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German Pages 470 [472] Year 2005
D a s frühmittelalterliche K ö n i g t u m
Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer
Band 49
w DE
_G Walter de Gruyter · Berlin · New York
Das frühmittelalterliche Königtum Ideelle und religiöse Grundlagen
herausgegeben von Franz-Reiner Erkens
W G DE
Walter de Gruyter · Berlin · New York
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN-13: 978-3-11-018886-8 ISBN-10: 3-11-018886-4 Bibliografische Information Der Deutschen
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Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© Copyright 2005 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
Vorwort Vom 1. bis 3. Juli 2004 fand an der Universität Passau, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen sowie vielfältig unterstützt durch das Rektorat der Universität, in Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte und der Arbeitsstelle Hoops an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen eine Tagung über das Thema „Ideelle und religiöse Grundlagen des frühmittelalterlichen Königtums" statt. Die Idee dazu ist geboren worden während der Arbeit an dem Artikel „Sakralkönigtum", der für die zweite Auflage des Reallexikons der Germanischen Altertumskunde völlig neu erarbeitet werden mußte und im 2004 erschienenen 26. Band dieses Lexikons auf den Seiten 179-320 veröffentlicht ist und an dem elf Autoren (nämlich Η. H. Anton, H. Beck, A. P. Bronisch, M. Diesenberger, F.-R. Erkens, A. Goltz, L. Körntgen, L. E. von Padberg, A. Pesch, W. Pohl und O. Sundqvist) beteiligt waren. Schon allein der Buchformat besitzende Umfang dieses Gemeinschaftswerks macht die Bedeutung des Themas deutlich, das in viele Bereiche und Regionen hineinspielt, das aber vor allem auch deshalb erneut aufgegriffen gehörte, weil sich in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts allzu hybride Ansichten über die Existenz eines germanischen Sakralkönigtums entwickelten, das sich in den Quellen zwar nicht wirklich greifen läßt, deshalb aber um so mehr die Gedanken und die Gemüter einer germanophilen Forschung bewegte und durch die mit ihm verknüpften Vorstellungen über eine für die Volksgemeinschaft wirksame magisch-charismatische Heilsgarantie (Königsheil) nicht zuletzt auch in den politischen Bereich ausstrahlte. Diese unheilvolle Verquickung hat nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Rückgang der Beschäftigung mit den sakralen Aspekten des frühmittelalterlichen Königtums geführt; anderes wie Herrschaftspraxis und Herrschaftsbasis rückte dafür in den Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses. Nachdem aus der Perspektive, die dabei angelegt worden ist, wichtige neue Erkenntnisse über das frühmittelalterliche Königtum gewonnen werden konnten, schien es jedoch an der Zeit, erneut nach dessen ideellen und religiösen Grundlagen zu fragen. Daß dies nur mit nüchterner Zurückhaltung gegenüber älteren Deutungen und unter gebührender Berücksichtigung nichtgermanischer Verhältnisse geschehen konnte, versteht sich dabei von selbst. Nur auf diese Weise und durch eine multiperspektivische Ausrichtung der Thematik, die ja durchaus eine globale Dimension besitzt, ließen sich im Gegensatz zu den
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Vorwort
überschwänglichen Interpretationen älterer Art nicht nur neue, sondern auch im Vergleich zu diesen tragfähigere Deutungen erhoffen. Es konnte daher auch nicht überraschen, wenn die meisten Referate Zweifel an der angeblichen Existenz eines germanischen Sakralkönigtums formulierten und man sich am Ende der Tagung weitgehend einig darüber war, daß es ein solches Königtum zumindest in der Gestalt, die ihm die ältere Forschung verliehen hatte, kaum gegeben hat. In ausgearbeiteter Form und leicht geänderter Reihenfolge können nun die meisten Tagungsbeiträge einer breiteren Öffentlichkeit vorgelegt werden. Nicht zur Veröffentlichung frei gab seine Ausführungen Walter Pohl (Wien), der über „Langobardische Könige — Wahrnehmung und Wirkungsmöglichkeiten" sprach und meint, das in Passau Gebotene entspreche seinem Teilartikel im Reallexikon (26 [2004] 251-253) und könne hier nachgelesen werden. Helmut Castritius (Braunschweig) hingegen, der über „Das wandalische Doppelkönigtum und seine ideell-religiösen Grundlagen" referierte, bat darum, seine Gedanken, die er auch noch einmal auf einem ausschließlich den Vandalen gewidmeten, im Januar 2005 vom Institut für Frühmittelalterforschung an der Osterreichischen Akademie in Wien veranstalteten Kongreß vorgetragen hat, wegen der engen Verquickung mit der dort behandelten Thematik in den Tagungsakten dieser Veranstaltung publizieren zu dürfen, was ihm natürlich nicht verwehrt werden durfte. Neu hinzugekommen sind dafür die Darlegungen von Andreas Kosuch (Passau), der als Mitarbeiter an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekt „Sakrale Legitimierung von Herrschaft und ihren Trägern im Reich des späteren Mittelalters" einen vom frühen bis zum späten Mittelalter reichenden Überblick darüber gibt, wie sich die Zeitgenossen die Erwählung des christlichen Königs durch Gott vorstellten: „A deo electus? Klerus und Volk als Verkünder des göttlichen Willens bei der Königserhebung des frühen Mittelalters. Von Wirkung und Wandel einer alten Vorstellung". Max Diesenberger (Wien) schließlich hat seine Ausarbeitungen zusammen mit Helmut Reimitz (Wien) vorgenommen, weswegen dieser nun auch als Mitautor erscheint. Vielen ist abschließend dafür zu danken, daß die Publikation der Passauer Tagungsbeiträge möglich wurde: den Mitgliedern der Arbeitsstelle Hoops und Herausgebern der Ergänzungsbände zum Reallexikon für Germanische Altertumskunde für die Aufnahme in die Reihe, dem Verlag für die gute Zusammenarbeit und nicht zum geringsten meinen Mitarbeitern am Lehrstuhl, die an der Einrichtung der Texte für den Druck maßgeblich beteiligt waren, namentlich Frau Sonja Bauer und Herrn Andreas Kosuch. Passau, den 1. Juli 2005
Franz-Reiner Erkens
Inhalt Vorwort
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FRANZ-REINER ERKENS
Sakralkönigtum und sakrales Königtum. Anmerkungen und Hinweise
1
GÜNTER DUX
Die Genese der Sakralität von Herrschaft. Zur Struktur religiösen Weltverständnisses
9
UTE RITZ-MÜLLER
Die magische Macht afrikanischer Könige
22
HERWIG WOLFRAM
Frühes Königtum
42
ALEXANDRA PESCH
Charismatisches Königtum im Spiegel materieller Die völkerwanderungszeitlichen Goldbrakteaten
Quellen: 65
OLOF SUNDQVIST
Aspects of rulership ideology in Early Scandinavia — with particular references to the skaldic poem Ynglingatal
87
HEINRICH BECK
Snorri Sturlusons Konstruktion eines Vorzeitkönigtums
125
ALOIS WOLF
Germanisches Sakralkönigtum? Dichtungen des Mittelalters
Zum
Befund
volkssprachlicher 141
ALEXANDER PIERRE BRONISCH
Die westgotische Reichsideologie und ihre Weiterentwicklung im Reich von As turien
161
LUTZ E. VON PADBERG
Das christliche Königtum aus der Sicht der angelsächsischen Missionsschule
190
VIII
Inhalt
MAXIMILIAN DIESENBERGER u n d HELMUT REIMITZ
Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Momente des Königtums in der merowingischen Historiographie
214
HANS HUBERT ANTON
Königsvorstellungen bei Iren und Franken im Vergleich
270
EGON BOSHOF
Die Vorstellung vom sakralen Königtum in karolingisch-ottonischer Zeit
331
HANNA KOCKA-KRENZ
Königsgräber im Dom zu Posen
359
ARNOLD ANGENENDT
Sakralherrschaft und Religions frevel. Oder: Wer hat das brachium saeculare erfunden?
376
ANDREAS KOSUCH
A deo electus? Klerus und Volk als Verkünder des göttlichen Willens bei der Königserhebung des frühen Mittelalters. Von Wirkung und Wandel einer alten Vorstellung
407
WERNER HECHBERGER
Die Theorie vom Adelsheil im früheren Mittelalter
427
Personenregister
447
Das frühmittelalterliche Königtum - RGA-E Band 49 - Seiten 1-8 © Copyright 2005 Walter de Gruyter Berlin · New York
Sakralkönigtum und sakrales Königtum Anmerkungen und Hinweise v o n FRANZ-REINKR ERKENS
„Die Monarchie, unsere Monarchie, ist begründet auf der Frömmigkeit: auf dem Glauben, daß Gott die Habsburger erwählt hat, über soundso viel christliche Völker zu regieren. Unser Kaiser ist ein weltlicher Bruder des Papstes, es ist seine K. u. K. Apostolische Majestät in Europa, keine andere wie er apostolisch, keine andere Majestät in Europa so abhängig von der Gnade Gottes und vom Glauben der Völker an die Gnade Gottes. Der deutsche Kaiser regiert, wenn Gott ihn verläßt, immer noch, eventuell von der Gnade der Nation. Der Kaiser von Österreich-Ungarn darf nicht von Gott verlassen werden. Nun aber hat ihn Gott verlassen". Mit diesen Worten räsoniert, kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der polnische Graf Chojnicki auf seinem Besitz im sumpfigen, von Froschchören belebten Umland eines namentlich nicht genannten Nests aus dem fernen Osten des Habsburgerreiches, einer Grenzgarnison am Rande der österreichischen Zivilisation, in Odnis und Tristesse fernab von den pulsierenden Metropolen Kakaniens über das bevorstehende Ende des altehrwürdigen Kaiserreichs habsburgischer Prägung. Fiktiv ist zwar die Rede, ersonnen von Joseph Roth (1894-1939) für das elfte Kapitel seines 1932 erschienenen Romans ,Radetzkymarsch' über die nur drei Generationen währende, auf dem Schlachtfeld von Solferino beginnende und im blutigen Schlachten des Ersten Weltkriegs endende Geschichte der neuadligen Familie von Trotta, 1 aber trotzdem wahrhaftig, weil treffend nachempfunden von dem auf unruhiger Wanderschaft durch Europa getriebenen, heimatlos gewordenen und in der Trauer über eine untergegangene Welt immer mehr dem Alkohol verfallenden Autor aus Galizien. Deshalb dürfen mit diesem Raisonnement aber auch die folgenden, streng wissenschaftlichen Ausführungen, die sich auf,echte' und manchmal trotzdem fiktional erscheinende Quellen berufen, gleichsam literarisch eröffnet werden — und dies um so mehr, als sich an diesem Gedankengang zwei wesentliche Komponenten aufzeigen lassen, die für die zu behandelnde Problematik von Bedeutung sind: Zitiert nach der 1998 erschienenen 16. Auflage der Taschenbuchausgabc des Verlags Kiepenheuer & Witsch: S. 198.
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Franz-Reiner Erkens
das Nahverhältnis des Herrschers zu Gott, 2 hier der k.k. apostolischen Majestät, die aufgrund ihrer besonderen Stellung noch 1903 direkten Einfluß zu nehmen vermochte auf die anstehende Papstwahl, 3 sowie die epochenüberdauernde Realität und Wirkung dieser besonderen Vorstellung, die so recht mittelalterlich anmutet, in Wirklichkeit aber noch nicht einmal nur ,vormodern' ist, sondern ein globales Phänomen darstellt,4 das sich praktisch von den Anfängen der Menschheit, sobald sich diese in größeren Herrschaftsverbänden zu organisieren begann, 5 bis weit in die Moderne hinein 6 verfolgen läßt. Als besonders intensiv galt die Verbindung zwischen dem Numinosen und einem Herrscher natürlich in den frühen Jahrhunderten der Menschheit, aber auch noch in Spätantike und Frühmittelalter erscheint sie äußerst stabil, weswegen die in einem besonderen Verhältnis zur Gottheit stehende Monarchie auch als Sakralkönigtum charakterisiert worden ist. Dieser Begriff ist zwar keine genuin geschichtswissenschaftliche Prägung, sondern wurde hauptsächlich von der Ethnologie entwickelt für eine Herrschaftsform, in der von der Existenz, von der Kraft und von dem rituellen Verhalten des Herrschers das Gedeihen des Volkes, die Fruchtbarkeit des Landes, der Ertrag der Ernte abhingen und in der mancherorts der Herrscher nach Ablauf einer gewissen Frist getötet worden sein soll oder spätestens dann beseitigt werden konnte, wenn seine Kräfte nachließen. 7 Es war der englische Altphilologe James George Frazer (1854-1941), der, indem er seine wissenschaftlichen Interessen auf die Religionsgeschichte ausdehnte, der Ethnologie durch sein umfangreiches Werk prägende Impulse verlieh und dabei — ohne jemals selbst Feldforschungen betrieben zu haben — die Vorstellung vom Sakralkönig und der von diesem zu erleidenden Tötung, dem Regizid, wirkungsvoll verkündete. Geradezu als kosmische Macht erscheint das Gottheit, Priestertum und Herr2 5
Dazu vgl. Erkens 2003, S. 10-18, sowie Erkens in: Sakralkönigtum 2004 (§9). Dazu vgl. ders., Die Bischofswahl im Spannungsfeld zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt. Ein tour d'horizon. In: Ders. (Hg.), Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung im europäischen Vergleich (— Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 48). Köln 1998, S. 1-32, bes. 1 f. mit Anm. 3 und 4.
4
Dazu vgl. Erkens 2002a und — besonders zu den diesem Phänomen zugrundliegenden Denkstrukturen — den Beitrag von Günter Dux in diesem Band.
5
Dazu vgl. Hermann Müller-Karpe, Grundzüge früher Menschheitsgeschichte, 5 Bde. Darmstadt 1998, bes. Bd. I, S. 152-156 und 309-324. Dazu vgl. Franz-Reiner Erkens, Moderne und Mittelaltcr oder Von der Relevanz des praktisch Untauglichen. Ein Plädoyer für das historische Interesse an älteren Epochen. In: Ders. (Hg.), Karl der Große in Renaissance und Moderne. Zur Rezeptionsgeschichte und Instrumentalisierung eines Herrscherbildes (= Das Mittelalter. Zeitschrift des Mediävistenverbandes 4, 2). Berlin 1999, S. 95-122, bes. 113-117, und Erkens 2002b, S. 17-20.
6
7
Vgl. Streck 2002.
Sakralkönigtum und sakrales Königtum
3
schaft vereinigende Sakralkönigtum, dessen Kern der gewaltsame Tod des Königs und vegetationsreligiöse Vorstellungen von der Sicherung des Wohles aller Menschen, Tiere und Pflanzen durch die Beseitigung des seine Kraft verlierenden Herrschers darstellen.8 Das Urbild für diesen dem gewaltsamen Tode geweihten Herrscher sah Frazer in dem mit dem Königstitel geschmückten Priester eines am See von Nemi praktizierten und außerhalb der Albaner Berge offenbar kaum verbreiteten Kultes der Göttin Diana, von dem wir aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert Kunde erhalten. Der König genannte Diana-Priester war eine düstere Gestalt in der heiteren Landschaft Italiens, denn er war der Mörder seines Vorgängers und zugleich das künftige Opfer seines Nachfolgers; er war der ruhelose Hüter des Diana-Heiligtums, solange seine Kräfte und Wachsamkeit dies zuließen und kein anderer Aspirant auf seine Würde sich als kräftiger und geschickter erwies und ihn erschlug, um das gefährliche Priesteramt zu übernehmen. 9 Freilich ließen sich im gesamten klassischen Altertum keine Parallelen finden zu diesem auf Mord und Totschlag beruhenden Priestertum, doch vermochte sie Frazer vor allem in Afrika zu entdecken und aus ihnen seine einflußreich gewordenen Vorstellungen vom Sakralkönigtum zu entwickeln. Von manchen Vertretern der Ethnologie 10 und Afrikanistik 11 ist zwar inzwischen das von Frazer gezeichnete Bild und besonders jene Partie, die den Regizid illustriert, heftig kritisiert und öfters sogar verworfen worden, ohne daß sich dadurch allerdings eine allseits akzeptierte Meinung herausbildete; auf die Geschichtswissenschaft jedoch, und nicht zuletzt auf ihre germanophilen Teile, übte die Vorstellung vom Sakralkönig, der das Wohl und Wehe einer ethnischen Gemeinschaft beeinflußt und manchem modernen Wissenschaftler mit einem eigenen ,mana', mit einer eigenen zauberischen oder göttlichen Kraft ausgestattet schien,12 eine enorm große Anziehung aus. Das unter dem starken Eindruck von ethnologischen und — berücksichtigt man das ,mana' — von religionswissenschaftlichen Deutungsansätzen entworfene Gedankensystem vom germanischen Sakralkönigtum, dessen prominente Verfechter 8
Vgl. Frazer 1989.
9
Vgl. Frazer 1989, S. 1 ff.
10
Vgl. Streck 2002, Köhler in: Sakralkönigtum 2004 (§2), und Gillian Feeley-Harnik, Issues in Divine Kingship. In: Annual Review of Anthropology 14 (1985) S. 273-313. Vgl. neben der in vorstehender Anm. angeführten Literatur und dem Beitrag von Ute RitzMüller (in diesem Band) auch Adam Jones, „I am all the same as God". Königliche Körper und Menschenopfer in drei westafrikanischen Staaten (18.-19. Jahrhundert). In: fokens 2002a, S. 201-212.
11
12
Vgl. Fritz Kern, Gottesgnadcntum und Widerstandsrecht im früheren Mittelaltcr. Zur Entwicklungsgeschichte der Monarchie. 2. Aufl. von 1954 hg. von Rudolf Büchner. Darmstadt 1973, S. 16 f. - Zum europäischen Verständnis des Mana vgl. Hans-Jürgen Greschat, Mana und Tabu. In: TRF, 22, 1992, S. 13-16, bes. 13 f.
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Franz-Reiner Erkens
Wilhelm Grönbech 13 und Otto Höfler 14 sind, gipfelte in der oft zitierten Ansicht, nach der die germanischen Könige, da götterentsprossen, Anteil gehabt haben sollen am Göttlichen, 15 wodurch sie mit einem besonderen Heil, dem früher vielfach erwähnten, jedoch heute sehr umstrittenen Königsheil, 16 ausgestattet gewesen seien, das den Erntesegen und den Reichtum der Fischgründe ebenso garantierte wie den Sieg im Krieg und das, wenn es versagte, manchmal zum Königsmord, Regizid, geführt haben soll. Heute wissen wir, daß dieses historische Verständnis vom germanischen Königtum auf methodisch unzulässige Weise gewonnen worden ist,17 daß bei seiner Formung unterschiedliche Quellen aus verschiedenen Zeiten und Räumen zusammengeschmolzen worden sind zu einem homogenen Gebilde, das ein über Jahrhunderte unwandelbares Germanentum und ein sich ebenfalls nicht veränderndes Königtum voraussetzt. Vor allem läßt sich in der historischen Realität kein aus kultischen Gründen wirklich praktizierter Regizid nachweisen und offenbar auch nicht die Vorstellung von einem besonderen, gleichsam genuinen und den Königen inhaerenten, die Natur und das Wetter, Fruchtbarkeit und kriegerische Erfolge beeinflussenden Königsheil. Den Stimmen, die zum Verzicht auf das historische Interpretationsmodell eines germanischen Sakralkönigtums raten,18 ist daher durchaus beizupflichten. Allerdings ist das aber nur die eine Seite der Medaille.
" u 15
16 17
18
Vgl. Wilhelm Grönbech, Kultur und Religion der Germanen, 2 Bde.. 12. Aufl. Darmstadt 1997 [dän. 1909/12, engl. 1931], zum Heilsgedanken etwa Bd. I, S. 135-146. Vgl. vor allem Höfler 1956. Vgl. Höfler 1956, S. 82: „Im König ist ein Wesensanteil der Gottheit lebendig vorhanden", und 83: „Ein solcher König ist nicht ein Gott, ..., aber es ist ein Stück von göttlichem Sein in ihm". Vgl. dazu zusammenfassend Max Diesenberger in: Sakralkönigtum 2004 (§7). Vgl. dazu neben der vorangegangen Anm. auch Klaus von See, Kontinuitätstheorie und Sakraltheorie in der Germanenforschung. Antwort an Otto Höfler. Frankfurt/M. 1972, und Eve Picard, Germanisches Sakralkönigtum? Quellenkritische Studien zur Germania des Tacitus und zur altnordischen Uberlieferung (= Skandinavistische Arbeiten 12). Heidelberg 1991. Vgl. dazu außer der in der vorangehenden Anm. genannten Literatur und den Beiträgen von Maximilian Diesenberger / Helmut Rcimitz, Alois Wolf sowie Herwig Wolfram (in diesem Band) auch Frantisek Graus, Volk, Herrscher und Heilige im Reich der Merowinger. Studien zur Hagiographie der Merowingerzeit, Praha 1965, bes. S. 333, und Werner Affeldt, Untersuchungen zur Königserhebung Pippins. Das Papsttum und die Begründung des karolingischen Königtums im Jahre 751. In: FmaSt 14, 1980, S. 95-187, bes. 123-126, sowie allg. dazu ders., Das Problem der Mitwirkung des Adels an politischen Entscheidungsprozessen im Frankenreich vornehmlich des 8. Jahrhunderts. In: Dietrich Kurze (Hg.), Aus Theorie und Praxis der Geschichtswissenschaft. Festschrift für Hans Herzfeld zum 80. Geburtstag (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 37). Berlin 1972, S. 404-423.
Sakralkönigtum und sakrales Königtum
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Andererseits erscheint die sakrale Konnotation königlicher Herrschaft ja unverkennbar als ein weltweites, freilich regional unterschiedlich stark ausgeprägtes Phänomen, was vermuten läßt, daß es auch den germanischen Stammesverbänden nicht völlig fremd gewesen sein wird. Nur stellt sich angesichts einer spärlichen und oftmals undurchsichtigen Uberlieferung die Frage, wie stark und in welcher Form es in den germanischen Gesellschaften wirksam geworden ist und wie sehr die auf antike oder christliche Autoren zurückgehenden Nachrichten eine interpretatio Romana oder christiana darstellen. Hier eine Entscheidung zu treffen fällt meist schwer, doch ist heute jedenfalls wesentlich stärker, als man früher vermutete, davon auszugehen, daß in den seit der Spätantike historisch greifbaren Königtümern der germanischen Völker nicht nur germanische und christliche Traditionen zur Wirkung gelangten, sondern vor allem auch pagan-antike Einflüsse. Inzwischen wird man mit Blick auf die seit der Spätantike fortschreitende Ausgestaltung der sich am Vorbild der christlichen Kaiser Roms orientierenden Königssakralität sogar behaupten dürfen, 19 daß der heidnisch-germanische Anteil an ihr wohl eher gering gewesen ist, während die entscheidenden Prägungen von antik-paganen und christlichen (ihrerseits ja ebenfalls in weitreichenden mediterranen und altorientalischen Bezügen wurzelnden 20 ) Einflüssen ausgingen. Pointiert zugespitzt läßt sich daher sagen: Nicht die Vorstellungen von einem gesteigerten Königsheil germanisch-heidnischer Provenienz und nicht die Reminiszenzen eines germanischen Sakralkönigtums haben die mittelalterliche Königsidee in einem entscheidenden Maße sakral geprägt, sondern die christliche Tradition, die im Herrscher zwar keinen Gott, Gottessohn oder Göttersprößling mehr verehren konnte, wohl aber den Sachwalter und Stellvertreter Gottes auf Erden, der durch sein Wirken und sein Vorbild nicht zuletzt mitverantwortlich war für das Seelenheil seiner Untertanen. 21 Die germanische Gedankenwelt war offen für solche religiös begründeten Anschauungen und vermochte sie daher zu adaptieren und weiterzutragen, aber sie war, wie in so vielem anderen auch, 22 wohl eher der empfangende als der gebende Teil.
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Vgl. dazu etwa Joachim Ehlers, Grundlagen der europäischen Monarchie in Spätantike und Mittelalter. In: MAJESTAS 8/9 (2000/2001) S. 49-80. Erkens 2002b, S. 30 f. Vgl. dazu Erkens 2003 und künftig Ders., Der pia Dei oritinatione rex und die Krise sakral legitimierter Königsherrschaft in spätsalisch-frühstaufischer Zeit. In: Jörg Jarnut u. a. (Ilgg.), Vom Umbruch zur Erneuerung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert — Positionen der Forschung (= MittelalterStudien [wahrscheinlich 13]), Münchcn (voraussichtlich) 2006. Vgl. etwa die Diskussion um die Wurzeln des grundherrschaftlichen Systems: Werner Rösener, Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter ( - Enzyklopädie deutscher Geschichte 13). München 1992, S. 7 ff. und 59-64; Ilans K. Schulze, Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter I. 2. Aufl. Stuttgart 1990, S. 99-
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Franz-Reiner Erkcns
Der Verzicht auf die Vorstellung von einem germanischen Sakralkönigtum muß daher keinesfalls einhergehen mit einer Negierung der sakralen Konnotation von Herrschaft 23 , mit dem Verlust jeglicher sakraler Dimension, die hauptsächlich durch die Nähe des Herrschers zum Numinosen geschaffen wird: durch eine besondere Gottesnähe also.24 In heidnischer Zeit kann man darunter die göttliche Herkunft und einen besonderen Schutz durch die Gottheit verstehen, in christlicher, wie bereits erwähnt, die Stellvertretung Gottes auf Erden, die nicht zuletzt in einer göttlichen Berufung gründete 25 und dem Herrscher eine priesterliche Verantwortung für das Seelenheil seiner Untertanen auftrug, mithin eine eigene Sazerdotalität schuf, die den König zwar nicht zum die Sakramente spendenden und die Liturgie vollziehenden Priester im Vollsinne des Wortes machte, ihm als Vorbild, Mahner und Erzieher seines Volkes aber doch eine seelsorgerisch-sazerdotale Aufgabe zuwies, 26 die ihn, wie es später bei der Krönung hieß, zum Teilhaber (particeps) am bischöflichen Amte machte. 27 In den heidnischen Jahrhunderten hingegen besaß der König
106, aber auch: Otto Gerhard Oexle, Conjuratio und Gilde im frühen Mittelalter. Ein Beitrag zum Problem der sozialgeschichtlichen Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter. In: Berent Schwineköper (Hg.), Gilden und Zünfte. Kaufmännische und gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter (— Vorträge und Forschungen 29). Sigmaringen 1985, S. 151-213, bes. 161-213, sowie Peter Classen, Kaiserrcskript und Königsurkunde. Diplomatische Studien zum Problem der Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter (= ΒΥΖΑΝΤΙΝΑ ΚΕΙΜΕΝΑ KAI ΜΕΛΕΤΛΙ 15). 2. Aufl. Tessaloniki 1977, oder Stefan Esders, Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum. Zum Rechtscharakter politischer Herrschaft in Burgund im 6. und 7. Jahrhundert (— Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 134). Göttingen 1997, und Jean Durliat, Les finances publiques de Diocletien aux Carolingiens (284-889) (= Beihefte der Francia 21). Sigmaringen 1990, und Werner Hechberger in diesem Band. Vgl. dazu die Beiträge in diesem Band von Hans Hubert Anton, Heinrich Beck, Egon Boshof, Alexander Pierre Bronisch, Lutz E. von Padberg, Alexandra Pesch und Olof Sundqvist. Vgl. dazu wie zum folgenden Erkens in: Sakralkönigtum 2004 (§9) sowie für die frühen, zum Christentum übergetretenen plastischen Herrscher Polens den Beitrag von Hanna Köcka-Krenz in diesem Band. Vgl. dazu den Beitrag von Andreas Kosuch in diesem Band. Vgl. dazu die in Anm. 21 genannten Arbeiten sowie Franz-Reiner Erkens, I Ieißer Sommer, geistliche Gewänder und königliche Siegel: Von der Herrschersakralität im späten Mittelalter. In: Lectiones eruditorum extraneorum in facultate philosophica Universitatis Carolinae Pragensis factae, fasc. 6 (2003) S. 29-44; ders., Soliustiae und Regis regum vicanus. Ludwig der Bayer als 'Priester der Gerechtigkeit'. In: Zs. f. Bayer. Landcsgcsch. 66 (2004) S. 795818, und — unter dem besonderen Aspekt des 'brachium saeculare' — den Beitrag von Arnold Angenendt in diesm Band. Ordo ad regem benedicendum quando novus a clero et populo sublimatur in regnum, ed. Cyrille Vogel / Reinhard Elze, Le pontifical romano-germanique du dixieme siecle I (= Studi e Testi 226). Gitta del Vaticano 1963, S. 246-259, hier: 257 (§ 22).
Sakralkönigtum und sakrales Königtum
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oft die Verantwortung für den Kult,28 konnte diesen natürlich auch selbst vollziehen und vermochte damit wohl manchmal auch zum Repräsentanten seines Volkes vor den Gottheiten oder einer Gottheit vor dem Volk zu werden. In solchen Analogien zeigen sich im übrigen Kontinuitäten und Diskontinuitäten zugleich: Die Sazerdotalität des mittelalterlichen Königs läßt sich nämlich keinesfalls aus der heidnischen Position als Hüter und Vollzieher des Kultes oder Darbringer des Opfers ableiten, sie erwächst vielmehr aus der besonderen, in Byzanz lange gewahrten Stellung der ersten christlichen Kaiser Roms gegenüber und innerhalb der Kirche,29 aus einer auf das Numinose verweisenden Funkdon, die Konstantin den Großen gar als koinos episkopos erscheinen ließ.30 Christliche und heidnische Herrschersazerdotalität sind mithin keinesfalls identisch, lassen sich, zumindest was den germanischen Kult betrifft, auch nicht einfach voneinander ableiten, zeigen aber gleichwohl den heidnischen wie den christlichen König in einer vergleichbaren Verantwortung für das Wohlergehen, wenn man so will: für das Heil der Gemeinschaft. Tradierte Verstehensmuster der frühmittelalterlichen Herrschersakralität lassen sich mithin durch eine multiperspektivische und weniger germanisch orientierte Betrachtung des Sakralitätphänomens modifizieren, wobei überholte Vorstellungen abgelegt und Bewahrenswertes in neue und — wie zu hoffen ist — angemessenere Deutungszusammenhänge überfuhrt werden können. Wenn dabei, entsprechend dem Ausgangspunkt der Überlegungen, dem vermeintlichen germanischen Sakralkönigtum, hauptsächlich die frühen Jahrhunderte, die Zeit zwischen der Spätantike und den Karolingern in den Blick genommen und daher um Einsichten in eine längst vergangene Epoche gerungen werden, so werden damit doch zugleich — das einleitende Zitat aus dem Radetzkymarsch zeigt es — Grundstrukturen herrschaftlichen Verständnisses erörtert, die sehr lange und weit über das Frühmittelalter hinaus noch in der Neuzeit wirksam waren (und die vielleicht — erinnert sei an die als Politische Religionen deutbaren totalitären Weltanschauungen des 20. Jahrhunderts oder
Dazu vgl. etwa Olof Sundqvist, Ereyr's offspring. Rulers and religion in ancicnt Svca society (= Historia Religionum 21). Uppsala 2002, Kap. 7: "The leader and protector of the cult". Vgl. dazu Klaus-Peter Matschke, Sakralität und Priestertum des byzantinischen Kaisers. In: Erkens 2002a, S. 143-163. Eusebius, Vita Constantini I 44, ed. Ivar August Heikel, Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte 7, Leipzig 1902, S. 28, 19 ff.; dazu vgl. Johannes Straub, Konstantin als koinos episkopos. In: Ders., Regeneratio Imperii. Aufsätze über Roms Kaisertum und Reich im Spiegel der heidnischen und christlichen Publizistik I. Darmstadt 1972, S. 119-133 [erstmals engl. 1967: Dumbarton Oaks Papers 21, S. 37-55], und Klaus Martin Girardet, Das christliche Priestertum Konstantins d. Gr. Ein Aspekt der Herrscheridee des Eusebius von Caesarea. In: Chiron 10 (1980) S. 569-592.
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Franz-Reiner Erkens
die Zivilreligion angloamerikanischer Prägung — noch heute in gewandelter Gestalt wirksam sind31).
Bibliographie Erkens, Franz-Reiner (Hg.) 2002a: Die Sakralität von Herrschaft. I Ierrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten und Räume. Fünfzehn interdisziplinäre Beiträge zu einem weltweiten und epochenübergreifenden Phänomen. Berlin. Erkens, Franz-Reiner 2002b: Sakral legitimierte Herrschaft im Wechsel der Zeiten und Räume. Versuch eines Uberblicks. In: Erkens 2002a, S. 7-32. Erkens, Franz-Reiner 2003: Vicarius Christi — sacratissimus legislator — sacra majestas. Religiöse Herrschaftslegitimierung im Mittelalter. In: ZRG KA 89, S. 1-55. Erkens, Franz-Reiner 2004: In: Sakralkönigtum 2004 (§§ 8-12 und 24). Frazer, James George 1989: The Golden Bough. Λ Study in Magic and Religion, 2 Bde. London 1922 [dt. 1989: Der Goldene Zweig. Das Geheimnis von Glauben und Sitten der Völker], Höfler, Otto 1956: Der Sakralcharakter des germanischen Königtums. In: Theodor Mayer (Hg.), Das Königtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen (= Vorträge und Forschungen 3). Sigmaringen 1956, S. 75-104, ebenfalls gedruckt in: La Regalitä sacra. Contributi al tema del'VIII congresso internazionale di Storia dclle religioni (Roma, Aprile 1955). Leiden 1959, S. 664-701. Sakralkönigtum 2004: RGA 26, S. 179-320. Streck, Bernhard 2002: Das Sakralkönigtum als archaistisches Modell. In: lirkens 2002a, S. 3351.
Vgl. dazu etwa Hermann Lübbe (Hg.), Heilserwartung und Terror. Politische Religionen des 20. Jahrhunderts (= Schriftenreihe der Katholischen Akademie in Bayern 152). Düsseldorf 1995; Hans Maier (Ilg.), Totalitarismus und Politische Religionen, 3 Bde. (= Politik- und Kommunikationswissenschaftliche Veröffentlichungen der GörrcsGesellschaft 16, 17, 21). Paderborn 1996-2003; Markus Huttner, Totalitarismus und säkulare Religionen. Zur Frühgeschichte totalitarismuskritischer Begriffs- und Theoriebildung in Großbritannien (= Schriftenreihe Extremismus & Demokratie). Bonn 1999; Heinz Kleger / Alois Müller (Hgg.), Religion des Bürgers. Zivilreligion in Amerika und Europa (= Soziologie. Forschung und Wissenschaft 14). 2. Aufl. Münster 2004.
Das frühmittelalterliche Königtum - RGA-E Band 49 - Seiten 9-21 © Copyright 2005 Walter de Gruyter • Berlin New York
Die Genese der Sakralität von Herrschaft Zur Struktur religiösen Weltverständnisses v o n GÜNTER D U X
1. Das Sakralkönigtum Historisch ist für eine Vielzahl von Herrschaftsverfassungen die Sakralität der Herrschaft dokumentiert, ebenso die Sakralisierung des Herrschers als König. 1 Von einigen Herrschern wird gesagt, sie seien von Göttern gezeugt und geboren, so von E'annatum von Lagas im 25. Jahrhundert v. u. Z. Sie gelten selbst als göttlich. Auch ohne für sich selbst göttliche Geburt zu beanspruchen, leiten sich Herrschergeschlechter vielfach von Göttern ab. Häufig gelten Herrscher als Regenten oder Stellvertreter Gottes. Damit soll nicht nur die Belehnung mit der Herrschaft durch Gott zum Ausdruck gebracht werden, die in der Herrschaft involvierte Macht selbst gilt als göttliche Macht. Wo Herrscher für sich selbst einen göttlichen Status in Anspruch nehmen, wird der Herrscher zuweilen Adressat eines eigenen Kultes mit einem eigenen Tempel. Fast immer sind Herrscher an kultischen Handlungen für Götter in zentraler Funktion beteiligt. Sie sind es, die im Kult das Wohlergehen des Landes zu bewirken suchen. Jede dieser Darstellungen der Herrschaft und des Herrschers wird von einer Sakralisierung bestimmt, die den Herrscher teilhaben lässt an einer göttlichen Sphäre. Warum ist das so? Weshalb kommt es überhaupt dazu, dass die Herrschaftsmacht eines Herrschers wie der Herrscher selbst mit einem sakralen Bedeutungsgehalt ausgestattet wird? Und weshalb in so reichem Maße, dass man das Sakralkönigtum als eine „transkulturelle Kategorie" hat bezeichnen können? 2 Es ist diese Frage, die Frage nach dem „warum" der Sakralisierung, die ich zu klären suche. Den wichtigsten Grund, der für jede Form der Sakralisierung bestimmend ist, muss man in der Struktur religiösen Denkens sehen. Das jedenfalls ist die These, wie ich sie hier verfolge. Diese Struktur muss ich
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Die Literatur ist ungemein umfangreich und wird von den Untersuchungen zu den jeweiligen regionalen und historischen Herrschaftsformen bestimmt. Eine interdisziplinäre Zusammenfassung bietet: Erkens 2002. Sundqvist 2004, S. 279.
