Das Fach Geschichte an der Universität Wien: Von den Anfängen um 1500 bis etwa 1975 [1 ed.] 9783737008143, 9783847108146


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Das Fach Geschichte an der Universität Wien: Von den Anfängen um 1500 bis etwa 1975 [1 ed.]
 9783737008143, 9783847108146

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Schriften des Archivs der Universität Wien Fortsetzung der Schriftenreihe des Universitätsarchivs, Universität Wien

Band 24

Herausgegeben von Kurt Mühlberger, Thomas Maisel und Johannes Seidl

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Thomas Winkelbauer

Das Fach Geschichte an der Universität Wien Von den Anfängen um 1500 bis etwa 1975

Mit 93 Abbildungen

V& R unipress Vienna University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-624X ISBN 978-3-7370-0814-3 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Verçffentlichungen der Vienna University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung des Rektorats der UniversitÐt Wien.  2018, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: VorstÐnde, Mitglieder und Absolventen des Historischen Seminars der UniversitÐt Wien. Am Tisch sitzend von links nach rechts die drei Co- bzw. MitvorstÐnde Heinrich von Zeißberg (1839–1899), Max Bþdinger (1828–1902) und Alfons Huber (1834–1898). Fotografie, um 1895. Archiv der UniversitÐt Wien.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Von den Anfängen bis zur Revolution von 1848 . . . . . . . . . . . . . 1.1. Die Wiener Artistenfakultät bis zu ihrer Vereinigung mit dem Wiener Jesuitenkollegium (1365–1623) . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Das Fach Geschichte an der Wiener Jesuitenuniversität (1623–1773) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Das Fach Geschichte an der Universität Wien von der Aufhebung des Jesuitenordens bis zur Revolution von 1848 . . . . . . . . . .

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2. Von der Thun-Hohenstein’schen Universitätsreform bis zum Zerfall der Habsburgermonarchie (1849–1918) . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Das Philologisch-Historische Seminar (1850–1872) . . . . . . . 2.2. Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1854–1918) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Das Historische Seminar (1872–1918) . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Das Archäologisch-Epigraphische Seminar (1876–1918) . . . . 2.5. Das Seminar für Osteuropäische Geschichte (1907–1918) . . . . 2.6. Die Anfänge des Frauenstudiums . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7. Der Akademische Verein deutscher Historiker in Wien . . . . .

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3. Von der Gründung der Republik (Deutsch-)Österreich bis zum Ende des nationalsozialistischen Großdeutschen Reiches (1918–1945) . . . 3.1. Das Historische Seminar (1918–1945) . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Das Institut für Geschichtsforschung (1918–1945) . . . . . . . . . 3.3. Exkurs: Heimito von Doderer und das Institut für Geschichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Das Archäologisch-Epigraphische Seminar (1918–1945) . . . . . 3.5. Das Seminar für Osteuropäische Geschichte (1918–1945) . . . . . 3.6. Das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (1922–1936) .

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6

Inhalt

3.7. Die Wiener Historiker in der NS-Zeit (1938–1945) . . . . . . . . . 4. Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Entnazifizierung und Restauration . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung und das Historische Seminar / Historische Institut / Institut für Geschichte (1945–1975) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Das Seminar bzw. Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (1945–1975) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4. Friedrich Heer – ein umstrittener Außenseiter . . . . . . . . . . 4.5. Das Seminar bzw. Institut für Osteuropäische Geschichte (und Südostforschung) (1945–1975) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6. Das Archäologisch-Epigraphische Seminar bzw. das Institut für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik (1945–1975) . 4.7. Das Institut für Numismatik (1965–1975) . . . . . . . . . . . . 4.8. Das Institut für Zeitgeschichte (1966–1975) . . . . . . . . . . .

