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German Pages 120 [119] Year 2011
Censorinus Das Gebur tstagsbuch
Censorinus
Da s G e b u rt s tag s b u c h
Übersetzt und erläutert von Kai Brodersen
Für Kerstin amrhein - Michael hinz - Gerd Mannhaupt - Patrick rössler
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I n h a lt 6 Bildung als Geschenk
9 Einführung
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Was wissen wir über den Autor und seine Welt? Welches Wissen setzt Censorinus voraus? Welches Wissen schenkt Censorinus seinen Lesern? Woher bezog Censorinus seine Angaben? Wie ist das Geburtstagsbuch auf uns gekommen?
37 Censorinus: Das Geburtstagsbuch 38 Ein Buch als Gabe zum Geburtstag 40 Rund um die Geburt 41
Was muss man über den Genius wissen?
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Was ist der Ursprung der Menschen?
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Was geschieht vor der Geburt?
50
Was ist der Zeitpunkt der Geburtsreife?
66
Was geschieht nach der Geburt?
71 Lang lebe das Geburtstagskind! 73 Rund um den Tag 73
Was ist Zeit?
73
Die Ewigkeit
74
Das Säkulum
82
Das Großjahr
86
Das Jahr
94
Der Monat
97
Der Tag
1 01 Anhang 102 „Who’s who“ in Censorinus’ Geburtstagsbuch 115 Weiterführende Literatur 118 Abbildungsnachweise und Danksagung
B i ld u n g al s G e s c h e n k Das Jahr 238 n. Chr. gilt gemeinhin als ein Höhepunkt der Krise des Römischen Reichs. Drei Jahre zuvor hatten Soldaten in Mainz den römischen Kaiser Severus Alexander erschlagen und Maximinus Thrax an die Macht gebracht, den ersten der sogenannten Soldatenkaiser. Doch auch er vermochte sich nicht als Herrscher des Imperium Romanum zu halten – ja, 238 n. Chr. hatten in einem einzigen Jahr gleich sechs römische Kaiser nacheinander die Herrschaft inne: Auf Maximinus Thrax folgten Gordian I., Gordian II., Pupienus, Balbinus und Gordian III., der noch keine 14 Jahre alt war und bereits sechs Jahre später ums Leben kommen sollte. Harmonie und Ordnung des Römischen Reichs hatten den Turbulenzen der Krise weichen müssen. Das Jahr 238 n. Chr. ist aber auch das Jahr, in dem der römische Gelehrte Censorinus einem Freund ein Geburtstagsbuch widmete, das uns in nur etwa 10 000 lateinischen Wörtern eine ganze Welt eröffnet: Das Wissen der Antike von Zeit und Ewigkeit, von Himmel und Erde, von Welt und Mensch, von Zeugung und Geburt, von Mathematik und Musik wird herangezogen und aufbereitet, um vom Mikrokosmos des Kindes im Mutterleib bis zum Makrokosmos im Universum die alle Zeiten übergreifende Harmonie und Ordnung der Welt aufzuzeigen.
6 Bildung als Geschenk
Unsere deutsche Übersetzung von Censorinus’ Geburtstagsbuch möchte den ungekürzten antiken Text so erschließen, dass er für eine heutige Leserschaft zugänglich wird. Eine ausführliche Einführung gibt Antworten auf fünf für unser heutiges Verständnis des Werks wichtige Fragen: – Was wissen wir über den Autor und seine Welt? – Welches Wissen setzt Censorinus bei seiner Leserschaft voraus? – Welche Bildungsinhalte schenkt Censorinus seiner Leserschaft? – Woher bezog Censorinus seine Angaben? – Wie ist Censorinus’ Geburtstagsbuch auf uns gekommen? Damit kann es uns gelingen, das Geburtstagsbuch so zu genießen wie die Leserschaft in der Antike: als ein Kompendium antiken Bildungswissens, das manches Wissen voraussetzt, uns aber auch viele neue Bildungsinhalte schenkt. Stellen wir uns also einfach vor, das antike Buch wäre für uns heute geschrieben und fragen wir etwa: Wie entstehen Zwillinge? Was ist die Sphärenharmonie? Was sind die Risikojahre beim Menschen? Was ist eine Generation? Wie alt kann ein Mensch werden? Warum gibt es Schalttage und -jahre? Antworten bietet uns Censorinus’ Geburtstagsbuch – nur eine davon sei vorab verraten: Gebildete Menschen werden sehr alt!
Bildung als Geschenk 7
E i n fü h ru n g
Wa s w i s s e n w i r ü be r de n A u t o r u n d s e i n e W elt ? Reicher Schalen Geschenk böt’ ich und edles Erz, Censorinus, mit Lust meinen Erkorenen; ... Doch des fehlt mir die Macht; und es bedarf auch dir weder Habe noch Sinn solcherlei Köstlichkeit. Lieder freuen dein Herz; Lieder vermögen wir und bestimmen genau unserm Geschenk den Wert. (Horatius, Carmen 4,8,1–2 und 9–12) Mit diesen Versen, die hier in der klassischen Übersetzung des Johann Heinrich Voß (1751–1826), eines Zeitgenossen Goethes, wiedergegeben sind, beginnt ein berühmtes Carmen (Lied) des römischen Dichters Quintus Horatius Flaccus (Horaz, 65–8 v. Chr.). Es ist dem Lucius Marcius Censorinus gewidmet, der im Jahr 39 v. Chr. einer der beiden Konsuln in Rom war und vom Dichter keine kunstvoll gearbeiteten Metallschalen und andere Wertgegenstände erhält, sondern ein literarisches Werk. Sicher mit Bezug auf dieses Carmen, das Horatius für Censorinus schrieb, beginnt das im Jahr 238 n. Chr. entstandene Geburtstagsbuch (De die natali liber) mit einer ähnlichen Widmung – freilich nicht für einen Censorinus; vielmehr ist ein Censorinus Autor des Buches. Zwar nennt das älteste, aus dem 7./8. Jh.
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n. Chr. erhaltene Textzeugnis – wir werden es gleich kennenlernen – diesen Verfassernamen nicht, doch spricht bereits im 5. Jh. n. Chr. der heilige Sidonius Apollinaris in dem Widmungsbrief zu einem eigenen Carmen, das er einem Freund zur Hochzeit weiht, von „Censorinus, der den berühmten Band über den Geburtstag verfasst hat“ (Carmen 14 pr.), und im 6. Jh. gibt der Kirchenvater Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus Senator an: „Wir haben auch Censorinus gefunden, der an Quintus Cerellius über dessen Geburtstag schrieb“ (Institutiones 2,5,1). Dieser Censorinus ist uns sonst nur als Verfasser eines Lehrbuchs der Grammatik (Ars grammatica) und eines Werks „Über Akzente“ (De accentibus) bekannt, also als Philologe; beide Werke sind allerdings verloren. Erhalten ist hingegen Censorinus’ Geburtstagsbuch, in dem er auf zwei Männer mit dem Beinamen „Censorinus“ direkt Bezug nimmt: auf Lucius Marcius Censorinus, einen der beiden Konsuln des Jahres 149 v. Chr., und auf Gaius Marcius Censorinus, einen der beiden Konsuln des Jahres 8 v. Chr. Durch die Anspielung auf Horatius’ Carmen am Beginn des Werks, die seine Leserschaft sicher verstanden hat, verweist er außerdem auf einen dritten Konsul namens Censorinus, den des Jahres 39 v. Chr. Handelt es sich vielleicht um Vorfahren des Verfassers des Geburtstagsbuchs? Über den von Censorinus beschenkten Jubilar, Quintus C(a)erellius, wissen wir ausschließlich das, was das ihm gewidmete Geburtstagsbuch (15,4–6) über ihn berichtet. Er hatte den Rang eines „Ritters“ erlangt, den zweithöchsten nach dem der Nobilität, hatte in seiner Heimatstadt in einer Provinz des Imperium Romanum bürgerliche und religiöse Ämter erfolgreich durchlaufen und war auch als Gerichtsredner in der Reichshauptstadt Rom bekannt geworden. Sicher konnte sich die Leserschaft in der Person des Jubilars wiederfinden (oder zumindest davon träumen, durch Bildung ähnliche Erfolge zu erzielen) – und darauf bauen, „dass Männer von deiner Art ihr Leben nicht verlassen
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haben, bevor sie nicht das 81. Lebensjahr durchschritten haben“ (15,1): Gebildete Menschen werden, wie uns Censorinus hier versichert, sehr alt! Ein Kompendium antiken Bildungswissens Censorinus bietet mit seinem „Kompendium“ (5,1) eine einmalige Übersicht über antikes Bildungswissen und wurde deshalb nicht nur im Mittelalter wiederholt abgeschrieben – dazu gleich mehr –, sondern auch in der frühen Neuzeit sehr geschätzt. Nikolaus Kopernikus (1473–1543) etwa verwendete es in seinem bahnbrechenden Werk „Über die Umschwünge der himmlischen Kreise“ (De revolutionibus orbium coelestium, 1543), Joseph Justus Scaliger (1540–1609) spricht in seinem Buch „Über die Verbesserung der Zeitrechnung“ (De emendatione temporum, 1583), mit dem er die Chronologie der Antike revolutionierte, von dem Geburtstagsbuch als einem aureolus libellus, einem „goldenen Büchlein“, und Giovanni Battista Riccioli (1598–1671) benannte auf seiner 1651 publizierten Mondkarte nach dem Autor des Geburtstagsbuchs den hellen Mondkrater (0.4° S, 32.7° O) am Rand des (viel später durch die erste Mondlandung 1969 berühmt gewordenen) Mare Tranquillitatis als „Censorinus“. Was macht den bleibenden Wert von Censorinus’ Arbeit aus? Nicht über die verworrenen Zeitläufte der Entstehungszeit (s. S. 6) informiert uns Censorinus: Die Soldatenkaiser etwa bleiben unerwähnt, und dem römischen Gelehrten Marcus Terentius Varro entnimmt Censorinus die Aussage, dass Rom noch mehrere Jahrhunderte Bestand haben werde (17,15). Vielmehr führt uns Censorinus in die Welt der griechischen und römischen Gelehrsamkeit, von den Vorsokratikern und Pythagoras im 6. Jh. v. Chr. bis zu berühmten Stoikern im 2. Jh. n. Chr., insbesondere zu den griechischen Philosophen der klassischen und hellenistischen Zeit, zu Platon und Aristoteles, aber auch zu griechischen Sternenkundigen, Medizinern und Musik-
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theoretikern. Eine bunte Vielfalt von Zitaten aus Dokumenten und Geschichtsschreibung, aus antiquarischer Literatur und aus Spruchweisheit und Dichtung der Antike unterstützt Censorinus’ Argumentation und macht anschaulich, wie für den gelehrten Censorinus und seine bildungsbeflissene Leserschaft die antiken Mittelmeerkulturen als Gesamtheit gesehen werden – vom alten Ägypten und vom Zweistromland über Kleinasien bis zu den Juden, zu den frühen Stämmen auf der italischen Halbinsel und zu den Römern selbst. Nicht die ungute Gegenwart des von immer neuen Soldatenkaisern beherrschten Imperium Romanum, sondern die große Vergangenheit der antiken Mittelmeerkulturen steht im Zentrum von Censorinus’ Betrachtungen und macht es zu einem einmaligen Kompendium antiken Bildungswissens. Die Zeit des Censorinus Censorinus’ Geburtstagsbuch bietet sehr genaue Angaben zu seiner Entstehungszeit. Im Einzelnen gibt es dazu (18,12; 21,6–9) an, es sei im 1014. Jahr seit den ersten Olympischen Spielen, im zweiten Jahr der 254. Olympiade, im 991. Jahr ab urbe condita („seit Gründung der Stadt“ Rom), im 986. Jahr der Ära nach Nabonnazaros, im 562. der Ära nach Philippos, im 283. der Ära nach Caesar, im 267. der Ära nach Augustus in der Zählung des ägyptischen Alexandreia und im 265. in der augusteïschen Zählung entstanden. Was bedeuten diese Angaben? Die Olympischen Spiele wurden nach antiker Auffassung erstmals 776 v. Chr. und seither alle vier Jahre („Olympiaden“) in Olympia auf der Peloponnes in Griechenland gefeiert; das zweite Jahr der 254. Olympiade ist also in der Tat das Jahr 253 x 4 + 2 = 1014 seit Beginn der Spiele. Die Gründung der Stadt Rom datierte man traditionell ins Jahr 753 v. Chr. Die Zählung der „Jahre des Nabonnazaros“ bezieht sich auf den babylonischen König Nabunasir (auch Nabonassar oder Nabobasser genannt), der 747–733 v. Chr. herrschte und mit
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dessen erstem Regierungsjahr der griechische Astronom Claudius Ptolemäus im 2. Jh. n. Chr. seine chronologischen Berechnungen beginnen ließ. Die Zählung der „Jahre des Philippos“ bezieht sich auf Philippos Arrhidaios, an den nach dem Tod seines Halbbruders Alexandros III., also Alexanders des Großen, 323 v. Chr. für kurze Zeit die Herrschaft über das Alexanderreich überging. Die Ära nach Gaius Iulius Caesar bezieht sich auf das Jahr 45 v. Chr., mit dem der von Caesar reformierte (und mit wenigen Änderungen in Grundzügen bis in die Gegenwart gültige) „julianische“ Kalender begann, die von Alexandreia auf das Jahr 29 v. Chr., in dem die Römer dort die ägyptische Königin Kleopatra besiegt hatten, und die nach dem Herrschaftsantritt des Augustus als Kaiser auf das Jahr 27 v. Chr. Wie Censorinus darlegt, unterscheiden sich dabei die jeweiligen Jahresanfänge voneinander, sodass wir folgende Angaben zur Datierung der Entstehung des Geburtstagsbuchs erhalten: Olympiade 254.2 (= 1014) – Sommer 238 bis Sommer 239 ab urbe condita 991 – 21. April 238 bis 20. April 239 Nabonnazaros 986 – 25. Juni 238 bis 24. Juni 239 Philippos 562 – 25. Juni 238 bis 24. Juni 239 Caesar 283 – 1. Januar 238 bis 31. Dezember 238 Alexandreia 267 – 29. August 237 bis 28. August 238 Augustus 265 – 1. Januar 238 bis 31. Dezember 238 Daraus ergibt sich für uns, dass das Buch zwischen dem 25. Juni und dem 28. August 238 n. Chr. entstanden sein muss – so genau lässt sich sonst kaum ein antikes Werk datieren! Die Welt des Censorinus Censorinus kann bei seinem Lesepublikum eine Vertrautheit mit der Geographie der Alten Welt voraussetzen. Zwar muss man für die griechischen Eigennamen, bei denen Censorinus regelmäßig
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den Herkunftsort angibt („Pythagoras von Samos“), die Lage jenes Ortes nicht kennen. Geographische Kenntisse sind aber für das Verständnis bei den Orten und Landschaften der antiken Welt wichtig, die Censorinus in seiner Darstellung anführt. In der griechischen Welt nennt Censorinus allen voran Athen in Attika, aber auch Theben in Boiotien sowie auf der Peloponnes Arkadien und Achaia im Norden und Elis im Westen. Außerdem nennt Censorinus im Nordwesten Griechenlands Akarnanien, im Zentrum Delphi mit dem berühmten Apollon-Orakel und im Nordosten Thessalien. In der Ägäis wird die Insel Delos erwähnt, die Heimat des Gottes Apollon, an der Ostküste jenes Meeres das durch die Epen Homers berühmte Troia (Ilion, Ilium) und das Gebiet der Karer in der heutigen Südwesttürkei sowie am Schwarzen Meer die Region der Kolcher, die Iason auf der Suche nach dem Goldenen Vlies aufsuchte. Außerhalb der Ägäis-Welt erscheinen Tartessos in Südspanien, Sizilien und Ägypten – nicht zuletzt als römische Provinz – mit seinem Hauptort Alexandreia (Alexandria). In Italien – Censorinus unterscheidet es einmal (20,1) vom Gebiet der peregrini, der „Ausländer“ – nennt das Geburtstagsbuch wiederholt Etrurien – namentlich auch die Lukumonen als Machthaber der Etrusker – mit dem Hauptort Tarquinia sowie das östlich davon gelegene mittelitalische Umbrien, vor allem aber die Welt der Römer, der Bewohner der Stadt Rom. Im Süden und Osten Roms spricht Censorinus von Latium (heute Lazio), der Heimat der Latiner, von der Stadt Lavinium (Pratica del Mare / Pomezia), wo dem Mythos zufolge Aeneas auf der Flucht aus Troia an Land gegangen sein soll, sowie von Laviniums Tochterstadt Alba Longa (Castel Gandolfo) im Gebiet der Albaner, die Aeneas’ Sohn Ascanius gegründet haben soll; außerdem nennt er in Latium Aricia (Ariccia) in den Albanerbergen, Ferentinum (Ferentino) und Tusculum (bei Frascati).
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Detailkenntnisse zur Topographie werden aber allein für die Stadt Rom – die Censorinus einmal (16,1) überhöhend als „unsere gemeinsame Heimat“ bezeichnet – vorausgesetzt: Von den Sieben Hügeln führt das Geburtstagsbuch das Kapitol an, auf dem der Tempel des Kapitolinischen Iupiter steht, außerdem den Aventin mit dem Tempel der Diana und den Quirinal mit dem Tempel des Quirinus. Das Forum Romanum kann Censorinus einfach als „Forum“ bezeichnen und die dortigen Rostren – Schiffsschnäbel erbeuteter Schiffe, die an der Rednertribüne angebracht waren und dieser ihren Namen gaben – unerläutert lassen. Auch beim Marsfeld braucht Censorinus den Ortsnamen Rom nicht hinzuzufügen, ebensowenig bei den Toren der Stadt, von denen er die Porta Collina im Norden und die Porta Esquilina im Osten der Stadt als bekannt voraussetzt. Man hat deshalb plausibel vermutet, dass Rom das Zentrum auch der Welt des Censorinus und seiner Leserschaft war.
W elc h e s W i s s e n s e t z t Censorinus voraus? Nicht nur zu Zeit und Raum, sondern auch zu einigen weiteren Themen des Allgemeinwissens kann Censorinus bei seiner Leserschaft Kenntnisse voraussetzen. Um einigem heutigen Lesepublikum den Zugang zum Geburtstagsbuch zu erleichtern, sollen nachstehend diese Themen erschlossen werden. Göt ter und Helden Zur antiken Mythologie kann Censorinus sicher sein, dass seine Leserschaft einiges weiß, wobei er für die meisten griechischen Gottheiten die römische Entsprechung nutzt. So nennt er Zeus/ Iupiter, den Vater der Götter, dessen Gattin Hera/Iuno und dessen Geliebte Maia sowie von Zeus’ Kindern den Kriegsgott
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Ares/Mars, den Feuergott Hephaistos/Vulcanus, den Gott der Musen Apollon/Apollo, die Weisheitsgöttin Athene/Minerva, die Liebesgöttin Aphrodite/Venus, die Unterweltsgöttin Persephone/Proserpina mit ihrem Gatten Pluton/Dis Pater sowie den Gott der Rauschhaftigkeit namens Dionysos/Liber Pater, dem Mysterien gewidmet sind, und die Schicksalsgöttinen Moirai/ Parzen. Im Zusammenhang mit Tempeln in Rom erwähnt Censorinus außerdem die Jagdgöttin Artemis/Diana und den altrömischen Kriegsgott Quirinus, im Zusammenhang mit Ägypten den Sonnengott Helios/Sol (ägyptisch Re). Censorinus nimmt auch Bezug auf Prometheus, der Menschen aus Lehm geformt habe, und auf dessen Sohn Deukalion, der gemeinsam mit seiner Frau Pyrrha eine große Sintflut, den Kataklysmos, überlebt habe; beide hätten dann Steine hinter sich geworfen und so Menschen ausgesät. Auch auf eine weitere Sintflut, die in die Zeit des Ogyges – dazu gleich – falle, bezieht sich Censorinus. Einige Mythengestalten, die im Geburtstagsbuch als bekannt vorausgesetzt werden, sind in einzelnen Städten verortet. Von den Mythengestalten der Stadt Athen nennt Censorinus den König Erichthonios/Erichthonius, der aus dem bei einem Vergewaltigungsversuch auf die Erde verspritzten Samen des Hephaistos entstanden sei, von denen der Stadt Argos auf der Peloponnes in Griechenland deren ersten König Inachos/Inachus, von denen der Stadt Theben in Boiotien den König Kadmos/ Cadmus, der einen Drachen getötet und dessen Zähne ausgesät habe, wobei dann aus den Zähnen die Spartoi („Ausgesäten“) entstanden und zu Stammvätern der Thebaner geworden seien, sowie den Sohn des Kadmos/Cadmus namens Ogyges/Ogygius. Censorinus erwähnt ferner von den Mythengestalten Arkadiens Horos/Horus, den Sohn des mythischen Stammvaters Lykaon/ Lycaon, von denen der Stadt Tartessos den – auch im Geschichtswerk des Herodot (1,163) erwähnten – König Arganthonios, und
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von denen der Stadt Tarquinia in Etrurien den Tages, der beim Pflügen ans Licht gekommen sei und den Etruskern die Kunst der Zukunftsvorhersage vermittelt habe. Zu mythischen Wesen in der Natur weiß Censorinus’ Leserschaft von Nymphen und Faunen, im einzelnen Haushalt vom doppelgesichtigen Türgott Ianus und von den Hausgöttern Lares, die man am Hauseingang verehrte, und nicht zuletzt vom Genius eines jeden Menschen. Feste und Opfer Religiöse Feste nennt Censorinus nur für die römische Welt: Am 15. Februar wurden die Lupercalia gefeiert, ein Reinigungs- und Fruchtbarkeitsfest für den italischen Herdengott Faunus (mit dem Beinamen Lupercus, „Wolfsabwehrer“). Am 23. Februar lag das Fest der Terminalia für den römischen Gott Terminus, die Personifikation der Grenzsteine; diese wurden von den Nachbarn gemeinsam mit Blumen geschmückt, und gemeinsames Feiern erneuerte das öffentliche Bekenntnis zur Unverrückbarkeit der Grenzsteine. Einen Tag später, am 24. Februar, beging man in Rom das Fest des Regifugium, der „Königsflucht“, und damit den Beginn der republikanischen Verfassung. Am 21. April wurden in Rom und auf dem Land die Parilia (oder Palilia) gefeiert, ein Hirtenfest zu Ehren der Göttin Pales. Am 13. Juni schließlich fanden die sogenannten kleinen Quinquatria statt, bei denen in Rom Flötenbläser zum Tempel der Minerva zogen. Was es mit dem Februum genannten Fest auf sich hat, erklärt Censorinus selbst in einem Exkurs (22,14). Ferner erwähnt Censorinus – übrigens als einziger antiker Autor, dessen Werke erhalten sind – das Tesserakostaion („Vierzigstes“) genannte Fest, mit dem man den 40. Lebenstag eines Kindes feierte. Opfer brachte man, damit Gottheiten „durch eine Kulthandlung herbeibemüht werden“ (3,5), in der Antike oft als „Schlachtopfer“ dar, bei denen ein Tier am Altar geschächtet
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und verbrannt wurde, oder aber als unblutige Gabe für eine oder mehrere Gottheiten, wie Censorinus an Beispielen erklärt. Während man im Alltag Wein nur mit Wasser vermischt trank, wurde er als Trankopfer ungemischt dargebracht. Zukunf tsvorhersagen Eine besondere Funktion des Umgangs mit den Gottheiten sah man in der Antike in dem Wissen um die Zukunft, über das übermenschliche Wesen verfügten. Die auf die Sibylle – eine weissagende Frau in der von Griechen gegründeten Stadt Kyme/ Cumae in Unteritalien – zurückgeführten, verlorenen Sibyllinischen Bücher waren eine Sammlung von griechischen Orakelsprüchen, die von den Römern in Krisensituationen zurate gezogen wurden. Zuständig dafür waren seit dem 2./1. Jh. v. Chr. die Quindecimviri sacris faciundis, das „Fünfzehn-Männer-Kollegium für die Durchführung von Opfern“, auf deren commentarii (Protokolle) Censorinus wiederholt Bezug nimmt. Zur Zukunftsvorhersage bedienten sich die Römer auch der Traditionen, die sie von den Etruskern als „Etruskische Disziplin“ übernommen hatten; bekannt waren dabei die libri rituales, die „Ritualbücher“, und die libri fatales, die „Schicksalsbücher“, die uns allesamt nicht erhalten sind. Außerdem nutzte man die Vogelschau – als Experten hierfür nennt Censorinus einen (sonst nicht bekannten) Vettius –, bei der man aus dem Flug von Vögeln die Zukunft vorhersagte, und die Eingeweideschau, bei der dies aus den Merkmalen von Innereien geopferter Tiere geschah. Wet tspiele und Sakulärfeiern Die Olympischen Spiele, die nach antiker Überlieferung erstmals 776 v. Chr. und seither alle vier Jahre („Olympiaden“) in Olympia in der Landschaft Elis auf der Peloponnes gefeiert wurden, erscheinen bei Censorinus mehrfach, ebenso die Pythischen Spiele im zentralgriechischen Delphi und die
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von Kaiser Domitianus im Jahr 86 n. Chr. eingeführten Kapitolinischen Wettspiele in Rom. Die Tarentinischen Wettspiele (lat. ludi Tarentini, Terentini, Taurii) in Rom, ein altes Fest für die wundersame Errettung von Kindern, sieht Censorinus als Ursprung der Säkularfeiern an. Auch für deren Durchführung waren seit der Zeit des Kaisers Augustus die Quindecimviri zuständig, wovon eine zeitgenössische, nur in Fragmenten bewahrte Inschrift aus Rom zeugt, die Censorinus vielleicht kannte. Geschichte Während Censorinus aus der Geschichte des antiken Ägpyten nur zwei legendäre (und nicht datierbare) Könige, Ison und Arminos, nennt und zur griechischen Geschichte nur auf den Fall Troias und den Beginn der Olympischen Spiele Bezug nimmt, berichtet er aus der sagenhaften Frühzeit, in der Rom nach der Gründung 753 v. Chr. von sieben Königen nacheinander beherrscht wurde, von den beiden ersten, nämlich von Romulus selbst und seinem Nachfolger Numa Pompilius, sowie von den beiden letzten, nämlich Servius Tullius und Lucius Tarquinius Superbus. Mit der – im oben genannten Regifugium-Fest gefeierten – Vertreibung des letztgenannten Königs im Jahr 510 v. Chr. wurde Rom zur Republik, an deren Spitze zwei jährlich wechselnde Konsuln standen; an weiteren Jahresbeamten der römischen Republik nennt Censorinus die Praetoren, die – wie die Konsuln – als Zeichen ihrer Amtswürde von Liktoren, einer Art Leibwächtern, begleitet wurden, und die Volkstribunen. Ferner erwähnt Censorinus das Amt des Censor, dem für mehrere Jahre die Durchführung der Volks- und Vermögensschätzungen, die Besetzung des Senats und eine Aufsicht über die „Sitten“ oblag, sowie das des Pontifex Maximus, des Vorsitzenden des Priesterkollegiums der pontifices und damit Oberbeamten für die religiösen Angelegenheiten der Republik.