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deshalb zunächst erörtern und deutlich machen. Bedeutsam ist dann allerdings zu zeigen, dass die Struktur religiösen Denkens eine besondere Affinität zur Herrschaftsverfassung aufweist. Wenn sich, so wird man feststellen, Herrschaft in einer ausgeprägten Organisationsform mit der Weiterung entwickelt, dass sie sich selbst thematisch wird, dann verlangt die Struktur religiösen Denkens geradezu danach, Herrscher und Herrschaft zu sakralisieren. Formen und Funktionen der Sakralisierung werde ich erörtern.
2. Die Logik religiösen Denkens Strukturen des Denkens werden zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften in der frühen Ontogenese der Gattungsmitglieder gebildet und hernach auf dem Niveau der Erwachsenen in der Praxis des Alltags genutzt. 3 Das gilt auch für die Struktur, in der Erklärungen für das, was ist und geschieht in der Welt, erfolgen. Die ursprüngliche Struktur der Erklärung, wie sie in jeder Ontogenese eines Gattungsmitgliedes ausgebildet wird, ist der Handlungsstruktur nachgebildet. Ihr zufolge findet das, was ist und geschieht in der Welt, dadurch seine Erklärung, dass es auf ein subjektivisches Agens rückgefuhrt wird, durch das es emanativ aus sich herausgesetzt und bewirkt wurde. In allen frühen Kulturen ist dies die dominante Struktur der Erklärung. Regelhaft relationale Erklärungen stehen daneben, sind aber nur in begrenzter Form entwickelt. Es ist diese Struktur, die in der Religion thematisch gemacht worden ist. Allen Religionen gemeinsam ist, diese Struktur genutzt zu haben, um im Rekurs auf subjektivische Mächte — Götter, Geister oder auch ganz unbestimmt und unbenannt belassene Agenzien — das Geschehen in der Welt und das Dasein des Menschen in ihr sinnhaft zu deuten. Alle Religionen nutzen diese Struktur, um die erfahrbare Welt von einer hinter den Phänomenen gelegenen Grundhaftigkeit bestimmt zu sehen. Die Religion ist so sehr auf diese Struktur des Weltverstehens festgelegt, dass sie zu ihrem Definiens geworden ist. Erkenntniskritisch ist es notwendig, sich der formalen Form religöser Begründung zu vergewissern; wir werden sie in der Sakralität der Herrschaftsverfassung wiederfinden: Diese Struktur der Erklärung stellt sich als ein zweistellig-relationales Verfahren dar. Das Denken geht von dem aus, was in der Welt vorgefunden wird und geschieht, führt es auf seinen Grund und Ursprung zurück, um es aus ihm herausgesetzt zu sehen und dadurch seine Erklärung finden zu lassen. Herrschaft und Königtum sind da, ihre Erklärung finden sie, indem man sagt, sie seien vom Himmel gekommen, soll heißen: Der Himmel habe sie geschickt. — So sagen es die Untertanen der Herrschaft Eingehend Dux 1994.
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in Benin, 4 so verstand sich die Herrschaft Hammurapis. 5 Alles frühe Denken verfährt in dieser Weise. Es ist die unreflektierte und in der Frühzeit der Geschichte auch gar nicht reflektierbare Struktur der Erklärung, die den Menschen an eine Grundhaftigkeit des Seins verweist, die sich in einer subjektivischen Potenz darstellt. Eben weil dies die ganz selbstverständliche Struktur der Erklärung ist und diese Struktur in der Religion thematisch wird, ist die Frühzeit der menschlichen Geschichte von einer universalen Religiosität. Wenn man die Kategorialisierung in eine profane und religiöse Provinz für das Verständnis der Religion für konstitutiv erachtet, 6 lassen sich beide Provinzen danach unterscheiden, wie mit der subjektivischen Logik verfahren wird. In der profanen Provinz wird mit dieser Struktur als Oberflächenstruktur wie selbstverständlich umgegangen, in der sakralen aber wird der Verkehr mit den subjektivischen Mächten thematisch, in ihr nimmt er auch rituelle Formen an. In dieser Form der Thematisierung bestimmt das religiöse Denken auch die Sakralität der Herrschaft.
3. Die Affinität der Religion zur Herrschaft Die Ausbildung von Herrschaft hat nicht am Anfang der Geschichte gestanden. Herrschaft setzt eine agrarische Produktionsform voraus, durch die es allererst möglich wird, die Arbeitskraft anderer in Dienst zu nehmen und deren Früchte für sich zu requirieren. Überdies aber macht ihre Ausbildung einen Lernprozess notwendig, um die Organisationskompetenz in der Verfügung über eine große Zahl von Menschen zu erwerben. Herrschaft nämlich beruht auf der Organisation weniger, der Organisation eines Herrschaftsstabes, um sich vermöge der Organisation die Arbeitskraft der vielen zu unterwerfen. Wenn man den anfänglichen Ubergang in die agrarische Produktion im sogenannten fruchtbaren Halbmond vom südlichen Anatolien bis in die Levante vor ca. 12.000 Jahren ansetzt, hat es nahezu 10.000 Jahre bedurft, um Herrschaft in den Organisationsformen auszubilden, wie wir sie in den archaischen Gesellschaften Mesopotamiens, Ägyptens, später Chinas und Indiens und hernach in aller Welt sich ausbilden sehen. Die kulturelle Bedeutung der Ausbildung von Herrschaft erschließt sich, wenn man sich des Antriebes der kognitiven Entwicklung und mit ihr der Entwicklung des Weltbildes vergewissert.7 Motor in der Entwicklung der sozialstrukturellen Verfassung, in dem
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Zum Verständnis des Königtums in Benin: Jones 2002, S. 204. Der akkadische Text bei Borger 1982, S. 39-80. Dürkheim hat das bekanntlich getan: Vgl. Dürkheim 1960. Dazu in systematischer Form: Dux 2004, S. 329 ff.
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also, was wir sozialen Wandel nennen, ist die Entwicklung der Handlungsund Organisationskompetenz. Die Handlungs- und Organisationskompetenz ist aber ihrer Genese nach eine reflexiv präsente Kompetenz. Der Handelnde ist sich seiner selbst, seines Handelns und der Welt, in die hinein gehandelt wird, bewusst. Mit der Steigerung der Handlungs- und Organisationskompetenz durch die Ausbildung der Organisationsform der Herrschaft wird deshalb auch eine Steigerung der Reflexivität im Dasein des Menschen bewirkt. Sie richtet sich, wo sich Herrschaft in organisatorisch ausgeprägter Form verstetigt, auf die Reflexion der Herrschaft selbst. Der Zugriff der Herrschaft auf die Sozialordnung lässt die Sozialordnung auch thematisch werden, mit ihr aber zugleich die Ordnung der Welt. Beide lassen sich nicht trennen. Thematisch werden kann aber eine Ordnung immer nur in der Struktur, in der das Denken ausgebildet ist und sich vollzieht. Das aber ist die zweistellig-relationale subjektivische Struktur, wie wir sie eingangs erörtert haben. Und die geht von der Welt auf den Grund der Welt zurück, von dem aus Götter und Gott das Geschehen in der Welt bestimmen. Allerwärts finden wir deshalb in den archaischen Gesellschaften die Ordnung der Welt auf die Spitze einer Handlung gestellt, allerwärts konvergiert die Ordnung auf die Ordnungsmacht der Götter oder eines Schöpfergottes. Das rückwärts gewandte Verfahren, von der Welt auf deren Grund zu gehen, hat zur Folge, dass sich die Kosmologie in den Kategorien der Sozialwelt darstellt. Eindrücklich zeigt sich das daran, dass in Mesopotamien das Königtum ebenso in der Welt der Götter anzutreffen ist wie bei den Menschen. 8 Ma'at wird in Ägypten als kosmische Ordnung mit dem Begriff der Gerechtigkeit konnotiert. 9 Später, wenn die Welt in der entwickelten Organisationskompetenz autarker geworden ist, wird sich in China und der griechischen Antike eine Philosophie entwickeln, die den Grund entpersonalisiert, das Geschehen in der Welt aber weiter auf eben diesen Grund konvergieren und von ihm bestimmt sein lässt. Auch behält die antike Philosophie in Griechenland wie China die aus der Handlungslogik resultierende sinnhafte Verfassung des Geschehens in der Welt bei.10 Mit der an die Ausbildung der Herrschaft gebundenen Kosmologie erfährt die Herrschaft selbst ihre kosmologische Fundierung. Erinnern wir uns: In der dem Denken eingebildeten Struktur geht jede Form der Erklärung von dem, was vorgefunden wird, auf den Grund als Ursprung zurück. Herrschaft stellt sich deshalb als Emanation einer kosmischen Ordnung dar. Die sumerische Königsliste lässt sie mit der Menschheit vom Himmel gekommen sein. Explikativ leitet sich die weltliche Ordnung von der kosmischen Ordnung her; pro8
Wilcke 2002, S. 65.
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Assmann 1990, S. 33. Zur Ausbildung der Philosophie in der gricchischcn Antike und China und der Behauptung der anfänglichen Struktur des Denkens in ihr vgl. Dux 2003a.
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zessual gilt das Umgekehrte: die weltliche Ordnung wird in die kosmische Ordnung zurückgeführt, um aus ihr herausgesetzt zu erscheinen. Zwischen kosmischer und weltlicher Ordnung entsteht so ein Verhältnis der Identität. Selten vergessen Altertumswissenschaftler einmal darauf hinzuweisen, dass kosmische und weltliche Ordnung eng verbunden waren und nicht voneinander getrennt werden konnten. 11 Der Grund der Verbindung Hegt in der zweistellig-relationalen Struktur des Denkens, vom Phänomen zurück auf den Grund zu gehen. Die Verknüpfung wird durch eine Logik bewirkt, die die Welt auf ihren Grund zurückführt, um sie aus ihm heraus bestimmt zu sehen. Bis in die Praxis der Rechtsprechung hinein konnte sich diese Identität Ausdruck verschaffen. So entscheidet der mesopotamische Richter auf der Grundlage allgemein anerkannter Normen der Rechtschaffenheit — kittum: Der gleiche Begriff steht für die Summe kosmischer, unwandelbarer Wahrheiten. 12 Die Struktur der Logik, in der sich die frühen Kosmologien bilden und die Herrschaftsverfassung in diese integrieren, übernimmt auch die Legitimation der Herrschaft, sobald sie sich verstetigt. Eine Herrschaft, die sich strukturnotwendig aus dem Urgrund kosmischer Ordnung als deren Emanation darstellt, ist immer schon eine legitime Herrschaft. Wenn es deshalb in den Altertumswissenschaften heißt, die Herrscher hätten die göttliche Abkunft der Herrschaft und ihre eigene göttliche Abstammung als Legitimation der Herrschaft gesucht, so ist das sicher richtig. Herrschaft ist insofern eine prekäre Verfassung, als sich der Herrscher gegen die Prätentionen anderer Potentaten behaupten muss. Allein, dass sich die Herrschaft zu legitimieren vermochte, liegt nicht daran, dass eine Geschichte über die göttliche Abstammung erzählt wurde, sondern daran, dass die Logik des Denkens die weltliche Ordnung strukturnotwendig in der kosmischen verortete.
4. Die Göttlichkeit des Herrschers Herrschaft konvergiert in ihrer archaischen Form auf einen Herrscher. Vielleicht würde die zuvor dargelegte Inklusion der weltlichen Ordnung in die kosmische genügen, um plausibel zu machen, dass es geradezu in der Logik dieses Weltverständnisses liegt, dass der Herrscher an der Spitze der weltlichen Ordnung sich dadurch vergöttlicht, dass sich seine Macht aus der Spitze der kosmischen Macht in Gott herleitet. Wie die Göttlichkeit konzeptuell gefasst wird, in welchen Semantiken sich die strukturlogische Rückbindung " 12
Assmann 2000, S. 35. Tadmor 1987, S. 308 f.
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ausprägt, ist damit jedoch noch nicht gesagt. Zum einen bleibt immer eine Differenz zwischen Gott und König, der immer auch Mensch ist,13 zum andern wird die Konzeptualisierung von den realen gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt. Das gilt insbesondere für das prekäre Verhältnis, das sich dort, wo Tempel entstehen, zwischen der Sakralität der weltlichen Macht des Herrschers und der sakralen Macht des Tempels, also der Priester, entwickelt. Soviel allerdings lässt sich festhalten: Dort, wo sich eine Herrschaftsverfassung in organisatorisch ausgeprägter Form entwickelt und verstetigt, ist es nahezu unabweisbar, dass sich die Herrschaft in der Person des Königs vergöttlicht und mit ihm der Herrscher selbst. Der strukturlogische Zwang, der von dem Denken in der Frühzeit der menschlichen Geschichte ausgegangen ist und das Verständnis der Herrschaft durch die Geschichte hin bestimmt hat, lässt sich an zwei Begriffen verdeutlichen, die die plane Herrschaftsmacht mit der ontologischen Dimension der Göttlichkeit vermitteln: an der Konzeptualisierung der Macht einerseits, der des Landes andererseits. Der Herrscher übt die Herrschaftsmacht über Land und Leute aus. Er bestimmt die Ordnung der Sozialwelt. Exakt darin, in der Macht über die Welt, ist die Macht des Königs mit der Macht Gottes identisch. Denn alle Macht in der Welt stellt sich letztlich als Macht Gottes dar, einfach deshalb, weil alles in der Welt auf den göttlichen Ursprung konvergiert und von ihm bestimmt wird. Gewiss, zwischen der Macht Gottes und der Macht des Königs besteht eine Differenz, die mitgedacht wird. Allein, gerade weil alles in der Welt von seinem göttlichen Ursprung her verstanden wird, stellt sich im Denken eine begriffslogische Identität zwischen göttlicher und weltlicher Macht her. Da die Welt eine in Begriffen gefasste und sich in Begriffen darstellende Welt ist, muss sie so, wie sie in Begriffen gefasst sich darstellt, ihre Verankerung in der Göttlichkeit des Ursprungs finden. Wenn deshalb die Macht des Herrschers thematisch wird und für seine Gestaltungshoheit ein Grund namhaft gemacht werden soll, muss sie in der Herrschaftsmacht Gottes und dessen Gestaltungshoheit verortet werden. Strukturlogisch, darum ist es mir zu tun, drängt sich auf, die Herrschermacht in der Person des Herrschers zu vergöttlichen. Der gleiche Befund lässt sich verdeutlichen, wenn man die Ordnungsmacht des Herrschers mit der Macht über Land und Leute verbunden hält. Land und Leute sind im archaischen Denken verbunden und weisen in dieser Verbindung eine ontologische Tiefendimension auf. Ontologische Tiefendimension will sagen: Das Land wird mit den es bewohnenden Leuten von einer ihm eigenen und ihm innewohnenden Macht bestimmt gesehen. Die pristine Struktur des Denkens, jedwedes Objekt von einer immanenten subjektivischen Macht bestimmt zu sehen, lässt auch das Land in dieser Weise Darauf weist E. Blumenthal zum Verständnis der Göttlichkeit Pharaos hin: Blumenthal 2004, S. 53-61.
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verstehen. Die Folge ist, dass der, der sich die Macht über das Land aneignet, sich die Macht des Landes aneignet. Die Macht über das Land ist die Macht des Landes. 14 Der Herrscher hält diese ontologisch konnotierte Macht in Händen. Zugleich aber und in einem konvergiert das Land mehr als jedes einzelne Ding in der Welt auf die Schöpfungs- und Ordnungsmacht Gottes. Kosmologisch bewirkt deshalb die ontologische Tiefenstruktur in der Wahrnehmung des Landes, dass der Herrscher mit der weltlichen zugleich eine göttliche Macht in Händen hält. Das identitätslogische Verständnis von Grund und Welt, alles in der Welt als Emanation des Grundes zu verstehen, lässt die Macht des einen, des Herrschers, mit der des andern, Gottes, identisch sein. Daran hängt eine bedeutsame Weiterung: Die Macht, die jemand in Händen hält, setzt sich ihrerseits aus der Substanz dessen, der sie ausübt, heraus. Wenn deshalb der Herrscher eine Macht in Händen hält, die göttlichen Ursprungs ist, muss der Ursprung der eigenen Herrschermacht in der Person des Herrschers eben dieser Fundamentalisierung teilhaftig sein. Der Herrscher vergöttlicht sich vermöge der Göttlichkeit der Macht, die er in Händen hält. Es wundert deshalb auch nicht, wenn sich Herrscher wie Ur-Namma (Ur III) auch selbst als Gott des Landes darstellen.15 Auch Ur-Nammas Sohn Sulgi nennt sich „Gott aller Länder". 16 Vergöttlicht finden wir deshalb die Könige in Mesopotamien im späten 3. und frühen 2. Jahrtausend v. u. Z., die Ur IIIKönige ebenso Narram-Suen von Akkade; 17 vergöttlicht ist auch Pharao, der als Sohn Gottes erscheint. Das Verhältnis kann aber auch distanzierter ausfallen, die Könige werden erwählt, sie stellen sich als Regent oder Stellvertreter Gottes dar. In China, in dem die personale Denkform eines Schöpfergottes zwar anfänglich vorhanden war, 18 dann aber als semantisches Interpretations muster abgebaut wurde, trat an ihre Stelle die Vorstellung einer allumfassenden Ordnung, die aber wiederum von einem einzigen Ordnungsprinzip bestimmt wurde, dem „tao". Die strukturlogische Konsequenz im Verhältnis von kosmischer und weltlicher Ordnung war die gleiche wie in Kulturen mit einem Schöpfergott: Der Herrscher verkörperte in sich die Kraft des „tao"; richtiger noch wird man sagen: das tao war mit der Kunst des Regierens identisch. Die Identität bewirkte, dass der Herrscher zur eigentlich bewegenden Kraft des Kosmos wurde. 19
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Informativ die Arbeit von Maurice Bloch über die Merina auf Madagaskar: Bloch 1982, S. 211-230.
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18
Sallaberger 2002, S. 94. Wilcke 2002, S. 71. Sallaberger 2002, S. 94. Klvin 1987.
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Granet 1985, S. 227 ff.
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5. Sakrale Funktionen Könige haben in allen archaischen Gesellschaften die Funktion, das Wohlergehen des Landes zu sichern, Gerechtigkeit zu üben und, verwoben mit beiden, den Kult gegenüber den Göttern zu gewährleisten. Fragen wir erneut: Warum ist das so? Denn, wenn sich die Herrschaft als Ausdruck kosmischer Macht darstellt, werden wir auch für die Funktionen der Herrschaft nicht einfach säkulare Vorstellungen, wie sie unserem Denken entsprechen, in Anschlag bringen können. Seiner säkularen Genese nach ist Herrschaft mit Bestimmtheit nicht auf die Fürsorge für das Land gerichtet. Herrschaft sucht das ihre: das Interesse der Herrschaftsgruppe. Die Zuschreibung, für das Wohlergehen des Landes Sorge zu tragen, ist einmal mehr eine Konsequenz der Struktur des Denkens, in der sich die Herrschaft reflexiv darstellt. Dass die Macht des Herrschers sich aus der Macht Gottes resp. des göttlichen Grundes der Welt herleiten muss, lässt ihn auch mit den Funktionen beschwert sein, die dem göttlichen Subjekt zukommen. Denn dessen ratio essendi ist es ja, für die Ordnung der Welt einzustehen, sie nicht nur begründet zu haben, sondern auch zu erhalten. Eine Welt, die auf die Spitze einer Handlung gestellt ist, droht nämlich ständig in das Chaos zurückzufallen, aus dem sie hervorgegangen ist. Sie dauert nur solange, wie die Handlung aufrechterhalten bleibt, die sie hat entstehen lassen. Das ist der Grund, der Schöpfungsgöttern überall die Aufgabe zufallen lässt, die Schöpfung auch zu erhalten. Unter der Ägide der Handlungslogik wird die Schöpfung notwendig zu einer creatio continua, aber eben einer gefährdeten. Die innere Logik der dem Herrscher angesonnenen Funktion, das Wohlergehen der Welt zu bewirken, kommt deshalb erst in den Blick, wenn man einmal mehr das identitätslogische Moment in der Konzeptualisierung von göttlicher und weltlicher Herrschaftsmacht reflektiert. Dann nämlich zeigt sich in den rituellen Funktionen des Herrschers ein für das vergangene Denken höchst signifikantes magisches Moment, das ihn zu diesem Tun in den Stand setzt. Da diesem Denken zufolge sich die weltliche Macht des Herrschers aus der göttlichen heraussetzt und also mit ihm identisch verstanden wird, regiert der Herrscher letzten Endes aus dem göttlichen Ursprung heraus. Indem er seine Macht handhabt, bewegt er den Grund, dem sie verhaftet ist. Anders würde sich nichts bewegen! Identitätslogisch lässt sich, das ist eines der Grundgesetze frühen Denkens, die kausative Bestimmung in beiden Richtungen denken. Der Grund bewegt, was in der Welt geschieht; dadurch jedoch, dass etwas in der Welt geschieht, bewegt sich auch der Grund. Eben darauf beruht Magie. Exakt darauf aber beruhen alle rituellen Praktiken. Im Ritus wird eine Geschichte inszeniert, die zum Grund der Welt gehört und eben deshalb auf ihn einzuwirken vermag. Obgleich sie hier und jetzt geschieht, bewegt sie im identitätslogischen Verständnis der Zeit den
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Grund. Wir halten uns an die Riten, so hat es ein alter Eskimo zu Rasmussen gesagt, damit die Welt Bestand habe. Der identitätslogische Konnex zwischen Ritus und Ursprung erklärt eine der häufigen Zuschreibungen der kultischen Funktion des Herrschers: Er ist Hüter des Kults der Götter. So heißt es in einem Text aus dem Alten Ägypten: 20 Re hat den König eingesetzt auf der Erde der Lebenden Für immer und ewig, um ... die Götter zufriedenzustellen, ... Er gibt den Göttern Gottesopfer und den Toten Totenopfer.
In ganz dem gleichen Sinne heißt es in der Dichtung Sulgi in Mesopotamien: „Die Regeln der Götter soll er für dich ordentlich ausführen! Vollmond-Dinge und Fest-Dinge soll er für dich als Opfer darbringen". 21 Einmal mehr muss man sich vergegenwärtigen, dass die Macht des Herrschers göttlichen Ursprungs ist. Seine Herrschermacht hat einen originären Zugang zum Grund der Welt und dem Dasein der Götter. In der gleichwohl immer gewärtigen Differenz zwischen Gott, Göttern und Mensch fällt ihm deshalb der Kult zu. Die zwei Körper des Königs, der göttliche und der menschliche, prädestinieren ihn geradezu zu seiner kultischen Funktion. Wo sich die priesterliche Funktion im König zentriert, wie in Ägypten, in dem schon erwähnten Assur und in China, erfährt die Logik, die den Herrscher auch den berufenen Priester sein lässt, ihre reinste Ausprägung. Religions soziologisch muss man allerdings bedenken, dass mit den Tempeln eine Institution entsteht, die ein eigenes machtpolitisches Interesse entwickelt. Zwischen Palast und Tempel können sich deshalb unterschiedliche Beziehungen entwickeln. Der Herrscher folgt sicher machtpolitischem Interesse, wenn er seinen Einfluss auf den Tempel sicherzustellen sucht. Dazu bietet ihm der Anteil, den er an seinem Bau und seinem Erhalt nimmt, reiche Gelegenheit. Es ist jedoch nicht nur machtpolitisches Interesse. Es ist die Logik archaischen Denkens, die den Herrscher an den Kult und damit an den Tempel bindet.
6. König der Gerechtigkeit Der König hat Recht und Gerechtigkeit im Lande zu bewirken. Im Codex Hammurapi heißt es, der König sei bestimmt, „Gerechtigkeit im Lande sichtbar zu machen, den Bösen und den Schlimmen zu vernichten, den Schwachen 20
Text bei Assmann 2000, S. 37.
21
Text bei Wilcke 2002, S. 72.
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vom Starken nicht schädigen zu lassen" (Kol. I 32-48). Diese Zuschreibung ist so sehr mit dem Verständnis der archaischen Herrschaft verbunden, dass in den Altertumswissenschaften die Herrschaft selbst sich als gut und gerecht darstellt und nicht selten einen Heiligenschein erhält. Damit allerdings wird der innere Widerspruch, der den Begriff der Gerechtigkeit seit seiner Genese in den archaischen Gesellschaften bestimmt, verdeckt. 22 Man muss sich vergegenwärtigen, dass Herrschaft, wie sie sich in den archaischen Gesellschaften vom 4. bis 1. Jahrtausend v. u. Z. ausgebildet hat, auf Gewalt gegründet war. Als eine auf Gewalt gegründete soziale Ordnung ist sie entstanden, als solche wurde sie institutionalisiert. Die, die eben noch ihr Land in den einfachen Formen der frühen agrarischen Produktion bewirtschafteten, sahen sich nach der Unterwerfung einer Ordnung eingefügt, die ihre Arbeitskraft requirierte, sie in Arbeitsverfassungen zwängte oder sonst zu Dienstleistungen verpflichtete. Das Gewaltpotential setzte sich unter der Herrschaftsverfassung in unzähligen Willkürakten der kleinen und großen Potentaten fort. Wenn unter dieser Verfassung der Herrscher als Richter angerufen wird, Recht spricht und Gerechtigkeit übt, wenn er wie in Mesopotamien bereits seit dem 2. Jahrtausend v. u. Z., hernach vor allem in Israel besonders bei Amtsantritt Befreiungen ausspricht, um den Armen nicht zum Raube des Reichen werden zu lassen,23 so tut er das in einem System von Gewalt, dessen Spitze er selber ist. Das ist die gleichsam säkulare Seite der Gerechtigkeit. Die aber wird überlagert von der sakralen. Die kosmische Ordnung wird, man möchte sagen: strukturnotwendig, mit den Epitheta des „Guten und Gerechten" belegt. Darin darf man gerade keine Transzendenz der faktischen Ordnung durch eine Ordnung normativer Prinzipien sehen. Die Epitheta „gut und gerecht" heften sich an die bestehende Ordnung. Nicht nur Jahve sagt am 7. Schöpfungstage: „Und siehe da, es war sehr gut." Die Positivität in der Evaluation des eigenen Daseins bezieht das Sein ein. Eben weil aber zwischen der kosmischen und der weltlich-sozialen Ordnung ein Verhältnis der Identität besteht, das, was wir (!) weltliche Ordnung nennen, von der kosmischen inkludiert wird, gilt auch die Herrschaftsverfassung als „gerecht". „König der Gerechtigkeit", wie es im Epilog des Codex Hammurapi heißt, 24 ist der Herrscher deshalb wegen seiner Teilhabe an der göttlichen Macht.
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Vgl. zu der inneren Widcrsprüchlichkeit im Begriff der archaischen Gerechtigkeit: Dux 2003b.
25
Weinfeld 1995, S. 75 ff.
24
Vgl. den Beitrag von Cancik-Kirschbaum 1999.
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7. Das Problem der Universalisierbarkeit Wenn man die Sakralisierung der Herrschaft von der pristinen Logik des Denkens bestimmt sieht, drängt sich der Schluss auf, das Sakralkönigtum müsse universal sein. Denn die religiöse Logik, die sich so nachdrücklich im archaischen Denken Ausdruck verschafft, thematisiert eine Logik, wie sie sich allerwärts ausbildet. Und in der Tat: Wenn Herrschaft nach einer Begründung verlangt, kann sie es letztendlich nur, indem sie die religiöse Rückbindung für das, was in der Welt vorgefunden wird, artikuliert und den Bezug zu Göttern oder Gott herstellt. Aus der Logik frühen Denkens fällt so wenig etwas heraus, wie etwas aus der Welt herausfällt. Die göttliche Herkunft lässt sich deshalb für Herrscher leicht reklamieren. Es wundert deshalb nicht, dass wir die religiöse Form der Begründung aus einer Vielzahl von Herrschaften in aller Welt kennen. Von den alten vorchristlichen skandinavischen Kulturen wird sie so gut berichtet 25 wie von einer Anzahl von Herrschaften in Afrika oder sonst einfachen Gesellschaften. 26 Nur lässt sich schon hier feststellen: Logiken müssen nicht ausgereizt werden; dazu muss ein Grund bestehen. Einfachere Formen von Herrschaft vermögen sich damit zu begnügen, eine genealogische Tiefendimension ihrer Herrschaft herzustellen. Ahnenreihen eignet deshalb eine religiöse Dimension, weil sie mit der Genealogie perspektivisch das Grundhafte des Seins für sich in Anspruch nehmen. Die eigentlich brisante Frage ist nach allem nicht, ob eine religiöse Konnotation hergestellt wurde, sie lässt sich in einem religiös fundierten Weltbild überall herstellen, die Frage ist, ob und in welcher Form sie sich in sakralen Formen und Funktionen institutionalisiert hat. Eine institutionalisierte Form der Sakralität von Herrschaft aber ist voraussetzungsvoll. Dort, wo wir sie ausgeprägt vorfinden, sind zwei Voraussetzungen erkennbar und systematisch einsichtig. Beide habe ich schon namhaft gemacht: Es bedarf zum einen einer organisatorisch ausgeprägten Form von Herrschaft. Der Herrschaftsstab muss deutlich abgesetzt sein gegenüber dem „Volk". Das nämlich ist eine Bedingung, um die andere Voraussetzung entstehen zu lassen, eine mit der Herrschaft einhergehende Steigerung der Reflexionskompetenz, die eine Thematisierung der Herrschaftsverfassung nach sich zieht. Erst die reflexive Thematisierung der Herrschaftsverfassung gibt auch den Anstoß, um eine Kosmologie auszuprägen und in sie die Herrschaftsverfassung einzuschließen. Diese Voraussetzungen waren in den archaischen Gesellschaften des 3. bis 1. Jahrtausends v. u. Z. gegeben. Unter einfacheren Formen von Herrschaft werden wir mit bescheideneren Formen
25
Vgl. Sundqvist 2004.
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Lloyd 1960; Nachtigall 1958; Köhler 2004; weiter Jones 2002.
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einer religiösen Rückbindung rechnen, aber nur wenig ausgeprägte Formen von Sakralisierung erwarten.
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Das frühmittelalterliche Königtum - RGA-E Band 49 - Seiten 22-41 © Copyright 2005 Walter de Gruyter • Berlin · New York
Die magische Macht afrikanischer Könige v o n UTE RITZ-MÜLLER
1. "Long ago in Lubaland there was a king whose name was Mukulumpe the son of Kapopo iMprva, Mukali wapiva bantu. That king ruled his people very well all over Lubaland. And he built his capital which was called Kalilunga. After that everything went well."1
Als britische Verwaltungsbeamte und Ethnologen um die Mitte des letzten Jahrhunderts Erhebungen zur politischen Organisation der Lele, einer kleinen Pflanzergruppe in Zaires 2 westlicher Provinz Kasai, durchführten, registrierten sie mit Erstaunen, daß ein Teil der Bevölkerung die Dorfgemeinschaften als souveräne Einheiten bezeichnete, während ein anderer versicherte, alle Lele gehörten zu einem Königreich. Es existiere eine Hauptstadt mit einem Königshof und die Dörfer entböten dem König Tribut. Doch wie kann eine Gesellschaft gleichzeitig Königreich und kein Königreich sein? Gezielte Nachfragen ergaben, daß nur Mitglieder der Aristokratie (tundii) der These vom Königtum anhingen, für die sie vor allem die von den Dörfern geleisteten Tributzahlungen in die Waagschale warfen. Allerdings war, was sie unter Tribut verstanden, für andere nur ein Aspekt eines sonst reziproken Beziehungssystems. Mitglieder des "Königshauses" pochten auf die besondere Struktur des königlichen Dorfes, den Königshof und die existierende Amterhierarchie. Ein Königreich gab es also, auch wenn nicht alle diese Uberzeugung teilten. Das ist kein Einzelfall. Häufig nimmt die Idee vom Königtum zuerst in den Köpfen einer bestimmten Gruppe Gestalt an.3 Der Begriff "Königtum" — selbst mit dem Attribut "sakral" — sagt wenig aus und ist, da man sich seiner zur Charakterisierung einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Regierungsformen bedient, zumindest problematisch. 4 In der Vergangenheit wurden Personen von fast identischem Status in der einen Paul B. Mushindo, Λ Short History of the Bemba (As Narrated by a Bemba). Lusaka 1977, S.l.
Heute Kongo. Vansina 1992a, S.21, 24, 26. Mary Douglas, The Lele of the Kasai. London 1963. Vgl. Jack Goody, Feudalism in Africa? In: Journal of African History, Bd. 4 (1), 1963, S.15.
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Region "Oberhäuptling" (engl, paramount chief) oder "Chef {chief), in einer anderen "König" oder "Sakralhäuptling" und in einer dritten "Priesterhäuptling" oder "Ältester" genannt. 5 Als Königtümer galten nicht nur politische Gemeinschaften, die — wie die rezenten Monarchien Europas — über ein beträchtliches Territorium und eine hohe Bevölkerungszahl geboten, 6 sondern ebenso kleine, manchmal nur wenige tausend Mitglieder umfassende Gruppen. 7 Die Unterschiede zwischen den einzelnen afrikanischen "Königtümern" waren teils beträchtlich: Selbst wenn Ethnologen (oder Soziologen) zur Beschreibung einer bestimmten Regierungsform den Begriff "Königtum" wählten, bedeutete das also noch nicht, daß sie auch das gleiche meinten. Einigen galten die Könige als Bewahrer einer kulturellen Tradition, anderen als Verkörperung einer religiösen Idee. Mal begriff man sie als Rechtsinstitution, mal als Spitze der Sozialhierarchie oder als Herren eines Vasallensystems. 8 Doch nicht nur die begrifflichen und institutionellen Unsicherheiten stifteten Verwirrung, auch die unzureichenden Daten rechtfertigten es kaum, Übereinstimmungen zu postulieren und zu verallgemeinern und sämtliche Differenzen außer acht zu lassen: 9 Denn wenn afrikanische Königtümer auch zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen, die sich möglicherweise auf eine ähnliche Weltanschauung, analoge Funktionen oder intensive Kontakte zurückführen lassen, 10 waren sie keineswegs, wie George Peter Murdock versicherte, "as similar as peas in a single pod." 11 Daß man dennoch ganz unterschiedliche Machthaber als "König" titulierte, wurde damit begründet, daß jeder von ihnen die Nation, das Land, die Leute und ihre Geschichte repräsentiere und, zwar der König, nicht aber die Monarchie sterblich sei12 — ähnlich wie jene mittelalterliche juristische Fiktion, aus der Kantorowicz eine Entstehungsgeschichte des modernen Staates entfaltet. 13
5 6
7
8
Vgl. Lemarchand 1977, S.7; Vansina 1992a, S. 19. So die verschiedenen Yoruba-Reichc, das Benin-Reich im heutigen Nigeria, die Reiche im Zwischcnsecngebiet von Ostafrika, die Reiche der Zulu, Sotho und Swazi in Südafrika. Beidelman 1997, S.443, auf dessen Zusammenfassung ich mich wesentlich stütze. J. Η. M. Beattie, "Kingship". In: International Encyclopedia of the Social Sciences. Bd. 8. New York 1968, S.386. Lemarchand 1977, S.5.
9
Lemarchand 1977, S.7.
10
Vansina 1992a, S. 24-25. George Peter Murdock, Africa, its Peoples and their Culture History. New York 1959, S.37; Vansina 1992a, S. 26 Fußnote 6. Beidelman 1997, S.443-444.
11
12 13
Ernst II. Kantorowicz, The King's Two Bodies. Λ Study in Mediaeval Political Theology. Princeton 1957. Vgl. Feeley-Harnik 1985, S. 278 f.
