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German Pages 279 Year 2009
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1142
Das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker Eine Untersuchung am Maßstab des Verfassungs- und Gemeinschaftsrechts
Von
Lara M. Povel
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
LARA M. POVEL
Das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1142
Das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker Eine Untersuchung am Maßstab des Verfassungs- und Gemeinschaftsrechts
Von
Lara M. Povel
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13052-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinem Vater
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wolfram Höfling, M.A., Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität zu Köln, der mich während der Erstellung dieser Dissertation stets mit hilfreichen Anregungen und konstruktiver Kritik unterstützt hat und mir während meiner Tätigkeit am Institut für Staatsrecht der Universität zu Köln den notwendigen Freiraum für die Erstellung gewährte. Für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens möchte ich zugleich Herrn Prof. Dr. Christian von Coelln, Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Wissenschaftsrecht der Universität zu Köln, herzlich danken. Mein Dank gilt ferner dem Marketing Verein Deutscher Apotheker e.V. Dieser hat mir nicht nur durch eine großzügig gewährte finanzielle Unterstützung einen zügigen Abschluss dieser Arbeit ermöglicht, sondern vor allem auch diese Förderung ausdrücklich mit einer vollständigen Freiheit in allen inhaltlichen Belangen verbunden. Für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses danke ich ferner der Johanna und Fritz Buch Gedächtnisstiftung. Meinen engen Freunden Christl Hönscheid und Torben Schulz möchte ich herzlich dafür danken, dass sie sich neben ihren eigenen vielfältigen Verpflichtungen die Zeit dafür genommen haben, diese Arbeit Korrektur zu lesen. Besonders danken möchte ich schließlich meinen Eltern Claudia und BenPiet M. Povel für deren Liebe, uneingeschränkte Förderung und bedingungslose Unterstützung. Mein Vater, der mich zur Erstellung dieser Arbeit inspiriert und mit großem Interesse ihren Fortgang verfolgt hat, konnte ihren Abschluss leider nicht mehr erleben. Ohne den seelischen Halt, den mir meine Mutter während dieser traurigen Zeit bot, wäre die Fertigstellung dieser Arbeit nicht möglich gewesen. Dem Andenken an meinen Vater sei die Arbeit gewidmet. Köln, im November 2008
Lara Marie Povel
Inhaltsverzeichnis Problemstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung: Normative Grundstrukturen und terminologische Vorklärungen
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A. Normative Grundstrukturen des Apothekenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Apothekenrecht als gewerbliches Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Standesorganisation und behördliche Überwachung des Apothekers .
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B. Terminologische Vorklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Kapitel Zum Inhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots
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A. Das Fremdbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Fremdbesitzverbot als Fremdnutzungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Instrumente des Fremdbesitzverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verbot des Fremdbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz: Verbot des Betriebs einer Apotheke durch einen Nichtapotheker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unteraspekt: Verbot des Betriebs einer Apotheke in einer anderen Rechtsform als der einer OHG oder GbR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbot der Verpachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbot der Beteiligung sowie umsatzabhängiger Vereinbarungen . . . 4. Pflicht zur persönlichen Leitung in eigener Verantwortung . . . . . . . . . III. Ausnahmen vom Fremdbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Das Mehrbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Mehrbesitzverbot als Mehrbetriebsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Beschränkungen der Nutzung und wirtschaftlichen Verwertung mehrerer Apotheken durch einen Apotheker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 35
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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28 28 29 30 32 33
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Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
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A. Historische Entwicklung des Apothekerberufs und des Systems der Betriebserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Geschichte des Apothekerberufs und der Rechtsquellen des Apothekenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Geschichte der Betriebserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Realrecht / Privileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Konzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Betriebserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 41 41 42 44 45
B. Das Berufsbild des Apothekers in der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . I. BVerfGE 5, 25 ff.: Das Apothekenstoppgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. BVerfGE 7, 377 ff.: Entwicklung der Drei-Stufen-Lehre . . . . . . . . . . . . . III. BVerfGE 17, 232 ff.: Zur Verfassungskonformität des Mehrbesitzverbots IV. BVerfGE 75, 166 ff.: Zum Verbot der Selbstbedienung in Apotheken . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 46 46 49 51 52
C. Der Apotheker – ein Freiberufler? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff des freien Berufs – Definitionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prägende Merkmale des freien Berufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualifizierte Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderes Vertrauensverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaftliche, fachliche und sachliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . 5. Fehlen des Gewinnstrebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Recht zur Selbstorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Apotheker zwischen freiem Beruf und Gewerbetreibendem . . . . . . .
53 54 55 55 55 56 56 57 58 58
D. Das heutige „Berufsbild“ des Apothekers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufgaben des Apothekers im Umgang mit Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . II. Räumliche Besonderheiten, Vorratshaltung, Kontrahierungszwang . . . . . III. Die Ausbildung des Apothekers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Haftung des Apothekers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Filialleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Arzneimittelpreisverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59 59 61 62 63 64 65
E.
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Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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3. Kapitel Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes A. Vorbemerkung: Die Bindungswirkung früherer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot auf dem Prüfstand des Art. 12 Abs. 1 GG . . I. Der Apothekenbetreiber als eigenständiger Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Erwägungen zum sachlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berufsbildfixierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Beruf des Apothekenbetreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vom Fremdbesitzverbot betroffene Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betroffene Berufe aus der Perspektive eines selbstständigen Apothekers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betroffene Berufe aus der Perspektive eines Berufsfremden . b) Vom Mehrbesitzverbot betroffene Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Freiberuflerfähigkeit der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Erwägungen zum persönlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Grundrechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft, Art. 19 Abs. 3 GG 3. Die Kapitalgesellschaft als Grundrechtsträgerin der Berufsfreiheit . . 4. Die Kapitalgesellschaft als Grundrechtsträgerin der Berufsfreiheit im Rahmen freiberuflicher Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot als Eingriff in die Berufsfreiheit . . . . IV. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot als Gesetz im Sinne des Regelungsvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts als Kriterium für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Berufsfreiheit? 1. Eingriffsintensität des Fremd- und Mehrbesitzverbots bei Anwendung der Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . a) Fremdbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eingriffsintensität aus der Perspektive eines Apothekers . . . . bb) Eingriffsintensität aus der Perspektive einer berufsfremden natürlichen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eingriffsintensität aus der Perspektive einer Kapitalgesellschaft dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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67 69 69 69 70 71 74 74 74 74 75 76 76 76 77 80 82 86 86 87 89 92 92 92 93 93 94 94
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Inhaltsverzeichnis 2. Relation von Eingriffszweck und Eingriffsintensität als Maßstab für die Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in das Grundrecht der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Wandel der Drei-Stufen-Lehre in die Prüfung der Relation von Eingriffszweck und -intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zur Verhältnismäßigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots . . . . . . . . . . 1. Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besonderheiten des Apothekenmarkts und des verkauften Produkts b) Kostensenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konzernbildung / vertikale Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Qualität der Beratung vs. Gewinnstreben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vergleich mit anderen freien Berufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Arzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Steuerberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis für die freien Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Wandel im Beruf des Apothekers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Krankenhausapotheke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Möglichkeit der Verpachtung nach § 9 ApoG . . . . . . . . . . . . . . . . i) Beschränkung des Mehrbesitzes auf drei Filialapotheken . . . . . . . j) Vergleich mit anderen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Möglichkeit des Versandhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legitimer Zweck / Gemeinwohlbelang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fremdbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesundheitspolitische Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz der „Volksgesundheit“ durch Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutz der finanziellen Stabilität des Systems der sozialen Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirtschaftspolitisches Ziel: Mittelstandsschutz . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fremdbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die fehlende Erforderlichkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots zum Schutze der öffentlichen Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Lösungsmodell: Qualifizierter Fremdbesitz durch Zulassung von Kapitalgesellschaften, deren Gesellschafter überwiegend Apotheker sind . . . . . .
95 96 100 100 101 101 105 108 111 116 117 120 122 123 125 126 127 128 130 134 135 137 137 137
137 140 141 142 142 143 144 145 147 152
Inhaltsverzeichnis
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VIII. Zum „Schicksal“ des Mehrbesitzverbots im Falle der Einführung des qualifizierten Fremdbesitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 IX. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 C. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot auf dem Prüfstand des Art. 14 GG . . . . . . . 158 D. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot auf dem Prüfstand des Art. 3 GG . . . . . . . . 160 I. Zum Verhältnis des Gleichheitsrechts zum Grundrecht der Berufsfreiheit 161 II. Zur Ungleichbehandlung des Apothekers im Verhältnis zu anderen freien Berufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Kapitel Das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker im Lichte des Gemeinschaftsrechts
168
A. Das vom OVG Saarlouis initiierte Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH 168 B. Die einschlägigen Rechtsquellen des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 C. Die Rechtsprechung des EuGH zum Apotheken- und Arzneimittelrecht sowie zum Fremd- und Mehrbesitzverbot bei griechischen Optikerbetrieben . . . . . . . I. Entscheidungen zum Apotheken- und Arzneimittelrecht . . . . . . . . . . . . . 1. Delattre, Monteil und Samanni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mac Quen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Deutscher Apothekerverband (DocMorris I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Optikerentscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwägungen des Generalanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleichbarkeit mit dem apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ähnliche Problemstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleich der Berufsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Risikoprofil der Berufe unter Berücksichtigung der vertriebenen Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zur Vereinbarkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots mit der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzüberschreitender Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Harmonisierungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bereichsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171 172 172 173 174 176 177 177 179 181 181 184 185 188 189 190 190 192 193 194
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E.
Inhaltsverzeichnis a) Art. 45 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 86 Abs. 2 EG als Bereichsausnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 47 Abs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . aa) Klopp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arztpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kommission / Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Daily Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Vlassopoulou . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Gebhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Fremd- und Mehrbesitzverbot als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG als Schutzbereichsbegrenzung? . . . . . . . . . . . a) Historische Entwicklung des Gesundheitsschutzes in der EG . . . . b) Organisation des Gesundheitswesens und medizinische Versorgung c) Rechtsfolgen des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtfertigungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschriebene Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 46 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG als zusätzliche Rechtfertigungsmöglichkeit 2. Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutzzweck des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots 4. Geeignetheit einer Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erforderlichkeit der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
195 197 198 198 199 199 200 201 202 202 204 205 206 206 207 207 208
Inländerdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vereinbarkeit der Inländerdiskriminierung mit dem Gemeinschaftsrecht . 1. Anwendbarkeit der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des Art. 12 EG in Verbindung mit dem Institut der Unionsbürgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinbarkeit der Inländerdiskriminierung mit dem Verfassungsrecht . . .
239 240 240
208 209 210 215 217 220 222 222 223 223 225 228 230 231 232 238
243 245
Inhaltsverzeichnis 1. Vereinbarkeit der Inländerdiskriminierung mit Art. 12 Abs. 1 GG . . . 2. Vereinbarkeit der Inländerdiskriminierung mit Art. 3 Abs. 1 GG . . . . a) Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG im Falle der Inländerdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstoß der Inländerdiskriminierung gegen Art. 3 Abs. 1 GG? . . . F.
15 245 247 247 249
Exkurs: Die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit des § 2 Abs. 2 ApoG . . . . . . 251
G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
Problemstellung und Gang der Untersuchung Aus Anlass der Niederlassung der niederländischen Apothekenkette „0800 DocMorris NV“ (DocMorris) im deutschen Bundesgebiet im Jahre 2006 ist das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker erneut 1 in die Diskussion geraten. 2 Grundlage für die Niederlassung ist eine Betriebserlaubnis des saarländischen Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales. Am 31. Juli 2006 erhoben der Deutsche Apothekerverband e.V. (DAV), die Apothekerkammer des Saarlandes sowie drei Apothekeninhaber gemeinschaftlich Klage gegen das saarländische Ministerium, um eine Aufhebung der erteilten Erlaubnis zu erwirken. 3 Daneben wurde um vorläufigen Rechtsschutz ersucht. 4 Am 12. und 18. September 2006 kam das Verwaltungsgericht des Saarlandes dem Eilantrag der Inhaber saarländischer Apotheken nach und stellte die aufschiebende Wirkung der Klage bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren wieder her. 5 Den Eilantrag des DAV sowie der saarländischen Apothekerkammer wies das Gericht mangels Klagebefugnis ab. Am 13. September 2006 forderte das saarländische Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales auf der Grundlage des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die Apothekenkette DocMorris deshalb auf, die in Saarbrücken betriebene Apotheke wieder zu schließen. Hiergegen wandte sich wiederum DocMorris am 14. September 2006 mit einer 1
Bereits in den neunziger Jahren war ein Gutachterstreit zur Zulässigkeit des Mehrbesitzverbots für Apotheker entbrannt. Damals war der Anlass für die Diskussion der Versuch der Gründung einer Apothekenkette durch einen approbierten Apotheker. Mit einem Geflecht von Vereinbarungen war es ihm gelungen, mehrere Apotheken durch andere Apotheker betreiben zu lassen. Siehe hierzu BGH, MedR 2003, 301 ff.; Schübel, NStZ 2003, 122 ff. 2 Zu den vielen Zeitungsmeldungen gehören: „Rezepte aus dem Ausland“ in der Welt am Sonntag vom 23. Juli 2006; „Für die deutschen Apotheker ist es fünf nach zwölf“ im Handelsblatt vom 18. April 2007; „DocMorris muss Apotheke vorerst schließen“ in der FAZ vom 14. September 2006; „DocMorris darf Filiale wieder öffnen“ in der FAZ vom 23. Januar 2007; „DocMorris plant Apothekenkette“ in der SZ vom 8. Januar 2007; „DocMorris beschäftigt Gerichtshof“ in der FAZ vom 3. April 2007; „EuGH wird Fremdbesitzverbot überprüfen“ in der DAZ 2007, 1510. 3 Vgl. VG Saarlouis, Az. 1 K 66/06. 4 VG Saarlouis, Az. 1 F 32/06. 5 VG Saarlouis, Az. 3 F 38/06; Az. 3 F 39/06.
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Problemstellung und Gang der Untersuchung
Klage. 6 Am 15. September ging beim Oberverwaltungsgericht des Saarlandes eine Beschwerde des Ministeriums gegen die am 12. September 2006 ergangene Entscheidung ein. Zugleich stellte das Ministerium einen Antrag zur Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses bis zur Entscheidung über die Beschwerde. Diesem Antrag schloss sich DocMorris an. Er wurde jedoch zurückgewiesen. 7 Am 22. Januar 2007 gab das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes den Beschwerden des Ministeriums sowie der DocMorris statt und wies die Anträge von saarländischen Apothekeninhabern auf vorläufige Aussetzung der Erlaubnis zum Betrieb der DocMorris-Apotheke zurück. 8 Auf der Grundlage dieses Beschlusses ist es der niederländischen Apothekenkette DocMorris – trotz expliziter Verbote im deutschen Apothekenrecht – möglich, bis zur unanfechtbaren Entscheidung über die noch beim Verwaltungsgericht anhängigen Klagen, die Apotheke in Saarbrücken weiter zu betreiben. Das Verwaltungsgericht Saarlouis setzte am 20. und 21. März 2007 das Hauptsacheverfahren des Deutschen Apothekerverbandes, der Apothekerkammer des Saarlandes sowie einzelner Apotheker gegen die ursprüngliche Erteilung der Betriebserlaubnis an die DocMorris aus und legte es dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. 9 Der EuGH soll darüber entscheiden, ob das nach dem deutschen Recht geltende Fremdbesitzverbot für Apotheken mit der Niederlassungsfreiheit für Kapitalgesellschaften aus dem EG-Vertrag vereinbar ist. Weiterhin soll geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen eine nationale Behörde bei Annahme eines Verstoßes des nationalen Rechts gegen Gemeinschaftsrecht berechtigt und verpflichtet ist, von der Anwendung nationaler Vorschriften abzusehen. 10 Eine Klärung der seit jeher kontrovers diskutierten Problematik des Fremdund Mehrbesitzverbots in Deutschland erscheint nunmehr unausweichlich. Die Stimmen, die sich für eine Liberalisierung des Apothekenmarkts für Kapitalgesellschaften und Apothekenketten aussprechen, werden immer lauter. Die niederländische Apothekengesellschaft DocMorris wird gar als „Robin Hood“ der Gesundheitsbranche betitelt. 11 Entscheidet der EuGH, dass das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, könnte dies weit reichende Folgen – nicht nur für das deutsche Gesundheitssystem – haben. Der Blick in andere Länder zeigt, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht nur ein nationales Pro6
VG Saarlouis, Az. 3 K 378/06. VG Saarlouis, Az. 3 F 40/06. 8 OVG des Saarlandes, Az. 3 W 14/06 und 3 W 15/06. 9 VG Saarlouis, Az. 3 K 361/06 und 3 K 364/06. 10 Siehe ausführlich zur Normverwerfungskompetenz der Behörde im Zusammenhang mit der DocMorris-Problematik Semmroth, NVwZ 2006, 1378 ff. 11 Martini, DVBl 2007, 10. 7
Problemstellung und Gang der Untersuchung
19
blem darstellt. So hat die Europäische Kommission bereits gegen verschiedene Länder ein Vertragsverletzungsverfahren wegen dort geltender Fremd- und / oder Mehrbesitzverbote eingeleitet. 12 Auch wenn die Aufmerksamkeit sich auf den EuGH richtet, erscheint es dennoch von Interesse, das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot auch aus der verfassungsrechtlichen Perspektive zu betrachten. Bereits hieraus könnte sich für den Gesetzgeber eine Pflicht ergeben, die derzeit bestehende Rechtslage zu novellieren. Ziel dieser Arbeit ist deshalb die Beantwortung der Frage, inwieweit das derzeit geltende Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker noch mit dem Grundgesetz und dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, oder ob tatsächliche bzw. rechtliche Veränderungen innerhalb Deutschlands und Europas eine Neubeurteilung erforderlich machen. Dabei konzentrieren sich die Ausführungen auf die „öffentliche“ Apotheke, in der die Bevölkerung ihren Arzneimittelbedarf befriedigen kann. Hierbei handelt es sich um einen als Ladengeschäft betriebenen Einzelhandelsbetrieb. 13 Im Rahmen einer Einführung sollen zunächst die normativen Grundstrukturen des Apothekenrechts sowie verschiedene Begriffe, deren Verständnis für die weitere Untersuchung unerlässlich ist, dargestellt werden. Im Anschluss hieran soll im ersten Kapitel eine detaillierte Definition der Begrifflichkeiten des Mehrbesitzes und des Fremdbesitzes stattfinden. Ebenso sollen die verschiedenen Ausprägungen der Verbote erläutert werden. Hierzu zählen beispielsweise das Verbot der Verpachtung einer Apotheke an einen Nichtapotheker, das Verbot der Beteiligung an einer fremden Apotheke, sowie die Verpflichtung des Apothekers zur persönlichen Leitung der Apotheke. Das zweite Kapitel setzt sich verstärkt mit dem Beruf des Apothekers, der schon von Gesetzes wegen als „Diener“ der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes eingestuft wird, 14 auseinander. Eingegangen wird dabei insbesondere auf die Zwitterstellung des Apothekers als Freiberufler und Gewerbetreibender. Es wird zunächst die historische Entwicklung des Berufs sowie der zum Betrieb erforderlichen Konzession dargestellt. Dabei sollen die Merkmale des freien Berufs in Augenschein genommen werden. Sodann folgt eine Auseinandersetzung mit den Arbeitsbedingungen eines modernen Apothekers. Das dritte Kapitel befasst sich mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Fremd- und Mehrbesitzverbots anhand der Art. 12, 14 und 3 GG. Der Schwer12 Europäische Kommission, Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, Österreich und Spanien, IP/06/858. 13 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 8. 14 § 1 BApoO.
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Problemstellung und Gang der Untersuchung
punkt wird in der Prüfung am Maßstab der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und innerhalb derer in der Suche nach einer Rechtfertigung für den Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte des Einzelnen liegen. Insbesondere wird zu prüfen sein, ob das Fremd- und Mehrbesitzverbot zur Erreichung des Schutzes der Volksgesundheit erforderlich ist. Hierbei soll nicht nur ein Vergleich mit den Regelungen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, sondern auch mit anderen freien Berufen stattfinden. In den Fokus der Untersuchung gelangt die Frage, inwiefern das Gewinninteresse einer Kapitalgesellschaft mit einer ordnungsgemäßen Berufsausübung vereinbar ist. Von entscheidender Bedeutung wird sein, ob es gelingen kann mit gesetzlichen Konstruktionen die fachliche Unabhängigkeit eines potentiellen Apothekenleiters sicherzustellen. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine Liberalisierung des deutschen Apothekenmarkts. Ein weiterer Schwerpunkt der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots ist die wegen der Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts entstehende Besonderheit, wenn man von einer Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person im Rahmen der Berufsfreiheit ausgeht. Im vierten Kapitel findet eine Prüfung der Vereinbarkeit der Verbote mit dem Gemeinschaftsrecht statt. Bereits im Jahre 1994 wurde das Apothekengesetz nach einer Stellungnahme der Europäischen Kommission auf Grund des Einflusses der europäischen Niederlassungsfreiheit durch eine Novelle geändert. 15 In dieser Stellungnahme hatte die Kommission die Europarechtswidrigkeit des Apothekengesetzes behauptet, weil ein Apotheker nach der damaligen Fassung keine Zulassung zum Betrieb einer Apotheke erhalten konnte, wenn er bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Apotheke betrieb. Es blieb allerdings bei der persönlichen Leistungspflicht und damit der Anwesenheitspflicht in Deutschland, so dass der grenzüberschreitende Mehrbetrieb nur mit solchen Mitgliedstaaten möglich ist, in denen keine mit der deutschen vergleichbare Anwesenheitspflicht existiert. Die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung des Fremd- und Mehrbesitzverbots erfolgt anhand der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG. In diesem Kontext wird zu prüfen sein, ob Art. 43 EG heute nicht nur als Diskriminierungs-, sondern auch als Beschränkungsverbot verstanden wird. Dies ist insofern entscheidend für die Beurteilung der europarechtlichen Zulässigkeit der Berufsausübungsregelungen, als das Fremd- und Mehrbesitzverbot anerkanntermaßen nicht diskriminierend wirkt. 16 Schließlich ist im Rahmen des vierten Kapitels zu klären, ob der deutsche Apotheker gegenüber seinen ausländischen Kollegen in ungerechtfertigter Weise benachteiligt wird, wenn es zu einer Unanwendbarkeit des Fremd- und Mehrbe15 Gesetz zur Anpassung des Apothekenrechts und berufsrechtlicher Vorschriften an das Europäische Gemeinschaftsrecht v. 23. 08. 1994 (BGBl. I, S. 2189). 16 Becker, ApoR 2004, 8, 10.
Problemstellung und Gang der Untersuchung
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sitzverbots bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kommt. Das Problem der Inländerdiskriminierung ergibt sich dann aus der Tatsache, dass die streitigen Verbote bei rein inländischen Sachverhalten weiterhin zur Anwendung kommen.
Einführung: Normative Grundstrukturen und terminologische Vorklärungen A. Normative Grundstrukturen des Apothekenrechts I. Das Apothekenrecht als gewerbliches Sonderrecht Der Apotheker übt einen freien Beruf aus. 1 Nichtsdestotrotz qualifiziert sich der Betrieb seiner Apotheke als solcher – d. h. der Verkauf von Arzneimitteln – als gewerbliche Tätigkeit. 2 So erklärt es sich auch, dass die Gewerbeordnung auf den Apothekenbetrieb grundsätzlich Anwendung findet. 3 Nicht erfasst von der Gewerbeordnung ist lediglich die Errichtung und Verlegung von Apotheken, § 6 Abs. 1 S. 1 GewO. Grund für die Herausnahme des Apotheken(gewerbe)rechts aus der Gewerbeordnung ist also nicht – wie der Zusammenhang mit den anderen benannten Berufen es vermuten ließe – die fehlende Eigenschaft als Gewerbe, sondern das Bedürfnis nach einer spezial-gesetzlichen Regelung aufgrund der Komplexität der Materie sowie der Bindung des Apothekers an öffentliche Interessen. 4 Als spezialgesetzliche Regelung zur Gewerbeordnung beim Apothekengewerbe ist das Apothekenrecht somit gewerbliches Sonderrecht. 5 Heutige Grundlage für das Apothekenrecht ist das Gesetz über das Apothekenwesen (kurz: Apothekengesetz, ApoG). 6 Unterstützt wird es durch die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), 7 die ebenso den Betrieb und die Errichtung der Apotheke betrifft. Vom Apothekenrecht ist das Apothekerrecht zu unterscheiden. 1
Vgl. weiter unten, 1. Kapitel, C. III. BVerfGE 17, 232, 238 f.; Friauf, in: ders., GewO, § 1 Rn. 104; Marcks, in: Landmann / Rohmer, GewO, § 14 Rn. 27. 3 Siehe §§ 14, 15a GewO. 4 BVerfGE 5, 25, 30 mit Verweis auf die amtliche Begründung zur Reichsgewerbeordnung, in: Sammlung sämtlicher Drucksachen des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 1869, Bd. 1, S. 50; Marcks, in: Landmann / Rohmer, GewO, § 6 Rn. 5. 5 Vgl. hierzu auch Repkewitz, in: Friauf, GewO, § 6 Rn. 43 ff. 6 ApoG in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 (BGBl. I S. 1993), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 2. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2686). 7 ApBetrO in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 1995 (BGBl. I S. 1195), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. Juli 2007 (BGBl. I S. 1574). 2
A. Normative Grundstrukturen des Apothekenrechts
23
Das Apothekerrecht befasst sich mit der Person des Apothekers. 8 Es umfasst im Einzelnen das allgemeine Berufszulassungsrecht, das Prüfungsrecht, das Recht der Standesvertretung und der Standesgerichtsbarkeit. Normative Grundlagen des Apothekerrechts sind die Bundesapothekerordnung (BApO) 9 und die Approbationsordnung (AAppO), 10 die beide die Berufszulassung, sowie die Kammergesetze der Bundesländer, die die Art und Weise der Berufsausübung regeln. Neben dem Apotheken- und Apothekerrecht spielt im Bereich der Arzneimittelversorgung noch das Arzneimittelrecht eine wichtige Rolle. Es hat im Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz, AMG) 11 eine zusammenfassende Kodifizierung erfahren. Hierin geregelt sind die Zubereitung und die Abgabe der Arzneimittel.
II. Die Standesorganisation und behördliche Überwachung des Apothekers Entsprechend seinem Status als Freiberufler hat der Apotheker das Recht zur Selbstorganisation durch Standesvertretungen. 12 Die Apotheker sind als Berufsstand in den auf Landesebene errichteten Apothekerkammern als Personalkörperschaften des öffentlichen Rechts zusammengefasst. 13 Die Rechtsverhältnisse sind dabei in einem Landesgesetz, dem Kammergesetz oder Heilberufsgesetz geordnet. Einzelheiten regelt die Kammersatzung in Verbindung mit der Geschäftsordnung. Die Mitgliedschaft in der Kammer ist zwingend und erstreckt sich in gleicher Weise auf den selbstständigen wie auf den angestellten Apotheker. 14 Zu den zentralen Aufgaben der Apothekerkammern gehören die Überwachung der Kammerangehörigen bei der Erfüllung der Berufspflichten sowie die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Kammermitgliedern. Obwohl Apotheken Privatunternehmen sind, unterstehen sie wegen der erfüllten öffentlichen Aufgabe der behördlichen Überwachung. Zuständig für die Überwachung von Apotheken sind die Landesbehörden. Da die Kammern als 8
Vgl. auch Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 7. BApO in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 1989 (BGBl. I S. 1478, 1842), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2945). 10 AAppO vom 19. Juli 1989 (BGBl. I S. 1489), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 2. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2686). 11 AMG in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 9 Abs. 1 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631). 12 Vgl. auch weiter unten bei den prägenden Merkmalen des freien Berufs. 13 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 98; Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 184. 14 Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 184. 9
24
Einführung
Selbstverwaltungskörperschaften übertragene Pflichten erfüllen, werden auch sie der behördlichen Überwachung in Form der Rechtsaufsicht unterstellt. 15 Neben den Apothekerkammern existieren auch Apothekerverbände, die der Wahrung und Förderung der ethischen, beruflichen, sozialrechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Belange des Apothekerstands, sowie der Information und Beratung ihrer Mitglieder dienen. 16 Im Gegensatz zur Kammermitgliedschaft ist die Mitgliedschaft im Verband freiwillig. 17 Auf Bundesebene haben sich die Landeskammern zu einer Arbeitsgemeinschaft mit dem Namen Bundesapothekerkammer, die Landesapothekervereine zum Deutschen Apothekerverband zusammengeschlossen. 18 Die Bundesapothekerkammer sowie der Deutsche Apothekerverband haben als oberste Spitze der Standesorganisation der deutschen Apotheker die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) gegründet. 19 Die ABDA vertritt einheitlich auf Bundesebene die Interessen des Apothekerstands, insbesondere bei Verhandlungen mit dem Bundesgesundheitsministerium und mit den Gesetzgebungsorganen des Bundes. 20
B. Terminologische Vorklärungen Bevor anhand der dargestellten normativen Grundlagen die Begriffe des „Fremdund Mehrbesitzverbots“ definiert werden können, ist eine kurze Darstellung anderer, für ein besseres Verständnis der Materie unerlässlicher Termini notwendig. Es ist zu unterscheiden: Apotheker ist grundsätzlich derjenige, der eine Approbation als Apotheker hat. Ein Apotheker kann seinen Beruf in verschiedener Weise ausüben. In den Fokus dieser Arbeit gelangen der selbstständige Apotheker und der in der öffentlichen Apotheke angestellte Apotheker. Selbstständiger Apotheker ist ein Apotheker, der eine Apotheke betreibt. Der Begriff des Betreibens oder des Betreibers ist im ApoG nicht weiter definiert. Unter Betreiben im apothekenrechtlichen Sinne ist das Inganghalten des Betriebs in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und grundsätzlich durch persönliche Leitung in eigener Verantwortung zu verstehen. 21 Der Begriff des Betreibens ist damit nicht mit dem des Leitens
15
Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 98; Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 188 f. 16 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 99; Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 189. 17 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 99. 18 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 99. 19 Siehe auch www.abda.de. 20 Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 190 f.
B. Terminologische Vorklärungen
25
gleichzusetzen. Der Begriff des Apothekenleiters wird in § 2 Abs. 1 ApBetrO definiert und soll später näher erläutert werden. Der Normaltyp und hier zu behandelnde Fall ist die öffentliche Vollapotheke. Eine Apotheke ist öffentlich, wenn sie dem Publikum offen steht. 22 Als Vollapotheke wird die voll leistungsfähige Apotheke bezeichnet, also eine Apotheke, die hinsichtlich der Betriebsräume und Einrichtung alle Anforderungen erfüllt. 23 Nicht zu den öffentlichen Vollapotheken gehören die Krankenhausapotheken und die Bundeswehrapotheken, weil diese dem Grundsatz nach nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind. Insofern gelten für diese nicht öffentlichen Apotheken Sonderregelungen.
21 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 1 Rn. 121; Hoffmann, ApoG, § 1 Rn. 133 ff.; Tisch, PZ 1995, 3491; siehe zum Begriff des „Betreibens“ auch BGH, MedR 2003, 301, 302; Schübel, NStZ 2003, 122 ff. 22 Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 85. 23 Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 48 Fn. 30; Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 85.
1. Kapitel
Zum Inhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots Eine explizite Regelung des Fremd- und Mehrbesitzverbots lässt sich in den oben genannten Gesetzen nicht finden. Vielmehr ergeben sich diese aus dem Zusammenhang verschiedener Normen des Apothekengesetzes und deren Auslegung. 1 Ausgangspunkt der Problematik stellen § 1 Abs. 2 i.V. m. § 2 ApoG dar. Diese Normen regeln, dass zum Betrieb einer Apotheke eine Erlaubnis der zuständigen Behörde notwendig ist. § 2 ApoG konkretisiert hierbei die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Erlaubnis. Es ist zwischen Voraussetzungen, die an die Person des Antragstellers, und Voraussetzungen, die an räumlich-sachliche Kriterien anknüpfen, zu unterscheiden. Die Voraussetzungen in der Person des Antragstellers regelt § 2 ApoG. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ApoG muss der Antragsteller zunächst Deutscher im Sinne des Art. 116 GG, Angehöriger eines EU-Mitgliedstaats, Angehöriger eines anderen Vertragsstaats, dem Deutschland und die EU vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, oder heimatloser Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer sein. Beim Antragsteller muss es sich folglich um eine natürliche Person handeln, einer juristischen Person ist die Erteilung der Betriebserlaubnis untersagt. Weiterhin erfordert die Erteilung der Erlaubnis, dass der Antragssteller geschäftsfähig ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ApoG), die für das Betreiben einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG) und schließlich in gesundheitlicher Hinsicht auch zur ordnungsgemäßen Leitung geeignet ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 ApoG). Aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 ApoG ergibt sich weiterhin, dass der Antragsteller die deutsche Approbation als Apotheker besitzen muss. Die Erteilung der Approbation als Apotheker regeln §§ 4, 11 Bundes-Apothekerordnung (BApO). Die Erteilung der Betriebserlaubnis ist weiterhin an räumlich-sachliche Voraussetzungen geknüpft. Hierzu zählt das Erfordernis der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, dass der Apotheker keine Vereinbarungen getroffen hat, die gegen §§ 8 S. 2, 9 Abs. 1, 10, 11 ApoG verstoßen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 ApoG). Ebenso muss 1
Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 18.
A. Das Fremdbesitzverbot
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der Apotheker Kauf- und Pachtverträge über die Apotheke sowie andere Verträge, die mit der Errichtung und dem Betrieb der Apotheke im Zusammenhang stehen, vorlegen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 HS. 2 ApoG). Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 ApoG muss der Antragsteller nachweisen, dass er über die gemäß § 21 ApBetrO vorgeschriebenen Räume verfügt. Schließlich muss der Antragsteller mitteilen, ob und gegebenenfalls an welchem Ort er in einem EU-Mitgliedstaat oder einem anderen Vertragsstaat eine oder mehrere Apotheken betreibt (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 ApoG). Vor dem Hintergrund der soeben genannten Vorschriften soll zunächst eine Darstellung des Fremdbesitzverbots erfolgen. Die bereits angesprochenen Vorschriften bilden die Grundlage für dieses Verbot. Aus dem Zusammenspiel mit anderen Vorschriften erhält es eine Konkretisierung.
A. Das Fremdbesitzverbot I. Das Fremdbesitzverbot als Fremdnutzungsverbot Das Fremdbesitzverbot verbietet grundsätzlich die ertragreiche Verwertung der wirtschaftlichen Ergebnisse einer Apotheke durch einen Nichtapotheker. 2 Hierfür bedient sich der Gesetzgeber verschiedener Instrumente: des Verbots des Fremdbetriebs, des Verbots der Verpachtung einer Apotheke durch einen Nichtapotheker, des Verbots der Beteiligung an einer Apotheke in der Form der stillen Gesellschaft, des Verbots umsatzabhängiger Vereinbarungen sowie der Pflicht zur persönlichen Leitung der Apotheke. Das Fremdbesitzverbot ist also als ein Fremdnutzungsverbot zu verstehen. 3 Der Wortbestandteil „Besitz“ könnte darauf schließen lassen, dass es sich vorliegend um den in der Rechtssprache verwandten Begriff im Sinne der tatsächlichen Herrschaft über eine Sache 4 oder um den umgangssprachlich für das Eigentum verwandten Begriff handeln könnte. Ein Verbot in dem Sinne, dass ein Berufsfremder oder eine Kapitalgesellschaft nicht Eigentümer einer Apotheke sein dürfen, gibt es jedoch nicht. 5 Es ist vielmehr unstreitig, dass unter „Besitz“ im Sinne des Fremdbesitzverbots jedenfalls nicht „bürgerlich-rechtlicher“ Besitz zu verstehen ist. 6 Ein Berufsfremder darf grundsätzlich eine Apotheke besitzen 2 Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, S. 11; Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 15. 3 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 15. 4 Joost, in: MüKo, BGB, § 854 Rn. 3 f. 5 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 70; Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 5 f. 6 Martini, DVBl. 2006, 10, Fn. 5; Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremdund Mehrbesitzes“, S. 14.
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1. Kap.: Zum Inhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots
oder ihr Inhaber sein, weil dies für sich genommen nicht erlaubnispflichtig ist. 7 Es geht vielmehr darum, wem es erlaubt ist, eine Apotheke zu betreiben, weil eben der Betrieb einer Apotheke nach dem Apothekengesetz erlaubnispflichtig ist. 8 Es gibt zwar ein Verbot des Fremdbetriebs, aber kein Verbot der Fremdinhaberschaft. 9 Dies ergibt sich bereits aus der historischen Betrachtung bei der Schaffung des Apothekengesetzes: Der Initiativentwurf der Abgeordneten Dittrich u. a. zum Apothekengesetz sah vor, schon die Errichtung einer Apotheke und deren rechtsgeschäftlichen Erwerb erlaubnispflichtig zu gestalten. 10 Der Gesetzgeber ist dieser Forderung jedoch nicht gefolgt. 11
II. Instrumente des Fremdbesitzverbots 1. Das Verbot des Fremdbetriebs a) Grundsatz: Verbot des Betriebs einer Apotheke durch einen Nichtapotheker Zunächst ist als wichtigstes Instrument für die Durchsetzung des Fremdbesitzverbots das Verbot des Fremdbetriebs zu nennen. Danach ist es einem Nichtapotheker, also jemandem, der keine Approbation als Apotheker im Sinne der BApO hat, verwehrt, eine Apotheke zu betreiben. Dies ergibt sich daraus, dass gemäß § 1 Abs. 2 ApoG zum Betreiben einer Apotheke eine behördliche Erlaubnis nötig ist, welche nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ApoG allerdings nur demjenigen zu erteilen ist, der eine Approbation als Apotheker hat. Von diesem Grundsatz erlaubt das Gesetz lediglich zwei Ausnahmen: zum einen im Falle des Todes des Apothekers (§ 13 Abs. 1 ApoG) oder des Pächters (§ 13 Abs. 1a ApoG) und im Falle der Krankenhausapotheke nach § 14 ApoG. b) Unteraspekt: Verbot des Betriebs einer Apotheke in einer anderen Rechtsform als der einer OHG oder GbR Unteraspekt des Fremdbetriebsverbots ist gemäß § 8 S. 1 ApoG das Verbot, eine Apotheke in einer anderen Rechtsform als der OHG oder GbR zu betreiben. 12 Die Betriebserlaubnis wird in einem solchen Fall nicht der GbR oder der OHG 7 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 70; Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 5 f.; Taupitz / Schelling, NJW 1999, 1751. 8 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 6. 9 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 13; Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 18; Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S.7. 10 BT-Drs. 3/570, S. 1. 11 BT-Drs. 3/1769, S. 2.
A. Das Fremdbesitzverbot
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selbst, sondern den die Gesellschaft gründenden Apothekern erteilt. Entscheiden sich mehrere Apotheker hiernach zum gemeinschaftlichen Betrieb einer Apotheke in Form einer Gesellschaft, müssen alle Gesellschafter die Betriebserlaubnis für die jeweilige Apotheke besitzen. Dies steht insofern im Einklang mit dem Fremdbetriebsverbot, als bei der OHG und der GbR eine enge Verknüpfung zur Person des Apothekers besteht: Da weder die GbR noch die OHG die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung bieten, ist gewährleistet, dass jeder (Mit-)Betreiber für die Verbindlichkeiten des Apothekenunternehmens mit seinem gesamten Vermögen persönlich und unbeschränkt haftet. Aus diesem Grund ist im Verbot des Betriebs einer Apotheke in einer anderen Rechtsform auch ein Unteraspekt des Fremdbetriebsverbots zu sehen, da bei einer anderen Gesellschaftsform die persönliche Verknüpfung zu den Gesellschaftern mangels unbeschränkter persönlicher Haftung nicht mehr besteht. Aus dem Verbot, eine Apotheke in einer anderen Rechtsform als der OHG oder GbR zu betreiben, ergeben sich zwei Konsequenzen: Dem Nichtapotheker, der eine natürliche Person ist, ist die Beteiligung an einer Apothekenbetriebsgesellschaft untersagt. 13 Eine Kapitalgesellschaft scheidet als Apothekenbetreiberin von vornherein aus. Sowohl der Verstoß gegen das Verbot aus § 8 S. 1 ApoG, als auch ein Verstoß gegen das Verbot des Fremdbetriebs im Sinne von §§ 1 Abs. 2 i.V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ApoG werden strafrechtlich verfolgt (§ 23 ApoG). 2. Verbot der Verpachtung Eine weitere Ausprägung ist das grundsätzliche Verbot der Verpachtung einer Apotheke durch einen Nichtapotheker gemäß § 9 ApoG. Die Verpachtung einer Apotheke ist gemäß § 9 ApoG an enge Voraussetzungen geknüpft. Sie ist gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ApoG nur möglich, wenn der Verpächter im Besitz einer Betriebserlaubnis ist. Diese kann derjenige jedoch nur dann rechtmäßig erhalten haben, wenn er zuvor die persönlichen Voraussetzungen für den Erhalt einer Betriebserlaubnis erfüllt hat, also zum Zeitpunkt des Antrags auf Erteilung der Betriebserlaubnis Apotheker war. Der Betreiber der Apotheke muss diese wegen eines in seiner Person liegenden wichtigen Grunds nicht mehr selbst betreiben können oder es muss die Erlaubnis wegen des Wegfalls einer der Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 ApoG oder Erlöschens der Approbation gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BApO widerrufen worden sein. Die in § 2 Abs. 1 Nr. 7 ApoG und § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BApO genannten Fälle des Erlöschens der Betriebserlaubnis 12 Der Betrieb einer Apotheke in der Rechtsform der GbR wird in der Regel ausscheiden, weil das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern wird; vgl. auch Schiedermair, FS Laufke, S. 253, 264. 13 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 16.
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1. Kap.: Zum Inhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots
oder der Approbation betreffen Fälle, in denen ein bereits approbierter Apotheker bzw. Apothekenbetreiber aus gesundheitlichen Gründen an der Berufsausübung bzw. am Betreiben verhindert ist. Weiterhin ist die Verpachtung durch die erbberechtigten Kinder gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ApoG solange zulässig, bis das jüngste Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat. Sofern eines der erbberechtigten Kinder vor Vollendung des 23. Lebensjahres den Apothekerberuf ergriffen hat, kann diese Frist verlängert werden, bis es in seiner Person die Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis erfüllen kann. Schließlich darf der überlebende erbberechtigte Ehegatte oder Lebenspartner bis zur Heirat oder Begründung einer neuen Lebenspartnerschaft, sofern der überlebende Ehegatte nicht selbst bereits die Betriebserlaubnis für eine andere Apotheke hat, die Apotheke verpachten, § 9 Abs. 1 Nr. 3 ApoG. Der Pächter muss gemäß § 9 Abs. 2 ApoG in allen Fällen selbst die Erlaubnis zum Betreiben der Apotheke besitzen. Die Vorschriften, die eine Möglichkeit der Verpachtung regeln, stellen sich als Ausnahmevorschriften dar und ergeben in einem Umkehrschluss, dass die Verpachtung durch einen Nichtapotheker grundsätzlich ausgeschlossen ist. Aus dem Ausnahmecharakter der Vorschrift ergibt sich zugleich, dass diese eng auszulegen ist und eine Einbeziehung anderer Fälle im Wege der Analogie nicht zulässt. 14 Die im Apothekengesetz geregelten Ausnahmen regeln besondere Härtefälle, für die der Gesetzgeber von einer strengen Durchhaltung des Prinzips absehen wollte. 15 3. Verbot der Beteiligung sowie umsatzabhängiger Vereinbarungen Ein weiteres Instrumentarium zur Sicherstellung des Fremdbesitzverbots im Sinne eines Fremdnutzungsverbots stellt § 8 S. 2 ApoG dar. Hiernach sind Beteiligungen an einer Apotheke in Form einer Stillen Gesellschaft sowie Vereinbarungen untersagt, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist. Entscheidend ist, dass die Fremdnutzung dabei auch einem anderen Apotheker untersagt ist und somit keine Beschränkung auf Berufsfremde stattfindet. 16 Es soll jeglicher Fremdeinfluss eines anderen – berufsfremd oder nicht –, diese Apotheke nicht Betreibenden, ausgeschlossen werden. Unter „fremd“ versteht man somit je nach Perspektive etwas anderes. 14
Schiedermair / Pieck, ApoG, § 9 Rn. 4. Zum Hintergrund für die Zulassung dieser Ausnahme siehe unter 3. Kap., B. VI. 1. h). 16 Mit Zuck / Lenz, NJW 1999, 3393, 3394 kann also gesagt werden, dass das Fremdbesitzverbot jeden fremden Einfluss auf den Apothekenbetreiber ausschließen möchte, egal ob der Einflussübende berufsfremd ist oder nicht. 15
A. Das Fremdbesitzverbot
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Die Stille Gesellschaft ist in §§ 230 –237 HGB geregelt. Bei einer Stillen Gesellschaft beteiligt sich ein stiller Gesellschafter („Stiller“) am Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage. 17 Es wird unterschieden zwischen der typischen und der atypischen Stillen Gesellschaft. 18 Verboten ist im Sinne des § 8 S. 2 ApoG jede Form der Stillen Gesellschaft. 19 Es ist allerdings unklar, was unter einer Vereinbarung im Sinne des § 8 S. 2 ApoG zu verstehen ist. Ausweislich des Gesetzeswortlautes darf die Vergütung eines dem Apothekeninhaber gewährten Darlehens nicht am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet sein. Es darf demnach kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Vergütung des Darlehensgebers und dem Gewinn der Apotheke bestehen. 20 Es bleibt zu klären, ob bereits jeder objektive Zusammenhang verboten ist, 21 oder ob lediglich solche Vereinbarungen verhindert werden sollen, die dem Kapitalgeber – orientiert am Zweck des Fremdbesitzverbots, jeden fachfremden Einfluss auf das einzelne Apothekengeschäft zu verhindern – jegliche fachliche Einflussnahme auf das Apothekengeschäft möglich macht. 22 Aus historischer Sicht deutet einiges darauf hin, dass der Gesetzgeber sämtliche Vereinbarungen untersagen wollte, die sich in irgendeiner Weise direkt oder indirekt am Gewinn oder Umsatz der Apotheke orientieren. 23 Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber diese Vorschrift erst 1980 eingeführt hat, nachdem der BGH entschieden hatte, dass umsatzabhängige Mietverträge und Stille Gesellschaften mit Apothekern zulässig seien. 24 Es waren bis dahin nur solche Vereinbarungen unzulässig, durch die der Apotheker in eine wirtschaftliche Abhängigkeit gebracht wurde. Diesen Zustand wollte der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Vorschrift beenden. Die historische Auslegung ergibt somit, dass es auf den objektiven Zusammenhang ankommt. 25 Der BGH hat jedoch in zwei Entscheidungen nach Einführung des § 8 S. 2 ApoG festgelegt, dass neben dem objektiven Zusammenhang zwischen Vergütung und Umsatz bzw. Gewinn auch noch die Möglichkeit der Einflussnahme 17 Gehrlein, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, HGB, § 230 Rn. 2; Hopt, in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 1. 18 Hopt, in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 3. 19 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 8 Rn. 76 ff. 20 Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 125. 21 Bspw. wenn der Apotheker und sein „Kapitalgeber“ einen bestimmten prozentualen Anteil am Umsatz oder am Gewinn, bezogen auf einen bestimmten Zeitraum festlegen; vgl. Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 125. 22 Seihe hierzu ausführlich Koenig / Meurer, ApoR 2004, 153, 154. 23 Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 125; Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 453; Koenig / Meurer, ApoR 2004, 153, 154. 24 Vgl. BGH, NJW 1979, 2351; NJW 1972, 338; BGHZ 75, 214. 25 Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 125.
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1. Kap.: Zum Inhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots
auf die Entscheidungen des Apothekers als Voraussetzung für das Eingreifen der Verbotsnorm zu sehen ist. 26 Im Ergebnis sind also gemäß § 8 S. 2 ApoG nur solche Vereinbarungen verboten, die mit einer möglichen Einflussnahme auf die wirtschaftliche und pharmazeutische Entscheidungsfreiheit einhergehen. 27 Die Steuerung der Gewinne muss bezweckt oder zumindest möglich sein. 28 Auch aus dem Sinn und Zweck des § 8 S. 2 ApoG im Zusammenhang mit dem Fremdbesitzverbot ergibt sich, dass es entscheidend auf die geübte Einflussnahme ankommt. Eine Ausnahme von § 8 S. 2 ApoG erlaubt § 8 S. 3 ApoG, wonach eine umsatzabhängige Vereinbarung in den Fällen der Pacht gemäß § 9 ApoG zulässig ist. 4. Pflicht zur persönlichen Leitung in eigener Verantwortung Ein zentraler Aspekt des Fremdbesitzverbots ist die dem Apotheker auferlegte Pflicht zur persönlichen Leitung seiner Apotheke in eigener Verantwortung, § 7 S. 1 ApoG. Die Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke aus § 7 ApoG stellt sicher, dass der Betrieb einer Apotheke nicht unter apothekerfremder (fachfremder) Leitung oder Verantwortung erfolgt. 29 Diese Pflicht stellt insofern ein Instrument des Fremdbesitzverbots dar, als sie die Einflussnahme zwar nicht in wirtschaftlicher, jedoch in pharmazeutischer Hinsicht absichert. Dadurch wird eine Verbindung zwischen dem innerbetrieblichen und dem außerbetrieblichen Bereich geschaffen. Der Apothekenbetreiber soll in pharmazeutischer sowie betriebswirtschaftlicher Hinsicht unabhängig sein. Von einer persönlichen Leitung kann gesprochen werden, wenn der Erlaubnisinhaber die wesentlichen Betriebsvorgänge durch eigenes Tätigwerden oder durch seine Entscheidungen und Anweisungen maßgeblich bestimmt und den Betrieb der Apotheke laufend überwacht. 30 Die Möglichkeit der Vertretung ist gemäß § 2 Abs. 5 ApBetrO zeitlich auf insgesamt höchstens drei Monate im Jahr beschränkt. Der Apotheker muss bei der Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung handeln. Hiermit will der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, dass es nicht ausreicht, dass der Apotheker die Leitungsgeschäfte persönlich vornimmt. Es müssen vielmehr die Rechtsverhältnisse der Apotheke so gestaltet sein, dass sich die Leitungsentscheidungen auch auf den Apotheker, der sie trifft, persönlich auswirken. 31 Hierfür muss der Apotheker in der Leitung der Apotheke selbstständig und unabhängig sein, weil er nur dann das pharmazeutische, rechtliche 26 27 28 29 30 31
BGH, NJW-RR 1998, 803; NJW 2002, 2724. Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 126. Koenig / Meurer, ApoR 2004, 153, 155. Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 18. Schiedermair / Pieck, ApoG, § 7 Rn. 12. Tisch, PZ 1995 (39), 3491, 3492; Schiedermair / Pieck, ApoG, § 7 Rn. 16.
A. Das Fremdbesitzverbot
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und wirtschaftliche Risiko und damit die eigene Verantwortung für die Apotheke trägt. 32 Im Einzelnen bedeutet dies, dass der Erlaubnisinhaber in Fragen der Betriebsführung nicht von der Zustimmung oder sonstigen Mitwirkung anderer Personen abhängig sein darf. 33 In pharmazeutischer Hinsicht muss sich der Erlaubnisinhaber ein eigenes Urteil bilden und kraft persönlicher wissenschaftlicher Überzeugung handeln. 34 In wirtschaftlicher Hinsicht muss der Erlaubnisinhaber selbstständig und unabhängig sein. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass er seine Apotheke nicht in erster Linie als Erwerbsquelle zur Befriedigung seiner Gläubiger sieht. 35
III. Ausnahmen vom Fremdbesitzverbot Im Gesetz sind einige Ausnahmen vom Fremdbesitzverbot enthalten. Als Ausnahme des Fremdnutzungsverbots ist – wie oben bereits dargestellt – gemäß § 9 ApoG die Verpachtung der Apotheke zu sehen, wenn die Betriebserlaubnis des Apothekenbetreibers oder dessen Approbation aus gesundheitlichen Gründen widerrufen wurde, sowie wenn der Betreiber aus in seiner Person liegenden wichtigen Gründen die Apotheke nicht selbst betreiben kann. Bei den in § 9 ApoG genannten Möglichkeiten handelt es sich um Fälle der zeitlich begrenzten, erlaubten Fremdnutzung. Gemäß § 13 Abs. 1 ApoG dürfen die Erben nach dem Tod des Erlaubnisinhabers die Apotheke höchstens zwölf Monate von einem Apotheker verwalten lassen. Der Verpächter einer Apotheke, dessen Pächter stirbt, darf mit der Erlaubnis der Behörden in Härtefällen ebenso die Apotheke verwalten lassen (§ 13 Abs. 1a ApoG). Der Apothekenverwalter bedarf für die Verwaltung einer behördlichen Genehmigung und muss die an einen Apothekenbetreiber gestellten Anforderungen aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 –4, Nr. 7 und 8 ApoG erfüllen, § 13 Abs. 1b ApoG. Die Bezeichnung als Apothekenverwalter deutet darauf hin, dass das Gesetz zwischen Verwaltung und Verantwortlichkeit unterscheidet. Derjenige, der die Apotheke verwalten lässt, ist auch derjenige, der die Apotheke betreibt. 36 Da in beiden Fällen nicht vorausgesetzt wird, dass der Apothekenverwalter und damit der Apothekenbetreiber Inhaber einer Betriebserlaubnis oder gar Apotheker ist, handelt es sich um eine Ausnahme vom Fremdbetriebsverbot. 37 32
Schiedermair / Pieck, ApoG, § 7 Rn. 16. Schiedermair / Pieck, ApoG, § 7 Rn. 19. 34 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 7 Rn. 17. 35 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 7 Rn. 22. 36 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 8; Schiedermair / Pieck, ApoG, § 13 Rn. 10. 37 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 19. 33
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1. Kap.: Zum Inhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots
Eine weitere Ausnahme vom Fremdbetriebsverbot stellt § 14 Abs. 1 ApoG dar, wonach Inhaber und Betreiber einer Krankenhausapotheke der Träger des Krankenhauses ist, wobei dieser für die Erteilung einer Erlaubnis die Anstellung eines approbierten Apothekers nachweisen muss. Träger eines Krankenhauses ist jedoch nicht ein Apotheker. In Betracht kommen hierfür sowohl natürliche Personen, als auch juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts sowie nichtrechtsfähige Personenvereinigungen. 38 Träger des Krankenhauses und damit Apothekenbetreiber ist somit ein Berufsfremder. Weitere – praktisch weniger relevante – Ausnahmen des Fremdnutzungsverbots stellen die §§ 17, 26 Abs. 1 und § 27 Abs. 2 ApoG dar. § 17 ApoG regelt die Möglichkeit der Erteilung einer Betriebserlaubnis an eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband im Falle eines Notstands in der Arzneimittelversorgung. Gemäß § 26 Abs. 1 ApoG und § 27 Abs. 1 ApoG sind Konzessionen oder sonstige Betriebserlaubnisse, die vor Inkrafttreten des ApoG erteilt wurden, als Betriebserlaubnisse im Sinne des § 1 ApoG anzusehen.
B. Das Mehrbesitzverbot Bis zur Änderung des Apothekengesetzes im Jahre 2004 mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz, GMG) galt neben dem Fremdbesitzverbot das strenge Mehrbesitzverbot. 39 Damals galt die apothekenrechtliche Betriebserlaubnis gemäß § 3 Nr. 5 ApoG a. F. von Gesetzeswegen automatisch als erloschen, wenn dem Erlaubnisinhaber im Bundesgebiet die Erlaubnis zum Betrieb einer anderen Apotheke erteilt wurde, die keine Zweigapotheke nach § 16 ApoG war. 40 Nunmehr darf gemäß § 1 Abs. 2 ApoG ein Apotheker neben der eigenen Apotheke drei Filialapotheken betreiben, soweit sich diese innerhalb desselben Kreises, derselben kreisfreien Stadt oder in benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten befinden. 41 Hierbei muss der Apotheker gemäß § 2 Abs. 5 ApoG für jede weitere Apotheke (Filialapotheke) einen anderen Apotheker schriftlich als Verantwortlichen benennen. Der Betreiber der Filialapotheken bleibt gemäß § 2 Abs. 2 S. 3 ApBetrO neben dem Apothekenleiter allerdings ebenfalls für die Einhaltung der 38
Schiedermair / Pieck, ApoG, § 14 Rn. 31. Ausführlich zu den Neuregelungen im Rahmen des GMG siehe Dettling, Arzneimittel in der Gesundheitsreform, 2003; Hiddemann / Muckel, NJW 2004, 7 ff. 40 Eine Zweigapotheke ist gemäß § 16 ApoG eine Apotheke, die auf Grund eines Notstands in der Arzneimittelversorgung vom Betreiber einer nahe gelegenen Apotheke auf Antrag trotz bereits erteilter Betriebserlaubnis betrieben werden darf. 41 Eine anschauliche Darstellung der möglichen Konstellationen des Filialbetriebs befindet sich in Kieser, Apothekenrecht, S. 32 ff. 39
B. Das Mehrbesitzverbot
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Vorschriften der ApBetrO verantwortlich. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 ApoG stellt den Kern des Mehrbesitzverbots dar, weil hier deutlich wird, dass über das Betreiben von drei Filialapotheken im engeren räumlichen Kreis hinaus keine Möglichkeit des Betriebs weiterer Apotheken besteht. Zusätzlich ist zu beachten, dass die Erlaubnis zum Betrieb einer Filialapotheke nicht getrennt von der Erlaubnis zum Betrieb der Hauptapotheke und den anderen Filialapotheken zu betrachten ist. Es gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Apothekenbetriebserlaubnis. 42 Ein Apotheker, der die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt, hat nicht nur Anspruch auf Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis, sondern auf Erteilung der Mehrbetriebserlaubnis gemäß § 2 Abs. 4 ApoG.
I. Das Mehrbesitzverbot als Mehrbetriebsverbot Während beim Fremdbesitzverbot ein Betrieb – die einzelne Apotheke – insofern im Vordergrund steht, als es um die Frage nach der Betriebsstruktur des Unternehmens geht, steht beim Verbot des Mehrbesitzes eine bestimmte Person – der selbstständige Apotheker – im Vordergrund. 43 Es geht hierbei um die Frage, in welchem Umfang ein Apotheker, der bereits eine Betriebserlaubnis erhalten hat, auf dem Gebiet der Arzneimittelversorgung tätig sein darf. 44 Ebenso wie beim Fremdbesitz darf der Begriffsteil „Besitz“ nicht wörtlich genommen werden. Ein Verbot in dem Sinne, dass ein Apotheker nicht Eigentümer von mehr als einer Apotheke sein darf, gibt es nicht. 45 Der Apotheker darf grundsätzlich mehrere Apotheken besitzen oder ihr Inhaber sein. 46 Nicht erlaubt ist es also lediglich mehr als eine Apotheke und drei Filialapotheken zu betreiben, weil eben der Betrieb einer Apotheke nach dem Apothekengesetz erlaubnispflichtig ist. 47 Es gibt zwar ein Verbot des Mehrbetriebs, aber kein Verbot der Mehrinhaberschaft. 48 Dennoch soll die Mehrinhaberschaft indirekt durch das Mehrbetriebsverbot ausgeschaltet werden: Der Mehrbesitzer wird dazu veranlasst, sich auf den Betrieb einer Apotheke 42 Kieser, Apothekenrecht, S. 31; Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 109 f. 43 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 4. 44 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 4. 45 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 70; Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 5 f.; ders. / Schelling, NJW 1999, 1751. 46 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 70; Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 5 f. 47 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 6. 48 Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 13; Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 18; Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 7.
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1. Kap.: Zum Inhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots
zu konzentrieren und so weitere Apotheken zu veräußern. 49 Das privatrechtliche Eigentum und der Betrieb der Apotheke sollen nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst nicht auseinander fallen. 50 Ähnlich wie beim Fremdbesitzverbot bezieht sich das Mehrbesitzverbot also zunächst auf den Apothekenbetrieb und ist damit auch ein Mehrbetriebsverbot. Das Mehrbetriebsverbot enthält seinerseits verschiedene Ausprägungen. Eine solche Ausprägung ist das bereits oben genannte, hier aber ebenso relevante Verbot, eine Apotheke verwalten zu lassen, welches sich im Umkehrschluss aus dem Ausnahmecharakter des § 13 Abs. 1 ApoG ergibt. Ein Apotheker kann danach Eigentümer mehrerer Apotheken sein. Er darf jedoch nicht über die Grenzen der Hauptapotheke und drei Filialapotheken hinaus in seinem Eigentum stehende Apotheken verwalten lassen. Ebenso wenig darf ein Apothekenbetreiber eine Zweigapotheke gründen. Eine Zweigapotheke darf gemäß § 16 ApoG nur bei Vorliegen der ausdrücklich genannten Voraussetzungen – namentlich beim Vorliegen eines Notstands in der Arzneimittelversorgung – gegründet werden. Im Unterschied zur Filialapotheke kann nur eine Erlaubnis zum Betrieb einer Zweigapotheke erteilt werden. Schließlich kann als Ausprägung des Mehrbetriebsverbots die Regelung des § 8 S. 1 ApoG gesehen werden, nach der der gemeinschaftliche Apothekenbetrieb nur in Form der OHG und der GbR möglich ist und jeder Gesellschafter eine Betriebserlaubnis braucht. So wird sichergestellt, dass das Mehrbetriebsverbot nicht umgangen wird, indem ein Apotheker sich lediglich an einer Apotheke beteiligt, anstatt diese allein zu betreiben. Auch das grundsätzliche Verpachtungsverbot ist ein Teil des Mehrbetriebsverbots. Dies wird vor allem in § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ApoG a. E. deutlich: Hiernach darf der erbberechtigte überlebende Ehegatte oder Lebenspartner nicht selbst eine Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke im Sinne des § 1 ApoG besitzen. So soll sichergestellt werden, dass ein Apotheker, der bereits eine Apotheke betreibt, nicht gleichzeitig die Betriebserlaubnis für eine weitere Apotheke erhält.
II. Weitere Beschränkungen der Nutzung und wirtschaftlichen Verwertung mehrerer Apotheken durch einen Apotheker Neben dem Mehrbetriebsverbot existieren im Apothekengesetz weitere Beschränkungen der Nutzung und wirtschaftlichen Verwertung mehrerer Apotheken 49 50
Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 6. Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 19.
C. Zusammenfassung
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durch einen Apotheker. 51 Ähnlich wie beim Fremdbesitzverbot handelt es sich beim Mehrbesitzverbot also um ein Mehrnutzungsverbot. § 8 S. 2 ApoG, der die Beteiligung an einer Apothekengesellschaft in Form einer Stillen Gesellschaft sowie die oben dargestellten Vereinbarungen verbietet, macht es dem Betreiber einer Apotheke unmöglich, sich unabhängig von einer Betriebserlaubnis in irgendeiner Art an einer anderen Apotheke zu beteiligen. Wenn die Beteiligung an einer Apotheke also stets der Betriebserlaubnis bedarf, kann sichergestellt werden, dass der Apotheker nicht mehr als einmal die Betriebserlaubnis für eine Hauptapotheke und drei Filialapotheken erhält. Auch die Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung ist eine Ausprägung des Mehrbesitzverbots. Ist der Betrieb einer Apotheke an ihre Leitung gebunden, so muss der Apotheker in der Lage sein, in jeder seiner Apotheken präsent zu sein. Es ist einem Apotheker jedoch über den gesetzlich erlaubten Umfang von vier Apotheken in einem bestimmten räumlichen Gebiet nicht möglich in jeder Apotheke präsent zu sein. Die Pflicht zur persönlichen Leitung stellt also in gewisser Hinsicht das Mehrbesitzverbot sicher und betont noch einmal den höchstpersönlichen Charakter der Betriebserlaubnis.
C. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die im Sprachgebrauch verwandten Begriffe „Fremdbesitzverbot“ und „Mehrbesitzverbot“ sich nach genauerer Betrachtung als „Fremdnutzungsverbot“ und „Mehrbetriebsverbot“ darstellen. Der Einfachheit halber soll dennoch im weiteren Verlauf der Arbeit auf die Begriffe „Fremd- und Mehrbesitzverbot“ zurückgegriffen werden, es sei denn, eine Differenzierung erscheint erforderlich. Weiterhin ist festzuhalten, dass diese Prinzipien des Apothekenrechts zwar nicht explizit gesetzlich geregelt sind, sie sich dennoch aus dem Zusammenspiel verschiedener Normen des Apothekengesetzes ergeben. Das Fremdbesitzverbot soll verhindern, dass ein Nichtapotheker eine Apotheke betreibt oder wirtschaftlich in irgendeiner Weise an ihr beteiligt ist oder Einfluss auf den Apotheker übt. Ein Apotheker soll ebenso an der wirtschaftlichen Verwertung einer fremden Apotheke gehindert werden. Das Mehrbesitzverbot soll das Fremdbesitzverbot unterstützen, indem sichergestellt wird, dass der Apotheker sich örtlich und wirtschaftlich an seine Hauptapotheke gebunden fühlt. Diese im Apothekengesetz verankerten Prinzipien beruhen auf einer langen historischen Entwicklung des Apothekerberufs, die in Deutschland vor allem auch 51
Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 9.
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1. Kap.: Zum Inhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots
durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den verschiedenen Apothekenurteilen geprägt wurde. Inhalt der nun folgenden Ausführungen ist die Darstellung dieser Entwicklung.
2. Kapitel
Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ A. Historische Entwicklung des Apothekerberufs und des Systems der Betriebserlaubnis I. Die Geschichte des Apothekerberufs und der Rechtsquellen des Apothekenrechts Der Beruf des Apothekers im heutigen Sinne existierte im europäischen Raum bis Anfang des 12. Jahrhunderts nicht. 1 Bis dahin übten Priester- und Laienärzte die Heilkunde zugleich als Krankenbehandler und Arzneizubereiter aus. 2 Diese Laienmedizin wurde im weiteren Verlauf von Klöstern aufgegriffen und praktisch gefördert. 3 Es oblag entsprechend dieser Tradition der Ausübung der Heilkunde durch eine Person ursprünglich den Ärzten als Annexkompetenz zur Heilbehandlung, Arzneien herzustellen und an die Patienten zu veräußern. Neben der Tatsache, dass der steigende Umfang der Kenntnisse nicht mehr von einer Berufsgruppe allein bewältigt werden konnte, 4 sorgte ein Missstand im Bereich der Arzneimittelversorgung für die allmähliche Trennung des Arzt- und Apothekerberufes: Ärzte und Arzneimittelhändler ließen sich immer wieder aus Gründen des Gewinnstrebens auf Kosten der Kranken dazu verleiten, durch die Anfertigung und den Verkauf unwirksamer und gesundheitsschädlicher Medikamente, unlautere Geschäfte zu betreiben. 5 Den Grundstein für die normative Niederlegung dieser Trennung legte die Lehre der Medizinischen Hochschule in Salerno, 6 nach deren Maßgabe Kaiser 1
Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 51. Adlung / Urdang, Grundriß der Geschichte, S. 181. 3 Gaude, Die alte Apotheke, S. 9; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 51. 4 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 52. 5 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 230. 2
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
Friedrich II. im Jahre 1241 erstmals die gesetzliche Trennung von Pharmazie und Medizin in den Medizinalartikeln der „Constitutiones Regni Siciliae“ verkündete. 7 Hierdurch entstand erstmals besonderes Apothekenrecht. 8 Verschiedene Regelungen dieser Rechtsquelle lassen sich im heutigen Apothekenrecht wieder finden: Die Apotheker waren verpflichtet, einen Eid abzulegen, ihre Zulassung wurde konzessioniert und war vom Erbringen eines Sachkundenachweises abhängig. Weiterhin war es einem Arzt verboten, eine Gesellschaft zusammen mit einem Apotheker zu gründen oder einen Apotheker gegen einen Anteil am Erlös einzustellen. Schließlich sollten Apotheken nur in bestimmten Städten des Königreichs bestehen. 9 Faktisch waren Apotheker und Arzt dennoch oft identisch. 10 Andere frühe Rechtsquellen des Apothekenrechts in Europa stammen aus Frankreich. Mittelpunkt des Medizinalwesens in Frankreich war in der Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert die Medizinschule von Montpellier. 11 Hier war es Brauch, dass die Mitglieder der Zunft der Gewürzkrämer und Apotheker vor den Konsuln der Stadt einen Eid ableisteten, der die Verpflichtung auf die Berufsgrundsätze beinhaltete. 12 Einen ähnlichen Eid kannte die Ärzte- und Apothekerordnung von Arles, die ca. 1245 entstand. 13 Ebenso beinhaltete diese Bestimmung, dass Apotheker und Ärzte sich nicht gegenseitig am Verdienst des anderen beteiligen konnten. 14 Obwohl die Constitutiones nur für das Königreich Sizilien galten, beeinflussten sie in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich das deutsche Apothekenwesen. 15 Aus dem Kreis derjenigen, die mit dem Lagern und Zubereiten von Arzneimitteln vertraut waren, entstand im Zuge dessen 1225 in Köln die erste deutsche urkundlich erwähnte Apotheke. 16 Bereits im Laufe des 13. Jahrhunderts gab es in fast jeder 6
Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. I, S. 42; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 51. 7 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 52; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 4; Bomba, Werbebeschränkungen für Angehörige freier Berufe, S. 167; Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 56 f. 8 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. I, S. 43, Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 231. 9 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 231. 10 Bomba, Werbebeschränkungen für Angehörige freier Berufe, S. 167; Breyer, ApoG, S. 50 ff. 11 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. I, S. 46. 12 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. I, S. 46. 13 Adlung / Urdang, Grundriß und Geschichte, S. 7; Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. I, S. 46. 14 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. I, S. 46. 15 Gaude, Die alte Apotheke, S. 13. 16 Bomba, Werbebeschränkungen für Angehörige freier Berufe, S. 167; Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 55.
A. Historische Entwicklung des Apothekerberufs
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großen Stadt Deutschlands eine Apotheke. 17 Das besondere deutsche Apothekenrecht entwickelte sich in der Folgezeit. 18 Die Heidelberger Apothekerordnung von 1469 führte die Residenzpflicht und damit das Gebot ein, dass der Apotheker seine Apotheke persönlich zu leiten habe. 19 Da der Apotheker in Deutschland bis dahin meist völlig der Aufsicht eines Arztes unterstand, entsprachen seine Stellung und Ausbildung denen eines Handwerkers. 20 Nach dem Vorbild der ausländischen Hochschulen wurde das Universitätsstudium 1825 in Preußen für Apotheker eingeführt, ohne Voraussetzung für den Apothekerberuf zu sein. 21 Dies ermöglichte den studierten Apothekern, sich als Apotheker „1. Klasse“ zu bezeichnen, die im Gegensatz zu den Apothekern „2. Klasse“ allein dazu berechtigt waren, in großen Städten Apotheken zu leiten. 22 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wurden die schulischen Voraussetzungen für das Ergreifen des Apothekerberufs höher gesteckt und das Studium zwingend vorgeschrieben. 23 Erst mit der Einrichtung des Hochschulstudiums gelang es den Apothekern in Deutschland, die wissenschaftliche Gleichberechtigung zu den Ärzten zu erlangen. Die höhere Ausbildung und die Zugehörigkeit zu den Heilberufen zeichneten nun den Apothekerberuf als freien Beruf aus. 24
II. Die Geschichte der Betriebserlaubnis In der deutschen Geschichte galt seit jeher der Grundsatz, dass die Befugnis zum Betrieb einer Apotheke von den Behörden verliehen wird. 25 Hierbei wurde im Laufe der Zeit nach vier verschiedenen Arten der Betriebserlaubnis unterschieden: das Realrecht, die Konzession, die Lizenz und die Betriebserlaubnis. 26 1. Das Realrecht / Privileg Die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke wurde in der Zeit vom 13. bis zum 19. Jahrhundert in der Form des Realrechts (Bezeichnung im süddeutschen 17
Gaude, Die alte Apotheke, S. 14. Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. I, S. 47. 19 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 231. 20 Schöffski, Die Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 57. 21 Schöffski, Die Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 62. 22 Dieckmann, Geschichte und Probleme, S. 45 ff. 23 Dieckmann, Geschichte und Probleme, S. 53 ff.; Schöffski, Die Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 62 f.; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 5. 24 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 233. 25 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 64. 26 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 65. 18
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
Raum) oder Privilegs (Bezeichnung im norddeutschen Raum) erteilt. 27 Dieses Privileg war einerseits subjektiv-persönlicher Natur, indem es eine selbstständige Apothekengerechtigkeit darstellte, andererseits subjektiv-dinglicher Natur als Bestandteil eines Grundstücks, indem diese Rechte ins Grundbuch eingetragen wurden. 28 Ein besonderes Merkmal des Realrechts / Privilegs war seine Vererbbarkeit und Veräußerlichkeit. 29 War der Erbe / Erwerber approbierter Apotheker, erwarb er in der Regel automatisch die Befugnis zum Betrieb der Apotheke. War er hingegen kein Apotheker, so musste er die Apotheke entweder veräußern oder verpachten. 30 Damals konnte der Apotheker durch Exklusivprivilegien, die dem Inhaber die Ausschließlichkeit des Apothekenbetriebs innerhalb eines bestimmten Gebiets gewährten, wirksam vor Konkurrenz geschützt werden. 31 2. Die Konzession Nach der fortschreitenden Liberalisierung des Gewerberechts in Preußen, wurde mit dem Königlichen Edikt vom 24. Oktober 1811 das Privileg nicht weiter verliehen und dafür die Konzession eingeführt. 32 In diesem Rahmen wurde auch eine Bedürfnisprüfung durch die zuständigen Behörden durchgeführt. 33 Kriterien der Bedürfnisprüfung waren die Bevölkerungszahl und das Wohlstandsniveau der Bevölkerung, wobei den alteingesessenen Apothekern die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Genehmigung blieb. 34 Anders als bei den Privilegien, handelte es sich bei den Konzessionen um nicht vererbliche oder veräußerbare Rechte. 35 Dieser Zustand änderte sich auf Grund des Widerstands der Apotheker jedoch sehr bald durch die graduelle Einführung der Vererblichkeit durch ministerielle Genehmigung im Jahre 1827. 36 Gleichermaßen wurde die Unveräußerlichkeit durch Ministerialverfügung vom 5. Oktober 1846 relativiert, indem 27 Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 40; Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 59; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 65. 28 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 61; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 40. 29 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 65; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 40; Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 61 f.; Schiedermair, FS Laufke, S. 253, 255. 30 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 61. 31 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 66. 32 Adlung / Urdang, Grundriß und Geschichte, S. 42 f.; Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 62; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 66; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 41. 33 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 62; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 67. 34 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 67. 35 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 62 f.; Schiedermair, FS Laufke, S. 253, 255; Starck, VerwArch 1980, 1, 13. 36 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 67.
A. Historische Entwicklung des Apothekerberufs
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die Konzessionen mit einem so genannten Präsentationsrecht ausgestattet wurden, welches dem ausscheidenden Apotheker oder seinem Erben die Möglichkeit eröffnete, einen qualifizierten Geschäftsnachfolger vorzuschlagen, dem in der Regel die Konzession verliehen werden musste. 37 Solche Konzessionen nannten sich damals – obwohl sie nicht nur dingliche, sondern auch persönliche Rechte beinhalteten – Realkonzessionen. 38 Im Unterschied zur Realkonzession in Preußen wurde in den meisten deutschen Ländern bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Personalkonzession eingeführt. 39 Diese Personalkonzession war eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis, die an die Person des Inhabers geknüpft und weder vererbbar noch veräußerbar war. 40 Preußen folgte diesem Modell durch die Kabinettsorder vom 30. Juni 1894. 41 Grund hierfür war der Umstand, dass die Zahl der Apotheken beschränkt war und somit im Verhältnis zur Bevölkerung eine Unterversorgung entstand, deren Folge war, dass Apotheken sich zu Spekulationsobjekten entwickelten. 42 Die Verleihung der Personalkonzession erfolgte – nach strenger verwaltungsbehördlicher Bedürfnisprüfung mittels Absteckung eines Einzugsgebiets – durch öffentliche Ausschreibung nach dem Wettbewerbsprinzip, wobei das Auswahlkriterium in erster Linie das Betriebsberechtigungsalter des Apothekers war. 43 Der Neukonzessionär musste seinem Vorgänger bzw. dessen Erben einen angemessenen Preis für die Waren und Einrichtungsgegenstände der Apotheke bezahlen. 44 Die Personalkonzession galt hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit als umstritten. 45 Es stellte sich vor allem in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und der damit einhergehenden Festigung der Berufsfreiheit im Grundgesetz die Frage, ob die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung die bisherigen tiefen Eingriffe in das Berufsrecht – insbesondere die strenge Bedürfnisprüfung – recht37 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 63; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 67; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 42. 38 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 63; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 67. 39 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 63; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 41; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 68. 40 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 63; Starck, VerwArch 1980, 1, 13. 41 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 63; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 68; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 42. 42 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 68; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 43. 43 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 64; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 69; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 41; Starck, VerwArch 1980, 1, 13. 44 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 69; Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 65. 45 Adlung / Urdang, Grundriß und Geschichte, S. 71 ff; Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 65.
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
fertigen konnte. 46 Dies verneinte die höchstrichterliche Rechtsprechung im Jahre 1956. 47 3. Die Lizenz Die Personalkonzession als Regelung des Apothekenbesitzrechts reichte demnach bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. 48 Während in der sowjetischen Besatzungszone im Zuge der Verstaatlichung der Arzneimittelversorgung die Apotheker schrittweise enteignet wurden, fand in den amerikanisch besetzten Gebieten eine Liberalisierung des Apothekenmarkts derart statt, dass die Errichtung einer Apotheke nur noch von der Erteilung einer Lizenz abhing, die zwar einen persönlichen Befähigungsnachweis erforderte, der jedoch keine Bedürfnisprüfung vorangestellt war. 49 Während die Lizenz weder vererbbar noch veräußerbar war, galt dies nicht für die Apotheke an sich. 50 Gegenstand einer Veräußerung oder der Erbschaft war demnach die Apotheke, für die jeder qualifizierte Apotheker eine Lizenz beantragen konnte. 51 Ebenso war es möglich, mehrere Lizenzen zu erhalten und somit auch mehrere Apotheken zu betreiben. 52 Die liberalen Regelungen der amerikanischen Besatzungszone fanden ein Ende durch die Einführung des Apothekenstoppgesetzes 53 am 13. Januar 1953, welches auf das jeweilige Landesrecht verwies, um später durch eine bundeseinheitliche Regelung abgelöst zu werden. 54 Das inhaltlich wenig aussagekräftige Apothekenstoppgesetz stellte insofern eine Besonderheit dar, als es erstmals ein Apothekengesetz war, das sich auf Bundesebene mit der Errichtung von Apotheken befasste. 55 Es wurde im Rahmen eines Normenkontrollantrags der Bayerischen Staatsregierung auf Grund des zu unbestimmten Verweises auf den Rechtszustand am 1. Oktober 1945 für nichtig erklärt. 56
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Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 65. BVerwGE 4, 167; Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 65. 48 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 69. 49 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 66; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 69 f.; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 43. 50 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 66; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 70. 51 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 66. 52 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. II, S. 66. 53 Gesetz über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken. 54 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 70. 55 Schiedermair / Pieck, ApoG, Gr. III, S. 79 ff. 56 BVerfGE 5, 25 ff., siehe auch Entwicklung des Apothekerberufs aus Sicht der Rechtsprechung. 47
B. Das Berufsbild des Apothekers in der Rechtsprechung
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4. Die Betriebserlaubnis Das Gesetz über das Apothekenwesen vom 20. August 1960 löste das Landesrecht ab und schaffte damit erstmals eine bundeseinheitliche Regelung der Betriebserlaubnis. Diese auch heute noch geltende Betriebserlaubnis stellt die Grundlage für das hier zu diskutierende Fremd- und Mehrbesitzverbot dar. Sie ist an subjektive und räumliche Voraussetzungen geknüpft, 57 weder vererb- noch veräußerbar und stellt deshalb ein höchstpersönliches Recht dar. 58 Wie bereits dargestellt, gilt dies nicht für die Betriebsräume und die sich darin befindlichen Gegenstände. Diese sind jedoch ohne die entsprechende Erlaubnis nicht „betreibbar“. 59 Die Betriebserlaubnis wird deshalb für eine ganz bestimmte Apotheke erteilt und somit vom Bundesverwaltungsgericht als eine raumgebundene persönliche Betriebserlaubnis qualifiziert. 60 Die Betriebserlaubnis nach dem Apothekengesetz schließt alle sonstigen normalerweise benötigten Arten von staatlichen Genehmigungen und Erlaubnissen (bspw. gewerberechtlicher Art) ein. 61
B. Das Berufsbild des Apothekers in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Wie bereits angedeutet, beruht die bundesrechtliche Betriebserlaubnis auf der Schaffung des Apothekengesetzes im Jahre 1960. Auslöser für die bundeseinheitliche Normierung einer Betriebserlaubnis war die Verwerfung des Apothekenstoppgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1956. Seitdem spielte die Rechtsprechung im Rahmen der Entwicklung des deutschen apothekenrechtlichen Konzessionssystems eine wichtige Rolle. Es lassen sich zahlreiche Entscheidungen oberster Gerichte finden, die das Berufsbild des Apothekers entscheidend geprägt haben. Dies mag daran liegen, dass dem Apotheker von Gesetzes wegen im Gesundheitssystem eine besondere Rolle zukommt. So heißt es in § 1 BApO: „Der Apotheker ist berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Er dient damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes.“ § 1 Abs. 1 ApoG beschreibt die Aufgabe des Apothekers ähnlich und statuiert, dass „den Apotheken [...] die im öffentlichen Interesse gebotene 57
Schiedermair / Pieck, ApoG, § 1 Rn. 112 ff. Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 3; Schiedermair / Pieck, ApoG, § 1 Rn. 112; Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 70; Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 79. 59 Schöffski, Regulierung des dt. Apothekenwesens, S. 70. 60 BVerfGE 40, 157; siehe auch Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 79. 61 Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 80. 58
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung (obliegt).“ In landesrechtlichen Berufsordnungen können ähnliche Formulierungen gefunden werden.
I. BVerfGE 5, 25 ff.: Das Apothekenstoppgesetz Die bereits mehrfach zur Sprache gekommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die sich erstmalig mit dem Berufsbild des Apothekers befasste, erging am 30. Mai 1956. 62 Das Bundesverfassungsgericht erklärte in einem Normenkontrollverfahren, dass die Apothekenstoppgesetze wegen Unbestimmtheit nicht mit der Verfassung im Einklang stehen. Zugleich wurde dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für Regelungen über die Errichtung von Apotheken gemäß Art. 74 Nr. 11 GG a. F. zugewiesen. Danach gehören Regelungen über die Errichtung von Apotheken zum Recht der Wirtschaft. 63 Beim Apotheker handele es sich um einen Gewerbetreibenden, der zugleich einen höheren freien Beruf des Gesundheitswesens ausübe. 64 Schon hier wird die Zwitterstellung des Apothekers als Freiberufler und Gewerbetreibender deutlich.
II. BVerfGE 7, 377 ff.: Entwicklung der Drei-Stufen-Lehre Schon zwei Jahre später wurde das Bundesverfassungsgericht veranlasst, sich erneut mit dem Apothekenrecht zu befassen. Am 11. Juni 1958 fällte es eine Entscheidung, die das Verständnis des Grundrechts der Berufsfreiheit maßgeblich prägte. Hierbei wurde unter anderem die Drei-Stufen-Lehre für die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit herausgebildet. Das Bundesverfassungsgericht legte fest, dass, je nachdem, ob der Eingriff eine Berufsausübungs- oder eine Berufswahlregelung beinhalte, unterschiedliche Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen sind. Anlass für diese Entscheidung war eine Regelung im bayerischen Apothekengesetz, nach der für die Errichtung einer Apotheke eine Betriebserlaubnis bei der zuständigen Behörde einzuholen war. Diese Betriebserlaubnis wurde jedoch nur unter der Voraussetzung erteilt, dass ein öffentliches Interesse an der Neuerrichtung bestand und die wirtschaftliche Grundlage der zu errichtenden und der benachbarten Apotheken gesichert waren. Anhaltspunkt für die Frage, ob die wirtschaftliche Grundlage gesichert war, 62 BVerfGE 5, 25 ff.; siehe hierzu die zeitgenössischen Anmerkungen von Sellmann, DVBl. 1956, 571 ff.; Schätzler, NJW 1957, 121 ff. 63 Nach der sog. Föderalismusreform dürfte sich die Zuständigkeitsnorm geändert haben; siehe hierzu weiter unten, 3. Kap., B. IV. 64 BVerfGE 5, 25, 29.
