenhangs mit dem Auspizienwesen erwies sich diese Vieldeutigkeit des Pomerium immer wieder als unhintergehbar. Mit anderen Worten, es war nicht möglich, so etwas wie das traditionelle oder gar ursprüngliche Verständnis vom Pomerium aus der Vielstimmigkeit der Texte herauszuschälen. In Bezug auf die (anderen) rechtlichen Funktionen des Pomerium muss man sogar noch einen Schritt weiter gehen: Denn nicht nur erwies es sich als unhaltbar, diese Funktionen spezifisch dem Pomerium zuzuweisen, womit auch die Bestimmung seiner Rolle als der speziell dem sakralen und sakralrechtlichen Bereich zugeordneten Stadtgrenze revidiert werden muss. In einigen Fällen muss es sogar als fraglich gelten, ob dem Pomerium diese Funktionen in der antiken Diskussion überhaupt je zugeschrieben werden konnten, weil schon die angenommene Regel selbst so nicht existierte. Hier sind jedenfalls zu nennen die angeblichen Regeln zu den Kultorten, zu Waffen, Militär und Comitien. Und auch in Fällen, bei denen eine betreffende Regel in ihrer Existenz nicht in Frage steht, beruht die Zuschreibung der regulativen Funktion an das Pomerium meist ganz oder fast ganz auf dem Werk Cassius Dios, sodass unklar ist, inwieweit sie in der früheren Diskussion und insbesondere in republikanischer Zeit überhaupt schon vorkam. In diese Kategorie gehören etwa die Regeln zur Bestattung und zum imperium (zumindest) der Promagistrate, während die Existenz einer entsprechenden Regel für reguläre Magistrate fraglich blieb. Bei den Regeln für den Flamen Dialis erwies sich ebenfalls vor allem die spezifische Zuordnung der Regeln zum Pomerium als problematisch. Für die in der Einleitung aufgeworfene Frage nach der Rolle des Pomerium in der römischen Gesellschaft und für die römische Geschichte bedeutet all dies, dass sie durch den Versuch einer essentialistischen Rekonstruktion von Ursprungs- oder Kernbedeutungen bzw. sich daraus ergebenden Funktionen nicht überzeugend
Das „Schreiben“ der Grenze
285
beantwortet werden kann. Anstatt aus den antiken Texten einzelne inhaltliche Informationen über das Pomerium herauszulösen und zur Grundlage einer historischen Rekonstruktion des Pomerium an sich zu machen, scheint es mir notwendig, dem sich in den Zeugnissen jeweils manifestierenden Umgang der historischen Akteure mit dem Begriff und dem Phänomen des Pomerium nachzugehen, welche dieses überhaupt erst als Grenze konstituierten und verstetigten. Hier dürfte außerdem auch ein Ansatz dafür liegen, die bemerkenswerte Uneindeutigkeit des Pomeriumbegriffs zumindest teilweise auch historisch und nicht nur als Ergebnis von Irrtümern, Ungenauigkeiten und Überlieferungszufällen zu erklären. Der Versuch, die gesellschaftliche Rolle des Pomerium in Rom neu zu bestimmen, soll auf Grundlage einer Untersuchung seines fortlaufenden Konstitutionsprozesses erfolgen, die im Zentrum dieses Kapitels stehen soll. Die theoretischen Prämissen dieses Ansatzes, der die Konstitution des Pomerium als einen kontinuierlichen (Um-)Schreibprozess versteht, wurden in der Einleitung ausführlicher erläutert.1 Die uns zur Verfügung stehenden Zeugnisse zum Pomerium erlauben einen gewissen Einblick in die diskursive und mediale Ebene dieses Prozesses, da sie zum einen selbst als dessen Überreste anzusehen sind und zum anderen gelegentlich auch Quellen für weitere das Pomerium betreffende Aussagen und Handlungen antiker Akteure darstellen können, auf welche sie Bezug nehmen. Dabei wird es vor allem darum gehen, überhaupt erst zu bestimmen, innerhalb welcher Diskurse und – damit verbunden – in welchen medialen Kontexten das Pomerium im Verlauf der Antike hauptsächlich thematisiert wurde (und in welchen gerade nicht), sowie welche Entwicklung dabei ggf. festzustellen ist. Dabei werde ich in zwei Hauptschritten vorgehen, wobei zunächst die regelmäßige Einbindung des Pomerium in den antiquarischen Diskurs demonstriert werden soll, welche bei einem Großteil der spätrepublikanischen und kaiserzeitlichen Zeugnisse (bis etwa ins 3. Jh. n. Chr.) festzustellen ist. Zum Abschluss dieses Abschnitts soll auch der Frage nachgegangen werden, inwiefern die konstatierte Vieldeutigkeit des Pomerium mit diesem Diskurs und den diesen tragenden Medien zusammenhängt. In einem zweiten Schritt werde ich die verschiedenen Belege für den Gebrauch (oder die signifikante Nicht-Verwendung) des Pomeriumbegriffs in anderen Diskurskontexten in den Blick nehmen. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, inwiefern diese dennoch die antiquarischen Thematisierungen des Pomerium und die Prominenz des antiquarischen Diskurses voraussetzten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen es dann in der Schlussbetrachtung dieser Arbeit ermöglichen, Rückschlüsse auf die pragmatische Ebene des Konstitutionsprozesses und damit die gesellschaftliche Rolle des Pomerium zu ziehen. Dass die auf Basis des vorliegenden Textkorpus möglichen Befunde über den Konstitutionsprozess natürlich sehr ausschnitthaft bleiben müssen, wurde in der Einleitung bereits eingeräumt. Dennoch werde ich im Folgenden zu zeigen versuchen, dass sich unsere Zeugnisse aus dieser 1
Siehe Kap. 1.3.
286
Das „Schreiben“ der Grenze
Perspektive immerhin als deutlich aussagekräftiger im Hinblick auf die Rolle des Pomerium in Rom erweisen, als wenn man sie – wie es meist geschieht – lediglich als Quellen zur Rekonstruktion einer außerhalb ihrer selbst gegebenen Realität des Pomerium betrachtet.
4.1 Das Pomerium im antiquarischen Diskurs Die meisten erhaltenen Erwähnungen des Pomerium in den Quellen erscheinen eingebunden in den von der Republik bis in die Spätantike immer wieder greifbaren Diskurs, der als antiquarischer bezeichnet werden soll: Damit meine ich nicht allein literarische Werke, die insgesamt antiquarischen Charakter im Sinne einer Gattung besitzen. Typische Merkmale, die in der Forschung insbesondere in Abgrenzung zur Geschichtsschreibung genannt werden, sind etwa die systematische anstatt einer chronologischen Darstellung des Stoffes und die häufige Gegenüberstellung verschiedener Meinungen. Zudem wird im Unterschied zur übrigen Fachschriftstellerei etwa die fehlende Praxisrelevanz betont.2 Mit dem Begriff des antiquarischen Diskurses ist allerdings noch mehr gemeint: Es geht um jene wesentlich von der antiquarischen Forschung ausgehenden, gattungs- und medienübergreifenden Strukturen in der Thematisierung verschiedenster Gegenstände, in denen diese nämlich primär im Hinblick auf ihre ferne (und meist zeitlich unbestimmte) Vergangenheit und ihre Ursprünge diskutiert werden. Sie werden so als Gegenstände antiquarischen Wissens konstituiert, kaum aber als unmittelbar wirksame Faktoren innerhalb eines historischen oder gegenwärtigen Geschehens.3 Oftmals geschieht dies mit dem zumindest impliziten Hinweis darauf, dass in der jeweiligen Gegenwart die Verbindung zu diesen Ursprüngen gleichsam abgebrochen sei oder abzubrechen drohe und daher durch Nachforschungen wieder neu geknüpft werden müsse. Den an Foucaults Diskursbegriff anschließenden Begriff des antiquarischen Diskurses („antiquarian discourse“ oder „discourse of antiquarianism“) hat hierfür besonders Wallace-Hadrill zur Anwendung gebracht und als wichtigen Faktor im Übergang von der späten Republik zum frühen Prinzipat betont.4 Aussagen, die diesem Diskurs zugeordnet werden können, finden sich in je unterschiedlicher Aus2
3
4
Grundlegend zur antiquarischen Literatur in Rom: Stevenson 2004; Walter 2004, bs. 208–211; Sehlmeyer 2003; Moatti 1997, 109–121; Fuhrmann 1987; R awson 1985, 233–249; Momigliano 1999. Antiquarischen Charakter besitzt neben der eigentlichen antiquarischen Prosa auch die aitiologische Dichtung, wobei allerdings in den erhaltenen Werken dieser Gattung, namentlich Properz’ 4. Elegienbuch und Ovids Fasti, keine Erwähnungen des Pomerium zu finden sind. Wenn sie dies doch werden, dann eben als ein solcher antiquarischer Wissensgegenstand. So etwa das Pomerium in der Gracchus-Episode, bei den Umgangsprozessionen und Pomeriumerweiterungen. Z. B. Wallace-Hadrill 2008, bs. 213–258.
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
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prägung auch in der Historiographie, im historischen Epos oder in philosophischen Schriften, häufig in Form von Reden, Exkursen, Exempla und ähnlichen formal separierten Textteilen. Die enge Verwobenheit dieses Diskurses mit der Stadt Rom und ihrer Topographie ist ebenfalls wohlbekannt. Die wohl berühmteste Aussage eines antiken Autors zu diesem Zusammenhang ist Ciceros Lob des Werkes Varros in den Academica posteriora: Nam nos in nostra urbe peregrinantis errantisque tamquam hospites tui libri quasi domum reduxerunt, ut possemus aliquando qui et ubi essemus agnoscere. tu aetatem patriae, tu discriptiones temporum, tu sacrorum iura, tu sacerdotum, tu domesticam, tu bellicam disciplinam, tu sedem regionum, locorum, tu omnium divinarum humanarumque rerum nomina, genera, officia, causas aperuisti.5 In Bezug auf Wissen über die Vergangenheit formulierte Edwards sogar eine noch zugespitzte Vermutung: „Topography, for Romans, perhaps played a greater role than chronology in making sense of the past […] places became vehicles for a kind of non-sequential history.“6 In zahlreichen Untersuchungen gerade in den letzten 10 bis 20 Jahren ist dies weiter ausgeführt und fundiert worden.7 Wie diese zeigen, wurde die Stadt Rom in den letzten Jahrzehnten der Republik und in augusteischer Zeit – allen intensiven baulichen Umgestaltungen zum Trotz – auch zu einem in erster Linie literarisch konstituierten Wissensraum.8
5
Cic. ac. 1,9: „In unserer Stadt, in der wir wie als Fremdlinge umherirrten, haben uns deine Bücher gleichsam nach Hause zurückgeführt, so dass wir nun endlich erkennen konnten, wer und wo wir waren. Du hast das Alter der Vaterstadt, du die Zeitrechnung, du die Satzungen des Kultes, du die der Priesterschaft, du die Wissenschaft der heimischen Dinge, du die des Krieges, du die Lage der Länder und Orte, du die Namen und Arten, Dienste und Urgründe aller göttlichen und menschlichen Dinge aufgedeckt.“ 6 Edwards 1996, 46. 7 Einige jüngere Beispiele aus diesem Forschungsfeld sind MacDonald 2016; Spencer 2011; Larmour / Spencer 2007; Rea 2007. 8 Vgl. zu diesem Begriff die Überlegungen und Literaturangaben im Resümee, Kap. 5.2.
288
Das „Schreiben“ der Grenze
4.1.1 Erwähnungen des Pomerium von Varro bis Florus als Teil des antiquarischen Diskurses a) Antiquarische Literatur und antiquarische Exkurse Wie besonders in Kapitel 2 dieser Arbeit zur Definitionsproblematik und zum rituellen Ursprung des Pomerium deutlich wurde, geht es bei einem großen Teil der Erwähnungen des Pomerium in der antiken Literatur, insbesondere aus der Zeit bis zum Ende des 2. Jh. n. Chr., um dessen Etymologie und Ursprungsbedeutung, die Umstände seiner Einrichtung, den ursprünglichen Verlauf und teilweise die Geschichte der Pomeriumerweiterungen. Vor allem gilt dies für die diesbezüglichen Aussagen bei Varro, Livius, Plutarch (in der Romulus-Vita), Tacitus, Sueton, Festus (bzw. Verrius Flaccus) und Gellius.9 Die sich im Einzelnen zum Teil erheblich unterscheidenden Ausführungen dieser Autoren wurden im genannten Kapitel bereits ausführlich zitiert und analysiert. Es handelt sich bei diesen Zeugnissen offensichtlich entweder um Stellen aus Werken, die insgesamt oder weitgehend antiquarischen Charakter besitzen, oder um antiquarische Exkurse in historiographischen Werken.10 Der antiquarische Charakter dieser Passagen ist jedenfalls evident und bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erläuterung. Allein die Zahl und Ausführlichkeit dieser Stellen, welche antiquarische Fragen zum Pomerium direkt zum Thema machen, ist bemerkenswert, gerade auch im Hinblick darauf, welch großen Anteil (7 von 30) diese innerhalb der Gesamtmenge der erhaltenen Zeugnisse zum Pomerium aus der Zeit vor dem 3. Jh. n. Chr. ausmachen. Unter den genannten Autoren, die sich mit Definition, Ursprung und Erweiterungen des Pomerium befassen, liegen von zweien, Festus und Gellius, auch noch insgesamt drei weitere Erwähnungen vor, wo das Pomerium in antiquarische Erklärungen anderer Sachverhalte integriert wird, nämlich Details zum Auspizienwesen, Vorschriften für den Flamen Dialis und eine Erklärung für den Ort der Centuriatscomitien.11 Damit ist festzustellen, dass schon ein Drittel aller erhaltenen Erwähnungen des Pomerium vor Cassius Dio unbestreitbar einem antiquarischen Kontext angehört. Die Zeugnisse zum älteren Gracchus und dessen vitium, bei denen, wie erläutert, das antiquarische Detail an sich gegenüber der Darstellung des Verhaltens des Gracchus nachrangig ist, sind hier noch gar nicht mit eingerechnet, ebenso wenig die Aussagen Senecas über einen antiquarischen Gelehrten, den er über das
9
Varr. ling. 5,143; Liv. 1,44,3–5; Plut. Rom. 11,2–3; Suet. prata 313,7 Roth; Tac. ann. 12,23–24; Fest. 294 L; Gell. 13,14. 10 Die Romulus-Vita Plutarchs, wo das Pomerium im Rahmen der Beschreibung des Stadtgründungsrituals eingeführt wird, nimmt hier eine Zwischenstellung ein. 11 Fest. 368 L; Gell. 10,15; 25,27.
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
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Pomerium betreffende Fragen habe referieren hören. Doch wie bereits angedeutet, sind, wenn hier vom antiquarischen Diskurs die Rede ist, nicht allein diejenigen Stellen gemeint, welche die antiquarischen Fragen selbst zum Thema machen. Entscheidend ist vielmehr, dass auch an (nahezu) allen Stellen der antiken Literatur vor dem Ende des 1. Jh. v. Chr. und vielfach darüber hinaus das Pomerium mehr oder weniger deutlich als ein Gegenstand antiquarischen Wissens behandelt oder dargestellt wird, unabhängig davon, ob und ggf. welche genaue Definition oder Funktion ihm jeweils zugeschrieben wird. Bei allen inhaltlichen Unterschieden weist also die Art der Behandlung des Pomerium gewisse Regelmäßigkeiten auf, die m. E. mit dem Diskursbegriff foucaultscher Prägung gut erfasst werden können. Dies soll im Folgenden anhand einiger Stellen, an denen antike Autoren das Pomerium außerhalb der im engeren Sinne antiquarischen Literatur bzw. antiquarischer Exkurse das Pomerium erwähnen, demonstriert werden, wobei auch die Frage der Anlässe für solche Exkurse bei Livius und Tacitus zu betrachten ist. b) Die Berichte über den Fehler des Gracchus Ein frühes Beispiel für die Einbindung des Pomerium in den antiquarischen Diskurs bilden, wie eben angedeutet, jene Erwähnungen, bei denen es um die Episode um Tiberius Gracchus den Älteren geht und die vor allem im Unterkapitel zum Pomerium als auguraler Grenze untersucht wurden. Dabei ist zwar bei aller Genauigkeit, mit welcher der jeweilige Autor die Bedeutung des Pomerium für den konkreten Sachverhalt zu schildern versucht, dieser nicht das eigentliche Thema. Es ist mit anderen Worten für die jeweilige Hauptaussage nicht entscheidend, worin genau der von Tiberius Gracchus begangene Formfehler bestand. Zentral ist allerdings, wie die Analyse gezeigt hat, dass nach Cicero der Fehler des Gracchus kein völlig triviales Versehen darstellte, sondern ein Spezialwissen betraf, dessen ungenaue oder unsichere Kenntnis selbst für den Augur Gracchus durchaus entschuldbar war. Er konnte glaubhaft und ohne Ansehensverlust so dargestellt werden, dass er sich erst durch Lektüre von Schriften an die von ihm missachtete Regel erinnerte und sich seines Fehlers bewusst geworden war (se cum legeret libros recordatum esse)12. Das im antiquarischen Diskurs vorausgesetzte Abbrechen der mündlichen Überlieferung des Wissens der Frühzeit wird hier schon angedeutet. Zugleich kann die Episode nur auf dieser Grundlage überhaupt als historisches Exemplum für den außerordentlichen Respekt gegenüber den Regeln der Religion, hier des Auguralrechts, fungieren, den frühere Generationen angeblich an den Tag gelegt hätten. In diesem Sinne wird die Episode auch sehr knapp von Valerius Maximus (ohne Erläuterung des Fehlers), später wie gesehen ausführlich von
12
Cic. nat. 2,11.
290
Das „Schreiben“ der Grenze
Plutarch13 (wenn auch ohne Nennung des Pomerium) sowie von Granius Licinianus14 wieder aufgegriffen. In den verschiedenen Versionen der Gracchus-Episode wird also zum einen die Distanz zum Wissen der Frühzeit ins Bewusstsein gerufen, zum anderen die angeblich verlorene pietas früherer Generationen veranschaulicht, im Vergleich zu denen die eigenen Zeitgenossen sowohl völlige Unkenntnis als auch – und vor allem – Nachlässigkeit zeigen würden. Die Episode dient als Exemplum für die Feststellung, dass zwar einerseits bereits in der Zeit des Gracchus insbesondere die Einrichtungen der Religion nicht mehr in allen Details bekannt gewesen seien (umso mehr müssten diese wiederentdeckt werden), andererseits aber jene Regelverstöße, von denen man Kenntnis erlangte, mit unerbittlicher Konsequenz korrigiert worden seien. Dieser Verweis auf ein bis hin zum Bruch gesteigertes Dekadenzverhältnis der Gegenwart zur ferneren Vergangenheit – entstanden durch Nachlässigkeit – ist als ein typisches Element des antiquarischen Diskurses in der späten Republik anzusprechen. Die zugrundeliegende Denkfigur ist allerdings auch schon bei den griechischen Vorbildern der römischen Antiquare anzunehmen sowie bei späteren Autoren zu beobachten, obwohl hier der moralische Aspekt gegenüber dem der gehobenen Unterhaltung und Selbstvergewisserung innerhalb der Elite in den Hintergrund tritt.15 c) Livius: Definitionsexkurs, Perduellio-Gesetz und Camillus-Rede Wenn man einmal von der zitierten Granius-Licinianus-Stelle zu Gracchus absieht, taucht das Pomerium in der Geschichtsschreibung im engeren Sinne16 vor Cassius Dio bei Livius, Tacitus und Florus auf. Und auch bei diesen Autoren findet es – im Gegensatz zu Dio – nahezu ausschließlich außerhalb der eigentlichen Darstellung des Geschehens Erwähnung, besonders in jenen antiquarischen Exkursen, in welchen die analysierten Definitionen des Pomerium formuliert werden. Besonders offensichtlich ist dies bei Livius’ Exkurs zur Definition des Pomerium. Schon die Erwähnung der Pomeriumerweiterung des Servius Tullius ist selbst mehr Teil des antiquarischen Exkurses als der fortlaufenden Darstellung, da sie nur als notwendiges Korrelat der ausführlich besprochenen Erweiterung der Stadtmauer 13
Nach Plutarch (Marc. 5,1) war die Regel dem Gracchus sogar gänzlich unbekannt gewesen und er war – wie betont wird – nur zufällig (ἐντυχὼν) auf das betreffende Buch gestoßen. 14 28,25 f. 15 Zu diesen Entwicklungen vgl. z. B. Stevenson 2004. 16 Hier sind also das Memorabilien-Werk des Valerius Maximus (siehe Kap. 4.2.1) und die Romulus-Vita des Plutarch, welche Erwähnungen des Pomerium enthalten, nicht mitgerechnet.
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
291
angesprochen wird (aggere et fossis et muro circumdat urbem; ita pomerium profert).17 Im Gegensatz zur Stadtmauererweiterung, die ihrerseits eine Reaktion des Servius Tullius auf das Bevölkerungswachstum darstellt und so in einen historischen Handlungszusammenhang eingebunden ist, ist das Pomerium hier ausschließlich von antiquarischem Interesse. Livius erwähnt das Pomerium in der Folge auch noch in zwei weiteren Passagen, die ebenso nicht Teil der eigentlichen Narration sind. Zwar handelt es sich hier auch nicht eigentlich um antiquarische Exkurse, wohl aber um formal deutlich separierte Abschnitte, nämlich zum einen um die Formel eines angeblich königszeitlichen Gesetzes im Verbund mit einer Rede im direkten Anschluss, in der auf dessen Wortlaut verwiesen wird, zum anderen um eine weitere Rede, welche wir zunächst betrachten wollen: Es handelt sich um die in dieser Arbeit schon an mehreren Stellen angesprochene Rede des Camillus gegen die Auswanderung der Bevölkerung nach dem Galliersturm im fünften Buch.18 Bei der Analyse der einschlägigen Passagen fiel bereits auf, dass das Pomerium zwar erwähnt wird, ohne dass Camillus ihm jedoch irgendeine greifbare Funktion als Grenze zuschreibt. Es erscheint vielmehr als eine Art Monument, in dem sich die unauflösbare Bindung Roms an seinen Platz manifestiert. Von solchen Referenzen auf die stadtrömische Topographie, die zugleich auf die Religion und die Frühzeit verweisen, ist freilich die gesamte Rede durchzogen. Ausdrücklich erwähnt werden sowohl Vestatempel und Capitol – dies mehrfach und einschließlich verschiedener antiquarischer Details – als auch kleinere Heiligtümer wie etwa jenes des Aius Locutius oder die Hütte des Romulus. Allgemein sagt Camillus über die Stadt, sie sei ganz erfüllt von heiligen Orten (nullus locus in ea non religionum deorumque est plenus); ihr Platz sei ferner auch in physisch-geographischer Hinsicht mit Bedacht gewählt worden, trotz der Sümpfe und Wälder, welche die zunächst hirtenhaften Vorfahren in eine Stadt verwandelt hätten. Die Topographie Roms fungiert als wesentlicher Garant der Kontinuität angesichts einer radikal andersartigen Vergangenheit.19 Neben diesen Aspekten steht nicht 17
Liv. 1,44,3. Liv. 5,51–54. 19 So betont Walter 2004, 401, im Hinblick auf die Camillus-Rede, dass dort „die pietas und das Armut / Reichtum-Motiv in einen geschichtlichen Horizont eingebunden werden, der die polare Differenz von Vergangenheit und Gegenwart ebenso betont wie ihre Zusammengehörigkeit in einem Kontinuum“. Zur Rolle der antiquarisch erschlossenen Topographie in diesem Zusammenhang Wallace-Hadrill 2008, 259, der ausdrücklich auf Varro verweist: „Camillus’ speech in Livy depends heavily on the publication of Varro’s Antiquities, which heightened Roman awareness of the rites, both practised and forgotten, associated with ‚each stone‘, and on the mood of ‚restoration‘ of Augustan Rome. In this sense, it would appear, Varro’s Antiquities offered a map of the city: its topography was synonymous with the specificities of ritual practice.“ 18
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Das „Schreiben“ der Grenze
zuletzt das auch im antiquarischen Diskurs der späten Republik zentrale Thema der Nachlässigkeit (neglegentia) und des Vergessens der religiösen Verpflichtungen immer im Raum, die bereits zum schweren Krieg gegen Veji und zum Galliersturm beigetragen und nun in der Auswanderungsabsicht der Bevölkerung geradezu ihre höchste Form angenommen hätte. Die Argumentation der Rede ist also selbst eng an den antiquarischen Diskurs aus der Gegenwart des Autors angelehnt, der hier in eine frühere Epoche verlagert wird. Auch hier wird also das Pomerium innerhalb des antiquarischen Diskurses thematisiert. Die erste Nennung des Pomerium in Livius’ Werk (streng genommen zwei eng zusammenhängende) findet sich jedoch sogar noch vor jener Passage zur Regierung des Servius Tullius im ersten Buch, in die der Definitionsexkurs eingegliedert ist. Diese in der Forschung zum Pomerium vergleichsweise wenig beachteten Stellen sind auch in dieser Arbeit bisher noch nicht untersucht worden, da sie sich weder im Hinblick auf Definitions- und Ursprungsfragen noch auf Funktionen des Pomerium als ergiebig erweisen. Zunächst ist festzustellen, dass schon der weitere Kontext der hier gemeinten Erwähnung des Pomerium einen ausgeprägt antiquarischen Charakter hat: Es handelt sich um die Erzählung über den Kampf der Horatier gegen die Curatier, den Sieg und folgenden Schwestermord des überlebenden Horatius sowie den Prozess gegen ihn, einen Komplex, der verschiedenste Aitiologien von Orten und Institutionen enthält und sich vermutlich wesentlich aus deren Verknüpfung untereinander herausgebildet hat.20 Doch selbst in diesem Kontext begegnet das Pomerium wieder in einer formal von der Haupterzählung deutlich separierten Passage: Livius zitiert hier nämlich zunächst die angebliche Formel des Gesetzes, welches der König Tullus Hostilius zunächst erlassen habe und das dann im Prozess gegen Horatius zur Anwendung gekommen sei: Rex, ne ipse tam tristis ingratique ad vulgus iudicii ac secundum iudicium supplicii auctor esset, concilio populi advocato „Duumviros“ inquit, „qui Horatio perduellionem iudicent, secundum legem facio.“ Lex horrendi carminis erat: Duumviri perduellionem iudicent; si a duumviris provocarit, provocatione certato; si vincent, caput obnubito; infelici arbori reste suspendito; verberato vel intra pomerium vel extra pomerium.21 20
So z. B. Solodow 1979, bs. 261. Zur livianischen Horatius-Geschichte vgl. auch mit umfangreicher Bibliographie Oakley 2010. 21 Liv. 1,26,6: „Der König war jedoch nicht gewillt, persönlich ein so bitteres Urteil zu fällen, das der breiten Masse nicht gefallen würde, und nach dem Urteil die Strafe zu verhängen. Daher berief er eine Volksversammlung und verkündete: ‚Kraft Gesetzes bestelle ich zwei Untersuchungsrichter, die den Hochverratsprozess gegen Horatius führen sollen.‘ Das Gesetz hat folgende schauerlichen Formel: ‚Zwei Untersuchungsrichter
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
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Die Formel wird hier offensichtlich in einer archaisierenden Rechtssprache rekonstruiert, welche in ihrem Stil (Kürze der Sätze, Auslassungen von Subjekt und Objekt) an das Zwölftafelgesetz erinnert. Dass sie aber sprachlich nicht tatsächlich der Frühzeit entstammt, steht außer Frage. Ogilvie bestimmt sie genauer als „second-century ‚restoration‘“.22 Sie ist ferner erst durch den 63 v. Chr. aus politischen Gründen angestrengten Prozess gegen Rabirius als ein angeblich königzeitliches Gesetz in die Rechtspraxis gelangt: Rabirius wurde von Cicero in einer Rede – nach Ogilvie „the best commentary on this chapter“23 – verteidigt, in welcher aus der angeblich königszeitlichen Formel wörtlich zitiert wird.24 Dieser spektakuläre Prozess kann somit in den Kontext antiquarischer Forschung eingeordnet werden, welche eine solche Anklage erst ermöglichte.25 Das Pomerium als Bestandteil der rekonstruierten Formel ist also auch hier eindeutig eingebunden in einen antiquarischen Diskurs. Dabei bleibt aber nicht nur jede praktische Bedeutung, die das Pomerium in diesem Kontext hätte haben können, unklar; die zitierte Formel selbst relativiert dessen Bedeutung sogar explizit (vel intra pomerium vel extra pomerium).26 Eindeutig ist lediglich, dass die Erwähnung des Pomerium in einer archaischen Gesetzesformel offenbar passend und glaubhaft erschien. Allein diese Nennung des Pomerium in der Formel und nicht eine irgendwie fassbare Relevanz in der Sache bietet nun den Anlass für eine weitere Erwähnung wenige Zeilen später, nämlich in der emphatischen Verteidigungsrede des Vaters des Angeklagten, die in rhetorischer Absicht den Wortlaut des Gesetzes im Detail aufgreift: I, lictor, colliga manus, quae paulo ante armatae imperium populo Romano pepererunt. I, caput obnube liberatoris urbis huius; arbore infelici suspende; verbera vel intra pomerium, modo inter ilia pila et spolia hostium, vel extra pomerium, modo sollen den Hochverratsprozess führen. Wenn der Angeklagte gegen die Entscheidung der beiden Berufung einlegt, dann soll er versuchen dürfen, damit durchzukommen. Bleibt es bei dem Urteil der Untersuchungsrichter, so soll man ihm das Haupt verhüllen und ihn am Baum des Unheils mit einem Strick aufhängen; man soll ihn geißeln innerhalb des Pomerium oder außerhalb des Pomerium.‘“ Übers: H. J. Hillen, mit wenigen Änderungen. 22 Ogilvie 1965, 114; zu dieser Episode insgesamt 114–117. 23 Ebd., 114. 24 Cic. Rab. perd. 13, siehe unten Anm. 28. Vgl. zu den Zusammenhängen zwischen Prozesses mit Livius’ Horatius-Geschichte Liou-Gille 1994. 25 Vgl. Sehlmeyer 2009, 65; Fuhrmann 1987, 131. 26 Gleichwohl hat man natürlich versucht, bestimmte staats- und sakralrechtliche Regeln hier hineinzuinterpretieren (z. B. Liou-Gille 1994, 28; Ogilvie 1965, 116) was sich aber allein aus den etablierten Vorannahmen über Charakter und Funktion des Pomerium erklärt und in der Stelle selbst keine Grundlage besitzt.
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Das „Schreiben“ der Grenze
inter sepulcra Curiatiorum. Quo enim ducere hunc iuvenem potestis, ubi non sua decora eum a tanta foeditate supplicii vindicent? 27 Diese Bezugnahmen auf den Wortlaut der Formel verstärken nicht allein den Eindruck der Distanz zwischen der Sprache der Formel und der Umgangssprache der handelnden Personen, wobei das ebenfalls wiederaufgegriffene Element des Pomerium miteinbezogen ist. Diese Distanz dient vielmehr gerade deshalb auch als Anknüpfungspunkt der Verteidigung, da an ihr die Unangemessenheit der Formel für den konkreten Fall des Horatius besonders sinnfällig werden soll. Das Vorgehen erinnert dabei stark an eine Passage aus Ciceros erwähnter Rede für Rabirius: Dort wird nicht nur ebenfalls mit fast identischen wörtlichen Zitaten aus der Formel gearbeitet (allerdings ohne Erwähnung des Pomerium), sondern zugleich deren grausamer Inhalt (cruciatus carmina) angesprochen, den auch Livius (lex horrendi carminis) betont. Überdies wird bei Cicero auch noch der archaische Wortlaut ausdrücklich thematisiert, um die Formel als nicht mehr maßgeblich darzustellen (quae verba […] tenebris vetustatis […] oppressa sunt).28 Zwar kann Livius natürlich weder das eine noch das andere inhaltlich übernehmen; den von der Formel vermittelten Eindruck der Fremdheit, den schon Cicero so massiv unterstrichen hatte, scheint er aber bis zu einem gewissen Grad auch in die Verteidigungsrede des älteren Horatius in seiner Erzählhandlung integrieren zu wollen. Unabhängig davon ist aber jedenfalls auch bei der zweiten Erwähnung des Pomerium, da sie
27
Liv. 1,26,11: „Geh, Liktor, binde die Hände, die eben erst mit Schwert und Schild dem römischen Volk die Herrschaft gewonnen haben! Geh, verhülle dem Befreier dieser Stadt das Haupt! Hänge ihn an den Baum des Unheils! Geißle ihn entweder innerhalb des Pomeriums – dann aber bei diesen Speeren und den anderen erbeuteten Waffen der Feinde – oder außerhalb des Pomeriums – dann aber bei den Gräbern der Curiatier! Denn wohin könnt ihr diesen jungen Mann bringen, wo ihn nicht der Glanz seiner Taten vor einer so grauenhaften Bestrafung schützte?“ Übers. H.-J. Hillen. 28 Cic. Rab. perd. 13: Namque haec tua, quae te, hominem clementem popularemque, delectant, „I, lictor, conliga manus“, non modo huius libertatis mansuetudinisque non sunt sed ne Romuli quidem aut Numae Pompili; Tarquini, superbissimi atque crudelissimi regis, ista sunt cruciatus carmina quae tu, homo lenis ac popularis, libentissime commemoras: „Caput obnubito, arbori infelici suspendito“, quae verba, Quirites, iam pridem in hac re publica non solum tenebris vetustatis verum etiam luce libertatis oppressa sunt („Denn die Worte, die dir, einem milden und volksfreundlichen Menschen, Freude machen: ‚Geh, Liktor, binde ihm die Hände!‘ – sie widerstreiten unserer jetzigen Freiheit und Milde und sogar der Zeit des Romulus oder des Numa Pompilius; Tarquinius, der anmaßendste und grausamste König, hat diesen Martergesang erfunden, den du, ein sanfter und volksfreundlicher Mensch, mit größtem Vergnügen im Munde führst: ‚Verhülle ihm das Haupt, knüpfe ihn an den Baum des Unheils.‘ Diese Worte, Quiriten, sind in unserem Staate schon längst verblichen, nicht nur in der Finsternis uralter Zeit, sondern auch im Lichte der Freiheit.“ Übers. M. Fuhrmann.).
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
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allein durch jene in der rekonstruierten Formel veranlasst ist, die Einbindung des Begriffs Pomerium in den antiquarischen Diskurs deutlich. Bevor wir nun zu den weiteren Erwähnungen des Pomerium in der Geschichtsschreibung übergehen, welche in das 2. Jh. n. Chr. datieren, sollen zwei Stellen aus der Literatur des 1. Jh. n. Chr. betrachtet werden, die ebenfalls von der Einbindung des Pomerium in den antiquarischen Diskurs zeugen. d) Seneca und der Vortrag eines Gelehrten Ein in dieser Hinsicht besonders eindrückliches Zeugnis, das ebenfalls bereits angesprochen wurde, findet sich bei Seneca. Dieser paraphrasiert in De Brevitate Vitae die mündlichen Ausführungen eines Gelehrten über das Pomerium und stellt diese geradezu in eine Reihe abschreckender Beispiele für einen antiquarischen Diskurs, der sich mit nutzlosen Dingen und irrelevanten Detailfragen beschäftige: Sed, ut illo revertar unde decessi et in eadem materia ostendam supervacuam quorundam diligentiam, idem narrabat […] Sullam ultimum Romanorum protulisse pomerium, quod numquam provinciali sed Italico agro adquisito proferre moris apud antiquos fuit. Hoc scire magis prodest quam Aventinum montem extra pomerium esse, ut ille affirmabat, propter alteram ex duabus causis, aut quod plebs eo secessisset aut quod Remo auspicante illo loco aves non addixissent, alia deinceps innumerabilia quae aut farta sunt mendaciis aut similia? Nam ut concedas omnia eos fide bona dicere, ut ad praestationem scribant, tamen cuius ista errores minuent? Cuius cupiditates prement? Quem fortiorem, quem iustiorem, quem liberaliorem facient? Dubitare se interim Fabianus noster aiebat, an satius esset nullis studiis admoveri quam his implicari.29 29
Sen. De brevitate vitae 13,8: „Um aber darauf zurückzukommen, wovon ich abgeschweift bin, und um am gleichen Gegenstand die völlig überflüssige Gründlichkeit mancher Forscher zu erweisen: Der eben zitierte Gelehrte berichtete, […] Sulla habe als letzter Römer das Pomerium vorgeschoben, was nach altem Brauch nur geschehen sei, wenn in Italien, aber nicht anderswo, Land gewonnen worden war. Das zu wissen, ist nützlicher als, dass der Aventin sich außerhalb des Pomerium befinde, was derselbe Mann versichert, und zwar entweder aus dem Grund, weil sich dorthin die Plebs abgesetzt habe, oder aber deshalb, weil damals, als Remus an jenem Ort Vogelschau hielt, die Zeichen ungünstig waren […]. Darauf folgt gleich noch eine Unzahl weiterer Nachrichten, die entweder voll von Lügen sind oder zumindest so klingen. Denn gesetzt, dass diese Leute das alles in gutem Glauben erzählen, gesetzt, dass sie sich für die Richtigkeit des Geschriebenen verbürgen – wessen Irrtümer wird denn dergleichen verringern? Wessen Begierden wird es unterdrücken? Wen wird es tapferer, wen gerechter, wen freigiebiger machen? Er sei noch im Zweifel, sagte oft unser lieber Fabianus, ob es nicht besser sei, sich überhaupt nicht wissenschaftlich zu betätigen, als sich in derlei Studien zu verheddern.“ Übers. G. Fink, mit einer Änderung.
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Das „Schreiben“ der Grenze
Dass Seneca hier die Ausführungen des Gelehrten zum Pomerium klar einem antiquarischen Diskurs zuordnet, ist offensichtlich. Hinzu kommt, dass seine Darstellung dabei vermutlich von realen Äußerungen von Gelehrten jener Zeit zumindest inspiriert ist. Es liegt nämlich sehr nahe, dass die Frage der Pomerium erweiterungen in jener Zeit tatsächlich diskutiert wurde, veranlasst durch die Erweiterung des Claudius im Jahre 49 n. Chr.30: Diese entsprach offensichtlich nicht den strengen Voraussetzungen, welche man nach Ansicht des senecanischen Gelehrten in früherer Zeit beachtet hatte. Denn Claudius hatte selbstverständlich nicht, wie es dieser für notwendig hielt, Gebiete in Italien erworben, sondern muss sich vielmehr auf seine Erfolge in Britannien bezogen haben, wenn er auf den Grenzsteinen auf eine Vergrößerung des römischen Herrschaftsgebietes verwies.31 Auch hatte Claudius offenbar erstmals den Aventin in das Pomerium einbezogen, was auch das von Senecas Gelehrtem angeschnittene zweite Thema aufgebracht haben könnte: die Frage, warum dieser Hügel in der Vergangenheit außerhalb des Pomerium verblieben war. In typisch antiquarischer Manier habe der Gelehrte hier verschiedene Erklärungen, welche offenbar von anderen vertreten wurden, gegeneinander abgewogen. Bemerkenswert ist an dieser Stelle somit vor allem, dass auch ein Autor, der dem, was wir als antiquarischen Diskurs bezeichnen, distanziert bis ablehnend gegenübersteht, gerade auch das Thema des Pomerium als typisches Beispiel für diese von ihm kritisierte Denk- und Redeweise verwendet. e) Lukan und die Lustratio Urbis Wieder in einem anderen Gattungskontext begegnet uns das Pomerium in Lukans historischem Epos Pharsalia. Auch diese Stelle wurde bereits im Zusammenhang mit der Definition des Pomerium erwähnt. Es handelt sich zugleich um das erste greifbare Auftreten des Pomerium in der Dichtung und in der dort üblichen Pluralform pomeria.32 Dargestellt wird hier eine Lustratio Urbis, d. h. eine prozessionsartige Umrundung der Stadt, veranlasst durch eine Häufung unglücklicher Vorzeichen und unter Anleitung des etruskischen Haruspex Arruns:
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In der Datierungsfrage folge ich Giardina 1997, bs. 128–130. Für eine Datierung ins Jahr 62 n. Chr. und einen Zusammenhang mit einer Pomeriumerweiterung Neros hat dagegen Herrmann 1948 plädiert. 31 Siehe Kap. 4.1.2 c). 32 Deren Verwendung erklärt sich zumindest teilweise aus metrischen Gründen, da der Singular im daktylischen Hexameter nur bei folgendem kurzen Vokal und Elision möglich wäre. Dies betont Dewar 1996, 283, wobei er hinzufügt, solche Fügungen seien eher vermieden worden („evidently considered ugly“).
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
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Mox iubet et totam pavidis a civibus urbem / ambiri et festo purgantes moenia lustro / longa per extremos pomeria cingere fines / pontifices, sacri quibus est permissa potestas33 Zwar handelt es sich bei der mit diesen Worten beginnenden Passage, welche die Nennung des Pomerium enthält, nicht um einen Exkurs, auch wenn sie als ausführliche Ritualbeschreibung eine gewisse Eigenständigkeit innerhalb der Haupterzählung besitzt. Auch wird auf das Pomerium und seine Ursprünge nicht weiter eingegangen. Und auch auf der genauen Bedeutung des Begriffs, obwohl sie sich hier offenbar klar sowohl von der Mauer als auch von extremos fines unterscheidet, liegt kein großes Gewicht. Dennoch erscheint das Pomerium hier ebenfalls in mehrfacher Hinsicht in den antiquarischen Diskurs eingebunden. Dies ist zunächst auf der Handlungsebene zu beobachten: Die zuerst durch den Einmarsch Caesars in Italien und den Abzug des Pompeius, dann durch die verschiedenen übernatürlichen Unheilszeichen verängstigten Bürger konsultieren zwar keinen antiquarischen Gelehrten, dafür aber einen externen, eigens aus Etrurien herbeigeholten Experten, auf dessen altes Wissen die Bewohner Roms in einer Bedrohungslage vertrauen. Dabei betont Lukan außerdem34, schon diese Einbindung eines solchen Spezialisten in derartigen Fällen sei ein alter Brauch (mos vetustus). Auch Arruns selbst ist gerade der älteste unter diesen (maximus aevo); er lebt in einer ansonsten bereits verlassenen Stadt und verfügt – selbstverständlich – über die notwendigen Kenntnisse (edoctus). Durch diese Rahmung des Rituals wird klargestellt, dass die an der Prozession teilnehmenden Personengruppen, diese weder als routinemäßigen Akt noch als situative Neuerfindung, sondern als eine Wiederholung von schon in der Frühzeit praktizierten Handlungen verstehen, unabhängig davon, inwieweit sie deren Hintergründe ganz konkret durchschauen.35 Die performative Markierung des Pomerium durch die Prozession aktiviert somit automatisch auch dessen Verweischarakter auf die Religion der Frühzeit, von deren korrektem Vollzug man erhofft, er werde das drohende Unheil des Bürgerkriegs abwenden. Zwar hat das Ritual in dieser Hinsicht keinen Erfolg, was dem Autor und seinen Rezipienten natürlich bekannt ist und durch die in der folgenden Szene thematisierten weiteren Unheilszeichen bei der Opferschau des Arruns auch intradiegetisch offenbar wird.