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5. Ausblick auf die Zeit nach 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. (Ordentliche) Professoren im Fachbereich Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (von den Anfängen bis ca. 1980) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Die historischen Seminare und Institute an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (1850–1975) und an den für die Geschichtswissenschaften zuständigen Nachfolgefakultäten (1975–2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2. Gedruckte Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Die insgesamt sieben Geschichtsinstitute der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien bilden, sowohl was die Zahl der Lehrenden und Forschenden betrifft als auch im Hinblick auf die Zahl der Studierenden, den größten Fachbereich Geschichte an einer Universität des deutschsprachigen Raumes.1 Im einzelnen handelt es sich um die Institute für Geschichte, für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik, für Wirtschaftsund Sozialgeschichte, für Osteuropäische Geschichte, für Zeitgeschichte und für Numismatik und Geldgeschichte sowie das mit dem Institut für Geschichte personell eng verflochtene Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Wie sich der (informelle) Fachbereich Geschichte dazu entwickelt hat, das ist, pointiert ausgedrückt, der Gegenstand des hiermit vorgelegten Buches. Konzipiert und geschrieben wurde die erste Vorstufe ursprünglich als Lehr- und Lernbehelf für eine Einheit der Vorlesung »Das Studium der Geschichte an der Universität Wien«, einer Lehrveranstaltung der sogenannten Studieneingangsund Orientierungsphase (StEOP) des Bachelorstudiums Geschichte. Diese Vorlesungseinheit wird vom Autor seit einigen Jahren jedes Semester gehalten. Der Band versteht sich in erster Linie als Versuch einer Zusammenfassung des derzeitigen Kenntnisstandes über die institutionelle Entwicklung des Faches Geschichte und der Lehr- und Publikationstätigkeit der auf bzw. in den einschlägigen Lehrkanzeln, Seminaren und Instituten tätigen Professoren auf der 1 Im Wintersemester 2015/16 belief sich die Z a h l d e r S t u d e n t i n n e n u n d S t u d e n t e n aller Studienrichtungen im Fachbereich Geschichte an der Universität Wien auf nicht weniger als rund 7000 (6707 im Rahmen der Studienprogrammleitung 7: Geschichte und ca. 310 im Rahmen der Studienprogrammleitung 41: Historisch-Kulturwissenschaftliches Doktoratsstudium) (Quelle: http://studienservice-lehrwesen.univie.ac.at/weiteres-service/statistik/ar chiv/, Studstat 7.2: Studierende und Studienzulassungen nach Studienprogrammleitung und Studienrichtung, WS 2015, S. 14 und 111 [Zugriff: 23. 09. 2016]). Im selben Semester betrug die Z a h l d e r L e h r e n d e n im Bereich der Studienprogrammleitung Geschichte insgesamt 221 (82 sogenannte interne Lehrende, vier Gastprofessor/inn/en und 135 externe Lektorinnen und Lektoren) (Quelle: freundliche Auskunft von Markus Tumeltshammer per E-Mail am 13. Oktober 2016).