B. Das Berufsbild des Apothekers in der Rechtsprechung
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war die Zahl der Einwohner im Einzugsgebiet der jeweiligen Apotheke. In seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit dieser Bedürfnisprüfung setzte sich das Bundesverfassungsgericht fundiert mit der Historie des Apothekenrechts auseinander und kam sodann zu dem Ergebnis, dass man für das Verständnis des Apothekerberufs zwischen unselbstständigem und selbstständigem Apotheker unterscheiden müsse. Der selbstständige Apotheker betreibe ein Unternehmen, das die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz sei, der unselbstständige Apotheker stehe im Dienste eines solchen Unternehmens; es bestünden nach allgemeiner Anschauung, wie nach dem Urteil der Berufsangehörigen selbst, verschiedene Berufe innerhalb einen Standes der Apotheker. 65 Der Übergang von der Tätigkeit eines angestellten zur Tätigkeit eines selbstständigen Apothekers sei ein Akt der Berufswahl, der dem Schutz Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG unterstehe. 66 Mit der Feststellung, dass die Bewerbung um die Zulassung einer Betriebserlaubnis zur Errichtung einer neuen Apotheke die Wahl des Berufs eines Apothekers betreffe, musste geklärt werden, inwiefern die durch das bayerische Apothekengesetz gestellten Weichen, die einen Eingriff darstellen, gerechtfertigt waren. Hierbei stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass es sich bei der sich im bayerischen Apothekengesetz befindlichen Regelung um eine objektive Zulassungsbeschränkung handelt, da die Erfüllung der hierin geregelten Voraussetzungen dem Einfluss des einzelnen Apothekers schlechthin entzogen seien. 67 An die Rechtfertigung objektiver Zulassungsbeschränkungen seien besonders strenge Anforderungen zu stellen. 68 Gerechtfertigt seien nur Eingriffe, die der Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dienten. 69 Das Bayerische Staatsministerium argumentierte, die Zulassungsbeschränkung im bayerischen Apothekengesetz habe den Zweck, der schrankenlosen Vermehrung der Zahl der Apotheken und deren ungleichmäßiger Verteilung (vor allem im Stadtkern) vorzubeugen, die in ihrer Auswirkung eine Verschlechterung der Arzneimittelversorgung bedeuten würde. 70 Es könne ein starker Wettbewerb entstehen, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vieler Apotheken empfindlich schmälerte, so dass die Gefahr bestehe, dass diese Apotheken ihren gesetzlichen Verpflichtungen hinsichtlich der Vorratshaltung, Rezeptpflicht, Güteprüfung, Einhaltung bestimmter Preise, ständige Dienstbereitschaft usw. kaum erfüllen könnten oder diese Pflichten im Bestreben, den Umsatz zu steigern, zumindest vernachlässigten. 71 Das Überangebot durch Werbung bei der Bevölkerung könne auch die „Tablettensucht“ fördern. 72 Die Zulassungsbeschrän65 66 67 68 69 70 71
BVerfGE 7, 377, 399. BVerfGE 7, 377, 399. BVerfGE 7, 377, 407. BVerfGE 7, 377, 408. BVerfGE 7, 377, 408. BVerfGE 7, 377, 413 f. BVerfGE 7, 377, 414.
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
kungen dienten also der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung und somit der Volksgesundheit. Das Bundesverfassungsgericht erkannte die Volksgesundheit als wichtiges Gemeinschaftsgut an und erklärte den Schutz der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung zum Schutze der Volksgesundheit als unumgänglich. 73 „Geordnet“ sei eine Versorgung, die sicherstelle, dass die normalerweise, aber auch für nicht allzu fern liegende Ausnahmesituationen benötigten Heilmittel und Medikamente in ausreichender Zahl und in einwandfreier Beschaffenheit für die Bevölkerung bereitstünden, die zugleich aber einem Missbrauch von Arzneimitteln nach Möglichkeit vorbeuge. 74 Es sei jedoch nicht ersichtlich, welche unmittelbaren Nachteile für die Allgemeinheit die Ausübung eines Berufs durch einen fachlich und moralisch qualifizierten Bewerber mit sich bringen solle. 75 Es liege die Vermutung nahe, die Beschränkung des Zugangs zum Beruf solle dem Konkurrenzschutz der bereits im Beruf Tätigen dienen – ein Motiv, das nach allgemeiner Meinung niemals einen Eingriff in das Recht der freien Berufswahl rechtfertigen könne. 76 Weder eine Mindesteinwohnerzahl des Einzugsgebiets noch eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelte durchschnittliche Rentabilitätsschwelle hätten sich als geeignet erwiesen: Die Mindesteinwohnerzahl sei ein unsicherer Maßstab, weil die Bevölkerung vielerorts stark fluktuiere und von einem festen Einzugsgebiet einer Apotheke nicht die Rede sein könne. 77 Allgemeine betriebswirtschaftliche Rentabilitätsberechnungen könnten nur durchschnittliche Aussagen machen, da der Status der einzelnen Apotheke stets von einer Reihe besonderer Umstände (persönliche Eigenschaften etc.) abhänge, die sich zahlenmäßiger Bewertung überhaupt entziehe. 78 Zudem seien zum Schutze der Volksgesundheit mildere Mittel in Betracht zu ziehen als die objektive Zulassungsbeschränkung. 79 Beispielsweise könne die Berufsgerichtsbarkeit bei schädlichem, gesundheitsgefährdendem Verhalten in die Berufsausübung eingreifen und diejenigen, die ein solches Verhalten an den Tag legen, gegebenenfalls für berufsunwürdig erklären. 80 Im Ergebnis erklärte das Bundesverfassungsgericht die Regelung des bayerischen Apothekengesetzes für verfassungswidrig, weil das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verkannt werde. Als Grundsatzentscheidung zu Art. 12 Abs. 1 GG wurde das Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts sehr begrüßt, 81 weil das Gericht mit seiner 72 73 74 75 76 77 78 79 80
BVerfGE 7, 377, 414. BVerfGE 7, 377, 414. BVerfGE 7, 377, 414 f. BVerfGE 7, 377, 407. BVerfGE 7, 377, 408. BVerfGE 7, 377, 424. BVerfGE 7, 377, 424. BVerfGE 377, 438 ff. BVerfGE 377, 438.
B. Das Berufsbild des Apothekers in der Rechtsprechung
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Entscheidung verschiedene Probleme der Berufsfreiheit, die bis dahin stark diskutiert worden waren, klärte. Art. 12 Abs. 1 GG wurde als Grundrecht proklamiert, welches dem Einzelnen das Recht gewährleistet, einen Beruf zu ergreifen und auszuüben. 82 Entscheidend war hierbei die Erkenntnis, dass es sich bei der Berufsfreiheit um ein einheitliches Grundrecht handelt, welches gleichermaßen und mit einem einheitlichen Regelungsvorbehalt sowohl die Berufsaufnahme als auch ihre Ausübung schütze. 83 Überraschend und über die bisherigen Erörterungen in Schrifttum und Rechtsprechung hinausgehend war zugleich die Feststellung, dass im Hinblick auf die Berufswahl in Abgrenzung zur Berufsausübung ein verfassungsrechtliches Differenzierungsgebot in Form der Einordnung in drei Stufen besteht. 84 Trotz der anfänglichen Zustimmung, die die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Drei-Stufen-Lehre erfahren hat, konnte diese – was im Verlauf der Arbeit noch darzustellen sein wird – nicht in aller Konsequenz aufrechterhalten werden und hat deshalb in der Vergangenheit viel Kritik erfahren. 85
III. BVerfGE 17, 232 ff.: Zur Verfassungskonformität des Mehrbesitzverbots Nur einige Jahre nach dieser grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 13. Februar 1964 beschäftigte es sich mit dem mittlerweile bundesrechtlich geregelten Apothekengesetz. Anlass war die Verfassungsbeschwerde zweier Apotheker, die sich durch das Mehrbetriebsverbot in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, 14 und 3 GG verletzt sahen. Im Rahmen dieser Entscheidung sprach das Bundesverfassungsgericht erstmals vom gesetzlichen Leitbild des „Apothekers in seiner Apotheke“. 86 Der Apotheker vereinige in seiner Person die Verantwortung für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe auf Grund besonderer beruflicher Befähigung mit der privatwirtschaftlichen Funktion des Inhabers des Apothekenbetriebs. 87 Damit diene er auf Grund der durch ihn stattfindenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln dem öffentlichen Wohl. 88 Wegen der 81 Vgl. Bachof, JZ 1958, 468; Hamann, NJW 1958, 18081 ff.; zu den Wirkungen des Apothekenurteils für andere Berufszweige Kraemer, DVBl. 1958, 850 ff. 82 Vgl. BVerfGE 7, 377. 83 Vgl. hierzu Bachof, JZ 1958, 468, 469: „Zu Recht abgelehnt wird damit die Aufspaltung in ein vorbehaltsfreies Grundrecht auf Berufsaufnahme und ein vorbehaltsbehaftetes Grundrecht auf Berufsausübung ...“. 84 Dem zustimmend Bachof, JZ 1958, 468, 469. 85 Siehe weiter unten, 3. Kap., B. V. 86 BVerfGE 17, 232, 240, 243. 87 BVerfGE 17, 232, 238. 88 BVerfGE 17, 232, 239.
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
Gefahren, die der Volksgesundheit durch die – nicht nur heilsame – Wirkung von Medikamenten drohten, habe die Rechtsordnung den Beruf des selbstständigen Apothekers als besonderen qualifizierten Beruf des Gesundheitswesens geschaffen. 89 Dass der selbstständige Apotheker auf den Betrieb nur einer Apotheke beschränkt ist, sah das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die besondere Stellung des Apothekers im Gesundheitssektor als verfassungsgemäß an. Der Betrieb mehrerer Apotheken durch einen Apotheker sei eine Modalität der Berufstätigkeit. 90 Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG umfasse grundsätzlich auch das Recht, untypische Betätigungsformen als Beruf zu wählen. Die Befugnis des Gesetzgebers, die Berufsbilder typischer Berufe gesetzlich zu fixieren, könne allerdings dazu führen, dass der Einzelne auf die freie Wahl des so geprägten Berufs beschränkt würde, während ihm die Möglichkeit zu untypischer Betätigung in diesem Bereich verschlossen sei. 91 Der Einzelne könne jedoch nicht unter Berufung auf sein Recht zur freien Berufswahl durch die jederzeit mögliche Erfindung untypischer Betätigungsformen fordern, dass die Gestalt eines solchen typischen Berufs von eigenem sozialen Gewicht und charakteristischem Gepräge aufgelöst werde in eine Vielzahl allein dem Belieben des Einzelnen anheimgegebener „Berufe“. 92 Vor allem könne nicht durch eine rein quantitative Ausweitung des Umfangs der typischen Berufstätigkeit ein neuer Beruf entstehen. 93 Mithin handelt es sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts beim Verbot des Mehrbetriebs um eine Regelung der Berufsausübung. Nach den in BVerfGE 7, 377 ff. entwickelten Grundsätzen darf die Freiheit der Berufsausübung nur dann beschränkt werden, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen. 94 Diese Voraussetzung sah das Bundesverfassungsgericht als erfüllt an. Die Anknüpfung an die herkömmliche Ordnung des Apothekenwesens trage der Wertordnung des Grundgesetzes mehr Rechnung als andere mögliche Gestaltungen. Die Erwägung, die Arzneimittelversorgung in die Hand des Standes freier, selbstständiger Apotheker zu legen, werde dem Grundgedanken der Berufsfreiheit und der Freiheit des Einzelnen zu seiner wirtschaftlichen Entfaltung in besonderem Maße gerecht. Sie entspreche dem allgemein gebilligten wirtschaftspolitischen Ziel der Förderung des Mittelstands. Bei einer auch nur grundsätzlichen Zulassung des Mehrbetriebs sei die Gefahr einer sich allmählich bildenden Konzentration im Apothekenwesen nicht auszuschließen. Hierdurch würde der freiberufliche Charakter des Apothekerstands gefährdet. Der selbstständige Apotheker würde mehr und mehr zurückgedrängt und die Schicht der angestellten Apotheker wachsen. Eine solche Entwicklung 89 90 91 92 93 94
BVerfGE 17, 232, 239. BVerfGE 17, 232, 241. BVerfGE 17, 232, 241. BVerfGE 17, 232, 241 f. BVerfGE 17, 232, 242. BVerfGE 7, 377, 405.
B. Das Berufsbild des Apothekers in der Rechtsprechung
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würde die Möglichkeit für den Apothekernachwuchs, zu einer eigenen Apotheke zu gelangen und damit von der rechtlich bestehenden Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, erheblich verringern. 95 Dem Apotheker, dem die Vorteile des Apothekenmonopols zukommen, sei eine Beschränkung seiner wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit durch das Verbot des Mehrbetriebs zumutbar, die letztlich ebenso durch die Eigenart des Arzneimittels bestimmt werde wie die Apothekenpflichtigkeit. 96 Schließlich sei das Leitbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ eine Entscheidung gesundheitspolitischer Natur und gehöre dem Bereich an, in dem der Gesetzgeber die Möglichkeit zu freier Gestaltung habe. 97 Neben Art. 12 GG sei auch eine Verletzung der Art. 14 und 3 GG zu verneinen. Eine Verletzung des Art. 14 GG scheide aus, weil der Verlust der Betriebserlaubnis keinen Entzug von Eigentum gegen den Willen des Erlaubnisinhabers darstelle. 98 Dem Apotheker werde durch die Untersagung des Mehrbetriebs nicht etwas genommen, was er bereits in Eigentümerposition besitze, sondern es werde nur eine Möglichkeit zur Nutzung weiterer Erwerbschancen beschränkt. 99 Der Verlust der ersten Erlaubnis beruhe, auch wenn er formal kraft Gesetzes eintrete, der Sache nach auf der freien Entscheidung des Apothekers. 100 Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor, da die Ausnahmen, die das Gesetz selbst vom Verbot des Mehrbetriebs und der Pflicht zur persönlichen Leitung durch den Erlaubnisinhaber bei Zweigapotheken, Notapotheken und Krankenhausapotheken machten, sachlich begründet seien und die Gesamtkonzeption nicht in Frage stellten. 101
IV. BVerfGE 75, 166 ff.: Zum Verbot der Selbstbedienung in Apotheken In einer weiteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde das zuvor definierte Berufsbild des Apothekers in seiner Apotheke bekräftigt. 102 Das Bundesverfassungsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob der Ausschluss des Verkaufs im Wege der Selbstbedienung bei Apotheken gemäß § 10 Abs. 2 ApBetrO mit der Verfassung im Einklang stand, sofern eine Person mit der erforderlichen Sachkenntnis zur Verfügung stand. Dies war im sonstigen Einzelhandel gemäß § 52 Abs. 1 S. 2 AMG möglich. Diesen Zustand erklärte das Bundesverfassungsgericht für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. In seiner Argumentation bezog sich 95
BVerfGE 17, 232, 243. BVerfGE 17, 232, 245. 97 BVerfGE 17, 232, 242 f. 98 BVerfGE 17, 232, 248. 99 BVerfGE 17, 232, 248. 100 BVerfGE 17, 232, 248. 101 BVerfGE 17, 232, 249. 102 BVerfGE 75, 166 ff. 96
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
das Bundesverfassungsgericht auf die Ausführungen der Bundesapothekerkammer und des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit und bestätigte das von diesen vertretene Berufsbild des Apothekers. Das Beratungsangebot des Apothekers habe seit jeher den Charakter der Apotheke geprägt. 103 Die Aufgabe der Apotheke sei es, die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. 104 Der Beruf des Apothekers sei in die Heilberufe eingegliedert. Hieraus erwachse ein Vertrauen der Bevölkerung in eine Apotheke, die sich von dem vordergründig auf Gewinnerzielung ausgerichteten Einzelhändler unterscheide. 105 Das öffentliche Interesse, dem der Betrieb der Apotheken diene, bilde für den Gesetzgeber die Rechtsbasis, um die Apotheken im Verhältnis zu anderen Gewerbe- und Handelsbetrieben unter Sonderrecht zu stellen. 106 Apotheken seien zuvörderst Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens und erst in zweiter Linie Gewerbebetriebe. 107 Der Normgeber dürfe ein übersteigertes kaufmännisches Geschäftsgebaren des Apothekers im Interesse einer funktionstüchtigen Gesundheitsfürsorge verhindern und einer Geschäftsgestaltung entgegenwirken, die der Apotheke den Charakter eines „Drugstore“ geben würde. 108
V. Zusammenfassung Zusammenfassend kann man aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ herleiten. Der Apotheker übt danach einen freien Beruf des Gesundheitswesens aus. Zugleich unterliegt er als Gewerbetreibender den Normen des Handelsgesetzbuchs. 109 Der Apotheker vereinigt demnach zwei Funktionen in seiner Person: die öffentliche Funktion der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung und die privatrechtliche Funktion des Betreibers eines Gewerbes. 110
103
BVerfGE 75, 166, 171. BVerfGE 75, 166, 172. 105 BVerfGE 75, 166, 173. 106 BVerfGE 75, 166, 181. 107 BVerfGE 75, 166, 181. 108 BVerfGE 75, 166, 182. 109 Bomba, Werbebeschränkungen für Angehörige freier Berufe, S. 171; Hopt, in: Baumbach / Hopt, HGB, § 1 Rn. 19. 110 BVerfGE 17, 232, 238; Martini, DVBl. 2006, 10; Bomba, Werbebeschränkungen für Angehörige freier Berufe, S. 171. 104
C. Der Apotheker – ein Freiberufler?
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C. Der Apotheker – ein Freiberufler? Die Qualifizierung des Apothekerberufs als freier Beruf ist für die weitere Prüfung der Verfassungsmäßigkeit insofern von besonderer Bedeutung, als diesen Berufen traditionell eine besondere Stellung in der Rechtsordnung zukommt. Auch das Gemeinschaftsrecht hat den freien Beruf als solchen in Art. 50 S. 2 lit. a) EG anerkannt. Aus diesem Grunde erscheint eine nähere Betrachtung der diese Berufe prägenden Grundsätze notwendig. Zunächst ist festzustellen, dass der Begriff des freien Berufs kein eindeutiger allgemeiner Rechtsbegriff ist. Er ist im Mittelalter als eine Weiterentwicklung des Begriffs der römischen artes liberales hervorgegangen und bezeichnete Tätigkeiten, bei denen Kenntnisse und Fertigkeiten höherer Art vorausgesetzt wurden, und die man sich um ihrer selbst Willen aneignete. 111 Abgegrenzt wurden diese Tätigkeiten damit von körperlichen Tätigkeiten, die in erster Linie dem Erwerb dienten. 112 Der freie Beruf ist dementsprechend in keinem Gesetz allgemeingültig formuliert. Einen Definitionsansatz bietet jedoch das Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (kurz: PartGG) in § 1 Abs. 2 S. 1 PartGG: „Die Freien Berufe haben im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt.“ 113 Es sei angemerkt, dass bei der darauf folgenden Aufzählung der freien Berufe der Apotheker nicht benannt wird. Grund hierfür ist jedoch nicht, dass er aus der Sicht des Gesetzgebers nicht zu den freien Berufen zählt, sondern vielmehr, dass für den Apotheker die Partnerschaftsgesellschaft als Organisationsform nicht in Frage kommen sollte. Dies ergab sich aus der Tatsache, dass die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben bereits durch das Apothekengesetz (§ 8 S. 1 ApoG) abschließend geregelt waren. 114 Ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf des PartGG soll der Definitionsversuch in § 1 Abs. 2 PartGG keine positiv-rechtliche Festlegung beinhalten. 115 Obwohl im Steuerrecht die Zugehörigkeit zu den freien Berufen einkommenssteuerrechtliche Besonderheiten mit sich bringt und mit einer Freistellung von der 111 112 113 114 115
Gesellensetter, Annäherung des freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 30. Gesellensetter, Annäherung des freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 30. Hervorhebungen nur hier. BT-Drs. 12/6152, S. 10; Wigge / Kleinke, MedR 2002, 391. Vgl. BT-Drs. 12/6152, S. 9.
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
Gewerbesteuer gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 EStG einhergeht, lässt sich auch hier keine Definition des freien Berufs ableiten. Zwar nennt § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG einen Katalog von Freiberuflern und unterstellt auch andere „ähnliche“ Berufe dieser Kategorie. Jedoch hat der Bundesfinanzhof bereits früh festgestellt, dass eine eindeutige Trennung von Gewerbetreibenden und Freiberuflern nicht immer einfach ist. 116 Aus der Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ließen sich keine allgemeinen Merkmale herleiten, die den freien Beruf abschließend charakterisierten. 117 Das Bundesverfassungsgericht versteht den Begriff des freien Berufs als „soziologischen“ Begriff, der aus einer bestimmten gesellschaftlichen Situation heraus erwachsen sei, und aus dem sich keine konkreten normativen Rechtswirkungen ableiten ließen. 118 Es bleibt insofern das Bedürfnis nach einer Begriffsbestimmung.
I. Der Begriff des freien Berufs – Definitionsansätze Zum einen wird der Begriff des freien Berufes als materieller Rechtsbegriff verstanden, dessen prägende Merkmale in den einschlägigen Berufsgesetzen Niederschlag finden. 119 Prägende Merkmale des freien Berufs sind nach diesem Definitionsansatz insbesondere Selbstständigkeit, Arbeit auf geistiger Grundlage, Einsatz der eigenen Persönlichkeit, geistig-ethische und sachliche Unabhängigkeit und Verantwortung für das Gemeinwohl und ideelle Zwecke. 120 Eine Abwandlung dieses Definitionsansatzes verlangt im Hinblick auf die Selbstständigkeit nicht notwendigerweise eine wirtschaftliche Unabhängigkeit, sondern lässt die Weisungsfreiheit genügen. 121 Trotz aller Definitionsprobleme ist der Begriff des freien Berufes in Rechtsprechung und Schrifttum als feststehend anerkannt. Der Begriff beinhaltet allgemein anerkannte, spezifische Merkmale und ist somit ein „Typusbegriff“, der den freien Beruf von anderen Berufstypen abgrenzen soll. 122 Aus dem Charakter des 116
BStBl. 1960 III, 484. BStBl. 1960 III, 136. 118 BVerfGE 10, 354, 364; Mann, NJW 2008, 121, 122; Kraus, Niederlassungsfreiheit der freien Berufe in der EG, S. 24 f.; Michalski, AnwBl 1989, 65, 70; zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich der freien Berufe im Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 1 GG vgl. Jaeger, AnwBl 2000, 475 ff.; zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. Groepper, GewArch 2000, 366 ff.; zur Entwicklung des freien Berufs siehe Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 6 ff. 119 Fleischmann, Die Freien Berufe im Rechtsstaat, S. 43 ff. 120 Gesellensetter, Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 32. 121 Ausführlich in Michalski, Der Begriff des freien Berufs im Standes- und Steuerrecht, S. 29 ff.; Sodan, Freie Berufe und Leistungserbringer, S. 81. 117
C. Der Apotheker – ein Freiberufler?
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Begriffs als „Typus“ oder „Gattung“ ergibt sich, dass nicht alle Begriffsmerkmale für die Zugehörigkeit vorliegen müssen. Ausschlaggebend für die Zuordnung zum Typus „freier Beruf“ ist lediglich, dass in einer Gesamtbewertung eine deutlich überwiegende Zahl der ausschlaggebenden Aspekte im Einzelfall erfüllt ist. 123 Als prägende Merkmale des freien Berufs haben sich verschiedene Charakteristika herausgebildet, die schon angesprochen wurden, im Folgenden jedoch eine Präzisierung erfahren sollen.
II. Prägende Merkmale des freien Berufs 1. Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung Ein Merkmal des freien Berufs ist die Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung. Es soll gerade die Persönlichkeit des Freiberuflers als Leistungserbringer sein, die den Auftraggeber dazu veranlasst, sich an einen bestimmten Berufsangehörigen zu wenden. 124 Dieses Merkmal steht bei dem Kunden eines Kaufmanns in der Regel nicht im Vordergrund. Hier dürften die Merkmale des verkauften Produktes entscheidend sein. Der Freiberufler prägt durch seine Persönlichkeit die Art der Auftragserfüllung, weshalb Vor- und Fremdleistungen nicht ohne weiteres an Dritte weitergereicht werden können. 125 Der Freiberufler trägt für die Ausführung der Leistung die persönliche Verantwortung. 2. Qualifizierte Ausbildung Der Freiberufler bietet eine Dienstleistung höherer Art 126 an. Dies impliziert das Erfordernis einer qualifizierten Ausbildung. 127 Die Ausbildung soll dem Freiberufler Techniken vermitteln, die es ihm ermöglichen, nach dem Abschluss seiner Ausbildung im Wege des Selbststudiums an der weiteren Entwicklung der 122 Hummes, Die rechtliche Sonderstellung der Freien Berufe, S. 83 ff.; Taupitz, Standesordnungen, S. 23 ff.; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der GKV, S. 63 f.; Mann, NJW 2008, 121, 122; Gesellensetter, Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 36; siehe zum Berufsbetreuer Mann, NJW 2008, 121 ff. 123 Mann, NJW 2008, 121, 122 f. 124 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 237; Noll, Persönliche und höchstpersönliche Leistung, passim und 185 f.; Hummes, Die rechtliche Sonderstellung der freien Berufe, S. 73; Mann, NJW 2008, 121, 123. 125 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 238; Taupitz, Standesordnungen, S. 40 f. 126 Vgl. BVerfGE 17, 232, 239. 127 Tettinger, DÖV 2000, 534, 536; Jaeger, AnwBl 2000, 475, 476; Kluth, DAZ 2007, 3314, 3315.
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
Wissenschaft teilzunehmen oder durch eigene Forschung die Entwicklung der Wissenschaft zu beeinflussen. 128 3. Besonderes Vertrauensverhältnis Kennzeichnend für die Rechtsbeziehungen des Freiberuflers zu seinem Auftraggeber ist ein besonderes, in Abhängigkeit von der Art der Tätigkeit abgestuftes Vertrauensverhältnis. 129 Der Auftraggeber offenbart im Allgemeinen dem Freiberufler private Geheimnisse, wobei gerade die Person des Freiberuflers die Annahme begründet, dass diese Geheimnisse Dritten nicht bekannt gemacht werden. 130 Das Vertrauensverhältnis basiert unter anderem auf dem Wissensgefälle zwischen Freiberufler und Auftraggeber. 131 Der Auftraggeber kann die Tätigkeit des Freiberuflers nicht überwachen, da ihm das erforderliche Wissen in der Regel fehlt. Dieses Wissensgefälle resultiert wiederum aus der besonderen Ausbildung des Freiberuflers. 4. Wirtschaftliche, fachliche und sachliche Unabhängigkeit Die wirtschaftliche Selbstständigkeit wird ebenfalls als Merkmal der anerkannten freien Berufe genannt. 132 Dies schließt jedoch nicht aus, dass Angehörige des freien Berufs auch als Angestellte tätig werden. Entscheidend soll es sein, dass die betreffende Berufstätigkeit üblicherweise, überwiegend oder mindestens in erheblichem Umfang in wirtschaftlich selbstständiger Stellung ausgeübt wird. 133 Für Freiberufler drückt sich die wirtschaftliche Eigenverantwortlichkeit in der Pflicht aus, als Angestellter wie als Selbstständiger haftpflichtversichert zu sein. Damit trägt der Freiberufler in gewissem Umfang ein allgemeines Risiko für die ordnungsgemäße Leistungserbringung. 134 Wie später zu zeigen sein wird, ist 128
Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 239. Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art 12 Rn. 269; Michalski, AnwBl 1989, 65, 72; Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 240; Groepper, GewArch, 2000, 366; Hermann, Die „freien Berufe“, S. 101; Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 13; Kluth, DAZ 2007, 3314, 3315. 130 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 240; Taupitz, Standesordnungen, S. 52 ff. 131 Taupitz, Standesordnungen, S. 54; Gesellensetter, Annäherung des Freien Arztberufes an das Gewerbe, S. 39. 132 Hummes, Die rechtliche Sonderstellung der freien Berufe, S. 69; Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 13; ders., AnwBl 1989, 65, 70; Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 237; kritisch auch Bachmann, NJW 2001, 2285. 133 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 237; Taupitz, Standesordnungen, S. 47. 129
C. Der Apotheker – ein Freiberufler?
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gerade die wirtschaftliche Selbstständigkeit des Freiberuflers ein Aspekt, der möglicherweise im Wandel der Zeit an Bedeutung verloren hat. Der Freiberufler soll auch persönlich unabhängig sein. 135 Dies bezieht sich zum einen auf die Beziehung zum Auftraggeber: Dem Freiberufler ist es gemäß § 627 BGB jederzeit möglich, das Auftragsverhältnis zu kündigen und somit von den daraus entstehenden Verpflichtungen befreit zu werden. Zum anderen ist der Freiberufler – ist er nicht selbstständig – auch gegenüber seinem Arbeitgeber unabhängig. Dem Arbeitgeber steht zwar in gewisser Weise ein Direktionsrecht zu. Dieses wird jedoch durch die berufsrechtlichen Anforderungen an den angestellten Freiberufler begrenzt. 136 5. Fehlen des Gewinnstrebens Wenn auch umstritten, so wird die Berufsausübung um des Berufs Willen, also das Fehlen von Gewinnstreben, als Merkmal des freien Berufs genannt. 137 Im Vordergrund der Berufsausübung sollen altruistische Motivationen bestehen, wie bspw. das Heilen eines Menschen oder dessen Unterstützung bei der Geltendmachung von Rechten. 138 So erklärt es sich auch, dass den freien Berufen eine besondere Verantwortung für das Gemeinwohl teilweise als Rechtspflicht auferlegt ist. 139 Angesichts erheblicher Investitionen, die ein Freiberufler aus eigener Kraft zu tragen hat, muss er allerdings zumindest marktwirtschaftlich denken. 140 Ebenso ist es unrealistisch zu denken, dass die mit der langen Ausbildung verfolgten Ziele nicht auch mit der Absicht verbunden wären, ein überdurchschnittliches Einkommen zu erzielen. 141
134
Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 238. Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 269, der allerdings von einem „Maß entsprechender persönlicher wie sachlicher Berufsunabhängigkeit“ ausgeht; Michalski, AnwBl 1989, 65, 71. 136 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 237. 137 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 242; Taupitz, Standesordnungen, S. 59 Fn. 153; Jaeger, AnwBl 2000, 475, 478; Hermann, Die „freien Berufe“, S. 98; kritisch auch Michalski, AnwBl 1989, 65, 66. 138 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 242 f. 139 Vgl. nur § 1 Abs. 1 ApoG, der dem Apotheker die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung auferlegt. Siehe auch Kluth, DAZ 2007, 3314, 3315. 140 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 242. 141 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 243; siehe auch Jaeger, AnwBl 2000, 475, 478, die ihr Erstaunen darüber ausdrückt, wie viele Verfahren beim Bundesverfassungsgericht sich um das Entgelt des Freiberuflers drehen. 135
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
6. Recht zur Selbstorganisation Schließlich wird als Merkmal des freien Berufs das Recht zur Selbstorganisation, welches üblicherweise durch die Berufskammern ausgeübt wird, denen die Berufsangehörigen in Form der Pflichtkorporation angehören, genannt. 142 Berufliche sowie außerberufliche Verfehlungen, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Tätigkeit zu beeinträchtigen, werden von Berufsangehörigen abgeurteilt. Das Selbstorganisationsrecht verdeutlicht insofern die Freiheit dieser Berufe, als der Staat hier hoheitliche Aufgaben in die Hände derjenigen entlässt, zu deren Kontrolle er von Verfassungs wegen berufen ist. 143 Dennoch ist das Recht zur Selbstorganisation wohl eher eine Konsequenz der Klassifizierung als freier Beruf denn prägendes Merkmal.
III. Der Apotheker zwischen freiem Beruf und Gewerbetreibendem Die Zugehörigkeit des Apothekers zu den freien Berufen ergibt sich aus der Erfüllung der eben genannten Merkmale. 144 Der Apotheker erbringt bei der Beratung des Patienten in der Apotheke eine höchstpersönliche Leistung, wobei der Patient in der Regel ein besonderes Vertrauen in sein Fachwissen setzen wird und sich somit in dessen Hände begibt. 145 Der Apotheker ist wirtschaftlich selbstständig, sofern er eine eigene Apotheke betreibt. Der ideale Apotheker handelt zudem nicht aus Gewinninteresse, sondern aus der Motivation heraus, als Teil des Gesundheitswesens zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit beizutragen. Ebenso wie bei anderen freien Berufen besteht eine Standesorganisation für den Apotheker. 146 Trotz der grundsätzlichen Zugehörigkeit zu den freien Berufen nimmt der Apotheker – so stellte auch das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen fest 147 – unter den freien Berufen eine Sonderstellung ein. Die Ausübung seines Berufs (als selbständiger Apotheker) macht es im Unterschied zu anderen freien 142 Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 269; Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 241; Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 83. 143 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 242; Taupitz, Standesordnungen, S. 83 f., 68. 144 Siehe auch Kraus, Niederlassungsfreiheit der freien Berufe in der EG, S. 33 f.; Friauf, PZ 1992, Sonderbeilage zu Nr. 25, S. 3; Vieten, Der Beruf des Apothekers, S. 43 ff. Die Zugehörigkeit des Apothekers zu den freien Berufen untermauert auch das Bundesverfassungsgericht bereits in BVerfGE 5, 25, 29 f. 145 Siehe auch Vieten, Der Beruf des Apothekers, S. 56. 146 Siehe Einführung, A. II. 147 BVerfGE 5, 25, 29 f.; BVerfGE 17, 232, 239 f.
D. Das heutige „Berufsbild“ des Apothekers
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Berufen unerlässlich, dass er eine gewerbliche Niederlassung besitzt, in der er die Arzneimittel bereithält und im Einzelhandel abgibt, er insofern am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teilnimmt. 148 Konsequenz dieser Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr ist die Eigenschaft des selbständigen Apothekers als Gewerbetreibender. 149 Der Apotheker steht im Spannungsfeld zwischen seiner überwiegend freiberuflichen Betätigung und dem gewerblichen Verkauf des Arzneimittels: 150 Soweit die Ausbildung, Zulassung und die Beachtung öffentlich-rechtlicher Standespflichten betroffen sind, überwiegt der freiberufliche Charakter; der Betrieb der Apotheke an sich ist dagegen Gewerbe. 151
D. Das heutige „Berufsbild“ des Apothekers Nachdem die Stellung des Apothekers als Freiberufler und Gewerbetreibender abstrakt und im historischen Rückblick dargestellt wurde, soll im Folgenden eine konkrete Darstellung des Tätigkeitsfelds eines Apothekers in der heutigen Zeit erfolgen. Diese Darstellung verdeutlicht nicht nur die verschiedenen Aufgaben des Apothekers im Umgang mit unterschiedlichen Arten von Arzneimitteln. Es soll vielmehr auch herausgearbeitet werden, dass der Beruf des Apothekers zwar eine lange Tradition hat, die seine Stellung als Freiberufler begründet hat. Jedoch hat sich dieser Beruf mit der Zeit – insbesondere mit der stetigen Abnahme der Herstellung des Arzneimittels in den Apothekenbetriebsräumen – gewandelt. Es ist dann danach zu fragen, ob dieser Wandel den Beruf des Apothekers in einem anderen Licht erscheinen lässt und somit als Grundlage für eine Neubeurteilung der Existenzberechtigung des Fremd- und Mehrbesitzverbots herangezogen werden kann.
I. Aufgaben des Apothekers im Umgang mit Arzneimitteln Der Apotheker versorgt seit jeher die Bevölkerung mit Arzneimitteln. Das Gesetz sieht drei Arten von Arzneimitteln vor: 152 (1) freiverkäufliche Arzneimittel, (2) apothekenpflichtige, nicht verschreibungs- und (3) apothekenpflichtige, verschreibungspflichtige Arzneimittel, §§ 43 ff. AMG. Daneben existierten apothekenübliche Waren (sog. Rand- oder Nebensortiment), die in Apotheken vertrieben werden, § 25 ApBetrO. 153 148 149 150 151 152
Vgl. BVerfGE 17, 232, 239; Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 39. BVerfGE 5, 25, 29; Marcks, in: Landmann / Rohmer, GewO, § 14 Rn. 27. Hoffmann, ApoG, Einleitung, Rn. 39. Marcks, in: Landmann / Rohmer, GewO, § 14 Rn. 27; vgl. Einführung, A. II. Vgl. hierzu auch Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 227 ff.
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
Der Apotheker erfüllt entsprechend dem Charakter eines Produkts verschiedene Aufgaben. Grundsätzlich und unabhängig vom vorliegenden Arzneimittel prüft der Apotheker stets die einwandfreie Beschaffenheit des Produkts, §§ 12, 16 Abs. 1 S. 2 ApBetrO. Im Bereich der apotheken- und zugleich verschreibungspflichtigen Arzneimittel erfüllt der Apotheker eine Vollzugs- und Kontrollfunktion. 154 Im Sinne seiner Vollzugsfunktion ist der Apotheker gemäß § 17 Abs. 4 ApBetrO dazu verpflichtet, Verschreibungen in einer der Verschreibung angemessenen Zeit auszuführen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes („Verschreibungen [...] sind [...] auszuführen.“) ergibt sich, dass die Ausführung der Verschreibung vorgeschrieben ist, woraus ein Kontrahierungszwang hinsichtlich verschriebener Arzneimittel für den Apotheker folgt. 155 In der Erfüllung seiner Vollzugsfunktion hat der Apotheker gemäß § 17 Abs. 5 S. 1 ApBetrO dafür Sorge zu tragen, dass die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des SGB V entsprechen (Kontrollfunktion). Der Apotheker kontrolliert hierbei nicht nur, ob das ausgegebene Arzneimittel dem verschriebenen entspricht. Vielmehr ist er zu einer Gegenkontrolle im Sinne einer pharmazeutischen Prüfung des Verordnungsverhaltens des Arztes verpflichtet. 156 Bei einem erkennbaren Irrtum, bei Unleserlichkeit oder sonstigen Bedenken muss der Apotheker die Abgabe zunächst verweigern und den Sachverhalt aufklären, § 17 Abs. 5 ApBetrO. Hat der Apotheker einen begründeten Verdacht, dass ein Fall von Arzneimittelmissbrauch vorliegt, hat er die Abgabe des Arzneimittels nach § 17 Abs. 8 ApBetrO ebenfalls zu verweigern. Der Apotheker ist danach kein bloßer Arzthelfer, sondern er übt neben dem Arzt einen eigenständigen Heilberuf aus. 157 Für den Fall, dass der Arzt lediglich den Wirkstoff, nicht jedoch das Medikament selbst aufgeschrieben hat, kommt dem Apotheker die Aufgabe zu, die Verschreibung zu konkretisieren. 158 Dem Apotheker steht es allerdings nicht zu, die Therapie des Arztes zu beeinträchtigen (§ 20 Abs. 1 ApBetrO), indem er beispielsweise Kritik an der ärztlichen Diagnose oder der Verschreibung übt. 159 153 Hierzu gehören beispielsweise Medizinprodukte, die nicht der Apothekenpflicht unterliegen, sowie Schädlingsbekämpfungsmittel. 154 Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 126; Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 17. 155 Kieser, Apothekenrecht, S. 58. 156 BVerfGE 9, 73, 80, „... hat er zur Gegenkontrolle des Arztes die Einhaltung der Vorschriften über die Maximaldosis zu bewachen...“; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 51 f. 157 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 51; Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 80. 158 Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 511, Nr. 1157; Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 17.
D. Das heutige „Berufsbild“ des Apothekers
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Im Bereich der apotheken-, jedoch nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel (auch Handverkaufsmittel oder „Over the Counter“-Arzneimittel, kurz OTC, genannt) obliegt dem Apotheker in einigen Fällen die alleinige fachliche Verantwortung für die Arzneimitteltherapie. 160 Diese Arzneimittel können zwar auch vom Arzt verschrieben werden, jedoch werden sie in der Regel vom Verbraucher nach einer Beratung durch den Apotheker zum Zwecke der Selbstmedikation erworben. Die zunehmende Selbstmedikation steigert die Verantwortlichkeit des Apothekers im Bereich der Information und Beratung bei den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. 161 Hier hat die Beratungsleistung des Apothekers in der Regel zum Gegenstand: Dosierung, Einnahmefrequenz, Therapiedauer, Einnahmemodalität und mögliche Interaktionen mit anderen Arznei- oder Nahrungsmitteln. 162 Im Bereich der freiverkäuflichen Arzneimittel, den apothekenüblichen Waren, konkurriert der Apotheker mit dem Einzelhandel. 163 Hier übt der Apotheker nicht in erster Linie einen Heilberuf aus, er dient hier nicht der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung. Dieser Bereich ist deshalb nicht Gegenstand dieser Arbeit und soll, wenn überhaupt, nur am Rande und der Vollständigkeit halber erwähnt sein. Zu beachten ist allerdings, dass das Geschäft mit dem Nebensortiment gemäß § 2 Abs. 4 ApBetrO nicht den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke beeinträchtigen darf. Das Angebot des Nebensortiments soll in einer Apotheke hintergründig bleiben und nicht von der Arzneimittelversorgung ablenken. 164
II. Räumliche Besonderheiten, Vorratshaltung, Kontrahierungszwang Für den Apotheker gelten im Gegensatz zu anderen Gewerben besondere Regelungen in Bezug auf die Beschaffenheit der von ihm genutzten Räumlichkeiten und seine Vorratshaltung. Die besonderen Betriebsvorschriften, die von den allgemeinen Bestimmungen des Gewerberechts abweichen und für den Apothekenbetrieb vorrangiges Sonderrecht begründen, lassen sich in der ApBetrO finden. Auch hier wird die Zwitterstellung des Apothekers als Freiberufler und Gewerbetreibender deutlich. Die Anforderungen an die Apothekenbetriebsräume sind in § 4 ApBetrO geregelt. Gemäß § 4 Abs. 2 ApBetrO ist es erforderlich, dass die Apothekenbetriebsräu159
Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 137. BVerfGE 9, 73, 80; 17, 232, 239 f.; 107, 186, 202; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 52. 161 Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 17. 162 Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 126. 163 Ring, NJW 1997, 768, 771. 164 Ähnlich Ring, NJW 1997, 768, 771. 160
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
me aus einer Offizin 165, einem Laboratorium, einem ausreichenden Lagerraum und einem Nachtdienstzimmer bestehen. Insgesamt muss die Fläche der Apothekenbetriebsräume mindestens 110 m² betragen. Die ApBetrO schreibt weiterhin vor, dass der Verkaufsraum einer Apotheke (Offizin) von anderweitig gewerblich genutzten Räumen durch Wände und Türen abgetrennt sein muss, § 4 Abs. 5 ApBetrO. Eine räumliche Integration einer Apotheke in ein Kaufhaus oder eine Drogerie ist somit nicht möglich. Es werden jedoch auch bestimmte Anforderungen an die Ausstattung der Apotheke gestellt: Gemäß § 4 Abs. 7 ApBetrO müssen Geräte vorhanden sein, mit denen Arzneimittel in verschiedenen Darreichungsformen hergestellt werden können. Ebenso muss die Apotheke mit unterschiedlichen wissenschaftlichen und sonstigen Hilfsmitteln ausgestattet sein, § 5 ApBetrO. Auch in Bezug auf die Lagerung gelten strenge Vorschriften, § 16 ApBetrO. Der Apotheker muss gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 ApBetrO einen bestimmten Arzneimittelvorrat (Anlage 2 der ApBetrO) halten, der mindestens dem durchschnittlichen Bedarf einer Woche entspricht. Es gilt der Grundsatz: Jede Apotheke muss Vorratshaltung und Beschaffungsmöglichkeit so gestalten, dass die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung innerhalb des Geschäftsbereichs der Apotheke gewährleistet ist. 166 Dies gilt ohne Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit, so dass auch leichtverderbliche oder kurzlebige Arzneimittel vorrätig gehalten werden müssen. 167 Im Übrigen muss auch die Filialapotheke grundsätzlich als vollwertige Apotheke ausgestaltet sein. 168
III. Die Ausbildung des Apothekers Es werden jedoch nicht nur an Umstände der Berufsausübung, sondern vor allem an die Ausbildung des Apothekers hohe Anforderungen gestellt. Hierfür finden sich auch im Gemeinschaftsrecht Regelungen. Danach ist Voraussetzung für die Erteilung des Diploms oder Prüfungszeugnisses für Apotheker nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 85/432/EWG 169 und nach Art. 44 der Richtlinie 2005/36/EG 170 ein Ausbildungszeitraum von mindestens 5 Jahren, wobei davon mindestens 4 Jahre theoretischer und praktischer Vollzeitunterricht an einer Universität oder Hoch165
Offizin = Werkstätte, Arbeitsplatz. Hier findet die eigentliche Abgabe an den Patienten statt. Die Offizin ist der öffentliche Teil der Apotheke. Vgl. Rotta, NJW 1995, 755, 758. 166 Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 133 f. 167 Schiedermair / Pohl, Gesetzeskunde für Apotheker, S. 134. 168 Kieser, Apothekenrecht, S. 31. 169 Richtlinie 85/432/EWG des Rates vom 16. September 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten. 170 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen.
D. Das heutige „Berufsbild“ des Apothekers
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schule mit anerkannt gleichwertigem Niveau und ein mindestens 6-monatiges Praktikum in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Apotheke oder in einem Krankenhaus unter der Aufsicht des pharmazeutischen Dienstes dieses Krankenhauses abzuleisten sind. Das nationale Recht sieht in § 1 Abs. 1 Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) ein Studium der Pharmazie von vier Jahren an einer Universität und eine praktische Ausbildung von zwölf Monaten vor. Für die Erteilung einer Approbation müssen Apotheker in ihrer Persönlichkeit Gewähr dafür bieten, dass sie die ihnen gestellten Aufgaben zuverlässig und ordnungsgemäß erfüllen. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BApO wird die Approbation als Apotheker nur dann erteilt, wenn die fachliche, gesundheitliche und charakterliche Eignung des Antragsstellers als gegeben erachtet werden kann. Die charakterliche Eignung wird in § 4 Abs. 1 Nr. 2 BApO konkretisiert. Danach darf der Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht haben, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs ergibt. Unwürdigkeit ist zu bejahen, wenn der Apotheker vorsätzlich ein schwere, gemeingefährliche oder gemeinschädliche oder gegen eine Person gerichtete, von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat begangen hat, die ein die Durchschnittstat übersteigendes Unwerturteil enthält und zu einer tief greifenden Abwertung seiner Persönlichkeit führt. 171 Unzuverlässig ist, wer auf Grund seines bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Beruf als Apotheker gewissenhaft ausüben wird. 172 Nach § 6 Abs. 2 BApO wird die Approbation eines Apothekers widerrufen, wenn sich nach Erteilung der Approbation ein Mangel an der notwendigen Zuverlässigkeit oder Berufswürdigkeit zeigt.
IV. Die Haftung des Apothekers Die Sonderstellung des Apothekers zwischen Heilberuf und Gewerbetreibendem wird auch in seinen Rechtsbeziehungen deutlich. 173 Vertragspartner des Apothekers ist bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht der Patient, sondern vielmehr die gesetzliche Krankenversicherung, obwohl der Patient die Apotheke aussucht und in Höhe der gesetzlichen Zuzahlung einen Teil des Kaufpreises selbst trägt. 174 Der Patient überbringt als Bote mit dem Rezept eine 171
VGH Baden-Württemberg, GesR 2004, 148. BVerfG, NJW 1998, 2756, 2757 f.; Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 82; Kieser, Apothekenrecht, S. 13; ausführlich zur Zuverlässigkeit des Apothekers: Schiedermair, PZ 1989, 1127, 1128. 173 Zu den Rechtsverhältnissen des Apothekers zur Krankenkasse und zum Patienten ausführlich: Wigge, NZS 1999, 584 ff. 174 BSGE 77, 194, 200; BGH, NJW 1998, 825, 826; Murawski, in: Kruse / Hähnlein, GKV, § 129 SGB V Rn. 1; Wigge, NZS 1999, 584, 586; kritisch: Mand, NJW 2008, 190; a. A. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der GKV, S. 206. 172
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
der Krankenkasse gemäß § 164 Abs. 1 BGB zuzurechnende Willenserklärung des Kassenarztes, wodurch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zugunsten des Patienten zustande kommt (Vertrag zu Gunsten Dritter, §§ 328 ff. BGB). 175 Ist der Patient privat versichert, so ist er Vertragspartner des Apothekers. Der Versicherte hat dann auf Grund des Versicherungsvertrags einen Anspruch gegen seine Krankenversicherung auf Erstattung der Arzneimittelausgaben. Im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel ist der Patient ebenso Vertragspartner. Der apothekenrechtliche Arzneimittelversorgungsvertrag ist ein gemischter Vertrag,dersowohlkaufrechtlichealsauchdienst-undbehandlungsrechtlicheElemente aufweist. 176 Auf Grund des kaufvertraglichen Teils ist der Apotheker dazu verpflichtet, dem Patienten das Eigentum und den Besitz am Medikament zu verschaffen. Daneben ist der Apotheker zur Beratung und Information des Patienten verpflichtet. Die Pflicht zur Information und Beratung ergibt sich aus § 20 ApBetrO. Der apothekenrechtliche Arzneimittelversorgungsvertrag umfasst somit die dem Kaufrecht völlig fremde Pflicht zur ordnungsgemäßen Versorgung, die nicht nur produkt-, sondern auch personenbezogenen Beratungspflichten sowie gegebenenfalls auch die Pflicht, von einem Arzneimittel abzuraten oder gar eine Abgabe von Arzneimitteln zu verweigern. Die Information und Beratung des Patienten als behandlungsbezogenes Element des Vertrags ist eine heilberufliche Hauptleistungspflicht, die neben der kaufvertraglichen Hauptleistungspflicht steht. 177 Erleidet der Patient durch die schuldhafte Verletzung der Pflichten aus dem Versorgungsvertrag eine Verletzung seines Körpers oder seiner Gesundheit, haftet der Apothekenbetreiber in der Regel gemäß § 280 BGB und § 823 BGB auf Schadensersatz sowie gemäß § 253 Abs. 2 BGB auf Schmerzensgeld. 178 Für eine ausreichende Absicherung der Patientenansprüche schreiben die meisten Berufsordnungen der Apotheker den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung vor. 179
V. Der Filialleiter Da seit dem Jahre 2004 der Mehrbesitz an Apotheken nunmehr eingeschränkt möglich ist, soll die Filialapotheke näher betrachtet werden. Eine besondere Rolle in der Filialapotheke spielt der Filialleiter. 175
BSG, NZS 2006, 29; NZS 2006, 366. Cyran / Rotta, ApBetrO, § 17 Rn. 60; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 48; Lippert, in: Deutsch / Lippert, ApoG, S. 783 Rn. 20. 177 Cyran / Rotta, ApBetrO, § 17 Rn. 60. 178 Deutsch / Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1192 ff.; Cyran / Rotta, ApBetrO, § 17 Rn. 61; Möhle, Haftpflichtversicherung im Heilwesen, S. 42; Lippert, in: Deutsch / Lippert, ApoG, S. 784 Rn. 21 ff.; Neuefeind, Arzthaftungsrecht, S. 153. 179 Siehe nur in den Berufsordnungen der Apothekenkammern: Nordrhein § 17, Bayern § 16, Hessen § 11, Rheinland-Pfalz § 17; Baden-Württemberg § 16, Hamburg § 11, Saarland § 10; Sachsen § 7, Mecklenburg-Vorpommern § 1 Abs. 5. 176
D. Das heutige „Berufsbild“ des Apothekers
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Der Filialleiter ist derjenige, den der Betreiber der Filialapotheke als Verantwortlichen benannt hat. Hierbei handelt es sich um einen angestellten Apotheker. Ein angestellter Apotheker ist Mitglied der Apothekerkammer und unterliegt der entsprechenden berufsrechtlichen Überwachung. 180 Verstößt ein angestellter Filialleiter gegen beruflich relevante Bestimmungen, drohen ihm berufsrechtliche Verfahren und Sanktionen bis hin zum Verlust der Approbation. Den Filialleiter trifft gemäß § 7 S. 2 ApoG, genauso wie den Betreiber, die Pflicht zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung. Der Begriff der „eigenen Verantwortung“ ist beim Filialleiter allerdings anders als beim Betreiber zu verstehen, weil der Filialleiter nicht das wirtschaftliche Risiko der Apotheke trägt und im Verhältnis zum Betreiber nicht unabhängig ist. 181 Das Weisungsrecht des Betreibers ist allerdings durch die zwingenden apothekenrechtlichen, arzneimittelrechtlichen und heilmittelwerberechtlichen Bestimmungen begrenzt, so dass hinsichtlich des pharmazeutischen Kernbereichs eine eigene Verantwortlichkeit des Filialleiters besteht. 182 Der Filialleiter ist gemäß §§ 2 Abs. 5 Nr. 2 ApoG, 2 Abs. 2 ApBetrO dafür verantwortlich, dass die Filialapotheke unter Beachtung der geltenden Vorschriften betrieben wird.
VI. Die Arzneimittelpreisverordnung Neben den vielen Regelungen, die an den Betrieb der Apotheke geknüpft sind, ergeben sich für den Apotheker auch Einschränkungen in der Preisgestaltung. Geregelt ist die Preisbindung des Apothekers in der Arzneimittelpreisverordnung. 183 Die Arzneimittelpreisverordnung gilt für verschreibungspflichtige Arzneimittel, § 1 Abs. 4 AMPreisV. Sie soll den Arzneimittelpreiswettbewerb als fehlsteuerndes Instrument einer optimalen Arzneimittelversorgung verhindern und gleichzeitig einen Leistungswettbewerb unter den Arzneimittelversorgern fördern. 184 Daneben soll sie dem Apotheker die wirtschaftliche Basis für seine dem Gemeinwohl verpflichtete Tätigkeit gewähren. 185 Danach sind unter anderem die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AMPreisV) sowie die Preisspannen und die Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AMPreisV) geregelt. Der Großhandelsabgabe180
Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 125. Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 128. 182 Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 129. 183 Ausführlich zu den Folgen des internationalen Versandhandels auf die Preisbindung im Arzneimittelsektor Mand, GRURInt 2005, 637 ff., ders., EuR 2007 (Beiheft 2), 59 ff. 184 Tisch, ApoR 2004, 14, 15. 185 Tisch, ApoR 2004, 14, 15; Mand, GRURInt 2005, 637, 638. 181
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2. Kap.: Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“
preis ergibt sich gemäß § 2 AMPreisV aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens (Herstellerabgabepreis) zuzüglich eines tabellarisch festgelegten Zuschlags. Der Abgabepreis des Apothekers richtet sich nach § 3 AMPreisV. Danach ergibt sich für den Apothekerabgabepreis: (1) Wird das Fertigarzneimittel von einem Großhändler bezogen, berechnet sich der Abgabepreis nach der Formel: Festzuschlag von 3% vom Großhandelsabgabepreis plus 8,10 Euro. (2) Wird das Fertigarzneimittel vom Hersteller direkt bezogen: Festzuschlag von 3 % vom Herstellerabgabepreis plus 8,10 Euro.
E. Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt sich, dass das Berufsbild des Apothekers eine lange Tradition hat. Es wurde in Deutschland maßgeblich von der Rechtsprechung mitgeprägt. Der Apothekerberuf ist seit jeher stärker als andere freie Berufe kaufmännisch geprägt. 186 Der Apotheker ist Vollkaufmann im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB, der Betrieb der Apotheke unterliegt der Gewerbesteuer. 187 Dennoch erkennt das Bundesverfassungsgericht die Zugehörigkeit des selbstständigen Apothekers zu den höheren freien Berufen an und konstatiert, dass bei ihm die Züge eben dieses freien Berufs im Verhältnis zu den gewerblichen Zügen überwiegen. 188 Der Apotheker erfüllt eine öffentliche Aufgabe im Rahmen der Gesundheitsversorgung: Ihm obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Aus dieser öffentlichen Aufgabe folgen besondere Anforderungen an seine Person und an den Betrieb der Apotheke. Der moderne Apotheker unterliegt strengen Regulierungen im Hinblick auf die zur Berufsausübung benötigten Räumlichkeiten, deren Ausstattung und die Vorratshaltung. Ebenso sind die Pflichten des Apothekers im Zusammenhang mit der Arzneimittelversorgung genau definiert. Der Apotheker ist in der Preisgestaltung seines Produktes nicht frei. Zusammenfassend ergibt sich aus den genannten Merkmalen das Leitbild des „Apothekers in seiner Apotheke“. Als Teil dieses Berufsbilds soll das Fremd- und Mehrbesitzverbot im nun folgenden Teil der Arbeit auf seine Verfassungsmäßigkeit hin untersucht werden.
186 Bomba, Werbebeschränkungen für Angehörige freier Berufe, S. 167; Breyer, ApoG, S. 60 ff. 187 Wigge / Kleinke, MedR 2002, 301; Taupitz, Standesordnungen der freien Berufe, S. 88; Tisch, PZ 1995 (39), 3491; Ring, NJW 1997, 768, 769; Schiedermair, FS Laufke, S. 253, 254. 188 BVerfGE 5, 25, 29 f.; 17, 232, 239.
3. Kapitel
Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes Auf der Grundlage des erarbeiteten „Berufsbilds“ des „Apothekers in seiner Apotheke“ ist nun zu untersuchen, ob das Fremd- und Mehrbesitzverbot mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Auf dem Prüfstand der Verfassung stehen nicht nur die isoliert betrachteten Verbote, sondern vielmehr das hiermit untrennbar verknüpfte Berufsbild des Apothekers in seiner bisherigen Gestalt. Einer (denkbaren) Neubeurteilung des Fremd- und Mehrbesitzverbots am Maßstab des Grundgesetzes steht – wie nun zu darzustellen sein wird – auch nicht die Bindungswirkung frührer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entgegen.
A. Vorbemerkung: Die Bindungswirkung früherer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1964 wurde das Mehrbesitzverbot als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. 1 Gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG sind Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden bindend. 2 Daneben kommt manchen Entscheidungsarten gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Es handelt sich dabei um Entscheidungen über die Gültigkeit bzw. die Vereinbarkeit einer Norm mit höherrangigem Recht sowie um Entscheidungen über die Geltung einer Norm. 3 Bei der hier relevanten Ent1
BVerfGE 17, 232 ff. Vgl. zur Abgrenzung der Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG von den Instituten der formellen und materiellen Rechtskraft: Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 21 ff.; ausführlich zu § 31 Abs. 1 BVerfGG: Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 66 ff. 3 Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 288 ff. 2
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
scheidung zur Verfassungskonformität des Mehrbesitzes handelte es sich um eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG, so dass dieser Entscheidung gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zukommt. Im Rahmen dieser Gesetzeskraft ist nicht nur die Entscheidungsformel bindend, sondern auch die tragenden Entscheidungsgründe. 4 Aus der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des im Apothekengesetz festgelegten Mehrbesitzverbots bejaht hat, resultiert nicht zugleich die Verfassungskraft des Verbots. 5 Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Bundesverfassungsgericht eine Norm immer nur auf der Grundlage des Erkenntnis- und Erfahrungsstands zum Entscheidungszeitpunkt beurteilen kann. 6 Trotz der Bindungswirkung und Gesetzeskraft aus § 31 BVerfGG ist es dem Gesetzgeber unbenommen, bestehende Gesetzeslagen zu ändern. 7 Danach gilt, dass das Mehrbesitzverbot als solches zum Zeitpunkt der Entscheidung mit dem Grundgesetz vereinbar war. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit des Verfassungswidrigwerdens von Normen. 8 Eine nachträgliche Veränderung der rechtlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden konnten, kann dazu führen, dass eine spätere Neubeurteilung möglich und gegebenenfalls nötig ist. 9 Veränderungen, die das Verfassungswidrigwerden begründen können, sind dabei Veränderungen der der Norm zu Grunde liegenden Verhältnisse tatsächlicher und rechtlicher Art, abweichende neue Erkenntnisse über tatsächliche Zusammenhänge (nachträglich erkennbare Fehlprognose) sowie eine gewandelte Verfassungsinterpretation (Änderung der Rechtsprechung). 10 4 Dies ist streitig. Für eine Bindungswirkung der tragenden Entscheidungsgründe sind: BVerfGE 1, 14, 37; 19, 377, 391; 40, 88, 93; Lechner / Zuck, BVerfGG, § 31 Rn. 30; Benda / Klein, VerfProzeßrecht, Rn. 1329; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 24; Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 59; a. A. Schlaich / Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 487; Hoffmann-Riem, Der Staat 13 (1974), 335, 349. 5 Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 12; ders., VerwArch 1980, 1, 3; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 25. 6 BVerfG NJW 1972, 1701 = E 33, 109 ff.; NJW 1975, 919 ff.; E 65, 1, 55; Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 49 ff., 330; Lechner / Zuck, BVerfGG, § 31 Rn. 17; Benda / Klein, VerfProzeßrecht, Rn. 1335; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 25; ders. / Schelling, NJW 1999, 1751m 1752. 7 Starck, VerwArch 1980, 1, 3. 8 BVerfGE, 88, 203, 209 f.; Baumeister, Das Rechtswidrigwerden von Normen, S. 183; Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 331; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 26. 9 Sachs, Bindung des Bundesverfassungsgerichts, S. 333 f.; Heusch, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 31 Rn. 83; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremdund Mehrbesitzes“, S. 26. 10 Baumeister, Das Rechtswidrigwerden von Normen, S. 183; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 27.
B. Prüfstand des Art. 12 Abs. 1 GG
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Es ist also zu prüfen, ob dem Mehrbesitzverbot auf Grund einer geänderten Sachlage die Rechtfertigung entzogen wurde und damit eine Neubeurteilung der Verfassungsmäßigkeit möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass das Mehrbesitzverbot seit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1964 durch die Ermöglichung des Betriebs von insgesamt vier Apotheken eine Änderung erfahren hat. Eine möglicherweise stattgefundene Änderung der Rahmenbedingungen und Lebensverhältnisse könnte mit dieser Novellierung bereits berücksichtigt worden sein.
B. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot auf dem Prüfstand des Art. 12 Abs. 1 GG Als Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots drängt sich zunächst das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG auf. Im Anschluss hieran sollen die Verbote am Maßstab der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG und des Gleichheitsrechts aus Art. 3 GG überprüft werden.
I. Der Apothekenbetreiber als eigenständiger Beruf 1. Grundsätzliche Erwägungen zum sachlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG ist als einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit zu verstehen, das – anders als der Wortlaut auf den ersten Blick vermuten lässt – den Schutz der Berufswahl und der Berufsausübung gewährleistet. 11 Es verleiht dem Grundrechtsträger ein subjektiv-öffentliches Recht, welches auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung abzielt. 12 Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass die Erwerbstätigkeit einen besonders wichtigen Aspekt der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen darstellt, indem sie in der modernen Industriegesellschaft den Einzelnen in seiner Selbstwahrnehmung und seiner objektiven Rolle in der Gemeinschaft prägt. 13 11 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 2; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 41 62; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 31; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 266. 12 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 4 f.; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 9. 13 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 31; ähnlich Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 32.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Daneben enthält Art. 12 Abs. 1 GG eine Wertentscheidung zu Gunsten eines freiheitlichen Berufswesens in der gesellschaftlichen Sphäre. 14 Das Grundgesetz und ebenso Art. 12 Abs. 1 GG enthalten keine Grundentscheidung für ein bestimmtes Wirtschaftssystem. 15 Vielmehr ist dem Grundgesetz eine Entscheidung für eine freiheitliche Wirtschaftsordnung zu entnehmen, die auf der Selbstverantwortung des Einzelnen für sein berufliches Auskommen aufbaut. 16 a) Beruf In sachlicher Hinsicht schützt Art. 12 Abs. 1 GG die Freiheit des Berufs. Unter Beruf ist hierbei eine auf Dauer angelegte, (freiberufliche, selbstständige oder unselbstständige 17) auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage zu verstehen. 18 Eine Tätigkeit fällt demnach nur dann unter den Berufsbegriff, wenn sie mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt. 19 Zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage kann auch eine wenig einträgliche Beschäftigung beitragen, die für sich allein kein Auskommen sichert. 20 Nicht erfasst sind bloße „Liebhabereien“ oder „hobbymäßige“ Betätigungen, also der „Privatsphäre“ zuzuordnende Tätigkeiten. 21 Da die Tätigkeit auf Dauer angelegt sein muss, darf sie sich nicht auf einen einmaligen Erwerbsakt beschränken, wobei auf die Absicht des Grundrechtsträgers abzustellen ist. 22 Die geplante Dauerhaftigkeit muss nach einer objektiven Prognose realisierbar erscheinen. 23 Teilweise wird auch die Erlaubtheit der Tätigkeit als Merkmal des Berufsbegriffs angesehen. 24 Dieses Merkmal wäre dann als tatbestandliche Verengung des 14 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 8; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 33. 15 Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 3; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 32; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 33. 16 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 32. 17 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 36; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 17; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 267. 18 BVerfGE 102, 197, 212; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 36; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 29; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 8; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 39. 19 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1796. 20 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 56. 21 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1796; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 39; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 44. 22 BVerfGE 97, 228, 253; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 41; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 55; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 10. 23 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 55. 24 BVerfGE 14, 19, 22; 7, 377, 397; 13, 97, 104; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 9; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 26.
B. Prüfstand des Art. 12 Abs. 1 GG
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Schutzgegenstands zu interpretieren und würde dazu führen, dass eine gesetzlich verbotene Tätigkeit schon nicht als Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG anzusehen wäre. Das Ziel, gewerbsmäßige (schwerst-)kriminelle oder unwertige Betätigungen nicht unter den grundrechtlichen Schutz zu stellen, ist zwar nachvollziehbar und im Ergebnis auch berechtigt. Jedoch wird hierdurch dem Gesetzgeber die Befugnis erteilt, die tatbestandliche Reichweite der verfassungsrechtlichen Freiheitsgewährung definitorisch zu verkürzen. 25 Der Gesetzgeber wäre in der Konsequenz nicht mehr an die Schranken des Übermaßverbots gebunden. 26 Es würde die durch Art. 1 Abs. 3 GG normierte Unterwerfung der Gesetzgebung unter die Grundrechte des Grundgesetzes verkannt. 27 Mithin ist die Erlaubtheit der Tätigkeit keine Frage des Schutzbereichs. Vielmehr ist sie eine Regulierung, die einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit darstellt. 28 Dieser Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts bedarf wiederum einer Rechtfertigung. Dem Grundrecht der Berufsfreiheit kommt grundsätzlich die Aufgabe zu, von Verfassungs wegen darüber zu entscheiden, welche Tätigkeiten gesetzlich verboten oder für strafbar erklärt werden dürfen. 29 b) Berufsbildfixierung Verwandt mit der Problematik der Erlaubtheit im Rahmen des Schutzbereichs ist die Figur der Berufsbildfixierung. Relevant ist dies insofern, als das Fremdund Mehrbesitzverbot als prägend für das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ verstanden wird. Erkennt man die Möglichkeit einer Berufsbildfixierung im Rahmen des Schutzbereichs der Berufsfreiheit an, ergeben sich weit reichende Konsequenzen für die weitere Prüfung. Dann bedürfte es keiner Rechtfertigung von Einschränkungen, weil diese schon nicht als Eingriff einzustufen wären, sondern als Teil des Berufsbilds bereits den Schutzbereich verengten. In seinem ersten Apothekenurteil entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es keine Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf bestimmte Berufsbilder gebe: 30 Es sei auch die Ergreifung einer untypischen oder neuartigen Betätigung möglich, die sodann zum Inhalt eines Berufs gemacht werde. 31 Hierbei sei es 25 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1790; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 41 f. 26 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 57. 27 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1790 f. 28 Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 42; Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 150, 153. 29 Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 35; Groepper, GewArch 2000, 366, 368. 30 BVerfGE 7, 377 (Ls. 1). 31 BVerfGE 7, 377, 397; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 44; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 49; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 27.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
auf der Ebene des Schutzbereichs unbeachtlich, ob die so gewählte Tätigkeit einen eigenen Beruf oder lediglich einen Teilbereich eines solchen darstelle. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht in einer späteren, ebenfalls zum Apothekenrecht ergangenen, Entscheidung abgeändert: 32 Ein „Berufserfindungsrecht“ des Bürgers sei abzulehnen. Der Einzelne könne nicht unter Berufung auf sein Recht zur freien Berufswahl durch die jederzeit mögliche Erfindung untypischer Betätigungsformen fordern, dass die Gestalt eines solchen typischen Berufs von eigenem sozialen Gewicht und charakteristischem Gepräge aufgelöst werde in eine Vielfalt allein dem Belieben des Einzelnen anheim gegebener Berufe. Der Gesetzgeber habe demnach die Befugnis, Berufsbilder bzw. Berufsfelder zu fixieren. Eine Berufsbildfixierung im Sinne dieser Rechtsprechung entfaltet – wie das Bundesverfassungsgericht selbst ausführt – eine doppelte Wirkung: „Einmal wird der Beruf ‚monopolisiert‘ [...], d. h. die Aufgaben dieses Berufs können künftig nur noch von dem wahrgenommen werden, der die Voraussetzungen dieses Berufsbilds erfüllt [...]; andererseits muss, wer diesen Beruf wählt, ihn in der rechtlichen Ausgestaltung wählen, die ihm der Gesetzgeber gegeben hat, d. h. er muss die konkretisierten und formalisierten rechtlichen Voraussetzungen genau erfüllen, um zur Ausübung des Berufs zugelassen zu werden. Insofern wird durch jede rechtliche Fixierung des Berufsbilds zwangsläufig das Recht der Berufswahl in diesem Bereich verengt, ja teilweise ausgeschlossen.“ 33 Das Leitbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ mitsamt seinem Fremd- und Mehrbesitzverbot stellte – folgte man dieser Auffassung – eine Berufsbildfixierung in dem Sinne dar, dass festgelegt wäre, welche Voraussetzungen zum Betrieb einer Apotheke vorliegen müssen. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet damit zwei Berufsbilder: Zum einen erkennt es den Beruf des Apothekers an, mit dem lediglich derjenige gemeint ist, der die Approbation als Apotheker hat. Zum anderen ist das Berufsbild desjenigen, der eine Apotheke betreiben darf (Apothekenbetreiber), fixiert. Dass dieser zugleich Apotheker sein muss, ist gerade das Ziel der Berufsbildfixierung. Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass das Bundesverfassungsgericht vom fixierten Beruf des selbstständigen Apothekers ausgeht. In der Konsequenz fiele in den Schutzbereich der Berufsfreiheit keine Tätigkeit, die zwar das Ziel des Betreibens einer Apotheke verfolgen würde, dies jedoch nicht unter den Voraussetzungen des Berufsbilds täte. Genauso wie beim Tatbestandsmerkmal der Erlaubtheit eines Berufs ist die Fixierung von Berufsbildern auf Kritik gestoßen. 34 Der Berufsbegriff ist danach 32
BVerfGE 17, 232, 241 f.; vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 50. BVerfGE 21, 173, 180. 34 Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 147 ff.; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1805; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 163; De33
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als ein „offener“ bzw. „weiter“ Berufsbegriff zu verstehen. 35 Berufsbildfixierungen seien deshalb nicht ein Problem des Schutzbereichs des Art. 12 GG, 36 sie stellten vielmehr einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit dar, der einer Rechtfertigung bedürfe. 37 Der Grundrechtsträger habe danach die Freiheit, jede von ihm gewünschte Tätigkeit zum Gegenstand seiner Berufstätigkeit zu machen, aus der sich unter Umständen ein neuer Beruf ergeben könne. 38 Dem Grundrechtsträger stehe eben doch ein Berufserfindungsrecht zu. 39 Unerwünschte Konsequenz der Berufsbildfixierung sei, dass das Recht der freien Berufswahl des Einzelnen eingeschränkt bzw. ausgeschlossen würde. 40 Die vom Bundesverfassungsgericht aufgeführte Möglichkeit, mit Berufsbildfixierungen einen Beruf zu monopolisieren, führe notwendig zu einem objektiv-zulassungsbeschränkenden Ausschluss einzelner Berufsbewerber, also zu einer Freiheitsbeschränkung, die wegen der Schutzbereichsverengung nicht mehr an den Maßstäben der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu messen wäre. 41 Damit diene die Berufsbildfixierung lediglich dazu, „[...] dem Gesetzgeber zusätzlichen Entscheidungsspielraum zu vermitteln, den er sonst gemäß den [...] zum Teil strikten Anforderungen der Stufenlehre nicht hätte.“ 42 Die Argumente, die gegen die Möglichkeit einer schutzbereichseingrenzenden Berufsbildfixierung sprechen, sind somit dieselben wie beim Tatbestandsmerkmal der Erlaubtheit der Tätigkeit beim Berufsbegriff. Insofern ist, wie bereits im Rahmen der Erlaubtheit, von einem weiten Berufsbegriff auszugehen, der Berufbildfixierungen ausschließt. Denn Sinn und Zweck des Art. 12 Abs. 1 GG ist es gerade, den Einzelnen vor Eingriffen in seine Berufsfreiheit zu schützen. Berufsbildfixierungen schlagen – wie das Bundesverfassungsgericht selbst festgestellt hat – auf die Berufswahl und Berufsausübung des Einzelnen durch. Sind Berufswahl und Berufsausübung eingeschränkt, so muss sich hierfür – will man das Problem anhand einer stringenten Schrankendogmatik lösen 43 – eine Rechtpenheuer, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 241, 253 f.; Becker, ApoR 2004, 8, 10; Höfling, DÖV 1989, 110 ff.; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 26; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 280. 35 Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 149 ff.; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1788; Tettinger, NJW 1987, 294; ders., DÖV 2000, 534, 537; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 26. 36 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 45. 37 Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 148; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG; Art. 12 Abs. 1 Rn. 45; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 53; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 49; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 285. 38 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1788. 39 Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 148 ff.; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 276; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1788. 40 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1804. 41 Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 285. 42 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1804. 43 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1806.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
fertigung finden lassen. Somit stellt eine normative Berufsbildfixierung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar. 2. Der Beruf des Apothekenbetreibers Wendet man die oben abstrakt dargelegten Grundsätze nun auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot an, gelangt man zu dem Ergebnis, dass der sachliche Schutzbereich der Berufsfreiheit eines selbständigen Apothekers in jedem Fall berührt ist. Die Betrachtung des Fremd- und Mehrbesitzverbots nur aus der Perspektive eines selbständigen Apothekers würde das tatsächliche Ausmaß der Einschränkung – vertritt man einen offenen Berufsbegriff – jedoch verschleiern. Es ist deshalb genau danach zu fragen, welche (möglicherweise noch nicht gesetzlich anerkannten) Berufe betroffen sein könnten, und wie sich das Fremd- und Mehrbesitzverbot auf die jeweiligen Berufe auswirkt. a) Vom Fremdbesitzverbot betroffene Berufe Beim Fremdbesitzverbot geht es nicht um die Frage der Ausübung des Apothekerberufs im Sinne einer pharmazeutischen Tätigkeit. Vielmehr geht es hier um das Betreiben einer Apotheke, also um die wirtschaftliche Verwertung der in der Apotheke angebotenen pharmazeutischen Tätigkeit. aa) Betroffene Berufe aus der Perspektive eines selbstständigen Apothekers Aus der Sicht des selbstständigen Apothekers – so wie er bereits als Beruf durch das Bundesverfassungsgericht anerkannt ist – ist sein Beruf durch das Fremdbesitzverbot berührt. Der selbstständige Apotheker kann sich selbst nicht an fremden Apotheken beteiligen oder Einfluss auf diese ausüben. Ebenso wenig darf er Beteiligungen oder Einflussnahmen anderer auf seine Apotheke zulassen. Er ist des Weiteren darauf beschränkt, sich mit anderen Apothekern in Form der GbR oder OHG zu organisieren. bb) Betroffene Berufe aus der Perspektive eines Berufsfremden Aus der Sicht eines Fachfremden – sei es eine natürliche Person oder eine Kapitalgesellschaft – wäre nach Ansicht derer, die eine Berufsbildfixierung als Schutzbereichsverengung akzeptieren, kein anerkannter Beruf betroffen. Denn den Beruf des Betreibers einer Apotheke, der nicht selbstständiger Apotheker ist, gibt es dieser Ansicht nach nicht. Konsequenz dieser Auffassung ist also, dass das
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Fremdbesitzverbot überhaupt nur dort in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen kann, wo bereits ein approbierter und selbständiger Apotheker tätig ist. Wendet man nun aber die hier vertretene Auffassung eines weiten Verständnisses des Berufsbegriffs an, ist ein weiterer Beruf denkbar, der vom Fremdbesitzverbot betroffen sein könnte: der des Apothekenbetreibers. Eine solche Betrachtungsweise ist insofern sinnvoll, als das Gesetz selbst zwischen dem Apothekerberuf an sich und dem Betrieb der Apotheke unterscheidet. So regelt beispielsweise die Approbationsordnung die Voraussetzungen für den Zugang zum Beruf des Apothekers. Das Apothekengesetz und die Apothekenbetriebsordnung hingegen regeln die Voraussetzungen zum Apothekenbetrieb. Zwar entspricht es dem Bild des Gesetzgebers, dass der Beruf des Apothekers untrennbar verbunden ist mit dem Betrieb der Apotheke. Jedoch ist die Klärung der Frage, ob dieses Bild des Gesetzgebers mit der Verfassung vereinbar ist, gerade im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG zu klären. Nach alldem kann also auch der Apothekenbetreiber (ohne die Einschränkung, dass er ein selbstständiger, approbierter Apotheker sein muss) als Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG angesehen werden. 44 Hierfür spricht auch das Spielbankenurteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach auch das Betreiben einer öffentlichen Spielbank die Ausübung eines Berufs im Verständnis des Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. 45 Nach dieser Rechtsprechung ist das Betreiben einer Spielbank nicht nur als Modalität des Betriebs eines beliebigen Gewerbes zu sehen, sondern als davon abgrenzbarer Beruf. Der Betrieb einer Apotheke stellt, wie das Bundesverfassungsgericht und die Literatur einhellig annehmen, ein Gewerbe dar. Der Betrieb eines Apothekengewerbes ist – wendet man diese Rechtsprechung auch auf das Apothekenrecht an – nicht als Modalität des generellen Gewerbetreibens anzusehen, sondern stellt einen eigenständigen Beruf dar. In sachlicher Hinsicht betrifft dass Fremdbesitzverbot also den Beruf des Apothekenbetreibers. Derjenige, der eine Apotheke betreibt, übt also einen Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG aus, er ist Apothekenbetreiber. b) Vom Mehrbesitzverbot betroffene Berufe Das Mehrbetriebsverbot berührt ebenso den vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Beruf des selbstständigen Apothekers. Erkennt man wie hier den Apothekenbetreiber als eigenständigen Beruf an, so ist auch dieser Beruf betroffen.
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So auch Rose / Fischer, A&R 2007, 107, 109. BVerfGE 102, 197, 213.
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3. Zwischenergebnis Es lässt sich somit festhalten, dass sowohl das Fremdbesitzverbot als auch das Mehrbesitzverbot mindestens einen Beruf im Sinne des weit verstandenen Berufsbegriffs zum Gegenstand haben. Betroffen ist im Sinne der dargelegten Grundsätze der Beruf des Apothekenbetreibers und des selbständigen Apothekers. Der sachliche Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG ist somit eröffnet.
II. Zur Freiberuflerfähigkeit der Kapitalgesellschaft Neben dem sachlichen muss auch der persönliche Schutzbereich des Grundrechts berührt sein. Dabei ist im Hinblick auf das Fremdbesitzverbot von besonderem Interesse, ob juristische Personen im Bereich der freien Berufe im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG Grundrechtsschutz genießen. Auch hier wird eine Betrachtung des Fremd- und Mehrbesitzverbots aus verschiedenen Blickwinkeln unerlässlich sein. 1. Grundsätzliche Erwägungen zum persönlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit Grundrechtsträger des Art. 12 Abs. 1 GG sind ausweislich des Gesetzeswortlauts alle Deutschen. Grundsätzlich können sich demnach natürliche Personen auf das Grundrecht der Berufsfreiheit stützen. 46 Im Hinblick auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist eine Berufung auf das Grundrecht der Berufsfreiheit durch einen selbstständigen Apotheker oder durch eine fachfremde natürliche Person unproblematisch möglich. Vom Fremdbesitzverbot sind jedoch nicht nur natürliche Personen betroffen. Vielmehr ist es einer Kapitalgesellschaft sowie anderen als den im Apothekengesetz genannten Personengesellschaften nicht möglich, eine Apotheke zu betreiben. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den hinter diesen Gebilden stehenden natürlichen Personen um Apotheker handelt oder nicht. Fraglich ist, ob eine Kapitalgesellschaft sich in diesem Zusammenhang auf die Berufsfreiheit berufen kann. Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Es ist also zu untersuchen, ob und inwieweit die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ihrem 46
Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 64; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 264.
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Wesen nach auf juristische Personen anwendbar ist. Hierbei gilt es, insbesondere auf die Grundrechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft in Bezug auf den freien Beruf einzugehen. 2. Die Grundrechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft, Art. 19 Abs. 3 GG Zunächst ist der Frage nach der grundsätzlichen Grundrechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft nachzugehen. Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG legt es nahe, von einer generellen Grundrechtsfähigkeit der juristischen Personen (jedenfalls des Privatrechts) auszugehen und sodann im Einzelfall zu prüfen, ob das mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachte einzelne Grundrecht seinem Wesen nach auf die jeweilige Beschwerdeführerin anwendbar ist. 47 Trotz des eindeutig anmutenden Wortlauts werden hinsichtlich der grundsätzlichen Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen und damit auch von Kapitalgesellschaften verschiedene Theorien vertreten. Nach der vom Bundesverfassungsgericht und Teilen der Literatur vertretenen Durchgriffsthese sind juristische Personen Zweckschöpfungen, die den hinter ihnen stehenden natürlichen Personen die Wahrnehmung bestimmter, häufig grundrechtlich geschützter Interessen ermöglichen sollen. 48 Deshalb sei der Grundrechtsberechtigung juristischer Personen ein dienender oder derivativer Charakter zuzusprechen. 49 Auch wenn die juristische Person selbst Grundrechtsträger sei, sei es ihr personales Substrat, deretwillen das Grundgesetz ihr Grundrechtsschutz gewähre. 50 Deshalb soll die Einbeziehung der juristischen Person in den Schutzbereich der Grundrechte nur dann durch Art. 19 Abs. 3 GG gerechtfertigt sein, wenn der „Durchgriff“ auf die hinter der juristischen Person stehende natürliche Person dies als sinnvoll oder erforderlich erscheinen lässt. 51 Damit sollen solche juristische Personen aus der angeordneten Grundrechtserstreckung auszunehmen sein, die nicht die von der Funktion der Grundrechte geforderte Distanz zum grundrechtsverpflichteten Staat aufweisen, denen es demnach am personalen Substrat grundrechtlicher Freiheitsverwirklichung fehlt. 52 Der Durchgriffsthese des Bundesverfassungsgerichts wird entgegengehalten, dass Art. 19 Abs. 3 GG die Frage des „Ob“ der Grundrechtsberechtigung zuguns47
BVerfGE 21, 362, 368; 70, 1 ff. (Orthopädietechniker-Innung); BVerfG NVwZ 1994, 262 f. (Zahntechnikerinnung). 48 BVerfGE 21, 362, 369. 49 BVerfGE 21, 362, 369; 23, 153, 163; 41, 126, 149; Bethge, AöR 104 (1979), 54, 88 ff. m.w. N. 50 Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 216. 51 BVerfGE 21, 362, 369. 52 Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 218.