33
Lucan. 1,592–595: „Dann ließ er [Arruns] die ängstlichen Bürger die ganze Stadt umziehen und die Pontifices, denen denen die Leitung des Kults übertragen ist, entlang der äußersten Grenzen die weiten pomeria umrunden, um mit feierlichem Sühnopfer die moenia zu reinigen.“ 34 Lucan. 1, 584–587. 35 In dieser Reflexivität selbst kann mit guten Gründen ein wichtiger Aspekt des Ritual geschehens gesehen werden, siehe den folgenden Abschnitt Kap. 4.1.1 f).
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Das „Schreiben“ der Grenze
Mit dieser Einschränkung nehmen aber ferner – auf einer weiteren Ebene – selbstverständlich auch der Erzähler und dessen implizite Leser insofern am antiquarischen Diskurs teil, als sie das beschriebene Ritual in Kenntnis der Örtlichkeit gedanklich nachvollziehen und es dabei ebenfalls als zumindest versuchte Anknüpfung an frühzeitliche Praktiken verstehen. Zwar können diese die ausführlich beschriebene Prozession36 nicht körperlich miterleben, verfügen dafür aber über weitere antiquarische Informationen, welche den Handelnden in der Erzählung durch das Ritual selbst nicht mitgeliefert werden. So wird etwa die Tracht der Priester als cinctus Gabinus kenntlich gemacht, eine auf die kleine, eng mit der römischen Frühzeit verknüpfte, latinische Stadt Gabii zurückgeführte Art, die Toga zu tragen. Diese wich von der üblichen Opfertracht ab und wird von antiken Autoren u. a. mit dem Pflugritual bei der Stadtgründung und anderen außergewöhnlichen religiösen Handlungen in Verbindung gebracht.37 Die oberste Vestalin wird außer dem Verweis auf ihre Binde (vittata sacerdos) zudem mit dem Detail charakterisiert, diese sei die einzige, welche die trojanische Minerva erblicken dürfe. Und nicht zuletzt erwähnt Lukan die Priester der Cybele, welche jährlich das Bild der Göttin vom Bade im Flüsschen Almo zurück zu ihrem Tempel brachten. All diese Informationen stehen aber offensichtlich in keinerlei Sachzusammenhang mit dem Vollzug der Lustratio Urbis und haben zunächst lediglich den Zweck der antiquarischen Ausschmückung. Auf indirektem Wege tragen aber auch diese Elemente assoziative Bedeutungsdimensionen zur Lustratio Urbis und letztlich zum Pomerium als räumlichen Anknüpfungpunkt antiquarischen Wissens bei.
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Lucan. 1,596–609: turba minor ritu sequitur succincta Gabino / Vestalemque chorum ducit vittata sacerdos, / Troianam soli cui fas vidisse Minervam. / tum qui fata deum secretaque carmina servant / et lotam parvo revocant Almone Cybeben / et doctus volucres augur servare sinistras / septemvirque epulis festus Titiique sodales / et Salius laeto portans ancilia collo / et tollens apicem generoso vertice flamen. / dumque illi effusam longis anfractibus urbem / circumeunt, Arruns dispersos fulminis ignes / colligit et terrae maesto cum murmure condit / datque locis numen („Mit geraffter Toga nach Gabinerart folgte die Masse der Geringeren, und der Vestalinnenschar schritt unter ihrer Bänderhaube die Oberin vorauf die als einzige das trojanische Palladium schauen darf. Dann kamen die Männer, die die Geheimbücher mit Götterweisungen verwahren oder Cybeles Bild vom Bad im Flüsschen Almo heimgeleiten, die in Beobachtung von günstigem Vogelflug erfahrenen Auguren, die sieben Bereiter festlicher Göttermähler, die Titiergilde, tanzfrohe Salier mit umgehängten Schilden und erlauchte Flamines mit hoher Tiara auf dem Kopf. Während diese nun den weitgespannten Kreis der Stadt umwanderten, sammelte Arruns hier und dort Blitzfunken ein, bestattete sie unter dem Gemurmel von Grabgebeten zur Erde und weihte die Stellen.“ Übers. W. Ehlers). 37 Vgl. z. B. Gargola 2017, 141 f.; Mau 1899.
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
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f ) Exkurs: Prozessionen entlang des Pomerium als Teil des antiquarischen Diskurses Das zuletzt Gesagte wirft die Frage nach dem Charakter und der Regelmäßigkeit von tatsächlichen rituellen Umgängen entlang des Pomerium auf. Es ist damit zu rechnen, dass Lukan in der analysierten Passage eine Art Idealtyp präsentiert, dessen Gestaltung mindestens ebenso sehr durch die Rezeption antiquarischer Literatur wie durch eigene Anschauung von vergleichbaren Prozessionen geprägt ist, die sich nicht zwingend auf das Stadtgebiet bezogen haben müssen und auch nicht vom selben Kultpersonal durchgeführt worden sein müssen.38 Auch die von Lukan beschriebene Orientierung der Umrundungen des Stadtgebietes am Pomerium bzw. (wenn man es als Fläche versteht) an dessen Außengrenze kann somit nur unter Vorbehalt auf alle derartigen Prozessionen übertragen werden, wenngleich ein Zeugnis aus der Epitome des Festus, wonach amburbiales hostiae um die termini urbis herumgeführt wurden, ebenfalls in diese Richtung deutet.39 Grundsätzlich sind Lustrationen als Umgangsriten um einen bestimmten Raum, zuweilen auch um Ansammlungen von Personen oder Gegenständen, in der antiken Literatur vielfach bezeugt, man denke etwa an die gewöhnlich als lustrum bezeichnete Lustration der auf dem Marsfeld versammelten Bürgerschaft im Rahmen des Census.40 In Catos De Agricultura wird die Lustration eines Landguts beschrieben; in einer Elegie Tibulls sowie in einigen Versen bei Vergil geht es ebenfalls um Lustrationen von Landstücken, welche als private Rituale anzusehen sind.41 Der Großteil der Forschung geht ferner auch von der Existenz eines ambarvalia (also etwa „Flurumgang“) genannten öffentlichen Lustrationsrituals um das Ackerland der Stadt Rom aus, wobei allerdings sowohl das damit gemeinte Gebiet (der ursprüngliche ager Romanus?) als auch die Fragen, ob es sich um ein regelmäßiges Ritual handelte und wer es ausführte, aufgrund der spärlichen Quellenlage weiterhin umstritten sind.42 Rituelle Umgänge um das eigentliche Stadtgebiet, für die in den Quellen sowohl die Begriffe amburbium bzw. 38 39
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Ähnlich wie dies z. B. Itgenshorst 2005, 13–41, für die Beschreibungen von Triumphen bei griechischen Autoren der Kaiserzeit dargelegt hat. Paul. Fest. 5 L: Amburbiales hostiae dicebantur, quae circum terminos urbis Romae ducebantur. Hier dürften – im Gegensatz zu Dig. 1,12,3 (siehe Kap. 4.2.2 a) Anm. 166) – mit termini urbis tatsächlich die Cippi des Pomerium gemeint sein, vgl. auch Tac. 12,23. Vgl. allgemein Baudy 1998; ein jüngerer Diskussionsbeitrag ist z. B. Scheid 2016; De Sanctis 2019, 27–30. Cat. agr. 141; Tib. 2,1; Verg. ecl. 3,75–77; georg. 1,345. Die Rekonstruktion der ambarvalia beruht auf der Kombination v. a. der folgenden Stellen: Strab. 5,3,2 (Ἀμβαρουίαν); HA Aurelian. 20,3; Serv. ecl. 3,77; Georg. 1,345; Serv. auct. ecl. 5,75; Macr. sat. 1,13,3; Paul. Fest. 5 L. Zur Forschungsdiskussion vgl. neben Baudy 1998, bs. 149–158, etwa Smith 2017; Ziółkowski 2009; Woodard 2006, 98–141; Pascal 1988; Scheid 1987; Wissowa 1894a.
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Das „Schreiben“ der Grenze
amburbale43 als auch – deutlich häufiger – Lustratio Urbis gebraucht werden, werden zwar immer wieder genannt, doch die Lukan-Passage stellt die einzige ausführlichere Beschreibung eines solchen Vorgangs dar.44 Als entscheidende Grenze, der die Prozessionen gefolgt seien, gilt dementsprechend meist das bei Lukan erwähnte Pomerium45, wobei allerdings die Frage, ob diese konzeptionelle Verbindung in der Antike zwingend war, wie gesagt, offen bleiben muss.46 Außerdem erscheinen solche Handlungen in den antiken Texten ausnahmslos als außergewöhnliche, durch bestimmte ungünstige Vorzeichen veranlasste Maßnahmen und niemals als regelmäßiger Teil des Festkalenders.47 Ob es, wie in der Forschung meist vertreten wird, neben diesen außerordentlichen Lustrationen des Stadtgebiets ein jährliches Fest amburbium (oder amburbale) gegeben habe sollte, bei dem im Wesentlichen dasselbe geschah, ist m. E. fraglich.48 Diese Annahme beruht nämlich fast ausschließlich auf Aussagen hochmittelalterlicher Quellen, welche das Lichtmessfest am 2. Februar als christlichen Ersatz für ein paganes amburbale darstellen, welches bis in die Spätantike beliebt gewesen sei.49 In antiken Texten fehlen für ein amburbale oder amburbium als regelmäßiges Fest aber, 43
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Belege für amburbium / amburbale: HA Aurelian. 20, 3: inspecti libri, proditi versus, lustrata urbs, cantata carmina; amburbium celebratum; ambarvalia promissa (Worin der Unterschied zwischen der Lustratio Urbis und dem amburbium hier gesehen wird, bleibt unklar; beide werden aber eindeutig als außerordentliche Maßnahme dargestellt); Serv. ecl. 3, 77: amburbale vel amburbium dicitur sacrificium, quod urbem circuit et ambit victima; Paul. Fest. 5 L: Amburbiales hostiae dicebantur, quae circum terminos urbis Romae ducebantur. Belege für Lustrationes Urbis (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Liv. 21,62,7; 35,9,5; 39,22,4; 42,20,3; 45,16,6; Plin. nat. 10,35; Sil. 12,752; Tac. hist. 1,87; ann. 13,24; HA Aurelian. 20,3. Julius Obsequens erwähnt Lustrationes Urbis häufig (Obseq. 12; 13; 27a; 36; 44; 44a; 46; 49; 53; 63), fasst dabei aber auch die Prozession der 27 Jungfrauen (dazu z. B. Rosenberger 1998, 183–193) unter diesen Begriff, welche eindeutig nicht die Stadt umrundete. Zu Macr. sat. 1,13,3 vgl. unten Anm. 50. Zur Verbindung dieser Prozessionen mit dem Pomerium vgl. z. B. Gargola 2017, 150; Carlà 2015; Sisani 2016; De Sanctis 2015; Guilhembet 2006, 88; Magdelain 1968, 58; und die in Anm. 46 zitierte Lit. In dieser Hinsicht betont vorsichtig Scullard 1981, 82. Keine genau Zuordnung zu einer Grenze z. B. bei Pax 1950; Wissowa 1894b (vermutet die Orientierung an einer Stadtgrenze „in einem älteren, geringeren Umfange“). Die Stadtmauer anstelle des Pomerium nennt Rosenberger 2007, 295. Dagegen argumentiert Rüpke 2012, 38, dass aus praktischen Gründen tatsächliche Umrundungen entlang des Pomerium oder der Servianischen Mauer „hardly imaginable for a large-scale procession“ seien. Als solche waren sie freilich, wie Gargola 2017, 150, zurecht feststellt „one of the most common rituals used to expiate prodigies“. Vgl. z. B. Rüpke 2012, 38; Baudy 1998, 251–253; Rosenberger 1998, 141; Scullard 1981, 81 f.; Latte 1960, 41 f.; Berve 1927, 2055 f.; Boehm 1927, 2033 f.; Wissowa 1894b; insgesamt vorsichtiger Pax 1950; skeptisch z. B. Guilhembet 2006, 88 f. Die These geht zurück auf Usener 1889, 304–319.
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
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wie gesagt, hinreichende Belege, wenngleich ein solches auch nicht ausgeschlossen werden kann.50 Inwiefern sind nun diese Handlungen als „Aussagen“ über das Pomerium innerhalb des antiquarischen Diskurses zu werten? Unabhängig von der Frage der Regelmäßigkeit ist zu betonen, dass auch jährlich wiederkehrende Feste nicht als reine Routinehandlungen angesehen werden können, sondern von einer hohen Reflexivität auf Seiten der Teilnehmenden begleitet sowie stets in – auch politische – Kommunikationssituationen eingebettet gewesen sein müssen. Dies gilt ganz eindeutig ja auch für den von Lukan dargestellten Fall. Wie die jüngere Forschung betont, ist die deutende Reflexion über das Ritual nicht nur als wichtiger Teil des Ritualgeschehens selbst zu betrachten; sie ist auch mit der literarischen Auseinandersetzung in Wechselwirkung zu sehen, wie etwa Šterbenc-Erker für das Lupercalienfest plausibel gemacht hat.51 Anders gesagt bewirkt der bloße Vollzug der Prozession jedenfalls nicht viel mehr als eine bloße Hervorhebung der abgeschrittenen Linie; alle darüber hinausgehenden Bedeutungen haften der Handlung nicht an sich an, sondern sind erst Ergebnis von Deutungen durch die Handelnden und die Zuschauer, bei denen teilweise auch Literatur eine mittelbare oder unmittelbare Rolle gespielt haben dürfte. Diese Reflexivität gewinnt freilich dann noch eine zusätzliche Ebene, wenn erst über die Notwendigkeit einer Lustratio Urbis bzw. zuvor über die Befragung der Sibyllinischen Bücher bzw. der Haruspices entschieden werden musste. Wie auch immer die tatsächliche frühere Entwicklung dieser Rituale aussah, kann für die späte Republik und Kaiserzeit kaum ein Zweifel daran bestehen, dass diejenigen, die solche Handlungen vollzogen und beobachteten, ob sie nun in regelmäßigen Abständen oder nur ausnahmsweise stattfanden, ihr gemeinschaftliches Handeln in aller Regel als Anschluss an die römische Frühzeit verstanden, unabhängig davon, worin genau sie den performativen Zweck des Rituals sahen (z. B. „Reinigung“, Abwehr von Unheil52). Somit war das Pomerium auch hier, insofern es hier thematisiert wurde, weil die Prozession ihm folgte, in den antiquarischen Diskurs eingebunden. Doch auch bei den diskutierten Umrundungsritualen von Lustratio Urbis bzw. amburbium besteht durchaus die Gefahr, den Stellenwert, der dem Pomerium in 50
Die Aussage in den Saturnalien des Macrobius (1,13,3), man habe im Februar für den Gott Februus die civitas lustrieren müssen (lustrari autem eo mense civitatem necesse erat, quo statuit ut iusta dis Manibus solverentur.), ist sehr allgemein formuliert und könnte sich ohne weiteres auf die Luperkalien beziehen, wie Baudy 1998, 252 f. Anm. 108, auch einräumt. 51 Šterbenc Erker 2009a, bs. 153 f.; allgemein bereits Beard 1987. 52 Zur Kritik der jüngeren Forschung daran, diese antiken literarischen Deutungen von Ritualen nicht als Deutungen, sondern als die eigentliche Bedeutung aufzufassen, vgl. ebd., bs. 153 f. mit weiterer Lit.
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diesem Zusammenhang zugeschrieben wurde, zu überschätzen, und zwar nicht nur wegen der geringen Zahl der Erwähnungen des Pomerium in diesem Zusammenhang. Vor allem ist es m. E. irreführend, wenn in der Forschung gelegentlich das Pomerium selbst – und nicht etwa das Stadtgebiet – als das wesentliche Objekt von Lustratio Urbis bzw. amburbium dargestellt wird, sodass diese geradezu mit einer Lustratio des Pomerium gleichgesetzt werden.53 Auch die Deutung, bei der Lus tratio werde die ursprüngliche rituelle Einrichtung des Pomerium im Kontext der Stadtgründung wiederholt, erscheint bei genauerer Betrachtung als zu einseitig.54 Bei diesen Auffassungen wird nämlich nicht nur die Tatsache zu wenig berücksichtigt, dass in den antiken Zeugnissen stets von lustrata urbs (nicht lustratum pomerium o. ä.) die Rede ist, und dass selbst bei Lukan, der das Pomerium nennt, von einer Reinigung der Mauern bzw. der Gesamtheit der ummauerten Gebäude durch die rituelle Umrundung die Rede ist (purgantes moenia lustro). Außerdem zeigen die zahlreichen anderen Beispiele für das rituelle Muster der Lustratio bzw. des Lustrum, also ritueller Umrundungen, dass auch hier weniger eine bestimmte Grenze als solche im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, sondern der umrundete Gegenstand, der, wie gesagt, nicht einmal in allen Fällen überhaupt ein Raum war. Das schon erwähnte Lustrum der Bürgerschaft beim Census und die Lustratio des Heeres sind hierfür nur Beispiele.55 Aber auch bei Lustrationen z. B. des Capitols oder eines pagus scheinen weniger deren Grenzlinien als diese selbst im Vordergrund gestanden zu haben.56 Es ist darum durchaus nicht zu klären, wie sehr eine Lustratio Urbis bzw. ein amburbium tatsächlich als Bestätigung oder Verstärkung des Pomerium als Grenze aufgefasst wurde, wobei auch mit Veränderungen zu rechnen wäre. Vorstellungen eines apotropäischen Charakters des Pomerium, der durch das Ritual hätte „aktiviert“ werden können, haben sich in dieser Arbeit als grundsätzlich fragwürdig erwiesen. Von einer rituellen „Thematisierung“ des Pomerium durch Lustratio Urbis bzw. amburbium kann, wie bereits gesagt, nur in dem Maße gesprochen werden, in dem diese Handlungen nicht isoliert betrachtet werden, sondern als Teil eines Zusammenhangs, in den auch die Kommunikation und Reflexion der Anwesenden über diese Handlung eingebunden sind. Diese wiederum waren sicher nicht nur 53
Vgl. z. B. De Sanctis 2012b, 121; Beard / North / P rice 1998, 178; Martorana 1978, 60. Ähnlich auch Latte 1960, 41 f., nach dessen Auffassung den Lustrationen und dem Pomerium selbst „der gleiche Gedanke“ eines apotropäischen Kreises zugrunde liege. 54 Z. B. Sisani 2016, 69. 55 Vgl. zu letzterer z. B. Rüpke 1990, 144 f. 56 Bezeichnend ist, dass Siculus Flaccus, De conditionibus agrorum 146 f. L (=110 T), empfiehlt, die Grenzen eines pagus eben am Verlauf der Lustratio abzulesen (quatenus lustrarent). Man denke hier auch, neben den erwähnten Lustrationen von arva bzw. agri, an die bei ähnlichen Anlässen belegten Lustrationen des Capitols (Liv. 3,18,11 und 29,9; Tac. hist. 4,53).
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
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in ihren literarischen Formen durch den antiquarischen Diskurs geprägt. Gerade weil aber die Reflexionsebene von der Handlung selbst nur analytisch, nicht aber faktisch zu trennen ist, sind auch diese realen Fälle von umrundenden Prozessionen (und nicht nur ihre literarische Verarbeitung) als „Aussagen“ über das Pomerium im antiquarischen Diskurs zu werten, durch welche dieses erneut zum Gegenstand antiquarischer Beschäftigung wird. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass in der Forschung gelegentlich auch noch weitere rituelle Handlungen konzeptionell mit dem Pomerium verbunden werden, bei denen die Rolle des Pomerium sogar noch fraglicher ist. Es handelt sich um im Rahmen bestimmter Feste des römischen Kalenders vollzogene Handlungen, die als rituelle „Thematisierungen“ des domi-militiae-Gegensatzes und mithin des Pomerium gedeutet werden, weil sie vermeintlich oder tatsächlich mit Waffen bzw. dem Militärischen zu tun hatten.57 Verbindungen mit dem Pomerium werden entweder darin gesehen, dass der periphere Schauplatz eines Rituals mit der Lage außerhalb des Pomerium zusammenhänge – etwa beim Armilustrium, einem Waffenritual auf dem Aventin –, oder aber darin, dass ein im Rahmen des Rituals stattfindender Eintritt in die Stadt gerade als signifikantes Überschreiten des Pomerium und somit als Übergangsritus zu deuten sei. Letzteres wird etwa angenommen für den Lauf mit dem abgeschlagenen Kopf des an den Oktober-Iden auf dem Marsfeld getöteten Oktoberpferdes (equus October)58 oder für die Transvectio Equitum, eine bewaffnete Reiterparade, die am 15. Juli von Süden in die Stadt hinein zog.59 Ganz abgesehen von der bereits problematisierten Annahme, das Pomerium sei die Grenze zwischen domi und militiae, entbehren auch diese Deutungen allerdings jeder Grundlage in den (sehr spärlichen) Quellen. Unabhängig davon, dass nicht einmal bei allen in diesem Kontext diskutierten Festen überhaupt ein „militärischer Charakter“ sicher greifbar ist60, gibt es vor 57
Zu diesen Festen allgemein Rüpke 1990, 22–28 mit der älteren Lit., zu deren Zusammenhang mit dem Pomerium bs. 26, 235; zuletzt auch Gargola 2017, 134. 58 Im Hinblick auf das Oktoberpferd z. B. Rüpke 2009, 105. 59 Die Transvectio Equitum ist ein interessanter Fall in diesem Kontext, da sie einen recht klaren militärischen Bezug besaß und in die Stadt hinein (und somit über das Pomerium) führte. Während Rüpke 1990, 27, sie als Übergangsritus ähnlich dem Triumph deutet, interpretiert sie Magdelain 1968, 43 f. Anm. 3, formal als zivile Zeremonie, zweifellos deshalb, weil nur so die Trennung von domi und militiae erhalten bleibt. 60 Mit guten Gründen bewertet Rüpke 1990, 23–26, die traditionelle Deutung mehrerer Feste im März als „Kriegsfeste“ und die Annahme eines „Kriegsfestzyklus“ kritisch. Doch auch für die hier genannten Festen im Oktober ist ihr militärischer Charakter kaum in Quellen zu greifen. Ist ein solcher beim Armilustrium durch den Namen immerhin noch naheliegend (tatsächliche Waffen nennen auch Varr. ling. 6,22 und Paul. Fest. 17; 28–29 L), scheint der Zusammenhang beim Oktoberpferd weniger offensichtlich; ob dieser etwa in der späten Republik so empfunden wurde, muss m. E. offenbleiben.
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allem weder für das Pomerium noch für andere Stadtgrenzen Belege, welche diese mit den genannten Festen bzw. Ritualen in Verbindung bringen würden. Auch gibt es bei den in diesen Kontext gehörenden Läufen oder Prozessionen in die Stadt hinein keinerlei Hinweis darauf, dass deren Eintritt in das Stadtgebiet rituell besonders markiert worden wäre, wie es etwa beim Triumph an der Porta Triumphalis offenbar geschah. Auf letztere wird noch an anderer Stelle einzugehen sein.61 In jedem Fall bleibt indes festzuhalten, dass auch die zeitgenössischen Deutungen der genannten Rituale, unabhängig davon, ob sie das Pomerium überhaupt einbezogen, als Aussagen innerhalb des antiquarischen Diskurses zu werten sind. g) Tacitus über Claudius und das Pomerium Kommen wir nach diesem Exkurs, wie angekündigt, auf die literarischen Nennungen des Pomerium und hier auf die Geschichtsschreibung zurück. Tacitus’ Exkurs zum Pomerium62, in dem vom Pomerium des Romulus sowie von späteren Erweiterungen desselben die Rede ist, besitzt, wie jener des Livius, offensichtlich antiquarischen Charakter. Ein Unterschied zu Livius besteht dabei allerdings darin, dass der antiquarische Exkurs bei Tacitus durch eine Erwähnung des Pomerium in der fortlaufenden Darstellung veranlasst ist. Doch, wie sich nun zeigen wird, bedeutet auch dies keine Trennung des Pomerium vom antiquarischen Diskurs, da dieser – ähnlich wie bei Lukan – bereits auf der Handlungsebene deutlich greifbar ist. Es handelt sich nämlich auch hier nicht etwa um eine Situation, in welcher das Pomerium als Grenze in irgendeiner Weise das Handeln von Akteuren beeinflusst hätte, und auch nicht um eine rein topographische Angabe. Angesprochen wird vielmehr die bereits erwähnte Pomeriumerweiterung des Claudius, eine Handlung also, die selbst in den antiquarischen Diskurs eingebunden ist – wir werden darauf zurückkommen. Entscheidend im Hinblick auf Tacitus’ Darstellung ist, dass die Erweiterung des Pomerium hier nicht etwa deshalb erwähnt wird, weil sie irgendwelche nennenswerten Folgen nach sich gezogen hätte. Es sind vielmehr die für diesen Princeps charakteristischen antiquarischen Neigungen, die hier zum Gegenstand der historischen Darstellung werden. In sehr ähnlicher Weise ist dies auch schon zu Beginn des 11. Buches zu beobachten, wo von der Einführung dreier neuer Buchstaben durch Claudius die Rede ist, welche Tacitus zum Anlass für einen antiquarischen Exkurs zur Erfindung der Buchstaben nimmt.63 Dort 61
So jedenfalls Ios. bell. Iud. 7,5,4. Zum Problem der Porta Triumphalis, deren Lage auf dem Pomerium ebenfalls sehr fraglich ist, vgl. Kap. 3.3.2 d). 62 Tac. ann. 12,23–24. 63 Tac. ann. 11,13 f.: ac novas litterarum formas addidit vulgavitque, comperto Graecam quoque litteraturam non simul coeptam absolutamque. Primi per figuras animalium Aegyptii sensus mentis effingebant – ea antiquissima monimenta memoriae humanae
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stellt der Autor die Nachforschungen des Princeps sogar explizit als Ergebnis persönlicher Nachforschungen des Kaisers dar. Im selben Buch ist ferner von einer Initiative des Claudius die Rede, die traditionelle Lehre der Haruspices vor dem Vergessen und der Verfälschung zu bewahren, weshalb er die Pontifices mit entsprechenden Forschungen beauftragt.64 Doch auch wenn dieser ausdrückliche Hinweis auf antiquarische Forschung bei der Pomeriumerweiterung fehlt, kann auch Tacitus’ Erwähnung dieses Sachverhalts kaum anders verstanden werden, als dass das Pomerium für Claudius ein Gegenstand antiquarischer Beschäftigung und öffentlicher Ausdruck seines Anknüpfens an die ferne Vergangenheit war.65 Dies ist auch in der Forschung immer wieder zurecht betont worden, wenngleich man freilich über die dabei vorherrschenden Darstellungsabsichten des Tacitus
impressa saxis cernuntur –, et litteram semet inventores perhibent; inde Phoenicas, quia mari praepollebant, intulisse Graeciae gloriamque adeptos, tamquam reppererint, quae acceperant. quippe fama est Cadmum classe Phoenicum vectum rudibus adhuc Graecorum populis artis eius auctorem fuisse. quidam Cecropem Atheniensem vel Linum Thebanum et temporibus Troianis Palamedem Argivum memorant sedecim litterarum formas, mox alios ac praecipuum Sirmoniden ceteras repperisse. at in Italia Etrusci ab Corinthio Demarato, Aborigines Areade ab Euandro didicerunt; et forma litteris Latinis quae veterrimis Graecorum. sed nobis quoque paucae primum fuere, deinde additae sunt. quo exemplo Claudius tres litteras adiecit, quae usu imperitante eo, post obliteratae, adspiciuntur etiam nunc in aere publicandis plebi s. c. iis per fora ac templa fixo („Er erfand neue Buchstaben und führte sie allgemein ein, nachdem er festgestellt hatte, dass auch das griechische Alphabet nicht gleichzeitig begonnen und vollendet worden war. Die Ersten, die durch Tierbilder ihre Gedanken ausdrückten, waren die Ägypter – diese ältesten Denkmäler menschlicher Überlieferung kann man in Stein gehauen sehen –, und sie halten sich selbst für die Erfinder der Buchstaben. Von dort hätten sie die Phöniker, weil sie das Meer beherrschten, nach Griechenland gebracht und den Ruhm gewonnen, erfunden zu haben, was sie nur übernommen hatten. Es gibt ja die Sage, Kadmos sei auf einer Fahrt mit der phönizischen Flotte für die noch ungebildeten Griechenvölker der Lehrmeister dieser Kunst gewesen. Einige Autoren berichten, der Athener Cecrops oder der Thebaner Linus und in den Zeiten der Trojaner der Argiver Palamedes hätten sechzehn Buchstaben, später dann andere Männer, und zwar vor allem Simonides, den Rest erfunden. Doch in Italien lernten die Etrusker sie von dem Korinther Demaratus, die Aboriginer vom Arkader Euander, und tatsächlich haben die lateinischen Buchstaben das Aussehen der ältesten der Griechen. Aber auch wir hatten zuerst nur wenige, dann kamen einige dazu. Nach diesem Vorbild fügte Claudius drei Buchstaben dazu, die während seiner Regierungszeit in Gebrauch waren und später in Vergessenheit gerieten, die man aber auch jetzt noch auf Bronzetafeln sehen kann, die, um dem Volk einen Senatsbeschluss durch sie bekannt zu geben, auf Foren und in Tempeln angebracht sind.“ Text u. Übers. A. Städele). 64 Tac. ann. 11,15. 65 Inwieweit Tacitus bei den zugehörigen Exkursen auch auf von Claudius selbst verfasste Texte zurückgegriffen hat, was häufig angenommen wird, ist hierbei nicht ausschlaggebend. Vgl. dazu Boatwright 1984, bs. 39–41, mit weiterer Lit.
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unterschiedliche Ansichten vorgebracht hat, die hier nicht weiter diskutiert werden müssen.66 h) Florus und der Beginn der römischen Expansion Der dritte römische Geschichtsschreiber vor Cassius Dio, von dem eine Erwähnung des Pomerium überliefert ist, ist schließlich Florus. Er ist zugleich einer der frühesten Vertreter (vielleicht auch der früheste) jenes Verständnisses von Pomerium, dass sich ab dem 2. Jh. n. Chr. immer mehr durchzusetzen beginnt, wonach dieses einen Grenzbereich der Stadt außerhalb der Mauer darstellt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch noch bei Florus das Pomerium an den antiquarischen Diskurs angebunden scheint und nicht – wie später bei Cassius Dio – eine davon unabhängige Rolle innerhalb eines erzählten historischen Geschehens spielt. Vielmehr bietet der Autor in der Überleitung von der Geschichte der Königszeit und der Errichtung der Republik eine Art Gesamtschau der äußeren Geschichte Roms, innerhalb derer er den Urzustand Roms als von Feinden umgebene Stadt beschreibt: Liber iam hinc populus Romanus prima adversus exteros arma pro libertate corripuit, mox pro finibus, deinde pro sociis, tum gloria et imperio, lacessentibus adsidue usquequaque finitimis; quippe cum patrii soli glaeba nulla, sed statim hostile pomerium, mediusque inter Latium atque Etruscos quasi in quodam bivio conlocatus omnibus portis in hostem incurreret; donec quasi contagio quodam per singulos itum est et proximis quibusque correptis totam Italiam sub se redegerunt.67 Obwohl das Pomerium hier nicht explizit als antiquarischer Gegenstand eingeführt wird, wie etwa bei Livius oder Tacitus, so dürfte doch die Wahl dieses Begriffs 66
Zu den Exkursen bei Tacitus vgl. zuletzt allgemein Suerbaum 2015, 399–436; mit besonderem Fokus auf den antiquarischen Exkursen in den „claudischen“ Büchern der Annales Boatwright 1984, die hier eher ein Element des Ausgleichs innerhalb der sonst überwiegend negativen Darstellung des Kaisers sieht. Vessey 1971, bs. 394 und 404 Anm. 59, meint dagegen, Tacitus parodiere hier Claudius’ antiquarische Interessen und stelle ihn so umso mehr als unfähigen Herrscher dar. 67 Flor. epit. 1,3,6–8: „Das Volk – bereits von diesem Zeitpunkt an frei – ergriff zuerst die Waffen gegen auswärtige Feinde zum Schutz seiner Freiheit, dann zum Schutz der Grenzen, darauf zum Schutz der Bundesgenossen, schließlich zugunsten von Ruhm und Herrschaft, wobei die Nachbarn beständig und überall zum Kampf reizten; weil es nämlich keinen von den Vätern ererbten Grund und Boden als Ackerfläche gab, sondern das Land vor der Mauer (pomerium) schon Feindesland war und sich das römische Volk zwischen Latium und dem Gebiet der Etrusker gleichsam in der Mitte befand, war es an einem Kreuzungspunkt und lief aus allen Toren dem Feind entgegen; dies dauerte solange an, bis man gleichsam wie durch eine Ansteckung jeden einzelnen erfasst hatte, und, nachdem die unmittelbaren Nachbarn befallen waren, sich ganz Italien unterworfen hatte.“ Übers. G. Laser.
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gerade in Bezug auf den außenpolitischen Urzustand Roms kaum zufällig sein. Und selbst wenn dies vom Autor gar nicht intendiert gewesen sein sollte, wird das Pomerium doch faktisch auch an dieser Stelle wieder in den antiquarischen Diskurs eingeschrieben, nämlich als eine Räumlichkeit, an dem sich zugleich die radikale Differenz und die Kontinuität des kaiserzeitlichen Rom als Hauptstadt eines Weltreiches mit dem Rom der Frühzeit manifestiert. Die Passage erinnert in dieser Verbindung von antiquarischem und imperialem Diskurs an die Pomeriumerweiterungen.
4.1.2 Die Erweiterungen des Pomerium und der Pomerium-Exkurs in der Historia Augusta Nach dieser Untersuchung der literarischen Thematisierungen des Pomerium im Rahmen des antiquarischen Diskurses von Varro bis zu Florus ist es notwendig, auch die dabei mehrfach erwähnten Pomeriumerweiterungen als solche und im Zusammenhang zu betrachten. Es gilt zu zeigen, dass diese ebenfalls in erster Linie als „Aussagen“ innerhalb des antiquarischen Diskurses anzusehen sind. Für die Erweiterung des Claudius, eine von nur zwei durch Grenzsteine belegten Erweiterungen, wurde auch dies bereits kurz angesprochen. Besonders bemerkenswert an den Pomeriumerweiterungen ist für unsere Fragestellung, dass der antiquarische Diskurs zur Stadt Rom in diesem Bereich enge Verbindungen mit der Selbstdarstellung von Herrschergestalten sowie mit der Darstellung des Verhältnisses der Stadt zum (Welt-)Reich einging. Es lassen sich, anders gesagt, Überschneidungen des antiquarischen Diskurses mit dem zeitgenössischen Herrscherdiskurs und mit dem imperialen Rom-Diskurs beobachten, welche durch die im antiquarischen Diskurs hergestellten Verbindungen des Pomerium mit Romulus (und Servius Tullius) sowie eine Analogisierung von Pomeriumerweiterung und Eroberung ermöglicht wurden. Dies soll im Folgenden anhand der in den Quellen genannten Pomeriumerweiterungen demonstriert werden, sofern diese hinsichtlich ihrer Historizität wenigstens diskussionswürdig sind. Dass das, was wir hier als antiquarischen Diskurs bezeichnen, insbesondere die Forschungen Varros, eine wichtige Voraussetzung und ein wichtiges Element der Herrschaftsideologie des Augustus bildete, ist ausführlich erforscht und dürfte im Grundsatz unstreitig sein68: Augustus stellte sich in die Nachfolge sowohl des Stadtgründers Romulus als auch des Numa Pompilius, des Friedensherrschers und Vorbilds in der Kultausübung schlechthin.69 Das Anknüpfen an die angeblich 68
Vgl. stellvertretend Wallace-Hadrill 2008, bs. 213–258; Walter 2004, 210 und 408–426; Moatti 1997, 149–155; Zanker 1987, 107–239. 69 Ausdrücklich diagnostiziert Ähnlichkeiten im Selbstverständnis zwischen Augustus und Varro Peglau 2003, 162, Anm. 97.
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verlorenen Traditionen des frühen Rom ist nicht nur in der Literatur der Epoche immer wieder mit Händen zu greifen, sondern auch in den Bildprogrammen der augusteischen Bauwerke, in Festen wie der Säkularfeier 17 v. Chr., den Schließungen des Janus-Tempels und nicht zuletzt auch den politischen Reformen des ersten Kaisers. Ebenso ist die Vorstellung einer Identität von Römischem Reich und Orbis Terrarum, häufig anknüpfend an die Wortähnlichkeit von urbs und orbis, ein Ideologem gerade der augusteischen Zeit, obwohl es nicht völlig neu war und auch weit über die augusteische Zeit hinaus „bespielt“ wurde.70 a) Augustus und / oder Caesar als Erweiterer? Es würde vor diesem Hintergrund also nicht überraschen, wenn – wie bei Tacitus, Cassius Dio und in der Historia Augusta71 behauptet – auch Augustus eine Pomeriumerweiterung vorgenommen hätte, deren Historizität aber in der Forschung häufig abgelehnt wird.72 Als Gegenargument wird neben dem Fehlen von inschriftlichen Belegen besonders die Tatsache angeführt, dass der bei Seneca
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Als Beispiele sei hier nur verwiesen auf die Überschrift der Res gestae divi Augusti (orbem terrarum imperio populi Romani subiecit), ferner die Jupiterrede im ersten Buch der Aeneis Vergils (1,279) mit ihrem imperium sine fine sowie – mit noch stärkerem Bezug auf die Stadt Rom – Ovids Feststellung in den Fasti (2, 683 f.): gentibus est aliis tellus data limite certo / Romanae spatium est urbis et orbis idem („Anderen Völkern ist ein Land mit fester Begrenzung gegeben; Rom – die Stadt – und der Erdkreis haben dieselbe Ausdehnung.“). Ein ähnliches Programm manifestierte sich auch baulich in dem Monument des Goldenen Meilensteins auf dem Forum oder der sogenannten „Weltkarte des Agrippa“ auf dem Marsfeld. Vgl. zu dieser Thematik z. B. Edwards / Woolf 2003, bs. 2–7; Nicolet 1991, bs. 91–144. 71 Tac. ann. 12,23; Cass. Dio 55,6,6; HA Aurelian. 21,11. 72 Zu dieser Frage finden sich Aussagen in praktisch jeder Veröffentlichung zum kaiserzeitlichen Pomerium. Am ausführlichsten hat für die Ablehnung argumentiert Boatwright 1986. Weitere Beispiele für diese vorherrschende Meinung sind Carlà 2015, 615 Anm. 80; Simonelli 2001; Andreussi 1988; Frézoul 1987, 379 f.; Syme 1983, 133 f.; Labrousse 1937, 168. Eher für ein Erweiterung plädieren hingegen Lyasse 2005, 185 (mit dem Argument, dass dann die folgenden Erweiterungen besser verständlich wären); Dmitriev 2004, 574; Ober 1982, 317–319; Blumenthal 1952, 1874; Oliver 1932 (dieser versuchte sogar auf Grundlage der augusteischen Bebauung außerhalb der Servianischen Mauer dessen Verlauf zu rekonstruieren). Die angeblichen numismatischen Belege, die Laffranchi 1919, 27–32, angeführt hat, sind lediglich Darstellungen des Pflugrituals, die sich auf Coloniegründungen beziehen und in ähnlicher Form auch zu anderen Zeiten auftraten. Vgl. Kap. 2.2.1 Anm. 127 und Labrousse 1937, 167–170. Außerhalb der Spezialliteratur zum Pomerium scheint die augusteische Erweiterung allerdings häufiger akzeptiert zu werden, so z. B. von Richardson 2008, 189 f.; Wendt 2008, 171 f.
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zitierte Gelehrte Augustus nicht erwähnt (Sullam ultimum fuisse), und auch in den Res Gestae von einer Pomeriumerweiterung nicht die Rede ist. Dagegen wird zurecht eingewendet, dass dort auch die neue Regioneneinteilung der Stadt von 7 v. Chr. fehlt. Ferner wird auf ein mögliches Missverständnis ebendieser Reform verwiesen. Das wohl stärkste Argument stellt jedoch die Tatsache dar, dass auch in der Lex de imperio Vespasiani das Recht Vespasians auf eine Pomeriumerweiterung nur mit dem Verweis auf Claudius begründet wird, obwohl dort in anderen Kontexten sowohl auf Claudius als auch auf Augustus (und Tiberius) als Vorbilder verwiesen wird.73 Umstritten ist auch die Pomeriumerweiterung Caesars, die jedoch von einer etwas größeren Zahl von Gelehrten akzeptiert zu werden scheint als jene des Augustus, obwohl auch hier die Quellenlage nicht sehr viel besser ist und das Argument der Seneca-Stelle bestehen bleibt.74 Von einer caesarischen Erweiterung sprechen nämlich lediglich Gellius und Cassius Dio, wobei ersterer allerdings auf den spätrepublikanischen Augur Messala als Gewährsmann zu verweisen scheint.75 Teilweise werden auch die genannten Quellenaussagen zu einer Erweiterung des Augustus auf eine Verwechselung mit Caesar zurückgeführt, wobei sich freilich die Frage stellt, warum man nicht mit gleichem Recht im Hinblick auf Gellius und Dio für eine Verwechselung in umgekehrter Richtung argumentieren könnte. Für eine Erweiterung durch Caesar wurde schließlich ins Feld geführt, dass Cicero in seinen Briefen ein Vorhaben erwähnt, das als urbem augere bezeichnet wird und in dessen Rahmen einige nun die eine mögliche Pomeriumerweiterung einbeziehen wollten.76 Allerdings handelte es sich hier offensichtlich um ein urbanistisches Bau- und Infrastrukturprojekt, bei dem u. a. der Lauf des Tiber verändert werden
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Crawford 1996, I, 552 f. (= CIL VI 930, 14–16): utique ei fines pomerii proferre promovere cum ex re publica / censebit esse liceat ita uti licuit Ti(berio) Claudio Caesari Aug(usto) / Germanico („Und dass es ihm erlaubt sein soll, die Grenzen des Pomerium vorzuverlegen und vorzurücken, wenn dies seiner Ansicht nach für das Gemeinwesen geschieht, wie es dem Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus erlaubt war.“) vgl. dagegen die Nennung des Augustus neben Tiberius und Claudius z. B. 1–2: foedusve cum quibus volet facere liceat ita uti licuit divo Aug(usto) / Ti(berio) Iulio Caesari Aug(usto) Tiberioque Claudio Caesari Aug(usto) Germanico. („oder dass es ihm erlaubt sein soll, ein Bündnis mit wem immer er wolle abzuschließen, wie es auch dem vergöttlichten Augustus, dem Tiberius Iulius Casaer Augustus und dem Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus erlaubt war.“). 74 Nicht nur z. B. Lyasse 2005, 179 (der auch für eine augusteische und sogar eine neronische Erweiterung plädiert), sondern auch z. B. Simonelli 2001, 155; Labrousse 1937, 168. Eher ablehnend auch in diesem Fall Carlà 2015, 614; Boatwright 1986. 75 Gell. 13,14; Cass. Dio 53,50,1; 54,49,2. 76 Z. B. von Detlefsen 1886, 513.