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2. "Der König frug M. Legrand (wie der damalige 'grand ecuyer' abgekürzt genannt wurde): 'Et vous, qu'en dites vous?' 'Sire1, antwortete dieser, 'tout ce que je sais, e'est que le charbonnier est maitre chez lui.'"' 4
Das Königtum — als Begriff wie Institution — wurde durch die abendländische Geschichte geprägt. 15 Als die Europäer nach Übersee kamen, benutzten sie abendländische Vorstellungstraditionen und die Terminologie ihrer Zeit, um die ihnen fremden Menschen und Lebensformen zu beschreiben. 16 Trafen sie auf afrikanische Gesellschaften mit Regierungsformen, denen Oberhäupter dominanter Abstammungsgruppen (Klane) vorstanden, bezeichneten sie sie als "emperor" oder "Kaiser", "king" oder "König", "roi" oder "rei" und übersetzten damit Titel wie Jon, mansa, hene, mai, oba, ntemi, kabaka, naba und viele mehr. Schon bald wurde das "Königtum" unverzichtbarer Bestandteil Tropisch-Afrikas mit allen Konnotationen, mit denen der Begriff "König" in Europa verbunden war. 17 Bereits die Portugiesen, die als erste Kontakte mit afrikanischen Herrschern aufnahmen, hatten im Königreich "Angola" (Ndongo) über 2000 fidalgos (Adelige) angetroffen und sie, weil sie "Herren (senhores) vieler Vasallen (yassalos) und Ländereien (terras) waren", mit den Grafen, Markgrafen und Fürsten ihrer Heimat gleichgesetzt. Der portugiesische König mußte also annehmen, sein königlicher Freund und Bruder im Kongo stünde an der Spitze einer aristokratischen, der portugiesischen vergleichbaren Hierarchie - und erkannte ihn als ebenbürtig an.18 Unter europäischem Einfluß übernahmen die Afrikaner die Terminologie, obschon die Autorität ihrer Granden in vielerlei Hinsicht eingeschränkt war: Nahezu überall t e i l t e der König seine Machtbefugnisse mit weiteren Personen oder Institutionen, mit Wahl- oder Ratsherren, Klanältesten, Geheimgesellschaften, einer Königin oder Königinmutter. Entscheidungen über Krieg und Frieden, Recht und Unrecht wurden von den Häuptern autonomer, ursprünglich getrennt siedelnder Klane gefällt. 19 Diesen Gremien gegenüber war die reale Macht des Königs gering, oft war er lediglich der "Vorsitzende" einer aus Vertretern der verschiedenen Klane zusammengesetzten Ratsgemeinschaft.
14
Pückler Muskau 1985, S. 127.
15
Vgl. Nooter 1992.
" 17
I Icintze 1979, S. 197. Vgl. Vansma 1992b, S. 16 f. Zu den Parallelen zwischen afrikanischem und europäischem Königtum s. Davidson 1969, S.220 ff.
18
Heintze 1979, S. 197; Vgl. Jahn 1964, S. 151.
19
Haberland 1973, S. 258.
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Unter diesen Voraussetzungen hätten die meisten "Könige" kaum die Möglichkeit gehabt, ihren Willen durchzusetzen und Sanktionen zu verhängen. Gegenüber ihrer symbolischen Bedeutung erscheinen ihre politischen und militärischen Funktionen eher zweitrangig. Wesentlich waren nicht ihre Machtbefugnisse, sondern daß alle satt und zufrieden waren. Die Macht des Königs bestand geradezu darin, daß er eigentlich n i c h t s machte: "Es war genug, wenn der segenbringende faineant da war." 20 Zwar gab es durchaus auch Herrscher, die an der Spitze großer "Reiche" standen und hohes Prestige genossen, doch selbst sie waren selten Autokraten, sondern eher Glied eines Systems, in dem jeder Teil durch einen anderen ergänzt und kontrolliert wurde. So waren (und sind) afrikanische Königtümer eine Synthese von Widersprüchen: Einerseits ruhte die Macht des Königs auf vielen Schultern, andererseits wog sie nur wenig — ein Grund für die vielfach festgestellte Instabilität afrikanischer Königtümer. 21
3. "In dem westafrikanischen Königreiche des Kongo gab es einen Oberpriester mit Namen Chitome oder Chitombe, den die Neger als einen Gott auf Krden und allmächtig im Himmel ansahen." 22
Der anfängliche Respekt, den die Könige Europas und Afrikas einander bekundeten, erlosch auf europäischer Seite rasch. Schon bald verachtete man die Völker, die in den Worten von Frobenius "Kultur bis auf die Knochen" verkörperten, als "unzivilisierte Wilde". 23 Der Respekt wich der Verwunderung darüber, daß sie den eigenen Institutionen analoge Einrichtungen besitzen sollten, in Regionen, in denen der damaligen, evolutionistischen Auffassung nach nur "unterentwickelte", "primitive", ja "wilde" Völker leben konnten, sei es in Polynesien, Südostnordamerika oder Afrika. Das weckte um so mehr die Aufmerksamkeit der Ethnologen: Man sah sich monarchistischen Herrschaftstümern gegenüber, deren Macht sich allerdings kaum auf militärische Mittel, sondern überwiegend auf glaubensmäßig begründete, sakrale Institutionen stützte. Haberland 1973, S. 257. 21
Vgl. Feeley-I Iarnik 1985, S. 276. Die Dualität afrikanischer Könige, ihre nahezu vollkommene Gleichsetzung mit wie der Gegensatz zu dem von ihnen regierten Volk ist das Thema Luc de Heuschs (1962), der einen strukturalen mit einem historischen Ansatz zu verbinden sucht.
22
James George Frazer, Der goldene Zweig. Eine Studie über Magie und Religion. Bd.l Frankfurt 1977, S. 248. Jahn 1964, S. 151.
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Erste Versuche, das Phänomen zu klären, stammen namentlich von James George Frazer 24 (1854-1941) und Arthur Maurice Hocart 25 (1884-1939). Frazer leitete bei seinem zwölfbändigen Werk „The Goulden Bough" vor allem die Absicht, Licht in das Geheimnis des Königtums, speziell des Königmords zu bringen. Warum sollte das Töten der Erhaltung des Lebens dienen? Weshalb gibt der Kreuzestod Christi seinen Anhängern Hoffnung auf Erlösung? 26 Zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen vermengte er antike mit ethnographischen Quellen und stützte seine Argumentation mit Beispielen aus "einfacheren" — das hieß vor allem afrikanischen - Gesellschaften wie etwa der Shilluk im Ostsudan. Sie wie andere Völker südlich der Sahara wiesen offensichtlich verblüffende Analogien zu dem von ihm zusammengestellten Material aus der Antike auf, das Frazer zuerst inspiriert hatte, die Ursprünge der Religion im Königtum zu suchen. Der König wird für Frazer zur "Zentralfigur der magischen Welt, angefüllt mit Zauberkräften, die seine Umgebung ebenso anziehen wie abschrecken." 27 Dieser Erzmagier galt als Quelle aller Fruchtbarkeit und Garant der sozialen Ordnung. Idealiter verdankten ihm alle die Grundlage ihrer Existenz: die Jäger das Wildbret, die Frauen reichen Kindersegen, die Familien das Gedeihen der Feldfrüchte, die höfischen Handwerker und Künstler das tägliche Brot. Doch da seine Kräfte nicht nur die Quelle von Wohlergehen, sondern auch von Unglück sein konnten, mußte sein Leben durch eine Reihe von Schutzmaßnahmen eingeschnürt werden. 28 Versiegten seine Kräfte, drohte Unheil. Sobald schlechte
24
25
James George Frazer, The Goulden Bough: Α Study in Magic and Religion., 12 Bde., insb. Bd. 1-2: The Magic Art and the involution of Kings. London 1963. Arthur Maurice Ilocart, Kingship. Oxford (1927) 1969 und ders., Kings and Councillors: An Essay in the Comparative Anatomy of Human Society. Chicago (1936) 1970. I locart hatte im Unterschied zum "Lehnstuhlethnologen" Frazer Feldforschungen auf den Salomon-Inseln, auf Fidji und Ceyon durchgeführt. Den Kern seiner Argumentation bildet "die Geburt des Staates aus der Religion, verdichtet in der Person des Königs als Oberpriester und Selbstopferer" (Streck 2002, S. 40). Ihn interessierte primär die Transformation von einer Person in eine Sache, die Verkörperung einer Idee: "Der Mensch ist kein Mikrokosmos, er muß vielmehr dazu gemacht werden, um ihn in die Lage zu versetzen, das Gedeihen des Universums zu kontrollieren. Das Ritual begründet das Gleichgewicht, das vorher noch nicht vorhanden war." Hocart zufolge haben die Menschen die Regierung erfunden, um sich des Lebens zu versichern, und ein sakraler König steht, ob tot oder lebendig, immer im Mittelpunkt des Rituals. Es waren, so lautet seine Hauptthese, in der Regel tote Könige, die das Ritual gestiftet oder begründet haben. Feeley-Harnik 1985, S. 297; Schnepel 1994, S. 77; Streck 2002, S. 41.
26
Feeley-Harnick 1985, S. 273.
27
Streck 2002, S. 35.
28
Die Hauptzüge des afrikanischen Königtums und die Tabus, denen der König unterliegt, finden sich bei Hermann Baumann, Afrikanische Plastik und sakrales Königtum. Ein sozialer Aspekt traditioneller afrikanischer Kunst. In: Sitzungsberichte der Bayrischen Akadc-
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Ernten, ja Unglück allgemein überhand nahmen, starb der König einen rituellen Tod: Nur durch seine Opferung ließ sich Einfluß über Leben und Wachstum in der Natur zurückgewinnen. In Frazers Rekonstruktion wird dieser unnatürliche Tod zum Kern des Königtums und der göttliche (divine) König zur sakralen Institution. Die Gleichsetzung seines Lebens mit dem Leben in der Natur galt Frazer als charakteristisch für das "Age of Magic", das früheste Stadium der Geistesgeschichte, auf dem alle weiteren Entwicklungsstufen aufbauten. Im Hinterkopf hatte Frazer jedoch weniger den afrikanischen König als vielmehr ägyptische und orientalische Pflanzen- und Vegetationsgottheiten. 29 Ihm ging es also kaum darum, das afrikanische Königtum aus seiner eigenen, das heißt der "afrikanischen" Weltanschauung zu erklären, sondern es diente ihm als Modell oder Metapher innerhalb der von ihm entwickelten Systematik. 30 Frazers Gedankengänge inspirierten zahlreiche Ethnologen seiner Generation, weltweit Spuren dieses sakralen Königtums nachzuweisen und Theorien zu seiner Entstehung aufzustellen. Dabei projizierten sie Strukturen, die erst viel später entstanden, zurück in die Vergangenheit und suchten nach Gemeinsamkeiten, die alle bestehenden Differenzen verwischten. 31 Aufgrund zahlreicher Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen in der höfischen Organisation, in Ritualen und Mythen glaubten sie erkannt zu haben, daß alle Monarchen, "große ebenso wie kleine", einem gleichen Grundtypus angehörten, den sie nach Frazer zunächst "göttlich" (divine) nannten. Sobald ihnen aufging, daß viele Könige nicht in dem Sinn göttlich waren, daß man sie als Götter verehrte, sondern als Schlüsselfiguren eines sozialen Korpus ansah, der sonst Geschiedenes miteinander verband, zogen sie die Attribute r i t u e l l oder sak r a l vor. Nunmehr meinte man, der "Ursprung" des Königtums läge im rituellen Spezialistentum. 32 Denn, und das blieb die Hauptthese: Herrscher mußten — in der idealtypischen Darstellung Frazers — neben ihren weltlichen Funktionen die Harmonie zwischen der Gesellschaft und ihrer natürlichen Umwelt beziehungsweise — im Strukturfunktionalismus von Evans-Pritchard — zwischen der Gesellschaft und ihrer sozialen Umwelt kraft periodisch durchgeführter Rituale aufrecht erhalten. Dabei attestierte man diesen "primitiven" oder "archaischen" Königtümern ein hohes Alter — und das, obwohl die Quellen selten über das 18. Jahrhundert hinausreichen. De facto sind viele afrikanische Königtümer sogar jüngeren Datums. Einige entstanden infolge
30
mie der Wissenschaften, Phil. hist. Kl., Jg. 1968. Heft 5. München 1969. Vgl. Irstam 1944 und Haberland 1973. Streck 2002, S. 35 f. Feeley-Harnik 1985, S.274 f.
31
Vgl. Haberland 1973, S. 250 f.
32
Davidson 1969, S. 210.
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des Überseehandels, andere verdankten ihre Entstehung Kontakten mit Fremden. Doch da sie den Forschern archaisch erschienen, wurden sie zu "survivals" älterer Kulturschichten erklärt. Die formalen Ubereinstimmungen sollten auf Jahrtausende alten Zusammenhängen beruhen. 33 In dem Bemühen, das afrikanische Königtum nur als Sonderform der Institution an sich zu begreifen, wies man ihm einen gemeinsamen Ursprung zu, für den man das pharaonische Ägypten oder die Hochkulturen des Nahen Ostens in Betracht zog.34 Von dort aus sollte es sich nilaufwärts nach Ostafrika, beziehungsweise durch die Sahara nach Westen hin ausgebreitet haben. 35 Ahnlich wie schon der konservative britische Staatsmann Benjamin Disraeli (1804-1881) ging man davon aus, daß die Monarchie eine Staats form sei, die "einen hohen Grad an Zivilisation voraussetze". Britische Ethnologen sozialfunktionalistischer Prägung stellten Frazers Modell alsbald zunehmend in Frage. Evans-Pritchard Schloß 1948 seine berühmte Frazer-Vorlesung mit dem Satz: "Das Königtum war überall und zu allen Zeiten in gewissem Maße ein heiliges Amt: Rex est mixta persona cum sacerdote."36 Einige schlossen daraus, daß es sowohl in den archaischen Hochkulturen als auch in den Königskulturen der sogenannten Naturvölker praktisch keine profane politische Macht gebe.37 Das Sakrale gehöre vielmehr zum Wesen jeder Macht, unabhängig davon, ob der König — wie im "magischen" Königtum — als Zauberer und Regenmacher auftritt, ob er — wie im "religiösen" Königtum — als oberster Priester zwischen Diesseits und Jenseits vermittelt oder ob er — wie im "heiligen" Königtum — Gott oder zumindest göttlicher Abkunft ist.38 Der belgische Historiker Jan Vansina und andere zogen daraus den Schluß, daß die Sakralisation des Königtums Folge einer Sakralisation der Führerschaft sei. Nicht nur das Königtum war sakral, sondern jede von den Ahnen gestiftete Institution, also auch Klan, Lineage oder Geheimbund. 39
33
Haberland 1973, S.250. Vgl. Irstam 1944.
34
Vansina 1992a, S. 23. Vgl. C. G. Seligman, Egypt and Negro Africa. Λ Study in Divine Kingship. London 1934; J. Roscoe, The Baganda. London 1911; C. K. Meek, Α Sudanese Kingdom. London 1931; E. Meyerowitz, The Divine Kingship in Ghana and Ancient Egypt. London 1960.
35
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Anderen Theorien zufolge hatte das Königtum seinen Ursprung in Südafrika und verbreitete sich von dort aus nach Ägypten und in den Nahen Osten. Evans-Pritchard (1948) 1962, S. 210. Thiel 1963, S. 367.
38
Heusch 1962 nach Thiel 1963, S. 367.
39
Vansina 1992a, S.24; Thiel 1963, S. 379.
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4. "Mein bisher vorgeführtes Material zeigt, daß die Funktionen eines Erdherrn doch noch weit mannigfaltiger sind, als in den älteren Quellen berichtet wird." 40
Meines Erachtens kommt man dem Verständnis des afrikanischen Sakralkönigtums näher, wenn man auf seine autochthonen Grundlagen zurückgreift: In praktisch allen t r a d i t i o n e l l e n Agrargesellschaften der Welt genießt eine Sippe, die sogenannte Gründersippe (engl, founder sib/clan), Vorrang vor allen anderen. Wie der Name besagt, gilt sie als älteste am Ort (daher auch manchmal als "Ureinwohner" bezeichnet), das heißt ihr Ahnherr gründete hier der Legende nach die erste Siedlung (oder stieg hier vom Himmer herab bzw. aus der Erde herauf). Sein Nachfahre in geradliniger Deszendenz ist der gegenwärtige Älteste der Sippe, der "Erdherr", wie er in vielen Teilen der Welt übereinstimmend genannt wird. Erdherren oder "Gearchen" sind im Besitz der a b s o l u t e n A n c i e n n i t ä t und genießen insofern höchste Autorität — weniger in politischer als in sakraler Hinsicht: Sie haben ein besonderes Verhältnis zur Erde, auf der ihre Vorfahren am längsten von allen lebten und in der ihre Ahnen seit Anbeginn ruhen. Daher tragen sie die Verantwortung für ihre kultische Pflege und Ertrags fahigkeit, der die Fruchtbarkeit und Gesundheit von Mensch und Vieh, das heißt insgesamt die Prosperität, das "Heil" der Gruppe entspricht.41 Erdherren genießen nicht nur spezielle Privilegien — sie eröffnen zum Beispiel rituell wichtige Abschnitte im agrarischen Tätigkeitszyklus —, sondern haben auch bestimmte Tabus zu beachten. Idealiter sind sie das Haupt einer großen Familie, deren moralische Autorität sie verkörpern. Das befähigt sie dazu, Ratschläge zu erteilen und Recht zu sprechen. Die Ältesten, die in der Großfamilie aufgrund ihrer Nähe zu den Ahnen das Sagen hatten, und so allen voran der Gearch, standen gewissermaßen Pate für das afrikanische Königtum. 42 Wie jedes Oberhaupt seiner Familie bzw. Lineage war der König seinem Volk verpflichtet. 43 Viele Staatsrituale sind ins Grandiose hochstilisierte Riten, wie sie jeder Patriarch (paterfamilias) einer polygynen Familie vollzieht. Der König — oder "Vater der Nation" {paterpatriae) — stand jedoch nicht nur über, sondern auch außerhalb der Gesellschaft. Er hatte zwischen den unterschiedlichen "Welten" der einzelnen sozialen Gruppen, Sippen und Untersippen (Klan und Lineages), zwischen Freien und Sklaven, im Ahnenkult zwischen Lebenden und Toten zu vermitteln. In seinen Hand-
42
Dittmer 1961, S. 33. Vgl. Müller/Ritz-Müller 2004, S. 40-59, speziell S.56 f. Mit Ausnahme von Lovedu gab es in Afrika (Madagaskar ausgenommen) keine weiblichen Herrscher. Zu Lovedu s. E. J. Krigc / J. D. Krige, The Realm of a Rain-Queen: Α Study of the Pattern of Lovedu Society. London 1943.
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Vgl. Koloss 1992, S. 33.
40 41
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lungen wirkte er repäsentativ für sein Volk; als Träger der Lebens- und Fruchtbarkeitskräfte (Jecunditas und fertilitas) von Land, Vegetation, Vieh und Menschen bürgte er mit seinem Leben und Tun für das Wohlergehen, das "Heil" aller. Seine herrscherliche Autorität stand hinter der Verantwortung zurück. Als Heilsträger seiner Untertanen mußte er allzeit vital, stark und gesund sein, durfte keine physischen Makel aufweisen, also nicht blind, taub oder sonstwie behindert sein — idealiter sollte er alle anderen an Größe, Gewicht und Schönheit überragen. 44 Auf religiöser Ebene vertrat er sein Volk gegenüber Ahnen, Geistern und Göttern, auf sakraler Ebene hatte er den Fortbestand der überkommenen Rechts- und Lebensordnung zu verbürgen. Das legte ihm einen streng reglementierten Lebenswandel strikt nach den Regeln von Brauchtum und Recht auf; er war weniger Beherrscher als Gefangener seines Volkes: Häufig durfte er weder seine Residenz noch seine Hauptstadt verlassen, noch in der Öffentlichkeit essen oder trinken. 45 Seiner hohen Krafthaltigkeit wegen, deren Ausstrahlung für andere Gefahr barg, durften nur die eigenen Frauen und persönliche Diener, bestenfalls noch die höchsten Würdenträger, direkt mit ihm in Berührung kommen. Sakrale Könige zeigten sich selten in der Öffentlichkeit, manche trugen bei Audienzen einen Gesichtsschleier oder saßen hinter einem Vorhang. Nur wenn sich ein König strikt an die Vorschriften hielt, waren Fruchtbarkeit und Leben gesichert, glaubte man gewiß sein zu können, daß es ausreichend regnen, eine reiche Ernte eingebracht und man vor Unheil verschont bleiben werde. Ausweis seiner Vitalität waren viele Frauen, zahlreiche Nachkommen und bedeutende Kriegserfolge. Als Mittler zwischen Lebenden und Ahnen, Gegenwart und Vergangenheit verkörperte er Kontinuität, die "in der Urzeit begann und in die Unendlichkeit weiterführt." 46 Im Herrscher kreiste das Blut seiner Vorfahren: Die Beständigkeit der Institution drückte sich auch im Namen 47 oder Titel aus.48 Generell hatte ein Herrscher viele Frauen, 49 die ihm viele Kinder gebaren, wodurch er über ein Mehr an Arbeitskräften gebot. Zugleich erhielt
44 45
46
47
48
45
Haberland 1973, S. 257. Vgl. Klaus E. Müller / Ute Ritz-Müller, Soul of Africa. Magie eines Kontinents. Köln 1999, S. 380 ff. Horst Nachtigall, Das sakrale Herrschertum bei Naturvölkern und die Entstehung früher Hochkulturen. In: Zeitschrift für Ethnologie Bd. 83 (1), 1958, S. 34-44, hier S. 37. Beispiel dafür waren die Könige im Luapula-Tal (Grenzgebiet zwischen Zimbabwe und Kongo). Im Bamum-Reich (Kamerun) konnten alle Herrscher mit 'Nsare', dem Namen des lleichgründers, angesprochen werden. Tardits 1992, S. 50. Oft zahlte ein König - wie in Oku im Kameruner Grasland - keinen Brautpreis, so daß er zahlreiche Ehen schließen konnte. Vgl. Koloss 1992, S. 41.
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31
er die meisten "Geschenke", in der Regel Zerealien, von denen sich Vorräte anlegen ließen. Sie dienten einerseits zur Bewirtung von Gästen, andererseits zur Versorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten. Für alle Nöte hatte der König ein offenes Ohr, jedem war er Gerechtigkeit schuldig. Oft mußte er sein Volk vor Ubergriffen der eigenen Verwandtschaft bewahren, zugleich war er selbst gefürchtet. Immer stand er „betwixt and between", war gleichsam ein "Zwischenwesen", das sich eindeutig keiner Seite zuordnen ließ. Der König, der alles und alle umfaßte, war unmenschlich und gleichzeitig die Summe allen Daseins.
5. "In order to become a king, a man has to be killed first." 50
Könige stärkten ihre Position, indem sie Allianzen mit einflußreichen Familien schlossen, denen sie rituelle und politische Privilegien zugestanden und mit deren Töchtern sie Ehen eingingen. Mit letzterem konnten sie zahlreiche Familien an sich binden. Alle affinalen Verwandten hegten die Hoffnung, daß der künftige Thronerbe von ihrem Blut sei. Darin allerdings lag die größte Schwäche des Systems: Heirat, Verwandtschaft und Nachfolge gehörten zu den problematischsten, ja kritischsten Aspekten des afrikanischen Königtums. Mit dem Tod des Königs — paraphrasiert in Bildern wie "das Feuer ist erloschen", "die Sonne untergegangen", "der mächtige Baum gefallen" — schien sich die Welt aufzulösen, traten Gesetz und Ordnung außer Kraft, griffen Raub und Mord um sich. Diese sogenannte "rituelle Anarchie", die nach strukturfunktionalistischer Interpretation der Wiederherstellung der durch den Tod des Königs zerrütteten Ordnung diente, nannten die Shilluk das "Jahr der Furcht" (wanggomo). i x Um zu vermeiden, daß Konflikte um die Nachfolge das Reich spalteten, bestimmten einige Herrscher bereits zu Lebzeiten ihre Nachfolger. Bisweilen galt auch die Primo-, seltener die Ultimogenitur. Behielten die Repräsentanten der alteingesessenen Lineages das Wahlrecht, suchte man die Zeit des Interregnums einzugrenzen. Die größte Bedrohung für die Stabilität des Reiches ging von den nächsten Verwandten des Königs aus — nicht erst nach seinem Tod. Viele Onkel, Brüder und Söhne stärkten zwar seine Position, erforderten aber auch ein geschicktes Taktieren: Drohte der Einfluß der königlichen Verwandten die Oberhand zu gewinnen, mußten bereits erteilte Zugeständnisse wieder einge-
ä"
Schnepel 1954, S. 77.
51
Schncpel 1954, S. 101.
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schränkt werden. 52 Mancherorts suchten Könige ihre Brüder zu reglementieren, indem sie die mütterliche Seite an der Herrschaft beteiligten und eine Verwandte der Mutter zur "Königin" ernannten. 53 Häufiger noch gingen Könige neue Bündnisse ein und besetzten wichtige Amter mit Dienern oder Sklaven. Von niederem Status und ohne einflußreiche Verwandtschaft, hatten sie kaum Chancen, selbst die Herrschaft zu ergreifen. 54 Dieser Modus war weit verbreitet in den Reichen des Zwischenseengebietes, im Benin-Reich, in einigen Reichen Südafrikas, in den islamischen Emiraten Westafrikas, also vornehmlich in Regionen, wo schon früh Kontakte nach außen bestanden hatten.
6. "Iis ist ein so großes Ding um einen Herrscher über Millionen, die nur von seinem Willen abhängen." 55
Afrika war im Laufe seiner Geschichte — und aufgrund seiner besonderen geopolitischen Lage — zahlreichen Einflüssen seitens der benachbarten antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Hochkulturen ausgesetzt. Das führte in den näher gelegenen und leichter zugänglichen Gebieten (in Nord- und Ostafrika, im Sudan) zu wiederholten Einfallen und Uberschichtungsprozessen. Die Folge davon waren Königtümer, deren Herrschaft sich nunmehr auf militärische Machtmittel, das heißt Unterdrückung, stützten, die aufruhten auf stratifizierten Gesellschaften und in deren Hofstaat, Zeremoniell und Ideologie sich autochthone mit exogenen Elementen verbanden. Der König wurde zur Integrationsfigur: Er verband nicht nur verschiedene Gruppen zu einer Gemeinschaft, sondern in ihm sammelte sich die konzentrierte Macht der Ahnen, die vorher durch eine mehr oder minder große Zahl von Lineageoberhäuptern verkörpert worden war. Unter den neuen Verhältnissen bauschte sich das alte Erdherren- oder Sakralkönigtum auf zur höfischen Prunk- und Prachtentfaltung, nahm quasi herrschaftliche Dimensionen an. Dennoch hatten sich auch "Erobererkönige" nur Menschen, nicht aber die 32
Bei den Shilluk wurden nach erfolgter Inthronisation — bis auf einen oder zwei — alle Brüder des Königs umgebracht.
53
So bei den Zulu (Südafrika) und im Ganda-Reich (Ostafrika). Hier residierte die Königin (lubuga) auf einem eigenen Hügel und hatte das Amt bis zum Tod des Königs inne. Irstam 1944, S. 36 f. Daß diese Rechnung nicht immer aufging, zeigt ein Beispiel aus dem Bamum-lleich, wo ein charismatischer Hauptmann der königlichen Garde die Macht vorübergehend an sich reißen konnte. Tardits 1992, S. 50 f. Pücklcr Muskau 1985, S. 121.
34
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Erde und die dort residierenden Geistmächte unterworfen. Die Erde gehörte weiterhin den Erstbesitzern oder Gearchen, die zwar ihre politischen Vorrechte, nicht aber ihre sakralen Funktionen einbüßten — vor allem, wenn diese sich auf die Erde und ihre Fruchtbarkeit bezogen. Ein Herrscher konnte sich nur als legitimiert betrachten, wenn ihn die Erstbesitzer des Landes bestätigt hatten. Oft wurde einer der Gearchen zum Scheinkönig ernannt, der dann im Verlauf der Inthronisationsriten den "richtigen" König einsetzte. 56 Entscheidend blieb, daß die Erstbesitzer des Landes dem Fremden die Macht übertrugen. Diese glaubte man vergegenständlicht in "abergläubischen Objekten, die die Könige wie Heiligenreliquien zu verehren hatten". 57 Die politische basierte auf der religiösen Macht, die ursprünglich von einem Gott oder den Ahnen herrührte. Im König ballten sich verschiedene — an sich neutrale und deshalb immer mehrdeutige — Kräfte, die sich erst durch seine Handlungen allen spürbar konkretisierten. 58 Der König entsprach tatsächlich einer mehrdeutigen Metapher — aber auf andere Art, als Frazer es meinte.
7. "Was die Menschen Imperium nennen, ist nur Streit überall und Krieg ohne linde." 55
In Gebieten, in denen es den lokalen Machthabern im 18. und 19. Jahrhundert gelungen war, die Kontrolle über den Fernhandel an sich zu ziehen und Sklaven, Gold und Elfenbein gegen Waffen und Luxusgüter einzutauschen, wuchsen nicht nur ihre Territorien, sondern auch ihre Autorität. 60 Sobald die politische Macht mit Wohlstand einherging, verwandelten sich — wie etwa in Dahomey — dem Ideal nach gütige und weise Herrscher in ehrgeizige Despoten. Voraussetzung für den Machzuwachs war, daß sie den Einfluß der Verwandtschaftsverbände und Geheimgesellschaften brachen und deren Rechte und Pflichten Abhängigen übertrugen: Loyale Gefolgsleute, oft Sklaven, erhielten Ehrentitel, Embleme und vor allem Ämter verliehen. Während in den abgelegeneren Gebieten Zentralafrikas, wo es bestenfalls zu formalen Ubernahmen altmittelmeerischen, später islamischen Gedankenguts kam, Könige Macht lediglich verkörperten, statt sie auszuüben, herrschten sie etwa in Buganda, 56 57
58 59
60
Für das Kongo-Reich vgl. Thiel 1983, S. 371. W. G. L. Randies, L'Ancien Royaume du Congo des Origines a la Fin du XIXe Siecle. Paris 1968, S.40 f. Für das Akuapem-Reich (Ghana) s. Gilbert 1993, S. 127. Sultan Suleiman Kanuri (1494-1566) nach Ii. J. W. Gibb, A History of Ottoman Poetry. I lg. von I I. G. Brown III. London 1904, S. 100. Zu Handel und Sklaverei s. Eric R. Wolf, Die Völker ohne Gcschichte. Europa und die andere Welt seit 1400. Frankfurt / New York 1986, S. 278-325.
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Benin oder Asante mit echter, teils tyrannischer Macht. Dazu benötigten sie ein stehendes Heer, besser noch eine Kavallerie. 61 Die Kriegführung war, wie Young für Buganda anführt: "a critical generator of resources to lubricate the monarchy". 62 Die Verteilung der Beute bekräftigte Loyalitäten, die Verwaltung der eroberten Gebiete erforderte entsprechende Amtsinhaber, die der König ohne Rücksicht auf alte Ansprüche mit Personen seines Vertrauens besetzten konnte. Diese Politik schuf ihm nicht nur Freunde. Familiäre Intrigen, Zerwürfnisse mit den Nachbarn, aber auch magische Anschläge unzufriedener Gefolgsleute bedrohten sein Leben weitaus mehr als der Frazersche Regizid.
8. "Very interesting characters, but they are dangerous." 63
Im König verkörperten sich nicht allein die gesellschaftlichen Werte, er herrschte nicht nur kraft seines Einsetzungsrituals als legitimer, weil direkter Nachfahre des ersten Herrschers, er besaß darüber hinaus auch ein hohes magisches Kraftpotential, mit dem er den fruchtbringenden Regen und reichliche Ernten verbürgte. Bestimmte Regalia wiesen seine hoheitliche Stellung aus. Zu ihnen zählten Objekte wie Speere, Lanzen, Stäbe, Tierschwänze und Schemel sowie spezifische Kunstwerke: schmiedeeiserne Waffen, Nachbildungen früherer Herrscher, der Goldene Stuhl von Asante oder die kostbaren Benin-Bronzen, heute Prunkstücke westlicher Museen und Kunstgalerien. 64 Sie demonstrierten den Reichtum und die Einzigartigkeit der Könige. Regalia zogen den König ins Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn er bei Reinigungsund Fruchtbarkeitsriten, Audienzen und Gerichtsverhandlungen oder Aufzügen bei Kriegsbeginn und -ende als lebende Ikone an die Öffentlichkeit trat. Noch 1991 erklärte ein Fürst von Akuapem (Ghana): "You have seen how our chiefs dress: huge gold ornaments at their wrist, at their ankle, around their neck, cloth on their heads. They look like a 'fetish'." 65 Die majestätische Erscheinung des Herrschers verfehlte nicht ihre Wirkung, so daß alle, die seiner ansichtig wurden, ausriefen: "The leaves on the tree are shaking!" — "You see him and you shudder!" — "You see him and you are blinded!" 66 61
"The creation of permanent royal regiments gave the Kabaka an alternative to relying on Bakunga" (= the territorial chiefs). Crawford Young, Buganda. In: Lemarchand 1977, S. 197.
62
Zitiert nach Lemarchand 1977, S. 11.
63
Andreya S. Masiye, The Lands of Kazembe. Lusaka 1973, S. 48.
64
Benin wurde 1897 von einer britischen Strafexpedition zerstört.
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Gilbert 1993, S. 132.
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Gilbert 1993, S. 131.
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Gefährlich machte den König letztlich weniger sein geregelter Kontakt zu den Ahnen, denen er auf Altären, Gräbern und Erdheiligtümern blutige, manchmal Menschenopfer darbringen ließ, als vielmehr seine Kenntnis im Gebrauch von Zaubermitteln, oft unansehnliche, auf die Europäer abstoßend wirkende Objekte. Diese einfachen, schmucklosen Gegenstände bildeten einen scharfen Kontrast zu den prunkvollen, oft reich verzierten Emblemen. Gleichwohl handelte es sich um die kraftvollsten Zeichen der Monarchie. Ihre Wirkmächtigkeit wuchs schon allein dadurch, daß man sie der Öffentlichkeit vorenthielt: Im Verborgenen gehütet, umgab sie die Aura des Geheimnisvollen. Mit diesen gefährlichen Objekten, dem Kraftquell der übermenschlichen Fähigkeiten des Königs, kam der künftige Herrscher erstmals bei seiner Inthronisation in Kontakt. In diesem langwierigen Umwandlungsprozeß nach dem Schema der Rites de Passage wurde ihm die Macht gleichsam einverleibt.67 Trotz mannigfacher Unterschiede im Detail zielten alle Inthronisationsriten auf einen Identitätswechsel ab, der auch einen Namenswechsel einschloß. Voraussetzung für die Transformation war bisweilen die Transgression elementarer Verhaltensnormen. Im Luba-Reich etwa beging der Thronanwärter rituellen Inzest mit einer nahen Verwandten. Das enthob ihn aller Verwandtschaft, künftig bestimmte seinen Status allein sein Amt. 68 Sobald er mit den Reliquien seines Vorgängers in Kontakt kam, ging die Macht der Ahnen auf ihn über. In Bamum berührte er zum Beispiel dessen getrockneten Schädel, im Luba-Reich trank er Blut daraus. Derartige Riten unterlagen einer strikten Geheimhaltung, so daß Einzelheiten kaum bekannt sind. Um die gewünschte Wirkung auszulösen, durfte das Geheimnis jedoch nicht so geheim sein, daß niemand davon gewußt hätte: Allen war bekannt, daß die Könige geheime Riten vollzogen, aber nur wenige waren eingeweiht. Mystifikationen, welcher Art auch immer, dienten den Interessen der Monarchie. Daher wurden sie sorgsam gehütet, Verrat hatte die Todesstrafe zur Folge. 69 Macht konnte neben den eigenen Objekten auch Fremdgütern innewohnen, zumal wenn ihre Hersteller oder ehemaligen Besitzer militärisch erfolgreich gewesen waren. Wie die frühen Kongo-Könige christliche Symbole übernahmen und die Asante ihren Staatsschatz mit europäischen Prunkobjekten zierten, nahmen westafrikanische Herrscher vor allem islamisches Gedankengut auf. Viele, die wie König Njoya von Bamum die Übermacht der schon früh islamisierten Fulbe zu spüren bekommen hatten, zogen malams 67
Vgl. Douglas Fräser / Herbert M. Cole (Hgg.), African Art and Leadership. Madison 1972, S. 295.
68
Vgl. Vansina 1992a, S. 23.
69
E^ine Behauptung, an der die Ilofleute des Königs von T e n k o d o g o (Burkina Faso) heute noch festhalten.
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und marabuts (islamische Gelehrte) an ihren Hof, weil sie kraft deren Zauberkunst im Kampf zu siegen hofften: Die Könige bedienten sich der islamischen Gebete als Kriegsmedizin. 70 All das vergrößerte nur die Distanz zwischen dem Volk und seinem König, der vielleicht kapriziös und unberechenbar, aber sozusagen doch ein "guter Teufel" 71 war — solange bis schlimmere Teufel ins Land kamen.