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ten juristischer Personen bereits umfassend entschieden habe. 53 Wenn kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Regelung neben den natürlichen Personen auch juristische Personen als grundrechtsberechtigt angesehen werden, so hieße dies, dass das Grundgesetz ihnen selbst als solchen Grundrechtsstatus zuspreche – unabhängig davon, ob die die juristische Person bildenden natürlichen Personen betroffen seien. 54 Die juristische Person sei nicht als Treuhänderin der Rechte ihrer Mitglieder anzusehen, sondern es stehe ihr selbst das Grundrecht zu. 55 Der Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person soll sogar dann nichts entgegenstehen, wenn diese kein persönliches Substrat hat, weil die Gründung und Betätigung auch hier letztlich Ausfluss freien menschlichen Handelns sei. 56 Ein individualistisches Grundrechtsverständnis, wie es die Durchgriffsthese zum Gegenstand habe, sei überholt und nicht wirklichkeitsnah. 57 Für die Grundrechtserstreckung auf juristische Personen komme es daher weniger auf ihr personales Substrat an, als auf die grundrechtstypische Gefährdungslage, in der sie sich befinde. 58 Die Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG liefe leer, würde man die Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person von der der dahinter stehenden natürlichen Person abhängig machen, weil ein Verlust des Grundrechtsschutzes der Individuen, nur weil sie sich in einer juristischen Person zusammengeschlossen haben, sich bereits durch die Schutzwirkungen der teleologisch interpretierten einzelnen Grundrechtsnormen verhindern lasse. 59 Art. 19 Abs. 3 GG stelle die juristische Person dem Bürger gleich, wolle aber dem Einzelnen keine zusätzliche Möglichkeit gewähren, seine Grundrechte von einem Kollektiv durchsetzen zu lassen. 60 Eine vermittelnde Auffassung greift Merkmale sowohl der Durchgriffsthese als auch der weniger individualistischen Gegenauffassung auf. Der eigenständige Grundrechtsschutz juristischer Personen finde seine Berechtigung vor allem in ihrer organisatorischen Verselbstständigung und ihrer Fähigkeit zu eigenständiger Willensbildung. 61 Der spezifische grundrechtliche Eigenwert juristischer Personen beruhe darauf, dass sie mehr seien als die Summe der Einzelwillen. 62 Art. 19 Abs. 3 53
Stern, Staatsrecht III/1, S. 1118. BVerfGE 24, 367, 383; Dreier, in: ders., GG, Art. 19 III Rn. 28; Rüfner, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 55, 59; Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 37; Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, HdStR V, § 116, Rn. 31. 55 Rüfner, FS 50 Jahre BVerfG II, S. 55, 59; ders., in: Isensee / Kirchhof, HdStR V, § 116, Rn. 31; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1086 ff., 1101, 1118 f.; v. Mutius, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 32. 56 Rüfner, FS 50 Jahre BVerfG II, S. 55, 59; ders., in: Isensee / Kirchhof, HdStR V, § 116, Rn. 31; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1104, 1119 f. 57 v. Mutius, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 33. 58 Dreier, in: ders., GG, Art. 19 III Rn. 34; Erichsen / Scherzberg, NVwZ 1990, 8, 11. 59 Taupitz, JZ 1994, 1100, 1103; Dreier, in: ders., GG, Art. 19 III Rn. 33. 60 Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, HdStR V, § 116, Rn. 32. 61 Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Stark, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 226. 54
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GG sei deshalb überall dort anwendbar, wo mit der organisatorischen Verselbstständigung zusätzliche, schutzwürdige Interessenlagen geschaffen werden, die durch Grundrechte der hinter ihnen stehenden natürlichen Personen nicht bereits abgedeckt seien, sozusagen ein „schutzgutspezifischer Mehrwert“ der juristischen Person existiere. 63 Art. 19 Abs. 3 GG sei eine „vorgezogene Verteidigungslinie“ für die hinter der Personenvereinigung stehenden Grundrechtsträger. 64 Das personale Substrat könne dabei vielfach vermittelt sein: die juristische Person müsse nicht einmal mitgliedschaftlich verfasst sein. 65 Hinter der juristischen Person müsse aber zumindest menschliche, grundrechtlich geschützte Aktivität stecken, die auch in der neuen Rechtsgestalt grundrechtlich schutzwürdig sei. 66 Im Ergebnis erfordere Art. 19 Abs. 3 GG, dass die juristische Person auch tatsächlich ein organisatorisches Forum sei, in dem sich – wie auch immer vermittelt – grundrechtliche Freiheit verwirkliche, der Einzelne letztlich immer noch der entscheidende dogmatische Bezugspunkt für die Grundrechtserstreckung bleibe. 67 Der Auffassung, die der juristischen Person eine eigene Grundrechtsträgerschaft einräumt, ist zuzustimmen. Die juristische Person dient zwar einerseits der Verwirklichung von Tätigkeiten der dahinter stehenden natürlichen Personen. Jedoch wird durch Art. 19 Abs. 3 GG deutlich, dass der juristischen Person neben der natürlichen Person Schutz aus den Grundrechten zukommen soll. Erkennt man die eigene Rechtspersönlichkeit der juristischen Person an, muss diese konsequenterweise als Rechtssubjekt mit Rechten ausgestattet werden, die ebenso natürlichen Personen zukommen. Es ist dennoch nicht davon auszugehen, dass die Gleichstellung der juristischen Person mit der natürlichen Person im Bereich der Grundrechte das Ziel verfolgt, natürlichen Personen durch die Schaffung eines Kollektivs zusätzliche, weiter reichende Rechte einzuräumen. Somit ist von einer eigenen Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person auszugehen, jedoch nur soweit, als sie den dahinter stehenden natürlichen Personen nicht mehr Rechte verschafft allein deshalb, weil diese sich mit anderen natürlichen Personen zusammenschließen. Anders formuliert: Es entspräche nicht der Intention des Art. 19 Abs. 3 GG, würde man auf Grund des Vorhandenseins eines Kollektivs, das aus Praktikabilitätsgründen mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist, den dahinter stehenden natürlichen Personen weiter reichende Rechte gewähren. 62
Stern, Staatsrecht III/1, S. 1104; Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Stark, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 227. 63 Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Stark, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 227. 64 Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Stark, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 228. 65 Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, HdStR V, § 116, Rn. 31; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1105; Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Stark, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 229. 66 Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Stark, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 229; Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, HdStR V, § 116, Rn. 31; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1119; Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 6. 67 Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Stark, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 229.
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Mit der weniger individualistischen Auffassung ist jedoch auch die juristische Person als Grundrechtsträger anzusehen, die kein personales Substrat hat. Denn diese beruht letztlich unter Anderem auf einer Grundrechtsausübung natürlicher Personen. Erkennt man die juristische Person des Privatrechts grundsätzlich als grundrechtsfähig an, so folgt hieraus zugleich die Grundrechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft als Untertypus der juristischen Person. 3. Die Kapitalgesellschaft als Grundrechtsträgerin der Berufsfreiheit Bejaht man die grundsätzlich eigene Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person, ist schließlich fraglich, ob dies auch für das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gilt. Art. 12 Abs. 1 GG müsste also dem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar sein. Das Bundesverfassungsgericht hat früh den allgemein persönlichkeitsbezogenen Charakter der Berufsfreiheit herausgesellt. 68 Nach dem besonderen Menschenbild des Grundgesetzes, das von einer individuellen Selbstbestimmung des Einzelnen ausgeht, trage der Mensch eine nicht zu leugnende Verantwortung als Teil der Gemeinschaft. 69 Deshalb stelle das Grundrecht der Berufsfreiheit eine besondere Ausprägung des in Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG enthaltenen Persönlichkeitsrechts dar. 70 Die Persönlichkeit des Menschen könne sich erst im Ganzen ausformen und vollenden, wenn der Mensch eine Tätigkeit erwähle, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage sei, und diese auch ausübe. 71 Der Mensch verwirkliche sich selbst einerseits erst durch die berufliche Tätigkeit und andererseits dadurch, dass er seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringe. 72 Wenn also die Persönlichkeit unter anderem durch die Wahl des Berufs zutage tritt, stellt sich die Frage, wie eine juristische Person einen Beruf ausüben kann. Auch die Definition des Berufsbegriffs, wonach der Beruf der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, spricht zunächst einmal dafür, dass sich die Fähigkeit, einen Beruf auszuüben, auf Menschen bezieht. 73 Anknüpfungspunkt für die Berufsfreiheit ist also zunächst der Mensch als Individuum. 74
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BVerfGE 1, 264, 273. BVerfGE 4, 7, 15 f.; 109, 133, 151. 70 BVerfGE 77, 84, 112 f.; 75, 284, 292; 30, 292, 334. 71 BVerfGE 50, 290, 362; 7, 377, 397. 72 BVerfGE 7, 377, 397. 73 Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 45. 74 Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 67; Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 45. 69
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Gerade weil die Berufsfreiheit einen der wichtigsten Bereiche der Persönlichkeitsentfaltung darstellt, wurde früher die Ansicht vertreten, dass die Berufung auf Art. 12 Abs. 1 GG einer Kapitalgesellschaft verwehrt sei. 75 Das Bundesverfassungsgericht erkannte ebenfalls die Problematik, dass die juristische Person keinen Beruf im Sinne der verfassungsrechtlichen Definition ausüben kann. 76 Deshalb entwickelte das Bundesverfassungsgericht eine weite Berufsauffassung, wenn sich die juristische Person auf die Berufsfreiheit beruft. 77 „Beruf ist danach nicht nur die auf Grund einer persönlichen ‚Berufung‘ ausgewählte und aufgenommene Tätigkeit, sondern jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft. Bei diesem weiten, nicht personal gebundenen Berufsbegriff ist das Grundrecht gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen des Privatrechts anwendbar.“ 78 Die Lehre hat sich diesem Ergebnis größtenteils angeschlossen. 79 Die Kapitalgesellschaft ist danach grundsätzlich dazu in der Lage, sich auf das Grundrecht der Berufsfreiheit zu berufen, wenn sich ihr Unternehmensgegenstand auf eine Tätigkeit bezieht, die sowohl durch sie als auch durch eine natürliche Person ausgeübt werden kann. 80 Dies gilt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls für das Gewerbe, so dass die Kapitalgesellschaft sich aus verfassungsrechtlicher Sicht insbesondere dann auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann, wenn ihr Unternehmensgegenstand ein Gewerbe ist. 81 Diese Rechtsprechung geht demnach dahin, dass eine gewerbliche Tätigkeit auch unmittelbar selbst von einer juristischen Person als solcher ausgeübt werden 75 Rittstieg, AK-GG, Art. 12 Rn. 158, der meint, Träger des Grundrechts seien auch bei Unternehmen letztlich die dieses leitenden bzw. in ihm arbeitenden Personen und nicht das Unternehmen selbst; früher noch Rüfner, AöR 89 (1964), 261, 307. 76 BVerfGE 21, 261, 266: „Allerdings kann eine juristische Person nicht einen Beruf im Sinne einer Lebensaufgabe, in der sich die menschliche Persönlichkeit voll ausformt und vollendet, ausüben (BVerfGE 7, 377 [397]). Indes ist in der Berufsfreiheit auch die Freiheit enthalten, eine Erwerbszecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe zu betreiben. Jedenfalls insoweit, als eine bestimmte Erwerbstätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann, ist das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar.“ 77 BVerfGE 97, 228, 252; vgl. auch BVerfGE 102, 197, 212 f. 78 BVerfGE 97, 228, 252 f.; 50, 290, 363. 79 Badura, DÖV 1990, 353, 355; Breuer, in: Isensee / Kirchhof, HdStR VI, § 147, Rn. 23; Jarass / Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 9; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 6; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 7; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1127; Tettinger, AöR 108 (1983), 92, 105; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 67; inzwischen auch Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, HdStR V, § 116, Rn. 48; a. A. Rittstieg, AK-GG, Art. 12 Rn. 158. 80 BVerfGE 21, 261, 266. 81 BVerfGE 21, 261, 266; Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 583; Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 54; Kleine-Cosack, DB 2007, 1851, 1852.
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kann und hier deshalb eine eigene Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person aus Art. 12 Abs. 1 GG besteht. 82 Es ist jedoch umstritten, ob im Rahmen des Grundrechts der Berufsfreiheit darüber hinaus eine eigene Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person speziell für den Bereich der freien Berufe anzuerkennen ist. 83 4. Die Kapitalgesellschaft als Grundrechtsträgerin der Berufsfreiheit im Rahmen freiberuflicher Tätigkeiten Die Fähigkeit der Kapitalgesellschaft, sich auch dann auf die Berufsfreiheit zu berufen, wenn der Bereich freiberuflicher Tätigkeiten betroffen ist, wurde noch bis vor einigen Jahren von einigen abgelehnt. Eine Kapitalgesellschaft könne sich im Bereich freiberuflicher Betätigung unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt selbst auf das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und damit auf eine irgend geartete eigene Freiheit der Berufswahl berufen. 84 In Anbetracht der Tatsache, dass Wesensmerkmal der freien Berufe der spezifisch eigenschöpferische Gehalt der Dienstleistung sei, die von dem freiberuflich Tätigen in eigener Person erbracht würde und den unbegrenzten Einsatz fremder Arbeitskraft per se ausschließe, erscheine es nicht möglich, dass einer juristischen Person auf dem freiberuflichen Sektor auch selbst die Berufung auf das Grundrecht der Berufsfreiheit zustehe. 85 Einer Kapitalgesellschaft fehle die Fähigkeit zur Hervorbringung einer vergleichbar höchstpersönlichen, eigenschöpferischen und nicht standardisierbaren Dienstleistung. 86 Die Kapitalgesellschaft müsse sich zwangsläufig für die Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtungen einer fremden Arbeitskraft bedienen. 87 Hinzu komme, dass der Kreis der Grundrechte, die auch den juristischen Personen zukommen könnten, wesentlich durch den gesetzlich festgelegten Typus und den gesetzlichen Aufgabenbereich der in verschiedenen Erscheinungsformen auftretenden juristischen Person bestimmt werde. Die juristische Person sei eine Schöpfung der Rechtsordnung, deren Stellung im Rechtssystem und Art und Maß ihrer Betätigung allein durch positive Regelungen des Gesetzgebers festgelegt seien. 88 Zu den wesensmäßig von einer Kapitalgesellschaft auszuübenden 82
Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 583 f. Vgl. ausführlich zu dieser Problematik Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 584. 84 OVG Koblenz, NJW 1980, 1866, 1867; Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 586. 85 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 584. 86 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 584. 87 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 584; deshalb ist bei einer Wirtschaftsoder Steuerberatungsgesellschaft Berufsausübender auch nicht die juristische Person an sich; vielmehr kann der Berufsangehörige sich des Instruments der Gesellschaft bedienen, ohne die Gesellschaft zugleich auch selbst zum Berufsausübenden zu machen. 88 OVG Koblenz, NJW 1980, 1866, 1867. 83
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und damit Art. 19 Abs. 3 GG unterfallenden Betätigungen gehöre indessen nicht die Besorgung freiberuflicher Dienste. 89 Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung zu den Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die darauf schließen lasse, dass eine eigene Berufsträgerschaft der juristischen Person im Bereich der freien Berufe abzulehnen sei. 90 Danach sei ihnen kraft ihres Charakters als juristischen Personen eine Steuerberatung bzw. Abschlussprüfung verwehrt; stattdessen bilde die Gesellschaft nur ein Instrument für eine gemeinsame Berufsausübung natürlicher Personen. 91 Die Steuerberatung an sich sei nur als eine Tätigkeit der in der Gesellschaft zusammengeschlossenen Steuerberater, nicht aber als eine Tätigkeit der Gesellschaft selbst anzusehen. 92 Denn wenn den entsprechenden Kapitalgesellschaften die Abschlussprüfung und Steuerberatung, also die freie Berufsausübung, nach dem Votum des Gesetzgebers und der Rechtsprechung auf der einen Seite gerade verwehrt ist, so wäre es schlicht sinnwidrig und schon denklogisch nicht nachvollziehbar, wenn ihnen diesbezüglich auf der anderen Seite allein auf Grund ihrer Eigenschaft als juristischen Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG gleichwohl eine eigene, grundrechtlich geschützte Rechtsposition im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG zustehen sollte. 93 Das Bundesverfassungsgericht habe deshalb das vormals in § 17 StBerG a. F. 94 enthaltene Verbot für Steuerbevollmächtigte, Steuerberatungsgesellschaften alleinverantwortlich zu leiten, an keiner Stelle unter dem Aspekt einer eigenen Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person erörtert. 95 Die rechtliche Bewertung im Hinblick auf den Steuerberater / Wirtschaftsprüfer lasse sich auf die anderen freien Berufe auf Grund der vergleichbaren Interessenlage ausdehnen. 96 Dies müsse umso mehr gerade für diejenigen freien Heil- und Beratungsberufe gelten, bei denen eine besondere, zum Rat suchenden Publikum hin bestehende Vertrauensbeziehung auch positiv-rechtlich auf vielfältige Weise geschützt werde und über die Vorschrift des § 203 Abs. 1 Nr. 1 – 3 StGB sogar mit Mitteln des Strafrechts sanktionsbewehrt ist. 97 Denn hier könne die betreffende freiberufliche Tätigkeit schon deshalb nicht zu den durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Betätigungsfeldern einer Kapitalgesellschaft gehören, weil sie wegen der für sie konstitutiven persönlichen Vertrauensbeziehung 89 OVG Koblenz, NJW 1980, 1866, 1867. In der Entscheidung selbst bezieht sich das OVG zwar auf die Rechtsberatung, es ist aber zu unterstellen, dass dies auch für andere freie Berufe gelten soll, weil das OVG sich auf die persönliche Vertrauensbeziehung bezieht, die auch bei anderen freien Berufen ein Merkmal ist. Mit der normativen Anerkennung der Rechtsanwalts-GmbH dürfte diese Rechtsprechung zumindest in Teilen überholt sein. 90 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 585. 91 BVerwG, NJW 1969, 152, 153; BGH, NJW 1996, 1833, 1835. 92 BFHE 133, 322, 327. 93 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 585. 94 I. d. F. vom 16. 8. 1961; BGBl. I, S. 1301. 95 Vgl. BVerfGE 21, 227, 232 ff. 96 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 585. 97 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 586.
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ihrem Wesen und ihrer Art nach nicht von einer juristischen Person wahrgenommen werden könne. 98 Eine Kapitalgesellschaft, die im Wege eines direkten Vertragsschlusses mit der Auftraggeberseite auch unmittelbar selbst die betreffenden freiberuflichen Dienste als eigene vertragliche Leistung gegenüber dem Rat suchenden Publikum anbietet, beschränke sich nach der allgemeinen juristischen Terminologie schon nicht auf eine reine Organisationstätigkeit, 99 sondern sie greife stattdessen vielmehr auf die Ebene der Berufsausübung über. 100 Die Konstruktion einer tatsächlichen Ausübung durch den fachlich kompetenten Berufsangehörigen einerseits und einer davon zu trennenden, nur „formalrechtlichen“ Sonderstellung einer Freiberufler-Kapitalgesellschaft als dem bloßen zivilrechtlichen Vertragspartner andererseits 101 erscheine gekünstelt und könne nicht überzeugen. 102 Eine Kapitalgesellschaft lasse sich nur als bloße Organisationsgesellschaft charakterisieren, wenn das zivilrechtliche Angebot zur Erbringung freiberuflicher Dienste als einer eigenen vertraglichen Leistung vollständig aus ihrem Unternehmensgegenstand ausgeklammert bliebe. 103 Sobald die juristische Person nämlich mit ihrem Rat suchenden Publikum Verträge abschließe, die auf eine freiberufliche Dienstleistung gerichtet sind, handele es sich terminologisch betrachtet um eine Berufsausübungsgesellschaft. 104 Nach der Intention des Gesetzgebers (hinsichtlich der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) und der Rechtsprechung der obersten Gerichte zu Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaften könne eine solche echte Berufsausübungsgesellschaft aus verfassungsrechtlicher Sicht nur ein bloßes Instrument zur Berufsausübung für natürliche Personen darstellen. Insoweit könne eine solche Gesellschaft über keine eigene Grundrechtsträgerschaft aus Art. 12 Abs. 1 GG verfügen. 105 Interessanterweise soll im Bereich der freien Berufe jedoch etwas anderes für den Apothekenbetrieb gelten: Der selbstständige Apotheker betreibe einen Gewerbebetrieb; hinsichtlich des Betriebs eines Gewerbes könne sich jedoch auch eine juristische Person auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen. 106
98 OVG Koblenz, NJW 1980, 1866, 1867; Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 586. 99 So aber BGHZ 70, 158, 167. 100 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 586 f. 101 So Ahlers, AnwBl 1991, 226, 227 f.; ders., FS für Rowedder, S. 1, 13 ff.; Henssler, JZ 1992, 697, 705; ders., NJW 1993, 2137, 2140; ders., ZIP 1994, 844, 848; Taupitz, JZ 1994, 1100, 1101 f.; Dauner-Lieb, GmbHR 1995, 259, 260. 102 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 587. 103 Piper, FS Brandner (1996), S. 449, 465; Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 587. 104 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 587. 105 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 587. 106 Ganster, Freier Beruf und Kapitalgesellschaft, S. 586.
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Nach einer anderen Ansicht hat die Kapitalgesellschaft auch das auf Art. 12 Abs. 1 GG zu stützende Recht, einen freien Beruf auszuüben. 107 Neben dem Gewerbe sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch der freie Beruf Teil der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Freiheit, weshalb sich die Grundrechtsträgerschaft der Kapitalgesellschaft auch auf diesen Bereich erstrecken müsse. 108 Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Zum einen kann die Heranziehung der Rechtsprechung zur Steuerberatungsgesellschaft nicht (mehr) überzeugen. 109 Für die Rechtsanwaltsgesellschaft hat der Gesetzgeber klargestellt, dass diese als Berufsausübungsgesellschaft konzipiert sein soll. 110 Die Rechtsanwalts-GmbH ist demnach nicht lediglich eine Organisations-GmbH. 111 Die Rechtsanwalts-GmbH ist Mitglied in der Rechtsanwaltskammer: ihr kommt eine berufsrechtliche Verantwortlichkeit zu; sie ist postulationsfähig. 112 Die Möglichkeit des Betreibens eines freiberuflichen „Unternehmens“ durch eine Kapitalgesellschaft ist demnach in anderen Bereichen der freien Berufe anerkannt. Es wurde damit deutlich gemacht, dass es grundsätzlich einer juristischen Person des Privatrechts ebenso wie einer natürlichen Person möglich ist, ein Unternehmen zu betreiben, das freiberufliche Dienstleistungen anbietet. Ist es anerkannt, dass eine juristische Person ein Unternehmen führen kann, welches auf freiberufliche Dienstleistungen gerichtet ist, muss sich die juristische Person in diesem Bereich auch auf den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG berufen können, will man ihre eigene Rechtspersönlichkeit ernst nehmen. Ist der Betrieb eines Unternehmens, das freiberufliche Leistungen anbietet, mit dem weiten Berufsverständnis als eigenständiger Beruf zu sehen, ergibt sich in der Konsequenz, dass mit einem entsprechenden Verbot für juristische Personen deren Berufswahl eingeschränkt ist. 113 Die Unternehmen sind nicht mehr in der Lage, einen Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer unternehmerischen Erwerbstätigkeit zu machen. 114 Zudem käme die Beschränkung der Grundrechtsträgerschaft der Kapitalgesellschaft im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG im Bereich 107 BGHZ 70, 158, 168; 124, 224, 225 und 229; LG Düsseldorf, MedR 1991, 149, 150 f.; OLG Düsseldorf, MedR 1992, 46, 46 f. und 48; Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 54; Taupitz, JZ 1994, 1100, 1103; ders., NJW 1996, 3033, 3039; ders., MedR 1994, 154; Grüber, WRP 1992, 115; Laufs, MedR 1995, 11, 13; Henssler, ZIP 1994, 844, 846; Kilian, ZIP 2007, 710, 711. 108 Vgl. BVerfGE 10, 354, 364. 109 Vor allem nicht unter der Prämisse einer neuen Harmonisierungsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft, nach der die Abschlussprüfung explizit auch von Prüfungsgesellschaften vorgenommen werden kann. Vgl. Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen. 110 Vgl. hierzu näher noch weiter unten, 3. Kap., B. VI. 1. e. bb). 111 BT-Drucks. 13/9820, S. 13. 112 Henssler, NJW 2007, 1393, 1398. 113 Siehe hierzu sogleich 3. Kap., B.V.I.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
der freien Berufe einer Berufsbildfixierung nahe. Die Fixierung von Berufsbildern, die zu einer Verengung des Schutzbereichs führt, ist jedoch abzulehnen. 115 Es kann deshalb im Schutzbereich nicht davon ausgegangen werden, dass die Fixierung von Berufsbildern in sachlicher Hinsicht zwar eine verfassungswidrige Erweiterung der Kompetenzen des Gesetzgebers darstellt, um jedoch sodann im persönlichen Schutzbereich eine Grundrechtsträgerschaft der Kapitalgesellschaft mit dem Argument abzulehnen, dass der freie Beruf, so wie er „fixiert“ oder grundsätzlich definiert wird, der Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht zugänglich sein soll. Die Bejahung der Grundrechtsträgerschaft der Kapitalgesellschaft für den Betrieb eines Unternehmens, das freiberufliche Leistungen anbietet, ist also nur konsequent, lehnt man grundsätzlich die Fixierung von Berufsbildern ab. Die Grundrechtsträgerschaft von Personenhandelsgesellschaften im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG und gerade auch in Bezug auf die eben dargestellte Problematik ergibt sich aus einem Erst-Recht-Schluss, da hier noch stärker als bei der juristischen Person das personale Substrat im Vordergrund steht. 116 5. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die juristischen Personen und die Personenhandelsgesellschaften im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG für den Betrieb eines Unternehmens, das freiberufliche Dienstleistungen anbietet, also insbesondere auch für den Apothekenbetrieb, Grundrechtsträger sind. Sowohl der sachliche als auch der persönliche Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG werden durch das Fremd- und Mehrbesitzverbot berührt.
III. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot als Eingriff in die Berufsfreiheit Ist der Schutzbereich der Berufsfreiheit durch das Fremd- und Mehrbesitzverbot berührt, so muss im Folgenden untersucht werden, ob hierin zugleich ein Eingriff in den Schutzbereich zu sehen ist. Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG können Akte der Legislative, Exekutive oder Judikative sein. 117 In der Regel wird sich ein Eingriff in die Berufsfreiheit als Regelung darstellen, die sich final auf die berufliche Betätigung 114 BVerfGE 50, 290, 363; 30, 292, 314; Kirchesch, Die Berufsfähigkeit der Handelsgesellschaft, S. 56. 115 Vgl. schon weiter oben 3. Kap., B. I 1. b). 116 Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 246; Stern, in: ders., Staatsrecht III/1, S. 1134. 117 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 72.
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bezieht und sie unmittelbar zum Gegenstand hat. 118 Ein typischer, sich final auf die berufliche Betätigung beziehender Eingriff in die Berufsfreiheit durch Legislativakt stellt die Formulierung von Vorschriften dar, die die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit an bestimmte Voraussetzungen knüpfen. 119 Neben unmittelbaren Eingriffen in die Berufsfreiheit können sich Maßnahmen faktisch auf diese auswirken, also den Schutzbereich des Art. 12 GG mittelbar beeinträchtigen. 120 Voraussetzung für die Anerkennung solcher faktischen Beeinträchtigungen ist nach herrschender Meinung allerdings – im Rahmen der Berufsfreiheit –, dass ein enger Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs besteht, also eine „objektiv berufsregelnde Tendenz“ erkennbar ist. 121 Möglich ist auch, dass die staatliche Maßnahme als nicht bezweckte, aber dennoch vorhersehbare und letztlich in Kauf genommene Nebenfolge eine schwerwiegende Berufsbeeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit bewirkt. 122 Das Fremd- und Mehrbesitzverbot stellt einen finalen Eingriff in die Berufsfreiheit in der Form des Legislativakts dar. Es hat die berufliche Betätigung des Apothekers bzw. des Apothekenbetreibers unmittelbar zum Gegenstand.
IV. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot als Gesetz im Sinne des Regelungsvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 GG Aus dem bloßen Vorliegen eines Eingriffs in die Berufsfreiheit lässt sich nicht zugleich eine Grundrechtsverletzung herleiten. Der Eingriff kann – je nach Grundrecht – durch die Verfassung selbst, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes gerechtfertigt sein. Schließlich muss der Eingriff verhältnismäßig sein. 123 Seinem klaren Wortlaut nach erlaubt Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG die Regelung der Berufsausübung. Art. 12 Abs. 1 GG enthält einen Regelungsvorbehalt i. S. e. Gesetzesvorbehaltes. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit ist sowohl durch förmliches Gesetz, als auch durch Rechtsverordnung oder Satzung möglich. 124 Dies wird durch die Formulierung „auf Grund eines 118 Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 54; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 73; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 71. 119 Dagegen: Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 72. 120 Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 55; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 72. 121 BVerfGE 13, 181, 186; 38, 61, 79; 41, 1, 21; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 73; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 55. 122 BVerwGE 87, 37, 43 f.; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 73. 123 Hierzu weiter unten 3. Kap., B. V.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Gesetzes“ bestätigt. Wegen des Parlamentsvorbehalts, welcher für die Regelung aller für die Grundrechtsausübung wesentlichen Fragen ein formelles Gesetz erfordert, können die statusrechtlichen Fragen der freien Berufe nicht durch Satzungen der öffentlich-rechtlichen Berufskammern normiert werden. 125 Einzelheiten der Berufsausübung kann der Gesetzgeber anders als die statusbildenden Regelungen allerdings der Satzungsgewalt von Kammern übertragen. 126 Gleiches gilt für Rechtsverordnungen: Der Gesetzgeber muss die wesentlichen, insbesondere statusbildenden Regelungen selbst treffen und darf dem Verordnungsgeber nur Regelungen der Berufsausübung überantworten. 127 Außer durch auf Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gestützte Normen kann die Berufsfreiheit auch durch Verfassungsbestimmungen selbst – insbesondere durch Grundrechte – eingeschränkt werden, wobei diese einer gesetzlichen Konkretisierung bedürfen. 128 Seinem Wortlaut nach scheinen die in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisteten Rechte der freien Wahl von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte dagegen keiner Einschränkung zu unterliegen. So wird auch vertreten, dass die freie Wahl von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte nur unter Berufung auf verfassungsimmanente Schranken zu rechtfertigen ist. 129 Die Berufswahlfreiheit wäre dann nur insoweit einschränkbar, wie es Grundrechte Dritter und objektive Verfassungsgüter erlaubten. 130 Das Bundesverfassungsgericht und die ihm folgende herrschende Literaturmeinung qualifizieren Art. 12 GG als umfassendes Grundrecht der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit und beziehen in der Konsequenz den Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG auf das gesamte Grundrecht. 131 Führt man sich vor Augen, dass – wie bereits dargestellt – eine Abgrenzung der Berufsausübung von der Berufswahl in manchen Fällen schwer fällt, weil das eine mit dem anderen zusammenhängt, ist eine solche Betrachtungsweise nur konse124 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 116; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 97; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 83 ff.; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 74; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 311. 125 BVerfGE 33, 125 ff.; vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 98; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 85; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 328. 126 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 98; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 93. 127 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 99; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 93; zur Problematik des Standesrechts als Rechtverordnung siehe Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 26 ff. 128 BVerwGE 87, 37, 46 ff.; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 99. 129 Lücke, Berufsfreiheit, S. 199 ff. 130 Vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 94. 131 BVerfGE 7, 377, 402; vgl. Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 103; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 95; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/ 1, S. 1803; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 17; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 71; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 312.
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quent. Anhand dieser herausgearbeiteten Erfordernisse für die Einschränkung der Berufsfreiheit ist nunmehr zu untersuchen, ob das Fremd- und Mehrbesitzverbot diesen Anforderungen gerecht wird. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist im Apothekengesetz verankert. Hierbei handelt es sich um eine Regelung des Bundesgesetzgebers, also um ein förmliches Gesetz. Das Apothekengesetz entspricht dabei den Erfordernissen hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz. Vor der so genannten Föderalismusreform ergab sich die (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz des Bundes seit der Apothekenentscheidung aus dem Jahre 1956 aus Art. 74 Nr. 11 GG a. F., also dem Recht der Wirtschaft. 132 Im Zuge der Föderalismusreform wurde in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Recht des Apothekenwesens neu geregelt. Seitdem ergibt sich also die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG. 133 Das Fremd- und Mehrbetriebsverbot erfüllt demnach zumindest formell die Voraussetzungen für die Einschränkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG.
V. Die Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts als Kriterium für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Berufsfreiheit? In materieller Hinsicht darf der Gesetzgeber Grundrechte nur soweit einschränken, wie die Einschränkung verhältnismäßig ist. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip erfordert, dass der Grundrechtseingriff zum angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis stehen darf. 134 Dies ist der Fall, wenn der Gesetzgeber mit seiner Regelung ein legitimes Ziel verfolgt und die Regelung weiterhin zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) ist. Die Überprüfung der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG erfolgt seit dem Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1958 nach dem Maßstab der sog. Drei-Stufen-Lehre. Das Bundesverfassungsgericht selbst versteht die Drei-Stufen-Lehre als eine strikte Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Eingriffen in Art. 12 Abs. 1 GG. 135 Dabei werden die Anforderungen an eine in Art. 12 Abs. 1 GG eingreifende Regelung höher, je intensiver sich der Grundrechtseingriff darstellt. 136 Die Intensität von 132
BVerfGE 5, 25, 29. Degenhart, in: Sachs, GG, Art, 74 Rn. 87; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art 74 Rn. 240; siehe auch BT-Drs. 16/813, S. 13. 134 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 138. 135 BVerfGE 13, 97, 104; 25, 1, 12. 133
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Eingriffen in die Berufsfreiheit lässt sich nach dieser Lehre in drei Stufen einteilen. Je nach Stufe des Eingriffs werden unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich des vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgten Zwecks gestellt. Unterschieden wird hinsichtlich der Intensität eines Eingriffs danach, ob es sich um eine Berufsausübungsregelung oder eine subjektive bzw. objektive Berufswahlregelung handelt. 137 Der Begriff der Berufswahl umschreibt die Entscheidung für einen bestimmten Beruf. 138 Die Freiheit der Berufswahl soll unbeeinflusst von fremdem Willen erfolgen können, 139 wobei sie eine innere und eine äußere Komponente enthält: Innerlich entscheidet der Grundrechtsträger selbstständig darüber, welchen Beruf er ergreifen will; äußerlich muss er diesen Entschluss umsetzen, den Beruf also ergreifen. 140 Hieraus ergibt sich eine Verbindung zwischen Berufswahl und Berufsausübung (also der Umsetzung der inneren Entscheidung, einen Beruf auszuüben). 141 Die Manifestation der Berufswahl nach außen ist demnach oft schon der erste Akt der Berufsausübung, 142 durch die fortlaufende Berufsausübung wird die vorangegangene Berufswahl kontinuierlich bestätigt. 143 So hat schon das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung erläutert, dass sich die Begriffe „Wahl“ und „Ausübung“ des Berufs nicht trennen ließen, da sie den einheitlichen Komplex der Berufsbetätigung nur aus verschiedenen Blickwinkeln betrachteten. 144 Ebenso von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist die Berufsausübung. Die Berufsausübungsfreiheit ist weit zu interpretieren, denn sie umfasst alle realen Äußerungen, in denen sich ein gewählter Beruf niederschlägt. 145 In der Berufsausübungsfreiheit geht es um die Art und Weise der Berufstätigkeit, also das „Wie“. 146 Hat eine Klassifizierung der Eingriffsintensität in Berufswahlregelung und Berufsausübungsregelung stattgefunden, richtet sich hiernach, welche Voraus136
Vgl. Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 139; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 95. 137 Vgl. auch BVerfGE 103, 172, 183 (Vertragsarzt). 138 Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 49; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 50; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1800. 139 Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 56. 140 Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 56. 141 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 50. 142 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 40. 143 Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 8. 144 BVerfGE 7, 377, 400; vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 62. 145 Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 50; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 66; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 57. 146 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 139; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 84; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 38; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 83.
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setzungen an die Rechtfertigung zu stellen sind. Hierfür wird im Rahmen der Berufswahlregelungen wiederum zwischen subjektiven und objektiven Berufswahlregelungen unterschieden. 147 Eine subjektive Berufswahlregelung ist nur zulässig, soweit ein überragendes Gemeinschaftsgut geschützt werden soll, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht. 148 Eine solche Regelung liegt vor, wenn die Aufnahme der Berufstätigkeit vom Besitz persönlicher Eigenschaften, Fähigkeiten oder Fertigkeiten des Grundrechtsträgers abhängig gemacht wird. 149 Eine objektive Berufswahlregelung / Zulassungsbeschränkung ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut vorliegt. 150 Diese Gefahren dürfen nicht nur in allgemein gehaltenen Ausführungen vorausgesagt werden. Vielmehr muss der Gesetzgeber im Einzelnen dartun, welche konkreten Gefahren mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden. 151 Eine objektive Berufswahlregelung ist eine für die Ergreifung des Berufs gestellte Bedingung, deren Erfüllung dem Einfluss des Einzelnen schlechthin entzogen ist, also nicht mit der persönlichen Qualifikation des Berufsanwärters in Verbindung stehen. 152 Bloße Berufsausübungsregelungen – also solche, die die Art und Weise der Berufsausübung, das „Wie“, betreffen – sind bereits durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert. 153 Im Rahmen der Drei-Stufen-Lehre ist zu beachten, dass Regelungen nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG jeweils auf der Stufe vorzunehmen sind, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringen. 154 Auf die nächste Stufe darf erst dann zurückgegriffen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargelegt werden kann, dass die befürchteten Gefahren mit verfassungsmäßigen Mitteln der vorhergehenden Stufe nicht wirksam bekämpft werden könnten. 155 147
Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 103. BVerfGE 7, 377, 405 f.; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 139. 149 BVerfGE 7, 377, 406; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 139; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 81; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 53; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 85. 150 BVerfGE 7, 377, 408; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 139. 151 BVerfGE 11, 168, 185; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 133; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 66. 152 BVerfGE 7, 377, 407; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG; Art. 12 Abs. 1 Rn. 139; Wieland, in: Dreier, GG; Art. 12 Rn. 76; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 53; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 88. 153 BVerfGE 7, 377, 405. 154 BVerfGE 7, 377, 408; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 108; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 45. 155 BVerfGE 7, 377, 408. 148
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
1. Eingriffsintensität des Fremd- und Mehrbesitzverbots bei Anwendung der Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts Die Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts führt zuweilen jedoch zu fragwürdigen Ergebnissen. Die Einstufung des Fremd- und Mehrbesitzverbots anhand der eben dargelegten Grundsätze führt – wie nun darzustellen ist – zu strengeren Erfordernissen an die Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in die Rechte von juristischen Personen im Vergleich zu Eingriffen in die Rechte natürlicher Personen. Gerade wegen solcher und ähnlicher Ergebnisse in anderen Lebensbereichen wird die Drei-Stufen-Lehre auch vom Bundesverfassungsgericht in dieser Form nicht mehr angewandt. 156 Im Anschluss an die Darstellung zur Eingriffsintensität des Fremd- und Mehrbesitzverbots bei Anwendung der Drei-Stufen-Lehre soll hierauf noch einmal ausführlicher eingegangen werden. 157 Im Hinblick auf die Eingriffsintensität der untersuchten Verbote ist zunächst einmal darauf hinzuweisen, dass sich diese nur durch eine Betrachtung der Verbote aus verschiedenen Blickwinkeln erschöpfend präsentieren lässt. Es ist im Folgenden stets danach zu fragen, wie das Fremd- und Mehrbesitzverbot aus der Perspektive aller möglicherweise hiervon Betroffenen – natürliche wie juristische Personen, Berufsfremde wie Berufsangehörige – wirkt. a) Fremdbesitzverbot aa) Eingriffsintensität aus der Perspektive eines Apothekers Für den Apotheker, der eine Apotheke betreibt oder betreiben will, bedeutet das Fremdbesitzverbot, dass er diese nur in der Rechtsform der OHG bzw. GbR betreiben darf. Der Apotheker wird also in seinen Entscheidungen über die rechtliche und betriebliche Organisation seines Unternehmens eingeschränkt. Das Recht des Unternehmers, die Organisation seines Unternehmens zu bestimmen (Organisationsfreiheit), wird als Teilaspekt der Unternehmerfreiheit (dem Recht der freien Gründung und Führung von Unternehmen) von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. 158 Die Unternehmerfreiheit wiederum stellt einen Teilaspekt der Berufsausübungsfreiheit dar. 159 Das Fremdbesitzverbot ist für den selbstständigen Apotheker also eine Berufsausübungsregelung: 160 Der Apotheker ist an der grundsätzlichen Aus156 Vgl. BVerfGE 86, 28 ff. (öffentlich bestellter Sachverständiger); 102, 197 ff. (Spielbanken); 103, 172 ff. (Vertragsarzt). 157 Vgl. 3. Kap., B., VI. 158 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 68; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 57; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1819.
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übung seines Berufes als Apotheker oder Apothekenbetreiber nicht gehindert, es wird vielmehr die Art und Weise der Ausübung dieser Berufe eingeschränkt. Dem Apotheker ist es daneben versagt, eine Gesellschaft für den Betrieb seiner Apotheke mit Berufsfremden zu gründen oder sich bei der Errichtung und Finanzierung der Apotheke mit umsatzabhängigen Vereinbarungen unterstützen zu lassen. Auch hier ist die Organisationsfreiheit – also die Art und Weise der grundsätzlich möglichen Ausübung seines Berufes – eingeschränkt, weswegen das Fremdbesitzverbot auch insoweit die Intensität einer Berufsausübungsregelung erreicht. 161 bb) Eingriffsintensität aus der Perspektive einer berufsfremden natürlichen Person Für den Berufsfremden als natürliche Person ist die Intensität des Eingriffs allerdings höher einzustufen. Jemand, der nicht Apotheker ist, darf grundsätzlich keine Apotheke betreiben. Vertritt man die Auffassung, dass der Begriff des Berufs weit zu verstehen und das Betreiben einer Apotheke als eigenständiger Beruf anzusehen ist, so ist einem Berufsfremden der Zugang zu diesem Beruf verwehrt. Eine natürliche Person kann nur Betreiber einer Apotheke werden, wenn sie zumindest eine Approbation als Apotheker besitzt. Die Approbation als Apotheker ist eine Voraussetzung, die an die Person des Berufsfremden anknüpft: Der berufsfremden natürlichen Person steht die Möglichkeit offen, ein Pharmaziestudium zu absolvieren. Sie kann beeinflussen, ob für sie der Weg zum Betrieb einer Apotheke offen steht. Somit handelt es sich beim Fremdbesitzverbot für einen Berufsfremden in Form einer natürlichen Person um eine subjektive Zulassungsbeschränkung. 162 cc) Eingriffsintensität aus der Perspektive einer Kapitalgesellschaft Im Hinblick auf eine Kapitalgesellschaft, deren Zweck der Betrieb einer Apotheke sein soll, stellt das Fremdbesitzverbot ebenso eine Berufswahlregelung dar. Anders als bei einer natürlichen Person ist es der Kapitalgesellschaft jedoch grundsätzlich nicht möglich, eine Approbation als Apotheker zu erhalten. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Umkehrschluss zu § 20 AAppO. Eine Approbation 159 Zu den verschiedenen Teilaspekten vgl. auch Tettinger / Mann, in: Sachs, GG; Art. 12 Rn. 57; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 68; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1818. 160 Taupitz, NJW 1996, 3033, 3039; Friauf, PZ 1992, Sonderbeilage zu Nr. 25, S. 4; Michalski, AnwBl 1989, 65, 66; den Arzt betreffend siehe Prießler, MedR 2001, 543, 545. 161 Vgl. BGH, MedR 2003, 301, 303. 162 So auch Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 127; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 148; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 34.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
wird erst nach der Ableistung eines Pharmaziestudiums erteilt. Für den Antrag auf Approbationserteilung ist die Einreichung eines Lebenslaufes sowie der Geburtsurkunde nötig. Hieraus ergibt sich, dass die Erteilung einer Approbation nur an eine natürliche Person möglich ist. Das Fremdbesitzverbot stellt sich danach für die Kapitalgesellschaft, weil die für die Ergreifung des Berufs gestellte Bedingung ihrem Einfluss schlechthin entzogen ist, als eine objektive Zulassungsbeschränkung dar. dd) Zwischenergebnis Das Fremdbesitzverbot stellt nach der Drei-Stufen-Lehre für Berufsangehörige eine Berufsausübungsregelung, für Berufsfremde und Kapitalgesellschaften eine Berufswahlregelung dar, wobei die Kapitalgesellschaft nach der formalistischen Betrachtung die stärkste Einschränkung erfährt. 163 b) Mehrbesitzverbot Das Mehrbesitzverbot wiederum greift in die Berufsfreiheit bereits eine Apotheke betreibender, selbstständiger Apotheker ein. Für die Kapitalgesellschaft oder die berufsfremde natürliche Person, die eine Apotheke betreiben möchten, kann das Mehrbesitzverbot, solange diesen Gruppen der Apothekenbetrieb grundsätzlich versagt bleibt, keine Rolle spielen. Entscheidend für die Qualifizierung des Eingriffs in das Berufsrecht eines Apothekers durch das Mehrbetriebsverbot ist, ob man die Erweiterung seiner beruflichen Tätigkeit von einer Apotheke auf weitere Apotheken als einen Akt der Berufswahl oder einen Akt der Berufsausübung ansieht. Das Bundesverfassungsgericht argumentierte in seinem Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des Mehrbesitzverbots im Jahre 1964, dass es sich bei der Frage, ob ein Apotheker mehr als nur eine Apotheke betreiben dürfe, um eine rein quantitative Ausweitung des Umfangs der typischen Berufstätigkeit als selbstständiger Apotheker handele, die keinen neuen Beruf entstehen lasse. 164 Vielmehr sei der Betrieb mehrerer Apotheken durch einen Apotheker eine reine Modalität der Berufstätigkeit. 165 Demnach handele es sich beim Mehrbesitzverbot um eine Berufsausübungsregel.
163 A. A. ist wohl Friauf, PZ 1992, Sonderbeilage zu Nr. 25, S. 4, der betont, dass es sich grundrechtsdogmatisch beim Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht um einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit handele, weil es niemanden daran hindere, den Beruf des selbstständigen Apothekers zu ergreifen. 164 BVerfGE 17, 232, 242. 165 BVerfGE 17, 232, 243.
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Dem ist zuzustimmen. Der Apotheker, der für seine Person die Betriebserlaubnis für weitere als die bereits betriebene Apotheke begehrt, wird in seinem Status als selbstständiger Apotheker nicht berührt. Vielmehr bedeutet die Erstreckung der Betriebserlaubnis auf mehr als eine Haupt- und drei Filialapotheken eine wirtschaftliche Ausweitung des bereits von ihm gewählten und ausgeübten Berufs als selbstständiger Apotheker. 166 Betrachtet man den Beruf des selbstständigen Apothekers als die Verbindung einer pharmazeutischen und ökonomischen Tätigkeit, so wird die pharmazeutische Tätigkeit vom Mehrbetriebsverbot kaum berührt, denn alles, was fachlich-pharmazeutisch getan werden kann, wird auch durch den Betrieb nur einer Apotheke realisiert. 167 Demnach wirkt das Mehrbetriebsverbot in erster Linie ökonomisch, weil es die Expansion des wirtschaftlichen Erfolges beschränkt. 168 Es bleibt somit festzuhalten, dass es sich beim Mehrbesitzverbot um eine Berufsausübungsregel handelt. 169 2. Relation von Eingriffszweck und Eingriffsintensität als Maßstab für die Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in das Grundrecht der Berufsfreiheit Es mutet allerdings auf den ersten Blick merkwürdig an, dass eine Regelung (hier das Fremdbesitzverbot) – je nach Perspektive – eine Berufsausübungsregelung, eine subjektive Zulassungsschranke und eine objektive Zulassungsschranke darstellen soll. 170 Es kann nicht sein, dass die Anerkennung der Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person bei einer freiberuflichen Tätigkeit gemäß Art. 19 Abs. 3 GG in Verbindung mit der Drei-Stufen-Lehre zu dem Ergebnis führt, dass den hinter einer juristischen Person stehenden natürlichen Personen weiter gehende Rechte verschafft werden, allein weil diese sich zu einem Kollektiv zusammengeschlossen haben. Im Bereich der freien Berufe würde die Anerkennung der Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person mit der Qualifizierung des Eingriffs als einer objektiven Zulassungsbeschränkung bedeuten, dass die Anforderungen an die Rechtfertigung für eine Verbotsregelung deutlich höher 166
So auch Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1808. Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 16. 168 Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 16. 169 So auch Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 34; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 148; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 54e; Tettinger, DÖV 2000, 534, 537; anderer Ansicht ist nur Schefold, JZ 1967, 94, Fn. 44, der das Mehrbetriebsverbot als eine Wahlregelung einstuft, weil auch der Übergang von der unselbstständigen zur selbstständigen Apothekertätigkeit berührt sei. Die Auffassung von Schefold ist nur dann nachvollziehbar, wenn man das Betreiben von Apothekenketten als einen eigenständigen Beruf ansieht. Dies ist abzulehnen. 170 Ähnlich Taupitz, JZ 1994, 1100, 1103; ders., NJW 1996, 3033, 3039. 167
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
anzusetzen sind als im Falle der Geltendmachung des Grundrechtsschutzes durch eine natürliche Person. Denn will eine natürliche Person, die nicht Apotheker ist, eine Apotheke betreiben, stellt dies eine subjektive Zulassungsbeschränkung dar. Schließt sich die natürliche Person jedoch mit anderen natürlichen Personen zusammen, darf dies nicht dazu führen, dass an die Rechtfertigung von Verbotsregelungen nur auf Grund des Zusammenschlusses zu einem Kollektiv mit eigener Rechtspersönlichkeit höhere Anforderungen zu stellen sind. Der juristischen Person werden zwar dadurch nicht mehr „Rechte“ im wörtlichen Sinne eingeräumt. Dennoch wären beispielsweise die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde, würde sie eine juristische Person einreichen, höher als bei einer natürlichen Person, weil bei dieser die Rechtfertigungsvoraussetzungen höher lägen. Mittlerweile wird die Verhältnismäßigkeitsprüfung wegen ähnlich fragwürdiger Ergebnisse in anderen Lebensbereichen im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG zwar „weithin immer noch im Banne der sog. Drei-Stufen-Theorie“ 171 vollzogen. Inzwischen hat allerdings das Bundesverfassungsgericht zunehmend deutlich gemacht, dass es sich hierbei um eine konkretisierende Variation der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung handelt. 172 a) Zum Wandel der Drei-Stufen-Lehre in die Prüfung der Relation von Eingriffszweck und -intensität In verschiedenen Bereichen, in denen die Drei-Stufen-Lehre zu nicht vertretbaren oder merkwürdigen Ergebnissen gelangt, wird von ihrer starren Anwendung abgesehen. So ist sie vom Bundesverfassungsgericht bis heute in vielfältiger Weise ausgestaltet und modifiziert worden. 173 Die Rechtfertigungserfordernisse werden an die Intensität des Grundrechtseingriffs flexibel angepasst, manchmal wird zugunsten einer situationsbezogenen Einzelfallwertung vom Gedanken der Fixierung von Intensitätsgraden in drei abgeschlossene Stufen des Grundrechts abgewichen. 174 So hat das Bundesverfassungsgericht in einigen Fällen anerkannt, dass Berufsausübungsregelungen hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität Berufswahlregelungen nahe bzw. gleichkommen können, weswegen erhöhte Rechtfertigungsanforderungen angebracht seien. 175 Das Gericht hat unter anderem entschieden, dass eine zahlenmäßige Bedürfnisprüfung für die Bestellung eines öffentlichen Sachverständigen zwar keine Berufswahlregelung, sondern vielmehr 171
Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 314. Vgl. Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 314. 173 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 111; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 109; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1892; Rittstieg, in: AK-GG, Art. 12 Rn. 48. 174 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1892. 175 BVerfGE 11, 30, 42, 44; 33, 125, 161 ff.; 77, 84, 106; Tettinger / Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 59; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 111. 172
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eine Berufsausübungsregelung darstelle, weil es den Beruf des „öffentlich bestellten Sachverständigen“ im Gegensatz zum „Sachverständigen“ nicht gebe. 176 Mit dieser Feststellung sei die Eingriffsintensität jedoch nicht hinreichend bestimmt, da Beschränkungen der freien Berufsausübung in vielfältig abgestufter Weise denkbar seien und Eingriffen in die freie Berufswahl nahe kommen könnten. 177 Die Intensität einer Beschränkung der Berufsfreiheit sei nicht nur nach ihren wirtschaftlichen Folgen, sondern auch nach den rechtlichen Voraussetzungen zu bewerten, an die sie geknüpft sei. 178 Die Unterscheidung von subjektiven und objektiven Merkmalen sei nicht nur bei Eingriffen in die Berufswahl, sondern auch bei anderen Beschränkungen der Berufsfreiheit bedeutsam. 179 Im weiteren Verlauf der Entscheidung betont das Bundesverfassungsgericht, dass Berufsausübungsregelungen zwar durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert sein können, der Eingriff jedoch als erheblich eingestuft werden müsse, so dass das Regelungsziel „ebenfalls erhebliches Gewicht haben“ müsse. 180 In einer späteren Entscheidung zur Altersgrenze für die Zulassung zur Vertragsarzttätigkeit äußerte sich das Bundesverfassungsgericht explizit dahingehend, dass es für die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Berufsfreiheit darauf ankomme, dass Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehe, wobei die Bewertung dieses Verhältnisses sich nach dem Maß der jeweiligen individuellen Betroffenheit richte. 181 Das Bundesverfassungsgericht hat die Stufenlehre ebenso schon in die entgegengesetzte Richtung in Form einer Herabsetzung des anzuwendenden Prüfungsmaßstabes modifiziert: 182 Namentlich im Spielbankenurteil 183 ist das Bundesverfassungsgericht einerseits zu dem Ergebnis gekommen, dass der Spielbankbetreiber ein eigenständiger Beruf ist. 184 Konsequenz einer strengen Anwendung der DreiStufen-Lehre wäre – wie das Bundesverfassungsgericht selbst zugibt –, dass ein Ausschluss von diesem Beruf an sich nur noch zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut möglich gewesen wäre. 185 Das Bundesverfassungsgericht entschied sich 176
BVerfGE 86, 28, 38. BVerfGE 86, 28, 38. 178 BVerfGE 86, 28, 39. 179 BVerfGE 86, 28, 39. 180 BVerfGE 86, 28, 41 f. 181 BVerfGE 103, 172, 183. 182 Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1894. 183 BVerfGE 102, 197 ff. 184 Der Klassifizierung als eigenständiger Beruf zustimmend und mit einer ausführlichen Darstellung der Entscheidung: Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 336. 185 Vgl. BVerfGE 102, 214 unter Bezugnahme auf BVerfGE 7, 377, 408; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 336. 177
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
jedoch wegen der besonderen Sensibilität der Thematik (Schutz vor Spielsucht etc.), zum Ziele der Rechtfertigung stärkerer Eingriffsmöglichkeiten, die Drei-Stufen-Lehre modifiziert anzuwenden. 186 Dem Beruf des Spielbankbetreibers hafte eine atypische Besonderheit an, die die Grundrechtsprüfung beeinflusse. 187 Der Betrieb einer Spielbank sei eine an sich unerwünschte Tätigkeit, die zum Zwecke der Eindämmung des unerlaubten Glückspiels und dem Schutze vor der Spielsucht gleichwohl erlaubt werde. Dieser Besonderheit würde nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen, wenn der Staat Eingriffe in das Berufswahlrecht des Spielbankbetreibers nur unter den Voraussetzungen vornehmen könnte, die an eine objektive Zulassungsbeschränkung gestellt werden. 188 Die Besonderheiten des Markts verlangten vielmehr, dass dem Gesetzgeber ein breiterer Regelungsund Gestaltungsspielraum zur Verfügung stehe, weswegen es im Falle des Spielbankbetreibers ausreiche, dass mit der im Einzelfall beabsichtigten Beschränkung wichtige Gemeinwohlbelange verfolgt würden. 189 Auch die Lehre lehnt ein Festhalten an einer starren Stufendogmatik ab. 190 Die Erfordernisse einer legitimen Zwecksetzung, der Erforderlichkeit einer Regelung und ihrer Verhältnismäßigkeit würden durch die Einteilung in Eingriffsstufen und verschiedenen Zweckerfordernissen dogmatisch in kaum entwirrbarer Weise vermischt. 191 Beispielsweise sei die Unterscheidung zwischen überragendem und überragend wichtigem Gemeinschaftsgut weder überzeugend noch praktikabel. Objektive Zulassungsschranken müssten auf Grund ihrer besonderen Eingriffsschwere letztlich aus der Verfassung selbst begründet werden. Dies sei wiederum bei subjektiven Zulassungsbeschränkungen nicht zu verlangen, da deren Erfüllung im Verantwortungsbereich des Grundrechtsträgers läge. Auch die Unterscheidung von subjektiven und objektiven Merkmalen bedürfe der Präzisierung: Subjektive Merkmale seien dadurch gekennzeichnet, dass sie der Risikosphäre des Einzelnen zuzurechnen seien, also seine persönliche Sphäre betreffen, objektive Merkmale lägen hingegen außerhalb des Verantwortungsbereichs des Grundrechtsträgers. 192 Hinzu komme, dass sich Berufsausübungsregelungen als derart schwerwiegend herausstellen könnten, dass sie die Berufsangehörigen zur Berufsaufgabe zwingen, so dass sie dazu führen könnten, dass für eine Berufswahl kein hinreichender 186
Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 336. BVerfGE 102, 197, 215. 188 BVerfGE 102, 197, 215. 189 BVerfGE 102, 197, 215. 190 Tettinger / Wank, in: dies., GewO, Einl. Rn. 80 ff.; kritisch zur Drei-Stufen-Lehre des BVerfG im Rahmen der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 314 ff.; ausführlich hierzu Manssen, BayVBl. 2001, 641 ff. Siehe hierzu auch Clemens, in: Umbach / Clemens, GG, Anhang zu Art. 12 Rn. 75 ff., wobei eine „Fünf-Stufen-Theorie“ vertreten wird. 191 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG; Art. 12 Abs. 1 Rn. 140. 192 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 140. 187
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Tätigkeitsbereich mehr bestehe. 193 Eine klare Trennung zwischen den einzelnen Stufen könne in der Praxis also nicht immer erfolgen. 194 Die Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeweils im Einzelfall anhand der üblichen Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung genau zu untersuchen sei, ob ein in die Berufsfreiheit eingreifendes Gesetz verhältnismäßig ist. 195 Im Ergebnis komme es daher allein auf die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs nach den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen an, bei denen die Abgrenzung nach Berufswahl- und Berufsausübungseinschränkung lediglich Indizwirkung hinsichtlich der Eingriffsschwere erlange. 196 Geht man also von der Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person im Bereich der Führung eines Unternehmens mit freiberuflichen Dienstleistungen aus und betrachtet man die Entwicklung, die sich im Bereich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Berufsfreiheit vollzogen hat, so erscheint es angebracht, von einer starren Stufendogmatik im Sinne der Drei-StufenLehre zugunsten einer Prüfung der Relation von Eingriffsintensität und Eingriffszweck abzusehen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot für die Kapitalgesellschaft sonst eine objektive Zulassungsbeschränkung darstellte. 197 Da es nicht Sinn und Zweck der Erstreckung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG ist, dass an die Rechtfertigung von Eingriffen in die Rechte juristischer Personen höhere Anforderungen zu stellen sind als für Eingriffe in die Rechte natürlicher Personen, ist hinsichtlich der Eingriffsintensität des Fremd- und Mehrbesitzverbots davon auszugehen, dass diese mit der Eingriffsintensität im Hinblick auf natürlichen Personen gleichzustellen ist. 198 Hierfür spricht auch die grundsätzliche Zweckgebundenheit der Kapitalgesellschaft, die diese insofern von der natürlichen Person unterscheidet. Der Zweck der Kapitalgesellschaft ist auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet (§ 13 GmbHG i.V. m. § 105 HGB). Der Betrieb eines Handelsgewerbes wird der Kapitalgesellschaft nicht versagt. Man trüge dem 193
Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG; Art. 12 Abs. 1 Rn. 142. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 111. 195 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 34; Rupp, AöR 93 (1967), 212, 234; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 14 ff., 253, 325; Clemens, in: Umbach / Clemens, GG, Anhang zu Art. 12 Rn. 75 ff. 196 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 35; ders., Standesordnungen, S. 524 f., 868 m.w. N. 197 Anderer Ansicht ist Taupitz, NJW 1996, 3033, 3039, der auf die Behandlung als objektive Zulassungsbeschränkung besteht, wolle man die eigene Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person nicht ihres Sinns entleeren; ebenfalls anderer Ansicht ist Rieger, MedR 1995, 87, 88. 198 Ähnlich auch Becker, ApoR 2004, 8, 9, der zwar bezweifelt, dass das Betreiben von Apothekenketten einen eigenständigen Beruf darstellt, jedoch der Kategorisierung in die verschiedenen Stufen nur eingeschränkten Wert beimisst. 194
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Wesen der juristischen Person zwar nicht ausreichend Rechnung, betrachtete man ein Betriebsverbot eines Unternehmens mit freiberuflichen Leistungen als reine Ausübungsregelung. Jedoch ließe man die Zweckgebundenheit der juristischen Person gänzlich außer Acht. Die juristische Person soll demnach im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG in diesem spezifischen Fall des Apothekenbetriebs der natürlichen Person gleichgestellt werden. Die Anforderungen, die an die Rechtfertigung zu stellen sind, entsprechen somit denen, die an eine Berufswahlregelung im Sinne einer subjektiven Zulassungsbeschränkung zu stellen sind. b) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist nach dem Gesagten festzuhalten, dass die Prüfung des Fremdbesitzverbots nach den starren Grundsätzen der Drei-Stufen-Lehre einer flexiblen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne einer Relation von Intensität und Zweck des Eingriffs weichen muss. Insofern stellt sich das Fremdbesitzverbot sowohl für die natürliche als auch für die juristische Person als Berufswahlregelung dar, wobei die Intensität des Eingriffs für beide Gruppen als gleich stark einzustufen ist. Für die Verhältnismäßigkeit des Fremdbesitzverbots ist danach zu fordern, dass dieses den Schutz eines Gemeinschaftsguts verfolgt, das subjektive Berufswahlregelungen zu rechtfertigen vermag. Das Mehrbesitzverbot greift hingegen lediglich in die Rechte bereits selbständiger Apotheker ein und stellt insofern eine Berufsausübungsregelung dar. Die Anforderungen an die Rechtfertigung des Mehrbesitzverbots sind demnach nicht so hoch anzusetzen, wie an die des Fremdbesitzverbots.
VI. Zur Verhältnismäßigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots Bevor eine konkrete Auseinandersetzung mit der Verhältnismäßigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots stattfindet, soll zunächst der Diskussionsstand dargestellt werden. Hierbei sollen alle Argumente, die für und gegen die Verbote sprechen, angeführt und gleichzeitig untersucht werden. Nur auf der Grundlage dieser Argumente kann eine Prognose erstellt werden, die die Auswirkungen einer Aufhebung der Verbote auf die öffentliche Gesundheit darstellt. Mit Hilfe dieser Prognose sollen sodann Lösungsmodelle entworfen werden
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1. Diskussionsstand a) Besonderheiten des Apothekenmarkts und des verkauften Produkts Von den Befürwortern des Fremd- und Mehrbesitzverbots wird gern die besondere Situation des Apothekenmarkts als Argument dafür genommen, dass ein „normaler“ Wettbewerb und eine möglicherweise damit einhergehende Kommerzialisierung schädliche Auswirkungen auf die geordnete Arzneimittelversorgung haben könnten. 199 Aus diesem Grund unterliegen Apotheken einer Reihe spezifischer Regelungen, die die Wettbewerbsmöglichkeiten in Bezug auf die Parameter Preisgestaltung, Produktsortiment, Werbung, Personal, räumliche Integration etc. beschränken. 200 Diese Besonderheiten resultieren hauptsächlich aus der Tatsache, dass Arzneimittel per se beratungsbedürftige Produkte sind. 201 Der Endverbraucher kann nicht ohne weiteres beurteilen, ob der Einsatz eines bestimmten Arzneimittels für ihn nützlich, nutzlos oder gar schädlich ist. Insofern ergibt sich bereits eine Produktbesonderheit im Hinblick auf die Ware „Arzneimittel“. Dem Apothekenmarkt mangelt es weiterhin an Markttransparenz: Es gibt eine sehr große Vielzahl von am Markt befindlichen Arzneimitteln, deren Wirkungszusammenhänge komplex sind. 202 Der Verbraucher hat in der Regel keine Marktübersicht. Jedoch wird auch der Arzt regelmäßig bei der großen Zahl von Arzneimitteln und verschiedenen Darreichungsformen keinen Marktüberblick – insbesondere nicht über die Preise – haben. 203 Untersuchungen haben ergeben, dass Ärzte nur wenige hundert Medikamente kennen und nur 80 bis 90 davon regelmäßig verschreiben. 204 Vor allem die Aufnahme neu entwickelter Produkte in das Verordnungs-Portfolio des Arztes erscheint problematisch, weil dieser in der Regel die Medikamente, mit denen er bisher gute Erfahrungen gesammelt hat, weiterhin verschreiben wird. 205 Dieses Verschreibungsverhalten ist nicht per se zu beanstanden, jedoch zeigt es zumindest auf, dass der Arzt in vielen Fällen nicht über die Vielfalt der angebotenen Arzneimittel Bescheid wissen wird. Der Apotheker hingegen hat in aller Regel den besten Marktüberblick. Er kann dem Arzt bei der Konkretisierung seiner Verordnung helfen und dem Patienten, der keine Verordnung benötigt, den primären Rat geben.
199 200 201 202 203 204
Dettling, ApoR 2006, 1; ders., GesR 2008, 169 ff. Siehe auch Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 504 Tz. 1131. So auch Tisch, EuR 2007 (Beiheft 2), 93, 94; ders., ApoR 2004, 14, 15. Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 9. Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 11. Bundesgesundheitsamt (Hrsg.), Arzneimittel und Arzneimittelsicherheit, 1990,
S. 10. 205
Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 11.
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Neben der bereits besprochenen Produktbesonderheit besteht im Bereich des Gesundheitswesens und somit auch im Bereich der Arzneimittelversorgung die Besonderheit, dass die natürlichen Funktionen des Wettbewerbs nicht gegeben sind. 206 Das Gut der Nachfrage ist in diesem Bereich die Gesundheit, in einigen Fällen das Leben. Die Schutzgüter Leben und Gesundheit sind existenziell, sie haben als Gut des Konsumenten den höchsten Stellenwert. Anders als bei Schäden an Sachgütern müssen hier – aus der Perspektive des Patienten – ohne Rücksicht auf die Kosten alle vorhandenen Möglichkeiten zur „Reparatur“ ausgeschöpft werden. 207 Aus der Unverhandelbarkeit des Gutes „Gesundheit“ ergibt sich auch, dass der Patient eine objektive Notwendigkeit des schnellen persönlichen Kontakts zum medizinischen Versorger hat. 208 Der Kreis der potentiellen Leistungserbringer ist dabei insofern von vornherein stark eingeschränkt, als eine reale Versorgungschance regelmäßig nur diejenigen Anbieter haben, die sich mit der erforderlichen Qualifikation zur rechten Zeit am rechten Ort befinden. Hinzu kommen die Notwendigkeit des Vertrauens des Patienten in den Leistungserbringer und der Ausschluss jeglicher Fehlertoleranz. Diese Besonderheiten haben zur Folge, dass die Anbieter, die sich mit der richtigen Qualifikation zur rechten Zeit am rechten Ort befinden, eine weit überlegene Verhandlungsposition einnehmen. Sie haben ein natürliches Monopol, weil der Patient auf ihre Hilfe nicht verzichten kann. Der Patient ist kein Konsument mit Verhandlungsmacht, sondern zur Zahlung fast jeden Preises bereit. Er tendiert somit zu preisunelastischem Verhalten, 209 was bedeutet, dass sich eine Erhöhung des Preises für Arzneimittel nicht 206 Der wirtschaftliche Wettbewerb soll als interaktives Auswahlverfahren und permanenter Selektionsprozess die Durchsetzung der nach wirtschaftlichen Kriterien besten wirtschaftlichen Leistung bewirken. Als Ausleseinstrument soll er dafür sorgen, dass das beste „Preis-Leistungs-Verhältnis“ und die bestmögliche Versorgung der Verbraucher erreicht werden. Der Wettbewerb kennt hierfür verschiedene natürliche Funktionen: (1) die hinreichende Fähigkeit und Bereitschaft der Akteure zu eigennützigem, rationalem, frei und selbstbestimmten Verhalten, also zu einem Verhalten nach dem Leitbild des „homo oeconomicus“, (2) hinreichend freie und chancengleiche Marktzugänge für Anbieter und Nachfrager, (3), hinreichende Homogenität der Leistungen und Austauschbarkeit der Anbieter, (4) hinreichende Flexibilität der Akteure bei der Festlegung der Parameter für die Leistung, (5) hinreichende Markttransparenz, (6) hinreichende Zahl und Unabhängigkeit von Anbietern und Nachfragern und hinreichende Weite der Märkte, (7) hinreichende Gewinnchancen und Reziprozität, (8) hinreichend gleiche Verhandlungsmacht von Anbietern und Nachfragern – keine marktbeherrschende Stellung, (9) hinreichende Lauterkeit von Anbietern und Nachfragern, und schließlich (10) keine Vorteile auf Kosten Dritter („externe Effekte“). Vgl. Dettling, Funktionsbedingungen des Wettbewerbs und des Gesundheitswesens, GesR 2008, 169, 172 ff. 207 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 95. 208 Vgl. auch Tisch, EuR 2007 (Beiheft 2), 93, 94; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 96 f.; Dettling, GesR 2008, 169, 175 f. 209 Unter Preiselastizität versteht man in der Wirtschaftswissenschaft Elastizitäten verschiedener ökonomischer Größen bezüglich Preisänderungen. Insbesondere versteht man darunter (nach Alfred Marshall) die Nachfrageelastizität. Sie gibt an, wie stark sich
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wesentlich auf die Nachfrage nach dem Produkt auswirken wird. 210 Zum einen entscheidet der dazwischen geschaltete Arzt darüber, welches Medikament der Patient erhalten soll. Zum anderen wird die Dringlichkeit, im Krankheitsfall an das Gut zu gelangen, dazu führen, dass der Patient keine Zeit für Preisvergleiche hat. Entscheidend ist jedoch, dass der Preis in der Regel für den Patienten auf Grund des Versicherungssystems im Krankheitsfall nicht spürbar sein wird. 211 Dies gilt trotz der Zuzahlung des Patienten. Gemäß § 61 SGB V beträgt die Zuzahlung mindestens fünf, höchstens zehn Euro. Der Patient zahlt somit zwar einen eigenen Anteil am Medikament. Er erkennt daran jedoch regelmäßig nicht den Abgabepreis des Arzneimittels, das er zu sich nimmt, es sei denn, es handelt sich um ein solches, das nicht verschreibungspflichtig ist. Anders verhält es sich allerdings im Bereich der privaten Krankenversicherung, weil hier der Patient regelmäßig dazu verpflichtet ist, den Kaufpreis im Voraus zu leisten, um später einen Erstattungsanspruch gegen die Krankenversicherung geltend zu machen. Neben der Tatsache, dass es sich bei Arzneimitteln um besondere Produkte handelt, deren Einnahme im Notfall zu einem preisunelastischen Verhalten des Patienten führt, ergeben sich Besonderheiten hinsichtlich der Auswirkungen auf die Gesundheit im Falle eines Missbrauchs oder Fehlgebrauchs. Arzneimittelprobleme bleiben in vielen Fällen im Verborgenen. 212 Aus diesem Grunde bleibt eine schlechte oder unzureichende pharmazeutische Betreuung ebenfalls in vielen Fällen unerkannt. Eine gute Betreuung macht sich hingegen dadurch bemerkbar, dass sie mit der Aufdeckung und Lösung eines Arzneimittelproblems einhergeht. Der Apotheker muss demnach die Qualifikation und Bereitschaft haben, ein Arzneimittelproblem aufzudecken. 213 Neben der Bereitschaft zur Aufdeckung ist vor allem Zeit nötig, um in der täglichen Praxis die Initiative zu ergreifen und die Kosten und Mühen der Identifikation und Beseitigung nicht zu scheuen. 214 Der Apotheker benötigt zur Aufdeckung von Arzneimittelproblemen demnach bestimmte Bedingungen in seiner Persönlichkeit und seinem beruflichen Umfeld, um das theoretische Wissen auch praktisch wirksam werden zu lassen. 215 Zu diesem beruflichen Umfeld gehört, dass der Apotheker frei von sachfremden beruflichen Einflüssen ist, weil nur dann eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass er im objektiven Interesse des Patienten und unabhängig von den eine Preisänderung bei einem Gut auf die Nachfrage auswirkt. Schumann / Meyer / Ströbele, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 66 ff. 210 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 14; Dettling, ApoR 2006, 1, 3. 211 Tisch, EuR 2007 (Beiheft 2), 93, 94. 212 Ausführlich hierzu: Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 64 ff.; dies., ApoR 2006, 140; dies., DAZ 2006, 3305. 213 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 64. 214 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 65. 215 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 65.
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wirtschaftlichen Reizen des Arzneimittelmarkts handelt. 216 Ebenso gehört hierzu ein ausreichendes Einkommen. So kann sich auch der einzelne Apotheker darauf verlassen, dass andere Apotheker ihre Beratungsfunktion im Hinblick auf den Arzneimittelmissbrauch ordnungsgemäß erfüllen. 217 In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann es jedoch passieren, dass diese Pflicht vernachlässigt wird. 218 Dennoch kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente das Verhindern des Missbrauchs oft nur ein Wunschgedanke sein wird. 219 Ein Mensch, der medikamentensüchtig ist, wird seinen gesamten Bedarf nicht bei nur einer Apotheke decken. Er kann gestückelt in verschiedenen Apotheken einkaufen. Vor allem in anonymen Großstadtapotheken wird ein Missbrauch von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nur schwer auffallen. 220 Auch im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel wird es dem Apotheker, der den Willen und das Umfeld zur Aufdeckung von Arzneimittelproblemen hat, schwer fallen solche zu entdecken. Hier ist er gemäß § 20 Abs. 1 ApBetrO angehalten, die Therapie des Arztes nicht zu beeinträchtigen, indem er Kritik an der ärztlichen Diagnose oder Verschreibung übt. Trotz der eben erwähnten Widrigkeiten im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Arzneimittelproblemen sollen hochgerechnet etwa 28.000 Arzneimittelversorgungsprobleme im Zusammenhang mit ärztlich verordneten Arzneimitteln pro Tag von deutschen Apothekern gelöst werden. 221 Dies ergab die Aktionswoche „Arzneimittelbezogene Probleme“ von Februar bis Mai 2005, zu der die Landesapothekerkammern und der ABDA alle Apotheken aufgerufen hatten. Die Apotheker sollten sich an der Erfassung von arzneimittelbezogenen Problemen beteiligen, um die Beratungsleistungen der Apotheker zu dokumentieren. Hieran beteiligten sich 1146 Apotheken. Es wurde bei der Dokumentation unterschieden zwischen Problemen auf Verordnungsebene, auf der Patientenebene, auf der Vertriebsebene und sonstigen Problemen. Im Bereich der Probleme auf Verordnungsebene 222 wurden während der Aktionswoche 5700 arzneimittelbezogene Probleme durch die teilnehmenden Apotheker gelöst. 223 Der Anteil der verordnungsbezogenen Arzneimittelprobleme machte damit 54,7% aller aufgedeckten Probleme aus. 224 216
Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 65. Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 185. 218 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 186. 219 Im Ergebnis dann auch Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 186. 220 Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 512 Tz. 1164. 221 Dies ergaben eine Aktionswoche zu „arzneimittelbezogenen Problemen“, siehe Griese / Hämmerlein / Schulz, PZ 2006, 2375, 2376. 222 Hier wurde noch unterschieden in „falsche / fehlende Angaben“, „Indikation“, „Sicherheit und Effektivität“ und „Sonstiges“, vgl. Griese / Hämmerlein / Schulz, PZ 2006, 2375, 2378. 223 Griese / Hämmerlein / Schulz, PZ 2006, 2375, 2378. 224 Griese / Hämmerlein / Schulz, PZ 2006, 2375, 2378. 217
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Insgesamt wird deutlich, dass Arzneimittel nicht als Waren angesehen werden können, die mit anderen Produkten des täglichen Bedarfs vergleichbar sind. Eben diese Konsequenz wird von den Befürwortern des derzeitigen Systems im Hinblick auf eine Kommerzialisierung jedoch befürchtet. Nimmt der Patient ein Arzneimittel auf Grund einer Kommerzialisierung des Apothekenwesens nur noch als Ware des täglichen Bedarfs wahr, ist die Hemmschwelle zum Mehrgebrauch von Arzneimitteln niedriger. Es ist deshalb, gerade wegen der besonderen Gefährlichkeit des Umgangs mit Arzneimitteln als per se gefährlichen Produkten, die Aufgabe des Gesetzgebers, Systeme zu schaffen, die einen möglichst hohen Schutzumfang gewährleisten. Im Hinblick auf Arzneimittelprobleme als Probleme im Verborgenen darf der Gesetzgeber somit jedenfalls Systeme schaffen, die den Anreiz minimieren, Arzneimittel in höherem Maße zu konsumieren. b) Kostensenkung Oft wird argumentiert, die Zulassung des Fremd- und Mehrbesitzes stelle eine Chance zur Senkung der Kosten im Gesundheitswesen dar. 225 Der Wettbewerb könne intensiviert und somit das Preisniveau gesenkt werden. Apothekenketten könnten Skalenvorteile beim Einkauf von Medikamenten nutzen und die Ausgaben für die Bevölkerung verringern. 226 In Bezug auf die Gesetzliche Krankenversicherung wird davon ausgegangen, dass eine Verringerung der Anzahl der Apotheken zu einer Entlastung führen könnte. Die Volkswirtschaft müsse letztlich für die Bereitstellungskosten des Apothekensystems aufkommen und somit auch für die Kosten nicht notwendiger Apotheken. Dies geschehe, indem überhöhte Preise für Arzneimittel gezahlt würden. 227 Dies führe zu einer Art Teufelskreis: Da sich die Festsetzung der Festpreise an den schwächsten Apotheken und nicht am Durchschnitt orientiere, würden die Apotheken, die mit den überhöhten Arzneimittelpreise Übergewinne erzielen, weitere Apothekeneröffnungen anlocken. 228 Bei Betrachtung der Möglichkeiten einer Kostensenkung muss nach der Art des Arzneimittels differenziert werden. Im Bereich der verschreibungspflichtigen Arz225 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 37 ff.; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Sondergutachten 1995, S. 130 f. 226 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 37 f. Im Hinblick auf die Effizienzvorteile im Bereich des Einkaufs auch Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 515 Tz. 1174; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Sondergutachten 1995, S. 131; Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 232; so auch der Antrag auf Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots von verschiedenen Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 16/ 2506, S. 1; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165. 227 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 274, 288. 228 So sinngemäß Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 288.
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neimittel kann durch die alleinige Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots und der damit eventuell einhergehenden Verringerung der Anzahl der Apotheken keine Kostensenkung für den Patienten oder die Gesetzliche Krankenversicherung erreicht werden. Mehr Apotheken führen nicht zu einer Vergrößerung des Arzneimittelabsatzes, sondern lediglich zu einer „Aufteilung des Kuchens in kleinere Stücke“ 229: Die Kosten, die der Gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich der Arzneimittelversorgung entstehen, richten sich nämlich nicht nach der Anzahl der Apotheken, sondern nach dem Verordnungsvolumen. Das Verordnungsvolumen wird jedoch maßgeblich vom Arzt beeinflusst; der Apotheker hat auf diese Größe keinen Einfluss. Da im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente wegen der Arzneimittelpreisverordnung Festpreise gelten, kann kein Preiswettbewerb entstehen. 230 Hinzu kommt, dass mehr Apotheken für den Verbraucher wahrscheinlich kürzere Wege und eine eventuell intensivere Betreuung bedeuten. Aus der Sicht des Patienten ist eine höhere Dichte an Apotheken also vorteilhaft. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Lockerung des Mehr- und Fremdbesitzverbots zu einer Verringerung der Anzahl der Apotheken führen soll: Wie bereits dargestellt hat die Lockerung des Mehrbesitzverbots zum ersten Mal seit einigen Jahren für einen Apothekenzuwachs gesorgt. Wahrscheinlicher ist also zunächst der Zuwachs an Apotheken. Im Bereich des Nebensortiments ist ein Preiswettbewerb in der Regel ebenso ausgeschlossen. Werden diese Produkte günstiger als die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers abgegeben, ist davon auszugehen, dass der Hersteller, der die Exklusivität des Produkts erhalten will, den Apotheker in Zukunft nicht mehr beliefern wird. 231 Der Bereich des Nebensortiments ist ein Bereich, in dem Wettbewerb zwischen den Apotheken und dem Einzelhandel (Drogerien) besteht. Hier kann die Apotheke sowieso nicht mit Drogerieketten konkurrieren, die zu anderen Mengen und Preisen einkaufen. Dieser Markt ist für eine Senkung der Kosten im Hinblick auf die Gesetzliche Krankenversicherung also uninteressant. Für den Verbraucher wird eine Kostensenkung hier ebenso wenig interessant sein: Der Verbraucher, der Artikel des Nebensortiments in der Apotheke erwirbt, achtet bereits heute nicht auf den Preis der Ware, weil dieser im Vergleich zu den Preisen in den Drogerieketten wesentlich höher ist. Hier handelt es sich also regelmäßig um Verbraucher, denen es auf die von ihnen vermutete Exklusivität des Produktes ankommt. Aus der Tatsache, dass das Produkt in der Apotheke erhältlich ist, wird geschlossen, dass ein hoher Qualitätsstandard gegeben ist, der höhere Preise rechtfertigt.
229 Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 121; ähnlich Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 182. 230 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 169; vgl. hierzu auch Vogel, VuR 2007, 421, 422. 231 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 169.
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Letztlich ist ein Preiskampf nur im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel zu erwarten. In diesem Bereich entstehen für die Krankenkassen 232 Ausgaben in Höhe von 1,2 Mrd. Euro (3,3% gemessen am gesamten Apothekenumsatz). 233 80,1 % des Umsatzes der Apotheken im Jahre 2007 und somit 29,4 Mrd. Euro resultieren insgesamt aus ärztlichen Verordnungen. Die Belastung der Krankenkassen im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente ist somit im Vergleich zu den verschreibungspflichtigen Medikamenten als gering einzustufen: Der Kostenaufwand für nicht verschreibungspflichtige, aber dennoch verschriebene und somit erstattete Arzneimittel betrug im Jahr 2006 4,6 % der gesamten Arzneimittelausgaben der Krankenversicherungen. 234 Ein Preiswettbewerb und somit Einsparungen in diesem Bereich hätten somit keinen wesentlichen Einfluss auf die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung. Für den Verbraucher hingegen wäre ein Preiswettbewerb signifikant. 10,1 % des Umsatzes der Apotheken im Jahre 2007 und somit 3,7 Mrd. Euro fielen in den Bereich der Selbstmedikation. 235 Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geförderten Projekts („Markttransparenz im Gesundheitswesen“) der Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen wurden über mehr als 2 Jahre (April 2005 bis Juli 2007) Untersuchungen zu Entwicklungen im Gesundheitsmarkt geführt. 236 Die Auswertung einer dabei durchgeführten Befragung von 837 Apotheken ergab, dass in mehr als 90 % der Fälle die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers bei der Preisgestaltung herangezogen wurde und nur ein geringer Anteil (4,46 %) der Apotheken die freie Möglichkeit der Preisfestsetzung genutzt hat. 237 Dies macht deutlich, dass die Apotheken von der Möglichkeit einer freien Preiskalkulation – zumindest bei einem Fortbestehen der derzeitigen Gesetzeslage – kaum Gebrauch machen. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass in diesem Bereich bereits seit dem Jahre 2004 eine freie Preiskalkulation möglich ist. 232 Hierbei handelt es sich um Zahlen, die sowohl die private als auch die gesetzliche Krankenversicherung betreffen. 233 ABDA, Zahlen, Daten und Fakten 2007, Umsatzstruktur der Apotheken, Abrufbar unter http://www.abda.de/zahlen_daten_fakten.html. 234 Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., Pharma-Daten 2007, S. 48, abrufbar unter http://www.bpi.de/UserFiles/File/download/pharmadaten_07.pdf. 235 ABDA, Zahlen, Daten und Fakten 2007, Umsatzstruktur der Apotheken, Abrufbar unter http://www.abda.de/zahlen_daten_fakten.html. Die Umsatzstruktur gemessen an Umsatzwerten betrug im Überblick: 36,7 Mrd. Euro Gesamtausgaben, davon 80,1% für verordnete Arzneimittel, 10,1% für nicht verordnete Arzneimittel, 5,2 % für apothekenübliches Ergänzungssortiment und 4,6 % für freiverkäufliche Arzneimittel (vgl. ebenda). 236 Die Einzelergebnisse und weitere Informationen zum Vorgehen finden sich auf den Seiten der Verbraucherzentrale NRW, abrufbar unter www.vz-nrw.de. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich bei Vogel, VuR 2007, 421 ff. 237 Vogel, VuR 2007, 421, 423. Lediglich 0,78 % der Apotheken gaben die Arzneimittel zu einem über der UVP liegenden Preis ab.