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sollte.77 Für eine Verbindung zum Pomerium gibt es keine Hinweise. Auch die caesarische Pomeriumerweiterung muss daher insgesamt als unsicher gelten. b) Vorbild Sulla? Übereinstimmend berichten Seneca, Tacitus, Gellius und Cassius Dio von einer Pomeriumerweiterung Sullas, wobei zumindest Tacitus und Gellius diese ausdrücklich als die erste seit der Königszeit darstellen (von Cassius Dio ist nur der spätere Rückverweis auf Sulla im Zusammenhang mit Caesar erhalten).78 Lediglich in der mit Augustus beginnenden Aufzählung der Historia Augusta, die unten ausführlicher zu besprechen sein wird79, fehlt Sulla als Erweiterer des Pomerium, was jedoch kein großes argumentatives Gewicht haben kann. Denn natürlich könnte der Autor oder seine Quelle die Zählung erst mit dem ersten Princeps begonnen haben. Und vor allem fehlen dort auch Claudius und Vespasian, deren Erweiterungen durch erhaltene Grenzsteine feststehen, während andererseits Nero und Trajan auftauchen, für die Erweiterungen des Pomerium zurecht als unwahrscheinlich gelten80: Bei Nero fehlt schlicht jeder weitere Beleg; bei Trajan kommt noch hinzu, 77
Cic. Att. 13,31,1 (20,1): A Caesare litteras accepi consolatorias […] de urbe augenda quid sit promulgatum non intellexi. Id scire sane velim. („Von Caesar habe ich jetzt einen Beileidsbrief erhalten […] Was zu einer Erweiterung der Stadt bekanntgemacht wurde, habe ich nicht verstanden. Das möchte ich wirklich wissen.“); Cic. Att. 13,33 (33,4), 1: Sed casu sermo a Capitone de urbe augenda, a ponte Mulvio Tiberim perduci secundum montis Vaticanos, campum Martium coaedificari, illum autem campum Vaticanum fieri quasi Martium campum. ‚quid ais?‘ inquam; ‚at ego ad tabulam, ut, si recte possem, Scapulanos hortos.‘ ‚cave facias‘ inquit; ‚nam ista lex perferetur; vult enim Caesar.‘ („Aber Capito brachte das Gespräch zufällig auf die Erweiterung der Stadt: von der Mulvischen Brücke an werde der Tiber an den Vaticanischen Bergen entlanggeführt, das Marsfeld werde vollständig bebaut, und das Vaticanische Feld werde sozusagen zum neuen Marsfeld. ‚Was?‘ sage ich, ‚aber ich wollte zur Auktion und, wenn es wohl möglich ist, die Gärten des Scapula erwerben!‘ ‚Tu das bloß nicht!‘, sagte jener, ‚das Gesetz wird durchgehen; Caesar will es nämlich.‘“). Die Auffassung, mit dem Projekt sei eine Pomeriumerweiterung verbunden gewesen, vertritt besonders Paolo Liverani, so etwa Liverani 2019. 78 Cass. Dio 43,50,1: ταῦτά τε ἐποίει καὶ νόμους ἐσέφερε τό τε πωμήριον ἐπὶ πλεῖον ἐπεξήγαγε. καὶ ἐν μὲν τούτοις ἄλλοις τέ τισιν ὅμοια τῷ Σύλλᾳ πρᾶξαι ἔδοξεν: („Überdies führte er Gesetze ein und erweiterte das Pomerium. Bei diesen und gewissen anderen Maßnahmen schien er wie Sulla vorzugehen.“ Übers. O. Veh). 79 Kap. 4.1.2 d). 80 Für eine tatsächliche Erweiterung durch Nero, die später der damnatio memoriae unterlegen hätte, haben Lyasse 2005, 181 f. und Herrmann 1948, 227 f., plädiert, v. a. unter Verweis auf die auch bei Sueton überlieferten Anschlüsse des Pontus Polemoniacus und der Alpes Cottiae, welche in der Historia Augusta als Gründe für eine Erweiterung gelten. Insgesamt scheint es aber plausibler, hierin eine antiquarische Konstruktion bzw. ein Missverständnis zu sehen. So besonders Syme 1983, zuletzt z. B. Maccari 2017,
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dass die Grenzsteine der Neumarkierung des Pomerium durch Hadrian offenbar exakt über die Steine des Vespasian gesetzt wurden. Ein trajanisches Pomerium als Zwischenschritt ist also nahezu ausgeschlossen.81 Insgesamt sprechen also die direkten Belege deutlich dafür, eine Pomeri umerweiterung durch Sulla als sehr wahrscheinlich anzusehen, weshalb diese Erweiterung in der Forschung auch fast durchweg anerkannt wird.82 Weiter gestützt wird diese Annahme durch Aussagen bei Varro und Livius, die darauf hindeuten, dass in einer für diese Autoren nicht allzu weit zurückliegenden Vergangenheit Erweiterungen des Pomerium stattgefunden hatten: Varro bezeugt ausdrücklich, dass zum Zeitpunkt seiner Arbeit an De Lingua Latina Grenzsteine des Pomerium in Rom existierten, was kaum bezweifelt werden kann. Diese könnten ohne weiteres auf eine Erweiterung Sullas zurückgehen.83 Livius wiederum spricht zumindest allgemein davon, dass es in der Vergangenheit mehrfach zu Pomeriumerweiterungen gekommen sei, die er freilich – entsprechend seiner Definition von Pomerium als Streifen beiderseits der Stadtmauer – konzeptionell mit dem Ausbau des Mauerrings zu verbinden scheint.84 Unabhängig davon war auch ihm der Begriff des pomerium proferre offensichtlich bekannt.85 Da die Quellen, wie gesehen, zu den möglichen Pomeriumerweiterungen vor Claudius meist kaum mehr als das bloße Faktum erwähnen, ist es weniger leicht, diese Erweiterungen hinsichtlich ihrer Einbindung in einen antiquarischen, imperialen und Herrscherdiskurs zu bewerten. Gleichwohl ist es plausibel, davon auszugehen, dass auch bei diesen Maßnahmen teilweise bereits die bei Claudius greifbaren ideologischen Verbindungen bestanden, zumal pragmatische Gründe kaum eine Rolle gespielt haben dürften: Die faktische Ausdehnung der Stadt wurde rechtlich mit dem Verweis auf die (sicher nicht vom Pomerium, sondern vom Stadttor aus gezählte) erste Meile gut bewältigt.86 Auf das völlige Fehlen des
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221 f. In jedem Fall wäre eine neronische Erweiterung als direkter Anschluss an die claudische Erweiterung aufgefasst worden und in denselben Diskursrahmen einzuordnen. Siehe Kap. 4.1.2 d) Anm. 125. Eine Ausnahme bildet lediglich Boatwright 1986, welche alle Erweiterungen vor Claudius für nachträgliche Erfindungen im Kontext von dessen Erweiterung hält. Varr. ling. 5,143: cippi pomeri stant et circum Ariciam et circum Romam. Vgl. Maccari 2017, 239. Liv. 1,44,4: in urbis incremento semper, quantum moenia processura erant, tantum termini hi consecrati proferebantur. Ebd. und 1,44,3: ita pomerium profert. Die extramuralen Bereiche wurden mit anderen rechtlichen Grenzdefinitionen erfasst, vgl. z. B. die zahlreichen Regelungen auf der Tabula Heracleensis (Crawford 1996, I, 355–391), welche mit der Ein-Meilen-Grenze operieren (in u(rbe) R(oma) et ab u(rbe) R(oma) p(assus) mille u. ä.). Auch die zusammenhängende Bebauung (ubei continente habitabitur u. ä.) wird dort angeführt; dieses Konzept wiederum führt Ulpius Marcellus (2. Jh. n. Chr.) bereits auf Alfenus Varus im 1. Jh. v. Chr. zurück
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Pomeriumbegriffs in den im engeren Sinne juristischen Quellen zur Stadt Rom wird noch zurückzukommen sein. Der Umstand aber, dass die Erweiterung als solche ein – nach allem, was wir wissen – seit der Königszeit unerhörter Vorgang galt, der zudem ohne nennenswerte praktische Bedeutung war, lässt freilich kaum einen anderen Schluss zu, als dass auch dieser ohne den antiquarischen Diskurs nicht denkbar gewesen wäre und auch in diesen Rahmen eingeordnet wurde. Selbst Livius, nach dessen Darstellung Erweiterungen von Mauer und Pomerium zwar auch nach Servius Tullius noch vorgekommen seien, benennt, soweit wir sehen, keine weitere konkret, genauso wenig wie irgendein anderer antiker Autor. Man kann also mit guten Gründen davon ausgehen, dass die sullanische Erweiterung sowohl im Rahmen des antiquarischen Diskurses, in dem die Verbindung von Pomerium und Stadtgründung verhandelt wurde, verstanden wurde, als auch im Diskurs um die Möglichkeit einer gerechten Herrschaft, in dessen Rahmen sowohl Romulus als auch Servius Tullius eine wichtige Rolle spielten.87 Möglich ist auch, dass Sulla in diesem Zusammenhang eher auf Romulus als Augur denn als Monarch anspielen wollte.88 In Form der Pomeriumerweiterung manifestierte sich also vermutlich die Selbststilisierung Sullas als Neugründer Roms in einem antiquarisch informierten Akt. Schwieriger zu beurteilen ist, ob auch die in den späteren Quellen so prominente Verbindung mit dem imperialen Diskurs, und zwar in Form einer Verknüpfung der Erweiterung mit Eroberungen oder Erweiterungen des ager Romanus und damit eine Analogie zwischen Stadtgebiet und römischen Herrschaftsgebiet, bereits in sullanische oder gar noch frühere Zeit datiert.89 Immerhin verknüpft Livius (Dig. 50,16,87): Ut Alfenus ait, ‚Urbs‘ est Roma, quae muro cingeretur, ‚Roma‘ est etiam qua continenti aedificia essent. Vgl. zu dieser Thematik 4.2.2 a). 87 Vgl. zur Rolle der Könige sowohl in der Selbstdarstellung als auch der Polemik gegen Sulla auch Sigmund 2014, bs. 170 f. 88 So Ver Eecke 2008, 123–191, zur Erweiterung des Pomerium in diesem Zusammenhang, 154–161, bs. 156 f. 89 Eine m. E. in weiten Teilen sehr spekulative Forschungsdiskussion kreist – geradezu in der Nachfolge des von Seneca zitierten Gelehrten – um das Problem der tatsächlichen Entwicklung eines ius pomerii proferendi oder eines entsprechenden mos, gerade auch in Bezug auf die vorsullanische Zeit. Diskutiert wird etwa, welcher Art die betreffenden Gebietserweiterungen sein sollten, ob es sich faktisch eher um Eroberungen oder administrative Reformen handelte, welche Positionen und historischen Veränderungen es im Detail innerhalb des antiken Diskurses gab. Dazu zuletzt ausführlich Maccari 2017; Maccari 2016; Carlà 2015; zuerst bereits Detlefsen 1886. Beim hier zentralen Zeugnis des Gellius (13,14) ist bereits nicht ganz eindeutig, ob die dortigen Aussagen zu einem ius pomerii proferendi überhaupt dem (zur Frage des Aventin außerhalb des Pomerium) zitierten Valerius Messala, also dem 1. Jh. v. Chr., zuzuweisen sind. Für unsere Fragestellung kann es genügen, die prinzipielle Vorstellung eines Analogieverhältnisses zwischen dem wie auch immer definierten Herrschaftsgebiet Roms und dem Stadtgebiet festzustellen.
Das Pomerium im antiquarischen Diskurs
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Pomeriumerweiterungen noch ausdrücklich mit dem Bevölkerungswachstum der Stadt und der Notwendigkeit, Wohnraum zu schaffen.90 Die älteste erhaltene Erwähnung einer Verbindung von Herrschaftsgebiet und Pomerium stellen erst die Inschriften der Grenzsteine der claudischen Erweiterung sowie die Seneca-Stelle dar, wo freilich bereits von einem alten Brauch die Rede ist (die späteren Erwähnungen finden sich – abgesehen von den flavischen Grenzsteinen – bei Tacitus, Gellius und in der Historia Augusta). Insbesondere Sordi hat daran anknüpfend dafür plädiert, auch für Sullas Erweiterung neben der Romulus-Analogie diesen Bedeutungsaspekt anzunehmen.91 Verwiesen wird dabei vor allem auf die von dem senecanischen Gelehrten postulierte Bedingung, bei den notwendigen Gebietsgewinnen müsse es sich um Gebiete in Italien handeln. Sulla habe demnach offenbar die Befriedung Italiens nach dem Bundesgenossenkrieg und die Erweiterung des Bürgerrechtsgebiets durch eine Pomeriumerweiterung in der Hauptstadt repräsentiert. Hinard betont ebenfalls die Bedeutung der Italienpolitik, dort aber stärker den Aspekt der Vergrößerung des Senats und die Integration der italischen Oberschicht.92 Diese Überlegungen besitzen zwar durchaus Plausibilität, sind jedoch nicht zu belegen.93 Genauso plausibel ist es, dass diese Vorstellungen erst als Reaktionen auf die sullanische Erweiterung innerhalb des antiquarischen Diskurses entstanden, wie Giardina erwogen hat.94 Auch bei Caesar oder Augustus ist es möglich, dass sie mit einer Pomeriumerweiterung auch ihre militärischen Erfolge hätten räumlich sichtbar machen wollen, aber nicht zwingend: anders als im Hinblick auf die prinzipielle Verknüpfung des Problems mit dem antiquarischen Diskurs sowie mit den Königen, die geradezu zwangsläufig erscheint. Die Tatsache, dass aus den wichtigsten Jahrhunderten der Expansion Roms in Italien und im Mittelmeerraum keine einzige Pomeriumerweiterung überliefert wird, spricht allerdings klar dagegen, dass es vor dem 1. Jh. v. Chr. die Vorstellung eines Erweiterungsrechts (Gellius: ius pomerii proferendi) bzw. eines entsprechenden alten Brauchs (Tacitus: mos priscus) gab. Andererseits ginge es aber wohl auch zu weit zu behaupten, erst im Kontext der claudischen Erweiterung habe sich die Ver-
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Liv. 1,44,3. Sordi 1987, 208. 92 Hinard 1994. Vgl. auch bereits Mommsen 1887/88, III, 735 Anm. 1, und den Beitrag von Detlefsen 1886. 93 Zurecht bemerkt Giardina 2000, 30: „Le motivazioni date da Silla al suo ampliamento del pomerio rappresentano comunque un piccolo enigma“. Wenig haltbar ist es darüber hinaus, aus der Nennung des Rechts zur Pomeriumerweiterung in der Lex de imperio Vespasiani zu schließen, auch Sulla habe ein solches Recht mit der lex Valeria erhalten, wie Marastoni 2009, 160 f. und Ver Eecke 2006, 156, annehmen (gegen diese bereits früher geäußerte These Andreussi 1988, 229 Anm. 54 mit älterer Lit.). 94 Giardina 2000 und Giardina 1997, 126 f. 91
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bindung von Pomeriumerweiterung und Eroberungen neu entwickelt.95 Dagegen spricht der erwähnte Umstand, dass zumindest nach Ansicht des senecanischen Antiquars eine alte Verbindung mit Italien (moris apud antiquos) bestand und dass es, wie die Seneca-Stelle ebenfalls zeigt, bereits zu Claudius’ Zeit verschiedene Meinungen über die traditionellen Regeln in dieser Frage gab. Freilich ist auch nicht auszuschließen, dass, wie Giardina meint, diese Verbindung mit Italien als Reaktion auf die Aufnahme von Italikern in den Senat vorgebracht wurde.96 Die Frage, welche Rolle diese Vorstellung aber bereits für Sulla selbst spielte, und ob sie gar dessen Politik in der Frage der Grenzen Italiens spiegelt, muss offenbleiben. Die Verbindung der Pomeriumerweiterung mit dem antiquarischen Diskurs ist davon auch unabhängig. c) Zwei gesicherte Fälle: Claudius und Vespasian mit Titus Bei Claudius’ Erweiterung jedoch ist die Verbindung des antiquarischen Diskurses nicht nur mit dem Herrscherdiskurs, sondern auch mit dem imperialen Rom-Diskurs in Bezug auf das Pomerium zweifelsfrei festzumachen, nicht zuletzt deshalb, weil hier erstmals auch epigraphische Zeugnisse vorliegen. Dieser bekanntlich selbst antiquarisch forschende Kaiser erweiterte das Pomerium, wie wir nicht nur durch Tacitus, sondern auch durch die dazugehörenden Grenzsteine (siehe Abb. 4–6, Kap. 4.1.6) wissen.97 Diese tragen die Inschrift: Ti(berius) Claudius / Drusi f(ilius) Caisar / Aug(ustus) Germanicus / pont(ifex) max(imus) trib(unicia) pot(estate) / VIIII imp(erator) XVI co(n)s(ul) IIII / censor p(ater) p(atriae) / auctis populi Romani / finibus pomerium ampliavit terminavitq(ue)98
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So ebd., 136 f. (gegen Boatwright 1986, die sich gegen jede Erweiterung vor Claudius ausspricht). 96 Ebd. 97 Cippi des Claudius: CIL VI 1231a–c (= ILS 213); 31537a–d; 37022a,b; 37023; 37024; 40852; 40853. Ausführliche Übersichten aller erhaltenen Pomeriumcippi mit weiteren Angaben zu den einzelnen Steinen finden sich bei Stevens 2017, 305–311; Guilhembet 2006, 120 f.; Stroszeck 2001, 96–101 Anm. 35. Abb. 9 (Kap. 4.1.6) zeigt einen Plan mit verschiedenen Rekonstruktionen der kaiserzeitlichen Pomeriumverläufe (vgl. Stevens 2017, 53; 178 f., Erläuterung 54–56). Die Rekonstruktionen orientieren sich nicht nur an den Fundorten der Cippi, sondern auch an anderen – problematischen – Gesichtspunkten, etwa dem angeblichen Bestattungsverbot (vgl. Kap. 3.2 mit Abb. 2 und 3). Dargestellt sind die Rekonstruktionen von Richmond 1930, 8; Lugli 1934, Abb. 1; Labrousse 1937, 169, sowie Beard / North / P rice 1998, XVI–XXI. Eingegangen wird in Stevens’ Erläuterung auch auf die jüngste Rekonstruktion von Coarelli 2009, 309. Fotos einzelner Cippi siehe Kap. 4.1.6, Abb. 4–8. 98 „Tiberius Claudius, Sohn des Drusus, Caesar Augustus Germanicus, Pontifex Maximus, zum neunten Mal in der tribunizischen Amtsgewalt, zum 16. Mal Imperator, zum
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Mit dem Verweis auf das erweiterte Herrschaftsgebiet des römischen Volkes spielte er, wie gesagt, auf die Eroberungen in Britannien einige Jahre zuvor an, welche ihn – so Tacitus – nach altem Herkommen zu einer Erweiterung des Pomerium berechtigt hätten. Dieselben Eroberungen wurden außerdem etwas später noch durch einen Bogen monumentalisiert, der die Via Lata auf dem Marsfeld überspannte und möglicherweise auf der Linie des neuen Pomerium stand.99 So machte Claudius im Stadtraum die Erweiterung des Imperium räumlich sichtbar, stellte sich mit diesem Akt aber zugleich in eine angebliche Tradition früherer Pomeriumerweiterungen und letztlich des Stadtgründers. Auch mit der Figur des Servius Tullius, auf dessen mysteriöse Herkunft Claudius in der epigraphisch überlieferten Rede über die Aufnahme von Galliern in den Senat eingeht, könnte hier eine Rolle spielen, und nicht zuletzt natürlich seine sehr umfangreichen antiquarischen Forschungen zu den Etruskern, von denen Sueton berichtet.100 Vermutlich gab er also auch selbst antiquarische Erläuterungen zur Erweiterung des Pomerium, unabhängig davon, ob Tacitus diese als Quelle für seinen Exkurs verwenden konnte.101 Dass die Pomeriumerweiterung des Claudius somit wesentlich erst durch die Einbindung des Pomerium in den antiquarischen Diskurs verständlich wird, scheint in der Forschung unstreitig zu sein.102 Dies gilt im Übrigen unabhängig von der nicht zu klärenden Frage, in welchen möglichweise rituellen Formen die Pomeriumerweiterung sich konkret vollzog.103
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dritten Mal Consul, Censor, Vater des Vaterlandes, hat, nachdem er das Gebiet des römischen Volkes ausgedehnt hat, das Pomerium erweitert und (neu) begrenzt.“ Die Inschrift stellt zwar einen Bezug zu Britannien, nicht aber zum Pomerium her (CIL VI 31203: reges Brit[annorum] XI d[iebus paucis sine] / ulla iactur[a devicerit et regna eorum] / gentesque b[arbaras trans Oceanum sitas] / primus in dici[onem populi Romani redegerit]). Die These, bei dem Bogen, über den auch die Aqua Virgo geführt wurde, handele es sich um eine regelrechte „porta pomerii“, ist vorgebracht worden von Rodríguez-Almeida 1978/79, 200–202, knapp auch Rodríguez-Almeida 1993. Skeptisch, ebenfalls mit guten Gründen, dagegen Liverani 1999, 57 f. Noch weitaus schwächer scheint freilich die Grundlage der in diesen Beiträgen ebenfalls diskutierten These, der 1662 abgerissene sog. Arco di Portogallo, der frühestens in das mittlere 2. Jh. n. Chr. datiert wird, sei ebenfalls eine (nachträgliche) Markierung des flavischen Pomerium gewesen. Vgl. hierzu auch Torelli 1993. Für eine sekundäre Funktion der Porta Maggiore als Markierung des Pomerium hat Coates-Stephens 2004, 40, plädiert, wobei allerdings auch hier ein epigraphischer Anhaltspunkt fehlt. Die zuerst durch Frothingham 1905 vorgebrachte These, freistehende Bögen in Rom wie auch in Colonien seien regelmäßig als Markierung von Pomeria zu verstehen, entbehrt indes jeder Grundlage (vgl. Stevens 2017, 95). CIL XIII 1668; Suet. Claud. 42,2. Zu dieser Frage siehe Kap. 4.1.1 g) Anm. 65. In diesem Sinne formuliert Coarelli 2009, 301, die Erweiterung sei „una manifestazione caratteristica delle tendenze ideologiche di Claudio“. Anknüpfungen an das Pflugritual, und sei es nur an einzelnen Stellen, sind, wie etwa Stevens 2017, 56 f., vermutet, natürlich denkbar.
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Nicht ganz so eindeutig ist die Verbindung mit dem antiquarischen Diskurs bei der folgenden104 Pomeriumerweiterung des Vespasian und des Titus. Hier erscheint allerdings die Formulierung auctis populi romani finibus auf den Cippi erneut.105 Auf welche Eroberung damit verwiesen werden sollte, ist nicht ganz klar – wir werden noch darauf zurückkommen. Doch selbst wenn dies nur durch eine genaue Imitation der claudischen Inschrift bedingt sein mag, ordnet auch die flavische Inschrift das Pomerium im Ergebnis in denselben Diskurs um die Legitimität und Bedeutung von Pomeriumerweiterungen im Allgemeinen ein. Freilich unterscheidet sich die Formulierung der Inschrift auf den Cippi vom Text der Lex de imperio Vespasiani, in der, wie erwähnt, ebenfalls auf die Möglichkeit der Pomeriumerweiterung und den Vorgänger Claudius eingegangen wird: utique ei fines pomerii proferre promovere cum ex re publica / censebit esse liceat ita uti licuit Ti(berio) Claudio Caesari Aug(usto) / Germanico106 Die Erweiterung wird hier mit der vagen Bezugnahme auf das Interesse der res publica von der Bedingung von Eroberungen entkoppelt und in das Belieben des Kaisers gestellt. Die für Vespasians Legitimation entscheidende Anknüpfung an Claudius, also ein Element des Herrscherdiskurses, drängt somit in der Lex die antiquarische und imperiale Semantik des Pomerium etwas in den Hintergrund. Diese Tatsache ist jedoch angesichts der Natur des Dokuments wenig verwunderlich. Sie sagt darum auch nichts darüber aus, dass das Pomerium sich vom antiquarischen Diskurs entfernt hatte. Vielmehr dürfte die Pomeriumerweiterung als symbolischer Akt in den weiteren Zusammenhang der umfangreichen Bauprogramme der Flavier
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einer Pomeriumerweiterung Neros berichtet lediglich die Historia Augusta (Aurelian. 21,11; siehe Kap. 4.1.2 e)), die dafür Claudius und sowie Vespasian mit Titus übergeht. Die Nachricht beruht daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einer Verwechselung, die erst den Anlass geliefert hat, nach einer Begründung zu suchen, die Sueton entnommen sein könnte: Tatsächlich wurde auch nach Sueton (Nero 18) und Aurelius Victor (5, 1–4) unter Nero die Provinz Alpes Cottiae eingerichtet und das als Pontus Polemoniacus bezeichnete Gebiet der Provinz Galatia angegliedert. Zur Kritik dieser Stelle vgl. v.a Syme 1983. Eher für eine Historizität plädieren lediglich Lyasse 2005, in der älteren Forschung Detlefsen 1886, 519 f., und auf diesen verweisend Blumenthal 1952, 1874. 105 Cippi des Vespasian und des Titus: CIL VI 1232 (= ILS 248); 31538a–c; 40854. Der Text der Inschrift entspricht jener der claudischen Steine bis auf die Pluralform: [I]mp(erator) Cae[sar] / Vespasianu[s] / Aug(ustus) pont(ifex) max(imus) / trib(unicia) pot(estate) VI imp(erator) XI[V] / p(ater) p(atriae) censor / co(n)s(ul) VI desig(natus) VII / T(itus) Caesar Aug(usti) f(ilius) / Vespasianus imp(erator) VI / pont(ifex) trib(unicia) pot(estate) IV / censor co(n)s(ul) IV desig(natus) V / auctis p(opuli) R(omani) finibus / pomerium ampliaverunt / terminaveruntque. 106 Crawford 1996, I, 552 f. = CIL VI 930, 14–16.
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einzuordnen sein, mit denen die Stadt nach den Eingriffen Neros und dem Brand von 64 n. Chr. „dem Volk“ bzw. „sich selbst zurückgegeben“ werden sollte.107 Die fiskalischen Aspekte, die zuerst Labrousse und in jüngerer Zeit Coarelli für die flavische Pomeriumerweiterung behauptet haben, stehen indes insgesamt auf sehr unsicherem Grund.108 Konkret geht es dabei um die These, dass Pomerium habe auch als Grenze für einen Einfuhrzoll in die Stadt Rom gedient, von dem wir durch Inschriften aus der Zeit des Mark Aurel und des Commodus (aufgestellt zwischen 177 und 180 n. Chr.) unterrichtet sind und die offenbar an Zollstationen angebracht waren.109 Die Erweiterung sei darum vermutlich auch als fiskalische Maßnahme zu verstehen. Hauptargument ist hier aber lediglich die grobe Ähnlichkeit des rekonstruierten Verlaufs des vespasianischen Pomerium mit dem Verlauf der späteren Aurelianischen Mauer einerseits, der Lage der Zollstationen andererseits, die sich etwas außerhalb der späteren Mauerlinie befanden. Die Inschrift und die Fundorte der beiden Tafeln lassen aber in keiner Weise erkennen, dass diese eine frühere Funktion der Pomeriumsteine übernommen haben könnten.110 Den Anlass zu dieser Auffassung hat vielmehr eine Stelle aus der Naturalis Historia des Plinius geliefert, an der der Autor mithilfe verschiedener Zahlenangaben die physische Größe Roms im Jahre 73 n. Chr., dem der Censur Vespasians und des Titus, darstellt.111 Dabei ist nun von gewissen moenia mit 107
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So Mart. Liber spectaculorum 2,11 f.: reddita Roma sibi est et sunt te praeside, Caesar, / deliciae populi, quae fuerant domini. („Rom wurde sich selbst wiedergegeben und zum Vergnügen des Volks ist, was nur zu dem des Herrn war.“). Für den Aspekt des allgemeinen „urban reappraisal“ bei der Pomeriumerweiterung plädiert etwa auch Stevens 2017, 34 f. Coarelli 2009, 307 f.; Labrousse 1937, 197–199. Vgl. dazu allgemein Wojciech 2015; Palmer 1980. CIL VI 1016a: Imp(erator) Caesar M(arcus) Aurelius / Antoninus Aug(ustus) / Germanicus Sarmat(icus) et / Imp(erator) Caesar L(ucius) Aurelius / Commodus Aug(ustus) / Germanicus Sarmatic(us) / hos lapides constitui iusserunt / propter controversias quae / inter mercatores et mancipes / ortae erant uti finem / demonstrarent vectigali / foriculiari et ansarii / promercalium secundum / veterem legem semel dum / taxat exigundo („Der Imperator Caesar Marcus Aurelius Antoninus Augustus Germanicus Sarmaticus und der Imperator Caesar Lucius Aurelius Commodus Augustus Germanicus Sarmaticus haben diese Steine wegen der Streitigkeiten, die zwischen Händlern und Abgabepächtern entstanden waren, aufstellen lassen, damit sie die Grenze für die Erhebung des vectigal foricularii et ansarii auf Handelsware kennzeichnen, welches nach dem alten Gesetz nur einmal erhoben werden darf.“) Es wird nicht einmal klar, ob feste Zollstationen vorher überhaupt bestanden hatten. Immerhin wird ja daraufhin gewiesen, dass der Zoll in der Vergangenheit teilweise zu Unrecht mehrfach erhoben worden sei, weshalb es immer wieder zu Streit zwischen Händlern und Zolleinnehmern gekommen sei. Der Verweis auf das „alte Gesetz“ bezieht sich auf diesen Punkt, nicht auf einen bestimmten Grenzverlauf. Plin. nat. 3,66: Urbem tris portas habentem Romulus reliquit aut, ut plurimas tradentibus credamus, IIII. moenia eius collgere ambitu imperatoribus censoribusque Vespasianis anno conditae DCCCXXVI m. p. XIII CC, conplexa montes septem. Ipsa dividitur in
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einem Umfang von 13 200 römischen Schritten (ca. 19,5 km) sowie von 37 portae die Rede, womit aufgrund dieser sehr hohen Zahlen kaum die republikanischen Befestigungsanlagen gemeint sein können. Diese Angaben wiederum waren in der Forschung darum bereits zuvor auf eine Zollgrenze bzw. Zollstationen bezogen worden, was freilich alles andere als sicher ist.112 Plausibler scheint mir, dass es sich dabei – wie auch bei den übrigen von Plinius genannten – um Angaben handelt, welche sich in irgendeiner Weise auf die tatsächliche Bebauung (bzw. Eingänge in diese) beziehen und die vermutlich im Rahmen der (ebenfalls genannten) Censur der beiden Flavier neu erhoben worden waren. Moenia ist in ähnlicher Bedeutung auch durchaus belegt, und keineswegs nur in der Dichtung.113 Das Argument, dies könne deshalb nicht gemeint sein, weil Plinius im selben Abschnitt auch den Begriff der extrema tectorum erwähnt, kann m. E. deshalb nicht hinreichen, weil dieser in einem anderen Zusammenhang steht (nicht des Umfanges, sondern der Entfernung vom Zentrum zum Rand) und somit durch eine andere Perspektive bedingt sein kann. Zwar ist nicht mit Sicherheit zu klären, worauf genau sich Plinius mit der Bezeichnung moenia, geschweige denn mit den 37 portae bezieht114, doch scheint es im Ergebnis am wahrscheinlichsten, dass damit – wie in dem gesamten Abschnitt auch – ein primär materieller, weniger ein juristischer oder symbolischer Aspekt regiones XIIII, compita Larum CCLXV. Eiusdem spatium mensura currente a miliario in capite Romani fori statuto ad singulas portas, quae sunt hodie numero XXXVII, ita ut XII portae semel numerentur praetereanturque ex veteribus VII, quae esse desierunt, efficit passuum per directum XX M DCCLXV. Ad extrema vero tectorum cum castris praetoriis ab eodem miliario per vicos omnium viarum mensura colligit paulo amplius X p. Quod si quis altitudinem tectorum addat, dignam profecto aestimationem concipiat fateaturque nullius urbis magnitudinem in toto orbe potuisse ei comparari („Romulus hinterließ die Stadt mit drei Toren oder, wenn wir denen glauben wollen, die mehr überliefern, mit vier. Ihre Mauern maßen im 826. Jahr der Stadtgründung [73 n. Chr.], als die beiden Vespasiani die Kaiser- und Censorenwürde bekleideten, 13 200 Schritte und umschlossen sieben Hügel. Die Stadt selbst wird in 14 Bezirke eingeteilt, 265 Kreuzwege der Laren. Wenn die Messung von dem auf dem höchsten Punkt des Forum Romanum aufgestellten Meilenstein zu den einzelnen Toren ausgeht, deren Zahl sich heute auf 37 beläuft, wobei man zwölf Tore nur einmal zählt und sieben von den alten, die zu bestehen aufgehört haben, unberücksichtigt lässt, beträgt ihr Abstand in gerader Linie 20 765 Schritte. Die Länge aller Wege durch das zusammenhängend bebaute Gebiet zum Stadtrand einschließlich des Lagers der Prätorianer beträgt vom selben Meilenstein an etwas mehr als 60 000 Schritte. Wenn man noch die Höhe der Häuser berücksichtigt, mag man tatsächlich eine würdige Vorstellung bekommen und muss wohl zugeben, dass die Größe keiner Stadt auf dem ganzen Erdkreis mit ihr verglichen werden kann.“). 112 Palmer 1980, bs. 217 f., 223, mit der älteren Lit. Zustimmend Stevens 2017, 69 f.; m. E. zurecht vorsichtig Wojciech 2015, 157 Anm. 8. 113 Vgl. ThlL s. v. moenia und s. v. porta. 114 Rätselhaft bleibt insbesondere der Hinweis auf die zwölf nur (!) einmal und sieben gar nicht mehr zu zählenden portae, was auch Coarelli 1997, 89, teilweise einräumt.
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der Ausdehnung Roms beschrieben werden soll. Wie gesagt bezeichnet moenia zwar in der antiken Literatur zuweilen etwas anderes als eine Stadtbefestigung, immer jedoch, wenn ich richtig sehe, physische Mauern, Gebäudeansammlungen, oder natürliche Barrieren (und wird in dieser Hinsicht auch metaphorisch gebraucht) und keine immateriellen oder nur punktuell markierten Grenzen, wobei entsprechendes auch für porta zu gelten scheint.115 Hinzu kommt ferner, dass die juristische Erfassung der extramuralen Bereiche auch in anderen Kontexten über die materielle Ausdehnung oder die Entfernung von der Mauer, freilich markiert durch Meilensteine, funktionierte.116 Umso fragwürdiger ist nun die Identifikation von Zollgrenze und Pomerium über den Zwischenschritt der plinianischen moenia. Zunächst einmal gibt es – natürlich – auch keine parallelen Belege für moenia als Bezeichnung für das Pomerium, geschweige denn für portae oder überhaupt für Unterbrechungen im Pomerium, wenn man von der Gleichsetzung von (ursprünglichem) Pomerium und Mauerlinie bei Plutarch absieht.117 Wenig aussagekräftig scheint mir auch die Annahme, die Pomeriumerweiterung stehe – wie auch die Angaben des Plinius – in engem Zusammenhang mit der Censur des Jahres 73 n. Chr., da ja auch Claudius dieses Amt im Jahr 47/48 n. Chr. vor der Pomeriumerweiterung des Jahres 49 n. Chr. bekleidet hatte. Sowohl hier als auch bei Vespasian und Titus kommen die Indizien für einen konzeptionellen Zusammenhang über eine gewisse zeitliche Nähe nicht hinaus: Nach der Titulatur auf den Cippi wurde die Pomeriumerweiterung erst im Jahr 75 n. Chr. vorgenommen. Und selbst wenn ein solcher Zusammenhang bestanden haben sollte118, ergibt sich die Schwierigkeit, dass Plinius seine Angaben explizit in das Jahr der Censur, also vor die Pomeriumerweiterung datiert: Der Umfang der plinianischen moenia bezöge sich demnach noch auf das claudische Pomerium, was 115
Vgl. die entsprechenden Lemmata im ThlL. Natürlich schließt das nicht aus, dass an einigen der hier gemeinten Durchgänge Zoll erhoben wurde oder dass Konstruktionen, die als Zollstation dienten, hier unter den Begriff porta fallen. Für eine grundsätzliche Identifikation der 37 portae mit Zollstationen scheint mit dies als Basis allerdings zu schwach. Auch stellt die antoninische Inschrift solche permanenten Stationen ja gerade als Neuerung dar. Vgl. auch Anm. 110. 116 Siehe Kap. 4.2.2 a). 117 Siehe Kap. 2.1.1 a). 118 Zur immer wieder auftauchenden These, es habe ein Zusammenhang zwischen Pomeriumerweiterung und Censur bestanden, vgl. stellvertretend Maccari 2016, 177 f.; Stevens 2017, 37; Coarelli 2009, 209; Boatwright 1986, 20 f., 23; Mommsen 1887/88, II, 453 Anm. 1. Die These stützt sich im Wesentlichen auf die Tatsache, dass sowohl Claudius als auch die beiden Flavier relativ kurz vor der Pomeriumerweiterung die Censur bekleidet hatten, und dass Cassius Dio (55,6,6) die angebliche Erweiterung des Augustus in das Jahr 8. v. Chr. datiert, ein Jahr, in dem dieser nach den Res Gestae (1,8) einen Census durchführte. Für die hier interessierende Fragestellung ist aus diesem nirgendwo explizit belegbaren und zeitlich vagen Zusammenhang allerdings nicht viel zu gewinnen.
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wiederum wenig plausibel erscheint, wenn, wie ja auch die Lex de imperio Vespasiani andeutet, ein neues Pomerium bereits in Planung war. Sowohl die Identifikation dieser moenia mit dem flavischen Pomerium als auch dessen Deutung als Zollgrenze können deshalb bestenfalls als sehr spekulativ bezeichnet werden. Somit können wir auch nicht davon ausgehen, dass der flavischen Pomeriumerweiterung eine fiskalische und damit vom antiquarischen Diskurs unabhängige Bedeutung zukam. Insgesamt plausibler scheinen hier die schon in der älteren Forschung vorgebrachten Deutungen, die sich auf den Aspekt auctis populi Romani finibus beziehen. Ein Beispiel ist die 1901 von Merlin vorgebrachte Deutung, wonach das Vorrücken des Pomerium auf das linke Tiberufer, die noch immer mit Veji verbundene ripa Veientana, die militärische Besetzung des rechten Rheinufers in Germanien nachvollzogen habe.119 Außerdem führt Merlin die Annexion der Commagene zur Provinz Syria an, dem sich auch Carlà angeschlossen hat.120 Von anderen wurde vorgeschlagen, dass die Niederschlagung des jüdischen Aufstands121 oder die Feldzüge des Q. Petillius Cerialis in Britannien122 als Erweiterung der fines populi Romani und somit als Legitimation der Pomeriumerweiterung dargestellt worden sein könnten.123 Welche Deutung man hier favorisiert, ist nicht entscheidend, denn immer würde es sich um eine ganz in der Linie des Claudius liegende Aktualisierung sowohl der imperialen wie auch der antiquarischen Semantik des Pomerium handeln. Mit Recht stellt zudem Lyasse fest, dass – wie die Lex de imperio zeigt – die Verbindung der Pomeriumerweiterung mit Eroberungen, die auf den Grenzsteinen hergestellt wird, nicht als zwingende rechtliche Bedingung, sondern als bewusste Entscheidung zu interpretieren ist124, die, so ist zu ergänzen, wieder auf die Verbindung von antiquarischem, imperialen und Herrscherdiskurs zurückführt. d) Hadrians Erneuerung der Grenzsteine Bei Hadrian, der keine Erweiterung des Pomerium vornahm, wohl aber im Jahr 121 n. Chr. die Grenzsteine Vespasians durch eigene Cippi an gleicher Stelle ersetzte125, tritt die Einbindung des Pomerium in den antiquarischen Diskurs 119
Merlin 1901. Ähnlich zuletzt Maccari 2017, 224. Carlà 2015, 612 f. Anm. 69. 121 Ebd.; Griffin 2000, 20 f., 39. 122 So bereits Marucchi 1899, 276 f. Vgl. auch Stevens 2017, 34; Levick 1999, 71; Beard / North / P rice 1998, 178. 123 Noch weitere derartige Vorschläge bei Simonelli 2001, 159, und Detlefsen 1886, 533. 124 Lyasse 2005, bs. 186. 125 Cippi des Hadrian: CIL VI 1233a,b (= ILS 311); 31539a–c; 40855. Die Aufstellung direkt über den Steinen der flavischen Erweiterung ist auch das weitgehend akzeptierte Hauptargument gegen die in der Historia Augusta behauptete Erweiterung durch 120
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wieder stark in den Vordergrund. Der Kaiser stellt nicht sich selbst, sondern das in seinem Auftrag handelnde Collegium der Auguren als ausführende Instanz dar: [Ex s(enatus)] c(onsulto) col[l]e[g]ium / [au]gurum auctore / [Im]p(eratore) Caesare divi / [T]raiani Parthici f(ilio) / [d]ivi Nervae nepote / [T]raiano Hadriano / Aug(usto) pontif(ice) max(imo) trib(unicia) / potest(ate) V co(n)s(ule) III proco(n) s(ule) / terminos pomerii / restituendos curavit126 Anstelle einer alten Regel zu Erweiterungen des Pomerium wird hier also die im antiquarischen Diskurs häufig verhandelte Rolle des Pomerium im Kontext des Auguralrechts evoziert. Dies sollte nicht als Selbstverständlichkeit, sondern als bewusster Akt aufgefasst werden, obwohl der Kaiser zu dieser Zeit von Rom abwesend war.127 Einen praktischen Anlass für die Aufstellung neuer Steine könnten zwar durch Überschwemmungen des Marsfeldes motivierte Bodenerhöhungen dargestellt haben. Dafür spricht, dass dort an einer Stelle ein hadrianischer Cippus in drei Metern Tiefe direkt über einem vespasianischen in sechs Metern Tiefe gefunden wurde (Abb. 7–9, Kap. 4.1.6).128 Dies ändert aber nichts daran, dass das Pomerium weiterhin vor allem als ein Gegenstand des antiquarischen Diskurses erscheint. Es ist damit auch keineswegs die einzige Maßnahme Hadrians von dieser Art. So werden die Umgestaltung des traditionellen Festes der Parilia zum Geburtstagsfest der Stadt Rom (Romaia bzw. Natalis urbis Romae) und die Eröffnung des Tempels der Venus und Roma sogar in dasselbe Jahr 121 n. Chr. datiert. Der Gedanke liegt nahe, dass bei diesen Maßnahmen vermutlich auch die Idee einer Kompensation für die bevorstehende lange Abwesenheit des Princeps durch seine Reisen eine Rolle spielte.129 In späteren Jahren der Regierungszeit Hadrians wurden
Trajan, dessen Stein man zwischen beiden Steinen erwarten müsste. Vgl. bereits Labrousse 1937, 167; Blumenthal 1952, 1875. 126 „Gemäß Senatsbeschluss hat das Collegium der Auguren, auf Veranlassung des Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus, Sohn des vergöttlichten Traianus Parthicus, Enkel des vergöttlichten Nerva, Pontifex Maximus, zum neunten Mal in der tribunizischen Amtsgewalt, zum dritten Mal Consul, Proconsul, für die Wiederherstellung der Grenzsteine des Pomerium gesorgt.“ 127 Ähnlich z. B. Gros 2007, 109; Blumenthal 1952, 1875. Ein Bezug der restitutio zur kaiserlichen Politik der Erhaltung der Reichsgrenzen, den Andreussi 1988, 232, hergestellt, bleibt hingegen Spekulation. 128 CIL VI 40854 und 40855, ausgegraben an der Ecke der heutigen Straßen Via della Torretta / Via del Campo Marzio. Dies und die Tatsache, dass beide Cippi dieselbe laufende Nummer (158) an der Seite tragen, zeigt recht klar, dass das hadrianische Pomerium dem flavischen entsprach. Vgl. z. B. Stevens 2017, 35; Aldrete 2007, 107; Rodríguez-Almeida 1978/79, 197 f. 129 Vgl. Birley 1997, 107; so nun auch Stevens 2017, 36.