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Vorwort

Grundlage der Forschungsliteratur und gedruckter Quellen. Dieser Versuch reicht im Hinblick auf den dargebotenen Materialreichtum nicht an ein Werk wie Walter Höflechners monumentale, weitgehend auf der Auswertung ungedruckter Quellen basierende Geschichte des Faches Geschichte an der Philosophischen bzw. Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz heran.2 Nur in beschränktem Umfang wurden auch unpublizierte Quellen herangezogen (besonders intensiv für Kapitel 7.2 über den von 1889 bis 1939 existierenden Akademischen Verein deutscher Historiker in Wien), es war aber beispielsweise nicht möglich, die Personalakten aller besprochenen Professoren im Universitätsarchiv und im Österreichischen Staatsarchiv systematisch auszuwerten, geschweige denn sämtliche in Frage kommenden Nachlässe und Teilnachlässe. Wenn sich das Buch trotzdem als nützliche Handreichung für historiographiegeschichtlich interessierte Studentinnen und Studenten und als brauchbare und zu weiteren Forschungen anregende Synthese für Fachkolleginnen und Fachkollegen erweisen sollte, so hätte es seinen Zweck erfüllt. Nach rasch gescheiterten Ansätzen in der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde eine eigene Professur für Geschichte an der Universität Wien auf Dauer erst gegen Ende der 1720er Jahre, mehr als dreieinhalb Jahrhunderte nach der Gründung der Alma Mater Rudolphina durch den österreichischen Herzog Rudolf IV. im Jahr 1365, eingerichtet. Bis 1848 gab es dann an der Philosophischen Fakultät der Wiener Universität zunächst nur einen und in den Zeiten, in denen eigene Professuren für die Historischen Hilfswissenschaften Numismatik (seit 1774) und Diplomatik (seit 1783) bestanden, maximal drei Professoren der Geschichte. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren es meist aber nur zwei Professoren oder sogar nur ein einziger, mit zusätzlichen Lehraufträgen für die genannten Hilfswissenschaften betrauter Professor. Der Schwerpunkt der folgenden Darstellung liegt daher, nach einem die Entwicklung von den Anfängen im späten 15. Jahrhundert bis zum Vormärz zusammenfassenden Überblick, auf den gut 125 Jahren von der großen, in den Revolutionsjahren 1848 und 1849 beginnenden Universitätsreform in der Habsburgermonarchie bis zum Ende der oligarchischen »Ordinarienuniversität«3 in der Zweiten Republik 2 Höflechner, Das Fach »Geschichte«. Auch zur Geschichte des Faches Geschichte an der Universität Innsbruck und an der (von 1622 bis 1810 existierenden) Benediktineruniversität Salzburg liegen monographische Untersuchungen vor: Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer ; Mühlböck, Die Pflege der Geschichte an der alten Universität Salzburg (1973). 3 Die »Ordinarienuniversität« modernen Typs wurde – nicht zuletzt nach preußischem Vorbild – in der Habsburgermonarchie durch die 1848 einsetzenden Reformen geschaffen (siehe unten Abschnitt 2). Vollendet wurde dieser im Revolutionsjahr beginnende Prozess erst mit dem endgültigen Ausscheiden der (überwiegend restaurativ-katholisch orientierten) Doktorenkollegien der einzelnen Fakultäten der alten, im 14. Jahrhundert gegründeten Universitäten Wien und Prag, die sich zunächst mit Erfolg gegen ihre Ausschaltung gewehrt hatten, aus der Organisationsstruktur der Universitäten im Jahr 1873: »Die an den Universitäten

