214 74 17MB
German Pages 181 [184] Year 1926
Das Mittelalter MB
Dietrich Schäfer
2. Auflage
VerlagR-Oldenbourg,München undBerlirU926
Alle Rechte, einschließlich de- Übersetzung-rechte-, vorbehalten
Vorwort zur zweite« Auflage ES besteht ein auffallender Gegensatz. Der Aufschwung, den, vorbildlich für andere Länder, geschichtSforichende Tätigkeit im 19. Jahrhundert in Deutsch land genommen hat, ist im besonderen Grade der Kenntnis deS Mittelalters zugute gekommen. Ihre Förderung hat auch weitgehende Wirkung geäußert. Man braucht nur an die Barbarossasage zu denken, um sich kiarzumachen, was die Erinnerung an mittelalterliche deutsche Größe für die Erweckung und Stärkung vaterländischen Gefühls bedeutete. Gleichwohl macht sich daneben eine Geringschätzung breit, die „mittelalterliche Zustände" gleichsetzt mit Rück ständigkeit und Verkommenheit. Dieser „Überblick" möchte Grundlagen einer richtigen Beurteilung geben. DaS Jahrtausend europäischer Geschichte, das wir al» Mittelalter be zeichnen, hat die Kräfte zu voller Entwicklung gebracht, die an die Stelle der antiken die neuzeitliche Kultur gesetzt haben, christliche Lehre und germanischeBolkStum. ES ist falsch, diese Zeit vor allem al- einen Rückfall in Barbarei aufzufasscn. Ein neuer Geist ringt nach Gestaltung gegenüber einer innerlich morsch gewordenen, inhaltleeren Bildung. Er hat sich durchgesetzt in allen entscheidenden Formen menschlichen Zusammenleben», in den Anschauungen über Staat und Kirche, Wirtschaft und Gesellschaft, Recht und Sitte. Mochte im Kirchenwesen Rom erst recht eine überragende Bedeutung gewinnen; daß die Kirche zu selbständiger Stellung gelangte neben dem Staate, war eine Er rungenschaft, in der die Überlegenheit abendländischer Bildung und abend ländischen Handeln- über alle- andere Völkerleben, wie sie sich besonder in der Europäisierung Amerika- betätigt hat, ihre ausschlaggebende Erklärung findet. Gegen Ende deS Mittelalter- konnte dessen selbständig gewordene Kultur wieder antike Werte in sich aufnehmen und so sich bereichern, ohne die neugewonnenen Grundlagen zu verlieren. Co wird verständlich, daß neuzeitliches Leben in seinen Haupterscheinungen ganz überwiegend seine Wurzeln im Mittelalter hat. Ihm verdanken wir den nationalen Staat-gedanken, dessen Wert dynastische Ausgestaltung ernstlich nicht hat beeinträchtigen können, ihm die unlösliche, doch nicht zu toller Verschmelzung führende Verbindung von Staat und Kirche, die erhalten bleiben muß, wenn menschliche Kultur nicht zugrunde gehen soll, ihm eine entwicklungsfähigere ständische Gliederung, die Sklaverei nicht mehr kennt, ihm näheren und näch sten Anteil weiterer BolkSkreise an der Lenkung deS Staate-, ihm eine früher
IV
Benvoft
unbekannte Mannigfaltigkeit und Verschiedenartigkeit staatlicher Bildungen und staatlichen Leben», die Erweiterung ihre» Schauplätze-, ihm auch Steigerung und umfassende, vielgestaltige Verzweigung de- Verkehr-leben-, au- dem ein neue-, durchau- eigenartige- Städtewesen erblüht, ihm endlich die bunte Viel seitigkeit nationalen Geiste-leben-, da- trotz der Gleichartigkeit der grundlegenden Anschauungen doch Sonderzüge von unwiderstehlicher Anziehungskraft behauptet. Wer neuzeitlicher Denken und Fühlen wirklich verstehen will, muß fortgesetzt diese- seine- Ursprung- gedenken. Ganz besonder- ist da- für un- Deutsche geboten. Mein im früheren Mittelalter besahen wir einen Staat, der neben den anderen seiner Zeit diesen
Namen verdiente. Mit dem beginnenden 13. Jahrhundert war er unaufhalt samer Zersetzung verfallen. Sich über die Ursache klar zu werden, ist noch heute unerläßliche- Erfordernis, wenn da- Reich, da- un- ein genialer Staats mann 1871 schenkte, erhalten bleiben soll. 8- drohen ihm noch heute die gleichen Gefahren, die unser mittelalterliche- Reich an den Rand des Unter gänge- brachten. Ihnen zu begegnen, ist geschichtliche- Wissen nicht nur nicht überflüssig, e- ist unentbehrlich. ES ist nicht wahr, daß der Deutsche von jeher zur Uneinigkeit bestimmt, ihr unverbesserlich verfallen gewesen wäre. Die Hergänge, die im einzelnen zum Niedergänge unserer stolzen mittelalterlichen König-macht geführt haben, muh kennen, wer über die gegenwärtige Lage unsere-, um seinen Bestand ringenden Reiche- mitsprechen will. Dafür ein Hilf-mittel zu liefern, hat dem Verfasser bei der Abfassung diele- Bändchen-, vor allem auch bei der Auswahl de- Stoffe-, die der knapp zugemesfene Raum
forderte, als leitender Gedanke gedient. Auf Wunsch de- Herausgeber- und de- Berlage- sind den Ouellenau-züg« Übersetzungen beigefügt. Berlin-Steglitz, im Januar 1926.
Dietrich Schäfer.
T»halt«b«rstcht.
V
Inhaltsübersicht. •eite
I. tbtlelhmg: 1. Ursprung und Ginn bet Benennung. 1 Abgrenzung. 1 Schauplatz der Ereignisse..................................................................................................................................