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auch Münzen, die an Romulus als Stadtgründer erinnerten, geprägt.130 Im Jahr 136 n. Chr. ließ der Kaiser ein auguratorium restaurieren.131 Die Pomeriumerneuerung Hadrians ist in diesem antiquarisch inspirierten Gesamtkontext zu verstehen. e) Die Frage der aurelianischen Erweiterung und der Exkurs in der Historia Augusta Cippi von späteren Erweiterungen oder Erneuerungen des Pomerium liegen, wie gesagt, nicht vor. Die letzte Pomeriumerweiterung, von der in den Quellen berichtet wird, wird Aurelian zugeschrieben, und zwar an der erwähnten Stelle der Historia Augusta. Ihre Historizität wird in der Forschung tendenziell positiv bewertet, da hier zumindest keine anderen Zeugnisse entgegenstehen.132 Der Autor schreibt: His actis cum videret posse fieri, ut aliquid tale iterum, quale sub Gallieno evenerat, proveniret, adhibito consilio senatus muros urbis Romae dilatavit. Nec tamen pomerio addidit eo tempore, sed postea. Pomerio autem neminem principum licet addere nisi eum, qui agri barbarici aliqua parte Romanam rem p. locupletaverit. Addidit autem Augustus, addidit Traianus, addidit Nero, sub quo Pontus Polemoniacus et Alpes Cottiae Romano nomini sunt tributae.133 Da die Behauptung einerseits auf der Verbindung von Mauer und Pomerium aufbaut, andererseits von der Notwendigkeit von Eroberungen ausgeht und drittens die angesprochene (fehlerhafte) Aufzählung von Erweiterern des Pomerium enthält,
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Z. B. RIC II 370 (Hadrian), 130 n. Chr. Vgl. dazu mit dem Belegen Boatwright 1986, 22, und Boatwright 1987, bs. 122, 238. 132 Das Spektrum zwischen vorsichtiger und entschiedener Zustimmung ist allerdings groß. Häufig wird angenommen, das Pomerium sei an den neuen Mauerverlauf angeglichen worden. Vgl. z. B. Dey 2011, bs. 209–213; Goodman 2007, 44; Dmitriev 2004, 572–577; Simonelli 2001, 159; Andreussi 1988, 232 f.; Boatwright 1986, bs. 26; Blumenthal 1952, 1875; Homo 1904, 224–231; Detlefsen 1886, bs. 506. 133 HA Aurelian. 21,9–22,1: „Da Aurelian es nach diesen Vorfällen für möglich hielt, dass sich Ereignisse wie die unter Gallienus eingetretenen wiederholen könnten, erweiterte er nach Beratung mit dem Senat den Mauerring der Stadt Rom. Jedoch dehnte er das Pomerium damals noch nicht aus, sondern erst später. Denn dem Pomerium etwas hinzuzufügen steht nur demjenigen Kaiser zu, der das römische Reichsgebiet durch irgendein Stück Barbarenland vermehrt hat. So fügte Augustus etwas hinzu, ebenso Trajan sowie Nero, unter dem der polemonische Pontus und die cottischen Alpen der römischen Herrschaft zugefügt wurden.“ Übers. E. Hohl., mit wenigen Änderungen. Die Bemerkung am Anfang bezieht sich auf die zeitweilige Bedrohung der Stadt durch einen Einfall der Alamannen unter Gallienus, vgl. HA Gall. 4,6 und Aurelian. 18,4. Zur Frage der Motive für den Bau der neuen Stadtmauer ausführlich Dey 2011, 111–116. 131
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ist es gleichwohl gut möglich, dass es sich im Hinblick auf Aurelian lediglich um einen Rückschluss auf der Grundlage dieser Prämissen handelt.134 Der zeitliche Abstand sowohl zwischen der Restaurierung des Pomerium unter Hadrian und Aurelian als auch zwischen Aurelian und der allgemein angenommenen Entstehung der Historia Augusta ist zudem erheblich. Im Unterkapitel zum angeblichen Zusammenhang des Pomerium mit dem Bestattungsverbot wurde außerdem gezeigt, dass auch aus den räumlichen Verschiebungen in der Bestattungstätigkeit in der betreffenden Zeit keine Rückschlüsse auf die Entwicklung des Pomerium möglich sind.135 Die Frage, ob Aurelian sich im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Stadtmauer auch mit dem Pomerium befasste, bleibt somit offen, wobei man auch hier feststellen muss, dass eine Erweiterung des Pomerium in dieser Zeit (anders als bei den früheren Fällen) kaum durch eine lebendige Erinnerung an frühere Erweiterungen, sondern nur noch durch eine letztlich antiquarische Beschäftigung mit dem Thema veranlasst worden sein dürfte. Dies gilt unabhängig davon, welche konkreten Auffassungen vom Pomerium hier ausschlaggebend gewesen wären und welche Botschaften vermittelt werden sollten. Dass aber zumindest in der Literatur die Verbindung von antiquarischem, imperialem und Herrscherdiskurs beim Thema der Pomeriumerweiterungen noch lange fortlebte, zeigt die Stelle aus der Aureliansvita sehr deutlich. So wird das Pomerium auch hier wiederum nicht aufgrund bestimmter Funktionen als Grenze thematisiert, sondern ist lediglich Gegenstand eines antiquarischen Exkurses. Ein inhaltlicher Unterschied zu den früheren Pomerium-Exkursen anderer Autoren besteht allein darin, dass hier nicht mehr die Ursprünge des Pomerium, sondern nur noch seine Erweiterungen in der nun weit zurückliegenden frühen Kaiserzeit thematisiert werden. Ähnlich wie in Livius’ Bericht über den Mauerbau des Servius Tullius bietet nun hier die Erwähnung des Baus der Aurelianischen Mauer den Anlass für einen Exkurs zum Pomerium. Die Pomeriumerweiterung wird hier sogar zeitlich vom Mauerbau, der Teil der Haupterzählung ist, separiert und mit postea in eine unbestimmte spätere Zeit verlagert. Auffällig ist außerdem die dafür angeführte Begründung, dass Aurelian zunächst noch nicht die auf Eroberungen beruhende Berechtigung dazu besessen habe: Das Korrespondenzverhältnis von Stadt- und Reichsgebiet wird hier also weiterhin vorausgesetzt. Es folgt die oben angesprochene, in der Sache offensichtlich fehlerhafte Aufzählung früherer Pomeriumerweiterungen, wobei die Nennung gerade von Augustus und Trajan nicht nur durch deren faktische militärische Erfolge, sondern auch durch deren Vorbildcharakter im späteren Diskurs um den idealen Kaiser beeinflusst sein
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Skeptisch z. B. Maccari 2017, 223; Carlà 2015, 608; Giardina 2000, 34. Der Aspekt der Bestattungen, den Stroszeck 2001 in dieser Frage zum zentralen Argument macht, muss bei dieser Diskussion darum außen vor bleiben.
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dürfte.136 Bei Nero, dem sowohl dieser Vorbildcharakter als auch bedeutende Eroberungen fehlten, sieht sich der Autor zu der Erklärung genötigt, jener habe die Berechtigung zur Pomeriumerweiterung durch die Eingliederung des Pontus Polemoniacus und der Alpes Cottiae erlangt, wodurch er zugleich ein für seine Zeit zweifellos als antiquarisch zu bezeichnendes Detailwissen präsentiert. Die Stelle aus der Aureliansvita der Historia Augusta ist somit eine der aussagekräftigsten Fortsetzungen des antiquarischen Diskurses um das Pomerium aus der Spätantike. Auf weitere solche Beispiele soll nun zum Abschluss dieses Abschnitts eingegangen werden.
4.1.3 Weitere Thematisierungen des Pomerium im antiquarischen Diskurs der Spätantike: Servius-Kommentar und Panegyrici Insgesamt stellen allerdings in der erhaltenen spätantiken Literatur diejenigen Erwähnungen des Pomerium, bei denen dies als Gegenstand antiquarischen Wissens erscheint, eine deutliche Minderheit unter allen Erwähnungen des Begriffs dar. Es ergibt sich also etwa die umgekehrte Situation im Verhältnis zu unseren Zeugnissen der Zeit für das 1. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr. Neben dem eben besprochenen Pomeriumexkurs in der Aureliansvita der Historia Augusta scheint mir bei vier weiteren Stellen noch eine Verbindung zum antiquarischen Diskurs zu bestehen. Bereits in anderen Zusammenhängen angesprochen wurden die Erwähnungen des Pomerium im servianischen Aeneiskommentar, wo je eine Erwähnung Servius selbst zugerechnet wird, eine andere dem Servius auctus angehört. Dass beide Stellen – wie weitgehend auch der gesamte Kommentar – antiquarischen Charakter besitzen, ist offenkundig, auch wenn das Pomerium dabei nicht selbst im Zentrum steht. Wohl aber besitzt es hier erklärende bzw. definierende Funktion, wie es z. B. auch bei Ausführungen des Gellius zu den Comitien und zum Flamen Dialis der Fall ist, die in den thematisch entsprechenden Unterkapiteln analysiert wurden. Innerhalb der Ausführungen des Servius kommt das Pomerium in einer Definition des ager effatus zur Sprache, dessen innere Begrenzung es darstellt (ager post pomeria, ubi captabantur auguria, dicebatur effatus). Das Imperfekt, verbunden mit der fehlenden Verortung innerhalb der Vergangenheit, macht deutlich, dass es sich um eine Aussage über eine unbestimmte Frühzeit handelt. Auch wird hier noch einmal ein expliziter Zusammenhang mit den Auguren und dem Auspizienwesen hergestellt, wenn auch in veränderter Form: Der Name ager effatus wird nicht auf einen auguralen sprachlichen Konstruktionsakt, also eine effatio, zurückgeführt, sondern auf das Aussprechen von Gebeten (preces) durch die Auguren. Dies ändert
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So z. B. auch Maccari 2017, 221; Boatwright 1986, 25 f.
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jedoch nichts daran, dass das Pomerium als Grenze dieses zur Einholung von auguria genutzten Bereichs auch selbst zum Gegenstand antiquarischen Wissens wird. Die Pomeriumerwähnung des Servius auctus betraf einmal mehr den Flamen Dialis, genauer gesagt dessen Kopfbedeckung. Ein auffälliger Unterschied zu früheren antiquarischen Beschäftigungen mit dem Pomerium besteht hier zwar darin, dass keinerlei spezifischer Bezug zur Stadt Rom, dem frühen Latium, den Etruskern oder römischen Colonien besteht, sondern dem phönizischen Karthago der Dido ohne weiteres ein Pomerium zugesprochen wird. Dies scheint nur denkbar auf Grundlage der Entwicklung des Pomeriumbegriffs außerhalb des antiquarischen Diskurses der vorangegangenen Jahrhunderte. Dennoch ist natürlich auch hier die Einbindung des Pomerium in den antiquarischen Diskurs nicht zu bestreiten. Zwei weitere Stellen, die in der Literatur zum Pomerium bisher kaum beachtet wurden137, stellen schließlich noch weitere Beispiele für eine Verbindung des Pomerium mit dem antiquarischen Diskurs in der Spätantike dar. Es handelt sich um Erwähnungen in Panegyrici des späten 3. bzw. 4. Jh. n. Chr. Der antiquarische Diskurs begegnet hier freilich in einer an die Gattung angepassten Form: Die Ursprünge treten zwar als durchaus ehrenwert in Erscheinung, werden aber durch die in der Gegenwart gelobten Adressaten sogar noch übertroffen. In dem Panegyricus eines umstrittenen Autors auf Maximian, der in das Jahr 289 n. Chr. datiert, heißt es etwa: Felix igitur talibus, Roma, principibus […]; felix, inquam, et multo nunc felicior quam sub Remo et Romulo tuis. llli enim, quamvis fratres geminique essent, certave runt tamen uter suum tibi nomen imponeret, diversosque montes et auspicia ceperunt. Hi vero conservatores tui (sit licet nunc tuum tanto maius imperium quanto latius est vetere pomerio, quidquid homines colunt) nullo circa te livore contendunt.138 Die zitierte Passage greift nicht nur ein typisches Thema antiquarischer Beschäftigung auf, nämlich den Streit zwischen Romulus und Remus, die Frage des Stadtnamens Roms und den Auspizienwettstreit auf unterschiedlichen Hügeln. Genannt werden im Anschluss auch weitere mit dem frühen Rom verbundene
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Eine Ausnahme bildet Nissen 1885, 241 f., dem es aber weniger auf den Kontext als auf die zugrundeliegende Definition ankommt. 138 Paneg. 10[2],13,1–3: „Glückliches Rom, also, unter solchen Principes […]; glücklich, sage ich, und jetzt noch viel glücklicher als unter deinen Romulus und Remus. Jene nämlich, obwohl sie Brüder und Zwillinge waren, stritten, welcher von beiden dir seinen Namen geben dürfe; und sie nahmen verschiedene Hügel und holten Auspizien ein. Diese aber, deine Bewahrer, (sei auch dein Reich nun soviel größer, soviel die Welt, wo Menschen wohnen, sich weiter erstreckt als das Pomerium von einst) buhlen um dich ohne Missgunst.“
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Das „Schreiben“ der Grenze
Elemente der Topographie wie der Tempel des Jupiter Capitolinus, der Palatin sowie, verbunden mit den Beinamen Diocletians und Maximians, Jupiter Stator und Hercules Victor, die ebenfalls berühmte und sehr alte Tempel in Rom besaßen. Direkt mit dem Pomerium verbunden wird allerdings der Vergleich zwischen der Ausdehnung des römischen Imperium damals und jetzt, wobei es als die ursprüngliche Grenze nicht nur der Stadt, sondern des römischen Herrschaftsgebiets bei der Gründung erscheint. Ähnlich wie in der Florus-Stelle, nach der sogar das Pomerium selbst als Land vor der Mauer ursprünglich Feindesland war, und ähnlich wie beim Thema der Pomeriumerweiterungen besteht eine enge Verbindung, hier sogar eine ursprüngliche Identität von Stadtgebiet und Herrschaftsgebiet. Genau 100 Jahre später (389 n. Chr.) taucht das Pomerium in einem weiteren Panegyricus auf, dem des Pacatus auf Theodosius I. Dort heißt es: Iam si placuisset oppida rure mutare, ut tu vitae oblitus urbanae exsequebaris agricolam! […] Sic agrestes Curii, sic veteres Coruncani, sic nomina reverenda Fabricii, cum indutiae bella suspenderant, inter aratra vivebant, et ne virtus quiete languesceret, depositis in gremio Capitolini Iovis laureis triumphales viri rusticabantur. […] Sed illos quidem angusta res familiaris addicebat labori, ut quibus ipsis suburbani horti praecepsque Ianiculum et iugera artata pomerio vomere essent aut ligone versanda, nec iniuria opus reverteretur ad dominos, cum deerant quibus iuberent. Detrahit laudem patientiae inopia; maioris exempli est labor sine necessitate.139 Auch hier wird der Begriff in einem antiquarischen Diskurskontext erwähnt, obwohl in diesem Fall nicht die Stadtgründung oder die Königszeit, sondern Personen des 3. Jh. v. Chr. angesprochen werden. Doch die Curii, Coruncani und Fabricii – plebejische Gentes, die nach dem 3. Jh. v. Chr. so gut wie keine bedeutenden Vertreter mehr hervorbrachten –, erscheinen ebenso als Gestalten einer unbestimmten fernen Vergangenheit, die von ländlicher Einfachheit geprägt
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Paneg. 2[12],9,4–7: „Und wenn es dir gefiel, die Stadt für das Land einzutauschen, wie vergaßt du da das urbane Leben und warst ein Landwirt! […] So lebten zwischen ihren Pflügen die bäuerlichen Curii, so die Coruncani der alten Zeit, so die Fabricii mit verehrungswürdigen Namen, wenn ein Waffenstillstand die Kriege ausgesetzt hatte, und nachdem sie den Lorbeer im Schoß des Jupiter Capitolinus abgelegt hatten, wurden die Männer des Triumphs Landwirte, sodass ihre Tapferkeit nicht durch Ruhe ermattete. […] Aber jene verpflichtete freilich die Knappheit ihres Vermögens zur Mühe, sodass sie selbst die Gärten bei der Stadt und das steile Ianiculum und durch das Pomerium eingeengte Landstücke mit dem Pflug oder der Hacke wenden mussten, und nicht zu Unrecht kehrte die Arbeit zu den Herren zurück, wenn diejenigen fehlten, denen sie befehlen konnten. So entzieht ihre Armut ihnen das Lob für die Duldsamkeit, ein größeres Beispiel ist Mühe ohne Not.“
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ist und in scharfen Kontrast zur Gegenwart des Autors steht.140 Schon die Auswahl dieser Namen zeugt von antiquarischer Gelehrsamkeit. Diese Einfachheit, die der Kaiser nun wieder aufsuche, sogar ohne dass die Not ihn drängt, manifestiert sich nun offenbar auch an der Kleinräumigkeit des Pomerium bzw. des durch das Pomerium begrenzten Bereichs. Es wird deutlich, dass es als eine enge Begrenzung dargestellt wird, welche die Äcker der genannten bäuerlichen Triumphatoren der frühen Republik so sehr einengt, dass gerade noch ihre Subsistenz sichergestellt ist. Das Pomerium wird also offenbar auch hier als Grenze des römischen Gebietes insgesamt aufgefasst, außerhalb dessen sich die Äcker der genannten Personen nicht erstrecken konnten. Damit wird zusätzlich indirekt auch der Gegensatz zwischen der Gegenwart und der fernen Vergangenheit, die Kleinräumigkeit des Stadt gebietes der Frühzeit im Vergleich mit dem Imperium der Gegenwart betont, die im besprochenen Panegyricus auf Maximian im Vordergrund stand. Es versteht sich von selbst, dass die Panegyrici dabei insgesamt dem Herrscherdiskurs zuzuordnen sind. Die Verbindung von antiquarischem mit imperialem und Herrscherdiskurs, die bei den Pomeriumerweiterungen zu beobachten war, setzt sich so auch hier fort. Insgesamt jedoch bilden solche Fälle, in denen noch deutliche Verbindungen des Pomerium zum antiquarischen Diskurs festzustellen sind, innerhalb der greifbaren spätantiken Literatur, wie gesagt, eine klare Minderheit. Mit den Behandlungen im antiquarischen Diskurs, jedenfalls denen, die sich etymologischer Methoden bedienen, sind zwar diejenigen Erwähnungen verwandt, die wir in der Spätantike etwa in der Grammatik Priscians oder in Scholien zu älteren Autoren finden.141 Es handelt sich hier aber um reine (und sehr kurze) Worterklärungen, die in keinerlei Bezug mehr zur Vergangenheit herstellen. Ähnliches gilt auch für die Passagen zum Pomeriumbegriff im zitierten spätantiken Kommentar zu Frontinus: der Autor behandelt den Gegenstand hier ohne jeden Vergangenheitsbezug.
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Gemeint sein dürften insbesondere die jeweils mit Abstand berühmtesten Vertreter der jeweiligen Familie, nämlich M. Curius Dentatus, viermaliger Consul (290, 284, 275 und 274 v. Chr.) und dreimaliger Triumphator; Ti. Coruncanius, Consul 280 sowie 254 v. Chr. erster plebejischer Pontifex Maximus, und C. Fabricius Luscinus, Consul und Triumphator jeweils 282 und 278 v. Chr. Besonders Dentatus und Luscinus wurden zu Exempla der Bescheidenheit. Vgl. mit Belegen Elvers 1997; Elvers 1998; Giaro 1997. 141 Prisc. Gramm. III 475,9 Keil; Schol. Lucan. 1,594; CGL II 153, 379, 405; IV 147; V 231, 474; Tzetz. Allegoriae Iliadis 8,86. Vgl. Kap. 2.1.1 b) Anm. 26 und Kap. 2.1.2 b) 95.
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4.1.4 Zwischenfazit zum Pomerium im antiquarischen Diskurs An dieser Stelle ist somit folgendes Zwischenfazit zum Zusammenhang von Pomerium und antiquarischem Diskurs in der Antike möglich: Was die Behandlung des Pomerium in der Literatur vor dem 3. Jh. n. Chr. betrifft, so ist unter den untersuchten 30 überlieferten Stellen, an denen von einem Pomerium (und fast immer dem römischen) die Rede ist, bei 19, also nahezu 2/3, eine Einbindung in den antiquarischen Diskurs festzustellen, wobei die entsprechenden Passagen meist sogar formal vom umgebenden Text deutlich separiert sind, vor allem als Exkurse, Reden oder wörtliche Zitate. Von den elf Stellen, für die dies nicht gilt, handelt es sich, wie wir gleich sehen werden, bei dreien um Fälle uneigentlicher Rede, wobei teilweise auch der Status des Pomerium als „antiquarischer“ Begriff eine Rolle spielen könnte. Vor allem aber stellen auch diese noch keine Belege für eine „eigentliche“ oder selbstverständliche Verwendung des Begriffs in anderen Diskurskontexten dar. Von den übrigen acht Stellen entfallen fünf allein auf einen Autor, nämlich Apuleius, dessen Begriffsgebrauch hier tatsächlich bereits dem der meisten spätantiken Autoren nahesteht. Berücksichtigt man nun noch den Befund, dass die gelegentlichen rituellen Markierungen in Form von Lustrationen sowie die in diese Zeit fallenden Pomeriumerweiterungen (einschließlich der Restaurierung unter Hadrian) ebenfalls in diesen Diskurs einzuordnen sind, deutet alles darauf hin, dass der Pomeriumbegriff bis ins 2. Jh. n. Chr. zumindest weit überwiegend in den antiquarischen Diskurs eingebunden und in diesem gewissermaßen beheimatet war. Wie anhand der spätantiken Zeugnisse deutlich wurde, brach dieser Diskurs samt der in diesen eingebundenen Behandlung des Pomerium in der Folgezeit wohl nie vollständig ab und taucht noch bis ins 5. Jh. n. Chr. auf. Unter den Erwähnungen des Begriffs ab dem 3. Jh. n. Chr. stellen aber nun solche Verwendungen eine Minderheit dar; vom Pomerium ist in der Spätantike auch außerhalb des antiquarischen Diskurses häufiger die Rede, worauf noch genauer einzugehen sein wird.
4.1.5 Die Uneindeutigkeit des Pomeriumbegriffs und die Logiken des antiquarischen Diskurses Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses erscheint auch die ausführlich demonstrierte Uneindeutigkeit des Pomeriumbegriffs nicht mehr allzu überraschend. Die Entstehung einer faktischen Vielstimmigkeit ist bei der Diskurslogik des antiquarischen Diskurses, wie sie auch in den Stellen zum Pomerium deutlich hervortritt, nur folgerichtig. Zum einen muss das Bestreben, anderswo vertretene Deutungen zu kritisieren und immer wieder andere, dem Anspruch nach ursprünglichere Deutungen einzu-
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führen, die Zahl der jeweils in Umlauf befindlichen Deutungen mit einer gewissen Zwangsläufigkeit erhöht haben. Eine wichtige Rolle spielte zum anderen das in seiner antiken Form spekulative etymologische Verfahren, das offenbar dazu geführt hat, den Pomeriumbegriff in einen engen konzeptionellen Zusammenhang mit der Mauer und dem Pflugritual zu bringen (post murum), der dann aber wieder sehr unterschiedlich gedeutet werden konnte. Hinzu kam die verbreitete Praxis, mehrere Alternativdeutungen ausdrücklich zu nennen oder gar zu diskutieren, um klarzustellen, dass sie dem jeweiligen Autor bekannt waren. Dies sollte dessen Gelehrsamkeit unterstreichen und ließ Rezipienten die Möglichkeit offen, sich einer vom Autor nicht vertretenen Haltung anzuschließen. Gerade die Tatsache, dass viele Probleme im Zusammenhang mit dem Pomerium umstritten und schwierig zu lösen waren, kurz sein Rätselcharakter, motivierte in der Logik des antiquarischen Diskurses eine immer neue Beschäftigung mit der Thematik. Und schließlich erscheint es auch folgerichtig, dass dem Pomerium, dem man allgemein eine Verbindung mit der frühesten Zeit und der Stadtgründung zuschrieb, auch eine maßgebliche Rolle als Grenze in anderen antiquarischen Themenkomplexen wie z. B. beim Flamen Dialis zuerkannt wurde. Die Tendenz zu einer faktischen Bedeutungsvielfalt ist, wie somit deutlich wird, der Logik des antiquarischen Diskurses paradoxerweise bereits selbst inhärent. Weitere Eigendynamiken im Konstitutionsprozess, welche die Uneindeutigkeit des Pomeriumbegriffs weiter begünstigt haben dürften, werden erkennbar, wenn man sich den medialen Kontext der Thematisierungen des Pomerium, v. a. im antiquarischen Diskurs, ansieht: Damit ist in erste Linie die starke Schriftbasiertheit des antiquarischen Diskurses gemeint. In den Thematisierungen des Pomerium innerhalb dieses Diskurses sind nur selten Bezugnahmen auf eine außerliterarische oder mündliche Kommunikation zu finden, häufig aber Verweise auf andere Texte, wobei es sich um andere antiquarische Autoren und Werke oder tatsächlich alte Aufzeichnungen handeln kann. In den der mündlichen Kommunikation näherstehenden Gattungen (Rede, Brief), und in auf Reichweite zielenden Veröffentlichungen wie Stadtgesetzen oder der juristischen Literatur fehlt der Pomeriumbegriff, wie wir noch sehen werden, weitgehend. Wenn auf mündliche Kommunikation über das Pomerium verwiesen wird, handelt es sich dabei stets um besondere Sprechsituationen, die zudem oft den Charakter sekundärer Mündlichkeit haben, wie zum Beispiel bei dem Gelehrtenvortrag, von dem Seneca berichtet. Auch dieser Gelehrte bezieht sich zweifellos auf schriftliche Belege, wenn er etwa behauptet, Sulla sei der letzte Erweiterer des Pomerium vor Claudius gewesen und habe dabei eine andere Regel befolgt. Livius’ Rede des Camillus steht faktisch in enger Verbindung mit der antiquarischen Literatur der späten Republik. Tiberius Gracchus wird sich sogar
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Das „Schreiben“ der Grenze
nach Ciceros expliziter Darstellung über den Fehler im Zusammenhang mit dem Pomerium erst klar, nach dem er Bücher konsultiert. Dabei war die Autorität von Schriften offenbar selbst für die eigene Gegenwart höher als die mündliche Auskunft anderer oder die eigene Anschauung. Besonders bemerkenswert ist etwa, dass Gellius, der in Rom den Großteil seines Lebens verbrachte, in seinen besprochenen Ausführungen zum Pomerium angibt, er habe nicht etwa durch Beobachtung, sondern erst durch die Lektüre der Schrift eines Grammatikers davon erfahren, dass der Aventinhügel bereits durch Claudius in das Pomerium eingeschlossen worden sei. Dies hält ihn zudem nicht davon ab, die Frage nach dem Ausschluss des Aventin ausführlich zu diskutieren. Die Schriftlichkeit ermöglichte einerseits die Rezeption von mit Autorität versehenen Texten und Dokumenten einer ferneren Vergangenheit, deren korrektes Verständnis aber durch die zeitliche Distanz erschwert und nicht mehr nur durch Nachfrage bei den Verfassern überprüft werden konnte. Auch dies begünstigte grundsätzlich Veränderungen in den Deutungen eines jeweils untersuchten Begriffs oder Sachverhalts, auch wenn dies natürlich nur selten im konkreten Fall zu belegen ist. Ein Beispiel scheint mir indes bei Gellius’ Ausführungen zu den Centuriatscomitien vorzuliegen, wo der Terminus exercitum imperare für die Einberufung der Versammlung nicht mehr auf die Versammlung selbst, sondern auf ein dabei Wache haltendes Heer bezogen wird.142
4.1.6 Der mediale Charakter der Grenzsteine Die schriftliche Thematisierung des Pomerium übertraf an Bedeutung – jedenfalls innerhalb des antiquarischen Diskurses – ebenso die physischen Markierungen des Pomerium durch Grenzsteine wie auch die rituellen durch Umgehungsprozes sionen, die, wie erläutert, vermutlich eher seltene Ereignisse waren. Gleichwohl besaßen auch diese Medien der Konstitution des Pomerium gewisse Eigendynamiken, deren Reflexion zumindest bestimmte Aspekte der Uneindeutigkeit des Pomerium plausibler erscheinen lässt. In erster Linie gilt dies für die physischen Markierungen des Pomerium, also die Grenzsteine.143 Belegt schon bei Varro, sind solche Cippi, wie erwähnt, von den Pomeriumerweiterungen des Claudius und Vespasians sowie der Neusetzung durch Hadrian erhalten. Die Cippi des Pomerium (Abb. 4–9 am Ende dieses Abschnitts) lassen aufgrund ihrer materiellen Eigenart und nur zur Stadt gericheteten Inschrift144 nicht erkennen, ob sie als Markierung 142
Siehe Kap. 3.3.1 b). Die Porta Triumphalis (Kap. 3.3.2 d)) sowie weitere Bögen, die mit dem Pomerium in Verbindung gebracht werden (siehe Kap. 4.1.2 c) Anm. 99), werden hier aus den an den angegebenen Stellen jeweils erläuterten Gründen nicht berücksichtigt. 144 Allerdings ist zumindest ein hadrianischer Cippus (CIL VI 1233a = 31539a, gefunden in situ im westlichen Marsfeld) auf beiden Seiten beschrieben, worauf Gregori 143
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einer Pomeriumlinie oder als Außengrenze eines Pomeriumstreifen zu deuten sind. Dadurch blieben sie mit mehreren auch widersprüchlichen Definitionen des Begriffs kompatibel, auch wenn zumindest bei einigen Cippi Markierungen auf dem Scheitel mit dem Schriftzug POMERIVM ein lineares Verständnis zu begünstigen scheinen.145 Schließlich stellte – vor allem im Gegensatz zur Stadtmauer oder anderen Monumenten – die an den Steinen erkennbare Veränderbarkeit des Pomerium eine notwendige Bedingung für bestimmte neue Bedeutungszuschreibungen und -diskussionen dar. Während die Mauer leicht als quasinatürliches, seit der Frühzeit vorhandenes Element der Umgebung erscheint, sind die Grenzsteine relativ leicht neu zu setzen und erinnern zwangsläufig sehr deutlich an diesen Akt der Neusetzung. Beides sind ideale Bedingungen für eine ideologische Botschaft, in der es zugleich um eine räumliche Erweiterung als auch um die Person dessen geht, der in der Lage ist, Grenzen zu versetzen und sich so gewissermaßen in den physischen Raum einzuschreiben. Dem entsprechen offensichtlich auch die Proportionen von Kaisertitutatur und übrigem Text der Inschrift sowie die Buchstabengrößen in der ersten Zeile der claudischen und flavischen Inschriften146, obgleich derartiges natürlich kein Spezifikum dieser Cippi darstellt.147 An diese Beobachtungen schließt sich die Frage an, wie die Sichtbarkeit der Cippi des Pomerium im Stadtraum insgesamt einzuschätzen ist. In ihrer Form ähneln die Cippi des Pomerium grundsätzlich anderen Grenzsteinen, die im römischen Reich insgesamt ein gängiges Phänomen darstellten; in Rom selbst wurde z. B. der Uferbereich des Tiber, der unter öffentlicher Verwaltung stand, durch Cippi – wie jene des Pomerium aus Travertin – begrenzt.148 Doch fallen die Cippi des Pomerium unter den anderen Steinen ihrer Art, deren Höhe im heutigen Zustand 150 cm meist nicht überschreitet, durch ihre in der Regel deutlich größeren Ausmaße auf,
2018, 270, zurecht hinweist. Dies legt m. E. eher eine Wahrnehmung des Pomerium als Linie nahe. 145 Dieselbe Uneindeutigkeit ist ferner bei den die Stadt umrundenden Prozessionen zu konstatieren, die möglicherweise um diese Steine herumgeführt wurden, vgl. Kap. 4.1.1 f). 146 7,5 cm bzw. 6,5 cm im Verhältnis zu 2,7 bzw. 2,5 cm. Die Angaben beziehen sich auf CIL VI 40852 und 40845. Siehe dazu auch Anm. 150. 147 Der Cippus CIL VI 40853 trägt als einziger keine Inschrift auf der Vorderseite (nur den Schriftzug POMERIVM auf der Oberseite), wofür Stevens 2017, 240 als Erklärung vermutet, dieser habe eine nur praktische Funktion für die Prätorianer besessen (zu Prätorianern und Pomerium vgl. aber Kap. 3.3.1 c)). Dagegen vermutet Stroszeck 2001, 96 Anm. 35, dass die Aufschrift in diesem Fall nur aufgemalt war und deshalb nicht erhalten ist. Dies würde die Frage aufwerfen, ob es noch weitere solcher Steine gegeben haben könnte. 148 Dazu allgemein Stevens 2017, 96–101; Gregori 2019; zur Verwaltung des Tiberufers Aldrete 2007, 189–203, 290–292; spezieller zu den zugehörigen Cippi Gregori 2018.
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was ihre Funktion als imperiale Monumente unterstreicht.149 Zudem nimmt die Monumentalität der Steine von Claudius bis zu Hadrian tendenziell noch zu, was allgemein einen größeren Bedeutungsanspruch nahelegt. So sind etwa bei den drei besonders gut erhaltenen Cippi im Michelangelo-Hof des Thermenmuseums, die aus dem Bereich der Via Flaminia bzw. dem zentralen Marsfeld stammen (CIL VI 40852, 40854, 40855), Maße von 120 × 71 × 50 cm (Claudius), 165 × 87 × 82 cm (Vespasian und Titus) sowie 210 × 115 × 80 cm (Hadrian) zu verzeichnen.150 Ein claudisches und ein flavisches Exemplar aus dem Testaccio-Gebiet im Süden der Stadt zeigen indes bereits Maße von 200 × 75 × 50 cm bzw. 230 × 80 × 65 cm.151 Die unbearbeitete Basis der Cippi sowie Überlegungen zur Stabilität und der Vergleich zu anderen – auch modernen – Grenzsteinen, deuten indes auch auf eine recht tiefe Verankerung im Boden hin, die in diesem Zusammenhang einkalkuliert werden muss.152 Ob die größere Masse der Cippi tatsächlich zu einer nennenswert gestiegenen Sichtbarkeit führte, ist daher insgesamt nur schwer zu beurteilen. Jedenfalls lassen die laufenden Nummern auf einigen Grenzsteinen auf eine Anzahl von deutlich über 158 Steinen schließen.153 Ebenso deuten die Entfernungsabgaben zum Nachbarstein auf einigen Cippi (zwischen 240 und 480 römischen Fuß, etwa 72 bzw. 144 Meter)154 auf insgesamt relativ geringe Abstände zwischen 149
Gregori 2019, 178: „Solo i cippi del pomerio sembrano aver avuto una certa monumentalità […].“ Als einzige Ausnahme nennt Gregori die im Jahr 161 n. Chr. aufgestellten Grenzsteine des Tiberufers, ebenfalls „veri e propri monumenti imperiali“. 150 Mein Dank für diese und die in Anm. 146 genannten, auf Neuvermessungen beruhenden Angaben gebührt dem DAI Rom, namentlich Prof. Dr. Ortwin Dally und Dr. Gabriele Scriba. Auf diesem Wege wurde ich außerdem auf die gegenüber dem CIL korrigierte Nummer des Steins CIL VI 40852 (LXV statt CXXXIX, siehe Abb. 5 und 9) hingewiesen, die aufgrund des Fundorts auf eine geringere Gesamtzahl der claudischen Cippi hindeutet. 151 Gregori 2019, 178. 152 Für diesen Hinweis danke ich Dr. Heinz-Jürgen Beste. Die auffälligen Bohrungen im unteren Bereich des claudischen Cippus im Thermenmuseum (Abb. 5), auf die mich Prof. Dr. Ortwin Dally dankenswerter Weise hingewiesen hat, befanden sich nach Einschätzung von Heinz-Jürgen Beste daher wahrscheinlich im Boden und waren daher wohl nicht mit weiteren Konstruktionen (etwa aus Holz) an den Steinen verbunden. Da solche Bohrungen zudem auch an den anderen Cippi fehlen, muss man davon ausgehen, dass die Sichtbarkeit der Cippi im Allgemeinen nicht durch weitere Aufbauten erhöht wurde. 153 Zumindest bei den flavischen und hadrianischen Cippi (siehe Anm. 150). Die Zählung erfolgte gegen den Uhrzeigersinn und begann im Falle des claudischen Pomerium wohl am Forum Boarium; beim flavischen und hadrianischen Pomerium vermutet Coarelli einen Beginn der Zählung weiter nördlich beim Tarentum auf dem Marsfeld, was aber weniger sicher erscheint. Vgl. Coarelli 2009, 303 f. 154 Stevens 2017, 54. Ausführliche Übersichten aller erhaltenen Pomeriumcippi mit diesen Daten bei Stevens 2017, 305–311; Guilhembet 2006, 120 f.; Stroszeck 2001, 96–101 Anm. 35. Besonders die höheren Zahlenangaben (siehe aber Anm. 150)
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den einzelnen Cippi hin, über deren Regelmäßigkeit wir jedoch nichts Genaueres sagen können.155 Das Zeugnis des Tacitus belegt lediglich, dass der durch die Cippi belegte Verlauf zumindest des claudischen Pomerium, vielleicht auch die genauen Positionen der Cippi, in öffentlichen Dokumenten verzeichnet wurden und dort noch von Tacitus, also noch nach der späteren flavischen Erweiterung, nachvollzogen werden konnten (Et quos tum Claudius terminos posuerit, facile cognitu et publicis actis perscriptum).156 Unabhängig von diesen Fragen stellte die faktische Präsenz der Grenzsteine in Rom infolge der Erweiterungen aber vermutlich einen Faktor dar, der das Pomerium auch außerhalb antiquarischer Diskurskontexte anschlussfähiger machte. Jedenfalls soll im Folgenden versucht werden, beginnend bei den frühen Beispielen für einen metaphorischen Gebrauch, die Entwicklung außerhalb des antiquarischen Diskurses bzw. aus diesem heraus nachzuvollziehen. In diesem Zusammenhang wird auch auf Cassius Dio einzugehen sein, der als einziger antiker Autor das Pomerium als die staats- und sakralrechtlich maßgebliche Stadtgrenze Roms darstellt.
scheinen mir indes gegen die Annahme (Stevens 2017, 52) zu sprechen, dass die Steine ähnlich wie beim jüdischen eruv in London den Grenzverlauf nur dort markiert hätten, wo er nicht mit existierenden Gebäuden zusammenfiel. Zudem würde eine solche Vorgehensweise dem Interesse der Kaiser an eigener Sichtbarkeit im Stadtraum zuwiderlaufen. 155 Von den am ehesten vergleichbaren Grenzsteinen des Tiberufers sind jedenfalls sehr variable Abstände bekannt (Gregori 2018, 265). Auch dass Cippi nur dort aufgestellt waren, wo das Pomerium die Richtung änderte (so z. B. Beard / North / P rice 1998, 171), ergibt sich aus meiner Sicht aus den Fundorten nicht. Plausibel ist zweifellos, einen Zusammenhang von neuem Pomeriumverlauf und Bauprojekten der jeweiligen Kaiser im jeweiligen Bereich anzunehmen (zu dieser Diskussion Stevens 2017, 57–59, mit weiterer Lit.), etwa im Falle der Aqua Claudia bzw. Porta Maggiore (Coates-Stephens 2004, 40). Insgesamt geben die Fundorte der Cippi jedoch auch dazu m. E. zu wenig her, zumal eine ursprünglich deutlich größere Zahl von Cippi aufgrund der Nummerierung sehr wahrscheinlich ist. 156 Tac. ann. 12,24.
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Abb. 4: Cippus des claudischen Pomerium, 49 n. Chr. (CIL VI 40852), Vorderseite. Museo Nazionale Romano, inv. 463193.
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Abb. 5: Cippus des claudischen Pomerium (wie Abb. 4 und 6), Seitenansicht mit Nummerierung (siehe dazu auch Anm. 150 und 152)
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Abb. 6: Cippus des claudischen Pomerium (wie Abb. 4 und 5), Oberseite
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Abb. 7: Cippus des vespasianischen Pomerium, 75 n. Chr. (CIL VI 40854), Vorderseite. Museo Nazionale Romano, inv. 125404.
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Abb. 8: Cippus des hadrianischen Pomerium, 121 n. Chr. (CIL VI 40855), Vorderseite. Museo Nazionale Romano, inv. 125405.