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Es ist allerdings danach zu fragen, ob die durch eine Kostensenkung erreichbaren Folgen für den Gesundheitsschutz im Ergebnis erwünscht wären. Eine mögliche Folge wäre, dass das Arzneimittel zu einer Ware des täglichen Gebrauchs degradiert würde. Ein Wettbewerb im Bereich des Arzneimittelhandels könnte zu einer Steigerung des Konsums im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente führen. Es könnte also die Tablettenabhängigkeit gefördert werden. Allerdings ist bereits fraglich, wie weit ein solcher Wettbewerb reichen würde. Aus aktuellen Zeitungsmeldungen ist zu entnehmen, dass es beispielsweise der Apothekenkette DocMorris möglich ist, bis zu 30% günstigere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel anzubieten. 238 Im Bereich dieser Medikamente, die per se – vor allem im Bereich der Generika – relativ günstig sind, kann die Ersparnis nicht dazu führen, dass das Produkt mehr oder weniger als Arzneimittel wahrgenommen wird, als dies bereits der Fall war. Eine solche Argumentation erweckt auch den Anschein, dass dem Bürger die Mündigkeit abgesprochen werden soll. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein mündiger Verbraucher ein Medikament, nur weil es in der Packung lediglich einige Cent günstiger ist, vermehrt einnehmen wird und die Gefährlichkeit nunmehr nicht erkennt. Hinzu kommt, dass es sich bei den nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten um solche handelt, deren Gefährlichkeit bereits aus bestimmten Gründen als nicht derart hoch eingestuft wurde, dass eine Verordnung erforderlich erscheint. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass eine Kostensenkung für Krankenversicherungssysteme durch die Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots unter Aufrechterhaltung des sonstigen Systems der Arzneimittelversorgung – insbesondere bei Aufrechterhaltung der Arzneimittelpreisverordnung – nicht oder in einem kaum spürbaren Umfang zu erwarten ist. Will man demnach eine Kostensenkung im Bereich der von der Gesetzlichen Krankenversicherung getragenen Kosten erreichen, muss der einheitliche Apothekenabgabepreis aufgehoben werden. Geschickt einkaufende Apothekenketten könnten dann Preisvorteile an Versicherte oder Krankenkassen weitergeben. Zugleich müsste eine Preisobergrenze geschaffen werden, damit nicht der gegenteilige Effekt erzielt würde. 239 Problematisch ist hieran jedoch, dass sich unterschiedliche Arzneimittelpreise auf den Konsumenten vertrauensmindernd auswirken könnten. Die Konsequenzen eines solch weitgehenden Vorgehens sind kaum absehbar und können im Rahmen dieser Arbeit nicht näher untersucht werden. c) Konzernbildung / vertikale Integration Eine weitere Gefahr, der man sich bei der Liberalisierung des Fremd- und Mehrbesitzverbots ausgesetzt sieht, ist die der Konzernbildung und vertikalen 238 239
Vgl. „Payback auf den Einkaufsrabatt“ in der FAZ vom 9. 1. 2007. Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 289 ff.
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Integration. 240 Es wird befürchtet, dass sich Oligopole bilden, 241 die sich, entgegen der Intention einer Liberalisierung, wettbewerbsmindernd auswirken könnten. Als besonders problematisch wird hierbei angesehen, dass eine vollkommene Freistellung der möglichen Apothekenbetreiber zur Konsequenz haben könnte, dass die vom Gesetzgeber zur Sicherstellung der Qualität und Kontrolle vorgesehene Trennung der Sektoren im Gesundheitswesen und insbesondere die Trennung von Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln unterlaufen werden könnte. 242 Es könnten sich integrierte Hersteller-, Ärzte-, Apotheken- und Krankenhauskonzerne bilden, bei denen von den angestellten Ärzten die vermehrte Verordnung der konzerneigenen Arzneimittel sowie die vermehrte Einweisung in die konzerneigenen Krankenhäuser und von den angestellten Apothekern die vermehrte Abgabe und Abrechnung der konzerneigenen Arzneimittel erwartet würde. 243 Die – so wird behauptet – durch Konzernkonstruktionen geschaffenen „Gelddruckmaschinen“ lüden zum Missbrauch geradezu ein und hätten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf solche Personen, die ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgen. 244 Zunächst einmal ist zuzugeben, dass eine völlige Liberalisierung des Markts mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer Konzernbildung führen würde. 245 Es gibt allerdings keinen einseitigen Zusammenhang zwischen wettbewerbspolitisch positiven Marktergebnissen und der Konzentration auf einem Markt. Eine optimale Wettbewerbsintensität ist nicht unbedingt bei einer möglichst kleinteiligen Marktstruktur verwirklicht. 246 Die Bildung von Oligopolen führt auch nicht automatisch zu einer Verminderung des Wettbewerbs. Als Indiz dafür wird der Wettbewerb im Pharmagroßhandel genannt. 247 Der Vergleich mit Ländern, in denen der Apothekenmarkt liberalisiert ist und Oligopole bestehen (Norwegen), zeige, dass der Wettbewerb trotz allem intensiv bleibe. 248 Der Gefahr einer Konzernbildung, die möglicherweise mit einer Monopolstellung von bestimmten Anbietern verbunden sein könnte, ist allerdings mit kartellrechtlichen Regelungen zu entgegnen. Es wird die Aufgabe der Kartellbehörden 240 241
Martini, DVBl 2007, 10, 15. Oligopol = Marktform, bei der es zwar viele Nachfrager, aber nur wenige Anbieter
gibt. 242
Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 117. Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 117 f. 244 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 118. 245 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 117. 246 Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 516 Tz. 1176. 247 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 133; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165. 248 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 133; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165. 243
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sein, Monopolstellungen zu vermeiden. So könnten zur Verhinderung von lokalen und regionalen Monopolen auch Regelungen geschaffen werden, nach denen bei der Erteilung einer weiteren Apothekenerlaubnis eine fusionskontrollrechtliche Prüfung auf Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung erfolgt und Zusammenschlüsse von Apothekenketten auch unterhalb der üblichen Aufgreifschwellen der Fusionskontrolle unterliegen. 249 Zudem wird befürchtet, dass die Bildung von Apothekenketten und Apothekenkonzernen zu einer Veränderung der Apothekenstruktur führt, die die flächendeckende Versorgung gefährden könnte. Es bestünde die Gefahr, dass sich die Ketten und Konzerne auf Gewinn bringende Gebiete konzentrieren würden, also eine Konzentration der Apotheken auf die urbanen Bereiche stattfinden würde. So könnte die Versorgung in ländlichen Gebieten gefährdet sein. 250 Bereits heute sind in Ballungsräumen mehr Apotheken zu finden als in ländlichen Gebieten. Es ist nicht ersichtlich, warum die bereits bestehenden Apotheken in ländlichen Gebieten von Apothekenketten, die sich auf die urbanen Gebiete konzentrieren, verdrängt werden sollten. Es ist davon auszugehen, dass eine Versorgung analog zur jetzigen erreicht wird. 251 Wie die Entwicklung des deutschen Apothekenmarkts seit der Einführung des gelockerten Mehrbesitzes gezeigt hat, ist ein Zuwachs von Apotheken zu verzeichnen. Die erwartete Verringerung der Anzahl von Apotheken wird demnach mit der Einführung eines Mehrbesitzes voraussichtlich nicht eintreten. Auch eine vertikale Integration ist in dem Maße, in dem sie befürchtet wird, nicht zu erwarten. Wenn auch grundsätzlich wegen des Berufsethos der Ärzte von einem ordnungsgemäßen Verhalten im Interesse des Patienten auszugehen ist, leuchtet es auch ein, dass ihnen, weil sie das Verordnungsvolumen und damit die Menge der abgegeben Arzneimittel unmittelbar beeinflussen können, keine Möglichkeit gegeben werden sollte, aus dem Verkauf von Arzneimitteln Kapital schlagen zu können. Es könnten aber auch Regelungen geschaffen werden, die eine Beteiligung dieser Berufsgruppe an einer Apothekenbetriebsgesellschaft ausschließen. Oder aber es werden berufsrechtliche Vorschriften ausgedehnt, wie sie bereits jetzt in §§ 10, 11 ApoG bestehen. 252 Gemäß § 10 ApoG darf sich der selbstständige Apotheker nicht verpflichten, bestimmte Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt anzubieten oder abzugeben oder anderweitig die Auswahl der von ihm abzugebenden Arzneimittel auf das Angebot bestimmter Hersteller 249 Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 516 Tz. 1176; Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 456. 250 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 43; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 262. 251 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 126; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1167. 252 Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 305.
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oder Händler oder von Gruppen von solchen zu beschränken. § 11 Abs. 1 ApoG regelt, dass der selbstständige Apotheker und sein Personal mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen dürfen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben. 253 Nach einer Entscheidung des OVG Münster erstreckt sich der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf die Ärzte, sodass auch der Arzt bei einer solchen Verabredung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen würde. 254 Hinsichtlich der Beteiligung von Großhandelsunternehmen oder Herstellern an einer Apothekengesellschaft könnte durch gesetzliche Regelungen sichergestellt werden, dass die Varietät der angebotenen Arzneimittel ausgewogen zu halten ist, indem Apotheken auch weiterhin zur Vorhaltung eines Vollsortiments verpflichtet werden. 255 Eine vertikale Integration könnte zudem auch Vorteile mit sich bringen. So könnte eine Apothekenkette gerade durch die vertikale Integration mit dem Großhandel entsprechende Einkaufsvorteile realisieren. 256 d) Qualität der Beratung vs. Gewinnstreben Das zentrale zu lösende Problem im Bereich des Apothekenwesens ist die Schaffung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen dem Gewinnstreben des Apothekenbetreibers und der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Beratung, die für den Schutz der öffentlichen Gesundheit unentbehrlich ist. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass Arzneimittel – wie bereits dargestellt – besonders beratungsbedürftige Produkte sind. Entscheidend wird also sein, ob die Eindämmung des Gewinnstrebens bzw. die Aufrechterhaltung eines Qualitätsstandards bei der Beratung mit dem Fremd- und Mehrbesitzverbot besser zu erreichen ist als mit einer milderen Regelung. Der Zulassung von Apothekenketten unter der Führung Berufsfremder oder einer Kapitalgesellschaft steht nach Ansicht Einiger einer ordnungsgemäßen Beratung sowie Versorgung mit qualitativ hochwertigen Arzneimitteln entgegen. 257 Der Fehl- und Mehrgebrauch von Arzneimitteln könne durch aggressive Verkaufsförderung herbeigeführt werden. 258 Der Apotheker könnte im Zuge der Kommerzialisierung dazu tendieren, im Zweifel zum Konsum von Arzneimitteln zu raten. 253 Siehe zur Einbindung von Ärzten in die Marketingstrategien von Versandapotheken mit näheren Ausführungen zu § 11 ApoG Rixen, GesR 2006, 433 ff. 254 OVG Münster, NVwZ-RR 2000, 216. 255 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 134. 256 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 119. 257 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 93. 258 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 93.
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Dies liege daran, dass die Eigentümerstruktur des Unternehmens sich auf die im Außenverhältnis getätigte Dienstleistung auswirke. 259 Danach bilden die Eigentümerstruktur und die angebotene Dienstleistung eine Einheit, die sich auf die Qualität der Beratung auswirken kann. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Qualität der Beratung auch von der Geschäftspolitik der Unternehmensführung bestimmt wird. Zum einen kann die Beeinflussung der Tätigkeit durch Weisungen des Arbeitgebers erfolgen. Zum anderen können auch ausgesprochene und unausgesprochene Erwartungen das berufliche Umfeld eines Arbeitnehmers beeinflussen. Das Umfeld des Arbeitnehmers (Einrichtung, Warenlager, Personalbestand, Lohn- und Gehaltspolitik, Betriebsklima, Verkaufsaktionen, Preise, etc.) wirkt sich auf dessen Verhalten gegenüber dem Verbraucher / Patienten aus. 260 Da der Arbeitsplatz regelmäßig die persönliche wirtschaftliche Existenzgrundlage bildet, kann es passieren, dass der Angestellte sich scheuen wird, seinem Arbeitgeber zu widersprechen oder bestimmte Erwartungen desselben zu enttäuschen. 261 Hängen somit die Leistungen von Unternehmen nicht nur vom Personal und seiner Qualifikation, sondern auch von der Kultur in den Unternehmen ab, und richtet sich die Kultur des Unternehmens vor allem nach den Entscheidungen in der Unternehmensführung, so wird die Ordnungsmäßigkeit der Leistungen von Unternehmen letztlich durch die Persönlichkeiten und Interessen in der Unternehmensführung bestimmt. 262 Kennzeichen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens sind aber gerade die Gewinnerzielungsabsicht und die Minimierung der Risiken für die Eigentümer. Es wird befürchtet, dass deshalb die Risiken auf die Geschäftspartner – bei Apotheken trotz der Vertragskonstruktion über die Krankenkassen die Patienten – verlagert werden. 263 Da das ökonomische Risiko bei Kapitalgesellschaften kalkulierbar sei, weil es sich auf den Betrag der Kapitalanlage beschränkt, könne es die ökonomische Analyse des kurzfristig orientierten Unternehmers lohnenswert erscheinen lassen, das Unternehmen auch mit illegalen Methoden zum Schaden der Allgemeinheit arbeiten zu lassen. 264 Zwar sei die Gewinnerzielungsabsicht an sich legitim und im Allgemeinen sogar erwünscht, weil es ohne die Gewinnerzielungsmöglichkeit an den notwendigen Anreizen für die Erbringung von Leistungen fehle. 265 Jedoch werde eine Gewinnmaximierungsabsicht dann problematisch, wenn sie zu Lasten höherrangiger Schutzgüter gehe. 266 Der Gesetzeslage liege die Vermutung 259 Dettling / Mand, DAZ 2006, 3305; dies., ApoR 2006, 140; dies., Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 83. 260 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 84. 261 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 84. 262 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 89. 263 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 110. 264 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 90, 111. 265 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 90. 266 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 91.
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zu Grunde, dass derjenige, der aus fachlichem Interesse die Ausbildung zum Apotheker durchlaufe, den eine Berufs- und Standesverantwortlichkeit treffe und der sich zu einem beruflichen Ethos bekenne, sich im Durchschnitt weniger als ein fachfremder Kapitalgeber, dessen erklärte Motivation die Gewinnerzielung ist, allein von einem ökonomischen Interesse leiten lassen werde. 267 Die Vereinigung von Eigentum und pharmazeutischer Verantwortung in einer Hand sorge zumindest für ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit dafür, dass die gegenläufigen Interessen in einem verantwortbaren Verhältnis blieben. 268 Die Schaffung einer risikominimierenden Organisationsform wie die der Kapitalgesellschaft steigere jedoch die Möglichkeiten der Gewinnmaximierung. Der Aussage, dass eine Gewinnmaximierungsabsicht, die zu Lasten höherrangiger Güter geht, problematisch ist, ist im Grundsatz zuzustimmen. Dennoch ist genau zu untersuchen, ob nicht Mechanismen geschaffen werden können, die das Gewinnstreben eingrenzen und die Freiheit des Einzelnen nicht so weit einschränken. Zu fordern wäre demnach ein Mechanismus, der ein Betriebsklima ermöglicht, das die Gewinnmaximierung in den Hintergrund und die Interessen der Patienten in den Vordergrund drängt. Es muss also der Einfluss von Fachfremden auf die pharmazeutische Tätigkeit ausgeschlossen werden. 269 Es müssen allerdings auch die möglichen Vorteile einer von Kapitalgesellschaften betriebenen Apothekenkette in Betracht gezogen werden. Die Einführung von Kapitalgesellschaften für den Betrieb größerer Ketten könnte beispielsweise gerade in Bezug auf die Qualitätssicherung vorteilhaft sein: Die Qualitätssicherung könnte (bei entsprechender Änderung der ApBetrO) durch die Bildung von Kompetenzzentren in einer Kette effizienter organisiert werden. 270 Es erscheint auch wahrscheinlich, dass eine Apothekenkette effiziente Informationsstrukturen aufbauen könnte, die bspw. die Medikamentenabgabe an Patienten über eine Mehrzahl von Abgabestellen dokumentiert und im Falle des Qualitätsmangels oder bei Arzneimittelrisiken wesentlich schneller und gezielter die betroffenen Patienten ansprechen kann. 271 Es ist zudem davon auszugehen, dass die Aufsichtsbehörden größere Apothekenketten öfter kontrollieren werden als ein Einzelunternehmen. 272 Größere Einheiten könnten weiterhin für eine Belebung des Wettbewerbs auf dem Apothekensektor führen: Da die Expansionsmöglichkeiten von einzelnen 267
Martini, DVBl 2007, 10, 15. Martini, DVBl 2007, 10, 15; der aber im Ergebnis annimmt, dass sich diese Gefahren auch durch andere, mildere Mittel beseitigen lassen. Bsp.: vertragliche Regelungen, haftungsrechtliche Regelungen. 269 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 38. 270 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 131; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165. 271 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 131. 272 Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 516 Tz. 1175. 268
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Apotheken eingeschränkt sind, haben sie geringere Anreize zu wettbewerblichen Innovationen. Dies wäre größeren Einheiten jedoch möglich. 273 Es ist aber auch das Gewinninteresse der Kapitalgesellschaft näher zu betrachten. Kapitalorientiert ausgerichtete Unternehmen verfolgen im Durchschnitt stärker als inhabergeführte Unternehmen kurzfristige Geschäftsinteressen. 274 Jedoch ist beispielsweise die „Anheizung“ des Konsums im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel auch einer Kapitalgesellschaft auf Grund der vielen geltenden Regelungen des ApoG, der ApBetrO und der Arzneimittelpreisverordnung, deren Zweck die Arzneimittelsicherheit ist, nicht möglich. Der Betrieb einer Apotheke ist derart an gesetzliche Vorgaben gebunden, dass es schwer fällt, sich eine von den wirtschaftlichen Interessen einer Kapitalgesellschaft ausgeübte Einflussnahme auf den Apotheker vorzustellen. 275 Dies bedeutet, dass im Bereich des Kernsortiments der Apotheke – den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit 80,1 % des Umsatzes – die Möglichkeiten der Apotheken, untereinander in Wettbewerb zu treten, ganz wesentlich auf die pharmazeutisch-fachlichen Belange beschränkt und konzentriert sind. 276 Insofern wird sich auch hier eine Kapitalgesellschaft zur Kundenbindung auf die Qualität der Leistung beschränken. Kommerzielle Eigentümer sind deshalb wirtschaftlich auch an einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung interessiert. Dies resultiert aus der Einsicht, dass es sich für ein Unternehmen langfristig auszahlt, den Interessen der Leistungsempfänger zu dienen, statt kurzfristige Gewinnmaximierung zu betreiben. Bei langfristig unternehmerisch orientierten Eigentümern besteht also ein Gleichklang zwischen ihren ökonomischen Interessen und den Interessen des Leistungsempfängers. 277 Im Bereich des Apothekenrechts mit all den Regulierungen werden sich aller Voraussicht nach langfristig orientierte Unternehmen am Markt beteiligen. Käme es dazu, dass Apotheken von Kapitalgesellschaften betrieben würden, wäre es allerdings der Apothekenleiter, der für die pharmazeutische Dienstleistung verantwortlich wäre, und auf den sich das Gewinninteresse der Kapitalgesellschaft nicht negativ auswirken dürfte. Es ist deshalb im Folgenden noch einmal kurz die Tätigkeit eines Apothekenleiters zu skizzieren und sodann daraufhin zu untersuchen, ob dieser, unterstünde er einer Kapitalgesellschaft, seinen Pflichten nicht so gut nachkäme, wie wenn er einem Apotheker unterstünde. 273
Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 515 Tz. 1174. Martini, DVBl 2007, 10, 15, der aber im Ergebnis annimmt, dass sich diese Gefahren auch durch andere, mildere Mittel beseitigen lassen, bspw.: vertragliche Regelungen, haftungsrechtliche Regelungen. 275 Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 455. 276 Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 121. 277 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 110 f., die jedoch grundsätzlich davon ausgehen, dass die Betriebsführung einer Apotheke durch eine Kapitalgesellschaft für die Qualität der Leistungserbringung schädlich sein wird. 274
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Dem angestellten Apotheker droht bei einer falschen Beratung gem. § 4 Abs. 2 ApoG der Widerruf der Approbation, wenn er die in § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG geregelte Zuverlässigkeit nicht besitzt. Der Apothekenleiter haftet daneben persönlich für Beratungsfehler, die zu einer Verletzung der körperlichen Integrität des Patienten führen. 278 Der Gesetzgeber ist bei der Lockerung des Mehrbesitzverbots selbst davon ausgegangen, dass ein Apothekenleiter, der approbierter Apotheker ist, in der Lage dazu ist, pharmazeutische Entscheidungen verantwortungsvoll zu treffen. Zwar wird der Apothekenleiter derzeit noch von einem Apotheker beaufsichtigt. Es mutet dennoch etwas merkwürdig an, dass Apotheker – in den meisten Fällen sind es die Apotheker, die sich gegen eine Liberalisierung des Apothekenmarkts stellen – die Befürchtung haben, dass ihre Standesbrüder sich unzuverlässig verhalten und von fachfremden Einflüssen beherrschen lassen werden, sobald das Fremd- und Mehrbesitzverbot fällt. 279 Auch in anderen Bereichen der freien Berufe (bspw. bei der Anwaltschaft oder dem Arzt) ist nicht ersichtlich, dass sich ein Freiberufler, nur weil er ein Angestellter einer Kapitalgesellschaft ist, nicht entsprechend seinem Berufsethos verhält. 280 Es stellt sich die Frage, warum dies bei Apothekern anders sein soll. Der selbstständige Apotheker verringert im Falle einer Abgabeverweigerung unmittelbar seinen Umsatz und damit in der Regel sein Einkommen, während der vom fachfremden Eigentümer angestellte Apotheker nur Umsatz und Einkommen seines Arbeitgebers verringert. Umsatz und Einkommen des Arbeitgebers haben keinen unmittelbaren Einfluss auf das Arbeitsentgelt des angestellten Apothekers. 281 Die besondere Ausbildung des Freiberuflers sowie seine Bindung an ein Berufsethos sprechen vielmehr dafür, dass er sich auch als Angestellter in seiner Berufsausübung unabhängig verhalten wird. 282 Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum in einer Apotheke, in der der Apothekenleiter ein approbierter Apotheker ist, keine ordnungsgemäße Beratung stattfinden oder gar die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Arzneimitteln gefährdet sein soll. 283 Hinzu kommt, dass es realitätsfern wäre anzunehmen, dass das Gewinninteresse dem Apotheker fremd ist. Der Durchschnittsumsatz der im Jahre 2007 bestehenden 21.570 Apotheken 284 lag bei 1,701 Mio. Euro. 285 Jedoch erreichten nur zwei Drit278
Deutsch / Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1192. Ähnlich Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1171; Kleine-Cosack, DB 2007, 1851, 1853. 280 Kleine-Cosack, DB 2007, 1851, 1853; Bachmann, NJW 2001, 3385. Eine Darstellung der in anderen freien Berufen geltenden Grundsätze erfolgt weiter unten, 3. Kap., B. VI. 1. e. 281 Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 304. 282 Kleine-Cosack, DB 2007, 1851, 1853. 283 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 38. 284 ABDA, Zahlen, Daten, Fakten 2007, Entwicklung der Apothekerzahl, abrufbar unter http://www.abda.de/zahlen_daten_fakten.html. 285 ABDA, Zahlen, Daten, Fakten 2007, Umsatz je Apotheke, abrufbar unter http://www .abda.de/zahlen_daten_fakten.html. 279
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tel der Apotheken diesen Durchschnittsumsatz. 286 Teilweise bestehen Ein-MannApotheken, in denen der einzelne Apotheker um seine Existenz ringen wird. Ein Apotheker, der in seiner einzigen Apotheke um die Existenz ringt, wird vergleichsweise eher seine Aufgaben im Rahmen des Gesundheitswesens vernachlässigen als derjenige, der vorübergehende Verluste der einen Apotheke durch Gewinne einer anderen Apotheke ausgleichen kann. 287 Bereits heute sind Instrumentarien geschaffen worden, die darauf hindeuten, dass der Apotheker sehr wohl auch an einer Gewinnmaximierung interessiert ist. So werden Einkaufsgemeinschaften und Vereine gegründet, die für Apotheken strategische Zukunftskonzepte etc. bieten. 288 Fremd- und Mehrbebesitzverbot verhindern bei steigenden Insolvenzzahlen also die Möglichkeit, Kooperationsformen zu schaffen, die bei möglicher gleichzeitiger Sicherstellung der fachlichen Unabhängigkeit des einzelnen Apothekers ein geeignetes Mittel wären, um gefährdete Apotheken wieder rentabel zu machen. 289 Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass Gewinnstreben und berufsethische Orientierung sich nicht gegenseitig ausschließen. 290 Es kann von einem angestellten Apotheker, der in einer von einer Kapitalgesellschaft betriebenen Apotheke arbeitet, erwartet werden, dass er sich auf Grund seiner besonderen Ausbildung und seines Berufsethos nicht zu einer Vernachlässigung seiner Pflichten in Bezug auf eine qualitativ hochwertige Beratung im Interesse des Patienten verleiten lassen wird. Es reicht demnach aus, gesetzlich sicherzustellen, dass dieser angestellte Apotheker gegenüber seinem Arbeitgeber in fachlicher Hinsicht weisungsunabhängig ist. Die gesetzliche Regelung der Weisungsunabhängigkeit wird auch nicht umgangen werden, wenn der angestellte Apotheker weiterhin in seiner Person für die Qualität der Dienstleistung einstehen muss. Dies wird auch in Zukunft durch die Möglichkeit des Verlusts der Approbation gewährleistet sein. e) Vergleich mit anderen freien Berufen Argumente für oder gegen das Fremd- und Mehrbesitzverbot liefert regelmäßig der Vergleich mit anderen freien Berufen. Es sollen deshalb im Folgenden beispielhaft die Regelungen im Bereich des Arzt-, Rechtsanwalts- und Steuerberatungsrechts in Augenschein genommen werden. 286 ABDA, Zahlen, Daten, Fakten 2007, Umsatzverteilung, abrufbar unter http://www .abda.de/zahlen_daten_fakten.html. 287 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 42; Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 516 Tz. 1175; Streinz / Herrmann, EuZW 2006, 455, 458; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1170 sehen aus diesem Grund bereits die Geeignetheit des Fremdbesitzverbots zur Erreichung des Ziels als fraglich an. 288 Vogel, VuR 2007, 421, 425 f.; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1167; siehe zu den Einkaufsgemeinschaften auch Grams, MedR 1997, 406, 409 ff. 289 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 54. 290 Becker, ApoR 2004, 8, 11.
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Bemerkenswert ist dabei zunächst die Erkenntnis, dass derart weitgehende Beschränkungen, wie sie im Apothekenrecht gelten, in keinem anderen Bereich freiberuflicher Tätigkeit existieren. 291 aa) Arzt Der Zusammenschluss von Ärzten in der Rechtsform einer GmbH ist seit einer Entscheidung des BGH im Jahre 1993 möglich. 292 Dementsprechend wurde die (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) geändert. 293 Gemäß § 23a Abs. 1 MBO-Ä können Ärzte auch in der Form der juristischen Person des Privatrechts ärztlich tätig sein. Gesellschafter einer Ärztegesellschaft können nur Ärzte sowie Angehörige mit selbstständig tätigen und zur eigenverantwortlichen Berufsausübung befugten Berufsangehörigen anderer akademischer Heilberufe im Gesundheitswesen oder staatlicher Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen sowie andere Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler und Angehörige sozialpädagogischer Berufe sein. Neben der Tatsache, dass die Ärzte in der Gesellschaft beruflich tätig sein müssen, ist auch zu gewährleisten, dass die Gesellschaft verantwortlich von einem Arzt geführt wird und die Geschäftsführer mehrheitlich Ärzte sind. Weiterhin muss die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte von Ärzten gehalten werden. Dritte dürfen hingegen nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sein, § 23a Abs. 1 S. 4 lit. c) MBO-Ä. Schließlich muss eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung für jeden in der Gesellschaft tätigen Arzt bestehen, § 23a Abs. 1 S. 4 lit. d) MBO-Ä. Gemäß § 17 Abs. 2 MBO-Ä ist es Ärzten zudem gestattet, über den Praxissitz hinaus noch an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein. Während das Tätigkeitsfeld der Ärzte-GmbH nach der Entscheidung des BGH bisher praktisch auf Privatpatienten beschränkt ist, dürfte sich dies mit der Einführung des Medizinischen Versorgungszentrums durch das GMG bald ändern. 294 Für das Vertragsarztrecht gilt weiterhin die Beschränkung des § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV, wonach die gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit nur im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis und somit in der Form einer GbR oder Partnerschaftsgesellschaft möglich ist. 295 Folgert man aus der Möglichkeit des Zusammenschlusses zu einer GmbH 291
Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 43. BGHZ 124, 224; eine Zusammenfassung der Entwicklung der Ärzte-GmbH im Sinne einer Berufsausübungsgesellschaft liefert: Hildebrandt, Entwicklungen und Rechtsprobleme freiberuflicher Zusammenschlüsse, S. 97 ff.; siehe hierzu auch Quaas / Zuck, Medizinrecht, § 14 Rn. 30 ff. 293 Siehe hierzu auch Wigge, in: Hdb des Vertragsarztrechts, § 2 Rn. 14. 294 Andreas / Debong / Bruns, Hdb Arztrecht in der Praxis, Rn. 435; Uhlenbruck, in: Laufs / Uhlenbruck, Hdb des Arztrechts, § 18 Rn. 14, S. 165; Wigge, in: Hdb des Vertragsarztrechts, § 2 Rn. 11 ff. 295 Wigge, in: Hdb des Vertragsarztrechts, R 6 Rn. 13 ff. 292
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einen haftungsrechtlichen Vorteil, so ist dieser nur im Rahmen der vertraglichen Haftung gegenüber Lieferanten, Personal und sonstigen Dritten gegeben. 296 Der Arzt haftet als Angestellter oder Gesellschafter der Ärzte-GmbH weiterhin unabhängig von der Gesellschaft selbst aus § 823 Abs. 1 BGB deliktisch. 297 Ebenso wie die Ärzte-GmbH ist auch die Heilpraktiker- 298 und die PsychotherapeutenGmbH 299 zulässig. Daneben ist es einem Arzt möglich, im Bereich der stationären Behandlung in Krankenhäusern und medizinischen Versorgungszentren als Angestellter tätig zu sein. In medizinischen Versorgungszentren können Ärzte nicht nur als Angestellte, sondern ebenfalls als Gesellschafter einer juristischen Person fungieren. 300 Das medizinische Versorgungszentrum ist gemäß § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V eine fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtung, in der Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Solche Versorgungszentren können sich gemäß § 95 Abs. 1 S. 3 SGB V aller zulässigen Organisationsformen bedienen. Die Mehrheit der Stimmrechte und des Kapitals muss dann in ärztlicher Hand liegen. 301 Aus der Definition der ärztlich geleiteten Einrichtung ergibt sich, dass alle das medizinische Versorgungszentrum betreffenden Entscheidungen letztverbindlich den tätigen Ärzten vorbehalten sein müssen. 302 Sichergestellt wird dies durch das anwendbare Organisationsrecht des Rechtsträgers, was wiederum erfordert, dass Geschäftsführung und Vertretung sowie Anteilsbesitz und Stimmrecht in ärztlicher Hand liegen. 303 Wie jeder niedergelassene Arzt mit Kassenzulassung ist das medizinische Versorgungszentrum zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet. 304 Die Ausübung ärztlicher Tätigkeit ist somit im Namen und für eine GmbH sowohl im Hinblick auf Krankenhäuser als auch auf die ambulante ärztlichen Tätigkeit zulässig, solange gewährleistet ist, dass der Arzt seine Tätigkeit in voller eigener Verantwortung ausführen kann und somit keinen Anordnungen und Weisungen fachlicher Art von Fachfremden unterliegt. 305 Dies wird als Grund 296 Taupitz, MedR 1995, 475, 477 ff.; Uhlenbruck, in: Laufs / Uhlenbruck, Hdb des Arztrechts, § 18 Rn. 14, S. 166. 297 Uhlenbruck, in: Laufs / Uhlenbruck, Hdb des Arztrechts, § 18 Rn. 14, S. 166; Quaas / Zuck, Medizinrecht, § 13 Rn. 59 ff. 298 BGH, NJW-RR 1992, 430. 299 BSG, SozR 3 – 2500 Nr. 2 zu § 124 SGB V, 12 ff. 300 Hencke, in: Peters, Hdb der Krankenversicherung, § 95 SGB V Rn. 10a. 301 Klose, BB 2003, 2702, 2703. 302 Klose, BB 2003, 2702, 2703. 303 Wigge, in: hdb des Vertragsarztrechts, § 6 Rn. 85; Klose, BB 2003, 2702, 2703. 304 Hencke, in: Peters, Hdb der Krankenversicherung, § 95 SGB V Rn. 4 ff.; Klose, BB 2003, 2702, 2703. 305 BGHZ 124, 224 ff.; Wigge, in: Hdb des Vertragsarztrechts, § 6 Rn. 1 ff.; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 40.
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für die Vermutung hinzugezogen, dass der Gesetzgeber einen erheblichen Schritt weg vom Berufbild des „Einzelarztes in seiner Praxis“ getan habe. 306 So habe die Bundesregierung auch darauf hingewiesen, dass bei dieser Form der Organisation der ärztlichen Tätigkeit „keine Gefahr für die Volksgesundheit und die Versorgung der Patienten“ bestehe und sich die bisherigen Gründungen von GmbH nicht negativ auf die Volksgesundheit ausgewirkt hätten. 307 In Anbetracht der Tatsache, dass der Arzt ebenso wie der Apotheker einen Heilberuf ausübt, erscheint der Vergleich der beiden Berufe miteinander denknotwendig. So wird festgestellt, dass – wenn noch nicht einmal die Heilbehandlung unmittelbar am Menschen es erfordere, dass nur der selbstständig in eigener Praxis tätige Arzt diese Tätigkeit ausüben dürfe – es abwegig sei, anzunehmen, die Gesundheit der Bevölkerung erfordere eine Beschränkung der Ausübung des Apothekerberufs in der Weise, dass nur der selbstständig tätige Apotheker in seiner einzigen Apotheke an der Arzneimittelversorgung mitwirken dürfe. 308 Wesentlich sei vielmehr, dass einem approbierten Apotheker die berufliche Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit in Bezug auf die konkrete Arzneimittelabgabe und Beratung übertragen sein muss. 309 Etwas, was für die ärztliche Tätigkeit – also dem Inbegriff der Sensibilität im Gesundheitswesen – gelte, könne nicht anders für den Apotheker zu beurteilen sein. 310 Es ist jedoch eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Im Unterschied zum Apotheker wird dem Arzt nur die Leistung von der Krankenkasse ersetzt, die auch im Einklang mit dem medizinisch Erforderlichen steht. 311 Der Arzt unterliegt somit einer gewissen Kontrolle. Der Apotheker erhält seine Gegenleistung in jedem Fall. Die Gefahr einer wirtschaftlichen Ausschöpfung des Patienten erscheint geringer als bei einer Apotheke, die darauf ausgerichtet ist, mit dem Verkauf von Medikamenten soviel Umsatz wie möglich zu machen. Im Hinblick auf das Mehrbesitzverbot ist der niedergelassene Vertragsarzt in Bezug auf die Möglichkeit, die ärztliche Tätigkeit an mehreren Standorten zu betreiben, in ähnlichem Umfang wie der Apotheker beschränkt (vgl. § 17 Abs. 2 MBO-Ä). 312 Somit besteht der eigentliche Unterschied zwischen Arzt und Apotheker darin, dass dem Arzt die gemeinsame Berufsausübung auch in der Organisationsform der Kapitalgesellschaft möglich ist. Auch wenn der Arzt nur die Leistung von der Krankenkasse ersetzt bekommt, die erforderlich ist, heißt dies nicht, dass nicht auch beim Arzt die Gefahr des 306 307 308 309 310 311 312
Taupitz, NJW 1996, 3033, 3036 f. BT-Drs. 13/8315, S. 2, 7. Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 41. Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 41. Martini, DVBl 2007, 10, 15. Zu den „Individuellen Gesundheitsleistungen“ siehe sogleich. Wigge / Kleinke, MedR 2002, 391, 392.
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Angebots nicht erforderlicher medizinischer Leistungen besteht. Problematisch sind vor allem die so genannten „Individuellen Gesundheitsdienstleistungen“, kurz IGeL. 313 Hierbei handelt es sich um von Ärzten angebotene Leistungen, deren medizinische Erforderlichkeit die Krankenkassen nicht anerkennen und die deshalb von der Krankenkasse nicht erstattet werden. In diesem Bereich zahlt der Patient demnach selbst. Der Markt mit IGeL-Leistungen wächst seit Jahren kontinuierlich; das Marktvolumen wurde bereits im Jahr 2005 auf über eine Milliarde Euro geschätzt. 314 Ein Bereich medizinischer Eingriffe, die jeglicher medizinischen Notwendigkeit entbehren und dennoch aus wirtschaftlichen Gründen vorgenommen werden, ist beispielsweise die Schönheitschirurgie. Hier ist der Patient dem Arzt ebenso körperlich ausgeliefert wie bei jedem anderen Arzt. Es kann nicht geleugnet werden, dass schönheitschirurgische Maßnahmen für den Erhalt oder die Wiederherstellung der Gesundheit in einigen Fällen nicht erforderlich sind. Das Interesse des Arztes, eine schönheitschirurgische Maßnahme durchzuführen, ist in diesem Fall zumindest überwiegend vom Gedanken des Gewinnstrebens geleitet. Obwohl also in verschiedenen Bereich keine Prüfung der Erforderlichkeit medizinischer Handlungen durch die Krankenkasse erfolgt, ist es den Ärzten möglich, sich in der Form einer – an sich am Gewinn orientierten – Kapitalgesellschaft zu organisieren. Sichergestellt werden muss also auch beim Arzt lediglich, dass dieser die eigentliche Dienstleistung selbst und ordnungsgemäß ausführt. Im Unterschied zum Apotheker, dem die Organisationsform der Kapitalgesellschaft gänzlich verwehrt ist, verbleibt dem Arzt die Möglichkeit des Zusammenschlusses mit anderen Ärzten und besonders benannten Berufen in Form der Kapitalgesellschaft. Als Gesellschafter kommen hierbei nur besondere Berufe in Frage, weswegen die Organisationsstruktur beim Arzt als „qualifizierter Fremdbesitz “ eingestuft werden kann. Obwohl auch der Arzt einer Einschränkung im Bereich des Betriebs mehrerer Niederlassungen unterliegt, ist die Ungleichbehandlung im Hinblick auf den möglichen Fremdbesitz im Vergleich zum Apotheker nicht nachvollziehbar. bb) Rechtsanwalt Ähnliche Regelungen bestehen auch bei den freien Berufen, die nicht zu den Heilberufen gezählt werden. Seit 1994 ist auch die Schaffung einer Rechtsanwalts(kapital)gesellschaft möglich. 315 Gemäß § 59c Abs. 1 BRAO können GmbH, 313
Vgl. hierzu ausführlich Schuldzinski, VuR 2007, 428 ff. Schuldzinski, VuR 2007, 428 mit Verweis auf eine Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK im Jahre 2006. 315 BayObLG, ZIP 1994, 1868 = NJW 1995, 199. 314
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deren Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ist, als Rechtsanwaltsgesellschaften zugelassen werden. Ziel des § 59c Abs. 1 BRAO ist die Konzipierung der Rechtsanwalts-GmbH als Berufsausübungsgesellschaft, 316 die demnach nicht lediglich eine Organisationsgesellschaft 317 sein kann. 318 Aus der Zulassung einer Rechtsanwalts-GmbH folgen die eigene Mitgliedschaft der Gesellschaft in der Rechtsanwaltskammer, ihre berufsrechtliche Verantwortlichkeit und ihre Postulationsfähigkeit. 319 Für die bislang gesetzlich nicht geregelte Anwalts-AG bejaht der BGH die Möglichkeit, durch ein Zulassungsverfahren den Status als Rechtsanwaltsgesellschaft zu erlangen. 320 Anwälten bleibt es unbenommen, ihr Betriebsvermögen – etwa das Inventar oder die Immobilie, in der die gemeinsame Kanzlei untergebracht ist –, in eine Trägergesellschaft in der Rechtsform der GmbH einzubringen und die Betriebsmittel anschließend an sich selbst als Beteiligte etwa einer Bürogemeinschaft 321 zu verpachten oder zu vermieten. 322 Beschränkt die GmbH ihre Tätigkeit darauf, ihren Gesellschaftern nur die organisatorischen Rahmenbedingungen für deren Tätigkeit zu schaffen, ohne selbst rechtsbesorgend tätig zu sein, so ist allerdings gemäß § 59d Nr. 1 BRAO eine Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft ausgeschlossen. 323 §§ 59a, 59e Abs. 1 S. 1 BRAO begrenzen den Gesellschafterkreis auf Angehörige bestimmter Berufe. Mitglieder einer klassischen Rechtsanwalts-GmbH können neben Rechtsanwälten auch Anwaltsnotare und Kammerrechtsbeistände sein. In der interprofessionel-
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Berufsausübungsgesellschaften sind dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Angehörige desselben oder verschiedener Berufe unter gemeinsamem Namen in gemeinsamen Räumlichkeiten, mit gemeinsamer Praxiseinrichtung, Apparaten, Geräten, Instrumenten und einer Bibliothek sowie mit gemeinsamem Hilfspersonal eine gemeinsame Klientel betreuen. Es handelt sich hierbei um einen Zusammenschluss zur gemeinsamen Berufsausübung. Siehe Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 95, 180; ders., AnwBl 1989, 65. 317 Die Organisationsgesellschaft wird auch als Büro- oder Praxisgemeinschaft bezeichnet. Eine Organisationsgesellschaft weist keinen Bezug zur Berufsausübung auf. Vgl. Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 96; ders., AnwBl 1989, 65. 318 BT-Drucks. 13/9820, S. 13. 319 Henssler, NJW 2007, 1393, 1398. 320 BGHZ 161, 376 ff.; siehe zuvor schon BayObLG, NZG 2000, 641 ff. mit Anmerkung von Henssler, NZG 2000, 875 ff. 321 Vgl. zur sog. Bürogemeinschaft ausführlich Henssler, in: Henssler / Prütting, BRAO, § 59a Rn. 100 ff. Die Bürogemeinschaft ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschaftszweck auf die Reduzierung von Kosten durch die gemeinsame Nutzung eines Anwaltsbüros und seiner Infrastruktur gerichtet ist. Im Übrigen behalten die Partner der Bürogemeinschaft ihre berufliche Selbstständigkeit, üben also den Anwaltsberuf nicht gemeinsam aus und nehmen insbesondere Aufträge und Entgelte nicht gemeinsam entgegen. 322 Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 116 ff.; Henssler, JZ 1992, 697, 705. 323 Henssler, in: Henssler / Prütting, BRAO, § 59c Rn. 4.
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len Gesellschaft kommen Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer hinzu. 324 Der Grund für diese restriktive Regelung liegt in der Sorge um den Schutz der Mandanteninteressen. Nur jene Berufe, die einer der Anwaltschaft vergleichbar strengen Pflichtenstellung wie z. B. der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht und einer Kammeraufsicht unterliegen, sollen als Mitglieder in Betracht kommen. 325 Insoweit lässt sich § 59a BRAO ein für alle Berufsausübungsgesellschaften verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanke entnehmen, der auf den Schutz vor berufsfremden Einflüssen abzielt. 326 Der Bundesgesetzgeber erwog in einem Entwurf zum Rechtsdienstleistungsgesetz, den Kreis der gesellschafterfähigen Berufe durch eine Neufassung des § 59a BRAO deutlich zu erweitern. 327 Gesellschafterfähig sollte danach in Zukunft jeder Beruf sein, der mit einer anwaltlichen Tätigkeit „vereinbar“ ist (vgl. §§ 7 Nr. 8, 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO). Nach dem heute erreichten Stand der Rechtsprechung gibt es nur noch wenige Aktivitäten, die nicht mit einer anwaltlichen Berufsausübung zu vereinbaren wären. Hierzu zählen insbesondere der Makler oder der Kundenberater in einer Bank, wie der BGH erst jüngst wieder bestätigt hat. 328 Dieser Vorschlag hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Der Vergleich des Apothekers mit dem freien Beruf des Rechtsanwalts ergibt, dass die Regelungen im Bereich des Apothekenrechts strenger sind. Dem Rechtsanwalt steht, ebenso wie dem Arzt, der qualifizierte Fremdbesitz offen. cc) Steuerberater Auch im Steuerberatungsgesetz (StBerG) finden sich Regelungen zur Steuerberatungsgesellschaft. Gemäß § 49 Abs. 1 StBerG können Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften als Steuerberatungsgesellschaften zugelassen werden. Gemäß § 50 Abs. 1 StBerG müssen die Mitglieder des Vorstands, die Geschäftsführer oder die persönlich haftenden Gesellschafter Steuerberater sein. Mindestens einer dieser Steuerberater muss seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder in dessen Nähe haben. Gemäß § 50 Abs. 2 StBerG können neben den Steuerbe324
Hartung, in: Henssler / Prütting, BRAO, § 59a Rn. 23. Hartung, in: Henssler / Prütting, BRAO, § 59a Rn. 23. 326 Henssler, in: Henssler / Streck, Handbuch des Sozietätsrechts, Kap. E Rn. 53. 327 Siehe zu dem entsprechenden Gesetzesentwurf BT-Drs. 16/3655, S. 14 f.; siehe hierzu auch Kleine-Cosack, AnwBl 2007, 737, 740; ders., DB 2006, 2797; ders., DB 2007, 1851, 1856; Henssler, AnwBl 2007, 553 ff. 328 BGH, NJW 2006, 2488. 325
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ratern auch Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Steuerbevollmächtigte Vorstandmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter sein. Andere besonders befähigte Personen können mit der Genehmigung der zuständigen Steuerberaterkammer ebenso Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter werden, § 50 Abs. 3 StBerG. Gemäß § 50 Abs. 4 StBerG darf die Anzahl der Vorstandmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftenden Gesellschafter, die nicht Steuerberater sind, nicht die Anzahl der Steuerberater übersteigen. Bei einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien müssen die Aktien auf Namen lauten, § 50 Abs. 5 StBerG. Gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 2 StBerG dürfen Gesellschaftsanteile nicht für Rechnung Dritter gehalten werden. Den in § 50 StBerG angehörenden Berufen müssen die überwiegenden Stimmrechte an der Gesellschaft gehören, § 50a Abs. 1 Nr. 5 StBerG. Im Rahmen von Sozietäten ist gemäß § 56 StBerG ein Zusammenschluss mit Rechtsanwaltsnotaren nur zur anwaltlichen Ausübung möglich. Im Hinblick auf diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Beschränkung der Assoziierungsmöglichkeit die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie das Berufsgeheimnis des Beraters gewährleisten wolle und daher verfassungsrechtlich unbedenklich sei. 329 Interessant ist auch, dass der Ausschluss der (Kapital-)Beteiligung Berufsfremder an Steuerberatungs- bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erst 1989 eingeführt wurde. Gemäß § 154 StBerG gilt ein Bestandsschutz für bis dahin bestehende Gesellschaften mit (Kapital-)Beteiligung Berufsfremder. Hieraus wird hergeleitet, dass für eine Auflösung der bestehenden Gesellschaften mit berufsfremder Kapitalbeteiligung keine Gemeinwohlgründe erkennbar gewesen sein müssen, weil dann sicherzustellen gewesen wäre, dass nach einer Übergangsfrist alle Steuerberatungsgesellschaften keine Fremdbeteiligungen aufweisen. 330 Auch der Steuerberater unterliegt als freier Beruf somit nicht so strengen Regelungen wie der Apotheker. dd) Zwischenergebnis für die freien Berufe Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich im Bereich der freien Berufe ein Wandel vollzogen hat. 331 Früher wurde die Tätigkeit in wirtschaftlicher Unabhängigkeit als eines der bedeutendsten Wesensmerkmale des freien Berufs angesehen; heute ist es die sachliche Weisungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit. 332 Dass die wirtschaftlich selbstständige Stellung nicht mehr für die Einordnung als freier 329
BVerfG, StB 1982, 219. Kleine-Cosack, AnwBl 2007, 737, 739; ders., DB 2007, 1851, 1854. 331 Prießler, MedR 2001, 543. 332 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 39, 40; ders., Standesordnungen, S. 46, 44 ff. 330
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Beruf entscheidend ist, ergibt sich auch aus der Regelung des § 1 PartGG, der dieses Merkmal nicht nennt. Ein Vergleich mit anderen freien Berufen darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass jedem freien Beruf Eigenheiten anhaften, die eine gesonderte Behandlung rechtfertigen können. So wird angeführt, dass die fachliche Funktion, die der Apotheker wahrnimmt, permanent während der gesamten Öffnungszeit und vor allem ortsgebunden wahrgenommen werden muss. 333 Die Tätigkeit von Rechtsanwälten und manchen Fachärzten (Radiologen, Chirurgen) unterliege keiner gesetzlich normierten Anwesenheitspflicht am Ort der Tätigkeit, weil hier in der Regel auch eine (ggf. telefonische) Erreichbarkeit zur Funktionswahrnehmung ausreiche. 334 Ein weiterer entscheidender Unterschied ist in der Tatsache zu sehen, dass bei den anderen freien Berufen, bei denen eine Zulassung als Kapitalgesellschaft in Frage kommt, von vornherein kein gesetzliches Verbot vorhanden war, das mit dem Fremdbesitzverbot vergleichbar ist. Deshalb entschied auch der BGH, dass die Verweigerung der Möglichkeit eines Zusammenschlusses zu einer Kapitalgesellschaft im Rahmen der Rechtsanwaltstätigkeit nicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG genüge. 335 Allerdings kann die fehlende Regelung eines Verbots bei den anderen freien Berufen nicht als Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung dienen: Die Ungleichbehandlung besteht ja gerade in der fehlenden Verbotsregelung. Die im Apothekenrecht im Vergleich zu anderen freien Berufen weitergehende Regulierung soll nach einer Ansicht ihre Rechtfertigung darin finden, dass der Apotheker im Gegensatz zu anderen Freiberuflern ein Gewerbe betreibt. 336 Alle anderen freien Berufe seien durch den Charakter der persönlichen Dienstleistung geprägt, der den Möglichkeiten der Delegation, Gewinnmaximierung und Gewinnpotenzierung natürliche Grenzen setze. Derartige natürliche Barrieren existierten bei den pharmazeutischen Tätigkeiten jedoch nicht in vergleichbarem Maß. 337 Die Tatsache, dass der Apotheker im Unterschied zu den anderen freien Berufen einen Gewerbebetrieb betreibt, könnte allerdings auch in die entgegengesetzte Richtung als Argument dienen. So könnte man sagen, dass gerade dort, wo bereits die Möglichkeit eines Gewerbebetriebs besteht, der zum Kernbereich der Tätigkeit von Kapitalgesellschaften gehört, es möglich sein sollte, den Betrieb durch eine Kapitalgesellschaft zuzulassen. Hier könnte man also den Vergleich zu den anderen freien Berufen als argumentum a maiore ad minus heranziehen: 333
Friauf, Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes, S. 59 f. Friauf, Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes, S. 60; siehe hierzu auch Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 249. 335 Kritisch hierzu Stürner / Bormann, NJW 2004, 1481, 1483. 336 Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 86. 337 Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 86. 334
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Wenn schon die nicht gewerblich gestalteten freien Berufe eine Berufsausübung in der Form der Kapitalgesellschaft zulassen, dann müsste dies erst recht für den Apothekenbetrieb gelten. Eine Ungleichbehandlung des Apothekers gegenüber anderen freien Berufen lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Apotheker aus dem Katalog des § 1 PartGG herausgenommen wurde. Dies geschah nicht etwa auf Grund einer besonderen Stellung des Apothekers unter den Freiberuflern, sondern – laut Entwurfsbegründung – weil für den Apotheker in § 8 ApoG bereits eine Entscheidung für die GbR und die OHG als zulässige Kooperationsform getroffen wurde. 338 Maßgeblich beteiligt an der Entscheidung, den Apotheker aus dem Regelungswerk des § 1 PartGG herauszunehmen, waren die Berufsverbände der Apotheker. 339 f) Wandel im Beruf des Apothekers Es hat sich jedoch nicht nur in den freien Berufen allgemein, sondern auch im Berufsbild des Apothekers seit der Schaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots ein Wandel vollzogen. 340 Besonders auffällig zeigt sich dieser Wandel, wenn man sich vor Augen führt, dass der Apotheker kaum noch selbst Arzneimittel formuliert, also selbst in nur noch geringem Umfang im Laboratorium tätig ist. Der weit überwiegende Anteil der verkauften Arzneimittel besteht aus Fertigarzneien. 341 Zudem hat der Apotheker im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel immer weniger Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Therapie. Der Apotheker ist bei der Abgabe von Arzneimitteln zunehmend an die sozialgesetzlichen Regulierungen des Arzneimittelmarkts gebunden. Gemäß § 129 Abs. 1 SGB V ist der Apotheker beispielsweise dazu verpflichtet, ein preisgünstigeres Arzneimittel abzugeben, wenn der Arzt das Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen hat. Dies lässt erkennen, dass der Arzt grundsätzlich darüber entscheidet, welcher Wirkstoff dem Patienten zukommen soll. Gerade im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel besteht ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für den Patienten bei einer falschen Einnahme. Hier hat der Apotheker keine Entscheidungsgewalt. Der Arzt kann sogar in seiner Verordnung eine selbstständige Auswahl des konkreten Arzneimittels durch den Apotheker ausschließen. 342 In diesem Bereich kann der Apotheker wegen des Verbots, die ärztliche Therapie zu beeinträchtigen (§ 20 ApBetrO), nicht einmal 338
BT-Drs. 12/6152, S. 10. Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 62. 340 Vgl. schon weiter oben, 2. Kap., D. 341 Rupp, PZ 1992, Sonderbeilage zu Nr. 25, S. 9; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 54. 342 Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 455. 339
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
den Arzneimittelverbrauch wirksam kontrollieren. 343 Gemessen an der Tatsache, dass die verschreibungspflichtigen Medikamente 77,1 % des Apothekenumsatzes ausmachen, erscheinen die Möglichkeiten des Apothekers, die Therapie mit Arzneimitteln wesentlich zu beeinflussen, eher beschränkt. Die Hauptaufgabe des Apothekers hat sich im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel von der Herstellung auf die Kontrolle verlagert. g) Krankenhausapotheke Als Beispiel dafür, dass es ausreichen kann, die Apotheke von einem angestellten Apotheker leiten zu lassen, während Betreiber eine Kapitalgesellschaft sein kann, wird die Krankenhausapotheke genannt. 344 Gemäß § 27 Abs. 1 ApBetrO ist Apothekenleiter ein angestellter Apotheker, während Betreiber der Apotheke der Träger des Krankenhauses ist. Diese Konstellation, die im Bereich des Apothekenwesens eine Ausnahme darstellt, ist erlaubt, weil eine Gefährdung der Gesundheit der stationär in dem Krankenhaus behandelten und dem Krankenhaus damit unmittelbar körperlich ausgelieferten Patienten nicht zu befürchten ist. Hieraus wird hergeleitet, dass nicht ersichtlich sei, inwiefern eine Gefährdung der Volksgesundheit dann zu befürchten sei, wenn eine nicht in ein Krankenhaus eingebundene Apotheke durch einen angestellten Apotheker persönlich geleitet würde. 345 Eine solche Begründung verkennt jedoch die besondere Lage der Krankenhausapotheke: Gemäß § 14 Abs. 7 S. 2 ApoG dürfen Arzneimittel nur an die einzelnen Stationen und andere Teileinheiten des Krankenhauses zur Versorgung von Personen abgegeben werden, die im Krankenhaus vollstationär, teilstationär, vor- oder nachstationär behandelt oder ambulant operiert werden. Da die Behandlungsmaßnahmen durch Ärzte erfolgen, ist der Arzt oder sein Hilfspersonal Arzneimittelanwender. Abnehmer des Arzneimittels ist bei dieser Betrachtungsweise also nicht der Patient, sondern vielmehr das Krankenhaus. Die körperliche Auslieferung im Krankenhaus bezieht sich also auf den Arzt, nicht jedoch auf den Apotheker. Die Beratungs- und Informationspflicht des Apothekers besteht im Krankenhaus also im Verhältnis Arzt – Apotheker, § 14 Abs. 1 S. 2 ApoG. Eine Ausnahme ergibt sich hinsichtlich der Krankenhausapotheke jedoch insofern, als sie inzwischen auch Arzneimittel unter bestimmten Voraussetzungen direkt an entlassene Patienten abgeben darf, wenn die Arzneimittelversorgung über das Wochenende oder über einen Feiertag nicht gewährleistet ist, § 14 Abs. 7 S. 3 ApoG. Die Arzneimittelversorgung nicht stationär behandelter Patienten ist also nur im Ausnahmefall möglich. 343
Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 184 f. Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 48, 64. 345 Koenig / Meurer, ApoR 2004, 153, 157; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 47. 344
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Die Struktur unterscheidet sich demnach derart von der in der öffentlichen Apotheke, dass ein Vergleich der Krankenhausapotheke mit der öffentlichen Apotheke nicht eins zu eins möglich ist. 346 Bei der Krankenhausapotheke gibt es die konstruktive und funktionale Besonderheit, dass ihr Träger identisch mit dem Träger des Krankenhauses ist. Dieser hat an der Steigerung der Arzneimittelausgaben in der Regel kein Interesse, da hieraus kein Gewinn, sondern eine Kostensteigerung resultieren würde. 347 Zudem wird durch die gesetzliche Regelung der Ausnahmecharakter der Krankenhausapotheke deutlich. Hinzu kommt, dass hinsichtlich des Trägers des Krankenhauses, der Betreiber der Apotheke ist, eine charakterliche Prüfung erfolgt. Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 GewO ist die Erlaubnis zum Betrieb einer privaten Krankenanstalt nicht zu erteilen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Unternehmers in Bezug auf die Leitung oder Verwaltung der Anstalt dartun. Ebenso wenig soll die Betriebserlaubnis erteilt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die eine ordnungsgemäße und pflegerische medizinische Versorgung der Patienten als nicht gewährleistet erscheinen lassen, § 30 Abs. 1 Nr. 1a GewO. Die Konzession nach § 30 GewO bietet also schon einen gewissen Schutz vor den Gefahren einer unzureichenden oder übermäßigen medizinischen Behandlung oder Arzneimittelversorgung. Ein Vergleich der öffentlichen Apotheke mit der Krankenhausapotheke scheidet auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts aus, welches ausführte, dass die Krankenhausapotheke eben keine öffentliche Apotheke sei, da sie nur den Belangen der Krankenanstalt diene. 348 Im Ergebnis ist dem zuzustimmen. Die Strukturen der Krankenhausapotheke sind nicht mit denen der öffentlichen Apotheke vergleichbar. 349 Der Patient ist letztlich nur unter engen Voraussetzungen tatsächlicher Abnehmer des Arzneimittels. Die ordnungsgemäße Anwendung des Arzneimittels im Krankenhaus ist durch Ärzte und anderes Hilfspersonal sichergestellt. h) Möglichkeit der Verpachtung nach § 9 ApoG Neben der Krankenhausapotheke könnte die Möglichkeit der Verpachtung in den Fällen des § 9 ApoG 350 als weiteres Argument für eine Liberalisierung des 346
Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 131. Martini, DVBl 2007, 10, 13. 348 BVerfGE 17, 232, 250. 349 So auch Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 166. 350 Siehe zu den Fällen der ausnahmsweise möglichen Verpachtung einer Apotheke weiter oben, 1. Kap., A. II. 2. 347
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Fremdbesitzverbots angeführt werden. Die Möglichkeit der Verpachtung in bestimmten Fällen könnte als das Eingeständnis des Gesetzgebers gewertet werden, dass der Fremdbesitz nicht in jedem Falle einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung entgegensteht. Allerdings muss auch hier der Ausnahmecharakter der Regelung herangezogen werden, aus dem deutlich wird, dass der Gesetzgeber keine allgemeingültigen Aussagen über das Fremdbesitzverbot machen wollte. Die eng begrenzten Möglichkeiten der Verpachtung einer Apotheke, so wie sie in § 9 ApoG geregelt sind, dienen einem bestimmten Zweck. Es handelt sich um eine sozialpolitisch gerechtfertigte Ausnahme, die die Versorgung und Existenzsicherung der engen Familienangehörigen sicherstellen soll. 351 Als verfassungsrechtliche Grundlagen für diese Ausnahmeregelungen können die in Art. 20 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG verankerte Prinzipien des Sozialstaates und des Familienschutzes herangezogen werden. 352 Zudem handelt es sich bei der Erlaubnis der Verpachtung nicht etwa um eine Nutzung der Betriebserlaubnis, weil diese höchstpersönlicher Natur ist. Vielmehr handelt sich um einen Rechtsanspruch auf Nutzung der Apotheke. 353 Somit kann die Möglichkeit der Verpachtung der Apotheke in Ausnahmefällen nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht erforderlich ist. i) Beschränkung des Mehrbesitzes auf drei Filialapotheken Auch die im Jahre 2004 erfolgte Lockerung des Mehrbesitzverbots wird von einigen als Abkehr vom Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke gesehen und als Anlass zu weiterer Kritik am Fremd- und Mehrbesitzverbot genommen. 354 Der Gesetzgeber selbst habe das ursprüngliche Regelungskonzept damit so weitgehend verwässert, dass nicht mehr von einer verhältnismäßigen Beschränkung gesprochen werden könne. 355 Zwar stelle die Lockerung des Mehrbesitzverbots eine mildere Regelung dar. Die Festlegung der Anzahl der möglichen Filialapotheken erscheine jedoch willkürlich. 356 Auch wenn behauptet würde, die lokale 351 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 9 Rn. 5; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 174. 352 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 9 Rn. 5. 353 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 9 Rn. 7. 354 Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1171; Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 304; Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 454; eine Abkehr von bisherigen Prinzipien bejahend, aber dennoch am Fremd- und Mehrbesitzverbot festhaltend Pieck, DAZ 2003, 806, 808. 355 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 186. 356 Pieck, DAZ 2003, 806, 808; Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 129.
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Eingrenzung sorge dafür, dass der Apotheker noch in der Lage sei, sich persönlich um alle vier Apotheken zu kümmern, so eröffne diese Regelung einen Aufgabenbereich, der mit der pharmazeutischen Tätigkeit an sich nichts mehr zu tun habe: Kontroll- und Aufsichtspflichten in Bezug auf die anderen Apotheken. Es sei dem Apotheker bei realitätsnaher Betrachtung kaum noch möglich, die persönliche Anwesenheitspflicht in allen vier Apotheken in vollem Umfang zu erfüllen. Der Betreiber könne die einzelne Arzneimittelabgabe nicht mehr überblicken und müsse sich daher auf seinen Filialleiter verlassen. 357 Wenn es also nicht mehr auf die dem Apothekerberuf anhaftenden Züge der lokalen Verwurzelung und Verbundenheit mit dem Patientenkreis ankomme, könne der Arbeitgeber des Filialleiters ebenso eine Kapitalgesellschaft sein. 358 Diese Kapitalgesellschaft würde dann die Kontroll- und Aufsichtspflichten übernehmen. Für den Patienten / Kunden sei es wahrscheinlich unerheblich, wer der Betreiber ist, der hinter dem Apotheker steht, zu dem er den Kontakt hat, und von dem er beraten wird. 359 Für eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung reiche die Sicherstellung der fachlichen Kompetenz des vor Ort in der Apotheke fachlich unbeeinflusst handelnden Apothekers. 360 So sah auch der ursprüngliche Gesetzesentwurf des GKV-Modernisierungsgesetzes zunächst die Streichung des Mehrbesitzverbots vor. 361 Das erzielte Ergebnis – gelockerter Mehrbesitz – geht auf die Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform zurück. 362 Die Festlegung einer bestimmten Anzahl von Apotheken, bei denen der Mehrbesitz erlaubt ist, wird von anderen wiederum als legitim empfunden. Da eine genaue Bestimmung dessen, wann noch von einer persönlichen Verantwortung des Betreibers gesprochen werden könne, kaum gelingen könne, sei dem Gesetzgeber insoweit eine Einschätzungsprärogative zuzugestehen. 363 Trotz der Auflockerung sei immer noch sichergestellt, dass der Apotheker als Unternehmensträger weiterhin persönlich in die Leistungserbringung eingebunden bleibe und sich nicht auf die Unternehmensträger- und Leitungsfunktion zurückziehe, also nicht zum reinen Kaufmann mutiere. 364 Durch die enge räumliche und zahlenmäßige Beschränkung 357
Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 304. Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1168; Becker, ApoR 2004, 8, 12. 359 Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1168. 360 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 58; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1171; Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 304; Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 128; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 186. 361 BT-Drs. 15/1170, 49, 59. 362 BT-Drs. 15/1584; siehe auch Dettling, Arzneimittel in der Gesundheitsreform 2003, S. 211 ff. 363 Becker, ApoR 2004, 8, 12. 364 Dettling, Arzneimittel in der Gesundheitsreform 2003, S. 153; Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 101. 358
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
sei der Betreiber auch tatsächlich in der Lage, die Leitung der Filialapotheken persönlich zu überwachen. Es werde durch die Beschränkung auf wenige Apotheken die Möglichkeit des Aufbaus lokaler „Kleinketten“ geschaffen, in denen der freiund heilberufliche Charakter des Apothekerberufs nicht verändert oder in Frage gestellt würde, weil im Vordergrund weiterhin die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Leistungen höherer Art auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation im Interesse der Patienten und der Allgemeinheit stehe. 365 Die Zulassung des beschränkten Mehrbesitzes als eine völlige Abkehr des bisherigen Systems des „Apothekers in seiner Apotheke“ zu sehen, erscheint überzogen. Dies ergibt sich schon aus der räumlichen und zahlenmäßigen Beschränkung. Dennoch stellt die Lockerung des Mehrbesitzverbots für den Erlaubnisinhaber einen weiteren Schritt in Richtung des Gewerbetreibenden und weg vom in seinem Betrieb tätigen Pharmazeuten dar. Es kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass der Apothekenbetreiber, der vier Apotheken beaufsichtigen muss, in genauso geringem Umfang mit kaufmännischen Belangen beschäftigt ist, wie derjenige, dem nur eine Apotheke untersteht. Das gelockerte Mehrbesitzverbot stellt also insofern eine Verwässerung der bisherigen Grundsätze dar, als der kaufmännische Aspekt des Apothekenbetreibens stark zugenommen hat. Hieraus ergibt sich, dass das gesetzgeberische Leitbild eines Apothekers, dessen Fokus allein auf der pharmazeutischen Tätigkeit liegen soll, vom Gesetzgeber selbst nicht mehr konsequent eingehalten wird. Der Gesetzgeber räumt insofern ein, dass der Betrieb einer Apotheke durchaus von der pharmazeutischen Beratung trennbar ist, die Qualität der Beratung also nicht darunter leidet, dass die Unternehmensführung in höherem Maße als bisher kaufmännische Ziele verfolgt. j) Vergleich mit anderen Ländern Hilfreich für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots ist ein Blick in andere Länder. 366 Zunächst soll ein grober Überblick verschafft werden, später eine detaillierte Darstellung in Bezug auf bestimmte Länder stattfinden, die insofern von besonderem Interesse sind, als die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen sie eingeleitet hat. Auf den ersten Blick ist auffällig, dass in den europäischen Ländern, in denen der Mehrbesitz erlaubt ist, der Fremdbesitz ebenso möglich ist. Einzige Ausnahme 365 Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 103; siehe auch Gesetzesentwurf zum GMG, BT-Drs. 15/1525, S. 160. 366 Einen Überblick über die in den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft bestehenden Niederlassungsregelungen befindet sich in Ress / Ukrow, Niederlassungsrecht von Apothekern, S. 45 ff.; eine rechtsvergleichende Darstellung der Anforderung an die freien Berufe (einschließlich des Apothekers) in Europa liefert das Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Hrsg.), Freie Berufe in Europa.
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stellt hier Lettland dar, wo der Mehrbesitz, nicht jedoch der Fremdbesitz erlaubt ist. Erlaubt ist der Fremdbesitz in Belgien, Estland, Großbritannien, Irland, Italien, Litauen, Malta, Polen, Slowenien, Schweden, der Tschechischen Republik, Ungarn und den Niederlanden. Außerhalb der Europäischen Union ist er auch in der Schweiz und Norwegen erlaubt. 367 In Litauen, Ungarn und Zypern müssen die Apotheken allerdings mehrheitlich Apothekern gehören. 368 In Ungarn und Zypern ist der Mehrbesitz trotz erlaubten Fremdbesitzes verboten. 369 Dort, wo Fremdund Mehrbesitz erlaubt sind, ist der Anteil von Apothekenketten höher. Dies gilt insbesondere für Großbritannien und Irland, wo die Apotheken überwiegend von Großhandel und Konzernen gehalten werden. 370 In Schweden besteht insofern eine Besonderheit, als alle Apotheken der staatlichen Vertriebsgesellschaft „Apoteket“ gehören, die neue Abgabestellen nach Bedarf errichtet. 371 In Deutschland, Estland, Litauen, Polen, der Slowakei, der Tschechischen Republik, Rumänien und Bulgarien (außerhalb der EU auch noch in der Schweiz) besteht Niederlassungsfreiheit in dem Sinne, dass keine Bedürfnisprüfung angestellt wird. 372 In Großbritannien, Irland und den Niederlanden bestehen faktische Niederlassungsbeschränkungen in Form von speziellen Kassenverträgen für Apotheker. 373 In allen anderen Ländern ist eine direkte Niederlassungsbeschränkung in Form der Bedarfsprüfung vorgeschrieben. 374 Die Europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich, Italien, Spanien und Österreich eingeleitet, 375 weswegen diese Länder näher betrachtet werden sollen. In Frankreich gilt genauso wie in Deutschland das Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes. 376 Das französische Fremdbesitzverbot unterscheidet sich vom deutschen 367 Vgl. Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 25; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165; Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 129; Eichenhofer, MedR 2007, 329, 330. 368 Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 129. 369 Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 129. 370 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 26. 371 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 27; Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 508 Tz. 1145. 372 Österreichische Apothekerkammer, Die Österreichische Apotheke in Zahlen, 2007, S. 85, abrufbar unter http://www.apotheker.or.at; Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 27. 373 Österreichische Apothekerkammer, Die Österreichische Apotheke in Zahlen, 2007, S. 85, abrufbar unter http://www.apotheker.or.at. 374 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 27; Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 508 Tz. 1145. 375 Europäische Kommission, Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, Österreich und Spanien, IP/06/858. 376 Ress / Ukrow, Niederlassungsrecht von Apothekern, S. 89 ff.
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insofern, als es dem französischen Apotheker möglich ist, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründen (société à responsabilité limitée). 377 Allerdings darf diese Gesellschaft Eigentümerin nur einer Apotheke sein und die Leitung der Apotheke muss durch einen oder mehrere der Apotheker-Gesellschafter sichergestellt werden. 378 Des Weiteren findet sich im französischen Recht eine Regelung, der zufolge Apotheker nicht gleichzeitig in der öffentlichen Apotheke sowie in Industrie oder Großhandel tätig sein dürfen. Es findet eine örtliche Bedürfnisprüfung derart statt, dass sich die Anzahl der Apotheken proportional zur Anzahl der Einwohner verhält. 379 In Italien dürfen nur Apotheker oder juristische Personen, die aus Apothekern bestehen, private öffentliche Apotheken betreiben. 380 Zudem gilt das Verbot der Beteiligung von Unternehmen des Arzneimittelhandels an privaten pharmazeutischen Unternehmen oder an kommunalen Apotheken. Damit ist also die gleichzeitige Wahrnehmung von Vertrieb und Einzelverkauf von Arzneimitteln grundsätzlich untersagt. Zusätzlich hierzu findet in Italien – ebenso wie in Frankreich – eine örtliche Bedürfnisprüfung statt. In Spanien besteht für die Erteilung der Betriebserlaubnis einer Apotheke eine territoriale Beschränkung im Sinne der Abhängigkeit der Erteilung von der Bevölkerungsdichte. 381 Die Entfernung zwischen den Apotheken muss mindestens 250 Meter betragen. Eine Apotheke muss 2.800 bis 4.000 Einwohner versorgen. 382 Zudem haben im Rahmen des Verwaltungsverfahrens in einigen Gebieten diejenigen Apotheker bei der Erteilung der Betriebserlaubnis Vorrang, die ihre Berufserfahrung in diesem Gebiet gesammelt haben. Dieses Kriterium ist nach Ansicht der Kommission diskriminierend. Auch in Spanien gilt zusätzlich das Fremd- und Mehrbesitzverbot. In Österreich darf nur dann einem ausländischen Bewerber die Betriebserlaubnis erteilt werden, wenn die betreffende Apotheke länger als drei Jahre betrieben wurde. Hinzu kommt das Verbot der Eröffnung einer Apotheke in Gemeinden, in denen keine Arztpraxen vorhanden sind. Die Erteilung der Betriebserlaubnis ist auch hier von einer örtlichen Bedürfnisprüfung abhängig. Hierbei wird die Existenzsicherung bereits bestehender Apotheken berücksichtigt. 383 Ein Bedarf besteht 377
Ress / Ukrow, Niederlassungsrecht von Apothekern, S. 93. Ress / Ukrow, Niederlassungsrecht von Apothekern, S. 93. 379 Zu den Einzelheiten siehe Ress / Ukrow, Niederlassungsrecht von Apothekern, S. 90. 380 Europäische Kommission, Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, Österreich und Spanien, IP/06/858. 381 Europäische Kommission, Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, Österreich und Spanien, IP/06/858. 382 Ress / Ukrow, Niederlassungsrecht von Apothekern, S. 132. 383 Österreichische Apothekerkammer, Gesetzliche Rahmenbedingungen der österreichischen Apotheken, S. 3, abrufbar unter http://www.apotheker.or.at. 378
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nicht, wenn die Entfernung zwischen der künftigen neuen Apotheke und der nächsten bereits bestehenden Apotheke weniger als 500 Meter beträgt oder die Zahl der pro Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5.500 betragen wird. 384 Daneben besteht ein Fremd- und Mehrbesitzverbot. Der Betrieb einer Apotheke ist in der Form einer Personengesellschaft möglich, wenn der Konzessionsinhaber Gesellschafter mit ausschließlicher Geschäftsführungs- und Verfügungsbefugnis ist und über eine Beteiligung am gesamten Apothekenvermögen von mehr als der Hälfte verfügt. 385 So soll niederlassungswilligen Apothekern eine finanzielle Erleichterung bei der Niederlassung verschafft werden. Die von der Kommission kritisierten Regelungen dieser Mitgliedstaaten sind in mancher Hinsicht strenger als die in Deutschland, weil sie beispielsweise eine örtliche Bedürfnisprüfung vorsehen. 386 Eine solche örtliche Bedürfnisprüfung im Zusammenhang mit der apothekenrechtlichen Betriebserlaubnis wurde vom Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1958 für verfassungswidrig erklärt. 387 Wenn auch nicht zur Gemeinschaft gehörend, so bietet sich eine nähere Betrachtung des norwegischen Apothekensystems an. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot in Norwegen am 1. März 2001 aufgehoben wurde. Seitdem werden die dortigen Entwicklungen von den Verfechtern des Fremd- und Mehrbesitzverbots als abschreckendes Beispiel dafür genannt, welche Auswirkungen die Liberalisierung auf den Markt haben kann. Bereits sieben Monate nach der Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots in Norwegen kontrollierten Pharmazieketten annähernd zwei Drittel des norwegischen Pharmazieeinzelhandels. 388 Die Apothekenketten sind dabei stark mit dem Großhandel verbunden: Das Unternehmen „Apokjeden“ (Gruppe TAMRO) hält ca. 39 %, GEHE ca. 32 % und Holtung ca. 26% des Marktanteils. Interessant ist hierbei, dass die Apothekenketten-Gesellschaften in der Regel von Großhandelsbetreibern und den Apothekern selbst gehalten werden. Die Apotheker, die ihre Apotheken an Kapitalgesellschaften verkauft haben, sind also weiter an ihren ehemaligen Apotheken beteiligt. 389 Bemerkenswert ist, dass trotz der sehr unterschiedlichen Systeme keine Berichte darüber bekannt sind, dass die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung 384
Österreichische Apothekerkammer, Gesetzliche Rahmenbedingung der österreichischen Apotheken, S. 4. 385 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 68 f.; Österreichische Apothekerkammer, Gesetzliche Rahmenbedingung der österreichischen Apotheken, S. 4 f.; Institut für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg (Hrsg.), Freie Berufe in Europa, S. 130 f. 386 So auch Tisch, EuR 2007 (Beiheft 2), 93, 99. 387 BVerfGE 7, 377 ff. 388 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 119. 389 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 121.
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in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft, die den Fremd- und Mehrbesitz erlauben, in einem schlechteren Zustand als in Deutschland ist. 390 Dies bezeichnete das Bundesverfassungsgericht bereit im Jahre 1958 als Tatsache: „[... I]n anderen, der Bundesrepublik zivilisatorisch vergleichbaren Staaten (besteht) volle Niederlassungsfreiheit, ohne dass deshalb von einer vollen Gefährdung der Volksgesundheit durch Mängel der Arzneiversorgung ernstlich die Rede sein könnte.“ 391 Es zeigt sich allerdings im europäischen Vergleich das Bedürfnis, den Betrieb der Apotheke zumindest überwiegend in die Hand der Apotheker zu legen. 392 k) Möglichkeit des Versandhandels Schließlich spricht noch die Möglichkeit, Arzneimittel aus einem anderen Land der Gemeinschaft zu beziehen (§§ 43 Abs. 1 AMG, 11a ApoG, 17 Abs. 2a ApBetrO), dafür, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot keine konsequente Anwendung mehr findet und deshalb für den Schutz der Volksgesundheit nicht mehr erforderlich ist. Dies, weil der Kauf von Arzneimitteln über das Internet dem deutschen Patienten die Möglichkeit eröffnet, Arzneimittel von Apotheken zu beziehen, die sich im Ausland befinden, und deren Betreiber eine Kapitalgesellschaft ist. Durch den Versandhandel von Arzneimitteln aus dem europäischen Ausland nach Deutschland wird das nationale System insofern untergraben. Die hierfür angeführte Argumentation, die in § 73 Abs. 1 S. 1a AMG geregelte Möglichkeit des Versandes von Arzneimitteln nach Deutschland beruhe auf dem Zwang, den das Gemeinschaftsrecht auf den deutschen Gesetzgeber ausübe, 393 kann indes nicht überzeugen. Auch wenn die Erlaubnis des Versandes nicht der Umgehung des Fremd- und Mehrbesitzes dienen sondern „den Risiken eines ‚wilden‘ Arzneimittelhandels über das Internet entgegenwirken und die Versorgungsverantwortung der Apotheken stärken soll,“ 394 hat sie letztlich zur Konsequenz, dass nicht alle Arzneimittel in Deutschland unter denselben Bedingungen bezogen werden. Somit kann auch im Hinblick auf die Möglichkeit des Bezuges von Arzneimitteln durch den Versandhandel von einer Verwässerung des Fremd- und Mehrbesitzverbots gesprochen werden.
390 So auch Tisch, EuR 2007 (Beiheft 2), 93; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 36. 391 BVerfG 7, 377, 415. 392 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 69. 393 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 175. 394 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 175.
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l) Zusammenfassung Betrachtet man alle vorgebrachten Argumente, so ergeben sich folgende Erkenntnisse, die zusammengefasst werden sollen: Der Apothekenmarkt ist ein besonderer Markt, der nicht den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegt wie andere Märkte. Das verkaufte Produkt ist per se beratungsbedürftig, weil von ihm eine besondere Gefährlichkeit für die Gesundheit des Patienten ausgeht. Der Patient hat im Krankheitsfall das Bedürfnis, das Produkt sofort zu erhalten. Dabei wird es dem Patienten bis zu einem bestimmten Grad gleichgültig sein, wie hoch der Preis für das Arzneimittel ist. Für eine auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnittene, ordnungsgemäße Beratung ist in der Apotheke das entsprechende Umfeld erforderlich. Hierauf kann die Organisationsstruktur der Apotheke durchaus Einfluss haben. Eine Kostensenkung für das System der Krankenversicherung ist durch die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots nur eingeschränkt erreichbar: Im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneien und des Nebensortiments bedeutet es keine Kosteneinsparung. Im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel ist mit einer Preissenkung zu rechnen. Hiervon profitiert die gesetzliche Krankenversicherung nicht so stark wie der Verbraucher. Es ist nicht ersichtlich, dass sich eine Kostensenkung negativ auf die Volksgesundheit auswirken wird, weil davon auszugehen ist, dass der mündige Bürger das Arzneimittel nicht als Ware des täglichen Bedarfs ansieht, nur weil diese geringfügig günstiger zu beziehen ist. Hinzu kommt, dass gerade der Bereich der Selbstmedikation nicht dieselben Risiken birgt wie der verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit eben nur im Wege der Verordnung durch den Arzt erhältlich sind. In diesem Bereich der gefährlichsten Arzneimittel hat der Apotheker sozusagen keine Handhabe, den Arzneimittelkonsum zu verstärken. Eine Konzernbildung wird mit Einführung des Fremd- und Mehrbesitzes aller Wahrscheinlichkeit nach stattfinden. Das Kartellrecht müsste eine Monopolisierung in diesem Bereich kontrollieren. Es erscheint dennoch nicht als notwendige Konsequenz der Konzernbildung, dass eine flächendeckende Versorgung im Bereich der ländlichen Gebiete in Gefahr sein wird. Eine vertikale Integration ist unerwünscht, wenn dadurch das Verordnungsvolumen unmittelbar beeinflusst werden kann. Dieser Gefahr kann man durch den entsprechenden Ausschluss verschiedener Berufsgruppen aus dem Apothekenbetrieb entgegen wirken. Zudem ist mit positiven Folgen durch die Konzernbildung und Verkettung der Apotheken zu rechnen: Einkaufsvorteile können erzielt, Qualitätssicherungssysteme und effiziente Informationsstrukturen können aufgebaut werden. Von elementarer Bedeutung für eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung ist die Qualität der pharmazeutischen Beratungsleistung. Auf die Qualität der Beratung kann sich ein ungezügeltes Gewinnstreben negativ auswirken. Aller-
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dings schließen sich Gewinnstreben und berufsethisches Verhalten nicht per se gegenseitig aus. Es ist davon auszugehen, dass sich ein angestellter Apotheker (Apothekenleiter) an seine Berufspflichten halten wird, auch wenn ihm nicht mehr der Einzelapotheker als Unternehmensinhaber gegenübersteht. Es muss hierbei jedoch die Weisungsunabhängigkeit bei der pharmazeutischen Tätigkeit erhalten bleiben. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Qualität der Beratung auch in einer von einer Kapitalgesellschaft betriebenen Apothekenkette primäres Mittel der Kundenbindung sein wird. Hinzu kommt, dass im Kernbereich des Apothekensortiments – den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln – eine starke Bindung an die Regelungen des ApoG und der ApBetrO besteht, die die Handlungsmöglichkeiten stark einschränken und somit ein ungezügeltes Gewinnstreben ausschließen. Der Vergleich mit anderen freien Berufen ergibt, dass die Regelungen des Apothekenrechts die strengsten sind. Den meisten Freiberuflern ist es erlaubt, sich mit anderen Berufsangehörigen zu Kapitalgesellschaften zusammenzuschließen, wobei es sich um qualifizierte Zusammenschlüsse handelt, weil nur bestimmte Berufsgruppen Anteilseigner sein können. In der Regel reicht es also bei den anderen freien Berufen, dass die Stimmmehrheit oder die Mehrheit der Gesellschaftsanteile sowie die Geschäftsführung, etc. in der Hand der Berufsangehörigen bleiben. Der Vergleich mit dem Arzt als freiem Heilberuf ergibt, dass für eine Andersbehandlung des Apothekers keine überzeugenden Gründe ersichtlich sind. Der freie Beruf hat sich gewandelt. Im Vordergrund steht nicht mehr die wirtschaftliche Unabhängigkeit, sondern die weisungsunabhängige Leistungserfüllung. Der Apothekerberuf hat sich ebenso gewandelt. Der Apotheker ist nicht mehr selbst Arzneimittelhersteller, er hat vielmehr eine Kontroll- und Vollzugsfunktion. Eine Übertragung der Regelungen zur Krankenhausapotheke auf die öffentliche Apotheke kann wegen der strukturellen und funktionellen Unterschiede nicht stattfinden. Eine Andersbehandlung der Krankenhausapotheke ist gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat durch die Lockerung des Mehrbesitzes das bisherige System insofern verwässert, als die kaufmännische Tätigkeit des selbstständigen Apothekers verstärkt wurde. Als eine Verwässerung des bestehenden Systems kann auch die Möglichkeit des Versandhandels von Arzneimitteln aus EU-Ländern angesehen werden, in denen der Fremd- und Mehrbesitz erlaubt sind. Der Vergleich mit anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft ergibt, dass mit dem deutschen Fremd- und Mehrbesitzverbot vergleichbare Regelungen existieren. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Arzneimittelversorgung in den Ländern, in denen der Fremd- und Mehrbesitz erlaubt ist, schlechter ist als in Deutschland. In vielen Ländern, in denen der Fremd- und Mehrbesitz erlaubt ist, bestehen andere Niederlassungsbeschränkungen, beispielsweise in Form der Bedürfnisprüfung.
