Das Lesen auf der Stufe des Lesebuches nach seiner Formseite: Eine Anleitung zum flüssigen, sinnvoll betonten und gefühlsmäßig ausdrucksvollen Lesen in der Volksschule 9783486754551, 9783486754544


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German Pages 185 [188] Year 1927

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Vorwort
Inhalt
Einleitung
A. Das fließende Lesen
B. Das sinngemäße Lesen
C. Das Lesen mit Gefühlsausdruck
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Das Lesen auf der Stufe des Lesebuches nach seiner Formseite: Eine Anleitung zum flüssigen, sinnvoll betonten und gefühlsmäßig ausdrucksvollen Lesen in der Volksschule
 9783486754551, 9783486754544

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Das Lesen auf der Stufe des Lesebuches nach seiner Formseite Eine Anleitung zum flüssigen, sinnvoll betonten und gefühlsmäßig ausdrucksvollen Lesen

in der Volksschule

Don

Emil Grimm Bezirksschulrat la Nürnberg

München und Berlin 1927

Druck und Verlag von R.Oldenbourg

Vorwort. Bismarck soll einmal bei irgendeiner Gelegenheit gesagt haben, die Fähigkeit zu lesen sei in Deutschland weiter verbreitet als anders­ wo, nicht aber die Fähigkeit, über das Gelesene zu urteilen. Wenn man unter „lesen" nichts weiter versteht als die Fähigkeit, Laut­ zeichen geläufig und richfig zu Worten zusammenzufügen, so mag der erste Teil dieser Behauptung wohl richfig sein. Sobald man aber auch an die Art und Weise dieser Lautbarmachung nach Lautgebung und Vortrag denkt, möchte es eher scheinen, als ob in den deutschsprechenden Ländern über dem Inhalt des Gesprochenen und Gelesenen die Klang form, in der sich dieser Inhalt dem Hörer darstellen soll, allzusehr vergessen werde. Dabei denke ich weit weniger an die außerordentlich vernachlässigte hochdeutsche Aussprache bei gehobener Rede, wie sie besonders südlich der Mainlinie daheim ist, als vielmehr an die gute akzentuelle Gliederung der Sätze und Satz­ gruppen, die sinnvolle Betonung der wesenllichen Satzstellen und den inhaltentsprechenden Ausdruck, lauter Tättgkeiten, die der Auf­ nahme des Gesprochenen in Geist und Seele des Hörers den Weg bereiten sollen. Auf diesen schmerzlichen Mangel hat mich zuerst meine Tätigkeit als Lehrer und später die als Schulaufsichtsbeamter aufmerksam gemacht; denn gerade in den Schulen tritt dieser Mangel täglich und stündlich in so krasser Weise zutage, daß auch der für Ton und Ausdruck nicht gerade empfindliche Lehrer kaum an diesen Fragen vorübergehen kann. Schon frühzeifig aber mußte ich erkennen, daß die auf dem Gebiete des Deufichunterichts so außergewöhnlich ge­ schäftige Bucherzeugung gerade hier versagte, und auch in den Hand­ büchern der Methodik waren die Ausführungen darüber von be­ klagenswerter Armseligkeit. Nicht wenige Lehrer begnügen sich heute noch im allgemeinen mit der Forderung einer unnatürlich überhöhten Deutlichkeit der Aussprache. Neigung und Begabung für diese Seite des sprachlichen Ausdrucks haben mich schon beinahe vor vier Jahrzehnten auf Mittel und Wege i»

IV sinnen lassen, den besprochenen Mängeln abzuhelfen, darüber nach­ zudenken und durch Beobachtung des eigenen Sprechens und des anderer Menschen herauszubringen, worin eigentlich das bestehe, was wir Gliederung und Betonung der Rede zu nennen pflegen. Für den kunstmäßigen Ausdruck des Gesprochenen konnte ich mich zum allergrößten Teil auf die eigene Empfindung und Befähigung verlassen. So kam ich schon als ganz junger Lehrer auf eine Reihe erfahrungsmäßig gefundener Gesetze und Regeln und durfte ihre Richtigkeit und praktische Verwendbarkeit an den Erfolgen in meiner Dorfschule einfachster Gliederung erkennen. Erst viel später gab mir das wissenschaftliche Schrifttum die Bestätigung sowohl wie die tragfähigen Unterlagen für das natürlich Erkannte. Wenn ich es nunmehr wage, dieses Lehrgebäude der Öffentlich­ keit zu übergeben, so bestimmt mich dazu vor allem die fast täglich wachsende Erkenntnis von der allgemeinen Ratlosigkeit in diesen Dingen, zu einem nicht geringen Teil aber auch die Aufmunterung und das Drängen geschätzter Freunde, von denen manche seit längerer Zeit die einfachen Anweisungen, die ich ihnen geben durfte, in ihren Schulen mit bestem Erfolg erprobten. Freilich bin ich mir bewußt, daß es sich um etwas schier Unmögliches handelt, da das, was ganz und gar auf das lebendige Wort und auf das Empfangen dieses Wortes mit dem Ohr gestellt ist, in gedruckten Worten beschrieben und gezeigt werden soll. Aber wo von zwei Wegen nur einer gang­ bar ist, muß dieser gewählt werden, auch wenn er unter Schwierig­ keiten, Verzögerungen und möglichen Irrungen an das Ziel führt. Glücklicherweise kommt dem mit so ungenügenden Mitteln unter­ nommenen Versuch die Tatsache zu Hilfe, daß bei keinem Menschen die Gabe natürlich zu sprechen ganz verlorengegangen ist, jeder somit an der eigenen freien Rede das Dargestellte nachprüfen kann.

Nürnberg, im Oktober 1927.

Emil Grimm.

Inhalt. Sette

A. Das fließende Lesen....................................................................

4

B. Das sinngemäße Lesen .................................................................13 1. Die Gliederung der gesprochenen Rede............................ 18 I I. Die Betonung der gesprochenen Rede ............................... 55 a) Wie wird betont?................................................................ 70

b) Was wird betont?............... C. Das Lesen mit Gefühlsausdruck (Kunstmäßiges Lesen)..

96 .. 136

Das Wesen des Lesens äußert sich nach zwei ganz verschiedenen

Richtungen. Rein äußerlich betrachtet, erscheint es als eine bloße Fertigkeit, die auf ihrer niedersten Stufe nichts weiter ist, als was das Wort „lesen" im ursprünglichen Sinn besagt: ein Sammeln der Lautzeichen (Buchstaben) zu Silben und Wörtern. Die höhere Entfaltung dieser Fertigkeit verliert aber immer mehr die Kenn­ zeichen des Handwerksmäßigen und Geistlosen, die einer solchen Tätigkeit notwendig anhaften müssen, und nähert sich in chrer Voll­ endung stark dem Grenzbereich der Kunst. Nun ist aber Lesen, im Gegensatz zum Singen, unzertrennlich von einem Inhalt, der schon beim Aussprechen eines einzigen Wortes, geschweige denn größerer Zusammenhänge, geistige Bewegungen veranlaßt und schwächer oder stärker betonte Gefühlsregungen auslöst, je nachdem die Wort­ inhalte mit dem Seelenleben des Hörers (oder Lesers) verflochten sind und der Borleser durch Ton und Vortrag in die tiefern Gründe der Seele zu dringen vermag. So trägt das Lesen deutlich alle Wesenszüge einer Kunst an sich, freilich nicht einer selbständigen, sondern gleich seiner Schwester, der Schauspielkunst, einer ab­ hängigen, insofern ihm der geformte Stoff fertig überliefert wird. Dabei ist die Entscheidung, ob die künstlerische Wirkung mehr vom Stoff als von seiner Darbietung oder von der Bereinigung beider ausgeht, durchaus nicht einwandlos (und für alle Menschen in gleicher Weise verbindlich) zu treffen. Was das Borlesen neu dem geformten Stoff hinzubringt, ist —rein äußerlich betrachtet — nichts als eine Fertigkeit, eine unter Umständen hoch steigerungs­ fähige und die Kunstübung nahe berührende wohl, aber eben doch bloß eine erlernbare Fertigkeit. Wieviel höher in dieser Hin­ sicht die schauspielerische Darstellung steht und mit welchem Recht sie sich als selbständige Kunst bezeichnen kann, vermag jeder selbst zu beantworten, der Sinn und Verständnis für sie hat. Wer also ein geistiges Erzeugnis, vornehmlich eines künstlerischer Natur, vor Hörern durch Lesen so oder doch annähernd so lebendig machen will, wie es zu irgendeiner Zeit in der Seele seines

2 Schöpfers gelebt hat, muß eine dreifach abgestufte Fertigkeit besitzen. Er muß fähig fein, die Lautzeichen und die aus ihnen zusammengesetzten Wörter so flüssig wie beim natürlichen Sprechen zu verbinden, außerdem den Ge­ dankeninhalt des Dargestellten durch besondere Mittel aufzuschließen und endlich die dem Stoff zugrundelie­ genden und ihn begleitenden Gefühls Vorgänge auszudrücken. Die erste Stufe ist eine Leistung des Auges und einer durch lange Übung geläufig und unbewußt gewordenen Geistes­ tätigkeit. Die zweite setzt eine vollkommene geistige Beherrschung des Stoffes voraus. Die dritte verlangt ein gänzliches Untertauchen, ein Aufgehen im Stoff, um nicht zu sagen: eine Neuschöpfung in einer dem ursprünglichen Schöpfer verwandten Seele. (In dieser innern Voraussetzung — aber nur darin — liegt die Berechtigung, vollendetes Borlesen ebenso als eine Kunst zu bezeichnen wie voll­ endete Wiedergabe von Tonschöpfungen.) Die erste Stufe ist also eine rein maschinenmäßige Tätigkeit und kann von jedem erlernt werden, bei dem äußere Reize ordnungsmäßig aufgefaßt und in bewußte Empfindungen umgesetzt werden können und diese Fähig­ keit durch Übung steigerungsfähig ist. Die zweite erfordert — unter Voraussetzung der ersten! — eine gewisse geistige Höhe des Vorlesers, ferner eine durch Beobachtung und Lernarbeit erworbene Kenntnis von den Gesetzen der natürlichen Redesprache. Die dritte endlich — fußend auf den beiden ersten — verlangt vor allem eine leicht und tief erregbare Seele und ferner die Fähigkeit, allen Gefühlsregungen durch den Ton der Sprechstimme menschlich wahren und künstlerisch schönen Ausdruck zu verleihen. Daß diese Fähigkeit als „Begabung" vorhanden sein muß, versteht sich von selbst, über dem allen steht als natürliche Voraussetzung, daß der Vorleser alle Sprachlaute richtig und schönllingend bilden könne und, um den Hörer im vorn­ herein zu gewinnen und beständig zu fesseln, eine tragfähige Stimme von edlem Klang und angemessener Biegsamkeit besitze. Die neuere Unterrichtslehre hat daher gar kein Recht, die alt­ überlieferte Unterscheidung dreier Lesestufen, eines mechanischen, logischen und ästhetischen Lesens, mit vornehmem Achselzucken abzutun. Die alte Schule empfand ganz richtig. Sie irrte nur darin, daß sie den Begriff „Stufe" zu wörtlich nahm und die Erreichung desdreifachenLeseziels den drei Klassenstufen nach dem vorberei-