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Abb. 9: Fundorte der Cippi des Pomerium, ggf. mit Zählung (s. dazu aber Anm. 150) und Angabe in situ.
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4.2 Das Pomerium außerhalb des antiquarischen Diskurses 4.2.1 Das Pomerium in uneigentlicher Rede Vier frühe Belege für den Begriff Pomerium außerhalb antiquarischer Kontexte zeichnen sich, wie bereits angedeutet, dadurch aus, dass der Pomeriumbegriff hier klar in uneigentlicher Rede gebraucht wird. Sie lassen daher nicht eindeutig erkennen, inwieweit der Begriff Pomerium hier noch als mit dem antiquarischen Diskurs verbundene Grenze wahrgenommen wurde. Dass entsprechende Assoziationen mit aufgerufen wurden, ist jedoch, wie wir sogleich sehen werden, auch in der Mehrheit dieser Fälle plausibel. Andererseits geben diese Stellen vielleicht auch einen Eindruck davon, dass genau solche Übertragungen ein Faktor gewesen sein könnten, der dazu führte, dass der Begriff Pomerium in späterer Zeit auch außerhalb des antiquarischen Diskurses häufiger auftauchte. Das früheste Beispiel für einen übertragenen Gebrauch findet sich indes schon bei Varro, nämlich in De Re Rustica, wo einer der Gesprächspartner davon spricht, es sei besser den Gesprächsgegenstand Landwirtschaft enger – minore pomerio – zu begrenzen, als dies frühere Autoren getan hätten: Scrofa, „Prius“, inquit, „discernendum, utrum quae serantur in agro, ea sola sint in cultura, an etiam quae inducantur in rura, ut oves et armenta. Video enim, qui de agri cultura scripserunt et Poenice et Graece et Latine, latius vagatos, quam oportuerit.“ „Ego vero“, inquit Stolo, „eos non in omni re imitandos arbitror et eo melius fecisse quosdam, qui minore pomerio finierunt exclusis partibus quae non pertinent ad hanc rem. quare tota pastio, quae coniungitur a plerisque cum agri cultura, magis ad pastorem quam ad agricolam pertinere videtur.“157 Es handelt sich also um eine Metapher, deren Gebrauch man vielleicht als Hinweis auf die Gelehrsamkeit des Sprechers Stolo auffassen kann. Auch Varros Zeitgenosse Cicero verwendet vergleichbare Grenzmetaphern für die Einteilung eines Stoffes, etwa in der Rede für Quinctius oder in De Oratore, bedient sich hier aber der
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Varr. rust. 1,2,13: „‚Zuerst‘, sagte Scrofa, sollten wir bestimmen, ob nur das, was gepflanzt wird, zur Landwirtschaft gehört, oder auch jene Dinge, die auf das Land geführt werden, wie Schafe und Rinder. Denn ich beobachte, dass jene, die über die Landwirtschaft geschrieben haben, sowohl auf Punisch wie auf Griechisch oder Latein, weiter abgeschweift sind, als angebracht.’ ‚Ich für meinen Teil’, antwortete Stolo, ‚denke nicht, dass sie in jeder Hinsicht nachzuahmen sind und dass es einige insofern besser gemacht haben, als sie dem Thema engere Grenzen (ein engeres Pomerium) gesetzt haben und jene Teile ausgeschlossen haben, die nicht zu dieser Sache gehören. Daher scheint die ganze Weidewirtschaft, die von den meisten mit der Landwirtschaft verbunden wird, mehr den Hirten als den Landwirt zu betreffen’.“
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gängigeren Begriffe finis und terminus.158 Wie dem auch sei, es ist jedenfalls offensichtlich, dass der Pomeriumbegriff hier bewusst in einem übertragenen Sinn gebraucht wird und er somit nicht etwa schon Eingang in einen neuen Diskurs gefunden hat. Ein weiterer relativ früher Fall für eine Bezugnahme auf das Pomerium in uneigentlicher Rede findet sich bei Valerius Maximus, und zwar in einer Anekdote über die Censur des Fabricius Luscinus, desselben, auf den dann, in sehr ähnlichem Zusammenhang noch im bereits erwähnten Panegyricus auf Theodosius I. angespielt wird. Dieser Luscinus habe den ehemaligen Consul und Dictator P. Cornelius Rufinus wegen Ausschweifung aus dem Senat verbannt, weil er zehn Pfund schweres Silbergeschirr angeschafft habe. Dies kommentiert der Autor mit folgenden emphatischen Worten: Ipsae medius fidius mihi litterae saeculi nostri obstupescere videntur, cum ad tantam severitatem referendam ministerium accommodare coguntur, ac vereri ne non nostrae urbis acta commemorare existimentur: Vix enim credibile est intra idem pomerium decem pondo argenti et invidiosum fuisse censum et inopiam haberi contemptissimam.159 In diesem rhetorisch ausgeformten Fazit, das in seinem Stil für den Autor typisch ist160, wird also das Paradox formuliert, dass in der mittleren Republik bereits der aus seiner Sicht nicht übermäßig hohe Reichtum von zehn Pfund Silber als anstößig galt, während zu seiner Zeit es dagegen die Armut sei, die verachtet werde. Das Pomerium erscheint in der Synekdoche intra idem pomerium anstelle eines simplen Ausdrucks für „in derselben Stadt“, wobei die Kontinuität des physischen Raumes der Stadt mit dem Wandel der Werte kontrastiert wird. Auch hier ist also von einer 158
Cic. Quinct. 35; de orat. 1,214. Vgl. dazu auch Crampon 2006, 26, wo die Stelle aus Pro Quinctio allerdings irrtümlich einem Brief an Quintus zugeordnet wird. 159 Val. Max. 2,8–9: „Was soll ich von der Censur des Fabricius Luscinus berichten? Jedes Zeitalter erzählte und wird immer wieder erzählen, dass Cornelius Rufinus, der zwei Consulate und eine Dictatur glanzvoll bekleidet hatte, von ihm aus dem Senat entfernt wurde, da seine Liebe zu Luxus ein schlechtes Beispiel abgab; er hatte sich nämlich zehn Pfund schweres silbernes Tafelgeschirr angeschafft. Bei Gott, mir scheint, die Buchstaben unseres Jahrhunderts geraten selber ins Staunen, wenn sie gezwungen werden, ihren Dienst zu leisten und von so großer Strenge zu berichten, und fürchten, den Eindruck zu erwecken, sie erzählten von Dingen, die sich nicht in unserer Stadt ereignet haben. Es ist nämlich kaum zu glauben, dass innerhalb desselben Pomerium zehn Pfund Silber einerseits ein anrüchiges Vermögen waren und andererseits Armut als höchst verächtlich gilt.“ Übers. U. Blank-Sangmeister, mit wenigen Änderungen. 160 Vgl. zu dieser Stelle als Beispiel eines für den Autor typischen, rhetorisches ausgeformten Fazits Themann-Steinke 2008, 503; ferner zum Stil des Autors allgemein z. B. Fuhrmann 2005, 419, Rüpke 2002, 1116.
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bewussten und für die Zeitgenossen deutlichen Entlehnung des Begriffs aus seinem üblichen Diskurszusammenhang auszugehen. Konnotationen des Pomerium als eines Begriffs aus dem antiquarischen Diskurs fügen sich gut sowohl in dieses Bild als auch in den hier insgesamt vorherrschenden moralischen Dekadenzdiskurs ein. Ein drittes Beispiel für einen uneigentlichen Gebrauch des Begriffs Pomerium findet sich schließlich bei Juvenal, der in der 9. Satire den früheren, nun veränderten Charakter des angeredeten Naevolus wie folgt kommentiert: unde repente / tot rugae? certe modico contentus agebas / vernam equitem, conviva ioco mordente facetus / et salibus vehemens intra pomeria natis.161 Den „urbanen“, geistreich-scharfen Humor bezeichnet Juvenal hier als „innerhalb des Pomerium geborene Scherze“. Die Synekdoche intra pomeria für intra urbem wird hier also in eine Paraphrase für urbanitas, einen Kernbegriff des Stadt-LandDiskurses, integriert.162 Auch hier handelt es sich also um eine eindeutig bildhafte Verwendung, wobei jedoch – anders als bei Varro und Valerius Maximus – eine bewusste Verbindung mit dem Antiquarischen weniger nahe liegt, da das Konzept der urbanitas ja den mit dem antiquarischen Diskurs oft verbundenen Idealen der ländlichen Einfachheit des frühen Rom eher entgegensteht. Somit stellt die Stelle vermutlich eines der frühesten Beispiele für einen vom antiquarischen Diskurs entkoppelten Begriffsgebrauch dar.163 Eine bildhafte Verwendung, die durchaus mit den antiquarischen Assoziationen zu spielen scheint, finden wir freilich auch noch in der Spätantike, genauer gesagt in den Saturnalia des Macrobius. Hier taucht nämlich die in Varros De Re Rustica verwendete Metapher vom Pomerium als Grenze von Wissensgebieten wieder auf, wobei sie sogar durch den auguraltechnischen Begriff effata ergänzt wird. Über Grammatiker, die ihren Gegenstand nach Meinung des Sprechers allzu streng begrenzen, heißt es dort: Ita sibi belli isti homines certos scientiae fines et velut quaedam pomeria et effata posuerunt, ultra quae si quis egredi audeat, introspexisse in aedem deae a qua mares absterrentur existimandus sit.164 161
Iuv. 9,9–11: „Woher plötzlich so viele Falten? Gewiss mit dem Maßvollen zufrieden spieltest du den einheimischen Ritter, warst ein launiger Gast mit beißendem Humor und stark in den witzigen Erzählungen, wie sie innerhalb des Pomerium geboren werden.“ Übers. J. Adamietz, mit wenigen Änderungen. 162 Vgl. auch Courtney 1980, 337. 163 Als früheste Stelle dieser Art kann eine Erwähnung bei Frontin gelten: De controversiis 7 T (=17 f. L; 6 C), siehe Kap. 4.2.2 c). 164 Macr. sat. 1,24,12: „So haben sich diese feinen Menschen bestimmte Grenzen ihrer Wissenschaft und gleichsam pomeria und effata gesetzt, damit jeder, der es wagen sollte,
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Freilich steht diese Stelle im Kontext des gelehrten Gesprächs, das den Gegenstand des gesamten Werkes bildet. In diesem spezifischen Kontext erscheint es also folgerichtig, dass mit gelehrten Anspielungen wie jener der Verbindung des Pomerium mit dem Auspizienwesen operiert werden kann. Doch deutlicher noch als bei Varro wird an dieser Stelle der metaphorische Charakter dieser Ausdrucksweise herausgestellt (velut quaedam). Von den analysierten vier Stellen, in denen in bildhafter Weise vom Pomerium die Rede ist, zweimal als Metapher, zweimal als Synekdoche, ist somit in immerhin drei von vier Fällen zumindest wahrscheinlich, dass die besondere Zugehörigkeit des Begriffs zum antiquarischen Diskurs vom jeweiligen Autor bewusst eingesetzt und von den Adressaten verstanden wurde. Eine erste Ausnahme bildet hier allerdings Juvenal. Das Beispiel des Macrobius zeigt jedoch, dass nicht nur die antiquarischen Thematisierungen des Pomerium in der Spätantike noch einmal wiederkehrten, sondern auch die bildhafte Verwendung des Pomeriumbegriff in anderen Diskurskontexten, bei welchen aber die Verbundenheit des Pomerium mit dem antiquarischen Diskurs mit thematisiert wurde.
4.2.2 Das Pomerium im juristischen Diskurs a) Ohne Pomerium – die Grenzen Roms im juristischen Diskurs Um nun noch deutlicher zu zeigen, dass die Einbindung eines so großen Anteils der antiken Erwähnungen des Pomerium in den Rahmen des antiquarischen Diskurses nicht allein auf Überlieferungszufällen beruhen kann, ist es sinnvoll, eine Art Gegenprobe zu machen. Es lässt sich nämlich ebenfalls zeigen, dass das Pomerium gerade dort kaum oder gar nicht angesprochen wird, wo man dies erwarten müsste, wenn man dem etablierten Bild vom Pomerium als einer für die rechtliche Praxis relevanten Grenze folgt: im rechtlichen bzw. juristischen Diskurs. Es wurde aber bereits darauf verwiesen, dass der Begriff Pomerium im antiken juristischen Schrifttum so gut wie keine Rolle spielt. Dies ist umso bemerkenswerter als gerade in der Metropole Rom, die spätestens seit dem 1. Jh. v. Chr. fließend in das Suburbium überging, die Frage, wo das eigentliche Stadtgebiet endete, rechtlich durchaus relevant sein konnte und auch immer wieder thematisiert werden musste.165
diese zu überschreiten, als jemand gelte, der in den Tempel der Göttin hineingeblickt hat, von der alle männlichen Personen abgeschreckt werden.“ 165 Vgl. zu diesem Grundproblem und allgemein zum Folgendem z. B. Goodman 2007, 13–18; Haselberger 2007, 235–237; Casavola 1992; Le Gall 1991; Frézoul 1987.
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Gerade in einer solchen Situation wäre die Orientierung an einer leicht erweiterbaren Grenze wie dem Pomerium naheliegend, welches zumindest nach den kaiserzeitlichen Erweiterungen wohl auch faktisch in etwa das zusammenhängend bebaute Gebiet umschloss. Doch genau dies geschieht nicht. Statt des Pomerium werden als rechtliche Grenzen Roms die Mauern, die zusammenhängende Bebauung (continentia tecta) oder auch die erste Meile von der Stadt aus genannt166, womit zunächst wohl die Entfernung von der Stadtmauer bzw. den Toren aus gemeint war. Dabei wird in jüngerer Zeit vermutlich zurecht angenommen, dass letztere zunächst einmal wenig anderes als eine möglichst runde Zahl dargestellt habe, welche das gesamte zusammenhängend bebaute Gebiet außerhalb der Mauer umfassen sollte, und nicht streng wörtlich zu nehmen sei.167 Definitionen dieser Art reichen mindestens bis in die späte Republik zurück, wobei sie höchstwahrscheinlich auf einer älteren Definition der Stadt anhand der Stadtmauer aufbauen, welche aber der Realität der darüber hinausgewachsenen Stadt zunehmend weniger gerecht wurde. Dies zeigt etwa die folgende Stelle aus den Digesten, wo Ulpius Marcellus, der Jurist des 2. Jh. n. Chr., den spätrepublikanischen Juristen Alfenus Varus zitiert: Ut Alfenus ait, ‚urbs‘ est ‚Roma‘, quae muro cingeretur, ‚Roma‘ est etiam, qua continenti aedificia essent: Nam Romam non muro tenus existimari ex consuetudine cotidiana posse intellegi, cum diceremus Romam nos ire, etiamsi extra urbem habitaremus.168
166 Auch
termini urbis kommen in Rechtstexten nur einmal vor (Dig. 1,12,3), und zwar in einer Aussage Ulpians in Bezug auf die mögliche Abwesenheit des Stadtpräfekten: Praefectus urbi cum terminos urbis exierit, potestatem non habet: extra urbem potest iubere iudicare („Wenn der praefectus urbi die Grenzen der Stadt verlassen hat, hat er keine Amtsgewalt: Er kann (nur) jemandem die Rechtsprechung auftragen“). Dabei ist aber insgesamt – anders als etwa Cadoux 1959, 157, gemeint hat – schon aus praktischen Gründen eher nicht davon auszugehen, dass sie das relativ kleine Gebiet innerhalb des Pomerium bezeichnen soll, zumal Ulpian selbst an anderer Stelle sagt, dass als in der Stadt anwesend auch jemand gelte, der sich gerade in den Horti aufhalte (Dig. 3,3,6). Vgl. zu dieser Stelle Wojciech 2010, 37–39, mit weiterer Lit. Und selbst im anderen Fall, dass hier ausnahmsweise das Pomerium angesprochen würde, wäre es immerhin bemerkenswert, dass das der Begriff umschrieben und nicht explizit genannt wird, was ebenfalls zeigen würde, dass Pomerium kein im juristischen Kontext des Gegensatzes von Stadt und Umland üblicher Begriff gewesen sein kann. 167 So z. B. Carlà 2015, 619 Anm. 101; Goodman 2007, 15. 168 Dig. 50,16,87: „Wie Alfenus sagt, bezeichnet ‚urbs‘ Rom, sofern es von der Mauer umgeben ist, ‚Rom‘ bezeichnet auch den Bereich der zusammenhängenden Bebauung. Denn aus dem alltäglichen Gebrauch kann man erkennen, dass als ‚Rom‘ nicht nur der Bereich bis zur Mauer angesehen wird, da wir ja sagen, wir gehen ‚nach Rom‘, auch wenn wir außerhalb der urbs leben.“
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Diese Stelle ist innerhalb der Digesten nicht die einzige, welche diese Definition von urbs und Roma formuliert oder zumindest impliziert.169 Bemerkenswert ist hier jedoch zusätzlich der explizite Verweis auf die alltagssprachliche Ausdrucksweise, die hier als Grundlage der rechtlichen Definition von Roma anhand der tatsächlichen Bebauung angeführt wird. Dies lässt darauf schließen, dass das Pomerium hier auch deshalb unberücksichtigt bleibt, weil bei der Definition für die juristische Praxis folgerichtig eine möglichst große Nähe zum alltäglichen Sprachgebrauch, nicht aber zum antiquarischen Diskurs angestrebt wird. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass bestimmte in der Forschung mit dem Pomerium verbundene Regeln, wie das Bestattungsverbot oder das Ende eines promagistratischen Kommandos, in den Digesten mit Stadtmauern und -toren verbunden werden. Dafür, dass die erste Meile mit dem eigentlichen Stadtgebiet rechtlich gleichgestellt wurde, finden sich sogar noch frühere Belege. Diese beschränken sich auch nicht nur auf spätere Zitate, wie etwa die an anderer Stelle erwähnten kaiserzeitlichen Zeugnissen zur sullanischen lex Cornelia de sicariis et veneficiis.170 Auch auf der Tabula Heracleensis wird mehrfach auf die erste Meile Bezug genommen, die hier offenbar mit der Grenze der zusammenhängenden Bebauung identifiziert wird: viae in urbem Rom(am) propiusve u(rbem) R(omam) p(assus) m(ille) ubei 169
Dig. 3,3,5 f. (Ulpian / Julius Paulus): Praesens habetur et qui in hortis est; et qui in foro et qui in urbe et in continentibus aedificiis („Als anwesend gilt auch, wer in den horti ist; sowohl, wer auf dem Forum ist, als auch, wer in der urbs ist, als auch, wer in der zusammenhängenden Bebauung ist.“); 33,9,4 (Julius Paulus): Si ita legetur „penum, quae Romae sit“, utrum quae est intra continentia, legata videtur an vero ea sola, quae est intra murum? et quidem urbes fere omnes muro tenus finiri, Romam continentibus, et urbem Romam aeque continentibus („Wenn etwas vermacht wird mit den Worten ‚der Vorrat, der in Rom ist‘, sollen dann die Dinge als vermacht gelten, die innerhalb der zusammenhängenden Bebauung (continentia) sind oder nur diejenigen, die sich innerhalb der Mauer befinden? Im Allgemeinen gelten wohl alle Städte als durch ihre Mauern begrenzt, Rom aber durch die continentia und die urbs Roma ebenso durch die continentia.“); 50,16,2pr. (Julius Paulus): „Urbis“ appellatio muris, „Romae“ autem continentibus aedificiis finitur, quod latius patet („Die Bezeichnung urbs wird durch die Mauern, die Bezeichnung Roma aber durch die zusammenhängende Bebauung definiert, was ein größerer Bereich ist.“); 50,16,139pr. (Ulpian): Aedificia „Romae“ fieri etiam ea videntur, quae in continentibus Romae aedificiis fiant („Als Gebäude, die ‚in Rom‘ gebaut werden, gelten auch jene, die unter den zusammenhängenden Gebäuden Roms entstehen.“); 50,16,147 (Terentius Clemens): Qui in continentibus urbis nati sunt, „Romae“ nati intelleguntur („Diejenigen, die in der zusammenhängenden Bebauung Roms geboren wurden, gelten als ‚in Rom‘ geboren.“); 50,16,173,1 (Ulpian): „Qui extra continentia urbis est, „abest“: ceterum usque ad continentia non abesse videbitur („Wer außerhalb der zusammenhängenden Bebauung der Stadt ist, gilt als ‚abwesend‘: Doch bis zur Grenze der zusammenhängenden Bebauung gilt er als nicht abwesend.“). 170 Ulpian, De officio proconsulis 1, 7, in Coll. I, 3.: quod in urbe Roma propius(ve) mille passus factum sit. Vgl. zu Text, Übersetzung und Kommentar dazu Crawford 1996, II, 749–753, mit weiterer Lit.
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continente habitabitur.171 Für letztere findet sich damit ebenfalls hier der früheste Beleg. Die erste Meile wiederum taucht auch später immer wieder auf, z. B. in den Institutiones des Gaius und auch außerhalb der juristischen Literatur, z. B. bei Livius, Valerius Maximus und Cassius Dio172. Die zusammenhängende Bebauung findet als extrema tectorum bei Plinius dem Älteren Erwähnung.173 Das Pomerium jedoch wird innerhalb der juristischen Texte zu Rom selbst an denjenigen Stellen, wo bestimmte denkbare Möglichkeiten der Definition des Stadtgebietes ausdrücklich verworfen werden, nicht als eine solche abgewählte Option genannt. Dies wird – von den bereits genannten Stellen abgesehen – auch deutlich erkennbar bei einer Klarstellung, die der Jurist Aemilius Macer im 3. Jh. n. Chr. vornimmt: Die erste Meile werde nämlich nicht etwa vom Goldenen Meilenstein auf dem Forum aus gerechnet, sondern von der Bebauungsgrenze.174 Dies impliziert nun eine deutliche konzeptionelle Unterscheidung von continentia und erster Meile, die einer weiteren Vergrößerung der Stadt geschuldet sein mag. Hier fällt nun sogar die Stadtmauer als Bezugsgröße aus, was jedoch nicht gegen die an anderen Stellen des juristischen Schrifttums vielfach zu beobachtende Definition von urbs auf Grundlage der Stadtmauer spricht, so etwa bei Julius Paulus und Ulpian, ebenfalls Juristen severischer Zeit.175 Die alten Mauern und Tore Roms wurden also offenbar auch in der Kaiserzeit noch als ausreichend sichtbare Markierung angesehen, obwohl sie vielfach durch brochen oder in Gebäude einbezogen worden und nicht mehr als militärische Befestigungen nutzbar waren. Einige Tore waren zudem noch unter Augustus erneuert worden.176 Ihre spezifische Materialität legt dies letztlich dennoch nahe, jedenfalls im Vergleich mit den Pomeriumsteinen, die keinerlei physische Barriere bildeten bzw. – wie die Tore – einen baulichen Durchgang darstellten. Doch selbst bei der Einbeziehung der bebauten Bereiche außerhalb der alten Stadtmauer orientierte man sich eher an der weniger scharfen Begrenzung der continentia tecta oder aber an den Meilensteinen, obwohl das Pomerium zumindest nach den Erweiterungen des 1. Jh. n. Chr. auch diesen Bereich in weitem Umfang umschloss – ähnlich wie 171
Crawford 1996, I, 355–391, hier zitiert 20 (S. 363). Gai. inst. 4,104: Legitima sunt iudicia, quae in urbe Roma vel intra primum urbis Romae miliarium inter omnes cives Romanos sub uno iudice accipiuntur („Gesetzmäßige Verfahren sind solche, die in der Stadt Rom oder innerhalb des ersten Meilensteines der Stadt zwischen ausschließlich römischen Bürgern vor nur einem Richter aufgenommen werden.“ Übers. U. Manthe, mit wenigen Änderungen), ferner Liv. 34,1,3; 43,11,5; Val. Max. 2,4,2; Cass. Dio 54,6,6. 173 Plin. nat. 3,66. 174 Dig. 50,16,154 (Macer): Mille passus non a miliario urbis, sed a continentibus aedificiis numerandi sunt („Die 1000 Schritte sind nicht vom Meilenstein [in der Mitte] der Stadt, sondern von der Grenze der zusammenhängenden Bebauung aus zu zählen.“). 175 Siehe oben Anm. 169 und 170. 176 Vgl. Haselberger 2007, bs. 231. 172
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später die Aurelianische Mauer.177 Die Abmessung der ersten Meile an den Straßen genügte offenbar für ordnungspolitische Zusammenhänge, weil hier der genaue Verlauf der Grenze in Bereichen ohne Straße nachrangig war, während er beim Pomerium offenbar unabhängig von den tatsächlichen Verkehrsflüssen markiert wurde. Letzteres legen jedenfalls die erwähnten hohen Anzahlen von Cippi, die sich aus der Numerierung ergeben nahe. Dass auf das Pomerium in juristischen Kontexten nicht häufiger verwiesen wurde, kann somit letztlich nicht mit bloßen Praktikabilitätsgründen, sondern nur dadurch erklärt werden, dass für eine Übernahme aus einem anderen – dem antiquarischen – Diskurs keine hinreichende Notwendigkeit bestand. Es ist im Übrigen davon auszugehen, dass in der Spätantike der Begriff urbs im rechtlichen Kontext mehr und mehr über die neue Aurelianische Mauer definiert wurde.178 Explizit auf diesen Raum extra muros bezog sich das Gesetz von 342 n. Chr., wonach alle paganen Tempel dort unangetastet zu lassen waren.179 Und wie Dey mit guten Gründen argumentiert, dürften sich auch die im Codex Theodosianus unter der Überschrift De habitu, quo uti oportet intra urbem versammelten Kleidungsvorschriften des späten 4. und frühen 5. Jh. n. Chr. auf die Stadt innerhalb der Aurelianischen Mauer beziehen: Das erste Gesetz in der Reihe spezifiziert den Geltungsbereich als intra moenia; in den weiteren ist nur noch von urbs die Rede.180 b) Ein Pomerium in anderen Städten als Rom? Der Begriff Pomerium taucht in den überlieferten juristischen Texten, soweit ich sehe, lediglich an vier Stellen auf, stets ohne Bezug zur Stadt Rom.181 Von diesen fallen nur zwei Stellen unter die erwähnten 30 literarischen Belege für Pomerium 177
Zu den Verlaufsrekonstruktionen und den Cippi mit ihren Fundorten siehe Abb. 9 (Kap. 4.1.6) und Kap. 4.1.2 c) Anm. 97 mit der dort zitierten Lit. 178 Die spärlichen Belege für die Adjektive intramuranus und extramuranus beziehen sich allerdings meist nicht auf Rom und sagen für den üblichen Sprachgebrauch insgesamt wenig aus. Vgl. jeweils ThlL s. v. sowie Soricelli 2007. 179 Cod. Theod. 16,10,3: Quamquam omnis superstitio penitus eruenda sit, tamen volumus, ut aedes templorum, quae extra muros sunt positae, intactae incorruptaeque consistant. Vgl. Dey 2011, 215 f. 180 Cod. Theod. 14,10,1: Sine exceptione temporis matutini, dumtaxat intra moenia con stitutus, nullus senatorum habitum sibi vindicet militarem, sed chlamydis terrore deposito quieta coloborum ac paenularum induat vestimenta; 14,10,2: Usum tzangarum adque bracarum intra urbem venerabilem nemini liceat usurpare; 14,10,3: Intra urbem Romam nemo vel bracis vel tzangis utatur; 14,10,4: Maiores crines, indumenta pellium etiam in servis intra urbem sacratissimam praecipimus inhiberi. Vgl. Dey 2011, 213 f., zur weiteren Entwicklung solcher Definitionen im christlichen Rom bs. 225–235. 181 Nicht mit gerechnet sind hierbei nur die ausführlich besprochenen, bei Gellius zitierten Aussagen des Laelius Felix zu den Centuriatscomitien, die einem Kommentar zum Ius
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aus der Zeit vor dem 3. Jh. n. Chr.; eine dritte stellt einen spätantiken Kommentar zur ersten Stelle dar, welcher eben den Begriff Pomerium erklärt. Bereits dieser Befund deutet daraufhin, dass der Begriff Pomerium in diesem Kontext zwar rezipiert wurde, jedoch zu keinem Zeitpunkt ein üblicher Terminus Technicus für eine rechtlich signifikante Stadtgrenze werden konnte.182 Selbst die wenigen Fälle, in denen der Begriff auftaucht, erweisen sich bei genauerer Betrachtung nicht als hinreichende Belege für ein solches Verständnis, wie nun gezeigt werden soll. Was wir hier greifen, scheinen mir vielmehr Einzelfälle von pragmatisch oder rhetorisch begründeten Verwendungen des Begriffs zu sein, die sich zudem überwiegend nicht auf eine Grenzfunktion des Pomerium beziehen, sondern dieses in erster Linie in seiner Materialität als Freifläche vor der Mauer betreffen. Wie gesehen, ordneten sowohl Varro als auch Livius, trotz ihrer sich widersprechenden Pomeriumdefinitionen, die Entstehung des Pomerium dem etruskischen Ritus der Stadtgründung zu, weshalb alle nach diesem Ritus gegründeten Städte, einschließlich der römischen Colonien, ein Pomerium besitzen müssten. Bereits Livius betont jedoch, dass die Bezeichnung Pomerium von den Römern stamme und impliziert, dass sie von der Sache – einem im Rahmen des etruskischen Stadtgründungsrituals eingerichteten Streifen – zu trennen sei. Tatsächlich fehlen inschriftliche Belege für den Begriff Pomerium außerhalb von Rom ganz: Die Grenzen des urbanen Bereichs in den Stadtgesetzen und auf den erhaltenen Grenzsteinen aus Capua werden, wie gesagt, mit dem Pflugritual verbunden (qua aratrum ductum est), dessen Verbindung mit dem Pomeriumbegriff aber, wie in Kapitel 2.2 ausgeführt, problematisch ist. Andererseits besteht auch an der faktischen Existenz von überweigend unbebauten loci publici an der Mauer gerade in anderen Städten als Rom kein Zweifel. Deshalb wundert es nicht, dass gerade diese Bedeutung von Pomerium – und weniger jene als formale Stadtgrenze – im juristischen Schrifttum vereinzelt aufgegriffen zu werden scheint. Soll in den gromatischen Schriften ein eigentliches Stadtgebiet einer beliebigen Stadt definiert werden, ist regelmäßig von Stadtmauern oder moenia (was auch das Gebiet innerhalb mitbezeichnen kann) die Rede. Von den vier Stellen, an denen dennoch vom Pomerium anderer Städte als Rom die Rede ist, betreffen jedenfalls drei einen spezifischen Rechtsbereich, und zwar das
Civile des Q. Mucius Scaevola Pontifex entstammen. Diese haben aber offensichtlich eher antiquarischen als fachjuristischen Charakter, eine Eigenschaft, die in der Forschung teilweise auch für den ganzen Kommentar angenommen wird. Vgl. dazu mit Belegen Giaro 1999. 182 In Inschriften ist außerhalb Roms, wie erwähnt, ohnehin nie von einem Pomerium die Rede; Belege finden sich nur für Ausdrücke wie intra muros (aber offenbar nicht für extra muros). Vgl. etwa CIL IX 982 (= ILS 6483); XI 3013; XIV 2793 (= ILS 5449); Vgl. dazu und zu den v. a. spätantiken Adjektiven intramuranus und intramuranus Soricelli 2007.
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Bodenrecht. Offenbar wird in diesen Fällen also lediglich diejenige unter den vielen im antiquarischen Diskurs greifbaren Definitionen aufgegriffen, welche das Pomerium schlicht als Maueranger im öffentlichen Besitz bezeichnet, ohne besondere Funktionen als Stadtgrenze und ohne Sakralcharakter. c) Pomerium in bodenrechtlichem Zusammenhang Ganz offensichtlich ist dies bei den beiden spätantiken Belegen, mit denen darum hier begonnen werden soll. Der frühere von beiden ist ein Gesetz der Kaiser Arcadius und Honorius aus dem Jahr 400 n. Chr., das im Codex Theodosianus überliefert ist und die dauerhafte Pacht öffentlichen Landes verschiedener Art durch die Decurionen einer Stadt betrifft. Diese Grundstücke werden mit folgender Formulierung zusammengefasst: aedificia, hortos adque areas aedium publicarum et ea rei publicae loca, quae aut includuntur moenibus civitatum aut pomeriis sunt conexa, vel […] civitatum territoriis ambiuntur […].183 Zwar wird nicht vollständig klar, was mit pomeria hier gemeint ist. Eindeutig ist jedoch, dass es um eine bestimmte Fläche geht, an die Grundstücke angrenzen können, nicht jedoch um eine Bezeichnung für eine Stadtgrenze. Noch expliziter ist die vermutlich etwas später datierende Erklärung des Pomeriumbegriffs in dem anonymen Kommentar zu den gromatischen Schriften des Frontinus, die bereits im Definitionskapitel behandelt wurde. Der Kommentator bezieht den Begriff auf eine außerhalb der Stadtmauer befindliche Fläche, die zwingend in öffentlichem Besitz bleiben muss, also vermutlich mit dem ja auch archäologisch zuweilen fassbaren freien locus publicus an der Stadtmauer identisch ist, den man als Maueranger bezeichnen könnte: Pomerium urbis est, quod ante muros spatium sub certa mensura demensum est: sed aliquibus urbibus et intra muros simili modo est statutum propter custodiam fundamentorum.184
183 Cod.
Theod. 10,3,5: „Bauwerke, Gärten und zu öffentlichen Gebäude gehörende Flächen und jene öffentlichen Grundstücke, die entweder durch die Mauern umschlossen sind oder an das Mauervorland (pomerium) angrenzen, oder solche die […] vom Territorium einer civitas umschlossen sind […].“ 184 Commentum ad Frontinum 17 f. L (= 66 C): „Das Pomerium einer Stadt ist der Raum, der vor den Mauern in einer bestimmten Breite abgemessen ist. Aber in einigen Städten ist ein Raum von ähnlicher Art auch innerhalb der Mauern festgelegt der Bewahrung der Fundamente halber.“
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Wenig später wird noch einmal ergänzend auf diese Definition zurückverwiesen: Nam et pomeria urbium, de quibus iam superius suo loco disputavimus, publica loca esse noscuntur.185 Man könnte nun zweifellos einwenden, dass die genannten Stellen zwar ein spätantikes Verständnis widerspiegeln, welches auch in der übrigen Literatur der Epoche, auf die wir noch eingehen werden, zu beobachten ist; in früheren Jahrhunderten könnte demnach der Begriff theoretisch durchaus auch in gromatischen Kontexten andere Bedeutungen angenommen haben. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass auch der Frontinus-Kommentator, der zahlreiche frühere Gromatiker offensichtlich benutzt hat, den Begriff kaum so ausführlich erklären würde, würde es sich dabei um einen üblichen Terminus technicus handeln. Ferner ist der Begriff in der erhaltenen früheren gromatischen Literatur auch nur an jener Stelle belegt, auf die sich der Kommentar bezieht: eine Erwähnung des Begriffs Pomerium bei Frontinus in dessen Schrift De controversiis. Dieser früheste eindeutige Beleg für einen Gebrauch des Pomeriumbegriffs in bodenrechtlichem Zusammenhang ist zugleich der früheste außerhalb eines antiquarischen Kontextes, der auch nicht als rhetorisches Stilmittel erklärt werden kann. Darüber hinaus ist diese Stelle die einzige im gromatischen Kontext, die im Hinblick auf die Frage nach der Bedeutung von Pomerium einer näheren Betrachtung bedarf. Sie steht im Zusammenhang eines bestimmten Typs von Rechtsstreit, der controversia de iure territorii: De iure territorii controversia est de quae ad ipsam urbem pertinen, [sive quod intra pomerium eius urbis erit, quod a privatis operibus optineri non oportebit. Eum dico locum quem nec ordo nullo iure a publico poterit amovere]. Habet autem condiciones duas, unam urbani soli, alteram agrestis, quod in tutelam rei fuerit adsignatum urbanae; [urbani quod operibus publicis datum fuerit aut destinatum].186 Dies übersetzt Campbell wie folgt: „A dispute about territorial jurisdiction concerns areas that belong to a town itself, [including anything inside the formal boundary {pomerium} of that town which should not be occupied by private buildings. I refer to that place which not even the town council should be able by any legal means to remove from public ownership.] Now (the dispute) has two categories; one relates to land in 185
Commentum ad Frontinum 21 L (= 70 C): „Denn auch die Pomeria von Städten, die wir oben schon an passendem Ort diskutiert haben, gelten als öffentlicher Grund.“ 186 Frontin. De controversiis 7 T (=17 f. L; 6 C).
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the town, the other to land in the countryside, which was allocated to the town to support the urban fabric. [Land in the town is that which was granted or set aside for public buildings.]“187 Außer Frage steht, allein schon durch die weiteren Ausführungen desselben Abschnitts, dass der Ausdruck quod intra pomerium eius urbis erit nicht mit quae ad ipsam urbem pertinent gleichbedeutend ist: urbs bezieht sich hier wie auch sonst bei den Gromatikern auf die Stadt als rechtliches Gebilde (res urbana), also einschließlich der zugehörigen Landgebiete, nicht auf ein Stadtgebiet im baulichen Sinne, welches im Übrigen wenige Zeilen später mit dem Wort moenia bezeichnet wird.188 Es stellt sich allerdings die Frage, was genau dann mit quod intra pomerium eius urbis erit gemeint ist und ob die Deutung Campbells als formale Stadtgrenze hier überzeugen kann. Dies würde bedeuten, dass hier die Menge aller Bereiche innerhalb dieser Grenze, also im Stadtgebiet, angesprochen wird, die nicht privat bebaut werden dürfe. Diese Deutung kann zwar nicht völlig ausgeschlossen werden; es gibt jedoch deutliche Indizien, die gegen diese Deutung sprechen. Zunächst ist dies der dargestellte Umstand, dass sie in den erhaltenen gromatischen Schriften singulär wäre und dem spätantiken Kommentar widerspricht – wie übrigens auch der Verwendung im Codex Theodosianus, wo es um einen ähnlichen Sachverhalt geht. Dies allein kann freilich nicht ausreichen. Wie aber die Einklammerungen bereits anzeigen, ist auch die Textkritik der Stelle umstritten. In seiner Edition von 1913 begründet Thulin die erstmals von ihm vorgenommenen Einklammerungen damit, dass die betreffenden Passagen inhaltlich zu einer anderen Rechtsfrage, nämlich jener zu den loca publica gehörten und somit ursprünglich an einer anderen Stelle gestanden haben könnten.189 Tatsächlich scheint die inhaltliche Kohärenz der Passage und des gesamten Abschnitts zur controversia de iure territorii größer, wenn man diese Passagen auslässt. Auch die anderen Gromatiker, welche diese controversia behandeln, stellen keinerlei Verbindungen zur Frage des öffentlichen Grundbesitzes her.190 Nichtsdestoweniger scheint der Text in diesem Zustand bereits dem spätantiken Kommentator vorgelegen zu haben. Weitere Zweifel ergeben sich aber aus dem sprachlichen Ausdruck der entscheidenden Phrase: Wäre hier eine unbestimmte Menge von Orten innerhalb einer Grenze gemeint, wäre m. E. eher eine Konstruktion mit quidquid zu erwarten (also etwa quidquid intra pomerium erit, quod …), für die es bei Frontinus und auch in derselben Schrift mehrere Belege gibt.191 Der gewöhnliche Relativsatz mit quod scheint sich dagegen eher auf das Pomerium selbst als eine bestimmte Fläche zu beziehen, für welche 187
Campbell 2000, 7. Castillo 2013, 155. 189 Thulin 1913, 7. Vgl. zu diesem Problem jedoch auch Campbell 2000, 323. 190 Dazu im Ganzen Castillo 2013. 191 Z. B. fünfmal allein in der kurzen Schrift De controversiis. 188
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diese Beschränkung gilt. Es deutet also einiges daraufhin, dass mit Pomerium auch hier, in Übereinstimmung nicht nur mit dem spätantiken Kommentator, sondern auch mit den Definitionen Livius’ und Suetons, eher ein Maueranger oder Mauervorland in öffentlichem Besitz (locus publicus) gemeint ist, eine Einrichtung, die in römischen Städten wie erwähnt regelmäßig vorkam.192 Zudem könnte der erklärende Nachsatz (eum dico locum…) dadurch bedingt sein, dass auch Frontinus den Begriff Pomerium nicht als im gromatischen Kontext gängig ansah. Eine gegenteilige Deutung wäre zudem auch aus inhaltlichen Gründen ungleich weniger wahrscheinlich: Wenn das Pomerium hier tatsächlich nur als „formale Stadtgrenze“ angesprochen würde, wäre es mehr als erstaunlich, dass gerade an dieser Stelle von einem öffentlichen Grund die Rede ist, der nicht durch private Bauwerke besetzt werden darf, ausgerechnet jenem rechtlichen Status also, den manche Autoren dem Pomerium als solchem zuschreiben. Das Fehlen des Begriffs Pomerium in allen anderen Schriften des Frontinus, auch den nicht-gromatischen, kann ebenfalls als Indiz dafür gewertet werden, dass er dieses nicht als formale Stadtgrenze, sondern lediglich als öffentliches Landstück an der Mauer auffasste. Die Verwendung des Pomeriumbegriffs im gromatischen Kontext scheint somit auch bei diesem frühen Fall insgesamt eher eine nicht-technische, pragmatisch motivierte Bezeichnung eines bestimmten bodenrechtlich herausgehobenen Bereichs zu sein, den es aber auch unabhängig von dieser Bezeichnung regelmäßig gegeben haben dürfte. d) Pomerium in einem anderen Rechtsgebiet? – Papinian Sind die Belege für Pomerium in bodenrechtlichen Zusammenhängen schon insgesamt spärlich, fällt das Ergebnis für das gesamte übrige juristische Textcorpus noch beschränkter aus. Die einzige ein anderes Rechtsgebiet betreffende Verwendung des Pomeriumbegriffs greifen wir in Gestalt einer einzelnen Erwähnung des Begriffs in den Digesten, wo eine Aussage aus den Quaestiones Papinians, also aus severischer Zeit, zitiert wird, die ebenfalls bereits im Zusammenhang mit der Begriffsdefinition kurz Thema war: Cui pacto venditoris pomerio cuiuslibet civitatis interdictum est, Urbe etiam interdictum esse videtur. Quod quidem alias cum principum mandatis praeciperetur, etiam naturalem habet intellectum, ne scilicet qui careret minoribus, fruatur maioribus.193 192 Zum
locus publicus an der Mauer insgesamt Stevens 2017, 110–117, die allerdings vor dem Hintergrund einer anderen Pomeriumdefinition die Bezeichnung Pomerium für den locus publicus an der Mauer ablehnt. Siehe dazu und für weitere Lit. auch Kap. 2.1 mit Anm. 6. 193 Dig. 18,7,5: „Einem [Sklaven], dem aufgrund einer Vereinbarung mit dem Verkäufer der Aufenthalt innerhalb des Pomerium jeglicher Stadtgemeinde verboten ist, ist auch
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In der Forschung zum Pomerium wurde diese Aussage teilweise, wie an anderer Stelle erläutert194, in die Reihe derjenigen Zeugnisse eingeordnet, welche den Begriff schlicht auf den Bereich vor der Mauer oder gar auf die Vorstadt anwenden.195 Dabei spielt aber meist eine entscheidende Rolle, dass das Wort urbs auf das bebaute Stadtgebiet der jeweiligen civitas bezogen wird, was wohl ein Missverständnis darstellt: Vielmehr dürfte mit Urbs (entsprechend in Großschreibung) hier die Hauptstadt Rom im Unterschied zu den civitates des Reiches gemeint sein. Damit wird aber auch die Frage nach der Bedeutung von Pomerium und seiner Funktion als Grenze wieder aufgeworfen: Denn offenbar bezogen sich die in den betreffenden Kaufverträgen festgelegten Aufenthaltsverbote für Sklaven auf Stadtgebiete in ihrer Gesamtheit. Im Definitionskapitel wurde daher erwogen, dass mit Pomerium hier das Stadtgebiet in seiner Gesamtheit angesprochen worden sein könnte. Die Schwierigkeiten rühren jedenfalls eben daher, dass der Begriff in vergleichbaren Kontexten sonst fehlt. Dabei kommt noch hinzu, dass Papinians Zeitgenosse Julius Paulus explizit klarstellt, dass das Gebiet einer Stadt fast immer durch die Mauer definiert werde, und lediglich in Rom zwischen einer urbs im engeren Sinne des Mauerringes und Roma im weiteren Sinne der continentia tecta unterschieden werde.196 Trotz des Problems mit dem Begriff Urbs und der letztlich unklaren Bedeutung von Pomerium bei Papinian, ist also der Forschung darin Recht zu geben, dass der Begriff hier nicht als Terminus technicus zu verstehen ist197 und mit Anlehnungen an andere Diskurse gerechnet werden muss. Dies ist auch deshalb gut möglich, weil die begriffliche Präzision im Hinblick auf „jede beliebige Stadt“ inhaltlich nicht von Bedeutung ist, da es in dem Satz ja vermutlich lediglich um eine Gegenüberstellung mit Rom geht. Zugleich könnte die rhetorische Ausformung des Textes und ein gewisses pathetisches Element eine Rolle spielen, welche gerade für die Quaestiones etwa von Babusiaux herausgearbeitet wurden.198 Dabei mag schließlich auch das Argument mit dem Common Sense (naturalem habet intellectum) zu einer Anpassung an einen weniger technischen Sprachgebrauch beigetragen haben.
der Aufenthalt in der Hauptstadt verboten. Obgleich dies freilich ein anderes Mal in Dienstanweisungen der Kaiser bestimmt worden ist, entspricht es auch der natürlichen Einsicht, weil doch derjenige, der von geringeren Dingen ausgeschlossen ist, sich nicht größerer Dinge erfreuen darf.“ 194 Siehe hierzu und zur folgenden Überlegung Kap. 2.1.1 c). 195 Siehe Kap. 2.1.1 c) Anm. 55. 196 Für eine vergleichbare Regelung für einen Sklaven wohl des 4. Jh. n. Chr., der den Bereich innerhalb der Aurelianischen Mauer (foras muru) nicht verlassen durfte, siehe Kap. 2.1.1 c) Anm. 56. 197 Z. B. Sisani 2016, 67; Nissen 1885, 243. 198 Babusiaux 2011.