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Auf die Epoche der römischen Republik geht Censorinus wiederholt ein. Er nennt etwa Manlius Valerius Maximus Corvinus Messalla, den Konsul des Jahres 263 v. Chr., der in Sizilien Krieg geführt und von dort eine Sonnenuhr nach Rom mitgebracht habe. Weiter erwähnt er Marcus Plaetorius, den Volkstribun wohl des Jahres 242 v. Chr., Lucius Philippus, den Censor des Jahres 164 v. Chr., der die erste Sonnenuhr in Rom errichtet habe, sowie Publius Cornelius Scipio Nasica Corculum (den Konsul der Jahre 162 und 155 v. Chr.), der als Censor des Jahres 159 v. Chr. in Rom eine Wasseruhr errichtet habe. Gaius Iulius Caesar (100–44 v. Chr.) wird wegen seiner Kalenderreform von Censorinus gleich mehrfach genannt. Auch Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.), der Begründer des römischen Kaiserreiches, und sein Vertrauter und Schwiegersohn Marcus Vipsanius Agrippa (um 64–12 v. Chr.) erscheinen bei Censorinus wiederholt, gemeinsam als Konsuln des Jahres 27 v. Chr. und als Veranstalter der fünften Säkularfeiern im Jahr 17 v. Chr., Augustus allein als Namensgeber für den Monat „August“. Augustus’ Gegenspieler Mark Anton wird hingegen nur einmal erwähnt, als Mitkonsul Caesars im Jahr 44 v. Chr. Censorinus führt auch Lucius Munatius Plancus an, der im Jahr 27 v. Chr. im Senat von Rom als damals ältester der ehemaligen Konsuln (er hatte das Amt 42 v. Chr. innegehabt) den Antrag stellte, dem Octavianus den Titel „Augustus“ zu verleihen. Von den späteren Kaisern des Römischen Reiches führt Censorinus Claudius an, der von 41 bis 54 n. Chr. herrschte, außerdem Vespasianus und seinen Sohn und Nachfolger Titus, die von 69 bis 79 bzw. 79 bis 81 n. Chr. die Herrschaft innehatten, Domitianus, Kaiser von 81 bis 96 n. Chr., Antoninus Pius, Kaiser von 138 bis 161 n. Chr. sowie Septimius Severus und seinen Sohn Caracalla, Kaiser von 193 bis 211 n. Chr. bzw. 217 n. Chr. Auf die Kaiser seiner eigenen Zeit – allein im Entstehungsjahr des Werkes 238 n. Chr. hatte das Römische
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Reich sechs Kaiser erlebt (s. S. 6) – geht Censorinus hingegen mit keinem Wort ein. Bezeichnung von Jahren durch Konsulnamen Für viele Jahresangaben nutzt Censorinus, wie das in der ganzen römischen Antike üblich war, die Namen der beiden Konsuln, also der zwei höchsten Beamten, die zu Beginn eines jeden Jahres im Amt waren (heute wäre z. B. die jährlich wechselnde Bundesratspräsidentschaft für eine solche Datierung verwendbar); als historische Figuren interessieren ihn diese Konsuln sonst nicht. In der folgenden Übersicht sind in chronologischer Folge alle Konsulatsangaben bei Censorinus zusammengestellt. Dabei ist bei Männern, die wiederholt Konsul waren, mit einer römischen Zahl angegeben, um das wievielte Konsulat es sich handelt; bei römischen Kaisern steht hier nur der heute geläufige Name.
509 v. Chr.: Spurius Lucretius Tricipitinus und Publius Valerius Poplicola 456 v. Chr.: Marcus Valerius Maximus und Spurius Verginius Tricostus Caeliomontanus 346 v. Chr.: Marcus Valerius Corvus II und Gaius Poetelius Libo Visolus II 344 v. Chr.: Gaius Marcius Rutilus III und Titus Manlius Imperiosus Torquatus II 249 v. Chr.: Publius Claudius Pulcher und Lucius Iunius Pullus 236 v. Chr.: Publius Cornelius Lentulus Caudinus und Gaius Licinius Varus 158 v. Chr.: Marcus Aemilius Lepidus und Gaius Popillius Laenas II 149 v. Chr.: Lucius Marcius Censorinus und Manius Manilius 146 v. Chr.: Gnaeus Cornelius Lentulus und Lucius Mummius Achaicus
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126 v. Chr.: Marcus Aemilius Lepidus und Lucius Aurelius Orestes 46 v. Chr.: Gaius Iulius Caesar III und Marcus Aemilius Lepidus 45 v. Chr.: Gaius Iulius Caesar IV ohne Kollege 44 v. Chr.: Gaius Iulius Caesar V und Marcus Antonius 27 v. Chr.: Kaiser Augustus VII und Marcus Vipsanius Agrippa III 17 v. Chr.: Gaius Furnius und Gaius Iunius Silanus 8 v. Chr.: Gaius Marcius Censorinus und Gaius Asinius Gallus 47 n. Chr.: Kaiser Claudius IV und Lucius Vitellius III 74 n. Chr.: Kaiser Vespasian V und Titus III 86 n. Chr.: Kaiser Domitianus XII und Servius Cornelius Dolabella Petronianus 88 n. Chr.: Kaiser Domitianus XIV und Lucius Minicius Rufus 139 n. Chr.: Kaiser Antoninus Pius II und Gaius Bruttius Praesens II 204 n. Chr.: Lucius Fabius Cilo Septiminus Catinius Acilianus Lepidus Fulcinianus II und Marcus Annius Flavius Libo 238 n. Chr.: Fulvius Pius und Pontius Proculus Pontianus Messung von Zeit, Länge und Gewicht Der römische Kalender zählt die Monate von den „Kalenden“ (auf die unser Wort „Kalender“ zurückgeht), dem jeweiligen Monatsersten, und von den „Iden“ aus, die am 13. oder am 15. des Monats liegen (Details bei Censorinus 20,10); die „Nonen“ liegen jeweils neun (lateinisch nonus, der neunte) Tage vor den Iden. In den „vollen“ Monaten März, Juli, Mai und Oktober (als Merkbegriff dafür eignet sich „Milmo“), die allein ursprünglich 31 Tagen umfassten, liegen die Iden am 15. und die Nonen am 6. des Monats.
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Aus dem altägyptischen Kalender erwähnt Censorinus nur den Montag Thout/Thoyti, der mit dem Aufgang des Sirius (des „Hundssterns“) beginnt, aus dem Kalender der Juden die Siebentagewoche. Von einer thrakischen Tradition, auf einem liegenden Kalender gute Tage mit besonderen Steinchen zu markieren, berichtet wie Censorinus (2,1) auch der römische Gelehrte Gaius Plinius Secundus d. Ä. in seiner „Naturkunde“ (7,131). Die Zeitspannen Lustrum, „Großjahr“, „Säkulum“ und „Ewigkeit“ definiert Censorinus im zweiten Teil seines Werks (ab 16,2) selbst. Eine „Winterstunde“ (16,6) ist offenbar ein Zwölftel des lichten Tages im Winter, also weniger als eine heutige, vom Tageslicht unabhängige Stunde, die der „Tag- und NachtgleicheStunde“ (19,2) entspricht. Römische Längeneinheiten gehen vom „Fuß“ mit knapp 30 cm aus; Censorinus nennt den „Fingerbreit“, der 1/16 eines römischen „Fuß“ umfasste, also knapp 2 cm, und das „Stadion“ zu 623 Fuß, also etwa 185 m. Ferner kennt Censorinus andere Stadien-Längen: das olympische (von Olympia) und das pythische (von Delphi). An Gewichtseinheiten nennt er die „Drachme“, etwa 40 g. Die unsinnigen Angaben zum sich verändernden Gewicht des Herzens bei Censorinus (17,14) erklären sich übrigens vielleicht aus einem Missverständnis, da in altägyptischen Bildern des sogenannten Totengerichts oder Jenseitsgerichts dargestellt wird, wie das Herz eines Verstorbenen vor der Vereinigung seiner Seele mit seinem Leichnam gewogen wird.
W elc h e s W i s s e n s c h e n k t Censorinus seinen Lesern? Censorinus führt in seinem Werk eine Vielzahl von antiken Denkern an, deren Lehrmeinungen zu einem bestimmten Thema er meist nur sehr kurz zusammenfasst. Im Folgenden werden
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zunächst die im Geburtstagsbuch genannten Philosophen angeführt, dann die Vertreter der Fachwissenschaft. Philosophie Von den frühgriechischen Denkern nennt Censorinus mit Solon von Athen, der im 6. Jh. in Athen als Staatsmann, Dichter und Denker wirkte, einen der Sieben Weisen. Er spielt dabei auf eine Elegie an, in der Solon über die Lebensalter spricht; diese ist erhalten und lautet in der klassischen Übersetzung von Emanuel Geibel (1815–1884) wie folgt: Wann unmündig und klein noch das Kind ist, wirft es der Zähne Reihen im Wechsel zuerst ab bis ins siebente Jahr; Doch vollendet darauf nachfolgende Sieben ein Gott ihm, Geben die Zeichen alsbald reifender Jugend sich kund. Dann in den dritten umsäumt, wie der Wuchs vollendet hervortritt, Flaum sein Kinn und der Reiz wechselnder Farben erblüht. Schließt sich zum vierten die Woche, so fühlt auf dem Gipfel der Kraft sich Jeglicher Mann und es scheint rühmliche Tat ihm verbürgt. Doch in der fünften geziemt es ihm wohl, der Vermählung zu denken, Für zukünftige Zeit zeug’ er ein blühend Geschlecht. Drauf in der sechsten erstarkt sein Geist zu besonnener Klarheit Und nach vergeblichem Ziel hat er zu trachten verlernt, Vierzehn Jahre hindurch in der siebenten dann und der achten Woche durch kundigen Rat herrscht er und Redegewalt. Auch in der neunten vermag er noch manches, doch fühlt er ermattend,
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Dass zu gewichtiger Tat Kraft und Entschluß ihm gebricht. Aber erfüllt ihm ein Gott zum zehenten Male die Sieben, Mag dem Gereiften mit Fug nahen das Todesgeschick. (Solon, Elegie 19 D = 27 W) An Vertretern der sogenannten älteren ionischen Naturphilosophie, mit der in der griechischen Philosophie das Nachdenken über die Natur beginnt, bezieht sich Censorinus auf Anaximandros von Miletos, der in der ersten Hälfte des 6. Jh.s v. Chr. wirkte, und auf Hippon von Metapontion oder Samos, der ins 5. Jh. v. Chr. zu datieren ist. Von den jüngeren ionischen Naturphilosophen erscheint namentlich Demokritos von Abdera (um 460 – um 370 v. Chr.), dessen Lehre von den Atomen als kleinsten Teilen große Wirkung haben sollte. Von den weiteren Vorsokratikern nennt Censorinus wiederholt den Skeptiker Xenophanes von Kolophon (um 570 – um 470 v. Chr.), den bedeutenden Denker Herakleitos (Heraklit) von Ephesos, der um 500 v. Chr. wirkte, außerdem Parmenides von Elea aus dem 5. Jh. v. Chr. sowie Anaxagoras von Klazomenai (um 500–428 v. Chr.), Empedokles von Akragas (um 495 – um 435 v. Chr.; das von Censorinus 4,7 als „berühmt“ bezeichnete Gedicht ist nicht erhalten), Diogenes von Apollonia (spätes 5. Jh. v. Chr.) sowie die Redner und Sophisten Gorgias von Leontinoi (um 488–380 v. Chr.) und Isokrates von Athen (436–338 v. Chr.) – die beiden Letzteren allerdings nur wegen ihres hohen Lebensalters. Besondere Aufmerksamkeit finden bei Censorinus die Pythagoreer, denen u. a. das Nachdenken über die der Welt zugrundeliegenden Zahlenverhältnisse wichtig war. Allen voran erscheint der ins späte 6. Jh. v. Chr. zu datierende Pythagoras von Samos selbst, aber auch seine Schülerin Theano, die einzige weibliche antike Philosophin, von der noch heute Werke erhalten sind, und sein Schüler Epicharmos von Megara Hyblaia (um 540–460 v.
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Chr.). Pythagoras’ Anhänger sammelten sich in Unteritalien, etwa in Kroton (Cotrone), in Lukanien (Basilicata) und Taras (Tarento); zuerst sollen unter ihnen Philolaos von Kroton im 5. Jh. v. Chr. Niederschriften über die Lehre des Pythagoras und Alkmaion von Kroton Werke über die Natur des Menschen verfasst haben, ebenso im späten 5. Jh. Okellos Lukanos (der Beiname bedeutet „aus Lukanien“); in die erste Hälfte des 4. Jh.s gehört sodann der Pythagoreer Archytas von Taras. Wie der moderne Begriff „Vorsokratiker“ schon nahelegt, ist der Denker Sokrates von Athen (469–399 v. Chr.), den Censorinus einmal (12,1) erwähnt, von größter Bedeutung für die spätere Philosophie. Zu seinen Schülern gehört – neben Eukleides von Megara (um 450–380 v. Chr.) und neben dem Politiker und Militär Xenophon von Athen (428–354 v. Chr.), aus dessen auf Griechisch geschriebenen Erinnerungen an Sokrates (1,6,10) Censorinus (1,4) in lateinischer Übersetzung zitiert – vor allem der große Philosoph Platon von Athen (428–347 v. Chr.). Dieser wirkte in Athen als „die erhabenste Gestalt der alten Philosophie“ (14,12); er wurde zum Begründer der Philosophenschule im Akademos-Hain in Athen, der Akademie. Von den späteren Leitern dieser Philosophenschule nennt Censorinus den von 339 bis um 314 v. Chr. als solcher wirkenden Xenokrates von Chalkedon (um 395 – um 314 v. Chr.) sowie den Begründer der sogenannten „Neuen“ Akademie in Athen, Karneades von Kyrene (214–129 v. Chr.). Als Schüler Platons gründete der bedeutende Philosoph Aristoteles von Stageira (384–322 v. Chr.) die Philosophenschule des Peripatos im Lykeion (Lyzeum), einem Apollonheiligtum nahe Athen. Censorinus nennt auch die beiden Nachfolger des Aristoteles als Oberhäupter der peripatetischen Schule, Theophrastos von Eresos (372–287 v. Chr.) und Straton von Lampsakos (um 340 – um 268 v. Chr.), sowie Aristoteles’ Schüler Aristoxenos von Taras (um 360–300 v. Chr.), den
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Censorinus als Musiktheoretiker heranzieht, Dikaiarchos von Messene (375/350 – um 285 v. Chr.), dem vielerlei gelehrte Schriften verdankt werden, und nicht zuletzt den ersten Peripatetiker, der sich um 92 v. Chr. in Rom niederließ: Staseas von Neapolis. Auch Vertreter späterer Philosophenschulen erscheinen bei Censorinus, darunter der Diogenes von Sinope (um 412–321 v. Chr.), der Begründer der Philosophenschule der Kyniker, sowie Epikuros von Athen (341–270 v. Chr.), der die nach ihm als „Epikureer“ benannte Schule begründete. Häufiger nimmt Censorinus auf die Philosophenschule der Stoiker Bezug, die sich nach der Stoa Poikile (bunten Wandelhalle) in Athen benannte. Namentlich werden im Geburtstagsbuch der Begründer der Schule Zenon von Kition (335–263 v. Chr.) genannt, sein Nachfolger als Schuloberhaupt Kleanthes von Assos (331–232 v. Chr.) sowie sein Schüler Dionysios von Herakleia (328–248 v. Chr.). Fachwissenschaf t Die Beobachtung der Sterne und die Schlussfolgerungen daraus wurden in der Antike nicht als unterschiedliche Wissenschaften „Astronomie“ und „Astrologie“ wahrgenommen, sondern als Einheit; da in der heutigen Sprache diese Fachgebiete getrennt sind, nutzt die Übersetzung für astrologus immer den Begriff „Sternenkundiger“. Als älteste und wichtigste Sternenkundige galten die in Mesopotamien beheimateten Babylonier und Chaldäer; aus der griechischen Welt nennt Censorinus in diesem Fachgebiet aus dem 6. Jh. v. Chr. Kleostratos von Tenedos, aus dem 5. Jh. Harpalos, Meton von Athen und Oinopides von Chios, aus dem 4. Jh. Eudoxos von Knidos und seinen Schüler Kallipos von Kyzikos, einen Freund des Philosophen Aristoteles, und aus dem 3. Jh. Berossos von Babylon, Aristarchos von Samos, den Begründer
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eines heliozentrischen Weltbilds, sowie Eratosthenes von Kyrene (um 275 – um 194 v. Chr.), der durch seine Berechnungen zum Erdumfang berühmt wurde, und Dositheos von Alexandreia, aus dem 2. Jh. v. Chr. schließlich Epigenes von Byzantion (ob 7,5–6 dieser oder ein sonst nicht bekannter Namensvetter gemeint ist, lässt sich nicht mehr ermitteln) und Hipparchos von Nikaia. Nicht datierbar sind die von Censorinus genannten Sternenkundigen Aphrodisios, Aretes von Dyrrhachion, Dion, Dioskorides, Dorylaos, Kassandros, Menestratos und Nauteles, außerdem die Angaben der nach mythologischen Figuren benannten (oder unter deren Namen publizierten) Linos und Orpheus. Ob Censorinus mit den Genethliaci, den „Geburtstagsforschern“, griechische oder römische Autoren meint, muss offenbleiben. Für die Thematik des Geburtstagsbuchs wichtig sind immer wieder auch die Erkenntnisse der antiken Medizin. Allen voran steht der berühmte Hippokrates von Kos, der im späten 5. Jh. v. Chr. wirkte – und den Censorinus einmal (14,4) also zu Unrecht für älter als Solon zu halten scheint –, aber auch dessen Zeitgenossen Herodikos von Selymbria und Euryphon von Knidos. Aus späteren Jahrhunderten führt Censorinus den nach Hippokrates wichtigsten Mediziner Diokles von Karystos an, der im 4. Jh. wirkte, ferner Euënor von Athen (4./3. Jh. v. Chr.) und Herophilos von Chalkedon (um 330–260 v. Chr.), der in Alexandreia wirkte, sowie aus dem 1. Jh. Asklepiades von Prusa. Censorinus’ Exkurse zur Musiktheorie nennen Aristoxenos von Taras, den man auch unter die Schüler des Aristoteles gezählt hat. Das in 10,8–9 beschriebene Experiment hält übrigens einer Überprüfung nicht stand! Den vielen Namen, die im Geburtstagsbuch genannt werden (und die das „Who’s who“ am Ende dieses Bandes erschließt), ist gemeinsam, dass der Autor sie bei seiner Leserschaft fast durchweg als bekannt voraussetzt – das unter Gebildeten verbreitete „name dropping“ wichtiger Denker ist bei ihm besonders ausgeprägt!
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W o h e r bez o g C e n s o r i n u s s e i n e A n gabe n ? Sicher hat Censorinus die Werke der von ihm zitierten gelehrten Autoren nicht alle selbst gelesen (auch wenn er wiederholt Begriffe in altgriechischer Sprache wiedergibt). Woher also bezog er seine Angaben? Philosophiehandbücher Censorinus hat sich zweifellos an ältere handliche Zusammenstellungen von Philosophenmeinungen gehalten, die für uns zwar weitgehend verloren sind, für die aber Censorinus’ eigenes Werk nun ein (erhaltenes) Beispiel geworden ist. Besonders häufig zitiert er aus den (ebenfalls bis auf Fragmente verlorenen) Werken des römischen Universalgelehrten Marcus Terentius Varro im 1. Jh. v. Chr., die – wie vielleicht auch Gaius Suetonius Tranquillus (s. S. 31) – zu seinen Hauptvorlagen gehört haben mögen; wir kommen auf diese Werke zurück. Geschichtsschreibung Immer wieder stützt sich Censorinus daneben auch auf Werke von Historikern. Unter ihnen nennt er an griechischen Geschichtsschreibern den berühmten Herodotos von Halikarnassos (um 480–420 v. Chr.), dann Ephoros von Kyme (um 405–330 v. Chr.), dessen Werk ebenso wie das des Timaios von Tauromenion (um 350–260 v. Chr.) und das des Sosibios von Lakedaimon (wohl Mitte 3. Jh. v. Chr.) bis auf Fragmente verloren ist. Während Censorinus die Etruskergeschichte durch die Vermittlung eines römischen Autors kennt (17,5), bezieht er sich bei den römischen Historikern auf die Annalen der Alten (17,10), namentlich auf Marcus Fulvius Nobilior, einen der Konsuln des Jahres 189 v. Chr., auf Lucius Cassius Hemina und Lucius Calpurnius Piso Frugi, die im 2. Jh. v. Chr. wirkten (aus den
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Annalen des letztgenannten Historikers zitiert Censorinus 17,10 wörtlich), auf Gnaeus Gellius und Marcus Iunius Gracchanus im späteren 2. Jh. v. Chr. und auf Gaius Licinius Macer im frühen 1. Jh. v. Chr., außerdem auf dessen jüngeren Zeitgenossen Valerius Antias, auf den berühmten Historiker Titus Livius (59 v. Chr. – 17 n. Chr.), aus dessen Geschichtswerk er aus dem (sonst verlorenen) 136. Buch zitiert, auf Fenestella (52 v. Chr. – 19 n. Chr.) und auf Gaius Suetonius Tranquillus (um 70 – um 140 n. Chr.) „sowie andere Chronographen“, die wir nicht identifizieren können (20,2). Dokumente Zu den von Censorinus zitierten Rechtsdokumenten der römischen Antike gehörten die Regelungen im (nur in Fragmenten bewahrten) sogenannten Zwölftafelgesetz, auf das Censorinus zweimal (23,8; 24,3) Bezug nimmt. An späteren Dokumenten zitiert er Protokolle der Quindecimviri, einen von Marcus Plaetorius durchgesetzen Volksbeschluss – nämlich die nur bei Censorinus (24,4) erwähnte lex Plaetoria – sowie Edikte des Kaisers Augustus; vielleicht kannte er auch die Inschrift mit den Bestimmungen zur Durchführung der Säkularfeiern durch die Quindecimviri. Antiquarische Literatur Wahrscheinlich entnahm Censorinus auch manche dieser Zeugnisse späteren Werken, die sich mit „antiquarischen“ Fragen befassten, also an Details der Vergangenheit an sich interessiert waren – was ja auch für das Geburtstagsbuch gilt; ja, man hat es als einen Vertreter der (verlorenen) Gattung des Logistoricus, des erzählenden Wissensbuchs, verstanden, die insbesondere von Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.) gepflegt wurde. Varro war für die Arbeit des Censorinus wohl der wichtigste Autor; er wird im Geburtstagsbuch von allen Autoren am häufigsten
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angeführt. Genannt werden dabei seine Werke Atticus de numeris („Atticus: Über die Zahlen“), Antiquitates rerum humanarum et divinarum („Altertümer menschlicher und göttlicher Angelegenheiten“), Tubero de origine humana („Tubero: Über den Ursprung des Menschen“) sowie De scaenicis originibus („Über den Ursprung der Bühnenspiele“), aus denen Censorinus teils wörtlich zitiert (keines dieser Werke ist uns ganz erhalten). Im späten 1. Jh. v. Chr. schuf der Gelehrte Granius Flaccus ein Werk De indigitamentis („Über Anrufungsformeln“), auf das Censorinus ebenfalls direkt Bezug nimmt; auch Gaius Suetonius Tranquillus ist als Autor (heute verlorener) antiquarischer Werke bekannt. Die von Censorinus einmal (4,11) pauschal genannten Genealogoe („Herkunftsforscher“) mögen ebenfalls Verfasser antiquarischer Literatur gewesen sein. Spruchweisheit und Dichtung Immer wieder zitiert Censorinus aber auch wörtlich, so die Sprichworte „Das Schwein belehrt Minerva“ (1,7), dem etwa im Deutschen „Die Gans lehrt den Schwan das Singen“ entspricht, und „erst nach einem Säkulum“ (17,13; etwa im Sinne von „alle Jubeljahre“). Auch die Werke der römischen Dichter führt Censorinus gerne an, darunter ihren ersten bedeutenden Vertreter Quintus Ennius (239–169 v. Chr.). Auf die beiden bedeutendsten römischen Komödiendichter nimmt das Geburtstagsbuch direkt Bezug: auf Titus Maccius Plautus (um 254 – um 184 v. Chr.), bei dem er den Begriff „Vesperugo“ für den Abendstern findet (21,4), und auf Publius Terentius Afer (Terenz, um 190–159 v. Chr.), aus dessen Komödie Heautontimorumenos („Der Selbstpeiniger“, Verse 195–196) Censorinus eine Sentenz wörtlich anführt (1,3). Ferner nimmt Censorinus auf das verlorene 16. Buch der Saturae („Satiren“) des römischen Dichters Gaius Lucilius (nach 180–103 v. Chr.) Bezug (3,3) und zitiert einen Halbvers aus dem Werk De
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natura („Über die Natur“ 1,733) des Titus Lucretius Carus (um 97 – um 55 v. Chr.). Von den Dichtern aus der Zeit des Augustus nennt Censorinus Publius Vergilius Maro (Vergil, 70–19 v. Chr.) nur wegen eines Begriffs (24,4); einmal (4,11) verweist er zu einem Detail auf den „Dichter“ Vergil (Aeneis 8,314–315). Aus dem Carmen saeculare des bereits zu Beginn dieser Einführung genannten Quintus Horatius Flaccus (Horaz, 65–8 v. Chr.) zitiert Censorinus hingegen vier Zeilen wörtlich (17,9); wir geben auch sie in der schon oben genannten klassischen Übersetzung von Johann Heinrich Voß wieder. Aus der zweiten Satura („Satire“) des kaiserzeitlichen Autors Aulus Persius Flaccus (34–62 n. Chr.) führt Censorinus (1,2) zwei Verse an. Auch sie ist ein Geburtstagsgeschenk für einen Freund des Autors, hier einen Macrinus. Der Anfang des Gedichts lautet in der klassischen Übersetzung von Benjamin August Bernhard Otto (1784–1847) wie folgt (zum „glücklichen“ Stein s. S. 24 und zum „Geburtstagsgott“, dem Genius, s. S. 18): Zähle, Macrinus, nach glücklichem Steine diesen Geburtstag denen hinzu, der strahlend dir rollende Jahre hinzureiht. Opfere Wein dem Geburtstagsgott ... (Persius, Satiren 2, 1–3)
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W i e i s t da s G eb u r t s tag s b u c h a u f u n s ge k o mme n ? Censorinus’ Geburtstagsbuch ist – wie fast alle antiken Werke – nicht im Autograph erhalten, doch findet sich sein Text in einem prachtvollen Pergament-Codex aus dem 7./8. Jahrhundert n. Chr., der einst in Darmstadt lag und heute in der Diözesanbibliothek in Köln als Nr. 166 bewahrt wird. Der Codex überliefert verschiedene Lehrtexte zur Grammatik, Rhetorik und Dialektik, also zu wichtigen Aspekten der Sieben Freien Künste (Septem Artes Liberales), in die das Mittelalter das Bildungswissen eingeteilt hat, und ist für ein „Wissensbuch“ besonders schön gestaltet, wovon Abb. 1 einen Eindruck vermitteln kann. Unter den Werken, die der Kölner Codex umfasst, befindet sich ab Blatt ( fol.) 232 auch ein Werk, das nur als „anderes Buch“ (liber aliud) bezeichnet wird, ohne dass ein Autor oder ein Titel genannt würden. Erst ein späterer Benutzer des Codex hat hier nachgetragen, dass es sich um ein Werk des Censorinus mit dem Titel De die natali, also um Censorinus’ Geburtstagsbuch handelt. Von der Entstehung des Werks in der Antike ist der Kölner Codex durch etwa ein halbes Jahrtausend getrennt; der in ihm überlieferte Text beruht dabei zweifellos auf immer neuen, heute verlorenen Abschriften des Originals – und wie beim Kinderspiel „Stille Post“ sind solche vielfachen Kopiervorgänge fehlerträchtig. So ist offenbar in irgendeiner dieser heute verlorenen Abschriften der Abschnitt 14,7–17,9 zwischen die Kapitel 6 und 7 geraten, wo er jedenfalls im Kölner Codex zu finden ist, aber dem Gedankengang des Werkes nicht entspricht. Außerdem sind Textteile am Ende von 5,5 nach 17,10 und von 6,10 nach 5,5 verlegt, wohl weil hier in einer älteren (verlorenen) Kopie der Übergang zu einer neuen Seite mit einem Vorausverweis abgesichert werden sollte. Ferner sind manche Wörter im Laufe der
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Abb. 1: Köln, Diözesanbibliothek, Codex 166, fol. 232r
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Abschriften so entstellt worden, dass sie sinnloses Latein bieten, und andere verloren gegangen: So finden sich in 14,7 und 17,10 evidente Lücken im Text (deren vermutlicher Inhalt in unserer Übersetzung in spitzen Klammern ergänzt wird), und manche Gelehrte haben gemeint, dass am Ende des Werks (nach Kapitel 24) ein kleines Schlusskapitel verloren gegangen sei. Sicher ist hingegen, dass alle diese Versehen bereits im Kölner Codex stehen – und aus ihm in alle späteren Abschriften übernommen worden sind. Censorinus’ Geburtstagsbuch erfreute sich nämlich im Mittelalter einiger Beliebtheit: So wie der Kölner Codex auf (verlorenen) Abschriften von Abschriften beruhte, wurde er später wiederholt abgeschrieben, und auch diese Kopien wiederum handschriftlich vervielfältigt. Heute besitzen Bibliotheken in ganz Europa mittelalterliche Codices mit dem Text des Geburtstagsbuchs, das bereits 1497 in einer ersten gedruckten Ausgabe erschien und dann schon binnen einer Generation – 1498, 1500, 1503, 1514, 1519 und zweimal 1518 – in rascher Folge sieben Neuausgaben erlebte. Die bereits im Kölner Codex enthaltenen Textfehler zu korrigieren, ist der philologischen Forschung weitgehend gelungen. Auf diesem (verbesserten) Text des Kölner Codex beruht auch unsere Übersetzung. Sie bemüht sich um eine klare Wiedergabe von Censorinus’ Text für eine heutige Leserschaft; die Einführung ermöglicht es, mit dem bei der antiken Leserschaft vorausgesetzten Allgemeinwissen auf den Text zuzugehen; alle weiteren notwendigen Erläuterungen sind im nun folgenden Text in runden Klammern hinzugefügt, außerdem die moderne Einteilung in Kapitel und Abschnitte, die neuen Überschriften und die neuen Abbildungen. Wir hoffen, dass so ein Buch, das im 3. Jh. „Bildung als Geschenk“ überreichte, im 21. Jh. ein neues Lesepublikum beschenkt!