3 tenden ersten Schuljahr als Aufgabe zuwies: der Unterklasse (zweites und drittes Schuljahr) also vor allem das mechanische, der Mittel­ klasse (viertes und fünftes Schuljahr) das logische und der Oberklasse (sechstes bis achtes Schuljahr) das ästhetische Lesen. Die angewandte Lehrkunst zeigte wohl schon in jenen Zeiten ihren denkenden Jüngern, wie verkehrt diese rein lehrmäßige Festsetzung sei und wie unheil­ voll chre strenge Durchführung in der Schule wirken müsse. Hieße es nicht den Geist unsrer kleinen Schüler, denen Worte immer und überall noch etwas Sinnenfälliges, nicht abgegriffene Gedanken­ marken sind, absichllich und planmäßig totschlagen, wollte man in den ersten Schuljahren ohne Achtung auf den Begriffsinhalt nur äußerlich geläufig lesen lehren? Erfordert nicht vielmehr die Er­ reichung einer höheren Lesestufe, daß schon in der Unterklasse bei jeder Gelegenheit auf den Sinn des Gelesenen eingegangen und da und dort sogar schon versucht werde, Ton und Ausdruck aus dem Gefühlsinhalt zu gewinnen und darzustellen? Umgekehrt wird aber der Lehrer auch in der Mittel- und Oberklasse das fließende Lesen als die Vorbedingung jeder höhern Stufe nie ganz außer acht lassen dürfen, fiellich nicht als reine Zweckübung, sondern immer in Ver­ bindung mit Sinnrichtigkeit und Schönheit. „Fingerübungen", die auf dem Weg zur Meisterschaft nicht umgangen werden können, mag man ja wohl „Herunterdreschen"; für die Leseübung aber gibt es dergleichen ausschließlich auf den Zweck hin verfertigte „Zusammen­ stellungen" von Schwierigkeiten nur in verschwindendem Umfang; sie geschieht vielmehr immer an einem mindestens sinnvollen Inhalt und darf daher nie zu rein maschinenmäßigem Tun herabgewürdigt werden. Wenn also in dieser Schrift die gewöhnliche Unterscheidung der drei Lesestufen beibehalten wird, so geschieht dies nur in dem Sinn, daß sie alle drei (oder doch wenigstens die beiden ersten) in Ver­ bindung im Laufe der gesamten Schulzeit zu immer höherer Vollendung gebracht werden müssen.

A. Das fließende Lesen. Die Schwierigkeiten, welche die Kinder beim Lesenlernen zu überwinden haben, liegen offensichtlich in Hemmungsvorgängen, die sich zwischen die Auffassung des Schriftbildes und die Umsetzung in das entsprechende Lautbild schieben. Daher kommt es, daß die kleinen Leseschüler eine Silbe oder ein Wörtchen so unsicher und vorsichtig tastend ergreifen, bevor sie wagen, die Sprechwerkzeuge entschieden in Bewegung zu setzen. Durch diese Hemmungen am Anfang des Lese­ unterrichts entsteht aber auch eine schlimme Gewohnheit, der die Kinder meist ganz von selbst verfallen und die sich späterhin für die Erziehung zum zusammenhängenden Lesen so außerordentlich hindernd er­ weist: die Gewohnheit, die beiden Anfangslaute einer Silbe zunächst einzeln auszusprechen und dann erst die Verbindung zu versuchen. Schon Valentin Jckelsamer, der in Bezug auf die Methode des ersten Leseunterrichts seiner Zeit um mehr als drei Jahrhunderte voraus war, muß erkannt haben, daß diese Art weder Lesen genannt werden noch zum rechten Lesen führen könne. Darauf scheint eine Bemerkung in seiner „Teutschen Grammatica" hinzudeuten: „Er (der Leseschüler) lese aber vnd nenne die buochstaben also, das er in ainem wort nit abbreche, biß ers gar hinauß liset, vnd laß kamen buochstaben faren, biß er den andern ergriffen hat, vnd henck es alles anainander wie die ring an ainer ketten" (Kehr, Geschichte der Methodik des deutschen Unterrichts, S. 46). Auch Heinrich Ste­ phani, der glücklichere Medererwecker des alten Gedankens, betont in seinen Aufsätzen und besondern Schriften über seine Laut- oder Lautier-Methode das Zusammenziehender Laute „in einem Stimm­ ansatz" (das bei Kehr S. 70 stehende Wort „Stimmsatz" ist wohl ein Druckfehler). Es muß leider gesagt werden, daß von den un­ veräußerlichen Forderungen der Lautiermethode auch in manchen Schulen der Gegenwart kaum mehr übriggeblieben ist als der Ersatz des Buchstabennamens durch den Laut. In der Tat unterscheidet sich aber eine Lehrart, bei der gelesen wird s-o: so und a-n: an im

5 Grundsatz des Lesenlernens von dem alten Buchstabierverfahren durch gar nichts. Jckelsamer fühlte das Geheimnis des Lesens viert­ halb Jahrhunderte vor der Zeit des pädagogisch-psychologischen Versuches mit vollendeter Klarheit: keinen angefaßten Laut fahren lassen, d.h. seinen Tonstrom nicht abbrechen, bis das Auge zum nächsten Laut weitergerückt ist, dessen Schriftbildvor­ stellung die mit ihr verbundene Klangbild Vorstellung erzeugt hat und die Muskeln der Sprechwerkzeuge sich für seine Aus­ sprache einzustellen beginnen. Allerdings kann diese Fortführung des Tonstroms nur bei Wörtern und Sllben geschehen, die mit einem Stimmlaut oder einem der wenigen flüssigen Laute (1, m, n, r, s, w; f, v, sch) beginnen. Führt ein Verschlußlaut die Silbe an wie in bau, da, gib, kauf, so muß das Auge nach dessen geistiger Erfassung und Herstellung des Verschlusses, ohne daß der Mund spricht, sofort zu dem folgenden Stimmlaut weitergleiten, damit dieser dann nach geöffnetem Verschluß auf den Wogen des durch­ gebrochenen Luststroms gleichsam dahergetragen erscheine. Die neuere Seelenkunde hat sowohl den einzelnen Lese­ vorgang (das Auffassen einer sinnvollen oder sinnlosen Buchstaben­ gruppe) als auch das zusammenhängende Lesen durch Versuche genau erforscht. Für den Zweck dieser Schrift, der nichts ferner liegt als einen Lehrgang für den ersten Leseunterricht zu geben, besteht nicht die geringste Notwendigkeit darauf einzugehen. Es wird daher im folgenden nur auf Erscheinungen hingewiesen, die der allgemeinen Erfahmng jedes Lehrers offenliegen, und versucht, daraus Maß­ nahmen für die Erhöhung der Lesefertigkeit schon im ersten Schuljahr zu gewinnen. Wer Schulneulinge beim Lesen in den ersten Monaten beobachtet, kann in ihren Menen eine außerordentliche Spannung wahrnehmen, die sich bei den verschiedenen Naturen auch verschieden äußert: durch Zusammenziehen der Augenbrauen, Stirnrunzeln, Offnen des Mundes, Anhalten des Atems und ähnliche Erscheinungen. Der Grund für diesen Ausdruck gespanntester Aufmerksamkeit liegt in den schon erwähnten Hemmungsvorgängen; der kleine Leseschüler muß ein hohes Maß von Willenskraft aufbieten, damit die für das richtige Ergebnis notwendigen geistigen und körperlichen Vorgänge entspre­ chend ablaufen. Mit der durch die Natur der Fibel bedingten häufigen Wiederholung der gleichen Vorgänge entstehen Erinnerungsbilder,

6 die das Kind befähigen, seine Aufmerksamkeit allmählich mehr von dem einzelnen Lautzeichen ab- und der Zusammensetzung von Buchstaben zu Zeichengruppen zuzuwenden. So wächst die wichtige, ja für das flüssige Lesen entscheidende Fähigkeit, das Auge während des Aussprdchens vorausschauen zu lassen und infolgedessen mehrlautige Wörter „mit einem Stimmansatz" auszusprechen. Damit ändert sich aber auch die Aufmerksamkeit der Kinder: die anfangs scharf gespannte, die einzelnen Lautzeichen Willenhast ergreifende erhält eine mehr an den ersten Eindruck hingegebene Form. Für das Auge des Kindes genügt auf dieser Stufe seiner Lesefertigkeit die Auf­ fassung des Eindrucks, d. h. seiner hervorstechenden Merkmale, durch einen festhaltenden Blick. Jeder Lehrer des ersten Schuljahrs kennt diese Lesestufe; sie kennzeichnet sich durch einen Hang der Schüler, aus dem meist nur oberflächlich aufgenommenen Bild der Zeichengruppe den richtigen Wortlaut zu erraten. Geht mit dieser zunehmenden Entspannung der Aufmerksamkeit einiger Fleiß des Schülers Hand in Hand, so hasten bei mehrmaliger Wiederholung die Wortbilder so fest im Gedächtnis, daß die Auffassung des Wort­ anfangs genügt, um das ganze Wort in das helle Licht des Bewußt­ seins heraufzuheben: die Kinder sagen ihre Aufgabe mit tadelloser Geläufigkeit auswendig her. Später, beim Lesen größerer Sätze, wenn die Hilfe des sinnvollen Zusammenhangs wirksam wird, geht dieses Aufsagen meist so rasch, daß der Zeigefinger der Kinder den Worten gar nicht mehr zu folgen vermag: sie zeigen auf etwas ganz andres, als was sie aussprechen. Diese Erscheinung wird sehr ungern gesehen, nicht mit Unrecht; denn sie ist oft weniger das Ergebnis eignen Fleißes als des leider nur allzu beliebten Vorsagens durch Eltern und Geschwister. Aus vielen Beobachtungen bei Schulbesuchen glaube ich mit einigem Recht behaupten zu dürfen, daß das Auflagen der Lese­ aufgabe in den heutigen Schulen verbreiteter ist als es vor vierzig Jahren war. Ich suche den Grund dafür in der völlig andersartigen Gestaltung der Fibel. Bei der alten Art lesen zu lehren stand im Mittelpunkt Mer Tätigkeit das Lautzeichen und seine Verbindung zu Zeichengruppen, den Silben und Wörtern; der Lesestoff war bestimmt von der Aufeinanderfolge der Laute in der Fibel und wurde danach ausgewählt und angeordnet. Sowie (beim synthetischen Verfahren) sinnvolle Silben und Wörter gebildet werden konnten,

7 war in den Fibeln ein förmliches Wettrennen wahrzunehmen, daß ja alle Möglichkeiten der Lautverbindung ausgeschöpst würden. Die Kinder wurden daher beim Lesen (sofern überhaupt auf den Anfchauungshintergrund der Wörter eingegangen wurde) von einem Gebiet in das andre geworfen, auch später, wenn Sätzchen dargeboten werden konnten.—Heute ist der Sachunterricht führend und aus chm ergeben sich Gang und Stoff des Leseunterrichts. Bon allem Anfang her sind deshalb Sache und Wort aufs innigste verknüpft; der Sach­ stoff ist durch die vorausgegangenen Unterredungen im Bewußtsein des Kindes so lebendig, daß das Klangbild eines Wortes ohne be­ sondere Fragen oder andere Anstöße die zugehörige Vorstellung emporreißt. So hängen hier aufeinanderfolgende Wörter und Sätze gedanklich weit inniger zusammen als inden alten Fibeln und werden daher auch leichter dem Gedächtnis eingeprägt. Man braucht das Auswendigaufsagen des aufgegebenen Lesestoffes aber gar nicht als eine so traurige Angelegenheit zu nehmen und so ernsthaft auf Abwehr bedacht zu sein, wie dies sehr oft geschieht: einmal ist es ein Zeichen dafür, daß nicht mehr buchstabenweise erfassend gelesen wird und daß die für alles Lesen so grundlegend wichtige Verbindung zwischen Schriftblld und Sachvorstellung bereits vollzogen ist, und zum an­ dern sorgt die oftmalige Wiederkehr der Lautzeichen und ihrer Ver­ bindung schon von selbst für Übung und Befestigung. Das zusammenhängende Lesen von Sätzen oder kleinen Stücken ist eigenüich nur die Zusammensetzung einer größeren Reihe von einzelnen Lesevorgängen. Es hätte kaum eines psychologischen Versuches bedurft, um zu erkennen, daß dabei die Bewegung der Augen über die Zellen hin keine ruhig gleitende, sondern eine ruckweise springende mit dazwischenliegenden kurzen Ruhezeiten ist. Diese Ruhepunkte sind diejenigen Stellen des Lesevorgangs, wo eine neue Zeichengruppe aufgefaßt wird. Beim lesenden Kind ist die Länge der Rucke naturgemäß geringer und die Zahl der Ruhe­ punkte größer als beim Erwachsenen, selbst wenn es nicht mehr in buchstabenweise erfassender Art liest. Die Länge und die Zahl der Bewegungen fällt hier offenbar zusammen mitdenBewegungen des Zeigefingers, der unter der zu lesenden Zelle hingleitet. Den Beweis für diese Behauptung glaube ich in einer seit Jahr­ zehnten immer wieder bestätigt gefundenen Erfahrung sehen zu dürfen: wenn man das Nachdeuten Plötzlich abstellt, so wird das