9. "Ich, König Nzueya, ich bin wie eine Frau, und ihr, die Weißen, ihr seid wie Männer. Was kann ich anderes tun als gehorchen?" 72
In der Kolonialzeit wiederholte sich der Eroberungsprozeß noch einmal mit anderen, "moderneren" Mitteln. Die Könige wurden von den europäischen Invasoren nicht im traditionellen Sinn als Wahrer, sondern als Besitzer des Reiches samt seiner Ressourcen und Einwohner angesehen. Bei den Herrschertümern, die jetzt — von französischen, belgischen oder englischen Gnaden — entstanden, erhielt sich zwar der Modus der politisch-militärischen Machtsicherung, doch bedurfte er zwecks Legitimierung dem Stammvolk gegenüber nunmehr verstärkt des Anspruchs auf Autochthonie und Wahrung der Kontinuität des altüberkommenen Erbes. Vielfältige Erwartungen waren differenziert und gestuft nach dem Einfluß ihrer Vertreter zu befriedigen, was vor allem durch entsprechend modifizierte Mythen, den komplexen Aufbau der Rituale und die Art der höfischen Geschichtspflege geschah. Der Legitimitätsnachweis auf diese teils sehr verwickelte Weise läßt sich noch heute an etlichen quasi-traditionellen Herrscherhöfen Afrikas "ablesen", deren Könige teils Abkömmlinge von Glücksrittern und erfolgreicher, oft islamisierter "warlords" 73 oder Proteges der Kolonialherren waren. Das sei abschließend kurz am Beispiel des Mosi-Königtums Tenkodogo im Südosten von Burkina Faso exemplifiziert.
70
Tardits 1980, S. 213 zitiert nach dem Bamum-Text. In einem Konflikt mit seinen Hoflcuten suchte König Njoya Unterstützung beim Fulbe-Herrscher (Lamido) von Banso. Ihm war es zu verdanken, daß eine bereits seit zwei Jahren andauernde Rebellion binnen weniger Stunden niedergeschlagen werden konnte. Daraufhin verloren die alten Ratgeber des Königs an Einfluß. Stattdessen bat König Njoya den Lamido um die Entsendung von marabuts. Tardits 1992, S. 51.
71
In Anspielung auf Koloss 1992, S. 41. Bamum-Chronik zitiert nach Christraud Geary / Adamou Ndam Njoya, Mandu Yenu. Bilder aus Bamum, einem westafrikanischen Königreich 1902-1915. München 1995, S. 215.
72
73
Robert S. Rattray, The Tribes of the Ashanti Hinterland. Oxford 1932, S. XII f. und S. 54 f.; Dittmer 1961, S. 9.
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10. "Yotrc ancetrc est 'la grele refuse grillage', i x digne homme a engendre 'devastatcurs'." 7-1
Nach höfischen Angaben um 1100 gegründet, gilt Tenkodogo heute als ältestes von insgesamt 19 — politisch weitgehend ähnlich strukturierten — MosiReichen. Die offizielle Genealogie verzeichnet die Namen von 29 Herrschern, die der 2001 verstorbene Naba Tigre ein Jahr vor seinem Tod bis auf Ramses I. — "oder war es Ramses II"? — zurückführte. 75 Wie häufig in Afrika, dient auch in Tenkodogo eine Mythe als Grundlage und Erklärung der politischen Geschichte. Da sie an allen Schulen zum Unterrichtsstoff gehört, gewinnt sie den Anschein faktischer Geltung. 76 Nicht nur die Bevölkerung, auch Ethnologen schenken ihr Glauben. Beeindruckend wirken nicht nur die - vorgebliche - historische Tiefe, sondern auch hier und heute noch die imposante Erscheinung des Monarchen, das elaborierte Hofzeremoniell, die archaisch anmutende Struktur der aus etwa 200 Holzpfeilern errichteten Versammlungshalle aande), die vielen Titelträger und das pompöse Ritual. Weniger gut ins Bild passen dagegen das ausladende Portal und der Palastvorbau, beide kolonialer Herkunft und bereits vom Zahn der Zeit gezeichnet. Doch das scheint sekundär: Der König selbst vollzieht alle wichtigen Riten 77 und hält sich an die Vielzahl der ihm auferlegten Tabus. Das Inthronisationsritual folgt scheinbar "archaischen" Regeln. Dabei "ißt" er die Macht und kommt erstmals mit den Reichsemblemen sowie dem "Häuplingsfetisch" in Kontakt. Tenkodogo weist nach außen hin alle Merkmale eines "typischen" afrikanischen Königtums auf — und dennoch stimmt vieles nicht mit diesem kunstvoll in Szene gesetzten Bild. Nicht nur, daß beim islamischen Opfer- und Neujahrsfest (tabaski), das in Tenkodogo Züge eines nationalen Versöhnungsfestes trägt, die verschiedenen, im Reich vereinten Gruppen ihre eigene Ge"Kriegsname" von Naba Sapilem im singre, der "Genealogie", der Herrscher von Tenkodogo. Junzo Kawada, Textes Historiques Oraux des Mosi Meridionaux (Burkina Faso). Study of Languages and Cultures of Asia and Africa Monograph Series Nr. 18, 1985, S. 214. Ute Ritz-Müller, Zwischen Macht und Ohnmacht. Koordinaten einer afrikanischen Dynasticgeschichte. In: Jörn Rüsen (Hg.), Zeit deuten. Perspektiven, Epochen, Paradigmen. Bielefeld 2003, S. 139-167. Ute Ritz-Müller, Afrikanisches Geschichtsdenken. Zur rituellen Nachstellung höfischer Geschichte. In: Jörn Rüsen / Michael Gottlob / Achim Mittag (Hgg.), Die Vielfalt der Kulturen. Erinnerung, Geschichte, Identität 4. Frankfurt/M. 1998, S. 217-246, hier S. 246. Dabei erinnert vieles an die sogenannten "Mondkönige". Frobcnius u. a. sahen eine Verbindung zwischen König und Mond, weil beide als die Quelle von Fruchtbarkeit, Leben und seiner Erneuerung gelten. T. Theuws, Naitre et Mourir dans lc Rituel Luba. In: Zaire 14 (2-3), 1960, S.115-173, hier S. 15. S. Streck 2002, S. 38.
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schichte memorieren, auch die Herrschergenealogie entpuppt sich bei genauerer Prüfung als kodifizierte Erinnerung an Ereignisse, die noch gar nicht so lange zurückliegen: Ihren Mittelpunkt bilden die konkurrierenden britischen und französischen Souveränitätsansprüche gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Genealogie überträgt das Geschehen in einen "familiär" ausgetragen Zwist, in den zwei königliche Zwillingsbrüder verstrickt waren. Einer der beiden trägt den Namen Saluka, wörtlich übersetzt mit "Wolke, die sich im Vorüberziehen entlädt". Wahrscheinlich steht Saluka für die periodisch die Region heimsuchenden Sklavenjäger, deren Einfalle zwar schrecklich, glücklicherweise aber nur kurz waren. Der Name verweist darüber hinaus auf Salaga, ein in jener Zeit bedeutendes Handelszentrum im Hinterland der damals britischen Goldküste. Auf dem Markt von Salaga wurden die erbeuteten Sklaven verkauft, bevor sie ins Asante-Reich oder bis an die Küste zur Verschiffung nach Ubersee gebracht wurden. Salagas Ruhm war zeitweilig so groß, daß man den Namen der Stadt auf das ganze, von den Engländern kontrollierte Territorium übertrug. 78 Im Namen des anderen Zwillings Sapilem, "Hagelschlag", drückt sich ein Ereignis aus, das für die Region weitaus schwerwiegendere Folgen hatte: Der Einmarsch der französischen Kolonialtruppen, die "keinen Halm auf dem Feld" und "keinen Stein an seinem Platz" ließen. "Befriedet" wurde die Region schließlich dadurch, daß die französische Kolonialmacht den angeblich 1887 inthronisierten "Herrscher" Karongo, der bei Ankunft der Fremden Krieg gegen seinen "Cousin" Bagande führte, ihre Unterstützung zusicherte. 79 An Karongo, der die Voraussetzungen für die künftigen Verhältnisse schuf, erinnert ein mit einem übermächtigen Kreuz versehenes "Grab" an der Seite des Königspalasts. Auch dieser "Ahnherr" ist wahrscheinlich keine historische Figur, sondern eine Metapher für den im Jahr 1899 in Tenkodogo errichteten französischen Grenzposten. 80 Die lange Herrschergenealogie des Tenkodogonaba ist de facto ein apokrypher, verdeckt fortgeführter historischer Diskurs aus Fiktion und Eriegnisgeschichte, der aufgrund seiner symbolhaften Bildersprache jedem Nichteingeweihten unverständlich bleiben muß, dabei aber den Anschein erweckt, als reiche das Geschehen der letzten 100, falls es hoch kommt 200 Jahre bis tief in die Vergangenheit zurück. 81 78
Alexandre 1953, S. 340.
19
Vgl. Salfo-Albert Balima, Legendes et Histoire des Peuples du Burkina Faso. Paris 1996. S.123 f.
80
1899 setzten sich die Franzosen definitiv in Tenkodogo fest, indem sie einen zu Beginn des Jahres 1898 im südlicheren Bitou errichteten Grenzposten 100 Kilometer weiter nördlich verlegten. Andrea Reikat, Bisa Ko. Regionalgeschichte im westafrikanischen Kontext. Manuskript (Habilitationsschrift). Frankfurt/Main 2003. Karongo ist wahrscheinlich eine Kodierung von kadaga — Verwaltungsposten, europäische Residenz. S. Alexandre 1953, S. 156.
81
Müller/Ritz-Müller 2004, S. 134 ff.
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11. "Du bist ein Exkrement; du bist ein Dreckhaufen, du kommst, um uns zu töten, du kommst, um uns zu retten." 82
Einschneidenstes Ereignis bei der Okkupation des Landes war die Flucht Naba Wobgos, des Moogho-naba oder "Kaisers" der Mosi. Noch bevor die Franzosen in Ouagadougou einmarschierten, hatte er der Stadt den Rücken gekehrt. Er baute auf die Unterstützung der Briten, doch die Franzosen vereitelten sämtliche Versuche, ihn wieder an die Macht zu bringen. Stattdessen ernannten sie während seiner Abwesenheit einen nahen Verwandten zum neuen Herrscher. An diese "Zeitenwende" erinnert der Hofstaat jedes Jahr mit einem Fest, das sich offiziell an Naba Bugum, den "Vater" von Naba Sigri richtet. Naba Sigri gilt als Gründer der Marktstadt Tenkodogo, ist aber kein anderer als der im Jahr 1897 von den Franzosen in Ouagadougou eingesetzte neue Moogho-naba. Das bedeutet, daß Naba Bugum, wörtlich übersetzt "das Feuer", im übertragenen Sinn "die Bosheit" erst die Voraussetzungen für die neuen Machtverhältnisse schuf. So memoriert das vorgeblich an den "Ahnherrn der Dynastie" gerichtete Fest e i g e n t l i c h die Schreckensereignisse im Zuge der kolonialen Eroberung. Ähnlich finstere Hintergründe hat ein zweites, vorgeblich dem Erdheiligtum der Königsdynastie gewidmetes Jahresfest. Steuern, Zwangsarbeit und verstärkte Rekrutierungen für den Ersten Weltkrieg hatten die nach mehreren Dürrejahren herrschende Not gravierend verschlimmert. Verbreitet kam es zu Erhebungen, die von den Kolonialtruppen brutal niedergeschlagen wurden. Die Auswirkungen dieser Aufstände bekam die gesamte Region zu spüren: "Familien" — wir würden sagen "Ethnien" — wurden gespalten und in Tenkodogo ein ehemaliger Stallknecht zum König erhoben.83 Während altafrikanischen Gesellschaften ein mit außergewöhnlichen Kräften begabtes sakrales Oberhaupt als Garant für Bestand und Harmonie des Kosmos galt, sahen Lied, gesungen bei der Investition des Moogho-naba, des "Kaisers" der Mosi. Zitiert nach Thiel 1983, S. 376. Die Aufstände von 1915-16 hatten eine verstärkte koloniale Kontrolle und die offizielle Gründung der Kolonie Obervolta (20. Mai 1919) zur Folge. Ouagadougou wurde jetzt Hauptstadt eines Gebiets, das die "Kreise" (cercles) Gaoua, Bobo-Dioulasso, Dcdougou, Dori, Fada N'Gourma, Say und den "Mosi-Krcis" einschloß. Der relativ unbedeutenden Kolonie Obervolta standen 1920 lediglich 10 französische Vcrwaltungs- und 14 einheimische Hilfsbeamte vor. Schließlich wurde der "Mosi-Kreis" Zug um Zug aufgesplittet: Im Oktober 1920 wurde Ouahigouya ein unabhängiger Kreis, gefolgt von Tenkodogo im Juni 1921. 1923 wurde auch Ouagadougou eigenständig. Die restlichen Gebiete des einstigen Haut Senegal-Niger waren 1920 zum "französischen Sudan" geworden, 1927 ging ein Großteil des Cerclc de Say de Say an Niger. Pierre Englebert, Burkina Faso. Unsteady Statehood in West Africa. Boulder 1996, S. 23.
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die Franzosen in einer starken Zentralinstanz die beste Gewähr für Ruhe und Ordnung. So diente in Tenkodogo die Königsideologie zuallererst den Interessen der Besatzungsmacht. Aus kolonialer Perspektive war eine Zentralregierung leichter zu kontrollieren als akephale Gesellschaften. 84 Doch auch die Mosi haben vom Kontakt mit den Europäern profitiert und erfinderisch Traditionen kreiert, um ihr "zivilisatorisch überlegenes Königtum" fest zu verankern — zunächst als Schutzinstanz gegen die Kolonialmacht, später zur Sicherung der nationalen Identität. In diesem Kontext verwandelten die Riten des Tenkodogo-naba, ein Akt gläubigen Erfindens, erlittene Niederlagen in Triumphe. Bei genauerer Betrachtung schrumpft — wahrscheinlich nicht nur in Tenkodogo — Frazers Goldener Zweig zu einem vergoldeten Reis. 85 Die Faszination, die das Sakralkönigtum, diese "allerheiligste unter den politischen Institutionen Afrikas" 80 ausstrahlt, läßt Luftschlösser entstehen, von deren Scheinglanz sich nicht nur die Europäer, sondern am Ende auch die Afrikaner blenden ließen.
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84
Vgl. Nooter 1992, S. 83; Schildkrout, Enid und Keim, Curtis A. 1930. African Reflections: Art from Northeastern Zaire, with Contributions by Didier Demolin, John Mack, Thomas Ross Miller und Jan Vansina, Seattle und New York, S. 30 sowie generell Mudimbe, V.Y. 1988. The Invention of Africa: Gnosis, Philosophy, and the Order of Knowledge. Bloomington und Indianapolis.
85
Entlehnt von Leach, Edmond 1961. Golden Bough or Gilded Twig? In: Daedalos Bd. 90 (2), S. 371-387.
86
Vgl. Lemarchand 1977, S. 3.
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Das frühmittelalterliche Königtum - RGA-E Band 49 - Seiten 42-64 © Copyright 2005 Walter de Gruyter • Berlin New York
Frühes Königtum v o n HERWIG W O L F R A M
Während die origo gentis das Wiener Juni-Symposion 2001 zumindest als literarisches genus mixtum, jedenfalls als Teil der historia überlebte, 1 kam der Gegenstand „Sakralkönigtum" bereits bei der Vorbereitung nicht bloß dem Referenten abhanden. 2 Nach Sueton spricht zwar Caesar selbst von der Heiligkeit, sanctitas, seiner königlichen und der kultischen Verehrung, caeremonia, seiner göttlichen Vorfahren, „in deren Gewalt selbst die Könige sind". Aber Caesar war zum Zeitpunkt dieser Aussage als römischer Senator so weit von jedem Königtum entfernt, wie er als Sohn der Venus in einem höchst obszönen Zusammenhang apostrophiert werden konnte. 3 Dagegen kennen die antiken Ethnographen keine Heiligkeit barbarischer, insbesondere germanischer Könige, die für ein Sakralkönigtum sprechen würde. Dennoch hat Reinhard Wenskus 1961 die Auffassung von „der fast allgemeinen Verbreitung des sakralen Königtums bei den alteuropäischen Völkern" von einem Teil der älteren Forschung gleichsam als Prämisse übernommen. Sieht man von den alten Würdenamen mit -in/-an-Suffix ab, zitiert Wenskus — entgegen seiner sonst überaus großen Quellennähe — dafür so gut wie keine Überlieferung und beruft sich einmal auf eine Stelle bei Walter Schlesinger, wo dieser im Grunde kein Wort über das Sakralkönigtum verliert. 4 In gleicher Weise bringt Wenskus im Kapitel „Das archaische Sakralkönigtum" dafür keinen einzigen kontinentalen Beleg und weicht schließlich ins hochmittelalterliche Skandinavien aus.5 Dort erwartet ihn Otto Höfler, dessen von drei angekündigten einzig erschienener Band „Sakralkönigtum" sich nur mit den 1000 bis 1500 Jahren jüngeren Quellen Skandinaviens befaßt. 6 Das heißt mit anderen Worten: Gestützt auf ethnologische und skandinavische Analogien,
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Wolfram 2003, S. 174 ff. Siehe Sakralkönigtum 2004. Sueton, Iulius cc. 6, 1, und 49. Siehe Wenskus 1961 (1977), S. 411 mit Anm. 919, zu Schlesinger 1973, S. 63, oder 1963, S. 115. Wenskus 1961 (1977), S. 305 ff. und 419 mit Anm. 966. Höfler 1952, S. XV, mit dem Hinweis, daß der erschienene Band bereits 1943/44 gesetzt wurde. Vgl. Pohl 2000, S. 79 f., und Wolfram 1968, S. 475.
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wurde ein aus den Würdenamen erschlossenes ursprüngliches Volkskönigtum des „Kleinen Raumes" als „anthropologische Konstante" postuliert und mit dem Sakralkönigtum gleichgesetzt. Die Formel schien schlüssig, und auch der Verfasser hat sie in der Vergangenheit gerne und häufig übernommen, weshalb er auch nichts dagegen sagen kann, wenn er weiterhin als Fürsprecher eines germanischen Sakralkönigtums zitiert, gelobt oder angegriffen wird. 7 Nur er selbst glaubt nicht mehr daran. Eine historisch-philologische Begriffsbestimmung hat zunächst vom lateinischen Wort auszugehen: Das Adjektiv sacer bedeutet „einer Gottheit geweiht", setzt also einen sakralen Akt und keinen immanenten Zustand der Heiligkeit voraus. Im Zusammenhang mit chthonischen Gottheiten meint das Wort „verwünscht, verflucht". Livius berichtet vom Konsul Decius Mus, dieser habe sich und das gegnerische Heer den Göttern der Erde und der Unterwelt geweiht, um mit diesem Opfer und seinem Opfertod den Sieg des Römerheeres „sakral" zu erwirken. Das Beispiel bestätigt die Definition. Decius war nicht an sich sakral, sondern besaß als Imperiumsträger das Auspicium, Kommandogewalt unter Einschluß sakraler Beauftragung und Energie. 8 Vor dem Hintergrund dieses oder anderer römisch-antiker Beispiele sind auch zwei Berichte zu verstehen, in denen Tacitus vergleichbare barbarische Ereignisse beschreibt: So hätten Chatten und Hermunduren, das heißt wohl ihre Anführer, in ritueller Weise jeweils das gegnerische Heer denselben Göttern, nämlich Mars/Tiwaz und Merkur/Wodan, vor der Schlacht geweiht. 9 Zum zweiten erzählt Tacitus, der Amsivarierfürst Boiocalus habe die Sonne und die anderen Gestirne angerufen, um in seinen Augen herrenloses, von den Römern aber seinem Volk vorenthaltenes Land zu verfluchen. 10 Daher der nicht gerade neue Vorschlag, anstelle eines immanenten Sakralkönigtums von den sakralen Funktionen zu sprechen, die heidnische wie christliche Könige auszuüben hatten. Die dafür nötige sakrale Energie empfing der regierende König von außen, durch Kult und Magie, wie Langhaarigkeit, Initiationen und Riten, 11 oder durch die Salbung als christus
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Zu letzterem siehe Picard 1991, S. 38 mit Anm. 59 und 222 mit Anm. 7. Münzer 1901, n. 15; col. 2279 ff., nach Livius VIII 6, 8-16, und 9, 1 - 11, 1, bes. 6, 9, und 9, 8 (Zitate). Zur Schlacht (58 n. Chr.) zwischen Chatten und Hermunduren siehe Tacitus, Annales XIII 57, 1 f., sowie Quellen 3, 532 (Kommentar). Tacitus, Annales XIII 55, 1 - 56, 1. Klaniczay 2002, S. 66 f.; Castritius 1999, S. 26 ff.; Diesenberger 2003, S. 317 ff.; SchmidtWiegand 2000, S. 21; Maier 1999, S. 167 f.; Birkhan 1997, 530 ff., bes. 537 ff., sowie 882 ff. Es finden sich hier zahlreiche Hinweise auf besonders keltische Könige, Kulte und Sakralität, aber keine unmittelbaren germanischen Belege.
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Domini von Gottes Gnaden.12 Letztere wird noch zusätzlich von den Heiligen gesichert und geschützt. Einem heidnischen Wikingerkönig wußte einer seiner Krieger angstvoll zu berichten, bei den christlichen Franken seien die Toten (Heiligen) tüchtiger als die Lebenden. 13 Im Jahre 1478 gab Ludwig XI. (14611483) dem Kaiser einige deutsche Reichsstädte völlig unerwartet zurück. Philippe de Commynes gibt dafür folgende Erklärung: Der französische König sei sich bewußt gewesen, für diese Gebiete nicht oingct et sacre zu sein, weshalb ihm dafür force et vertag gefehlt hätten.14 Es war - leider — nur ein Intermezzo, wenn schon vor weit mehr als einem Menschenalter „gerne an (Frantisek) Graus angeknüpft" wurde, der das Sakralkönigtum ablehnte, weil auch er dafür keine Quellen fand.15 Graus bezeichnete jedoch als sakral alle irrationalen Elemente, „die mit dem Herrscher verbunden wurden, ohne sich jedoch zu einer Theorie zu entwickeln (selbst zur keiner irrationalen)". Solange aber der Herrscher für Kriegsglück, Wetterheil, Erntesegen, Fruchtbarkeit der Frauen, Wahrung und/oder Wiederherstellung der Gesundheit des einzelnen wie ganzer Gruppen zuständig und verantwortlich ist,16 nimmt er Funktionen und Aufgaben wahr, die der „europäische Verstand" als irrational und daher — im Sinne von Graus — als sakral bezeichnen müßte. Das von Graus abgelehnte Sakralkönigtum würde demnach seine Definition eher erweisen als widerlegen, weshalb ihm auch nach 1970 nicht weiter gefolgt wurde.17 Knapp vor Frantisek Graus (1965) hat Walter Baetke (1964) seine Ablehnung des germanischen Sakralkönigtums formuliert. Baetkes Kritik ist ebenfalls nicht immer widerspruchsfrei, 18 sind es doch auch die Quellen nicht, sie ist aber für besondere Fragen hilfreich. Baetke sieht die Herkunft jeglicher königlicher Sakralität in Kult und Opfer begründet und möchte die Frage des Sakralkönigtums auf die skandinavische Uberlieferung beschränken. Wenn man ihm folgt, könnte man es sich leicht machen und die Diskussion beenden, weil es hier nicht um den hochmittelalterlichen Norden, sondern um das frühe (kontinentale) Königtum geht. Man soll es sich jedoch nicht leicht machen, zumal Baetkes skandinavische Schwerpunktsetzung zu denken gibt. Eigene semantische Untersuchungen haben nämlich schon vor Jahrzehnten gezeigt, daß die lateinische wie die volkssprachliche Uberlieferung Skandi12
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DD. Kar. I 16 (Pippin). Vgl. Fichtenau 1957, S. 64, und Wolfram 1967, S. 215 f. Fichtenau 1984, 2, S. 429. Wolfram 1963, S. 99 (Philippe de Commynes). Wolfram 1968, S. 474, zu Graus 1965, S. 313-334. Vgl. Pohl 2000, S. 80: zu schmale Quellenbasis für ein germanisches Sakralkönigtum. Wolfram 1963, S. 121 f. bes. mit Anm. 39 (Quellen und Literatur). Vgl. Wenskus 1961 (1977), S. 311. Wolfram 1968, S. 474 mit Anm. 6, nach Graus 1965, S. 316 Anm. 73. Wolfram 1968, S. 473 und 479, zu Baetke 1964, S. 6 ff. und 171 ff. (Widerspruch).
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naviens im 12. und 13. Jahrhundert um ein Vielfaches mehr an Heilsbegriffen kannte und verwendete als alle ethnographischen Quellen der Spätantike und des Frühmittelalters zusammen. 19 Könnte es daher nicht so wie bei den Götterliedern der Edda gewesen sein, daß „uralt" wirkende heidnische Vorstellungen im allgemeinen und die Heilsbegriffe im besonderen ihre Entstehung der Interpretation klassisch gebildeter christlicher Autoren des skandinavischen Hochmittelalters verdankten? Etwa in der Auseinandersetzung mit dem fränkisch-deutschen Reich und als Antwort auf das kontinentale wie anglo-normannische Gottesgnadentum des 12. und 13. Jahrhunderts? Damit wäre eine Zeit genannt, da die nordischen „Sprecher" bereits imstande waren, 20 die antike Uberlieferung selbständig zu verwenden. Saxo Grammaticus schätzte die lateinische Schriftlichkeit und alles antik Römische, wofür er das Wort LMÜHUS gebrauchte. Dagegen lehnte er mit Romanus alles ab, was mit dem Imperium und den Kaisern seiner Zeit zusammenhing. Kann man nicht auch aus Saxo Grammaticus eine heute verlorene Handschrift des Valerius Maximus rekonstruieren, dessen Memorabilia Facta et Dicta voll von antiken Heilsbegriffen sind, die so wundervoll „altnordisch" wirken? 21 Die Beschreibung des germanischen und ganz allgemein des barbarischen Königtums stützt sich jedenfalls bereits lange vor dem skandinavischen Hochmittelalter auf römisch-antike Exempla, deren Kenntnis die Verfasser unserer Quellen bei dem Publikum, wofür sie schrieben, voraussetzen konnten. Diese interpretatio Ikomana?1 das sei betont, schuf die barbarischen Ereignisse und Phänomene nur in den seltensten Fällen, aber sie erklärte sie einem je zeitgenössischen Publikum, zu dem auch wir noch zählen. Die Römer wie ihre griechischen Vorbilder diskutierten die Institution des Königtums — grob gesprochen — auf drei Ebenen: Zum einen wurden die Begriffe völlig indifferent für „Herrscher, Monarch" verwendet. Zum andern war der König der Idealherrscher der griechisch-hellenistischen Politeia, der rex philosophus oder basileus. Seit Konstantin dem Großen wurde diese Lehre, die vor allem die jüngere römische Stoa vertreten hatte, auf den christlichen Imperator übertragen. Ein solcher wie Justinian begriff aber seine Herrschaft „als die bruchlose Fortsetzung des Principats, der Republik und des Königtums". 23 Doch unterschied sich das Kaisertum grundsätzlich von der Herrschaft der Könige. Für diese genügten Adel und Blut, nobilitas et sanguis, vom Kaiser erwartete man dagegen die wahre Virtus, die philosophische
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Wolfram 1964, S. 18 f. und 26 f. mit Anm. 149 f. und 155. Zu diesem sehr glücklich gewählten Begriff siehe Graus 1980, S. 15 und 83 sowie 260 s. v.; vgl. Wolfram 2000, S. 347. Prinz 1963, S. 451 f.; Wolfram 1964, S. 17 mit Anm. 91; Wolfram 1963, S. 99 f. Tacitus, Germania c. 43, 3. Wolfram 1970, S. 9 ff.; Wolfram 1963, S. 33 f.; Demandt 1989, S. 212 (Zitat).
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Tugend. 24 Die dritte Ebene der Interpretation war die des antiköniglichen Ressentiments der römischen Republik. Ihr widersprach es allerdings nicht, wenn sich die caesarische Gens Iulia von den mythischen Albanerkönigen, von Venus, Aeneas, Iuüus und Romulus herleitete und Horaz sein berühmtes Maecenas atavis edite regibus sang. Es waren die alten Helden und Könige Homers und des heroischen Zeitalters, von denen man gerne abstammte, von denen aber kaum zu befürchten war, daß sie oder ein sich auf sie berufender Nachfolger im Senat oder Areopag, auf dem Forum oder der Agora auftreten und nach der Macht im Staate greifen würden, es sei denn, er hieße Caesar. Aber selbst dieser wagte es nicht, sich zum König ausrufen zu lassen, hatten doch die Römer das regnum affectare/appetere zu einem Delikt des römischen Straf- und Sakralrechts erklärt.25 Ebenso waren mit dem Ende der Republik die Zeiten vorbei, da im klassischen Athen der Ostrakismus unliebsame Uberraschungen verhindern konnte. Hatten sich die republikanischen Griechen einer ebenso antiköniglichen Haltung wie die Römer befleißigt, gewannen sie aus den Erfahrungen der hellenistischen Epoche ein anderes Königsbild. Schließlich erklärten sie sogar die römische Mittelmeerpolitik aus dem Haß der Stadt gegen das Königtum. Der griechische Historiograph Appian, um 95 nach Christus geboren, begründete den Widerspruch, daß die Imperatoren in Wirklichkeit doch Könige seien, mit einer eidlichen Verpflichtung der Römer, niemals einen König anzunehmen, ja damit, daß sie den Königsnamen verflucht hätten. Caesars Schicksal konnte dafür als Beispiel dienen. Cassius Dio, gestorben 235 nach Christus, bemerkte: „Das Wort Monarchie verabscheuten die Römer derart, daß sie ihre Imperatoren weder Diktatoren noch Könige noch irgendetwas dergleichen nannten. Da aber die oberste Regierungsgewalt bei ihnen liegt, sind sie notwendigerweise Könige." 26 Kein Wunder, daß die Hellenisierung der römischen Politik und ihrer Theorie eine Neubewertung des Königtums bewirkte. Was die antiken Ethnographen über das außerrömische barbarische Königtum schrieben, ist stets vor diesem Hintergrund zu sehen. Dies gilt im besonderen für den Satz reges ex nobilitate, duces ex virtute sumunt. Nach Tacitus „nehmen (wählen die Germanen) die Könige, reges, aufgrund ihrer edlen Herkunft, ex nobilitate, die Heerführer, duces, wegen ihrer Tüchtigkeit, ex virtute. Die Könige besitzen keine unbeschränkte und willkürliche Gewalt, die Heerführer wirken mehr durch ihr Beispiel als durch
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Wolfram 1994, S. 166 mit Anm. 4 nach Claudian, De IV consulatu Hononi w . 214-224. Suetonius, Divus Iulius c. 6, 1, und Augustus cc. 7, 2, und 95. Zur Herkunft von Aeneas und Romulus siehe Demandt 1989, S. 212, 280 und 413; Rosenberg 1914, col. 709: Verbot des Strebens nach dem Königtum. Wolfram 1970, S. 9 ff.; Wolfram 1963, S. 33 f.
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Befehle". Die beschränkte Gewalt war jedoch auch ein Kennzeichen der mythischen Könige Roms.27 Walter Schlesinger und Reinhard Wenskus verstanden die Tacitus-Stelle weniger als Darstellung eines Nebeneinanders von königlichen und — im eigentlichen Wortsinn — h e e r -zoglichen Machthabern, sondern als Beschreibung der einander ablösenden Idealtypen „(sakraler?) Volkskönig" und „Heerkönig".28 Selbstverständlich bildete das Heerkönigtum keine ausschließlich germanische Verfassungsform. Vielmehr haben Walter Pohl bei den Steppenvölkern und Reinhard Wenskus bei den Kelten ähnliche verfassungsgeschichtliche Erscheinungen und Abfolgen erkannt. Auch der Aufstieg des Töpfersohns, langjährigen Söldnerführers und Tyrannen Agathokles zum König von Syrakus könnte mit der taciteischen Formel dux ex virtute beschrieben werden. 29 Einigkeit besteht darüber, daß nobilitas und virtus keine Gegensätze bedeuteten. Wie der Adel die wichtigste Voraussetzung jeglichen Königtums bildete, war die Tüchtigkeit auch kein ausschließliches Kriterium des Heerkönigtums. 30 Überdies bedurften alle Könige des Glücks, um an der Herrschaft zu bleiben, ja mußten mit ihrem Glück nach kaiserlichem Vorbild das der anderen Machthaber überragen.31 Besaßen Adel und Tüchtigkeit aber wirklich bloß eine innergentile Wirkung oder hatte nicht auch die römische Reichsregierung ein Wörtchen mitzureden, wenn es um die Einsetzung und Anerkennung von barbarischen Königen ging? Die Römer vertrieben wie andere mediterrane Völker ihre eigenen Könige und blieben in Italien bei der antiköniglichen Politik. Sie förderten jedoch seit dem Beginn des 2. vorchristlichen Jahrhunderts außerhalb Italiens nach Gutdünken die Entstehung eines neuen, vielfach abhängigen barbarischen Königtums.32 Beispiele sind, um auch hier Reinhard Wenskus zu widersprechen, die neuen, keineswegs peripheren Könige der südostalpinen Kelten, der Markomanne Marbod und der Quade Vannius.33 Ihre Regna waren kein altes (Volks)königtum, sondern erfüllte bereits die Kriterien des neuen Heerkönigtums, wie ausgeprägtes Gefolgschaftswesen, Herrschaft über andere Völker, monarchische Gewalt im Krieg und nach außen. Ein solches Königtum, das Ariovist und Marbod verspielten 27
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Zu Tacitus, Germania c. 7, 1, vgl. etwa Livius I 7, 8: Eltander tum ea (...) auctoritate magis quam imperio regebat loca. Zu Schlesinger 1973, S. 53 ff., oder 1963, S. 105 ff., siehe Pohl 2000, S. 66 ff., und Picard 1991, S. 89 ff. Pohl 2002, S. 164 f.; Wenskus 1961 (1977), S. 358 ff., 382 ff., 419 ff.; Niese 1893, n. 15, col. 748 ff. Wolfram 1963, S. 54, 98 f. und 127 mit Anm. 21. Fichtenau 1957, S. 66 f.; Wolfram 1968, S. 475 (Glücksvcrgleich-»»»r). Rosenberg 1914, col. 710 sowie 716-720. Siehe zukünftig Wolfram 2005.
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und Arminius anstrebte, beruhte wie selbstverständlich auf drei Eigenschaften, besser: Potenzen im Sinne Jacob Burckhardts — und Cassiodors. 34
Nobilitas/Adel, Virtus/Tüchtigkeit und Fortuna/Felicitas/Glück Ein nobilis ist derjenige, dessen Namen und Geschlecht man kennt. 35 Beides wird vererbt und stützt sich auf die Verdienste der Väter. 36 Man kann sich aber auch durch besondere Leistungen zusätzlich zum ererbten einen eigenen Namen machen. So begann Arminius seine Karriere als iuvenis genere nobilis, wurde jedoch darüber hinaus nobilis durch die Niederlage der Römer. 37 Obwohl es weder Arminius noch gar seinem Bruder Flavus jemals gelang, Könige zu werden, galt der Sohn des letzteren im Jahre 46 als einziger Nachkomme der stirps regia der Cherusker. Nicht durch den erblichen Adel, den er mit seinen feindlichen Verwandten teilte, hatte Arminius sein Geschlecht „verköniglicht", sondern durch seine im Kampf gegen die Römer und nicht zuletzt gegen Marbod erworbene Nobilität. 38 Tacitus spricht vom genus nobile, nicht der stirps regia, der markomannischen und quadischen Heerkönige Marbod und Tudrus. Marbod war nachweisbar nichtköniglicher Herkunft und konnte erst in Böhmen certum Imperium vimque regiam erringen. Von Tudrus ist außer dem bedeutsamen Namen nichts bekannt. Aus ihren Geschlechtern hatten ihre Völker bis weit über die Zeit des Tacitus hinaus Könige, die der römischen Anerkennung bedurften. 39 Während der Markomannenkriege, bei denen es nicht zuletzt auch um das römische Einsetzungsrecht der Könige ging, hatte Mark Aurel einmal mit einem Quadenkönig Battarios zu tun, der „nur" 12 Jahre zählte. Dieser Umstand verblüffte den römischen Beobachter. Der König besaß zwar ein Alter, das bei vielen germanischen Völkern die Großjährigkeit bedeutete. Er führte
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Iordanes, Getica 199: Amalorumgeneris (...) potentia. Isidor, Etymologiae X 184. Tacitus, Germania c. 13, 2; vgl. ders., Historiae IV 13, 1 (Civilis und sein Bruder Claudius Paulus). Vellerns Paterculus II 105, 1, und 118, 2. Tacitus, Annales XI 16, 1. Schlesinger 1973, S. 66, oder 1963, S. 119. Anders Wenskus 1961 (1977), S. 423. Tacitus, Annales II 88, 2: Arminius fiel abscedentibus Romanis etpulso Marobodo regnum adfectans durch die Hinterlist der Verwandten. Vgl. Rosenberg 1914, col.709: regnum ajfectare/appetere war ein Delikt des römischen Straf- und Sakralrechts. Chadwick 1907, S. 310, erwog die Möglichkeit, Arminius habe das alte Königtum erneuern wollen. Er übersieht jedoch die Tatsache, daß Arminius seine kriegerischen Erfolge an der Spitze polyethnischer Heere errang und seine Familie erst nach seinem Tod als stirps regia galt. Tacitus, Germania c. 42, 2. Vgl. Kern 1954, S. 17 mit Anm. 37: durch einen König wird sein ganzes Geschlecht "königsmäßig".