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Censorinus
Das Geburtstagsbuch
E i n B u c h al s G abe z u m G eb u r t s tag 1. (1) Geschenke aus Gold oder im Silberglanz, bei denen die Bear-
beitung noch kostbarer ist als das Material, und anderes dieser Art – Blendwerk des Glücks – begafft, wer gemeinhin reich genannt wird. Dich aber, Quintus Cerellius, der du nicht weniger reich an Tugend als an Geld und also in Wahrheit reich bist, fesseln solche Dinge nicht. (2) Nicht, weil du ihren Besitz und auch Gebrauch ganz und gar von dir zurückwiesest, sondern weil du – durch den Unterricht der Weisen gebildet – klar genug erkannt hast, dass diese Dinge, auf unsicherem Grund gebaut, an sich weder etwas Gutes noch etwas Übles sind, sondern zu denen gehören, die man (auf Griechisch) tôn mesôn, also in der Mitte zwischen Gut und Übel einordnet. (3) Sie sind, wie der Komödiendichter (Publius) Terentius (Afer) sagt, gerade so viel wert wie der Geist ihres Besitzers: Wer sie zu gebrauchen versteht, für den sind sie Gutes, für den, der keinen richtigen Gebrauch von ihnen macht, Übles. (Terentius, Heautontimoroumenos 195–196) (4) Da nun jeder umso reicher ist, nicht je mehr er hat, sondern je weniger er wünscht, so bist du umso wohlhabender, da dir die Schätze im Geist als die größten gelten, und zwar diejenigen,
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die nicht nur alle Güter des Menschengeschlechts übertreffen, sondern sogar der Ewigkeit der unsterblichen Götter nahekommen – was Xenophon (von Athen), ein Schüler des (Philosophen) Sokrates, wie folgt sagt: Nichts zu bedürfen ist den Göttern beschieden, möglichst wenig aber zu bedürfen kommt den Göttern am nächsten. (Xenophon, Memorabilien 1,6,10) (5) Da dir also bei den Vorzügen deines Geistes wertvolle Güter nicht fehlen und da ich bei meiner Dürftigkeit keinen Überfluss an ihnen habe, habe ich aus den Gaben, über die ich verfüge, zusammengestellt, was dieses Buch ausmacht, und dir zu deinem Geburtstag geschickt. (6) Darin habe ich nicht, wie es bei den meisten üblich ist, Lehren aus der ethischen Abteilung der Philosophie zum glücklichen Leben entnommen, um sie dir aufzuschreiben, und auch nicht aus den Rhetorik-Lehrbüchern Stellen zur Verherrlichung deines Ruhmes herausgesucht – du bist ja schon zum Gipfel aller Vollkommenheit hinaufgestiegen, sodass du alles, was man weise raten oder beredsam preisen kann, durch dein Leben und deinen Charakter übertroffen hast –, sondern habe aus den Schriften der Philologen einige kleine Fragen ausgewählt, die miteinander vereinigt ein Bändchen ergeben können. (7) Dass dieses Buch von mir aus Belehrungsdrang oder aus Geltungsbedürfnis erarbeitet worden sei, verneine ich vorab, damit mir nicht zu Recht nachgesagt wird, was ein altes Sprichwort beschreibt: Das Schwein (belehrt die Weisheitsgöttin) Minerva. (Otto, Sprichwörter der Römer Nr. 1118) (8) Vielmehr weiß ich doch, dass ich aus der Begegnung mit dir
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mehr gelernt habe! Damit ich deinen Wohltaten gegenüber nicht undankbar erscheine, bin ich dem Beispiel unserer Vorfahren gefolgt, Menschen von unerreichter Rechtschaffenheit. (9) Jene waren nämlich der Ansicht, dass sie ihre Nahrung, die Heimat, das Tageslicht, ja sich selbst als Gaben der Götter hätten, und so pflegten sie von allem einen Teil den Göttern zu opfern, mehr um ihre Dankbarkeit unter Beweis zu stellen, als weil sie geglaubt hätten, die Götter bräuchten diese Opfer. (10) Daher haben sie eingeführt, wenn sie die Feldfrüchte eingebracht hatten, vor dem eigenen Essen den Göttern ein Dankopfer zu bringen. Daher haben sie ihnen, wenn sie Äcker und Städte durch die Gabe der Götter besaßen, einen bestimmten Teil für Tempelbezirke und Heiligtümer gewidmet, wo sie sie verehren konnten. Daher haben manche für die Sicherung ihrer allgemeinen körperlichen Gesundheit speziell ihr Haupthaar als Weihegabe für einen Gott wachsen lassen. (11) So also erstatte auch ich dir, von dem ich das Meiste in der Gelehrsamkeit erhalten habe, diese bescheidenen Dankopfer.
R u n d u m d i e G eb u r t (1) Jetzt soll, weil das Buch den Titel De die natali („Über den Geburtstag“) trägt, der Anfang mit guten Wünschen gemacht werden. Deshalb, um mit (dem Dichter Aulus) Persius (Flaccus) zu reden,
2.
zähle nach glücklichem Steine diesen Geburtstag ... (Persius, Satiren 2,1)
Ich wünsche dir, dass du noch sehr oft tun kannst, was derselbe Dichter anschließend sagt:
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... opfere (ungemischten) Wein dem Genius! (Persius, Satiren 2,3)
Was muss man über den Genius wissen? (2) Hier könnte nun vielleicht jemand fragen, was der Grund für die Ansicht des Persius sei, man solle dem Genius ungemischten Wein spenden und nicht Schlachtopfer darbringen. Den Grund dafür nennt (Marcus Terentius) Varro in dem Buch, das den Titel Atticus und de numeris („Atticus: Über die Zahlen“) trägt: Unsere Vorfahren haben an dieser Art von Brauchtum und Tradition festgehalten, um an dem Tag, an dem sie die alljährliche Spende für den Genius darbrächten, die Hand von Schlachten und Blutvergießen fernzuhalten, damit sie nicht an dem Tag, an dem sie selbst Licht erblickt hätten, es anderen nähmen. (3) Im Übrigen wird in Delos am Altar des (Gottes) Apollon Genitor – wie (der Historiker) Timaios (von Tauromenion) berichtet – von niemandem ein Opfertier geschlachtet. Auch ist an diesem Tag darauf zu achten, dass es niemandem erlaubt ist, die dem Genius dargebrachte Opfergabe vor demjenigen zu kosten, der sie dargebracht hat.
W elc h e G abe n be ko mm t de r Ge ni u s ?
W e r i s t de r Ge ni u s ? Doch auch folgende, schon von bestimmten Leuten oft gestellte Frage scheint mir zu beantworten zu sein: Wer der Genius ist und warum wir vor allem ihn am Geburtstag – ein jeder an seinem eigenen – verehren. 3. (1) Der Genius ist ein Gott, in dessen Schutz jeder lebt, sobald er geboren wird – sei es, weil er dafür sorgt, dass wir gezeugt werden, sei es, weil er selbst gleichzeitig mit uns gezeugt wird, oder sei es, weil er uns als Gezeugte übernimmt und beschützt, heißt er sicher nach dem (lateinischen) Wort geno („zeugen“) Genius.
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(2) Dass Genius und Lar identisch sind, haben viele alte Gelehrte überliefert, darunter auch Granius Flaccus, in einem Buch, das er für (Gaius Iulius) Caesar De indigitamentis („Über Anrufungsformeln“) geschrieben und hinterlassen hat. Dass dieser Gott über uns die größte, ja sogar alle Gewalt habe, hat man geglaubt. (3) Dass man je zwei Genien – jedenfalls in den Häusern, in denen Ehepaare wohnen – verehren müsse, haben einige Gelehrte geglaubt. Dass uns überhaupt allen ein doppelter Genius zugeordnet ist, behauptet hingegen Eukleides, ein Schüler des Sokrates; diese Tatsache kann man bei (dem römischen Dichter Gaius) Lucilius im 16. Buch der Satiren erkennen. Dem Genius also opfern wir in aller Regel das ganze Leben lang in jedem Jahr. (4) Freilich gibt es nicht nur ihn, sondern außerdem noch mehrere andere Götter, die das Leben der Menschen in ihrem jeweiligen Bereich fördern. Dem, der sie kennenlernen will, bieten die (eben genannten) Bücher De indigitamentis (des Granius Flaccus) ausreichend Material. Diese Götter aber setzen alle nur ein einziges Mal bei jedem einzelnen Menschen die Kraft ihrer göttlichen Wirkung um, weshalb sie auch nicht das ganze Leben lang jedes Jahr durch eine Kulthandlung herbeibemüht werden (sondern nur ein einziges Mal). (5) Der Genius ist uns so als hilfreicher Bewacher beigegeben, dass er sich auch nicht für einen noch so kleinen Zeitpunkt weiter entfernt, sondern uns schon im Mutterleib annimmt und bis zum letzten Lebenstag begleitet. Während nun aber die Menschen immer nur ihren jeweils eigenen Geburtstag feiern, fühle ich mich jedes Jahr zu zweimaligem Dienst in diesem Kult verpflichtet (einmal für dich und einmal für mich). (6) Da ich ja von dir und deiner Freundschaft meine Ehre, Würde, Wertschätzung und Sicherheit, kurz: alle Wohltaten des Lebens empfange, sähe ich es als Gottlosigkeit an, wenn ich deinem Tag, der dich für mich ins Licht der Welt gebracht hat, weniger Ehrerbietung erwiese
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als meinem eigenen. Mein Geburtstag gab mir das Leben, deiner dem Leben Wirkung und Schmuck. Was ist der Ursprung der Menschen? 4. (1) Da nun die Lebenszeit mit dem Geburtstag ihren Anfang nimmt und es vor diesem Tag vieles gibt, was sich auf den Ursprung der Menschen bezieht, scheint es nicht verfehlt, zuerst darüber zu sprechen, was der Geburt von Natur aus vorausgeht. Deshalb will ich von den Meinungen, die von den alten Gelehrten über den Ursprung der Menschheit vertreten wurden, einiges in Kürze darlegen. (2) Diese Frage ist als erste und allgemeine bei den alten Fachgelehrten behandelt worden, da ja feststeht, dass die Menschen jeweils für sich aus den Samen ihrer Eltern hervorgegangen sind und sich ihrerseits in der Abfolge ihrer Nachfahren durch viele Säkulen (s. 16,7) weiter fortpflanzen. Die einen Gelehrten haben die Auffassung vertreten, dass es schon immer Menschen gegeben habe, sie nie anders als von Menschen hervorgebracht worden seien und für ihre Entstehung keinerlei Anfang oder Beginn bestanden habe. Andere Gelehrte haben hingegen gemeint, dass es eine Zeit gegeben habe, in der es noch keine Menschen gab; ihnen müsse deshalb von der Natur irgendeine Entstehung und ein Anfang zugeteilt worden sein. (3) Die erstgenannte Auffassung, derzufolge man glaubt, dass es schon immer ein Menschengeschlecht gegeben habe, hat folgende Vertreter: Pythagoras von Samos, Okellos Lukanos, Archytas von Taras und überhaupt alle Pythagoreer (Angehörige der von Pythagoras begründeten Philosophenschule); dann auch Platon von Athen, Xenokrates (von Chalkedon), Dikaiarchos von Messene und ebenso die Philosophen der alten Akademie (der von Platon begründeten Philosophenschule), die offenbar nichts anderes gemeint haben; schließlich haben Aristoteles von Stageira, Theophrastos (von Eresos) und außerdem viele andere nicht
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unbedeutende Peripatetiker (Angehörige der von Aristoteles begründeten Philosophenschule) dasselbe geschrieben und als Beleg für diese Sache angeführt, man könne überhaupt nicht herausfinden, ob zuerst die Vögel oder zuerst die Eier erschaffen wurden, da ja weder ein Ei ohne Vogel noch ein Vogel ohne Ei entstehen könne. (4) Deshalb nehmen sie auch von allen anderen Wesen an, die jemals auf dieser ewigen Welt waren und sein werden, dass es niemals einen Beginn gegeben habe; vielmehr gebe es eine Art Kreislauf von Zeugung und Geburt, in dem für jeden einzelnen Geborenen zugleich Anfang und Ende zu liegen scheinen. (5) Die Vertreter der (anderen) Meinung, derzufolge eine Art Erstgeborene durch göttliche Kraft oder die Natur geschaffen worden seien, waren zahlreich, haben aber diese Meinung immer wieder anders durch ihre Spekulationen umgestaltet: (6) Nicht näher eingehen will ich hier auf das, was die legendenhaften Geschichten der Dichter angeben, etwa dass die ersten Menschen aus dem weichen Lehm des Prometheus gebildet wurden oder aus den harten Steinen des Deukalion und der Pyrrha (die nach der Sintflut Steine ausgesät hätten, aus denen Menschen entsprossen seien). Manche Berufsphilosophen jedoch bringen sogar meines Erachtens noch monströsere und sicher nicht weniger unglaubwürdige Meinungen in ihre Überlegungen ein: (7) Anaximandros von Miletos etwa sagte, es scheine ihm, dass aus Wasser und Erde, die erwärmt gewesen seien, Fische oder jedenfalls Fischen sehr ähnliche Lebewesen geworden; in diesen seien Menschen entstanden und hätten sich die Föten bis zur Geschlechtsreife verpuppt, bis dann schließlich nach Aufbrechen der Wesen Männer und Frauen hervorgekommen seien, die sich schon selbst ernähren konnten. Empedokles (von Akragas) bestätigt in seinem berühmten Gedicht – dass es von hohem Rang ist, betont (der römische Dichter Titus) Lucretius (Carus) mit den Worten
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„ ... scheint’s, als sei er nicht menschlichem Stamme entsprossen“ (Lucretius, De natura 1,733) – etwa das Folgende: (8) Zuerst seien einzelne Gliedmaßen aus der gleichsam schwangeren Erde an vielen Orten hervorgekommen, dann seien diese zusammengegangen und hätten das Material des ganzen Menschen geschaffen, und zwar durch eine Mischung aus Feuer und Feuchte. Ist das Übrige nachzuverfolgen noch nötig, was ja ohnehin auch nicht den Anschein von Wahrheit beanspruchen kann? Eben dieselbe Meinung gab es auch bei Parmenides von Elea, von einigen wenigen Einzelheiten abgesehen, die von Empedokles abweichen. (9) Demokritos von Abdera hielt es hingegen für richtig, dass die Menschen anfänglich aus Wasser und Schlamm hervorgegangen seien. Nicht viel anders dachte auch Epikuros (von Athen); der nämlich glaubte, dass im erwärmten Schlamm – ich weiß nicht wie – Gebärmütter seien, die mit Wurzeln in der Erde hängen, dass diese heranwachsen und den aus ihnen herausgekommenen Kindern mit Unterstützung der Natur einen eigenständigen Milchsaft bereitstellen; auf diese Weise aufgezogen und erwachsen geworden, hätten diese dann das Menschengeschlecht fortgepflanzt. (10) Zenon von Kition, der Begründer der Philosophenschule der Stoa, glaubte, dass der Beginn des Menschengeschlechts aus einer neuen Welt stamme und dass die ersten Menschen allein mithilfe des göttlichen Feuers – also der Vorsehung eines Gottes – entstanden seien. (11) Volksglauben gibt es schließlich auch noch, wie mehrere Genealogoe (Herkunfsforscher) belegen: Von gewissen Völkern, die nicht von einem eingewanderten Stamm abstammen, glaubte man, dass die Urväter (principes) aus der Erde entsprossen seien – so in Attika, Arkadien und Thessalien – und man
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diese als „Autochthone“ („Erdgeborene“) bezeichne. In Italien sollen – wie der Dichter (Vergil, Aeneis 8,314–315) besungen hat – Nymphen und eingeborene Faune bestimmte Haine bewohnt haben, was die noch ungeschulte Leichtgläubigkeit der Alten ohne Schwierigkeit übernommen hat. (12) Heute ist die Lust an der poetischen Freiheit aber so weit fortgeschritten, dass Dinge zusammengedichtet werden, die man kaum anhören kann: So seien erst nach Beginn des Menschengedenkens, als bereits Völker entstanden und Städte gegründet waren, Menschen aus der Erde auf verschiedene Weise herausgebracht worden: Für Attika etwa wird überliefert, dass Erichthonios aus dem Samen des Gottes Vulcanus (Hephaistos) von der Erde geboren worden sei. In Kolchis (am Schwarzen Meer) oder Böotien (in Griechenland) seien Drachenzähne ausgesät und daraus bewaffnete spartoe („Ausgesäte“) entstanden, von denen dann nach gegenseitiger Hinschlachtung einige wenige übriggeblieben seien, die bei der Gründung von Theben dem Kadmos zuhilfe gekommen seien. (13) Auch in der Region von Tarquinia (im Etruskerland) soll durch göttliches Zutun ein Knabe namens Tages ausgepflügt worden sein, der die Lehre von der Eingeweideschau in Versen offenbart habe, was die Lukumonen – die damaligen Machthaber in Etrurien – aufgeschrieben hätten. 5. (1) So viel zum ersten Ursprung der Menschen. Was geschieht vor der Gebur t? Was nun unsere gegenwärtigen Geburtstage und deren Voraussetzungen betrifft, will ich nun, soweit ich dies vermag, in einem Kompendium sagen. (2) Woher der Samen kommt, steht bei den Berufsphilosophen nicht fest: Parmenides (von Elea) glaubte, er werde bald aus der rechten, bald aus der linken Körperseite gebildet. Hippon von Metapontion – oder, wie
W o h e r ko mm t de r Same n ?
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Aristoxenos (von Taras) angibt, von Samos – schien es hingegen richtig, dass der Samen aus dem Mark ausfließe, was dadurch bewiesen werde, dass man, wenn man männliche Tiere nach der Paarung töte, bei ihnen kein Mark finde, da es eben erschöpft sei. (3) Diese Meinung lehnen freilich einige ab, so Anaxagoras (von Klazomenai), Demokritos (von Abdera) und Alkmaion (von Kroton); sie antworten nämlich, dass die männlichen Tiere nach der Bespringung von Herden nicht nur im Mark, sondern auch im Fett und auch erheblich im Fleisch ausgezehrt werden. (4) Aber auch folgende Frage führt bei den Autoren zu unterschiedlichen Meinungen, ob der Fötus ausschließlich aus dem Samen des Vaters gezeugt werde, wie Diogenes (von Apollonia), Hippon (von Metapontion) und die Stoiker geschrieben haben, oder auch aus dem der Mutter, wie Anaxagoras (von Klazomenai) und Alkmaion (von Kroton), aber auch Parmenides (von Elea), Empedokles (von Akragas) und Epikuros (von Athen) als richtig angesehen haben.
A u s welc h em Same n w i r d de r F ö t u s geze u g t ?
Wa s e n t w i c k elt s i c h be im F ö t u s al s E r s t e s ? (5) Zur Frage nach der Entwicklung des Fötus gestand Alkmaion (von Kroton) ein, dass er durchaus nichts Genaues wisse, da er meinte, niemand könne wahrnehmen, was sich beim Kind als Erstes ausforme. 6. (1) Empedokles (von Akragas) hat geurteilt – darin ist ihm Aristoteles (von Stageira) gefolgt –, dass vor allen anderen Körperteilen sich das Herz als Erstes entwickele, da es das Leben des Menschen am meisten umfasst, Hippon (von Metapontion) hingegen, dass es der Kopf sei, in dem das Haupt des Geistes ist, Demokritos (von Abdera), dass es die Bauchhöhle mit dem Kopf sei, da sie den größten Anteil am Ausdehnungsraum haben, und Anaxagoras (von Klazomenai), dass es das Gehirn sei, von dem sich alle Sinne herleiten. Diogenes von Apollonia glaubte, dass
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zunächst aus Flüssigkeit Fleisch werde, dann aus dem Fleisch Knochen, Sehnen und die übrigen Teile entstehen. (2) Die Stoiker hingegen sagten, das gesamte Kind bilde sich als Einheit, so wie es auch als Einheit geboren wird und heranwächst. Es gibt Gelehrte, die dies als von der Natur selbst aus geschehend ansehen – so Aristoteles (von Stageira) und Epikuros (von Athen) –, es gibt Gelehrte, die dies als aus der Kraft eines Samens, der den Geist begleitet, geschehend ansehen – so fast alle Stoiker –, und es gibt Gelehrte, die meinen, es gebe im Samen eine ätherische Wärme, welche die Ausformung der Glieder regele – darin folgen sie Anaxagoras (von Klazomenai). (3) Wie auch immer das Kind sich also auch ausformen mag – darüber, wie es im Mutterleib ernährt wird, gibt es zwei entgegengesetzte Meinungen: Anaxagoras (von Klazomenai) und den meisten anderen Gelehrten scheint es richtig, dass es durch die Nabelschnur mit Nahrung versorgt wird, Diogenes (von Apollonia) und Hippon (von Metapontion) hingegen vertraten die Auffassung, dass es im Mutterleib eine Art Vorsprung gebe, den das Kind mit dem Mund annimmt und aus dem es seine Nahrung so zieht wie nach seiner Geburt aus den Brüsten der Mutter. W i e w i r d da s K in d im M u t t e r le ib e r n ä h r t ?
(4) Was der Grund dafür ist, dass männliche oder weibliche Kinder geboren werden, wird von denselben Philosophen unterschiedlich angegeben: Dass von dem Elternteil, dessen Samenmenge größer war, das Geschlecht bestimmt werde, sagte Alkmaion (von Kroton). Dass aus feineren Samen weibliche, aus dichteren männliche Kinder entstünden, behauptet hingegen Hippon (von Metapontion). (5) Dass von den beiden Elternteilen die geschlechtliche Natur dessen übernommen werde, der seinen Sitz zuerst eingenommen hat, gab Demokritos (von Abdera) an;
W i e e n t s t e h e n m ä n n l i c h e u n d we ibl i c h e K in de r ?
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miteinander streiten würden nämlich weibliche und männliche Teile, und wer von beiden den Sieg erringe, dessen Eigenart werde weitergetragen, wie Parmenides (von Elea) angibt. (6) Dass durch aus dem rechten Körperteil ausfließenden Samen männliche, aus dem linken weibliche Kinder entstehen, darin stimmen Anaxagoras (von Klazomenai) und Empedokles (von Akragas) überein. Wenn freilich die Auffassungen der beiden in diesem Punkt auch kongruent sind, unterscheiden sie sich zur Frage der Ähnlichkeit von Kindern. Bei der Erörterung dieser Frage gibt Empedokles Folgendes an: (7) Wenn die Wärme beider Elternteile für die Samen gleich war, werde ein dem Vater ähnliches männliches Kind gezeugt; bei gleicher Kälte entstehe ein der Mutter ähnliches weibliches Kind; wenn aber (der Samen) des Vaters wärmer und der der Mutter kälter war, entstehe ein Junge, der die Züge der Mutter aufweist; war der Samen der Mutter wärmer, der des Vaters kälter, gebe es ein Mädchen, das Ähnlichkeiten mit dem Vater hat. (8) Anaxagoras hingegen urteilte, dass die Kinder die Züge desjenigen Elternteils wiedergeben, der die größere Samenmenge beigetragen habe. Die Meinung des Parmenides (von Elea) schließlich ist, dass für den Fall, dass der Samen aus der rechten Seite kommt, Söhne entstünden, die dem Vater ähneln, bei linksseitigem Samen aber der Mutter.
W elc h em E lt e r n t e i l we r de n K in de r ä h n l i c h ?
(9) Es folgt nun etwas über Zwillinge. Dass gelegentlich Zwillinge geboren werden, liegt nach Hippon (von Metapontion) an der Art des Samens: Wenn nämlich dieser reichlicher vorhanden ist als für ein einziges Kind genügt, werde dies zweifach angelegt. (10) Etwa dasselbe scheint auch Empedokles (von Akragas) gemeint zu haben; er hat allerdings nicht die Gründe dafür angegeben, dass diese Teilung erfolgt, und sagt vielmehr nur, dass (der Samen) aufgeteilt werde, und wenn W ie e n t s t e h e n Z w i ll in ge ?