8 Lesen nach einer sehr kurzen Zeit der Unsicherheit, besonders im Auffinden der Zeilen, sofort freier und flüssiger; das Auge hing gewissermaßen an den Bewegungen der Fingerspitze; befreit, wird es sich seiner starken und verhältnismäßig raschen Bewegungsfähigkeit erst voll bewußt. Je schneller das Kind bei zunehmender Lesefertigkeit seine Blicke über die Zellen fliegen lassen kann, desto mehr fließen die ein­ zelnen Bewegungen zusammen, und der lesegewandte Erwachsene mit entwickeltem Denken, für den sich aus dem Zusammenhang des Ge­ dankens sehr ost die Worte von selbst ergeben, wird wohl kaum ge­ neigt sein, an eine unterbrochene Bewegung seiner Augen zu glauben. Wenn nun auch feststeht, daß sich diese Technik des Lesevor­ gangs bei geistig regsamen Kindern im Laufe der Schulmonate von selbst ergibt, so darf doch nicht angenommen werden, daß eine Be­ lehrung darüber ganz unnötig und nutzlos sei. Es gilt vielmehr, daß man den Schülern schon sehr frühzeitig Mut mache, die Augen von der aufgefaßten Silbe wegzuwenden und weiterwandern zu lassen, während die Silbe aus­ gesprochen wird. Die Erfahrung hat gezeigt, daß dieser Hinweis bei den meisten noch ganz buchstabenweise lesenden Kindern in höhern Klassen wie eine Art Erleuchtung wirkte und schon nach kurzer Übungszeit die schönsten Erfolge brachte. Eine Untersuchung über die Ursachen solcher ungenügenden Lese­ fertigkeit ergab meistens, daß diese Kinder unverhältnismäßig lang bei silbenweisem Lesen festgehalten worden waren, das ganz natur­ gemäß den Blick auf eine räumlich sehr beschränkte Zeichen­ gruppe bannt und dadurch die Überwindung des buchstaben­ weise erfassenden Lesens gewaltsam hintanhält. Wo daher das silbenweise Lesen auch nur einigermaßen stärker betont wird, als dies die Pflege einer guten Aussprache erfordert, da ist schon im vornherein aller Leseentwicklung das Grab bereitet, nicht nur dem flüssigen, sondern vor allem dem sinngemäßen und ausdrucks­ vollen Lesen; denn das Silbenlesen ist die Ursache jenes kaum ausrottbaren, abgehackten Lesens, das weder imWort noch im Satz einenHochton erkennenläßt, sondern in ermüdender Eintönigkeit Haupt- und Nebensilben in der gleichen Stärke hervorstößt und nur am Ende des Satzes die Stimme sin­ gend mit einem Male um eine bestimmte Tonstufe fallen läßt. Silbensprechen nach dem ersten Schuljahr und zu andern Zwek-

9 len als solchen der Sprachlehre, des Rechtschreibens oder der Er­ langung einer reinen und richtigen Aussprache sollte daher in den Lehrordnungen eigens verboten sein. Doch würde dieses Mittel zur Überführung des buchstabenweise erfassenden Lesens in das flüssige für sich allein noch wenig bedeu­ ten, wenn es leine Unterstützung beläme durch eine reichlich be­ messene Übungszeit im allgemeinen und durch vielfältige Übungsgelegenheit für den einzelnen Schüler im besondern. Daran müssen wir festhalten: sobald die Kinder die für das Lesen eigentümlichen lörperlichen und geistigen Tätigleiten unbewußt vollziehen, ist die Erzeugung eines flüssigen Lesens ganz und gar Sachederübung. Wo trotz dieser Voraussetzungen Kinder höherer Klassenstufen bei fehlerhaftem, stockendem Lesen bleiben, muß die Hoffnung aufgegeben und jede Einwirlung durch Strafe nicht nur als nutzlos sondern als schädigend—auch für den bestimmten Zweck des Lesens—unterlassen werden. In diesen Fällen liegt den unge­ nügenden Leistungen zweifellos ein Mangel der Sprechwerlzeuge, der Sinne oder der entsprechenden Gehirntätigleiten zugrunde. Im Lesen lann sich das Kind sowohl während als auch außerhalb des Unterrichts üben, und zwar lann es diese letzte Gelegenheit ent­ weder auf Anordnung des Lehrers und zur Erledigung einer Auf­ gabe oder aus freier Neigung benützen. Wie wichtig und notwen­ dig die häusliche Übung besonders in den ersten Schuljahren ist, er­ gibt sich aus der einfachen Erwägung, daß bei einer Klasse von nur 30 Schülern während eines ganzen Tages ein verschwindend Heiner Zeitteil auf den einzelnen entfällt. Nicht zu unterschätzen wäre das stumme, aufmerlsame Mitlesen der Schüler, da es nachweisbare Bewegungen in den Sprechwerlzeugen verursacht und zwar umso deutlichere, mit je mehr Antellnahme und Sammlung es geschieht. Doch hat es auch manche Nach­ telle und schwachen Seiten. Liest ein Kind freiwillig und aus innerm Antrieb, so tut es das um etwas zu erfahren, was ihm Freude macht oder feine Kenntnisse erweitert; in der Lesestunde dagegen, besonders wenn es sich nicht um etwas Packendes, Neues, sondern um das Einlesen eines belannten Stoffes handelt, folgt es einem äußern Zwang. Es ist daher lein Wunder, wenn es nur zu bald von seinem „unveräußerlichen Rechte" der Unaufmerlsamleit Gebrauch macht und bloß die Augen auf dem Buche haften läßt, während der Geist

10 wandert. Dazu kommt noch, daß das laute Borlesen durch einen Schüler den still mitlesenden Kindern das „fixierende Schauen" er­ spart. So artet diese Tätigkeit fast durchweg in ein bloßes Gleiten der Blicke aus ohne scharfes Auffassen der Wörter durch das Auge, noch viel weniger ihrer Bedeutung und ihres Zusammenhangs durch den Geist. Aus dem allen geht zunächst zweierlei hervor: einmal, wie wichtig ein vorzügliches Lesebuch mit durchweg guten, kindertümlichen Stücken ist; zum andern, daß jede Schule auch eine Schüler­ bücherei mit einer genügenden Anzahl ausgezeichneter Werke be­ sitzen muß, und zwar beides auch im Hinblick auf die Lesefertigkeit. Der aufmerksame Lehrer hat immer wieder Gelegenheit zu erfahren, daß die Vielleser (nicht die „Bücherfresser" überhaupt!) in jeder Hinsicht, nicht nur fließend, am besten lesen. Allein die bloße Wsicht, womöglich alle Schüler einer Klasse zum fließenden Lesen zu bringen, müßte schlimme Folgen haben, wenn sie nicht durch eine Erwägung über den wichtigsten Zweck des Lesens beeinflußt würde. Lesen im Sinne von „Schätzeheben", wie Georg Heydner es unübertrefflich ausgedrückt hat, wird durch allzu flüssiges Lesen mit schweifender Aufmerksamkeit nicht nur nicht gefördert, sondern aus ganz natürlichen Ursachen sogar gehindert. Es zieht die Stoffgier groß, die geradezu verheerend wirkende Meisterschaft im „diagonalen" Lesen, bei dem von jeder Zeile kaum zwei oder drei Worte erhascht werden, aus deren Gesamtheit sich mit Hilfe einer regen Einblldungskraft doch ein ungefähres Bild zusammenbauen läßt. Wäre es anders, so müßten notwendigerweise alle Vielleser auch im mündlichen und schriftlichen Ausdruck am gewandtesten sein und über Welt und Leben viel mehr und deutlichere Kenntnisse und Er­ kenntnisse gesammelt haben als ihre weniglesenden Mitschüler. Die Wirklichkeit widerspricht dem aber nur zu häufig. Das Streben nach zu großer Lesefertigkeit an sich verdummt die Kinder aber, besonders wenn das Lesen so geübt wird, daß ein Lesestück während einer ganzen Stunde oder auch während mehrerer Wochenstunden immer vom Anfang bis zum Ende durchgelesen wird, oder wenn die Stücke des Lesebuches der Reihe nach vom ersten bis zum letzten vorgenommen werden, immer wieder bei der ersten Nummer beginnend, so oft das Buch ausgelesen ist—methodische Schauerstücke, die auch in Schulen des gegenwärtigen Jahrhunderts noch aufgeführt werden sollen. Wo das geschieht, da entsteht allmählich jenes geistlose Herplappern von

11 Wörtern und Sätzen, das nicht eine Spur des Inhalts zurückläßt und die Schüler ganz verdutzt und verwundert schauen macht, wenn man den plätschernden Bach für einen Augenblick einzudämmen sucht, um zu erkunden, wieviel an Gedanken und Vorstellungen er denn auf seinen Wogen mit einhergetragen habe. Zusammenhängende Stücke müssen mit den Schülern besprochen werden, etwa so, wie dies in guten Handbüchern rein lehrgemäß dargestellt und an Musterbeispielen gezeigt wird. Wenn alle sachlichen und sprachlichen Schwierigkeiten gelöst sind, dann wirkt für die fol­ gende Leseübung auch die Förderung mit, die der Fluß des Lesens durch die Bekanntschaft mit dem Stoff in allen seinen Teilen erfährt. Dieses sogenannte „Einlesen" eines behandelten Stückes geschehe gründlich. Der junge Lehrer lasse sich in dem Streben nach dieser Gründlichkeit nicht durch das Geschrei irremachen, daß die Verwendung einer unterrichtlich behandelten Erzählung oder gar eines Gedichtes zur Leseübung eine Sünde an einem Kunstwerk sei. Alle nachschaffenden Künstler müssen sich die höchsten Werke der Kunst, und diese erst recht, auf dem Wege der Übung bis ins Einzelnste und Kleinste zu eigen machen; nur dadurch erreichen sie eS, daß ihre Leistung An­ spruch auf selbständige Würdigung machen darf. Auch das gute Lesen ist eine kleine Kunstleistung, und jedes durch Übung dem Lesebesitzstand einverleibte Wortkunstwerk ist nichts anderes und nichts anders Erworbenes als ein Rondo, Scherzo oder Adagio, die ein eifriger und gewissenhafter Klavierschüler durch angestrengte Übung anhörbar vorspielen gelernt hat. Wie dabei gelesen werden soll, kann kaum mehr eine Frage sein. Auf alle Fälle von jedem Schüler einzeln, nicht von der ganzen Klasse gemeinsam. Man bedenke zunächst, daß in einer Gesamüeistung jede Sonderart ver­ schwinden muß, und gerade in Bezug auf die Lesefertigkeit sind die Fortschritte ganz verschieden. Ferner liegt beim „Chorlesen" trotz genauer Aufsicht die Gefahr nahe, daß ein Teil der Klasse bloß die Augen und die Lippen bewegt, ohne wirklich so tätig zu sein, wie es notwendig ist. Endlich nützt das Chorlesen dem ungewandten Leser, dem selbst die festgesetzte mitllere Chorgeschwindigkeit noch zu rasch ist, nicht nur nichts, sondern es schadet ihm sogar, well seine Augen hilflos und nie und nirgends auffassend über die Zellen irren, während sich seine Lippen maschinenmäßig bewegen. Weiterhin muß der einzelne Schüler, besonders der schwächere, stets ein längeres