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Nach der umfassenden Darstellung des Diskussionsstands rund um das Fremdund Mehrbesitzverbot ist nunmehr mit Hilfe der aufgeführten Argumente konkret zu prüfen, ob die Verbote mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar sind. Hierfür muss das Fremd- und Mehrbesitzverbot einen legitimen Zweck verfolgen, zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. 2. Legitimer Zweck / Gemeinwohlbelang a) Fremdbesitzverbot Das Fremdbesitzverbot ist für bereits selbstständige Apotheker eine Berufsausübungsregelung. Nach der Drei-Stufen-Lehre ist hierfür demnach zu fordern, dass mit dem Fremdbesitzverbot vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls verfolgt werden. Für Berufsfremde ergibt sich aus dem Fremdbesitzverbot, dass diesen auf Grund des Fehlens einer Approbation als Apotheker der Zugang zum Beruf des Apothekenbetreibers verwehrt ist. Der Kapitalgesellschaft ist der Zugang zum Beruf des Apothekenbetreibers zwar grundsätzlich verwehrt. Jedoch wird diese Einschränkung der Berufsfreiheit der Kapitalgesellschaft aus bereits genannten Gründen einer subjektiven Zulassungsbeschränkung gleichgestellt. Es ist deshalb hinsichtlich des mit dem Fremdbesitzverbot verfolgten Zwecks zu fordern, dass mit dem Fremdbesitzverbot ein überragendes Gemeinschaftsgut geschützt wird. aa) Gesundheitspolitische Ziele (1) Schutz der „Volksgesundheit“ durch Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln Das Fremdbesitzverbot verfolgt in erster Linie das Ziel, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Dieses Ziel ist explizit als Aufgabe des Apothekers genannt, § 1 Abs. 1 ApoG. Die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung dient wiederum dem Schutze der „Volksgesundheit “. 395 Die Volksgesundheit ist ein Gemeinschaftsgut, das nach der Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts Eingriffe in die Berufsfreiheit sogar durch objektive Zulassungsbeschränkungen legitimieren kann. 396 Selbst wenn man also das Fremdbesitzverbot als objektive Zulassungsschranke eingestuft hätte, wäre dieses Ziel für die Rechtfertigung des Eingriffs legitim gewesen. 395 Siehe Frenzel, DÖV 2007, 243 ff., der sich kritisch mit dem Begriff der „Volksgesundheit“ auseinandersetzt. 396 BVerfGE 7, 377, 414; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art 12 Rn. 352; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 68; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 100.
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Die körperliche Unversehrtheit und das Leben des Menschen sind durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützt und stellen in der Werteordnung des Grundgesetzes Höchstwerte dar. 397 Obwohl Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht ein Recht auf Gesundheit gewährleistet, 398 ist es Ziel staatlichen Handelns, die öffentliche Gesundheit zu erhalten und zu fördern. 399 Ist die Gesundheit eines Individuums in Gefahr, wird es versuchen, diesem Zustand so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen. Der Staat schafft im Hinblick auf seine Verpflichtung, die Gesundheit jedes Einzelnen zu schützen, die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen dafür, dass jeder zu jeder Zeit die Möglichkeit zur Beschaffung von Arzneimitteln hat. 400 Zur Sicherung der Arzneimittelversorgung ist deshalb eine ausreichende Verteilung von Apotheken im Raum erforderlich. 401 Dabei ist hinsichtlich der örtlichen Verfügbarkeit von Arzneimitteln zu fordern, dass diese bundesweit in nicht zu zeitaufwendiger und mühseliger Weise erreichbar sind. 402 In quantitativer Hinsicht müssen die Abgabestellen Arzneimittel in ausreichender Menge auf Lager haben, bzw. ihre Beschaffung muss in kürzester Zeit möglich sein. 403 In Bezug auf die Qualität ist die Überprüfung der Beschaffenheit des Arzneimittels vor der Abgabe nötig. 404 Die Versorgung muss weiterhin rund um die Uhr gewährleistet sein. Dieser zeitlichen Anforderung wird mit der gesetzlichen Regelung zur Dienstbereitschaft nachgekommen. 405 Doch der Staat muss nicht nur den einfachen Zugang zum Medikament im Krankheitsfall gewährleisten. Als medizinischer Laie kann der Patient sein Krankheitsbild nicht richtig identifizieren. Er kann die Dosierung, Wirkung und Gegenwirkung eines Medikaments nicht richtig einschätzen, manchmal wird 397 BVerfGE 39, 1, 41 f.; 53, 30, 65; 56, 54, 73; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 91. 398 Murswik, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 150. 399 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 34 f. 400 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 35; Schiedermair / Pieck, ApoG, § 1 Rn. 101 f. 401 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 177; Schiedermair / Pieck, ApoG, § 1 Rn. 101 f. 402 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 49; Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 35 f.; Schiedermair / Pieck, ApoG, § 1 Rn. 101 f. Nach der Rechtsprechung ist die Arzneimittelversorgung nicht mehr ordnungsgemäß, wenn die Entfernung zur nächstgelegenen oder -erreichbaren Apotheke mehr als ca. 6 km beträgt und werktäglich während der Öffnungszeiten der Apotheke nicht mindestens je einmal vormittags und nachmittags die Möglichkeit besteht, den Weg zur Apotheke und zurück mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb etwa einer Stunde zurückzulegen (BVerwGE 45, 331, 339; VGH Baden-Württemberg, NJW 1995, 1631 f.). 403 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 36. 404 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 37. 405 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 1 Rn. 101 f.; Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 37.
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er gar gegen die Interessen seiner Gesundheit handeln (Missbrauch von Alkohol oder Drogen). 406 Hier muss der Staat auch dem Fehl-, Mehr- oder Missbrauch von Medikamenten entgegenwirken. 407 Das Bundesverfassungsgericht formulierte hierzu: „[U]nbestritten (ist) auch, dass eine geordnete Arzneimittelversorgung zum Schutz der Volksgesundheit unumgänglich ist. Als ‚geordnet‘ wird dabei eine Versorgung angesehen werden können, die sicherstellt, dass die normalerweise, aber auch für nicht allzu fern liegende Ausnahmesituationen benötigten Heilmittel und Medikamente in ausreichender Zahl und in einwandfreier Beschaffenheit für die Bevölkerung bereitstehen, zugleich aber einem Missbrauch von Arzneimitteln nach Möglichkeit vorbeugt.“ 408 Das Fremdbesitzverbot will erreichen, dass der selbstständige Apotheker mit seiner Apotheke dauerhaft lokal verbunden ist und somit immer demselben Patientenkreis zur Verfügung steht. Dadurch soll er „permanent und unausweichlich mit den Folgen seines Handelns innerhalb und außerhalb seines Dienstes konfrontiert sein.“ 409 Dem Idealbild entspricht es dabei, dass der selbstständige Apotheker sich nicht vom Gewinnstreben leiten lässt und deshalb trotz seiner Zwitterstellung in erster Linie als Heilberufler und erst in zweiter Linie als Kaufmann fungiert. 410 Die unbeschränkte persönliche Haftung des Apothekers soll in wirtschaftlicher und psychologischer Hinsicht zu einem Höchstmaß an Verantwortlichkeit für die ordnungsgemäße Arzneimittelabgabe führen. Das Fremdbesitzverbot soll demnach die fachliche und pharmazeutische Unabhängigkeit des Apothekers sicherstellen, indem die wirtschaftliche Handlungsfreiheit erhalten wird. Es wird davon ausgegangen, dass ein ausgebildeter Apotheker sich einem Berufsethos verschrieben hat, der ihn davon abhalten wird, Gewinninteressen überwiegen zu lassen. Die pharmazeutische Beratung soll frei vom Einfluss anderer Interessen sein. Eine nicht durch einen objektiven medizinischen Bedarf, sondern durch subjektive wirtschaftliche Interessen der Leistungserbringer motivierte Abgabe von Arzneimitteln an Verbraucher und Patienten soll vermieden werden, weil die Einnahme oder Anwendung von Arzneimitteln stets Gesundheitsrisiken birgt. 411 Es soll vor allem die Kommerzialisierung der heilberuflichen Tätigkeit vermieden werden. 412 Hierdurch soll erreicht werden, dass Arzneimittel nicht als „Konsumgut“ des täglichen Lebens angesehen werden. So sollen der Fehl- und der Mehrgebrauch von Arzneimitteln eingedämmt werden. 413 406
Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 38. Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 49. 408 BVerfGE 7, 377, 414 f. 409 Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1167. 410 S.o. 2. Kap., C. 411 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 91. 412 BVerfGE 7, 377, 415; 9, 73, 79; 17, 232, 239 f.; 94, 372, 391; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 92. 413 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 92. 407
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Das Fremdbesitzverbot soll auch eine Transparenz in Bezug auf die Eigentümerstrukturen der Apotheke gewährleisten, also die so genannte vertikale Integration verhindern. Hierunter ist zu verstehen, dass sich Angehörige solcher Berufe an der Apotheke beteiligen, die aus einem verstärkten Arzneimittelkonsum einen unmittelbaren Vorteil haben: Hersteller von Arzneimitteln, Pharmagroßhandel etc. Es soll auch verhindert werden, dass sich beispielsweise Ärzte an einer Apotheke beteiligen können. Diese können das Verordnungsvolumen direkt beeinflussen und hätten somit ebenfalls einen Vorteil aus erhöhten Gewinnen einer Apotheke. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Staat nicht nur Gewähr bieten muss für eine flächendeckende und mengenmäßig ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung. Der Staat muss ebenso einem Fehlgebrauch, Zuvielgebrauch und einem Missbrauch von Arzneimitteln entgegenwirken. Grundsätzlich ist das mit dem Fremdbesitzverbot demnach primär verfolgte Ziel des Schutzes der Volksgesundheit ein legitimes. 414 Der Verbraucherschutz im Sinne eines Gesundheitsschutzes des Verbrauchers ist vom Ziel des Schutzes der Volksgesundheit umfasst und bedarf deshalb nicht einer gesonderten Betrachtung. Der Verbraucherschutz im wirtschaftlichen Sinne spielt im Zusammenhang mit dem Fremdbesitzverbot keine Rolle, weil er in erster Linie durch die Preisregulierung gewährleistet werden soll. 415 (2) Schutz der finanziellen Stabilität des Systems der sozialen Sicherung Mit dem Gesundheitsschutz zusammenhängend kann als legitimes Ziel auch der Schutz des Systems der sozialen Sicherung vor eventuellen Gefahren einer Kommerzialisierung der Versorgung im Krankheitsfall genannt werden. 416 Der Fehl-, Mehrgebrauch und Missbrauch von Arzneimitteln in der Bevölkerung könnte zu stark erhöhten Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) führen. Die Apotheke hat für die finanzielle Stabilität im System der sozialen Sicherung eine große Bedeutung: 417 Die Gesamtausgaben der GKV beliefen sich im Jahre 2006 auf ca. 147,58 Milliarden Euro. 418 Davon wurden ca. 23,95 Mrd. Euro für Arzneimittel aufgebracht. 419 414 BVerfGE 7, 377, 439; 17, 232, 239 f.; 75, 166, 181; 94, 372, 395; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 49, 181 f.; Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 124; Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 17; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 166. 415 Schöffski, Regulierung des Apothekenwesens, S. 39. 416 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 185; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 181 f. 417 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 71 f. 418 Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., Pharma-Daten 2007, S. 40, abrufbar unter http://www.bpi.de/UserFiles/File/download/pharmadaten_07.pdf.
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Die Finanzierbarkeit des Systems der sozialen Sicherung hängt letztlich mit dem primären Ziel des Gesundheitsschutzes zusammen. Wird die öffentliche Gesundheit in einem hohen Maß geschützt und kommt es deshalb zu geringeren Ausgaben im Bereich der Arzneimittelversorgung, wird gleichzeitig das System der sozialen Sicherung gestärkt. Es kann also gesagt werden, dass, solange das primäre Ziel des Gesundheitsschutzes erreicht werden kann, das System der sozialen Sicherung in der Konsequenz ebenfalls geschützt wird. Entscheidend ist also, dass das Fremdbesitzverbot dem Schutze der Volksgesundheit dient. bb) Wirtschaftspolitisches Ziel: Mittelstandsschutz Als weiteres Ziel, das mit dem Fremdbesitzverbot verfolgt wird, könnte man den Mittelstandsschutz benennen. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Apothekenentscheidung aus dem Jahre 1964 ausgeführt: „Die Erwägung, die Arzneimittelversorgung in die Hand des Standes freier, selbstständiger Apotheker zu legen, wird dem Grundgedanken der Berufsfreiheit und der Freiheit des Einzelnen zu seiner wirtschaftlichen Entfaltung in besonderem Maße gerecht. Sie entspricht dem allgemein gebilligten wirtschaftspolitischen Ziel der Förderung des Mittelstandes.“ 420 Nach einer verbreiteten Ansicht scheidet jedoch der Mittelstandsschutz als legitimes Ziel für Eingriffe in die Berufswahlfreiheit des Einzelnen aus. 421 Der Mittelstandsschutz werde in anderen Bereichen auch nicht verwirklicht. Deshalb sei nicht ersichtlich, weswegen gerade im Apothekenrecht dieses Ziel als erstrebenswert angesehen werden müsse und Berufswahlregelungen rechtfertigen könne. 422 So erkläre es sich auch, dass das Bundesverfassungsgericht die Förderung des Mittelstands – schaue man sich den Wortlaut der Entscheidung genauer an – lediglich als eine willkommene Folge betrachte, nicht jedoch als primäres Ziel des Leitbilds „Apothekers in seiner Apotheke“. 423 Dies folge aus der Formulierung „übrigens“. 424 Das wirtschaftspolitische Ziel des Mittelstandsschutzes spielt hiernach nur dann eine Rolle, wenn er mit dem Ziel des Schutzes der Volksgesundheit in einem konditionalen Zusammenhang steht, also tatsächlich einen Nebeneffekt desselben darstellt. 425 419
Siehe auch: Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände, Zahlen Daten Fakten 2006, abrufbar unter http://www.abda.de/zahlen_daten_fakten.html. 420 BVerfGE 17, 232, 243. 421 Becker, ApoR 2004, 8, 11 f.; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 181 f.; Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 186; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 102; vgl. auch BGH, MedR 2003, 301, 303, wonach das Ziel der Mittelstandsförderung aus heutiger Sicht „angreifbar“ sei. 422 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 186. 423 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 56. 424 BVerfGE 17, 232, 243.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Dem ist zuzustimmen. Der Schutz des Mittelstands für sich allein kann nicht eine Rechtfertigung für einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit des Einzelnen darstellen. Das Fremdbesitzverbot muss sich allein am Ziel des Schutzes der Volksgesundheit messen lassen. cc) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist demnach die öffentliche Gesundheit das primäre Schutzgut des Fremdbesitzverbots. Die Förderung des Mittelstands als Schutzzweck scheidet für die Rechtfertigung aus und kann – wenn er überhaupt durch das Fremdbesitzverbot erreicht werden kann – lediglich als begrüßenswerter Nebeneffekt angesehen werden. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass der Schutz des Berufsbilds des „Apothekers in seiner Apotheke“, also der Erhalt des Apothekerstands in seiner derzeitigen Form, ebenfalls kein legitimes Ziel zur Rechtfertigung eines Eingriffs darstellen kann. 426 Das Berufsbild des Apothekers ist nicht Selbstzweck, sondern zum Schutz der Volksgesundheit entwickelt und aufrechterhalten worden. b) Mehrbesitzverbot Das Mehrbesitzverbot muss sich an den Anforderungen messen lassen, die an eine Berufsausübungsregelung gestellt werden. Es ist somit zulässig, wenn vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. 427 Das Mehrbesitzverbot dient ebenso wie das Fremdbesitzverbot der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung und damit dem Schutz der Volksgesundheit. 428 Durch die Begrenzung der Anzahl von Apotheken, die ein einzelner Apotheker betreiben darf, soll das Fremdbesitzverbot abgesichert werden. Würde das Mehrbesitzverbot aufgehoben, könnte ein selbstständiger Apotheker nicht mehr in seiner Person und mit seiner persönlichen Anwesenheit dafür sorgen, dass die pharmazeutische Dienstleistung ordnungsgemäß erbracht wird. Es wird vermutet, dass ein Apotheker, der beliebig viele Apotheken betreibt, ebenso vom Gewinnstreben geleitet werden wird, wie eine Kapitalgesellschaft. Insofern würde das Fremdbesitzverbot obsolet, ließe man den Mehrbesitz zu. So erklärt es sich auch, dass in allen Ländern, in denen der Mehrbesitz erlaubt ist, der Fremdbesitz ebenso wenig verboten ist. 429 Durch das Mehrbesitzverbot soll der Apotheker dazu 425 426 427 428 429
Becker, ApoR 2004, 8, 12. Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 49. BVerfGE 7, 377, 405 f.; vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 118. Vgl. Becker, A&R 2004, 8, 10. Klahn / Klahn, ZESAR 2005, 124, 129.
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veranlasst werden, sich auf einen bestimmten Kreis von Apotheken zu konzentrieren, damit er so seiner Pflicht zur persönlichen Anwesenheit in der Apotheke nachkommen kann. Es soll verhindert werden, dass sich Apothekenketten bilden, die zu einer Konzentrierung des Apothekenmarkts auf bestimmte Gebiete führen könnten. Es wird befürchtet, dass sich Apothekenketten auf eher urbane Gebiete konzentrieren und damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung in ländlichen Gebieten nicht mehr gewährleistet wäre. Neben der Volksgesundheit wird als vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls im Zusammenhang mit dem Mehrbesitzverbot ebenso die Eröffnung ausreichender Betätigungsmöglichkeiten für selbstständige Apotheker – also das wirtschaftspolitische Ziel des Mittelstandsschutzes – genannt. 430 Zwar wird vertreten, dass der Mittelstandsschutz für das Mehrbesitzverbot als legitimes Ziel herangezogen werden kann, weil es sich hierbei um eine Berufsausübungsregelung handelt. 431 Jedoch ist dies unter Anbetracht der nicht konsequenten Durchsetzung des Mittelstandsschutzes, wie schon beim Fremdbesitzverbot abzulehnen. Auch in Bezug auf das Mehrbesitzverbot ist der Mittelstandsschutz bestenfalls als begrüßenswerte Nebenfolge zu sehen, die für sich allein nicht zu einer Rechtfertigung des Eingriffs führen kann. Zentrale Frage bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots ist demnach, ob es dazu geeignet und erforderlich ist, eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten und damit die Volksgesundheit zu schützen. 3. Geeignetheit Das Fremd- und das Mehrbesitzverbot müssen zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks geeignet sein, die Erreichung des Ziels muss also durch die Verbote gefördert werden. 432 Zu beachten ist allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht eine Regelung als ungeeignet nur dann verwirft, wenn das eingesetzte Mittel objektiv untauglich oder ungeeignet oder schlechthin ungeeignet ist. 433 Im Rahmen der Geeignetheit ist es gerade nicht erforderlich, dass die Maßnahme die besterdenkliche ist. 434
430
Vgl. Becker, A&R 2004, 8, 10. Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 58; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 408. 432 Vgl. Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 131; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 109; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 93. 433 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 133; Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 16 f. 434 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 134. 431
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
a) Fremdbesitzverbot Das Fremdbesitzverbot erweist sich jedenfalls nicht als schlechthin ungeeignet, der Volksgesundheit zu dienen. Es besteht zumindest eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Eigentümerstruktur, die durch das Fremdbesitzverbot geschaffen wird, das pharmazeutische Interesse an der Dienstleistung fördert und das Gewinninteresse dahinter zurückbleibt. 435 So ist auch zu erklären, dass das deutsche Apothekensystem, so wie es heute existiert, eine flächendeckende Versorgung gewährleistet. Im Zusammenhang mit dem Fremdbesitzverbot wird teilweise die Geeignetheit des Verbots partiarischer Geschäfte aus § 8 S. 2 ApoG zur Erreichung des Schutzes der Volksgesundheit angezweifelt. Die bloße Gewinn- oder Umsatzbeteiligung laufe diesem Ziel nicht zuwider, weil mit ihr kein Eingriff in die fachliche Verantwortlichkeit vorliege. 436 Partiarische Verhältnisse seien im Gegensatz zur Stillen Gesellschaft gerade dadurch gekennzeichnet, dass keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten des Kreditgebers bestünden. 437 Die Umsatzbeteiligung zwinge den Apotheker keineswegs, entgegen seinem fachlichen Wissen und Gewissen bestimmte Medikamente zu verkaufen oder zu empfehlen und so der Volksgesundheit zu schaden. Im Gegenteil: Bei der Reduzierung von Umsatz und Gewinn sinken bei umsatzabhängiger Vertragsgestaltung die Kosten des Apothekers, während sie bei nicht umsatzabhängigen Vereinbarungen (Miet-, Pacht-, Finanzierungsverträgen etc.) auf gleich hohem Niveau blieben. 438 Somit sei das Verbot partiarischer Geschäfte in immer schwieriger werdenden Zeiten sogar als kontraproduktiv und somit als ungeeignet zu betrachten. 439 Jedoch kann auch das Verbot partiarischer Geschäfte nicht als schlechthin ungeeignet angesehen werden, dem Schutz der öffentlichen Gesundheit zu dienen. Auch hier besteht zumindest eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass durch das Verbot umsatzabhängiger Vereinbarungen eine Einflussnahme im Sinne einer Verleitung zum Mehrverkauf von Arzneimitteln verhindert wird. Das Fremdbesitzverbot ist mitsamt dem Verbot partiarischer Geschäfte nach dem Gesagten also zur Erreichung des Schutzes der Volksgesundheit geeignet. 440
435
Vgl. auch Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 304. Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 72. 437 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 72. 438 Koenig / Meurer, ApoR 2004, 153, 156; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 72 f. 439 Koenig / Meurer, ApoR 2004, 153, 156; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 73. 440 So auch Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 18; Rose / Fischer, A&R 2007, 107, 109. 436
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b) Mehrbesitzverbot Das Mehrbesitzverbot ist zur Erreichung des Schutzes der Volksgesundheit ebenso wenig schlechthin ungeeignet. Die Beschränkung der Anzahl der Apotheken, die ein Apotheker betreiben darf, lässt es zumindest wahrscheinlich erscheinen, dass der Apotheker sich in räumlicher Hinsicht besser um seine bis zu vier Apotheken kümmern kann, als dies bei einer unbeschränkten Anzahl an Apotheken der Fall wäre. Auch beim Mehrbesitzverbot wird deshalb entscheidend sein, ob es sich als erforderlich erweist. Im Hinblick auf das Ziel des Mittelstandsschutzes hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Zulassung des Mehrbetriebs den selbstständigen Apotheker mehr und mehr zurückdrängen und die Zahl der angestellten Apotheker wachsen lassen würde. Eine solche Entwicklung würde die Möglichkeit für den Apothekernachwuchs, zu einer eigenen Apotheke zu gelangen und damit von der rechtlich bestehenden Niederlassungsfreiheit auch faktisch Gebrauch zu machen, erheblich verringern. 441 Ein Nebeneffekt des Leitbilds des „Apothekers in seiner Apotheke“ sei die denkbar breiteste Streuung der Möglichkeit, als selbstständiger Apotheker tätig zu werden. 442 Das Mehrbesitzverbot führe automatisch zu einer optimalen Verteilung der aus ökonomischen Gründen beschränkten Zahl öffentlicher Apotheken, ohne dass eine regulierende behördliche Entscheidung notwendig sei. 443 Das wirtschaftspolitische Ziel des Mittelstandsschutzes, erkennt man es als Ziel an, wird durch das Mehrbesitzverbot nach Ansicht Einiger trotz der Argumente, die vom Bundesverfassungsgericht vorgebracht werden, nicht erreicht. Die Zahl der Apotheker nehme zu, während die Zahl der neu gegründeten Apotheken nur sehr gering sei. 444 In der heutigen Zeit sei die Neugründung einer Apotheke mit einem hohen wirtschaftlichen Risiko verbunden, das nur wenige Nachwuchsapotheker auf sich nehmen wollten. Da eine Tätigkeit als selbstständiger Verwalter oder Filialleiter nicht möglich sei, sei eine zunehmende Zahl von Apothekern gezwungen, als Angestellter in einer von einem anderen geleiteten Apotheke zu arbeiten. 445 Dies sei vom Leitbild des selbstständigen „Apothekers in seiner Apotheke“ noch weiter entfernt als die Tätigkeit als Filialleiter oder selbstständiger Verwalter einer Apotheke. Die hinter dem Mehrbesitzverbot stehende Wertung berücksichtige zwar den Apotheker, der eine weitere Apotheke eröffnen wolle. Für den jungen, wenig finanzkräftigen oder investitionsfreudigen Apotheker habe das 441 442 443 444 445
92.
BVerfGE 17, 232, 243. Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 18. Starck, Rechtsgutachten vom 11. Juni 1999, S. 15. Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 56. Becker, ApoR 2004, 8, 11; vgl. auch Schweizerisches Bundesgericht, JZ 1967, 91,
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Mehrbesitzverbot aber eine viel schärfere Konsequenz. 446 In diesem Zusammenhang wird sogar überlegt, das Mehrbesitzverbot für den Apothekernachwuchs als eine Berufswahlregelung anzusehen, weil dem Apothekernachwuchs auf Grund der Schwierigkeit der Eröffnung einer Apotheke und auf Grund der fehlenden Möglichkeit, als Verwalter oder Leiter einer Apotheke zu arbeiten, nur der Weg zum unselbstständigen Apotheker bleibe. 447 Diese Ansicht basiert allerdings noch auf dem vor 2004 geltenden absoluten Mehrbesitzverbot. Seit 2004 besteht durchaus die Möglichkeit für einen Apotheker, als Filialleiter zu arbeiten. Es ist allerdings immer noch fraglich, inwiefern es bei der Beschränkung des Mehrbetriebs auf drei Filialapotheken tatsächlich zu einer Realisierbarkeit dieses Berufswunsches kommt. Von den derzeit 21.570 Apotheken in Deutschland sind 2.356 Filialapotheken. 448 Somit liegt der Anteil der Filialapotheken bei ca. 10,9%. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich die Zahl der Neugründungen von Apotheken ab dem Jahre 2004, also seit der Einführung des gelockerten Mehrbesitzes, mehr als verdoppelt hat. 449 Setzt man die Neugründungen mit den Schließungen in ein Verhältnis, so ist seit der Einführung des gelockerten Mehrbesitzes erstmals nach drei Jahren ein Zuwachs an Apotheken zu verzeichnen. Für den Apothekernachwuchs bedeutete demnach die Lockerung des Mehrbesitzes eine Erhöhung der Chance, eine Arbeitsstelle zu erhalten. Im Ergebnis ist wegen der Ermöglichung des Betriebs von bis zu drei Filialapotheken dennoch nicht von einer Ungeeignetheit des Fremd- und Mehrbesitzverbots zur Erreichung des Mittelstandsschutzes, erkennt man es als legitimes Ziel an, auszugehen. Das Fremdbesitzverbot und das Mehrbesitzverbot sind demnach insgesamt dazu geeignet, eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung zu gewährleisten und damit die Volksgesundheit zu schützen.
446
Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 55; Schefold, JZ 1967, 92, 94. 447 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 59, 34, 56; Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 126; Monopolkommission, 16. Hauptgutachten, S. 515 Tz. 1174. 448 ABDA, Zahlen, Daten, Fakten 2007, Entwicklung der Apothekenzahl, abrufbar unter: http://www.abda.de/zahlen_daten_fakten.html. 449 Im Jahre 2004 waren es noch 122 Neugründungen, im Jahre 2004 waren es bereits 343 Neugründungen; siehe ABDA, Zahlen, Daten, Fakten 2007, Entwicklung der Apothekenzahl, abrufbar unter: http://www.abda.de/zahlen_daten_fakten.html.
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4. Die fehlende Erforderlichkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots zum Schutze der öffentlichen Gesundheit Ist eine Regelung zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet, so muss sie auch erforderlich sein. Eine Grundrechtsbeeinträchtigung ist erforderlich, wenn der Zweck, den sie verfolgt, nicht durch ein anderes, ebenso geeignetes Mittel erreicht werden kann, das den Bürger weniger belastet. 450 Hierbei kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zu. 451 Für die Beantwortung der Frage, ob ein in gleichem Maße wirksames, aber milderes Mittel zur Verfügung steht, ist erneut eine Prognose erforderlich, die verfassungsrechtlich wiederum lediglich auf ihre Vertretbarkeit hin überprüft werden kann. Es muss feststellbar sein, dass eventuelle Alternativmaßnahmen gleich wirksam und weniger belastend sind. 452 Hinsichtlich der Erforderlichkeit ist demnach zu fragen, ob dem Gesetzgeber ein milderes Mittel als das Fremd- und Mehrbesitzverbot zur Erreichung des Schutzes der Volksgesundheit und der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung zur Verfügung steht, welches zur Zweckerreichung gleichermaßen geeignet ist. Aus den Ergebnissen, die aus der Darstellung des Diskussionsstands rund um das Fremd- und Mehrbesitzverbot herzuleiten sind, kann – wie nun darzustellen ist – nur gefolgert werden, dass das Fremdbesitzverbot in der derzeitigen Form nicht das zur Erreichung des Schutzes der Volksgesundheit erforderliche Mittel ist. Das Mehrbesitzverbot, das der Sicherstellung des Fremdbesitzverbots dient, indem der persönlich-räumliche Bezug zur Apotheke gewährleistet werden soll, ist in der Konsequenz ebenfalls nicht erforderlich. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot für den Apotheker verstößt deshalb gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und ist somit verfassungswidrig. Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Apothekenmarkts und des verkauften Produkts ist davon auszugehen, dass eine (allerdings nicht uneingeschränkte) Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots nicht zu den gefürchteten Folgen einer Kommerzialisierung führen wird. Der Beruf des Apothekers hat – nicht nur in den Augen des Gesetzgebers, der bereits durch die Lockerung des Mehrbesitzverbots das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ teilweise aufgegeben hat – einen Wandel erfahren, der die strenge Regulierung nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Insbesondere der Blick auf den Arzt, der ebenso wie der Apotheker einen Heilberuf ausübt, lässt keinen hinreichenden Grund mehr dafür erkennen, dass der Apotheker im Hinblick auf die Eigentümerstruktur seines 450 Vgl. Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 136; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 109; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 94. 451 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 136. 452 Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 136.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Betriebs eine Sonderstellung einnehmen sollte. Dass der Apotheker gleichzeitig auch Gewerbetreibender ist, ist kein Argument für eine stärkere Regulierung des Markts, sondern vielmehr dafür, dass eine Liberalisierung – so wie sie im Bereich vieler anderer freier Berufe bereits stattgefunden hat – überfällig ist. Es sind durchaus Regelungsmodelle denkbar, die in gleich geeigneter Weise weniger stark in Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen und deshalb als mildere Mittel in Frage kommen. Als milderes Mittel kann jedenfalls die Zulassung von Kapitalgesellschaften gesehen werden, deren Gesellschafter ausschließlich Apotheker sind. 453 Die Betriebserlaubnis wäre der Kapitalgesellschaft als Apothekenbetreiber zu erteilen. Leiter der einzelnen Apotheke wäre dann ein angestellter Apotheker. Denn ist der hauptsächliche Sinn und Zweck des Fremdbesitzverbots die Verhinderung fachfremden Einflusses auf die Apotheke zum Schutze der Volksgesundheit, so wird dieser auch mit einer solchen Regelung erreicht. Ein Apotheker, der sich mit anderen Apothekern zu einer Kapitalgesellschaft zum Zwecke des Betriebs einer Apotheke zusammenschließt, wird sich nicht mehr oder weniger von seinem Gewinnstreben leiten lassen als derjenige, der sich mit einem anderen Apotheker zu einer Offenen Handelsgesellschaft zusammenschließt. Der einzige Unterschied, der sich ergibt, liegt in der Haftung. Bei der GmbH steht im Haftungsfall grundsätzlich nur das Kapital der Gesellschaft zur Verfügung. Für Verbindlichkeiten der GmbH haftet gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG ausschließlich das Gesellschaftsvermögen, also nicht der für die Gesellschaft Handelnde persönlich. Der Gesellschafter einer OHG oder einer GbR haftet hingegen persönlich, § 128 HGB. Jedoch ist, wie bereits im Rahmen der Darstellung des Berufsbilds festgestellt wurde, bereits heute der Apotheker in der Regel mit einer Berufshaftpflichtversicherung ausgestattet. In manchen Bundesländern ist die Berufshaftpflichtversicherung vorgeschrieben. Dies bedeutet, dass der Apotheker, der persönlich haftet, bei Entstehung eines Gesundheitsschadens einen Anspruch auf Erstattung durch die Versicherung hat. Daneben haftet der handelnde Apotheker bei Personenschäden weiterhin persönlich aus § 823 Abs. 1 BGB. Zwar kann sich der angestellte Apotheker im Innenverhältnis aus arbeitsrechtlichen Gründen von seinem Arbeitgeber freistellen lassen. 454 Die beschränkte Haftung des Apothekenbetreibers hätte in diesem Fall jedoch nur schädliche Wirkung für den handelnden Arbeitnehmer, nicht jedoch für den Geschädigten. Die beschränkte Haftung der Kapitalgesellschaft hätte danach – wie auch bei der Ärzte-GmbH – nur Auswirkungen auf die vertragliche Haftung gegenüber bei453
Martini, DVBl 2007, 10, 16; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 69. 454 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 191. Nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Erstattung des einem Dritten geleisteten Schadensersatzes, wenn der Schaden des Dritten bei einer „betrieblich veranlassten Tätigkeit“ entstanden ist. Siehe hierzu ausführlich: Blomeyer, in: Münchener Hdb zum Arbeitsrecht, § 60 Rn. 1 – 22; Henssler, in: MüKo, BGB, § 619a Rn. 5 – 39.
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spielsweise Lieferanten und sonstigen Dritten, nicht jedoch gegenüber Patienten. Für die Kapitalgesellschaft könnte, damit ein ähnlicher Schutz gewährleistet wäre, geregelt werden, dass diese zum Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung verpflichtet ist. Eine solche Regelung findet sich beispielsweise auch für Anwaltsgesellschaften in §§ 59d Nr. 3, 59j BRAO. Danach besteht für Rechtsanwaltsgesellschaften die Pflicht zur Aufrechterhaltung einer Berufshaftpflichtversicherung für die Dauer der Zulassung, wobei die Mindestversicherungssumme festgelegt und den wirtschaftlichen Verhältnissen angepasst werden kann, § 59j Abs. 2 BRAO. Interessant ist auch die Regelung des § 59j Abs. 4 BRAO, wonach neben der Gesellschaft die Gesellschafter und die Geschäftsführer persönlich in Höhe des fehlenden Versicherungsschutzes haften, wenn die Berufshaftpflichtversicherung nicht oder nicht im vorgeschriebenen Umfang unterhalten wird. Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist für die Rechtsanwaltsgesellschaft eine Voraussetzung für die Zulassung. Hierdurch soll ausweislich der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommen, dass die Zulassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht zu einer Einschränkung der Sicherheiten des rechtsuchenden Bürgers führen soll, der der Rechtsanwaltsgesellschaft ein Mandat erteilt. 455 Bemerkenswert ist auch, dass die Versicherungspflicht der Gesellschaft neben die Versicherungspflicht jedes Einzelnen in der GmbH tätigen Rechtsanwalts nach § 51 Abs. 4 S. 1 BRAO tritt. 456 In Bezug auf den Patienten, der die Dienstleistungen einer Apotheke in Anspruch nimmt, bestehen ähnliche Bedürfnisse. Insofern erscheint es auch hier gerechtfertigt, die Apothekenbetriebsgesellschaft zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung zu verpflichten, wobei auch hier bei Verletzung dieser Pflicht eine persönliche Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer neben der Gesellschaft für den fehlenden Versicherungsschutz angestrebt werden sollte. 457 Die Schaffung einer solchen Regelung würde den Interessen des Patienten / Kunden dienen und langfristig das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und der Apothekengesellschaft stärken. 458 Verstöße gegen die Versicherungspflicht sollten mit dem Widerruf der berufsrechtlichen Zulassung sanktioniert werden. 459 Hinzu kommt, dass die für die freien Berufe ursprünglich geforderte persönliche Haftung auf der Überlegung beruht, dass sich ein Freiberufler, der für die Folgen seines Handelns nicht in vollem Umfang verantwortlich ist, der Verpflichtung, der Verwirklichung und Erhaltung des Zentralwertbezuges seiner typischen Berufstätigkeit zu dienen und jedem Auftraggeber die bestmögliche Leistung zu 455
BT-Drs 13/9820, S. 17. Henssler, in: Henssler / Prütting, BRAO, § 59j Rn. 1. 457 Einen solchen Vorschlag machte schon früh für alle freien Berufe Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 280. 458 Diese Intention verfolgt auch die Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung bei der Rechtsanwaltsgesellschaft in Bezug auf das ratsuchende Publikum; siehe BVerfG, VersR 2001, 1272, 1273; Henssler, NJW 1999, 241, 244. 459 Vgl. im Recht der Rechtsanwaltsgesellschaft § 59h Abs. 3 BRAO. 456
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
erbringen, immer mehr entziehen wird. 460 Dieses Mittel zur Sicherung der freiberuflichen Tätigkeit scheint heute durch die wettbewerblichen Konsequenzen, die ein berufliches Fehlverhalten mit sich bringt, verdrängt. 461 Die Unzufriedenheit des Kunden mit der freiberuflichen Leistung führt zu Einbußen. Insofern wird eine Disziplinierung des Freiberuflers bereits auf andere, mildere Weise erreicht, so dass es der unbeschränkten persönlichen Haftung nicht mehr bedarf. 462 Dem Interesse des Patienten auf vollständigen finanziellen Ausgleich wäre durch die Schaffung einer Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung – wie bereits dargelegt – genüge getan. Mit dem Erfordernis, dass alle Gesellschafter Apotheker sind, wäre auch weiterhin gewährleistet, dass ein fachlich kompetenter, an ein Berufsethos gebundener Apotheker die Aufsicht über den Apothekenleiter ausübt. Sind alle Gesellschafter Apotheker, so verlieren sie bei nicht ordnungsgemäßer Führung des Apothekenbetriebs und damit bei einem Verstoß gegen die Berufspflichten genauso wie der Apothekenleiter ihre Approbation. Die Schutzmechanismen für die Volksgesundheit, die das Fremdbesitzverbot enthält, blieben also bei einer solchen Konstellation erhalten. Neben der Möglichkeit des Apothekenbetriebs in Form einer Kapitalgesellschaft sollte sich ein Apotheker auch an einer fremden Apotheke beteiligen dürfen. Danach wären umsatzabhängige Vereinbarungen sowie die Beteiligung in Form einer so genannten typischen Stillen Gesellschaft erlaubt. Bei der typischen Stillen Gesellschaft beteiligt sich der stille Gesellschafter am Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage. 463 Die Stille Gesellschaft ist eine Innengesellschaft: Das dem Unternehmen vom stillen Gesellschafter gewidmete Vermögen wird nicht als gemeinschaftliches Gesellschaftsvermögen betrachtet. Es ist vielmehr dem Partner zu übertragen, der allein in seinem Namen das Gewerbe betreibt und daraus allein berechtigt und verpflichtet wird. 464 Die typische Stille Gesellschaft nimmt am Gewinn und Verlust des Handelsgeschäfts teil. 465 Der Inhaber des Handelsgeschäfts ist dem stillen Gesellschafter gegenüber zur Führung des Handelsgeschäfts für gemeinsame Rechnung verpflichtet, wobei ihm diesbezüglich ein großer kaufmännischer Handlungsspielraum verbleibt. Nur wesentliche Veränderungen, Veräußerungen und die Einstellung des Geschäfts be460
Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 276. 461 Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 276. 462 Bachmann, NJW 2001, 3388, 3396; Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, S. 276. 463 Gehrlein, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, HGB, § 230 Rn. 2; Hopt; in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 1; Koller, in: ders. / Roth / Morck, HGB, § 230 Rn. 2. 464 Hopt; in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 2. 465 Gehrlein, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, HGB, § 230 Rn. 19.
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dürfen der Zustimmung des stillen Gesellschafters. 466 Das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung und somit zum Betrieb des Handelsgeschäfts hat nur der Inhaber. 467 Dem stillen Gesellschafter darf allerdings das Recht zur Geschäftsführung eingeräumt werden. 468 Im Rechtsverhältnis zu Dritten ist das Geschäftsvermögen Alleinvermögen des Inhabers. 469 Die im Betrieb geschlossenen Geschäfte und alle anderen Vorgänge im Geschäftsbetrieb berechtigen und verpflichten nur den Inhaber. 470 Im Gegensatz dazu ist eine atypische Stille Gesellschaft jede, in der dem stillen Gesellschafter weitergehende Rechte übertragen werden als die oben genannten. 471 Bezogen auf den Apothekenbetrieb ist das Verbot der typischen Stillen Gesellschaft, wenn es sich beim stillen Gesellschafter um einen Apotheker handelt, auch nicht überzeugend: Sinn des § 8 S. 2 ApoG ist die Verhinderung des Fremdeinflusses auf die Apotheke. 472 Ist der stille Gesellschafter oder ein sonst am Umsatz Beteiligter ein Apotheker, gilt aus denselben Gründen, aus denen der Betrieb durch eine Kapitalgesellschaft erlaubt sein sollte, dass für die Volksgesundheit keine Gefahr besteht. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern ein an ein Berufsethos gebundener Apotheker einen für die Gesundheit des Patienten schlechten Einfluss auf die Apotheke ausüben sollte. Da die Rechte des stillen Gesellschafters hinsichtlich des Betriebs der Apotheke sehr beschränkt sind, ist nicht zu erwarten, dass sein Einfluss auf das Geschäft des Inhabers Überhand nehmen wird. Der stille Gesellschafter ist auf Grund seiner eingeschränkten Rechte gerade nicht am Betrieb der Apotheke beteiligt, er ist nicht ihr Betreiber. Insofern hat er auch keinen Einfluss auf den Bereich, der durch § 8 ApoG geschützt sein soll. 473 Die Stille Gesellschaft an einer Apotheke war bis zur Einführung des ApoG in der Fassung aus dem Jahre 1980 erlaubt. Das Verbot wurde eingeführt, weil sich diese Gesellschaftsform im Apothekenrecht nicht bewährt haben soll. 474 So soll die Stille Gesellschaft dazu benutzt worden sein, Bestimmungen des ApoG, wie die Unabhängigkeit der Betriebsführung, zu unterlaufen und dem Fremdeinfluss Eingang zu verschaffen. 475 Allerdings war die Stille Gesellschaft vor der 466
Hopt; in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 13. Gehrlein, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, HGB, § 230 Rn. 48; Koller, in: ders. / Roth / Morck, HGB, § 230 Rn. 20. 468 Hopt; in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 26. 469 Hopt; in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 25. 470 Gehrlein, in: Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn, HGB, § 230 Rn. 59; Hopt; in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 25. 471 Hopt; in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 64 ff.; Hopt; in: Baumbach / Hopt, HGB, § 230 Rn. 3. 472 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 8 Rn. 2. 473 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 8 Rn. 17. 474 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 8 Rn. 20; BT-Drs. 8/1812, S. 14. 475 Schiedermair / Pieck, ApoG, § 8 Rn. 20. 467
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Neufassung des ApoG auch Fachfremden erlaubt. Das absolute Verbot – auch bezogen auf Apotheker als stille Gesellschafter – schoss über das Ziel, den Apothekenbetrieb vor fachfremden Einfluss zu schützen, hinaus. 476 Gleiches gilt für umsatzabhängige Vereinbarungen bei Gewährung von Darlehen etc. oder für sonstige partiarische Verhältnisse, wenn alle Beteiligten Apotheker sind. Hinzu kommt, dass die behördliche Überwachung verschiedener umsatzabhängiger Verträge heute schon nicht effektiv möglich ist, weil der Behörde die entsprechenden Verträge vorenthalten werden. 477 Präventiv greift lediglich die erforderliche eidesstattliche Versicherung ein, deren falsche Abgabe strafrechtliche Konsequenzen nach § 156 StGB mit sich bringt. § 8 S. 2 ApoG ist deshalb als Teil des Fremdbesitzverbots ebenso verfassungswidrig.
VII. Lösungsmodell: Qualifizierter Fremdbesitz durch Zulassung von Kapitalgesellschaften, deren Gesellschafter überwiegend Apotheker sind Während das eben dargestellte Modell das nach dem derzeit bestehenden Fremdund Mehrbesitzverbot „nächstmildere“ Mittel ist, kommt auch eine weitergehende Liberalisierung in Betracht, die auch als Lösungsmodell vorgeschlagen werden soll. Wie im Folgenden darzustellen sein wird, ist eine Ausweitung auf Berufsfremde als mögliche Betreiber einer Apotheke möglich, ohne dass für die Volksgesundheit hierdurch höhere Gefahren zu erwarten wären. Entscheidend bei der Frage nach der Zulassung von Berufsfremden zum Betrieb einer Apotheke ist, dass das in der Person des Apothekenbetreibers als Nichtapotheker liegende Defizit an fachlich-pharmazeutischer Qualifikation ausgeglichen werden müsste, um den mit dem Fremdbesitzverbot verfolgten Zweck der Verhinderung fachfremden Einflusses auf die fachlich-pharmazeutischen Belange der Apotheke zu erreichen. 478 Dieses Defizit müsste durch den angestellten Filialleiter ausgeglichen werden. Als Grundvoraussetzung für die Zulassung Fachfremder zum Kreise der möglichen Gesellschafter zum Betrieb einer Apotheke ist danach die Apothekenleitung durch einen angestellten, in pharmazeutischer Hinsicht weisungsunabhängigen und ständig präsenten Apotheker zu nennen, der die pharmazeutische Verantwortung trägt und dessen freiberufliche Berufsausübung durch die Änderung der Organisationsstrukturen nicht substantiell angetastet wird. 479 476
Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 69 f. Vgl. Tisch, PZ 1995 (39), 3491, 3494. 478 Rose / Fischer, A&R 2007, 107, 110. 479 Kleine-Cosack, AnwBl 2007, 737, 739; ders., DB 2007, 1851, 1856; Martini, DVBl 2007, 10, 16; Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 126. 477
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Die Leitung der einzelnen Apotheke muss also ohne Ausnahme in der Hand eines Apothekers liegen. Es ist jedoch fraglich, wie sich diese Weisungsunabhängigkeit wirksam durchsetzen und aufrechterhalten lässt. Bereits jetzt bestehen Regelungen für den Apothekenleiter im Falle des Filialbetriebs im engen räumlichen Bereich. Diese Regelungen könnten einen Anhaltspunkt dafür liefern, wie die Sicherstellung der pharmazeutischen Unabhängigkeit des Filialleiters gestaltet werden könnte. Wie bereits dargestellt, ist der Filialleiter ebenso wie der Erlaubnisinhaber zur persönlichen Leitung der Apotheke verpflichtet, § 7 S. 2 ApoG. Anders als beim Erlaubnisinhaber trifft ihn jedoch nicht das wirtschaftliche Risiko der Apotheke. Zudem ist der Filialleiter an Weisungen des Erlaubnisinhabers gebunden, wobei das Weisungsrecht des Betreibers durch die zwingenden apothekenrechtlichen, arzneimittelrechtlichen und heilmittelwerberechtlichen Bestimmungen begrenzt ist. Dem Filialleiter bleibt also hinsichtlich des pharmazeutischen Kernbereichs eine eigene Verantwortlichkeit. Der Filialleiter ist gemäß §§ 2 Abs. 5 Nr. 2 ApoG, 2 Abs. 2 ApBetrO dafür verantwortlich, dass die Filialapotheke unter Beachtung der geltenden Vorschriften betrieben wird. Es müsste demnach eine Regelung geschaffen werden, die diese Pflichten grundsätzlich aufrecht hält, die jedoch eine Weisungsabhängigkeit des Filialleiters von einem fachfremden Erlaubnisinhaber ausschließt. Dies gilt vor allem unter der Prämisse, dass dem Apothekenleiter bei Verstößen gegen Berufsregeln der Verlust der Approbation droht. Die pharmazeutische Unabhängigkeit des Apothekenleiters könnte neben einer gesetzlichen Fixierung beispielsweise arbeitsvertraglich zugesichert werden. 480 Es ist allerdings zweifelhaft, ob eine gesetzlich festgelegte und arbeitsvertraglich zugesicherte pharmazeutische Unabhängigkeit in der Realität auch durchsetzbar ist. 481 Dem angestellten Apotheker droht immerhin der Verlust des Arbeitsplatzes, wenn er sich nicht entsprechend den Anweisungen und Erwartungen seines Arbeitgebers verhält und dieser deshalb unzufrieden ist. Zu beachten ist allerdings, dass dem Apothekenleiter bei berufsrechtswidrigem Verhalten Schlimmeres droht: der Verlust der Approbation. Verliert der Apotheker die Approbation, ist ihm seine Existenzgrundlage entzogen. Verliert der Apotheker lediglich seinen Arbeitsplatz, kann er sich anderweitig bewerben und seinen Beruf weiter ausüben. Die berufsrechtlichen Sanktionen sorgen beim Apothekenleiter somit schon für ausreichenden Schutz. Daneben muss bei bekannt werden von Verstößen des Betreibers gegen die Pflicht, die Weisungsunabhängigkeit des Apothekenleiters in pharmazeutischen Fragen zu gewährleisten, der Entzug der Betriebserlaubnis drohen. Als Anreiz für die Einhaltung der Berufspflichten könnte der Apothekenleiter beispielsweise auch als Gesellschafter am Gesellschaftserfolg beteiligt sein. 482 480 481
Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 455. Martini, DVBl 2007, 10, 16.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Grundsätzlich ist auch wegen des Berufsethos des angestellten Apothekers zwar davon auszugehen, dass dieser sich im Interesse der Gesundheit des Patienten verhalten wird. Denn das Berufsethos ist ein wesentliches, die Art und Weise der Berufsausübung psychologisch steuerndes Moment. 483 Hinzu kommt, dass die geltenden Bestimmungen dafür sorgen, dass der Handlungsspielraum des Apothekenleiters begrenzt ist: Im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente ist die Entscheidungsfreiheit des Apothekers, wie gesehen, derart stark eingeschränkt, dass kein wesentlicher Raum für die Durchsetzung berufswidriger Weisungen besteht. Damit ist das Risiko einer schlechten Beratung im sensibelsten Raum der Arzneimittelversorgung, also bei den für die Gesundheit besonders gefährlichen Mitteln, minimiert. Dennoch bietet nicht jede gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung in gleichem Maße eine Abwehr gegen die Gefahren gewinnorientierter Handlungsweisen wie die inhabergeführte Gestaltungsform. 484 Eine völlige Freistellung der Eigentümerstruktur einer Apotheke ist somit nicht zur Erreichung des Schutzes der Volksgesundheit gleich geeignet. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich einer mit anderen freien Berufen vergleichbaren Regelung. Auch für den Betrieb einer Apotheke ist demnach ein System des qualifizierten Fremdbesitzes zu schaffen. Danach wäre sicherzustellen, dass die Mehrheit der Gesellschaftsanteile sowie der Stimmrechte in Apothekerhand sind. Hier ist noch einmal – wie schon beim Steuerberater – zu differenzieren: Bei einer AG oder einer KG auf Aktien müssen die Aktien wie im Bereich des Steuerberaterrechts auf Namen lauten. Bei einer GmbH müsste die Mehrheit der Gesellschaftsanteile Apothekern gehören. Bei einer Kommanditgesellschaft müssten die persönlich haftenden Gesellschafter Apotheker sein. Bei einer OHG und einer GbR müsste die Mehrheit der Gesellschaftsanteile in Apothekerhand sein. Halten mehrheitlich Apotheker die Gesellschaftsanteile der Apothekenbetriebsgesellschaft, ist sichergestellt, dass der Sinn und Zweck der Approbation als Charakterfilter erhalten bleibt. Im Bereich des Arztrechts und des Anwaltsrechts sind die Ärzte und Anwälte daneben noch zur Berufsausübung innerhalb der Gesellschaft verpflichtet, vgl. § 59e Abs. 1 S. 2 BRAO. Würde man dies auch für Apotheker verlangen, bliebe auch die für den freien Beruf typische persönliche Berufstätigkeit des Unternehmenseigentümers erhalten. Denn ist der Eigentümer selbst im Unternehmen beruflich tätig, ist die Wahrung der core of values 485 in besonderem Maße gewährleistet. Der Apothekenbetreiber hätte weiter den unmittelbaren Kontakt zum Patienten als 482
Martini, DVBl 2007, 10, 14. Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 131. 484 Martini, DVBl 2007, 10, 16. 485 Diesen Begriff verwenden Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 142. 483
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Voraussetzung für die Entwicklung des Mitgefühls als dem ersten Kernwert der heilberuflichen Ethik. 486 Die Apotheke diente dem Gesellschafter dann auch nicht nur bloß als Kapitalanlage. 487 Die Einflussnahme nicht aktiv tätiger Berufsträger könnte dazu führen, dass sich diese nicht vornehmlich von ihrem Standesrecht, sondern ausschließlich von Gewinninteressen leiten lassen. Lässt man allerdings Berufsfremde als Gesellschafter der Apothekenbetriebsgesellschaft zu, so ist die Forderung nach einer aktiven Berufsausübung innerhalb der Gesellschaft nicht überzeugend. Besondere Probleme ergeben sich nämlich in diesem Zusammenhang aus Gründen des Alters. Bei einer derart undifferenzierten Regelung, wie sie beispielsweise im Anwaltsrecht zu finden ist (es sind keine Ausnahmen vom Erfordernis der aktiven Berufsausübung vorgesehen), wird älteren Berufsangehörigen die Möglichkeit genommen, Gesellschafter einer Apotheke zu sein. Dies würde die Berufsangehörigen gegenüber den berufsfremden Gesellschaftern benachteiligen. Somit überzeugt eine Regelung, die die aktive Berufsausübung des Apotheker-Gesellschafters vorsieht, nicht. Sie überzeugt auch vor dem Hintergrund nicht, dass – sofern eine Weisungsunabhängigkeit des Apothekenleiters im Verhältnis zu den Gesellschaftern erreicht wird – nicht ersichtlich ist, warum gerade ein approbierter Apotheker einen berufswidrigen Einfluss ausüben soll, nur weil er ein inaktiver Gesellschafter ist. Zur Bekräftigung dieser Ansicht können auch die Ausführung zur Verfassungswidrigkeit des Verbots Stiller Gesellschaften, sofern es sich beim stillen Gesellschafter um einen Apotheker handelt, herangezogen werden. Auch bei einer Apothekenbetriebsgesellschaft, deren Gesellschafter aus Apothekern und Berufsfremden bestehen, wäre der zwingende Abschluss einer Haftpflichtversicherung für den Betrieb erforderlich, damit die Patienteninteressen trotz beschränkter Haftung der Gesellschaft gewahrt blieben. Dennoch haftet der Apothekenleiter auch hier persönlich für Beratungsfehler aus § 823 Abs. 1 BGB. Problematisch bleibt allerdings weiterhin die Beteiligung solcher Personen an der Kapitalgesellschaft, die einen unmittelbaren Vorteil aus einem vermehrten Arzneimittelkonsum hätten. Ärzten ist es danach nicht gestattet, sich an einer Apothekenbetriebsgesellschaft zu beteiligen – egal in welcher Form. Ärzte können das Verordnungsvolumen beeinflussen und somit den Arzneimittelverbrauch unmittelbar steuern. Der Arzt soll bei seiner Verordnungstätigkeit nicht von zusätzlichen wirtschaftlichen Anreizen beeinflusst werden, damit die Therapie objektiv und ordnungsgemäß bleibt. Deshalb sollte er nicht zusätzlich von der Verordnung von Arzneimitteln profitieren. Der Apotheker wiederum soll die Verordnung des 486 Zur Heilberuflichen Ethik in diesem Zusammenhang Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 142 f. 487 Diesen Zweck verfolgt auch die entsprechende Regelung im Anwaltsrecht, vgl. Feuerich, in: ders. / Weyland, § 59e BRAO Rn. 4; Henssler, in: Henssler / Prütting, BRAO, § 59e Rn. 12.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Arztes fachlich kontrollieren. Zu diesen Aufgaben könnten sowohl Apotheker als auch Ärzte nicht mehr in der Lage sein, wenn die Gewinninteressen des einen mit denen des anderen innerhalb eines Unternehmens miteinander verknüpft werden können. 488 Etwas anderes ergibt sich jedoch im Hinblick auf Hersteller und Großhändler. Hier muss lediglich sichergestellt werden, dass ihre Produkte nicht bevorzugt angeboten werden und ein Vollsortiment an verschiedenen Produkten bereitgehalten wird. Dies könnte auch wirksam kontrolliert werden. Es wird Apotheken nicht schwer fallen, eine Statistik über die verkauften Produkte vorzulegen. Ist aus einer solchen Statistik erkennbar, dass Produkte eines beteiligten Herstellers oder Großhandelsunternehmens bevorzugt angeboten werden, könnten Sanktionen ausgesprochen werden. Die Einhaltung der in § 10 ApoG enthaltenen Regel müsste also schärfer überwacht werden. Für die wirksame Kontrolle der Beteiligungsverhältnisse könnten den Gesellschaften Informationspflichten auferlegt werden. 489
VIII. Zum „Schicksal“ des Mehrbesitzverbots im Falle der Einführung des qualifizierten Fremdbesitzes Bisher wurde immer argumentiert, dass die Aufrechterhaltung des Fremdbesitzverbots ohne das Mehrbesitzverbot keinen Sinn ergebe. 490 Denn die Aufgabe des Mehrbesitzverbots bedeutet, dass der räumliche Bezug zu einer Apotheke keine Rolle mehr spielt. Ist der räumlich-persönliche Bezug zu einer Apotheke aber unbeachtlich, so kann diese auch von einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, deren Gesellschafter nicht ausschließlich Apotheker sind. Bei realistischer Betrachtung bedeutet nämlich die Erlaubnis des Mehrbesitzes den Rückzug des betreibenden Apothekers auf rein kaufmännische Funktionen. 491 Ein Apotheker, der eine große Anzahl an Apotheken betreibt, wäre nicht mehr in der Lage, alle seine Apotheken persönlich zu leiten oder zu überwachen. Ein solcher Apotheker würde sich in seiner Betreiberfunktion nicht wesentlich von einem Nichtapotheker unterscheiden. In diesem Falle käme die Beschränkung der Betreiber von Apotheken auf Apotheker einem inhaltsleeren Formalismus nahe. 492 Es ist al-
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Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 294. Kleine-Cosack, DB 2007, 1851, 1855. 490 Glaeske / Klauber / Lankers / Selke, Gutachten im Auftrag des BMGS, S. 129. 491 Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 88. 492 Herzog / Dettling / Kieser / Spielvogel, Filialapotheken, S. 88, 107; anderer Ansicht ist wohl Taupitz, der im Hinblick auf das früher geltende Mehrbesitzverbot eine Verfassungswidrigkeit desselben feststellte, jedoch von der Verfassungskonformität des Fremdbesitzverbots ausgeht. 489
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lerdings fraglich, ob die Aufgabe des Fremdbesitzverbots auch die Aufgabe des Mehrbesitzverbots bedeutet. Der persönliche Bezug, der durch das Mehrbesitzverbot unterstützt wird, ist jedenfalls durch die Zulassung des qualifizierten Fremdbesitzes nicht mehr gegeben. Die Neuregelung des Mehrbesitzes beschränkt auf vier Apotheken hat allerdings auch gezeigt, dass eine Verstärkung der kaufmännischen Tätigkeit vom Gesetzgeber als unproblematisch angesehen wird. Auch die Vorteile, die mit der Bildung von Apothekenketten einhergehen, sprechen für eine Liberalisierung in diesem Bereich. So können Skalenvorteile im Einkauf erreicht, effiziente Informationsstrukturen, Raum für Innovationen und Qualitätszentren geschaffen werden. Solch weitgehende Möglichkeiten hat der Einzelapotheker nicht. Stärkstes Argument für die Zulassung des Mehrbesitzes ist allerdings die Erkenntnis, dass der Apothekenleiter nach der hier vertretenen Auffassung durchaus fachlich unabhängig handeln kann. Erkennt man dies an, ist für die öffentliche Gesundheit durch den Mehrbesitz ebenfalls keine Gefahr gegeben.
IX. Zusammenfassung Im Ergebnis ist also das Fremd- und Mehrbesitzverbot in der derzeitigen Fassung verfassungswidrig, weil es gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Als milderes Mittel ist die Zulassung von Kapitalgesellschaften zum Beruf des Apothekenbetreibers zu sehen, wobei ein solcher Fremdbesitz qualifiziert sein müsste. Der qualifizierte Fremdbesitz erfordert, dass die Gesellschaftsanteile sowie die Stimmrechte mehrheitlich in Apothekerhand sein müssen. Daneben ist zu gewährleisten, dass der Leiter der Apotheke in pharmazeutischer Hinsicht weisungsunabhängig ist. Zum Schutze der Interessen der Patienten ist die Apothekenbetriebsgesellschaft zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung zu verpflichten, die neben die persönliche Haftung des handelnden Apothekers tritt. Die Haftpflichtversicherung ist eine Voraussetzung für die Erteilung der Apothekenbetriebserlaubnis an die Gesellschaft. Kommt es wegen der Aufhebung des Fremdbesitzverbots nicht mehr auf den persönlich-räumlichen Bezug des Apothekenbetreibers zur Apotheke an und ist gewährleistet, dass der Apothekenleiter frei von sachfremden Einflüssen die pharmazeutische Tätigkeit ausüben kann, dann ist das Mehrbesitzverbot ebenfalls nicht mehr erforderlich und deshalb verfassungswidrig.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
C. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot auf dem Prüfstand des Art. 14 GG Weiteres Grundrecht, das als Prüfungsmaßstab für das Fremd- und Mehrbesitzverbot in Betracht gezogen werden könnte, ist das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Grundrechtsträger des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG sind natürliche Personen sowie juristische Personen des Privatrechts. 493 Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet als Institutsgarantie den Bestand des Eigentums, als Individualrechtsgarantie schützt es das konkrete Eigentum vor staatlichen Eingriffen. 494 Der Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geht davon aus, dass das Eigentum nicht als natürliches, der Rechtsordnung vorgegebenes Recht existiert, sondern erst aus einer Schöpfung der Rechtsordnung hervorgeht. Deshalb können der Inhalt und die Schranken des Eigentums nicht unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG hergeleitet werden, sondern müssen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG konstitutiv durch den einfachen Gesetzgeber bestimmt werden (sog. normgeprägter Schutzbereich). 495 Die Eigentumsbestimmung des Gesetzgebers umfasst alle Regelungen des Zivilrechts wie auch des Öffentlichen Rechts, die Aussagen darüber treffen, welche Befugnisse sich aus dem Eigentum ergeben und wo diese Befugnisse ihre Grenzen finden. 496 Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung die Interessen der Eigentümer und die öffentlichen Interessen in einen Ausgleich zu bringen und das Sozialpflichtigkeitspostulat zu beachten. 497 Hieraus hat sich entwickelt, dass unter Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht das Vermögen als solches anzusehen ist, sondern die Summe der vom Gesetzgeber gewährten vermögenswerten Rechte. 498 Da das apothekenrechtliche Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes bereits anhand des Art. 12 Abs. 1 GG überprüft wurde, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden Grundrechte zueinander. Es besteht Einigkeit darüber, dass Art. 14 493 Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 186; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 98 ff. 494 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 21; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 29; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 45, 47; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 1. 495 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 25; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 29 ff.; eine kritische Auseinandersetzung mit dem Eigentumsbegriff findet sich in Rittstieg, in: AK-GG, Art. 14/15 Rn. 64 ff. 496 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 25. 497 Ständige Rechtsprechung, BVerfGE 58, 300 ff. (Nassauskiesung). 498 Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 23 ff.; Kimminich, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, GG, Art. 14 Rn. 31; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 7; Sieckmann, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 14 Rn. 42; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art 14 Rn. 9; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 114.
C. Prüfstand des Art. 14 GG
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Abs. 1 S. 1 GG das Erworbene, also das Ergebnis der Betätigung, schützt, während Art. 12 Abs. 1 GG den Erwerb, also die Betätigung selbst, schützt. 499 Dies ergibt sich daraus, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit zukunftsgerichtet, personenbezogen und auf den Schutz der individuellen Leistung und Existenzerhaltung gerichtet ist. 500 Demgegenüber soll die Eigentumsgewährleistung den durch die eigene Arbeit und Leistung erworbenen Bestand an vermögenswerten Gütern des einzelnen schützen und ist somit objektbezogen. 501 Somit fallen Chancen und Verdienstmöglichkeiten nicht unter den Eigentumsschutz. 502 Das Bundesverfassungsgericht hat für das Verbot des Mehrbesitzes bereits entschieden, dass es als solches keinen Verlust von Eigentum bedeutet, weil dem Apotheker durch die Untersagung des Mehrbesitzes nicht etwas genommen wird, was er bereits in Eigentümerposition besitzt, sondern nur eine Möglichkeit zur Nutzung weiterer Erwerbschancen beschränkt. 503 § 7 S. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 ApoG stellen danach nur Bestimmungen des Inhalts und der Grenzen des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. 504 An dieser zustimmungswürdigen Anschauung ändert sich auch nichts durch die Tatsache, dass der Mehrbesitz nunmehr eingeschränkt auf drei weitere Filialapotheken möglich ist – was im Übrigen zu einer weniger weit reichenden Einschränkung der Rechte des Apothekers führt. Im Hinblick auf das Mehrbesitzverbot kann im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG keine Einschränkung des Eigentums festgestellt werden. Auch für das Fremdbesitzverbot ergibt sich nichts anderes. Die möglichen Organisationsformen, die dem Apotheker zur Verfügung stehen, berühren nicht dessen Eigentum. Für die Frage nach der Organisationsform eines Unternehmens ist vielmehr Art. 12 Abs. 1 GG heranzuziehen, weil es um die Art und Weise der Ausübung des Berufs des selbstständigen Apothekers geht, also das „Wie“ der wirtschaftlichen Betätigung an sich. Durch das Fremdbesitzverbot wird dem Apotheker, der bereits selbstständig ist, kein vermögenswertes Recht entzogen. In Bezug auf Kapitalgesellschaften, die gern eine Apotheke betrieben, ergibt sich nichts anderes. Das Fremdbesitzverbot stellt im Ergebnis für die Kapitalgesell499 BVerfGE 30, 292, 334 f.; vgl auch Sieckmann, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 14 Rn. 99; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 98; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 99; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art 12 Rn. 98; Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 12 Rn. 26. 500 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 183; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 99; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art 12 Rn. 98. 501 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 183; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 98; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 99; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art 12 Rn. 98. 502 BVerfGE 28, 119, 142; vgl. auch Sieckmann, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 14 Rn. 45. 503 BVerfGE 17, 232, 248. 504 BVerfGE 17, 232, 248 f.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
schaft eine Zugangssperre zum Apothekenbetrieb dar. Dadurch wird allerdings auch der Kapitalgesellschaft kein vermögenswertes Recht entzogen. Im Hinblick auf das auch von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum an Anteilen eines Unternehmens wird demjenigen, der Anteile an einer Apotheke halten möchte oder bereits hält durch das Fremdbesitzverbot nichts genommen, was er bereits hat, sondern lediglich die Chance auf den Erwerb von Anteilen. 505 Im Ergebnis ist also der Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG weder vom Fremd- noch vom Mehrbesitzverbot berührt, so dass ein Verstoß gegen dieses Grundrecht ausgeschlossen ist.
D. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot auf dem Prüfstand des Art. 3 GG Möglicherweise liegt in der Ungleichbehandlung des Apothekers im Vergleich zu Angehörigen anderer freier Berufe ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 506 Nach den Entscheidungen zur Ärzte-GmbH und Rechtsanwalts-GmbH könnte es heute fraglich erscheinen, ob es mit dem Gleichheitsgrundrecht vereinbar ist, die Befugnis, sich zwecks gemeinschaftlicher Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit der Rechtsform der Kapitalgesellschaft zu bedienen, auf eine Gruppe von freiberuflich Tätigen zu beschränken. 507 Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Mehrbesitzverbots im Jahre 1964 ebenfalls einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht gezogen. 508 Die Überprüfung erfolgte jedoch im Hinblick auf die Ausnahmen, die das Apothekengesetz vom Mehrbesitzverbot und von der Pflicht zur persönlichen Leitung durch den Erlaubnisinhaber bei Zweigapotheken, Notapotheken und Krankenhausapotheken vorsieht. Das Bundesverfassungsgericht vertrat die Auffassung, dass diese Ausnahmen sachlich begründet seien. 509 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen: Sowohl die Zweig- als auch die Notapotheke können nur in Ausnahmesituation errichtet werden, namentlich bei einem Notstand in der Arzneimittelversorgung. Bei einem Notstand sind Ausnahmeregelungen sachlich begründet und im Verhältnis zur dadurch entstehenden Ungleichbehandlung verhältnismäßig. Die Andersbehandlung der Krankenhausapotheke ergibt 505
Vgl. Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 149. Dies ziehen in Betracht: Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 60 ff.; Eichenhofer, MedR 2007, 329, 330. 507 Eichenhofer, MedR 2007, 329, 330. 508 BVerfGE 17, 232 ff. 509 BVerfGE 17, 232, 249 f. 506
D. Prüfstand des Art. 3 GG
161
sich aus der Tatsache, dass Abnehmer und Anwender des Arzneimittels nicht die Patienten selbst sind, sondern die behandelnden Ärzte sowie ihr Hilfspersonal. Der Patient ist somit – anders als bei der öffentlichen Apotheke – nicht unmittelbar der Gefahr der schlechten oder falschen Beratung durch den Apotheker ausgesetzt. Somit ergibt sich für die im Apothekengesetz geregelten Ausnahmen vom Fremdoder Mehrbesitzverbot eine ausreichende Differenzierungsbegründung, die eine Andersbehandlung zu rechtfertigen vermag. Bevor auf die Frage der Vereinbarkeit der Andersbehandlung des Apothekers im Vergleich zu den anderen freien Berufen mit dem Gleichheitsgrundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG eingegangen wird, ist zunächst – da bereits eine Überprüfung der fraglichen Verbote anhand des Art. 12 Abs. 1 GG stattgefunden hat – zu untersuchen, in welchem Verhältnis das Gleichheitsrecht zur Berufsfreiheit als Freiheitsrecht steht.
I. Zum Verhältnis des Gleichheitsrechts zum Grundrecht der Berufsfreiheit Das Verhältnis von Art. 3 Abs. 1 GG zu Art. 12 Abs. 1 GG hängt mit dem Grundsatzproblem der Beziehung zwischen Freiheits- und Gleichheitsgrundrechten zueinander ab. Die absolute Gleichheit kann nur unter Einschränkung der Freiheit geschehen, während die unbegrenzte Freiheit zu einer faktischen Ungleichheit führte. 510 Freiheit und Gleichheit sind miteinander verbunden und stehen gleichzeitig in einem Spannungsverhältnis zueinander. 511 Als demokratische und rechtsstaatliche Verfassung ist das Grundgesetz auf die parallele Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit ausgerichtet. 512 Stehen Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte grundsätzlich nebeneinander, ist fraglich, wie das Verhältnis des Art. 12 Abs. 1 GG zu Art. 3 Abs. 1 GG im Speziellen ist. Das Bundesverfassungsgericht liefert in seiner Rechtsprechung keine Lösung dieses Spannungsverhältnisses. Allerdings ist die „Stoßrichtung“ 513 beider Grundrechte unterschiedlich: Während es im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG nach der Legitimation für die einem Personenkreis auferlegte Freiheitsbeschränkung geht, fragt Art. 3 Abs. 1 GG nach der spezifischen Rechtfertigung für eine Differenzierung zwischen zwei Personengruppen. Geht es also um die Überprüfung beider Aspekte derselben Regelung, sind diese Grundrechte nebeneinander anwendbar. 514 510
Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 349. Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 4 ff.; ders., in: Isensee / Kirchhof, HdStR III, § 33 Rn. 25. 512 Laufer, in: FS Geiger, S. 337, 339 f.; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 350; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 139; Huster, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 3 Rn. 98. 513 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 352 f. 511
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Dies erklärt auch, warum das Bundesverfassungsgericht Art. 3 Abs. 1 GG und eines oder mehrere Freiheitsrechte parallel und unabhängig voneinander heranzieht, wenn es die entsprechende Norm oder Maßnahme unter verschiedenen, voneinander grundsätzlich unabhängigen Gesichtspunkten ihrer Verfassungsmäßigkeit überprüft. 515 Dies kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Überprüfung staatlicher Maßnahmen am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG miteinander verknüpft sein kann. 516 Zum einen kann die Freiheitsbeschränkung gerade in der Ungleichbehandlung bestehen, so dass der Aspekt der Ungleichbehandlung im Vordergrund steht. Zum anderen kann in der freiheitsbeschränkenden Regelung eine Differenzierung getroffen worden sein, so dass es hier zunächst um die Vereinbarkeit der freiheitsbeschränkenden Regelung mit dem einschlägigen Grundrecht geht, die unter anderem auch eine Differenzierung vornimmt. 517 In diesem zweiten Fall geht es also in einem ersten Schritt um die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung. In einem zweiten Schritt wird nach der Art ihrer Durchführung gefragt. 518 Obwohl in solchen Fällen die Anwendungsgebiete beider Schutzzwecke (Freiheit und Gleichheit) betroffen sind, können die Aspekte nach der überwiegenden Ansicht nicht völlig getrennt voneinander betrachtet werden, weil sonst der Entscheidung des Grundgesetzes für eine parallele Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit nicht angemessen Rechnung getragen würde. 519 Im Ergebnis bedeutet dies, dass schon bei der Prüfung des jeweils einschlägigen Grundrechts das jeweils andere in die Betrachtung mit einbezogen werden soll. 520 Konsequenz hieraus ist, dass dort, wo sowohl der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG als auch des Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet ist, die Prüfung der jeweils anderen Norm keine zusätzlichen Lösungsmaßstäbe liefern kann, weil die Anliegen und Wertentscheidungen schon bei der Prüfung der primär einschlägigen Vorschrift einbezogen wurden. 521 Fraglich bleibt dennoch, welche Vorschrift den primären Prüfungsmaßstab liefert. Das Bundesverfassungsgericht prüft vordergründig diejenige Vorschrift, die die stärkere Affinität aufweist. 522 Geht es also im Wesentlichen darum, ob gera514
Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 353. BVerfGE 70, 278, 285 ff.; 72, 141, 150 ff.; 73, 301, 315 ff.; 75, 284, 291 ff. 516 Breuer, in: Isensee / Kirchhof, HdStR VI, § 147 Rn. 99; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 354; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 152 ff. 517 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 354. 518 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 354. 519 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 354; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 152 ff. 520 Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 139; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 355; Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 I Rn. 30. 521 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 355. 515
D. Prüfstand des Art. 3 GG
163
de die in der Ungleichbehandlung liegende Freiheitsbeschränkung zulässig ist, weist Art. 3 Abs. 1 GG die stärkere Affinität auf. 523 Die durch die Ungleichbehandlung hervorgerufene Freiheitsbeschränkung tritt in den Hintergrund, weil sie nur eine Folge der Ungleichbehandlung darstellt. 524 Berücksichtigung findet die Betroffenheit des Freiheitsrechts aber insofern, als dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Hinblick auf die Differenzierung weiter reichende Schranken gesetzt sind. 525 Ist aber eine Fallgestaltung gegeben, in der die Beschränkung eines Freiheitsrechts sich nicht erschöpfend aus einer Ungleichbehandlung ergibt, ist die Ungleichbehandlung lediglich als Aspekt der Freiheitsbeschränkung anzusehen. 526 Hier ist die Prüfung an den Maßstäben des Freiheitsrechts zu orientieren, wobei die Wertung des Art. 3 Abs. 1 GG in die Prüfung mit einbezogen werden soll. 527 Diese Grundsätze müssen nun auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot übertragen werden. Es ist danach zu fragen, ob das Fremd- und Mehrbesitzverbot in erster Linie eine Differenzierung des Apothekers von anderen freien Berufen darstellt und gerade hierin die Einschränkung der Freiheit zu sehen ist, oder ob die Differenzierung nur ein Aspekt unter mehreren die Einschränkung der Freiheit ergebenden Aspekten darstellt. Wie die Prüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG gezeigt hat, ergibt sich die Verfassungswidrigkeit nicht gerade aus der Ungleichbehandlung der Apotheker gegenüber anderen freien Berufen. Vielmehr ist die Andersbehandlung im Vergleich zu den anderen freien Berufen ein Argument unter vielen, das dazu führt, dass die Regelung verfassungswidrig ist. Es liegt also kein Fall der durch eine Differenzierung herbeigeführten Freiheitsbeschränkung vor. So wurde bereits im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit ein Vergleich mit anderen freien Berufen vorgenommen. Folgt man den oben genannten Grundsätzen, so wäre eine gesonderte Überprüfung der Vereinbarkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots anhand des Art. 3 Abs. 1 GG also nicht erforderlich, weil die Wertung des Gleichheitsrechts bereits in die Prüfung des Art. 12 Abs. 1 GG mit einbezogen wurde. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass – wendet man die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts auf die vorliegende Problematik an – die 522 BVerfGE 75, 348, 357; 75, 382, 393; 65, 104, 112; vgl. auch Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hoffmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 11. 523 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 355. 524 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 355. 525 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 365. 526 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 365. 527 BVerfGE 33, 303 ff.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 3; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 365; Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 I Rn. 31; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 153.
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Ungleichbehandlung des Apothekers im Vergleich zu anderen freien Berufen bereits in der Überprüfung der maßgeblichen Regelungen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG ausreichende Berücksichtigung gefunden hat, so dass eine Überprüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich unterbleiben kann.
II. Zur Ungleichbehandlung des Apothekers im Verhältnis zu anderen freien Berufen Gleichwohl soll hilfsweise die Vereinbarkeit des apothekenrechtlichen Fremdund Mehrbesitzverbots mit Art. 3 Abs. 1 GG noch einmal kurz überprüft und die obigen Darstellungen noch einmal auf den Punkt gebracht werden. Grundrechtsträger des Art. 3 Abs. 1 GG sind grundsätzlich alle natürlichen Personen sowie inländische juristische Personen des Privatrechts. 528 In Betracht kommt für die Überprüfung des Art. 3 Abs. 1 GG ein Vergleich der möglichen Organisationsformen Angehöriger freier Berufe miteinander. Angehörige der freien Berufe sind natürliche Personen und damit Grundrechtsträger des Art. 3 Abs. 1 GG. Nach ständiger Rechtsprechung gebietet Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. 529 Das Gleichheitsgebot ist verletzt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.“ 530 Es ist danach zu untersuchen, ob die Apotheker als Normadressaten im Vergleich zu den anderen freien Berufen anders behandelt werden, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein könnte. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG ist demnach grundsätzlich zunächst eine Ungleichbehandlung (bzw. Differenzierung). 531 Eine Un528 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 69 ff.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 7; Huster, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 3 Rn. 45; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 231, 239. 529 BVerfGE 1, 14, 52; 13, 46, 53; vgl. auch Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 4, 5; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 19; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 11; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 14; PaehlkeGärtner, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 I Rn. 56; Dürig / Herzog / Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 332. 530 Sog, „neue“ Formel, vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 74, 9, 24; 81, 1, 8; 103, 271, 289; vgl. zur „neuen Formel“ Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 17; Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 I Rn. 61 ff.; Rüfner, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 25 ff.
D. Prüfstand des Art. 3 GG
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gleichbehandlung liegt insofern vor, als Angehörige anderer freier Berufe (Anwälte, Ärzte, Steuerberater etc.) sich in der Form einer Kapitalgesellschaft organisieren dürfen, während dies dem Apotheker grundsätzlich per gesetzlichem Verbot verwehrt ist. In dieser Ungleichbehandlung liegt zugleich eine Benachteiligung, 532 was sich bereits aus der Tatsache ergibt, dass die Andersbehandlung in einem Verbot liegt. Diese Ungleichbehandlung müsste weiterhin der gleichen Stelle, also demselben Träger öffentlicher Gewalt, zuzurechnen sein. 533 Das Verbot des Fremdbesitzes im Sinne des Verbots eines Zusammenschlusses zu einer Kapitalgesellschaft wird Apothekern vom Bundesgesetzgeber auferlegt. Ein solches Verbot besteht auf Bundesebene für die anderen freien Berufe nicht. Insofern geht die Ungleichbehandlung also von demselben Träger öffentlicher Gewalt aus. Allerdings müsste es sich bei den freien Berufen insgesamt um wesentlich Gleiches handeln. Die Personengruppen, die der Ungleichbehandlung zu Grunde liegen, müssten also zunächst einmal vergleichbar sein. 534 Die Vergleichbarkeit der Personengruppen wird grundsätzlich verneint, wenn sie unterschiedlichen „rechtlichen Ordnungsbereichen angehören und in anderen systematischen und sozialgeschichtlichen Zusammenhängen stehen.“ 535 Von einer Vergleichbarkeit ist auszugehen, wenn die zu vergleichenden Personengruppen vollständig und abschließend unter einen gemeinsamen Oberbegriff fallen (genus proximum). 536 Grundsätzlich spricht für eine Vergleichbarkeit der verschiedenen freien Berufe zueinander, dass ihnen gewisse typische Züge anhaften, wie beispielsweise die qualifizierte Ausbildung oder das Selbstorganisationsrecht. 537 Auch die Tatsache, dass die zu vergleichenden Berufe dem gemeinsamen Oberbegriff des freien Berufs zugeordnet werden können, spricht grundsätzlich für eine Vergleichbarkeit. Allerdings sind die Aufgaben, die die verschiedenen freien Berufe erfüllen, sowie das Allgemeingut, das durch die besonderen rechtlichen Regelungen geschützt werden soll, unterschiedlich. Dies ergibt sich vor allem für die nicht heilberuflich geprägten freien Berufe. Die Tätigkeit der heilberuflichen freien Berufe ist auf Handlungen in Bezug auf den menschlichen Körper und die Gesundheit gerichtet. 531
Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 I Rn. 57, 128 f. Zum Erfordernis eines Nachteils für den Betroffenen vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 84 ff.; gegen das Erfordernis eines Nachteils ist Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 10. 533 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 81; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 4a; Huster, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 3 Rn. 47, Strack, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 247 ff.; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 3 Rn. 13; Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 I Rn. 177 ff. 534 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 4. 535 BVerfGE 40, 121, 139 f. 536 Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 23; Rüfner, in: Dolzer / Vogel / Graßhof, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 14. 537 Siehe zu den Merkmalen des freien Berufs weiter oben, 2. Kap., C. II. 532
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3. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Grundgesetzes
Die Gesundheit des Menschen und die körperliche Integrität gehören zu seinen höchsten Gütern. Die anderen freien Berufe, die nicht Heilberufe sind, bieten Dienstleistungen in anderen Lebensbereichen an. Tangiert sind bei einer von diesen Berufen ausgehenden schlechten Beratung meist nur sachgüterbezogene, wirtschaftliche Interessen. Der Rechtsanwalt, der seinen Mandanten schlecht berät, wird aller Voraussicht nach unnötige Prozesskosten und andere wirtschaftliche Schäden verursachen. Ähnliches gilt für den Steuerberater, dessen Klient ebenfalls einen wirtschaftlichen Nachteil zu befürchten hat. Insofern könnte man also sagen, dass sich bereits aus der Tatsache, dass sich die Dienstleistungen auf verschiedene Lebensbereiche beziehen, keine Vergleichbarkeit ergibt. Nimmt man dennoch eine Vergleichbarkeit an, so sprechen die eben genannten Gründe zumindest für eine ausreichende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Die Nachteile, die für den Menschen durch die schlechte Beratung eines Arztes oder eines Apothekers entstehen sind wesentlich sensibler, weil sie sich auf die höchsten verfassungsrechtlich gewährleisteten Güter auswirken: die körperliche Integrität sowie die Gesundheit des Menschen. Im Ergebnis ist also nur der Vergleich des Apothekers zu einem anderen Heilberuf, der zugleich ein freier Beruf ist, möglich. Als mit dem Apotheker vergleichbarer Beruf kommt somit der Beruf des Arztes in Frage. Auch der Arzt ist mit einer auf die menschliche Gesundheit und körperliche Integrität bezogenen Tätigkeit betraut. Im Gegensatz zum Apotheker ist es dem Arzt durchaus möglich, sich mit anderen Ärzten zu einer GmbH zusammenzuschließen. Ein Fremdbesitzverbot in der strengen Art, wie es das Apothekenrecht vorsieht, gibt es demnach im Arztrecht nicht. Der bereits im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG vorgenommene Vergleich hat ergeben, dass – obwohl dem Arzt nur die erforderliche Leistung von der Krankenkasse ersetzt wird – auch dieser durchaus aus Gewinninteresse Leistungen anbietet. Der Patient ist dem Arzt körperlich ausgeliefert, so dass jede auf den Körper bezogene Maßnahme zu Gesundheitsschäden des Patienten führen kann. Hieraus ergibt sich, dass nicht ersichtlich ist, warum dem Arzt die Organisationsform einer Kapitalgesellschaft offen stehen soll, während dies dem Apotheker verwehrt ist. Diese Feststellung wird durch den Umstand gestützt, dass der Apotheker – im Gegensatz zu allen anderen freien Berufen und somit auch im Gegensatz zum Arzt – ein Gewerbe betreibt. Dieser gewerbliche Charakter des Apothekerberufs spricht dafür, dass der Apotheker im Vergleich zum Arzt erst recht die Möglichkeit haben sollte, sich mit anderen Apothekern in der Form der Kapitalgesellschaft zu organisieren. Es ist demnach schon nicht ersichtlich, welcher Zweck durch die Andersbehandlung des Arztes gegenüber dem Apotheker erreicht werden soll. Es gibt schon keinen sachlichen Grund für eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung. Hieraus folgt eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung des Apothekers gegenüber dem Arzt und somit ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bezieht sich jedoch nur auf den
D. Prüfstand des Art. 3 GG
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Fremdbesitz. Der Mehrbesitz ist auch beim Arzt verboten: Der Arzt darf neben seinem Praxissitz noch an zwei weiteren Orten ärztlich tätig sein. Das apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot – nicht jedoch das Mehrbesitzverbot – führt zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung des Apothekers gegenüber dem Arzt und verstößt deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
4. Kapitel
Das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker im Lichte des Gemeinschaftsrechts In diesem Kapitel soll die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit des Fremdund Mehrbesitzverbots für Apotheker überprüft werden. Im Rahmen dieser Untersuchung sollen das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH skizziert und die einschlägigen Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts kurz dargestellt werden. Sodann folgen Erläuterungen zu den Grundfreiheiten des EG-Vertrags und insbesondere zur einschlägigen Niederlassungsfreiheit. Die Untersuchung der Zulässigkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots soll unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH sowohl im Bereich des Apothekenrechts als auch in anderen Rechtsgebieten, in denen vergleichbare Regelungen zu finden sind, erfolgen.