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beide Teilmengen gleich warme Sitze einnähmen, würden beide als männliche Kinder geboren, bei gleich kühlen als weibliche; wenn aber der eine Sitz wärmer, der andere kühler sei, werde die Geburt Kinder von verschiedenem Geschlecht umfassen. Was ist der Zeitpunkt der Gebur tsreife? (1) Es steht aus, über den Zeitpunkt zu sprechen, zu dem die Föten gewöhnlich für die Geburt reif sind. Dieses Thema ist von mir mit größerer Sorgfalt zu behandeln, weil es dafür notwendig ist, Fragen der Sternenkunde, Musik und Arithmetik zu berühren. 7.
(2) Schon lange ist die Frage, im wievielten Monat nach der Empfängnis die Kinder üblicherweise geboren werden, von den alten Gelehrten häufig behandelt, aber nicht übereinstimmend beantwortet worden: Hippon von Metapontion hat gemeint, dass die Geburt vom siebten bis zum zehnten Monat erfolgen könne, denn schon im siebten Monat sei der Fötus reif, weil in allem die Zahl Sieben am meisten vermag, wo wir doch in sieben Monaten geformt würden, nach nochmals sieben Monaten uns aufrecht hinzustellen begännen, nach weiteren sieben Monaten uns Zähne entstünden und nach sieben Jahren wieder ausfielen und wir gewöhnlich im 14. Lebensjahr die Pubertät erreichten. (3) Aber diese in sieben Monaten beginnende Geburtsreife sei bis zu zehn Monaten ausgedehnt, weil auch in allen anderen Dingen die Natur immer dieselbe ist, dass nämlich zu sieben Monaten oder Jahren noch drei Monate oder Jahre bis zur Vollendung hinzukommen: (4) So entstünden die Zähne beim sieben Monate alten Kind und seien meistens im zehnten Monat fertig ausgebildet; im siebten Lebensjahr fielen die ersten Zähne aus, im zehnten die letzten; nach dem 14. Lebensjahr kommen einige Kinder schon in die Pubertät, bis zum 17. aber alle.
Wa s le h r e n daz u di e alt e n P hi l o s op h e n ?
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Diese Meinung weisen manche zurück, andere stimmen ihr teilweise zu: (5) Dass im siebten Monat eine Frau gebären kann, bestätigen die meisten, etwa die Pythagoreerin Theano, der Peripatetiker Aristoteles (von Stageira), (die Mediziner) Diokles (von Karystos) und Euënor (von Athen), (die Philosophen) Straton (von Lampsakos), Empedokles (von Akragas), Epigenes (von Byzantion) und außerdem noch viele weitere. Dieser allgemeine Konsens hat freilich (den Mediziner) Euryphon von Knidos nicht abgeschreckt, genau diese Auffassung furchtlos zu verwerfen. (6) Gegen diese Auffassung haben fast alle Gelehrte im Anschluss an Epicharmos (von Megara Hyblaia) verneint, dass im achten Monat eine Geburt möglich ist; Diokles von Karystos und Aristoteles von Stageira vertraten jedoch die Gegenmeinung dazu. Dass im neunten und noch im zehnten Monat der Fötus geboren werden könne, meinten zwar die meisten Chaldäer und der eben von mir genannte Aristoteles, doch bestritt Epigenes von Byzantion, dass dies im neunten, und Hippokrates von Kos, dass es im zehnten Monat geschehen könne. (7) Den elften Monat hat im Übrigen allein Aristoteles (von Stageira) angenommen, die anderen haben ihn allesamt abgelehnt. (1) Jetzt aber muss kurz die Lehre der Chaldäer behandelt und erklärt werden, warum ihnen zufolge Menschen nur im siebten, neunten und zehnten Monat geboren werden können. (2) Vor allem sagen sie, dass unser Handeln und Leben den Sternen – Planeten wie Fixsternen – unterworfen sei und dass durch deren unterschiedlichen und komplexen Lauf das Menschengeschlecht gelenkt werde; ihre eigenen Bewegungen, Schemata und Wirkungen wiederum würden häufig von der Sonne verändert. Dass nämlich manche Sterne einen Untergang, die anderen einen Stillstand vollziehen und dass sie uns alle durch ihre ungleiche Mischung von EigenWa s le h r e n daz u di e C h ald ä e r ? 8.
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schaften beeinflussen, geschehe durch die Macht der Sonne. (3) Sie bewege die Sterne selbst, durch die wiederum wir gelenkt würden, sie gebe uns die Seele, durch die wir beherrscht werden, sie habe die größte Macht über uns und sie regele die Zeit, zu der wir nach der Empfängnis ans Licht kämen. Dies aber vollziehe sie durch drei Aspekte. Exkurs: Die A spek t e in der S t er nenkunde
Was ein „Aspekt“ ist und wie viele Arten es davon gibt, will ich, damit es möglichst klar anschaulich gemacht wird, kurz vorab erklären. (4) Das Himmelsrund ist, wie man sagt, der Tierkreis, den die Griechen zodiakos nennen; auf ihm laufen die Sonne, der Mond und die anderen Planeten um. Er ist gleichmäßig in zwölf Abschnitte unterteilt, die durch gleich viele Sternbilder charakterisiert sind. Ihn durchmisst die Sonne im Verlauf eines Jahres, wobei sie in jedem Sternbild etwa einen Monat lang verweilt. Jedes beliebige Sternbild hat mit jedem anderen jeweils einen gemeinsamen Aspekt, doch nicht bei allen einen gleichförmigen, denn manche Aspekte gelten als stärker, andere als schwächer. Deshalb muss zu dem Zeitpunkt der Empfängnis die Sonne in einem der Sternbilder stehen, und zwar in einem ganz bestimmten Teilpunkt, den man für sich als „Konzeptionspunkt“ bezeichnet. (5) Es gibt nun 30 solcher Teilpunkte in jedem Sternbild, auf dem gesamten Tierkreis also insgesamt 360. Diese haben die Griechen als moirai bezeichnet, da sie bekanntlich ihre Schicksalsgöttinnen „Moirai“ nennen und da diese Teilpunkte für uns direkt wie das Schicksal sind; es ist nämlich von allergrößter Bedeutung, in welchem Zeichen die Sonne aufgeht, wenn wir geboren werden. (6) Wenn die Sonne gerade ins benachbarte zweite Sternbild übergeht, sieht sie jenen Konzeptionspunkt nur in schwachem Aspekt oder erblickt ihn überhaupt nicht; mehrere Gelehrte
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Abb. 2: Die Aspekte kata hexagônon („Sextilschein“)
bestreiten nämlich, dass einander benachbarte Sternbilder sich gegenseitig überhaupt sehen können. Wenn aber die Sonne im dritten Sternbild steht, also ein Sternbild dazwischenliegt, kann sie, wie man sagt, erstmals den Punkt sehen, von dem sie aufgebrochen ist, allerdings in sehr schrägem und schwachem Licht. Dieser Aspekt heißt (auf Griechisch) kata hexagônon („hexagonal“, sechseckig; der sogenannte Sextilschein, s. Abb. 2), weil er ein Sechstel des Tierkreises umspannt. Denn wenn man vom ersten Sternbild Verbindungslinien zum dritten zieht und ebenso vom dritten zum fünften, von dort weiter zum siebten und so weiter, wird die Figur eines gleichseitigen Sechsecks in den Kreis einbeschrieben. (7) Diesen Aspekt haben freilich einige Gelehrte überhaupt nicht anerkannt, weil er nur sehr wenig für die Reife des Fötus zu leisten scheint.
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♊ ♋ Abb. 3: Die Aspekte kata tetragônon („Geviertschein“)
(8) Wenn die Sonne in das vierte Sternbild gelangt ist und also zwei Sternbilder dazwischenliegen, sieht sie kata tetragônon („tetragonal“, viereckig; der sogenannte Geviertschein, s. Abb. 3), da diejenige Linie, auf der ihr Blick entlanggeht, den vierten Teil des Kreisbogens abschneidet. (9) Wenn die Sonne ins fünfte Sternbild kommt, also drei Sternbilder dazwischenliegen, ist ihr Aspekt kata trigônon („trigonal“, dreieckig; der sogenannte Gedrittschein, s. Abb. 4), denn die Blicklinie durchmisst nun ein Drittel des Tierkreises. Diese beiden Aspekte, der viereckige und der dreieckige (Geviertschein und Gedrittschein), sind überaus wirksam und fördern das Wachsen des Fötus sehr. (10) Im sechsten Punkt hingegen hat der Aspekt gar keine Wirkkraft; diese Linie nämlich bildet überhaupt keine Seite eines Vielecks.
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♊ ♋ Abb. 4: Die Aspekte kata trigônon („Gedrittschein“)
Im siebten Sternbild jedoch, das (dem Konzeptionspunkt) gegenüberliegt (die sogenannte Opposition), ist der Aspekt am vollsten und wirkungsmächtigsten und treibt schon manche reifen Kinder aus, die man „Sieben-Monats-Kinder“ nennt, da sie im siebten Monat geboren werden. (11) Wenn aber innerhalb dieses Zeitraums der Mutterleib den Fötus nicht zur Reife bringen konnte, wird dieser im achten Monat nicht ausgestoßen – vom achten Sternbild ist der Blick so unwirksam wie vom sechsten –, sondern erst im neunten oder zehnten. (12) Die Sonne blickt nämlich im neunten Sternbild auf den Konzeptionspunkt wieder kata trigônon (im Gedrittschein) und im zehnten Sternbild wieder kata tetragônon (im Geviertschein); diese Aspekte sind, wie oben (8,8–9) dargelegt, außerordentlich wirkkräftig.
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(13) Im Übrigen glauben sie (die Chaldäer), es sei unmöglich, dass eine Geburt im elften Monat stattfindet, weil das Licht mit schon schwachem Strahl kata hexagônon („hexagonal“, sechseckig, im „Sextilschein“) ausgesandt wird; noch viel weniger sei dies im zwölften Monat möglich, wo ja der Aspekt als nichts gilt. Gemäß dieser Auffassung (der Chaldäer) werden also heptamênoi (Sieben-Monats-Kinder) kata diamêtron („diametral“, in Opposition) geboren, enneamênoi (Neun-Monats-Kinder) kata trigônon („trigonal“, im Gedrittschein) und dekamênoi (Zehn-MonatsKinder) kata tetragônon („tetragonal“, im Geviertschein). (1) Nachdem diese Lehre der Chaldäer erklärt worden ist, gehe ich zur pythagoreischen Lehre über, die von (Marcus Terentius) Varro in dem Buch behandelt wurde, das Tubero betitelt ist und als Untertitel de origine humana („Über den Ursprung des Menschen“) trägt. (2) Die Überzeugung der Pythagoreer scheint mir deshalb bevorzugt wiederzugeben zu sein, weil sie der Wahrheit am nächsten kommt. Die Mehrzahl der anderen Gelehrten gab nämlich, obwohl doch nicht alle Föten zu derselben Zeit reifen, gleichwohl ein und dieselben Zeiten für die Entwicklungsphasen an: Diogenes von Apollonia etwa sagt, dass bei männlichen Föten der Körper in vier, bei weiblichen in fünf Monaten gebildet werde; Hippon (von Metapontion) schreibt, dass das Kind in 60 Tagen geformt werde, und zwar festige sich im vierten Monat das Fleisch, im fünften entstünden Fingernägel und Haare und im siebten sei der Mensch bereits vollendet. (3) Pythagoras (von Samos) hat hingegen behauptet – was glaubhafter war –, es gebe zwei Arten von Föten, einen von sieben Monaten (den sogenannten Kleinfötus) und einen von zehn Monaten (den sogenannten Großfötus).
Wa s le h r e n daz u di e P y t h ago r ee r ? 9.
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Der erstgenannte werde dabei in einer anderen Zahl von Tagen ausgebildet als der zweite. Die Zahlen aber, die bei dem jeweiligen Fötus eine Veränderung bewirken, indem sich Samen in Blut, Blut in Fleisch oder Fleisch in Menschengestalt verwandelt, stehen untereinander in derselben Beziehung, die Töne haben und die man in der Musik (auf Griechisch) als symphônoi (harmonisch) bezeichnet. Exkurs: Beobach t ungen zur M u sik t heorie 10. (1) Damit dies für das Verständnis besser zugänglich werde,
soll an dieser Stelle vorab einiges über das Regelwerk der Musik gesagt werden, was umso notwendiger ist, als ich Dinge sagen werde, die selbst Musiktheorikern unbekannt sind. (2) Diese nämlich haben die Klänge wissenschaftlich behandelt und nach einer kongruenten Ordnung wiedergegeben, doch haben die Klänge selbst, den Modus ihrer Bewegungen und ihre Tonhöhe (mensura) eher die Mathematiker (geometrae) als die Musiktheoretiker erforscht. (3) Musik ist die Wissenschaft von der guten Tonführung (modulatio). Diese aber liegt am Ton (vox); einen Ton nämlich lässt sie einmal tiefer, ein andermal höher erklingen. Die einzelnen Töne heißen – für sich und bezüglich ihrer Klanghöhe genommen – (auf Griechisch) phtongoi. Der Abstand, um den ein phtongos höher, ein anderer tiefer ist, heißt (auf Griechisch) diastêma (Intervall). (4) Zwischen dem tiefsten und dem höchsten Ton (vox) können viele, in einer Ordnung sortierte diastêmata (Intervalle) sein, von denen die einen größer, die anderen kleiner sind; dies ist etwa ein Ton, den (die Griechen) tonos (Ganzton) nennen, oder – kleiner als dieser – das hêmitonion (Halbton) oder auch ein Zwischenraum (intervallum) von zwei, drei oder beliebig vielen Ganztönen. Nicht in freier Mischung erzeugen die Töne mit anderen beliebig kombiniert beim Singen eine zusammenpassende Wirkung. (5) So wie unsere Buchstaben, wenn sie miteinander
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irgendwie und nicht passend kombiniert sind, sich oft weder zu einem Wort- noch einem Silbenverbund zusammenfügen, so gibt es auch in der Musik nur ganz bestimmte Zwischenräume (intervalla), die symphoniae (Zusammenklänge) bilden können. (6) Eine symphonia ist der angenehme Zusammenklang (concentus) zweier unterschiedlicher miteinander verbundener Töne. Es gibt drei einfache erste symphoniae, aus denen die übrigen bestehen: eine erste hat ein diastêma (Intervall) von zwei Ganztönen und einem Halbton; sie wird (auf Griechisch) dia tessarôn (Quarte) genannt; eine zweite hat drei Ganztöne und einen Halbton; sie nennt man (auf Griechisch) dia pente (Quinte); eine dritte heißt (auf Griechisch) dia pasôn (Oktave), ihr diastêma umfasst die beiden eben genannten. (7) Sie besteht entweder aus sechs Ganztonschritten, wie Aristoxenos (von Taras) und die Musiktheoretiker versichern, oder aus fünf Ganzton- und zwei Halbtonschritten laut Pythagoras und den Mathematikern (geometrae), wobei diese darlegen, dass zwei Halbtonschritte keinen Ganztonschritt ergeben können; deshalb nennt Platon (von Athen) ein derartiges Intervall auch nur untechnisch hêmitonion, im eigentlichen Sinn hingegen dialeimma. (8) Nun aber will ich, damit klar erscheint, auf welche Weise die Töne, die man ja weder ansehen noch anfassen kann, ihre Tonhöhen (mensurae) haben können, das bewundernswerte Experiment des Pythagoras (von Samos) wiedergeben, der durch Entschlüsselung der Geheimnisse der Natur herausgefunden hat, dass die phtongoi (Töne) der Musiktheoretiker mit der Logik der Zahlen übereinstimmen: Er spannte (zwei) gleich dicke und gleich lange Saiten mit verschiedenen Gewichten; er schlug sie immer wieder an und veränderte dabei, solange die phtongoi sich zu keiner symphonia zusammenfügten, die Gewichte, und fand schließlich nach häufiger Wiederholung dieses Vorgangs Folgendes heraus: Den Zusammenklang, den man dia tessarôn (Quarte) nennt, erzeugen zwei Saiten, wenn ihre Gewichte miteinander im Verhältnis
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von drei zu vier stehen; diesen Klang nennen die griechischen Mathematiker (arithmetici) epitriton, die lateinischen supertertium. (9) Den Zusammenklang aber, den man dia pente (Quinte) nennt, fand er dort, wo der Unterschied der Gewichte das Anderthalbfache bildete, also im Verhältnis von zwei zu drei steht, was man (auf Griechisch) hêmiolion nennt. (Der Zusammenklang, den man) dia pasôn (Oktave nennt,) erklang, wenn die eine Saite aber mit dem doppelten Gewicht der anderen gespannt wurde, was (auf Griechisch) diaplasiôn logos heißt. (Dass dieses Experiment nicht funktioniert, erwähnt Censorinus nicht; s. S. 29). (10) Pythagoras hat auch erprobt, ob dies bei Flöten gilt, und hat nichts anderes herausgefunden. Er fertigte vier Flöten an, die den gleichen Innendurchmesser, aber ungleiche Länge hatten, die erste beispielsweise sechs Fingerbreit (s. S. 24) lang, die zweite um ein Drittel länger, also acht Fingerbreit, eine dritte neun Fingerbreit, also um die Hälfte länger, eine vierte mit einer Länge von zwölf Fingerbreit, was die Länge der ersten Flöte verdoppelt. (11) Dann blies er sie an und brachte immer je zwei zusammen; so bewies er vor den Ohren aller Musiktheoretiker, dass die erste und die zweite Flöte eben jene Kombination ergaben, die dia tesserôn (die Quarte) als symphonia erzeugt, und dass hier das Verhältnis supertertium (3:4) besteht; dass die erste und die dritte Flöte, die im sescupla-Verhältnis (2:3) stehen, dia pente (Quinte) klingen, und dass der Zwischenraum (intervallum) zwischen der ersten und der vierten Flöte, die doppelt so lang ist, ein diastêma (Intervall) von dia pasôn (Oktave) erstellt. (12) Die Natur der Flöten und Saiten unterscheidet sich darin, dass die Flöten bei zunehmender Länge tiefer klingen, die Saiten dagegen bei Vermehrung des Gewichts höher; dennoch zeigt sich in beiden Fällen dieselbe Beziehung. 11. (1) Nach diesen Ausführungen, die wohl vielleicht im Dunkeln sind, die ich aber so luzid wie möglich dargestellt habe, kehre
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ich zu meinem Vorhaben zurück, zu zeigen, was Pythagoras (von Samos) über die Zahl der Tage, die bei der Entwicklung des Fötus maßgeblich sind, gedacht hat. (2) Wie ich schon vorhin (9,3) im Allgemeinen erwähnt habe, unterscheidet er grundsätzlich zwei Arten von Föten, den Kleinfötus, den man das Sieben-MonatsKind nennt, das am 210. Tag nach der Empfängnis aus dem Mutterleib austritt, und den Großfötus, das sogenannte ZehnMonats-Kind, das am 274. Tag geboren wird. Die erste Art, der Kleinfötus, ist hauptsächlich von der Sechszahl bestimmt (s. Abb. 5). (3) In den ersten sechs Tagen ist nämlich, wie er sagt, der Stoff, der als Samen empfangen wird, eine milchartige Flüssigkeit, in den folgenden acht Tagen dann blutartig, und diese acht Tage bilden, wenn sie zu den ersten sechs Tagen dazukommen, die erste symphonia, nämlich die dia tessarôn (Quarte). Im dritten Schritt kommen neun Tage hinzu, in denen sich bereits das Fleisch ausbildet. Wenn man sie zu jenen ersten sechs Tagen in Beziehung setzt, ergibt sich das Anderthalbfache und damit die zweite symphonia, nämlich die dia pente (Quinte). In den dann folgenden zwölf Tagen kommt der Körper bereits zur Ausformung; ihr Verhältnis zu den ersten sechs Tagen ergibt die dritte symphonia, und zwar die dia pasôn (Oktave) durch Verdoppelung. (4) Diese vier Zahlen, also 6 + 8 + 9 + 12, ergeben zusammen 35 Tage. Nicht unverdient also gilt die Sechszahl als das Fundament des Werdens: Die Griechen nennen sie teleios (vollkommen), wir perfectum, weil ihre drei Teilungen – Sechstel, Drittel und Halbe, also eins, zwei und drei – die Sechszahl selbst zur Vollkommenheit bringen. (5) So aber, wie sich anfänglich Samen und jener milchartige Grundstoff der Empfängnis von Anfang an im Bezug auf diese Zahl entwickeln, so gilt dieser Anfang der Ausformung des Menschen gleichsam als zweite Grundgröße des Reifungsprozesses, also die Einheit von 35 Tagen. Mit sechs multipliziert, kommt man zum 210. Tag, an dem der ausgereifte Fötus geboren wird.
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Milch Blut 6 8
6 : 8 Quarte
6 : 9 Quinte
6:12 Oktave
Fleisch 9
Körper Summe 12 35
Abb. 5: Die Intervalle beim Kleinfötus
(6) Die andere Art von Föten, die der Großföten, wird hingegen von einer größeren Zahl bestimmt, nämlich der Siebenzahl, nach der sich das gesamte Menschenleben gliedert. Dies schreibt etwa Solon (von Athen in seiner Lebensalter-Elegie; s. 14,7), aber auch die Juden bei der Berechnung aller ihrer Tage, und bei den Etruskern scheinen die libri rituales („Ritualbücher“) auf sie hinzudeuten; auch Hippokrates (von Kos) und andere Mediziner zeigen bei der Gesundung des Körpers nichts anderes auf, vielmehr sehen sie jeden siebten Tag als krisimon („Krisen“-Tag, Risiko-Tag; s. 14,9) an. (7) So, wie bei der ersten Fötusart (dem Kleinfötus) die Anfangsphase bis zur Umwandlung des Samens in Blut sechs Tage beträgt, so sind es bei dieser (dem Großfötus) sieben. Und so, wie bei jenem das Kind 35 Tage bis zur Ausprägung der Gliedmaßen braucht, so sind es bei diesem nach demselben Verhältnis etwa 40. Darum gelten in Griechenland die jeweils 40. Tage als besondere: Eine Schwangere betritt vor dem 40. Tag kein Heiligtum. Nach der Geburt sind die meisten Frauen noch 40 Tage lang recht belastet und können bisweilen das Blut nicht halten.
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Neugeborene sind in der gleichen Zeitspanne noch kraftlos und todesnah, ohne Lächeln und nicht außer Gefahr; deshalb pflegen sie auch nach Verstreichen dieses Tages ein Fest zu feiern, das sie als Zeit des Tesserakostaion („Vierzigsten“) bezeichnen. (8) Diese 40 Tage nun mit jenen sieben Tagen der Anfangsphase multipliziert ergeben 280 Tage, das sind 40 Hebdomaden (Siebentageszeiträume). Weil aber schon am ersten Tage dieser letzten Hebdomade die Geburt erfolgt, muss man sechs Tage abziehen; es kommt also auf den 274. Tag an. Diese Zahl an Tagen (der Pythagoreer) passt nun exakt zu dem oben (8,8) erwähnten tetragônos-Aspekt (Geviertschein) der Chaldäer: (9) Wenn nämlich die Sonne den Tierkreis in 365 Tagen und einigen Stunden durchläuft, so braucht sie notwendig nach Abzug eines Viertels, d. h. von 91 Tagen und einigen Stunden, für den Durchlauf von drei Vierteln nicht ganz volle 274 Tage, bis sie zu dem Punkt gelangt, von dem aus der Empfängnispunkt im quadratus (Geviertschein) sichtbar ist. Exkurs: Beobach t ungen zu m Gebur t s zei t punk t
(10) Woher der menschliche Geist aber diese Risiko-Tage der Wandlung erkennen und die Geheimnisse der Natur erforschen konnte, braucht niemanden zu wundern. Dies nämlich hat die häufige Erfahrung der Mediziner durchschaut, die aufgrund der Beobachtung, dass viele Frauen den empfangenen Samen nicht bei sich behalten konnten, zu der Feststellung kamen, dass die Flüssigkeit, die binnen sechs oder sieben Tagen ausgeschieden wurde, milchig war – dies benannten sie (auf Griechisch) als ekrhysis (Ausfluss) –, dass aber das, was danach auftrat, blutig war – dies bezeichnet man (auf Griechisch) als ektrôsmos (Ausstoß, Fehlgeburt). (11) Dass beide Fötusarten (Kleinfötus und Großfötus) geraden Zahlen unterworfen zu sein scheinen, Pythagoras (von Samos) aber die ungerade Zahl preist, widerspricht nicht seiner Lehrmei-
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nung. Er sagt nämlich, dass die beiden ungeraden Zahlen von 209 und 273 Tagen voll beansprucht würden, weshalb zu ihrer Endsumme noch ein Teil des folgenden Tages hinzukomme, was allerdings keinen ganzen Tag ausmache. (12) Das Beispiel hierfür hat, wie wir (22,4) sehen werden, die Natur sowohl bei der Jahres- wie bei der Monatsdauer bewahrt, indem sie die ungerade Zahl von 365 Tagen des Jahres um einen gewissen Bruchteil vergrößert und dem Mondmonat zu den 29 Tagen noch etwas dazugegeben hat. Exkurs: M u sik und S eele
(1) Es ist durchaus nicht unglaublich, dass die Musik etwas mit dem Termin unserer Geburt zu tun hat. Denn ob die Musik nun – wie Sokrates von Athen sagt – nur im Ton (vox) liegt oder – wie Aristoxenos (von Taras) sagt – in der Bewegung von Ton und Körper oder – wie Theophrastos (von Eresos) glaubt – darin und zusätzlich in der Bewegung des Geistes: Ganz sicher ist in ihr viel an Göttlichkeit eingeschlossen und ganz sicher hat sie sehr großen Einfluss auf die Bewegungen unserer Seelen. (2) Wenn sie nämlich den unsterblichen Göttern, die ja aus göttlicher Seele bestehen, nicht wohlgefällig wäre, hätte man bestimmt keine Bühnenspiele zur Besänftigung der Götter eingeführt, würde nie ein Flötenbläser zu allen Kultfesten in den heiligen Tempeln hinzugezogen, würde nie mit Beteiligung eines Flötenbläsers für den (Kriegsgott) Mars ein Triumphzug aufgeführt, wären (dem Musengott) Apollon nicht eine Leier, den Musen nicht Flöten und andere Instrumente dieser Art zugewiesen, würde den Flötenbläsern, mit deren Spiel die Götter besänftigt werden, nicht gestattet, öffentlich mit Darbietungen aufzutreten, im Kapitol (von Rom) bewirtet zu werden oder an den Kleinen Quinquatria, also an den Iden des Juni (13.6.), in der Kleidung, in der sie dies wollen, maskiert und berauscht die Stadt (Rom) zu durchstreifen. 12.