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daher auch als einzig namentlich genannter Leiter einer Gesandtschaft rechtsverbindliche Verhandlungen mit dem Kaiser. Battarios wird aber wegen seines Alters kaum ein dux ex virtute gewesen sein, sondern muß seine Königswürde geerbt haben. Oder mit anderen Worten, er war ein rex ex nobilitate. Trotzdem war er kein Volkskönig, sondern ein König unter anderen an der Spitze polyethnischer Formationen. 40 Je länger die Reihe der Vorfahren, je bessere, womöglich göttliche Namen sie enthält, desto edler sind die Nachkommen. Das julisch-claudische Haus stammte von Urmutter Venus, eine Herkunft, der die germanischen Könige der Zeit, und seien sie auch membra partesque imperii gewesen, 41 nichts Gleichwertiges entgegen setzen konnten. Das hat seinen guten Grund: Noch erstreckten sich die göttlichen Herkunftsmythen zum einen auf „alle" Germanen, zum andern auf einzelne Völker. 42 Wann und wo die Vorstellung göttlicher Herkunft auf die Könige übertragen wurde, ist schwer zu sagen. Die Heerkönige der Völkerwanderung haben jedenfalls die gentile Überlieferung nachweisbar monopolisiert und für sich und ihre Familien nutzbar gemacht. 43 Diese Uberlieferungen hatten jedoch eine grundsätzliche Veränderung erfahren: Dem Heiden Tacitus waren Tuisto und seine Nachkommen zwar barbarische, aber dennoch wirkliche Götter. 44 Die euhemeris tisch arbeitenden christlichen Autoren der Spätantike und des Frühmittelalters faßten die Götter zumeist „als historische, wenngleich legendarische Gestalten a u f und machten sie, wenn schon nicht zu Menschen, so doch höchstens zu Halbgöttern und Heroen, die ursprünglich — siehe Herkules — ja auch Sterbliche waren. 45 Da Genealogien germanischer Familien erst aus der Völkerwanderungszeit bekannt sind, gibt es bis dahin keine Belege für die Verbindung von nobilitas und einer — wie der Amalersippe — immanenten potentia und fortuna/felicitas, von edler Herkunft und Erbcharisma. 46 Am eindeutigsten stellen diese Verbindung die Getica her. Bei einem Sieg über die Römer erkannten die Goten, daß sie diesen aufgrund der quasi fortuna ihrer Vornehmen errungen hatten, worauf sie diese als „nicht gewöhnliche Menschen" ansprachen und als „Halbgötter, das heißt, A(n)sen" akklamierten.
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Cassius Dio 71, 11, 1. Vgl. Roth 2002, S. 306; Offergeid 2001, S. 10-21 Sueton, Augustus c. 48. Graus 1965, S. 318 f. Tacitus, Germania c. 2, 2. Vgl. Caesar, De bello Gallico IV 7, 5: Den Sueben seien nicht einmal die unsterblichen Götter gewachsen, behauptet ein germanischer Gesandten. Vgl. Iordanes, Getica 42:... dimsi per familias populi, Vesegothae familiae Balthorum, Ostrogothae praeclans Amalis serviebant. Tacitus, Germania c. 2, 2. Hultgärd 2003, S. 449 (Zitat); Wolfram 2003, S. 181 f. Wolfram 1964, S. bes. 9-14, und Wolfram 1963, S. 109 f., nach Iordanes, Gctica 199 (Amalorum generis potentia) und 123 ff.
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Vor dieser Aussage hatte der Autor in mehreren Kapiteln die Getenkönige „gotisiert". Doch wurde keiner von ihnen in die anschließende Genealogie aufgenommen. Dafür erhält an dieser Stelle keiner der Amaler den Königstitel; der Sieg über die Römer wirdproceres und keinen reges verdankt. 47 Offenkundig besaßen diese quasi fortuna alle Amaler und nicht nur die amalischen Könige, obwohl Cassiodor seiner Königin Amalasuintha ein tot reges quot parentes bescheinigte, als er in den Variae einen verkürzten, im eigentlichen Sinne, da mit Amal beginnenden Amalerstammbaum zitierte.48 Das in gleicher Weise von königlichen wie nichtköniglichen Großen erwartete Glück hat im 3. Jahrhundert schon Dexippos bei den Vandalen festgestellt. Die beim Friedensschluß mit Kaiser Aurelian gestellten Geiseln waren Kinder der beiden Könige wie der Fürsten und standen an Würde und Glück, Tyche, niemandem nach. 49 Vitigis hatte 536 sein keineswegs hochadeliges Geschlecht durch seine Erhebung zum Ostgotenkönig gleichsam „königsmäßig" gemacht, 50 nach vier Jahren diesen Rang aber wieder verspielt. Als Uraias nach der Gefangennahme des Vitigis 540 das ostgotische Königtum angetragen wurde, lehnte er ab, obwohl er der Neffe des Königs war, gegen die Truppen Beiisars erfolgreich gekämpft hatte und im Besitz der zweiten Königsstadt Pavia wie eines Teils des Königsschatzes war: Die erfolglose Kriegsführung seines Onkels habe gezeigt, daß ihrem Geschlecht das Glück, die Tyche, fehle.51 Wie sehr aber ein innerhalb des Römerreichs überholtes Festhalten am Erbcharisma in einer Sackgasse enden konnte, zeigt eine Geschichte bei Prokopios von Kaisareia. Die in der Pannonia II nach 535 angesiedelten Eruier wollten das Königtum abschaffen und töteten daher ihren König, der schon vorher keine hervorgehobene Position eingenommen hatte. Nach einiger Zeit revidierten sie jedoch ihren Entschluß und sandten Boten nach Thüle, wo sie noch zahlreiche Angehörige des erulischen Königsgeschlechts wußten. Nach Uberwindung großer Schwierigkeiten — so mußten die Boten einmal umkehren, weil der Auserwählte im Land der Dänen starb — gelang es der Gesandtschaft endlich, mit einem König die Donau zu erreichen. Inzwischen war viel Zeit vergangen, und eine (katholische?) Gruppe von Erulern hatte sich an den Kaiser gewandt, der ihnen einen in der römischen Armee dienenden erulischen Offizier zum König gab. Bevor es zur entscheidenden Auseinandersetzung zwischen den beiden Königen und ihren
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Iordanes, Getica 67 ff. (Getenkönige) und 78 ff. (Amalerstammbaum); vgl. Kuhn 1973, S. 457 f. Cassiodor, Variae XI 1, 10 und 19; Wolfram 2003, S. 179 ff; Wolfram 2001, S. 41 ff.; Wolfram 1994, S. 54. Dexippos, frag. 7, 2. Wolfram 2001, S. 342, vgl. Kern 1954, S. 15 f. mit Anm. 31. Wolfram 2001, S. 349 f. und 582 s. v. Ticinum, vgl. Kern 1954, S. 17-19.
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Anhängern kommen konnte, verließen alle Eruier den König von Justinians Gnaden und gingen zu dem Thüle-König über. Dem römischen Offizier gelang die Flucht ins Reich, wo er ein hohes Kommando übernahm. Damit hatten die Donau-Eruler aber das Foedus mit dem Reich gebrochen, was für sie verheerende Folgen hatte.52 Die Geschichte lehrt, daß selbst eine so kleine und heterogene Gruppe wie die Donau-Eruler zur Ansiedlung auf römischem Reichsboden die kaiserliche Anerkennung benötigte, wofür die Personalunion von barbarischem Königtum und römischem Militäramt die Voraussetzung schuf. Daß die A(n)sen das wichtigste skandinavische Göttergeschlecht werden sollten53 und ihr königlicher Name und die Namen zweier vandalischer Königspaare etymologisch die Holzart oder das Holz bedeuten dürften, aus dem Pfahlgötzen geschnitzt wurden, 54 war den antiken Beobachtern selbstverständlich nicht gewärtig, und für Götter haben die Christen Cassiodor und Jordanes die Amaler ohnehin nicht gehalten. Dagegen war es einem Römer gut vorstellbar, daß sich barbarische Völker dem Glück von Herrschern und Herrschaften anschlossen. Die kaiserliche Gesetzgebung hat um 400 freudig verkündet, daß zahlreiche auswärtige nationes als Unterworfene dem Glück Roms gefolgt seien.55 Die Getica schreiben jedoch Kriegsglück und übermenschliche Qualität nicht dem Kaiser oder einer anderen Amtsperson zu — Charisma im römischen Sinn ist institutionell und daher zeitlich gebunden —, sondern sprechen von der durch einen Sieg manifestierten Fortuna eines nichtrömischen, erst aus der Retrospektive königlichen Geschlechts. In den kontinentalen Quellen der Spätantike und des Frühmittelalters finden sich dafür keine Parallelen. Die Geüca-Stelle erinnert aber an die Darstellung und Selbstdarstellung senatorischer Familien, die ebenfalls an ihr Glück, ja — siehe Caesar — an die sanetitas ihres Geschlechts glaubten. 56 Tatsächlich hat Cassiodor seinen König die Amaler mit den Senatoren vergleichen lassen, und der ungekürzte 17gliedrige Amalerstammbaum sollte wohl auch an die exakt gleich lange Königsreihe zwischen Aeneas und Romulus erinnern.57 Jedenfalls berichten die Fortuna/Felicitas-Stellen für gewöhnlich von einem auf eine Person bezogenes Glück oder Unglück.
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Schmidt 1969, S. 554 f. bes. nach Procopius, Bellum Gothicum II (VI) 14 f. Kuhn 1973, S. 457 f. Wolfram 2003a, 132; Kuhn 1973, S. 458. Wolfram 2001, S. 241 nach Codex Thcodosianus XIII 11,10 (399 IV 5). Nach Suetonius, Caesar c. 6, 1, sprach Caesar von der sanetitas regum, als er die Marcii Reges, der von Ancus Marcius abstammenden Familie seiner Großmutter väterlicherseits, pries. Wolfram 1963, S. 111, nach Variae VIII 2, 1-3, und Wolfram 1967, S. 99 ff., nach Vanae IX 25, 4. Vgl. Demandt 1989, S. 279 f., und Wolfram 1963, S. 52 f., 63 ff., 101 und 111 f.
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Die wechselseitige Abhängigkeit von Adel und Glück versuchte bereits die antike Philosophie aufzuheben. Im 12. Jahrhundert knüpft die Scholastik an die antik-patristische Tradition an. Ein typischer Vertreter der scholastischen Methode war Alain de Lille. In seinem Anticlaudianus tritt Fortuna als launenhafte Mutter einer ohnmächtigen Nobilitas auf, die den Menschen „aus Eigenem nichts mitgeben kann". Trotzdem belegt noch diese späte Travestie die Zusammengehörigkeit von Glück und Adel, die erst die Neuzeit nachhaltig auflöste So beschreibt Grimmelshausen eine schwedische Tischgesellschaft, an ihr hätten teilgenommen „unterschiedliche Offizier, sowohl Soldaten von Fortun als geborene Kavalier". 58
Sakrale A u f g a b e n des Königs Walter Schlesinger stellte einst vorsichtig fest: „Sakrale Züge in der Führungsgewalt des Ariovist fehlen ... nicht gänzlich, aber schließlich wird die Schlacht gegen den Rat der weisen Frauen doch gewagt." Und geht verloren, wäre zu ergänzen. Caesars Bericht von Ariovists bestrafter Mißachtung magisch-sakraler Handlungen, nämlich der Losorakel der matres jamiliae, war jedem römischen Publikum verständlich. 59 Der römische Feldherr, der die Hühner zum Saufen ins Meer warf, weil sie nicht fressen wollten, hatte die Folgen dieses Sakrilegs wie Ariovist zu tragen.60 Ähnliches wäre einmal fast Augustus in seinem sizilianischen Krieg widerfahren, als er den Verlust eines Teils seiner Flotte mit einer Herausforderung des Meeresgottes quittierte. Zunächst rief er aus, auch gegen Neptun werde er den Sieg erringen. Darauf ließ er bei den nächsten Zirkusspielen die Statue des Gottes aus der feierlichen Prozession entfernen. Die Folge war, daß Augustus in keinem seiner anderen Kriege zahlreichere und größere Gefahren zu bestehen hatte.61 Als es dagegen in der Kimbernschlacht bei Vercellae auf Biegen und Brechen ging, „wusch Marius seine Hände, erhob sie zum Himmel und gelobte den Göttern eine Hekatombe weißer Rinder". Schon vor Schlachtbeginn hatte Marius geopfert: man zeigte ihm die Eingeweide der Opfertiere, wobei er ausrief, daß er siegen
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Zu einer hochmittelalterlichen skandinavischen Stelle siehe Wolfram 1963, S. 110 mit Anm. 15. Wolfram 1964, S. 32 f. mit Anm. 204 f., nach: Der Abenteuerliche Simplicissimus III 14 und Alain de Tille, Anticlaudianus VII 397 ff. Schlesinger 1973, S. 65, oder 1963, S. 117, zu Caesar, De hello Galileo I 50, 3 ff. Marbach 1939, col. 232, bes. nach Cicero, De natura deorum II 3, 7; vgl. ders., De divinatione II 8, 20. Suetonius, Augustus c. 16, 2 f.
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werde. 62 Die Priester waren für die ordnungsgemäße Durchführung des Orakels verantwortlich, die Interpretation blieb dem Feldherrn. 63 Auch der germanische König benötigte nach Tacitus für Vorzeichendeutungen und Losorakel, die das ganze Volk betrafen, den zuständigen Priester. Dagegen besaß — ebenso wenig verwunderlich — der Hausvater die Pflicht, aber auch die Macht, das gleiche für seine Hausgenossen zu tun, und benötigte dafür keinen eigenen Priester. 64 Die Verteidiger des Sakralkönigtums verweisen nicht zuletzt auf die kultischen Feiern im Semnonenhain und die besondere Stellung des Suionenkönigs und sehen darin entweder einen zentralen Kult oder erschließen einen solchen samt „uraltem" Sakralkönigtum. Aber an den beiden Stellen, die primär davon handeln sollen, erwähnt Tacitus entweder keinen König oder keinen Kult. 65 Erst Rimbert im 9. und Adam von Bremen im 11. Jahrhundert bringen den Uppsala-Kult mit einem König zusammen, Nachrichten, die man schwerlich verwenden wird, um den rund ein Jahrtausend älteren Tacitus zu erklären.66 Die Religion ist der Götterkult: religio id est cultus deorum. Diese Gleichung hat Cicero aufgestellt, und Augustinus hat sie für den Monotheismus übernommen. Aber auch Tacitus kennt nur diesen verengten Religionsbegriff. 67 Mit religione erklärte Ammianus Marcellinus die Weigerung Athanarichs, sich mit Kaiser Valens auf römischem Boden zum Friedensschluß von 369 zu treffen. Dazu kam der Eid, den der Gotenrichter dem Vater geleistet hatte, niemals römischen Boden zu betreten. Weder der Eid noch die institutionelle Bindung eines Gotenrichters an das Gotenland waren aus einer inneren Sakralität erwachsen, sondern durch die religione bedingte Residenzpflicht und den damit verbundenen kultischen Handlungen (Christenverfolgungen) begründet. 68 Die sakrale Energie der Könige, die diese zur Ausübung der von ihnen verlangten sakralen Funktionen befähigt, stammt aus Kult und 62 63 64 65
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Plutarch, Marius 26, 2-4. Alföldi 1970, S. XII; Rosenberg 1914, col. 708. Tacitus, Germania c. 10, 1 f. Tacitus, Germania cc. 39 und 44, 2 ff, vgl. 40, 4 (Nerthus-Kult); Quellen 2, 235 ff. und 250 ff.; Much 1967, S. 396 ff.; Wenskus 1961 (1977), S. 411: „Mit diesem (Semnoncn-) Hain aber war, wie Otto Höfler gezeigt hat, ein ungewöhnlich archaisches Sakralkönigtum verbunden." Siehe dagegen mit Recht Picard 1991, bes. S. 167 ff., wobei allerdings in der langen Auflistung des geschichtswissenschaftlichen Sündenregisters die eigene Ansicht der Verfasserin kaum, eigentlich gar nicht zu erkennen ist. Rimbert, Vita Anskarii c.26; Adam von Bremen, Gesta IV 26 ff. Cicero, De natura deorum II 3, 8; vgl. Augustinus, De civitate Dei X 1. Zu Tacitus siehe Timpe 1995, bes. S. 94 ff. Ammianus Marcellinus XXVII 5, 9 f. und XXXI 4, 13. Zu GutthiuAa siehe Die gotische Bibel 1, 472; Wenskus 1961 (1977), S. 47 ff.; Claude 1972, S. 1 ff., bes. 29 ff. Vgl. Claude 1971, 13 und 15.
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Opferung unter Einschluß von Menschen- und Selbstopfern. 69 An sich gilt dagegen der Satz von Dennis Howard Green, einem der besten Kenner seines Faches: „None of the three words for king (thiudans, truhtin, kuning) can safely be associated with sacral kingship." 70 Könige und königgleiche Fürsten können Subjekte sowie Subjekte und Objekte des Kultes sein. In verzweifelter Lage beging Catuvolcus, der König der Hälfte des „Eibenvolkes" der keltischen Eburonen, die auf eine germanische Herkunft pochten, mit Eibengift Selbstmord, das heißt, er tötete sich „mit Hilfe des seinem Volke heiligen Baums". Möglicherweise war auch der Selbstmord Ermanerichs ein Opfer an einen Gott oder die Götter. Der große greutungische Heerkönig tötete sich, als er den Ansturm der Hunnen nicht mehr abzuwehren vermochte. In beiden Fällen scheint die Deutung des Selbstmordes als kultisches Selbstopfer mit aller gebotenen Vorsicht möglich. 71 Zum einen liest man vom Selbstopfer Odins, das als „Kontamination aus einem heidnischen Initiationsritus und dem Kreuzestod Christi" gilt,72 zum andern gibt es eindeutige antike Beispiele: Herodot (VII 166) berichtet vom karthagischen Feldherrn Hamilkar: Während dessen Truppen die Schlacht beim sizilianischen Himera (480 v. Chr.) fochten, habe er den ganzen Tag im Lager den Göttern geopfert. Als sich am Abend der Sieg den griechischen Gegnern zuneigte, habe sich Hamilkar in die Flammen des Opferaltars gestürzt und sei spurlos verschwunden. Für gewöhnlich sind Könige und königgleiche Fürsten den Kult ausübende Subjekte. Dazu zwei Erzählungen: Die erste Geschichte wurde mehrfach, darunter in einer zeitnahen Passio aufgezeichnet, die andere versucht eine viel spätere Interpretation heidnischer Vorgänge. Beide Berichte sind sich jedoch in den verantwortlichen Personen einig. Diese sind die Könige und königgleiche Fürsten und nicht die Priester. Auf Beschluß der Anführer der terwingischen Konföderation verfolgte der „Richter der Könige" Athanarich von 369 bis 372 die gotischen Christen als Zerstörer der ethnischen Identität nicht bloß mit Exilierung, sondern auch mit physischer Vernichtung. Er ordnete an, „so etwas wie ein Götterbild" auf einem Wagen durchs Land zu führen und diesem zu opfern. Wer sich weigerte, wurde samt seiner Wohnstätte verbrannt oder in einem Fluß ertränkt. Letzteres widerfuhr nachweisbar dem gotischen Märtyrer Saba am Ende seiner Leidensgeschichte.
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Baetke 1964, S. 6 ff., 38 und 85 ff.; Schlesinger 1973, S. 67 f., oder 1963, unterscheidet den Volkskrieg vom Gefolgschaftskrieg und will bei letzterem sakrale Elemente feststellen als bei ersterem. Das frühe Königtum hat sich aber und aus dem Gefolgschaftskrieg entwickelt: siehe Chadwick 1912 (1967), S. 390. Green 1998, S. 123; Pohl 2000, S. 68. Neumann 1986, S. 349, zu Caesar, De bello Gallico VI 31; Wolfram 2001, S. 123 Schottmann 1981, S. 567.
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Die Mitwirkung von gotischen Heidenpriestern wird, obwohl es sie nachweisbar gab, in keinem Fall erwähnt. 73 Sie kommen auch in der nächsten Geschichte nicht vor. Der gutonisch-gotische Wanderkönig Filimer mußte, so heißt es, die Haliurun(n)ae, „Frauen, die mit (oder in) dem Totenreich Zauber treiben", aus dem Volk verjagen. Die ursprüngliche Tat Fiümers, die Cassiodor im 6. Jahrhundert mit ethnographischen Erweiterungen und Zusätzen stark veränderte, muß sich etwa 300 Jahre früher ereignet haben. Wahrscheinlich haben nekromantisch-schamanische Praktiken, die als fremd und daher als äußerst gefährlich galten, so großes Ärgernis erregt, daß sich die Mehrheit der Gutonen dagegen wandte, als sie um 200 nach Christus in den Pontischen Raum eindrangen. 74
Das Heerkönigtum Die antiken Quellen „zeigen die Germanen in kriegerischer Berührung mit den Römern, und sie sprechen im Grunde nur von dieser kriegerischen Berührung. Was kann vom Königtum anders überliefert werden als seine kriegerische Betätigung?" 75 Kein Wunder, daß man in den Quellen vergeblich nach einem „alten" friedlichen, womöglich vanischen Sakralkönigtum des „Kleinen Raums" sucht.76 Schon die Könige der Bastarnen, Kimbern und Teutonen, die man erst lange nach ihrem Auftreten als Germanen bezeichnete, 77 waren die Anführer multigentiler Heerhaufen. 78 Ariovist, Arminius und Marbod waren, um nur die bekanntesten Namen zu nennen, solche Duces, ob sie nun Könige wurden oder nicht, und sie waren wie die germanischen Gefolgschaftsherren, die Caesar beschreibt, bester Herkunft, besaßen Nobilität. 79 Diese mußte der militärisch-politische Erfolg stets von
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Wolfram 2001, S. 78, 105 ff., 112 ff. und 114 ff. Wolfram 2003, S. 180. Schlesinger 1973, S. 59, oder 1963, S. 111. So noch Wolfram 1994, S. 42 f. und 60 f. Plinius d. Ältere, Historia naturalis IV 99. Schlesinger 1973, S. 59 f. oder 1963, S. 111 f.; Wenskus 1961 (1977), S. 320 (zu Schlesinger) und 306 zu Livius XL 5 {genus regium der Bastarnen). Zu den Namen der Kimbern- und Teutonenkönige siehe Birkhan 1970, S. 487 ff. Zu den Lugiern siehe Neumann/Castritius 2001, S. 30 ff. Caesar, De hello Gallico IV 11, 3. 13, 4. VI 22, 2 und 23, 4 ff. VIII 45, 1. Vgl. Tacitus, Germania c. 7, 1. Zur Herkunft von Ariovist: Caesar, De hello Gallico I 31,10, und Cassius Dio XXXVIII 34, 3, bezeichnen ihn schon bei der Erstnennung als König. Zur Herkunft von Marbod siehe Vellerns Paterculus II 108, 2: Marobodus genere nobilis, zu der von Arminius ebendort II 118, 2: iuvenis genere nobilis. Vgl. Tacitus, Germania c. 13, 2: insignis nobilitas auf magnapatrum mentaprinapes dignationem etiam adulescentulis adsignant.
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neuem bestätigen. Allerdings ist das völkerwanderungszeitliche Heerkönigtum auf römischem Boden vom Heerkönigtum außerhalb der Reichsgrenzen zu unterscheiden. Letzteres konnte sich bei einer gewissen Romnähe und Territorialisierung wieder rückbilden, indem mehre Kleinkönige an die Stelle von Monarchen traten. Auf die machtvollen markomannisch-quadischen Einherrscher des 1. nachchristlichen Jahrhunderts folgten mehrere gleichzeitige Könige, die auf wenige Aufgaben beschränkt waren. 80 Die Goten hatten im 3. Jahrhundert ein ausgeprägtes monarchisches Heerkönigtum, das von der unteren Donau aus operierte, sich aber nach den schweren Niederlagen gegen die kaiserlichen Armeen gerade hier nicht halten konnte. Während darauf ein starkes Königtum im romfernen, wenig territorialisierten ukrainischrussischen Raum entstand, gab es am linken Ufer der unteren Donau in den nächsten 100 Jahren eine Konföderation von terwingischen Teilstämmen. Diese hatten eine unbekannte Zahl von Königen, die sich bei Gefahr einem auf Zeit gewählten monarchischen „Richter der Könige" unterstellten, der sich mehr als ein König zu sein dünkte und nicht König nennen ließ. Jedoch nicht nur für diesen Athanarich ist die Zugehörigkeit zu einem Königsgeschlecht bezeugt.81 Ganz anders die Entwicklung auf römischem Reichsboden. Die germanisch benannten Großreiche konnten wie die meisten untergehen, wie das fränkische geteilt werden; die römische Bürokratie und die römische Kirche verhinderten in Theorie und Praxis die Bildung kleiner Teilkönigreiche. Der Plan der 540 geschlagenen Ostgoten, in Transpadanien ein kleines Tributärfürsten zu errichten, platzte wie eine Seifenblase. 82 Und das Gegenbeispiel: Selbst ein geteiltes Regnum Francorum galt stets als politische Einheit.83
Das Volkskönigtum Völlig unzureichend ist die Quellenlage für ein altes, eine bestimmte Gruppe repräsentierendes Volkskönigtum. Der gotische thiudans ist etymologisch ein Volkskönig gewesen, wenn er auch bezeichnenderweise semantisch kein solcher blieb; in der ganzen Gotenbibel ist nur Christus der König eines Volkes. 84 Tacitus soll Volkskönige gemeint haben, wenn er von „jüngst
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Tacitus, Historiae IV 15, 2. Vgl. ders., Annales IV 72, 1 - 74, 1; Schlesinger 1973, S. 68 f., oder 1963, S. 121. Zu Schmidt 1970, S. 187 ff., siehe zukünftig Wolfram 2004a. Wolfram 2001, S. 102 ff. und 123 f. Wolfram 2001, S. 348. Wolfram 1998, S. 615. Siehe Wolfram 2005.
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entdeckten gentes ac reges" spricht, „die der Krieg bekannt gemacht hat". 85 Aber die meisten dieser Könige tragen keltische Namen und vielleicht nicht nur, weil es die Mode diktierte. Wie bei Kimbern und Teutonen könnte die Namengebung der Könige die Polyethnie ihrer Gruppe spiegeln, so daß ihr Königtum eben nicht das eines einzigen Volkes war. 86 Ammianus Marcellinus findet bei den Burgundern einen einzigen nicht verantwortlichen Priester und im eigentlichen Wortsinn „Alten", sinistus, sowie eine Mehrheit von hendinosKönigen. Letztere werden nicht bloß für das Kriegsglück,fortuna belli, sondern auch für den Erntesegen zur Verantwortung gezogen. Warum aber der Sinistus ein womöglich sakraler Volkskönig gewesen sein soll, steht nirgends. War er aber einst König und nicht nur Priester, muß er mit seinem Herrschertum auch die wichtigsten sakralen Funktionen an die HendinosKönige abgegeben haben. Als Beispiel könnte man dafür den römischen rex sacrorum und sein athenisches Gegenstück nennen, die beide nur mehr die priesterlichen Funktionen des einstigen Königs ausübten. Außerdem wäre diese Stelle für den germanischen Bereich insofern ein Unikum, als sie keine Abfolge, sondern das Nebeneinander eines Monarchen neben einer Mehrzahl von Königen belegen würde. Was aber wird berichtet? Die Burgunder, die sich als Verwandte der Römer betrachten, werden von Valentinian I. 369/70 durch geheime Boten für eine gemeinsame Aktion gegen die Alemannen gewonnen. Die Burgunder rücken bis an den Rhein vor. Im entscheidenden Augenblick lassen die Römer sie jedoch im Stich, worauf die Burgunderkönige das Unternehmen erfolglos abbrechen müssen, um nicht im Rücken angegriffen zu werden. In ihrem Zorn lassen die getäuschten Könige die Gefangenen, wohl Alemannen, niedermachen. Diesen Tatsachenbericht motiviert die Schilderung der Aufgaben der Hendinos-Könige und des Sinistus-Priesters. Dabei wird sinnvoller Weise zuerst von der Verantwortung des Hendinos für das Kriegsglück gesprochen. Aktuell hatten die HendinosKönige den erfolglosen Rückzug zu verantworten, weil sie sich von den Römern täuschen ließen. Die Tötung der (alemannischen) Gefangenen war wider alle bekannte Politik der Burgunder, die stets an Menschenmangel litten und diesen mit Hilfe von Gefangenen zu beheben suchten. Die Tötung dürfte daher ein Opfer der Könige gewesen sein, womöglich um der eigenen rituellen Absetzung oder Vernichtung zuvor zu kommen. Assoziativ und der Vollständigkeit halber wird in zweiter Linie die Verantwortung der Könige für den Erntesegen erwähnt und mit der Anschauung der Ägypter über die Rolle des Pharaos verglichen. Dagegen erscheint der Sinistus aus jeglicher
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Zu Tacitus, Germania c. 1, 1, siehe Quellen 2, 128 f., und Much 1959, S. 11 f. Tacitus, Annales XIII 54, 1 ff.; vgl. ders., Tacitus, Germania c. 34, 1: Groß- und Kleinfriesen; Birhkan 1970, S. 76 und 500 (keltische Namen). Wcnskus 1961 (1977), S. 1961, S. 319 f. und 412 f. Schmidt 1970, S. 74.
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Verantwortung entlassen. War er dies aber immer schon? Könnte der burgundische Sinistus nicht ein außerrömischer monarchischer Heerkönig gewesen sein, den eine Mehrheit von gleichzeitigen Hendinos-Königen von der Herrschaft verdrängt und auf priesterliche Funktionen beschränkt hatte, sobald die Burgunder, bezeichnenderweise als „Verwandte der Römer", in deren Blickfeld traten? 87 Am ehesten läßt noch die „gallisch-westgermanische Revolution" auf ein aufgegebenes und daher folgerichtig älteres Königtum schließen. 88 In einem Kerngebiet, dessen Achse der Rhein bildete, wurden um die Mitte des 1. vorchristlichen Jahrhunderts die Könige, nicht jedoch ihre königlichen Familien, durch eine aristokratische Prinzipatsverfassung verdrängt. 89 Den wichtigsten Beleg für diesen Prozeß findet Reinhard Wenskus in der Geschichte der Bataver. Aufgrund innerer Unruhen wurden sie aus dem chattischen Gentilverband vertrieben, ließen sich auf römischem Reichsgebiet links des Rheins nieder und behielten die aus dem Adel genommene Reiterei wie die Königs familie, während die Chatten von nun an vornehmlich als Fußkrieger kämpften. Dagegen habe sich das alte Königtum an der europäischen Peripherie gehalten, in Britannien, 90 Skandinavien, im Osten Germaniens wie im östlichen keltischen Siedlungsgebiet unter Einschluß der Südostalpen. Hinter dieser Zuordnung steht die anachronistische Ansicht, das Rheinland habe stets ein Zentrum gebildet, während die Ostalpen und der mitdere Donauraum immer Peripherie gewesen seien. Vielmehr sind das keltische Regnum (Noricum) des Südostenalpenraums, das böhmische Markomannenreich Marbods und das quadische Regnum Vannianum der Entwicklung zum neuen Königtum um bis zu 200 Jahre vorangegangen. 91
Schluß Bis tief ins 19. Jahrhundert reicht die Ansicht zurück, das monarchische Königtum sei bei den Germanen erst durch die Römer eingeführt worden. Man stützte sich für diese Interpretation auf den Prinzipatskritiker Tacitus, der Monarchie und Freiheit für grundsätzlich unvereinbar hielt. Allerdings beging
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Ammianus Marccllinus XXVIII 5, 8-15, bes. 14. Quellen 4, 463. Wenskus 1961 (1977), S. 1961, S. 576 ff.; Beck 1981, S. 227 f. (Etymologie), und Wagner 1999, S. 383 (Etymologie), sowie Anton 1981, S. 238 und 240; Schmidt 1969, S. 168 (Volkszahl). Dazu und zum folgenden siehe Wenskus 1961 (1977), S. 409 ff., bes. 413 und die Karte am Ende des Buches. Dobesch 1993, S. 416; vgl. 497 ss. w . p r i n e e p s und pnnapatus. Nach Tacitus, Agricola c. 12, 1 f., war dies nicht mehr aktuell. Siehe Wolfram 2005.
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Tacitus den „Fehler", dennoch von germanischen Königen zu sprechen. Daher wurden bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nicht bloß der hoch verehrte Autor der Germania, sondern auch alle anderen antiken Quellen korrigiert, in denen vor, ja sogar noch nach dem ersten Westgotenkönig Alarich I. germanische Könige vorkamen. Walter Schlesinger und Reinhard Wenskus stellten diese Schlimmbesserung ab und gaben der Uberlieferung ihren Wert zurück. 92 Dabei ging aber auch die grundsätzlich richtige Einsicht verloren, daß das europäische Königtum durch die römische Politik geschaffen wurde, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil Republik und Kaiserreich den Erhalt wie die Neubildung von Königreichen ermöglichten, sobald dies im römischen Interesse lag. So wäre zu fragen, ob nicht auch die Aufnahme des römischen Bürgers Arminius in den Ritterstand, eine Ehre, die von keinem zweiten außerrömischen Germanen überliefert wird, die Vorstufe zur römischen Anerkennung eines Königtums bildete, das die Cherusker und ihre völlig zerstrittene FührungsSchicht stabilisieren sollte? Zwei Ereignisse könnten dies verhindert haben: Die erfolgreiche Entscheidung des Arminius gegen das Imperium und sein gelungener Versuch, durch einen „Glücksvergleich" mit dem Markomannenkönig Marbod die Voraussetzungen zu schaffen, ein von Rom unabhängiger König zu werden. Die mit Rom verbündete innergentile Opposition war jedoch nicht zu besiegen; Arminius scheiterte an der „Hinterlist seiner Verwandten". 93 Eine mögliche Überlegung, nicht mehr, aber auch nicht weniger, zumal die Geschichte von Cincibilus, Voccio, Ariovist, Marbod, Tudrus und Vannius, ja selbst noch die des Civilis mit dem Arminius-Curriculum vergleichbare Abläufe erkennen läßt. Ariovist, Marbod und Vannius scheiterten, als ihnen das Imperium die Anerkennung entzog, die ihren Erfolg als Heerkönige abgesichert oder sogar erst bewirkt hatte. Norikum wurde zunächst als Königreich ins Imperium eingegliedert, dann römische Provinz, die Quaden brachten nach Vannius keinen großen Namen mehr hervor. Außerhalb des Reichs bewirkten Romnähe und Territorialisierung die Rückbildung des monarchischen Heerkönigtums zu einem Mehrkönigtum von Stammeskonföderationen. Solche Könige besaßen die westlichen Goten nördlich des Unterlaufs der Donau, die rechtsrheinischen Burgunder, die alemannischen Völker nach der Niederlassung im Dekumatenland, die Franken nach ihrer Entstehung am rechten, aber auch noch am linken Ufer des unteren Rheins. Ähnliches gilt von den Angeln, Sachsen und Jüten, die unter der Führung mehrerer Könige nach Britannien fuhren.
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Wenskus 1961 (1977), S. 305 ff.; Quellen 2, 152 ff. und 164 ff., zu Germania cc. 7, 1, und 11, 1, vgl. c. 43, 1, und Tacitus, Agricola c.14, 1. Zum Königtum Alarichs I. siehe Wolfram 2001, S. 150 ff. Zu Arminius nicht bloß als römischer Bürger, sondern auch als römischer Ritter siehe Vclleius Patcrculus II 118, 2, sowie Quellen 1, 534-536, vgl. 514.