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e) Fazit zum juristischen Diskurs Es zeigt sich somit, dass der Begriff Pomerium im juristischen Fachdiskurs zwar wohl spätestens seit Frontinus vereinzelt aufgenommen wurde, jedoch offenbar nicht zu einer allgemein üblichen, technischen Bezeichnung für eine rechtlich maßgebliche Stadtgrenze wurde. Von der Papinian-Stelle abgesehen betreffen die wenigen übrigen Verwendungen ausschließlich das Pomerium als einen peripheren Raum außerhalb der Stadtmauer, der vermutlich regelmäßig als locus publicus galt.199 Dazu passt, dass sich keine der Erwähnungen von Pomerium im juristischen Schrifttum auf die Stadt Rom bezieht, im Gegensatz zur früheren Literatur, wo es stets überwiegend oder ausschließlich um das Pomerium Roms geht. Doch in Rom selbst gab es, wie Livius und noch deutlicher Dionysios von Halikarnassos bezeugen, bereits in augusteischer Zeit (und wohl auch schon deutlich früher) gerade keinen solchen Freiraum um die militärisch obsolete Servianische Mauer mehr.200 Dafür, dass es sich bei den Verwendungen des Pomeriumbegriff im juristischen Kontext letztlich um – vielleicht schon sehr frühe – Übernahmen aus dem antiquarischen Diskurs handelt, spricht, dass sie auf der wahrscheinlich scheinetymologischen Verbindung mit der Stadtmauer zu beruhen scheinen, die vermutlich innerhalb des antiquarischen Diskurs entwickelt worden war. Dass es sich umgekehrt verhielt, der Pomeriumbegriff also aus dem bodenrechtlichen Kontext stammte und erst dann vom antiquarischen Diskurs aufgegriffen wurde, muss aus mindestens zwei Gründen als weniger wahrscheinlich gelten: Zum einen weil die unklare Etymologie von Pomerium auf ein sehr hohes Alter des Wortes hinweist, zum anderen weil die besondere Verbindung des Pomerium mit dem Auspizienwesen sich kaum mit den Fragen der Einrichtung der Colonien in Verbindung bringen lässt.
4.2.3 Ein „alltagssprachlicher“ Pomeriumbegriff. Frühe Belege bei Mark Aurel und Apuleius Einzelne Gelehrte haben zurecht darauf hingewiesen, dass spätestens ab dem 2. Jh. n. Chr. auch ein Gebrauch von Pomerium in unseren Texten greifbar wird, der als alltagssprachlich aufgefasst und vor allem an der denotativen Bedeutung der Wortes 199
200
Siehe bs. Kap. 2.1 mit Anm. 6. Dion. Hal. ant. 4,13,5: εἰ δὲ τῷ τείχει τῷ δυσευρέτῳ μὲν ὄντι διὰ τὰς περιλαμβανούσας αὐτὸ πολλαχόθεν οἰκήσεις, ἴχνη δέ τινα φυλάττοντι κατὰ πολλοὺς τόπους τῆς ἀρχαίας κατασκευῆς, βουληθείη μετρεῖν αὐτὴν κατὰ τὸν κύκλον τὸν περιέχοντα Ἀθηναίων τὸ ἄστυ, οὐ πολλῷ τινι μείζων ὁ τῆς Ῥώμης ἂν αὐτῷ φανείη κύκλος („Wollte man hingegen die Stadt anhand der Mauer vermessen, die wegen der vielfältigen Bebauung, die sie vielerorts umgibt, zwar schwer zu finden ist, jedoch an vielen Orten noch Spuren ihrer ursprünglichen Gestalt bewahrt, und sie mit der Stadt der Athener vergleichen, dann würde der Umfang Roms wohl nicht viel größer erscheinen als dieser.“ Übers: N. Wiater).
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festgemacht wird201: Tatsächlich scheint ein Großteil der damit angesprochenen Autoren den Begriff überwiegend auf einen größeren Bereich vor der Stadtmauer einer Stadt anzuwenden, dessen Charakteristika und Begrenzung jedoch unscharf bleiben. Auch wurde teilweise bemerkt, dass dem Pomerium in diesen Fällen keine rechtliche Signifikanz als Grenze zugeschrieben wird202, was allerdings – abgesehen vom Auguralrecht – auch für die erhaltene Literatur der früheren Zeit gilt. Beide Beobachtungen, obwohl in der Sache korrekt, schließen eine Einbindung des Begriffs in den antiquarischen Diskurs also keineswegs aus, wie etwa noch das Beispiel der Florus-Stelle gezeigt hat. Dennoch ist es nicht ganz falsch, viele dieser späteren Gebrauchsweisen als alltagssprachlich zu bezeichnen. Entscheidend ist nämlich, dass ab dem 2. Jh. n. Chr. vermehrt Belege für Pomerium auftreten, die eindeutig weder in den antiquarischen Diskurs und noch in den juristischen eingebunden sind, und die auch nicht als bildhafte Verwendungen erscheinen. Ferner werden dabei nun sehr häufig auch andere Städte als Rom selbst angesprochen oder zumindest miteinbezogen, was bei den bisher besprochenen Stellen praktisch nicht vorkommt: Die einzigen Ausnahmen bilden Frontinus und Varro, wobei auch letzterer den Begriff nur auf die nach etruskischem Ritus gegründeten Städte des alten Latium und die römischen Colonien bezieht, nicht aber z. B. auch auf griechische Städte, wie es nun häufiger geschieht.203 Das früheste greifbare Beispiel für einen solchen Gebrauch des Pomerium begriffs findet sich in einem Brief des späteren Kaisers Mark Aurel an seinen Lehrer Fronto, der in das Jahr 139 n. Chr. datiert wird. Der junge Marcus fragt dort wohl rhetorisch, ob man denn besser innerhalb des Pomerium als außerhalb der Mauern ein philosophisches Gespräch führen könne: num --- [Lücke von zwei Zeilen] | praestabilius sub laquearibus quam sub platanis, intra pomerium quam extra murum, sine delicieis quam ipsa Lai proxime adsistente habitanteve disputari?204 Auch wenn durch die Textlücke der Sinn der Aussage nicht vollständig zu klären ist, steht doch eines fest: Es handelt sich hier um eine Anspielung auf die ersten Worte des Phaidros in dem nach ihm benannten Dialog Platons, sowie auf den
201
Zuletzt spricht etwa Sisani 2016, 67, von einem „slittamento semantico […] del termine pomerium / pomeria, che […] passa a significare il suburbio della città“. Ausführlich auch schon Nissen 1885, 241–244. 202 Z. B. Chioffi 2014, 234 Anm. 48. 203 Varr. ling. 5,143. 204 Fronto, Addimentum epistularum variarum acephalum 7,2: „Ist es etwa […] vortrefflicher unter einer Zimmerdecke als unter Platanen zu diskutieren, innerhalb des Pomerium als außerhalb der Mauern, ohne ein Schätzchen als mit Lais selbst, die dabei sitzt oder wohnt?“
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Diskussionsort dieses Dialogs unter einer Platane vor den Mauern Athens.205 Indem dieser suburbane Ort indirekt als extra pomerium bezeichnet wird, wird klar, dass der Begriff hier weder als antiquarischer Gegenstand noch in einem rechtlichen Sinne relevant ist, sondern schlicht die physische Distanz vom dicht bebauten Stadtraum zum Ausdruck bringt. Dass zum Zwecke der Variation die Stadtmauer ebenfalls genannt wird, ohne dass damit eine Veränderung der Aussage einhergeht, deutet in die gleiche Richtung: Es geht um die körperliche Trennung von der Stadt. Zudem umfasst die rhetorische Frage Städte im Allgemeinen, also sowohl das Rom Mark Aurels als auch das Athen Sokrates’ und Platons. Derjenige Autor, mit dem ein solcher, „alltagssprachlicher“ und nicht-romspezifischer Gebrauch von Pomerium erstmals häufiger auftritt, ist dann Apuleius, von dem in dieser Hinsicht bereits die Rede war. Interessanterweise betrifft die vermutlich früheste unter den Erwähnungen des Pomerium bei Apuleius ebenjene Situation im Phaidros, auf die auch schon Mark Aurel angespielt hatte: In der Schrift De deo Socratis kommt der Autor mit sehr ähnlichen Worten auf dieses Werk Platons zu sprechen: In huiuscemodi rebus vocem quampiam divinitus exortam dicebat audire – ita enim apud Platonem –, ne quisquam arbitretur omina eum vulgo loquentium captitasse. Quippe etiam semotis arbitris uno cum Phaedro extra pomerium sub quodam arboris opaco umbraculo signum illud adnuntium sensit, ne prius transcenderet Ilissi amnis modicum fluentum, quam increpitu indignatum Amorem recinendo placasset.206 Doch Apuleius ist zugleich der früheste erhaltene Autor, der auch in erzählenden Texten Pomerium regelmäßig als bloße Ortsangabe im Sinne von „freier Bereich vor den Stadtmauern“ verwendet. So etwa in den Florida in einer Episode über den Arzt Asclepiades, der bei der Rückkehr von seinem Suburbanum ein Begräbnis in pomoeriis civitatis beobachtet und in der Folge gerade noch rechtzeitig feststellt, dass der vermeintlich Verstorbene noch lebt.207 Obwohl der betreffende Asclepiades von anderen Quellen in Rom verortet wird, deutet die Wortwahl bei civitatis klar darauf 205 Vgl.
van den Hout 1999, 559. Apul. Soc. 19,31: „Denn auch fern von allen Beobachtern nahm er [Sokrates] außerhalb der Stadt – einzig in Begleitung des Phaidros – im Schatten eines Baumes jenes Zeichen wahr, dass ihm verkündete, den unbedeutenden Lauf des Ilissos nicht eher zu überqueren, als bis er den Amor, der über seine Schelte ungehalten war, durch einen Widerruf besänftigt habe.“ Übers. M. Baltes. 207 Apul. flor. 19,2: is igitur cum forte in civitatem sese reciperet et rure suo suburbano rediret, aspexit in pomoeriis civitatis funus ingens („Als dieser sich also zufällig einmal in die Stadt begab und von seinem Landgut im Suburbium zurückkehrte, erblickte er vor den Mauern (in pomoeriis) einen riesigen Begräbniszug“). 206
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hin, dass der Autor hier nicht von Rom spricht und den Ausdruck in pomoeriis als allgemeingültige Bezeichnung für einen bestimmten Raum am Stadtrand versteht.208 In ähnlicher Weise spricht Apuleius dann auch in den Metamorphosen vom Pomerium und dies immerhin dreimal. Davon beziehen sich zwei Nennungen auf Hypata, einen der Hauptschauplätze des Romans in Thessalien, eine weitere auf eine nicht näher bezeichnete nobilis civitas.209 So wohnt etwa der Gastgeber des Erzählers in Hypata, der wegen seines Geizes verrufene Milo, auch physisch von der Stadtgemeinschaft separiert: extra pomerium et urbem totam, wie eine vom Erzähler Lucius darüber befragte Frau bemerkt.210 An einer Stelle im zweiten Buch ist von den Bäumen die Rede, die in Hypata das Pomerium umgeben (arbores, quae pomerium ambirent) und die dem über Hexerei phantasierenden Lucius als Produkte magischer Verwandlungen erscheinen.211 An einer dritten Stelle – nun in einer unbenannten Stadt, in die Lucius auf seinen Reisen in Gestalt eines Esel gelangt – geht es schließlich um einen Diebstahl: Den Tätern war es – wie ihnen später vorgehalten wird – zunächst gelungen, ungesehen aus der Stadt zu entkommen, wobei sie das Pomerium, das wohl als Freifläche zu verstehen ist, schon in der Morgendämmerung überquert hatten: adhuc luce dubia pomerium pervaserint.212 Auch hier ist also vom Pomerium lediglich in Bezug auf seine Materialität und unabhängig von der Stadt Rom die Rede.
208
Hunink 2001, 198, vermutet, dass der Autor den Namen Roms bewusst vermieden habe, weil die Anekdote ursprünglich in einem „firmly ‚African‘ or even ‚Cathaginian‘ context“ angesiedelt gewesen sein könnte, was gegen die Nennung Roms gesprochen habe. Diese Frage ist freilich hier nachrangig, weil in jedem Fall klar wird, dass der Autor die pomoeria nicht als eine spezifisch stadtrömische oder italische Einrichtung ansah. 209 Apul. met. 8,30,5: perveniunt ad quandam nobilem civitatem. 210 Apul. met. 1,21. Da im griechischen Vorbild kein Äquivalent zum Pomerium enthalten ist, vermutet Keulen 2007, 377 (mit den Belegen und weiterer Lit.), hier ein bewusst gesetztes romanisierendes Element, dass die „Plautine atmosphere“ der Passage erhöhe. Hier ist freilich zu bedenken, dass angesichts der übrigen Erwähnungen bei Apuleius nicht klar ist, inwiefern der Autor das Pomerium überhaupt noch als eine spezifisch römische Institution auffasste. Zum Aspekt der Randlage des Hauses vgl. auch Fuhrer 2015, bs. 94 f. und 103. 211 Apul. met. 2,1. 212 Apul. met. 9,9.
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4.2.4 Der Sonderfall Cassius Dio Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen zwischen dem 1 Jh. v. Chr. und dem 2. Jh. n. Chr. ist nun auch die Verwendung des Pomeriumbegriffs bei Cassius Dio zu bewerten.213 Das Pomerium (πωμήριον) scheint für diesen Autor schlicht die in fast jedem rechtlichen Kontext maßgebliche Stadtgrenze zu sein, während er von Mauern und Toren eher im Hinblick auf ihre bauliche Materialität oder fortifikatorische Funktion, weniger aber als rechtliche Grenze spricht.214 Auch die Grenze der ersten Meile wird allein bei Dio als eine vom Pomerium abgeleitete Grenze aufgefasst, und nicht etwa von den Stadttoren, dem Stadtzentrum oder der Grenze der Bebauung aus gezählt.215 Insbesondere ist er der einzige Autor, der das Thema des promagistratischen imperium, die Triumphproblematik, das Bestattungsverbot und, freilich nur im Zusammenhang der ägyptischen Kulte, die Platzierung von Kultorten mit dem Pomerium verknüpft. Entsprechend sind all diese Stellen, welche bis auf eine Ausnahme aus den Büchern 39–55 (57 v. Chr. – 8 n. Chr.) stammen, bereits im jeweiligen Zusammenhang besprochen worden. Daraus erklärt sich auch leicht, warum er für mehrere angeblich essentielle Funktionen des Pomerium die einzige oder wenigstens die weitaus wichtigste Quelle darstellt. Zugleich fehlen Einbindungen des Pomerium in den antiquarischen Diskurs, wie sie bei Livius, Tacitus und Florus festzustellen waren, jedenfalls in den erhaltenen Werkteilen völlig, obwohl antiquarische Exkurse zu anderen Gegenständen durchaus vorkommen.216 Auch werden, was betont werden muss, die von Dio mit dem Pomerium verknüpften Regeln nicht etwa mit einem besonderen sakralen Charakter des Pomerium selbst oder des intrapomerialen Stadtgebietes begründet. Gerade das Auguralrecht fehlt bei Dio zudem in der Reihe der Grenzfunktionen, wird aber auch keiner anderen Stadtgrenze zugeordnet. Was Cassius Dio mit früheren Geschichtsschreibern verbindet, ist lediglich die Erwähnung von Pomeriumerweiterungen, die jedoch fast ohne jede Deutung, 213
Cass. Dio 38,17,1; 39,39,7; 63,4 und 65,1; 40,47,4 und 50,2; 41,15,2 und 16,1; 43,50,1; 44,7,1 und 49,2; 49,15,3; 51,19,6; 53,2,4 und 32,5; 13,4; 17,4 und 6; 54,25,3; 55,2,2; 6,6 und 8,2; epit. 77,1,6. 214 Eine Ausnahme stellt Cass. Dio 38,17,1 dar, wo im Zusammenhang mit dem promagistratischen Kommando Caesars davon die Rede ist, dass eine Versammlung, an der dieser teilnehmen könne, „außerhalb der Mauern“ stattfinde müsse: ὁ μέντοι Καῖσαρ ῾ἔξω γὰρ τοῦ τείχους ὁ Κλώδιος δι᾽ αὐτόν, ἐπειδήπερ ἐξεστράτευτο, τὸν ὅμιλον συναγαγὼν καὶ ἐκεῖνον ἐπιγνώμονα τῶν γεγραμμένων ἐποιήσατὀ […] („Caesar indessen, der schon ausgezogen war und den daher Clodius nur durch eine Versammlung des Volkes außerhalb der Mauern zum Schiedsrichter über den Antrag machen konnte […].“ Übers. O. Veh). Zu einer Stelle, wo Antonius und das Mitführen von Bewaffneten „innerhalb der Stadtmauern“ gestattet wird, siehe die letzten Abschnitte von Kap. 3.3.1 b). 215 Cass. Dio 51,19,6. 216 Hose 1994, 418 f. mit Beispielen.
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Begründung oder Rechtfertigung genannt werden, wenn man von der Bemerkung absieht, durch die Pomeriumerweiterung und andere Maßnahmen habe Caesars allgemeines Vorgehen in Rom an das Sullas erinnert.217 Im Gegensatz zu allen früheren Geschichtsschreibern und der großen Mehrheit auch der übrigen früheren Autoren ist das Pomerium bei Cassius Dio regelmäßig ein nennenswerter Faktor innerhalb der erzählten Handlung; häufig wird damit der Ort eines bestimmten historischen Geschehens oder das Verhalten eines Akteurs erklärt. In dieser Hinsicht steht er sogar dem Gebrauch des Begriffs bei Apuleius näher als den meisten Autoren vor ihm, natürlich mit dem Unterschied, dass es bei Apuleius primär um die räumliche Verortung eines Geschehens an sich geht, nicht um die Frage, inwieweit diese durch bestimmte Regeln der politischen Ordnung bedingt war. Den aus der Gesamtheit der Zeugnisse so herausstechenden Fall Cassius Dios zu erklären, fällt nicht leicht. In der Forschung ist schon diese Sonderrolle selbst, also das deutliche Übergewicht der Dio-Stellen im Bereich der Funktionen des Pomerium, soweit ich sehe, bisher nicht problematisiert worden. Cassius Dio ist zudem – abgesehen von Plutarchs einmaliger Erwähnung des Pomerium im Kontext des Stadtgründungsrituals – der einzige griechisch schreibende Autor überhaupt, der explizit auf das Pomerium – als πωμήριον – zu sprechen kommt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass auch dieser Aspekt, verbunden mit einer reichsweiten Adressatenschaft, in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt.218 Allgemein hat z. B. Hinard überzeugend dargelegt, dass Cassius Dio in seiner Darstellung der Institutionen der Republik um große Präzision bemüht war, wenngleich er das institutionelle Detail häufig seinem politischen Effekt in einer konkreten Situation unterordnet.219 Es ist aber nicht davon auszugehen, dass Dio im Hinblick auf das Pomerium ohne eigene Reflexion der Wortwahl einer Quelle gefolgt ist. Zwar bedeutet dies natürlich nicht, dass nicht auch frühere, heute verlorene Autoren, die er benutzt haben könnte, das Pomerium in dieser Weise verstanden haben könnten. Mindestens ebenso denkbar scheint aber, dass Cassius Dio auf anderem Wege zu der Einschätzung gelangte, er müsse, um die in der Republik gültigen Regeln präzise wiederzugeben, in seiner Darstellung vom Pomerium als der maßgeblichen Stadtgrenze sprechen. Hierbei könnte auch antiquarische Literatur eine Rolle gespielt haben, man denke etwa an die Aussagen des Gellius und seiner Quelle Laelius Felix zu den Centuriatscomitien. Es ist somit einerseits nicht auszuschließen, dass Dio Aspekte der Vieldeutigkeit des Pomerium aufgreift, die schon länger, vielleicht auch schon seit der Republik, existierten bzw. im Gespräch waren. Diese hätten sich dann allerdings aufgrund von Überlieferungszufällen und der anderen Schwerpunktsetzung bei früheren 217
Cass. Dio 53,50,1. Vgl. zur Frage des Adressatenkreises Hose 1994, bs. 420 f. 219 Hinard 2005. Dort stellt dieser allerdings klar (271): „bien souvent, Dion présente un fait institutionnel sous la forme de son effet politique réel, et non pas pour lui-même.“ 218
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Autoren kaum erhalten, während dort gerade Aspekte, die bei Dio fehlen, überwiegen. Die bisher erzielten Befunde zur „Beheimatung“ des Pomerium im antiquarischen Diskurs sprechen zudem dafür, dass auch die von Dio beschriebenen Bedeutungen dem Pomerium eher innerhalb dieses Diskurses (vgl. wie gesagt Gellius bzw. Laelius Felix) als in der politischen Praxis zugeschrieben worden sein könnten. Andererseits gibt die Singularität von Dios Umgang mit dem Pomerium in Verbindung mit seinem Präzisionsanspruch hinsichtlich der republikanischen Institutionen auch Anlass zu der Überlegung, dass es sich hier um eine Art von Hyperkorrektheit handeln könnte. Es könnte, mit anderen Worten, sein, dass Cassius Dio dem republikanischen System, dessen Untergang er in den betreffenden Büchern beschreibt, Differenzierungen z. B. zwischen Stadtmauer und Pomerium hinsichtlich bestimmter Regeln unterstellt, die diesem historisch gar nicht eigen waren. Dabei könnte u. a. das Bestreben eine Rolle gespielt haben, die Regelabweichungen in der Endphase der Republik plausibler als solche darstellen zu können. Vollends unmöglich wird eine befriedigende Klärung dieser Fragen schließlich dadurch, dass das Pomerium, wie gesehen, in der Kaiserzeit zunächst durch die Pomeriumerweiterungen bzw. die Restitution Hadrians eine von der republikanischen Ordnung ganz unabhängige Prominenz erlangte, und sich spätestens ab dem 2. Jh. n. Chr. auch als rein topographischer Begriff zu etablieren scheint. Auch diese Tatsachen könnten mittelbar oder unmittelbar den Umgang Dios mit dem Pomeriumbegriff beeinflusst haben. Fest steht somit lediglich, dass nach der beobachteten „Karriere“ des Pomeriumbegriffs seit der späten Republik sein selbstverständliches Auftauchen bei Cassius Dio kaum, wie es in der Regel geschieht, als Beleg dafür gewertet werden kann, dass das Pomerium in der republikanischen Zeit tatsächlich in den genannten Bereichen als maßgeblich galt.
4.2.5 Das Pomerium außerhalb des antiquarischen Diskurses in der Literatur der Spätantike Für den Umgang Cassius Dios mit dem Pomeriumbegriff finden wir in den überlieferten Texten nicht nur keine nennenswerten Vorläufer; auch in den folgenden Jahrhunderten konnte sich dieser offenbar nicht durchsetzen. Wir finden jedenfalls auch keinen späteren Autor, der das Pomerium nur annähernd in so vielen verschiedenen Kontexten nennt und ihm dabei auch noch Grenzfunktionen zuschreibt. Für die antiquarische und juristische Thematisierung des Pomerium gibt es zwar auch in der spätantiken Literatur Beispiele; sie stellen aber, wie bereits gesagt, jeweils nur eine Minderheit bzw. Einzelfälle unter allen erhaltenen Erwähnungen dar. Durchsetzen kann sich dagegen der hier so bezeichnete alltagssprachliche Gebrauch, den wir zuerst in dem Brief Mark Aurels und vor allem bei Apuleius konstatieren konnten, vielleicht auch schon bei Juvenal, dort freilich im übertragenen Sinne. Es ist diese Art des Umgangs mit dem Pomeriumbegriff, die nun auch bei einem
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Großteil der spätantiken Autoren in verschiedenen Gattungen festzustellen ist. Die genaue Definition des Begriffs bleibt dabei indes schwankend, obwohl in den meisten Fällen eine Bedeutung im Sinne von „Raum vor der Mauer“ vorzuliegen scheint.220 Damit ist aber, wie auch schon bei Mark Aurel und Apuleius nicht mehr unbedingt nur ein Maueranger gemeint, der Begriff kann sich nun auch auf größere, bebaute oder landwirtschaftliche genutzte Bereiche, also eine Vorstadt oder ein engeres Umland beziehen. In einigen Fällen, die gleich zu erläutern sein werden, plädieren Kommentatoren wiederum auch dafür, Pomerium nur mehr als poetischeren Ausdruck für die Stadtmauern selbst anzusehen, was aber nichts daran ändert, dass in all diesen Fällen keine sichtbare Verbindung zum antiquarischen oder gar zum juristischen Diskurs besteht. a) Von Ammian bis Gregor So verwendet Ammian den Begriff Pomerium zwar einerseits in Bezug auf Rom, wenn er in einem seiner Rom-Exkurse behauptet, die Stadtrömer verachteten – mit Ausnahme von Kinderlosen und Unverheiraten, alles und jeden, der außerhalb des Pomerium geboren wurde (quicquid extra urbis pomerium nascitur […] praeter orbos et caelibes)221, zum anderen aber auch in Bezug auf Tarsos, wo sich das Grab Kaiser Julians an der Straße in Richtung des Taurusgebirges befunden habe: in pomerio […] itineris, wie dies in einer ungewöhnlichen Konstruktion ausgedrückt wird.222 Von den Dichtern des 4. und 5. Jh. n. Chr. gebrauchen Prudentius, Claudian und Paulinus von Pella den Pomeriumbegriff. Prudentius scheint das Pomerium Roms, in dessen Nähe er eine Grabhöhle lokalisiert, neben seiner Lage vor der Stadtmauer auch mit landwirtschaftlicher Nutzung zu verbinden (culta pomeria).223 Dagegen ist bei Claudian und Paulinus pomeria vielleicht sogar als gleichbedeutend mit der Stadtmauer („mere poeticism for muros“224) zu deuten. Claudian lässt in der panegyrischen Dichtung auf das sechste Consulat des Honorius im Jahr 404 n. Chr. Roma selbst sprechen und klagen, dass sie in hundert Jahren nur dreimal einen Augustus intra pomeria gesehen habe, und dass auch noch jeweils in Folge von Bürgerkriegen.225 Paulinus spricht von pomeria in seinem Werk Eucharistikon 220
Vgl. dazu Kap. 2.1.1 b). Amm. 14,6,22. 222 Amm. 25,10,5. 223 Prud. 11,151–154: haud procul extremo culta ad pomeria vallo / mersa latebrosis crypta patet foveis. 224 Dewar 1996, 285 und 288. 225 Claudian, Panegyricus de sexto consulatu Honorii Augusti, 392–395: his annis, qui lustra mihi bis dena recensent, / nostra ter Augustos intra pomeria vidi, / temporibus variis; eadem sed causa tropaei / civilis dissensus erat („In diesen Jahren, die zweimal zehn lustra zählen, habe ich nur dreimal einen Augustus innerhalb meiner Mauern (pomeria) gesehen, zu verschiedenen Zeiten. Aber immer derselbe war der Grund der 221
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im Zusammenhang der Erzählung von der Belagerung des heutigen Bazas in Südwestgallien, bei der die Alanen von der Seite der angreifenden Gothen zu den belagerten römischen Truppen überliefen und entscheidend bei der Verteidigung mithalfen.226 Zwar ist die genaue Bedeutung des Begriffs in beiden Fällen nicht klar auszumachen. Zweifelos stehen jedoch beide Stellen außerhalb des antiquarischen ebenso wie des juristischen Diskurses. Dasselbe gilt für die beiden noch nicht erwähnten Verwendungen des Pomeriumbegriffs in den Saturnalia des Macrobius, obwohl dort die vielfach um Antiquarisches kreisenden Tischgespräche der spätantiken Elite dargestellt werden. Auch hier taucht das Pomerium zwar in antiquarischem Kontext auf, ist aber kaum selbst als Gegenstand des antiquarischen Diskurses zu bezeichnen. Vielmehr wird es als es ein ahistorischer und kulturübergreifender Begriff für den Grenzbereich einer Stadt behandelt: Zum einen ist davon die Rede, dass in Ägypten bestimmte Tempel nur außerhalb der Pomeria von Städten existierten.227 Zum anderen wird die Lage innerhalb des Pomerium als Kriterium für die korrekte Bezeichnung von Straßen in griechischen Städten gebraucht.228 Beides würde wenig Sinn haben, wenn Pomerium hier im Sinne des antiquarischen Diskurses auf römische Gründungen nach etruskischem Ritus oder ähnliches beschränkt würde. Außerdem geht es in beiden Fällen eindeutig nicht um rechtliche Aspekte des Pomerium, sondern um die physische Trennung von der eigentlichen Stadt, welche sich wiederum auf die Ortswahl von Tempeln und den Sprachgeberauch bzgl. der Straßen auswirkt. Auch hier ist die genaue Wortbedeutung nicht eindeutig; das Pomerium und Mauer hier in eins fallen, ist eine mögliche Deutung. Als Bezeichnung eines Raumes vor einer Stadtmauer oder auch eines weiteres Umlandes – ohne antiquarische oder rechtliche Dimension – taucht der Begriff Pomerium (nun auch in der Prosa meist im Plural Pomeria) aber bei einer Reihe weiterer Autoren auf und ist in dieser Bedeutung (auch außerhalb von Scholien Siegesfeier: Bürgerkrieg.“). Wie Dewar 1996, 286 f. bereits klarmacht, wäre es verfehlt, hier an den angeblichen Zusammenhang von Pomerium und Triumph zu denken, allein schon deshalb, weil Roma nichts anderes als die wenigen Besuche der Kaiser und deren bedauernswerten Grund thematisiert: „Roma’s complaint is twofold, first that the Emperors, including Honorius, have neglected her shamefully, and secondly, that when they have come to her, their visits have been connected with civil war and thus brought her not only pleasure but also sorrow.“ Zudem ist die Angabe von drei Kaiserbesuchen in der betreffenden Zeit nicht korrekt (vgl. die Überlegungen ebd.). 226 Paulinus v. Pella, Eucharisticon 383–385: vallanturque urbis pomeria milite Halano / acceptaque dataque fide certare parato / pro nobis, nuper quos ipse obsederat hostis („und die Mauern (pomeria) der Stadt werden durch den alanischen Soldaten geschützt, der jetzt, nachdem man ein Treueversprechen gegeben und empfangen hatte, für uns zu kämpfen bereit war, die er eben noch selbst als Feind belagert hatte.“). Vgl. zur Identifizierung mit den Mauern z. B. Dey 2011, 222 Anm. 52. 227 Macr. sat. 1,7,14–15: fana eorum extra pomerium locaverunt. 228 Macr. sat. 1,9,6: vias quae intra pomeria sunt ἀγυιὰς appellant.
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und Kommentaren) mindestens bis zu den Dialogi Gregors des Großen zu belegen: Hier wird über die Lage eines Klosters gesagt, dass es in Spolitanae urbis pomeriis situm sei.229 In vergleichbarer Weise hatte aber auch schon Pseudo-Hegesippos, der im 4. oder 5. Jh. n. Chr. eine lateinische Adaption des Jüdischen Krieges des Flavius Josephus verfasste, das Wort Pomerium für das Umland Jerusalems verwendet, welches landwirtschaftlich genutzt wurde und die Versorgung der Stadt sicherte – dieser Aspekt lässt an die culta pomeria Roms bei Prudentius denken. An anderer Stelle verwendet Pseudo-Hegesippos den Begriff in einem etwas engeren Sinne für den Bereich vor den Mauern Jerusalems, den Titus bei der Belagerung der Stadt von außen mit einer Befestigungsanlage umschlossen hatte.230 Auch hier handelt sich aber um eine allein die materielle Dimension betreffende Aussage. Gleiches gilt für Sidonius Apollinaris, der den Begriff ebenfalls relativ eng aufzufassen scheint, da er davon spricht, er habe sich erst zu den Apostelgräbern begeben, bevor er überhaupt die Pomeria Roms berührt habe.231 Von der Mauer selbst scheint der Begriff aber unterschieden zu sein.232 Eindeutig als freies Mauervorland erscheint das Pomerium noch einmal im Theoderich-Panegyricus des Ennodius von Pavia: Hier ist es dieser Bereich, der bei den von Theoderich geforderten militärischen Übungen, ja nachgebildeten Schlachten genutzt wird: urbis omne pomerium simulacro congressionis adteritur.233 Auch in diesen Fällen wird offensichtlich keine Verbindung zum antiquarischen oder juristischen Diskurs hergestellt. b) pomerium und pomarium Erst recht gilt dies schließlich für die weitere Entwicklung über die Antike hinaus, in der selbst noch die Verbindungen mit der Stadtmauer abbrechen. Bereits im 4. Jh. n. Chr. scheint die Verwendung des Wortes pomerium in einem völlig anderen Sinn aufgekommen zu sein, die dann auch im Mittelalter vorherrschend sein wird: als Nebenform zum klassischen pomarium und somit Bezeichnung für einen (Obst-)Garten. Assoziationen mit landwirtschaftlicher Produktion hatten wir auch bei Prudentius und Pseudo-Hegesippos bereits beobachtet, wobei die Bedeutung Mauervorland bzw. Umland noch dominiert. Frühe Beispiele für eine 229
Greg. M. dial. 3,33. Ps.-Heges 5,25,2 (omne illud pomerium, in quo antea nemora viridantia); 5,36,2 (murum quem circa pomerium Titus duxerat). Dagegen sieht z. B. Chioffi 2014, 234, hierin immer noch einen Bezug zum römischen Pomerium. 231 Sidon. Carm epist. 1,5,9: ubi priusquam vel pomoeria contingerem, triumphalibus apostolorum liminibus adfusus […]. 232 So im Prinzip auch Köhler 1995, 207 f. Es ist jedoch anzumerken, dass aus dem Umstand, dass der Autor Pomerium und Mauer unterscheidet, noch nicht gefolgert werden kann, dass er um weitergehende vorchristliche Bedeutungen des Begriffs wusste. Der Akzent der Stelle scheint lediglich darauf zu liegen, dass der Autor den Besuch der Märtyrergräber allem anderen voranstellte. 233 Ennodius, Panegyricus 83. 230
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Das „Schreiben“ der Grenze
Verwendung von pomerium im Sinne von Garten, ohne Bezug zu Mauern oder Stadtgrenzen, finden sich etwa bei Augustinus234 und – jedenfalls gemäß der maßgeblichen Stuttgarter Ausgabe235 – in der Vulgata. Fest steht allerdings, dass die Form pomerium in den folgenden Jahrhunderten pomarium in den Hintergrund drängt und die Verbindung mit der Stadtmauer fast völlig verschwindet, wie z. B. eine Suche nach pomerium in allen Formen in der Library of Latin Texts leicht ergibt.236 Dass beide Verwendungen aber eine Zeitlang noch parallel gebraucht worden sein müssen, zeigt der Vergleich Gregors des Großen, der von Pomeria in einem üblichen spätantiken Sinn spricht (s. o.), mit Isidor von Sevilla, der offenbar nur noch die neue Bedeutung von pomerium, ebenso jedoch pomarium – wiederum mit leicht veränderter Bedeutung – kennt: Pomarium est ubi poma ponuntur, pometum ubi poma nascuntur, pomerium ubi poma inveniuntur.237 Es ist allerdings nicht zu klären, inwieweit bereits Autoren des 4. und 5. Jh. n. Chr. von einer sachlichen und etymologischen Identität von pomerium als Land vor der Mauer bzw. Vorstadt und pomerium als Garten ausgingen, und darin nicht vielmehr eine zufällige Homonymie erkannt hätten.
4.2.6 Fazit zum Pomerium außerhalb des antiquarischen Diskurses und Erklärungsansätze Die dargestellte Entwicklung des Pomeriumbegriffs aus dem antiquarischen Diskurs heraus verlangt schließlich nach einer Erklärung, auch wenn diese natürlich nur einen Versuch darstellen kann. Es erscheint mir aber plausibel, dass zumindest ein Teil dieser Erklärung in der bedeutenden Rolle des antiquarischen Diskurses für die gebildete Oberschicht Roms liegt, was dazu beigetragen haben könnte, dass Begriffe aus diesem Diskurs mit der Zeit in andere Diskurse übernommen wurden. 234
Aug. Contra Academicos 2,2: baias et amoena pomeria et delicata nitidaque convivia et domesticos histriones. 235 Weber / G ryson 2007. Das Wort pomerium wird an einer Stelle aus dem Buch Kohelet (Ecclesiastes 2,5: feci hortos et pomeria et consevi ea cuncti generis arboribus) sowie in Bezug auf den Garten der Susanna im Buch Daniel gebraucht (Dan 13). Auf beide Stellen wird in mittelalterlichen Schriften verwiesen, wobei die Form pomerium aufgegriffen wird, so etwa auf die Susanna-Geschichte bei Bernhard von Clairvaux (Sermones in adnuntiatione dominica 3, 4–5), auf die Kohelet-Stelle bei Ambrosius Autpertus (8. Jh., Sermo de cupiditate 10) und Andreas von St. Victor (12. Jh., Expositio historica in Ecclesiasten, 391–393), der hier sogar Gellius’ Pomeriumdefinition zitiert, aber zugleich feststellen muss, dass diese hier nicht gemeint gewesen sein kann. 236 Weitere Beispiele für entsprechende Verwendungen in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Texten findet sich etwa bei Nissen 1885, 244 f., am Ende seiner Ausführungen zum Pomerium, welche er mit den nicht ganz wertfreien Worten schließt: „Die Tesca des alten Stadttemplum ist zum Obstspalier geworden!“ 237 Isid. De differentiis verborum 465.
Das Pomerium außerhalb des antiquarischen Diskurses
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Verschiedene Indizien sprechen umgekehrt gegen die Annahme, das Pomerium habe von vornherein schon eine bedeutende Rolle in Rom gespielt, bevor es in der späten Republik überhaupt erst zum Gegenstand des antiquarischen Diskurses wurde. Die Dominanz der Nennungen in antiquarischem Kontext, gerade bei den frühesten Belegstellen, ist hier die eine Seite. Dies bedeutet umgekehrt, dass der Begriff Pomerium abgesehen von unseren wenigen Varro-, Cicero- und Livius-Stellen in der gesamten erhaltenen Literatur der republikanischen bzw. augusteischen Zeit fehlt. Dazu zählt etwa auch ein Cato-Fragment zur Stadtgründung: Dieser schilderte zwar wohl das Pflugritual, ohne aber, soweit erkennbar, das Pomerium in diesem Kontext zu nennen.238 Signifikant scheint mir auch das Fehlen des Begriffs in der Lex Ursonensis sowie auf den Grenzsteinen aus Capua, die beide lediglich auf das Pflugritual als Grenzmarkierung und zur Bezeichnung der Grenze nur eine darauf aufbauende Umschreibung verwenden. Über solche argumenta e silentio ist in dieser Frage jedoch nicht hinauszukommen: Wie das Kapitel zu den Definitions- und Ursprungsfragen gezeigt hat, ist es nicht möglich, so etwas wie eine traditionelle oder ursprüngliche Definition des Pomerium aus der laufenden antiquarischen Diskussion, die uns schon in den frühesten Zeugnissen entgegentritt, zu gewinnen. Zu vermuten ist lediglich, dass diejenigen Definitionen bzw. Erklärungen, die von einer engen sachlichen Beziehung von Mauer und Pomerium ausgehen, letztlich auf einer falschen Etymologie beruhen. Dies allerdings ist ein Gedanke, der wiederum für einen nennenswerten Einfluss des antiquarischen Diskurses auf die Bedeutungsentwicklung insgesamt spricht. Denn nicht nur viele Erklärungen des Pomerium, die innerhalb des antiquarischen Diskurses diskutiert wurden, sondern gerade auch die späteren Verwendungen des Begriffs außerhalb dieses Diskurses scheinen vielfach die scheinetymologische Beziehung von Mauer und Pomerium vorauszusetzen, die aber wahrscheinlich selbst erst im antiquarischen Diskurs konstruiert wurde. Ein weiteres Indiz, das in dieselbe Richtung deutet, sind schließlich die Pomeriumerweiterungen. Diese waren einerseits, wie gesehen, selbst in den antiquarischen Diskurs eingebunden, zugleich aber durch die öffentliche Monumentalisierung des Pomerium geeignet, den Begriff auch außerhalb der gelehrten Literatur geläufiger zu machen, wofür es ja auch tatsächlich erst ab dem 2. Jh. n. Chr. verstärkte Hinweise gibt. Insgesamt wird man diese Überlegungen jedoch nicht viel weitertreiben können, ohne ganz in den Bereich der Spekulation abzugleiten. Von einer spezifischen, historisch bedeutsamen Rolle des Pomerium wird man jedoch ohnehin in der durch die Quellen abgedeckten Zeit nur solange und nur insofern sprechen können, als das Pomerium in den antiquarischen Diskurs eingebunden war. Dieses aus der Summe der Teilergebnisse dieser Untersuchung folgende Hauptergebnis soll in der folgenden Schlussbetrachtung weiter ausgeführt und im Rückblick auf die einzelnen Arbeitsschritte noch einmal begründet werden. 238
FRH I 18a,b (F 18 HRR).