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(3) Auch der Geist und die Seele der Menschen, die ja selbst – wenngleich Epikuros (von Athen) dem widerspricht – von göttlicher Art sind, nehmen durch Gesang ihre eigene Natur wahr: So wird, damit die Arbeit leichter fällt, etwa beim Rudern im Schiff vom Steuermann die symphonia (das gemeinsame Singen) eingesetzt, und auch den Legionen, die in einer Schlachtreihe kämpfen, wird die Todesfurcht durch das Kampfsignal vertrieben. (4) Aus diesem Grund pflegte Pythagoras (von Samos), um seinen Geist immerzu mit seiner eigenen Göttlichkeit zu benetzen, vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen zur Leier zu singen, wie man überliefert; aus diesem Grund versetzte der Mediziner Asklepiades (von Prusa) sogar häufig das Gemüt von Geisteskranken durch symphonia in den ursprünglichen Zustand zurück; aus diesem Grund behauptete auch Herophilos von Chalkedon, ein Berufsvertreter derselben Kunst, der Pulsschlag bewege sich in musikalischen Rhythmen. (5) Wenn also Harmonie herrscht zwischen der Bewegung des Geistes und des Körpers, dann ist über jeden Zweifel erhaben, dass die Musik keinesfalls nichts mit unserem Geburtstag zu tun hat. Wa s i s t die Sp h ä r e n h a r m o nie ? 13. (1) Hinzu kommt noch, was Pythagoras (von Samos) überliefert hat, dass nämlich der ganze Kosmos nach dem System der Musik geschaffen sei, dass die sieben Planeten, die zwischen Himmel und Erde wandern und das Schicksal der Sterblichen lenken, eine (auf Griechisch) als enrhythmos (rhythmisch) bezeichnete Bewegung ausführen, und zwar in Abständen (intervalla) zueinander, die den diastêmata der Musik (s. 10,3) entsprechen, und dass sie dabei verschiedene Klänge ertönen lassen, und zwar alle entsprechend ihrer jeweiligen Höhe, die so gut zusammenklingen, dass sie die angenehmste Melodie ergeben, die allerdings für uns unhörbar ist wegen der Größe des Tons (vox), den die Enge unserer Ohren nicht erfassen kann. (2) Wie nämlich Eratosthenes (von Kyrene) mithilfe eines
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♁
☾ ☿ ♀ 1
½
½
☉ 1½
♂ ♃ ♄ ☆ 1
½
½
½
Abb. 6: Die Intervalle der Planeten
geometrischen Verfahrens den größten Erdumfang mit maximal 252 000 Stadien berechnete, so ermittelte Pythagoras (von Samos), wie viele Stadien zwischen der Erde und den einzelnen Sternen liegen. Exkurs: Das S t adion - Maß
Bei dieser Weltvermessung ist unter Stadion (s. S. 24) am ehesten das sogenannte italische Stadion zu verstehen, das 625 Fuß entspricht; es gibt freilich noch andere Stadien von abweichender Länge, z. B. das olympische (von Olympia) mit 600 Fuß oder das pythische (von Delphi) mit 1000 Fuß. (3) Also: Nach der Ansicht des Pythagoras (s. Abb. 6) sind es von der Erde bis zum Mond etwa 126 000 Stadien – das ist ein Abstand (intervallum) von einem Ganzton –, vom Mond bis zum Merkur, den man (auch) „Stilbon“ nennt, ist es die Hälfte davon – sozusagen ein Halbton –, vom Merkur bis zum „Phosphoros“, das ist der Venus-Stern, etwa genauso weit – also wieder ein Halbton – und von dort bis zur Sonne das Dreifache – also anderthalb Ganztöne. (4) Demnach gilt: Die Sonne ist dreieinhalb Ganztöne von der Erde entfernt, was man als dia pente (Quinte) bezeichnet, vom Mond nur zweieinhalb Ganztöne, das ist dia tessarôn (Quarte). Von der Sonne bis zum Mars-Stern, der auch „Pyrois“ heißt, ist der Abstand (intervallum) ebenso groß wie von der Erde zum Mond, was einen Ganzton ausmacht, von dort
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zum Iupiter-Stern, der auch den Namen „Phaëthon“ hat, die Hälfte davon, also ein Halbton, ebenso weit vom Iupiter zum Saturn-Stern, der auch „Phainon“ heißt, also wieder ein Halbton, und von dort zum höchsten Himmelsgewölbe, an dem sich die Sternbilder befinden, noch einmal ein Halbton. (5) Vom höchsten Himmelsgewölbe bis zur Sonne ergibt sich mithin ein Abstand (diastema) von dia tessarôn (Quarte), also ein Intervall von zweieinhalb Ganztönen, bis zur Erdoberfläche von demselben höchsten Himmelspunkt ein Intervall aus sechs Ganztönen, aus denen die symphônia von dia pasôn (Oktave) besteht. Außerdem hat er (Pythagoras von Samos) noch vieles, was die Musiktheoretiker behandeln, auf die anderen Sterne übertragen und gezeigt, dass diese ganze Welt enharmonion (ein harmonisches System) ist. Dorylaos schrieb deshalb, die Welt sei das Musikinstrument (organum, die Orgel) Gottes, andere fügen hinzu, die Welt sei ein heptachordon (eine siebensaitige Leier), weil es sieben Planeten sind, von denen sie am meisten bewegt wird. (6) Dieses Thema aber in allen Einzelheiten abzuhandeln, ist hier nicht der Ort. Selbst wenn ich es in einem gesonderten Buch darstellen wollte, käme ich in Bedrängnis. Umso mehr muss ich, weil mich die Süße der Musik ziemlich weit weggeführt hat, zum eigentlichen Vorhaben zurückkehren. Was geschieht nach der Gebur t? 14. (1) Nachdem also erklärt ist, was vor dem Tag der Geburt liegt, will ich jetzt die klimaktêrika-Jahre („klimakterischen“ oder Risiko-Jahre) verständlich machen und zunächst darüber sprechen, was über die Altersstufen des Menschen ausgesagt wird. (Marcus Terentius) Varro glaubt, dass das Leben sich gleichmäßig in fünf Stufen gliedert, von denen sich jede außer der letzten über 15 Jahre erstreckt: In der ersten Stufe bis zum 15. Lebensjahr werden
W elc h e A lt e r s s t u f e n gib t e s be im M e n s c h e n ?
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die Menschen pueri (Jungen) genannt, weil sie noch puri (rein) sind, nämlich noch nicht geschlechtsreif; in der zweiten Stufe bis zum 30. Lebensjahr sind sie adulescentes (Heranwachsende), so wegen ihres alescere (Heranwachsens) benannt; in der dritten Stufe bis zum 45. Lebensjahr nennt man sie iuvenes (Jugendliche), weil sie dem Staat mit Militärdienst iuvare (zur Seite stehen) können; in der vierten Stufe bis zum 60. Lebensjahr werden sie als seniores (Ältere) bezeichnet, weil dann erstmals der Leib zu senescere (altern) beginnt; von hier an dauert bis zum Lebensende jedes Menschen die fünfte Stufe, und die sich auf dieser Stufe befinden, heißen senes (Greise), da in diesem Alter der Körper schon an senium (Vergreisung) leidet. (3) Der Mediziner Hippokrates (von Kos) teilte die Lebensalter in sieben Stufen ein: Das Ende der ersten Stufe, glaubte er, sei das siebte Lebensjahr, das der zweiten das 14., das der dritten das 28., das der vierten das 35., das der fünften das 42., das der sechsten das 56. und das der siebten Stufe das letzte Jahr des menschlichen Lebens. (4) Solon (von Athen) nahm (in seiner Lebensalter-Elegie; s. 14,7) zehn Stufen an und teilte die dritte, sechste und siebte Stufe des Hippokrates jeweils in zwei Hälften auf, sodass auf jede Einheit sieben Jahre entfallen. (5) Der Peripatetiker Staseas (von Neapolis) fügte den zehn Hebdomaden (Siebenjahreszeiträumen) des Solon noch zwei weitere hinzu und sagte, die Dauer eines vollen Lebens betrage 84 Jahre; falls aber jemand diese Grenzmarke überschreite, mache er dasselbe wie stadiodromoi (Teilnehmer am Wettrennen im Stadion) oder Wagenlenker, wenn sie über das Ziel hinausschießen. (6) Auch in den etruskischen libri fatales („Schicksalbüchern“) wird die Lebenszeit des Menschen durch zwölf Hebdomaden (Siebenjahreszeiträume) unterteilt, wie (Marcus Terentius) Varro berichtet. Während man das Alter und den Schicksalsweg durch Gebet und Kulthandlungen bis zur zehnten Hebdomade ausdehnen könne, dürfe man vom 70. Lebensjahr an eine Verlängerung weder fordern noch könne man sie von den Göttern durch Bitten erreichen; im Übrigen träten die Menschen nach dem 84. Lebensjahr in ihrem Geist weg und erhielten keine göttlichen Zeichen mehr. (7) Von allen diesen scheinen mir aber diejenigen der Natur am nächsten zu kommen, die das Menschenleben nach Hebdomaden (Siebenjahreszeiträumen) gemessen haben. Etwa nach jedem siebten Jahr macht die Natur nämlich bestimme Einschnitte und zeigt in diesem Zeitabschnitt etwas Neues, wie man der (Lebensalter-)Elegie des Solon (von Athen) entnehmen kann (s. S. 25f.). Er sagt nämlich, in der ersten Hebdomade verliere der Mensch die Milchzähne, in der zweiten beginne die Geschlechtsreife, in der dritten wachse der Bart, in der vierten die Körperkraft, in der fünften die Reife für die Fortpflanzung der Art, in der sechsten würden die Triebe gemäßigt, in der siebten gelangten Klugheit und Sprachkraft zur Vollendung, in der achten blieben diese erhalten – nach anderen werden in dieser Phase die Augen getrübt –, in der neunten werde alles träger und in der zehnten werde der Mensch reif für den Tod. . In der zweiten Hebdomade aber oder zu Beginn der dritten wird die Stimme gröber und ungleichmäßiger, was Aristoteles (von Stageira) tragizein („blöken“) nennt; unsere Vorfahren nannten es irquitallire („blöken wie ein Bock“), weshalb sie die Jungen selbst als irquitalli zu benennen für richtig hielten, weil nämlich jetzt der Körper nach einem ircus (Bock) zu riechen beginne. (8) Beim dritten Lebensabschnitt, dem der Heranwachsenden, habe man in Griechenland drei Stufen angenommen, bevor das Mannesalter erreicht wird: mit 14 spricht man von pais (Knabe), mit 15 von mellephêbos (zukünftigen Epheben), mit 16 von ephêbos (Epheben), mit 17 dann von ex ephêbôn (ehemaligen Epheben).
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(9) Darüber hinaus gibt es vieles über diese Hebdomaden, was Mediziner und Philosophen in ihren Büchern überliefert haben; daraus geht hervor, dass bei Krankheiten immer die siebten Tage suspekt sind und (auf Griechisch) krisimoi („krisenhaft“) heißen. Entsprechend ist auch im Ablauf des gesamten Lebens das jeweils siebte Jahr gefährlich und gleichsam krisimon; es wird daher climactericum („klimakterisches“ oder „Risiko-Jahr“) genannt. (10) Von diesen Jahren haben manche Geburtstagsforscher (genethliaci) die einen, andere die anderen für problematischer gehalten: Manche glauben, man müsse sich vor allem vor den Jahren in Acht nehmen, die jeweils drei Hebdomaden (Siebenjahreszeiträume) vollmachen, also vor dem 21., dem 42., dann dem 63. und schließlich dem 84. Lebensjahr, mit dem ja Staseas (von Neapolis) das Lebensende festsetzte (s. 14,5). (11) Andere – und zwar nicht wenige – haben angenommen, eines sei das problematischste von den klimaktêra, nämlich das 49., das ja siebenmal sieben Jahre erfüllt; zu dieser Meinung neigt übereinstimmend die Mehrheit, da Quadratzahlen als besonders wirkungsmächtig gelten. (12) Dafür kann schließlich Platon (von Athen), die erhabenste Gestalt der alten Philosophie, (als Zeuge) auftreten, der ebenfalls die Auffassung vertrat, das Menschenleben gelange in dem Quadrat einer Jahreszahl zur letzten Vollendung – allerdings dem der Neunzahl, die 81 Lebensjahre ergibt. Es gab aber auch andere, die sich an diese beiden Zahlen hielten, an die 49 und an die 81, und schrieben, dass die kleinere Zahl den nachts Geborenen, die größere den tagsüber Geborenen . (13) Die meisten entschieden sich dafür, dass diese beiden Zahlen genau wechselseitig auftreten, und behaupteten, die Siebenzahl beziehe sich auf den Körper, die Neunzahl auf den Geist. Jene (die Sieben) sei der Medizin des Körpers und dem (Gott Wa s s in d die R i s iko - J a h r e be im M e n s c h e n ?
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der Musen) Apollon zugeordnet, diese (die Neun) den Musen, da die Musik Krankheiten des Geistes, die man (auf Griechisch) pathê nennt, erfahrungsgemäß lindern und heilen könne. (14) So haben sie geschrieben, dass das erste klimaktêra (Risiko-)Jahr das 49., das letzte eben das 81. sei; dazwischen liege die aus beiden gebildete Zahl 63, die sich aus neun Hebdomaden (Siebenjahreszeiträumen) oder sieben Enneaden (Neunjahreszeiträumen) zusammensetzt. (15) Mögen einige Leute dieses 63. Jahr für das gefährlichste halten, da es sich ja auf Körper und Geist zugleich bezieht – ich jedenfalls halte es für kraftloser als die beiden anderen! Die 63 enthält zwar die beiden eben genannten Zahlen in sich, aber keine von beiden als Quadratzahl, und so, wie sie zwar etwas mit jenen Zahlen zu tun hat, ist andererseits deren Kraft in beiden Beziehungen gering. Jenes Jahr hat auch tatsächlich nicht viele Menschen weggerafft, die in der Geschichte namentlich gefeiert werden. (16) Ich finde zwar Aristoteles von Stageira, doch soll er eine natürliche Magenschwäche und häufige Attacken seines todgeweihten Körpers lange Zeit mit solcher Tapferkeit ausgehalten haben, dass es weit wunderbarer ist, dass er sein Leben überhaupt bis ins Alter von 63 Jahren gebracht hat, als darin, dass er darüber nicht hinaus gekommen ist! Gebilde t e M e n s c h e n we r de n s e h r alt ! 15. (1) Weil du nun, hochverehrter Cerellius, jenes für den Körper so überaus gefürchtete Jahr ohne jede Beschwernis durchschritten hast, brauche ich für die übrigen klimaktêra (Risiko-)Jahre, da sie leichter wiegen, weniger um dich zu bangen, zumal ich weiß, dass bei dir eher die Natur des Geistes als die des Körpers die Oberherrschaft hat, und da ich auch weiß, dass Männer von deiner Art ihr Leben nicht verlassen, bevor sie nicht das 81. Lebensjahr durchschritten haben. Dieses, meinte Platon (von Athen), sei das legitime Lebensende und sah es auch für sich selbst als legitim
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an. (2) Erst in diesem Lebensjahr hat (der stoische Philosoph) Dionysios von Herakleia, um aus dem Leben zu scheiden, die Nahrungsaufnahme verweigert; umgekehrt starb der Kyniker Diogenes (von Sinope) nach Nichtverdauen von Nahrung an Gallenbrechdurchfall (cholera). Auch Eratosthenes (von Kyrene), der Berechner des Erdumfangs (s. 13,2), ebenso der Platoniker Xenokrates (von Chalkedon), Leiter der Alten Akademie, lebten bis zu demselben Jahr. (3) Ja, nicht wenige haben sogar, indem sie durch Geisteskraft körperliche Gebrechen überwanden, auch diese Schwelle überschritten, so Karneades (von Kyrene), auf den die dritte Akademie zurückgeht, die auch die Neue Akademie heißt, und der bis zum 90. Jahr , oder Kleanthes (von Assos), der ein Jahr weniger als 100 vollendete; Xenophanes von Kolophon hingegen soll sogar über 100 Jahre alt geworden sein; Demokritos von Abdera und der Redner Isokrates (von Athen) etwa sollen ebenso alt geworden sein wie Gorgias von Leontinoi, der von allen Menschen der alten Zeit der älteste war und bekanntlich 108 Jahre alt geworden ist.
L a n g lebe da s G eb u r t s tag s k i n d ! (4) Wenn denn aber den Freunden der Bildung durch die Leistungsfähigkeit ihres Geistes oder durch die Fügung des Schicksals ein lang währendes Leben beschert wurde, zweifle ich nicht an der Hoffnung, dass auch dich, der du an Körper und Geist stark bist, ein hohes Alter erwartet! Wen von den Menschen der alten Zeit, wir jetzt noch in Erinnerung halten, können wir als jemanden nennen, der dich an Klugheit, Beherrschtheit, Gerechtigkeit und Tapferkeit überträfe? Wer von ihnen würde, wenn er zugegen wäre, nicht den
L a n g l e b e da s G e b u rt s tag s k i n d ! 71
Lobpreis aller Tüchtigkeit auf dich lenken? Wer müsste sich dafür schämen, erst hinter deinem Ruhm eingestuft zu werden? Ganz sicher aber ist, wie ich meine, der Umstand rühmenswert, dass du, während es fast allen anderen, selbst den Weisesten, nicht gelungen ist, auch wenn sie sich vom politischen Leben fernhielten, ohne Widerstand und oft lebensbedrohlichen Hass ihr Leben zu verbringen – dass du also, obwohl du kommunale Ämter wahrgenommen hast, wegen deiner Priesterwürde unter den Ersten deiner Gemeinde herausragst, durch den Erwerb des Ranges eines Ritters über den der Provinzialen hinausgekommen bist, nicht nur immer ohne Tadel und Neid geblieben bist, sondern sogar die Liebe von allen mit höchstem Ruhm gewonnen hast. (5) Wer hätte sich nicht darum bemüht, von dir erkannt zu werden, auch wenn er selbst den edelsten senatorischen Rang hatte – und wer als Angehöriger des niedrigeren Volkes sich dies nicht gewünscht? Wer von den Sterblichen hätte dich je gesehen oder auch nur von deinem Namen gehört, ohne dich wie einen leiblichen Bruder zu lieben und wie einen Vater zu verehren? Wer wüsste denn nicht, dass überragende Rechtschaffenheit, höchste Verlässlichkeit, unglaubliche Güte, einzigartige Bescheidenheit und Zurückhaltung sowie die sonstigen Verpflichtungen wahrer Menschlichkeit bei dir in einer Hand sind, und zwar so großartig, dass sie von niemandem angemessen gewürdigt werden könnten? Aus diesem Grund verzichte auch ich darauf, das anzuführen, was jetzt zu nennen wäre. (6) Auch über deine Beredsamkeit schweige ich, die allen Gerichtshöfen unserer Provinzen und allen deren Vorständen bekannt ist und die schließlich auch die Stadt Rom und ihre erhabene Hörerschaft bewundert haben: Sie macht sich selbst zur Genüge berühmt, sowohl in der Gegenwart als auch in den künftigen Säkulen.
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R u n d u m de n Tag 16. (1) Da ich über das Thema „Geburtstag“ schreibe (und zunächst Wissen rund um die Geburt dargelegt habe), will ich jetzt versuchen, meine Aufgabe zu vollenden (und Wissen rund um den Tag vermitteln). Ich werde den heutigen Zeitpunkt, in dem du in vollster Blüte stehst, mit den eindeutigsten mir bereitstehenden Begriffen anzeigen. Daraus wird auch dein eigentlicher, ursprünglicher Geburtstag ganz flüssig erkennbar werden.
Was ist Zeit? (2) Unter „Zeit“ verstehe ich aber nicht nur Tag, Monat und Jahr, sondern auch das von manchen so genannte Lustrum oder „Großjahr“ sowie das sogenannte Säkulum (und die Ewigkeit). Die Ewigkeit (3) Über die Ewigkeit (aevum) freilich – das ist die allgemeine und allesumfassende Zeit – gibt es nicht viel, was jetzt gerade zu sagen ist. Sie ist unermesslich, ohne Ursprung, ohne Ende und sich gleich bleibend; sie hat immer bestanden und wird immer bestehen und hat zu keinem Menschen mehr Bezug als zu irgendeinem anderen. (4) Sie wird in drei Zeitstufen eingeteilt: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Von diesen fehlt der Vergangenheit ein Anfangspunkt, der Zukunft ein Endpunkt. Die Gegenwart, die zwischen Vergangenheit und Zukunft liegt, ist so verschwindend kurz und unfassbar, dass sie überhaupt keine Länge besitzt; sie ist offenbar nichts weiter als das Gelenk zwischen Vergangenheit und Zukunft, und dabei so instabil, dass sie nie an einem Punkt bleibt, sondern alle Zeit, die sie durchschreitet, von der Zukunft abzieht und der Vergangenheit hinzufügt. (5) Diese beiden Seiten der Zeit – ich meine die geschehene und die kommende – sind weder einander gleich noch so zu sehen, dass die eine Seite länger oder kürzer als die andere sei. Was nämlich kein Ende hat, ist einem
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Vergleich durch Messung nicht zugänglich. (6) Deswegen will ich gar nicht erst versuchen, die Ewigkeit durch eine Zahl von Jahren oder Säkulen oder sonst einen festen zeitlichen Abschnitt auszumessen, denn in Bezug auf die Gesamtzeit sind diese Zeiteinheiten nicht einmal so viel wie eine einzige Winterstunde (s. S. 24). Das Säkulum (7) Damit ich also die Säkulen durchschreiten und unser gegenwärtiges Säkulum bestimmen kann, will ich goldene, silberne oder sonstige poetische Zeitalter übergehen und mit der Gründung Roms, unserer gemeinsamen Heimat, beginnen. 17. (1) Da es „natürliche“ oder aber „bürgerliche“ Säkulen gibt, will ich zuerst über die natürlichen sprechen. Wa s i s t e in n at ü r l i c h e s S ä k u l u m ? (2) Unter einem (natürli-
chen) Säkulum versteht man die längstmögliche Zeitspanne eines durch Geburt und Tod begrenzten Menschenlebens. Wa s i s t e in e Ge n e r at io n ? Deshalb scheinen mir diejenigen, die ein Säkulum für einen Zeitraum von 30 Jahren halten, ganz in die Irre zu gehen. Dass man jenen Zeitraum mit dem (griechischen) Begriff genea (Generation) benennt, hat Herakleitos (von Ephesos) angegeben, denn der „Kreislauf eines Lebensalters“ wird mit dieser Spanne erfasst. Als „Kreislauf eines Lebensalters“ bezeichnet er die Zeit, in der die Natur des Menschen vom Samen wieder zur Aussamung gelangt. Die Dauer einer genea hat man freilich immer wieder anders definiert: (Der Mediziner) Herodikos (von Selymbria) schreibt, genea heiße ein Abschnitt von 25 Jahren, (der stoische Philosoph) Zenon von Kition einer von 30 Jahren.
(3) Was aber ein (natürliches, auf das Höchstalter eines Menschen bezogenes) Säkulum ist, ist – so meine ich – bisher nicht genau untersucht worden. Die
W i e alt k a n n e in M e n s c h we r de n ?
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Dichter haben viele unglaubliche Dinge dazu geschrieben, nicht weniger die griechischen Historiker, obwohl es ihnen eigentlich nicht zustand, von der Wahrheit abzuweichen – so etwa Herodotos (von Halikarnassos), bei dem wir (1,163) lesen, Arganthonios, der König von Tartessos, sei 150 Jahre alt gewesen, oder Ephoros (von Kyme), der angibt, die Arkader behaupteten, bei ihnen hätten einige frühere Könige an die 300 Jahre gelebt –; diese Dinge übergehe ich als Erfindungen. (4) Aber selbst bei den Sternenkundigen, die im System der Sterne und Sternzeichen nach der Wahrheit suchen, gibt es noch gar keine Einigkeit. Epigenes (von Byzantion) legte das längstmögliche Leben (eines Menschen) auf 112 Jahre fest, Berossos (von Babylon) auf 116; andere meinten, es bis auf 120 Jahre ausdehnen zu können, manche sogar noch darüber hinaus. Es gab auch (Gelehrte), die glaubten, dass man nicht überall dieselben Beobachtungen anstellen könne, sondern dass sie in den verschiedenen Regionen je nach der Neigung des Himmels zum Horizont abweichen, die man (auf Griechisch) klima (geographische Breite) nennt. Wa s i s t da s b ü r ge r l i c h e S ä k u l u m de r E t r u s k e r ? (5) Wenn aber auch die Wahrheit hier im Dunkeln verborgen bleibt, scheinen jedenfalls zu der Frage, was man in den einzelnen Gemeinden unter den natürlichen Säkulen versteht, die libri rituales („Ritualbücher“) der Etrusker aufschlussreich, in denen geschrieben stehen soll, dass man die Anfangspunkte der Säkulen wie folgt ansetzt: Von dem Tag, an dem Städte und Gemeinden gegründet wurden, bestimme von den Menschen, die an jenem Tag geboren sind, derjenige, der am längsten lebe, durch seinen Todestag den Endpunkt des ersten Säkulum, und von den anderen Menschen, die an diesem Tag in der Gemeinde lebten, derjenige, der nun am längsten lebe, mit seinem Tod das Ende des zweiten Säkulums. Entsprechend werde die Zeitdauer
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der folgenden Säkulen definiert. Weil die Menschen aber dies nicht verstünden, würden göttliche Zeichen gesandt, durch die angezeigt werde, dass wieder ein Säkulum beendet sei. (6) Diese Zeichen haben die Etrusker durch ihre Erfahrung mit der Eingeweideschau und der (Etruskischen) Disziplin (s. S. 19) sorgfältig beobachtet und in Büchern niedergelegt. Deshalb ist in der Etruskergeschichte, die in deren achten Säkulum niedergeschrieben wurde – wie (Marcus Terentius) Varro belegt –, sowohl angegeben, wie viele Säkulen diesem Volk überhaupt gegeben sind, als auch, wie lang jeweils die bereits vergangenen Säkulen gewesen seien, sowie mit welchem Vorzeichen ihr Ausgang angezeigt wurde. So steht geschrieben, die vier ersten Säkulen hätten je 100 Jahre gedauert, das fünfte 120, das sechste 119, das siebte ebenso viele; das achte werde gerade vollzogen, ein neuntes und zehntes stünden noch bevor; nach deren Verstreichen werde das Ende des Etruskernamens gekommen sein. (7) Dass man die Säkulen der Römer nach den Säkularfeiern unterscheiden könne, glauben manche (Gelehrte). Auch wenn aber die Zuverlässigkeit dieser Annahme gesichert ist, bleibt doch das Maß des römischen Säkulums im Ungewissen. Über die Zeitabstände, in denen diese Feiern abgehalten werden sollen, weiß man nicht nur für die Vergangenheit nichts, sondern auch nicht, wie groß sie eigentlich sein sollen: (8) Dafür, dass es so eingerichtet gewesen sei, dass sie alle 100 Jahre stattfinden, bietet neben (Valerius) Antias und anderen Historikern insbesondere (Marcus Terentius) Varro den Beleg, der im 1. Buch seines Werkes De scaenicis originibus („Über den Ursprung der Bühnenspiele“) schreibt:
Wa s i s t da s b ü r ge r l i c h e S ä k u l u m de r R ö me r ?