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Wenn die antiken Beobachter barbarische Verfassungsformen beschreiben, tun sie das selbstverständlich vor dem Hintergrund der eigenen verklärten Erfahrungen der mythischen Königszeit. Nachdem die römischen Könige das Primordium geleistet und die Gründungstat vollzogen hatten, folgte ihre Verdrängung durch eine Prinzipatsverfassung, die zur römischen Republik hinführte. Analog dazu stellte sich Caesar auch derjenige Prozeß dar, den die moderne Wissenschaft die „gallisch-westgermanische Revolution" nennt. 94 Das vor der Mitte des 1. vorchristlichen Jahrhunderts aufgegebene keltischgermanische Königtum soll ein altes kleinräumiges, womöglich homogenes Volkskönigtum gewesen sein. Die Annahme ist nicht auszuschließen, findet jedoch in der Uberlieferung keine sichere Stütze. Sobald die antiken Autoren von benachbarten Barbaren berichten, beschreiben sie ein Königtum über polyethnische Völker, das sich auf starke Gefolgschaften stützen kann. Sie berichten demnach von einer Verfassungsform, die heute als „neues" Heerkönigtum gilt. In diesem Sinne wirken die taciteischen Reges und Duces wie Könige und potentielle Könige. Es sind Machthaber, die Erfolg, Namen, Familie bereits haben, und solche, die dies alles noch erwerben oder beweisen müssen. Bis es ein König jedoch zum monarchischen Großkönig bringen konnte, stand ihm ein harter innergentiler Verdrängungskampf bevor, worauf ein ebenso zähes Ringen um die römische Anerkennung für die Niederlassung auf Reichsboden folgte. Doch hat erst die Aufnahme der Könige und ihrer Völker ins Imperium den Prozeß irreversibel gemacht, der vom Heerkönigtum zum vizekaiserlichen königlichen Monarchen führte. Sakrale Funktionen und kultische Verantwortung aller dieser Könige gab es ohne Zweifel, eine immanente, ererbte Sakralität ist hingegen nicht zu erkennen. Sie hätte auch weder im Barbaricum noch gar bei der Errichtung des Königtums auf römischem Boden etwas genützt. Für letzteres waren die Voraussetzungen die kaiserliche Anerkennung. Sie drückte sich in der Verleihung der obersten römischen Militärämter, eines regionalen, wenn möglich allgemeinen Magisterium militum, aus. Dazu kamen die ökonomische Sicherstellung der barbarischen Völker und die Gewinnung der römischen Oberschicht. Hatte dies ein Theoderich der Große für sein Gotenheer in Italien erreicht, konnte sich der splendor generis oder splendor natalium (Amalorumj ungehemmt entfalten, was er spätestens seit 507 tat, konnte die a(ns)sische Qualität des Königsgeschlechts zu einer „ewigen" Wirklichkeit aufsteigen, 95 wie dies die Getica wohl schon bei ihrer Erstveröffentlichung im Jahre 533 so eindrucksvoll verkündeten. Allerdings sei eines nicht vergessen: Zwischen 94
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Wcnskus 1961 (1977), S. 409 ff. Wolfram 1963, S. 108 f., nach bes. Cassiodor, Variae IV 1, 1 f. und 39, 1 f. (507/11), V 31, 1 (511), IX 1, 2 (526) und X 3, 3 (534), sowie Ennodius, Panegyricus 20 (88), von 507 (siehe Rohr 1994, S. 100 ff.).
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dem großartigsten Zeugnis für die amalische Propaganda Cassiodors und dem totalen Verlust ihrer Glaubwürdigkeit liegen bloß drei Jahre. Ihre ganze Herrlichkeit war zu Ende, als der „Neiding" Theodahad im Herbst 536 erschlagen wurde. 96 Die asische, auf der römischen Civilitas aufbauende Aura der Amaler wirkt daher heute wie ein glanzvoll inszenierter Untergang, der eindrucksvoll und tragisch genug war, so daß er an erster Stelle in der Heldensage fordeben konnte. Anders die fränkischen Realisten. Sie tauschten ihr merowingisch-göttliches Untier gegen eine römergleiche zivilisierte Herkunft von Troja. 97 Sie nahmen bedachtsam und fern von Byzanz Maß an den römischen Traditionen. Ihr Regnum war längst kein frühes, sondern ein römisches Königtum — und hatte als Frankenreich Bestand.
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Cassiodor, Variae VIII 25, wurde nach Theodor Mommsen Ende 533 verlautbart; ebendort 4 f. Verweis auf Cassiodors Gotcngeschichtc. Zum Tod Theodahads im Spätherbst 536 siehe Wolfram 2001, S. 341. Anton 2003, S. 191 ff.
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Das frühmittelalterliche Königtum - RGA-E Band 49 - Seiten 65-86 © Copyright 2005 Walter de Gruyter • Berlin • New York
Charismatisches Königtum im Spiegel materieller Quellen: Die völkerwanderungszeitlichen Goldbrakteaten1 v o n ALEXANDRA PESCH
Selten werden Bilddarstellungen als primäre Quellen für die Erforschung vergangener Zeiten genutzt. Die weitgehende Konzentration der historischen Disziplinen auf Textüberlieferungen ist dabei durchaus verständlich, denn es gibt keine auch noch nach vielen Jahrhunderten relativ gut zugänglichen Quellen: Was wüßten wir bespielsweise ohne schriftliche Überlieferungen über Leben und Taten von so bedeutenden Menschen wie Cleopatra von Ägypten, Chlodwig dem Frankenkönig oder sogar Karl dem Großen? 2 Die materielle Hinterlassenschaft geschichtemachender Persönlichkeiten ist oftmals gering und größtenteils unpersönlich, das heißt einer bestimmten Person nicht zuweisbar oder mit deren Taten nicht verknüpfbar. Erst im Rahmen der Textüberlieferungen wird Sachkultur teilweise verständlich. Dann allerdings ergänzen und erweitern materielle Quellen die Erkenntnisse aus Schriften oft erheblich. Doch bedeutet dies naturgemäß Schwierigkeiten für die Erforschung von solchen vergangenen Kulturen, die keine umfassende Schriftkultur entwickelt oder genutzt haben. Dies gilt auch für die nördliche Germania 3 in den Epochen von der römischen Kaiserzeit bis in die Karolinger- bzw. Wikingerzeit hinein. Die germanischen Völker bzw. Gruppen teilten bekanntlich vor ihrer jeweiligen Christianisierung selbst keine detaillierten Informationen über ihr Leben, ihre Weltanschauung, ihren Glauben und ihre gesellschaftliche Strukturen in schriftlicher Form mit, die auch noch von der Nachwelt ausgewertet werden könnten. Lediglich kurze Runeninschriften auf Metall- oder Holzgegenständen beweisen, daß den Menschen durchaus die grundsätzliche Mög1
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Der Text folgt teilweise der Vortragsfassung von Passau, wclchc auf dem Beitrag Pesch 2004b sowie auf Pesch (im Druck) basiert. Zusätzlich wurden Teile aus Pesch (in Druckvorbereitung) eingebracht. Vgl. Hedeager 1993, S. 129. Der Begriff "Germanen" wird hier aus praktischen Gründen pauschaliert benutzt, also unter Vernachlässigung der Unterschiede und der verschiedenartigen geschichtlichen Entwicklung der zahlreichen Gruppen und Völker, die darunter subsummiert sind. Vgl. allgemein den ausführlichen Beitrag im RGA Bd. 11, 1998.
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Alexandra Pcsch
lichkeit einer breiten Verschriftlichung offengestanden hat — doch wurde sie nicht genutzt. 4 Dies ist auch der Hauptgrund dafür, daß der Zugang zur Erforschung nordgermanischer Herrschaftsstrukturen und erst recht zu deren Legitimation erschwert ist.5 Für die Annäherung an mögliche sakrale Aspekte im dortigen Königtum muß zuerst einmal grundsätzlich geklärt werden, ob es überhaupt Könige im Sinne überregionaler Herrscher gegeben hat. So ist es notwendig, neue Quellengattungen zu erschließen. Denn wenn es auch richtig ist, daß diese germanischen Völker keine ausführlichen Schriften hinterlassen haben, finden sich in der vorwiegend durch die Archäologie zugänglich gemachten Sachkultur doch zahlreiche Hinweise auf Elemente ihrer gesellschaftlichen und geistigen Welt. Insbesondere helfen Bilder, die in ihren Motiven bzw. Sujets wie in deren stilistischer Ausführung charakteristisch sind, weite Teile der Germania durch verschiedene Epochen hindurch als zusammengehörigen Kulturraum zu erkennen. Bis heute zeugen vor allem diese spezifischen Bilddarstellungen als Zeitzeugen und authentische Äußerungen germanischen Gestaltungs- und Mitteilungswillens von den weltanschaulichen Vorstellungen germanischer Gruppen, von den ideellen Grundlagen ihrer Herrschaft, von ihren dauerhaften Beziehungen zu Nachbarvölkern und von ihrer daraus erschaffenen, synthetischen, komplexen und weiträumig organisierten Kultur. Von der historischen Forschung weitgehend unbeachtet, fallen die frühmittelalterlichen Bildquellen germanischer Provenienz allerdings aus dem Rahmen auch anderer Disziplinen wie etwa der Kunstgeschichte, der Religionsgeschichte, der klassischen Archäologie und der Ur- und Frühgeschichte heraus. So sind die Phänomene ihres Erscheinens und ihrer Funktion erst am Auch die in diesem Zusammenhang vielzitierten Werke klassischer Autoren, wie beispielsweise die Germania des Tacitus', helfen nur bedingt, die Lücke zu füllen. Gleiches gilt für die Uberlieferungen aus dem christlichen Umfeld des Mittelalters, die Informationen zur Spätzeit der Germania in verschiedenen Bereichen bringen: Berichte von Missionaren bzw. ihren Biographen, Rechtstexte und Kapitularien. Die vielfältigen Probleme bei der Deutung, Auswertung und Rückschreibung dieser von Außenstehenden verfaßten Texte sind hinlänglich bekannt. Dazu gehören auch die vor allem im Norden überlieferten mittelalterlichen Dichtungen, wenn sie auch zum Teil auf mündlichen Traditionen beruhen, welche zumindest teilweise in die Völkerwanderungszeit zurückreichen; einführend dazu Würth 2000, S. 512 ff. Zur Diskussion über mögliche sakrale Aspekte im germanischen und speziell nordischen Königtum siehe Baetke 1964; Edsmann 1959; Ejerfeldt 1969-70; von Friesen 1932/34; Hallberg 1973; Hauck 1950; 1952; 1960; 1964; 1998; Hedeager 1993; 1999a; Höfler 1952a und b; 1956; 1959; 1972; 1976; Hoffmann 1975; Kraft 1999; La Regalitä Sacra 1959; Lönnroth 1986; McTurc 1974-77; Naumann 1938; Norr 1998; Picard 1991; von See 1972; 2002; Ström 1959; Ström 1967/68; Sundqvist 1996; 1999; 2002; de Vries 1953; 1956; vgl. auch das Stichwort "Sakralkönigtum" im RGA Bd. 26, 2004, S. 179-320 (mit ausführlicher Literatur).
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Rande erforscht, ihre Bedeutung nur in wenigen Einzelfällen erschlossen. Es fehlt weitgehend das methodische Rüstzeug, mit dem eine ikonographischhermeneutische Auswertung der Bilder gelingen kann und mit dem darüber hinaus eine Erschließung der Bilder als Quellen für die Annäherung an gesellschaftliche Realitäten und Strukturen, und damit an historische Fakten gewonnen werden kann. Ohnehin sind die Schwierigkeiten bei der Deutung von Bildern ungleich größer als die gewiß ebenfalls nicht unwesentlichen Probleme der Hermeneutik von Texten. Denn im Falle der Bilder ist es noch wesentlich wichtiger als bei Texten, gutes Hintergrundwissen zu besitzen, um die ursprünglich gemeinte Aussage eines Bildes nachzuvollziehen zu können. Die Kenntnis eines weiten gesellschaftlich-weltanschaulichen Kontextes ist unerläßlich, um die richtige Botschaft eines Bildes zu verstehen. 6 Ein Beispiel: Das Kruzifix als bekanntestes und verbreitetes Kernsymbol der christlichen Religion ist naturgemäß unverständlich für einen Betrachter, der weder das Christentum, noch die biblische Geschichte von Jesus Christus, die Bedeutung seines Todes oder die damit verbundene frohe Botschaft für die Gläubigen kennt; allein aus der Darstellung, zumal einer gekürzten Darstellung wie etwa einem einfachen Kreuz ohne Gekreuzigten, ergibt sich diese vielschichtige Botschaft nicht. Dahingegen assoziiert ein Betrachter mit dem nötigen Hintergrundwissen beim Anblick eines Kruzifixes — bewußt oder unbewußt — die Vielzahl von Informationen und Bedeutungsebenen, die dem Bild innewohnen, und er rezipiert innerlich die Zusammenhänge, Hintergründe, Ideen und Botschaften des Bildes. So sind Bilder in der Lage, als Essenzen komplexer Geschichten und Ideen ihre Informationsvielfalt in kürzester Zeit zu vermitteln: auf einen einzigen Blick. Dies gilt insbesondere für Kernsymbole, das heißt vielfach auftretende Hauptelemente einer Bildersprache. Durch die Schnelligkeit der Informationsvermittlung bieten Bilder einen Vorteil gegenüber Texten, denn diese benötigen zur Vermittlung ähnlich komplexer Botschaften durch die Zeit, die mit ihrer Aufnahme durch Lesen verbracht werden muß sowie durch die notwendige explizite Bereitschaft des Empfängers, sich intensiv mit ihnen zu beschäftigen, eine höhere, bewußtere und länger aufzubringende Aufmerksamkeit. Die frühmittelalterlichen Menschen der Germania zogen offenbar die schnelle Wirkungskraft der Bilder den Möglichkeiten der schriftlichen Fixierung von Informationen und deren Übermittlung vor. Denn sie produzierten reichlich Bilder. Im archäologischen Fundspektrum finden sich Bilder auf Schmuckstücken, Gebrauchsgegenständen, Waffen und Möbeln, etwa als 6
Panofsky 1939, S. 11 f.; 1979, S. 217 f.; vgl. Wittkower 1979, S. 239 f.; Libman 1979, S. 305; Pacht 1979, S. 367.
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Gußarbeiten, Schnitzereien oder auch Malereien. Manchmal haben diese Bilder ornamentalen Charakter, manchmal sind es figürliche Darstellungen. Anders als in der modernen Kunstauffassung wurden jedoch keine Werke geschaffen, die auf dem persönlichen Geschmack einzelner Künstler beruhten. Bei weitem nicht alles, was die Welt an Motiven vorgab, galt als "bildwürdig". Es wurden nicht dauernd neue Motive erfunden oder Stile geschaffen, kaum gab es individuellen Ausdruck in der Kunst. Vielmehr war jeder Künstler ein gut ausgebildeter Teil einer Tradition, die hauptsächlich durch Kopierverfahren vorgegebene Darstellungen rezipierte und nur selten neue Anteile beisteuerte. Denn Kunst stand im Dienst höherer Werte und hatte bildhaft bestimmte Inhalte zu vermitteln. 7 Diese Auffassung von Bildkunst als Niederschlag religiöser Vorstellungen oder Weltanschauung läßt sich von der Antike bis in die frühe Neuzeit hinein verfolgen. Immer galten deshalb grundsätzlich eng definierte Parameter, innerhalb derer sich die Hersteller von neuen Bildern oder Objekten bewegten: Im Falle der völkerwanderungzeitlichen Kunst sind dies die ikonographischen Kriterien des sogenannten Tierstils I. Bilder hatten dieselbe Funktion wie (andernorts) Texte: Sie waren Träger von Botschaften. Auch in der Germania waren häufig wiederkehrende, standardisierte Bilder oder Bildmotive Chiffren oder Codes, die zumindest für Geschulte als Kürzel, eben als Kernsymbole und Essenzen komplexerer Hintergründe verstanden worden sind. Sie waren Ausdruck allgemeiner gesellschaftlicher oder religiöser Werte. Innerhalb der Gesellschaft bildeten sie konnektive Elemente und schufen Identität gegenüber anderen Kulturen. Dabei ist es erstaunlich, wie einheitlich die Kunst der damaligen Zeit über geographisch weite Teile der Germania hinweg erscheint. Die charakteristische Art der Darstellungen besonders in den sogenannten Tierstilen fand von Skandinavien im Norden bis Italien im Süden Verwendung. So ist es problemlos möglich, ein Produkt zum Beispiel des sogenannten Tierstil I als solches zu identifizieren und es damit der Germania der Völkerwanderungszeit zuzuordnen. Dagegen ist es aber kaum möglich, ein solches Stück, wenn es ohne Fundortangabe auftaucht, mit Sicherheit einer ganz bestimmten Herstellungsregion zuzuweisen. 8 Denn die Bilddarstellungen als solche zeigen grundsätzlich keine lokalen Besonderheiten. In Verbindung mit der "Kunsttheorie" ihrer Zeit läßt sich folgern, daß auch der ideelle Hintergrund, auf dem diese Darstellungen basierten, in den geographischen Räumen ihrer 7
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Vgl. Bialostocki 1979, S. 16 f., 20 ff., 30; Künstle 1979, S. 66 f., 73 f.; Appuhn 1985, S. 9; Mörschel 1991; Roth 1998, S. 356; Steuer 1999, S. 243; Pesch (im Druck); Pesch (in Druckvorbereitung). Nur selten ist durch Modelgleichheit oder die Verwendung derselben Punzen dieselbe Werkstattherkunft zweier Stücke erschließbar.
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Verbreitung ähnlich gewesen sein muß. Folgerungen aus diesen Überlegungen bieten Hinweise auf Aspekte eines sakralen Königtums, die nun anhand einer Beispielgattung zu erläutern sind. Zu den bekanntesten Bildträgern des völkerwanderungszeitlichen Nordens zählen die Goldbrakteaten (Abb. 1 bis 3).9
Abb. 1: Variationen der Beizeichen auf eng verwandten C-Formularen von verschiedenen Fundorten aus der Formularfamilic „Cl". In dieser Familie wechseln Kreuz und Swastika auf derselben Platzierung jeweils vor dem anthropomorphen Haupt (hier auf IK 267 bzw. IK 244). Bei einigen Formularen der Familie fehlen beide Zeichen, doch können auch neue Symbole auftauchen wie hier auf IK 199 die Spirale unter den Vorderläufen des Vierbeiners. Damit zeigen die Formulare jeweils bewußte Veränderungen des zugrundeliegenden Vorbildes, die bei den ansonsten recht genau durchgeführten Kopierprozessen im Rahmen ihrer Herstellung vorgenommen worden sind. Die Nummern entsprechen den Nummern der IK-Bändc (siehe Literaturverzeichnis). Fundorte: IK 199 Unbekannter Fundort-C; IK 267 Hammenhög-C, Schonen (Schweden); IK 244 Frcderikstad-C, 0stfold (Norwegen). Alle nach IK, hier 2:1.
Diese kleinen, aus dünner Goldfolie geprägten Anhänger tauchen als archäologische Bodenfunde in einem Gebiet auf, das von den heutigen Ländern Skandinaviens bis nach England und Frankreich im Westen, Süddeutschland und Ungarn im Süden sowie Russland im Osten reicht. Sie sind charakteristisch für die Völkerwanderungszeit in Südskandinavien, ihres Stamm- und Kerngebietes, aber sie wurden auch hergestellt in den sogenannten Ausstrahlungsgebieten dieser Region, in Ost- und Nordskandinavien, England, dem thüringischen Raum und Nord- und Mitteldeutschland, und zwar ungefähr von der Mitte des 5. bis zum zweiten Drittel des 6. Jahrhunderts. 10 Mit ihren Bilddarstellungen und Runeninschriften stellen die Brakteaten als authentische ''
Allgemein dazu die Bände des Ikonographischen Katalogs (IK); Arrhenius u. a. 1978;
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I-Iauck 1978; Axboe 1998. Axboe 2004, S. 260.
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Selbstzeugnisse der Germanen wichtigste Primärquellen dar, die uns Einblicke in ihre Epoche gewähren. Brakteaten werden im allgemeinen angesehen als Amulette, die ihren Trägern Gesundheit, den Beistand der Götter und Schutz vor Übel garantieren sollten. Dafür sprechen unter anderem die runischen Inschriften mancher Stücke, die sich als Beinamen von Göttern, als religiöse Formelwörter oder Termini des Opferkults deuten lassen.11 Damit gehören sie in die Sphäre der Glaubenswelt. Zunächst aber gehören sie in die Nähe der Oberschichten der damaligen Zeit. Diese Nähe ergibt sich aus verschiedenen Gründen: Zum einen wurden Brakteaten hergestellt an den sogenannten Zentralplätzen. 12 Diese multifunktionalen Plätze oder „Reichtumszentren" dienten gleichermaßen dem Handel, dem Handwerk und der religiösen Praxis und waren Zentren der Herrschaftskristallisation. Sie dominierten ein weiteres Umfeld. Zum anderen rückt das Herstellungsmaterial Gold, aus dem die Brakteaten in einem aufwendigen und komplizierten Verfahren angefertigt wurden, und damit der materielle Wert sie zu den Vertretern der Oberschicht. Auch ihre Fundumstände — entweder in besonders reichen Gräbern, in Edelmetallhorten oder auch innerhalb der Zentralorte, ja direkt in herrscherlichen Hallen beweisen, daß die Goldbrakteaten in besonderer Weise zu den Eliten gehörten bzw. von deren Repräsentanten getragen wurden. Sie dienten aber nicht nur als Schmuck oder als Amulette, sondern, weil sie als Geschenke ausgetauscht worden zu sein scheinen, offenbar auch als programmatisches Material, als „politisches Medium" der Oberschicht. 13 Die in der ikonographischen Kaiserbildnachfolge 14 entwickelten Brakteaten waren mit ihren Macht- und Heilszeichen 15 Kernsymbole der nördlichen Germania in der Völkerwanderungszeit. Doch wenn auch für heutige Betrachter bereits die Beschreibung mancher Bildelemente Schwierigkeiten macht und damit die Deutung der Bilder bereits
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Dazu Beck 2001; Beck, in Hauck 2001; Beck, in Beck und Hauck 2002; Heizmann (in Druckvorbereitung); RGA Bd. 3, 1978, S. 356 ff. (K.M. Nielsen). - Die runischen Formclwörter können übrigens ähnlich wie Bilder wirken, weil bei ihrem Anblick ebenfalls Assoziationsketten und Botschaftskomplexe auf den (kundigen) Leser übertragen werden. Möglicherweise liegt darin ein Grund für die Beliebtheit von Formelwörtern im skandinavischen Frühmittelalter, zum Beispiel auf den Goldbrakteaten. Dazu I lauck 1991; 1998a. Allgemein zu Zentralplätzen siehe auch Hauck 1987; Beek 1995; Brink 1996; Lundqvist 1996; Centrala Platsor, Ccntrala Frägor 1998; Kingdoms and Regionality 2001; Central Places in the Migration and Merovingian Periods 2002. Siehe dazu Hauck 1987b; Hauck 1994, S. 84; Andren 1991, S. 252 ff.; Koch 1999, S. 178 f.; Müller-Wille 1999 S. 11 f.; Pesch (in Druckvorbcreitung). Dazu IK 1, Einleitung, S. 11 f., 19; Axboe-Kromann 1992 (mit weiterer Literatur); Pesch 2002b, S. 44-50, 65. Zum Begriff „Heilszeichen" siehe Zeiß 1941; Steuer 1999; vgl. auch Pesch 2002b, S. 50; allgemein zu Beizeichen auf Brakteaten Behr 1991; 1992.
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auf einer prä-ikonographischen Stufe 16 zu enden scheint, lassen sich unabhängig davon, was diese Stücke nun genau zeigen, aus der Art ihrer Herstellung und Verbreitung Folgerungen für die gesellschaftliche Gliederung der nördlichen Germania ziehen. Brakteaten wurden aus dünnen Goldfolien mit Hilfe von Modeln, genauer gesagt mit Matrizen, hergestellt. 17 Bei dieser Prägetechnik bestand grundsätzlich die Möglichkeit, größere Serien modelgleicher Stücke herzustellen. Doch häufig wurden zur Herstellung neuer Brakteaten auch neue Model angefertigt. Dazu mußte ein Brakteatenbild, ein sogenanntes "Formular", von einem vorhandenen Brakteat oder einem Model kopiert werden. Dieser Vorgang konnte für verschiedene Regionen der Germania nachgewiesen werden, so daß eine zentrale Herstellung sämtlicher Brakteaten auszuschließen ist.18 Das kopiale Prinzip ist, wie oben bereits erwähnt, nicht ungewöhnlich, vielmehr basierte damals die gesamte Kunst auf der Rezeption und Vervielfältigung wichtiger Bilder, auf der Variation bekannter Vorlagen und damit auf Kopiervorgängen. Weil dies in Handarbeit geschah, zeigen die Kopien gewöhnlich Unterschiede gegenüber den Originalen (wobei im Nachhinein nur selten noch zu entscheiden ist, welches Stück einst Original war und welches Kopie). Außerdem konnten in einem gewissen Rahmen bewußte Änderungen vorgenommen werden: Insbesondere Kürzungen, das heißt Vereinfachungen einer ursprünglich komplexeren oder komplizierten Gesamtbildkonzeption spielen hier eine Rolle. Denn wenn auch die Rahmenvorgaben eng definiert und die Motive zum großen Teil vorgegeben gewesen sind, waren kleine Änderungen, wie ζ. B. die Hinzufügung eines Beizeichens, bei der Herstellung neuer Formulare offenbar erlaubt. Allerdings waren auch solche Elemente nicht genuine, spontane Neuschöpfungen der ausführenden Hersteller, sondern sie wurden einem allgemein bekannten 'Fundus' entnommen und genauso bewußt ausgewählt wie die Grundvorlagen. Dies zeigt sich daran, daß es trotz der enormen Vielfalt der allein über 600 bekannten Formulare auf ihnen nur sehr wenige völlig originäre Details gibt. Letztendlich sind alle Brakteaten ikonographisch miteinander verwandt. Doch trotz dieser Standardisierung zeigen sie Variationsbreiten, die vorwiegend zustande kommen durch die immer neue Kombination der zahlreichen Einzelelemente wie Haupt- und Nebenfiguren, Attribute, Nebenszenen oder durch Nebentiere, Beizeichen und Schriftelemente sowie auch durch deren jeweilige Ausführung (siehe beispielhaft Abb. 1). In der 16
Zu den Stufen der ikonographischen Analyse siehe Panofsky 1939, S. 6 f., 14 f.; Panofsky 1979, S. 210 f., 223; vgl. auch Hauck 1978, S. 362 f.; Forssmann 1979, S. 268 f.; Libman 1979, S. 304 f.; van Straaten 1989, S. 16 ff., S. 28, 31.
17
Axboe 2004, S. 1 f., mit älterer Literatur. Axboe 1981, S. 31-33, 38 ff., 35 f.; Axboe 2004, S. 197-201.
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leicht unterschiedlichen Ausführung der Herstellung neuer Brakteaten nach denselben Vorlagen bzw. in der unterschiedlichen Auswahl von Vorbildern wird eine gewisse Souveränität lokaler Hersteller sichtbar, ohne daß diese dabei den gemeinsamen, überregionalen Rahmen verlassen. Eine solche Variation, ständige Umgestaltung und Weiterentwicklung der Bilder ist der Spiegel einer lebendigen Tradition.
70 Abb. 2: Beispiel für eine Formularfamilie der C-Brakteaten, „C4", mit zwei Angehörigen: IK 70 Halsskov Overdrev-C, Seeland (Dänemark); IK 159 Sjöändan-C, Bohuslän (Schweden). Nach IK, hier 2:1.
Durch die Kopierprozesse entstanden Variationsgruppen eines Grundmotivs. Eine solche Variationsgruppe wird als "Formularfamilie" bezeichnet (Abb. 2-4). 19 Die Angehörigen von Formularfamilien variieren Details, die mit dem Grundmotiv, der Bildaussage oder dem Herstellungsprozeß nicht erklärt werden können. Somit darf es als gesichert gelten, daß die Stücke voneinander oder von einer gemeinsamen Vorlage abhängig sind. Eine vollständig unabhängige Entstehung voneinander in dem Sinne, daß zwei verschiedene Hersteller unabhängig voneinander auf ein nahezu identisches Motiv und vor allem auf dessen gleiche stilistische Detailausführung gekommen sind, kann ausgeschlossen werden. Aufgrund dieser Tatsache stellen Formularfamilien ein wichtiges Zeugnis dar für die frühmittelalterlichen Verbindungen, die zwischen ihren Fundorten bestanden haben müssen. Es können gemeinsame
19
Zur Definition der Formularfamilien siehe Pesch 2000, S. 69; 2002a, S. 58-65; 2002b, S. 39-42; 2004b, S. 297 f.; 2004a, S. 161. Vgl. auch Behr 1991, S. 27 f.; Behr 1992, S. 113 f.
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Kulturräume erschlossen werden, etwa durch das Auftreten einer bestimmten Formularfamilie in einem begrenzten Gebiet. 20 Die anhand der Formularfamilien nachgewiesene Standardisierung der Brakteatenbilder (wie übrigens auch die der Goldfolien) ist ausgesprochen eng definiert. Zur Verdeutlichung: Vorstellbar wäre eine Bildersprache, die zwar ebenfalls nur bestimmte Motivrepertoire bzw. Sujets als "bildwürdig" akzeptiert, aber doch diese Motive in verschiedenartiger Ausführung, in verschiedenen Detailelementanordnungen und immer neuen Variationen zuläßt, wie dies im Laufe der Geschichte verschiedentlich zu beobachten ist. Statt dessen ist zu diskutieren, ob nicht in der Normierung der Brakteatenbilder bereits ein Kanonisierungsphänomen sichtbar wird. 21 Kanonisierung als Vereinheitlichung einer zuvor gewachsenen, oft mehrgliedrigen Tradition, als Festlegung auf bestimmte Grundsätze in einer bestimmten Darbietungsform ist ein bisher hauptsächlich bei Texten erforschter Prozeß, der jedoch ebensogut bei Bildern gewirkt haben kann. Kanonisierung setzt eine allgemein akzeptierte Direktive voraus. Diese muß als Leitungsinstanz für die Entwicklung, Auswahl und allgemeine Durchsetzung der komplexen Systeme wirken 22 und überregional Anerkennung finden — sei es durch innere Anteilnahme aller Beteiligten oder durch Machtüberlegenheit eines Teils der Beteiligten. Ohne eine Direktive wäre die kopiale Verbreitung so identischer Bilder in weiten Teilen des frühmittelalterlichen Europas, wie sie die Formularfamilien der Goldbrakteaten zeigen, nicht denkbar. Diese Erkenntnis widerspricht in gewisser Weise Vorstellungen, die bisher für die Germania galten und die von der Existenz mehrerer eher unabhängiger Gemeinschaften, von gentilen Verbänden oder kleineren Gefolgschaften ausgingen. Doch wäre es in diesem Fall mehr als verwunderlich, daß nicht jeder der dortigen Kleinherrscher eigene Bildchiffrensysteme entwicklen ließ, seine eigenen, individuellen Zeichen, Symbole und Bilder schuf und damit auch individuelle Identitäten ermöglichte, die geeignet waren, ihn von seinen Nachbarn und Konkurrenten abzusetzen. Durch das Auftreten und die
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Vergleichbare Bildungen von Formularfamilien zeigen die Goldblechfigürchen (gubber), von denen die ersten zeitgleich mit den Brakteaten auftraten und die bis zur Wikingerzeit gefertigt wurden. Wie für die Brakteaten wurden auch für diese winzigen Stücke religiöse Funktionen erwogen, die vom Votivgold bis zur Deutung als sakrales Zahlungsmittel bzw. Tempelgeld reichen, dazu Watt 1991, S. 221-224; Watt 1999, S. 140; I-Iauck 1993, S. 411 f., 421, 465 f.; vgl. auch Beck 1995, S. 46, 53. Bei anderen Objektgruppen mit Bilddarstellungen, ζ. B. Waffen oder Bügelfibeln, ist diese Gruppierung weniger deutlich, die Variationsbreite der einzelnen Stücke ist größer.
21
Allgemein dazu Assmann 2000. Vgl. auch I-Iauck 1988b, S. 22, 39; Pesch 2004b, S. 298 f.
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Hauck 1987a, S. 176 f.
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Verbreitung der standardisierten Bilder23 wird im Gegenteil die Gemeinsamkeit aller diese Bilder Nutzenden und Verbreitenden betont. Gleichzeitig ist damit eine gleiche ideelle Basis der verschiedenen Verbände erschließbar. Die Kunst als Ausdruck der Weltanschauung spiegelt so bis heute die ideelle Gemeinschaft innerhalb der Germania.
Abb. 3: Beispiel für eine Formularfamilie der C-Braktcatcn, „C14". IK 55 Fjärestad/Gantofta, Schonen (Schweden); IK 152 Schonen (III)-C (Schweden); IK 185 Tjurkö (II)-C, Blekinge (Schweden); IK 578,1 Gadegärd, Bornholm (Dänemark). IK 578,1 nach Beck-Hauck 2002, S. 64 (Originalzeichnung: Lone Schölts Nielsen), die anderen nach IK, hier 2:1. Wie übrigens auch durch das Erscheinen der Runenschrift, die ebenfalls von Anfang an einheitlich und überregional verwendet wurde.
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Dies fuhrt zu der Frage, wer überhaupt die Möglichkeit hatte, Bilder zu konzipieren, das Interesse, diese dann als Vorlagen gewissermaßen zur allgemeinen Verbreitung durch Kopie freizugeben und darüber hinaus möglicherweise die Macht, andere, unerwünschte Bilder zu unterdrücken? Könnte eine größere Gruppe von Menschen damit beauftragt gewesen sein — etwa eine Priestergruppe mit regelmäßigen Treffen, vorstellbar etwa in der Art
Abb. 4: Brakteaten aus der bisher insgesamt neun Formulare umfassenden Formularfamlie „C2", die mehrfach einen geflochtenen Zopf am Hinterkopf der anthropomorphen Gestalt zeigen. IK 25 Bjornsholm-C, Jüdand (Dänemark); IK 58 Fünen (I)-C (Dänemark); IK 75,3 Südfünen-C (Dänemark); IK 142 Raum Randcrs-C, Jüdand (Dänemark); IK 300 Magiemose (III)-C, Seeland (Dänemark). Alle nach IK, hier 2:1.
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der keltischen Druidenversammlung, oder handelt es sich tatsächlich um die Person eines königlichen Herrschers? Vonnöten war eine Instanz, die für die Pflege und auch für die Deutung der kanonisierten Bilder zuständig gewesen ist. Beides sind natürlich Aufgaben der Oberschicht. Die Hersteller hochrangiger Objekte mit Bildern gehören sicherlich ebenfalls der Oberschicht an. Denn Bildkonzeption wie Bildkopie sind Elitearbeiten, weil als Vorraussetzung für die Anfertigung einer akzeptablen Kopie auf Seiten des ausführenden Künsders eine profunde Kenntnis über das zugrundeliegende Vorbild existieren muß: Für die Konzeption und Anfertigung eines technisch und ikonographisch so komplizierten und kostbaren Gegenstandes, wie es etwa ein Goldbrakteat ist, ist es notwendig, den Bedeutungshintergrund der Bilder genauso zu kennen wie bereits vorhandene Bilddarstellungen des Themas selbst. Darüber hinaus müssen auch die möglichen Techniken der Ausführung geläufig sein: Kenntnisse also, die sich nicht jeder beliebige Dorfschmied kurzfristig aneignen konnte. Hier waren Spezialisten mit hoher Mehrfachqualifikation und sehr guter Ausbildung gefordert. 24 Die Kenntnis der weltanschaulichen Grundlagen, das Studium der vorhandenen Bildwelt, die Auswahl bestimmter Elemente daraus sowie die Umsetzung der Gesamtidee in neue, handwerklich/technisch anspruchsvollste Objekte machten diese Spezialisten aus.25 Doch die Kanonisierung der Brakteatenbilder war nicht vollkommen, nicht absolut. 26 Statt dessen wird in der regional leicht unterschiedlichen Ausführung der Herstellung neuer Brakteaten nach denselben Vorlagen bzw. in der unterschiedlichen Auswahl von Vorbildern eine gewisse Souveränität der örtlichen Hersteller sichtbar, 27 ohne daß diese dabei den gemeinsamen Rahmen des Kanons verlassen. Dieser Spielraum kann als Indiz genommen werden dafür, daß die lokalen Herrscher bzw. die Oberschicht in den einzelnen Zentralorten größere Freiheit in oder auch persönlichen Anteil an dem überregionalen Direktivensystem hatten, statt diesem generell abhängig unterstellt gewesen zu sein. Gleichzeitig läßt dies vermuten, daß noch keiner der Zentralorte eine derart herausragende Stellung gegenüber den anderen eingenommen hatte, daß allein seine Bildchiffren als Spiegel seiner Herrschaft
24 25
Ausführlicher dazu Pesch (im Druck); siehe auch Arrhcnius 1998. Nicht zufällig gibt es wohl so viele Mythen oder Sagen, in denen Königssöhne als Goldschmiede arbeiten.
26
Leicht hätten die Hersteller völlig identische Bilder zentral herstellen und dann verbreiten können, etwa in der Art römischer Goldmünzen oder Medaillons. Sich die entsprechende Technologie anzueigenen, wäre ihnen sicherlich im Hinblick auf die Übernahme wesentlich komplizierterer Techniken gut möglich gewesen.
27
Pesch 2000, S. 80; Pesch 2002a, S. 65, 76 f.