Vorwort

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und zum Beginn der Mitbestimmung des akademischen »Mittelbaus« sowie der Studentinnen und Studenten in allen Kollegialorganen der österreichischen Universitäten als Folge des Universitätsorganisationsgesetzes (UOG) 1975.4 Besonderes Augenmerk wird dabei der Blütezeit der Philosophischen Fakultät der Universität Wien von den 1850er Jahren bis 1918/1938 gewidmet, die freilich in mancher Hinsicht auch sehr dunkle Seiten hatte – man denke insbesondere an den seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert dramatisch anwachsenden, teilweise hasserfüllten, gewaltbereiten und mit rassistischen Argumenten begründeten Antisemitismus großer Teile der Studentenschaft, der Professoren und Dozenten. Diesen Zeitraum betreffen auch die einzigen nicht den rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen, den Lehrstühlen, Seminaren und Instituten sowie den an diesen wirkenden Professoren gewidmeten Kapitel, nämlich jene über die Anfänge des Frauenstudiums um 1900 und über den bereits erwähnten Wien und Prag bestehenden Doctorencollegien hören auf, Theile der Facultäten und der Universitäten zu sein.« Gesetz (für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder) vom 27. April 1873, betreffend die Organisation der Universitätsbehörden, § 23. Zitiert nach Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 576. In § 5 desselben Gesetzes wurde sichergestellt, dass die ordentlichen Professoren (die sogenannten Ordinarien) in den Behördenstatus genießenden Professorenkollegien der einzelnen Fakultäten stets über eine absolute Mehrheit verfügten. (Zum Widerstand der Doktorenkollegien gegen die neue Universitätsverfassung siehe Gall [F.], Die Doktorenkollegien; vgl. auch Staudigl-Ciechowicz, Dienst-, Habilitations- und Disziplinarrecht, S. 63f. und 88–91.) Auch durch eine Gesetzesnovelle in den frühen Jahren der Ersten Republik (1922) wurde die dominierende Stellung der ordentlichen Professoren nicht angetastet. In den akademischen Kollegien, d. h. in den Fakultätskollegien und im Senat, durfte die Zahl der darin vertretenen außerordentlichen Professoren (Extraordinarien) die Hälfte der Zahl der Ordinarien nicht überschreiten, und die Zahl der Privatdozenten wurde mit einem Zehntel der stimmberechtigten ordentlichen und außerordentlichen Professoren limitiert. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5, S. 227. Zur Entwicklung des österreichischen Hochschulrechts zwischen 1848 und 1938 bzw. 1945 siehe jetzt v. a. StaudiglCiechowicz, Dienst-, Habilitations- und Disziplinarrecht (S. 131f. zur dominierenden Stellung der Ordinarien ab 1849 und zur Entwicklung der österreichischen Universitäten zu »Ordinarienrepubliken«) bzw. (als Überblick) Staudigl-Ciechowicz, Zwischen Aufbegehren und Unterwerfung. 4 Zur Entwicklung des Hochschulrechts in der Zweiten Republik im Überblick Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende. Zum »Ende der Ordinarienuniversität« als Folge des UOG 1975 siehe auch Engelbrecht, Universität und Staat in Österreich, S. 39–44. – Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg, eine promovierte Historikerin, hatte im März 1971 in einer öffentlichen Rede konstatiert, es könne »keinen Zweifel darüber geben, dass die Zeit für den Abbau autoritärer Strukturen [an den österreichischen Universitäten und Hochschulen; Th.W.] überreif ist und demokratischen Formen weichen muss, in der die Durchsetzung der Autorität auf Grund des persönlichen Ansehens und der wissenschaftlichen Leistung und nicht allein Kraft des verliehenen Amts erfolgt«, und sie hatte gleichzeitig verkündet: »Die Zeit für die Demokratisierung dieses letzten patriarchalischen Herrschaftsbereiches ist gekommen!« Firnberg, Die Wissenschaft in der modernen Welt, S. 117f. – Im Oktober 1975 nahm übrigens der Autor des vorliegenden Werks das Studium der Geschichte an der Universität Wien auf.