A. Das vom OVG Saarlouis initiierte Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH Das saarländische Oberverwaltungsgericht hat die Frage über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots dem EuGH in Form eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 234 EG vorgelegt. Sinn und Zweck des Vorabentscheidungsverfahrens ist es, im Sinne der Rechtssicherheit die einheitliche Anwendung und Interpretation des EG-Rechts im gesamten Gemeinschaftsgebiet durch den EuGH sicherzustellen. 1 Neben dem Vorabentscheidungsverfahren erwägt die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 ff. EG gegen Deutschland. 2 Die Kommissi1 Hobe, Europarecht, Rn. 416; Streinz, Europarecht, Rn. 632; Arndt, Europarecht, S. 84; Guttau / Winnands, PharmR 2007, 453. 2 Siehe zum Vertragsverletzungsverfahren Streinz, Europarecht, Rn. 578 ff. Anders als beim Vorabentscheidungsverfahren handelt es sich beim Vertragsverletzungsverfahren um ein kontradiktorisches Verfahren. Es ergeht beim Vertragsverletzungsverfahren ein Feststellungsurteil des EuGH, welches den Mitgliedstaat dazu verpflichtet, die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil ergeben.
A. Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH
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on rügt eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit durch das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot. Gegen andere Mitgliedstaaten, die ähnliche Regelungen haben, ist bereits durch die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden. Hinsichtlich des Vorabentscheidungsverfahrens ist in naher Zukunft mit einem Urteil des EuGH zu rechnen. Hier legt der EuGH weder nationales Recht aus, noch trifft er eine Entscheidung in der Sache selbst. 3 Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Erteilung einer Betriebserlaubnis an DocMorris muss demnach noch vom vorlegenden Gericht entschieden werden. Allerdings sind das vorlegende Gericht und die anderen Instanzen bei ihrer Entscheidung an das Urteil des EuGH gebunden. 4 Will ein anderes nationales Gericht von der Vorabentscheidung des EuGH abweichen, muss es die Frage dem EuGH erneut vorlegen. 5 In der Praxis wird aber die in Frage stehende Regelung auch von anderen Gerichten nicht mehr angewandt. Folge einer Entscheidung des EuGH gegen die Vereinbarkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht wäre also die Unanwendbarkeit (nicht jedoch die Nichtigkeit) der jeweiligen Regelungen. 6 Diese Wirkung würde sich allerdings lediglich auf grenzüberschreitende Sachverhalte innerhalb der Gemeinschaft erstrecken. 7 Dies würde bedeuten, dass für deutsche Kapitalgesellschaften, die eine Betriebserlaubnis für eine Apotheke beantragen, das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot anwendbar bliebe. Dieses als Inländerdiskriminierung bekannte Problem wird weiter unten noch eingehend dargestellt. 8 Es ist allerdings davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber, sollte es zu einer Entscheidung des EuGH gegen das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot kommen, das Apothekengesetz ändern und eine einheitliche Regelung schaffen wird.
3
Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 89; Arndt, Europarecht, S. 88; Streinz, Europarecht, Rn. 633; Hobe, Europarecht, Rn. 420; Oppermann, Europarecht, S. 235 f.; Guttau / Winnand, PharmR 2007, 453 bezeichnen das Vorabentscheidungsverfahren als ein Zwischenverfahren. 4 Streinz, Europarecht, Rn. 641; Oppermann, Europarecht, S. 238; Arndt, Europarecht, S. 88. 5 Arndt, Europarecht, S. 89. 6 Ehricke, in: Streinz, EGV, Art. 234 Rn. 63 ff.; Arndt, Europarecht, S. 190. 7 Arndt, Europarecht, S. 190. 8 4. Kap., E.
170 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
B. Die einschlägigen Rechtsquellen des Europarechts Vor der eigentlichen Prüfung der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots für Apotheker soll knapp das System Grundfreiheiten dargestellt werden. Die Grundfreiheiten sind Teil des primären Gemeinschaftsrechts. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft haben es sich zur Aufgabe gemacht, durch die Errichtung eines gemeinsamen Markts „in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens“ zu fördern (vgl. Art. 1, 2 EG). Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c) und Art. 14 Abs. 2 EG soll ein Binnenmarkt errichtet werden, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Hierbei geht es nicht um einen unbedingten Freihandel, sondern um die Schaffung einer für alle Wirtschaftsgüter unabhängig von ihrer Herkunft fairen Wettbewerbslage (Liberalisierung der Märkte). 9 Voraussetzung hierfür ist, dass die Produkte des Mitgliedstaats ungehinderten Zugang zu den Märkten der übrigen Mitgliedstaaten haben (Freiheit des Markzugangs) und sodann, dass zwischen den inländischen und ausländischen Wirtschaftsgütern gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen (Prinzip der Wettbewerbsgleichheit). 10 Der Verwirklichung des institutionellen Binnenmarktziels dienen die Grundfreiheiten: 11 der freie Warenverkehr (Art. 23 bis 31 EG), der freie Personenverkehr (Art. 39 bis 48 EG), der freie Dienstleistungsverkehr (Art. 49 bis 55 EG), der freie Kapitalverkehr (Art. 56 bis 60 EG) sowie als Annexfreiheit der freie Zahlungsverkehr. Sämtliche Grundfreiheiten sind zugleich grundrechtsähnlich ausgestaltet, d. h. sie verbürgen subjektive Rechte, auf die sich der einzelne Marktbürger bei verletzenden grenzüberschreitenden Maßnahmen berufen kann. 12 Die Einordnung der Marktfreiheiten als subjektive Rechte effektuieren demnach die Durchsetzung des Binnenmarkts. 13 Besonders wichtig für ein grundlegendes Verständnis der Grundfreiheiten ist die Erkenntnis, dass sie als Teil des primären Gemeinschaftsrechts unmittelbar wirken, also keines Durchsetzungsakts innerhalb des Mitgliedstaats bedürfen. 14 Der Unionsbürger kann sich entsprechend 9
Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 22 ff; Arndt, Europarecht, S. 179. Arndt, Europarecht, S. 179. 11 Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 23; Arndt, Europarecht, S. 179. Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 1 bezeichnet die Grundfreiheiten als Stützpfeiler der gemeinschaftsrechtlichen Wirtschaftsverfassung. 12 Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 47 ff., 83 ff.; Arndt, Europarecht, S. 179. 13 Arndt, Europarecht, S. 180. 14 Scheuer, in: Lenz, EGV, Vorbem. Art. 39 – 42 Rn. 3; Pache, in: Schulze / Zuleeg, Europarecht, § 10 Rn. 7 ff.; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 83 ff.; Wesser, Grenzen unzuläs10
C. Die Rechtsprechung des EuGH
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dieser Wirkung unmittelbar auf die Grundfreiheiten berufen. 15 Die Wirkung der Grundfreiheiten basiert auf dem effet utile des Vertrags: Ist Ziel der Europäischen Gemeinschaft die Schaffung eines Binnenmarkts, betrifft dessen Funktionieren die der Gemeinschaft angehörenden Einzelnen unmittelbar. 16 Die Mitgliedstaaten haben diese Wirkung durch die Übertragung eines Teils ihrer Hoheitsgewalt auf die Gemeinschaftsorgane legitimiert, weswegen nicht nur der einzelne Mitgliedstaat, sondern der Einzelne Rechtssubjekt des Gemeinschaftsrechts ist. 17 Hinsichtlich des Fremd- und Mehrbesitzverbots für Apotheker kommt eine Überprüfung der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit nur am Maßstab der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG in Frage. 18 Es ist demnach zu prüfen, ob es mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, und welche Konsequenzen sich aus einer (Un-)Vereinbarkeit ergeben können.
C. Die Rechtsprechung des EuGH zum Apotheken- und Arzneimittelrecht sowie zum Fremd- und Mehrbesitzverbot bei griechischen Optikerbetrieben Vor der eigentlichen Prüfung des Fremd- und Mehrbesitzverbots anhand der Niederlassungsfreiheit wird im Folgenden die Rechtsprechung des EuGH zum Apotheken- und Arzneimittelrecht dargestellt. Dies soll Aufschluss darüber geben, welchen Stellenwert der EuGH dem Apothekenwesen beimisst. Nicht unberücksichtigt sollen aber auch solche Entscheidungen des EuGH bleiben, die zwar nicht das Apothekenrecht selbst berühren, die jedoch vergleichbare Fremdund Mehrbesitzverbote in anderen Rechtsgebieten betreffen. Insbesondere soll auf eine jüngere Entscheidung des EuGH zum Fremd- und Mehrbesitzverbot bei griechischen Optikerbetrieben eingegangen werden. Es ist danach zu fragen, ob zwischen den dem Optiker-Urteil zu Grunde liegenden Regelungen und dem deutschen Fremd- und Mehrbesitzverbot insofern eine Vergleichbarkeit vorliegt, dass davon auszugehen ist, dass der EuGH im Fall des Apothekenrechts ähnlich entscheiden wird. siger Inländerdiskriminierung, S. 37 ff. Wegen der unmittelbaren Geltung des Gemeinschaftsrechts ergeben sich Fragen nach möglichem Rechtsschutz. Eine Darstellung des Individualrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht befindet sich in Lindner, JuS 2008, 1 ff. 15 Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 8; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1863; Pache, in: Schulze / Zuleeg, Europarecht, § 10 Rn. 8. 16 Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 84. 17 Ehlers, in: ders. Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 7; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 84. 18 Becker, ApoR 2004, 8, 10.
172 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
I. Entscheidungen zum Apotheken- und Arzneimittelrecht 1. Delattre, Monteil und Samanni Im Rahmen des Delattre-Urteils unterstrich der EuGH den besonderen Charakter von Arzneimitteln. Im Rechtsstreit ging es um die Auslegung des Begriffes „Arzneimittel“. Der EuGH stellte fest, dass eine Qualifizierung eines Produkts als Arzneimittel in verschiedenen Richtlinien das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit verfolge. Zudem sei die Qualifizierung geboten, „... da die rechtliche Regelung für Arzneispezialitäten in Anbetracht der besonderen Gefahren, die diese Erzeugnisse für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen können und die im allgemeinen von kosmetischen Mitteln nicht ausgehen, strenger ist als die für kosmetische Mittel.“ 19 Zu den zur Vorabentscheidung in diesem Fall vorgelegten Fragen gehörte auch eine Frage zum Apothekermonopol: Das vorlegende Gericht wollte in Erfahrung bringen, ob das „[...] Apothekermonopol ein Gemeinschaftsbegriff ist, ob für die Bestimmung der Grenzen dieses Monopols das Arzneimittel im Gemeinschaftssinn oder im nationalen Sinn zu verstehen ist, ob ein solches Monopol eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellt und, bejahendenfalls, unter welchen Bedingungen diese Maßnahme als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar gelten kann.“ 20 Der EuGH bestätigte, dass beim damaligen Stand des Gemeinschaftsrechts, „[...] in dessen Rahmen keine Harmonisierung der Vorschriften über die Vermarktung der Arzneimittel innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten vorgenommen wurde [...], die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Beachtung der Vertragsbestimmungen, insbesondere derjenigen über den freien Warenverkehr, für die Festlegung der Vorschriften über den eigentlichen Vertrieb pharmazeutischer Erzeugnisse zuständig bleiben.“ 21 Zwar sei ein den Apothekern für den Vertrieb von Arzneimitteln eingeräumtes Monopol dadurch, dass es die Verkäufe in eine bestimmte Richtung lenke, dazu geeignet, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne der Warenverkehrsfreiheit darzustellen. Jedoch könne das Apothekermonopol „[...] durch eine der in Artikel 36 EWG-Vertrag 22 aufgeführten allgemeinen Interessen gerechtfertigt sein, zu denen der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gehört.“ 23 Zudem habe das Monopol keine diskriminierende Wirkung und könne deshalb auch aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sein, der nach 19 EuGH, Rs. C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Leitsatz 2, Rn. 21; Hervorhebungen nur hier. 20 EuGH, Rs. C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Rn. 44. 21 EuGH, Rs. C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Leitsatz 4, Rn. 48; Hervorhebungen nur hier. 22 Heute Art. 30 EG. 23 EuGH, Rs. C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Rn. 52.
C. Die Rechtsprechung des EuGH
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der Rechtsprechung des EuGH zu den zwingenden Erfordernissen zähle, die eine Maßnahme rechtfertigen könnten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern. 24 Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten, wenn auch nach unterschiedlichen Modalitäten, restriktive Vorschriften für die Vermarktung von Arzneimitteln und insbesondere ein mehr oder weniger ausgedehntes Monopol für den Einzelhandel zu Gunsten der Apotheker anwenden, ergebe sich aus dem besonderen Charakter des Produkts und des damit einhergehenden Markts und wegen der Garantien, die Apotheker bieten müssen, sowie der Informationen, die Apotheker den Verbrauchern zu erteilen in der Lage sein müssen. 25 Der EuGH geht weiterhin davon aus, dass die Mitgliedstaaten den Einzelhandel mit Arzneimitteln den Apothekern vorbehalten könnten, und dass deren Monopol für diese Erzeugnisse als eine angemessene Form des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gelten könne. 26 Diese Argumentation wandte der EuGH genauso für ein an demselben Tage abgeurteiltes Verfahren im Fall Monteil und Samanni an. 27 Aus den genannten Entscheidungen wird deutlich, dass der EuGH die besondere Gefährlichkeit von Arzneimitteln anerkennt und in der Folge von einem Marktversagen in diesem Bereich ausgeht. Aus der Tatsache, dass von einem Apothekermonopol und nicht von einem Apothekenmonopol die Rede ist, kann geschlossen werden, dass der EuGH grundsätzlich davon ausgegangen ist, dass es rechtmäßig ist, die Abgabe des Arzneimittels ausschließlich einem Apotheker vorzubehalten. Dies ergibt jedoch nicht zugleich, dass der Apothekenbetrieb einem Apotheker unterstehen muss. 2. Mac Quen In der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Mac Quen 28 ging es um eine belgische Regelung, nach der eine bestimmte Augenuntersuchung, durch die die Sehfähigkeit mittels technisch hoch entwickelter Instrumente, die die Feststellung des Augeninnendrucks, die Messung des Gesichtsfelds oder die Feststellung des Zustands der Hornhaut ermöglicht wird, Ärzten vorbehalten war. Der EuGH prüfte die streitige Regelung am Maßstab der Niederlassungsfreiheit und stellte fest, dass aus Gründen des Gesundheitsschutzes bestimmte Tätigkeiten besonders qualifizierten Berufstätigen vorbehalten werden können. Der Gesundheitsschutz könne grundsätzlich auch unterschiedslos geltende Maßnahmen rechtfertigen. 29 Die Bedeutung des Gesundheitsschutzes werde auch dadurch unterstrichen, dass 24 25 26 27 28 29
EuGH, Rs. C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Rn. 52. EuGH, Rs. C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Rn. 54. EuGH, Rs. C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Rn. 56. EuGH, Rs. C-60/89, Monteil und Samanni, Slg. 1991, I-1547. EuGH, Rs. C-108/96, Mac Quen, Slg. 2001, I-837. EuGH, Rs. C-108/96, Mac Quen, Slg. 2001, I-837, Rn. 28.
174 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. p) EG die Tätigkeit der Gemeinschaft nach Maßgabe des Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzes umfasse. 30 Der EuGH erinnerte im Rahmen dieser Entscheidung noch einmal daran, dass die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlassen habe als ein anderer, nicht bedeute, dass dessen Vorschriften unverhältnismäßig seien. 31 Aus der Aussage des EuGH, dass bestimmte Tätigkeiten besonders qualifizierten Berufsangehörigen vorbehalten werden können, kann der Schluss gezogen werden, dass es auch hier um die Ausübung der Tätigkeit als solche geht. Es bleibt also die fachbezogene Tätigkeit den Berufsangehörigen vorbehalten. 32 Auch hier lässt sich der Entscheidung nichts über die Organisationsstruktur entnehmen, die eine solche Tätigkeit als Leistung anbietet. Überträgt man dies auf das deutsche Apothekenwesen, so betrifft die Entscheidung nicht die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Betriebs eines Apothekenunternehmens und damit den Fremdbesitz. Die Sicherstellung der fachbezogenen Tätigkeit wird in Deutschland durch das Apothekenmonopol erreicht. 33 3. Deutscher Apothekerverband (DocMorris I) In seinem DocMorris-Urteil aus dem Jahre 2003 musste sich der EuGH mit damals in Deutschland geltenden Regelungen befassen, nach denen der Versand von apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch Apotheken sowie die Werbung dafür verboten waren. 34 Der EuGH stellte fest, dass Arzneimittel, auch wenn sie in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, in einem anderen Mitgliedstaat nur dann in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn für sie entweder durch die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats oder nach Gemeinschaftsregelungen eine Genehmigung erteilt worden ist. 35 Für apothekenpflichtige und damit zugelassene Arzneimittel stellte der EuGH fest, dass das Versandverbot außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets ansässige Apotheker stärker beeinträchtige als im Inland ansässige, weil ausländische Apotheker nur dann ihre Ware im deutschen Inland absetzen durften, wenn sie hier eine klassische Apotheke eröffneten. Wegen der Pflicht der persönlichen Anwesenheit im Sinne des § 2 Abs. 2 ApBetrO wäre es faktisch nicht möglich gewesen, 30
EuGH, Rs. C-108/96, Mac Quen, Slg. 2001, I-837, Rn. 29. EuGH, Rs. C-108/96, Mac Quen, Slg. 2001, I-837, Rn. 33. 32 So auch Koenig / Meurer, ApoR 2004, 153, 159. 33 Koenig / Meurer, ApoR 2004, 153, 159. 34 EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887; eine erste Bewertung des Urteils findet sich bei Koch, EuZW 2004, 50 f. 35 EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 52. 31
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die im Ausland bereits betriebene Apotheke weiter aufrecht zu erhalten. 36 Ein solches Verbot, das ausländische Apotheker stärker beeinträchtige als inländische, könne geeignet sein, den Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten stärker zu behindern als für inländische Erzeugnisse. 37 Deshalb stelle das Versandverbot eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 28 EG dar. 38 Eine solche Maßnahme könne mangels Harmonisierung im Bereich der Herstellung und Vermarktung von Arzneimitteln gemäß Art. 30 EG gerechtfertigt sein. 39 Für die Frage der Rechtfertigung einer solchen Maßnahme an den Maßstäben des Art. 30 EG führte der EuGH aus, dass „[...] nach der ständigen Rechtsprechung [...] unter den in Artikel 30 EG geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den ersten Rang ein(nehmen) und es [...] Sache der Mitgliedstaaten (sei), auf welchem Niveau sie deren Schutz gewährleisten wollen und insbesondere wie streng die durchzuführenden Kontrollen sein sollen.“ 40 Voraussetzung für die Vereinbarkeit mit dem Vertrag sei aber, dass die nationale Regelung für den wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen notwendig sei, es also keine genauso wirksamen Maßnahmen für die Erreichung dieses Ziels gebe, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränkten. 41 Der EuGH überprüfte, ob sich das Versandhandelsverbot mit Argumenten rechtfertigen ließe, die die Erfordernisse der individuellen Beratung des Kunden und seines Schutzes bei der Abgabe von Arzneimitteln sowie der Kontrolle der Echtheit von ärztlichen Verschreibungen und der Gewährleistung einer umfassenden und bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung betreffen. Hierzu führte er aus, dass diesen Argumenten die potenziellen Gefahren von Arzneimitteln und damit die Sorgfaltsanforderungen zu Grunde liegen, die hinsichtlich aller Aspekte des Arzneimittelvertriebs gewahrt werden müssen. 42 Diese Ziele würden auch mit gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften im pharmazeutischen Bereich verfolgt. Im Ergebnis stellte der EuGH fest, dass für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel das Versandhandelsverbot nicht gerechtfertigt sei. 43 Hinsichtlich eines möglichen Missbrauchs nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel sei nicht offenkundig, dass für Personen, die diese Arzneimittel missbräuchlich erwerben 36
EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 61. EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 74. 38 EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 76. 39 EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 102. 40 EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 103; Hervorhebungen nur hier. 41 EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 104. 42 EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 106 f. 43 EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 112. 37
176 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
wollen, der Kauf in einer herkömmlichen Apotheke tatsächlich schwieriger sei als der Erwerb über das Internet. 44 Etwas anderes gelte jedoch für verschreibungspflichtige Medikamente: „Angesichts der Gefahren, die mit der Verwendung dieser Arzneimittel verbunden sein könnten, könnte das Erfordernis, die Echtheit der ärztlichen Verschreibungen wirksam und verantwortlich nachprüfen zu können und die Aushändigung des Arzneimittels an den Kunden selbst oder an eine von diesem mit dessen Abholung beauftragte Person zu gewährleisten, ein Verbot des Versandhandels rechtfertigen.“ 45 Die Zulassung einer Ausgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel erst nach Erhalt der Verschreibung und ohne weitere Kontrolle könne „[...] das Risiko erhöhen, dass ärztliche Verschreibungen missbräuchlich oder fehlerhaft verwendet werden.“ 46 Schließlich bestehe auch die Möglichkeit, dass Arzneimittelverpackungen aus anderen Staaten, aus denen die Arzneimittel per Versandhandel geliefert würden, in einer anderen Sprache als der des Heimatstaats des Käufers etikettiert seien. Hieraus könnten sich im Falle verschreibungspflichtiger Arzneimittel „gravierende Folgen“ ergeben. 47 Nichts anderes gelte für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die zuvor aus dem Mitgliedstaat eingeführt worden seien mit dem Zweck, diese dann über den Versandhandel wieder dem Herkunftsstaat im Wege des Versandhandels zuzuführen. 48 Der EuGH konstatiert, dass die persönliche Beratung durch den Apotheker von Angesicht zu Angesicht bei der Arzneimittelabgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an den Endkunden zum Schutz der Gesundheit und Arzneimittelsicherheit nicht zwingend erforderlich sei. Zur Abgabe von Arzneimitteln seien auch die pharmazeutisch geschulten Mitarbeiter der Apotheke berechtigt. Diese Entscheidung des EuGH verdeutlicht, dass sich Wertungsunterschiede bei verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ergeben, die eine Andersbehandlung rechtfertigen. Von besonderer Bedeutung ist auch die Feststellung, dass nach Ansicht des EuGH ein Arzneimittelmissbrauch im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel durch den Apotheker nicht wirksam bekämpft werden kann. 4. Zwischenergebnis Diesen Entscheidungen des EuGH im Bereich des Apothekenrechts – und seien sie auf die Warenverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 28 EG bezogen – lässt sich die herausragende Stellung von Arzneimitteln als Waren mit besonderen Gefahren 44 45 46 47 48
EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 114. EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 119. EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 119. EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 119. EuGH, Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 134.
C. Die Rechtsprechung des EuGH
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entnehmen. Auch der EuGH bestätigt somit die den Arzneimitteln innewohnende Produktbesonderheit. Zudem wird deutlich, dass der Schutz der Gesundheit und des menschlichen Lebens im Bereich der Rechtfertigung von Eingriffen in die Grundfreiheiten den ersten Rang einnimmt. Neben der Rechtfertigung mit dem Allgemeininteresse der Gesundheit und des menschlichen Lebens bezieht sich der EuGH in seinen Erwägungen auch auf den Verbraucherschutz. Der EuGH betont mehrfach, dass die Verantwortung für die Regelung des Vertriebs von Arzneimitteln den Mitgliedstaaten verbleibt. Die Festlegung des Schutzniveaus im Bereich der Gesundheit und des menschlichen Lebens ist hiernach Sache der Mitgliedstaaten, wobei allerdings auch in Gesundheitsfragen die Grundfreiheiten anwendbar bleiben. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass der EuGH das Apothekermonopol in seiner Wirkung als nicht diskriminierend einstuft.
II. Die Optikerentscheidung des EuGH Das Verwaltungsgericht des Saarlandes hat dem EuGH die Frage nach der Vereinbarkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots mit der Niederlassungsfreiheit vorgelegt, nachdem das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes im Eilverfahren entschieden hatte, dass die DocMorris-Gesellschaft bis zur Entscheidung in der Hauptsache zum weiteren Betrieb der Apotheke berechtigt ist. Grundlage für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war der Vergleich der deutschen Rechtslage mit einer in der Optikerentscheidung des EuGH zu Grunde liegenden Regelung in Griechenland. 49 Auf die Optikerentscheidung des EuGH verweist auch die Kommission bei der Begründung der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen unterschiedliche Mitgliedstaaten. 50 Im Folgenden soll deshalb diese Entscheidung des EuGH dargestellt und darauf hin untersucht werden, ob der mit der griechischen Rechtslage herangezogene Vergleich gerechtfertigt ist. 1. Inhalt der Entscheidung Ausgangspunkt der Optiker-Entscheidung des EuGH waren griechische Regelungen, die Optikern verschiedene Pflichten hinsichtlich des Betriebs des Optikergeschäfts auferlegten und die Erteilung einer Betriebserlaubnis von der Erfüllung verschiedener Voraussetzungen abhängig machten:
49
EuGH, Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177. Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Italien, Spanien und Österreich hinsichtlich des Fremdbesitzverbots im Apothekenrecht, Beschluss vom 28. 9. 2006 – IP/ 06/858, S. 6. 50
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− Der Optiker wurde dazu verpflichtet, das Optikergeschäft, für das er eine Betriebserlaubnis innehatte, persönlich zu leiten. − Es war Optikern untersagt, mehr als ein Optikergeschäft zu leiten. − Optikergeschäfte konnten nur von Inhabern einer Optikerlizenz errichtet werden. − Die Betriebserlaubnis war persönlich und nicht übertragbar. − Nur anerkannte Optiker konnten eine OHG oder eine KG (eingeschränkte Möglichkeit des Fremdbesitzes) zum Betrieb eines Optikergeschäfts gründen, vorausgesetzt, dass derjenige, der die Betriebserlaubnis besaß, mit mindestens 50 % am Gesellschaftskapital beteiligt war. − Ein Optiker konnte höchstens an einer anderen Gesellschaft beteiligt sein, sofern die Betriebserlaubnis des Optikergeschäfts auf den Namen eines anderen Optikers ausgestellt war. Vor diesem Hintergrund richtete sich die Kommission an die griechische Regierung und rügte die Verletzung der Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 43, 48 EG. Die griechische Regierung versuchte wiederum mit der Schaffung verschiedener neuer Gesetze den von der Kommission gerügten Vertragsverletzungen abzuhelfen. Nach dem letzten Gesetzesentwurf dürften Optiker als natürliche Personen mehr als ein Optikergeschäft betreiben, sofern jedes Geschäft von einem anerkannten diplomierten Optiker geleitet wird. Was juristische Personen angeht, wäre die Errichtung von Optikergeschäften durch Gesellschaften unabhängig von deren Rechtsform zugelassen, vorausgesetzt, dass im Falle einer OHG die Mehrheit der Gesellschafter und der Geschäftsführer Optiker sind, im Falle einer GmbH die Hälfte der Gesellschafter, die mehr als die Hälfte des Gesellschaftskapitals verträten, Optiker sind, und dass im Falle einer Aktiengesellschaft mindestens 51 % des Gesellschaftskapitals von Optikern gehalten werden. Dieser Gesetzesentwurf konnte im Rahmen des später von der Kommission beim EuGH eingereichten Vertragsverletzungsverfahrens nicht berücksichtigt werden, weil es erst nach Ablauf der Frist der Kommission vorgelegt worden war. In seiner Entscheidung betonte der EuGH abermals, dass von Art. 43 EG auch solche Maßnahmen umfasst sind, die sich zwar nicht diskriminierend auswirkten, jedoch geeignet seien, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. 51 Das für diplomierte Optiker bestehende Verbot, mehr als ein Optikergeschäft zu betreiben, stelle eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit natürlicher Personen im Sinne des Art. 43 EG dar. 52 Ebenso seien die an die Erteilung einer Betriebserlaubnis gekoppelten Voraussetzungen für juristische Personen als Einschränkung ihrer Freiheiten aus Art. 43, 48 EG anzusehen. 53 51 52 53
EuGH, Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 27. EuGH, Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 28. EuGH, Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 29.
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Im Rahmen der Frage nach einer Rechtfertigung dieser Eingriffe für die Erreichung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit stellte der EuGH fest, dass der Schutzzweck ebenso gut mit Maßnahmen erreicht werden könne, die die Niederlassungsfreiheit sowohl natürlicher als auch juristischer Personen weniger einschränken. Beispielhaft nannte der EuGH als milderes Mittel für die Erreichung des Zieles die Betriebsleitung durch einen diplomierten Optiker bei einer liberalisierten Eigentümerstruktur sowie die Schaffung von Vorschriften, die für die zivilrechtliche Haftung für das Verhalten eines Dritten eine Berufshaftpflichtversicherung vorschreiben. 54 Der Gefahr der vollständigen Kommerzialisierung hat der EuGH als Verbotsgrund für die Niederlassungsfreiheit keine Bedeutung beigemessen. Er sah die Gefahr nicht einmal als zwingenden Grund des Allgemeininteresses. 55 Damit bestätigte der EuGH eine bereits in einer anderen Entscheidung getroffene Aussage, nach der die Kommerzialisierungsgefahr nicht als Verbots-, sondern als Kontrollgrund zu sehen sei, weswegen ihr mit Kontrollen durch die Behörden zu entgegnen sei. 56 Für ein besseres Verständnis der Entscheidung des EuGH sollen nun folgend die Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer dargestellt werden, die nicht nur entscheidende Argumente für den EuGH lieferten, sondern auf die sich auch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in seiner Entscheidung bezieht. 2. Erwägungen des Generalanwalts Die griechische Regierung argumentierte, dass sich das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Optiker aus der Notwendigkeit ergebe, eine ausgeglichene geografische Verteilung der Optikergeschäfte zu gewährleisten. Hiergegen wandte Generalanwalt Colomer übereinstimmend mit der Kommission ein, dass die Regel „ein Fachmann pro Betrieb“ 57 nicht geeignet sei, „[...] um das geltend gemachte Ziel zu erreichen, da nichts die Inhaber eines Diploms daran hindert, sich der Niederlassung in den abgelegensten oder weniger rentablen Orten oder Regionen zu entziehen.“ 58 Der Generalanwalt betonte im Folgenden, dass die öffentliche Gesundheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses für die Rechtfertigung von Eingriffen in die Niederlassungsfreiheit darstelle, was sich schon aus Art. 3 Abs. 1 lit. p) 54
EuGH, Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 35. EuGH, Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 34 –36. 56 EuGH, Rs. C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 74. 57 Interessant ist hierbei, dass der Generalanwalt sich in einer Fußnote für diese Begriffe auf das in Deutschland geltende Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke bezieht, welches mit den behandelten Regelungen vergleichbar sein soll. 58 Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 27. 55
180 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
EG ergebe, der die Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus als eine der Gemeinschaftspolitiken nennt. 59 Die Behauptung der griechischen Regierung, nur der Augenoptiker, der als spezialisierter Fachmann unmittelbar am Betrieb seines Geschäfts beteiligt sei, ohne körperliche und geistige Anstrengungen auf die Führung verschiedener Zweigniederlassungen zu verwenden, könne das angestrebte Ziel erreichen, das persönliche Vertrauensverhältnis sowie die absolute Verantwortlichkeit des Fachmanns zu gewährleisten, könne indes nicht zur Rechtfertigung dieser Maßnahmen ausreichen. 60 Vielmehr sei das Ziel eines hohen Gesundheitsschutzniveaus durch mildere Maßnahmen zu erreichen. Entscheidend ist, dass der Generalanwalt zur Verdeutlichung dieser Ansicht eine Abspaltung eines Unternehmens in einen „internen“ und einen „externen Bereich“ von Beziehungen unterteilt. 61 Der interne Bereich solle das Eigentum (bspw. die Räumlichkeit oder die Niederlassung, in der sich das Geschäft befindet, die Kundenkarte, die Waren oder der Handelsname), die arbeitsrechtlichen Beziehungen mit den Beschäftigten und die Inhaberschaft (die wiederum nicht mit dem Eigentum zusammenfallen soll) sowie die Verwaltung und die Geschäftsführung darstellen. Der externe Bereich hingegen umfasse die Beziehungen mit Dritten, also mit Lieferanten, Käufern, Kunden bzw. Patienten. 62 Das griechische Mehr- und Fremdbesitzverbot für Optiker vermische diese Bereiche, indem im internen Bereich die Einrichtung von mehr als einem Optikergeschäft verboten wird, wobei dies mit Gründen gerechtfertigt wird, die den externen Bereich – das besondere Vertrauensverhältnis zum Kunden sowie die unbeschränkte Haftung des Optikers – betreffen. 63 Eine mildere Regelung läge seiner Ansicht nach vor, wenn die Bereiche strikt voneinander getrennt würden, da die Eröffnung mehrerer Geschäfte nicht dem Erfordernis zuwiderlaufe, dass der Verkauf und die Bedienung des Publikums durch diplomierte Optiker erfolgen müssen. 64 Selbst der Gerichtshof habe in einer Entscheidung betreffend Ärzten in Luxemburg 65
59 Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 28. 60 Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 29 ff. 61 Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 34 ff. 62 Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 34. 63 Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 35. 64 Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 36. 65 EuGH, Rs. C-351/90, Kommission / Luxemburg, Slg. 1992, I-3945. Grundlage dieser Entscheidung war eine luxemburgische Regelung, nach der jeweils nur der Betrieb einer (Zahn- oder Tier-)Arztpraxis zulässig ist. Der EuGH entschied, dass die streitigen Regelun-
C. Die Rechtsprechung des EuGH
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nicht verlangt, dass sich der Fachmann ununterbrochen in der Nähe des Patienten aufhalte. 66 Dies gelte ohne weiteres auch für den Optiker. Hinsichtlich der Haftungsfrage reiche der Rückgriff auf Haftungsinstrumente wie die unmittelbare oder subsidiäre Haftung des Arbeitgebers für die von den Arbeitnehmern verursachten Schäden oder der Abschluss eines Versicherungsvertrages aus. 67 3. Vergleichbarkeit mit dem apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbot Es ist nunmehr auf der Grundlage der Entscheidung und der Schlussanträge des Generalanwalts zu prüfen, inwiefern das griechische Fremd- und Mehrbesitzverbot für Optiker tatsächlich vergleichbar ist mit dem deutschen apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbot. Hierfür wird untersucht, ob die genannten Regelungen vergleichbare Problemstrukturen haben. Sodann wird das Berufsbild des Optikers mit dem des Apothekers verglichen. In der Darstellung soll auch eine Auseinandersetzung mit dem Risikoprofil des Optikerberufs und des Apothekerberufs stattfinden. Hierbei gilt es unbedingt auf das Wesen der von den Berufen angebotenen Dienstleistungen und vertriebenen Produkte einzugehen. Besondere Beachtung findet bei den nun folgenden Ausführungen die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis, das eine Vergleichbarkeit bejaht. a) Ähnliche Problemstruktur Für eine Vergleichbarkeit des griechischen Fremd- und Mehrbesitzverbots für Optiker mit dem apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbot könnte also zuerst eine ähnliche Problemstruktur sprechen. So führte das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes zunächst aus, dass der vom EuGH bei seiner Optiker-Entscheidung allein angewandte Beurteilungsmaßstab der Niederlassungsfreiheit in beiden Fällen identisch und der EuGH zur Einheitlichkeit der Rechtsauslegung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet sei. 68 Der Vorbehalt des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG sei auf die Beurteilung der Einschränkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags nicht anwendbar. Dies ergebe sich aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass Mitgliedstaaten ihr Gesundgen eine Einschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und des Niederlassungsrechts darstellten. 66 Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 37. 67 Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 38. 68 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 193.
182 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
heitswesen in eigener Verantwortung organisierten, jedoch verpflichtet seien, ihre nationalen Systeme an die Grundfreiheiten des Vertrags anzupassen. 69 Weiterhin sei auf den hohen Rang der Niederlassungsfreiheit als grundlegende Freiheit hinzuweisen, die untrennbar mit der europäischen Einheit verbunden sei, sowie auf das Selbstverständnis des EuGH, dessen Aufgabe die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts sei. 70 Dies deute darauf hin, dass der EuGH die sehr strengen Voraussetzungen für die Rechtfertigung von Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit, denen das griechische Fremd- und Mehrbesitzverbot für Optiker nicht standgehalten habe, auf das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker übertragen werde. 71 Das griechische und das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot beinhalteten ein vollständiges Niederlassungsverbot für Kapitalgesellschaften sowie die Pflicht zur persönlichen Leitung, was für eine Übertragbarkeit wegen der gleichen Problemstruktur spreche. 72 Die Tatsache, dass in anderen europäischen Ländern andere Organisationsmodelle des Apothekenrechts bestünden (als Beispiel wird etwa das auf Art. 31 Abs. 1 EG basierende schwedische Staatsmonopol genannt), ändere nichts an der Gleichheit der Problemstruktur. 73 Entscheidendes Argument für die Übertragbarkeit sei aber die dem Optikerurteil zu Grunde liegende Lösung, nach der Gefahren nur in dem Bereich bekämpft werden dürften, in dem sie sich befänden. Deshalb müsse im Einklang mit Generalanwalt Colomer eine Unterscheidung zwischen dem internen und dem externen Bereich stattfinden. 74 Diese Unterteilung sei nicht etwa eine formelle begriffsjuristische Zerlegung des einheitlichen Geschäfts in zwei künstliche Bereiche, sondern sie habe vielmehr den Sinn, bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit weniger schwer wiegende Folgen für die gemeinschaftsrechtliche Freiheit zu erreichen. 75 Im Bereich der Niederlassungsfreiheit existiere gerade kein „Vorsorgeprinzip 76 auf dessen Grundlage ein Staat vorbeugende Verbote erlassen könne; der Staat dürfe „[...] die Gefahren nur dort bekämpfen, wo sie auch sind.“ 77 Die Gesundheitsgefahren bei der Abgabe von Arzneimitteln lägen im Umgang mit dem Patienten und 69 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 194 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-372/04, Watts, Slg. 2006, I-4325, Rn. 146. 70 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 200, 204, 209 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-19/92, Kraus, Slg. 1993, I-1663, Rn. 16, 19. 71 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 211. 72 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 212; so auch Diekmann / Reinhardt, WRP 2007, 407, 412. 73 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 219. 74 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 222. 75 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 226. 76 Siehe zu einer möglichen Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot weiter unten, 4. Kap., C. IV. 5. 77 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 228.
C. Die Rechtsprechung des EuGH
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den schädlichen Konsequenzen einer Fehlberatung, somit im externen Bereich, wohingegen das Fremdbesitzverbot an den internen Bereich anknüpfe. 78 Somit ergibt sich für das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes die Ähnlichkeit der Problemstruktur daraus, dass in beiden Fällen des Fremd- und Mehrbesitzverbots eine Vermischung des internen und des externen Bereichs, also der Verbindung der Eigentümerstruktur mit dem Außenverhältnis zum Kunden, stattfinde. Dass der Generalanwalt in seinem Schlussantrag und die Kommission bei der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren gegen verschiedene Länder von einer Vergleichbarkeit des Fremdbesitzverbots für Optiker mit dem für Apotheker ausgehen, zeige, dass der EuGH wahrscheinlich ähnlich entscheiden würde. 79 Es ist nicht zu leugnen, dass die Problemstruktur der Optiker-Entscheidung mit der des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots vergleichbar ist. 80 In beiden Fällen werden Eigentumsverhältnisse am Betrieb gemeinsam mit den Regelungen über die jeweils vorzunehmende Dienstleistung betrachtet. 81 So wurde in dieser Arbeit bereits vertreten, dass für das apothekenrechtliche Fremdund Mehrbesitzverbot eine Trennung der Bereiche durchaus sinnvoll erscheint. Auch die Pflicht zur persönlichen Leitung durch den Konzessionsinhaber sowie die Personengebundenheit der Betriebserlaubnis ist in beiden Systemen enthalten. Die Ähnlichkeit der Problemstrukturen darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass sich auch Unterschiede ergeben. So war beispielsweise die griechische Regelung im Hinblick auf den Mehrbesitz strenger als die deutsche, weil der Mehrbetrieb gänzlich ausgeschlossen wurde. Es ist allerdings zuzugeben, dass anders herum die deutschen Regelungen zum Apothekenrecht im Hinblick auf die Eigentümerstrukturen ebenfalls strengere Anforderungen enthalten: So sind Beteiligungen am Unternehmen des Apothekenbetreibers durch Berufsfremde oder nicht die Betriebserlaubnis für dieselbe Apotheke Innehabende nicht gestattet, während dies bei griechischen Optikergeschäften möglich war, solange mehr als 50% des Gesellschaftskapitals in Optikerhand waren. Zusammenfassend lässt sich dennoch sagen, dass die Problemstrukturen durchaus miteinander vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit der Problemstrukturen für sich genommen muss allerdings nicht zwangsläufig zur absoluten Vergleichbarkeit führen. Es ist deshalb weiter zu untersuchen, ob neben der Vergleichbarkeit der Problemstruktur weitere Argumente für eine Übertragung der Optiker-Entscheidung auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot sprechen.
78
OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 229, 231. OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 247. 80 So auch Streinz / Herrmann, EuZW 2006, 455, 458; Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 454. 81 Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 454. 79
184 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
b) Vergleich der Berufsbilder Für die Frage der Übertragbarkeit der Optiker-Entscheidung auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot ist deshalb ein Vergleich der zu Grunde liegenden „Berufsbilder“ nötig. 82 Gegen eine Übertragbarkeit könnte die höhere persönliche Verantwortlichkeit des Apothekers sprechen, die sich aus dem andersartigen Berufsbild mit Approbation, höheren Persönlichkeitsanforderungen, etc. ergibt. Aus § 1 Abs. 2 i.V. m. Nr. 33 der Anlage A der Handwerksordnung ergibt sich, dass es sich bei dem Optikerberuf um einen Handwerksberuf handelt. Die Tätigkeit des Optikers stellt sich als spezialisierte heilhilfsberufliche Tätigkeit dar, so dass dem Optiker die Ausübung der Heilkunde untersagt ist. 83 Dies ergibt sich für Deutschland aus einem Umkehrschluss zu § 1 Abs. 1 HeilprG: Die Ausübung der Heilkunde ist Ärzten und Personen vorbehalten, die über eine spezifische Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde verfügen. 84 Der Apothekerberuf hingegen ist in die Heilberufe eingegliedert. 85 Diese Regelungen beziehen sich zwar nur auf das innerstaatliche Verständnis der beiden Berufe. Es kann allerdings nicht von der Hand gewiesen werden, dass wohl auch auf Gemeinschaftsebene anzuerkennen sein wird, dass sich im Hinblick auf das Berufsbild für den Apotheker höhere Anforderungen ergeben als für den Optiker. Dies wird auch dadurch bekräftigt, dass für den Optikerberuf beispielsweise keine gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierungsregelungen vorhanden sind. 86 Die Anforderungen an die Ausbildung eines Optikers sind dementsprechend geringer als diejenigen, die an den Apotheker gestellt werden: Der Optiker muss eine Gesellenprüfung bestehen (§ 31 HwO), die eine dreijährige Ausbildungszeit abschließt. Eine bestimmte Schulbildung (Abitur) ist für die Ausbildung nicht erforderlich. Die Ausbildung des Apothekers ist hingegen langwierig und erfordert als Vorbildung das Abitur. Diese Ausbildung ist zudem durch gemeinschaftsrechtliche Regelungen harmonisiert. Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes ändert der Unterschied in den Berufsprofilen des Optikers und des Apothekers dennoch nichts an der Übertragbarkeit der Optiker-Entscheidung auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot. Im Grundsatz gehe es um die Frage, inwiefern im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses einem Angestellten, der von 82 Zu beachten ist hierbei, dass unter dem Begriff des Berufsbilds nicht etwa ein Berufsbild im Sinne der Fixierung desselben zu verstehen ist. 83 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 29. 84 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 31. 85 BVerfGE 75, 166, 173. 86 Vgl. EuGH, Rs. 108/96, Mac Quen, Slg. 2001, I-837, Rn. 22.
C. Die Rechtsprechung des EuGH
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Weisungen seines Arbeitgebers abhängig sei und entlassen werden könne, die Verantwortlichkeit anvertraut werden könne. Über diese Frage habe der EuGH im Optiker-Urteil entschieden. Danach stehe die Struktur eines Angestelltenverhältnisses mit Weisungsgebundenheit und Entlassungsmöglichkeit einer vollen Verantwortlichkeit in einem Gesundheitsberuf mit persönlichem Vertrauensverhältnis nicht entgegen. 87 Zudem könne bei einem Vergleich der angestellten Betriebsleiter einem deutlich besser ausgebildeten Apotheker die volle Verantwortlichkeit erst recht anvertraut werden, die einem weniger ausgebildeten Optiker nach der EuGHRechtsprechung anvertraut werden muss. 88 Letztlich liege die Vergleichbarkeit für die Niederlassungsfreiheit darin, „[...] dass angestellte Ärzte, Apotheker und Augenoptiker sachangemessen für ihren Beruf so ausgebildet werden, dass sie die volle Verantwortlichkeit in ihrem Beruf mit einer zusätzlichen Berufshaftpflichtversicherung übernehmen können.“ 89 Auch das deutsche Recht geht nicht von dem Grundsatz aus, dass in einem Gesundheitsberuf absolute Verantwortlichkeit und Angestelltenverhältnis unvereinbar sind. Sonst dürften einem angestellten Krankenhausarzt keine Operationen anvertraut werden. 90 Hieraus ergibt sich allerdings nicht die Vergleichbarkeit des der Optiker-Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalts mit den deutschen Regelungen zum Apothekenrecht. Festgehalten werden kann deswegen, dass die Berufsprofile des Optikers und des Apothekers unterschiedlich sind und deshalb nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden können. Die Frage, ob grundsätzlich für alle Gesundheitsberufe gilt, dass die Niederlassungsfreiheit durch Regelungen verletzt wird, die über eine wie in der Optiker-Entscheidung gefundene Lösung hinausgehen, wurde nicht durch den EuGH geklärt. Die Entscheidung bezieht sich vielmehr auf einen Heilhilfsberuf. c) Risikoprofil der Berufe unter Berücksichtigung der vertriebenen Ware Ein weiteres Argument, das gegen eine Übertragbarkeit der Entscheidung auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot sprechen könnte, sind die unterschiedlichen Risikoprofile der beiden Berufe. Das Gesundheitsrisiko bei Apotheken ist hoch, bei Optikern hingegen gering. In der Folgewirkung könnte auch eine Gefährdung des Systems der sozialen Sicherung (also des Versicherungssystems) entstehen. So räumt das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes ein, dass Beratungsfehler bei der Abgabe von Arzneimitteln zu Medikamentenfehl87
OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 274. OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 278. 89 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 286; dieser Ansicht sind auch Diekmann / Reinhardt, WRP 2007, 407, 414. 90 Siehe auch Diekmann / Reinhardt, WRP 2007, 407, 414. 88
186 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
gebrauch oder Medikamentenmissbrauch führen könnten, was unter Umständen „letale Folgen“ haben könnte. 91 „Ein stärkeres Gesundheitsrisiko für die Tätigkeit des Apothekers (ist) aber bei realistischer Betrachtung anzuerkennen [...]“. 92 Jedoch sei dem wiederum zu entgegnen, dass das Risiko dennoch nur an der Stelle bekämpft werden müsse, an der es bestehe – demnach im „externen Bereich“ der Abgabe vor allem durch qualifiziertes Personal. 93 Im Ergebnis gebe es „[...] keinen vorbeugenden Rechtsschutz der Patienten vor der Rechtsform einer Apotheke[...]“. 94 Die Tatsache, dass im Europarecht das Gesundheitsrisiko bezogen auf Optiker und Ärzte als vergleichbar angesehen wird, spreche auch für eine Übertragbarkeit und damit gegen eine hinreichende Überzeugungskraft des Arguments der größeren Gesundheitsgefahr. 95 Die Tätigkeit eines Optikers beschränkt sich auf den Verkauf von Brillen, mit oder ohne Sehstärkenkorrektur, sowie Kontaktlinsen. Zudem dürfen bei einem Optiker Sehtests gemacht werden. Die Herstellung der Brillengläser ist in der Regel aus dem Optikerbetrieb ausgegliedert, kann aber in Ausnahmefällen noch im Ladenlokal stattfinden. Das Spektrum von Leistungen eines Optikers ist demnach als relativ gering anzusehen. Der Apotheker ist hingegen mit einem sehr weiten Spektrum von Produkten beschäftigt. Es existieren sehr viele unterschiedliche Wirkstoffe von unterschiedlichen Herstellern und in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Mit diesem umfangreichen Warenangebot muss sich der Apotheker genau auskennen. Im Unterschied zu dem Produkt, mit dem der Optiker beschäftigt ist, handelt es sich bei den vom Apotheker vertriebenen Waren um solche, die unmittelbar auf den menschlichen Organismus wirken, weswegen sie auch als Arzneimittel eingestuft werden. Arzneimittel sind aus sich heraus keine sicheren Produkte sondern Risikoprodukte. Das Arzneimittel ist per se gefährlich, es muss nicht notwendigerweise ein äußerer Umstand hinzukommen aus dem sich erst die Gefährlichkeit entwickelt. Die Brille / Kontaktlinse kann unmittelbar nur schwer gesundheitliche Folgen für den Kunden / Patienten haben. Hieraus ergibt sich, dass vom Beruf des Optikers keine Risiken für die menschliche Gesundheit ausgehen, die wesentlich über die Risiken hinausgehen, die allgemein – etwa in der Lebensmittelversorgung – durch die Ausübung beruflicher Tätigkeiten für die menschliche Gesundheit bestehen. 96 Anders als bei den für Optiker relevanten Sehstörungen handelt es sich bei Arzneimittelproblemen zudem um solche, die der Patient selbst nicht identifizieren kann, bzw. sie bleiben unerkannt. 97 Der Kun91
OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 255. OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 255. 93 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 256. 94 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 264. 95 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 266 mit Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 37. 96 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 29 f. 92
C. Die Rechtsprechung des EuGH
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de eines Optikers, der schlecht oder unzureichend beraten wurde, wird demnach in der Regel selbst zu der Erkenntnis gelangen, dass das ihm verkaufte Produkt nicht den Anforderungen entspricht, und sich für eine Nachbesserung bei seinem Optiker melden. Schon die Tatsache, dass eine Nachbesserung oder Nachlieferung sinnvoll und auch möglich ist, zeigt den Unterschied zwischen den betreffenden Waren. Der falsch beratene Patient eines Apothekers wird die falsche Beratung in der Regel entweder nicht erkennen oder diese zumindest nicht mit dem Apotheker und seiner Beratung in Verbindung bringen. In diesem Zusammenhang sind die mit einer Kommerzialisierung verbundenen Gefahren in Bezug auf die vertriebenen Produkte und die angebotene Dienstleistung genauer zu betrachten. Es stellt sich die Frage, wie sich die Kommerzialisierung im Sinne eines übersteigerten Gewinnstrebens bis hin zu betrügerischem Vorgehen sowie einer Steigerung des Marktanteils bis hin zu einer Konzernierung auf die unterschiedlichen Betriebszweige auswirken könnte. Ein unterschiedliches Ergebnis könnte zu einer Unvergleichbarkeit der verschiedenen Regelungen führen. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes räumt ein, dass Kapitalgesellschaften mit größerer Kapitalausstattung wegen des Renditeinteresses der Kapitaleigentümer eine Kommerzialisierung in Form der offensiven Ausweitung ihres Marktanteils in größerem Rahmen betreiben als Einzelpersonen. 98 Dieses Renditeinteresse sei aber bei Kapitalgesellschaften, die ein Optikergeschäft oder eine Apotheke betreiben, gleich. Insbesondere habe der EuGH dem Argument der Kommerzialisierung keine Bedeutung als Verbotsgrund beigemessen und diese Gefahr nicht einmal als zwingenden Grund des Allgemeininteresses erwogen. 99 Allerdings habe der EuGH in einem Sportwetten-Urteil 100 festgestellt, dass es Mittel gebe, die Konten und Tätigkeiten der Kapitalgesellschaften zu kontrollieren, um vor betrügerischen oder kriminellen Tätigkeiten vorzubeugen. 101 Die Kommerzialisierungsgefahr im Sinne eines übersteigerten Gewinnstrebens bis hin zu betrügerischem Verhalten sei deshalb ein Kontrollgrund, nicht aber ein Verbotsgrund für die Niederlassungsfreiheit. 102 Die Konzernierungsgefahr könne man schließlich durch das Kartellrecht beherrschen. 103 Ihr sei dadurch zu entgegnen, dass die brachenübergreifende Zusammenarbeit und Zusammenschließung zu Gesundheitskonzernen als solche verboten wird, nicht aber durch Versagung der Niederlassungsfreiheit. 104 97
Siehe auch oben unter 3. Kap., B. VI. 1. a). OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 292 f. 99 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 299. 100 EuGH, Rs. C-243/01, Gambelli, Slg. 2003, I-13031, Rn. 74. 101 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 303. 102 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 305. 103 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 308. 104 OVG Saarland, Urt. v. 22. 01. 2007, Az. 3 W 15/06, Rn. 310. 98
188 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Erkennt der EuGH die Konzernierungsgefahr nicht als zwingenden Grund des Allgemeininteresses an, so bedeutet dies nicht, dass diese Gefahr im Rahmen der Überprüfung der Vereinbarkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots außer Acht zu bleiben hat. Letztlich soll nicht die Konzernierungsgefahr als legitimer Grund für eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit dienen, sondern vielmehr die mit der Konzernierung verbundene Gefahr für die Volksgesundheit. Diese ist aber vom EuGH als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannt. Die Gefahr einer Konzernbildung ist danach an den Folgen für die Volksgesundheit zu messen. In Bezug auf die Volksgesundheit ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass sich die Realisierung der mit einer Konzernbildung einhergehenden Gefahren im Bereich der Apotheke demnach in höherem Maße negativ auf die öffentliche Gesundheit auswirkt als beim Optiker. 105 Optikerprodukten kommt zudem im Zusammenhang mit der finanziellen Stabilität des Systems der sozialen Sicherung keine Bedeutung zu, während Arzneimittel einen wesentlichen Anteil der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung ausmachen. 106 Dem wird entgegen gebracht, dass sich das erhöhte Risiko eben nur auf den externen Bereich bezieht. Die potentiell (höheren) Gefahren für die Gesundheit des Patienten würden auch durch entsprechend höhere Anforderungen an die Bildung des Apothekers abgegolten. 107 Auch dieses Argument kann jedoch für die Frage nach der Vergleichbarkeit nicht herangezogen werden. Es bleibt die Tatsache, dass das Risikoprofil des Apothekers höher ist, weswegen in diesem Bezug keine absolute Vergleichbarkeit mit dem Optikerbetrieb gegeben ist. 4. Zwischenergebnis Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die Problemstruktur des griechischen Fremd- und Mehrbesitzverbots für Optikerbetriebe mit der Problemstruktur des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots vergleichbar ist. Jedoch ist die Tätigkeit des Apothekers mit einem höheren Risikopotential verknüpft. Ihm obliegt, im Gegensatz zum Optiker, eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung. 108 Selbst wenn man mit dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes davon ausgeht, dass der EuGH bei seiner Entscheidung zur Einheitlichkeit der Rechtsauslegung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet ist, kann nicht zugleich gesagt werden, dass jegliches Fremd- und Mehrbesitzverbot – allein weil es ein solches 105 106 107 108
Martini, DVBl 2007, 10, 14. Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 277. Diekmann / Reinhardt, WRP 2007, 407, 413; Kruis, EuZW 2007, 175, 177. BVerfGE 17, 232, 239 f.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
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ist – gleich zu behandeln ist. Sei auch die Problemstruktur ähnlich, so sind die Ursachen für die Schaffung der in Frage stehenden Regelungen sowie die mit der Aufhebung verbundenen Gefahren als unterschiedlich zu betrachten. Aus dieser Unterschiedlichkeit kann sich auch die Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung ergeben. Die Frage, inwiefern die Unterteilung eines Unternehmens in einen internen und einen externen Bereich sinnvoll ist, ist anhand des einzelnen Sachverhalts zu entscheiden. Es kann nicht die Unternehmenskultur eines Optikerbetriebs grundsätzlich mit der Unternehmensstruktur eines heilberuflichen Unternehmens eins zu eins verglichen werden. Wenn das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes davon ausgeht, dass die grundsätzliche Frage, inwiefern im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses einem Angestellten die Verantwortlichkeit anvertraut werden könne, im Optiker-Urteil des EuGH entschieden wurde, so kann dem nur entgegnet werden, dass dies eine Einzelfallentscheidung war und ausschließlich für den Bereich des Optikerbetriebs geschehen ist. Dem Urteil des EuGH lässt sich lediglich entnehmen, dass dieser einzelne Fall des Fremd- und Mehrbetriebsverbots für Optikergeschäfte in Griechenland unverhältnismäßig ist. Es trifft aber keine allgemeingültige Aussage über die Verhältnismäßigkeit irgendeines Fremd- und Mehrbesitzverbots. 109 Die Frage der Zulässigkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots wird demnach nicht im Vergleich zum Optiker entschieden, sondern vielmehr allein basierend auf Erwägungen zum Apothekenwesen selbst. Dies bedeutet jedoch nicht zugleich, dass der EuGH die im Optiker-Urteil getroffenen Erwägungen nicht auch für die Entscheidung über das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken heranziehen und dieses wegen des höheren Risikoprofils automatisch als mit den Grundfreiheiten vereinbar betrachten wird.
D. Zur Vereinbarkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots mit der Niederlassungsfreiheit Einzig in Betracht kommender Prüfungsmaßstab für die Vereinbarkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots mit dem Gemeinschaftsrecht ist, wie bereits dargestellt, die Niederlassungsfreiheit.
109 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 114; a. A. sind Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1179; Kleine-Cosack, DB 2007, 1851, 1852.
190 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
I. Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich Bei der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG handelt es sich um eine der Personenverkehrsfreiheiten. Sie schützt die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats. 110 In persönlicher Hinsicht steht das Recht der freien Niederlassung natürlichen Personen zu, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind. 111 Eine selbstständige Erwerbstätigkeit einer natürlichen Person liegt vor, wenn ein Tätigwerden auf eigene Rechnung und auf eigenes wirtschaftliches Risiko erfolgt. 112 Unter Erwerbstätigkeit ist eine Tätigkeit zu verstehen, die regelmäßig gegen Entgelt vorgenommen wird, also im weitesten Sinne wirtschaftlich ausgerichtet ist. 113 Hierzu gehören gewerbliche Tätigkeiten in Industrie, Handel und Handwerk ebenso wie freiberufliche Tätigkeiten. 114 Den natürlichen Personen sind gemäß Art. 48 EG die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften gleichgestellt, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben. Zu den genannten Gesellschaften gehören ausweislich des Art. 48 Abs. 2 EG „alle Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen.“ 115 110
Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 124; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1902. 111 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 124; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 2022. 112 Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1924; Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 39 Rn. 12; Arndt, Europarecht, S. 225. 113 Scheuer, in: Lenz, EGV, Art. 43 Rn. 2; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 149; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1906; Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 43 Rn. 12. 114 Arndt, Europarecht, S. 225; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1914. 115 Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass im Bereich des Gesellschaftsrechts im Rahmen der Niederlassungsfreiheit lange Zeit umstritten war, ob ausländische Gesellschaften einen Anspruch auf Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit nach den Personalstatuten des Ursprungslands haben (sog. Gründungs- oder Inkorporationstheorie) oder ob nach der sog. Sitztheorie die Bestimmung der Staatszugehörigkeit nach dem Recht des Staats des effektiven Hauptverwaltungssitzes erfolgt (so beispielsweise Arndt, Europarecht, S. 228 f.). Der EuGH hat sich in verschiedenen Urteilen zur Anwendung der Gründungstheorie entschieden, vgl. EuGH, Rs. C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459; Rs. C-208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919; Rs. 167/01, Inspire Art, Slg. 2003, I-10155. Eine ausführliche
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
191
Eine Niederlassung beinhaltet eine auf Dauer angelegte Berufsbetätigung an einem festen Standort. 116 Schutzziel der Niederlassungsfreiheit ist demnach eine dauerhafte wirtschaftliche und soziale Integration des Unionsbürgers in die Rechtsordnung des Aufnahmemitgliedstaats. 117 Von der primären Niederlassungsfreiheit spricht man bei der Schaffung einer Hauptniederlassung, also der Neuaufnahme einer selbstständigen bzw. unternehmerischen Tätigkeit nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen oder bei der Übersiedlung der Hauptniederlassung in einen anderen Mitgliedstaat. 118 Die sekundäre Niederlassungsfreiheit hingegen umfasst die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochterunternehmen durch Unionsbürger bzw. Gesellschaften, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind. 119 In diesem Fall wird also die Hauptniederlassung (primäre Niederlassung) beibehalten und eine weitere Niederlassung gegründet, die von der Hauptniederlassung abhängig ist. 120 Aus dem Erfordernis der Ansässigkeit bei Schaffung einer sekundären Niederlassung ergibt sich, dass die Hauptniederlassung im Gebiet der Gemeinschaft unterhalten werden muss. 121 Beim apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbot sind sowohl die primäre als auch die sekundäre Niederlassungsfreiheit betroffen: Es ist weder ausländischen Gemeinschaftsbürgern noch – für die Niederlassungsfreiheit nicht relevant, weil nicht grenzüberschreitend – Inländern erlaubt, eine Gesellschaft zu gründen (primäre Niederlassungsfreiheit) bzw. eine Zweigniederlassung in Form einer Kapitalgesellschaft zu schaffen, deren Zweck der Betrieb einer Apotheke ist. Einer Kapitalgesellschaft, die im Ausland eine Apotheke betreibt, ist die Grenzüberschreitung nach Deutschland mit demselben Gesellschaftszweck nicht Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich befindet sich in Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 2077 ff. 116 Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 43 Rn. 11, 16 ff.; Arndt, Europarecht, S. 225; Everling, DB 1990, 1853; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1928. 117 Arndt, Europarecht, S. 226; Pache, in: Schulze / Zuleeg, Europarecht, § 10 Rn. 167; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1928. 118 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 125; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1933. Zu beachten ist, dass die Begriffe der primären und sekundären Niederlassungsfreiheit nicht mit den Begriffen der primären und sekundären Niederlassung zu verwechseln sind. Die primäre Niederlassung ist die Hauptniederlassung, während die sekundäre Niederlassung eine Zweigniederlassung ist. Auch die sekundäre Niederlassung genießt primäre und sekundäre Niederlassungsfreiheit. 119 Arndt, Europarecht, S. 226; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 125; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1933. 120 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 125; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 1933; eine Ausnahme stellt in diesem Bereich die explizit benannte Tochtergesellschaft dar. Diese ist rechtlich selbstständig, kann also auch nach Abwicklung der Muttergesellschaft weiter bestehen. Die Tochtergesellschaft hat also ein eigenes, von der Muttergesellschaft unabhängiges Gesellschaftsstatut. Lediglich im Innenverhältnis zur Muttergesellschaft ist die Entscheidungsfreiheit der Tochtergesellschaft eingeschränkt. 121 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 130; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 2027.
192 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
möglich. Das Mehrbesitzverbot berührt den sachlichen Schutzbereich im Hinblick auf die Eröffnung beliebig vieler Zweigniederlassungen. 2. Grenzüberschreitender Sachverhalt Aus Art. 3 Abs. 1 lit. c) EG („zwischen den Mitgliedstaaten“) ergibt sich nach herrschender Auffassung, dass ein grenzüberschreitender Vorgang vorliegen muss, damit die Grundfreiheiten anwendbar sind (sog. Zwischenstaaatlichkeitsklausel). 122 Eine andere Ansicht will jedoch auch solche Sachverhalte unter die Grundfreiheiten subsumieren, die keinen zwischenstaatlichen Bezug aufweisen. 123 Die Grundfreiheiten wären dann als allgemeine Wirtschaftsfreiheiten zu verstehen. Eine Folge wäre, dass sich die Problematik der Inländerdiskriminierung auflösen würde, weil sich dann auch Inländer auf die jeweilige Grundfreiheit berufen könnten. Hiergegen spricht allerdings, dass die Kompetenzen des nationalen Gesetzgebers im Wirtschaftsrecht übermäßig beschnitten würden. 124 Im Rahmen der Personenverkehrsfreiheiten ist ein grenzüberschreitender Bezug nicht gegeben, wenn im konkreten Fall keines der Merkmale einer wirtschaftlich relevanten Betätigung über die Grenzen des Mitgliedstaats hinausweist. 125 Im Falle der Erteilung der Betriebserlaubnis an DocMorris handelte es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt. Die Gesellschaft betreibt in den Niederlanden eine Apothekenkette. Die Eröffnung der Apotheke im deutschen Raum war demnach als Zweigniederlassung gedacht. Der vorliegende Fall verdeutlicht, dass das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst und somit in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit fällt. Demnach liegen hinsichtlich des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit die Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit auf das apothekenrechtliche Fremdund Mehrbesitzverbot vor. Eine Grundfreiheit als Teil des primären Gemeinschaftsrechts ist bei Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts jedoch erst dann anwendbar, wenn sie nicht durch abschließendes gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht verdrängt wird mit der Folge, dass die nationale Maßnahme anhand der Harmonisierungsregelung und nicht anhand der Grundfreiheiten zu beurteilen ist. 126 Es ist also für
122
Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 262; Arndt, Europarecht, S. 185 f.; Pache, in: Schulze / Zuleeg, Europarecht, § 10 Rn. 12; Streinz, Europarecht, Rn. 811; Ehlers, in: ders.; Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 19 ff., 24 f., 55. 123 Ausführlich hierzu weiter unten bei der Darstellung der Problematik der Inländerdiskriminierung, 4. Kap., D. 124 Arndt, Europarecht, S. 186. 125 Arndt, Europarecht, S. 186; Pache, in: Schulze / Zuleeg, Europarecht, § 10 Rn. 13; EuGH, EuZW 2000, 371, 374 f., Tz. 58 – „Deliège“.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
193
die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit vorab zu fragen, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber bereits Harmonisierungsregelungen getroffen hat. 3. Harmonisierungsvorschriften Es können nur solche Harmonisierungsregelungen vorrangig sein, die den Bereich der Niederlassung und Organisation im Apothekenwesen abschließend regeln. Im Rahmen der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel wurden Teilbereiche des Rechts der Arzneimittelherstellung, der pharmazeutischen Unternehmer und des pharmazeutischen Großhandels geregelt. 127 Im Bereich des Arzneimittelrechts bleiben jedoch hinsichtlich der Verschreibungspflichtigkeit und der Zulassung in den Mitgliedstaaten Unterschiede bestehen. 128 Auch die Einstufung als Lebensmittel oder Arzneimittel ist noch nicht gemeinschaftsrechtlich geregelt. 129 Der Ermächtigung des Art. 47 Abs. 1 EG entspringen weitere sehr wichtige Harmonisierungsrichtlinien: die Anerkennungsrichtlinien, die Koordinierungsrichtlinien sowie zuletzt die Berufsqualifikationsrichtlinie. 130 Diese regeln eine ausschließliche Harmonisierung hinsichtlich der Qualifikation, die für den Zugang zu pharmazeutischen Tätigkeiten erforderlich ist, durch Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen und durch 126 EuGH, Rs. C-271/91, LPO, Slg. 1993, I-2899, Rn. 5; Rs. C-108/96, Mac Quen, Slg. 2001, I-837, Rn. 22.; EuZW 2005, 81, 83 – „Radlberger“; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 54; Arndt, Europarecht, S. 180; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 251. 127 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel; Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel; Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln. 128 EuGH, Rs. C-215/87, Schumacher, Slg. 1989, I-617, Rn. 15; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 252. 129 Vgl. EuGH, Rs. C-369/88, Delattre, Slg. 1991, I-1487, Rn. 35; BGHZ 151, 286 ff. 130 Richtlinie 85/432/EWG (sog. Koordinierungsrichtlinie) des Rates vom 16. September 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten, S. 43 ff.; Richtlinie 85/433/EWG (sog. Anerkennungsrichtlinie) des Rates vom 6. September 1985 über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Apothekers und über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts für bestimmte pharmazeutischen Tätigkeiten; Art. 44 f. der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen.
194 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften. 131 Diese Regelungen betreffen die Frage, welche Voraussetzungen in der Person des Apothekers vorliegen müssen, damit dieser seinen Beruf ausüben darf. Nicht davon erfasst ist die Organisationsform der Apotheke, also der Apothekenbetrieb. 132 Eine gemeinschaftsrechtliche Berufs- oder Betriebsordnung existiert ebenfalls nicht. 133 Dies lässt sich auch der Begründung zur Koordinierungsrichtlinie 85/432/EG entnehmen. Danach soll die Richtlinie „[...] weder eine Begrenzung der in den Mitgliedstaaten den Apothekern zugänglichen Tätigkeiten [...] noch [...] zugunsten dieser Berufsangehörigen ein Monopol (begründen), da die Einführung eines solchen Monopols weiterhin in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt.“ Auch sei durch die Richtlinie „[...] nicht die Koordinierung aller Bedingungen für die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeiten des Apothekers (gewährleistet).“ Die „[...] geographische Verteilung der Apotheken und das Abgabemonopol für Arzneimittel (fallen) weiterhin unter die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.“ Ähnlich wird in der Begründung zur Anerkennungsrichtlinie 85/433/EWG argumentiert. So soll die Richtlinie „[...] die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die Gesellschaften die Ausübung bestimmter Tätigkeiten verbieten oder ihnen dafür bestimmte Auflagen machen (nicht berühren).“ In der Richtlinienbegründung wird festgestellt, dass „einige Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Politik auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, die insbesondere darauf abzielt, eine zufrieden stellende Versorgung mit Arzneimitteln in ihrem gesamten Hoheitsgebiet zu gewährleisten, die Zahl der Apotheken, die neu eingerichtet werden können, (begrenzen,) während andere Mitgliedstaaten keine solchen Vorkehrungen getroffen haben [...].“ Im Ergebnis ist keine Harmonisierungsvorschrift geschaffen worden, deren Inhalt die Regelung der Organisation des Apothekenbetriebs berührt. 134 Die nationale Regelung des Fremd- und Mehrbesitzverbots ist demnach am primären Gemeinschaftsrecht und damit an den Grundfreiheiten zu messen. 4. Bereichsausnahme Ist die Niederlassungsfreiheit in sachlicher, persönlicher und räumlicher Hinsicht anwendbar, so muss dennoch zunächst überprüft werden, ob eine Bereichs131
Siehe hierzu Arndt, Europarecht, S. 231 ff. Martini, DVBl 2007, 10, 12. 133 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 253. 134 So auch Streinz / Herrmann, EuZW 2006, 455, 456; Grams, MedR 1997, 406, 407; zu den Auswirkungen der Richtlinien 85/432/EWG und 85/433/EWG ausführlich Gornig, DAZ 1989, 1252 ff. 132
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
195
ausnahme die Anwendbarkeit der Grundfreiheit ausschließt. Unter Bereichsausnahmen (Art. 39 Abs. 4 EG, Art. 45 Abs. 1 EG, Art. 55 i.V. m. 45 Abs. 1 EG) versteht man die Normen, die die Heranziehung einer Grundfreiheit bereits auf der Schutzbereichsebene ausschließen. 135 Es handelt sich nicht um Schrankenregelungen. Hier werden Tätigkeiten, die eng mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, vom Geltungsbereich der Grundfreiheiten ausgenommen. a) Art. 45 Abs. 1 EG Im Bereich der Niederlassungsfreiheit regelt Art. 45 Abs. 1 EG eine Bereichsausnahme. 136 Danach sind solche Tätigkeiten vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit auszuschließen, die eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen. Art. 45 Abs. 1 EG stellt eine Ausnahmevorschrift dar, die eng auszulegen ist. 137 Dies lässt sich schon der Tatsache entnehmen, dass der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung die Anwendung der Bereichsausnahme aus Art. 45 Abs. 1 EG stets versagt hat. 138 Fraglich ist, ob die Tätigkeit eines Apothekers der Ausübung öffentlicher Gewalt zuzuordnen ist. Hierfür ist zunächst zu klären, was unter dem Begriff „Ausübung öffentlicher Gewalt“ zu verstehen ist. 139 Zunächst ist der Begriff als Teil einer primärrechtlichen Ausnahmeregelung nicht nach nationalem Recht, sondern vielmehr nach Gemeinschaftsrecht zu bestimmen. 140 Der EuGH hat den Begriff auf solche Tätigkeiten begrenzt, die eine „unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung von Aufgaben mit sich bringen“ 141 und „die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind, vor allem wenn die Beschäftigung eine ‚besondere Verbundenheit‘ zum Staat ausdrückt.“ 142 Der EuGH stellt damit klar, dass der Begriff der Tätigkeit nicht ganze Berufsbilder umfasst, sondern lediglich auf spezifische, die Ausübung hoheitlicher Gewalt umfassende Teilbereiche 135 Streinz, Europarecht, Rn. 825 f.; Arndt, Europarecht, S. 186; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 59 ff. 136 Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 45 Rn. 2 ff.; Frenz, Handbuch Europarecht, Rn. 197 f. 137 Bröhmer, in: Callies / Ruffert, Verfassungsrecht der EU, Art. 45 EGV, Rn. 1; Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 45 EGV, Rn. 8; Tiedje, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 10 Rn. 44. 138 Randelzhofer / Fortshoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 45 EGV, Rn. 10. 139 Ausführlich zum Begriff der „öffentlichen Gewalt“ im Sinne der Vorschrift: Frenz, Handbuch Europarecht, Rn. 1977 ff. 140 Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 45 Rn. 4. 141 EuGH, Rs. 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, Rn. 44/45; Rs. C-42/92, Thijssen, Slg. 1993, I-4047, Leitsatz 1 und Rn. 22. 142 Bröhmer, in: Callies / Ruffert, Verfassungsrecht der EU, Art. 45 EGV, Rn. 1.
196 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
(Teiltätigkeiten) bestehender Berufsbilder ausgerichtet ist. 143 Die Tragweite der Vorschrift soll sich danach nur auf das beschränken, „was zur Wahrung der Interessen, die diese Bestimmung den Mitgliedstaaten zu schützen erlaubt, unbedingt erforderlich ist.“ 144 Als Aufgabe des Apothekers kann die Abgabe von Arzneimitteln oder die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln angesehen werden. So regelt § 1 BApO, dass der Apotheker berufen ist, „[...] die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Er dient damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes.“ § 1 ApoG regelt, dass „den Apotheken [...] die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung (obliegt).“ Diese Aufgaben mögen als öffentliche Aufgaben erscheinen. So entschied auch das Bundessozialgericht, dass bei der Abgabe eines Arzneimittels an einen in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen des Sachleistungssystems Versicherten ein Kaufvertrag zwischen der Krankenkasse, vertreten durch den verordnenden Vertragsarzt, und der Apotheke zu Gunsten des Versicherten zustande kommt. 145 Verhältnisse zwischen Krankenassen und Leistungserbringern gemäß § 69 SGB V sind generell öffentlich-rechtlicher Natur. 146 Die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist deshalb als eine Tätigkeit (auch) öffentlich-rechtlicher Natur anzusehen. Entscheidend ist jedoch die Frage, ob dies auch in Ausübung öffentlicher Gewalt geschieht. Als Ausübung öffentlicher Gewalt können nach der Rechtsprechung des EuGH die Tätigkeiten angesehen werden, die mit der Ausübung von Zwangsbefugnissen, Sonderrechten oder sonstigen Hoheitsprivilegien verbunden sind. 147 Darf der Private durch Verwaltungsakt handeln, nimmt er Sonderrechte in Anspruch, so dass die Tätigkeit grundsätzlich als Ausübung öffentlicher Gewalt angesehen werden kann. 148 Dies ist beim Apotheker aber gerade nicht der Fall. Der Apotheker handelt in einem Gleichordnungsverhältnis zum Patienten und damit ausschließlich in privatrechtlicher Form. Er kann weder von Sonderrechten noch von Zwangsbefugnissen Gebrauch machen. 149 Die Abgabe des Arzneimittels an 143 Bröhmer, in: Callies / Ruffert, Verfassungsrecht der EU, Art. 45 EGV, Rn. 2; Randelzhofer / Fortshoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 45 EGV, Rn. 7; Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 45 Rn. 5. 144 EuGH, Rs. 147/87, Kommission / Griechenland, Slg. 1988, 1637, Rn. 7. 145 BSGE 77, 194, 200. 146 BSGE 89, 24, 32, 34. 147 EuGH, Rs. C-114/97, Kommission / Spanien, Slg. 1998, I-6717, 6742, Rn. 37; Generalanwalt Mayras in EuGH, Rs. 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, 635, Anm. III 1. 148 Randelzhofer / Fortshoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 45 EGV, Rn. 8; Frenz, Handbuch Europarecht, Rn. 1980 f. 149 So auch Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 256; Mand / Könen,, WRP 2006, 841 ff.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
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sich gestaltet kein Rechtsverhältnis, sie ist als schlichtes – wenn auch öffentlichrechtliches – Handeln anzusehen. Im Ergebnis handelt es sich bei der Abgabe von Arzneimitteln bzw. der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln also nicht um hoheitliche Gewalt in der Hand des Apothekers, so dass eine Anwendbarkeit des Art. 45 Abs. 1 EG ausgeschlossen ist. b) Art. 86 Abs. 2 EG als Bereichsausnahme? Gemäß Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, „[...] soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert.“ Es ist zunächst fraglich, ob es sich bei der Regelung des Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG um eine Bereichsausnahme handelt, die die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten von vornherein ausschließt. Dies wird von manchen angenommen, 150 wobei teilweise vorgeschlagen wird, der Bereichsausnahme lediglich eine einschränkende Wirkung gegenüber der Grundfreiheit zuzuschreiben. Danach könnte die Grundfreiheit nicht mehr als allgemeines Beschränkungsverbot, sondern nur noch als Diskriminierungsverbot angesehen werden. 151 Jedoch ist mit dem EuGH, der neben den geschriebenen Bereichsausnahmen der Art. 39 Abs. 4 und Art. 45 Abs. 1 (i.V. m.) 55 EG keine weiteren Bereichsausnahmen anerkennt, davon auszugehen, dass es sich bei Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG nicht um eine die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit ausschließende Bereichsausnahme, sondern um einen Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in die Grundfreiheiten handelt. 152 Würde man Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG als Bereichsausnahme verstehen, so entstünden bei Vorliegen der Voraussetzungen systematisch unlösbare Probleme in Form von Zirkelschlüssen bei der Überprüfung der Vereinbarkeit mitgliedstaatlicher Regelungen mit den Grundfreiheiten. So müsste man bereits bei der Überprüfung der Einschlägigkeit einer Grundfreiheit vorgeschaltet Erwägungen zu der Frage anstellen, inwiefern die mit den Grundfreiheiten verfolgten Interessen mit den einem Gemeinwohlzweck dienenden Aufgaben eines Unternehmens im Einklang stehen. Es würden demnach schon hier Abwägungen getroffen, die erst 150 Jung, in: Callies / Ruffert, EG, Art. 86 Rn. 34; Hochbaum / Klotz, in: von der Groeben / Schwarze, EGV, Art. 86 Rn. 52 f.; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 256 f. 151 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 256 f. 152 EuGH, Rs. C-157/94, Kommission / Niederlande, Slg. 1997, I-5699; Rs. C-266/96, Corsica Ferries France, Slg. 1998, I-3949, Rn. 59, Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf, Art. 86 EGV, Rn. 53, Burgi, EuR 1997, 261, 277; Koenig / Kühling, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 86 Rn. 37.
198 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs in eine Grundfreiheit stattfinden sollten. Demnach handelt es sich bei Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG um keine die Grundfreiheit ausschließende Bereichsausnahme, sondern um einen Rechtfertigungsgrund. c) Art. 47 Abs. 3 EG Teilweise wird Art. 47 Abs. 3 EG, wonach die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen für die ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Berufe die Koordinierung der Bedingungen für die Ausübung dieser Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten voraussetzt, als ein Argument für die restriktive Auslegung des Art. 43 EG im Rahmen der benannten Bereiche angesehen. 153 Danach soll für die benannten Bereiche die Niederlassungsfreiheit nicht als allgemeines Beschränkungsverbot, sondern als Diskriminierungsverbot anzusehen sein. Dem ist entgegenzuhalten, dass Art. 47 Abs. 3 EG lediglich die Richtlinienkompetenz des Rates betrifft und sich inhaltlich auch nur auf die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen bezieht. 154 Die von Art. 47 Abs. 3 EG erfassten Bereiche sind inzwischen umfassend durch Koordinierungsrichtlinien geregelt, weswegen die Vorschrift bedeutungslos geworden ist. 155 Vor allem aber stellt die Vorschrift die Apotheken nicht von einer Anwendung des Art. 43 EG frei. 156 d) Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG Wie bereits bei Art. 86 Abs. 2 EG wird auch im Rahmen des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG vorgeschlagen, diesen als Bereichsausnahme zu Art. 43 EG einzustufen. 157 Dort heißt es: „Bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung wird die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Verantwortung in vollem Umfang gewahrt.“ 158 Danach wären die Grundfreiheiten nicht anwendbar, wenn es sich um eine Regelung des Mitgliedstaats handelt, die die Organisation des Gesundheitswe153 Friauf, Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes, S. 55; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 258. 154 Schlag, in: Streinz, EGV, Art. 47 Rn. 28. 155 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 47 EGV, Rn. 23; Koenig / Kühling, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 86 Rn. 28; Scheuer, in: Lenz, EGV, Art. 46 Rn. 10. 156 Streinz / Herrmann, EuZW 2006, 455, 456; Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 302; Bröhmer, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 47 Rn. 3; Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 47 Rn. 31. 157 Dettling, ApoR 2006, 1, 10 f.; ders. / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 294 ff. 158 Hervorhebungen nur hier.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
199
sens betrifft. Dies ist jedoch abzulehnen. 159 Der Gerichtshof unterscheidet streng zwischen der Wahrnehmungszuständigkeit der Mitgliedstaaten einerseits und der Ausübung dieser Zuständigkeiten durch die Mitgliedstaaten andererseits. 160 Selbst wenn die Mitgliedstaaten eine ausschließliche Wahrnehmungskompetenz haben, sind sie gleichwohl bei der Ausübung dieser Zuständigkeit an die Grundfreiheiten gebunden. 161 Schon dem Wortlaut nach geht es in Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG nicht darum zu regeln, dass die Grundfreiheiten nicht anwendbar sein sollen – bei klassischen Bereichsausnahmen ist dies explizit der Fall –, sondern darum zu bestimmen, wie weit die Kompetenz der Gemeinschaft im Bereich der Legislative reicht. 162 Hinzu kommt, dass der EuGH als Bereichsausnahme nur die Vorschriften anerkennt, die auch explizit als solche geregelt sind. 163 Mithin handelt es sich bei Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG nicht um eine Bereichsausnahme. Der Gehalt der Vorschrift könnte sich – wie weiter unten noch darzustellen sein wird 164 – möglicherweise dennoch einschränkend auf den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit auswirken. e) Zwischenergebnis Im Ergebnis steht keine Bereichsausnahme der Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot entgegen.