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12 Stück lesen, wenn möglich einen ganzen Abschnitt oder doch eine abgeschlossene Gedankenreihe, selbstverständlich mit allen notwendigen Wiederholungen. Es ist viel wertvoller, ein Schüler komme in den sechs Lesestunden einer Woche dreimal längere Zeit zum Lesen, alsdaß er in jeder Stunde ebensooft ein Sätzchen, gleichviel ob klein oder groß, herunterleire, um dann sofort, „kaum gegrüßt, gemieden",, dem Nachbar das Wort zu überlassen. Die häusliche Übung kann beim Lesen nicht entbehrt werden. In den untern Klassen ist Lesen als Hausaufgabe bei Lehrern undSchülern beliebt; späterhin beanspruchen andre Fächer das Vorrecht und beide Telle scheinen kein eigentliches Bedürfnis mehr zu em­ pfinden, auch daheim Leseübung zu verlangen oder zu betreiben. Wie wenig berechtigt dieser Standpunkt ist, könnte aus den Dar­ legungen des zweiten und dritten Teils dieser Schrift hervorgehen. Soweit häusliches Lesen nicht den Zweck haben soll, sich lesenb Kenntnisse zu erwerben — wie etwa in Religionslehre und den. Sachfächern —, muß es jederzeit laut, d. h.: unter Benützung der Sprechwerkzeuge, geschehen. Dabei ist es gleichgültig, ob essich um das Lesen einzelner Wörter und Sätzchen oder die Einübung, des sinngemäß bewirten Lesens einer Geschichte oder eines Gedichtes, handelt. Nur lautes Lesen übt die Sprechwerkzeuge, schafft eine Form des Lesens, die sich vom schönen Sprechen in guter Unter­ haltung nicht wesentlich unterscheidet; kunstmäßiges Lesen ist ohne laute Übung überhaupt nicht zu denken. Wenn vorhin der Leseübung auch an dichterisch wertvollen Stoffen — und besonders an solchen — das Wort geredet wurde, so ist damit nicht gesagt, daß solche Stücke bis zum Überdruß lesendverarbeitet werden sollen. Nichts hindert den Lehrer ja, später wieder einmal auf solche Stücke zurückzukommen. Eine neue Be­ trachtungsweise und die vorübergegangene Zeit sorgen dafür, daß. dem Bekannten ein gewisser Reiz der Neuheit gewahrt bleibt. Die Bertrauthell mit dem Inhalt und der Form verleiht den Kindern ein Gefühl der Sicherheit und des unbedingten Könnens, das hier wie überall die beste Vorbedingung für das Gelingen ist. Auf diese Weise sichert der Lehrer seinen Schülern wie in den andern Fächeru einen „geistigen Besitzstand", der nach allen Seiten völlig verfüg­ bares Eigentum geworden ist und damit die Freude des Kindes, die Quelle aller Übung, stärkt und vertieft.

B. Das sinngemäße Lesen. Die Entwicklung unsers schulmäßigen Lesens über die Stufe der bloßen Geläufigkeit hinaus leidet zunächst unter einem Umstand, der im Wesen der Schule begründet liegt. Als Anstalt, in der eine grö­ ßere Menge von Kindern zu gleicher Zeit unterrichtet werden soll, muß die Schule durch eine bestimmte Gestaltung der Lehrtätigkeit dafür sorgen, daß alle in einer Klasse zusammengefaßten Schüler gleichzeitig mit demselben Gegenstand in der gleichen Weise beschäf­ tigt werden können. Beim Lesen geschieht dies auf die einfachste Weise durch Benützung des Lesebuches von allen Schülern: während in kürzern oder längern Zeitzwischenräumen ein Schüler laut liest, verfolgen die andern mit den Augen genau die gleiche Stelle des Schriftsatzes — oder sollen dies wenigstens vorfchrists- und pflicht­ mäßig tun. Zu solcher Gestaltung der Lesestunde zwingt aber keineswegs die Notwendigkeit des Massenunterrichts; sie entspringt vielmehr aus der noch nicht überwundenen Anschauung, beim Lesen handle es sich vor allem um einen möglichst hohen Grad von Geläufigkeit und Sicherheit, und hierfür sei das stille Mitlesen doch eine nicht zu ver­ achtende Übungsgelegenheit. Man weiß zwar eigentlich recht wohl, wie schwer gerade dieses MÜesen zu erreichen ist, namenllich bei schwächeren Schülern, deren Lesefertigkeit noch nicht auf der Höhe des Klassendurchschnitts steht, und bei jüngern, die sich selbst zu be­ fehlen weder geneigt noch geübt find; nicht selten muß hier die Schulzucht durch recht fragwürdige Mittel dem natürlichen Empfinden der Kinder entgegenwirken. Außerdem drängt sich auch dem jüngsten Lehrer nur zu bald die Tatsache auf, daß das Augenlesen allein ohne deutliche Sprechbewegungen nur einen geringen Bei­ trag für die Erzielung der Lesefertigkeit leistet. Trotzdem hält man noch allgemein an dieser veralteten Einrichtung fest, „verhört" in jeder Lesestunde womöglich jeden Schüler, wenn auch nur mit einem einzigen Sätzchen der Leseaufgabe, beaufsichtigt daneben die fülle 2*

14 Mitarbeit der übrigen und — liest sehr angelegentlich selbst mit, auch bei ganz bekannten Stücken, als könne man sich bei vorkommenden Fehlern weder auf sein Ohr noch auf seinen Verstand verlassen. Sobald man den Schwerpunkt des Leseunterichts auf die in­ haltliche Seite des Gelesenen verlegt, ändert sich auf der Stelle das Gesicht der Lesestunde. Wenn Lesen das Mittel ist, fremde Ge­ dankengänge in sich nachzubilden und dem eigenen Geistesinhalt einzuverleiben, Welt- und Lebensläufe, gleichviel ob wirkliche oder erdichtete, mit allen ihren Erregungen der Gefühlswelt sich menschlich so nahe zu rücken, daß man sich selbst als mithandelnd und mitleidend empfinden kann: dann gewinnt der lesende Schüler eine ganz andere Bedeutung. Er wird genau so wie der Lehrer zum Mittelsmann zwischen einer fremden geistigen Welt und der des Schulkörpers, nur daß er sich für seine Zwecke eines Buches bedient; aus dem Leser wird ein Vorleser. Sowenig aber der Lehrer jemals dulden kann und wird, daß während seines unmittelbaren Unterrichts die Schüler ein Buch vor sich liegen haben und darin den Fortgang und die Ergebnisse seiner Darlegungen verfolgen, sowenig darf er für die Klasse die Benützung eines Buches beim Lesen, d. h. beim Borlesen, gestatten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß durchaus stllles Augenlesen bei volllommener äußerer Ruhe und Beteiligung aller erforderlichen Geistestätigkeiten eine llare Auffassung des Gelesenen vermitteln kann (und man sollte Übungen in dieser notwendigen Kunst auf allen Klassenstufen immer wieder anstellen); das laute Lesen eines Schülers schafft aber bei den Ml Mitlesenden für den Ablauf der Gedankenbewegungen sicher nur Hemmungen, so wie umgekehrt das aufmerksame Nachlesen ein Hindernis sür das hingegebene Zuhören und die daraus zu schöpfende Erfassung des Inhalts blldet. Wie gleichgültig ist es für die Mitlesenden, wenn der Vorleser zu leise, undeutlich, zu schnell, fehlerhaft, ohne Gliederung längerer Satzgebllde, eintönig, mit falschen Betonungen, ohne Ausdruck liest! Der Wortlaut des Stückes in unmittelbarer Augennähe läßt alle diese wesenllichen Mängel eines guten Lesevortrags übersehen. Ganz an­ ders wird die innere und äußere Verfassung der Schüler beim Bor­ lesen ohne stilles Nachlesen gestaltet. Die erfahrungsgemäß sehr leicht abschweisende Aufmerksamkeit der Mitleser muß sich nun, wenn nur der Vorleser das Buch in der Hand hat, in höchstem Maße zu-

15 sammenraffen, ungeteilt, stark und voll auf das Gehörte richten; denn es ist viel schwerer, besonders für geistig noch unentwickelte Menschen, sich aus einer ununterbrochenen Reihe von Klangreizen ein klares Gesamtbild aufzubauen als durch die unmittelbar aufgenommenen Wortbilder, wo die Geschwindigkeit des Aufnehmens der geistigen Auffassungsfähigkeit durchaus angepaßt, nach Belieben und Bedürfnis ein Wort/ ein Satztell oder ein ganzer Satz wiederholt, ein längerer Halt zur Erwägung eingelegt werden kann. So kommt es, daß der Vorleser während der Dauer seiner Tä­ tigkeit unter scharfer Überwachung der ganzen Klasse steht. Wer solche Versuche mit einem völlig fremden Stoff zum erstenmal an­ stellt, wird erstaunt sein, wie bald die Kinder in Unruhe kommen, einander oder den Lehrer einigermaßen hilflos ansehen, die Hälse recken, ein Ohr dem vornstehenden Vorleser besonders zukehren, wie alle Züge ihres Gesichtes das Gepräge schärfster Gespanntheit tragen. Bei freier erzogenen Klaffen regen sich auch rasch Tadel und Mißbilligung; man kann halblaute Ausrufe hören: „Lauter!“ sd.h. eigent­ lich: „Deutlicher!") „Das geht zu schnell!" „Noch einmal den Satz!" „Herr Lehrer, eine andre; da versteht man ja gar nichts!" jauch da­ heißt nichts andres, als daß man sich infolge des mangelhaften Vor­ trags durchaus kein Bild von dem Inhalt des Gehörten machen kann). Nimmt der Lehrer das Buch zur Hand und ist er ein guter Vorleser, so ändert sich oft schon nach den ersten Worten das Bild der Klasse: die Kinder wagen es wieder sich zurückzulehnen, ihre Menen entspannen sich — sie lehnen sich auch geistig zurück —, und wenn sie noch Zwischenrufe wagen, so sind es solche, die von einem ununterbrochenen Fluß des Verstehens zeugen. Späterhin, wenn die Schüler im guten Vorlesen selbst Übung und Fertigkeit haben, richtet sich die Aufmerksamkeit der Zuhörer nicht bloß auf den Inhalt des Borgelesenen, sondern auch aufdieArtdesBorlesens: sie verbessern unwillkürlich schlecht ausgesprochene Worte oder falsche Betonungen und machen Gebärden, die sie den Lehrer anwenden sehen, um Zeitmaß, Gliederung und Ausdruck anzudeuten. Wer zum Vorlesen befohlen wird, muß also wissen, daß es vor­ züglich von seiner Kunstfertigkeit abhängt, ob sich seinen Zuhörern der Sinn des Gelesenen ohne weiteres erschließt oder ob die Er­ kenntnis erst nachhinkt, sodaß Lücken im geistigen Zusammenhang entstehn. Diese Einsicht wird den Vorleser veranlassen, seine Auf-