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Vorwort

Akademischen Verein deutscher Historiker in Wien (Kapitel 2.6 und 2.7) sowie ein Exkurs über den prominenten Schriftsteller Heimito von Doderer und das Institut für Geschichtsforschung (Kapitel 3.3). Natürlich finden auch die Folgen des »Anschlusses« an das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938 und die Restauration bzw. der katholisch-konservative »Rückbruch« in der österreichischen Hochschullandschaft nach 1945 die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Ein eigener Abschnitt ist dem Feuergeist Friedrich Heer gewidmet, dem es nach 1945 nicht gelungen ist, eine Professur zu erlangen (Kapitel 4.4). Mir ist bewusst, dass eine Fortführung der Darstellung zumindest bis zu der in den Jahren 2003 und 2004 in mehreren Etappen erfolgten Implementierung des Universitätsgesetzes (UG) 2002 an der Universität Wien wünschenswert gewesen wäre. Zwei Umstände sind es vor allem, die mich zum Verzicht auf die Fortsetzung bis ins frühe 21. Jahrhundert oder gar bis in die unmittelbare Gegenwart bewegt haben: Einerseits hätte ich dann in erster Linie über meine eigenen Kolleginnen und Kollegen schreiben müssen, und andererseits wäre für die Zeit seit dem UOG 1975 eine Beschränkung auf die Mitglieder der Professorenkurie, für die ich mich aus sachlichen, nicht zuletzt aber auch aus Kapazitätsgründen entschieden habe, nicht mehr zu verantworten gewesen, da in den Jahrzehnten seit 1975 ein wohl deutlich größerer Teil der Lehre, der Forschung und der wissenschaftlichen Publikationen von den – habilitierten und nicht habilitierten – Assistentinnen und Assistenten geleistet und getragen wurde als zwischen 1848 und den 1970er Jahren.5 Überdies spielen im Bereich der Forschung seit den 1980er Jahren Drittmittelprojekte eine zuvor völlig unbekannte und weiterhin wachsende Rolle. Es sei auch schon an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass seit der Gründung der Institute für Numismatik (1965) 5 Informationen zur sozialen Herkunft, zur Ausbildung und zur Karriere der meisten der in den Kapiteln 2 bis 4 des vorliegenden Buches behandelten ordentlichen Professoren sind zusammengestellt in Weber (W.), Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft. Zum akademischen Lebenslauf und zu den Publikationen zahlreicher zwischen 1900 und 2000 tätiger österreichischer Historiker und Historikerinnen (weit über den Kreis der Ordinarien hinaus) siehe: Fellner, Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Auf die Einträge in diesen beiden Nachschlagewerken wird in den Fußnoten nur in Ausnahmefällen hingewiesen. Eine quantifizierende Auswertung der Biogramme im zuletzt genannten Werk im Hinblick auf geographische und soziale Herkunft, Bildungswege, Forschungsthemen und Karriereverläufe bietet Fellner, Corradini, Ansätze zu einer Prosopografie. – Kurze (zum Teil allzu kurze) Biogramme einer Reihe von Wiener Geschichtsprofessoren enthält vom Bruch, Müller (Hrsg.), Historikerlexikon, nämlich von Otto Brunner, Alfons Dopsch, Heinrich (von) Fichtenau, Hugo Hantsch, Ludo Moritz Hartmann, Alphons Lhotsky, Heinrich Lutz, Oswald Redlich, Leo Santifaller, Theodor (von) Sickel, Heinrich (Ritter von) Srbik und Adam (von) Wandruszka. Werner Berthold und Mario Keßler hingegen haben nur Kurzporträts von Alfons Dopsch, Heinrich von Srbik und – überraschenderweise – Friedrich Heer in ihre 100 Historiker-Porträts von Homer bis Hobsbawm aufgenommen (Berthold, Keßler, Klios Jünger).