II. Die Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot Bejaht man nun die grundsätzliche Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit auf die vorliegende Problematik, stellt sich die Frage, inwiefern in ihren Schutzbereich eingegriffen wird. Hierfür ist entscheidend, vor welcher Art von Eingriff die Niederlassungsfreiheit schützen soll. Jedenfalls erfasst sind nach einhelliger Auffassung offene bzw. unmittelbare Diskriminierungen. 165
159
Siehe auch Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1169. Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, vor Art. 39 –55 EGV, Rn. 46. 161 EuGH, Rs. C-372/04, Watts, Slg. 2006, I-4325, Rn. 146; Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, vor Art. 39 – 55 EGV, Rn. 46; Diekmann / Reinhardt, WRP 2007, 407, 415; Wichard, in: Callies / Ruffert, EGV, Art. 152 Rn. 8. 162 Nähere Ausführungen zur vollen Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG weiter unten, 4. Kap., C. II. 3. 163 Siehe schon weiter oben bei der Prüfung des Art. 86 Abs. 2 EG, 4. Kap., C. I. 4. b). 164 Siehe sub 4. Kap., D. II. 3. 165 Bröhmer, in: Callies / Ruffert, EGV, Art. 43 Rn. 20. 160
200 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
1. Diskriminierungsverbot Unmittelbar diskriminierende Wirkung hat eine Maßnahme dann, wenn eine unterschiedliche Behandlung durch Normen in Rede steht, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen. 166 Weder das Fremd- noch das Mehrbesitzverbot knüpfen jedoch unmittelbar an die Staatsangehörigkeit an: 167 Sowohl inländischen als auch ausländischen Kapitalgesellschaften oder Berufsfremden ist es verboten, eine Apotheke in Deutschland zu betreiben oder sich an einer deutschen Apotheke zu beteiligen. Ebenso ist es sowohl inländischen als auch ausländischen selbstständigen Apothekern versagt, mehr als eine Apotheke und drei Filialapotheken im Bundesgebiet zu betreiben. Möglicherweise wirkt das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot jedoch mittelbar diskriminierend. Auch mittelbare Diskriminierungen können nach einhelliger Auffassung einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit darstellen. 168 Indirekt diskriminierend wirkt eine Maßnahme dann, wenn sie zwar nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpft, jedoch faktisch zu einer Ungleichbehandlung von Angehörigen eines anderen Staates führt. 169 Das Fremd- und Mehrbesitzverbot könnte mittelbar diskriminierend wirken, wenn eine Konstellation gegeben ist, in der eine Person jeweils eine Apotheke in Deutschland und in einem anderen Mitgliedstaat betreiben möchte. 170 Hierbei sind zwei Varianten denkbar: (1) Der andere Mitgliedstaat verlangt ebenso wie in Deutschland die persönliche Leitung der Apotheke, oder (2) der Mitgliedstaat verlangt es nicht. Im Rahmen der ersten Variante könnte es ausländischen Apothekern auf Grund des Erfordernisses der ständigen persönlichen Leitung sowohl in Deutschland als auch im anderen Mitgliedstaat schwerer gemacht werden, sich in Deutschland niederzulassen, weil sie für die Erfüllung dieser Voraussetzung den bisherigen Sitz im Ausland praktisch aufgeben müssten. Jedoch ergibt sich die Problematik aus dem Zusammenspiel der Regelungen in beiden Staaten. Der grenzüberschreitende Verkehr wird demnach nur deshalb erschwert, weil sowohl 166 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 43 EGV, Rn. 74; Bröhmer, in: Callies / Ruffert, EGV, Art. 43 Rn. 20; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 133; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 442; Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 43 Rn. 44. 167 Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 160; Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 302; Martini, DVBl 2007, 10, 12; Grams, MedR 1997, 406, 408. 168 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 43 EGV, Rn. 76 ff.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 134; Tiedje / Troberg, in: von der Groeben / Schwarze, EGV, Art. 43 Rn. 72; der EuGH setzt den Begriff der versteckten Diskriminierung mit der mittelbaren Diskriminierung gleich, vgl. EuGH, Rs. C-279/93, Schumacher, Slg. 1995, I225, Rn. 26; Rs. C-237/94, O’Flynn, Slg. 1996, I-2617, Rn. 17 ff. 169 Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 444; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 134. 170 Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 162.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
201
Herkunfts- als auch Zielland parallele Regelungen haben. Demnach scheidet eine indirekte Diskriminierung in solchen Fällen aus, weil sie nicht allein auf der deutschen Regelung basieren würde. 171 Im Rahmen der zweiten Variante scheidet eine indirekte Diskriminierung ebenso aus: Der ausländische Unionsbürger kann zusätzlich zu seiner nicht persönlich geleiteten Heimatapotheke auch in Deutschland eine Apotheke betreiben, welche er persönlich leiten muss. Damit befindet er sich in derselben Situation wie ein deutscher Staatsangehöriger. 172 Im Ergebnis ist demnach der Betrieb einer weiteren Apotheke in Deutschland nur bei solchen Mitgliedstaaten möglich, in denen keine Pflicht zur persönlichen Leitung besteht. 173 Dies stellt jedoch keine indirekte Diskriminierung dar, so dass das Mehr- und Fremdbesitzverbot insgesamt keine diskriminierende Wirkung aufweist. 174 Weist das Fremd- und Mehrbesitzverbot keine diskriminierende Wirkung auf, so stellt sich die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit daneben als Beschränkungsverbot verstanden werden kann. Nur dann kann im Fremd- und Mehrbesitzverbot ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit gesehen werden. 2. Beschränkungsverbot Gemäß Art. 43 Abs. 2 EG umfasst die Niederlassungsfreiheit „die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeit sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen [...] nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen“. Dem Vertragstext nach handelt es sich bei der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG also um ein Diskriminierungsverbot. 175 Jedoch hat die Rechtsprechung des EuGH sich vom Wortlaut des Vertrags entfernt und das Niederlassungsverbot strukturell an die Freiheit des Warenverkehrs 176 im Sinne eines ähnlich umfassenden Beschränkungsverbots angeglichen. 177 Trotz dieser 171
So auch Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 162. Zuck / Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, Rn. 163. 173 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 78. 174 Im Übrigen wären die Voraussetzungen an die Rechtfertigung des Eingriffs für indirekte Diskriminierungen und Beschränkungen gleich; vgl. weiter unten, 4. Kap., C. IV. 2.; siehe auch Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 43 EGV, Rn. 74; Schlag, in: Schwarze, EGV, Art. 43 Rn. 49; Herdegen, Europarecht, S. 304; Frenz, Hdb. des Europarechts, Rn. 487 ff.; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 90. 175 Herdegen, Europarecht, § 15 II, Rn. 3; Friauf, Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes, S. 18. 176 Im Urteil in der Rechtssache Dassonville fand im Bereich der Warenverkehrsfreiheit bereits eine Wende vom Diskriminierungsverbot zum Beschränkungsverbot statt; vgl. EuGH, Rs. 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Rn. 5. 177 Herdegen, Europarecht, § 15 II, Rn. 3. 172
202 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Rechtsprechung des EuGH ist die Rechtsnatur der Niederlassungsfreiheit in der Literatur weiterhin umstritten. Teilweise wird die Niederlassungsfreiheit lediglich als – wenn auch weit gefasstes – Diskriminierungsverbot im Sinne eines Gleichbehandlungsgebots verstanden, 178 teilweise auch darüber hinausgehend als Beschränkungsverbot mit freiheitsrechtlichem Charakter. 179 Eine vermittelnde Ansicht begrenzt den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit in der Weise, dass zwar auch nur beschränkende Maßnahmen in den Schutzbereich eingreifen können, der Schutzbereich jedoch im Sinne der Keck-Rechsprechung 180 als begrenzt anzusehen ist. 181 a) Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit Im Rahmen der Niederlassungsfreiheit hatte der EuGH zunächst nur Fälle direkter oder indirekter Diskriminierung zu beurteilen. 182 Im Falle lediglich beschränkender Maßnahmen sah der EuGH die Niederlassungsfreiheit zunächst nicht als berührt an. 183 aa) Klopp Parallel hierzu lassen sich jedoch Entscheidungen des EuGH finden, die die Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot andeuten. Nennenswert ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung in der Rechtssache Klopp aus dem Jahre 1984. 184 Hier hatte der EuGH über eine französische Regelung zu entscheiden, 178
Nachbaur, EuZW 1991, 470, 472; ders., Niederlassungsfreiheit, S. 143 ff. Everling, in: GS für Knobbe-Keuk, S. 607, 610; Wägenbaur, EuZW 1991, 427, 432; Roth, in: GS für Knobbe-Keuk, S. 729, 733; Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, S. 115 ff.; Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 43 Rn. 83. 180 EuGH, Rs. C-267 und 268/91, Keck, Slg. 1993, I-6097 ff. Der EuGH sah sich in dieser Entscheidung dazu veranlasst, eine Schutzbereichsbegrenzung der Warenverkehrsfreiheit vorzunehmen. Nationale Regelungen, die ausländische und inländische Waren rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise berühren und sich lediglich auf bestimmte Verkaufsmodalitäten beziehen, stellen danach keine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit dar. 181 Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 62; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 2014 ff.; Pache, in: Schulze / Zuleeg, Europarecht, § 10 Rn. 185; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 77; Deckert / Schroder, JZ 2001, 88 ff.; siehe in Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit Becker, NJW 1996, 179, 181. 182 Auf diese Urteile beziehen sich diejenigen, die die Niederlassungsfreiheit als reines Diskriminierungsverbot ansehen. Angeführte Beispiele: EuGH, Rs. 197/84, Slg. 1985, 1819, 1820, 1826 f.; Rs. 270/83, Slg. 1986, 273, 305 ff.; Rs. 79/85, Slg. 1986, 2375, 2387 ff.; Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 43 EGV, Rn. 85. 183 Als Beispiel hierfür kann das Urteil des EuGH in der Rs. C-221/85, Kommission / Belgien, Slg. 1987, 719 angesehen werden. 184 EuGH, Rs. C-107/83, Klopp, Slg. 1984, 2971. 179
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
203
die es einem deutschen Rechtsanwalt verbot, eine Nebenniederlassung in Frankreich zu gründen, solange er seine Niederlassung in Deutschland nicht aufhebe. Während der für die Anwaltszulassung zuständige „ordre des avocats“ und die französische Regierung die Regelung für gemeinschaftsrechtskonform hielten, weil sie für Staatsbürger anderer Mitgliedstaaten wie für französische Bürger gleich wirkte, stellte der EuGH einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit fest. Zwar sei es zulässig, dass die Mitgliedstaaten im Interesse einer geordneten Rechtspflege die Ausübung der Tätigkeit eines Anwalts regeln, um einen ausreichenden Kontakt zu seinen Mandanten und den Gerichten zu gewährleisten. Dies dürfe „jedoch nicht dazu führen, dass die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten an der tatsächlichen Ausübung ihres [...] Niederlassungsrechts gehindert werden.“ 185 Dem einzelnen Mitgliedsstaat sei es „verwehrt, nach dessen nationalen Rechtsvorschriften [...] einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats das Recht auf Zugang zum Rechtsanwaltsberuf und auf Ausübung dieses Berufs nur deswegen zu versagen, weil der Betroffene gleichzeitige eine Rechtsanwaltskanzlei in einem anderen Mitgliedstaat unterhält.“ 186 „Eine solche Einschränkung hätte nämlich zur Folge, dass ein Rechtsanwalt, der sich einmal in einem bestimmten Mitgliedstaat niedergelassen hat, die Freiheitsrechte des Vertrags zur Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nur noch in Anspruch nehmen könnte, wenn er seine bereits bestehende Niederlassung aufgeben würde.“ 187 Ob diese Entscheidung eine Wende der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot angesehen werden kann, ist unklar. Zum einen könnte man davon ausgehen, dass der EuGH weiterhin vom Verständnis der Niederlassungsfreiheit als einem – wenn auch weiten – Diskriminierungsverbot ausgeht. 188 Diese Position lässt sich damit begründen, dass das Verbot von Zweitniederlassungen faktisch vor allem Bürger anderer Mitgliedstaaten von einer grenzüberschreitenden Tätigkeit abhält und deshalb mittelbar diskriminierend wirkt. Dann hätte der EuGH im Klopp-Urteil lediglich beanstandet, dass ein Mitgliedstaat seine Regelungen auch über sein Gebiet hinaus aufstellt. 189 Zum anderen könnte man in dieser Entscheidung aber auch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit sehen und damit einen Schritt in die Richtung eines Beschränkungsverbots. 190 Bezeichnet man nämlich lediglich faktisch, „typischerweise“ oder „im Wesentlichen“ Ausländer betreffende Regelungen als
185
EuGH, Rs. C-107/83, Klopp, Slg. 1984, 2971, 2990. EuGH, Rs. C-107/83, Klopp, Slg. 1984, 2971, 2972 (Ls. 3). 187 EuGH, Rs. C-107/83, Klopp, Slg. 1984, 2971. 188 Everling, Welche gesetzlichen Regelungen empfehlen sich für das Recht der rechtsberatenden Berufe, 3 ff.; ders., DB 1990, 1853, 1855; Hailbronner, JuS 1991, 917, 919; Nachbaur, EuZW 1991, 470, 471; Friauf, Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes, S. 43 ff. 189 Everling, EuR 1989, 338 ff., 347. 186
204 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
diskriminierend, lässt sich eine Abgrenzung zwischen einer Diskriminierung und einer nicht diskriminierenden Beschränkung nicht mehr eindeutig vornehmen. 191 bb) Arztpraxen In seinem Arztpraxen-Urteil 192 aus dem Jahre 1986 vertiefte der EuGH seine Ausführungen im Klopp-Urteil. Gegenstand der Entscheidung war eine französische Regelung, nach der ein Arzt in nur einem département und ein Arzt, der bereits in einem fremden Staat zugelassen war, in Frankreich gar nicht zur Ärzteschaft zugelassen werden konnte. Die Zulassung eines im Gemeinschaftsausland tätigen Arztes war – ähnlich wie schon zuvor bei der Zulassung eines ausländischen Rechtsanwalts – demnach von der Aufgabe seiner bisherigen Niederlassung abhängig. Der EuGH führte aus, dass die Vorschriften, soweit sie zu einer Beschränkung insbesondere des Niederlassungsrechts und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer führen, mit dem Vertrag nur vereinbar sind, „[...] wenn die in ihnen enthaltenen Beschränkungen wirklich in Anbetracht allgemeiner Verpflichtungen gerechtfertigt sind, von deren Erfüllung die ordnungsgemäße Ausübung der fraglichen Berufe abhängt, und wenn sie unterschiedslos für Inländer wie für die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten gelten. Dies (ist) nicht der Fall, wenn die Beschränkungen geeignet sind, eine Diskriminierung der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte zu bewirken oder den Zugang zum Beruf über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche Maß hinaus zu behindern.“ 193 Das Gericht stellte fest, „dass der Grundsatz, dass ein Arzt oder Zahnarzt nur eine Praxis haben soll, auf die Ärzte aus anderen Mitgliedstaaten strenger angewandt wird als auf die im französischen Hoheitsgebiet niedergelassenen Ärzte [...] (,) da die Ärztekammern es zwar den in Frankreich niedergelassenen Ärzten gestatten, in geringer Entfernung eine Zweitpraxis zu eröffnen, für die in einem anderen Mitgliedstaat, selbst in Grenznähe, niedergelassenen Ärzte dagegen keine Möglichkeit besteht, eine Zweitpraxis in Frankreich einzurichten.“ 194 Diese Feststellung des EuGH wird teilweise als für den Ausgang des Verfahrens wesentlich betrachtet. 195 Der EuGH habe also auf Grund der indirekt diskrimi190 Steindorff, EuR 1988, 19, 23; Ress, Niederlassungsfreiheit und nationale Konzessionssysteme, S. 8, 15 f.; Ehlers, NVwZ 1990, 810, 811; Gornig, NJW 1989, 1120, 1121; Blumenwitz, NJW 1989, 621, 623, wobei Gornig und Blumenwitz davon ausgehen, dass es sich bei den Grundfreiheiten seit dieser Rechtsprechung um Grundrechte handelt. Konsequenz wäre, dass diese Regelungen dann auch auf Inländer anzuwenden seien, also keinen grenzüberschreitenden Sachverhalt erforderten. So weit dürfte der Schutz der Grundfreiheiten wohl nicht reichen (siehe auch Everling, DB 1990, 1853, 1857). 191 Taupitz, Apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot, S. 91. 192 EuGH, Rs. 96/85, Arztpraxis, Slg. 1986, 1475 ff. 193 EuGH, Rs. 96/85, Arztpraxis, Slg. 1986, 1475, Rn. 11. 194 EuGH, Rs. 96/85, Arztpraxis, Slg. 1986, 1475, 1486; Hervorhebungen nur hier.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
205
nierenden Wirkung der in Frage stehenden Regelung und des Fehlens einer Rechtfertigung einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angenommen. Ein Abrücken von der bisherigen Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit im Sinne eines Diskriminierungsverbots soll hingegen nicht intendiert gewesen sein. 196 Hiergegen ist vorgebracht worden, dass sich aus der Formulierung der Leitsätze klar ergebe, dass diese Feststellung des EuGH für den Ausgang des Verfahrens gerade nicht wesentlich war. 197 In den Leitsätzen heißt es: „Führen diese Vorschriften jedoch zur Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft, so sind sie mit dem EWG-Vertrag nur vereinbar, wenn die in ihnen enthaltenen Beschränkungen wirklich in Anbetracht allgemeiner Verpflichtungen gerechtfertigt sind, von denen die ordnungsgemäße Ausübung der fraglichen Berufe abhängt, und wenn sie sowohl für die eigenen Staatsangehörigen als auch für Ausländer gelten. Dies ist nicht der Fall, wenn die Beschränkungen geeignet sind, eine Diskriminierung der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte zu bewirken oder den Zugang zum Beruf über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche Maß hinaus zu behindern.“ 198 Damit prüfe der EuGH zwar auch, ob eine Diskriminierung vorliege, er betrachte aber eben auch nicht diskriminierend wirkende Beschränkungen, die zum Schutz öffentlicher Interessen nicht erforderlich sind, als eine Verletzung der Personenverkehrsfreiheiten. 199 cc) Kommission / Belgien Als Beweis dafür, dass der EuGH seine Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit im Sinne eines Diskriminierungsverbots nicht ändern wollte, wird die Entscheidung des EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien aus dem Jahre 1987 200 gesehen. 201 Anlass für das Vertragsverletzungsverfahren war eine belgische Regelung, die als Voraussetzung für die Erstattung von Laboruntersuchungen durch die Krankenkasse vorsah, dass das Laboratorium von Ärzten oder Apothekern betrieben wurde. Entgegen der Auffassung der Kommission, dass Art. 43 EG (ex-Art. 52 EWG) nicht nur diskriminierende Maßnahmen, sondern auch unterschiedslos auf inländische und ausländische Staatsangehörige angewandte verbiete, sofern sie eine ungerechtfertigte Behinderung der letzteren bedeuteten, prüfte der EuGH nicht die sachliche Berechtigung der streitigen Rege195 196 197 198 199 200 201
Friauf, Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes, S. 27. Everling, DB 1990, 1853, 1856. Taupitz, Apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot, S. 93. EuGH, Rs. 96/85, Arztpraxis, Slg. 1986, 1475; Hervorhebungen nur hier. Taupitz, Apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot, S. 93. EuGH, Rs. 221/85, Kommission / Belgien, Slg. 1987, 719. Everling, DB 1990, 1853, 1856.
206 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
lung. Vielmehr sah der EuGH die Regelung als nicht diskriminierend und damit als mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar an. dd) Daily Mail In der Rechtssache Daily Mail 202 etablierte der EuGH für sog. Auswanderungsfälle, dass die Niederlassungsfreiheit auch gegenüber dem eigenen Staat geltend gemacht werden könne, wenn dieser die Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat behindere. Trotz dieser Feststellung hielt der EuGH in seiner Entscheidung eine steuerrechtliche Vorschrift, die für die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft ins Ausland eine Genehmigungspflicht vorsah, für im Ergebnis mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar. ee) Vlassopoulou In der Rechtssache Vlassopoulou 203 ging es um die Ablehnung der Zulassung einer in Deutschland promovierten, griechischen Anwältin als Rechtsanwältin in Deutschland, weil die nach § 4 BRAO erforderliche Befähigung zum Richteramt fehlte. Der EuGH stellte fest, dass „[...] nationale Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, [...] sich dahin auswirken (können), dass sie die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten in der Ausübung des ihnen durch Art. 52 EWGVertrag 204 gewährleisteten Niederlassungsrechts beeinträchtigen“. Der EuGH verpflichtete die Mitgliedstaaten, alle in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Befähigungsnachweise sowie die im Aufnahmestaat erworbenen praktischen Erfahrungen mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Qualifikationen zu vergleichen und bei der Beurteilung der Befähigung des Bewerbers zu berücksichtigen. 205 Auch in dieser Entscheidung wird von einigen Autoren kein Übergang der Rechtsprechung des EuGH zu einem Beschränkungsverbot gesehen. 206 Der EuGH sei auch hier von einer versteckten Diskriminierung ausgegangen. Denn das Erfordernis eines deutschen Prüfungszeugnisses stelle eine Voraussetzung dar, die ausschließlich oder zumindest vorwiegend Angehörige anderer Mitgliedstaaten nicht erfüllten. 207
202 203 204 205 206 207
EuGH, Rs. 81/87, Daily Mail, Slg. 1988, 5483. EuGH, Rs. C-340/89, Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357, 2383, Rz. 15. Jetzt Art. 43 EG. EuGH, Rs. C-340/89, Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357, 2383. So auch Friauf, Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes, S. 42. Nachbaur, EuZW 1991, 470, 471 f.; Hailbronner, JuS 1991, 917, 919 f.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
207
ff) Kraus Ebenfalls bedeutend für die Qualifizierung der Niederlassungsfreiheit als reines Diskriminierungs- oder als weiter gefasstes Beschränkungsverbot ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kraus. 208 Hier hatte der EuGH über eine Genehmigungspflicht für die Führung ausländischer akademischer Grade zu entscheiden. Der EuGH stellte fest, dass die Genehmigungspflicht als solche zwar mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sei, die Modalitäten der Genehmigung aber nicht unverhältnismäßig sein dürften. Weiterhin führte der EuGH aus, dass die Niederlassungsfreiheit einer Regelung entgegenstehe, die „zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der (...) Freiheiten (...) zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.“ gg) Gebhard Schließlich ist noch das Urteil in der Rechtssache Gebhard 209 von entscheidender Bedeutung. Gegenstand des Urteils war die Benutzung der Berufsbeizeichnung „avvocato“ in Italien seitens eines in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalts, der die für die Führung dieser Bezeichnung vom italienischen Gesetzgeber gestellten Voraussetzungen nicht erfüllte. Ohne in der Sache zu entscheiden, stellte das Gericht jedoch einen einheitlichen Prüfungsmaßstab für die Grundfreiheiten auf und qualifizierte diese als Beschränkungsverbote. 210 Dabei stellte der EuGH eine Formel auf, nach der alle nationalen Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten, grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: „Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.“ 211 Seit diesem Urteil wird die Niederlassungsfreiheit aus der Sicht der Rechtsprechung des EuGH als Beschränkungsverbot betrachtet. 212
208 209 210 211 212
EuGH, Rs. C-19/92, Kraus, Slg. 1993, I-1663, 1697, Rz. 32. EuGH, Rs. C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165. Vgl. Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 43 EGV, Rn. 87. EuGH, Rs. C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Rn. 37. Geiger, EGV, Art. 43 Rn. 15.
208 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
hh) Zwischenergebnis Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH soll deshalb davon ausgegangen werden, dass die Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot zu verstehen ist. Ob Tätigkeitsverbote – wie vorliegend für die Kapitalgesellschaft zum Zwecke des Betriebs einer Apotheke – am Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit zu messen sind, hat der EuGH allerdings noch nicht entschieden. 213 Trotz des eingangs angesprochenen Streits um die Reichweite des Beschränkungsverbots im Sinne der Niederlassungsfreiheit wird nach der herrschenden Ansicht zumindest für Zugangshindernisse die Geltung des Beschränkungsverbots beansprucht. 214 Als Beschränkungen im Sinne eines Zugangshindernisses gelten nach allgemeiner Auffassung Zugangsbehinderungen auf Grund objektiver Tätigkeitssperren, Zugangsbehinderungen auf Grund von sich als potenzielle subjektive Tätigkeitssperren auswirkenden Zulassungsmodalitäten und Zugangsbehinderungen auf Grund von Ausübungsmodalitäten. 215 Zu den Zugangsbehinderungen zählen namentlich Tätigkeitsverbote oder Tätigkeitsvorbehalte. 216 Zu den Zugangsbehinderungen auf Grund von unterschiedslos wirkenden Zulassungsmodalitäten gehört das Verbot des Betriebs einer Zweitniederlassung. 217 b) Das Fremd- und Mehrbesitzverbot als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit Danach gehört also ein Tätigkeitsverbot nicht zu den Standortbedingungen, die der Niederlassungswillige hinzunehmen hat. Somit stellt das Fremdbesitzverbot in Bezug auf die Kapitalgesellschaft nach einhelliger Auffassung eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit dar. 218 Auch die natürliche Person, die sich grenzüberschreitend am Betrieb einer deutschen Apotheke beteiligen möchte, ist vom Fremdbesitzverbot in dem Sinne betroffen, als es auch jegliche Art der Beteiligung an Apotheken durch Berufsfremde verhindert. Neben der Kapitalgesellschaft ist also auch die natürliche Person vom Fremdbesitzverbot betroffen. In Bezug auf das Mehrbesitzverbot ergibt sich vor allem im Zusammenhang mit der Pflicht zur persönlichen Leitung der Apotheke aus § 7 S. 1 ApoG, dass der 213
Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 43 EG, Rn. 90. Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 43 EG, Rn. 90; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1170; Streinz / Herrmann, EuZW 2006, 455, 457; Tietje, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 10 Rn. 53. 215 Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 43 Rn. 65. 216 Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 43 Rn. 66. 217 Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 43 Rn. 67. 218 Absolut herrschende Meinung, so auch Zuck / Lenz, NJW 1999, 3393, 3394; Streinz / Herrmann, EuZW 2006, 455, 457; Eichenhofer, MedR 2007, 329, 332. 214
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
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ausländische Apothekenbetreiber zwar neben der in seinem Heimatland bereits bestehenden Apotheke eine weitere in Deutschland betreiben kann. Da er jedoch die deutsche Apotheke persönlich leiten muss und dazu verpflichtet ist, permanent anwesend zu sein, kann er seine bisherige Apotheke im Ausland nicht mehr persönlich leiten. Dies wird viele ausländische Apotheker davon abhalten, sich in Deutschland niederzulassen. 219 Auch für einen deutschen Apotheker stellt die Pflicht zur persönlichen Leitung der Apotheke ein Hindernis dar. Der deutsche Apotheker kann im Ausland keine weitere Apotheke betreiben, wenn im Ausland ebenso wie in Deutschland die Pflicht besteht, dass die Apotheke persönlich geleitet werden muss. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten greift das apothekenrechtliche Mehrbesitzverbot somit in die Niederlassungsfreiheit von EGBürgern ein. Dies steht im Einklang mit der herrschenden Auffassung, nach der auch das Verbot mehrfacher Niederlassung zu den Zugangsbehinderungen auf Grund von unterschiedslos wirkenden Zulassungsmodalitäten gehört und zumindest als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu verstehen ist. 220 Durch das Fremd- und Mehrbesitzverbot wird also in die Niederlassungsfreiheit natürlicher und juristischer Personen eingegriffen. 3. Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG als Schutzbereichsbegrenzung? Möglicherweise könnte sich jedoch für das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot aus der Regelung des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG eine Einschränkung des Schutzbereichs derart ergeben, dass die Niederlassungsfreiheit für den darin geregelten Bereich nicht mehr als Beschränkungs-, sondern nur noch als Diskriminierungsverbot anzusehen wäre. Dies soll im Folgenden geprüft werden. In diesem Zusammenhang soll eine kurze Darstellung des Gesundheitsschutzes in der Europäischen Gemeinschaft erfolgen. Hierbei geht es vor allem um die Klärung der Frage, inwiefern es dem Europäischen Gerichtshof durch die Anwendung der Grundfreiheiten möglich ist, in die von Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG propagierte volle Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten einzugreifen. „Bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung bleibt die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt“, vgl. Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG. Der Wortlaut der Norm wirft auf Grund vieler darin enthaltener unbestimmter Rechtsbegriffe verschiedene Fragen auf. Zum einen ist klärungsbedürftig, was 219
Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 97. Streinz / Herrmann, EuZW 2006, 455, 457; Tietje, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 10 Rdnrn. 53; siehe auch die weiter unten noch ausführlich zu besprechende Entscheidung des EuGH, Urt. v. 21. April 2005 in der Rechtssache C140/03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 28. 220
210 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
unter den Begriffen „Organisation des Gesundheitswesens“ sowie „medizinische Versorgung“ zu verstehen ist. Fällt hierunter die Frage nach der Eigentümerstruktur einer Apotheke, so stellt sich weiter die Frage, was unter „Verantwortung der Mitgliedstaaten“ gemeint sein kann. Ebenso auslegungsbedürftig ist der Begriff „Tätigkeit der Gemeinschaft“. Eine Darstellung der historischen Entwicklung des Gesundheitsschutzes in der Gemeinschaft kann Aufschluss über den Regelungsgehalt der Norm geben. a) Historische Entwicklung des Gesundheitsschutzes in der EG Die Entwicklung des Gesundheitsschutzes in der europäischen Gemeinschaft lässt sich grob in zwei Phasen einteilen: in die wirtschaftliche Annexphase bis zum Maastrichter Vertrag 1992 und in die gesundheitliche Sektorialisierungsphase seit dem Maastrichter Vertrag. 221 Ursprünglich sah der EWG-Vertrag keine Aufgaben der Gemeinschaft im Bereich des Gesundheitswesens vor, weil wirtschaftliche Belange im Vordergrund standen. 222 Eine Kompetenz der Gemeinschaft für ein Handeln im Bereich des Gesundheitsschutzes war demnach nicht vorhanden. Dennoch traf der Gemeinschaftsgesetzgeber als notwendige Begleitmaßnahmen zur Schaffung eines Binnenmarkts auch Regelungen zum Schutze der Gesundheit. 223 Hierbei handelte es sich um Regelungen, deren Hauptziel nicht der Gesundheitsschutz war, in denen dieser aber als Nebenziel verfolgt wurde. 224 Gesundheitsrelevante Regelungen, die in dieser Zeit geschaffen wurden, betrafen hauptsächlich die Bereiche des Arzneimittelrechts, des Lebensmittelrechts und des Gefahrstoffrechts. 225 Beispielhaft für eine produktbezogene Harmonisierungsregelung im Arzneimittelrecht ist die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten, die festlegte, unter welchen Bedingungen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Fertigarzneien zulassen durften. 226 Solche Richtlinien wurden damals noch auf der Grundlage 221 Dettling, A&R 2006, 99, 100; eine detaillierte Gliederung in vier Phasen nehmen vor Pitschas, ZSR 1993, 468 ff., von Schwanenflügel, Entwicklung der Kompetenzen, S. 10; Hanika, MedR 1998, 193 ff; Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, 79 ff. 222 Lurger, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 152 Rn. 3; Schmidt am Busch, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 1; Dettling, A&R 2006, 99, 100; von Schwanenflügel, Entwicklung der Kompetenzen, S. 11. 223 Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 82; Dettling, A&R 2006, 99, 100. 224 Vgl. Dettling, A&R 2006, 99, 100, der diese Maßnahmen als solche des „sekundären Gesundheitsschutzes“ bezeichnet. 225 Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 82. 226 Motiviert war diese Richtlinie übrigens durch die Contergan-Katastrophe Anfang der sechziger Jahre; vgl. Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 82 f.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
211
von Art. 100 EWG a. F. erlassen, der eine einstimmige Entscheidung des Rats als Voraussetzung für die Rechtsangleichung vorsah. Im freien Personenverkehr für Berufe des Gesundheitswesens setzte die Entwicklung wesentlich später ein. 227 Sie begann mit einer Reihe von Vorschlägen der Kommission zur Verwirklichung der Freizügigkeit medizinischen Personals, die erst ab Mitte der siebziger Jahre angenommen wurden. 228 Jedoch fanden auch Maßnahmen in Bereich der Koordination der Krankenversorgung statt. Nennenswert ist hier die noch heute (unter vielen Änderungen) noch fortgeltende Verordnung (EWG) 1408/71/EWG zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Mitte der siebziger Jahre setzte die Regelungstätigkeit der EWG auf dem Sektor der Medizinberufe ein. 229 Zur Förderung des freien Personenverkehrs erließ die Gemeinschaft in den folgenden Jahren Anerkennungs- und Koordinierungsrichtlinien für Ärzte, 230 Krankenschwestern und -pfleger, 231 Zahnärzte, 232 Tierärzte 233 und Hebammen. 234 Die Richtlinie 85/432/EWG des Rates vom 16. September 1985 wurde zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten geschaffen und diente als Grundlage für die sodann geschaffene Richtlinie 85/433/EWG des Rates vom 16. September 1985 über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Apothekers und über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts für bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten. Diese Richtlinien haben gemeinsam, dass sie den primären Gesundheitsbereich nicht berühren. 235 Gleichwohl rückten sie an diesen Bereich immer näher heran. 227
Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 84. Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 84. 229 Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 114. 230 Richtlinien 75/362/EWG des Rates vom 16. 6. 1975 und 76/363/EWG des Rates vom 16. 6. 1975. 231 Richtlinien 77/452/EWG des Rates vom 27. 6. 1977 und 77/453/EWG des Rates vom 27. 6. 1977. 232 Richtlinien 78/686/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 und 78/687/EWG des Rates vom 25. 7. 1978. 233 Richtlinien 78/1026/EWG des Rates vom 18. 12. 1978 und 78/1027/EWG des Rates vom 18. 12. 1978. 234 Richtlinien 80/154/EWG des Rates vom 21. 1. 1980 und 80/155/EWG des Rates vom 21. 1. 1980. 235 Der primäre Gesundheitsbereich betrifft im Gegensatz zum sekundären Gesundheitsbereich solche Maßnahmen, die den Schutz der menschlichen Gesundheit als Hauptziel verfolgen, die am menschlichen Körper anknüpfen und die die unmittelbare Beeinflussung, Behandlung oder Versorgung von Menschen zur Abwehr von konkret-individuellen Gesund228
212 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Während vor dem 1. Juli 1987 eine einstimmige Entscheidung des Rates erforderlich war, um eine Rechtsangleichung zu erreichen und somit im Bereich des Gesundheitsschutzes tätig zu werden (vgl. 100 EWG a. F.), konnte dies danach auf Grund der Einheitlichen Europäischen Akte auch mit einer qualifizierten Mehrheit geschehen (vgl. Art. 100a EG a. F., jetzt Art. 95 EG). Damit vermehrte sich auch die Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich des Gesundheitsschutzes. 236 Durch den Maastrichter Vertrag wurde dann der Art. 129 EG a. F. (jetzt Art. 152 EG) eingeführt, der der Gemeinschaft einerseits gewisse nachrangige Kompetenzen in Randbereichen des Gesundheitsschutzes einräumen sollte. 237 Andererseits – dies kommt in der heutigen Fassung des Art. 152 EG noch deutlicher zum Ausdruck – sollte der Einfluss der Gemeinschaft auf die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten im Sinne einer Vereinheitlichung klar eingegrenzt werden. 238 Seitdem gilt das Gesundheitswesen als eigenständiger Politikbereich. 239 Als Mitte der neunziger Jahre die BSE-Krise ausbrach, 240 wuchs das Gesundheitsbewusstsein und somit auch die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung der Gesundheitsbelange in der Gemeinschaft. 241 Aus diesem Grunde wurde 1997 durch den Amsterdamer Vertrag Art. 152 Abs. 1 S. 1 EG eingefügt, der den Vorrang gesundheitspolitischer Interessen vor wirtschaftlichen Interessen flankieren sollte. Seitdem ist die Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus eine Querschnittsaufgabe (Art. 152 Abs. 1 S. 1 EG) der Gemeinschaft. 242 Als Querschnittsaufgabe wird der Gesundheitsschutz zum integralen Faktor anderer Gemeinschaftsziele. 243 Für den Entscheidungsprozess der Gemeinschaftsorgane folgt hieraus, dass in die Abwägung einer jeden gemeinschaftlichen Maßnahme gesundheitliche Belange einzustellen sind (sog. Gesundheitsverträglichkeitsprüfung). 244 Die seitdem im Bereich des Gesundheitsschutzes geltenden Kompetenzen der Gemeinschaft sind in Art. 152 Abs. 1 S. 2 und S. 3 EG sowie Abs. 2 bis 4 geregelt. heitsstörungen oder Krankheiten oder zur abstrakt-generellen Förderung der Gesundheit betreffen; vgl. Dettling, A&R 2006, 99, 101 f. 236 Siehe zu den einzelnen Maßnahmen in Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 260 ff. 237 Schmidt am Busch, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 3. 238 Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 335; Lurger, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 152 Rn. 4; Dettling, A&R 2006, 99, 102. 239 Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 375; Schmidt am Busch, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 3; von Schwanenflügel, Entwicklung der Kompetenzen, S. 64. 240 Vgl. EuGH, Rs. C-157/96, National Farmers’ Union, Slg. 1998, I-2211 ff. 241 Lurger, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 152 Rn. 6; Dettling, A&R 2006, 99, 102. 242 Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 193 f.; Dettling, A&R 2006, 99, 102; Schlegel, SGb 2007, 700, 701. 243 Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 364, 464. Berg beschreibt die Entwicklung des Gesundheitsschutzes in der EU folgendermaßen: „Von der notwendigen Begleitmaßnahme zur selbstständigen Aufgabe.“
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
213
Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, die sich auf die gesundheitsfördernde Prävention konzentrieren und ausweislich des Art. 152 Abs. 1 S. 2 EG nur ergänzender Natur sind. 245 Daraus ergibt sich, dass sie im Verhältnis zu den Maßnahmen der Mitgliedstaaten nachrangig sind. 246 Dementsprechend handelt es sich bei der Tätigkeit der Gemeinschaft in diesem Bereich um einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus, vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. p) EG. Die Regelung des Art. 152 Abs. 4 lit. c) EG, wonach die Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit möglich sein sollen, stellt allerdings eine Abkehr vom strikt präventiven Ansatz dar, weil danach auch Behandlungs- und Rehabilitationsmethoden oder auch palliativmedizinische Initiativen umfasst sind. 247 Allerdings handelt es sich bei den danach möglichen Maßnahmen vor allem um Datensammlungen, Informationsaustausch sowie Erziehungsprogrammen, so dass nicht die Festlegung des Versorgungsniveaus für Behandlungs- oder Rehabilitationsmethoden betroffen ist. 248 Im Ergebnis bleibt also der präventive Charakter der möglichen Maßnahmen, die mitgliedstaatliche Gesundheitssysteme durch organisatorische Maßnahmen unterstützen soll. 249 Aus all dem ergibt sich, dass die Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich des primären Gesundheitsschutzes begrenzt ist. Dies folgt auch daraus, dass die öffentlichen Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten so unterschiedlich sind, dass sich „jegliche Diskussion über Vereinheitlichung und Harmonisierung in diesem Bereich erübrigt.“ 250 Deshalb besteht laut Kommission in Bezug auf die Behandlung (oder „Kuration“ 251) im Sinne eines „Eingriffs zur Korrektur angeborener Fehler
244 Pitschas, ZSR 1993, 468, 482; Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 464; Dünnes-Zimmermann,, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 193. 245 Schmidt am Busch, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 7; Lurger, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 152 Rn. 8; Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 194; Berg, in: Schwarze, EGV, Art. 152 Rn. 6; ders., Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 450 f.; Bardenhewer-Rating / Niggemeier, in: von der Groeben / Schwarze, EGV, Art. 152 Rn. 8. 246 Schmidt am Busch, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 5; Dettling, A&R 2006, 99, 102; Eichenhofer, MedR 2007, 329, 333. 247 Berg, in: Schwarze, EGV, Art. 152 Rn. 6; Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 196. 248 Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 196. 249 Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 196; Schlegel, SGb 2007, 700, 701. 250 Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Mitteilung der Kommission über den Aktionsrahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, KOM (93) 559 endg. Vom 24. November 1993, S. 27 Rn. 80. 251 Lurger, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 152 Rn. 10; Schmidt am Busch, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 7 f.
214 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
oder zur Wiederherstellung eines vorherigen (besseren) Gesundheitszustands“ 252 keine Regelungskompetenz der Gemeinschaft. 253 Im Ergebnis besteht also keine Regelungskompetenz der Gemeinschaft im Bereich interventioneller, patientenbezogener Maßnahmen. 254 Im Bereich der Prävention nimmt die Gemeinschaft jedoch weitgehende Zuständigkeiten für sich in Anspruch. 255 Neben der historischen Darstellung des Gesundheitsschutzes in der Gemeinschaft, kann auch eine systematische Betrachtung des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG Aufschluss über seinen Regelungsgehalt geben. Im Rahmen dieser systematischen Betrachtung soll auch eine Definition der auslegungsbedürftigen Begriffe stattfinden. Zunächst ist allerdings – der Vollständigkeit halber – darauf hinzuweisen, dass wegen der Stellung des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG im Gesetz angenommen wird, dass Abs. 5 nur Bedeutung für die Festlegung der Standards nach Abs. 4 lit. a) habe. 256 Die Begriffe der medizinischen Versorgung in Abs. 5 S. 1 und der medizinischen Verwendung in Abs. 5 S. 2 seien in der Weise auszulegen, dass sie der Gemeinschaft die Befugnis zur Festlegung der Standards nach Abs. 4 lit. a) überlasse. Wäre dies nicht der Fall, sei die Befugnis in Abs. 4 lit. a) überflüssig. 257 Die herrschende Meinung lehnt jedoch eine derart starke Eingrenzung ab, weshalb die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung insgesamt von der Gestaltungsbefugnis der Gemeinschaft ausgenommen seien. 258 Darüber hinaus dürften die Begriffe „medizinische Versorgung“ und „medizinische Verwendung“ nicht dasselbe meinen. 259 252 Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Mitteilung der Kommission über den Aktionsrahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, KOM (93) 559 endg. Vom 24. November 1993, S. 13 Rn. 32. 253 Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Mitteilung der Kommission über den Aktionsrahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, KOM (93) 559 endg. Vom 24. November 1993, S. 13 Rn. 32; Schwierigkeiten ergeben sich jedoch für die Abgrenzung tertiärer Präventionsmaßnahmen (Maßnahmen zur Begrenzung und zum Ausgleich von Krankheitsfolgen sowie zur Verhinderung des Wiederauftretens von Krankheiten), vgl. Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 195. 254 Dettling, A&R 2006, 99, 103. 255 Berg, in: Schwarze, EGV, Art. 152 Rn. 6; Dettling, A&R 2006, 99, 103. 256 Berg, in: Schwarze, EGV, Art. 152 Rn. 21 und 34. 257 Berg, in: Schwarze, EGV, Art. 152 Rn. 22. 258 Vgl. Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 202; Schmidt am Busch, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 17; Wichard, in: Callies / Ruffert, Art. 152 Rn. 8. 259 Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 203.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
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b) Organisation des Gesundheitswesens und medizinische Versorgung Zu prüfen ist zunächst, was unter dem Begriff des „Gesundheitswesens“ zu verstehen ist. Zunächst bleibt festzuhalten, dass der EG-Vertrag keine Definition des Begriffs „Gesundheit“ enthält. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff jedoch in Anlehnung an die Definition der Weltgesundheitsorganisation weit auszulegen. 260 Danach ist Gesundheit ein „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“. 261 Dies gibt jedoch keinen Aufschluss über die Bedeutung des Begriffs „Gesundheitswesen“. Zunächst einmal fällt auf, dass die Überschrift des Titels XIII des EG-Vertrags ebenso den Begriff des Gesundheitswesens verwendet. Der Europäischen Gemeinschaft werden also ausweislich der Überschrift Kompetenzen im Bereich des Gesundheitswesens erteilt, während die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung im Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten bleiben. In der englischen Fassung ist der Titel jedoch „public health“, in der französischen Fassung „santé publique“. In Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG der anderssprachigen Textfassungen wird für die Organisation des Gesundheitswesens wiederum von „organisation and delivery of health services“ und „organisation et fourniture de services de santé“ gesprochen. Dies deutet darauf hin, dass die in den vorangehenden Absätzen geregelten Kompetenzen den Bereich der öffentlichen Gesundheit meinen (weswegen die deutsche Überschrift ein wenig missverständlich ist). 262 Es ist also genauer zu untersuchen, was unter Gesundheitswesen im Sinne von „health services“ und „services de santé“ gemeint ist. Übersetzt bedeutet das Wort „service“ Leistung, Dienst oder auch Dienstleistung. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Betrachtung der Textfassung in anderen Sprachen sowie die Systematik im Gesetz ergeben, dass mit dem Begriff des Gesundheitswesens im Abs. 5 des Art. 152 EG der gesamte Bereich der Organisation und Versorgung mit Gesundheitsleistungen gemeint ist. Dies gilt von der Prävention über die Kuration bis hin zur Rehabilitation. 263 Es ist davon auszugehen, dass mit der Organisation des Gesundheitswesens auch die Absicherung des Risikos Krankheit selbst gemeint ist, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen des jeweiligen Krankenversicherungssystems vorgenommen wird. 264 260
EuGH, Rs. 84/94, Großbritannien / Rat, Slg. 1996, I-5793 Rn. 15. Siehe Präambel der Satzung der Weltgesundheitsorganisation; Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 433. 262 Berg, Gesundheitsschutz als Aufgabe der EU, S. 329 ff. 263 Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 202. 264 Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 203. 261
216 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Der Begriff „Organisation“ meint im institutionellen Sinne die Errichtung und Verfassung von Zusammenschlüssen zur Erreichung eines bestimmten Zwecks. 265 Zur Regelung planmäßig organisierter Einheiten gehört beispielsweise die Regelung der Eigentümer- oder Mitgliederstruktur. Organisationen im institutionellen Sinne sind also Unternehmen, Interessenverbände, staatliche Organisation etc. 266 Organisation im funktionellen Sinne ist das Zusammen- oder Wechselwirken einzelner organisierter Einheiten und damit die Errichtung und Verfassung von Systemen. 267 Im Bereich des Gesundheitswesens umfasst die funktionelle Organisation beispielsweise die Gewährleistung der unbeweglichen infrastrukturellen Ressourcen und die Einteilung in verschiedene ambulante, stationäre, ärztliche, pharmazeutische und sonstige Sektoren zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung im Krankheitsfall, die Schaffung von Aufsichtsund Überwachungsstrukturen, die Regulierung von Qualität, Preis und Wettbewerb, etc. 268 Nach all dem kann festgehalten werden, dass die Organisation des Gesundheitswesens im Sinne des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG die Regelung der institutionellen und funktionellen Vorkehrungen umfasst, die zur Durchführung von primären Gesundheitsschutzmaßnahmen getroffen werden. 269 Die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln fällt in den Bereich des primären Gesundheitsschutzes. Das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot betrifft die Organisation von Apotheken als den für diese Versorgung verantwortlichen Institutionen. Aus diesem Grunde kann also davon ausgegangen werden, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot sowohl das Gesundheitswesen als auch dessen Organisation im Sinne des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG berührt. Institutionell regelt das Fremd- und Mehrbesitzverbot die Errichtung und Verfassung von Apothekenunternehmen als Zusammenschlüssen zur Erreichung eines bestimmten Zwecks; funktionell gestaltet und begrenzt es als Beteiligungsschranke Interessenssphären und steuert so das Zusammen- oder Wechselwirken der verschiedenen organisierten Einheiten des Gesundheitswesens. 270 Klärungsbedürftig ist weiterhin der Begriff „medizinische Versorgung“, der ebenso aus der Systematik des EG-Vertrags herauszuarbeiten ist. Aus Art. 47 Abs. 3 EG ergibt sich, dass die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen für die ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Berufe die Koordinierung der 265
Dettling / Mand, A&R 2006, 99, 104 f. Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 297. 267 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 297. 268 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 298. 269 Bardenhewer-Rating / Niggemeier, in: von der Groeben / Schwarze, EGV, Art. 152 Rn. 35; Dettling, A&R 2006, 99, 105. 270 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 300. 266
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
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Bedingungen für die Ausübung dieser Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten voraussetzt. Aus der Benennung dieser Berufe in einem gemeinsamen Kontext ergibt sich, dass die Berufe von ihrer Natur her als vergleichbar betrachtet werden und sie deshalb insgesamt zum Bereich der Heilberufe gehören. Alle drei Berufe betreffen jeweils Tätigkeiten im Zusammenhang mit der interventionellen, kurativen oder präventiven Abwehr konkret-individueller Gesundheitsstörungen oder Krankheiten im unmittelbaren Verhältnis zum Patienten. 271 Deshalb liegt es nahe, unter medizinischer Versorgung im Sinne des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG die Ausübung ärztlicher, arztähnlicher oder pharmazeutischer Tätigkeiten als die Ausübung eines Heilberufs zu verstehen. Diesem Verständnis entspricht auch die Formulierung „delivery of health services and medical care“ in der englischen Fassung des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG. 272 Regelungen, die die Ausübung der pharmazeutischen Tätigkeit betreffen und demnach auch das apothekenrechtliche Fremdund Mehrbesitzverbot, fallen unter den Begriff der medizinischen Versorgung im Sinne des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG. 273 Das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot gehört nach dem Gesagten zum Bereich der Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung. c) Rechtsfolgen des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG Dies führt zu der Frage, welche Auswirkungen sich aus der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG auf das apothekenrechtliche Fremdund Mehrbesitzverbot ergeben. Die Rechtsfolgen orientieren sich an dem Begriff „Verantwortung“. Auch der Begriff „Verantwortung“ ist bislang weder vom EG-Vertrag noch durch den EuGH definiert. Er ist aber weiter zu verstehen als der Begriff der Zuständigkeit und umfasst auch die Abwehr aller anderen, die Souveränität der Mitgliedstaaten in diesem Bereich beeinträchtigenden Einflüsse. 274 Versteht man die vollumfängliche Verantwortung der Mitgliedstaaten in diesem Bereich als vollumfängliche Souveränität, könnten die Gemeinschaftsorgane und die Gemeinschaftsrechtsordnung möglicherweise die Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten hier in keiner Weise beeinträchtigen. Die Mitgliedstaaten wären dann nicht verpflichtet in diesem Bereich das Gemeinschaftsrecht zu beachten. 275 Dies nahm der EuGH 271
Dettling, A&R 2006, 99,104. Dettling, A&R 2006, 99, 104; ders. / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 296. 273 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 296. 274 Dettling, A&R 2006, 99, 106; ders. / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 306 f. 275 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 307. 272
218 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
jedoch selbst im Bereich des Systems der sozialen Sicherung nicht an. 276 Deshalb erscheint es überzogen, Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG den Charakter einer Bereichsausnahme zukommen zu lassen, die eine Anwendbarkeit der Grundfreiheiten grundsätzlich ausschließt. 277 Es wird dennoch vorgeschlagen, von einer eingeschränkten Anwendung der Grundfreiheiten im Bereich der medizinischen Versorgung und der Organisation des Gesundheitswesens auszugehen. 278 Hier seien die Grundfreiheiten wieder als reine Diskriminierungsverbote zu verstehen, was dem Prinzip der gesundheitspolitischen Neutralität der Gemeinschaft Rechnung trage und eine grundsätzliche Öffnung der Märkte im Gesundheitswesen sowie eine vollumfängliche Verantwortung der Mitgliedstaaten in der Gestaltung seiner Modalitäten entsprechend den nationalen Verhältnissen ermögliche. 279 Nur so sei auch eine Gleichbehandlung privater, staatlicher und (teil-)monopolisierter Gesundheitssysteme innerhalb der Gemeinschaft möglich. 280 Versteht man also auf Grund des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG die Niederlassungsfreiheit im Bereich der Organisation des Gesundheitswesens und im Bereich der medizinischen Versorgung als reines Diskriminierungsverbot, so kann das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot wegen seiner nicht diskriminierenden Wirkung nur als mit der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG vereinbar gesehen werden. Trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot erscheint es dennoch unwahrscheinlich, dass die Vorschrift im Rahmen der Überprüfung der deutschen Regelungen durch den EuGH Beachtung finden wird. In seiner bisherigen Spruchpraxis hat der EuGH die Bedeutung des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG vernachlässigt, 281 so dass die Mitgliedstaaten ungeachtet der Regelung in diesem Bereich an die Grundfreiheiten gebunden bleiben. 282 276
EuGH, Rs. C-158/96, Kohll, Slg. 1998, I-1931 ff., Rn. 17 –19, 21; Rs. C- 120/95, Decker, Slg. 1998, I-1831. 277 Siehe bereits weiter oben bei der Überprüfung in Frage kommender Bereichsausnahmen, 4. Kap., C. I. 4. 278 Wunder, MedR 2007, 21, 27; Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 308. 279 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 309; Dettling, A&R 2006, 99 ff. 280 Dettling, A&R 2006, 99, 109. 281 Eine detaillierte richterliche Prüfung im Bereich der Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung hat stattgefunden in EuGH, Rs. C- 322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887; Rs. C-496/01, Kommission / Frankreich, Slg. 2004, I-2351; Rs. C- 120/95, Decker, Slg. 1998, I-1831; Rs. C-158/96, Kohll, Slg. 1998, I-1931; Rs. C-372/04, Watts, Slg. 2006, I-4325. 282 Schmidt am Busch, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 18; Dettling, EuZW 2006, 519 ff.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
219
Dies wird von denjenigen, die im Bereich der Organisation des Gesundheitswesens von einer eingeschränkten Anwendbarkeit der Grundfreiheiten ausgehen, kritisiert. Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG gelte ebenso für den EuGH, weswegen dieser bei der Nichtbeachtung seinen Aufgabenkreis überschreite. Die Vorschrift sei, wie die Grundfreiheiten, vollwertiger Bestandteil des EG-Vertrags, für dessen Wahrung (nicht Erzeugung) 283 der EuGH gemäß Art. 220 EG ebenso die Verantwortung trage. 284 Nach der Rechtsprechung des EuGH gebiete es weiterhin die Auslegung des EG-Vertrags, etwaige Widersprüche innerhalb des primärrechtlichen Normgefüges so aufzulösen, dass alle im EG-Vertrag enthaltenen Ziele aufeinander abgestimmt, im weitesten Umfang verwirklicht und miteinander in Einklang gebracht sind. 285 Unter einer „Tätigkeit“ im Sinne des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG sei auch die Rechtsprechungstätigkeit zu verstehen. 286 Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG richte sich an die gesamte Gemeinschaft und damit an alle ihr angehörenden Organe. 287 Für die Rechtsprechungstätigkeit des EuGH gelte dies umso mehr, als Entscheidungen des EuGH die Souveränität der Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie Akte des Gemeinschaftsgesetzgebers beschränkten. 288 Danach stellt eine Entscheidung des EuGH zum apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbot also eine Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung dar, die in die Souveränität des Mitgliedstaats eingreife. 289 Denn eine Entscheidung des EuGH, die eine mitgliedstaatliche Einzelregelung im Bereich der medizinischen Versorgung oder der Organisation des Gesundheitswesens betreffe, wirke sich oftmals auf das damit verbundene, in einem fein abgestimmten Abhängigkeits- und Wechselswirkungsverhältnis stehende Gesamtsystem aus. 290 Das Marktversagen im Krankheitsfall habe „Regierungen überall auf der Welt dazu bewogen, die Gesundheitssysteme in die Hände des Staats zu legen“, 291 wobei der jeweilige Staat seine eigenen, durch die objektiven Gegebenheiten seines Gebiets und seiner Bevölkerung geprägten Vorstellungen verwirkliche. 292 283
Wunder, MedR 2007, 21, 27, die schon in der Nichtbeachtung des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG im Bereich der Systeme der sozialen Sicherung einen Verstoß gegen Vertragsprinzipien sieht. 284 Dettling, A&R 2006, 99, 107; ders., EuZW 2006, 519 ff.; ders., ApoR 2006, 1; ders. / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 295. 285 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 295 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-8/57, Groupements des Hauts Fourneaux et Acières Belges, Slg. 1958, I-231; Rs. C-5/73, Balkan-Import-Eport GmbH, Slg. 1973, I-1091, Rn. 24; Rs. C-44/94, Fisherman’s Organisation, Slg. 1995, I-3115, Rn. 37. 286 Dettling, A&R 2006, 99, 107. 287 Dettling, A&R 2006, 99, 107. 288 Dettling, A&R 2006, 99, 107. 289 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 300 f. 290 Dettling, A&R 2006, 99, 108; ders. / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 302. 291 Dettling, A&R 2006, 99, 108.
220 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Auch die Europäische Gemeinschaft habe im Rahmen des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG die Organisation des Gesundheitswesens und damit auch die Regulierung des Wettbewerbs in diesem Bereich in die Hände der Mitgliedstaaten gelegt und sich selbst zu gesundheitspolitischer Neutralität verpflichtet. 293 Es wäre deshalb widersprüchlich, griffe der EuGH in diese Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft und in die Souveränität des Mitgliedstaats ein, indem er den Grad des Wettbewerbs im Bereich der medizinischen Versorgung bestimmte. 294 Es verstöße gegen den Grundsatz der Kohärenz, wenn Art. 152 Abs. 4 S. 1 lit. c) und Abs. 5 S. 1 EG einerseits selbst positiv gestaltende Gesetzgebungsakte des Gemeinschaftsgesetzgebers strikt untersagte, während der EuGH im Wege negativer richterlicher Harmonisierung gemeinschaftsweit die medizinische Versorgung dem freien Spiel der Kräfte überantworten könnte. 295 Eine strenge richterliche Durchsetzung der Marktfreiheiten solle durch Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG im Bereich der Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung gerade unterbunden werden. 296 d) Stellungnahme Der Wortlaut des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG, betrachtet man ihn isoliert, deutet tatsächlich darauf hin, dass der Bereich der Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung aus dem möglichen Tätigkeitsfeld der Gemeinschaft herausgenommen ist. Andersherum formuliert deutet also der Wortlaut darauf hin, dass in die Entscheidungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung in keiner Weise durch die Gemeinschaft eingegriffen werden darf. Aus der Stellung des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG im Vertrag ergibt sich jedoch, dass mit der herrschenden Auffassung davon auszugehen ist, dass den Mitgliedstaaten in diesem Bereich keine vollumfängliche Souveränität in dem Sinne zugesprochen werden sollte, dass der EuGH im Bereich der Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung nicht zuständig ist, selbst wenn es um die Anwendung der Grundfreiheiten geht. Dies würde der Natur des gesamten 292
Dettling, A&R 2006, 99, 108. Dettling, A&R 2006, 99, 108; ders. / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 303. 294 So auch Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 303. 295 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 303. 296 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 303; zur Abwehr der Mitgliedstaaten gegen die strenge Anwendung der Grundfreiheiten auf das Gesundheitswesen siehe auch: Art. III-278 Abs. 7 EUVVE, Denkschrift zum Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa, BT-Drs. 15/4900 vom 18. Februar 2005, S. 227 ff., 276 f. 293
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
221
Art. 152 EG als Kompetenzregelung widersprechen. Die in den vorangehenden Absätzen geregelten Kompetenzen betreffen ein selbstständiges Tätigwerden der Gemeinschaft, 297 bei dem die Organe ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherstellen sollen. Bei diesem selbstständigen Tätigwerden muss die Gemeinschaft die grundsätzliche Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten beachten. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die Regelung des Gesundheitswesens originär kein Ziel des Binnenmarkts ist. Es deutet demnach einiges darauf hin, dass Art. 152 EG die Gestaltungsbefugnis der Gemeinschaft meint. 298 Der EuGH wird mit seiner Rechtsprechungstätigkeit allerdings nicht im Sinne der Vorschrift gestaltend tätig. Dies deshalb, weil vom EuGH für gemeinschaftswidrig gehaltene Normen in grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht mehr anwendbar sind, sie jedoch im jeweiligen Mitgliedsland für nicht grenzüberschreitende Sachverhalte weiterhin Gültigkeit besitzen. Wie bereits dargestellt unterscheidet der Gerichtshof streng zwischen Wahrnehmungszuständigkeit der Mitgliedstaaten einerseits und der Ausübung dieser Zuständigkeiten durch die Mitgliedstaaten andererseits. 299 Selbst wenn die Mitgliedstaaten eine ausschließliche Wahrnehmungskompetenz haben, sind sie gleichwohl bei der Ausübung dieser Zuständigkeit an die Grundfreiheiten gebunden. 300 Im Ergebnis ist dem Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG nicht die Wirkung zuzusprechen, dass die Grundfreiheiten nur eingeschränkt anwendbar sind. Dennoch soll die in der Regelung enthaltene Wertung ausreichende Berücksichtigung finden. Die Wertung des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG soll deshalb im Bereich der Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Geltung kommen. Das heißt, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein angemessener Ausgleich zwischen der materiellen Geltung der Grundfreiheiten einerseits und der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit im Bereich der sozialen Sicherheit und des Gesundheitswesens andererseits zu schaffen ist. 301 Es ist also im Bereich der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ermitteln, ob die mitgliedstaatliche Beeinträchtigung der Grundfreiheiten zum verfolgten Ziel, nämlich zur Sicherung eines funktionsfähigen Gesundheitsversorgungssystems, in einem angemessenen Verhältnis steht. 302 Eine Überprüfung der Geeignetheit 297 Ähnlich Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 201. 298 Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 202. 299 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, vor Art. 39 –55 EGV, Rn. 46. 300 EuGH, Rs. C-372/04, Watts, Slg. 2006, I-4325, Rn. 146; Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, vor Art. 39 – 55 EGV, Rn. 46; Diekmann / Reinhardt, WRP 2007, 407, 415; Wichard, in: Callies / Ruffert, EGV, Art. 152 Rn. 8. 301 Vgl. Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 399. 302 Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, S. 400.
222 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
oder Erforderlichkeit einer Regelung sollte demnach besonders beachten, dass es sich um einen Bereich handelt, in dem der Mitgliedsstaat grundsätzlich ein weites Ermessen hat. Dies entspricht auch der Spruchpraxis des EuGH, der dem Mitgliedstaat desto mehr Ermessensspielraum gewährt, je eher Fragen berührt sind, die über den Kreis der Wirtschaftspolitik hinausgehen. 303 Trotz all dem ist wegen der bisherigen Spruchpraxis des EuGH nicht zu erwarten, dass der Regelungsgehalt des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG eine besondere Beachtung findet. 4. Zwischenergebnis Im Ergebnis handelt es sich bei der Niederlassungsfreiheit nach den vorangegangenen Ausführungen um ein Beschränkungsverbot. Dies ist für das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot insofern entscheidend, als es nicht diskriminierend wirkt. Eine Einschränkung des Schutzbereichs in dem Sinne, dass es im Bereich der Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung wieder als Diskriminierungsverbot anzusehen ist mit der Folge, dass die Niederlassungsfreiheit durch das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht verletzt ist, ist abzulehnen. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot stellt nach all dem einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43, 48 EG dar.
III. Rechtfertigungstatbestände Nachdem nun festgestellt wurde, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sowohl durch das Fremdbesitz- als auch durch das Mehrbesitzverbot vorliegt und keine Bereichsausnahme die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit ausschließt, soll im Folgenden darauf eingegangen werden, ob sich eine Rechtfertigung für die streitigen Verbotsregelungen finden lässt. Hierbei ist zu beachten, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot zwar nicht diskriminierender, jedoch beschränkender Natur ist. Dies ist insofern von Bedeutung, als sich die möglichen Rechtfertigungsgründe daran orientieren. Der EuGH legt die Schutzbereiche weit aus, die Schrankenregelungen als Ausnahmetatbestände allerdings eng. 304 Das System der Grundfreiheit kennt geschriebene und ungeschriebene Rechtfertigungsgründe.
303
Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, EGV, vor Art. 39 –55 Rn. 172. EuGH, Rs. 113/80, Kommission / Irland, Slg. 1981, 1625, Rn. 7; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 467; Arndt, Europarecht, S. 192. 304
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
223
1. Geschriebene Rechtfertigungsgründe Geschriebene Rechtfertigungsgründe sind im Vertrag festgelegte Rechtspositionen, auf Grund derer Beeinträchtigungen des Schutzbereichs der betreffenden Grundfreiheit bei Beachtung der Rechtfertigungsschranken zulässig sind. 305 Die jeweiligen geschriebenen Rechtfertigungstatbestände sind bei der entsprechenden Grundfreiheit angesiedelt und vermögen nur Eingriffe in diese zu rechtfertigen. 306 a) Art. 46 Abs. 1 EG Als geschriebene Rechtfertigungsgründe kommen für einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit zunächst die in Art. 46 Abs. 1 EG genannten in Betracht. Gemäß Art. 46 Abs. 1 EG beeinträchtigt die Niederlassungsfreiheit nicht die „[...] Anwendbarkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind.“ 307 In den Bereichen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit ist den Mitgliedstaaten demnach ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen. 308 Da die Vorschrift im Gegensatz zum grundsätzlich herrschenden und für die Gemeinschaft fundamentalen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG steht, handelt es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. 309 Für das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot kommt als Rechtfertigungsgrund im Sinne dieser Vorschrift allein die öffentliche Gesundheit in Betracht. Zu beachten ist jedoch, dass der originäre Anwendungsbereich des Art. 46 Abs. 1 EG ausweislich des Wortlauts lediglich Sonderregelungen für ausländische natürliche Personen umfasst. Im Rahmen des Art. 46 Abs. 1 EG ist umstritten, ob einerseits nur Sonderregelungen für Ausländer, also diskriminierende Regelungen, gerechtfertigt sind. Weiterhin ist fraglich, ob der Rechtfertigungsgrund andererseits nur auf „ausländerpolizeiliche“ Sondervorschriften anzuwenden ist – egal ob diskriminierend oder lediglich beschränkend. Schließlich ist auch umstritten, ob dieser Rechtfertigungsgrund auf Gesellschaften Anwendung findet. 310
305
Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 466. Pache, in: Schulze / Zuleeg, Europarecht, § 10 Rn. 53; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 466. 307 Hervorhebungen nur hier. 308 EuGH, Rs. C-174/82, Sandoz, Slg. 1983, I-2445, Rn. 18 f. 309 EuGH, Rs. C-348/96, Calfa, Slg. 1999, I-11, Rn. 23; Bröhmer, in: Callies / Ruffert, EG, Art. 46 Rn. 1; Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 45 Rn. 2. 310 Vgl. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 446 ff.; für eine Anwendbarkeit ist MüllerGraf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 45 Rn. 3; Scheurer, in: Lenz, EUV / EGV, Art. 46 Rn. 5; Schlag, in: Schwarze, EGV. Art. 46 Rn. 4. 306
224 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Nach wohl herrschender Ansicht in der Literatur können Maßnahmen durch Art. 46 Abs. 1 EG auch außerhalb des Bereichs des Sonderrechts für Ausländer gerechtfertigt sein, wenn auch zumeist hervorgehoben wird, dass die Vorschrift Bedeutung vor allem für ausländerrechtliche Vorschriften habe. 311 Wenn sogar unterschiedlich geltende Normen aus den benannten Gründen gerechtfertigt werden könnten, müsse dies erst recht für unterschiedslos geltende Maßnahmen gelten. 312 Andere wollen aus dem historischen Verständnis der Verfasser des Vertrags die Reichweite der Vorschrift auf den originären Anwendungsbereich einschränken. 313 Nimmt man grundsätzlich an, dass die Vorschrift auch auf unterschiedslos wirkende Maßnahmen anwendbar ist, stellt sich weiter die Frage danach, ob dadurch dennoch lediglich ausländerpolizeirechtliche Maßnahmen eine Rechtfertigung finden sollen. Vorschriften des Ausländerpolizeirechts sind solche, die Regelungen im Bereich der Ein- und Ausreise, des Meldewesens, der Ausweisungen, etc. treffen. 314 Für ein solches Verständnis sprechen der Ausnahmecharakter der Vorschrift sowie die historische Auslegung. 315 Dennoch soll Art. 46 Abs. 1 EG nach einer Ansicht auch für sonstige Regelungen Anwendung finden. 316 Gegen eine Einschränkung des Anwendungsbereichs auf ausländerpolizeirechtliche Vorschriften spreche, dass auch außerhalb dieses Kreises von Vorschriften ein Bedürfnis anzuerkennen sei, die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit ausreichend schützen zu können. 317 Abweichend von der Literaturmeinung sieht der EuGH den Zweck des Art. 46 Abs. 1 EG darin, die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen zu berechtigen, „[...] die sie bei ihren eigenen Staatsangehörigen insoweit nicht anwenden können, als sie nicht die Befugnis haben, diese aus dem nationalen Hoheitsgebiet zu entfernen oder ihnen die Einreise in das nationale Hoheitsgebiet zu untersagen.“ 318 Somit beschränkt der EuGH entgegen der herrschenden Literaturmeinung die Anwendbarkeit des Art. 46 Abs. 1 EG auf ausländerpolizeirechtliche Regelungen. Folgt man der Ansicht des EuGH, sind auch Gesellschaften aus dem Anwendungsbereich des Rechtfertigungsgrundes auszuschließen, weil diese nicht ausländerpolizeilichen Regelungen unterliegen können. 311 Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 447; Tiedje / Troberg in: von der Groeben / Schwarze, EGV, Art. 46 Rn. 4. 312 Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 447. 313 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 46 EGV, Rn. 7; Everling, FS von der Groeben, S. 111, 118 f.: Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 45, 3 f.; Schlag, in: Schwarze, EGV, Art. 46 Rn. 3 f. 314 Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 448. 315 Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 448. 316 Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 448. 317 Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 448. 318 EuGH, Rs. C-348/96, Calfa, Slg. 1999, I-11, Rn. 20; Rs. C-416/96, El-Yassini, Slg. 1999, I-1209, Rn. 45.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
225
Mit dem EuGH gilt im Grundsatz also, dass Art. 46 Abs. 1 EG nur ausländerpolizeiliche Sonderregelungen rechtfertigen kann und ausnahmsweise auf andere Regelungen anwendbar ist, wenn jene Regelungen gleichfalls Situationen betreffen, in denen ein vergleichbar signifikanter Unterschied zwischen Staatsangehörigen und Ausländern wie im Ausländerrecht besteht. 319 Im Ergebnis ist der geschriebene Rechtfertigungsgrund aus Art. 46 Abs. 1 EG auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht anwendbar, weil es sich nicht um eine ausländerpolizeirechtliche oder um eine damit vergleichbare Sonderregelung im Sinne der Vorschrift handelt. 320 Im Übrigen wären mitgliedstaatliche Maßnahmen, selbst wenn man sie unter Art. 46 Abs. 1 EG subsumieren würde, ebenso am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen und somit nur zulässig, wenn sie zum Schutz der Belange, die sie gewährleisten sollen, erforderlich sind. 321 Die Erfordernisse, die an die Rechtfertigung einer Maßnahme gemäß Art. 46 Abs. 1 EG zu stellen sind, sind deshalb dieselben, die an die Rechtfertigung einer Maßnahme nach den Grundsätzen eines ungeschriebenen Rechtfertigungsgrunds gestellt werden. Hinzu kommt, dass der Gesundheitsschutz – wie gleich zu zeigen sein wird – auch als ungeschriebener Rechtfertigungsgrund anzusehen ist. 322 Dies ergibt sich aus einem Erst-Recht-Schluss: Wenn Art. 46 Abs. 1 EG sogar eine diskriminierende Regelung erlaubt, dann muss erst Recht eine nur beschränkende Regelung durch die genannten Schutzgüter erlaubt sein. 323 Es macht also für das Ergebnis keinen Unterschied, ob man vorliegend den Gesundheitsschutz als geschriebenen oder als ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund qualifiziert, da er so oder so am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen sein wird. Eine Rechtfertigung, die an die öffentliche Gesundheit anknüpft, kann insofern weiter unten im Bereich der ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe stattfinden. b) Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG als zusätzliche Rechtfertigungsmöglichkeit Neben Art. 46 Abs. 1 EG kommt als weiterer geschriebener Rechtfertigungsgrund Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG in Betracht. 324 Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind 319
Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, Art. 46 EGV, Rn. 10; Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 305. 320 So auch Rose / Fischer, A&R 2007, 107, 112. 321 EuGH, verb. Rs. C151/04 und C-152/04, Nadin-Lux SA, Slg. 2005, I 11203, Rn. 39; Bröhmer, in: Callies / Ruffert, EG, Art. 46 Rn. 2; Müller-Graf, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 45 Rn. 16 ff. 322 EuGH, Rs. C-120/78, Cassis, Slg. 1979, I-649, Rn. 8. 323 Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 835; Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 305.
226 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, „[...] soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert.“ Es müsste sich bei einer Apotheke also um ein Unternehmen handeln, das mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist. Weiterhin müsste die Anwendung der Niederlassungsfreiheit auf Apotheken die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindern. Für die Frage, ob die Aufgabenerfüllung der Apotheken im Gesundheitssystem durch die Anwendung der Grundfreiheiten verhindert wird, ist es entscheidend, einzuordnen, was genau die Aufgabe der Apotheke ist. Man kann hierbei auf die reine Abgabe von Arzneimitteln abstellen oder aber – wie in § 1 ApoG geregelt – auf die im „öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.“ 325 Probleme könnten sich insofern ergeben, als es sich beim Begriff der „Ordnungsgemäßheit“ um einen ausfüllungsbedürftigen Begriff handelt. Auf diese Problematik ist jedoch nicht einzugehen, wenn es sich bei einer Apotheke schon nicht um ein Unternehmen handelt, das mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist. Unter Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse werden von der Kommission marktbezogene Tätigkeiten verstanden, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Mitgliedstaaten mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden können. 326 Beispielhaft werden in diesem Zusammenhang die Energieversorgung, Verkehrsleistungen, die Telekommunikation, die Postdienste, der Rundfunk, die Wasserversorgung und die Abfallentsorgung genannt. 327 Die Spruchpraxis des EuGH deutet darauf hin, dass die Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrunds eng auszulegen sind. 328 So sah der EuGH die Voraussetzungen des Art. 86 Abs. 2 EG in verschiedenen Entscheidungen nur dann als erfüllt an, wenn es sich um Leistungen handelte, für die es keine Substituten gibt und bei denen ein Konsumverzicht unzumutbar ist. 329 324 EuGH, Rs. C-157/94, Kommission / Niederlande, Slg. 1997, I-5699; Rs. C-266/96, Corsica Ferries France, Slg. 1998, I-3949, Rn. 59; Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf, Art. 86 EGV, Rn. 53; ausführlich Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 465 ff.; vgl. auch weiter oben bei den Ausführungen zu den Bereichsausnahmen, 4. Kap., C. I. 4. 325 Hervorhebungen nur hier. 326 Koenig / Kühling, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 86 Rn. 44 f.; Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf, Art. 86 EGV, Rn. 32. 327 Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf, Art. 86 EGV, Rn. 32. 328 Vgl. Jung, in: Callies / Ruffert, EG, Art. 86 Rn. 38. 329 Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf, Art. 86 EGV, Rn. 34 mit Bezug auf EuGH, Rs. C-157/94, Kommission / Niederlande, Slg. 1997, I-5699, Rn. 40; Rs. C-320/91, Corbeau, Slg. 1993, I-2533, Rn. 15; Rs. C- 475/99, Ambulanz Glöckner, Slg. 2001, I-8989, Rn. 55; Rs. C- 393/92, Almelo, Slg. 1994, I-1477, Rn. 48.
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
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Im allgemeinen Interesse ist die Dienstleistung dann, wenn die im Betrauungsakt festgelegte Zwecksetzung das Unternehmen zwingt, auch dann und dort tätig zu sein, wo dies aus rein privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten dem Eigeninteresse des Unternehmens zuwiderliefe. 330 Erfüllt wäre diese Voraussetzung dann, wenn das Dienstleistungsunternehmen beispielsweise dazu verpflichtet wäre, sämtliche Verbraucher innerhalb eines bestimmten Gebietes zu jeder Zeit zu einheitlichen Konditionen, unabhängig von der Wirtschaftlichkeit der Leistung im konkreten Einzelfall, zu versorgen. 331 Der Apotheker unterliegt gemäß § 17 Abs. 4 ApBetrO hinsichtlich verschreibungspflichtiger Arzneimittel einem Kontrahierungszwang und muss diese Arzneimittel auch zu einheitlichen Konditionen abgeben. Jedoch stellt die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel nur einen Teilbereich des Tätigkeitsfelds eines Apothekers dar. In den anderen Tätigkeitsbereichen – bei den nicht verschreibungspflichtigen und freiverkäuflichen Arzneimitteln sowie dem Nebensortiment – spielt die Wirtschaftlichkeit hingegen eine Rolle. Teilweise konkurriert der Apotheker gar mit dem übrigen Einzelhandel. Hinzu kommt, dass der selbstständige Apotheker in Deutschland Niederlassungsfreiheit insofern genießt, als er sich überall im Bundesgebiet niederlassen kann, so dass keine auf eine einzelne Apotheke bezogene Verpflichtung zur Versorgung eines bestimmten Gebiets vorliegt. 332 Im Ergebnis kann also festgehalten werden, dass der Apotheker zwar auch eine öffentliche Aufgabe erfüllt und er in einem Teilbereich seines Tätigkeitsfelds einem Kontrahierungszwang unterliegt. Es handelt sich bei der von einer Apotheke gebotenen Dienstleistung jedoch nicht um eine solche, die im Sinne des Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ist. Stellt man auf die reine Abgabe des Arzneimittels und damit auf die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ab, so kommt hinzu, dass diese durch die Grundfreiheiten nicht verhindert bzw. unmöglich gemacht wird, also die weiteren Voraussetzungen des Art. 86 Abs. 2 EG nicht erfüllt wären. Gleiches würde gelten, wenn man davon ausginge, dass der Apotheker die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln versorgen muss: Dass eine ordnungsgemäße Versorgung durch den Fremdbesitz nicht unmöglich gemacht oder verhindert wird, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass diesbezüglich in anderen Ländern Erfahrungswerte vorliegen. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass keiner der geschriebenen Rechtfertigungsgründe in Bezug auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehr330 Pernice / Wernicke, in: Grabitz / Hilf, Art. 86 EGV, Rn. 37; Jung, in: Callies / Ruffert, EG, Art. 86 Rn. 40. 331 EuGH, Rs. C-320/91, Corbeau, Slg. 1993, I-2533, Rn. 15; Rs. C-157/94, Kommission / Niederlande, Slg. 1997, I-5699, Rn. 39 – 43, 52 f., 55; Rs. C-438/02, Hanner, Slg. 2005, I-4551, Rn. 47 f. 332 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 256 f.
228 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
besitzverbot einschlägig ist. Dies hat zur Konsequenz, dass sich die streitigen Regelungen am Maßstab ungeschriebener Rechtfertigungsgründe messen lassen müssen. 2. Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe Die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe, d. h. immanente Schranken, wurden vom EuGH im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt. 333 Nach den vom EuGH entwickelten Grundsätzen ist die Rechtfertigung von in die Niederlassungsfreiheit eingreifenden Maßnahmen durch einen ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund an vier Voraussetzungen geknüpft: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. 334 Hinsichtlich des zwingenden Grundes des Allgemeinwohls ist zu fordern, dass es sich um einen Aspekt handelt, der nicht lediglich dem Schutz einzelner Individualinteressen dient 335 und einen nicht-wirtschaftlichen Charakter aufweist, 336 da allein auf wirtschaftliche Gründen beruhende nationale Maßnahmen die Zielsetzung der Grundfreiheiten konterkarieren. Eine Ausnahme bilden jedoch Regelwerke, deren Erlass vorwiegend im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten liegt, die sich aber gleichzeitig auf den Binnenmarkt auswirken. 337 Zu den Regelwerken, die vorwiegend in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen, zählen auch die mitgliedstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit. 338 Hier akzeptiert der EuGH auch wirtschaftliche Belange, wie die Wahrung des finanziellen Gleichgewichts der Sozialsysteme, als zwingendes Erfordernis. 339 Ein zwingendes Erfordernis besteht ferner nur dann, wenn das betreffende Interesse gemeinschaftsweit einem normativen Schutz unterliegt. 340 Dieser kann sich aus dem Gemeinschaftsrecht selbst oder aus den gemeinsamen, in den jeweiligen 333 Die Figur der ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe wurde vom EuGH im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit in der Cassis-Entscheidung (EuGH, Rs. 120/78, Cassis de Dijon, Slg. 1979, 649, Rn. 8) begründet und gilt mittlerweile im Bereich aller Grundfreiheiten, vgl. Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 478; Arndt, Europarecht, S. 192. 334 EuGH, Rs. C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Rn. 37. 335 Frenz, Hdb des Europarechts, Rn. 498. 336 EuGH, EuZW 2002, 437, 440, Tz. 52 – „Goldene Aktie III“; EuGH, Rs. 72/83, Campus Oil, Slg. 1984, 2727, 2752 Rn. 35; Arndt, Europarecht, S. 193. 337 Arndt, Europarecht, S. 193. 338 Arndt, Europarecht, S. 193. 339 EuGH, Rs. C-158/96, Kohll, Slg. 1998, I-1931 Rn. 41 ff. 340 Frenz, Hdb des Europarechts, Rn. 498.
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nationalen Rechtsordnungen verankerten Grundsätzen ergeben. 341 Entscheidend sind der Gehalt und das Gewicht der tatsächlich im Raum stehenden Gemeinwohlgründe, die vielfach eine normative Regelung erst motivieren. 342 Sie müssen daher in keiner Rechtsnorm enthalten sein, sofern sie nur bestehen und sich auf Grund ihrer Bedeutung im konkreten Fall gegenüber der Grundfreiheit durchzusetzen vermögen. Die noch herrschende Auffassung wendet die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe nur auf unterschiedslos wirkende Maßnahmen an. 343 Eine Rechtfertigung jedweder diskriminierender Maßnahmen durch immanente Schranken sei abzulehnen, weil die geschriebenen Rechtfertigungsgründe auf der Überlegung beruhten, dass Diskriminierungen als intensivste Form der Beschränkung grundsätzlich nur durch einen der im Vertrag geschriebenen Gründe gerechtfertigt werden können. 344 Eine andere Ansicht will immanente Schranken auch auf sämtliche diskriminierenden Maßnahmen anwenden. Der EuGH hat eine vermittelnde Position eingenommen und lässt für die Anwendung von immanenten Schranken auch faktische bzw. indirekte Diskriminierungen ausreichen. 345 Für diese Ansicht spricht, dass eine klare Einteilung in indirekt diskriminierende und unterschiedslose Maßnahmen oft nicht eindeutig vollzogen werden kann. Die Einstufung einer beschränkenden Handlung als unterschiedslos wirkende Maßnahme oder indirekte Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit erfolgt zudem oftmals zufällig. 346 Die Einstufung in die eine oder andere Kategorie könnte demnach leicht mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz kollidieren. Diese Einwände entfielen, wenn man den Geltungsbereich der immanenten Schranken auf faktische Diskriminierungen erstreckt. 347 Deshalb ist es vorzugswürdig, mit dem EuGH ungeschriebene Rechtfertigungsgründe auch auf faktisch diskriminierende Maßnahmen anzuwenden. 348 Hieraus ergibt sich zugleich, dass eine Klassifizierung des Mehrbesitzverbots als faktisch diskriminierende Maßnahme zu keinem anderen Prüfungsmaßstab geführt hätte. Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit einer Beschränkung ist zu fordern, dass die Maßnahme geeignet ist, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen, und dass sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist. 349 341 Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 30 EGV, S. 267 ff. 342 Frenz, Hdb des Europarechts, Rn. 499. 343 Arndt, Europarecht, S. 193. 344 Arndt, Europarecht, S. 195; Hirsch, ZEuS 1999, 503, 510. 345 Arndt, Europarecht, S. 194; EuGH, EuZW 2003, 186, 187, Tz. 19, 21 – „Italienische Museen“. 346 Arndt, Europarecht, S. 195. 347 Arndt, Europarecht, S. 195. 348 Schlag, in. Schwarze, EGV, Art. 43 Rn. 49. 349 Arndt, Europarecht, S. 196.