1
IL sie 3dt der Sinrmantrrnng (175—MÄ): 4. Das iß Völkerwanderung? 5. Ur sachen und Art der Wanderung. 6. Die eindringenden Stämme. 7. Der Untergang des Weströmischen Reiches. Theoderich. 8. Die Franken. I. Justinian. Die Lango barden. 10. Erklärung der Erfolge. 11. Ausgehen der Germanen im römischen VolRtum. 11. Sieg der germanischen Institutionen. 13. Römische Übertragungen . .
2
III. Die fränkische Zeit (481—848): 14. Die neuen Reiche. 15. Die Merowinger. 16. Die Hausmeier. 17. Der Übergang des Königtums an die Karolinger. 18. Bonifazius. 19. Das Papsttum und vyzanz. 20. Der Papst, die Langobarden und König Pippin. 21. Karl der Große. 22. Karl Einiger aller festländischen Germanen, a) Die Sach en, b) Die Vaiern, c) Die Ergcdnisse. 23. Die Reichiwerfassung. 24. Karolingische Bildung. 25. Die Erneuerung des römischen Kaisertums................................................ 11 IV. Der Zerfall des Karoltugerrelchetz. Normannen und Angelsachsen: 28. Die Reichs teilung. 27. Die Sprachgrenze. 28. Die Austeilung des Mittelreichs. 29. Die Söhne Ludwigs des Deutschen. 30. Der völlige Zerfall des Frankenreiches. 31. Tie pseudoisidorischen Tekretalen. 32. Die Normannen. 38. Ihre Ausbreitung westwärts. 34. Die Begründung des Russischen Reiches. 35. Die Angelsachsen. 36. Alfred der Große
23
V. Das römisch.deutsche Kaisertum dis zum guvestiturstreit: 87. Die Herzogtümer. 38. König Konrad I. (911—918). 39. Heinrich I (919—936). 40. Gegen Ungarn und Clanen. 41. Otto der Große. 42. Ottos Stellung im Abendlands. Seme italienische Politik. 43. Verhältnis zur Kirche. 44. Die römische Kaiserwürde. 45. Die allge meinen Folgen der Verbindung zwischen deutscher Königs- und römischer Kaiser würde. 46. Die Folgen für Deutschland. 47. Kaiser Ottos Ende. 48. Die letzteu sächsischen Kaiser. 49. Die ersten Salier: Konrad II. und Heinrich III. 50 Deutsch lands Vormachtstellung. 51. Die Kirchenreform. 52. Die cluniacensische Bewegung. 58. Heinrich III. und die Reform...................................................
34
VI. Die Zeit des Fnveftiturttreitsr 54. Die Anfänge Heinrichs IV. 55. Gregor VII. 56. Wesen Gregors. 57. Gregor und Heinrich 1073—1075. 58. Der offene Bruch. 59. Die deutschen Fürsten. 60. Dribur und Cano.sa. 61. Die Lösung vom Banne. 62. Der Gegenkönig. 63. Gregors Ausgang. 64. Weltgeschichtliche Bedeutung Gre gors. 65. Fortsetzung des Kampfes gegen Heinrich IV. 66. Heinrichs IV. Ende. 67. Heinrich V. (1106—1125). 68. Das Abkommen von 1111. 69. Die deutschen Fürsten. 70. Das Worm'er Konkordat. 71. Kaiser Lothar................................................ 60 VH. Das Zeitalter der Kreuzige: 72. Der Islam und die Araber. 78. Der Isla« und das Christentum. 74. Der erste Kreuzzug. 75. Die Christen im Heiligen Lande. 76. Mittelalter und christlicher Glaube. 77. Religion und Kunst. 78. Der geistliche Stand. 79. Scholastik. 80. weltliche Dichtung. 81. Der Ritterpand. 82. Allgemeine Ausbreitung ostwärts......................................................................................................................... 72
Vm. Die Zeit der ersten Staufer (1188—1127): 83. Konrad III. (1138—1152). 84. Der zweite Kreuzzug. 85. Friednch Barbarossas Nachfolge. 86. Friedrichs Regierungs anfänge. 87. Kaiserkrönung. 88. Friedrich- italienische Politik. 89. Kaiser Friedrich und Papst Hadrian. 90. Die kaiserlichen Erfolge. 91. Streit mit Rom. 92. Der Umschlag in Italien. 93. Legnano. Venedig 1176/1177. 94. Der Sturz Heinrichs des Löwen. 95. Die Bedeutung des Sturzes. 96. Barbarossas Ausgang. 97. Seine Bedeutung. 98. Heinrich VI. (1190-1197)........................................................................... IX. Der Zusammenbruch deutscher Macht (1127—1*72): 99. Die Gegenkönige Philipp von Schwaben und Otto von Braunschweig. 100. Otto und Friedrich II. 161. Friedrichs II. Persönlichkeit. 102. Friedrich II. als deutscher und sizilianischer
78
Inhaltsübersicht. — Quellen und Literatur.
VI
•fllr Herrscher. 103. Friedrichs Sndlampf mit der Kurie. 104. Tie Auflösung. DaS Zwiichenreich. 105. Gesteigerte Macht deS Papsttums. 106. FranMiche Verhältnis e. 107. England. 108. Tie nordischen und östlichen Staaten. 109. Aus breitung der Deutschen ostwärts. 110. Ter Teuflche Orden. 111. Rückwirkung der Ausbreitung aus die He mal.........................................................................................................94
X. tk abeubläudische Staateuwelt ohne Vormacht: 112. Rudolt von Hab-burg (1275-1291). 113. Adolf von Nassau. Albrecht von Österreich