16 gäbe mit ernsten Augen anzuschauen und sich so gut wie irgend möglich dafür vorzubereiten. Ohne gewissenhafte Vorbereitung sollte selbst der Lehrer nicht lesen; noch weniger aber darf das einem Schüler zugemutet werden. Die Vorleser für die folgende Stunde müssen also am Schluß der vorausgehenden bestimmt werden, eben­ so der ihnen allen zugemessene Tell der Geschichte oder der Schilderung, jedoch so, daß alle alles vorzubereiten haben. Es ist selbstverständlich, daß sich alle Wirkungen des guten Vor­ lesens nur bei solchen dichterischen oder wissenschafllichen Stücken äußern können, die nicht im Lesebuch enthalten, also aus Werken der Schul- oder Klassenbücherei genommen sind. Anwendbar aber ist das Verfahren auch auf Lesebuchstücke, nur daß hier nicht einzelne Vorleser bestimmt werden, sondern daß die Aufgabe der Vorberei­ tung der ganzen Klasse zufällt. Ja sogar das sogenannte „Einlesen" behandelter Stücke sollte in dieser Weise vorlesend erfolgen; doch muß, da für die Zuhörer der Reiz der Neuheit fehlt, der Aufmerk­ samkeit ein anderer Blickpunkt gegeben werden, und dieser kann kein andrer sein als die eingehende Beurteilung des Lesevor­ trags nach allen Erfordernissen. Immer aber ist es notwendig, be­ sonders bei jüngern Kindern, daß der Lehrer stets bemüht sei, neben das minderwertige Beispiel eines Vorlesers das bessere Gegenbei­ spiel durch Schüler setzen zu lassen, und daß er die Fähigkeit besitze, wo die Kinder versagen, sein eignes Beispiel als Muster darzubieten; sich in jeder Lesestunde einigemal in die Reihe der Vorleser einzu­ schalten, muß dringend angeraten werden. Gewiß bleibt aber richtig, daß nur eine gediegene Ausbildung aller Schüler im Vor­ lesen wirklich gute Leser schafft. Das Lesebuch oder der Klassen­ lesestoff als Feld für die häusliche Betätigung, zu eigner Freude oder zur Vorbereitung auf Schulstunden; im Unterricht, in der Schullesestunde aber gehört ein Buch nur in die Hand des Vorlesers! Wenn man sich mit einer Klasse, die man an das Borlesen ge­ wöhnen will, in eine Besprechung über die Eigenschaften des guten, sinnerschließenden Lesens einläßt, so erhält man, besonders wenn das Borblld des Lehrers musterhaft ist, ohne besondere Mühe bald alles Wesentliche. Zuerst wird den Kindern klar, daß eine Grund­ forderung die Deutlichkeit der Aussprache ist, daß aber diese Deullichkeit nichts zu tun hat mit der Lautheit der Stimme. Man kann die Schüler davon sofort überzeugen, wenn sie es nicht schon

17 aus der täglichen Unterrichtserfahrung wissen sollten, indem man einen größern Abschnitt geradezu überleise, jedoch mit deullichster Aussprache vorliest, sodaß alle bis zum entferntest sitzenden zuge­ stehn müssen, jede Silbe gehört zu haben. Bald und unschwer er­ gibt sich auch, daß gewisse Laute an sich deutlich klingen: die Stimm­ laute (Vokale) und die mit Stimmton ausgestatteten Dauerlaute m, n, ng; I, r; w, j. Die Forderung der deutlichen Aussprache be­ zieht sich also nur auf die noch übrigen Geräuschlaute. Eine kurze Zeit der Beobachtung am Beispiel der Mitschüler und des Lehrers wird das Wesen und die Mittel dieser Deutlichkeit so genau erkennen lassen, als das für den augenblicklichen Zweck notwendig ist. — Sehr bald merken die Kinder auch, wie wichtig Pausen im Vortrag sind, besonders am Ende eines Gedankens, wo die Sprachlehre als sicht­ bares Zeichen dafür den Punkt oder Strichpunkt vorschreibt, ebenso beim Beistrich, ja sogar im Innern eines Satzes, ohne daß irgend­ ein Zeichen äußerlich dazu auffordert. Man kann ältern Schülern an Beispielen sehr einleuchtend zeigen, daß dadurch (und durch ver­ schiedenes Zeitmaß der Rede) auch sehr lange Sätze deullich zerlegt und übersichtlich geordnet werden können, was der sichern und lückenlosen Auffassung den stärksten Hllfsdienst leistet. — In höhern Klassen wird man ohne Zweifel als Ergebnis des frühern Unter­ richts auch die Bemerkung zu hören bekommen, das „Begreifen" glücke umso besser, je besser und richtiger „betont" werde. Meist wissen die Kinder schon, daß dieses Betonen durch stärkern Atem­ druck auf den „richtigen" Wörtern erzeugt wird. Mehr Schwierig­ keit verursacht aber schon die Frage, was, d. h. welche Wörter eineSatzes betont werden müßten; doch kann man sich mit der allge­ meinen Antwort: die wichtigsten, die Hauptsachen, sehr wohl zu­ friedengeben. Um vollends aus dem guten, natürlichen Vortrag deLehrers abzuhören, wie dieses Betonen geschehe, dazu sind Kinder erfahrungsgemäß meist zu hartöhrig. Man darf jedoch darüber nicht ungehalten sein; denn wo sie aus vorhergehenden Klassen die rasche Antwort bei der Hand haben, beim Beistrich müsse man mit der Stimme hinauf-, beim Punkt heruntergehen, da sind die Grund­ lagen für die Natürlichkeit des Betonens meist schon unheilvoll verrückt. So viel aber muß in jeder Klasse erkannt werden, daß die Betonung eine Hervorhebung der Hauptbegriffe ist, die vor allem in den geistigen Gesichtskreis des Hörers gerückt werden



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müssen, weil sich aus ihnen allein schon der Gedanke wenigstens in den Umrissen ahnen läßt. Diese beiden letzten Beziehungen, die Zerlegung eines län­ ger» Gedankens in seine natürlichen Bestandteile und die zweckmäßige Hervorhebung der Hauptbegriffe, sind die Säu­ len, die das Gebäude des sinnerschließenden Lesens tragen. Je besser darin ein Vorleser seinen Zuhörern entgegenzukommen vermag, desto größere Dienste für das Verständnis leistet er ihnen und desto sicherer hat er sie in seiner Gewalt. Das an erster Stelle genannte Mittel heißt man beim Leseunterricht am einfachsten „Gliederung"; das andere führt den bereits fest eingebürgerten und durchaus be­ zeichnenden Namen „Betonung". I. Die Gliederung der gesprochenen Rede.

In lautwissenschastlichen Werken kommt der Begriff „Gliede­ rung" immer in Verbindung mit dem Begriff „Akzent" vor. Im Wesen jeder Gliederung liegt ein zweifaches: Trennung und Zusam­ menfassung. Bei der gesprochenen Rede, wie sie frei von allen Schrift­ zeichen an das Ohr klingt, ist das Mittel dieser Gruppenblldung der Akzent. Er vollbringt beides, Trennung und Zusammenfassung, dadurch, „daß sich schwächer gesprochene Süden mit einer stärker gesprochenen zu einer in sich geschlossenen Gruppe verbinden, die sich von etwaigen Nachbargruppen mehr oder minder deutlich ab­ hebt", wie der bedeutendste deutsche Lautforscher Eduard Sievers in § 620 seiner „Grundzüge der Phonetik" sagt. Diese gegenseitige Abhebung zweier aufeinanderfolgenden Silbengruppen darf nicht so vorgestellt werden, als ob zwischen beiden eine deutlich wahrnehm­ bare Klangleere, eine Pause, entstehe. Dennoch kündigt sich der Be­ ginn einer neuen Silbengruppe fühlbar an und zwar dadurch, daß sie „mit einem neuen Willensimpuls" einsetzt, „der sich auf die Ge­ samtgruppe erstreckt" (§621). Dieser Willensimpuls verursacht einen verstärkten Atemdruck und dadurch größere Stärke der damit ausgesprochenen Silbe; in den gleichen Atemstrom wird aber meist noch eine Reihe weiterer Silben hineingerissen bis zu einem neuen Atemdruck und so entsteht eine zusammengehörige Sllbengruppe. Sievers spricht daher von „Aspirationsgruppen" und gebraucht für diese den durch den englischen Lautforscher Sweet eingeführten Na­ men „ Sprechtakte". Dies sind die Glieder, in die jeder längere Satz

19 durch das Mittel des Akzentes auf natürliche Weise zerlegt wird. Der Satz „Der Herr ist mein Hirte“ erhält auf der Silbe „Herr“ und auf der Silbe „Hir—“ einen stärkern Atemdruck, einen Akzent. Dadurch werden feine sechs Silben zu zwei Silbengruppen (Sprech­ takten) zusammengefaßt: Derhärristmein / hirte. Schon aus diesem Beispiel ist ersichtlich, daß die Sprechtakte als lautliche Gebilde we­ der mit denkgesetzlichen Vorschriften noch mit solchen der Sprachlehre innerlich Zusammenhängen. Sie reißen daher vielfach Gedanken- und Wortverbindungen auseinander, wie in obenstehendem Beispiel das Fürwort „mein" und sein Beziehungswort „Hirte". Dieselbe Er­ scheinung tritt in folgendem Satz zutage: Hieristein / büchundeine / täfel; eine sprachliche Einheit wird in dem Satz Wtiidembe— / siegten! getrennt. — Umfangreichere sprachliche Gebilde untersucht Sievers nicht; für die Zwecke der Phonetik war dies auch nicht nötig. Weit darüber hinaus geht Sievers' hervorragendster Schüler Franz Saran in seiner „Deutschen Verslehre". Auch bei ihm ist der Sprachakzent die „Gliederung der Schallmasse der Rede"; aber in­ dem er nicht bloß den einfachen sondern auch den zusammengesetzten Satz und die Bereinigung einer größer« Reihe von Sätzen zu einem Abschnitt in den Kreis seiner laullichen Untersuchung zieht, kommt er nicht nur zu einer größern Zahl sondern sogar zu einem ganzen Gebäude von „akzentuellen Gruppen". Mit außerordenllicher Sorgfalt und unter strengster Vermeidung aller Anklänge an Sprach­ lehre, Logik und Musik hat er dafür außerdem eine Reihe von Kunst­ ausdrücken geschaffen, die besonders für die Feinheiten seiner Vers­ lehre ebenso nötig wie nützlich waren. Die engste akzentuelle Gruppe, im allgemeinen dem „ Sprechtakt" entsprechend, heißt bei ihm „Glied". In aufsteigender Ordnung folgen als umfassendere Gruppen das „Bund", die „Reihe", die „Kette", das „Gesätz". Natürlich mußte Saran auch den Grenzen der akzentuellen Gruppen sein Augen­ merk zuwenden, den Punkten in einem größern Redeganzen, wo für das Ohr eine Akzentgruppe zu Ende geht, ein Abschluß stattfindet. Diese Abschlüsse sind bei den untersten Gruppen, Glied und Bund, unvolllommen und bleiben dem Ohr des unbefangenen Hörers meist verborgen; bei den höher« dagegen ist der Schluß fast immer durch­ aus deutlich, selbst wenn er nicht durch eine Pause noch besonders bezeichnet wird. Auch diesen Einschnitten hat Saran sehr kenn­ zeichnende Namen gegeben: hinter dem „Glied" liegt das „Gelenk"