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Verbreitung gefunden hätten. Damit ist es auch fraglich, ob es tatsächlich die Person eines überregionalen Herrschers, eines Königs, bzw. die Institution eines dauerhaft etablierten Königtums gegeben hat. Als Kandidat für die Position eines Ortes, der mit seinen Eliten als "primus inter pares" fungiert haben könnte, bietet sich allerdings besonders das fünische Gudme/LundeborgGebiet an, das sich als früher Zentralplatz mit hoher Ausstrahlungskraft auch in der Entwicklung eigener, besonders qualitätvoller Brakteaten-Formularfamilien darstellt.28 Die aktive Rezeption von Goldbrakteaten durch die kopiale Herstellung neuer Stücke in den einzelnen Zentralorten beweist, daß es engste Kontakte von Repräsentanten aus den Eliten dieser verschiedenen Zentralorte gegeben haben muß. 29 Wahrscheinlich traf man sich regelmäßig zu Versammlungen, seien dies die kalendarischen Kultfeste gewesen oder auch regelmäßige Treffen, etwa Dingversammlungen, wie wir dies aus späterer Zeit gut kennen. Die übrigens unerwartet rasche, man kann sagen explosionsartige Verbreitung von bestimmten Bildchiffren in der Germania 30 zeugt für einen intensiven, fast schon permanenten Austausch. Damit ist auch der Grad an Struktur und Organisation innerhalb der völkerwanderungszeitlichen Gedächtniskultur des Nordens erschließbar, ein Grad immerhin, der in diesem Maße nicht zu erwarten war. Bedeutsamer Weise läßt sich nicht erkennen, daß alle Vorlagen, alle Zeichen, sich auf eine bestimmte Herstellungsregion und damit auf einen Zentralplatz mit seiner örtlichen Aristokratie zurückführen lassen. Zwar gibt es Plätze, die offenbar eine hohe Ausstrahlungskraft besaßen und viele Vorlagen lieferten; so ist etwa das Gudme-Lundeborg-Gebiet als frühes Zentrum ein überaus wichtiger Expansionsort von Bildvorlagen gewesen. Aber daneben kamen auch aus anderen Orten — ζ. B. dem schwedischen Uppäkra oder auch von norddeutschen Zentralplätzen — immer wieder neue Impulse. Nimmt man die Konzeption von Bildchiffren auf Goldbrakteaten als Spiegel für die politische Macht insgesamt, dann läßt sich daran erkennen, daß in der Völkerwanderungszeit noch keiner der Zentralplätze eine führende Position gegenüber allen anderen innehatte. Vielmehr agierten mehrere Zentralplätze souverän, wenn sie auch alle einen gemeinsamen Rahmen, die gemeinsame Direktive, akzeptierten. Den spezifischen Bildern als Repräsentanten ihrer Wertvorstellungen in bildhafter Form fühlten sich alle gemeinsam verpflich28
Vgl. Beck 1995; I lauck 1987a, S. 176 f.; Hauck 1987b; Hedcager 1992, S. 289; Pesch 2002a, bes. S. 65; Pesch 2004b, S. 298 f.; Pesch (in Druckvorbereitung). - Ein solcher lokaler Herrscher ist möglicherweise bei Tacitus (Germ. c. 10) als rex velprineeps avitatis benannt.
29
Vgl. dazu die Ausführungen zur Bedeutung der Thingversammlung unter "Orts- und Hofnamen", § 12, in RGA Bd. 22, 2003, S. 292 ff. (Th. Andersson).
30
Dazu auch von Carnap-Bornheim 1998.
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tet, keiner verließ dieses überregionale System der Bildchiffren. Hier ist eine modern anmutende Netz Werkstruktur zwischen den Zentralorten mit den örtlichen Eliten erschließbar, eine weiträumig organisierte und hochkomplexe Gesellschaft. Nachdem mit Hilfe der Verbreitung von bestimmten Bilddarstellungen eine überregionale Organisationsstruktur in praktisch der gesamten völkerwanderungszeitlichen Germania erschlossen werden konnte, ist nun auch die Frage nach der inneren Legitimation dieses System zu stellen. Dabei ist insbesondere von Interesse, ob Aspekte sakraler Herrschaft zu bemerken sind. Auch dazu bieten die Goldbrakteaten wichtige Anhaltspunkte, da sie von den Eliten als vielleicht wichtigstes Medium der Selbstdarstellung und als programmatisches Material genutzt wurden. Daher kann das Verständnis der Bilddarstellungen mit ihrer gemeinten Aussage gewiß zur Klärung dieser Frage beitragen. Zuerst läßt sich feststellen, daß auf den Brakteaten nicht bestimmte Herrscherpersönlichkeiten dargestellt sind. Kennzeichen oder Attribute, die auf individuelle Personen schließen ließen, fehlen. Die einzelnen Herrscher verbreiteten also nicht primär ihre eigenen, individuellen Abbilder, wie dies zum Beispiel auf den Aversen der römischen Vorbildmünzen der Fall gewesen ist. Daher können die Gestalten auf den Brakteaten nur ideelle Personen darstellen. Deren genauer Identifizierung stehen die bereits genannten Probleme im Wege, die bedingt sind durch das Fehlen anerkannter Methoden für die Deutung dieser speziellen Kunst. Erst die interdisziplinäre Brakteatenforschung hat in den letzten Jahrzehnten wichtige Schritte auf dem Weg zur Entschlüsselung der wichtigsten Bildchiffren getan. 31 Im Rahmen der Forschungen insbesondere von Karl Hauck konnten durch die Übernahme der Kontextikonographie als Methode wichtige Erkenntnisse zu den ikonographischen Inhalten der Brakteaten gewonnen werden. Dazu gehört die grundlegende Einsicht, daß es sich bei den dargestellten Figuren um Göttergestalten und ihre Gegenspieler, das heißt dämonische Wesen, handelt. In der ikonographischen Nachfolge spätantiker Bildchiffren, insbesondere von Kaiserbildern, Götterbildern und Heilszeichen, stellten die Germanen auf den Brakteaten Aspekte ihrer eigenen Weltanschauung dar. Als Attribut der abgebildeten Hauptgestalt zeigen fünische Stücke häufig einen geflochtenen Haarzopf (Abb. 4). Dieser gilt als Merkmal germanischen Königtums und damit als Herrschaftsinsignie genau wie das weiter verbreitete Diadem als Echoform der spätantiken Kaiserdiademe. 32 Es sind Attribute weltlicher Herrschaft, wie sie real bei Angehörigen der Zentralort-Oberschichten zu suchen sind. Auf den Brakteaten diente diese Chiffre überhöht 31
Zur Methode Hauck 1978, S. 362 f.; Hauck 1986.
32
Hauck 1980, S. 608; Hauck 1987a, S. 176 f.; Hauck 1987b, S. 156-160.
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zur Kennzeichnung göttlicher Herrschaft. Denn gleichzeitig ist die Hauptgestalt auf solchen wie auch anderen Formularen charakterisiert mit Bildchiffren der magischen Heilung, der Ekstase sowie anderer übernatürlicher Fähigkeiten, die sie als Zauberpriester und Arzt auszeichnen. 33 Die Verbindung dieser Elemente ist typisch für den germanischen Hauptgott Odin (Wodan), der in dieser Weise als Götterfürst und Magier auch in späterer Textüberlieferung entgegentritt 34 und dessen wichtige Rolle bereits im 3./4. Jahrhundert durch die Übertragung der lateinischen Wochengötternamen in der Germania belegt ist. Durch das Zeugnis der Goldbrakteaten wird ersichtlich, daß zur Legitimation der Herrschaft die Götterbilder geschaffen wurden. Dies ist zumindest einer der Aspekte, die für die Diskussion um das sakrale Königtum von Bedeutung sind. Möglich ist, daß sich die jeweiligen Herrscher als irdische Repräsentanten der himmlischen Mächte sahen oder als Nachfahren der dargestellten Götter, die — wie auch aus späterer Textüberlieferung bekannt — oftmals als Spitzenahne von Dynastien fungierten. 35 Ob diese Herrscher sich vielleicht sogar selbst aus einer Priestergruppe und nicht aus einer weltlichen Elite rekrutierten, ist nicht sicher, doch hatten sie den Kult an sich gebunden. 36 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die frühmittelalterliche Bildkultur der nördlichen Germania eine überregional organisierte, weiträumig ausstrahlende Gesellschaft war. Ihre Weltanschauung fand Ausdruck in ihrer Bildersprache, die sich — anders als beispielsweise ihre Rituale - bis heute zumindest fragmentarisch erhalten hat. In den Zonen der kopialen Verbreitung solcher Bilder ist ein zusammengehöriger Kulturraum erschließbar, der sich bewußt von den südlichen und westlichen Staatenbildungen absetzte und — als denen gegenüber eher schriftlose Gesellschaft, eben als Gedächtniskultur — Ausdruck und Identitätsspiegel in Bildern fand. »
Hauck 1980, S. 608; Hauck 2001, S. 109 ff.
«
Allgemein dazu siehe RGA Bd. 26, 2004, "Sakralkönigtum", § 23, S. 299-304 (H. Beck); Norr 1998; Green 1998; Kraft 1999; Sundqvist 2002. Einführend dazu RGA Bd. 1, 1973, "Abstammungstraditionen" (O. Höficr), S. 18-29; siehe auch Sundqvist 2002. - Noch zur Zeit Ansgars wurden die Götter als ewige Besitzer des Landes gesehen, dazu kurz RGA Bd. 26, 2004, "Sakralkönigtum", S. 291 (O. Sundqvist); vgl. auch den Beitrag von Ritz-Müller in diesem Band. Für einige besonders rciche Brakteatenhorte wurde nach ihrer Rekonstruktion zu Kolliers die Möglichkeit erwogen, es habe sich um Oberpriester-Insignien gehandelt, dazu kurz IK Bd. 1, Einleitung, S. 11 f. (K. Hauck); Hauck 1998a, S. 29 f, 54. Grundlegend zur Existenz von Priesterinnen und Priestern siehe Sundqvist 1999; Sundqvist 2002; RGA Bd. 23, 2003, S. 424-435 (O. Sundqvist). — Zur universellen Religiosität früher Gesellschaften und zur kosmologischen Fundierung von Herrschaft siehe Dux, in diesem Band.
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Mit den multifunktionalen Zentralorten und deren netzwerkartiger Organisationsstruktur befanden sich die germanischen Völker auf dem Wege zu einer zentral organisierten Staatlichkeit. Wenn sich diese im Norden auch erst später dauerhaft etablierte und die Weichen zur Bildung der heutigen Staaten erst in der Wikingerzeit und dem Mittelalter gestellt wurden, ist doch schon in der Völkerwanderungszeit eine weiträumige Organisation mit überregionalen Werten und Direktiven erkennbar, die über gentile Verbände oder einzelne Gefolgschaften weit hinausgeht. Die damaligen Oberschichten stellten sich dar mit Hilfe spezieller Bilder, die bemerkenswerterweise keine individuellen Darstellungen oder auch Namen bestimmter Herrscher, Kultvorsteher oder Könige verbreiteten. Statt dessen wurden als offizielles beziehungsweise programmatisches Material die Goldbrakteaten mit ihren Götterdarstellungen hergestellt. Diese wurden dann durch Kopierprozesse weiterverbreitet. Offenbar war weniger eine bestimmte Herrscherpersönlichkeit als Identifikationsgrundlage für den Zusammenhalt der Kultur bedeutsam, sondern sakrale Darstellungen und Texte auf den Goldbrakteaten bildeten die identitätsstiftenden und konnektiven Elemente. Festzuhalten ist daher zweierlei: Erstens, daß es im völkerwanderungszeitlichen Norden Konsolidierungen überregionaler Herrschaftsstrukturen gab, die durchaus als frühes Königtum bezeichnet werden dürfen — wenn auch die Namen und Taten der Herrscher bzw. Herrscherinnen aufgrund fehlender Schriftüberlieferung verloren sind. Und zweitens, daß sich für diese Herrschaftsstrukturen als eine Form ihrer Legitimation mit Hilfe der Bilder sakrale Aspekte erschließen lassen.
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Das frühmittelalterliche Königtum - RGA-Ii Band 49 - Seiten 87-124 © Copyright 2005 Walter de Gruyter • Berlin • New York
Aspects of rulership ideology in Early Scandinavia — with particular references to the skaldic poem Ynglingatal b y O L O F SUNDQVIST
1. Introduction In earlier stages of the history of religions it was argued that the pre-Christian Scandinavians had a religiously legitimated kingship. This discussion was connected to a specific trans-cultural category and theory called "the sacral kingship". 1 This implied that in ancient agrarian societies the king's authority was built on specific religious elements. The king was regarded as divine or as an offspring of the gods. He possessed supernatural powers and controlled the fate of the world. He was also considered to be the spouse of the fertility goddess and acted as a high priest within rituals. The ritual slaying of the king was among other things an expedient in order to attain prosperity. Scholars stated that these features were visible in the Scandinavian traditions surrounding the royal family called the Ynglingar. There was a wide consensus that the ancient Svear had a sacral kingship with a centre in Uppsala. 2 When Walter Baetke published his work Yngvi und die Ynglinger in 1964, this entire issue was reconsidered. Employing a radical source criticism, Baetke argued that the fundaThis theory was founded by James G. Frazer, The Golden Bough. A Study in Comparative Religion. Vol. I—II. London 1890. Cf. A. M. Hocart, Kingship. Oxford-London 1927. For a more thorough account on and references to the theory, see Sundqvist 2002, pp. 18 ff. and Franz-Reiner Erkens in this volume. Cf. e. g. Henrik Schück, Studier i nordisk litteratur- och religionshistona. Vol. H I . Stockholm 1904, passim. Otto von Friesen, Har det nordiska kungadömet sakralt ursprung? lin ordhistorisk utredning. In: Saga och Sed. Gustav Adolfs Akademiens Arsbok. Uppsala 1932-34, pp. 15-34; Ivar Lindquist, Kungadömet i hednatidens Sverige. In: Arkiv for Nordisk Filologi 58, 1944, pp. 221-234; Ake V. Ström, The King God and his Connection with Sacrifice in Old Norse Religion. In: La Regalitä Sacra. Leiden 1959, pp. 702-715; F. Ström 1954. By the tribe name Svear, I mean the people who inhabited the area Svetjud (ON SvtpjöS), i. e. ancient Sweden (fig. 1). It is uncertain when this tribe was gathered as a political unit and to what geographical extent this area involved. For a recent treatment, see Birgit Arrhenius, Det forntida Sveariket — myt cller en arkeologisk rcalitet. In: Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien. Arsbok 2004. Stockholm 2004, pp. 203227. Thorsten Andersson, Svethiudh, det svenska rikets kärna. In: Namn och Bygd 92, 2004, pp. 5-18.
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mental features of the sacral theory were not visible in the reliable primary sources. They could only be seen in the uncertain medieval Icelandic saga literature. This point of view was not accepted by all, however. Folke Ström, for instance, stated that a sacral ideology could be seen in the skaldic poem Ynglingatal, which among his contemporaries was considered to be preChristian. 3 Thus, the sacral theory was maintained among certain scholars. 4 In 1991 the Norwegian historian Claus Krag published his dissertation Ynglingatal og Ynglingesaga, where he questioned the traditional dating of Ynglingatal and argued that this poem was young and should be dated to the 12th century.5 He also stated that the content of the poem never originated from Eastern Scandinavia. It was built on traditions circulating in 12th century Norway. Hence this poem mostly lost its relevance as a source for a pre-Christian sacral kingship in Svetjud. As Ynglingatal is considered to be one of the most important sources for establishing a Scandinavian sacral kingship, this criticism must represent a threat for those supporting the theory. The question is whether the arguments it has been based on are tenable and valid. I will therefore examine some of Krag's arguments and discuss the source value of Ynglingatal as regards the religious and political conditions in ancient Svetjud. Thereafter I will illuminate some aspects of rulership ideology discernible in this poem. Since the narratives in Ynglingatal are fragmentary and ambiguous, the poem will be analyzed with a focus on certain attributes expressed in metaphors called kenningar or heiti, particularly those associated with religion. In order to create contexts for these expressions in Ynglingatal, the documentation will be widened to other primary and secondary sources referring to the Svea rulers and the ancient Scandinavian religion, such as place names, archaeological finds, runic inscriptions and Old Norse and ecclesiastic literature. I will first summarize and then compare the religio-political structure of the Svear as found in Ynglingatal with the aspects of rulership ideology attested in some skaldic poems referring to Earl Hakon of Lade, who lived in 10th century Trondelag, Norway (fig. 1). In this section I will discuss whether the religious rulership ideology was homogeneous throughout Scandinavia during Late Iron Age (c. 500-1100 AD). My thesis is that the topic of rulers and religion in Early Scandinavia always must be studied so as to be able to account for the
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Ε Ström 1968. Ε. g. Ake V. Ström, Germanische Religion. In: Germanische und Baltische Religion. Die Religionen der Menschheit, Band 19, 1, Stuttgart-Bcrlin-Köln-Mainz 1975, pp. 266 ff,; R Ström 1983; Stcinsland 1991. Similar opinions have been put forward by e. g. Sophus Bugge, Bidrag til den /Kldste Skaldedigtnings Historie. Christiania 1894, pp. 108-153; Gustav Neckel, Beiträge zur Eddaforschung. Mit Excursen zur Heldensage. Dortmund 1908, pp. 389-421.
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specific historical contexts. First of all, however, we may turn to the dating of the Ynglingatal and the origin of the traditions from which it derives.
2. Ynglingatal Ynglingatal has been preserved to the present via Snorri Sturluson's prose text Ynglinga saga (c. 1230), where it is quoted. 6 According to Snorri, it was composed by Tjodolf of Hvin, who was Harald Finehair's skald sometime towards the end of the 9th century.7 It is a genealogical poem composed in his native tongue, and recounts the reigns of twenty-nine rulers from the Swedish-Norwegian royal Ynglinga-family. This poem was composed in honour of King Rognvald, a minor ruler in Vestfold, Norway (fig. 1), son of Olaf Geirstadaalf and a relative of King Harald. The name Ynglingar is not attested in the poem, but does not occur before Ari's list of this family (Jangfedga Ynglinga) in Islendingabok, dated to c. 1130.8 Ynglingatal has twenty-seven stanzas. Each stanza shortly describes the deaths, burials and sometimes burial-places of the kings. The introductory eight stanzas concern mythical and heroic kings. There are then thirteen stanzas on legendary Svea kings. Finally, the last six stanzas describe six possibly historical Norwegian kings.
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There are three major witnesses of Ynglinga saga. Two of them are later copies of the medieval parchment codices Kringla and Jpfraskinna. (1) Κ - AM 35 fol. is a copy of Kringla, made by Asgeir Jonsson c. 1700 and provided with corrections made by Ami Magnusson. (2) J1 - Manuscript AM 37 fol. is the oldest and best copy of Jpfraskinna, unfortunately defective, made by Bishop Jens Nielssön (c. 1567—68). J2 - AM 38 fol. is a copy of Jpfraskinna made by Asgeir Jonsson 1698. (3) F — Codex Frisianus, AM 45 fol., was written by an Icelander c. 1325. Cf. Noreen 1925, pp. 195-197; Wessen 1964, pp. v vii. References from both Ynglingatal and Ynglinga saga are cited from Bjarni Aöalbjarnarson's edition of Heimskringla I in Isl. Fornr. 26. The numbering of the stanzas in Ynglingatal is taken from Noreen's edition. Ynglinga saga, Isl. Fornr. 26, p. 4. Isl. Fornr. 1, pp. 27 f.
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2.1 The dating of the poem It has been commonly held since 1939 (when Walter Akerlund published his work Studier over Ynglingatal) that Snorri's information concerning the dating of Ynglingatal is reasonable, i.e. c. 900. Äkerlund argued that the linguistic shape of the poem was ancient, as well as the prosody and the syntax. He supported
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his theory with historical and archaeological arguments as well. The finds discovered in Uppsala, Vendel and in Borre, for instance, indicated an early dating of the poem. This dating was, however, challenged by Claus Krag. He claimed that not only the poem but the entire tradition concerning the Ynglingar had to be dated to the 12th century, since it contained Christian values and ideas. For instance, the two kennings of fire in the poem, scevar nibr; "the relative of sea" (st. 4) and Fornjots sonr, "Forniot's [the earth's] son" (st. 21) presuppose Christian medieval teaching on the four elements. This doctrine of Empedocles was disseminated in Christian Europe through Bede's commentary on the Bible and a Latin translation of Plato's Timaeus. The poem must have been composed after this doctrine had become known in Scandinavia approximately the 12th century. 9 Krag also argued that Ynglingatal's st. 13, concerning King Aun, reflects the influence of interpretatio Christiana. According to him, the content of this stanza resembles Snorri's information that Aun made a pact or treaty with Odin, whereby the king offered a son to the god in order to live ten more years. This could not be a pre-Christian cult practice, but instead reflects the Christian view of Odin as the "devil". When Snorri calls Aun vitr mabr ok blotmabr mikill,\ i.e. that he was very skilled in magic and a great sacrificer, it displays a Christian view of the story. 10 In my opinion, Krag's arguments are not convincing. Ideas about the relations of the different elements to each other could very well have already been part of the existing culture of pre-Christian people in Scandinavia, as elsewhere. There are expressions similar to scevar nibr in Vedic literature.11 The Indie fire-god Agni is sometimes called apäm napät "the child of water". 12 Perhaps this is an ancient formula connected to a fire god among those people who spoke Indo-European languages. 13 Thus it could not be used as an argument indicating an anachronism in Ynglingatal. The argument concerning interpretatio Christiana is also doubtful. For instance, Krag misinterprets the Aun stanza by introducing ideas into the poem that belong to Snorri's prose. The « 10
Krag 1991, pp. 47-67. Ynglinga saga, Isl. Fornr. 26, p. 47; Krag 1991, pp. 67-70. Cf. Walter Baetke, Christliches Lehngut in der Sagareligion. Das Svoldr-Problem. Zwei Beiträge zur Sagakritik (= Berichte über die Verhandlungen der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historischc Klasse. Band 98. Heft 6). Berlin 1951, p. 37.
11
Cf. Wolfgang Krause, Die Kenning als typische Stilfigur der germanischen und keltischen Dichtersprache (= Schriften der Königsberger gelehrten Gesellschaft. 7. Jahr. Geisteswissenschaftliche Klasse. Heft 1). Halle (Saale) 1930, p. 17. Cf. Bjarni Fidjcstol, Anmeldelse Claus Krag 1991. In: Maal og Minne (1994:3-4), p. 195; Dillmann 2000, p. 108; Sundqvist 2002, p. 44.
12
Hermann Oldenberg, Die Religion des Veda. Darmstadt 1970 (1917), pp. 117 ff. Cf. Fran^oise Bader, An I. E. Myth of Immersion-Emergence. In: The Journal of IndoEuropean Studies XIV, 1986, pp. 39-123; Dillmann 2000, p. 108.
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poem only says that Aun was very old and that he was forced to drink from the top of the drinking-horn as a child. The kenning gttunga ijodr, "the one who makes his relatives red" (st. 13), might not refer to Aun the sacrificer of his own sons, but could rather reflect a bloody struggle for power within the royal family. The expression vitr mabr ok blotmabr mikill in Ynglinga saga, further, must not be interpreted as a characterization of Aun as a "devil-worshiper". It is uncertain whether the adjective ON vitr may be interpreted as 'skilled in magic', and regarded as synonymous to ON fjglkunmgr as suggested by Krag. 14 ON vitr connotes only 'wise'. 15 That Aun was expected to be wise, and a great sacrificer, is actually not incompatible with a pre-Christian setting.16 These attributes are related to pagan rulers in sources transmitting authentic evidence as well. According to Krag, the close similarities in content between the poem and the prose traditions provide a substantial argument for a late dating.17 There are, however, several differences. 18 The poem lacks the mythical-historical background which records the euhemerized gods' emigration from Asia to Scandinavia. 19 In, for instance, Ynglinga saga the y£sir originally lived in Asia. As in Livy's description of iEneas and his noble family, 20 the Scandinavian gods were driven from their Trojan homeland out into the world to find new homes. Odin, for instance, setded in Sigtuna, Svetjud. 21 Even Ari knew this myth of origin, and calls the divine heros eponymus Yngvi Tyrkjakonungr.,22 Not until the Middle Ages were these speculations added to the sources about the Ynglingar, i.e. Islendingabok and Ynglinga saga. Obviously they were built on literary topoi belonging to the medieval culture stemming from classical sources, such as Euhemeros and Livy. In Ynglinga saga we often meet with text materials that do not appear in the poem. In ch. 43 it says that Olof the Woodcutter was sacrificed to Odin. It is probable that this idea was invented by Snorri or other medieval transmit14
Krag 1991, p. 69.
15
Fritzner 1954 (1883-1896). I must fully agree with Fran ? ois-Xavier Dillmann (2000, p. 109) when stating: "il est certainement abusif d'interpreter l'epithete noroise vitr ('sense', 'sage', 'intelligent') dans le sens voulu par M. Krag." Krag argues further that, behind the first kings in the genealogy, there are hidden mythical beings which have been interpreted in a euhemeristic manner. This argument may also be contested, sec Sundqvist 2002, p. 44.
lf>
Cf. Dillmann 2000.
17
Krag 1991, p. 96. Krag is at least aware of some differences. Krag 1991, p. 101.
18
" 20 21 22
Sundqvist 2002, pp. 149 ff. Livy, Historia 1.1; 1.3. Ynglinga saga, Isl. Fornr. 26, pp. 11-25. islendingabok, Isl. Fornr. 1, p. 27.
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ters of the traditions.23 Ynglingatal st. 21 just says that the wolf of the house (i.e. the fire) swallowed OloPs body by the lake.24 Historia Norwegian mendons that Olof reigned peacefully in Swethia and that he died when he was very old.25 There are several similar examples where Ynglinga saga has been embellished by elements lacking in Ynglingatal. Snorri misinterprets several appellations in the poem and regards them as place-names. 26 In my opinion, all these differences and misinterpretations indicate that there were interpretative prose elements added to the poem during the several centuries of its oral transmission. If Ynglingatal originated in the 12th century and is deliberately archaic in character, as Krag suggests, why does the poem not incorporate Halfdan the Black, brother to the Olaf Geirstadaalf mentioned in Ynglingatal, or his son Harald Finehair at the end of the genealogy? Why does it end with the unknown Rognvald, who is not mentioned in other sources? 27 This position, at the very bottom of the list, is usually regarded as a "key position" in genealogies. Harald Finehair would surely have been thought more suitable for this position by the 12th century genealogists. 28 There is thus no reason to abandon the traditional dating of Ynglingatal. The formalistic language of the poem, its metre and its important content, could have allowed it to retain its original shape for centuries. Snorri's attitude towards old poetry makes it difficult to imagine his attributing a poem from the 12th century — whose creator would have been known to all educated contemporary Icelanders — to a 9th century skald.
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Baetke 1964, p. 66, note 3.
24
Ok vil vag,/ hinns vidiar .../ hrcc Olafs/ hofgyltSir svalg. In this ease I prefer to quote Wesscn's text. Wessen 1964, pp. 46, 73. I think the reading of K, hofgyldir, is better in this case than J2's reading, glgylöir. Cf. Noreen 1925, pp. 206, 245; Akerlund 1939, p. 110. Ejus films Olavus cognomento treteIgia diu et paäfice functus regno plenus dierum obiit in Swethia. Historia Norwegian. Ed. Storm, p. 102.
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E. g. steinn in st. 2 , p a s t stein ... ept dvergi hljop, is considered by Snorri to be the name of a farm, Steinn, in Svetjud. Ynglinga saga, Isl. Fornr. 26, pp. 27 f.; Lindqvist 1936, pp. 315317. Norr 1998, pp. 104 f. Krag (1991, p. 166) argues that only the Rognvald stanza in Ynglingatal was composed by Tjodolf during the 9 th century. Tjodolf was connected with the Vestfold kings Olaf Geirstadaalf and Rognvald. l i e wished to praise these kings, not the kings of Oppland as represented by Halfdan the Black and Harald.
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Olof Sundqvist
2.2 The origin of the Ynglinga-traditions The question of Ynglingatal's background is very important. Ynglingatal can only be used as a primary source for the rulers of the Svear if it is based on traditions with an eastern Scandinavian origin. Krag thinks, however, that these traditions originated elsewhere. 29 He argues that most of the content in Ynglingatal was built on late Western Scandinavian traditions, i.e. the same traditions which also formed the unreliable fornaldarsögur. According to him, the connection between the name Ynglingar and the Uppsala dynasty was nothing more than a 12th century construction. Tjodolf probably composed Ynglingatal somewhere in Vestfold, Southern Norway (fig. 1). In all likelihood he knew of vital traditions about the five or six last generations of Norwegian rulers. This part of the poem has a partly historical background. It has been argued that the link between the rulers of the Svear and the Norwegian rulers is not historical. 30 By connecting the Norwegian pedigree to the well-known and famous Uppsala dynasty, Tjodolf was able to glorify the petty rulers of Vestfold. At any rate, he seems to have had access to older traditions about the Ynglingar when he composed the poem. In what follows, the arguments for this and for an eastern origin of these traditions are set out. Elias Wessen referred to the names in Ynglingatal, which reflected Upplandic conditions, as support for the eastern origin of the Ynglinga-traditions. Personal names with Ing-, Ingi-, equivalents of ON Yngvi, e.g. in st. 7, were more common in eastern Scandinavia than in Norway during this period. 31 They appeared especially in the realm of the Svear. Lars Hellberg has proposed that there is a group of place-names in the Mälar region (Sweden), Ingeby (four places), Ingespjuta and Ingeberga, which can be associated with the names Ynglingar and Yngvi. These place-names have as a first element OSw inge < *ingi. According to him, this element is derived from a designation *ingvi (linguistically speaking the eastern Scandinavian equivalent of ON personal name Yngvi) which was regarded as the Svea ruler's honorific. 32 He was the
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31 32
Krag 1991, pp. 219 f. Cf. also Baetke 1964, pp. 125-139. Baetke 1964, pp. 72-85; Faulkes 1978-79, p. 97; Turville-Petre 1978-79, pp. 52 f. Recently it has been noticed, however, that grave good in "Ottarshögen", Vendel parish, indicate a connection between Norwegian chieftains and the royal kin of the Svear. Birgit Arrhenius, Ottarshögen och järnälderskolonisationen i Vendel. In: Current issues in Nordic Archeology. Proceedings of the 21st Conference of Nordic Archeologists, 6-9 September 2001, Akureyri Iceland. Ed. Garöar Guömundsson. Reykjavik 2004, pp. 37-41. Wessen 1924, pp. 59, 64-67. In Ynglinga saga 10 and 17 Snorri writes: "Frcyr was also called Yngvi. The name of Yngvi was for a long time afterwards kept in his line as a honour-name (tignarnafn). Iiis
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ingvion and a descendant of the mythical *Ing (OSw *Ingifr0, ON Yngvifreyr). A place-name such as Ingebj in Södermanland should thus be interpreted as "'the hamlet' belonging to the Svea-king". 33 Perhaps a boundary mark called Ingefreds sten on Öland should be mentioned in this context. It is attested on old cadastral maps from the 17th century, and according to Hellberg this mark was called *Ingifreys stcdn(n) (OSw *lngifres sten) in ancient periods. 34 In addition, other place-names occurring in the poem, such as Oppsalir ('Uppsala),35 FJn,36 Ufund,31 Rtzningi (Raningr)^ and VendiP9 can with lesser or greater certainty be identified with toponyms in the Mälar region and thus support an eastern origin of the Ynglinga-tradition. 40 A prominent specialist on toponymy, Per Vikstrand, has made a distinction between close-horizon and remote-horizon names in Ynglingatal. 41 The latter do not say anything racc was thereafter called Ynglingar. ... Everyone in their line was always called Yngvi or Ynguni, and all of them Ynglinga^. Isl. Fornr. 26, pp. 24, 34 f. 33
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"Den sveakonungen tillhöriga 'byn'". See Lars Hellberg, Ortnamnen och den forntida sveastaten. In: Ortnamn och samhälle - aspekter -begrepp - metoder - i Hanaholmens kulturcentrum vid Helsingfors den 25 - 27 april 1975. NORN A. Unpubl. materials, 1975, pp. 106 f.; Lars Hellberg, Aktuell forskning om tuna-namnen 1-5. In: Uppsala Nya Tidning 6/11,1984; 20/11,1984; 4/12, 1984; 26/2,1985; 12/3, 1985. Lars Hellberg, 'Ingefreds sten' och häradsindelningen pä Öland. In: Festschrift für Oskar Bandle zum 60. Geburtstag am 11. Januar 1986. Beiträge zur nordischen Philologie. Band 15. Hrsg. von H.-P. Naumann et al. Basel-Frankfurt am Main 1986, pp. 19-29. On Ing- , see Krause 1944.
35
Bo Gräslund, Folkvandringstidens Uppsala. Namn, myter, arkeologi och historia. In: Kärnhuset i riksäpplet. Upplands fornminnesförening och hembygdsförbunds ärsbok. Uppland. Ed. K. Blent et al. Uppsala 1993, pp. 173-208. Cf. Stefan Brink, Fornskandinavisk religion - förhistoriskt samhälle. En bosättningshistorisk Studie av centralorter i Norden. In: Religion och samhälle i det förkristna Norden. Et symposium. Ed. U. Drobin et al. Odense 1999, pp. 38 f., 48 f., particulary note 15. Svenskt ortnamnslexikon. Ed. Mats Wahlberg. Uppsala, pp. 267, 338.
36
Jansson 1987 (1962), p. 90. Helmer Gustavson, Runstenarnas Uppsala. In: Frän Ostra Aros till Uppsala. En samling uppsatser kring det medeltida Uppsala. Uppsala stads historia. VII. Ed. N. Cnattingius &. T. Neveus. Uppsala 1986, p. 11. The expression ά Ufiundi, may refer to an ancient Uhutid, an older form to Lyiahundare, today Lyhundra in Eastern Uppland. See Noreen 1925, p. 239; Wessen 1964, p. 69. The expression ά raningt in Ynglingatal 01, K, cf. raninge in J2 and reiningi in F) corresponds to the Aspa inscription's a rauniki, in Södermanland. This name is related to Rim hundred (OSw Rma hundare) and the parish name Runtuna (OSw Rentuna), which both appear in Södermanland. Cf. Noreen 1925, pp. 243 f.; Jansson 1987 (1962), p. 105. It probably refers to a name *Rening in Södermanland, perhaps designating an area equivalent to Rönö hundred. Oral communication from Per Vikstrand. On the problems of Venäl. Vikstrand 2004.
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•w 41
Noreen 1925; Lindqvist 1936, pp. 315-317; Wessen 1964. Per Vikstrand, Frän Uppsala till Skiringssal. Om ortnamnen i Ynglingatal. 2000 (Ms.); Vikstrand 2004.
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Olof Sundqvist
about the provenance of the poem. Uppsala and Fyri, for instance, were known throughout Scandinavia. The name Skiita, in st. 3 (a bedi Skutu), a close-horizon name, was probably unknown outside the local community. It may refer to Skutän, a tributary to the River Fyris, located in the parish of Skuttunge, in the "hundred" of Bälinge, 15 km north of Uppsala, or to a lost name in the parish of Vendel, indicated by the name Skottbro (J skotbroo 1457, (C 7 f. 6 v.); skotbro 1471 (6/2 Stockholm RApp); skwtbro 1473 (C8 f. 19 v.) which means "the bridge over the creek *Skutd".AZ This name indicates the existence of a Swedish tradition behind Ynglingatal. Archaeological evidence likewise supports an eastern origin of the Swedish part of Ynglingatal. Sune Lindqvist compared the burial customs mentioned in the poem with archaeological finds and concluded that "the part about the Norwegian kings is in good accord with the burial in mounds (without burning) which was customary in Norway during the Viking period". In the Swedish generations of Ynglingatal there are several stanzas showing "an intimate familiarity with Swedish customs and beliefs — about the burial customs which seem to have prevailed among the Swedish royal dynasties ever since the period of migrations", i.e. the cremation customs.43 Stanza 21, for instance, mentions that the fire swallowed King Olof the Woodcutter's body by the lake (see 2.1 above). The most important monuments in the Mälar region in the Migration and Vendel periods are the Gamla Uppsala mounds and the mound in Vendel (Ottarshögen), which reflect cremation funerals of people belonging to the highest strata of Scandinavian society.44 The prerequisites for a mighty royal family are evident in the Uppsala area in the 6—7th centuries. There is thus good evidence to show that the poem Ynglingatal was composed by the Norwegian skald Tjodolf some time around 900 AD. He had probably access to traditions of East-Scandinavian origin. These traditions had flourished among the Svear at least during the 9th century and they were his sources for the Swedish generations. It seems reasonable to suppose that Tjodolf received the accounts of the Swedish ancestors in the form of an active poetic tradition.45 Runic inscriptions confirm that both poetry and genealogical knowledge existed in eastern Scandinavia during the Viking period.46 42
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45 46
Vikstrand 2004, p. 377. Skuttunge probably means "the habitat of the people called *skutungar',. The name *skutungar means "those who live by the *Skutd': Vikstrand 2004, p. 373. Lindqvist 1936, pp. 302-307, 351. Cf. Arrhenius 1995; Duczko 1996. See also Arrhenius' new investigation on Ottarhögen, note 30 above. Turville-Petre 1978-79, p. 55. Cf. Frank Hübler, Schwedische Runendichtung der Wikingerzeit (= Runrön. 10. Runologiska bidrag utgivna av Institutionen för nordiska spräk vid Uppsala universitet). Uppsala
1996, passim.