230 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
3. Schutzzweck des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots Nach den von der Rechtsprechung des EuGH aufgestellten Grundsätzen ist somit zunächst nach dem Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses der Allgemeinheit zu fragen. Der Schutzzweck des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots wurde bereits im Rahmen der Prüfung seiner Verfassungsmäßigkeit ausführlich dargestellt. Danach soll die Vereinigung von wirtschaftlicher Trägerschaft und Verantwortung im Bereich des deutschen Apothekenrechts dazu dienen, dass die öffentliche Gesundheit geschützt wird. Auch der EuGH hat ausdrücklich die „Notwendigkeit, die Kontinuität der Krankenversorgung sicherzustellen“, anerkannt. 350 Der Schutz der öffentlichen Gesundheit nimmt somit aus europarechtlicher Sicht unter den Rechtsgütern, die eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten rechtfertigen können, den „ersten Rang“ ein. 351 Dies ergibt sich auch aus Art. 3 Abs. 1 lit. p) EG. 352 Sind – wie weiter oben dargestellt – wirtschaftliche Aspekte aus den zwingenden Erfordernissen der Allgemeinheit ausgeklammert, so kann auch im Gemeinschaftsrecht die Förderung des Mittelstands nicht als Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit in Form des Fremd- und Mehrbesitzverbots fungieren. Eine Zulassung wirtschaftlicher Erwägungen als Rechtfertigungsgrund würde einen Widerspruch zur wettbewerbsorientierten Ausrichtung des EG-Vertrags darstellen. 353 Der Schutz des Mittelstands kann auch nicht mit dem Schutz des Systems der sozialen Sicherheit in Verbindung gebracht werden, so dass es beim Ausschluss wirtschaftlicher Gründe bleibt. Als weiterer zwingender Grund des Allgemeininteresses kommt der Schutz des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherung in Frage. 354 Grundsätzlich ist auch dieses Schutzgut als zwingender Grund des Allgemeininteresses von der Rechtsprechung des EuGH anerkannt. 355 Eine Besonderheit ergibt sich beim Schutz der Einrichtung und des Bestands des Systems der sozialen 350 EuGH, Rs. 96/85, Arztpraxis, Slg. 1986, 1475, 1486, Rn. 14; Vgl. Friauf, Verbot des Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 57. 351 Vgl. EuGH, Rs. C-215/87, Schumacher, Slg. 1989, I-617, Rn. 17; Rs. C-322/01, Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Rn. 103. 352 Siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zur Rs. C-140/ 03, Kommission / Griechenland, Slg. 2005, I-3177, Rn. 28; Kingreen, in: Callies / Ruffert, EGV, Art. 28 – 30 Rn. 80; Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 303; Streinz / Herrmann, EuZW 2006, 455, 458. 353 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, EGV, vor Art. 39 –55 Rn. 185; Diekmann / Reinhardt, WRP 2006, 1165, 1170. 354 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 262. 355 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, vor Art. 39 –55 EGV, Rn. 161; EuGH, Rs. C-158/96, Kohll, Slg. 1998, I-1931, 1948, Rn. 41.
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Sicherheit insofern, als die Grundfreiheiten in diesem Bereich teilweise als Diskriminierungsverbote und nicht als Beschränkungsverbote behandelt werden. 356 Das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot könnte das System der sozialen Sicherung insofern berühren, als es dem Ziel dient, einem Fehl-, Mehrgebrauch und Missbrauch von Medikamenten zu entgegnen. Ein Fehl-, Mehrgebrauch oder Missbrauch von Arzneimitteln würde zu einem Gesundheitsschaden in der Bevölkerung führen. Die hieraus entstehenden zusätzlichen Kosten hätte wiederum das System der Gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen. Dennoch sind die Prinzipien, die für den Schutz der Einrichtung und des Bestands des Systems der sozialen Sicherung geschaffen wurden, nicht auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot anwendbar. Diese Grundsätze werden angewandt auf das Rechtsverhältnis des sozialen Sicherungssystems mit den Mitgliedern oder Dritten und auf die Stellung des Trägers der Systeme der sozialen Sicherheit. 357 Mag auch die Arzneimittelversorgung Teil des Systems der sozialen Sicherung sein, weil die Abgabe der Arzneimittel an den gesetzlich versicherten Patienten in Wirklichkeit einen Vertragsschluss mit der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt, so lässt das den eigentlichen Bereich des Rechtsverhältnisses der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Apotheke oder deren Mitgliedern und dem Status der Gesetzlichen Krankenversicherung unberührt. Schließlich kommt der Verbraucherschutz als ein von der Rechtsprechung des EuGH anerkannter zwingender Grund des Allgemeininteresses in Frage. 358 Der Verbraucherschutz im Sinne eines Gesundheitsschutzes des Verbrauchers ist allerdings vom Ziel des Schutzes der Volksgesundheit umfasst und bedarf deshalb nicht einer gesonderten Betrachtung. 359 4. Geeignetheit einer Maßnahme Nachdem nun festgestellt wurde, dass die Grundfreiheiten trotz der in Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG proklamierten vollumfänglichen Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Organisation des Gesundheitswesens anwendbar sind, muss weiter geprüft werden, ob das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot zur Erreichung der eben genannten Ziele geeignet ist. Geeignet sind im Sinne des Gemeinschaftsrechts Maßnahmen, soweit sie ihrer Art nach die Erreichung des erstrebten Zwecks fördern können. 360 356 Dies könnte sich jedoch seit den Entscheidungen des EuGH in den Rs. C-120/95, Decker, Slg. 1998, I-1381 und Rs. C-158/96, Kohll, Slg., 1998, I-1931 geändert haben. 357 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, vor Art. 39 –55 EGV, Rn. 196 ff. 358 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, vor Art. 39 –55 EGV, Rn. 161, EuGH, Rs. 205/84, Kommission / Deutschland, Slg. 1986, 3755, Rn. 30; Rs. C-275/92, Schindler, Slg. 1994, I-1039, 1096, Rn. 58; Rs. C-34/95, de Agostini, Slg. 1997, I-3843, 3891, Rn. 46. 359 Vgl. bereits weiter oben 3. Kap., VI. 2. a) aa) (1).
232 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Ist ein sensibler Bereich betroffen – hierzu gehört der Bereich des Gesundheitswesens –, haben die Mitgliedstaaten für die Beurteilung der Geeignetheit einer Maßnahme ein weites Ermessen. 361 Die Überprüfung des EuGH beschränkt sich dann darauf, ob die Maßnahme zur Erreichung des Ziels offensichtlich ungeeignet ist 362 oder die zu Grunde gelegten Annahmen offensichtlich falsch sind, also ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt. 363 Das weite Ermessen des Mitgliedstaats führt zu einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle durch den EuGH, der die Beurteilung des jeweiligen Mitgliedstaats nicht durch seine eigene ersetzen darf. 364 Das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot ist zur Erreichung des Schutzes der Gesundheit geeignet. Die Prinzipien, die für den Schutz des Systems der sozialen Sicherung geschaffen wurden, sind auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht anwendbar, dennoch wird ein solcher Schutz durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit – ebenso wie der Verbraucherschutz im Sinne eines Gesundheitsschutzes des Verbrauchers – mittelbar erreicht. Für die Frage nach der Erforderlichkeit der deutschen Regelung ist im Ergebnis auch nach dem Gemeinschaftsrecht nur das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit maßgeblich. 5. Erforderlichkeit der Maßnahmen Das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot müsste schließlich zum Schutze der öffentlichen Gesundheit, des Verbrauchers sowie des Systems der sozialen Sicherheit erforderlich sein. Erforderlich sind Beschränkungen der Grundfreiheiten dann, wenn die mit ihnen verfolgten Ziele nicht genauso gut mit anderen Mitteln zu erreichen sind, die die Grundfreiheiten weniger beschränken. 365 Zunächst einmal ist im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung zu beachten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlässt als ein anderer, nicht bedeutet, dass dessen 360 Kingreen, in: Callies / Ruffert, EGV, Art. 28 – 30 Rn. 92; Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 157; Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 462; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 528. 361 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 152 Rn. 157; Eichenhofer, MedR 2007, 329, 332. 362 EuGH, Rs. C-491/01, British American Tobacco, Slg. 2002, I-11453, Rn. 123; Rs. C-434/02, Arnold André, Slg. 2004, I-11825, Rn. 57 – 59. 363 EuGH, Rs. C-280/93, Deutschland / Rat, Slg. 1994, I-4973, Rn. 89 f.; Rs. C-491/01, British American Tobacco, Slg. 2002, I-11453, Rn. 123; Rs. C-434/02, Arnold André, Slg. 2004, I-11825, Rn. 46. 364 EuGH, Rs. C-120/97, Upjohn (Upjohn II), Slg. 1999, I-223, Rn. 34. 365 Frenz, Hdb des Europarechts, Rn. 529, 2293; EuGH, Rs. 178/84, Kommission / Deutschland, Slg. 1987, 1227, Rn. 35; Rs. C-288/96, Kommission / Deutschland, Slg. 2000, I-8237, Rn. 51 ff.
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Vorschriften unverhältnismäßig und folglich nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. 366 Ein Schutz der öffentlichen Interessen auf dem „kleinsten gemeinsamen Nenner“ („race to the bottom“) ist durch die Grundfreiheiten nicht vorgesehen. 367 Gerade im Bereich des Gesundheitsschutzes verfolgt die Gemeinschaft, wie bereits dargestellt, ein hohes Schutzniveau. Aus der bisherigen Spruchpraxis des EuGH ergibt sich jedoch zugleich, dass die Rechtsprechung zu den freien Berufen überwiegend von dem Gedanken getragen wird, den Personenverkehrsfreiheiten zu größtmöglicher Wirkung zu verhelfen. 368 Der EuGH entscheidet hier nach dem Grundsatz „in dubio pro libertate“. 369 In diesem Zusammenhang darf jedoch nicht vergessen werden, dass aus Gründen der Respektierung der nationalen Verantwortung für die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung und des Erfordernisses, ein möglichst hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten, dennoch von einem weiten Ermessensspielraum des nationalen Gesetzgebers auszugehen ist. Dementsprechend wird vorgeschlagen, das Vorsorgeprinzip, 370 das vom EuGH entwickelt wurde, auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot anzuwenden. Dies ergebe sich daraus, dass wegen der wissenschaftlichen Unklarheiten hinsichtlich der Auswirkung des Fremdbesitzes auf die Volksgesundheit, sich die Befugnis der Mitgliedstaaten ergebe, Schutzmaßnahmen zu treffen, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren dargelegt sind. 371 Lägen die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vor, stehe den Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des EuGH bei Maßnahmen zur Vorsorge gegen Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen ein weites Ermessen zu. 372 Die Mitgliedstaaten verfügten deshalb bei der Regelung der Eigentümerstruktur von Apotheken über ein weites Ermessen. 373 Die Wahrnehmung 366 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 38 mit Verweis auf EuGH Urt. v. 1. Februar 2001, Rs. C-108/96, Mac Quen, Slg. 2001, I-837, Rn. 33 m.w. N. 367 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, EGV, vor Art. 39 –55 Rn. 173. 368 EuGH, Rs. C-107/83, Klopp, Slg. 1984, 2971; Rs. C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I4165; Rs. 96/85, Arztpraxis, Slg. 1986, 1475. 369 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 100; Blumenwitz, NJW 1989, 621, 623. 370 Zur Anerkennung des Vorsorgeprinzips siehe EuGH, Rs. C-355, Santona, Slg. 1993, I-4221 Rn. 15; C-180/96, Großbritannien / Kommission, Slg. 1998, I-2265 Rn. 61 f.; Rs. C-157/96, National Farmers’ Union, Slg. 1998, I-2211; Mitteilung der Kommission, Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM 2000 (1) endg.; siehe zum Vorsorgeprinzip auch Schroeder, DVBl 2002, 213 ff. 371 EuGH, Rs. C-157/96, National Farmers’ Union, Slg. 1998, I-2211, Rn. 63; Rs. C-236/ 01, Monsanto Agricoltura Italia, Slg. 2003, I-8105, Rn. 106; Rs. C-92/01, Kommission / Dänemark, Slg. 2003, I-9693, Rn. 49; Rs. C-41/02, Kommission / Niederlande, Slg. 2004, I-11397, Rn. 52. 372 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 271. 373 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 273.
234 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
dieses Ermessens unterliege nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung durch den EuGH. Der EuGH sei darauf beschränkt, zu überprüfen, ob die Maßnahme des Mitgliedstaats offensichtlich nicht erforderlich ist oder die Beurteilung durch den Mitgliedstaat mit einem offensichtlichem Fehler oder Irrtum oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder die Grenzen des Ermessens offensichtlich überschritten sind. 374 Der erweiterte Umfang des Ermessens wirke sich insofern auf die Art und Weise der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus, als eine Maßnahme zulässig sei, wenn sie „objektiv“ und „nicht diskriminierend“ sei. 375 Das Fremd- und Mehrbesitzverbot wirke sich nicht diskriminierend aus und sei objektiv, weswegen es im Interesse der Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus gerechtfertigt und damit mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sei. 376 Das Vorsorgeprinzip ist im EG-Vertrag nicht definiert, wird für den Bereich des Umweltschutzes in Art. 174 Abs. 2 S. 2 EG aber ausdrücklich vorgeschrieben. 377 Das vom EuGH entwickelte Vorsorgeprinzip besagt im Kern, dass das Risikopotential eines konkreten Sachverhalts anhand wissenschaftlicher Mittel zu bestimmen ist und erst wenn sich daraufhin eine Unsicherheit zeigt, eine Vermutung für ein Schadensrisiko gelten kann. 378 Sowohl das sich anschließende Ergreifen von Vorsorgemaßnahmen als auch deren konkrete Auswahl werden ausdrücklich als politische Entscheidungen begriffen, die maßgeblich auch von der gesellschaftlichen Akzeptanz für bestimmte Risiken abhängen sollen. 379 Das Vorsorgeprinzip ist grundsätzlich auch im Bereich des Gesundheitsschutzes des Verbrauchers anwendbar. 380 Es ist allerdings fraglich, ob das Vorsorgeprinzip tatsächlich auf Fälle mitgliedstaatlicher Regelungen, die sich auf die Eigentümerstruktur im Bereich eines Gesundheitsdienstleisters beziehen, anwendbar ist. Auslöser für die Entwicklung des Vorsorgeprinzips waren offenbar produktbezogene Konstellationen (BSE-Fälle und gentechnisch veränderte Lebensmittel). 381 Dem wird entgegnet, dass nach dem Gebot der Kohärenz als allgemeinem Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts 382 es nur konsequent sei, die Risikovorsorge-Rechtsprechung des EuGH 374 EuGH, Rs. C-174/82, Sandoz, Slg. 1983, I-2445, Rn. 19; Rs. C-83/94, Leifer, Slg. 1995, I-3231, Rn. 35; Rs. C-110/03, Belgien / Kommission, Slg. 2005, I-2801, Rn. 68; verb. Rs. C-211/03, C-299/03 und C-316/03 bis C-318/03, HLH, Rn. 75, 78 f. 375 EuGH, Rs. C-192/01, Kommission / Dänemark, Slg. 2003, I-9693, Rn. 49, 53; Rs. C41/02, Kommission / Niederlande, Slg. 2004, I-11397, Rn. 43, 51, 54. 376 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 271. 377 Appel, NVwZ 2001, 395. 378 Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 95, Rn. 80; Appel, NVwZ 2001, 395, 296. 379 Appel, NVwZ 2001, 395, 396. 380 Pfeiffer, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 153 Rn. 11; Appel, NVwZ 2001, 295, 396. 381 Appel, NVwZ 2001, 395, 397 Fn. 17.
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nicht nur auf a priori risikobehaftete Produkte wie Arzneimittel, sondern auch auf a priori risikobehaftete Tätigkeiten wie die pharmazeutische Tätigkeit anzuwenden sei. 383 Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Das im Gemeinschaftsrecht geschaffene und durch die Kommission näher erläuterte Vorsorgeprinzip soll der Gemeinschaft das Recht geben, für die Bereiche der Umwelt und der Gesundheit Mittel in die Hand zu nehmen, den Risiken entgegenzuwirken. Es geht hierbei also vorrangig – wie schon bei Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG – um eine Legitimation für das Tätigwerden der Gemeinschaft. Hinzu kommt, dass die Anwendung des Vorsorgeprinzips auf den Bereich der Arzneimittelabgabe nicht nötig ist. Im Bereich des Arzneimittelvertriebs ist der Risikovorsorge schon durch die Vorschriften genüge getan, die die Zulassung, Apothekenpflichtigkeit, Verschreibungspflichtigkeit, etc. regeln. Das Risiko geht also auch im Bereich der Arzneimittelversorgung in erster Linie vom Produkt aus. Hier wurden jedoch bereits Maßnahmen getroffen, die einem Risiko für die Gesundheit des Verbrauchers / Patienten entgegen kommen. Somit ist das Vorsorgeprinzip nicht auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot anwendbar. Es bleibt dabei, dass auch für diesen Fall die Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot zu prüfen ist, weil es hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit kein derartiges „Vorsorgeprinzip“ gibt, mit dem ein Staat zunächst einmal die Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften vorbeugend verbieten darf. 384 Dennoch handelt es sich bei der Entscheidung über die Betriebsstruktur einer Apotheke um einen politisch, wirtschaftlich und sozial komplexen Vorgang, denn sie betrifft eine Institution, die im Gesamtsystem der Versorgung der Bevölkerung im Krankheitsfall eingebettet ist und deren Aufgabe zugleich mit dem System der sozialen Sicherung im engen Zusammenhang steht. 385 Wie bereits dargestellt ist deswegen von einem weiten Beurteilungsspielraum des nationalen Gesetzgebers auszugehen. Schon bei der Schaffung der Richtlinie 85/433/EWG zur gegenseitigen Anerkennung von Diplomen bei Apothekern hieß es in der Begründung, dass die Richtlinie „[...] die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die Gesellschaften die Ausübung bestimmter Tätigkeiten verbieten oder ihnen dafür bestimmte Auflagen machen (nicht berühren)“. In der Richtlinienbegründung wird festgestellt, dass „einige Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Politik auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, die insbesondere darauf abzielt, eine zufrieden stellende Versorgung mit Arzneimitteln in ihrem gesamten Ho382 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 264 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-12/03 P, Tetra Laval BV, Slg. 2005, I-987, Rn. 39; Rs. C-110/03, Belgien / Kommission, Slg. 2005, I-2801, Rn. 63 – 66. 383 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 264. 384 Siehe auch Diekmann / Reinhardt, WRP 2007, 407, 412. 385 Dettling / Mand, Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz, S. 272.
236 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
heitsgebiet zu gewährleisten, die Zahl der Apotheken, die neu eingerichtet werden können, (begrenzen,) während andere Mitgliedstaaten keine solchen Vorkehrungen getroffen haben.“ Diese Erwägungen des Rates machen deutlich, dass die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für die grundsätzliche Organisation der Betriebsstrukturen im Apothekenwesen unangetastet bleiben soll. Seit dem Erlass der Richtlinie im Jahre 1985 hat das Gemeinschaftsrecht allerdings viele Entwicklungen erfahren, auch hat sich die Durchsetzung der Grundfreiheiten für die Schaffung eines Binnenmarkts in der Rechtsprechung des EuGH verschärft. Im Rahmen einer strengen Erforderlichkeitsprüfung erwartet der EuGH in der Regel, dass die interessierten Regierungen oder Interessenverbände nachweisen, dass die streitige Regelung erforderlich ist. 386 Geschieht dies nicht, kann die Regelung nicht gerechtfertigt sein. 387 Dies würde bedeuten, dass der Bundesregierung bzw. den Interessenverbänden der Apotheker der Nachweis gelingen muss (bspw. mit Statistiken), dass Apotheken, die von Kapitalgesellschaften betrieben werden, weniger erfolgreich den mit Arzneimitteln verbunden Gefahren entgegenwirken, als dies selbstständige Apotheker tun. 388 Unter dieser Prämisse kann zumindest das Fremdbesitzverbot, so wie es derzeit ausgestaltet ist, keinen Bestand haben. Dies hat sich bereits aus den Ausführungen zur Erforderlichkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit ergeben. Selbst wenn man aber von einem weiten Ermessenspielraum des nationalen Gesetzgebers ausgeht, so kann sich für die Erforderlichkeit des Fremdbesitzverbots im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit nichts anderes ergeben, als bereits im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen, weil hier die Anforderungen an eine Regelung dieselben sind. In Bezug auf den Gesundheitsschutz bzw. Verbraucherschutz ist das Fremdbesitzverbot nicht erforderlich, weil für die Gesundheit zumindest dann keine größeren Gefahren ausgehen, wenn sichergestellt wird, dass die Apotheke von einem fachlich unabhängigen Apothekenleiter betrieben wird, während die Gesellschafter einer Apothekenbetriebsgesellschaft ausschließlich Apotheker sind. Nichts anderes ergibt sich, wenn die Gesellschaftsstruktur so organisiert wird, dass die Mehrheit der Gesellschafts- und Stimmanteile in Apothekerhand ist. Ein Ausschluss der Ärzteschaft vom Betrieb der Apotheke erscheint jedoch notwendig. Die Konzernierungsgefahr im Sinne der Gefahr der Bildung von „Gesundheitskonzernen“ ist im Übrigen nach der Rechtsprechung des EuGH durch das Kartellrecht zu beherrschen. 389 Danach kann nur eine branchenübergreifende Zusammenlegung 386
Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 524; Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 305. EuGH, Rs. C-158/96, Kohll, Slg. 1998, I-1931, 1950 Rn. 52; Lenz, NJW 2004, 332. 388 Kirchhoff, ZESAR 2007, 301, 305. 389 Vgl. Diekmann / Reinhardt, WRP 2007, 407, 415; Kleine-Cosack, DB 2007, 1851,1853 f. m.w. N. 387
D. Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit
237
als solche verboten werden, nicht jedoch die Niederlassungsfreiheit der Branchen selbst. 390 Diesen Standpunkt hat der EuGH auch im Wouters-Urteil 391 vertreten. Hier wurde das niederländische Kartellverbot einer Zusammenarbeit der Branchen der Rechtsanwälte und der Wirtschaftsprüfer bestätigt. Es wurde allerdings nicht den Rechtsanwälten einerseits und den Wirtschaftsprüfern andererseits die Niederlassungsfreiheit genommen. 392 Einer Konzernierung ist nach Ansicht des EuGH zu begegnen, indem eine branchenübergreifende Zusammenarbeit oder -schließung zu einem Gesundheitskonzern verboten wird. Zu den weiteren Details einer milderen Regelung wird auf die Bearbeitung im Rahmen der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Fremdbesitzverbots verwiesen. Auch im Hinblick auf den Schutz des Systems der sozialen Sicherung ist das Fremdbesitzverbot nicht erforderlich. Zwar ist die Abgabe von Arzneimitteln an dieses System angeschlossen; der Apotheker erhält Leistungen von der Gesetzlichen Krankenversicherung. Dennoch sind die Folgen einer Liberalisierung der Betriebsstrukturen nicht derart weit reichend, dass sie einen derart starken Eingriff rechtfertigen würden. Ändert sich die Betriebsstruktur der Apotheke, kann aus den genannten Gründen hieraus keine größere Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung entstehen. Es ist kein erhöhter Fehl-, Mehrgebrauch oder Missbrauch von Arzneimitteln zu befürchten. Somit werden keine Mehrkosten für das Versicherungssystem entstehen. Es könnten vielmehr wegen der Einkaufsvorteile einer Apothekenkette Kostensenkungen zumindest im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel erreicht werden. Für den Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die per se besonders gefährlich sind, wird sich durch die Veränderung der Betriebsstrukturen für das Krankenversicherungssystem nichts ändern. Im Hinblick auf das Mehrbesitzverbot wird allerdings für möglich gehalten, dass dieses – selbst bei Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Fremdbesitzverbots – vor dem EuGH Bestand haben wird. 393 Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass sich aus den Ausführungen des EuGH zum griechischen Mehrbetriebsverbot bei Optikergeschäften keine Aussagen darüber entnehmen ließen, ob sich aus der Niederlassungsfreiheit ein uneingeschränktes Recht zur Filialisierung ergibt, oder ob die Anzahl der Niederlassungen mengenmäßig beschränkt werden darf. 394 Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass der EuGH dem Mitgliedstaat insofern Gestaltungsspielraum gewährt, als dieser die Anzahl der Filialen beschränken kann. 395 390
Kleine-Cosack, DB 2007, 1851, 1854. EuGH, Rs. C-309/99, Wouters, Slg. 2002, I-1577. 392 Diekmann / Reinhardt, WRP 2007, 407, 415. 393 Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 455. 394 Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 455. 395 Koenig / Klahn / Töfflinger, GesR 2007, 450, 455; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 101. 391
238 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Dem ist allerdings nicht zuzustimmen. Ist das Fremdbesitzverbot nicht erforderlich und damit der persönlich, räumliche Bezug zu einer Apotheke nicht mehr relevant, so muss auch das Mehrbesitzverbot als nicht erforderlich angesehen werden. 396 6. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot zum Bereich der Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung gehört. Dieser Bereich liegt nach dem ursprünglichen Verständnis des Binnenmarkts im Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten. Es obliegt also den Mitgliedstaaten, die Strukturen des Gesundheitswesens und die Organisation der daran beteiligten Institutionen festzulegen. Dennoch müssen die Mitgliedstaaten die Verwirklichung des Binnenmarktziels bei Festlegung dieser Strukturen beachten. Hieraus ergibt sich, dass die Grundfreiheiten in diesem Bereich grundsätzlich anwendbar bleiben. Trotz allem ist zugunsten der Mitgliedstaaten in diesem Bereich von einem weiten Ermessen auszugehen. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass die Gesundheitssysteme und deren Strukturen in den verschiedenen Ländern der Gemeinschaft sehr unterschiedlich geregelt sind. So soll die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung auch aus dem Bereich möglicher Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft ausgenommen werden. Allerdings kann sich für das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot nichts anderes ergeben, als dass es für den Schutz der Volksgesundheit sowie für den Schutz des Systems der sozialen Sicherung oder für den Verbraucherschutz nicht erforderlich ist. Mag die Verwerfung des nationalen Systems des Apothekenbetriebs auch wie eine außerordentlich weit reichende Einmischung in ein nationales System der Arzneimittelversorgung erscheinen, die Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG seines Inhalts berauben würde, 397 so ist dies dennoch Konsequenz der Verfolgung des Binnenmarktziels. Soll der Binnenmarkt effektiv verfolgt werden, so kann für Gesellschaften ein derartiges Tätigkeitsverbot nicht aufrechterhalten werden, zumal es für den Schutz der Volksgesundheit eben nicht erforderlich ist. Das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot ist mit der Niederlassungsfreiheit des Art. 43, 48 EG nicht vereinbar und somit nicht gemeinschaftskonform. Konsequenz des Verstoßes des Fremd- und Mehrbesitzverbots gegen das Gemeinschaftsrecht ist wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, dass bei grenz396 Vgl. auch hierzu bereits die Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit des Fremdund Mehrbesitzverbots. 397 Tisch, EuR 2007 (Beiheft 2), 93, 100.
E. Inländerdiskriminierung
239
überschreitenden Sachverhalten das nationale Recht keine Anwendung findet. 398 Teil des Fremd- und Mehrbesitzverbots ist die Pflicht zur persönlichen Leitung der Apotheke aus § 7 S. 1 ApoG. Entfällt im grenzüberschreitenden Verkehr diese, weil die Apotheke von einem angestellten Apotheker geleitet werden darf, so würde dies bedeuten, dass ein Apotheker, der bereits eine Apotheke in Deutschland betreibt und eine weitere Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet, nicht verpflichtet ist, seine Apotheke in Deutschland persönlich zu leiten. Ein Apotheker, der bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Apotheke betreibt und in Deutschland eine weitere Apotheke betreiben möchte, ist ebenfalls nicht an die Pflicht zur persönlichen Leitung seiner deutschen Apotheke gebunden. 399 Im Hinblick auf das Mehrbesitzverbot würde die Verwerfung durch den EuGH bedeuten, dass deutsche Apotheker weiterhin auf den Betrieb nur einer Hauptapotheke und drei weiterer Filialapotheken beschränkt wäre, während ausländische Kapitalgesellschaften beliebig viele Filialapotheken im Bundesgebiet eröffnen könnten. Diese Rechtsfolge der Verwerfung von Normen durch den EuGH führt zu dem Problem, dass inländische Personen oder Kapitalgesellschaften im Verhältnis zu ausländischen Personen oder Kapitalgesellschaften, die grenzüberschreitend tätig werden, schlechter gestellt sind. Die sich hieraus ergebenden Probleme werden unter dem Oberbegriff der Inländerdiskriminierung diskutiert. Diese Problematik ist deshalb Gegenstand der nun folgenden Ausführungen.
E. Inländerdiskriminierung Folge einer Unvereinbarkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots mit dem Gemeinschaftsrecht ist – wie bereits dargestellt – die Unanwendbarkeit der jeweiligen Regelungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Im innerdeutschen Raum bleiben die Regelungen anwendbar, so dass eine deutsche Kapitalgesellschaft im Gegensatz zu einer einem anderen Mitgliedstaat entstammenden nicht die Möglichkeit hat, im Bundesgebiet eine Apothekenerlaubnis zu erhalten. Die Lösung dieses als Inländerdiskriminierung (auch umgekehrte Diskriminierung 400 genannt) bekannten Problems ist umstritten. 401 398
Arndt, Europarecht, S. 190. Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 100 f. 400 Vgl. Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, passim. 401 Nachbaur, Niederlassungsfreiheit, S. 98 ff. Eine Definition der Inländerdiskriminierung bietet Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 260: „Inländerdiskriminierungen sind benachteiligende Ungleichbehandlungen eigener gegenüber fremden Staatsangehörigen durch einen Mitgliedstaat im Geltungsbereich einer nationalen Rechtsordnung.“ Siehe auch Wesser, Grenzen unzulässiger Inländerdiskriminierung, S. 30. 399
240 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Unterschieden wird zwischen direkten und indirekten Inländerdiskriminierungen. 402 Direkt ist die Diskriminierung dann, wenn der Gesetzgeber des Mitgliedstaats gezielt Ausländer bevorzugt, wobei die so erlassene Regelung bewusst eine solche Wirkung hat. 403 Indirekt ist die Diskriminierung, wenn die von einem Hoheitsträger geschaffenen Regeln zwar keine Ungleichbehandlung verursachen, diese sich aber für die diskriminierten Inländer daraus ergibt, dass sie sich gegenüber dem Hoheitsträger nicht auf günstigeres, unmittelbar anwendbares internationales Recht berufen können. 404 Grund für eine indirekte Inländerdiskriminierung ist also die Überlappung einer nationalen, nicht diskriminierenden Vorschrift, durch Vorschriften anderer Rechtsordnungen. 405 Im Bereich der indirekten Diskriminierung sind wiederum verschiedene Konstellationen denkbar. Zum einen kann die Schlechterbehandlung des Inländers – wie hier – wegen der unmittelbaren Geltung der Grundfreiheiten geschehen, zum anderen dadurch, dass begünstigendes sekundäres Gemeinschaftsrecht, das faktische Benachteiligungen von Staatsangehörigen aus anderen EU-Mitgliedstaaten abbauen soll, auf Inländer nicht anwendbar ist, weil auf diese die allgemeinen Regelungen des Mitgliedstaats anwendbar sind. 406
I. Vereinbarkeit der Inländerdiskriminierung mit dem Gemeinschaftsrecht 1. Anwendbarkeit der Grundfreiheiten Ob das Problem der Inländerdiskriminierung ein gemeinschaftsrechtliches Problem darstellt, ist unklar. Nach einer Auffassung ist Schutz vor nicht gerechtfertigten Beschränkungen ohne Auslandsbezug bereits durch die Grundfreiheiten selbst oder durch das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG gewährt. 407
402
Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 27; Bullinger, IStR 2005, 370, 372. Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 517; Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 27; Bullinger, IStR 2005, 370, 372; Nachbaur, Niederlassungsfreiheit, S. 103; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 261. 404 Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 517; Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 29 f., 199; Nachbaur, Niederlassungsfreiheit, S. 102; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 260. 405 Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 517; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 22, 25 ff. 406 Siehe Frenz, JZ 2007, 343, 344. Als Beispiel für die zweite Konstellation der Inländerdiskriminierung kann die Berufsanerkennungsrichtlinie der Gemeinschaft genannt werden, vgl. RL 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. 9. 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen. 407 Kewenig, JZ 1990, 20, 23; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 164 f., 226 ff., 272; zu Art. 12 EG siehe sogleich. 403
E. Inländerdiskriminierung
241
Die Grundfreiheiten würden dann bei Inländerdiskriminierungen Abhilfe schaffen, wenn sich Inländer selbst bei rein innerstaatlichen Sachverhalten auf diese berufen könnten. Dann müssten auch nicht grenzüberschreitende Sachverhalte in den Anwendungsbereich primären Gemeinschaftsrechts einbezogen sein. Speziell auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot bezogen, müsste also die Niederlassungsfreiheit auch auf innerstaatliche Sachverhalte anwendbar sein. Die Rechtsprechung des EuGH ist in dieser Hinsicht teilweise kontrovers und gibt deshalb immer wieder Anlass zu Diskussionen. 408 So lassen einige Entscheidungen bezweifeln, ob das Gericht am Erfordernis des grenzüberschreitenden Sachverhalts festhalten will. Der EuGH entschied zum Beispiel im Fall Angonese, dass Art. 39 EG auch auf individuelle Abreden unter Privatpersonen anwendbar ist, obwohl ein grenzüberschreitender Sachverhalt nicht vorlag. 409 Im Zusammenhang mit Art. 28 EG entschied der EuGH im Fall Lancry, dass die Erhebung von Hafenabgaben bei der Einfuhr französischer Waren auf die Insel La Réunion gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoße. 410 Für die Behinderung des freien Warenverkehrs macht es nach Ansicht des EuGH keinen Unterschied, ob eine Abgabe an einer Staatsgrenze oder einer innerstaatlichen Grenze erhoben werde. In der Entscheidung zum Fall Pistre bestätigte der EuGH seine ständige Rechtsprechung, wonach das Verbot aus Art. 28 EG für jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten gelte, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar, mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern. 411 In der Zusammenfassung dieser Entscheidungen ist also davon auszugehen, dass in bestimmten Konstellationen des Anwendungsbereichs des Art. 39 EG und Art. 28 EG auch Fälle der Inländerdiskriminierung umfasst sind. In welchen Konstellationen dies jedoch der Fall ist, bleibt wegen der uneinheitlichen Spruchpraxis unklar. 412 Nach einer Ansicht lässt sich das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Sachverhalts für die Anwendbarkeit einer Grundfreiheit nicht mehr aufrechterhalten. In einem Binnenmarkt könne ein grenzüberschreitendes Moment nicht mehr das entscheidende Kriterium für die Anwendbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote sein. 413 Dies resultiere daraus, dass dem Binnenmarkt – im Gegensatz zum Gemeinsamen Markt vor 1993 – Grenzen zwischen den einzelnen Märkten ohnehin fremd seien. 414 Der Binnenmarkt sei 408
Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 518. EuGH, Rs. C-281/98, Angonese, Slg. 2000, I-4139. 410 EuGH, Rs. C-363/93, Lancry, Slg. 1994, I-3957. 411 EuGH, Rs. C-321/94, Pistre, Slg. 1994, I-2343 unter Berufung auf die DassonvilleEntscheidung. 412 Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 518. 413 Nachbaur, Niederlassungsfreiheit, S. 119. 409
242 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
ausweislich des Art. 14 Abs. 2 EG als „Raum ohne Binnengrenzen“ definiert. 415 Ebenso richte sich nach Art. 3 Abs. 1 lit. g) EG die Tätigkeit der Gemeinschaft auf die Errichtung eines Systems des unverfälschten Wettbewerbs. Es stehe dem Wesen des Binnenmarkts also entgegen, wenn im innerstaatlichen Bereich Wettbewerbsverzerrungen aufträten und wenn die mitgliedstaatlichen Grenzen den Anknüpfungspunkt für die unterschiedliche Behandlung grundsätzlich vergleichbarer Produkte oder Personen bildeten. 416 Mithin könnten alle Beschränkungen, auch ohne grenzüberschreitenden Charakter, mit einer Klage vor dem EuGH angegriffen werden. Nach dieser Auffassung stellt das Problem der Inländerdiskriminierung somit ein gemeinschaftsrechtliches Problem dar, welches der Inländer unter Berufung auf die Grundfreiheiten vor dem EuGH geltend machen kann. Dem wird entgegengehalten, dass der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten sowohl nach seinem Sinn und Zweck als auch nach seinem Wortlaut und seiner Entstehungsgeschichte auf den grenzüberschreitenden Verkehr beschränkt sei. 417 Der Auslandsbezug sei auf Grund des Wesens des primären Gemeinschaftsrechts als supranationales Sonderrecht für internationale Sachverhalte erforderlich. 418 Aus dem Charakter der Gemeinschaft als Staatenverbund ergebe sich auch, dass der dynamische Prozess der Vereinheitlichung in Europa die Gemeinschaft gerade nicht zu einem Bundesstaat machen wolle. 419 Auch sei unter dem Binnenmarkt im Sinne des Art. 14 Abs. 2 EG nicht ein gänzlich einheitlicher Markt zu verstehen, sondern vielmehr, dass die bestehenden Grenzen in einem solchen Maße durchlässig seien, dass sie keine Hindernisse für die grenzüberschreitende Tätigkeit darstellen. 420 Der EuGH selbst spricht sich deshalb in seiner ständigen Rechtsprechung dagegen aus, die Grundfreiheiten des EG-Vertrags auf Sachverhalte ohne Auslandsbezug anzuwenden. 421 Nach der Rechtsprechung des EuGH und der 414
Kewenig, JZ 1990, 20, 23; Reich, EuZW 1991, 203, 205; Prütting, JZ 1989, 705, 711 ff.; Reitmaier, Inländerdiskriminierungen, S. 12 ff. 415 Epiney, in: Callies / Ruffert, EGV, Art. 12 Rn. 33; dies., Umgekehrte Diskriminierungen, S. 215 ff.; Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 90 ff.; Nachbaur, Niederlassungsfreiheit, S. 122 ff. 416 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 208 ff., 340; dies., NVwZ 1999, 1072 ff.; Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 100 ff.; Nachbaur, Niederlassungsfreiheit, S. 122 ff. 417 Streinz, Europarecht, Rn. 813; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremdund Mehrbesitzes“, S. 104; Friauf, Apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot, S. 68 Fn. 1; Frenz, JZ 2007, 343, 344; ders., Hdb Europarecht, Rn. 262 f.; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 20; Lackhoff, Die Niederlassungsfreiheit des EGV, S. 184 ff. 418 Frenz, JZ 2007, 343, 344; ders., Hdb Europarecht, Rn. 265; Bleckmann, RIW 1985, 917. 419 Frenz, JZ 2007, 343, 344; ders., Hdb Europarecht, Rn. 265; Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 154 f. 420 Riese / Noll, NVwZ 2001, 516, 519; Hoffmann, Grundfreiheiten des EG-Vertrags, S. 101 ff.
E. Inländerdiskriminierung
243
ihm folgenden herrschenden Meinung ist das Problem der Inländerdiskriminierung nach dem im nationalen Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten begründeten Gleichheitssatz zu beurteilen. 422 Von den Anhängern einer Aufrechterhaltung des grenzüberschreitenden Erfordernisses werden die Urteile in den Sachen Lancry und Pistre auf die Besonderheiten der ungewöhnlichen Sachverhalte zurückgeführt. 423 Gleiches gelte für die Entscheidung zum Fall Angonese. Dafür spreche auch der Wortlaut des Art. 28 EG, der Maßnahmen gleicher Wirkung „zwischen den Mitgliedstaaten“ erfordere. 424 Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Die Erstreckung des Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten auf innerstaatliche Sachverhalte würde zu der Möglichkeit einer vollumfänglichen Überprüfung des deutschen Rechts durch den EuGH und auch die Kommission (im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren) führen. 425 Dies hätte eine potenzielle Generalsrevision der deutschen Rechtsordnung durch den EuGH am Maßstab der Grundfreiheiten zur Folge, weshalb den Mitgliedstaaten ein großer Teil ihrer Regelungshoheit für innerstaatliche Angelegenheiten genommen würde. 426 Dies ließe sich nur schwer mit dem in Art. 5 EG verankerten Subsidiaritätsprinzip vereinbaren. Es ist somit an dem Erfordernis eines grenzüberschreitenden Sachverhalts für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten festzuhalten. Die Grundfreiheiten sind somit auf Fälle der Inländerdiskriminierung nicht anwendbar. 2. Anwendbarkeit des Art. 12 EG in Verbindung mit dem Institut der Unionsbürgerschaft Das Problem der Inländerdiskriminierung könnte weiterhin in den Anwendungsbereich des Art. 12 EG fallen. In Art. 12 Abs. 1 EG heißt es: „Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“ Auf Grund dieses Wortlauts, der auf „jede“ Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit abstellt, wird vertreten, dass Art. 12 EG inländischen 421 EuGH, Rs. 175/8, Saunders, Slg. 1979, 1129, 1135; Rs. 44/84, Hurd, Slg. 1986, 29, 85; Rs. 41/90, Höfner, Slg. 1991, I-1979, 2020; Rs. C-29/94 bis C-35/94, Aubertin u. a., Slg. 1995, I-301, 308. 422 EuGH, Rs. C-29/94 bis C-35/94, Aubertin u. a., Slg. 1995, I-301, 308; Rs. C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921, 4975; Rs. C-332/90, Stehen, Slg. 1992, I-341, 356 f.; vgl. auch Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 12 Rn. 60, 63; Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 266. 423 Riese / Noll, NVwZ 2001, 516, 519. 424 Riese / Noll, NVwZ 2001, 516, 519. 425 Siehe auch Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 154; Riese / Noll, NVwZ 2001, 516, 519. 426 Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 155; Riese / Noll, NVwZ 2001, 516, 519.
244 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Staatsangehörigen einen Anspruch auf Gleichbehandlung zuspreche. Vor allem in Verbindung mit dem Institut der Unionsbürgerschaft in den Art. 17 – 22 EG wird eine Anwendung des Art. 12 EG auf die Inländergleichbehandlung diskutiert. Zur Abwehr von Inländerdiskriminierungen könnte sich ein Benachteiligter dann auf eine Diskriminierung im Vergleich zu anderen Unionsbürgern berufen. Art. 18 Abs. 1 EG regelt, dass jeder Unionsbürger das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im EG-Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Unionsbürger oder die von ihnen hergestellten Produkte eine Grenze überschritten oder nicht. 427 Die Unionsbürgerschaft garantiere allen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gleichermaßen die ihnen im EG-Vertrag und in dem abgeleiteten Recht eröffneten Ansprüche und Rechte. 428 Dem wird entgegnet, dass ausweislich des Art. 17 Abs. 2 EG die Unionsbürger die im Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten haben. Der Umfang sowie die Grenzen der Rechte und Pflichten aus dem EG-Vertrag würden durch die Vorschriften über die Unionsbürgschaft somit nicht berührt. 429 Schon dem Wortlaut des Art. 12 EG sei zu entnehmen, dass dieser zumindest nicht auf Produkte anwendbar sei, weil er an die Staatsangehörigkeit anknüpfe und somit ein personenbezogenes Kriterium aufweise. 430 Der EuGH ist der Auffassung, dass unterschiedliche Regelungen für Inländer und EU-Ausländer zulässig sind, wenn das Gemeinschaftsrecht keine Anwendung findet oder im Primärrecht eine entsprechende Ausnahme geregelt ist. 431 Das Gemeinschaftsrecht findet aber gerade dann keine Anwendung, wenn es sich um einen rein internen Sachverhalt handelt. Das entscheidende Kriterium für die Anwendbarkeit ist deshalb nach Ansicht des EuGH und der herrschenden Meinung auch bei Art. 12 EG der grenzüberschreitende Charakter des Sachverhalts. 432 Dem ist mit denselben Argumenten wie bereits oben bei der Frage nach der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten auf die Inländerdiskriminierung zuzustimmen. Auch im Bereich des Art. 12 EG stellt eine Anwendbarkeit auf die Inländerdiskriminierung eine zu weite Einschränkung der Kompetenzen des nationalen 427 428
Im Ergebnis verneinend Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 230. Von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 12 rn. 52; Borchardt, NJW 2000, 2057,
2059. 429
Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 519. Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520. 431 EuGH, Rs. C-184/99, Grzelczyk / Centre public d’aide sociale d’Ottignies-Louvainla-Neuve, Slg. 2001, I-6193. 432 Streinz, in: ders., EUV / EGV Art. 12 Rn. 58 f.; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 104; Friauf, Apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot, S. 68 Fn. 1; Holoubek, in: Schwarze, EGV, Art. 12 Rn. 34. 430
E. Inländerdiskriminierung
245
Gesetzgebers dar. Ziel des Binnenmarkts und somit auch des EG-Vertrags ist es eben nicht, die Grenzen zwischen den Staaten aufzuheben und die nationalen Rechtsordnungen zu egalisieren. 433 Dies ist ebenso wenig das Ziel der Einführung einer Unionsbürgerschaft. Im Ergebnis sind also weder die Grundfreiheiten noch Art. 12 EG in Verbindung mit dem Institut der Unionsbürgerschaft auf die Fälle der Inländerdiskriminierung anwendbar. Somit bleibt nur noch eine Überprüfung solcher Fälle anhand des deutschen Verfassungsrechts.
II. Vereinbarkeit der Inländerdiskriminierung mit dem Verfassungsrecht Als Prüfungsmaßstab für die Inländerdiskriminierung nach deutschem Verfassungsrecht kommen im Falle des Fremd- und Mehrbesitzverbots für Apotheker wiederum verschiedene Grundrechte in Frage: die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. 1. Vereinbarkeit der Inländerdiskriminierung mit Art. 12 Abs. 1 GG Zunächst ist die Anwendbarkeit des Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG auf diesen Fall der Inländerdiskriminierung zu untersuchen. Für den Fall, dass der EuGH das Fremd- und Mehrbesitzverbot für gemeinschaftswidrig erklären sollte und es in Deutschland dennoch weiter Bestand hätte, weil der Gesetzgeber es (für Inländer) aufrecht erhielte, ist zu überlegen, ob eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG unter der Prämisse geltend gemacht werden könnte, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot nunmehr nicht mehr geeignet ist, die mit ihm verfolgten Ziele zu erreichen. Diese Ungeeignetheit könnte sich daraus ergeben, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht mehr konsequent durchgeführt wird, wenn es für EG-Ausländer nicht anwendbar ist, die sich in Deutschland mit einer Apotheke niederlassen wollen. 434 In ähnlich gelagerten Fällen der Inländerdiskriminierung im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit wird die Geeignetheit einer wirtschaftspolitischen Maßnahme dementsprechend bestritten, wenn entsprechende Vorschriften nur noch auf inländische Produkte anwendbar sind, nicht aber auf Produkte des EG-Auslands. 435 433
Streinz, in: ders., EUV / EGV Art. 12 Rn. 59 ff.; Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520. Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 105; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG; Art. 3 Abs. 1 Rn. 233. 435 Nicolaysen, EuR 1991, 95, 114 f.; König, AöR 118 (1993), 591, 604. 434
246 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Allerdings kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Geeignetheit auch dann bejaht werden, wenn das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel zwar nicht mehr vollständig erreicht werden kann, seine Erreichung jedoch gefördert wird. 436 Dennoch fällt die Konstellation der Inländerdiskriminierung grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. 437 Wenn Konkurrenten begünstigt werden oder der Staat das Verhalten der Wettbewerbsteilnehmer regelt, ist der Schutzbereich der Berufsfreiheit tangiert. 438 Eine festgestellte Diskriminierung kann die Prüfung der Erforderlichkeit und Angemessenheit einer an Art. 12 Abs. 1 GG zu messenden Maßnahme beeinflussen. 439 Der Rechtfertigungsdruck wird für den Gesetzgeber so zumindest stark erhöht, der nunmehr auch gemeinschaftsbezogene Entwicklungen in seine Überlegungen mit einbeziehen muss. 440 So hat das Bundesverfassungsgericht die Problematik der Inländerdiskriminierung im Bereich des Handwerkswesens anhand des Art. 12 Abs. 1 GG überprüft und eine Verletzung desselben bejaht. 441 An dieser Handhabung der Inländerdiskriminierung durch das Bundesverfassungsgericht wird Kritik geübt. Das Bundesverfassungsgericht müsse bei der Beurteilung eines Sachverhalts Wertungen herausnehmen, die aus dem Gemeinschaftsrecht selbst oder aus dem nationalen Umsetzungsrecht erfolgen. Ansonsten würde die Kompetenzordnung durch die Hintertür ausgehöhlt. 442 Die Inländerdiskriminierung sei eine notwendige Folge des Gemeinschaftsrechts, weil ja gerade nur grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst seien. Die europäische Ebene dürfe bei rein innerstaatlichen Sachverhalten auf nationale Regelungen nicht einwirken, außer im Wege der Rechtsharmonisierung, die jedoch an besondere Voraussetzungen geknüpft ist. 443 Dieser Kritik ist zu entgegnen, dass es sinnwidrig wäre, müsste sich das Bundesverfassungsgericht bei der Überprüfung einer nationalen Maßnahme darauf beschränken, nationale Gegebenheiten in Betracht zu ziehen. Das Bundesverfassungsgericht ist angehalten, sich für seine Beurteilung auf die tatsächlichen Verhältnisse zu beziehen. Ergeben diese tatsächlichen Umstände, dass sich auf Grund des Gemeinschaftsrechts eine wettbewerblich unangemessene Situation 436
BVerfGE 30, 292, 316; 41, 360, 375; 63, 88, 115; 67, 157, 172; 70, 278, 286; 78, 38, 50. 437 Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520; König, AöR 118 (1993), 591, 611. 438 BVerfGE 32, 311, 317; 46, 120, 137; BVerwGE 71, 183, 191. 439 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 375 ff.; Nicolaysen, EuR 1991, 95, 115; Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 107. 440 Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520; Fastenrath, JZ 1987, 170, 178. 441 BVerfG, WRP 2006, 463, 465 f. 442 Frenz, JZ 2007, 343, 345. 443 Frenz, JZ 2007, 343, 345.
E. Inländerdiskriminierung
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für Inländer ergibt, so muss die in Frage stehende nationale Maßnahme ebenfalls als unangemessen angesehen werden. Es kann nicht sein, dass das Bundesverfassungsgericht die Augen vor unangemessenen Schlechterbehandlungen der Inländer verschließen muss, weil diese eine Konsequenz der unmittelbaren Geltung der Grundfreiheiten ist. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Berufsfreiheit auf Konstellationen, in denen Inländer wegen der unmittelbaren Geltung der Grundfreiheiten gegenüber europäischen Konkurrenten wesentlich schlechter gestellt werden, anzuwenden. Da die Problematik der Inländerdiskriminierung aber lediglich Einfluss auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung hat, bedeutet dies nicht, dass sie per se als unzulässig anzusehen ist. Vielmehr kann – je nach Einzelfall – eine Regelung dennoch verhältnismäßig erscheinen. Dies ist im Falle des apothekenrechtlichen Fremdund Mehrbesitzverbots jedoch – wie die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit anhand des Art. 12 Abs. 1 GG gezeigt hat – nicht der Fall. Somit würde die Verwerfung des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots durch das Gemeinschaftsrecht lediglich einen weiteren Grund für die Verfassungswidrigkeit liefern. Neben Art. 12 Abs. 1 GG wird die Problematik der Inländerdiskriminierung auch im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG diskutiert. 2. Vereinbarkeit der Inländerdiskriminierung mit Art. 3 Abs. 1 GG Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, inwiefern Art. 3 Abs. 1 GG bei Sachverhalten der Inländerdiskriminierung überhaupt anwendbar ist, offen gelassen, 444 es scheint jedoch in diese Richtung zu tendieren. 445 Problematisch ist, ob der Gleichheitssatz auch Anwendung finden kann, wenn die Ungleichbehandlung auf der Disparität der Normen verschiedener Hoheitsträger beruht. 446 a) Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG im Falle der Inländerdiskriminierung Gegen die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG im Falle der Inländerdiskriminierung könnte die föderale Ordnung sprechen, deren Charakter es ist, dass mehrere 444 445
BVerfG, NJW 1990, 1033; BGHZ 108, 342, 346. BVerfG, NVwZ 2001, 187; Arndt, Europarecht, S. 191; Mirbach, NVwZ 2001,
161 ff. 446
Riese / Noll, NVwZ 2007, 518, 520; Friauf, Apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot, S. 69.
248 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Hoheitsträger selbstständig in ihrem räumlichen und sachlichen Kompetenzbereich zur Rechtsetzung befugt sind. 447 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Art. 3 Abs. 1 GG beispielsweise nicht auf divergierende Regelungen in verschiedenen Bundesländern oder in verschiedenen Gemeinden anwendbar. 448 Vielmehr muss die Ungleichbehandlung einem Träger öffentlicher Gewalt zuzurechnen sein. In einem solchen System sei es hinzunehmen, dass die Regelungen, die von den verschiedenen Hoheitsträgern geschaffen werden, sich inhaltlich zum Teil stark voneinander unterscheiden. 449 Das Gleichbehandlungsgebot kann nur innerhalb einer Rechtsordnung bestehen, nicht aber im Verhältnis zu einer anderen. 450 Aus diesem Grunde soll nach einer Ansicht Art. 3 Abs. 1 GG auch auf die Inländerdiskriminierung nicht anwendbar sein. 451 Die unterschiedliche Regelung für Inländer und Ausländer sei im Falle des Fremd- und Mehrbesitzverbots ebenfalls auf das Wirken zweier verschiedener Hoheitsträger – der Gemeinschaft und der Bundesrepublik – zurückzuführen. Der Teil der Regelung, der EG-Ausländer bevorzuge, sei dem Mitgliedstaat nicht zurechenbar, weswegen die Ungleichbehandlung auf das Zusammenspiel der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen mit dem Gemeinschaftsrecht zurückzuführen sei. 452 Der von der oben dargestellten Auffassung geführte Vergleich wird nach einer anderen Auffassung für nicht tragbar gehalten. 453 Bei der Inländerdiskriminierung gehe es gerade nicht um Unterschiede zwischen verschiedenen Hoheitsgebieten, sondern um die unterschiedliche Behandlung von Ausländern und Inländern innerhalb des Geltungsbereichs einer Rechtsordnung. 454 Ein Gesetzgeber, der durch die Übertragung von Hoheitsrechten (gemäß Art. 23 GG) die Einwirkung des supranationalen Rechts autorisiere und damit die Möglichkeit der Diskriminierung schaffe, könne diese nicht damit rechtfertigen, dass die aktuelle Diskriminierung auf der Handlung eines anderen Gesetzgebers beruhe, der er selbst erst Wirksamkeit in seinem Gebiet verleihe. 455 Aus all dem ergebe sich auch, dass der nationale Gesetzgeber sich das Handeln der Gemeinschaft als eigenes Handeln zurechnen 447 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 108; Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 I Rn. 250. 448 BVerfGE 42, 20, 27. 449 Fastenrath, JZ 1987, 172 ff. 450 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 108. 451 Fastenrath, JZ 1987, 172 ff.; Paehlke-Gärtner, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 I Rn. 250 ff.; VGH Mannheim, NJW 1996, 72, 74. 452 Heintzen, EWS 1990, 82, 87 f.; König, AöR 118 (1993), 591, 599 f. 453 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 109; Nicolaysen, EuR 1991, 95, 116 ff.; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 426 ff.; Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 176 ff.; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 71; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 233. 454 Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 179. 455 Schilling, JZ 1994, 8, 10; Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520.
E. Inländerdiskriminierung
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lassen müsse. 456 Zudem basiere die entstandene Ungleichbehandlung letztlich auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, für Inländer keine gleichen Bedingungen zu schaffen. 457 Im föderalen Bereich (nur) der Bundesrepublik (wie in der vom BVerfG zu den Ländern und Gemeinden ergangenen Entscheidung) erscheine die Auffassung, Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht anwendbar, zwar zutreffend, da anderenfalls mit einer vollständigen Angleichung der Länderrechtsordnungen die Bundesstaatlichkeit, die wesensnotwendig einen Gestaltungsspielraum der Länder voraussetze, preisgegeben würde. 458 Jedoch spreche einiges für die grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG. 459 Allerdings sei hierbei dem Gesetzgeber ein bestimmter Gestaltungsspielraum einzuräumen, der erst überschritten sei, wenn die Benachteiligung von Inländern gegenüber EG-Ausländern ein erhebliches rechtliches und wirtschaftliches Gewicht erreiche. Sicher überschritten sei der Gestaltungsspielraum jedenfalls dann, wenn eine nationale Verbotsnorm durch die europarechtliche Durchbrechung zu einem bloßen „Torso“ würde. 460 Sowohl bei der direkten als auch bei der indirekten Inländerdiskriminierung basiert die unterschiedliche Behandlung auf dem Kriterium der Inländereigenschaft. 461 Art. 3 Abs. 3 GG steht diesem Kriterium als Verbot unzulässiger Differenzierungskriterien nicht entgegen, da die Vorschrift etwa eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht erfasst. 462 b) Verstoß der Inländerdiskriminierung gegen Art. 3 Abs. 1 GG? Gelangt man zu dem Ergebnis, das Problem der Inländerdiskriminierung falle in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG, so stellt sich die Frage, ob tatsächlich ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot besteht. Nach einer Ansicht liegt im Bereich der Inländerdiskriminierung ein venire contra factum proprium der Legislative vor, wenn einerseits die Vorschriften des EGVertrags, die einen Binnenmarkt herstellen sollen, verabschiedet werden, andererseits durch den Erlass oder die Aufrechterhaltung von nationalen Vorschriften eben doch nicht gleiche Bedingungen für die Marktbürger geschaffen werden. 463 456 Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520; Bullinger, IStR 2005, 370, 373; Wesser, Grenzen zulässiger Inländerdiskriminierung, S. 173 ff. 457 Taupitz, Apothekenrechtliches Verbot des „Fremd- und Mehrbesitzes“, S. 110. 458 Friauf, Apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot, S. 69. 459 Friauf, Apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot, S. 71. 460 Friauf, Apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot, S. 71. 461 Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 181. 462 BVerfGE 51, 1, 30; Starck, in: v. Mangolt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 366; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 11; Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 181; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 297; a. A. Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 99; Dürig / Herzog / Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 287. 463 Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 184.
250 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
Bei der indirekten Inländerdiskriminierung blieben ältere Regelungen bestehen, obwohl sich der Gesetzgeber bereits auf supranationaler Ebene für entgegenstehende Normen des EG-Vertrags entschieden habe. 464 Aus diesem Grund soll im Falle der Inländerdiskriminierung stets ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen. Die Inländerdiskriminierung stellt allerdings auch bei Bejahung der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG nicht in jedem Fall einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar. 465 Dem nationalen Gesetzgeber würde sonst ein zu großer Teil seiner Regelungshoheit für innerstaatliche Angelegenheiten genommen, weil eine Regelung schon dann verfassungswidrig wäre, wenn es in einem Mitgliedsstaat der Gemeinschaft einen niedrigeren Standard gäbe. 466 Eine Rechtsangleichung auf dem „kleinsten gemeinsamen Nenner“ („race to the bottom“) ist vom Gemeinschaftsrecht jedoch auch nicht vorgesehen. Hieraus ergibt sich, dass eine Diskriminierung von Inländern gegenüber EG-Ausländern nicht per se unzulässig sein kann. 467 Es müssen jedoch auch die Interessen der Inländer ausreichend berücksichtigt werden, die mit Konkurrenten im Wettbewerb stehen, die einen geringeren Standard zu erfüllen haben. Stellt man demnach einen Sachverhalt der Inländerdiskriminierung fest, kann dies als Indiz für einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gewertet werden, der nur ausnahmsweise eine Rechtfertigung findet. 468 Bei der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf eine Benachteilung deutscher Apothekenbetreiber im Vergleich zu ausländischen, die nicht an das Fremdund Mehrbesitzverbot gebunden sind, muss sich dieser Vergleich speziell auf den Einzelfall beziehen. Bei der Apotheke DocMorris müsste also eine Ungleichbehandlung gegenüber niederländischen Apothekenbetreibern geprüft werden. Weil die Benachteiligung zudem ein erhebliches und rechtliches Gewicht erreichen muss, ist eine Entscheidung, ob die Diskriminierung von Inländern gegenüber ausländischen Apothekern unverhältnismäßig ist, beim derzeitigen Kenntnisstand nicht möglich. Hierfür müssen zunächst die Konsequenzen einer Liberalisierung auf dem deutschen Markt abgewartet werden. Allerdings wird einer Inländerdiskriminierung zumindest über Art. 12 Abs. 1 GG zu entgegnen sein, so dass es auf eine Anwendbarkeit und tatsächliche Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht ankommt. Es kann kein berechtigter Grund dafür gefunden werden, das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot aufrecht zu erhalten, weil es schon an sich – ohne
464
Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 184 f. Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 434 ff. sieht beispielsweise in Maßnahmen, die schutzpolitische Zielen verfolgen keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, in kulturpolitischen Maßnahmen jedoch einen Verstoß. 466 Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520. 467 Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520. 468 Riese / Noll, NVwZ 2007, 516, 520. 465
F. Exkurs
251
den Vergleich mit EG-Ausländern – verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber hätte für eine Aufrechterhaltung demnach kein legitimes Differenzierungsziel. Im Ergebnis stellt also eine Schlechterbehandlung inländischer Apothekenbetreiber gegenüber grenzüberschreitend tätigen Apothekenbetreibern eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung dar. Auch aus diesem Blickwinkel ist das Fremdund Mehrbesitzverbot für Apotheker verfassungswidrig.
F. Exkurs: Die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit des § 2 Abs. 2 ApoG Der Vollständigkeit halber ist im Anschluss an die Frage nach der Zulässigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots am Maßstab des Gemeinschaftsrechts auf die Vereinbarkeit des § 2 Abs. 2 ApoG mit dem Gemeinschaftsrecht einzugehen. Danach ist abweichend von § 2 Abs. 1 ApoG einem approbierten Antragsteller, der nicht gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 der Bundes-Apothekerordnung die pharmazeutische Prüfung im Geltungsbereich des Apothekengesetzes bestanden hat, die Erlaubnis nur zu erteilen, wenn sie für eine Apotheke beantragt wird, die seit mindestens drei Jahren betrieben wird. Dies bedeutet, dass die Betriebserlaubnis für einen Apotheker, der nicht die deutsche Approbation besitzt, nur unter besonderen Voraussetzungen erteilt werden kann. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, ergeben sich diesbezüglich Bedenken im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit. Zunächst ist festzustellen, dass auch diese Regelung sowohl die primäre als auch die sekundäre Niederlassung eines ausländischen Apothekers bzw. einer ausländischen Apothekenbetriebsgesellschaft betrifft. Im Gegensatz zum apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbot stellt sich die Regelung des § 2 Abs. 2 ApoG allerdings als eine Diskriminierung von ausländischen Antragstellern (genauer gesagt von Antragstellern mit einer ausländischen Approbation) dar. Der ausländische Antragsteller wird gegenüber dem deutschen Antragsteller benachteiligt, indem ersterer strengere Voraussetzungen erfüllen muss, um eine Betriebserlaubnis zu erlangen. Insofern knüpft die Regelung des § 2 Abs. 2 ApoG zwar nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit an, weil auch ein deutscher Apotheker eine ausländische Approbation haben kann. Jedoch wird faktisch eher der ausländische Apotheker Inhaber einer ausländischen Approbation sein. Eine versteckte Diskriminierung liegt nämlich vor allem dann vor, wenn eine Regelung zwar nicht ausdrücklich eine Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Staatsangehörigen festschreibt, hingegen de facto ausschließlich auf Bürger aus anderen Mitgliedstaaten Anwendung findet. 469 Es werden durch die Regelung Sachverhalte festgeschrieben, die von Inländern naturgemäß leichter erfüllt
252 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
werden können. 470 Somit stellt die Voraussetzung des § 2 Abs. 2 ApoG für die Erteilung einer Betriebserlaubnis eine mittelbar diskriminierende Maßnahme dar. Als solche bedarf die Regelung des § 2 Abs. 2 ApoG der Rechtfertigung nach der vom EuGH aufgestellten Regel: Die Regelung muss aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie muss geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. 471 Allerdings ist schon der mit der Regelung verfolgte Zweck unklar. Als zwingender Grund des Allgemeininteresses kommt auch hier nur der Schutz der öffentlichen Gesundheit in Betracht. Es ist aber nicht ersichtlich, wieso die Bevölkerung vor einem Apotheker geschützt werden muss, der seine Approbation im Ausland erhalten hat, indem diesem strengere Anforderungen in Bezug auf die Apothekenräume auferlegt werden. Dies steht auch mit den Harmonisierungsrichtlinien im Rahmen der Anerkennung ausländischer Qualifikationen in Widerspruch. Im Ergebnis verstößt die Regelung des § 2 Abs. 2 ApoG offensichtlich gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG und ist somit gemeinschaftsrechtswidrig. 472
G. Zusammenfassung Die Überprüfung der Europarechtskonformität des Fremd- und Mehrbesitzverbots hat folgende Ergebnisse hervorgebracht: Die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG ist inzwischen nicht mehr als reines Diskriminierungsverbot zu verstehen, sondern vielmehr als Beschränkungsverbot. Allerdings ist dieses Beschränkungsverbot kein umfassendes, sondern im Einklang mit den Grundsätzen der Keck-Rechtsprechung vielmehr auf solche Konstellationen beschränkt, in denen der Marktzugang (bei Gesellschaften gesellschaftsbezogene Maßnahmen) geregelt wird. Handelt es sich hingegen um rein tätigkeitsbezogene Regelungen, so sind sie dem Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nur dann zu unterstellen, wenn sie zumindest faktisch den Marktzugang zu behindern vermögen. Da weder eine Harmonisierungsvorschrift noch eine Bereichsausnahme existiert, die den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ausschlössen, stellt das Fremd- und Mehrbesitzverbot als zugangsbehindernde Regelung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, die einer Rechtfertigung bedarf. 469 470 471 472
Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 445 mit Beispielen. Frenz, Hdb Europarecht, Rn. 445. EuGH, Rs. C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Rn. 37. So auch Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 12 Rn. 62.
G. Zusammenfassung
253
Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens sowie der medizinischen Versorgung gemäß Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG in vollem Umfang gewahrt bleibt. Die Regelung des Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG soll dem Sinn und Zweck nach nicht die Rechtsprechungszuständigkeit des EuGH in der Weise einschränken, dass die Grundfreiheiten keine Anwendung finden. Als zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit durch das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot zu rechtfertigen vermag, kommt die öffentliche Gesundheit in Betracht. Obwohl die öffentliche Gesundheit auch einen geschriebenen Rechtfertigungsgrund im Sinne des Art. 46 Abs. 1 EG darstellt, kann diese Norm nicht herangezogen werden, weil es sich beim Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheker nicht um eine ausländerpolizeirechtliche Norm handelt. Auch Art. 86 Abs. 2 EG ist als geschriebener Rechtfertigungsgrund nicht anwendbar, weil es sich bei der Apotheke nicht um eine Unternehmen handelt, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist. Ist das mit dem apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbot verfolgte Ziel der Schutz der öffentlichen Gesundheit, so ist das Verbot zur Erreichung dieses Ziels durchaus geeignet. Etwas anderes ergibt sich jedoch hinsichtlich der Erforderlichkeit. Auch wenn man grundsätzlich die besondere Gefährlichkeit von Arzneimitteln anerkennt und von einem weiten Ermessensspielraum des nationalen Gesetzgebers im Gesundheitsbereich ausgeht, so gibt es – analog zu den Ausführungen im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots – mildere Mittel zur Erreichung des Gesundheitsschutzes. Als milderes Mittel kann der „qualifizierte Fremdbesitz“ angesehen werden, der es Apothekern gemeinsam mit Berufsfremden erlaubt, zum Betrieb einer Apotheke eine Kapitalgesellschaft zu gründen, sofern mehr als die Hälfte der Anteile in Apothekerhand sind. Entscheidend ist dabei, dass die Leitung der Apotheke in die Hand eines Apothekers gelegt wird, der weisungsunabhängig für die pharmazeutische Tätigkeit verantwortlich ist. Daneben ist im Patienteninteresse von der Apothekenbetriebsgesellschaft eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Dieses Ergebnis ergibt sich allerdings nicht aus einer Übertragung der Grundsätze aus der Rechtsprechung des EuGH zu Optikerbetrieben. Vielmehr beruht die Erkenntnis auf einer auf das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot zugeschnittenen Überprüfung. Die Übertragbarkeit der Optiker-Entscheidung auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot scheidet trotz einer vergleichbaren Problemstruktur auf Grund des unterschiedlichen Berufs- und Risikoprofils der Berufe aus. Rechtsfolge der Unvereinbarkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots mit der Niederlassungsfreiheit ist die Unanwendbarkeit des Verbots auf grenzüberschreitende Sachverhalte. Die hieraus entstehende Diskriminierung
254 4. Kap.: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Lichte des Gemeinschaftsrechts
deutscher Bürger oder Gesellschaften ist nicht durch das Gemeinschaftsrecht aufzulösen, weil dieses stets einen grenzüberschreitenden Bezug erfordert. Vielmehr ist das Problem der Inländerdiskriminierung nach Ansicht des EuGH und der ihm folgenden herrschenden Literatur durch das nationale Verfassungsrecht zu lösen. Im Rahmen der Frage nach Verfassungsmäßigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG liefert die Diskriminierung der Inländer einen zusätzlichen Grund für die Verfassungswidrigkeit der Regelung. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die Inländerdiskriminierung kann aus der derzeitigen Perspektive nicht beurteilt werden, weil ein konkreter Vergleich wegen der nicht absehbaren Folgen einer Liberalisierung noch nicht möglich ist.
Fazit und Ausblick Das Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ und das damit einhergehende Fremd- und Mehrbesitzverbot ergeben sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Normen des Apothekengesetzes. Das Fremdbesitzverbot soll verhindern, dass ein Berufsfremder Einfluss auf den Apothekenbetrieb ausübt, indem er an der Apotheke beteiligt ist oder unmittelbar auf den Apotheker einwirkt. Unterstützt wird das Fremdbesitzverbot vom Mehrbesitzverbot, indem sichergestellt wird, dass sich der Apotheker örtlich und wirtschaftlich an seine Hauptapotheke gebunden fühlt. Dieses Berufsbild hat in Deutschland eine lange Tradition und wurde maßgeblich von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beeinflusst. Der selbstständige Apotheker nimmt unter den freien Berufen eine Sonderstellung ein, weil er zugleich Gewerbetreibender im Sinne der Gewerbeordnung ist. Obwohl der selbstständige Apotheker Vollkaufmann ist, sollen bei ihm die Züge des freien Berufs vor etwaigen Gewinninteressen überwiegen. Im Rahmen der Ausübung eines freien Berufs erfüllt der Apotheker eine öffentliche Aufgabe: Ihm obliegt die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Wegen der Wichtigkeit dieser Aufgabe für die öffentliche Gesundheit untersteht der Apotheker zahlreichen Regulierungen. Eine Überprüfung des Fremd- und Mehrbesitzverbots anhand des Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG hat ergeben, dass auch der Apothekenbetreiber einen eigenständigen Beruf ausübt. Probleme ergeben sich im Rahmen dieser Prüfung im Hinblick auf die Grundrechtsträgerschaft der juristischen Person im Bereich der freien Berufe. Hier ergäbe sich bei einer starren Anwendung der Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts ein dem Apothekenrecht spezifisches Problem: Das Fremdbesitzverbot stellte danach, je nach Perspektive, mal eine Berufsausübungsregelung, mal eine subjektive oder gar eine objektive Zulassungsbeschränkung dar. Die Drei-Stufen-Lehre soll im Zusammenspiel mit der Grundrechtsträgerschaft einer juristischen Person allerdings nicht zur Folge haben, dass sich für natürliche Personen allein aus dem Zusammenschluss zu einem Kollektiv mehr Rechte ergeben. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung wird im Rahmen der Berufsfreiheit deshalb inzwischen – gerade wegen ähnlicher, fragwürdiger Ergebnisse – als eine Frage nach der Relation von Eingriffsintensität und Eingriffszweck verstanden. Deshalb sind die Anforderungen, die an die Rechtfertigung des Fremdbesitzverbots in Bezug auf Kapitalgesellschaften zu stellen sind, genauso hoch einzustufen, wie dies bei natürlichen Personen der Fall ist. Entschei-
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Fazit und Ausblick
dend ist also, dass es sich beim Fremdbesitzverbot um eine Berufswahlregelung handelt. Das Mehrbesitzverbot ist hingegen eine Berufsausübungsregelung. Als legitimes Ziel für das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist primär der Schutz der Volksgesundheit anzusehen. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist zur Erreichung dieses Ziels zwar geeignet, jedoch nicht erforderlich und somit verfassungswidrig. Dies ergibt sich aus einem Zusammenspiel verschiedener Aspekte, die im 4. Kapitel dieser Arbeit ausführlich erläutert wurden. Entscheidend ist im Ergebnis, dass der Gesundheitsschutz auch durch die Schaffung eines „qualifizierten Fremdbesitzes und gleichzeitige Aufhebung des Mehrbesitzverbots ebenso effektiv erreicht werden kann. Der „qualifizierte Fremdbesitz“ erfordert, dass die Apothekenbetriebsgesellschaft mehrheitlich in der Hand von Apothekern ist. An der Apothekenbetriebsgesellschaft können auch Berufsfremde, nicht jedoch Ärzte beteiligt sein, weil diese das Verordnungsvolumen unmittelbar steuern können. Von elementarer Bedeutung für den Schutz der öffentlichen Gesundheit ist, dass die Apotheke von einem Apotheker geleitet wird, der weisungsunabhängig ist. Die pharmazeutische Tätigkeit an sich muss unbeeinflusst von Fachfremden bleiben. Diese Weisungsunabhängigkeit muss gesetzlich gesichert werden, indem jeder Verstoß zum Verlust der Betriebserlaubnis führt. Es ist davon auszugehen, dass der an ein Berufsethos gebundene Apothekenleiter gegenüber dem Apothekenbetreiber für die Weisungsunabhängigkeit einstehen wird. Der drohende Verlust der Approbation und somit der Existenzgrundlage deutet darauf hin, dass sich der angestellte Apotheker diesem Berufsethos entsprechend verhalten wird. Das Interesse des Patienten an einer uneingeschränkten Wiedergutmachung bei Verletzungen der körperlichen Integrität erfordert, dass die Apothekenbetriebsgesellschaft zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet wird, die neben die persönliche Haftung des Handelnden tritt. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung muss zur Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis werden. Eine Verfassungswidrigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG scheidet mangels Anwendbarkeit des Grundrechts für bloße Erwerbschancen, die zukunftsgerichtet sind, aus. Allerdings ergibt eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit anhand des Gleichheitsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG, dass der Apotheker im Vergleich zum Arzt, der ebenfalls einen freien Heilberuf ausübt, in ungerechtfertigter Weise benachteiligt wird. Die im Anschluss an die Verfassungsmäßigkeit angestellte Überprüfung des Fremd- und Mehrbesitzverbots für Apotheker anhand des Gemeinschaftsrechts liefert ein ähnliches Ergebnis. Prüfungsmaßstab ist hier die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG, welche über Art. 48 EG auch auf juristische Personen anwendbar ist. Da die Niederlassungs-
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freiheit als Beschränkungsverbot anzusehen ist, stellt das Fremd- und Mehrbesitzverbot einen Eingriff in den Schutzbereich der Grundfreiheit dar. Dieser Eingriff muss seine Berechtigung in einem ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund finden. Ungeschriebener Rechtfertigungsgrund in diesem Sinne ist der Schutz der öffentlichen Gesundheit, zu dessen Erreichung das Fremd- und Mehrbesitzverbot auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben geeignet ist. Allerdings ergibt auch eine Prüfung der Erforderlichkeit der Verbote, dass eine mildere Regelung – entsprechend der im Rahmen der Verfassungsmäßigkeitsprüfung vorgeschlagenen – in Betracht kommt. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist demnach ebenso wenig mit der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43, 48 EG vereinbar. Die Europarechtswidrigkeit hat zur Folge, dass inländische Apothekenbetreiber gegenüber ausländischen benachteiligt werden. Das Problem der Inländerdiskriminierung ist jedoch kein Anwendungsfall des Gemeinschaftsrechts, sondern vielmehr des nationalen Verfassungsrechts. Diesbezüglich hat eine Überprüfung ergeben, dass die Inländerdiskriminierung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG ein weiteres Argument für die Verfassungswidrigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbots liefert. Mit der zu erwartenden Entscheidung des EuGH im vorgelegten Vorabentscheidungsverfahren wird das bisherige, von einer langen Tradition geprägte Berufsbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ ein Ende haben. Es ist eine Frage der Zeit, wann sich der deutsche Gesetzgeber dieser Situation anpassen und die entsprechenden Regelungen im Apothekengesetz ändern wird. Die seit dem Apothekenurteil veränderten tatsächlichen Gegebenheiten zeigen, dass eine Novellierung des Apothekenbetriebsrechts längst überfällig ist.
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Sachwortverzeichnis Amsterdamer Vertrag 212 Anerkennungsrichtlinie 211, 235 Angonese 241 Apothekenleiter 114, 126, 153 Apothekenstoppgesetz 44, 46 Apothekenurteil 46, 71, 89 Apothekerkammer 23 Apothekermonopol 172 Apothekernachwuchs 51, 145 Apothekerrecht 22 Apothekerverbände 24 Approbation 63, 150 Arzneimittel – freiverkäufliche 61 – Missbrauch 103, 111, 139, 175, 237 – nicht verschreibungspflichtige 61, 64, 107 – 108, 175, 237 – verschreibungspflichtige 60, 63, 65, 105, 114, 125, 154, 174, 237 Arzneimittelpreisverordnung 65, 106, 114 – Apothekerabgabepreis 66 – Großhandelsabgabepreis 66 – Herstellerabgabepreis 66 Arzneimittelprobleme 103, 186 Arzneimittelrecht 23 Arzneimittelversorgungsvertrag 64 Arzt 111, 115, 117, 147, 154, 180, 204, 211, 256 – Ärztegesellschaft 117, 148 – Arztpraxen-Urteil 204 Ausbildung 62 Bedürfnisprüfung 42, 47, 131, 136 behördliche Überwachung 23
Belgien 131 Bereichsausnahme 195 Berufsausübung 90 Berufsausübungsgesellschaft 85, 121 Berufsbegriff 70 – offener 73 Berufsbildfixierung 50, 71 Berufsethos 154 Berufshaftpflichtversicherung 155, 253, 256 – Apotheker 64, 148 – Arzt 117 – Optiker 179 Berufswahl 90 Betreiben 24 Betriebserlaubnis 26, 45, 153 – personelle Voraussetzungen 26 – räumlich-sachliche Voraussetzungen 26, 61 Bindungswirkung 67 Binnenmarkt 170 BSE-Krise 212 Bundesapothekerkammer 24 Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände 24 charakterliche Eignung 63 Daily Mail 206 Delattre 172 Deutscher Apothekerverband 24 Diskriminierung 200 DocMorris I 174 Drei-Stufen-Lehre 46, 89, 255 – Berufsausübungsregelung 91, 137, 142
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Sachwortverzeichnis
– Modifizierung 96 – objektive Berufswahlregelung 91 – subjektive Berufswahlregelung 91
Großhandelsunternehmen 111 Grundfreiheiten 170 Gründungstheorie 190
effet utile 171 Eigentum 158 Einheitliche Europäische Akte 212 Erforderlichkeit 147, 232 Estland 131
Haftung – Apotheker 64, 148, 155 – Arzt 118 – innerbetrieblicher Schadensausgleich 148 Handwerk 246 Harmonisierungsregelung 193, 210 – Annerkennungsrichtlinie 193 – Berufsqualifikationsrichtlinie 193 – Koordinierungsrichtlinie 193 Hebamme 211 Heilberuf 60 Heilhilfsberuf 184 Heilkunde 184 Hersteller 156
Filialapotheke 62, 64, 146 Filialleiter 65, 129, 153 Frankreich 131 freier Beruf – materieller Rechtsbegriff 54 – prägende Merkmale 53, 55 – soziologischer Begriff 54 – Typusbegriff 54 Freiheit des Markzugangs 170 Fremdbetriebsverbot 28 – Ausnahmen 33 Fremdnutzungsverbot 27 Fusionskontrolle 110 Gebhard 207 Geeignetheit 143, 231 Gemeinschaftspolitik 180 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung 34 Gesetzgebungskompetenz 89 Gesundheit 215 Gesundheitsschutz 210 Gesundheitsverträglichkeitsprüfung 212 Gesundheitswesen 215 gewerbliches Sonderrecht 22 Gewinnerzielungsabsicht 112, 115 Gleichheitsgebot 164 Grenzüberschreitung 192 Griechenland 177 Großbritannien 131 Großhandel 156
Individuelle Gesundheitsdienstleistungen – IGeL 120 Inländerdiskriminierung 21, 169, 192, 239, 254, 257 – indirekte 240 Irland 131 Italien 131 –132 Keck 252 Klopp 202 Kommerzialisierung 101, 105, 111, 139, 179, 187 Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform 129 Kontrahierungszwang 60 Kontrollfunktion 60, 136 Konzernbildung 108, 135 Konzernierungsgefahr 236 Konzession 42 – Personalkonzession 43 – Realkonzession 43
Sachwortverzeichnis Koordinierungsrichtlinie 211 Kostensenkung 105, 108, 135 Krankenhausapotheke 34, 51, 126, 136, 160 Krankenschwester / -pfleger 211 Kraus 207 Kundenbindung 114, 136 Lancry 241 legitimer Zweck 137 Lettland 131 Litauen 131 Lizenz 44 Maastrichter Vertrag 210, 212 Mac Quen 173 Malta 131 Marktbesonderheit 101, 173 Markttransparenz 101 Marktzugang 252 medizinische Versorgung 216 Medizinisches Versorgungszentrum 117 – 118 Mehrbetriebserlaubnis 35 Mehrbetriebsverbot 35 Mittelstandsschutz 141, 143 Monteil und Samanni 173 Nebensortiment 106 Niederlande 131 Niederlassungsfreiheit 189 – persönlicher Anwendungsbereich 190 – räumlicher Anwendungsbereich 192 – sachlicher Anwendungsbereich 191 Norwegen 109, 131, 133 Notapotheke 51, 160 öffentliche Gesundheit 177, 179 Oligopol 109 Optiker-Urteil 177, 253
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ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung 48 Organisation des Gesundheitswesens 198 Organisationsgesellschaft 85, 121 Österreich 132 persönliche Leitung 32 Pharmagroßhandel 109 Pistre 241 Polen 131 Preiselastizität 102 Privileg 42 Produktbesonderheit 101, 111, 135, 177 qualifizierter Fremdbesitz 120, 154, 157, 253, 256 Qualität der Beratung 111, 135 Qualitätssicherung 113, 135 Querschnittsaufgabe 212 Realrecht 41 Rechtfertigungsgrund – geschriebener 223 – ungeschriebener 228 Rechtsanwalt 115, 123, 149, 154, 166 – Rechtsanwaltsgesellschaft 85, 120, 149 Sachverständiger, öffentlich bestellter 96 Schweden 131 Schweiz 131 Selbstmedikation 61 Sitztheorie 190 Slowenien 131 Spanien 132 Spielbankenurteil 75, 97 Sportwetten 187 Steuerberater 122, 154, 166 – Steuerberatungsgesellschaft 83, 122 Stille Gesellschaft 30, 37, 144, 150 Subsidiaritätsprinzip 243 System der sozialen Sicherung 140, 185, 230
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Sachwortverzeichnis
Tschechische Republik 131
Volksgesundheit 137, 142 Vollapotheke 25
umgekehrte Diskriminierung 239 umsatzabhängige Vereinbarung 31, 37, 144, 150 Umweltschutz 234 Ungarn 131 Unionsbürgerschaft 244 Unwürdigkeit 63 Unzuverlässigkeit 63 Verantwortung 217 Verbraucherschutz 140, 172, 231 Verpachtung 29, 33, 36, 127 Versandhandel 134, 174 vertikale Integration 109, 140 Vertragsarzt 97, 117, 119 Vertragsverletzungsverfahren 19, 130, 168, 177, 205 Verwaltung 33, 36 Vlassopoulou 206
Vollzugsfunktion 60, 136 Vorabentscheidungsverfahren 168 Vorratshaltung 62 Vorsorgeprinzip 182, 233 Weisungsunabhängigkeit 116, 136, 152, 256 Werbung 174 Wettbewerb 106, 109, 114 Wettbewerbsfunktionen 102 Wettbewerbsgleichheit 170 Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 83 Wouters 237 Zuverlässigkeit 115 Zweigapotheke 34, 36, 51, 160 Zweigniederlassung 191 Zwischenstaaatlichkeitsklausel 192