20 (Zeichen in Schriftsätzen: dreifacher Trennungsstrich ------ ), hinter dem „Bund" die „Fuge" (Zeichen: kurzer, dicker Strich'), hinter der „Reihe" die „Lanke" (mhd. diu lanke - Hüfte, Lende, Weiche; Zeichen: langer, dicker Strichs, hinter der „Kette" die „Kehre" (Zeichen: langer dicker und langer dünner Strichs), hinter dem „Gefätz" der „Absatz" (Zeichen: das für die Kehre mit übergeleg­ tem Querbalken ][). Es ist notwendig, sich alle diese Begriffe an einem Beispiel klarzumachen. Ich wähle dazu einen Abschnitt aus Jakob Grimms „Rede auf Schüler, gehalten in der feierlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Wissenschaften am 10. No­ vember 1859". Die Stelle hat folgenden Wortlaut: Wer die Geschichte durchforscht, muß die Poesie als einen der mächtigsten Hebel zur Erhöhung des Menschengeschlechts, ja als wesentliches Erfordernis für dessen Aufschwung anerkennen. Denn wenn jedes Volkes eigentümliche Sprache der Stamm ist, an dem alle seine innersten Kennzeichen sich dartun und entfalten, so geht ihm erst in der Dichtung die Blüte seines Wachstums und Gedeihens auf. Poesie ist das, wodurch uns unsere Sprache nicht nur lieb und teuer, sondern woran sie uns auch fein und zart wird, ein sich auf sie niedersetzender geistiger Duft. Eines Volkes Spra­ che, welchem keine Dichter auferstanden sind, stockt und beginnt allmählich zu welken, wie das Volk selbst, dem solche Begeiste­ rung nicht zuteil ward, zurückgesetzt und ohnmächtig erscheint gegenüber den andern sich daran erfreuenden. Der einzelne Dich­ ter ist es also, in dem sich die volle Natur des Volks, welchem er angehört, ausdrückt, gleichsam einfleischt, als dessen Genius ihn die Nachwelt anschaun wird, auf den wir Mitlebenden aber schon mit den Fingern zeigen, weil er unsere Herzen gerührt, unsern Ge­ danken Wärme und kühlenden Schatten verliebn, einen des Le­ bens Geheimnisse aufdrehenden Schlüssel gereicht hat. Soll dieser Abschnitt mit vollkommen richttger Betonung und Gliederung „zu Gehör" gebracht werden, so kann dies nur nach einer vorausgegangenen eindringlichenUntersuchung seines Sinnes geschehen. Denn dies sei gleich zu Anfang unsrer Aus­ einandersetzungen mit aller Deutlichkeit als Überzeugung hervorge­ hoben: Betonung und Gliederung eines sprachlichen Ganzen hängen aufs innigste mit den durch Wortwahl, Wortverbin­ dung und Satzfügung gegebenen Sinnbeziehungen zu-

21 sammen. Ferner darf bei Darstellung der Betonung und Gliede­ rung die Eigenart des Sprechers niemals außer acht gelassen werden. Zu dieser Erkenntnis kommt jeder, der alles, was Saran in seiner „Verslehre" und in andern Veröffentlichungen mit Akzentund Gliederungszeichen versehen hat, gewissenhaft durchspricht. Diese Abweichung in der „Schallform" einer sprachlichen Darstellung bei verschiedenen Sprechern hängt bis zu einem gewissen Grade ab von dem Einfühlungsvermögen in den Stoff sowohl wie in die geistige und seelische Verfassung des Hörers. Sie wird freilich nie soweit gehn dürfen, daß zwei Sprecher zwei völlig verschiedene Wörter des gleichen Satzes für die Träger der Hauptbedeutung halten und demgemäß durch besondere Schwere hervorheben können; hier sprechen die Denkgesetze das entscheidende Wort und diese sind unwandelbar. Wandelbar dagegen ist nach meiner in langer Prü­ fungszeit immer wieder bestätigten Erfahrung die Gliederung der Rede (auch der ruhigen, verstandesmäßigen) in ihren höhern Ordnungen (etwa von der „Reche" ab); hier ist das Gebiet, wo die Eigenart des Redners und seine besondern rednerischen Absichten wirksam werden. Was also künftig als Gliederung des abgedruckten Schriftsatzes herausgestellt wird, ist die meiner besondern Sprech­ art gemäße. Auch der Hörer, der einen unbeeinflußten Eindruck von der „Schallform" des oben mitgeteilten Abschnittes bekommen will, muß sich zuvor mit seinem Gedankengehalt durchaus vertraut machen. Dadurch werden beim Zuhören am sichersten alle durch den Inhalt unwillkürlich angeregten Gedankenbewegungen, deren Verfolgung dem hingegebenen Lauschen äußerst hinderlich ist, nahezu vollstän­ dig ausgeschaltet. Was bei solchem Zuhören, etwa mit geschlossenen Augen, bleibt, wird im allgemeinen den Eindruck eines feierlichen „Auf- und Abwogens der Schallmasse" Hervorrufen. An einzelnen Stellen drängt sich dem Hörer das Gefühl auf, daß hier ein — vor­ läufiger oder endgültiger — Schluß bevorstehe: der Vortrag ver­ langsamt sich etwas, die Kraft der Stimme geht ein wenig zurück und es folgen Tonschritte, die wir aus Erfahrung seit dem Sprechen­ lernen in der Kindheit als die einen Gedankenabschluß auszeichnenden kennen, etwa so wie die eigentümliche Schlußkadenz eines Musik­ stückes. Eine merkliche Pause bestätigt die Erwartung. Am stärksten wird dieser Abschlußeindruck mit allen seinen Kennzeichen an drei

22 Stellen: bei den Worten „Wachstums und Gedeihens auf", ferner bei „fich daran erfreuenden", endlich am Schluß des Abfchnittes. Wir haben hier die umfassendsten akzentuellen Gruppen, die „Gesätze". Innerhalb der beiden ersten Gesätze erhält das Ohr aber unge­ fähr in der Mitte einen annähernd gleichen Schlußeindruck mit der gleichen Schlußkadenz, nur vielleicht nicht mit so entschiedenem rallentando-decrescendo und mit kürzerer Schlußpause, auch wohl mit etwas geringerm Stimmfall auf dem letzten Haupt-Sinnwort. Diese Stellen bezeichnen das Ende der nächstniedern akzentuellen Gruppen, der „Ketten". Im ersten Gesätz ist es die Stelle bei „Aufschwung anerkennen", im zweiten die bei „geistiger Duft". Natürlich sind die zweiten Hälften jedes Gesätzes, von „Denn wenn" bis „Gedechens auf" und von „Eines Volkes" bis „erfreuenden" ebenfalls Ketten. Ferner hat das dritte Gesätz nur den Umfang einer Kette, allerdings einer sehr reichgliedrigen. Schon aus der Tatsache, daß am Ende jeder Kette die einem Gedankenabschluß eigentümliche Kadenz zu hören ist, läßt sich entnehmen, daß sich der akzentuelle Begriff „Kette" mit den syntaktischen Begriffen „Haupt­ satz", „Satzgefüge", „Satzverbindung" deckt. Die sprachliche Unter­ suchung bestätigt diese Annahme. Man halte diese Tatsache jetzt schon fest. Um die nächstniedern akzentuellen Gruppen, die „Reihen", herauszufinden, muß man sich ganz auf die Gehöreindrücke inner­ halb einer Kette verlassen. Nehmen wir die erste Kette! Beim ersten Hören fällt hier ein ziemlich starker Einschnitt bei „Menschengeschlechts" auf; mit ihm verbinden sich sogar Tonschritte, die denen beim Ab­ schluß eines Gedankens sehr ähnlich sind, nur bleibt die Stimme ungefähr in der Schwebe. Plötzlich — und tatsächlich unerwartet — erhebt sie sich wieder zu einer neuen, das vorher Gesagte erweiternden und verstärkenden Feststellung: „ ... ja als ... anerkennen". Diese letzte Gruppe ist eine ausgesprochene „Reihe". Die Gliederung alles Vorangehenden richtet sich ganz nach der Sprechart des Redners. In der meinigen entstehen durch Gliederungspausen (allerdings von sehr kurzer Dauer) und Tonwechsel zwei Sprech­ gruppen; die erste schließt bei „durchforscht", die zweite bei „Men­ schengeschlechts". Auch diese Stücke sind „Reihen", sodaß sich die erste Kette in meiner Sprechweise in drei Reihen zerlegt. — Bei der zweiten Kette wäre ich geneigt, sprechgemäß nur zwei Reihen

23 anzuerkennen; der Reihen-Einschnitt (die „Lanke") läge bei „ent­ falten". Ich kann mir aber auch eine Sprechart denken, nach der sich drei Reihen ergeben; ihre Lanken liegen bei „Stamm ist" und bei „entfalten". — Die dritte Kette hat in meiner Redeweise drei Reihen; die Lanken werden bezeichnet durch die Worte „teuer" und "wird". — Die vierte Kette hat, wie ich sie auffasse und spreche, vier Reihen: sie schließen bei „auferstanden sind", „welken", „er­ scheint" und „erfreuenden". Der Einschnitt bei „welken" ist tiefer als der vorhergehende und der nachfolgende; er hat beinahe die Wesensartung des Ketten-Einschnittes, der „Kehre". Wer glauben möchte, die dritte Reihe zerlege sich in zwei, deren vordere und Hintere in ihrem Bau der ersten und zweiten Reihe entsprächen („wie das Volk... zuteil ward"; „zurückgesetzt... erscheint"), möge bedenken, daß der Zwischensatz „dem solche Begeisterung nicht zutell ward" lediglich eine Wiederholung des Zwischensatzes der ersten Reihe ist und daher beim Sprechen nur flüchtig angedeutet wird. — Am reichsten gegliedert erscheint die fünfte Kette. Der Redner (Jakob Grimm) kann sich hier nicht genug tun, in immer neuen Wendungen die Bedeutung des Dichters für das geistige Leben eines Volkes klar herauszustellen. Die einzelnen Gedanken erscheinen, obwohl sie sprachlich sorgfältig geformt und in ihrer Verbindung offenbar genau berechnet sind, wie augenblickliche Eingebungen eines ausgezeichneten Gelegenheitsredners, die aneinandergereiht und ausgesprochen werden, wie sie im Bewußtsein auftauchen. Bei den meisten derartigen Rednern zeigt sich diese Form der Gedanken­ entwicklung auch äußerlich in der Sprechweise: sie schließen ihre „Reihen" meist ganz deutlich durch die Schlußkadenz der „Ketten" ab, setzen dann wieder neu ein, wenn ein ergänzender oder ver­ deutlichender Gedanke aufblitzt, um ebenso kettenmäßig wieder zu schließen, und setzen dieses Spiel so lange fort, bis ihnen der Ge­ danke genügend scharf und bedeutsam ausgedrückt erscheint. So ergeben sich für das dritte „Gesätz" (die fünfte „Kette") nach meiner Sprechweise acht „Reihen". Ihre Grenzen — die „Lanken" — liegen bei den Worten „also", „ausdrückt" (der Zwischensatz ist durchaus unwesentlich), „einfleischt", „anschaun wird", „zeigen", „gerührt", „verliehn", „gereicht hat". Nachdem so die Gliederung des Abschnittes bis zur wichtigsten Gruppe herab gediehen ist, soll nun eine übersichtliche Darstellung