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For instance, the Rök inscription (Ög 136) from the 9th century Östergötland contains an eight-line stanza in fornjrdislag. It tells about Piodnkn, whoever he was: "He lived nine generations ago". This demonstrates an interest in genealogical matters (see further 3.1.1). Even if Tjodolf had built his poem on eastern traditions, he could have revised them and added ideas and ideological aspects reflecting the contemporary society of Western Scandinavia. The six last stanzas of the poem obviously refer to Norwegian kings and cultural conditions prevailing in Early Viking Age Vestfold. 47 In any case, I am inclined to view Ynglingatal as a primary source for religious and ideological aspects of Svetjud during the Late Iron Age as well.
3. Denominations and the religious rulership ideology in Ynglingatal We shall now turn to the question of whether it is possible to grasp a certain rulership ideology in Ynglingatal. Since the content of this poem is fragmentary, we must find a method of analyzing it beyond the ambiguous narrative structure. The German philologist Edith Marold has investigated Norwegian royal ideology by studying denominations of rulers within skaldic poetry.48 There are poetical expressions, so-called heilt and kenningar as well as common appellations, which obviously had the function of characterizing the ideal image of the ruler. The semantic spectra of these expressions were thus important means of construing royal power in Norway. We can also find such denominations in Ynglingatal. They can be classified into different groups (fig. 2).49 Most of them refer to leadership, power and warlike qualities. A few connote wealth and generosity. Some kennings may emphasize religious aspects of the kings. The expressions in Ynglingatal thus indicate that certain features were expected of the ancient Svea rulers, such as leadership, power and warlike qualities, while religious aspects only played a minor role.
47
48 49
Wessen (1964, p. xvii) noted that the naming custom among the Norwegian kings is different than that of the Swedish kings. This indicates that the last six stanzas were based on other traditions than the rest of the poem. Marold 1987. This type of classification of metaphors in Ynglingatal has been undertaken by e. g. Marold 1987; Norr 1998, pp. 82 ff.; Sundqvist 2002, pp.141 ff. Olof Sundqvist, Härskaren i kulten under yngre järnäldern. In: Religion frän stenälder till medeltid (= Riksantikvarieämbetet. Arkeologiska undersökningar. Skrifter nr 19. Ed. K. Engdahl & A. Kaliff). Linköping 1996, pp. 68-88.
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Olof Sundqvist I. Leadership, power and warlike qualities: drottinn jpprr bagi allvaldr Ijona hersa valdr allvaldr Yngva pjodar Jota Aolgr hilmir Ala dolgr vigfrpmubr Elstra dolgr siklingr frpmudr Hpgna hrers II. Wealth and generosity: menglptubr ir
III. Cultic aspects: vprdr vestalls spakfrpmudr vaIt eins valsafandi
bani Gudlaugs Qttunga tjöör visi setrs vetjendr jylkir gramr IV. Divine descent: godkynningr Freys gttungr Freys afspringr tys Qttungr
V. Other genealogical references: Dusla konr ättkonr loßa kyns (fra Uppsplum) Fjplnis niir bragnings bunDags friendr Skilfinga niSr dpglingr auslrkonungr konungmaör Fig. 2. Λ categorization of the ruler denominations in Ynglingatal (the Swedish generations, st. 1-21)
Present analysis will concentrate on some poetic expressions referring to the religious dimension of the rulership ideology in Ynglingatal, particularly those connected to the Svea generations (st. 1-21). These denominations may be divided into three categories. The first group of denominations concerns the Ynglinga-family's mythical origins and divine father. The second group contains expressions connected to the ruler's position within public cults. Since these cultic matters are intimately associated with the rulers' wealth and generosity, some kennings relating to these latter aspects may also be associated with this group. The poetical expressions in the third group diverge from the denomination of the first two groups, since they do not directly relate to royal attributes of the kings. They refer to the mythical consorts of the rulers. Indirectly, however, these expressions are associated with the marriages and deaths of the rulers. Hence, they are also relevant for illuminating rulership ideology. The death of the ruler is actually a recurrent theme throughout Ynglingatal. 50 In what follows, the denominations in these three groups are discussed in detail and related to the legitimacy of the Svea-rulers. Since some of them are
50
Cf. Lönnroth 1986. In a contribution to the conference "Old Norse religion in long-term perspective" in Lund June 3-7, 2004, Prof. Kurt Schier treated the interesting topic of "dying kings, dying gods" in Ynglingatal.
Aspects of rulership ideology in Early Scandinavia
99
quite problematic, other sources must be consulted in order to create contexts for convincing interpretations.
3.1 The genealogical expressions 3.1.1 Genealogy, divine descent and ideology The genealogy in Ynglingatal begins with the "earthly rulers", including Fjolnir, Sveigdir, Vanlandi, Visbur etc. This is a bit peculiar, since the medieval versions of the Ynglinga-genealogy trace the family to a divine origin.51 In Ynglinga saga, for instance, the list begins with Niord — Yngvi-Freyr — Fjolnir - Sveigdir etc, while Islendingabok has Yngvi Tyrkjakonungr — Niord Sviakonungr — Freyr — Fjolnir — Sveigdir etc. Scholars have found it difficult to accept that Ynglingatal does not include these divine generations (i.e. Niord and (Yngvi-)Freyr). Some have thought that Ynglingatal as we know it is incomplete. They have suggested that it has lost some introductory stanzas which might have carried information about the Ynglinga-kings' connection to the gods. 52 Others believe that the poem was preserved in oral tradition in the form we know it today, but was accompanied by some explanatory remarks, Begleilprosa, before it was written down in the 12th and 13th centuries.53 But still others think that the poem has its original shape, and that there were in fact no pre-Christian traditions connecting the Ynglinga-kings with the gods. According to Walter Baetke, the Ynglingars' divine descent was medieval speculation and cannot be supported by Ynglingatal. It can only be observed in the medieval versions of the genealogy. Ari and Snorri were elaborating on pre-Christian traditions about Scandinavian royal families and were creating the fictions that these families were of divine descent in imitation of medieval Frankish genealogies. 54 It is not, however, necessary to reconstruct any lost stanzas of Ynglingatal in order to find indications of the ruler's mythical descent. Alrek and Erik are called Freys afspringr., "Freyr's offspring" (st. 10); Egil is t j s pttungr, "descendant of the god" (st. 14); Adils is Freys gttungr, "Freyr's descendant" (st. 16) and Ingjald is godkynningr, "of divine descent" (st. 20). In the Norwegian section of the poem the entire dynasty is called prottar Pros niÖkvisl, "the kin-branch of the powerful (potent) man, i.e. the god" (st. 26).
53
Sundqvist 2002, pp. 156 f. Cf. Wessen 1924, p. 57; Akerlund 1939, pp. 125-128; F. Ström 1954, pp. 34 f. Critically considered by Baetke 1964, pp. 89-103; Steinsland 1991, p. 182; Krag 1991, pp. 85 f. Cf. Bcyschlag 1950; Lönnroth 1986, p. 75; Steinsland 1991, pp. 177 f.
54
Baetke 1964, pp. 70-103.
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The Svea-king Dyggvi is called allvaldr Yngva pjodar, "the ruler over Yngvi's [the Ingvion's] people" (st. 7). We do not know if Tjodolf referred to a heiti/title of a ruler, a god or a mythical ancestor with the name Yngvi. 55 If he regarded Yngvi as a mythical being, it would appear that the entire tribe was being lauded for its divine descent. Similar ideas are attested elsewhere in Scandinavia and the Germanic area.56 Originally, not only royal houses but also tribes and peoples could have been praised as the descendants of gods. This ideology may have gradually been monopolized by noble families.57 Expressions and denominations of the kings found in Ynglingatal, therefore, clearly indicate that members of the Ynglingar were praised for their divine origin. Genealogy, including both mythic and historical aspects, often reflects a political-judicial ideology. 58 ON sources report that in trials of patrimony ( f g d u r l e i f i , odal) the inheritor enumerated his noble ancestors. 59 Rulers counted the kingdom (konungs domr) and the land as their odal.60 Snorri states, for instance, that Olaf Tryggvason was by birth entided to the kingdom (er odalbonnn var til konungdoms).6^ Perhaps the list in Ynglingatal concerns claims of property and the right to rule over the Svear. There are indications of authentic genealogical traditions including such claims in eastern runic inscriptions. In the inscription on the Malsta stone (Hs 14) in Rogsta parish (Hälsingland), cut with stave-less runes, a family is traced back seven generations. By enumerating the five forefathers of He-Gylve, Romund is here declaring his legal right to inherit the estates that his father had possessed. 62 The inscription of the Sandsjö-stone (Sm 71) from Smäland recounts six generations of kinsmen. 63
55 56
Cf. Krause 1944; Sundqvist 2002, pp. 161 f. See e. g. Germania 2. Vpluspä st. 1.
58
Cf. Faulkcs 1978-79, pp. 93 f. Sundqvist 2002, pp. 170 ff.
59
See e. g. the Eddie poem Hyndluljöö; /Eldrc Gula|iings-Lov. NGL I, pp. 86-88.
57
60
Zachrisson 1994, p. 221. Cf. Sundqvist 2002, pp. 170 ff.
61
Olafs saga helga, Isl. Fornr. 27, p. 47. Jansson 1987 (1962), pp. 100 f.; Lena Peterson, The Graphemic System of the Staveless Runes. In: Proceedings of the Third International Symposium on Runes and Runic Inscriptions. Grindaheim, Norway, 8 - 1 2 August 1990. Ed. J. E. Knirk (= Runrön. 9. Runologiska bidrag utgivna av Institutionen för nordiska spräk vid Uppsala univcrsitct), Uppsala 1994, pp. 223-252; Stefan Brink, En vikingatida storbonde i södra Norrland. In: Tor 26,1994, pp. 145-162. Jansson 1987 (1962), p. 101. On the context of this runic stone, see Torun Zachrisson, Arinvards minne - om runstenen i Norra Sandsjö. In: Om runstenar i Jönköpings län. Ed. J. Agertz och L. Varenius. Värnamo 2002, pp. 35-54.
62
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The carver here used the technical term RSw langfcedrgaR (ON langfedgai),M a word that in Icelandic contexts often refers to genealogies and perhaps also to territorial claims.65 Grave-mounds probably also expressed genealogical concerns among the Svear.66 The archaeological dating of the three mounds and Gullhögen at Uppsala seems to reflect a dynasty of Uppsala rulers who reigned in the last decades of the 5th century and into the 6th century, although it may not be a straight lineage.67 Perhaps these grave-mounds indicate a connection between the Ynglinga-genealogy and land as involving both paternal inheritance and political claims in Svetjud.
3.1.2 The divine father In general, Freyr is regarded as the divine father of the Ynglingar, since e.g. Alrek and Erik in Ynglingatal are called "Freyr's offspring". 68 This view has recently been challenged by the archaeologist Svante Norr. He states "when we look only at Ynglingatal.the traditional view of Frey as ancestor god is far from obvious. If one god should be singled out as ancestor the argument for Odin is stronger". 69 In my opinion, these conclusions are not convincing. Norr proceeds from st. 26 and the expression nidkvtsl ... prottar Pros, which refers to the Norwegian King Olaf. He intimates that Pror is Odin and that the expression should be interpreted as "the lineage of the strong Odin". This interpretation has been made by previous scholars.70 Pror occurs as an Odinheiti in Grimnismal, 71 and in the list of Odin names in Gylfaginning 20. Most likely Pror was an epithet of Freyr as well, for it is related to the verb proa'to grow, increase'. 72 In For Skirnis (st. 38) the form Proskr refers to Freyr as he is 64
"Personer, som folge hinanden Son efter Fader i samme Sla;gtra:kke". Fritzner 1954 (1883-96).
65
Cf. e. g. islendingabök, Isl. Fornr. 1, p. 27; Sundqvist 2002, pp. 170 ff. Cf. Bjorn Ringstad, Graver og ideologi. Implikasjoner fra vestnorsk folkevandringstid. In: Samfundsorganisation og Regional Variation. Norden i romersk jernaldcr og folkevandringstid. Beretning fra 1. nordiske jernaldersymposium pä Sandbjerg Slot 11—15 april 1989. Ed. C. Fabech & J. Ringtved (= Jysk Arteologisk Selskabs Skrifter. XXVII). Aarhus 1991, pp. 144 f.; Zachrisson 1994.
66
67
Cf. Lindqvist 1936, pp. 210-241, 343-345; Arrhenius 1995; Duczko 1996, p. 413; Norr 1998, pp. 73-75.
68
E.g. Hugo Jungner, Uppsala- och Vendel-konungarnes mytiska ättefäder. In: Fornvännen 14, 1919, pp. 79-84. Cf. Wessen 1924, pp. 25 f., 53-80; F. Ström 1954, p. 57.
69
Norr 1998, pp. 86-89. See e. g. Finnur Jonsson in Skj. B l , p. 13. Prörpingom at... . "Pror (I am called) at the thing ... .". Grimnismal st. 49. de Vries (1961, p. 623) interpreted proast 'wachsen, gedeihen'.
70
71 72
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having a tryst with Gerd. The name Pror is, however, not restricted to gods. It occurs as a name of a dwarf in Vpluspä 12 and in Gylfaginning 14. Hence, Pror cannot be interpreted as Odin or any other particular god. Freyr is the only god mentioned in Ynglingatal in connection with the kings' ancestry (see above). It is very uncertain if we should interpret tys gttungr (st. 14) as "descendant of Tyr", as e.g. Norr does.73 It is probable that tyr should be interpreted in its oldest form as an appellation 'god' in this case.74 Aside from this kenning there is actually no reference to Tyr as an ancestor god of ruling families in the sources.75 According to Icelandic traditions, Freyr was the ancestor of the Ynglingar in general. Snorri, for instance, made use of an authentic tradition in Ynglinga saga when he separated Njord and Freyr from Odin's kin and made the Vanir deities into ancestors of the Uppsala family. 76 According to Ari and Historia Norwegis, Freyr was one of the progenitors of the Ynglingar. 77 Nothing is said about Odin. Saxo also regards Fro (i.e. Freyr) as the Svea peoples' special cult god. He tells us that the great men of the Svear were regarded as the sons of Fro: The most valiant of the Svear were Ari, Haki .... Indeed, they were kinsmen [alt. close friends] of the divine Fre andfaithful accessories of the gods?*·
Place-names, including the element/name Fro-, further, indicate that Freyr was an important god among the Svear.79 Some of these names are attached to the organization of society and indicate centrality. One example is Frösäkers härad,, Uppland, where Frösäker most likely is an ancient central place, indicated by 75
Norr 1998, p. 85. Cf. Norccn 1925, pp. 203, 235; Wessen 1964, p. 66.
75
In addition to Ynglingatal, this kenning also appears in I Idleygjatal, where it probably is plagiarized from the former poem. In, for instance, the "Prologue" of Snorra Edda, there is another version: "And Odin took with him a son of his whose name was Yngvi, who became king in Sweden, and from him are descended the family lines known as the Ynglingar." It has been argued that the "Prologue" was never a work by Snorri, but a late addition. It has also been shown that genealogical ideas in Snorra Edda were clearly influenced by British regal lists. Cf. Klaus von See, Mythos und Theologie im skandinavischen Hochmittelalter (= Skandinavistische Arbeiten 8). Heidelberg 1988, pp. 18-30. See also Faulkes 1978-79; Turvillc-Petrc 1978-79.
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Islendingabök, Isl. Fornr. 1, p. 27; Historia Norwegia:. Ed. Storm, p. 97.
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At Sueonum fortissimi hifuere: Ari, Haki .... Qui quidem Fre dei necessarii erant et fidissimi numinum arbitri. Saxo 8.3.11. Transl. Fisher. See also Saxo. 3.2.13; 9.4.1.; 6.5.10. Elias Wessen, Minnen av forntida gudsdyrkan i Mellan-Sveriges ortnamn. Studier i nordisk filologi 14:1 (— Skriftern utgifna av Svenska litteratursällskapet i Finland). Helsingfors 1923, pp. 1 ff.; Hellberg 1986, p. 54; Thorsten Andersson, Haupttypen sakraler Ortsnamen Ostskandinaviens. In: Der historische Horizont der Götterbild-Amulette aus der Übergangsepoche von der Spätantike zum Frühmittelalter. Ed. K. Hauck. Göttingen 1992, p. 247; Vikstrand 2001, pp. 55 ff.
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the field name Frössberg in the parish of Harg. 80 Several names in Frö- may directly or indirectly be connected to tuna-places, i.e. ancient administrative centres in the setdement districts. Frustuna (< *Frestuna), in Frustuna parish, Södermanland, is one example. 81 Aristocratic boat-grave cemeteries attested in the central part of the territory of the Svear have also been associated with Freyr and the Vanir deities.82 According to ON sources, Freyr owned a ship, Skiöblaönir. Freyr's father, Niord, had also a certain relationship to the sea, fishermen and boats.83 The ship or boat is thus seen as a natural symbol for the Vanir gods. The boat-graves are in several cases associated with tunaplaces in the area of Mälaren, i.e. central locales where the cult of Freyr may have played a certain role for the political sovereignty. There are thus reasons to believe that Freyr, the sviagoö, was praised as the father of the Ynglingar in Svetjud.
3.2 Cultic expressions 3.2.1 The custodian of sanctuaries Some kennings in Ynglingatal intimate that the kings played central roles in the public cult. In st. 11, for instance, the Svea king Yngvi is labelled with the kenning VQrdr vestalls. The word vprdr signifies 'watchman, keeper, custodian, guardian'. 84 The first element in the compound vestallr occurs in OScand. texts, runic inscriptions and place-names: ON ve (OSw vi) 'cult-site, sanctuary' (cf. OHG mh 'temple'; OE mg, wih, weoh 'image, idol'; Goth weiha 'priest'; see below). 85 The manuscripts diverge, however, regarding the second element of
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Vikstrand 2001, pp. 69 f. Cf. K. A. Ilolmberg, De svenska tuna-namnen (= Acta academiae regiae Gustavi Adolphi. XLV. Studier till en svensk ortnamnsatlas utgivna av Jöran Sahlgren. 12). Uppsala 1969, passim·, Hellberg 1986, pp. 50-54; Thorsten Andersson, The Origin of the Tuna-Names Reconsidered. In: People and Places in Northern Europe 500-1600. Essays in Honour of Peter Hayes Sawyer. Ed. I. Wood & N. L Lund. Woodbridge 1991, pp. 201 f. E. g. Vendel, Valsgärde and Fullerö; Ultuna and Tuna, the latter near Alsike, all in Uppland; and Tuna in Badelunda, just on the other side of Uppland's Western border to Västmanland. Michael Müller-Wille, Bestattung im Boot. Studien zu einer nordeuropäischen Grabsitte. In: Offa. Berichte und Mitteilungen aus dem Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum. 25/26, 1968/69. Neumünster 1970, p. 149. Bengt Schönbäck 1980. Batgravskicket. In: Vcndeltid. Ed. A. Sandwall. Stockholm, pp. 108 ff. See e.g. Grimnismäl st. 43-44; Gylfaginning 41, 43 f.; Skäldskaparmäl 7, 35. Noreen 1925, p. 203; Finnur Jonsson 1931 (1913-16), p. 629; Wessen 1964, p. 64. Elof Hellquist, Svensk etymologisk ordbok I—II. Lund 1957 (1922), p. 1337; Andersson 1992, pp. 77-83; Vikstrand 2001, pp. 298 ff.
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vestallr. Adolf Noreen follows Codex Frisianus, which is not usually given precedence, and reads it as vetialld^ 'the holy tent'.86 The manuscript Κ has vestall.^ 'sacred stand', which must be considered as the most reasonable reading. 87 The word stallr (m.) in Old Norse has the basic meaning 'stand'. In the compound word vestallr it acquires a sacral significance. 88 The kenning vgrdr vestalls can thus be interpreted as "the keeper of the sacred stand/sanctuary". Contemporary runic evidence may support this explanation. Sibbi, mentioned in the Rök-inscription (Og 136), must have been a powerful man in Ostergötland during the 9th century. Few families could afford such an impressive monument. The expression sibi uiauan (Sibbi viavari) has been interpreted as "Sibbi the warden (keeper) of the sanctuary(-ies)". 89 If this interpretation is admitted, an eastern Scandinavian ruler appears to be the custodian of the sacred site(s) called vi, in a primary source dating from the Early Viking Age. It is hard to grasp the physical structure of a vi. Evidence indicates that they could be related to sacred groves (OSw lund sg.), i.e. the place where the sacrificial materials were transferred to the gods. 90 These sacred sites were sometimes enclosed with holy bands (ON vebpnd) and regarded as a protected 86
Noreen 1925, p. 231. E. g. Finnur Jonsson 1931 (1913-16), p. 629; Akerlund 1939, p. 91; Wessen 1964, pp. 24, 64; Bjami Aöalbjarnarsson, Isl. Fornr. 26, p. 42; Marold 1987, pp. 66, 88.
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Cf. Hultgärd 1993, pp. 230-232; Düwel 1985, p. 38. For interpretations of uiauari see e. g. von Friesen 1920; Wessen 1958; Otto I löfler, Germanisches Sakralkönigtum. Band 1. Der Runenstein von Rök und die Germanische Individualweihe. Tübingen/Münster/Köln 1952, pp. 67 ff.; Klaus Düwel, Zur Auswertung der Brakteateninschriften. Runenkenntnis und Runeninschriften als OberschichtenMerkmale. In: Der historische Horizont der Götterbild-Amulette aus der Übcrgangsepoche von der Spätantike zum Frühmittelalter. Ed. K. Hauck. Göttingen 1992, pp. 66 ff. Some interpret via as genitive plural "holy places". Sec e. g. Gun Widmark, Tolkningen som social konstruktion. Rökstenens inskrift. In: Runor och ABC]: Elva förcläsningar frän ett symposium i Stockholm vären 1995 Sällskapet Runica et medisvalia. Opuscula 4). Ed. S. Nyström. Stockholm 1997, p. 171. Otto von Friesen (1920, pp. 50 f.) and Elias Wessen (1958, pp. 27, 53.) interpreted uiauari as refering to a place-name, Väversunda (OSw i Wauarsundom) (6 km. from Rök), which included the element viavari {viavari) "tempelvärdare, helgedomens väktare", "man frän Vi". Cf. Lena Peterson, Svenskt runordsregister. (= Runrön. 2. Runologiska bidrag utgivna av Institutionen för nordiska spräk vid Uppsala universitet). Uppsala 1994 (1989), p. 73. Cf. ves valdr "the keeper of the sanctuary" in Siguröardräpa, Skj. B l , pp. 69 f.
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The Swedish Oklunda inscription, dated to the 9 th century, tells about Gunnar. "And he fled under penalty. Sought this vi (sutiuipita — sotti vipetta) ... . " This vi was probably related to a sacred grove, if we rely on the place-name, Oklunda. Close to this place is also Lundby. Both place-names refer probably to the holy site mentioned in the inscription, i.e. the vi or lund 'sacred grove' on Vikbolandet, Östergötland. Cf. Jansson 1987 (1962), p. 37; Olov Lönnqvist & Gun Widmark, Den fredlöse och Oklunda-ristningens band. In: Saga och Sed. Gustav Adolfs Akademiens Arsbok. Uppsala 1997, pp. 145-159; Vikstrand 2001, p. 322 ff.
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area which must not be violated. 91 The term ON vestallr also indicates that some type of ritual stand occurred at such sites, perhaps some type of altar. According to Old Norse prose the stallr 'stand' was stained red by the sacrificial blood. 92 Apparendy ve in the Eddie poetry referred to the residence of gods, which perhaps here included constructions of such ritualistic stands.93 It is not unlikely that cultic buildings appeared at earthly zv-sitcs. Reliable sources mention that sacrifices also occurred at such places. 94 From the perspective of the present study it is interesting to note that the Guta saga mentions: Then, later on, there was a sacrifice at Vi,95 Place-names such as Tjrved (Teravi) in the parish of Sorunda in Södermanland, indicate that the ^'-places in Svetjud could be the central cult-sites for inhabitants living in a widespread area.96 The name Teravi contains an inhabitant designation terar in the genitive form. It refers to the inhabitants living in the area called Ter. The centralized cult in this area may have been led by an OSw *gudhi 'cult leader, chieftain' (ON godi) living south of Toravi in the village of Gudbj (
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ated.138 At any rate, we can accept that these picture stones can involve instances where death is described in erotic terms.139 Ynglingatal thus shows that the rulers' deaths were merely depicted symbolically, as erotic trysts. In my opinion the kennings Skjalfar rpd and Loga dis occurring in the Agni-tradition should be related to this symbolism as well. The ruler was in death, as in life, supplied with riches. He had not only weapons, food, drinking-horns and gaming-tables for his feast in the other world, as attested in boat graves from Valsgärde, 140 but also had partners for intercourse. In the realm of death the Ynglinga-rulers came to a place where not only banquets but also erotic relations were common. The departed leader continued to be wealthy and successful in the cosmic world, so much so that even mythical beings were ready to have intercourse with him. Perhaps this was only one aspect of the Valhalla ideology glorifying the life beyond, as typical represented within Viking Age warrior society.
Fig. 3. The Tjängvide stone from Alskog parish, Gotland (c. 700). ΛΤΛ.
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Steinsland 1994. Similar ideas appear in sources referring to other parts of ancient Scandinavia. See e. g. Flateyjarbök, II, p. 98. Sonatorrek (st. 10), Skj. B l , p. 35. Cf. Steinsland 1994. Κ. g. Frands Hcrschend, Livet i hallen. Tre fallstudier i den yngre järnälderns aristokrati (= ΟΡΙΑ. 14. Institutionen för arkcologi och antik historia). Uppsala universitet. Uppsala 1997, pp. 49 ff.
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4. A n overview of aspects of the ruler ideology in poems praising Earl Hakon In order to investigate whether the religious ruler ideology found in Ynglingatal was homogeneous throughout Scandinavia during the Late Iron Age, we will now examine some praise poems composed in honour of Earl Hakon of Lade, Norway. These poems were created in a different context than that of Ynglingatal. They occurred within a specific historical situation where a conflict between paganism and Christianity was raging. Earl Hakon succeeded in destroying the attempt of the Danish kingdom to win back sovereignty over Norway in the batde of Hjorungavag c. 986 AD. His victory provided the stimulus and background for these poems. 141 In the following analysis I will restrict my presentation to some religious motifs in them which play a fundamental role in expressing ruler ideology. These themes concern the divine descent of Hakon, his relationship to a female mythical being and his assignment of creating luck by means of cultic activities. They seemingly correspond well with the ones seen in Ynglingatal. A thorough investigation shows, however, that they were construed, styled and outlined in quite a different manner when compared to the traditions stemming from the Ynglingar.
4.1 A descendant of Odin In the genealogical poem Hdleygjatal, composed by Eyvind Finnsson (skdldaspillii), the forefathers of Earl Hakon are recounted back to the divine generations. The poem begins thus:142 (st. 1)1 desire silence for Har's ale [Odin's mead, poetty] while I raise Gilling's payment [the while his descent in pot-liquid [the mead, poetty] of gallows-cargo [Odin] we trace to gods. ui That distributor of gifts [i.e. Earl Sirming],144 Msir-kin got, [the one who is] worshipped by [Odin], with giantess [Skadi]; the time when they, the men's friend [Odin] with Skadi, lived long
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mead], (st. 3) skalds ago in
Ström 1981. (1) Viljak hljod/ at Η pars l i d i j meHan Gillings! gjgldum yppikj meSan bans cett/ i hverlegi I galga farms/ til god a teljum. ... (3) Pann skaldblcetr/ skattfceri gat/ asa nidr/ vid jarnviiju;/ pas pan meirl i Manheimum/ skatna vinr/ ok Skadi byggiu. (4) Scevar beins,/ ok sunu marga gndurdis/ viÖ Oöni gat. Skj. A l , pp. 68 ff. The text reconstructed by Finnur Jonsson can be seen in Skj. B l , pp. 60-62. Only nine whole and seven half stanzas of the poem are quoted in the manuscripts of Fagrskinna, Snorra Edda and Heimskringla. Transl. Faulkes. The concept skattfarir, which should probably be translated "distributer of gifts", refers most likely to the first earl of the family, Sa:ming. Mentioned to me by Edith Marold in a letter (August 2000).
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Olof Sundqvist Matihem. OdinV=
(st. 4) ... of the bone of the sea [the stone's], and sons many, the ski-goddess,
had with
Snorri comments on these stanzas as thus: Niord married a woman who was called Skadi. She would not have intercourse with him, and later married Odin. They had many sons. One of them was called Seeming. ... Earl Hakon the Mighty reckoned his pedigree from Seeming.146
According to these passages, Earl Hakon saw Odin as his divine father. Some earls in Haleygjatal are, however, said to be descended from Freyr or Yngvi. Earl Hakon Grjotgardsson, for instance, is called Freys Qttungr "Freyr's descendant", (st. 9), and the earls in general are called Yngva sjnir, "sons of Yngvi" (st. 6). Snorri also stated in other passages that the earls of Lade descended from Yngvifreyr or Ingunarfreyr. 147 Some scholars have therefore argued that Odin's position at the top of the genealogical list is a sign of West European influence, i.e. the Anglo-Saxon royal lists.148 Bede, for instance, made Woden (Odin) into an ancestor of ancient British kings in genealogies. 149 It has been argued that Eyvind applied a learned euhemeristic approach since he stated that Odin and Skadi lived in Manheimar, i.e. an expression implying a contrast to Godheimar.xi0 This has also been regarded as a sign of Western and Christian impact on the poem. In my opinion, the idea of Anglo-Saxon influences on Haleygjatal must be rejected. Even if Snorri made an euhemeristic interpretation of the OdinSkadi-myth by contrasting Manheimar with Goöheimar in Ynglinga saga, it is far from certain that Eyvind also had this perspective in mentioning that these deities lived in the former place. Godheimar is never mentioned explicidy in the poem. Most likely Eyvind built on a local tradition when he made Odin the ancestor of the Lade earls.151 The kennings Freys Qttungr, tys Qttungr and Yngva synir 'm Haleygjatal should actually be discounted when searching for authentic 145
St. 3 - 4 are translated by me, based on Wessen.
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NJprdr fekk konupeirar, er Skadi het. Hon vildi ekki ttid hann samfarar ok giptisk siöan Odni. Attu pau marga sonu. Einn peira het Scemingr. ... Til Samings taldi Hakon jarl inn riki langfeÖgakyn sitt. Ynglinga saga, Isl. Fornr. 26, pp. 21 f. Transl. Hollander.
147
Ynglinga saga, Isl. Fornr. 26, p. 4; Olafs saga helga, Isl. Fornr. 27, p. 421. Adam of Bremen mentions that the cruel Hakon had sprung from Yngvar and from a giant. Haccon iste crudelissimus, exgenere Inguar etgiganteo sanguine descendens, ... . Adam, II: 25. This passage may, however, be a secondary interpolation depending on a late Scandiavian traditions. See Emanuel Svenberg et al., Adam av Bremen. Historien om Hamburgstiftet och dess biskopar. Stockholm 1985 (1984), p. 266.
148
Cf. J. Turville-Petre 1978-79, p. 63; Faulkes, 1978-79, pp. 96 f.
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Erant autem filii Victgilsi, cuius pater Vitta, cuius pater Vecta, cuius pater multarumprovinaarum regiumgenus originem duxit. Bede, I: 15.
Voden, de cuius Stirpe
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Cf. Bjarni Aöalbjarnarson, Isl. Fornr. 26, p. xxxii; Faulkes, 1978-79, pp. 97 f.
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Cf. Wessen 1924, pp. 33 ff.; Ström 1981, p. 447.
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traditions about the Lade earls' origin, since Eyvind probably plagiarized these kennings from Ynglingatal. 152 Eyvind actually modelled his poem from Ynglingatal. 153 He composed it as Ynglingatal in kviduhdttr.; and styled it as a langfedgatal, with similar content to this poem. Eyvind was therefore called skdldaspillir 'spoiler of skalds', i.e. he was thought to be a plagiarist rather than creating improvements on whatever he borrowed. The introduction of Haleygjatal is, however, more reliable than these plagiarized kennings, since it does not have a counterpart in Ynglingatal. The idea that Hakon was honoured for being related to Odin may be supported by other reliable sources. The skaldic poem Vellekla (990), for instance, reports that Hakon was called Yggs nidr, "Odin's relative" (st. 20). In Hakonardrapa, Hakon is even identified with Odin (see below). Most likely the Lade earls counted Odin as the ancestor god, while the Ynglingar were praised as "Freyr's offspring".
4.2 Mythical wedding with the land In some stanzas of Hallfred Ottarsson's Hakonardrapa (c. 990) Earl Hakon's victory at Hjorungavag is expressed in metaphorical terms with a mythical symbolism which includes Odin: (3) The war-ship !r brisk lord with the veraaty of the sword entices under him Third's (Odin 's) beloved, whose hair is the foliage ofpine trees. (4) Therefore I think that the thrower of the spear is very unwilling to leave Aud's glorious sister (Earth, the land) alone; the landprostrates herself under the ring-waster. (5) The outcome of the union was afterwards this quick-witted intimate friend of kings gained in marriage of Onar's forest-grown only daughter.
possession
(6) The commander of ships (ravens of the harbour) was able to attract to himself Baleyg 'j· (Odin 's) broad-faced bride (the land, Norway) with the help of the sword's powerful discourse.154
Ynglingatal has the kennings Freys pttungr, tys gttungr and allvaldr Yngvapjodar. That Snorri on two occasions regarded the earls of Lade as descendants from Yngvi-Freyr (Ingunarfreyr) was probably due to the kennings in Haleygjatal. His information on this particular point could therefore be disregarded. On Haleygjatal, see A. Holtsmark. In: Kult. Hist. Lex. 6. Malmö 1961, col. 54-55; Ström 1981, p. 446. Sannyrdum spenr sveröa/ snarr piggjandi viggjarl barrhaddada by^ar/ biökvgn und sik Eridja. Pvi hykk felygjanda fraknaj ferrjprÖ und menpverrij itra eina at lata/AutSs systur mjgk trauSanJ Rp0 lukusk, at sä sidan/ snjallraÖr konungs spjallil atti einga dotturl Onars, vidi grona./ Breilleita gat brudi/ Baleygs at sir teygSa/ stefnir stgivar hrafnal stäla rikisrnplum. Text and transl. F. Ström 1981, 452 f. Cf. Skj. B l , pp. 147 f. Only nine half-stanzas arc preserved of this poem. It has been argued that the 6 th stanza should be the first in this sequence. Sec F. Ström 1981.
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In this, poem the earl's conquering of Norway is described symbolically as a marriage between the earthly ruler and the wild land, here represented as a mythical female. The ruler must tame his land/bride with the sword. The historical event at Hjorungavag is transposed to a mythical scene creating a cosmic symbolism. 155 It seems as if Hakon here is identified with Odin. He celebrates a wedding with this mythical woman, i.e. the personification of the country. Odin is here called by his heiti-name Third (Pndi).156 The land/mythical female is attributed with the kenning "Third's beloved, whose hair is the foliage of pine trees" emphasizing the correspondence between earthly and mythical levels. A similar symbolism appears in the kennings "Onar's forest-grown only daughter" and "Baleyg's (Odin's) broad-faced bride" also referring to the land Norway as a mythical female. 157 This symbolism also occurs in other skaldic poems. In Haleygjatal (st. 15) we find a metaphor reflecting on how Earl Hakon takes possession of the land: "[Hakon,] under whose arms Val-Tyr's bride, all the way eastward to the Agdermen's dwelling, now lies".158 The erotic undertones in this stanza are also quite obvious.159 There have been some objections to the idea that this mythical marriage was a genuine Scandinavian ideology. Dag Strömbäck has shown that the symbolism in Hakonardrdpa has similarities with the Christian notions of Jerusalem as the bride of God seen in Old Testament and "the idea of a Christian bishop's 'marriage' with his church, in which his episcopal ring is usually regarded as symbolic". 160 Folke Ström has, on the other hand, referred to Irish traditions which mention that the king celebrated a symbolic wedding feast (Olr banais right) with his country at the inauguration ceremony. 161 In Ireland, the land was represented by a goddess, sometimes called Medb (MedhbB). According to Ström a similar kind of "hieros gamos" appears in Häkonardrapa where Earl Hakon (identified as Odin) ritually married a local Cf. F. Ström 1981; Κ Ström 1983; Steinsland 1991. Falk 1924, p. 30. 157 Onarr, is according to Skälskaparmäl, a mythical being of the giant race. He is Nätt's second husband and the father of J