5. Resümee
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die Frage nach der Rolle des Pomerium als Grenze im antiken Rom, mithin einer Großstadt, welche sich sowohl durch fließende Übergänge in ihr suburbanes Umland als auch durch eine Pluralität verschiedenartiger Stadtgrenzen auszeichnete. Die Untersuchung gliederte sich in drei größere Kapitel. Zunächst wurden in Kapitel 2 die Fragen der Definition und des angeblichen Ursprungs des Pomerium untersucht. In Kapitel 3 standen dann die dem Pomerium zugeschriebenen Funktionen im Mittelpunkt, auf denen die in der Forschung übliche Rollenbeschreibung als „magischer“ bzw. sakralrechtlicher Grenze Roms hauptsächlich beruhen. Über eine Untersuchung des Konstitutionsprozesses des Pomerium wurde schließlich in Kapitel 4 versucht, zu einer neuen und tragfähigeren Grundlage für eine Bewertung der Rolle dieser Grenze zu gelangen. In diesem abschließenden Kapitel gilt es, darauf aufzubauen und einen neuen Deutungsvorschlag für die Rolle des Pomerium vorzubringen. Zunächst sollen jedoch die wesentlichen Ergebnisse der einzelnen Untersuchungsschritte, welche diese Neubewertung veranlassen und begründen, noch einmal knapp rekapituliert werden. Das folgende Resümee fungiert also sowohl als Zusammenfassung wie auch als Schlussfolgerung.
5.1 Zusammenfassung der Analyseergebnisse Das Hauptergebnis der Kapitel 2 und 3 wurde bereits zu Beginn des Kapitels 4 zum Konstitutionsprozess ausführlicher zusammengefasst. Es ist insgesamt eines der Dekonstruktion: Denn erstens wurde deutlich, dass das Pomerium bereits in der Antike ein vieldeutiges Phänomen war, sowohl hinsichtlich seiner Definition als auch seines Ursprungs. Diese Vieldeutigkeit war auch schon für die Verfasser unserer Quellen unhintergehbar und ist es umso mehr für die heutige Forschung. Zweitens erwies sich auch die in der Forschung übliche Charakterisierung des Pomerium als der für alles Sakrale bzw. Sakralrechtliche maßgeblichen Grenze als nicht haltbar. Denn mit Ausnahme des Auspizienwesens konnte für alle anderen angeblichen Funktionsbereiche keine oder zumindest keine spezifische Relevanz des Pomerium im Gegensatz zu anderen Stadtgrenzen nachgewiesen werden. Der in den Quellen regelmäßig hergestellte Zusammenhang mit dem Auspizienwesen präsentiert sich dabei zudem im Einzelnen so unklar und zugleich so deutlich von allen anderen Bereichen der politischen Ordnung separiert, dass sich auch aus dieser Verbindung keine spezifische Maßgeblichkeit des Pomerium auch in anderen Bereichen, etwa im Hinblick auf das magistratische imperium, ableiten lässt. Die Rolle des Pomerium in Rom lässt sich folglich nicht über die Rekons
Zusammenfassung der Analyseergebnisse
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truktion angeblicher Bedeutungskerne wie „sakrale“ oder gar „magische“ Grenze Roms angemessen beschreiben, schon wegen seiner definitorischen Vieldeutigkeit und mehr noch wegen der fehlenden Nachweisbarkeit spezifischer Funktionen. Darüber hinaus erscheint eine solche Rollenbeschreibung auch in theoretischer Hinsicht unbefriedigend, weil so die historischen Akteure in keiner Weise in die Konstitution des Pomerium als Grenze eingebunden erscheinen und dieses allein als quasinatürliche Gegebenheit vorfinden. Um angesichts dessen zu einer besser fundierten und konzeptionell angemesseneren Charakterisierung der Rolle des Pomerium in Rom zu gelangen, wurde in Kapitel 4 ein Perspektivwechsel vorgenommen. Es wurde insbesondere der Frage nachgegangen, innerhalb welcher Diskurse und Medien das Pomerium in den uns vorliegenden Zeugnissen überhaupt thematisiert wird, also jenseits der konkreten Aussageinhalte wie Definitionsvorschläge und Funktionszuschreibungen. Im Rückgriff auf ein kulturwissenschaftliches Drei-Ebenen-Modell von Raumkonstitution wurden diese Diskurse und Medien dabei zwei Ebenen der Konstitution des Pomerium zugeordnet, und zwar sowohl im Hinblick auf die einzelnen, disparaten Konstitutionsakte als auch auf einen sozialen Konstitutionsprozess insgesamt. Die Analyse dieser beiden Ebenen sollte dabei unter anderem zeigen, inwiefern die konstatierte Vieldeutigkeit des Pomerium mit Eigendynamiken im Konstitutionsprozess zusammenhing. Vor allem aber sollte eine Grundlage geschaffen werden, um nun abschließend Aussagen über eine dritte Ebene der Konstitution des Pomerium zu ermöglichen: die Ebene der Akteure und Handlungskontexte, von bzw. in denen in Rom mit dem Pomerium umgegangen wurde, worin somit sich die gesellschaftliche Rolle des Pomerium manifestiert. Diese Untersuchung des Konstitutionsprozesses hat dabei im Ganzen folgendes gezeigt: Die Zeugnisse zum Pomerium lassen sich grob zwei Phasen zuordnen, von denen sich die erste über die Jahrhunderte vom 1. Jh. v. Chr. bis einschließlich zum 2. Jh. n. Chr. erstreckt, die zweite mit dem 3. Jh. n. Chr. beginnt und die gesamte Spätantike umfasst. Der Autor Cassius Dio nimmt im gesamten Korpus eine Zwischenstellung ein, die weder der einen noch der anderen Phase zuzuordnen ist. Innerhalb der ersten Phase, also etwa von der späten Republik bis in antoninische Zeit, erweist sich vor allem ein Diskurs unter den Thematisierungen des Pomerium als klar dominant, nämlich der antiquarische Diskurs. Diesem lassen sich fast zwei Drittel der erhaltenen literarischen Zeugnisse dieser Zeit zuordnen. Dasselbe gilt auch für die in diesen Zeugnissen vereinzelt belegten rituellen Umrundungen des Stadtgebietes, wobei die Eindeutigkeit der Verbindung dieser Handlungen mit dem Pomerium mangels Quellen nur schwer abzuschätzen ist. Schließlich lassen sich die Pomeriumerweiterungen, die mit der Setzung beschrifteter Grenzsteine einhergingen, als „Aussagen“ innerhalb dieses Diskurses interpretieren, wenngleich gerade hier auch Verbindungen zu anderen Diskursen deutlich werden, die man als imperialen Rom-Diskurs sowie als Herrscherdiskurs bezeichnen kann.
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Resümee
Entsprechend haben sich Aussagen, die auf das Pomerium bezugnehmen, ohne in einem antiquarischen Diskurskontext zu stehen, unter den Zeugnissen der späten Republik bis zum Ende des 2. Jh. n. Chr. als eine Minderheit erwiesen. Dabei fällt auf, dass sie auch in keinem anderen Diskurs als üblicher Begriff für eine Stadtgrenze Roms geläufig gewesen zu sein scheinen, insbesondere nicht im juristischen Diskurs. Gerade hier, wo die Begrenzung des Stadtgebiets immer wieder Thema ist, tauchen zwar regelmäßig andere Grenzen wie die Stadtmauer, die zusammenhängende Bebauung (continentia) oder auf Meilenangaben basierende Grenzen auf. Für den Begriff Pomerium finden sich im juristischen Schrifttum hingegen nur zwei Belege, die sich darüber hinaus nicht auf Rom beziehen. Zudem ist die Frage nicht sicher zu klären, inwiefern das Pomerium hier nicht auch – wie dies für spätantike juristische Belege gilt –, primär als bodenrechtliche Einrichtung im Sinne einer öffentlichen Freifläche und nicht so sehr als rechtliche Stadtgrenze angesprochen wird. Als Begriff für eine solche Randzone der Stadt ohne erkennbare rechtliche Grenzfunktion ist der Begriff offenbar spätestens im 2. Jh. n. Chr. auch in den alltäglicheren Sprachgebrauch übergegangen; Belege dafür finden sich jedoch für diese Zeit fast nur bei Apuleius. Eine letzte Gruppe von Zeugnissen außerhalb des antiquarischen Diskurses bilden jene, in denen der Begriff Pomerium in uneigentlicher Rede gebraucht wird, die also gerade nicht erkennen lassen, dass der Begriff hier in einem anderen als dem antiquarischen Diskurskontext als normal empfunden wurde. Zumindest bei einem Teil dieser durchaus frühen Zeugnisse fügt es sich vielmehr gut in den Zusammenhang ein, dass der Begriff mit antiquarischen Konnotationen behaftet war. Der dominanten Einbindung in den antiquarischen Diskurs entsprach auf der Ebene der beteiligten Medien eine dominante Bedeutung der Literatur bzw. der literarischen Schriftlichkeit. Diese wurde durch die eher spärlich beschrifteten Grenzsteine und die gelegentlichen rituellen Umrundungen des Stadtgebiets lediglich ergänzt, wobei bei Letzteren sogar, wie gesagt, unklar ist, inwieweit das Pomerium bei diesen Handlungen überhaupt thematisiert wurde. Beide Aspekte, der antiquarische Diskurs selbst und die ihn primär tragende literarische Schriftlichkeit, wurden auf ihre jeweiligen inhärenten Logiken hin befragt. Dabei habe ich versucht plausibel zu machen, dass der besonders in Kapitel 2 festgestellte Aspekt der Vieldeutigkeit des Pomeriumbegriffs zumindest teilweise als Effekt solcher nicht-intendierter Eigendynamiken sowohl auf der diskursiven wie der medialen Ebene des Konstitutionsprozesses anzusehen ist. Wichtige Punkte sind dabei etwa die im antiquarischen Diskurs beobachtbare Tendenz, immer neue Rekonstruktionen des angeblich Ursprünglichen vorzubringen, ohne dass diese auf besseren Quellengrundlagen beruhten, sowie die explizite Nennung zum Teil mehrerer sich widersprechender Ansichten zu einer Detailfrage, teilweise auch ohne diese zu diskutieren. Auf medialer Ebene kommt besonders der Umstand der durch die Schrift überbrückten großen Distanz zwischen Verfassern und Rezipienten hinzu, durch welche Missverständnisse begünstigt und nicht mehr korrigierbar waren.
Die Rolle des Pomerium in der späten Republik und Kaiserzeit
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Ferner waren auch die Grenzsteine in der Hinsicht uneindeutig, dass sie sowohl isoliert, d. h. als Markierungen einer Pomeriumlinie, als auch als Außengrenzen einer Pomeriumfläche gelesen werden konnten. Alle genannten Aspekte sind bei der Bewertung der gesellschaftlichen Rolle des Pomerium in dieser ersten Phase zu berücksichtigen. Zunächst jedoch zu den Ergebnissen zur zweiten Phase: Auch für die Zeit ab dem 3. Jh. n. Chr., die hier als zweite Phase bezeichnet wurde, lassen sich zwar noch Verwendungen des Pomeriumbegriffs feststellen, die einem antiquarischen Diskurskontext angehören; diese bilden nun aber eine Minderheit. Es sind auch fast nur diese Verwendungen, die sich überhaupt noch auf die Stadt Rom beziehen. Vielmehr überwiegen nun Verwendungen, die erkennbar keine nennenswerten symbolischen Dimensionen mehr ansprechen, sich auch oft nicht auf Rom beziehen und schlicht einen Bereich vor einer Stadtmauer bezeichnen. In einigen Fällen wird Pomerium wohl auch als poetischeres Synonym für die Stadtmauer selbst verwendet, auch hier jedoch ohne erkennbaren antiquarischen Kontext. Insgesamt ist in definitorischer Hinsicht allerdings eher eine Vereinheitlichung des Begriffs gebrauchs in Richtung der Bedeutung „Raum vor der Mauer“ zu konstatieren, wobei dieser zwar als frei zumindest von zusammenhängender Bebauung zu verstehen ist, aber offenbar durchaus landwirtschaftlich genutzt wird. Hinsichtlich dieser zweiten Phase, wo das Pomerium, wie besonders häufig in der spätantiken Literatur, in einer „alltagssprachlichen“ Weise als Bereich vor der Mauer angesprochen wird, kann man allerdings schwerlich von einer relevanten historischen Rolle des Pomerium sprechen. Der Begriff wurde zwar vermutlich von einem recht großen Teil der Bevölkerung in den verschiedensten Kontexten verwendet, doch ohne dass es dabei um viel mehr als die topographische Verortung von Menschen und Einrichtungen an der extramuralen Peripherie ging. Gleiches gilt für den juristischen Kontext, wo der Pomeriumbegriff offenbar bestenfalls eine marginale Rolle spielte.
5.2 Die Rolle des Pomerium in der späten Republik und Kaiserzeit Eine historisch relevante Rolle des Pomerium wird für uns nur in der ersten Phase greifbar, und zwar in dem Maße, wie es in den antiquarischen Diskurs eingebunden war. Aus der Einbindung in diesen Diskurs und in dessen medialen Kontext lässt sich für die Rolle des Pomerium folgendes plausibel ableiten: Die dominierende Schriftlichkeit der Kommunikation über das Pomerium bedingte auf der praktischen Ebene selbstverständlich die Reduktion auf bestimmte soziale Gruppen, die diese Texte rezipieren konnten. Diese beschränkte sich zwar wohl auf die Oberschicht, nicht aber auf deren politisch aktiven Teil und auch nicht nur auf die Familien, die schon länger als Teil der Nobilität galten. Wallace-Hadrill hat genau in diesem Punkt eine Verbindung von kultureller und soziopolitischer
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Resümee
Transformation in der späten Republik gesehen. Inwiefern der antiquarische Diskurs tatsächlich als Herausforderung für die Autorität der Nobilität wirkte, wie jener meint, ist zwar nur schwer zu ermessen.1 In jedem Fall konnten aber durch die antiquarische Literarisierung und „Verwissenschaftlichung“ des Diskurses über die (frühe) Vergangenheit Roms nun auch vermehrt solche Teile der Bevölkerung an der Auseinandersetzung über diese Vergangenheit partizipieren, die keine Abstammung aus einer Nobilitätsfamilie vorweisen konnten. Unabhängig davon, dass nur bestimmte Teile der Bevölkerung an einem literarischen Diskurs teilnehmen konnten, lässt sich aus der medialen Dominanz von Texten ferner darauf schließen, dass die vertiefte Beschäftigung mit dem Pomerium sich faktisch weitgehend auf bestimmte physische Orte und situative Kontexte beschränkte, in denen diese Texte verfügbar und die Beschäftigung mit ihnen und ihren Themen angemessen war. Diese Kontexte der antiquarischen Forschung und des gelehrten Gesprächs waren bekanntlich gerade nicht die Kontexte, in denen es um die rechtlich korrekte Ausführung von Handlungen des politischen Tagesgeschäfts ging. Das notwendige praktische Handlungswissen, um Volksversammlungen und Wahlen korrekt abzuhalten, Auspizien vorzunehmen, ein militärisches Kommando zu übernehmen und wieder abzulegen, Verstorbene am richtigen Ort zu bestatten u. a. wurde im Wesentlichen mündlich und im konkreten Tun vermittelt. Dabei wird es in der Regel unerheblich gewesen sein, warum beispielsweise die Comitia Centuriata stets auf dem Marsfeld stattfanden oder gar warum die Nekropolen außerhalb der Stadt lagen und ob dies mit der Bedeutung des Pomerium oder einer anderen Grenze zusammenhing. Auch für einen Magistrat oder Promagistrat dürfte in der Regel allein die Tatsache entscheidend gewesen sein, dass er beim Betreten der Stadt seinen Oberbefehl niederlegen musste, nicht aber, ob dafür das Pomerium oder die Stadtmauer, ein Ausschluss des Militärischen oder lediglich der Befehlsgewalt maßgeblich war. Dass dies unter den Bedingungen der Kaiserzeit erst recht galt, versteht sich von selbst. Zwar wird man somit die antiquarische Auseinandersetzung mit dem Pomerium, wie sie besonders in den Stellen zur Definition, zum rituellen Ursprung und zum Auspizienwesen deutlich wird, eher den Zeiten und Räumen des otium als dem politischen und rechtlichen negotium zuordnen müssen. Dies sollte jedoch nicht so verstanden werden, dass das Pomerium allein von Gelehrten überhaupt wahrgenommen worden sei. Dies würde die Bedeutung des antiquarischen Diskurses unterschätzen, die sich immer wieder deutlich auch außerhalb der im engeren Sinne antiquarischen Literatur und gerade auch in den Bau- und Bildprogrammen vieler Kaiser, allen voran des Augustus zeigt. Wie auch andere antiquarische Objekte 1
Z. B. Wallace-Hadrill 1997, 14 („frontal challenge“); Wallace-Hadrill 2008, 215: „fundamental shift in the location of authority“; vorsichtig kritisch zu dieser These (mit weiterer Lit.) Walter 2004, 210. Zur unstrittigen Bedeutung des antiquarischen Diskurses für die augusteische Neuordnung z. B. die Kap. 4.1.2 Anm. 68 zitierte Lit.
Die Rolle des Pomerium in der späten Republik und Kaiserzeit
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konnte zweifellos auch das Pomerium bereits dann als bedeutsam angesehen werden, wenn man sich nur der Tatsache bewusst war, dass sich damit gewisses antiquarisches Wissen um die Frühzeit Roms verband, unabhängig davon, in welchem Maße man an diesem Wissen bzw. dem entsprechenden Diskurs selbst teilhatte. Mit anderen Worten: Man musste sicher nicht unbedingt selbst Varro gelesen haben, um das Pomerium mit antiquarischen Wissensbeständen zu verknüpfen. Das römische Pomerium stellte also offenbar auch schon in republikanischer Zeit, erst recht aber in der frühen und mittleren Kaiserzeit, in erster Linie einen wichtigen Kristallisationspunkt von antiquarischem Wissen dar. Ich möchte daher vorschlagen, die Rolle des Pomerium vor allem darin zu sehen, dass es – zusammen mit Monumenten, Gebäuden und anderen (nicht zwingend auch physisch markierten) Orten – ein bedeutendes Element eines Wissensraumes „Stadt Rom“ darstellte, über den solches Wissen von den historischen Akteuren mit erzeugt, vermittelt und verstetigt wurde. Da der Begriff des Wissensraumes in sehr uneinheitlicher Weise verwendet wird2, bedarf diese Aussage der Erläuterung. Wenn hier von Rom als Wissensraum die Rede ist, geht es nicht primär darum, dass die Wissensproduktion und -bewahrung physisch in besonderer Weise an die Stadt Rom gebunden gewesen sei, was etwa gemeint ist, wenn von Bibliotheken oder Museen als Wissensräumen die Rede ist. Zwar ist diese Frage im Hinblick auf Rom im Prinzip durchaus diskutierbar. In der Forschung wurde auch die Frage, inwiefern die Stadt Rom jedenfalls in der Spätantike Eigenschaften eines Museums besaß, bereits gestellt.3 Mit Rom als Wissensraum ist hier jedoch ein in erster Linie literarisch konstituierter Stadtraum4 gemeint, der zwar einerseits auf den vorfindlichen Stadtraum Roms und die dort existierenden Orte und Grenzen referierte.5 Durch Markierungen wie die Grenzsteine oder Monumente konnte er sogar mit dem physischen Raum gewissermaßen zur Deckung gebracht werden, wobei diese ebenfalls als Medien an der Konstitution des Wissensraumes mitwirkten. Zugleich aber blieb der Wissens2
Mit dem Begriff des Wissensraumes wird, kurz gesagt, versucht, sowohl die Rolle konkreter Orte bzw. Räume für die Genese, Vermittlung und Verstetigung von Wissen zu fassen, als auch die räumliche Strukturiertheit von Wissen selbst. Zu diesem Konzept und seinen Anwendungsmöglichkeiten in den Altertumswissenschaften vgl. Hofmann / S chreiber 2015, mit umfangreicher Bibliographie, sowie und die weiteren Beiträge dieses Bandes. 3 Z. B. Behrwald 2009. 4 Vgl. zu diesem Feld etwa Schmitzer 2016, sowie einige Beiträge in den Bänden Fuhrer / Mundt / Stenger 2015 (u. a. zu Stadtdarstellungen bei Vergil, den Elegikern, Claudian, Edward Gibbon und in dem Film „Gladiator“) sowie Fuhrer 2012. 5 Zu der Beobachtung, dass solche literarisch konstituierten Stadträume („Text-Städte“) nicht ohne Relevanz für die außerliterarischen, „realen“ Städte sind, auf die sie referieren, und sich auf den realen Umgang mit diesen Städten auswirken, vgl. etwa Fuhrer 2015, bs. 88 f. Zum besonderen Zusammenhang von stadtrömischer Topographie, Literatur und antiquarischem Wissen vgl. MacDonald 2016, und die weitere Kap. 4.1 Anm. 7 zitierte Lit.
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Resümee
raum Rom andererseits nicht an den physischen Raum der Stadt gebunden und konnte an prinzipiell jedem Ort mental „betreten“ werden, an dem der Umgang mit der entsprechenden Literatur oder auch nur ein darauf aufbauendes Gespräch möglich war.6 Dies zeigt eindrücklich die Bemerkung des Gellius, er habe erst durch Lektüre eines Grammatikers von der Erweiterung des Pomerium bis über den Aventin durch Claudius erfahren.7 Der Wissensraum Rom konnte im Gegensatz zum physischen Stadtraum also auch an anderen physischen Orten betreten werden, aber eben nicht von jedem in gleichem Maße. Im Hinblick auf seine Einbindung in diesen Wissensraum unterschied sich das Pomerium sowohl von den anderen immateriellen Stadtgrenzen – wie der ersten Meile und der Grenze der continentia – als auch von den Mauern und Toren. Die erstgenannten dürften überhaupt erst als Reaktionen auf praktische Erfordernisse der wachsenden Stadt entstanden sein. Mit ihnen verband sich aber kein nennenswertes historisches oder antiquarisches Wissen, sondern in erster Linie ein praktisches Regelwissen, das zwar auch schriftlich fixiert wurde, aber nicht eigentlich Gegenstand literarischer Auseinandersetzung wurde. Bei den Mauern und Stadttoren waren Aspekte historischen und antiquarischen Wissens zwar sehr wohl vorhanden; auch diese sind sicher als Elemente des literarischen Wissensraumes Rom zu werten. Im Gegensatz zum Pomerium tritt dieser Aspekt aber hier sowohl neben rechtlichen Bedeutungen als auch neben der physischen Lenkung der Menschen in der Stadt zurück: Wollte man, anders gesagt, insgesamt bewerten, worin die Rolle dieser Mauer für die Stadt Rom bestand, wäre die Zugehörigkeit zum beschriebenen Wissensraum nur ein weniger bedeutender Aspekt unter vielen anderen – anders als beim Pomerium.8 Das Pomerium zeichnete sich aber auch gegenüber anderen bekannten Elementen dieses Wissensraumes, also etwa dem Lupercal, der Ficus Ruminalis oder dem Lacus Curtius besonders aus.9 Auch hier spielen wieder Aspekte der diskursiven und der medialen Ebene ineinander und bilden die Voraussetzung für eminent politische Aspekte der Rolle des Pomerium, vor allem in der frühen Kaiserzeit. Denn zum einen erwies sich das Pomerium durch seine diskursiv hergestellten Verbindungen mit Gründergestalten der Frühzeit als besonders anschlussfähig für den zeitgenössischen Herrscherdiskurs und die öffentliche Selbstdarstellung der Kaiser (und vermutlich auch schon Caesars und / oder Sullas). Das Pomerium 6
Zur Anwendbarkeit des Wissensraumbegriffs auf solche literarisch (oder durch andere technische Medien) konstituierten, physisch aber ggf. sogar weit entfernten Räume auch jenseits von Städten vgl. etwa Müller 2012. 7 Siehe Kap. 4.1.5. 8 Damit soll die immense auch symbolische Bedeutung von Stadtmauern – ebenso wie die ihrer Aufgabe als Befestigung – nicht relativiert werden; vgl. dazu etwa Stevens 2015; Stevens 2017, 72–77; Haselberger 2007, bs. 231. 9 Zu diesen und weiteren vergleichbaren Lokalitäten vgl. etwa Larmour / Spencer 2007; Rea 2007.
Abschließende Überlegungen zum Pomerium in früherer Zeit
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war außerdem aufgrund seiner immateriellen Verfasstheit und seiner dadurch gegebenen leichten Erweiterbarkeit besonders geeignet, nicht nur Verbindungen zeitlicher Art – zwischen ferner Vergangenheit und Gegenwart –, sondern auch räumlicher Art – zwischen der Stadt Rom und dem Imperium Romanum – sinnfällig herzustellen. Gerade letzteres, also die räumliche Erfahrbarmachung des Imperium in der Stadt Rom, war in medialer Hinsicht schwierig, und fand wohl sonst nur in wenigen Objekten wie der sogenannten Weltkarte des Agrippa und dem Goldenen Meilenstein statt. Im Pomerium verbanden sich also in der frühen Kaiserzeit in einzigartiger Weise antiquarische und imperiale Bedeutungskomplexe. Die Pomeriumerweiterungen haben dabei wiederum höchstwahrscheinlich auch zu einer gewissen „Popularisierung“ des Begriffs im Verhältnis zu früheren Zeiten beigetragen. Die Vieldeutigkeit des Pomeriumbegriffs kann indes insgesamt als Korrelat seiner gesellschaftlichen Rolle verstanden werden. Sie war, so könnte man auch sagen, symptomatisch für die Rolle des Pomerium in der römischen Gesellschaft, die sich in deren Umgang mit dieser Grenze zeigt. Denn nicht nur war, wie bereits dargestellt, die Vieldeutigkeit des Pomeriumbegriffs im antiquarischen Diskurs und den ihn tragenden Medien mit ihren jeweiligen Logiken angelegt. Auch auf der pragmatischen Ebene setzt sich dies fort. Denn im Gegensatz zu einer z. B. in der Rechtspraxis maßgeblichen Grenze, wo semantische und topographische Uneindeutigkeit leicht zu Konflikten hätte führen können, war dies beim Pomerium unproblematisch. Mehr noch: Gerade die Uneindeutigkeit und der letztlich unauflösbare Rätselcharakter des Pomerium muss dieses besonders attraktiv für antiquarische Forschungen und Spekulationen gemacht haben. Und schließlich dürfte die aus der Uneindeutigkeit resultierende Offenheit des Konzeptes dann auch verschiedene Bedeutungszuschreibungen jenseits der typischen antiquarischen Wissensgebiete ermöglicht haben. Auch die Darstellung Cassius Dios, der wohl in dem Bestreben, die politische Ordnung der Republik möglichst präzise wiederzugeben, das Pomerium als quasi universal maßgebliche Stadtgrenze Roms präsentiert, scheint durch diese Offenheit bedingt zu sein. In dieser Dynamik, zweifellos befördert durch die im Stadtraum sichtbaren Pomeriumerweiterungen, scheint mir auch der vielleicht plausibelste Grund dafür zu liegen, dass das Pomerium ab dem 2. Jh. n. Chr., vor allem aber in der Spätantike regelmäßig außerhalb des antiquarischen Diskurses genannt wird, wobei es aber zugleich aufhört, eine historisch signifikante Rolle in Rom zu spielen.
5.3 Abschließende Überlegungen zum Pomerium in früherer Zeit Für die späte Republik und die Kaiserzeit ist es somit vor allem diese Rolle des Pomerium, die sich aus der Untersuchung des aus dieser Zeit überlieferten Materials erschließen lässt. Auch wenn es in dieser Arbeit meist bewusst vermieden wurde,
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Resümee
positive Aussagen über die vorherige Entwicklung zu machen, so sollen doch zum Abschluss einige Überlegungen in dieser Richtung angestellt werden. Das Wort pomerium gibt, wie gesehen, nicht viel Information preis. Fest steht lediglich, dass es bereits zu früh entstand, um seine tatsächliche Etymologie den Verfassern unserer Texte noch zu offenbaren. Auch der erwähnte moderne Vorschlag einer Herleitung von zwei indoeuropäischen Wurzeln sagt wenig mehr aus als, dass es sich wohl schon ursprünglich um die Bezeichnung einer Art von Außengrenze handelte.10 Die einzige Möglichkeit, zu begründeten Vermutungen wenigstens über frühere Entwicklungen – wenn schon nicht Ursprünge – des Pomeriumbegriffs zu gelangen, liegt daher wohl darin, bei solchen semantischen Aspekten anzusetzen, die bei aller Vielstimmigkeit der Zeugnisse doch bei relativ vielen unter diesen – und besonders bei früheren – angesprochen werden. Meines Erachtens gilt dies allerdings überhaupt nur für zwei Aspekte, nämlich zum einen für die konzeptionelle und meist auch ursprungsmäßige Verbindung des Pomerium mit der Stadtmauer und zum andern für die Verbindung mit dem Auspizienwesen. Beim ersten Aspekt, der etwa zu der Annahme führen könnte, das Pomerium sei in früherer Zeit eine Art von vielleicht sakralisiertem Mauervorland bzw. -anger oder aber dessen Grenzlinie gewesen, gibt es indes ein gewichtiges Gegenargument. Denn jegliche Vorstellungen einer solchen Verbindung mit der Mauer könnten leicht auch erst innerhalb des antiquarischen Diskurses aufgrund der wohl nur scheinbaren etymologischen Verbindung von pomerium und murus entstanden sein, begünstigt durch die faktische und leicht auch pragmatisch begründbare Existenz von Freiflächen an Mauern. Überhaupt ist anzunehmen, dass Konzepte und Realitäten, die im römischen Städtebau – insbesondere bei den Coloniegründungen – eine Rolle spielten, immer wieder die Vorstellungen, die man sich von den Ursprüngen Roms machte, beeinflussten.11 Darüber hinaus zeigt beispielhaft die von pomum beeinflusste späte Entwicklung des Wortes pomerium zu einer Bezeichnung für einen (Obst-)Garten, welche geradezu kurios erscheinende Entwicklung eine Wortbedeutung unter dem Einfluss scheinbarer etymologischer Verwandtschaft nehmen kann. Im Vergleich dazu erscheint es naheliegend, dass man das Pomerium früh mit murus in Verbindung brachte. Aussagekräftiger im Hinblick auf eine mögliche frühere Begriffsgeschichte scheint mir daher der zweite Aspekt, die Verbindung von Pomerium und Auspizienwesen zu sein. Auch über die Art dieser Verbindung herrschte wahrscheinlich schon in der späten Republik keine Einigkeit mehr. Der Umgang Ciceros mit diesem Aspekt, welchen er in der Gracchus-Episode schon als relativ obskures auguralrecht10
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Siehe Kap. 2.1.1 a). In dieser Hinsicht plausibel Sisani 2014, der die Coloniegründungen als Interpretationsschlüssel („chiave interpretativa“) bezeichnet, mit dessen Hilfe man sich die Ursprünge Roms zu erschließen versucht habe.
Abschließende Überlegungen zum Pomerium in früherer Zeit
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liches Detail darstellt, verdeutlicht dies zusätzlich. Insgesamt scheint es mir jedoch unter allen denkbaren Optionen die plausibelste, dass der Pomeriumbegriff diesem Kontext entstammte und als solcher – wie etwa auch der ebenfalls in den antiken Texten vieldeutige und umstrittene Begriff templum – Gegenstand antiquarischer Beschäftigung wurde. Wenig wahrscheinlich scheint es hingegen zu sein, dass etwa in der mittleren oder frühen Republik dem Pomerium eine nennenswert über diesen Bereich hinausreichende Relevanz für die politisch-religiöse Ordnung zugeschrieben wurde. Um dies annehmen zu können, müsste man doch mindestens über Beispiele dafür verfügen, dass solches gerade von den früheren Autoren – und nicht erst bei Gellius oder gar Cassius Dio – aufgegriffen worden wäre. Im Gegenzug sprechen mehrere Aspekte dafür, dass in dieser Phase die Stadtmauer in den meisten Zusammenhängen als die in der Regel maßgebliche Grenze des engeren Stadtgebietes behandelt wurde. Zum einen ist da ihr materieller Charakter, der eine tatsächliche Barriere zwischen Innen und Außen bildete, die an bestimmten, baulich deutlich markierten Punkten, den Stadttoren, durchschritten werden konnte. Das Pomerium war dagegen lediglich durch Grenzsteine markiert, wobei Varros Formulierung in der frühesten Erwähnung solcher Cippi sogar die Deutung zulässt, dass selbst diese zwar im Rom seiner Zeit, nicht aber von jeher und in jedem Fall existierten. Gerade in einer Zeit, in der die Stadtmauer noch deutlicher aus der Bebauung herausstach, ganz zu schweigen von einer Nutzung als Befestigung, wird man auch die Bedeutung der Mauer als Grenze nicht unterschätzen dürfen. Dies gilt umso mehr – und dies ist für sich genommen ein weiteres Argument –, wenn man die explizite Betonung der rechtlichen Grenzfunktion noch bei Juristen bis in die Zeit der Severer beobachten kann. Ein letztes Argument ist schließlich die Tatsache, dass nicht etwa nur das Pomerium als rituell konstituiert galt, sondern auch die Mauer keineswegs als völlig profanes Bauwerk angesehen wurde. Wie wir gesehen haben, wurde die Mauer nicht nur gewissen res sanctae zugeordnet, für die – wenigstens einer verbeiteten Vorstellung nach – besondere Regeln galten.12 Sie wurde auch schon recht früh und regelmäßig mit einem rituellen Gründungsakt, nämlich dem Pflugritual verbunden, teilweise außerdem mit dem Tod des Remus. Signifikant scheint mir schließlich die Tatsache, dass für Regelungen, die ein erweitertes Stadtgebiet betreffen sollten, eigene Grenzkonzepte, nämlich das der ersten Meile und der continentia entstanden, anstatt hier Erweiterungen des Pomerium vorzunehmen. Das Argument, das Pomerium sei als reine Sakralgrenze für Bereiche wie etwa die Rechte der Volkstribunen ungeeignet gewesen, kann 12
Dass in der Praxis natürlich sehr wohl gegen die Unverletzlichkeit von Mauern verstoßen werden konnte, insbesondere bei kaiserlicher Erlaubnis, steht auf einem anderen Blatt, ebenso wie der Aspekt, dass auch geahndete Verstöße wahrscheinlich nicht wirklich – wie bei Remus – mit dem Tod bestraft wurden. Vgl. dazu Stevens 2017, bs. 107–110; Cibotto 2006.
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Resümee
nicht mehr hinreichen. Der entscheidende Punkt scheint eher darin zu liegen, dass es überhaupt seiner Rolle nicht entsprach, maßgebliche Grenze für Regeln der politischen Ordnung zu sein und dementsprechend aus pragmatischen Gründen versetzt zu werden. Bei all dem bleibt es freilich denkbar, dass Mauer und Pomerium – unabhängig von den etymologischen Spekulationen – in der Praxis vielfach als Einheit aufgefasst wurden und dass gar keine systematische Unterscheidung zwischen beiden stattfand. Für eine übergreifende Relevanz gerade des Pomerium außerhalb des Auspizienwesens in der mittleren oder frühen Republik spricht hingegen aus meiner Sicht sehr wenig. Zu Beginn der Arbeit wurde die gelegentlich zu lesende Auffassung aufgegriffen, wonach das Pomerium seit dem Ende der Republik zu einer Art „Fossil“ oder „Relikt“ geworden sei, weil die damit verbundenen Regeln der politischen Ordnung keinen Bestand mehr gehabt hätten. Diese Auffassung bedarf angesichts der vorgetragenen Ergebnisse der Differenzierung: Erstens ist es, wie gezeigt, durchaus fraglich, ob der Begriff des Pomerium vor dem 1. Jh. v. Chr. jemals die große praktische Bedeutung besessen hat, die ihm häufig zuerkannt wird, und auch ob die konzeptionelle Unterscheidung von Mauer und Pomerium dabei große praktische Relevanz besaß.13 Insofern ist die anzunehmende frühere Bedeutung des Pomerium nicht geeignet, an sich schon dessen Rolle in der Zeit unserer Quellen, quasi als deren natürliche Schwundform, angemessen zu erklären. Auch von einem in dem Begriff „Fossil“ implizierten zwischenzeitlichen „Vergrabensein“ bzw. „Vergessen“ des Pomerium in der späten Republik und der Kaiserzeit kann gerade nicht die Rede sein, wie die erläuterten vielfältigen Verwendungen des Begriffs sowie die Pomeriumerweiterungen zeigen.14 Es ist demgegenüber bezeichnend, dass für die Geschichte der Republik vor Sulla keine einzige Pomeriumerweiterung überliefert ist; diese werden dann erst wieder mit der Königszeit verbunden. Die „große“ Zeit in der Geschichte des Pomerium scheint nicht zuletzt deshalb weniger die „entwickelte“ Republik gewesen zu sein, sondern eher die späte Republik und die frühe bis mittlere Kaiserzeit. Denn gerade in diesen Jahrhunderten ging es immer wieder darum, Wissen über die Ursprünge Roms sowohl mit der Stadt und dem Weltreich der Gegenwart als auch, nicht zuletzt, mit der Person des Kaisers in einem Wissensraum zu verknüpfen.
13
Insofern ist diese Arbeit auch ein Beitrag zum „redimensionner l’importance que la historiographie moderne a donnée au pomerium“, für das Querol 2019, 44, mit Recht plädiert. 14 Auch Giardina 1997, 117, stellt dies nicht umsonst als eine Paradoxie dar, wenn er von der „vitalità politica“ des Pomerium als „fossile sacrale“ spricht.
6. Anhang
6.1 Zu Quelleneditionen und bibliographischen Abkürzungen Die in dieser Arbeit erscheinenden originalsprachlichen Zitate aus der antiken Literatur folgen grundsätzlich der heute jeweils gängigen Edition (i. d. R. Oxford Classical Texts bzw. Teubner), die hier nicht aufgeführt werden. Nur in Fällen relevanter textkritischer Probleme wird in der Arbeit die Edition beim Zitat ausdrücklich angegeben und in das Literaturverzeichnis aufgenommen. Bei Zitaten aus dem Corpus Agrimensorum verweist ein nachgestelltes L auf die Ausgabe von Lachmann / Rudorff / Bluhme 1848–1852, nachgestelltes T auf die Ausgabe von Thulin 1913, nachgestelltes C auf die Ausgabe von Campbell 2000. Übersetzungen, die ganz oder weitgehend aus einer der jeweils geläufigen deutschen oder zweisprachigen Ausgaben übernommen wurden, werden i. d. R. allein über den Namen des Übersetzers bzw. der Übersetzerin beim Zitat kenntlich gemacht und erscheinen nicht im Literaturverzeichnis. Ausnahmen ergeben sich dabei nur dann, wenn im Rahmen der Untersuchung ausdrücklich auf solche Übersetzungen eingegangen wird. Übersetzungen, bei denen nichts anderes vermerkt ist, stammen vom Verfasser. Die im Literaturverzeichnis verwendeten bibliographischen Abkürzungen antiker Autoren und Werktitel sowie von Standardwerken, Lexika und Zeitschriften orientieren sich grundsätzlich an den Vorgaben des Neuen Pauly (DNP). Gleiches gilt für die folgenden Abkürzungen von Werken, die nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt sind: AE CGL CIL FRH
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398
Anhang
6.3 Abbildungsnachweis Abb. 1 (S. 75): Foto des Autors, abgebildet mit freundlicher Genehmigung des Ministero per i beni e le attività culturali e per il turismo, Direzione regionale musei del Friuli Venezia Giulia (Direktorin: Dr. Marta Novello). Abb. 2 (S. 138), 3 (S. 142 f.) und 9 (S. 339): Abbildungen 48, 47 und 8 (hergestellt von N. Witte) aus Stevens 2017. Abgebildet mit freundlicher Genehmigung von Peeters Publishers, Leuven, und der Autorin. Abb. 4–8 (S. 334–338): Fotos des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Rom (Direktor: Prof. Dr. Ortwin Dally; Fotografin: Heide Behrens), mit freundlicher Genehmigung. Abgebildet mit freundlicher Genehmigung des Ministero per i beni e le attività culturali e per il turismo, Museo Nazionale Romano (Direktor: Prof. Dr. Stéphane Verger).