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folgen. Dabei sind die „Gesätze" (nach Sarans Borblld) durch römische, die „Ketten" durch arabische Ziffern, die „Reihen" durch kleine la­ teinische Buchstaben bezeichnet. Außerdem soll versucht werden, innerhalb der „Reihen" die „Bünde" und „Glieder" darzustellen, wie sie sich bei meiner Sprechweise ergeben. Für die trennenden Grenzen aller „akzentuellen Gruppen" werden die weiter vorne angegebenen Zeichen Sarans verwendet. Gesonderte Schreibung einzelner Wörter vor dem Tonwort bedeutet, daß diese Wörter einzeln — gleichsam staccato — gesprochen werden. Da sich die Zu­ sammenfassung der Sllben zu „Gliedern" (wie überhaupt niederer Gruppen zu höhern) ohne den Akzent nicht denken läßt, müssen auch die hauptsächlichsten Schwerebezeichnungen aus der Darstellung zu ersehen sein. Folgende Zeichen sollen die Schwereabstufung von oben nach unten ausdrücken: xxxx; Saran nennt sie „über­ schwere, Bollschwere, Mittelschwere, Halbschwere". Sie stehn über dem Selbstlaut der Tonsilbe. Die Abstufungen der Leichtheit (eigentlich: noch geringere Schwereabstufungen) werden überhaupt nicht bezeichnet. I. 1. a) Werdiege------ schichtedurch------- förscht, | b) muß die po-e------ sTe1 alseinender------- mächtigsten-------X

,

X

X

X

hebel1 zur er-höhungdes------ menschenge------- schlechts, |

c) ja als wesentlicheser------- fordernis 1 für des-sen aufschwung------ aher------- kennen. ||

2. a) Denn wenn jedes------ Volkes------- eTgen------ tümliche-------

spracheder------ stammist, I XX

X

b) an dem alleseine------ innersten------- kennzeichensich------x x dartunundent------ falten, I c) so gehtihm erstinder dichtung1 dieblüteseines------ wachs-

tumsundge------ deihens------ auf. ||

II. 3. a) Poesie ist das,1 wodurchuns------un—se-re spräche------", x nicht nur liebund------ teuer, | b) sondernwo------ransieunsauch------ feinund------ zartwird, |

c) ein sich auf sie nieder------ setzender------- geistiger-------

duft. ||

25

4. a) Ei-nes Volkes----- spräche,1 wel-chem kei-ne dichter-----aufer------ standen------- sind, | b) stockt------ und be-ginntall------- mählichzu------- welken, |

c) wie das volk------ selbst,1 demsolchebe------ geisterung-----nichtzu------ teilward,1 zurückgesetztund------ ohnmächtig­ er------ scheint |

d) gegenüberden--- andern------- sich da-ran er-freuenden.TT L

X.

III. 5. a) Vereinzeine------ dichteristes------ also, I X

X

b) in dem sich die vollena------ turdes-------volks, ’ welchemX

X

er------ ange------- hört,1 aus------ drückt, I X

X

c) gleichsam------ ein------ fleischt, |

d) als des-sen genius------- ihndie-------- nachweit-------- anschaun------ wird, I X

X

e) auf den wir mit------ lebenden------ aber------ schon mit den fingern------ zeigen, |

f) weil er uns-re herzenge------ rührt, I XX

X

g) un-sern ge-danken------ wärmeund------- kühlenden------x schattenver------liehn, I XX

X

h) einendes------lebensge------ heimnisse-------- auf------ drehenJL

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den------ schlüsselge------ reichthat, Wenn man sich mit ernstem Bemühen immer wieder in die geistvollen, scharfsinnigen Auseinandersetzungen Sarans versenkt und diese an der Hand seiner Beispiele nachprüft, so erkennt man immer klarer, daß die Zusammenfassung bestimmter Redeglieder zu einer Gruppe und deren flüchtigere oder schärfere Abtrennung von der folgenden doch ganz und gar aus dem Sinn des Gesproche­ nen hervorgeht. Je tiefer der eine ftemde Darstellung wiedergebende Sprecher in deren Gedankenzusammenhang und die daraus zu er­ schließenden Gefühlsverhältnisse einzudringen vermag, desto voll­ kommener wird sein Vortrag auch im Hinblick auf die Zusammen­ fassung und Gliederung der Satzteile und Sätze sein. Me merllich die leiseste Sinnesänderung in das Gefüge selbst der kleinsten Grup­ pen, der „Glieder", eingreift, davon kann man sich sofort überzeugen, wenn man das oft spöttischerweise betriebene Betonungsspiel einmal

26 bewußt auf irgendeinen Satz anwendet und die Gliederung der Sprechtakte mit geschärfter Aufmerksamkeit verfolgt. Man mache die Probe etwa mit dem Satz: „Dies ist mein lieber Sohn", indem man den Akzent, beim ersten Wort beginnend, immer um ein Wort vorfchiebt. Die rednerische Gliederung einer „Bedeutungsmasse" ist also im we­ sentlichen das Ergebnis unsrer denkgesetzlichen und sprachlichen Er­ kenntnisse und rednerischen Erwägungen. Daraus ergibt sich meine Auffassung der Gliederung als eines rednerischen Mittels, dem Hörer die richtige Auffassung des Gesprochenen dadurch zu erleichtern, daß der Vortragende auf Grund verstandesmäßiger und sprachlicher Untersuchung seiner gedruckten Vor­ lage gewisse Gedankenglieder zu einer sprechlichen Einheit verbindet und durch deutliche Pausen oder andere Mittel von den folgenden unterscheidet. Als Gliederungsmittel für Gesäß, Kette und Reihe kommt die Klangleere, die Pause, in Betracht, bei Gesätz und Kette immer, wenn auch nicht in gleichem Ausmaß, bei der Reche nur dann nicht, wenn das Folgende in engem gedanklichem Zusammenhang steht, wie solche Fälle in den nachstehenden Ausführungen aufgezeigt wer­ den sollen. Bünde dürfen aber nur in Ausnahmefällen und nur um ganz bestimmter rednerischer Wirkungen willen durch Pause abge­ trennt werden. Man darf nicht sprechen: „An der rechten Schläfe j trug der entseelte Körper j Spuren eines Schlages) wie von einem scharfen Steine.“ Zunächst ergibt eine Durchdenkung des Satzes, daß der Satzgegenstand, „der entseelte Körper" nur eine Stllfigur ist; sie könnte ohne Beeinträchtigung des Verständnisses durch „sie" ersetzt werden, well der vorausgehende Satz das Wort „Leiche" ent­ hält. Solche Umschreibungen werden beim Vortrag leicht, ohne wesentliche Akzente genommen, da sie dem Hörer nichts Neues mit­ teilen; hier liegt der Begriff „Toter, Leiche, Leichnam" dem Hörer fast vom Beginn der Erzählung an im Sinn. Sehr wichtig dagegen, der wichtigste Satztell überhaupt, ist die Ergänzung, „Spuren eines Schlages". Auf diese Höhe des ganzen Satzes muß der Vortrag in beschleunigtem Zeitmaß zusteuern. Aber auch an den beiden nun noch verbleibenden Stellen, bei „Schläfe" und „Schlages", darf das „Tonband" nicht zerrissen werden, wenigstens keine meßbare Pause entstehen, wiewohl sich hier deutliche Einschnitte befinden. Als ein vorzügliches Mttel der Gliederung, für welches das lauschende Ohr

27 sehr empfindlich ist, stellt sich beinahe von selbst der Einsatz mit einem andern Ton ein, auch wenn der Tonunterschied nur ver­ hältnismäßig geringist. So wird in dem Beispielsatz das Wort,, Schläfe" in seinen beiden Sllben deutlich aufsteigend gesprochen; „trug" dagegen setze ich mindestens wieder so tief wie die Sllbe „Schlä—" ein. Die Tonführung strebt nun aufwärts bis zum Satzgipfel „Schla­ ges", dessen erste Silbe tief, die zweite wieder hoch liegt. Eine kleine Pause hier wäre keineswegs falsch; sie kann aber auch angedeutet werden durch den tiefern Einsatz der Sllbe „wie" im Vergleich zu „—ges" von „Schlages". Von „wie" an herrscht absteigende Tonführung mit einer leichten Erhebung auf der Sllbe „Stei—". Roch eine zweite Vortragsweise wäre möglich. Man kann den Sinn des Satzes bei „Schlages" als beendigt betrachten; was noch folgt, ist ein Zusatz, eine deutlicher machende Erweiterung. In diesem Fall müßte „Schlages" den Abschlußton erhalten, wie er gewöhn­ lich am Ende eines Satzes üblich ist; die Sllbe „Schla—" läge dann, im Gegensatz zur vorigen Sprechweise, am höchsten, „—ges" fiele nach unten ab; doch müßte man trotzdem wohl das Gefühl haben, es folge noch etwas oder könne doch folgen. Die Silbe „wie" wür­ de dann höher als „—ges" eingesetzt werden müssen und mit einem zweiten, dem eigentlichen, Abschlußton auf „Steine" würde der Satz vollends zu Ende gebracht. In einer der beiden Weisen gespro­ chen, gliedert sich der Satz ohne Pause für das Ohr außerordent­ lich klar. Dieses Gliederungsmittel kann, wie schon erwähnt, noch verstärkt werden durch eine leichte Dehnung, ein Breiterspre­ chen der letzten Silben oder Worte in einem Bund, was man fieilich durch Beschreiben nicht ganz klarmachen kann, sondern vorsprechen müßte; zum Glück bereitet es keinerlei rednerische Schwierigkeit.

Die sichtbare Gedankendarstellung durch die Schrift konnte an diesem Gliederungsbedürfnis und Gliederungsbestreben der gespro­ chenen Rede nicht vorübergehen, sondern mußte durch irgendwelche Mittel oder Zeichen das Lesen eines Schriftsatzes mit sinngemäßer und verdeullichender Gliederung begünstigen. Bon diesen Zeichen und ihrer Zweckdienlichkeit muß nun eingehend gesprochen werden. Rach der landläufigen Meinung deuten die bekannten Inter­ punktions-, Unterscheidungs- oder einfach Satzzeichen die Gliederung eines Satzganzen an. Das ist im allgemeinen zwar 3

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auch für das Lesen richtig, trifft indessen nur für die geschriebene, nicht auch für die gesprochene Rede vollständig zu. In den ältesten Zeiten hatte die Gliederung eines Schriftsatzes durch irgendwelche trennenden Zeichen offenbar den Zweck, das richtige Lesen zu er­ leichtern. In der St. Gallener Schreibstube mußte bei Notkers Psalmenübersetzung, ohne Zweifel aus Auftrag des Meisters selbst, beispielsweise geschrieben werden: Gnäde mir. unde gehöre min geböt (Sei mir gnädig und erhöre mein Gebet). Tuö . so du tatist. kehöre mich iö (Tue, wie du tatest, erhöre mich stets). Menniscon chint. uuie lango uuöllent ir sin in suäremo - daz chit in ungelöubigemo herzen (Menschenkinder, wie lange wollt ihr schweren, das heißt ungläubigen Herzens sein)? Diese Sätze sind durch die Punkte in ihrem Innern so richtig gegliedert, daß wir an die Stelle dieser Zeichen nur Beistriche zu setzen brauchten, um allen heute gelten­ den Regeln gerecht zu werden. Weit bewunderungswürdiger aber ist die glänzende rednerische Gliederung in allen Werken dieses großen Mannes, ein Beweis, wieviel auf guten Vortrag in der Schule und Kirche gehalten wurde. Notker geht aber noch weiter. Ziemlich regelmäßig sind Fragen mit dem eigentümlichen, heute noch gebräuchlichen Zeichen am Schlüsse versehen. Für stärkere Ein­ schnitte als sie der Punkt im Satzinnern bezeichnete, gebraucht er den Punkt mit übergesetztem Strich (!), z. B.: Mit minero stimmo . daz chit. mit des herzen stimmo häreta ih ze dir. unde gehör­ test tu mihi föne dinemo heiligen berge . daz chit föne döro ünsagelichun höhi dinero götheite (Mit meiner Stimme, d. h. mit des Herzens Stimme, rief ich zu dir und du erhörtest mich von deinem heftigen Berge, d. h. von der unsagbaren Höhe deiner Gott­ heit). Der durch ! bezeichnete stärkere Einschnitt bei mih, der heute überhaupt nicht mehr angedeutet wird, ist durchaus rednerischer Natur; die längere Pause sollte wohl die Erwartung steigern und das folgende föne dinemo heiligen berge wurde wohl mit erhobener Sttmme maestoso gesprochen. Außerdem, sehr selten frellich, kommt bei Notker ebenfalls als Zeichen einer stärkern Gliederung das um­ gekehrte Zeichen (;) vor. Notker ist nicht der Erfinder dieser Satz­ zeichen. Doppelpunkt, Punkt und Strich wurden schon von den Römern angewandt; zu Karls des Großen Zeiten kam dazu wahr­ scheinlich schon das Fragezeichen. Verwendet aber wurden alle diese Zeichen in den Handschriften nur ganz vereinzelt. Die Handschriften