Als viele Wunderzeichen geschahen und die Stadtmauer (von Rom) und Türme, die zwischen der Porta Collina und der Porta Esquilina liegen, vom Blitz getroffen waren, und als
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deshalb die Quindecimviri die Sibyllinischen Bücher heranzogen, erklärten diese, man solle (den Unterweltsgöttern) Dis Pater und Proserpina Tarentinische Wettspiele auf dem Marsfeld drei Nächte lang darbringen, nachtschwarze Opfertiere schlachten und diese Spiele alle hundert Jahre veranstalten. (Varro, De scaenicis originibus 1)
(9) Ebenso schreibt Titus Livius im 136. Buch (seines Geschichtswerks): In demselben Jahr (17 v. Chr.) veranstaltete Caesar (Augustus) mit gewaltigem Aufwand die Säkularfeier, die sie nach jeweils hundert Jahren – dadurch werden nämlich die Säkulen abgegrenzt – durchzuführen pflegten. (Livius, Ab urbe condita 136) Dass hingegen Säkularfeiern alle 110 Jahre wiederholt werden, bezeugen zum einen die Protokolle der Quindecimviri, zum anderen die Edikte des vergöttlichten (Kaisers) Augustus; so hat auch (Quintus) Horatius Flaccus in dem Lied, das bei den Säkularfeiern gesungen wurde, diese Zeitspanne folgendermaßen gekennzeichnet: Dass, wenn elf Jahrzehnte flohen im Kreislauf, feste Zeit Chorlieder erneu’r und Spiele, welche durch drei Tag’ und so viel der holden Nächte gefei’rt seien! (Horatius, Carmen Saeculare 21–24) (10) Über die Abweichungen in der Zeitangabe wird man, wenn man in den Annalen der Alten nachsieht, weitaus größere Unsicherheit finden:
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Dass die ersten Säkularfeiern nach Vertreibung der Könige, im Jahr 245 nach Gründung der Stadt (Rom), von (Publius) Valerius Poplicola eingerichtet worden sind, . Laut den Protokollen der Quindecimviri fanden sie im Jahr 299 nach Gründung der Stadt Rom im Konsulatsjahr von Marcus Valerius Maximus und Spurius Verginius (Tricostus Caeliomontanus) statt (456 v. Chr.). im Konsulatsjahr von Marcus Valerius Corvus zum zweiten Mal und Gaius Poetelius (Libo Visolus zum zweiten Mal) im Jahr 408 nach Gründung der Stadt gefeiert (346 v. Chr.) – oder aber, wie es in den Protokollen der Quindecimviri steht, im Jahr 410 nach Gründung der Stadt (344 v. Chr.). Die dritten Säkularfeiern waren nach (Valerius) Antias und (Titus) Livius im Konsulatsjahr von Publius Claudius Pulcher und Lucius Iunius Pullus im Jahr 518 nach Gründung der Stadt im Konsulatsjahr von Publius Cornelius Lentulus (Caudinus) und Gaius Licinius Varus (236 v. Chr.). (11) Über die vierten Säkularfeiern gibt es drei Angaben: (Valerius) Antias, (Marcus Terentius) Varro und (Titus) Livius haben nämlich überliefert, sie seien im Konsulatsjahr von Lucius Marcius Censorinus und Manius Manilius im Jahr 605 nach der Gründung der Stadt Rom durchgeführt worden (149 v. Chr.); (Lucius Calpurnius) Piso (Frugi), der frühere Censor, und Gnaeus Gellius, aber auch Cassius Hemina, der zu jener Zeit lebte, geben hingegen an, sie seien erst drei Jahre später begangen worden, nämlich im Konsulatsjahr von Gnaeus Cornelius Lentulus und Lucius Mummius Achaicus, also im Jahr
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608 nach Gründung der Stadt (146 v. Chr.). In den Protokollen der Quindecimviri werden sie beim Jahr 628 nach Gründung der Stadt im Konsulatsjahr von Marcus Aemilius Lepidus und Lucius Aurelius Orestes verzeichnet (126 v. Chr.). Die fünften Säkularfeiern veranstalteten im Konsulatsjahr von Furnius und Gaius Iunius Silanus im Jahr 737 nach Gründung der Stadt Kaiser Augustus und (Marcus Vipsanius) Agrippa (17 v. Chr.). Die sechsten führte Kaiser Tiberius Claudius im Jahr 800 nach Gründung der Stadt im Konsulatsjahr von ihm selbst zum vierten Mal und Lucius Vitellius zum dritten Mal durch (47 n. Chr.). Die siebten Säkularfeiern führte (Kaiser) Domitianus im Jahr 841 nach Gründung der Stadt im Konsulatsjahr von ihm selbst zum vierzehnten Mal und Lucius Minicius Rufus durch (88 n. Chr.). Die achten führten die Kaiser Septimius (Severus) und Marcus Aurelius Antoninus (Caracalla) im Konsulatsjahr von (Lucius Fabius) Cilo (Septimius Catinius Acilianus Lepidus Fulcinianus zum zweiten Mal) und (Marcus Annius Flavius) Libo im Jahr 957 nach Gründung der Stadt durch (204 n. Chr.). W ie v e r h ä lt s i c h da s S ä k u l u m z u de n S ä k u la r f e i e r n ?
(12) Hieraus kann man ersehen, dass weder alle 100 Jahre Säkularfeiern durchgeführt werden noch alle 110 Jahre. Selbst wenn die eine oder andere Zählung aus rückblickender Beobachtung entstanden wäre, würde sich doch daraus kein ausreichendes Argument dafür ableiten lassen, dass die Säkulen durch diese Feiern voneinander abgegrenzt werden, zumal es keine Belege dafür gibt, dass in der Zeit vom Beginn der Stadt (Rom) bis zur Vertreibung der Könige, 244 Jahre lang, überhaupt Säkularfeiern stattgefunden haben – dieser Zeitraum ist zweifellos größer als ein natürliches Säkulum. (13) Wenn aber jemand glaubt, die Säkulen würden durch die Säkularfeiern , wozu ihn nur der
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Ursprung der Bezeichnung verleitet, dann sollte er wissen, dass man die Spiele schon deswegen „säkular“ hätte nennen können, weil sie meistens nur einmal im Lauf eines Menschenlebens stattfinden, so wie sich auch für vieles andere, was selten ist, der Sprachgebrauch eingebürgert hat:
... das geschieht erst nach einem Säkulum (Otto, Sprichwörter der Römer Nr. 1565)
Wa r u m s e t z t ma n S ä k u l u m u n d J a h r h u n de r t gle i c h ?
Da aber unsere Vorfahren für das natürliche Säkulum die Bestimmung seiner Dauer nicht erklären konnten, setzten sie das bürgerliche Säkulum als feste Größe von 100 Jahren fest. Das bezeugt (Lucius Calpurnius) Piso (Frugi), in dessen Annalen in Buch 7 geschrieben steht: Rom wurde vor 600 Jahren gegründet; es beginnt das siebte Säkulum im Konsulatsjahr der Konsuln, die auch die nächsten Konsuln sind: Marcus Aemilius Lepidus, Sohn des Marcus, und Gaius Popillius (Laenas) zum zweiten Mal in Abwesenheit (158 v. Chr.). (Calpurnius Piso, Annalen 7) Dass aber unsere Vorfahren diese Zahl von Jahren festlegten, geschah nicht ohne Gründe: erstens, weil sie bemerkten, dass viele ihrer Mitbürger ihre Lebenszeit bis in dieses Alter heranführten, zweitens, weil sie auch die Etrusker, deren erste Säkulen je 100 Jahre zählten, in dieser wie in anderen Fragen imitieren wollten. (14) Außerdem kann das Folgende zutreffen, das (Marcus Terentius) Varro und der Sternenkundige Dioskorides beschrieben haben: In Alexandreia stehe bei denen, die mit der Einbalsamierung der Toten befasst sind, fest, dass ein Mensch nicht
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länger als 100 Jahre zu leben vermöchte; dies gebe das Herz derjenigen Menschen zu erkennen, die unversehrt und ohne Auszehrung gestorben sind. Durch Wiegen des Herzens (s. S. 24) beobachteten sie seit vielen Jahren, wie bei jedem Lebensalter die Gewichtszu- und -abnahmen erfolgten: Das Herz eines Einjährigen wiege zwei Drachmen (s. S. 24), das des Zweijährigen vier Drachmen, und kämen pro Jahr immer zwei Drachmen hinzu bis zum 50. Lebensjahr. Von diesen 100 Drachmen aus und 50. Lebensjahr an gehe das Gewicht in derselben Weise pro Jahr um zwei Drachmen zurück. Die einleuchtende Folge sei die, dass im 100. Lebensjahr wieder zum Gewicht des ersten Lebensjahres zurückkehre und somit auch das Leben nicht länger fortführen könne. (15) Da nun ein bürgerliches Säkulum der Römer 100 Jahre währt, darf man davon ausgehen, dass dein erster und auch dein heutiger Geburtstag in das zehnte Säkulum fallen. W ie la n ge w i r d R o m n o c h be s t e h e n ? Zu sagen, wie viele Säkulen die Stadt Rom noch zu erwarten hat, ist meine Sache nicht, doch will ich nicht verschweigen, was ich bei (Marcus Terentius) Varro gelesen habe. Dieser sagt im 18. Buch der Antiquitates („Kulturaltertümer“),
in Rom habe es einen Mann namens Vettius gegeben, nicht unbedeutend bei der Vogelschau, von großem Talent und jedem Fachgelehrten in der Deutungskunst gleichrangig. Er (Varro) habe nun jenen sagen hören, wenn es wirklich zutreffe, was die Geschichtsschreiber über die Vogelflugzeichen und über die zwölf Geier bei der Gründung der Stadt des Romulus berichteten, so werde das römische Volk, da es bereits 120 Jahre schadlos überstanden habe, es auf 1200 Jahre bringen. (Varro, Antiquitates 18)
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18.
(1) Bis hierher habe ich zum Säkulum gesprochen.
Das Großjahr Nun will ich über die „Großjahre“ sprechen, deren Größe bei den Völkern so unterschiedlich bestimmt wie von den Autoren überliefert wird; die einen meinen, das Großjahr sei mit zwei vollen Jahresläufen gleichzusetzen, andere mit vielen Tausenden von Jahren. Was es damit auf sich hat, will ich von hier an abzuhandeln versuchen. Wa s i s t e in Gr o SSja h r ? (2) Da schon die alten Gemeinden in Griechenland beobachteten, dass die Sonne ihren Umlauf im Lauf eines Jahres ausführt, der Neumond aber in diesem Zeitraum , manchmal 13-mal eintritt, und zwar abwechselnd, kamen sie zu der Auffassung, dass zwölfeinhalb Mondmonate ein natürliches Jahr ergeben. Deshalb richteten sie die bürgerlichen Jahre so ein, dass sie durch Schaltmonate abwechselnd Einheiten zu zwölf und zu 13 Monaten erzielten; diese nannten sie jeweils für sich „volles Jahr“, paarweise zusammengenommen jedoch „Großjahr“. Diesen Zeitabschnitt bezeichneten sie auch (auf Griechisch) als triëteris („Dreijahreszeitraum“), weil jeweils im dritten Jahr der Schaltmonat kam, obwohl es sich nur um einen Zweijahresumlauf und tatsächlich um eine (auf Griechisch) diëteris („Zweijahreszeitraum“) handelte; daher werden die Mysterien für Dionysos (Liber Pater), die in jedem zweiten Jahr stattfinden, von den Dichtern als „triëterische“ bezeichnet. (3) Als später der Irrtum erkannt wurde, verdoppelten sie diese Frist und machten sie (auf Griechisch) zu einer tetraëteris („vierjährigen“). Da das Fest aber nun jeweils im fünften Jahr wiederkehrte, bezeichnete man es auch (auf Griechisch) als pentaëteris („fünfjähriges“); dieses nach einem Vierjahreszeitraum bemessene Großjahr schien angemessener zu sein, dass das Sonnenjahr aus 365 Tagen und etwa dem Viertel eines Tages besteht, der sich alle vier Jahre zu einem (ganzen) Tag zusammenfügt. (4) Aus diesem Grund werden (Olympische) Wettspiele für den olympischen Zeus in Elis und die für den Kapitolinischen Iupiter in Rom mit Wiederkehr jedes fünften Jahres gefeiert. Auch diese Zeitspanne, die nur zum Lauf der Sonne, doch nicht zu dem des Monds zu passen schien, hat man verdoppelt und zu einer (auf Griechisch) oktaëteris („achtjährigen“) gemacht, die daraufhin wieder (auf Griechisch) enneaëteris („neunjährige“) genannt wurde, weil ihr Anfangsjahr jeweils im neunten Jahre wiederkehrte. (5) Dass dieser Umlauf mit dem echten Großjahr identisch ist, hat man in Griechenland meistens angenommen, weil er aus ganzen vollen Jahren besteht, wie es sich eigentlich für ein Großjahr gehört. Es setzt sich nämlich aus 2922 vollen Tagesläufen, 99 vollen Mondumläufen und acht vollen Jahresläufen zusammen. Exkurs: Die O k t aë t eris
Der allgemeinen Ansicht zufolge ist diese oktaëteris von Eudoxos von Knidos eingerichtet worden, aber andere überliefern, dass sie zuerst Kleostratos von Tenedos zusammengestellt habe und sie danach von anderen immer wieder abgewandelt worden sei, die durch verschiedenartige Schaltungen ihre eigenen oktaëterides einführten. So machten es etwa Harpalos, Nauteles, Menestratos und auch andere, zu denen Dositheos (von Alexandreia) gehört, dem am ehesten (das Buch über) die Oktaëteris des Eudoxos zugeschrieben wird. (6) Deshalb feiern in Griechenland viele Kulte nach Maßgabe dieser Zeitspanne ihre höchsten Feiern; auch in Delphi wurden einst die Festspiele, die man die „Pythischen Spiele“ nennt, nach jeweils acht Jahren veranstaltet.
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Ihr (der oktaëteris) am nächsten steht die Einheit, die man (auf Griechisch) als dodekaëteris („zwölfjährig“) bezeichnet und die aus zwölf vollen Jahren besteht. (7) Dieses Großjahr trägt den Namen „Chaldäisches Jahr“, das die Geburtstagsforscher (genethliaci) nicht nach dem Lauf von Sonne und Mond, sondern nach anderen Beobachtungen erfasst haben; sie geben etwa an, dass in dieser Zeitspanne die Wetterlagen, gute und schlechte Ackererträge, ja auch Krankheits- und Gesundheitsphasen im Umlauf wiederkehrten. (8) Außerdem gibt es noch einige andere Arten von Großjahren, etwa das metonische, das Meton von Athen aus 19 Jahresläufen und fünf Schalttagen zusammengesetzt hat und das man deshalb (auf Griechisch) enneadekaëteris („neunzehnjährig“) nennt; in diesem Jahr sind 6940 Tage. Es gibt auch das Großjahr des Pythagoreers Philolaos (von Kroton) mit einem Umfang von 59 Jahresläufen, in denen 21 Schaltmonate liegen. Ebenso gibt es das Großjahr des Kallippos von Kyzikos mit 76 Jahresläufen, wobei 28 Schaltmonate einbezogen sind, weiterhin das des Demokritos (von Abdera) mit 82 Jahren und ebenfalls 28 Schaltmonaten; schließlich gibt es noch das Großjahr des Hipparchos (von Nikaia) mit 304 Jahresläufen, von denen 112 Schaltmonate haben. Exkurs: S onnen - und M ondu mlau f
(9) Die Dauer der Großjahre unterscheidet sich, weil unter den Sternenkundigen keine Einigkeit darüber besteht, um wie viel der Sonnenumlauf mehr als 365 Tage im Jahr beträgt und um wie viel der Mondumlauf weniger als 30 Tage im Monat. (10) Das Großjahr der Ägypter hat mit dem Mond nichts zu tun; wir nennen es auf Griechisch kynikon, auf Lateinisch canicularis (beides bedeutet „Hundsjahr“), weil es seinen Anfangspunkt daraus bestimmt, dass am ersten Tag des Monats, den die Ägyp-
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ter Thothyi nennen, das Gestirn der canicula („Hündchen“, der Fixstern Sirius) aufgeht. Ihr bürgerliches Jahr umfasst nur 365 Tage ohne jede Schaltung; deshalb ist bei ihnen ein Zeitraum von vier Jahren etwa um einen Tag kürzer als das natürliche Jahrviert; daraus folgt, dass beide Systeme erst nach 1461 Jahren wieder zum gleichen Jahresanfang zurückfinden. Dieses Jahr wird von manchen auch (auf Griechisch) hêliakos („Sonnenjahr“) genannt, von anderen theou eniautos („Gottesjahr“). (11) Außerdem gibt es eine Jahreseinheit, die Aristoteles (von Stageira) lieber „Größtjahr“ als „Großjahr“ nennt; darin werden die Kreisbahnen von Sonne, Mond und den fünf Planeten so durchlaufen, dass alle diese Himmelskörper wieder gleichzeitig in demselben Sternbild stehen, in dem sie einst zugleich gestanden hatten. Der Winter dieses Jahres wird in seinem Tiefpunkt (auf Griechisch) der kataklysmos, bei uns (auf Lateinisch) diluvio (Sintflut) genannt, sein Sommer (auf Griechisch) ekpyrôsis, also „Verbrennung“ der Welt, denn es scheint, dass in diesen Zeiträumen die Welt abwechselnd verbrannt und überflutet wird. Dieses (Großjahr) berechnete Aristarchos (von Samos) mit 2434 vollen Jahren, Aretes von Dyrrhachion mit 5552, Herakleitos (von Ephesos) und Linos mit 10 800, Dion mit 10 884, Orpheus mit 120 000, Kassandros mit 3 600 000 Jahresläufen. Andere meinten, das Größtjahr sei unendlich und kehre nie in seine Ausgangsstellung zurück. W elc h e Gr o SSja h r e s e in h e i t e n we r de n v e r we n de t ? (12)
Von diesen Jahreseinheiten berücksichtigen die Griechen am häufigsten die pentaëterides, also die Vierjahresperioden, die sie (auf Griechisch) als olympiades (Olympiaden) bezeichnen. Jetzt zählt man bei ihnen die 254. Olympiade, und von dieser ist nun das zweite Jahr. (13) Dasselbe galt für das Großjahr bei den Römern, das sie lustrum nannten; jedenfalls wurde es von (dem römischen
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König) Servius Tullius so eingerichtet, dass in jedem fünften Jahr nach Durchführung der Censur ein lustrum (Sühnopfer) verrichtet werden sollte; dies ist aber von den Späteren so nicht eingehalten worden. (14) Obwohl nämlich zwischen dem ersten, von König Servius Tullius vollzogenen lustrum und dem, das im Konsulatsjahr von Kaiser Vespasianus zum fünften Mal und Kaiser zum dritten Mal (74 n. Chr.) abgehalten wurde, nur etwas weniger als 650 Jahre liegen, sind nicht mehr als 75 lustra durchgeführt worden; später haben sie ganz aufgehört, sie zu machen. (15) Erst anlässlich der Kapitolinischen Wettspiele hat man wieder damit begonnen, dieses Großjahr sorgfältiger einzuhalten. Die ersten dieser Wettspiele wurden von (Kaiser) Domitianus im Konsulatsjahr von ihm selbst zum zwölften Mal und Servius Cornelius Dolabella (Petronianus) (86 n. Chr.) eingerichtet. Deshalb zählt man die Spiele, die jetzt in diesem Jahr stattfanden, als die 39. Wettspiele. Das Thema „Großjahr“ ist nunmehr hinreichend behandelt. Das Jahr Nun ist es an der Zeit, über die vollen (natürlichen) Jahre zu sprechen. 19. (1) Das volle Jahr ist die natürliche Zeitspanne, in der die Sonne die zwölf Sternbilder des Tierkreises durchläuft und dorthin zurückkehrt, von wo sie aufgebrochen ist. (2) Wie viele Tage diese Zeitspanne umfasst, haben die Sternenkundigen bisher nicht genau herausfinden können: Philolaos (von Kroton) überliefert, das natürliche Jahr habe 364 1/2 Tage, Aphrodisios 365 1/8 Tage, Kallippos (von Kyzikos) 365 Tage, Aristarchos von Samos ebenso viele plus 1000/1623 Tage, Meton (von Athen) hingegen 365 plus 5/19 Tage, Oinopides (von Chios) 365 plus 22/59 Tage, Harpalos 365 Tage plus 13 Tag- und Nachtgleiche-Stunden W i e v iele Tage h at e in n at ü r l i c h e s J a h r ?
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(s. S. 24), unser (römischer Landsmann Quintus) Ennius hingegen ganze 366 Tage. (3) Außerdem haben die meisten geglaubt, es handle sich um eine unverstehbare und unaussagbare Größe; doch als Ersatz für die Wahrheit hielten sie sich an den Wert, der ihrer Meinung nach der Sache am nächsten kommt, nämlich 365 Tage. W ie v iele Tage h at e in b ü r ge r l i c h e s J a h r ? (4) Da nun also schon unter den gelehrtesten Männern eine so große Uneinigkeit besteht, was wundert es, dass die bürgerlichen Jahre, die von den verschiedenen, damals ja kulturlosen Gemeinden jeweils zum eigenen Gebrauch festgelegt wurden, so sehr voneinander abweichen, wie sie mit dem besagten natürlichen Jahr nicht übereinstimmen? In Ägypten sei, wie überliefert wird, das älteste Jahr nur einmonatig gewesen; später sei es von König Ison auf vier Monate erweitert worden; zuletzt habe König Arminos es auf dreizehn Monate und fünf Tage ausgedehnt. (5) Die Arkader in Achaia sollen ebenfalls zuerst ein dreimonatiges Jahr gehabt haben; deshalb seien sie (auf Griechisch) proselênoi („Vor-MondLeute“) genannt worden, nicht etwa – wie manche glauben –, weil sie bereits entstanden waren, bevor je das Mondgestirn am Himmel erschien, sondern weil sie schon (einen Begriff für) das Jahr hatten, in Griechenland das Jahr nach dem Mondumlauf eingeführt wurde. (6) Manche überliefern, dass (der mythische Arkader-König) Horos dieses dreimonatige Jahr eingerichtet habe, und nach ihm würden Frühling, Sommer, Herbst und Winter (auf Griechisch) hôrai („Horen“, Jahreszeiten) und das Jahr genannt, und folglich die griechischen Annalen hôroi („Jahrbücher“) und deren Verfasser „Horographen“. Deshalb nannten sie einen Zeitraum von vier solchen Dreimonatsjahren als Großjahr nach Art der pentaëteris (s. 18,4). (7) Die Karer aber und die Akarnanen hatten sechsmonatige Jahre, allerdings untereinander verschieden; abwechselnd hatten sie
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länger oder kürzer werdende Tage, und beide zusammengefasst ergaben ein Großjahr wie eine triëteris (s. 18,2). 20. (1) Ich will nun aber diese schon von hohem Alter verdunkelten Jahre(slängen) verlassen! Auch bei denen, die aus der jüngeren Geschichte stammen und schon nach dem Umlauf von Mond oder Sonne ausgerichtet sind, ist leicht zu erkennen, wie groß die Unterschiede sind, etwa wenn man die Völker Italiens – über das Ausland will ich nicht sprechen – untersuchen will. Denn so wie die Bewohner von Ferentinum, von Lavinia oder auch von Alba (Longa) und von Rom jeweils ein anderes Jahr hatten, so auch die übrigen Völker. Allen gemeinsam war jedoch das Vorhaben, ihre bürgerlichen Jahre mit unterschiedlichen Schaltmonaten an jenem einen wahren und natürlichen Jahreslauf auszurichten. (2) Weil über all diese zu sprechen zu weitschweifig wäre, werden wir gleich zum Jahr der Römer übergehen. Dass das volle Jahr in Rom gleich von vornherein zwölf Monate gehabt habe, schrieben Licinius Macer und später Fenestella. Eher aber ist dem (Marcus) Iunius Gracchanus, (Marcus) Fulvius (Nobilior), (Marcus Terentius) Varro und (Gaius) Suetonius (Tranquillus) sowie anderen zu glauben, die meinten, es seien zehn Monate gewesen, wie sie früher die Bewohner von Alba (Longa) hatten, von denen ja die Römer abstammen. (3) Diese zehn Monate hatten 304 Tage auf folgende Weise: März 31, April 30, Mai 31, Juni 30, Quintilis 31, Sextilis und September je 30, Oktober 31, November und Dezember je 30 Tage. Die vier größeren Monate wurden „voll“ genannt, die anderen sechs „hohl“. (4) Später wurden dann – wie (Marcus) Fulvius (Nobilior) schreibt – von Numa (Pompilius, dem Nachfolger des Stadtgründers Romulus als König von Rom) oder – nach (Marcus) Iunius (Gracchanus) – von (Lucius) Tarquinius (Superbus, dem
W i e h at ma n in R o m Sc h altja h r e e in ge f ü h r t ?