6.4 Register 6.4.1 Sachen, Personen, Orte und Begriffe Nicht als Lemmata aufgenommen sind bestimmte die ganze Arbeit durchziehende Begriffe wie z. B. Pomerium und Stadtmauer(n)/-tor(e) sowie bloß beiläufige Erwähnungen von Personen und Orten. Für Aspekte, die in einzelnen Kapiteln untersucht werden und in Überschriften auftauchen, erscheinen in der Regel nur ausgewählte Stellen in diesem Register; darüber hinaus sei immer auch auf das Inhaltsverzeichnis verwiesen. Antike Autoren tauchen dann im Hauptregister auf, wenn ihre expliziten Aussagen zum Pomerium in der Arbeit näher analysiert werden, insofern sie dort als historische Akteure im Konstitutionsprozess des Pomerium anzusehen sind. Außerdem erscheinen einige Autoren, auf die in untersuchten Stellen Bezug genommen wird, ohne dass die jeweils gemeinte Stelle im Original überliefert ist (z. B. Fabius Pictor, auf den sich Gellius beruft). Acca Larentia 153 Ädil 154, 206 Adventus 198, 200, 202 Aelius Seianus, L. (Sejan) 193 Aemilius Paullus Macedonicus, L. 226 Aeneas 114, 127 ager siehe urbs; ager Romanus; ager Romanus antiquus; ager effatus ager effatus 252, 253, 324 ager Romanus 252, 253, 254, 255, 256, 257, 280, 312 – als Rechtsfiktion 178, 254, 257
ager Romanus antiquus 253, 299 Agrimensoren siehe Gromatiker Aius Locutius 291 Alpes Cottiae 310, 316, 324 Ambarvalia 299 amburbium / a mburbale 299, 300, 301, 302, 303, 330, 331 Ammian 36, 62, 361 Anagnia 128 Antiquare / a ntiquarisch siehe Diskurs, antiquarischer Antoninus Pius 150, 215
Register Antonius, M. (Mark Anton) 86, 167, 181, 182, 183, 185, 186, 187 apex siehe Flamen / Flamines, Kopfbe deckung Apollo-Tempel (Marsfeld) 224, 225, 230 Apuleius 36, 62, 150, 356, 357, 359 Aqua Claudia siehe Porta Maggiore Arcadius 349 Aricia 40 Armilustrium 303 Arruns (Haruspex) 296, 297 Arx 114, 250, 258, 259, 260, 261 auguraculum / auguratorium 250, 322 Auguralrecht siehe Auspizien; Auguren; inauguratio Auguren 92, 100, 109, 250, 259, 260, 261, 262, 321, 324 Augustinus 364 Augustus siehe Octavian / Augustus Aurelian – Mauerbau und Pomeriumerweiterung(?) siehe Pomeriumerweiterung
Aurelianische Mauer 137 Auspizien(wesen), Auguralrecht 109, 178, 236, 237, 239, 241, 242, 243, 244, 245, 284, 288, 321, 324, 325, 343, 354, 355, 358, 374, 376
– auspicato 175, 177, 256 – auspicia peremnia 268, 269 – auspicia urbana 78, 242, 245, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 280, 281, 282 – bei Auszug eines Befehlshabers 209, 216, 217, 218, 249, 250, 251, 252, 278 – Beobachtungsfeld 281 – Fehler des Gracchus siehe Cicero; Granius Licinianus; Sempronius Gracchus, Ti. (cos. 177 v. Chr.) – inauspicato 275 – militärische? 204, 205, 245, 246, 247 – pertermine 276 – repetitio auspiciorum 249, 253, 254, 255, 256, 257 – und Grenzübertritt 248, 249, 262, 263, 264, 265, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 280, 281, 282
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Außenseiter, soziale siehe Randgruppen Auszug eines Befehlshabers siehe Auspizien, imperium Aventin 50, 51, 54, 57, 64, 115, 135, 136, 296, 330 Beile siehe Fasces Bellona-Tempel 224, 225, 230 Bestattung und Bestattungsregeln 15, 130, 131, 132, 136, 145, 151, 157, 284, 323, 356, 358
– auf öffentlichem Grund (illegal) 152, 153 – aus öffentlichen Mitteln / mit öffentlicher Erlaubnis siehe Nekropole(n), Pompeji; Grab / Gräber, auf dem Marsfeld – berühmte Ausnahmen 149, 153, 154 – Kaiser 140 – bestimmte Grabstätten (außer Kaiser) siehe Grab / Gräber – im eigenen Haus? 133 – innerhalb der Aurelianischen Mauer 141, 144, 145 – innerhalb der Servianischen Mauer 136 – Leichenverbrennung siehe Leichen verbrennung; Ustrina – Nekropolen siehe Nekropole(n) – Status von Totengräbern siehe Totengräber (libitinarii) – Umgang mit Leichen siehe Leiche(n) – und Pomeriumerweiterungen 137, 139
Bibulus, Grab des siehe Grab / Gräber Bodenrecht siehe Gromatiker Brandbestattung siehe Leichenverbrennung Britannien 296, 315, 320 Bundesgenossenkrieg 313
Caelius 260 Campus Martius siehe Marsfeld Campus Sceleratus 153 Cancelleria-Relief 195 Capitol 114, 175, 216, 217, 239, 250, 251, 258, 278, 291, 302, 326 Caracalla 258 carnifex siehe Henker (carnifices) Cassius Dio 360, 373, 375
400
Anhang
– häufige Nennung des Pomerium 18, 115, 118, 149, 180, 187, 208, 209, 214, 215, 217, 226, 227, 240, 243, 284, 358, 359, 360 – implizierte Pomeriumdefinition 33, 44
Castores 114 Castra Praetoria siehe Prätorianer Censor / Censur 223, 318, 319 Census 299, 302 Centuriatscomitien siehe Comitia Centuriae 172
– Centuriatscomitien siehe Comitia
Cicero 110, 242, 340
– als Triumphanwärter 220 – implizierte Definition von Pomerium 46, 47 – zu auguraler Terminologie 101 – zum Fehler des Ti. Gracchus 243, 267, 289, 290, 330, 374
Cincius 251 cinctus Gabinus 298 Cippi des Pomerium 12, 27, 307, 314, 320, 321, 330, 331, 332
– Abstände und Nummerierung 88, 332 – Erscheinungsbild 330, 333 – Erwähnung in der Literatur 39, 40, 78, 79, 81, 87, 311, 375 – Inschriften 33, 42, 92, 242, 313, 316, 319, 320 – und Grenzverlauf 53, 55, 131, 136, 137, 139, 144, 145, 314
Cippi des Tiberufers 331, 333 Circus Flaminius 116, 227 classis procincta 129 Claudian 361 Claudius 215, 296, 304, 314, 315
– Pomeriumerweiterung siehe auch Pomeri umerweiterung
Claudiusbogen (Arcus Claudii) 315 Claudius Pulcher, App. (cos. 54 v. Chr.) 219 Claudius Pulcher, App. (cos. 143 v. Chr.) 238 Clodius Pulcher, P. 166, 167 Codex Theodosianus 349, 351 Coloniae 40, 65, 79, 85, 86, 147, 148, 155, 348, 354, 355, 374 Comitia 238, 256, 257, 284
– am Regillus-See? 175, 207, 256 – Centuriata 170, 171, 172, 174, 175, 214, 228, 229, 235, 288, 330 – als exercitus (urbanus) bezeichnet 172, 173, 213 – Einberufung 173, 213, 330 – Marsfeld als Versammlungsort 207 – Curiata 176, 177, 178, 252, 258 – der Pompeianer in Thessalonike 177, 178, 179, 257 – im Militärlager? 207, 257
Comitium 117, 258
– als Versammlungsplatz 178
Commagene 320 Commodus 317 Concordia-Tempel 182 Consul
– imperium und potestas siehe imperium; potestas
continentia (tecta) 12, 157, 311, 318, 344, 345, 346, 353, 372, 375 Cornelius Cethegus, C. (Senator) 167 Cornelius Dolabella, P. (cos. 44 v. Chr.) 186, 187 Cornelius Lentulus Maluginensis, Ser. 122, 125 Cornelius Sulla, L. 164, 169 – Pomeriumerweiterung? siehe Pomeriumerweiterung
Corpus Agrimensorum siehe Gromatiker Coruncani 326 Crassus, L. Licinius 217 Curatier siehe Horatier und Curatier Curii 326 Cybele siehe Mater Magna / Cybele Dictator / Dictatur 223, 238, 239, 240, 255 Digesten 43 di inferi 116 Diocletian 156, 326 Dionysios von Halikarnassos 83, 354 Diskurs siehe auch Konstitution(prozess) des Pomerium
– antiquarischer 288, 289, 290, 303, 328, 342, 343, 354, 358, 360, 364, 365, 370, 373, 375, 376
Register – Definition 286, 287 – Diskurslogik 328, 329 – Medien siehe Konstitutions(prozess) des Pomerium, Medien – Definition 25, 286 – Dekadenz- 342 – Herrscher- 307, 311, 312, 314, 315, 316, 323, 327, 331, 372, 373, 376 – imperialer 42, 307, 308, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 320, 323, 326, 327, 331, 373, 376 – juristischer 329, 343, 344, 345, 346, 347, 348, 354, 360, 375
Divination siehe Auspizien; Haruspex; Sibyllinische Bücher domi und militiae 14, 15, 89, 119, 159, 160, 161, 170, 203, 204, 205, 206, 207, 209, 210, 211, 212, 214, 235, 239, 240, 241, 245, 246, 248, 303 Domus Aurea 141 Drusus 227, 237 Drusus der Jüngere 266 Duumviri 154, 206
effatio et liberatio 92, 99, 100 Ennodius v. Pavia 37, 363 Entsühnung 154 equus October siehe Oktoberpferd erste(r) Meile(nstein) 12, 175, 185, 207, 208, 209, 217, 311, 319, 344, 345, 346, 358, 372, 375 Erweiterungen des Pomerium siehe Pomeriumerweiterung Esquilin 145 – Nekropole siehe Nekropole(n)
Etrusker / etruskisch 81, 88, 108, 109, 110, 111, 315, 348, 355, 362
– Haruspices siehe Haruspex / Haruspices
Etymologie
– als antike Methode 32, 37, 41, 54, 57, 62, 65, 68, 79, 99, 329, 354, 374, 376 – von pomerium (moderne Forschung) 33, 34, 41, 67, 374 – von urbs (moderne Forschung) 92
Fabius Maximus Verrucosus (Cunctator), Q. 125, 228, 230, 235
401
Fabius Pictor 123 Fabricii 326 Fabricius Luscinus, C. (cos. I 282 v. Chr.) 153, 327 Fasces 217, 228, 229, 230, 235, 236, 239 Fasti Praenestini 102, 103 Feldzeichen 190 Festus 48, 49, 56, 57, 60, 61, 77, 79, 80, 81, 82, 109 Ficus Ruminalis 372 Flamen Dialis siehe Flamen / Flamines Flamen / Flamines 113, 119, 130, 284, 288, 329 – Anwesenheitspflicht in Italien 122 – Anwesenheitspflicht in Rom 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125 – Flamen Dialis darf kein Heer sehen 119, 129, 130, 170 – Flamen Dialis darf nur im eigenen Bett schlafen 123, 124 – Kopfbedeckung 119, 126, 127, 128, 325
Flaminius, C. (cos. I 223 v. Chr.) 216, 218, 252 Florus 36, 62, 306, 307, 355 Fortuna Primigenia 118 Forum Boarium 88, 89, 154, 332 Forum Romanum 114, 135, 153, 199 Freiraum an der Mauer siehe Maueranger (als öffentlicher Freiraum) Frontinus 350, 351, 352, 354, 355 Frontinus-Kommentar 35, 51, 59, 62, 107, 108, 349, 351 Fulvius Flaccus, Q. (cos. I 237 v. Chr.) 219, 222, 223, 229, 238 Furius Camillus, M. 103, 120, 121, 176, 177, 257, 291 Gabii (Stadt in Latium) siehe cinctus Gabinus Galba 193, 196, 197, 198, 199 Gallier 315 Gallierbrand/-sturm 291 Geister 145 Gellius 129, 313, 330, 372, 375
– Pomeriumdefinition 49, 50, 57, 60, 61, 93, 94, 95, 96, 99, 100, 101, 242, 245
402
Anhang
– unter Berufung auf Laelius Felix 170, 171, 172, 173, 174, 176, 212, 213, 214, 330, 347, 359, 360
Gelübde siehe vota (eines ausziehenden Feldherrn) Gesandte feindlicher Mächte 231, 232, 233 Geta 258 Gewalt, politische 188 siehe Leibgarden politischer Akteure; Waffentragen und -besitz; Sempronius Gracchus, Ti. (tr.); Sempronius Gracchus, C. Glossen siehe Scholia und Glossen Goldener Meilenstein 308, 346, 373 Grab / Gräber siehe auch Bestattung; Nekropole(n) – auf dem Marsfeld 137, 148, 152, 153 – der Scipionen 141 – der Vestalinnen 153 – des Bibulus 137 – des Julian in Tarsos 150 – des Julius Achilleus 144 – des Q. Sulpicius Maximus 137 – des Romulus 153 – frühzeitliche am Palatin 134 – Hypogäum der Aurelii 145
Gradivus 117 Granius Licinianus 242, 245
– implizierte Definition von Pomerium 47 – zum Fehler des Ti. Gracchus 243, 289, 290 siehe auch Sempronius Gracchus, Ti. (cos. 177 v. Chr.)
Gratian 157 Gregor der Große 363, 364 Grenzen der Stadt Rom (außer Mauer und Pomerium) siehe erste(r) Meile(nstein); continentia (tecta); Zollgrenze Grenzsteine aus Capua 85, 86, 348 Grenzsteine des Pomerium siehe Cippi des Pomerium Gromatiker 349, 350, 351, 352, 354 – Frontinus, Frontinus-Kommentar siehe Frontinus; Frontinus-Kommentar
Hadrian 321
– Pomeriumerneuerung siehe Pomeriumerneuerung Hadrians
Hannibal, -krieg 114, 115, 125, 222, 228 Haruspex / Haruspices 277, 296, 297, 301, 305 – Schriften 116
Heer siehe Militär; Flamen Dialis Henker (carnifices) 158 Hercules Victor, Tempel des 326 Hexen siehe Zauberinnen Hieronymus siehe Vulgata Historia Augusta 44, 45, 64, 310, 311, 322, 323, 324 Hochverrat siehe perduellio Honorius 349 Horatier und Curatier 292, 294, 295 Horatius siehe Horatier und Curatier Horti 12, 137, 141 Hütte des Romulus 291 Hypogäum der Aurelii siehe Grab / Gräber Iguvinische Tafeln 69, 128, 261, 262, 281 imperium 15, 119, 171, 173, 189, 203, 204, 205, 206, 207, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 235, 236, 238, 239, 240, 241, 246, 281, 284, 358
– Promagistrate 212, 219, 220, 235 – Beginn des Kommandos 214, 215 – Ende des Kommandos 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 234, 236 – reguläre Magistrate 212, 214, 223 – Beginn des Kommandos 216, 217, 218 – Ende des Kommandos 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 233, 234, 236 – und Triumph siehe Triumph – Unschärfe des Begriffs 223
Imperium Romanum siehe Diskurs, imperialer inauguratio
– Begriff 96, 97, 98, 102, 103, 105 – des Stadtgebiets? 119 – und Pomerium 73, 74, 92, 93, 96, 97, 99, 100, 101, 105 – von Personen 119, 259
Intercession, tribunizische 207, 208, 209, 210, 235 Isidor v. Sevilla 364
Register Isis siehe Kulte, ägyptische Italien 114, 179, 313, 314
– Anwesenheitspflicht der Flamines siehe Flamines
Iulius Caesar, C. 149, 167, 174, 183, 185, 219, 226, 297 Pomeriumerweiterung? siehe Pomeriumerweiterung ius sepulchrorum 151 Janus-Tempel 308 Jerusalem 363 Johannes Lydos 89 Jüdischer Aufstand 320 Julian 150, 156 Julius Achilleus siehe Grab / Gräber Jupiter Optimus Maximus 216, 239 Jupiter Stator, Tempel des 326 Juristen siehe Diskurs, juristischer Juvenal 342, 343 Kapitol siehe Capitol Karthago 325 Kleidungsvorschriften 347 Kommando siehe imperium Könige Roms / Königszeit 121, 153, 229, 239, 240, 241, 291, 293, 306, 310, 312, 313 siehe auch Romulus; Numa; Tullus Hostilius; Servius Tullius Konstitution(sprozess) des Pomerium 16, 22, 23, 24 siehe auch Topographical turn – Diskurse 372 siehe auch Diskurs – drei Ebenen 24, 25, 372 – Eigendynamik / Eigenlogik 25 – Medien 23, 24, 25, 329, 330, 372, 373 – Praktiken 25, 373
Kulte, ägyptische 115, 130, 358 Kultorte 15 Kultorte und Stadtgrenzen 113, 130, 284, 347, 358 – fremder Kult 113, 115, 117, 118 – gefährlicher Kult 116, 117, 118 – Tempel als Versammlungsorte außerhalb der Stadt siehe Apollo-Tempel (Marsfeld); Bellona-Tempel
403
Kultvorschriften 15 Lacus Curtius 372 Laelius Felix siehe Gellius Lager siehe Comitia im Militärlager Lares 90 Lauf, ritueller siehe Lupercalia; Oktoberpferd Leibgarden politischer Akteure 179 – Marcus Antonius 184, 185 – Prätorianer siehe Prätorianer
Leiche(n) 152, 155, 156, 157 Leichenverbrennung 151, 154 siehe auch Ustrina Lex Coloniae Genetivae siehe Lex Ursonensis lex Cornelia de sicariis et veneficiis 164, 165, 345 lex curiata 178, 216 Lex de imperio Vespasiani 42, 309, 316, 320 lex Iulia de vi 167, 168 lex Iulia municipalis 147 lex libitinaria (Puteoli) 159 lex Plautia de vi 166 Lex Ursonensis 85, 147, 148, 154, 206 lex Valeria de provocatione 210 liberatio siehe effatio et liberatio Libitina siehe lex libitinaria (Puteoli) Lichtmess 300 Licinius Crassus, P. (cos. 131 v. Chr.) 125 Lictores 216, 218, 229 Liminalität 90, 145 Livius 136
– Camillus-Rede 176, 177, 257, 291, 329 – Horatier-Curatier-Episode 292, 293, 294, 295 – Pomeriumdefinition 33, 34, 51, 58, 59, 60, 61, 62, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 103, 148, 290, 348, 352, 354
locus publicus
– an Stadtmauern siehe Maueranger – Marsfeld siehe Marsfeld
Lucius Verus 150, 152 Ludi Tauri 116 Lukan 36, 61, 296, 297, 298, 302 Lupercal 372
404
Anhang
Lupercalia 65, 301 Lustratio 299, 302, 328
– der Bürgerschaft siehe Census – Urbis 296, 297, 298, 300, 301, 302, 303, 330, 331
lustrum siehe Lustratio; Census Macrobius 93, 342, 343, 362 Maecenas, C. 12 Magistrate
– imperium und potestas siehe imperium; potestas – und Auspizien siehe Auspizien(wesen); Auguralrecht
Manlius, M. 175 Mantel (Kriegs- / Feldherrnmantel) siehe paludamentum Mark Aurel 150, 152, 215, 317 – Briefe an Fronto 355, 356
Mars 175
– Ausschluss aus der Stadt? 116, 117
– unbewaffnet? 167, 196, 197
Milo 166 Minerva 298 moenia 302, 317, 318, 319, 320, 347, 348, 351 mos maiorum 182, 212, 226, 231, 233, 235 Municipia 148 mutatorium Caesaris 217 Nekropole(n) 135, 145
– älteste Funde 132, 133, 134 – an der Porta Maggiore 139 – an der Via Ardeatina 144, 145 – an der Via Salaria 137, 139 – auf dem Esquilin 133, 134 – im Tal des Forum Romanum 133, 134 – in Pompeji (vor dem Herculaner Tor) 148
Nero 197, 215, 317
– Pomeriumerweiterung? siehe Pomeriumerweiterung
Marsfeld 269, 321
Nobilität 369 Notstand 211, 223, 238, 239, 241 Numa 121, 259, 307 siehe auch Könige Roms / Königszeit
Mars Ultor, Tempel des 117 Mater Magna / Cybele 114, 298 Maueranger (als öffentlicher Freiraum) 29, 37, 51, 99, 106, 148, 348, 349, 352, 353, 354, 355, 361, 374 Maximian 156, 326 Meile(nstein) siehe erste Meile; Goldener Meilenstein Merkur 116 Messer 164 Metapher 340, 342, 343 Metonymie 34, 41, 42 Miliarium Aureum siehe Goldener Meilenstein Militär 302
Octavian / Augustus 85, 115, 122, 125, 167, 189, 192, 203, 209, 215, 217, 219, 226, 227, 238, 240, 308, 309, 346, 370
– als locus publicus 148 – als Versammlungsort 174, 175, 228, 230, 231, 258, 299 – Bestattungen siehe Grab / Gräber
– Einberufung des Heeres 213 – Präsenz in der Stadt 169, 173, 179, 180, 186, 188, 189, 190, 196, 198, 201, 202, 203, 222, 238, 284 – Prätorianer und Stadtkohorten siehe Prätorianer; Stadtkohorten
– Gesetzgebung zu Waffen siehe lex Iulia de vi – Pomeriumerweiterung? siehe Pomeriumerweiterung
Oktoberpferd 303, 304 Omen siehe Vorzeichen Opferschau siehe Haruspex / Haruspices Opimius, L. 183 Ordnungspolitik / ordnungspolitisch 151, 152, 347 Ostia 29, 60, 106, 133 Otho 193 Ovatio 220, 225, 227, 237, 266 Ovile siehe Saepta pagus 302 Palatin 109, 326
Register – frühzeitliche Mauerstücke und Gräber 134
paludamentum 198, 199, 216, 217, 218, 229 paludatus siehe paludamentum Panegyrici Latini 325, 326, 327 Papinian 43, 44, 352, 353, 354 Papirius Cursor, L. (cos. I 326 v. Chr.) 253 Parilia 321 Paulinus v. Pella 361 Paulus Diaconus siehe Festus perduellio 292, 293, 294 Petillius Cerialis, Q. 320 Petronia amnis 268 Pflugritual 14, 39, 72, 73, 74, 75, 79, 87, 88, 95, 298, 329, 375 – bei Coloniegründungen 40, 85, 86, 87, 147, 348 – bei Pomeriumerweiterungen? 315 – Deutung? 89, 90, 91 – ohne Bezug zum Pomerium 82, 83, 84
Plutarch 31, 63, 75, 76, 77, 79, 90, 91, 359 Poetizismus 361 pomarium 363, 364, 374 Pomeriumerneuerung Hadrians 141, 242, 320, 321, 322, 328, 330, 360 – Cippi siehe Cippi des Pomerium
Pomeriumerweiterung 32, 65, 174, 307, 326, 328, 344, 358, 360, 365, 373, 376
– als Münzthema? 74 – Augustus? 308, 309, 313, 323 – Aurelian 64 – Aurelian? 141, 144, 322, 323 – Berechtigung 312, 323, 324 – Caesar? 114, 309, 313, 358 – Claudius 29, 88, 296, 304, 307, 309, 310, 311, 313, 314, 315, 316, 319, 330 – Cippi siehe Cippi des Pomerium – Erweiterungsrecht? 313 – in der Frühzeit? 54 – Nero? 310 – Sulla? 114, 135, 152, 310, 311, 312, 313, 314, 329, 358 – Terminologie 32, 42, 49 – Trajan? 310, 324
405
– und Bestattungen siehe Bestattung und Bestattungsregeln – Vespasian und Titus 310, 316, 317, 319, 330 – Cippi siehe Cippi des Pomerium
Pompeius Magnus, Cn. 167, 297 Pompeji 29, 60, 133, 148 Pomptinus, C. (pr. 63 v. Chr.) 220 Pontifex Maximus 122, 124, 125 siehe auch Pontifices Pontifices 121, 125, 305 siehe auch Pontifex Maximus Pontus Polemoniacus 310, 316, 324 Popillius Laenas, M. (cos. 173 v. Chr.) 230 Porta Maggiore 139, 333 – Nekropole siehe Nekropolen
Porta Triumphalis 220, 304 Postumius Albinus, A. (cos. 242 v. Chr.) 121, 125 Postumius Megellus, L. (cos. 294 v. Chr.) 225 Postumius Tubertus, P. 153 potestas 206
– tribunicia siehe tribunicia potestas
praefectus urbi 223, 344 Praetor 251
– imperium und potestas siehe imperium; potestas
Prätorianer 189, 190, 331
– Bewaffnung und deren Sichtbarkeit 190, 191, 193, 194, 195, 196 – Lager (Castra Praetoria) 189, 190, 191, 192, 193
Prinzip siehe Regel und Prinzip Proconsul siehe Promagistrate Prodigium siehe Vorzeichen Promagistrate 247, 251
– der Pompeianer in Thessalonike 178 – imperium siehe imperium
Propraetor siehe Promagistrate Provocation 175, 207, 209, 210, 211, 235 Prozession siehe Lustratio; amburbium / amburbale; transvectio equitum; Lauf, ritueller; Census Prudentius 36, 361, 363 Pseudo-Hegesippos 36, 363
406
Anhang
Punische Kriege
– 2. Punischer Krieg siehe Hannibalkrieg
Quirinus 117 Rabirius, C. (Senator) 294 Randgruppen 146, 152, 158, 159 Rätselcharakter des Pomerium 27, 373 Raum
– als Konstrukt 21 – als Text 23 – -konstitution siehe Konstitution(sprozess) des Pomerium; Topographical turn
Regel und Prinzip 18, 160, 180, 188, 195, 203, 233, 238 Regia 117 Regiones siehe Stadtgebiet von Rom Remus 90, 91, 236, 325, 375 Rhein (als Grenze) 320 Riccardi-Fragment 155 Roma quadrata 31, 57, 83 Roma (Stadtgöttin) siehe Venus und Roma Romulus 89, 90, 102, 109, 175, 304, 307, 312, 313, 322, 325 siehe auch Könige Roms / Königszeit – Grab 153 – Hütte siehe Hütte des Romulus
Rutenbündel siehe Fasces Saepta 170, 174 Sakralcharakter
– der Stadtmauern (res sanctae) 90, 91, 99, 375 – der urbs? (effata / inaugurata) siehe urbs – von Grenzen allgemein 69, 71, 91, 92, 112 – im Auspizienwesen siehe Auspizien(wesen), Auguralrecht
Säkularfeier (17 v. Chr.) 308 Scharfrichter siehe Henker (carnifices) Scholia und Glossen zum Pomerium 35, 45, 63, 327 Sempronius Gracchus, C. 163, 183 Sempronius Gracchus, Ti. (cos. 177 v. Chr.) 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 280, 281, 282, 288 siehe auch Cicero; Granius Licinianus
– Fehler bei den Auspizien 242
Sempronius Gracchus, Ti. (cos. 215 v. Chr.) 230 Sempronius Gracchus, Ti. (tr.) 163, 184 Senaculum 232 Senat 115, 137, 149, 152, 180, 186, 187, 188, 202, 216, 222, 232, 233, 234, 238, 252, 265, 313, 315
– durch Bewaffnete bedroht 182, 183, 194, 195 – Versammlung außerhalb der Stadt 224, 226, 231, 232, 256, 258
Senatus Consultum Ultimum siehe Notstand Seneca 32, 295, 296, 308, 329 Sentius, L. (pr.) 152 Sentius Saturninus, C. (cos. 19 v. Chr.) 188 Septimius Severus 200, 201, 203 Septimius Valerinus, L. (Grabrelief) 195 Serapis siehe Kulte, ägyptische Servius 93, 324, 325 Servius auctus 50, 126, 127, 324, 325 Servius Tullius 109, 114, 315, 323 siehe auch Könige Roms / Königszeit Sibyllinische Bücher 301 Sidonius Apollinaris 363 Sklaven 43, 165, 353 Stadtgebiet von Rom – Ausdehnung 11, 135, 141, 317, 319 – Begriffe siehe urbs – Einwohnerzahl 11 – Grenzen (außer Mauern und Pomerium) siehe erste(r) Meilenstein; continentia (tecta); Zollgrenze – Regioneneinteilung 309 – Suburbium siehe Suburbium
Stadtgesetze siehe Lex Ursonensis; Riccardi-Fragment; Municipia Stadtgründung siehe Pflugritual Stadtkohorten 189, 190 Stadt-Land-Gegensatz siehe auch urbanitas Suburbium 130, 343, 353, 355, 356, 361, 362, 363, 364 – archäologischer Befund 12, 23
Sueton 35, 51, 59, 61, 107, 108, 148, 352 Sühnehandlung siehe Entsühnung
Register sulcus primigenius siehe Pflugritual Sulla 236 Synekdoche 341, 342, 343 tabernaculum capere 270, 273, 274, 277, 278, 279 Tabula Heracleensis 311, 345 Tacitus 31, 42, 47, 57, 60, 61, 64, 65, 75, 76, 77, 79, 88, 89, 304, 306, 313, 333 Tarentum 332 Tarsos 150, 361 templum (als Begriff der Augurallehre) 175, 179, 256, 257, 260, 375 Templum Gentis Flaviae 140 Terminus-Kult / Terminalia 91 Theodosius-Panegyricus 326 Thrasea Paetus 194 Tiber 232, 309, 320, 321 Tiberius 148, 309 Titus 227, 318 – Pomeriumerweiterung siehe Pomeriumerweiterung
Toga 198 siehe Prätorianer, Bewaffnung und deren Sichtbarkeit Topographical turn 23, 24, 25 Topographie Roms 287, 291, 326 Totengräber (libitinarii) 159 Trajan 202
– Pomeriumerweiterung? siehe Pomeriumerweiterung – -ssäule 140, 149, 154
Transvectio Equitum 303, 304 Trebellius, L. (Volkstribun 47 v. Chr.) 186, 187 Tresviri Capitales 164 tribunicia potestas 209, 217 siehe auch Volkstribunen tribunus plebis siehe Volkstribunen Triumph 180, 190, 211, 219, 220, 224, 225, 226, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 241, 358 – rituelle Aspekte 220, 227, 239, 304
Tullus Hostilius 292 siehe auch Könige Roms / Königszeit Tyrann, Tyrannentopoi 163, 182, 186, 188, 198, 199
407
urbanitas 342 urbs u. a. Begriffe für Stadt(gebiet) 11, 18, 44, 79, 95, 147, 149, 150, 158, 180, 204, 215, 220, 254, 308, 345, 347, 351, 353
– Etymologie von urbs 41, 92 – und ager 260, 261 – und effatio / inauguratio 92, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 245
urbs und andere Begriffe für Stadt(gebiet) 43 Ustrina 152 siehe auch Leichenverbrenunng – des antoninischen Kaiserhauses 140
Valentinian II. 157 Valerius Flaccus, L. (cos. 131 v. Chr.) 125 Valerius Maximus 341, 342 Valerius Messalla Rufus, M. 93, 309 Valerius Poplicola, P. 153, 229 Varro 355, 375
– Methode 82 – Pomerium als Metapher 340, 341 – Pomeriumdefinition 31, 38, 39, 40, 41, 55, 56, 63, 77, 78, 79, 87, 96, 110, 242, 348 – zu auguraler Terminologie 100
Veji 257, 292, 320 Venus
– Ausschluss aus der Stadt? 116 – Erycina 114 – und Roma 321
Verkehrsfluss 347 Verlauf des Pomerium 135
– in der Kaiserzeit siehe Cippi des Pomerium
Verres, C. 219, 228, 236 Verrius Flaccus siehe Festus Vespasian 227, 318
– Pomeriumerweiterung siehe Pomeriumerweiterung; Lex de imperio Vespasiani
Vestalinnen 121, 153 Vesta-Tempel 121, 291 Vitellius 198, 199, 200 Vogelschau siehe Auspizien Volkstribunen 207, 208, 217, 375 siehe auch tribunicia potestas
– Vetorecht siehe auch Intercession, tribunizische
408
Anhang
Volsinii 69 Vorstadt siehe Suburbium Vorzeichen 258, 259, 297, 300 vota (Gelübde eines ausziehenden Feldherrn) 216, 217, 251 Vulcanus 116, 117 Vulgata 364 Waffentragen und -besitz 161, 162, 180, 182, 184, 187, 188, 190, 200, 284 – Definition von Waffe 163 – Gesetzgebung 164, 165, 166, 167, 168, 169, 182, 187, 188, 195 – Griechenland zum Vergleich 162 – Leibgarden siehe Leibgarden politischer Akteure
– Sichtbarkeit 182, 184 – Prätorianer siehe Prätorianer – situative Einschränkungen 167, 187 – zum Schutz gegen politische Gewalt 183
Wagen, Fahren in der Stadt 208 Wahlen siehe Comitia Weltkarte des Agrippa 308, 373 Werwölfe 146 Wissensraum 20, 287, 371, 372, 376 Wölfe 258, 259 Zauberinnen 146 Zollgrenze 317, 318, 319, 320 Zwölftafelgesetz 146, 147, 148, 293
6.4.2 Quellen (in Auswahl) In das Quellenregister aufgenommen wurde unabhängig von der Frage expliziter Erwähnungen des Pomerium eine Auswahl solcher Stellen, die in der Arbeit im Wortlaut näher untersucht werden, wobei dann auf die entsprechenden Seiten verwiesen wird. AE
– 1971, 88 (=2004, 421) 159 – 2006, 645 (= 1991, 1020 = 2004, 744) 85
Amm.
– 25,10,5 36, 150, 361
App.
– civ. 2,31,23 208, 209 – civ. 3,52 184 – Ib. 49 231, 233
Apul.
– flor. 19,2 36, 150, 356, 357 – met. 1,21 357 – met. 2,1 36, 357 – met. 9,9 36, 357 – Soc. 19,31 356
Ascon.
– In Milonianam 55C, 12–13 166
Aug.
– Contra Academicos 2,2 364
Cass. Dio
– 39,39,7 44, 217 – 39,63,4 44 – 39,65,1 44
– 40,47,4 44, 115 – 40,50,2 44 – 41,15,2 44 – 41,16,1 44 – 41,43,2–4 177, 178, 179, 257 – 42,29,2 167, 186, 187, 188 – 43,50,1 44 – 44,7,1 149 – 44,49,2 44 – 44,51,1 167 – 45,29,2 184, 185 – 47,7,1 44 – 49,15,3 44, 226 – 51,19,6 44, 208, 209 – 53,2,4 44, 115 – 53,13,4 44, 214, 215 – 53,17,4–6 44, 240 – 53,32,5 44 – 54,6,6 115 – 54,25,3 44 – 55,2,2 44, 227 – 55,6,6 44 – 55,28,2 44 – epit. 75,1,3–2,3 200, 202
Register – epit. 77,1,6 44
Cato
– VI 1233a,b u. a. (Pomerium Hadrian) 92 – X 3825 85, 86
– FRH I 18a – Serv. Aen. 5,755 (F 18 HRR) 82, 110 – FRH I 18b – Isid. orig. 15,2,3 (F 18 HRR sub linea) 83
Claud.
– ac. 1,9 287 – Att. 7,7,4 220 – Att. 13,31,1 (20,1) 309 – Att. 13,33 (33,4) 309 – div. 1,3 246 – div. 1,33 242, 243, 268, 271, 272, 273, 274, 275, 277, 278, 279, 280, 289, 290 – div. 2,75 110, 277, 278, 289, 290 – div. 2,76 f. 205, 246, 247 – fam. 1,9,25 219 – leg. 2,21 100, 101, 245 – leg. 2,58 135, 146, 147, 151, 152, 153 – Marcell. 17 183, 184 – Mil. 11 165 – nat. 2,9 265 – nat. 2,11 47, 242, 243, 268, 271, 272, 273, 274, 275, 277, 278, 279, 280, 289, 290, 330 – nat. 2,11 f. 110 – Phil. 2,102 86 – Phil. 5,9 183 – Phil. 5,17 181, 182, 183 – Phil. 8,14 183 – Phil. 11,18 125 – Pis. 55 219, 221 – Rab. perd. 13 293, 294 – Rab. perd. 15,5 158 – rep. 1,63 207 – Verr. 2,5,34 219, 236, 264, 265, 266 – Verr. 2,5,77 228
Cod. Theod.
Cic.
CIL
– I 838 f. = VI 31615 (= ILS 8208) 152, 153 – I1 1409 155 – I 2 1 p. 234 siehe Lutatius – VI 930, 14–16 42, 309, 316 – VI 1232 u. a. (Pomerium Vespasian und Titus) 33, 42 – VI 1318 (= ILS 53) 253 – VI 1231a–c u. a. (Pomerium Claudius) 33, 42, 314, 315
409
– Panegyricus de sexto consulatu Honorii Augusti, 392–395 361
Cod. Iust.
– 3,44,12 156 – 9,17,5,1 156 – 9,17,6 157 – 10,3,5 349
Commentum ad Frontinum
– 17 f. L (= 66 C) 35, 62, 107, 108, 349, 350 – 21 L (= 70 C) 350
De sepulchris
– 271 f. L (= 220 C) 148
Dig.
– 1,16,2pr. (Ulpian) 219 – 18,7,5 (Papinian) 43, 44, 352, 353 – 50,16,87 (Ulpius Marcellus / A lfenus Varus) 83, 344 – 50,16,154 (Macer) 346 – 50,16,239,6 (Pomponius) 83
Dion. Hal.
– ant. 1,88,2 83 – ant. 3,1,2 153 – ant. 4,13,4 11, 12 – ant. 5,19,3 229 – ant. 8,87 f. 208, 209 – ant. 10,59,5 229
Ennod.
– Panegyricus 63 37, 363
Epikt.
– 4,13,5 195
Eutr.
– 8,5 149, 154
Fest.
– 276 L 251 – 294 L 48, 49, 56, 57, 60, 61, 79, 80, 81 – 296 L 268, 269 – 326 L 254 – 358 L 109 – 368 L 288 – 478 L 116
410
Anhang
Flor.
– epit. 1,3,6–8 36, 306, 307
Frontin.
– De controversiis 7 T (= 17 f. L = 6 C) 350, 351, 352
Fronto
– Addimentum epistularum variarum acephalum 7,2 355, 356 – Epistulae ad Marcum Caesarem et invicem 4,4 127, 128
Gell.
– 10,15 122, 123, 126, 129, 288 – 13,14 49, 50, 57, 60, 61, 93, 94, 95, 96, 99, 100, 101, 242, 245, 313, 330 – 15,27 170, 171, 172, 173, 174, 176, 212, 213, 214, 330 – 25,27 288, 347
Granius Licinianus
– 28,25 f. 47, 242, 245, 268, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 280, 289, 290
Greg. M.
– dial. 3,33 363
HA
– Aur. 13,3 150, 152 – Aurelian. 21,9–11 44, 64, 310, 311, 322, 323, 324 – Pius 12,3 150 – Sept. Sev. 7,1–7 201, 202
Heges.
– 5,25,2 36, 363 – 5,36,2 363 – 36,2 36
Isid.
– De differentiis verborum 465 364 – orig. 15,2,3 82
Iuv.
– 9,9–11 342
Lex Urson.
– 14 85 – 73 85, 147, 154
Liv.
– 1,6,4 103 – 1,18,6 103
– 1,18,7–10 259, 261 – 1,26,6 292, 293 – 1,26,11 136, 293, 294, 295 – 1,44,3–5 34, 51, 58, 59, 60, 61, 62, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 103, 148, 290 – 2,58,4 207 – 3,20 175 – 3,20,6 256 – 3,20,7 207, 208 – 3,63,5–11 224 – 5,51–54 291, 292 – 5,52,2 103 – 5,52,13–17 120, 121, 176, 177, 257, 329 – 8,30,2 253 – 10,3,6 253 – 10,36,8 225 – 21,63,7 251 – 21,63,8 218 – 22,1,6 252, 253 – 23,19,3 253 – 23,32,3 230 – 24,7,11–9,3 228, 229, 235 – 24,8,10 125 – 24,9,1–3 220 – 26,10,1 222, 223, 224, 234, 238, 265 – 27,5,15 255, 256 – 41,17,4 225 – 42,9,2 230 – 45,22,1 233 – 45,35 220
Lucan.
– 1,592–594 36, 61, 296, 297, 298, 302
Lutatius (Historiker)
– CIL I 2 1 p. 234 = Walter 2009 F 11= F 11 HRR = F 6 GRF 103 – CIL I 2 1 p. 234 = Walter 2009 F 11= F 11 HRR = F 6 GRF 102
Lyd.
– mens. 4,73 89
Macr.
– sat. 1,7,14–15 362 – sat. 1,9,6 362 – sat. 1,24,12 342, 343
Mart.
– 10,48,1–2 195
Register Paneg.
– 2[12],9,4–7 325, 326, 327 – 10[2],13,1–3 325, 326
Paulinus v. Pella
– Eucharisticon 383–385 361
Paul. Fest.
– 5 L 81, 299 – 295 L 48, 80 – 368 L 81
411
Serv. auct.
– Aen. 1,13 106 – Aen. 1,305 126, 127, 324, 325 – Aen. 2,178 254 – Aen. 4,212 104 – Aen. 8,552 127
Sidon.
– carm. epist. 1,5,9 363
Suet.
– 1,21,2–3 155, 156 – 1,21,3 149
– Aug. 32,1 168 – prata 313,7 Roth 35, 51, 59, 61, 107, 108 – Vit. 10,2–11,1 198, 199, 200
– aul. 415–417 164
Tabulae Iguvinae
– 3,66 317, 318, 319, 320 – 34,139 167
Tac.
Paul. sent. Plaut.
Plin. nat.
– VI A, 10–16 261
– Caes. 13,1. 226 – Marc. 5,1–3 268, 269, 270, 271, 290 – Marc. 5,4 126 – Num. 12,1 155 – qu.R. 79 153 – Rom. 11,2–3 31, 63, 75, 76, 77, 79, 90, 91 – Ti. Gracch. 19,5 f. 163
– ann. 3,11 266, 267 – ann. 3,19 237, 266, 267 – ann. 3,58,1–59,2 122, 125 – ann. 3,71,2 f. 122, 125 – ann. 12,23–24 31, 42, 47, 57, 60, 61, 64, 65, 75, 76, 77, 79, 88, 89, 304, 306, 313, 333 – ann. 16,27 194, 195 – hist. 1,6,2 196, 197 – hist. 1,38 193, 194 – hist. 2,88 f. 198, 199, 200
– 35,2,4 231, 232, 233
Val. Max.
Plin. paneg.
– 23,3 202
Plut.
Pol.
Prud.
– 11,151–154 361
Sall.
– Iug. 28 231, 233
Schol.
– Iuv. 9,11 45
Sen.
– De beneficiis 5,15,5–6 180, 181, 226 – De brevitate vitae 13,8 32, 295, 296, 308, 329
Serv.
– Aen. 1,292 117 – Aen. 5,755 82 – Aen. 6,197 324, 325 – Aen. 7,168 231 – Aen. 11,206 136, 153
– 1,1,3 274, 289 – 2,7,4 255 – 2,8–9 341, 342 – 3,2,9 253
Varr.
– ling. 5,143 31, 38, 39, 40, 41, 55, 63, 77, 78, 79, 96, 110, 242 – ling. 7,7,8 f. 260 – rust. 1,2,13 340, 341 – rust. 2,1,9 f. 78
Vell.
– 1,10,4 226
Vitr.
– 1,7,1 116, 117
Vulg.
– Dan 13 364 – Ecclesiastes 2,5 364