29 der mittelhochdeutschen Zeit zeigen nichts als den Punkt, der bei Dichtungen in gebundener Form meist nur den Zweck hatte, nicht abgesetzte Verse voneinander zu trennen; doch wird er, z. B. in Handschrift A des Nibelungenliedes, auch bei abgesetzten oft seiten­ lang ohne Unterbrechung am Schlüsse jedes Verses gesetzt, auch dort, wo der Sinn in den nächsten Vers übergreift. Zur Zeit des Buchdruckes herrschen als Satzzeichen der Punkt (häufig jedoch bloß am Ende eines Abschnittes) und ein schräger Strich etwa von der Länge eines 1, dessen starke Verwendung, ohne Zweifel nach Gutdünken des Schreibers oder Druckers, das Satz­ bild außerordentlich zerriß. Seit der ersten Hälfte des 16. Jahr­ hunderts aber, wo die Bestrebungen zur Regelung der äußern Form unserer Sprache einsetzten, ließen es sich alle Grammatiker von Fabian Frangk bis auf Johann Christoph Adelung angelegen fein, neben den Regeln für Rechtschreibung, Wort- und Satzfügung auch die für die „Satzzeichnung" festzustellen. Davon lassen namentlich Valentin Jckelsamers Ausführungen deullich erkennen, daß einer der Hauptgründe für den Gebrauch der „punctzaichen vnnd virgulen“ die Rücksicht auf das Lesen und Verstehen war. In der Folgezeit aber, besonders seit sich die Grammatik zu einem selbstän­ digen Zweig der Sprachwissenschaft entwickelte, gewann der sprach­ wissenschaftliche Standpunkt für die Regelung der Zeichensetzung die Oberhand. Zu einer völligen Einheitlichkeit in der Durchführung kam es indes nicht, da die Schule eine Rücksichtnahme auf ihre Belange mit Recht forderte. Den deutlichsten Beweis für die Un­ einigkeit und Unsicherheit in dieser Frage blldet die Tatsache, daß bei der letzten Regelung unsrer Rechtschreibung im Jahre 1901 die Lehre von der Zeichensetzung nicht Gegenstand der Vereinbarungen war, die Festsetzungen hierüber vielmehr den Bundesregierungen überlassen wurden. Nur Bayern und Württemberg machten von diesem Recht für die Schulen ihres Landes Gebrauch. Besonders die bayrischen Anordnungen unterscheiden sich aber von den in Preußen weiterbestehenden frühern ganz bedeutend und nicht zum Vorteil, besonders für die Erleichterung des Lesens. Wenn man untersuchen wlll, in welchen Fällen das von der Sprachlehre festgesetzte Zeichen auch wirllich Gliederungszeichen für die lebendige Rede ist, muß man ein ruhig erzählendes, nicht von leidenschaftlich erregter Sprache durchsetztes Stück mit ganz

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30 natürlichem Sprechton laut lesen. Man wird dabei nach längerer, sorgfältiger Beobachtung finden, daß wirklich immer und überall Gliederungszeichen für die gesprochene Rede sind: das Satzschlußzeichens Punkt, Frage- und Ausrufzeichen); sein Stell­ vertreter in Satzreihen (beigeordneten Sätzen), der Strichpunkt, wobei allerdings mit Bedauern festgestellt werden muß, daß die bayrischen Vorschriften den Gebrauch dieses sehr wertvollen Zeichens wesentlich einschränken; ferner der Doppelpunkt,der Gedanken­ strich und die Klammer. Der einzige Störenfried, der sich einer Aussöhnung zwischen „Schreibe" und Rede in diesem Punkte hindernd entgegenstellt, ist der B eistrich, weil er, den Vorschriften der Sprach­ lehre entsprechend, tells gesetzt wird, wo die lebendige Sprache nicht gliedert, teils aber — und zwar meistens — aus dem umge­ kehrten Grunde. 1. Die Sprachlehre schreibt z. B. vor, daß mehrere Eigen­ schaftswörter, die einem Hauptwort vorausgehen und einander beigeordnet sind, durch Beistrich getrennt werden müssen. Nun nehme man das Sätzchen: „Da stand auf einmal eine schöne, große Frau vor ihm.“ In einer Schule, wo die Satzzeichen die unumschränkten Herrscher über die Pausen beim Lesen sind,

kann man diesen Satz so hören: „Dastandaufeinmaleineschöne | großefrauvorihm.“ Die Stimme bleibt dabei auf dem gleichen Ton staccato bis „eine"; auf der SLbe „schö—“ springt sie um einen sehr merk­ lichen Schritt in die Tiefe, um aber auf „—ne" sogleich wieder in die Höhe zu schnellen, weit über den Ton des Anfangs hinaus; dann folgt, entsprechend dem Beistrich, eine merkliche Pause. Das Wort „große" wird in der Tonhöhe von „da" angefaßt; ängstlich ist der kleine Leser bestrebt, „Frau" unmittelbar an „große" zu leimen, da kein Zeichen dazwischen steht; außerdem fällt er mit dem Stimmton auf dem Worte „Frau" wie erlöst in eine unergründliche Tiefe, in der er auch die beiden Schußsilben gar herausmurmelt — wenn er nicht nach der Regel, daß man beim Punkt mit der Stimme her­ untergehen müsse, den Tonwechsel erst auf der letzten Silbe „ihm" vollzieht. — Wer würde aber je in natürlicher Rede auf den Einfall

kommen, die drei Worte „schöne, große Frau“ zu sprechen: schöne — großesräu ? Mehrere beigeordnete Eigenschaftswörter vor einem Hauptwort bilden vielmehr — das Geschlechtswort eingerechnet —

31 in ihrer Gesamtheit eine Sprecheinheit (nicht einen „Sprechtakt"!), die durch keinerlei Pause auseinandergerissen werden darf. Jedes Beiwort erhält einen Nachdruck (Akzent), ebenso das Haupt­ wort, jedoch dieses meist einen schwerern. Saran setzt bei solchen Verbindungen für jedes Wort den ersten Schweregrad, die „Boll­ schwere (')", an. Ihre Wirkung ist immer trennend, jeden einzelnen Begriff für sich in das Licht der Aufmerksamkeit rückend. Zu jeder solchen Akzentuierung ist natürlich ein besonderer „Willensimpuls", also auch eine besondere „Aspiration" nötig; so kommt es, daß jedes Wort (das vorausgehende Geschlechtswort ausgenommen) einen Sprechtakt bildet und die Sprechweise etwas zerhackt klingt. Saran bringt (Verslehre S. 50) das Beispiel: „ein schöner, größer, mäch­ tiger Bäum.“ Man nehme dazu noch „dicker, schwärzer Pünkt;

größe, dunkle Wölke; ein guter dümmer Bäuernknabe; ein gröbes, schmütziges, öffenstehendes Hömd“ und spreche diese Verbindungen feinhörig durch. So wie sie hier stehen, steigt jede im Ton allmählich abwärts, so daß das Hauptwort am tiefsten liegt. In Satzgefügen wird es dagegen beim Abschluß des Nebensatzes meist so sein, daß an der abwärtsgehenden Tonbewegung nur die Beiwörter tellnehmen, im Hauptwort aber der Ton wieder steigt. Man übe auch das, indem man sich zu jedem Hauptwort einen Nebensatz als Fortsetzung denke. Ein klassisches Beispiel solcher Beiworthäufung sind die Verse aus Lenaus Gedicht „Bitte": ernste, milde, träumerische, unergründ­ lich süße Nacht. Der Gefühlsakzent, d. h. die aus der Stimmung fließende Vortragsweise, wird hier frellich den Abstieg zur Tiefe vermeiden, vielmehr bei den drei ersten Beiwörtern den Ton und die Stärke etwas steigern und erst bei der Silbe „un — " allmählich auf die Stimmlage des Abschlusses zustreben. 2. Die Vorschriften der Sprachlehre ordnen weiterhin an, die Anrede durch Beistrich von den übrigen Satzteilen zu trennen.

Man kann in der Tat in Schulen auch lesen hören: Siöhst j Vä­

ter 1 duden örlkönignicht? Gott grüßeuch j Alter! Nun sehe man aber die folgenden Beispielgruppen durch und spreche jeden Satz frei, ohne Rücksicht auf die Satzzeichen^m Innern, jedoch unter leb­ hafter Versetzung in den Seelenzustand, dem die einzelnen Worte entquollen sein mögen.

32 a) Großvater, knie nicht vor dem falschen Mann! Seele, geh auf Golgatha! — Herr Landvogt, rührt Euch nicht des Kindes Unschuld? — Du liebes Kind, komm, geh mit mir! — Mein Herr und Gott, ich rufe dich! b) Ja, Maria, ich hab’ es getan. Nicht doch, Gevatter, nicht, Ihr irrt! Um Gott, Herr Vater, zürnt mir nicht! Seid Ihr es, Herr, der so gräßlich durch die Gewölbe schreit? — Du, Rhein, bleibst deutsch wie meine Brust. Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Nun, guter Mann, bist du geborgen. Sei mir, Sonne, gegrüßt! Gib mir, mein Sohn, dein Herz! Dann magst du, Tod, zum Reigen uns geigen! c) Was schmiedst du, Schmied? Gott grüß euch, Alter! Schaff mir Kühlung, Grieche! Die Augen nur laß dir verbinden, Knabe 1 So geht mir doch zur Höllen, ihr Lügner! Gegrüßet seid mir, edle Herrn! Schweb hoch hinauf, mein Geigenklang! Laß mich dein sein und bleiben, du treuer Gott und Herr! Sei mir gegrüßt, mein Berg mit dem rötlich strahlenden Gipfel! d) 0, Herz, laß ab zu zagen! 0, schöner Tag und du viel schönste Stund’, wann wirst du kommen schier?— Ach, Vater, deck all meine Sünde mit dem Verdienste Jesu zu! Ach, Apfel, komm herunter! — Ei, Vogel, du mußt singen! Ei, Freund, bist du gescheite? Ei, du liebe, liebe Zeit, ei, wie hat’s geschneit, geschneit! — He, guter Freund, Ihr seid da irr! Hei, Mädel, flink und nicht geziert! Die Probe und der Vergleich der Gruppen untereinander werden zweifellos ergeben, daß im natürlichen Sprechgebrauch eine merlliche Pause nach der Anrede üblich ist, der Beistrich an dieser Stelle demnach als Gliederungszeichen gelten kann (a, d). Die einer Frage, einem Ausruf, einer Behauptung vorausgehende An­ rede wirkt wie ein Anruf, nach dem man die Rede unterbricht, gleichsam um dessen Erfolg abzuwarten. Der Beistrich vor der An­ rede bei Zwischenstellung (b) dagegen hat mit der Gliederung der Rede nicht das geringste zu tun; es wäre vielmehr unnatürlich und dem allgemeinen Sprechgebrauch zuwider, die Anrede von den vorausgehenden Worten abzptrennen. In den Beispielen unter d), wo lediglich ein Empfindungswort vor der Anrede steht, verzichtet man bereits ganz allgemein auf den Beistrich nach diesem Wort

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