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siebten und letzten König von Rom) zwölf Monate und 355 Tage geschaffen, obwohl erkennbar war, dass der Mond in seinen zwölf Monaten nur 354 Tage ausfüllt. Dass ein Tag zuviel war, geschah entweder aus Unwissenheit oder – was ich eher glaube – aus dem Aberglauben heraus, dass eine ungerade Zahl als Vollzahl und glückverheißender galt. (5) Sicher sind zum früheren Jahr 51 Tage hinzugekommen. Da diese aber keine zwei Monate füllen, wurde von jenen sechs „hohlen“ Monaten jeweils ein Tag abgezogen, jenen hinzugerechnet und so 57 Tage erzielt, aus denen man die beiden Monate bildete: den Januar mit 29 Tagen, den Februar mit 28 Tagen. So waren künftig alle Monate „voll“ und von ungerader Tageszahl, mit Ausnahme des Februar: dieser blieb als einziger „hohl“ und wurde daher für weniger glückverheißend als die übrigen angesehen. (6) Als man schließlich beschlossen hatte, einen Schaltmonat von abwechselnd 22 oder 23 Tagen einzuschieben, damit das bürgerliche Kalenderjahr dem natürlichen angeglichen würde, unternahm man diese Schaltung im Februar zwischen den Terminalia (am 23.2.) und dem Regifugium (am 24.2.). Das tat man so lange, bis man bemerkte, dass die bürgerlichen Jahre nun etwas länger geworden waren als die natürlichen. Diesem Mangel abzuhelfen wurde den Pontifices (Priestern) als Aufgabe zugewiesen; die Art des Schaltens wurde dabei ihrer Entscheidung überlassen. (7) Die meisten von ihnen haben allerdings aus Hass oder Gunst – etwa damit jemand rascher aus seinem Amt ausscheide oder länger im Amt verbleibe oder damit ein Steuerpächter wegen der Länge des Jahres Gewinn oder Verlust habe – nach Belieben größere oder kleinere Schaltungen vorgenommen und so die Sache, die ihnen zur Korrektur anvertraut war, noch weiter verdorben. (8) So groß waren die Abweichungen, dass Gaius (Iulius) Caesar als Pontifex Maximus im Konsulatsjahr von ihm selbst
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zum dritten Mal und Marcus Aemilius Lepidus (46 v. Chr.), um den zurückliegenden Fehlbetrag zu korrigieren, Folgendes unternahm: Zunächst schob er zwei Schaltmonate von insgesamt 67 Tagen zwischen November und Dezember ein, obwohl er bereits im Februar 23 Tage eingeschaltet hatte, und dehnte so jenes Jahr auf 445 Tage aus. Zugleich sorgte er dafür, dass in der Zukunft nicht erneut solche Fehler entstünden; durch Abschaffung des Schaltmonats bildete er ein bürgerliches Jahr nach dem Umlauf der Sonne. (9) Dafür fügte er den 355 Tagen nochmals zehn hinzu, die er auf die sieben Monate, die je 29 Tage hatten, so verteilte, dass zu Januar, Sextilis und Dezember je zwei kamen, zu den übrigen je einer. Diese Tage fügt er jeweils an die Enden der Monate, damit verständlicherweise die Kultfeste der einzelnen Monate nicht von ihrem Datum gerückt werden sollten. (10) Obwohl nun infolgedessen bei sieben Monaten 31 Tage vorkommen, sind die vier schon seit alters so eingerichteten von den anderen drei Monaten dadurch unterschieden, dass sie die Nonen am siebten Tage haben, während sie bei den drei anderen und bei allen übrigen Monaten auf den fünften Tag fallen. Außerdem verfügte Caesar im Hinblick auf den Vierteltag, der das wahre Jahr zu vervollständigen schien, dass man nach Ablauf eines Vierjahreslaufs dort, wo man früher einen Monat einzuschalten pflegte – nämlich nach dem Fest der Terminalia (23.2.) –, nun einen Tag einschalte, den man heute bissextus nennt („zweimal der 6. Tag“ vor den Kalenden des März, also Verdoppelung des 24.2., nicht, wie in der Gegenwart, des 28.2.). (11) Seit diesem von (Gaius) Iulius Caesar in der beschriebenen Weise geordneten Jahr werden die Jahre bis zu unserer Zeit hin „iulianische“ genannt; sie beginnen im Konsulatsjahr von Caesar zum vierten Mal (45 v. Chr.). Obwohl diese Jahre auf die beste dem natürlichen Jahr angepasst sind (der von Caesar eingeführte Kalender gilt
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ja mit wenigen Korrekturen bis heute), sind sie darin durchaus nicht einzigartig, denn auch die früheren Jahre sind, selbst wenn sie in einigen Fällen Zehnmonatsjahre zählten, nicht nur in Rom und in Italien, sondern bei allen Völkern soweit möglich ebenso korrigiert worden. (12) Wenn also hier von einer bestimmten Anzahl von Jahren gesprochen wird, darf man darunter nichts anderes als natürliche Jahre verstehen. Ja, wenn der Ursprung der Welt den Menschen zur Kenntnis gelangt wäre, würden wir dort unseren Anfang machen. Was ist der „historische“ Zeitabschnitt? 21. (1) Nun aber werde ich den Zeitabschnitt behandeln, den (Marcus Terentius) Varro (auf Griechisch) als historikon („historisch“) bezeichnet. Er gibt nämlich an, dass es drei unterscheidbare Zeitabschnitte gibt: Der erste reicht vom Beginn der Menschheit bis zum ersten Kataklysmos (Sintflut), und wegen der Unkenntnis darüber nennt man ihn (auf Griechisch) adêlos („unklar“). Der zweite Abschnitt geht vom ersten Kataklysmos bis zur ersten Olympiade, und weil aus dieser Zeit viel Sagenhaftes berichtet wird, wird er (auf Griechisch) mythikon („mythisch“) genannt. Der dritte Abschnitt dauert von der ersten Olympiade bis in unsere Zeit und heißt (auf Griechisch) historikon („historisch“), da die in ihm geschehenen Ereignisse in den eigentlichen Historien erfasst sind. (2) Für den ersten Zeitabschnitt lässt sich nicht erfassen, ob er einen Anfang hat oder schon immer da war, und auch nicht, wie viele Jahre er umfasst. Für den zweiten weiß man dies nicht genau, doch glaubt man, dass er etwa 1600 Jahren umfasst: Vom ersten Kataklysmos nämlich, der sogenannten Flut des Ogyges, bis zur Königsherrschaft des Inachos rund 400 Jahre, von da bis zur ersten Olympiade etwas über 400 Jahre.
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Exkurs: Ein t eilung de s m y t hischen Z ei t abschni t t s
Diese letzten (400 Jahre), die ja den jüngsten im mythischen Zeitabschnitt bilden, haben manche, weil sie der schriftlichen Tradition am nächsten liegen, genauer definieren wollen: (3) Sosibios (von Lakedaimon) schrieb, es seien 395 Jahre, Eratosthenes (von Kyrene) hingegen 407, Timaios (von Tauromenion) 417, Aretes (von Dyrrhachion) 514; viele anders lautende Angaben kommen hinzu, deren unterschiedliche Meinungen bereits offenlegen, dass dies unsicher ist. (4) Beim dritten Zeitabschnitt gab es zwar auch einen gewissen Dissens unter den Autoren, wobei es aber nur um sechs oder sieben Jahre geht. (5) Was es noch an Undurchsichtigkeit gab, hat (Marcus Terentius) Varro aufgerissen, indem er mit dem ihm eigenen Scharfsinn zunächst die Zeitrechnungen verschiedener Gemeinden verglich, dann die Fehlstellen und deren Umlauf rückwärts nachrechnete und so die Wahrheit herausfand und ein Licht entzündete, durch das man die sichere Zahl nicht nur der Jahre, sondern sogar auch der Tage erkennen kann. (6) Nach Maßgabe dieser Zeitrechnung ist, wenn ich mich nicht irre, dieses jetzige Jahr (238 n. Chr.) Folgendes: Die offizielle Bezeichnung und gleichsam das Etikett ist das Konsulatsjahr der ehrenwerten Männer (Fulvius) Pius und (Pontius Proculus) Pontianus. Seit der ersten Olympiade ist es das 1014., gerechnet natürlich von den Sommertagen, in denen die olympischen Wettspiele gefeiert werden. Seit der Gründung der Stadt Rom aber ist es das 991., nun freilich vom Fest der Parilia (am 21.4.) gezählt, von denen aus die Jahre der Stadt rechnen. (7) Von den Jahren, die wir als „iulianisch“ bezeichnen (s. 20,11), haben wir jetzt das 283., und zwar vom 1. Januar an gerechnet, von dem als Beginn (Gaius Iulius) Caesar das von ihm konstituierte Jahr ansetzte s.20,1). In welc h em J a h r be f in de n w i r u n s ?
92 C e n s o r i n u s : Da s G e b u rt s tag s b u c h
(8) Von den sogenannten Augustusjahren ist es das 265., wiederum mit dem Ausgangstag 1. Januar, obwohl (Kaiser Augustus, also) Imperator Caesar, Sohn des vergöttlichten (Gaius) Iulius Caesar, auf Antrag des Lucius Munatius Plancus vom Senat und allen Bürgern am 17. Januar zum Augustus erhoben worden ist im Konsulatsjahr von ihm selbst zum siebten und Marcus Vipsanius Agrippa zum dritten Mal (27 v. Chr.). (9) Die Ägypter aber, weil sie zwei Jahre vorher in Befehlsgewalt des römischen Volkes kamen, dieses Jahr als das 267. Augustusjahr. Wie bei uns hat man ja auch bei den Ägyptern eine bestimmte Jahreszählung in die Urkunden eingebracht, die (auf Griechisch) genannten Jahre Nabonnazarou („des Nabonnazaros“), die mit dessen erstem Regierungsjahr beginnen; von diesen ab ist nun das 986. Jahr. Ebenso gibt es die Jahre Philippou („des Philippos“), die vom Tod Alexanders des Großen an gerechnet werden und die sich, bis zu diesem Jahre geführt, zu 562 Jahren summieren. Exkurs: Die Jahr e s an f änge
(10) Die Jahresanfänge dieser Zählungen werden immer beim ersten Tag des Monats angenommen, der bei den Ägyptern den Namen Thouth (s. 18,10) führt; er fällt in diesem Jahr auf den 25. Juni, während er vor nunmehr hundert Jahren im Konsulatsjahr von Kaiser Antoninus Pius zum zweiten Mal und (Gaius) Bruttius Praesens zum zweiten Mal (139 n. Chr.) auf den 21. Juli fiel, an dem in Ägypten üblicherweise der canicula genannte („Hunds-“) Stern (Sirius; s. 18,10) aufgeht. (11) Hieraus kann man sogar schließen, dass im System des Großjahres, das – wie oben (18,10) erwähnt – Sonnen-, Hundsstern- oder Gottesjahr genannt wird, jetzt eben das 100. volle Jahr abläuft. (12) Die Anfänge dieser Jahre habe ich darum vermerkt, dass niemand auf den Gedanken verfällt, sie begännen alle gleichzeitig am 1. Januar oder sonst an einem Zeitpunkt; die Bestrebungen der jeweiligen Begründer sind darin nicht weniger verschieden als die Meinungen der Philoso-
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phen. (13) Deshalb beginnt das natürliche Jahr nach Meinung der einen mit der neuen Sonne, also mit der Wintersonnenwende, nach Meinung der Mehrheit mit der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche; ein Teil geht von der Herbst-Tag- und Nachtgleiche aus, manche vom Aufgang der vergiliae (der Pleiaden, des Siebengestirns), einige von deren Untergang, viele vom Aufgang des canicula genannten Sterns (Sirius; s. 18,10). Der Monat 22. (1) Es gibt zwei Gattungen von Monaten: die einen sind die natürlichen, die anderen die bürgerlichen. (2) Von den natürlichen Monaten gibt es zwei Arten, da sie teils für die Ausrichtung nach der Sonne, teils für die nach dem Mond beansprucht werden: Der Sonnenmonat bestimmt sich nach der Zeit, in der die Sonne jeweils ein Sternbild des Tierkreises durchläuft. (3) Der Mondmonat entspricht der Zeitspanne von Neumond . Die bürgerlichen Monate sind eine gewisse Anzahl von Tagen, die jede Gemeinde nach eigener Festsetzung beachtet, wie etwa jetzt die Römer von den Kalenden zu den Kalenden. Die natürlichen Monate sind die älteren und allen Völkern gemeinsam; die bürgerlichen Monate wurden erst später eingerichtet und beziehen sich jeweils nur auf eine bestimmte Gemeinde. (4) Die nach den Himmelskörpern – gleich ob nach Sonne oder Mond – ausgerichteten Monate sind weder untereinander völlig gleich noch gehen sie mit ganzen Tagen auf. Die Sonne nämlich hält sich etwa 29 Tage lang im Zeichen des Wassermanns auf, etwa 30 Tage im dem der Fische, in dem des Widders 31 Tage und in dem der Zwillinge fast 32 Tage; ebenso ungleichmäßig ist ihr Aufenthalt bei den anderen (Sternbildern). Dass sie in den einzelnen nicht ganze Wa s s in d n at ü r l i c h e M o n at e ?
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Tage verweilt, hat zur Folge, dass die Sonne ihr Jahr – das sind 365 Tage und der Bruchteil, der aus mir unbekannten Gründen von den Sternenkundigen noch immer unerforscht ist (s. 19,2) – in zwölf Monate teilt. (5) Der Mond durchläuft seine Monate in etwa 29 1/2 Tagen, doch sind auch diese Monate untereinander verschieden, manche länger, andere kürzer. Wa s s in d b ü r ge r l i c h e M o n at e ? Die (bürgerlichen) Monate der Gemeinden aber klaffen in der Zahl der Tage noch mehr auseinander, doch setzen sie sich überall aus ganzen Tagen zusammen: (6) Bei den Leuten von Alba (Longa) hat der März 36 Tage, der Mai 32, der Sextilis 18, der September 16 Tage; der Quintilis der Leute von Tusculum 36 Tage, ihr Oktober 32; derselbe Monat Oktober bei den Leuten von Aricina 39 Tage. (7) Am wenigsten scheinen diejenigen fehlgegangen zu sein, die ihre bürgerlichen Monate dem Mondumlauf angepasst haben, wie die meisten in Griechenland; dort hat immer jeder zweite Monat 30 Tage. (8) Auch unsere Vorfahren (die Leute von Rom) haben dies nachgeahmt, als sie noch das Jahr zu 355 Tagen hatten (s. 20,2). Als aber der vergöttlichte (Gaius Iulius) Caesar erkannte, dass nach dieser Rechnung weder die Monate zum Mond, wie es sich gehört hätte, noch das Jahr zur Sonne passt, wollte er lieber das Jahr so korrigieren, dass die bürgerlichen Monate mit jenen wahren Sonnenmonaten, wenn schon nicht jeder für sich, so doch zusammengefasst bis zum Jahresende zwangsläufig zusammenträfen (s. 20,9).
(9) Die Namen für die zehn alten Monate (s. 20,2) soll (der erste König von Rom) Romulus laut (den Historikern Marcus) Fulvius (Nobilior) und (Marcus) Iunius (Gracchanus) gemacht haben. Und zwar habe er die beiden ersten nach seinen Eltern benannt, den März nach seinem Vater Mars, den April nach Aphrodite, also nach der Venus, von der seine Ahnen abstammen sollen. Die beiden nächsten W ie la u t e n die b ü r ge r l i c h e n M o n at s n ame n ?
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Monate nannte er nach dem Volk, den Mai nach den maiores („Älteren“), den Juni nach den iuniores („Jüngeren“), die übrigen nach der Ordnungszahl, die sie jeweils hatten, vom Quintilis („Fünften“) bis hin zum Dezember („Zehnten“) nach dem Zahlwort. (10) (Marcus Terentius) Varro hingegen meint, die Römer hätten die Monatsnamen von den Latinern übernommen, und er lehrt ganz überzeugend, dass die Namensgeber älter waren als die Stadt (Rom): (11) Deshalb glaubt er zwar auch, dass der März nach (dem Kriegsgott) Mars benannt ist, aber nicht, weil dieser der Vater des Romulus war, sondern weil der Stamm der Latiner kriegerisch war; der April heiße nicht nach Aphrodite, sondern nach aperire („öffnen“), weil dann fast alles entstehe und die Natur die Pforten des Werdens öffne; (12) der Mai heiße nicht nach den maiores, sondern nach (der Göttin) Maia, weil in diesem Monat in Rom wie früher in Latium für Maia Feiern durchgeführt werden; der Juni heiße auch eher nach der (Göttin) Iuno als nach den iuniores, da in diesem Monat vor allem der Iuno Ehren erwiesen wurden; (13) der Quintilis heiße so, weil er schon bei den Latinern an fünfter Stelle stand; ebenso sei der Sextilis nach seiner Stellenzahl genannt, und immer so weiter bis zum Dezember. Im Übrigen seien Januar und Februar zwar später vorgeschaltet worden, doch seien auch deren Namen schon aus Latium übernommen: Der Januar habe von (dem Gott) Ianus, dem er zugeordnet ist, seinen Namen bezogen, der Februar vom Februum. Exkurs: Das F ebr uu m
(14) Unter Februum versteht man alle Mittel und Riten, die entsühnen und reinigen; (lateinisch) februamenta heißen Sühnopfer und entsprechend (lateinisch) februare reinigen und rein machen. Unter Februum darf man aber nicht in allen Fällen dieselben Mittel und Riten verstehen, denn bei allen wird jeweils in anderer Weise „februiert“, also gereinigt. (15) In diesem Monat (Februar) bringt man aber an den Lupercalia, dem Ent-sühnungsfest
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Roms, heißes Salz dar, das man Februum nennt; deshalb ist der Tag der Lupercalia in besonderer Weise ein „Februier-Tag“ – und im weiteren Verlauf wurde nach diesem Tage der Monat Februar genannt. (16) Nur bei zwei von diesen zwölf Monaten wurde seither der Name geändert: Der Quintilis bekam den Ehrennamen Juli im Konsulatsjahr von Gaius (Iulius) Caesar zum fünften Mal und Marcus Antonius (44 v. Chr.) im zweiten iulianischen Jahr (s. 20,11). Der zuvor Sextilis genannte Monat wurde aufgrund eines Senatsbeschlusses im Konsulatsjahr von (Gaius) Marcius Censorinus und Gaius Asinius Gallus (8 v. Chr.) zu Ehren des Kaisers Augustus im 20. Augustusjahr (s. 21,8) in August umbenannt. Diese Namen haben sich bis in die heutige Zeit gehalten. (17) Freilich haben auch später noch viele Herrscher Monatsnamen geändert und nach ihren eigenen Namen bezeichnet, doch haben sie entweder selbst später die Änderung rückgängig gemacht oder man hat nach ihrem Tod den Monaten ihre früheren Namen zurückgegeben. Der Tag (1) Es bleibt nun noch einiges Wenige über den Tag zu sagen, der – wie Jahr und Monat – teils ein natürlicher, teils ein bürgerlicher ist. 23.
(2) Ein Tag im natürlichen Sinn ist die Zeitspanne zwischen Sonnenauf- und -untergang; sein Gegenteil ist die Nacht als Zeitspanne zwischen Sonnenunter- und -aufgang. Wa s i s t de r n at ü r l i c h e Tag ?
Als Tag im bürgerlichen Sinn wird die Zeitspanne benannt, die während einer Himmels-Umdrehung verstreicht und einen wirklichen (natürlichen) Tag und eine Wa s i s t de r b ü r ge r l i c h e Tag ?
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(natürliche) Nacht enthält, wie wenn wir etwa sagen, jemand habe nur dreißig Tage gelebt; dabei wird nicht eigens gesagt, dass man auch die Nächte mitzuverstehen hat. (3) Ein Tag dieser Art wird von den Sternenkundigen und in den Gemeinden auf vier verschiedene Weisen begrenzt: Die Babylonier setzten den Tag vom Aufgang der Sonne bis zum nächsten Aufgang dieses Himmelskörpers fest; in Umbrien hingegen reichte der Tag bei vielen von Mittag bis Mittag. Bei den Athenern ging der Tag von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang. Die Römer jedoch waren der Ansicht, der Tag dauere von Mitternacht bis Mitternacht. (4) Grund dafür sind wohl öffentliche Kulthandlungen und die Vogelschau der Magistrate; was nämlich davon vor Mitternacht vorgenommen wird, wird dem vorausgegangenen Tag zugeschrieben; was nach Mitternacht, aber noch vor dem Tageslicht geschah, gilt als an dem Tag getan, der auf die Nacht folgte. (5) Dasselbe zeigt sich darin, dass Menschen, die innerhalb von 24 Stunden zwischen Mitternacht und der nächsten Mitternacht geboren werden, denselben Geburtstag haben. (Dass der Tag um Mitternacht beginnt, verdanken wir also bis in die Gegenwart den Römern.) W i e w i r d de r Tag e in ge t e i lt ? (6) Dass der Tag in zwölf Stunden eingeteilt wird und ebenso die Nacht, ist allgemein bekannt. Ich glaube, dass diese Einteilung in Rom erst nach der Erfindung der Sonnenuhr beachtet worden ist.
Exkurs: S onnenuhr en in Rom
Es ist schwer zu ermitteln, welches die älteste aller Sonnenuhren (in Rom) ist: Die einen sagen, die erste Sonnenuhr sei am Tempel des Quirinus errichtet worden, andere, auf dem Kapitol, einige, beim Tempel der Diana auf dem Aventin. (7) Hinreichend fest steht jedoch, dass auf dem Forum (Romanum in Rom) keine Sonnenuhr älter gewesen ist als diejenige, die Manlius Valerius (Maximus Corvinus Messalla) aus Sizilien
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mitbrachte und bei den Rostren auf einer Säule aufstellte. Da diese jedoch auf das klima (die geographische Breite) Siziliens abgestimmt war und nicht zu den römischen Stunden passte, stellte der Censor Lucius Philippus eine andere daneben. Einige Zeit danach ließ der Censor Publius Cornelius (Scipio) Nasica eine Wasser-Stundenuhr erstellen, die man aber aus der Gewohnheit, die Stunden von der Sonne her zu lesen, ebenfalls „Sonnenuhr“ zu nennen begann. (8) Dass die Namen der Stunden den Römern nicht weniger als 300 Jahre lang (seit Gründung der Stadt) unbekannt geblieben sind, ist durchaus glaubhaft. Im Zwölftafelgesetz findet man nämlich nirgends benannte Stunden, wie bei anderen späteren Gesetzen, sondern nur ante meridiem („vor dem Mittag“), offenbar deshalb, weil der Mittag die Teile des in zwei Hälften aufgegliederten Tages unterteilt. (9) Andere teilten den Tag in vier Teile, aber auch die Nacht in ähnlicher Weise. Dies bezeugt die vergleichbare militärische , wonach man von der ersten, dann der zweiten, dritten und vierten Nachtwache spricht. 24. (1) Es gibt noch mehrere Zeitmarken im Ablauf von Tag und Nacht, die mit jeweils unterschiedlichen Namen versehen und durch besondere Namen unterschieden werden; man findet sie überall in den Schriften der alten Dichter. Ich werde sie alle in der richtigen Abfolge erklären. Ich will mit der media nox („Mitternacht“) beginnen, dem Beginn und das Ende des römischen Tages (s. 23,4). Die Zeit, die der Mitternacht am nächsten liegt, heißt de media nocte („nach Mitternacht“), (2) dann folgt das gallicinum („Hahnenkrähen“), wenn die Hähne zu krähen anfangen, dann das conticium („Schweigezeit“), wenn sie wieder verstummt sind, dann ante lucem („vor dem Licht“), und ebenso diluculum („Lichtlein“), wenn die noch nicht aufgegangene Sonne schon aufleuchtet. (3) Was auf das diluculum folgt, heißt mane („Frühmorgen“), wenn das Licht der
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Sonne erscheint, danach ad meridiem („Vormittag“), dann meridies („Mittag“), das die Bezeichnung für die Tagesmitte ist, dann de meridie („Nach Mittag“), danach suprema („Schlusszeit“). Exkurs: Die S chlu s s zei t
Allerdings glauben die meisten, die suprema („Schlusszeit“) liege nach Sonnenuntergang, weil im Zwölftafelgesetz Folgendes steht: „Der Sonnenuntergang soll die suprema-Zeit sein.“ (Zwölftafelgesetz Frg. 1,9). Aber später hat der Volkstribun Marcus Plaetorius einen Volksbeschluss durchgesetzt, in dem folgender Satz steht: „Der städtische Praetor, der jetzt amtierende wie auch ein zukünftiger, soll zwei Liktoren bei sich haben, und er soll zur suprema zum Sonnenuntergang hin Recht unter den Bürgern sprechen.“ (Crawford, Roman Statutes Nr. 44) (4) Nach der suprema folgt die vespera („Abendzeit“), und zwar vor dem Aufgang jenes Sterns, den (Titus Maccius) Plautus Vesperugo, (Quintus) Ennius Vesperum und (Publius) Vergilius (Maro) Hesperus („Abendstern“, Venus) nennen. (5) Danach folgt das crepusculum („Zwielicht“), vielleicht deshalb so benannt, weil ungewisse Dinge als creperus („zwielichtig“) bezeichnet werden und weil es für diese Zeit ungewiss ist, ob sie mehr zum Tag oder mehr zur Nacht gehört. (6) Darauf kommt jene Zeit, die wir luminibus accensis („mit angezündeten Lampen“) nennen – die Alten nannten sie prima fax („erste Fackel“) –, dann concubium („Bettzeit“), in der man ins Bett geht, dann intempesta („Unzeit“), also die tiefe Nacht, in der nichts zu tun die rechte Zeit ist; danach spricht man von ad mediam noctem („Vormitternacht“), und so wieder von media nox („Mitternacht“). (Hier endet im Kölner Codex das Buch über den Geburtstag, in dem Censorinus im Jahr 238 n. Chr. zunächst Bildungswissen rund um die Geburt, dann rund um den Tag präsentiert hat.)
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Anhang
„W h o’ s w h o“ i n C e n s o r i n u s’ G eb u r t s tag s b u c h Die nachstehende Liste umfasst alle Gestalten, die im Geburtstagsbuch genannt sind. Mit * sind außerdem von Censorinus zwar namentlich nicht genannte, aber für das Verständnis des Textes wichtige (und deshalb in der Einführung genannte) Namen gekennzeichnet. Achaier: Bewohner von Achaia auf der Peloponnes in Griechenland, 15, 87 Ägypter: Bewohner von Ägypten, 14f., 20, 84, 87, 93 Aemilius Lepidus, Marcus: römischer Konsul 158 v. Chr., 22, 80 Aemilius Lepidus, Marcus: römischer Konsul 126 v. Chr., 23, 79 Aemilius Lepidus, Marcus: römischer Konsul 46 v. Chr., 22, 90 Agrippa s. Vipsanius Akademiker: Angehörige der von Platon begründeten Philosophenschule der Akademie, 27, 43, 71 Akarnanen: Bewohner von Akarnanien in Nordwest griechenland, 15, 87 Albaner: Bewohner von Alba Longa (Castel Gandolfo) in Italien, 15, 88, 95
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Alexandriner: Bewohner von Alexandreia/-ia in Ägypten, 13f., 80f. Alexandros/Alexander d. Gr., 12, 93 Alkmaion von Kroton: pythagoreischer Philosoph, 5. Jh. v. Chr., 27, 47f. Anaxagoras von Klazomenai: vorsokratischer Philosoph, um 500–428 v. Chr., 26, 47ff. Anaximandros von Miletos: vorsokratischer Philosoph, erste Hälfte des 6. Jh.s v. Chr., 26, 44 Annius Flavius Libo, Marcus: römischer Konsul 204 n. Chr., 23, 79 Antias s. Valerius Antoninus Pius: römischer Kaiser 138–161 n. Chr., 21, 23, 93 Antonius, Marcus: römischer Konsul 44 v. Chr., Gegenspieler des Augustus, 21, 23, 97 Aphrodisios: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 86 Aphrodite: Göttin der Liebe, 17, 95f. Apollon/Apollo: Gott der Musen, 17, 41, 63, 70 Archytas von Taras: pythagoreischer Philosoph, erste Hälfte 4. Jh. v. Chr., 27, 43 Ares: Gott des Krieges, 17, 63, 95f. Aretes von Dyrrhachion: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 85, 92 Arganthonios: mythischer König von Tartessos, 17, 75 Argiver: Bewohner von Argos auf der Peloponnes in Griechenland, 17 Ariciner: Bewohner von Aricia (Ariccia) in den Albanerbergen in Italien, 15, 95 Aristarchos von Samos: Sternenkundiger, 3. Jh. v. Chr., 28, 85f. Aristoteles von Stageira: bedeutender griechischer Philosoph, 384–322 v. Chr., 27f., 43, 47f., 51, 70, 85 Aristoxenos von Taras: Schüler des Aristoteles, Musiktheoretiker, um 360–300 v. Chr., 28f., 47, 58, 63
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Arkader: Bewohner von Arkadien auf der Peloponnes in Griechenland, 15, 17, 45, 75, 87 Arminos: legendärer König der Ägypter, 20, 87 Artemis: Göttin der Jagd, 16f., 98 Asinius Gallus, Gaius: römischer Konsul 8 v. Chr., 23, 97 Asklepiades von Prusa: Mediziner, 4. Jh. v. Chr., 29, 64 Athene: Göttin der Weisheit, 17, 39 Athener: Bewohner von Athen in Attika in Griechenland, 15, 17f., 46, 98 Augustus: erster römischer Kaiser, lebte 63 v. Chr. – 14 n. Chr., 13f., 20f., 23, 31, 77, 79, 93, 97 Aurelius Orestes, Lucius: römischer Konsul 126 v. Chr., 23, 79 Babylonier: Sternenkundige aus Mesopotamien, 28, 98 Balbinus*: römischer Kaiser 238 n. Chr., 6 Berossos von Babylon: Sternenkundiger, 3. Jh. v. Chr., 28, 75 Böoter: Bewohner von Böotien in Griechenland, 15, 17, 46 Bruttius Praesens, Gaius: römischer Konsul 139 n. Chr. zum zweiten Mal, 23, 93 Cadmus s. Kadmos Caerellius s. Cerellius Caesar s. Iulius Calpurnius Piso Frugi, Lucius: römischer Geschichtsschreiber, 2. Jh. v. Chr., 31, 78, 80 Caracalla: römischer Kaiser 193–217 n. Chr., 21, 79 Cassiodorus*, Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus: Kirchenvater, um 485 – um 585 n. Chr., 11 Cassius Hemina, Lucius: römischer Geschichtsschreiber, 2. Jh. v. Chr., 31, 78 Censorinus*: Verfasser des Geburtstagsbuchs, 10ff. Censorinus s. auch Marcius
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Cerellius, Quintus: Widmungsträger des Geburtstagsbuchs, 11ff., 38, 70ff. Chaldäer: als Sternenkundige bekannte Gelehrte aus Mesopotamien, 28, 51ff., 62, 84 Cilo s. Fabius Claudius: römischer Kaiser 41–54 n. Chr., 21, 23, 79 Claudius Pulcher, Publius: römischer Konsul 249 v. Chr., 22, 78 Cornelius Dolabella Petronianus, Servius: römischer Konsul 86 n. Chr., 23, 86 Cornelius Lentulus, Gnaeus: römischer Konsul 146 v. Chr., 22, 78 Cornelius Lentulus Caudinus, Publius: römischer Konsul 236 v. Chr., 22, 78 Cornelius Scipio Nasica Corculum, Publius: römischer Konsul 162 und 155 v. Chr., 21, 99 Delier: Bewohner von Delos in der Ägäis, 15, 41 Delpher: Bewohner von Delphi in Zentralgriechenland, 15, 19, 24, 65, 83 Demokritos von Abdera: vorsokratischer Philosoph, um 460 – um 370 v. Chr., 26, 45, 47f., 71, 84 Deukalion: Sohn des Prometheus, 17, 44 Diana s. Artemis Dikaiarchos von Messene: peripatetischer Philosoph, 375/350 – um 285 v. Chr., 28, 43 Diogenes von Apollonia: vorsokratischer Philosoph, spätes 5. Jh. v. Chr., 26, 47f., 56 Diogenes von Sinope: Begründer der Kyniker-Philosophen schule, um 412–321 v. Chr., 28, 71 Diokles von Karystos: Mediziner, 4. Jh. v. Chr., 29, 51 Dion: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 85 Dionysios von Herakleia: Schüler des Kleanthes von Assos, 328–248 v. Chr., 28, 71 Dionysos/-us: Gott der Rauschhaftigkeit, 17, 82
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Dioskorides: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 80 Dis Pater s. Pluton Domitianus: römischer Kaiser 81–96 n. Chr., 20f., 23, 79, 86 Dorylaos: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 66 Dositheos von Alexandreia: Sternenkundiger, 2. Jh. v. Chr., 29, 83 Elier: Bewohner von Elis auf der Peloponnes in Griechenland, 15, 19, 83 Empedokles von Akragas: vorsokratischer Philosoph, um 495 – um 435 v. Chr., 26, 44, 47, 49, 51 Ennius, Quintus: römischer Dichter, 239–169 v. Chr., 32, 87, 100 Ephoros von Kyme: griechischer Geschichtsschreiber, um 405–330 v. Chr., 30, 75 Epicharmos von Megara Hyblaia: pythagoreischer Philosoph, um 540–460 v. Chr., 27, 51 Epigenes von Byzantion: Sternenkundiger, 2. Jh. v. Chr., 29, 51, 75 Epikuros von Athen: griechischer Philosoph, 341–270 v. Chr., 28, 45, 47f. Eratosthenes von Kyrene: Sternenkundiger, um 275 – um 194 v. Chr., 29, 64, 71, 92 Erichthonios/-us: mythischer König Athens, 17, 46 Etrusker: Stamm in Norditalien, 15, 19, 46, 61, 75f., 80 Eudoxos von Knidos: Sternenkundiger, 4. Jh. v. Chr., 28, 83 Euënor von Athen: Mediziner, 4./3. Jh. v. Chr., 29, 51 Eukleides von Megara: sokratischer Philosoph, 450–380 v. Chr., 27, 42 Euryphon von Knidos: Mediziner, spätes 5. Jh. v. Chr.,, 29, 51 Fabius Cilo Septiminus Catinius Acilianus Lepidus Fulcinianus, Lucius: römischer Konsul 204 n. Chr. zum zweiten Mal, 23, 79 Faune: mythische männliche Wesen, 18, 46
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Faunus*: römischer Herdengott mit dem Beinamen Lupercus („Wolfsabwehrer“), 18 Fenestella: römischer Geschichtsschreiber, 52 v. Chr. – 19 n. Chr., 31, 88 Ferentiner: Bewohner von Ferentinum (Ferentino) in Italien, 15, 88 Fulvius Nobilior, Marcus: römischer Konsul 189 v. Chr. und Geschichtsschreiber, 31, 88, 95 Fulvius Pius: römischer Konsul 238 n. Chr., 23, 92 Furnius, Gaius: römischer Konsul 17 v. Chr., 23, 79 Gellius, Gnaeus: römischer Geschichtsschreiber, spätes 2. Jh. v. Chr., 31, 78 Genius: Geburtsgott jedes Menschen, 18, 41ff. Gordian I.*: römischer Kaiser 238 n. Chr., 6 Gordian II.*: römischer Kaiser 238 n. Chr., 6 Gordian III.*: römischer Kaiser 238–241 n. Chr., 6 Gorgias von Leontinoi: Redner und Sophist, um 488–380 v. Chr., 26, 71 Gracchanus s. Iunius Granius Flaccus: römischer Gelehrter, spätes 1. Jh. v. Chr., 32, 42f. Griechen, 15, 61, 82, 85, 95 Harpalos: Sternenkundiger, 5. Jh. v. Chr., 28, 83, 86 Helios*: Sonnengott, 17 Hephaistos: Gott des Feuers, Sohn des Zeus, 17, 46 Hera: Göttin, Gattin des Zeus, 16, 96 Herakleitos (Heraklit) von Ephesos: vorsokratischer Philosoph, um 500 v. Chr., 26, 74, 85 Herodikos von Selymbria: Mediziner, spätes 5. Jh. v. Chr., 29, 74 Herodotos von Halikarnassos: griechischer Geschichtsschreiber, um 480–420 v. Chr., 17, 30, 75
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Herophilos von Chalkedon: Mediziner, um 330–260 v. Chr., 29, 62 Hipparchos von Nikaia: Sternenkundiger, 2. Jh. v. Chr., 29, 84 Hippokrates von Kos: bedeutender Mediziner, spätes 5. Jh. v. Chr., 29, 51, 61, 67 Hippon von Metapontion oder Samos: vorsokratischer Philosoph, 5. Jh. v. Chr., 26, 46ff., 56 Horatius Flaccus, Quintus (Horaz): römischer Dichter, 65–8 v. Chr., 10f., 33, 77 Horos/-us: Sohn des Arkaderkönigs Lykaon, 17, 87 Ianus: doppelgesichtiger römischer Gott des Anfangs und des Endes, 18, 96 Ilier: Bewohner von Ilion/-um, s. Troianer Inachos/-us: mythischer König von Argos, 17, 91 Isokrates von Athen: Redner und Politiker, 436–338 v. Chr., 26, 71 Ison: legendärer König der Ägypter, 20, 87 Italiker: Bewohner von Italien, 15f., 65, 88 Iulius Caesar, Gaius: römischer Staatsmann, lebte 100–44 v. Chr., 13f., 21, 23, 42, 89f., 92f., 95, 97 Iunius Gracchanus, Marcus: römischer Geschichtsschreiber, spätes 2. Jh. v. Chr., 31, 88, 95 Iunius Pullus, Lucius: römischer Konsul 249 v. Chr., 22, 78 Iunius Silanus, Gaius: römischer Konsul 17 v. Chr., 23, 79 Iuno s. Hera Iupiter s. Zeus Juden, 24, 61 Kadmos: mythischer König von Theben, 17, 46 Kallipos von Kyzikos: Sternenkundiger, Schüler des Oinopides, 4. Jh. v. Chr., 29, 84, 86 Karer: Volk in der heutigen Südwesttürkei, 15, 87
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Karneades von Kyrene: Begründer der Neuen Akademie-Philosophenschule, 214–129 v. Chr., 27, 71 Kassandros: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 85 Kleanthes von Assos: Nachfolger des Zenon in der Stoa-Philosophenschule, 331–232 v. Chr., 28, 71 Kleostratos von Tenedos: Sternenkundiger, 6. Jh. v. Chr., 28, 83 Kolcher: Volk am Schwarzen Meer, 15, 46 Lar: römischer Hausgott, 18, 42 Latiner: Volk in Latium (Lazio) in Italien, 15, 96 Lavinier: Bewohner von Lavinium (Pratica del Mare / Pomezia) in Italien, 15, 88 Lepidus s. Aemilius Liber Pater s. Dionysos Libo s. Annius Licinius Macer, Gaius: römischer Geschichtsschreiber, frühes 1. Jh. v. Chr., 31, 88 Licinius Varus, Gaius: römischer Konsul 236 v. Chr., 22, 78 Linos: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 85 Livius, Titus: römischer Geschichtsschreiber, 59 v. Chr. – 17 n. Chr., 31, 77f. Lucilius, Gaius: römischer Dichter, nach 180–103 v. Chr., 32, 42 Lucretius Carus, Titus (Lukrez): römischer Dichter, um 97 – um 55 v. Chr., 33, 44 Lucretius Tricipitinus, Spurius: römischer Konsul 509 v. Chr., 28, 78 Lukumonen: Machthaber der Etrusker, 15, 46 Lupercus* s. Faunus Lykaon*: mythischer König der Arkader, 17 Maccius Plautus, Titus: römischer Komödiendichter, um 254 – um 184 v. Chr., 32, 100 Macer s. Licinius Maia: Göttin, Geliebte des Zeus, 16, 96
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Manilius, Manius: römischer Konsul 149 v. Chr., 22, 78 Manlius Imperiosus Torquatus, Titus: römischer Konsul 344 v. Chr. zum zweiten Mal, 22, 78 Marcius Censorinus, Gaius: römischer Konsul 8 v. Chr., 11, 23, 97 Marcius Censorinus, Lucius: römischer Konsul 149 v. Chr., 11, 22, 78 Marcius Censorinus, Lucius*: römischer Konsul 39 v. Chr., 10f. Marcius Rutilus, Gaius: römischer Konsul 344 v. Chr. zum dritten Mal, 22, 78 Mars s. Ares Maximinus Thrax*: römischer Kaiser 235–238 n. Chr., 6 Menestratos: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 83 Messalla s. Valerius Meton von Athen: Sternenkundiger, 4. Jh. v. Chr., 28, 84, 86 Minerva s. Athene Minicius Rufus, Lucius: römischer Konsul 88 n. Chr., 23, 79 Moirai: Schicksalsgottheiten, 17, 52 Mummius Achaicus, Lucius: römischer Konsul 146 v. Chr., 22, 78 Munatius Plancus, Lucius: römischer Konsul 42 v. Chr., 21, 93 Musen: Göttinnen der Musik, 17, 63, 70 Nabonnazaros (Nabu-nasir, Nabonassar): babylonischer König 747–733 v. Chr., 13f., 93 Nauteles: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 83 Numa Pompilius: zweiter König von Rom, 20, 88 Nymphen: mythische weibliche Wesen, 18, 46 Octavianus s. Augustus Ogyges/Ogygius: Sohn des Kadmos, 17, 91 Oinopides von Chios: Sternenkundiger, 4. Jh. v. Chr., 28, 86 Okellos Lukanos: pythagoreischer Philosoph, spätes 5. Jh. v. Chr., 21, 43
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Olympier: Bewohner von Olympia auf der Peloponnes in Griechenland, 13, 19, 24, 65, 83, 85, 91 Orpheus: Sternenkundiger, nicht datierbar, 29, 85 Pales*: römische Hirtengöttin, 18 Parmenides von Elea: vorsokratischer Philosoph, 5. Jh.v. Chr., 26, 45ff. Parzen s. Moirai Peripatetiker: Angehörige der von Aristoteles begründeten Philosophenschule des Peripatos, 27, 44, 51 Persephone: Göttin der Unterwelt, 17, 77 Persius Flaccus, Aulus: römischer Dichter, 34–62 n. Chr., 33, 40f. Philippos Arrhidaios: Halbbruder Alexanders d. Gr., um 359–317 v. Chr., 13f., 93 Philippus, Lucius: römischer Censor 164 v. Chr., 21, 99 Philolaos von Kroton: pythagoreischer Philosoph, 5. Jh. v. Chr., 27, 84, 86 Piso s. Calpurnius Plaetorius, Marcus: römischer Volkstribun wohl 242 v. Chr., 21, 31, 100 Platon von Athen: „die erhabenste Gestalt der alten Philosophie“ (14,12), 428–347 v. Chr., 27, 43, 58, 69f. Plautus s. Maccius Pluton: Gott der Unterwelt, 17, 77 Poetelius Libo Visolus, Gaius: römischer Konsul 346 v. Chr. zum zweiten Mal, 22, 78 Pontius Proculus Pontianus: römischer Konsul 238 n. Chr., 23, 92 Popillius Laenas, Gaius: römischer Konsul 158 v. Chr. zum zweiten Mal, 22, 80 Poplicola s. Valerius Prometheus: kulturbringender Halbgott, 17, 44 Proserpina s. Persephone
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Ptolemaeus, Claudius*: römischer Sternenkundiger, 2. Jh. n. Chr., 14 Pupienus*: römischer Kaiser 238 n. Chr., 6 Pyrrha: Gattin des Deukalion, 17, 44 Pythagoras von Samos: Philosoph, spätes 6. Jh. v. Chr., 26f., 43, 56ff., 62ff. Pythagoreer: Angehörige der von Pythagoras gegründeten Philosophenschule, 27, 43, 56ff. Quindecimviri: Kollegium aus „fünfzehn Männern“ Quirinus: altrömischer Kriegsgott Römer: Bewohner der Stadt Rom; auch: Bürger des Römischen Reiches, 13ff., 20, 63, 72, 74, 76ff., 81, 83, 85ff., 88ff., 92, 95ff. Romulus: erster König von Rom, 20, 81, 95 Scipio s. Cornelius Septimius Severus: römischer Kaiser 193–211 n. Chr., 21, 79 Servius Tullius: vorletzter König von Rom, 20, 86 Severus Alexander*: römischer Kaiser 222–235 n. Chr., 6 Sibylle*: weissagende Frau in Kyme/Cumae in Unteritalien, Urheberin der Sibyllinischen Bücher, 19 Sidonius Apollinaris*: Heiliger, 5. Jh. n. Chr., 11 Sizilier: Bewohner der Insel Sizilien, 15, 99 Sokrates von Athen: bedeutender Philosoph, 469–399 v. Chr., 27, 39, 42, 63 Sol s. Helios Solon von Athen: griechischer Staatsmann, Dichter und Denker im 6. Jh. v. Chr., 25f., 29, 61, 67f. Sosibios von Lakedaimon: griechischer Geschichtsschreiber, wohl Mitte des 3. Jh.s v. Chr., 30, 92 Spartoi: von Kadmos ausgesäte bewaffnete Männer, 17, 46 Staseas von Neapolis: peripatetischer Philosoph, ließ sich 92 v. Chr. in Rom nieder, 28, 67, 69
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Stoiker: Angehörige der von Zenon begründeten Philosophenschule der Stoa, 28, 45, 47f. Straton von Lampsakos: Leiter der Peripatos-Philosophen schule, um 340 – um 268 v. Chr., 28, 51 Suetonius Tranquillus, Gaius (Sueton): römischer Geschichtsschreiber, um 70 – um 140 n. Chr., 30ff., 88 Tages: mythischer Knabe aus Tarquinia, 18, 46 Tarquinier: Bewohner von Tarquinia im Etruskerland, 15, 18, 46 Tarquinius Superbus, Lucius: letzter König von Rom, 20, 88f. Tartessier: Bewohner von Tartessos in Südspanien, 15, 17, 75 Terentius Afer, Publius (Terenz): römischer Komödiendichter, um 190–159 v. Chr., 32, 38 Terentius Varro, Marcus: römischer Gelehrter, 116–27 v. Chr., 12, 30, 32, 41, 56, 66f., 76ff., 80f., 88, 91, 96 Terminus*: römischer Gott der Grenzsteine Theano: pythagoreische Philosophin, 5. Jh. v. Chr., 27, 51 Thebaner: Bewohner von Theben in Böotien in Griechenland, 15, 17, 46 Theophrastos von Eresos: Leiter der Peripatos-Philosophen schule, 372–287 v. Chr., 28, 43, 63 Thessaler: Bewohner von Thessalien in Nordostgriechenland, 15, 45 Thraker*: Bewohner von Thrakien, 24 Timaios von Tauromenion: griechischer Geschichtsschreiber, um 350–260 v. Chr., 30, 41, 97 Titus: römischer Kaiser 79–81 n. Chr., 21, 23, 86 Troianer: Bewohner von Troia,, 15, 20, 91 Tusculaner: Bewohner von Tusculum (bei Frascati) in Italien, 15, 95 Umbrer: Bewohner von Umbrien in Mittelitalien, 15, 98 Valerius Antias: römischer Geschichtsschreiber, 1. Jh. v. Chr., 31, 76, 78
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Valerius Corvus: römischer Konsul 346 v. Chr., zum zweiten Mal, 22, 78 Valerius Maximus, Marcus: römischer Konsul 456 v. Chr., 22, 78 Valerius Maximus Corvinus Messalla, Manlius: römischer Konsul 263 v. Chr., 21, 98 Valerius Poplicola, Publius: römischer Konsul 509 v. Chr., 22, 78 Varro s. Terentius Venus s. Aphrodite Vergilius Maro, Publius (Vergil): römischer Dichter, 70–19 v. Chr., 33, 45, 100 Verginius Tricostus Caeliomontanus, Spurius: römischer Konsul 456 v. Chr., 22, 78 Vespasianus: römischer Kaiser 69–79 n. Chr., 21, 23, 86 Vettius: sonst unbekannter Experte für Vogelschau, 19, 81 Vipsanius Agrippa, Marcus: Vertrauter des Augustus, um 64–12 v. Chr., 21, 23, 79, 93 Vitellius, Lucius: römischer Konsul 47 n. Chr. zum dritten Mal, 23, 79 Vulcanus s. Hephaistos Xenokrates von Chalkedon: Leiter der Akademie-Philoso phenschule, um 395 – um 314 v. Chr., 27, 43 Xenophanes von Kolophon: vorsokratischer Philosoph, um 570 – um 470 v. Chr., 26, 71 Xenophon von Athen: Politiker und Militär, Schüler des Sokrates, 428–354 v. Chr., 27, 39 Zenon von Kition: Begründer der Stoa-Philosophenschule, 335–263 v. Chr., 28, 45, 74 Zeus: Vater der Götter, in Rom als „Kapitolinischer Iupiter“ auf dem Kapitol verehrt, 16, 83
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W e i t e r f ü h r e n de L i t e r at u r Die Titel sind jeweils in chronologischer Reihenfolge nach Erscheinungsdatum sortiert. Editionen und Übersetzungen W. Maude, Censorinus: De Die Natale, The Natal Day. New York 1900 (Übersetzung) G. Rocca-Serra, Censorinus, Le jour natal. Paris 1980 (Überset zung) – Rez. M. Winterbottom, Classical Review n.s. 31, 1981, 296; J. Mansfeld, Mnemosyne 4.S. 38, 1985, 234–236 K. Sallmann, Censorini de die natali. Leipzig 1983 (Edition, deren lateinischer Text unserer Neuübersetzung zugrundeliegt); Ders., Censorinus, De die natali. Betrachtungen zum Tag der Geburt. Stuttgart 1988 (mit Übersetzung) – Rez. M. Giusta, in: Gnomon 57, 1985, 559–561; A. Grafton, in: Classical Review n.s. 35, 1985, 46–48; W. Hübner, in: Anzeiger für die Altertumswissenschaft 40, 1987, 21–25 C. A. Rapisarda, Censorini de die natali liber. Bologna 1991 (mit Übersetzung) V. Fontanella, Censorino: Il giorno natalizio. 2 Bde. Bologna 1992 – 1993 (mit Übersetzung) H. N. Parker, Censorinus, The Birthday Book, Chicago und London 2007 (Übersetzung) – Rez. B. Stevens, in: Bryn Mawr Classical Review 2007.03.22 Eine zweisprachige Neuausgabe bereite ich für die Edition An tike vor. Zitier te klassische Über tragungen und Ausgaben antiker Tex te J. H. Voß, Des Quintus Horatius Flaccus Werke. Braunschweig 1822 B. Otto, Versuch einer neuen Übersetzung der Satiren des Per sius. Leipzig 1828
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E. Geibel, Classisches Liederbuch: Griechen und Römer in deut scher Nachbildung (1875). 3. vermehrte Aufl. Berlin 1879 A. Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer. Leipzig 1890 M. H. Crawford, Roman Statutes. 2 Bde. London 1996 Studien zu Censorinus H. Hofmann, Über die Schrift des Censorinus, betitelt De die natali liber, in: Jahresbericht über das k. k. Gymnasium in Triest 41, 1891, 3–19 M. Giusta, Osservazioni sul testo del De die natali die Censorino, in: Atti della Accademia delle Scienze di Torino II 110, 1976, 181–209 R. M. Thomson, The Reception of Censorinus, De Die Natali, in Pre-Renaissance Europe, in: Antichthon 14, 1980, 177–185 K. Sallmann, Censorinus’ De die natali: Zwischen Rhetorik und Wissenschaft, in: Hermes 111, 1983, 233–248 G. Freyburger, Le savoir philosophique du grammairien Censo rin, in: Ktèma 13, 1988, 149–154 Ders., Sénèque et les problèmes de la transmission du savoir antiuqe, in: R. Chevallier / R. Poignault (Hgg.), Présence de Sénèque. Paris 1991, 143–154 Ders., Un païen du IIe siècle: Censorinus, auteur du De die natali, in: Revue des Études Latines 70, 1992, 215–227 K. Sallmann, Censorinus, in: Ders. (Hg.), Die Literatur des Um bruchs von der römischen zur christlichen Literatur. München 1997, 246–249 Studien zu einzelnen Fragen E. Lesky, Alkmaion bei Aetios und Censorin, in: Hermes 80, 1952, 249–255 (zu 5,2 ff.) F. Franceschi, Censorino e Varrone, in: Aevum 28, 1954, 393–418 (zu 16–24) A. Baudou, Censorinus et le saeculum pisonien, in: Revue de Philologie 69, 1955, 15–37 (zu 17,11.13)
116 A n h a n g
A. H. Chroust, Which came first, the chicken or the egg? in: Classica et mediaevalia 32, 1971–1980, 221–225 (zu 4,3–4) Ø. Andersen, Zu Demokrits Embryologie, in: Symbolae Oslo enses 53, 1978, 41–46 (zu 6,1) C. Rapisarda, Poeti greci e latini in Censorino, in: Giornale Italiano di Filologia 33, 1981, 193–205 A. T. Grafton / N. M. Swerdlow, Technical chronology and astrological history in Varro, Censorinus and others, in: Classical Quarterly 35, 1985, 454–465 (zu 21,6–13) G. Freyburger, Jeux et chronologie a Rome, in: Ktèma 18, 1993, 91–101 Ders., L’harmonie des sphères calculée en stades, in: Les ast res. Actes du colloque international, Bd. I. Montpellier 1996, 283–292 (zu 13,2–5) B. Bakhouche, Arithmologie et cycles temporels, in: Euphrosyne n.s. 29, 2001, 267–275 (zu 7–14) B. Schnegg-Köhler, Die augusteischen Säkularspiele (Archiv für Religionsgeschichte 4). München und Leipzig 2002 Ch. Bennett, Evidence for the regulation of the intercalation under the ‘Lex Acilia’, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 151, 2005, 167–184 K. Brodersen, Theano: Briefe einer antiken Philosophin. Stuttgart 2010 (zu 7,2). Zum Mondkrater „Censorinus“ G. B. Riccioli, Almagestum Novum I. Bologna 1651, S. 204 (Mondkarte) R. Whitaker, Mapping and Naming the Moon. Cambridge 1999, S. 211
A b b i l d u n g s nac h w e i s e u n d Da n k s ag u n g 117
A bb i ld u n g s n ac h we i s e u n d D a n k s ag u n g Dem Primus-Verlag danke ich für die Aufnahme des Geburtstagsbuchs in das Verlagsprogramm und namentlich Regine Gamm für das sorgfältige Lektorat und meiner lieben Frau Christiane für hilfreiche Hinweise. Harald Horst danke ich für die Erlaubnis der Wiedergabe von Abb.1 (Köln, Erzbischöfliche Diözesanund Dombibliothek, Cod. 166, fol. 232r), Mario Moths für die Neuzeichnung der anderen Abbildungen und für die Gestaltung des Buchs. Nicht zuletzt danke ich dafür, dass ich Censorinus zum Gegenstand eines ertragreichen Seminars machen konnte, meinen Studierenden an der Universität Erfurt. Im Jahr der Bundesratspräsidentschaft von Hannelore Kraft, im 3. Jahr der 697. Olympiade, also im 2787. Jahr seit Begründung der Olympischen Spiele, im 2764. Jahr ab urbe condita, 2759. nach Nabonnazaros, 2335. nach Philippos, 2056. nach Caesar, 2040. seit der römischen Eroberung Ägyptens durch Augustus und 2038. nach Augustus (zur Umrechnung in heutige Zeitrechung siehe Censorinus 21,6 und S. 13f. und 22) Erfurt
Kai Brodersen
(*1958) ist Professor für Antike Kultur an der Universität Erfurt und deren Präsident. Seine Forschungen gelten der griechischen und römischen Historiographie und Geographie, antiken Inschriften, Orakeln und Wundertexten und der Wirtschafts- und Wirkungsgeschichte der Antike. Bei Primus ist von ihm erschienen: Das römische Britannien: Spuren seiner Geschichte (1998), Liebesleiden in der Antike: Die „Erotika Pathemata“ von Parthenios (2000), Virtuelle Antike: Wendepunkte der Alten Geschichte (Hg., 2000), D. Hamel, Der Fall Neaira: Die wahre Geschichte einer Hetäre im antiken Griechenland (Übers., 2004), Höhepunkte der Antike (Hg., 2006), I have a dream: Große Reden von Perikles bis Barack Obama (Hg., 2009), Ich bin Spartacus: Aufstand der Sklaven gegen Rom (2010). K a i B ro d e r s e n
Inhalt:
Im Jahr 238 n. Chr. schenkte der römische Gelehrte Censorinus einem Freund zum Geburtstag ein Buch, das in 24 Kapiteln eine ganze Welt eröffnet: Das Wissen der Antike über Mathematik, Musik, Astronomie und Embryologie wird herangezogen und aufbereitet, um die Harmonie und Ordnung der Welt aufzuzeigen, vom Mikrokosmos des Kindes im Mutterleib bis zum Makrokosmos der Planeten. Dabei bietet Censorinus auch Antworten auf stets aktuelle Fragen, etwa »Warum beginnt der Tag um Mitternacht?«,»Warum gibt es Schaltjahre?«, aber auch »Was kam zuerst, die Henne oder das Ei?« Kai Brodersen legt mit diesem Buch eine neue Übersetzung von Censorinus unterhaltsamem Geburtstagsbuch (»De die natali«) vor, eingerahmt von einer Einführung zu Werk und Autor und einem ›Who is who‹ im Anhang.
Autor:
Censorinus