Vorwort

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und für Zeitgeschichte (1966) die Institutsstruktur im Bereich des Faches Geschichte an der Universität Wien bis zum heutigen Tag nur eine einzige Veränderung erfahren hat, indem 1984 das Institut für Alte Geschichte und Klassische Archäologie geteilt wurde, nämlich in ein Institut für Alte Geschichte und ein Institut für Klassische Archäologie.6 Die folgende Darstellung beschränkt sich im Wesentlichen auf das Fach Geschichte und seine zunehmende Ausdifferenzierung an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (sowie, im abschließenden Kapitel 5, an deren Nachfolgeinstitutionen, d. h. an der Geisteswissenschaftlichen bzw. der Geistesund kulturwissenschaftlichen bzw. der, wie die betreffende Fakultät seit geraumer Zeit heißt, Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät). Die Kirchengeschichte an der Theologischen bzw. an der Katholisch-theologischen und an der Evangelisch-theologischen Fakultät kommt ebenso nur gelegentlich in den Blick wie die Rechtsgeschichte an der Juridischen bzw. der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät. Nicht berücksichtigt sind die Urgeschichte bzw. die Urund Frühgeschichte, da es sich bei dieser mehr um ein Teilgebiet der Archäologie als der Geschichte handelt (oder vielmehr um eine »Wissenschaft, die anfänglich ihren Platz zwischen Geographie und Ethnographie, Geschichte und Archäologie, Geologie und Anthropologie suchte«7), die Kunstgeschichte, die Musik6 Neu ist allerdings die seit einigen Jahren an den Fakultäten der Universität Wien bestehende Einrichtung von Forschende mehrerer Institute (teilweise auch mehrerer Fakultäten) zusammenfassenden Forschungsschwerpunkten. Zu den Forschungsschwerpunkten der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät siehe u. a. Universität Wien 2020. Entwicklungsplan, auf Vorschlag des Rektorats nach einstimmiger Zustimmung durch den Senat der Universität Wien am 22. Januar 2015 vom Universitätsrat der Universität Wien am 23. Januar 2015 einstimmig genehmigt (https://www.univie.ac.at/rektorenteam/ug2002/entwicklung. pdf), S. 72f., sowie http://hist-kult.univie.ac.at/forschungsschwerpunkte/ [Zugriff: 10. 10. 2016]. 7 Urban, Urgeschichte (2010), S. 372, und ders., Urgeschichte (2013), S. 126. – Nach Ansicht von Oswald Menghin (1888–1975), der von 1918 bis 1945 die (bis 1922 außerordentliche) Professur für prähistorische Archäologie bzw. (seit der Ernennung zum Ordinarius) für Urgeschichte des Menschen am Prähistorischen bzw. Urgeschichtlichen Institut der Universität Wien innehatte, bestand die Urgeschichte aus mehreren Einzeldisziplinen, und zwar »unter anderem der prähistorischen Archäologie, [der] linguistischen Archäologie, der Paläoethnologie und der Paläoanthropologie«. Urban, Urgeschichte (2010), S. 373. Menghin war ein Schüler von Moriz Hoernes (1852–1917), dem ersten Professor für Urgeschichte an der Universität Wien, ja in Europa (1892 Habilitation für Prähistorische Archäologie [beantragt hatte Hoernes »Allgemeine Urgeschichte mit besonderer Rücksicht auf die Länder ÖsterreichUngarns«], 1899 unbesoldeter und 1907 besoldeter außerordentlicher Professor, von 1911 bis zu seinem Tod ordentlicher Professor [ad personam] für Prähistorische Archäologie). Hoernes erlebte in seinem Todesjahr 1917 noch die Gründung des Prähistorischen Instituts der Universität Wien, des späteren (seit 1924) Urgeschichtlichen Instituts, das 1963 in Institut für Ur- und Frühgeschichte umbenannt wurde (heute: Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie). Urban, Anfänge der Urgeschichte, S. 269f.; Felgenhauer, Zur Geschichte des Faches Urgeschichte, bes. S. 10–23.

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Vorwort

geschichte, die diversen Literaturgeschichten sowie die Geschichte einzelner Länder und Weltregionen im Kontext der Kultur- und Sozialanthropologie und der unterschiedlichen Philologien wie zum Beispiel die chinesische Geschichte im Rahmen der Sinologie oder die osmanische bzw. türkische Geschichte im Rahmen der Orientalistik. Abschließend gilt es zu danken. Mein junger Kollege Martin Krenn hat eine frühere Version des Manuskripts kritisch und gründlich gelesen, ja geradezu lektoriert, und mich auf eine Reihe von sachlichen und sprachlichen Fehlern und Verbesserungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht, wofür ich ihm außerordentlich dankbar bin. Mein ehemaliger Dissertant Johannes Holeschofsky hat eine spätere Fassung des Textes gelesen. Ihm danke ich nicht nur für seine hilfreichen kritischen und weiterführenden Hinweise, sondern auch dafür, dass er mir das Manuskript seines im Druck befindlichen Aufsatzes über Oswald Redlich zur Verfügung gestellt hat. Viel verdankt dieser Band auch meinem »Kurskollegen« (am Institut für Österreichische Geschichtsforschung) Thomas Maisel, dem Leiter des Archivs der Universität Wien. Er ist mir in den vergangenen zwei Jahren stets bereitwillig mit Rat und Tat zur Seite gestanden und hat mir insbesondere die Fotoschätze »seines« Archivs erschlossen und zur Verfügung gestellt. Letzteres gilt in gleicher Weise für Stefan Sienell vom Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, für Paul Herold, den Leiter der Fachbereichsbibliothek für Österreichische Geschichtsforschung und der Sammlungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, für Hubert Szemethy vom Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Universität Wien sowie für Peter Goller vom Archiv der Universität Innsbruck, aber auch für die jeweils für das Archiv bzw. die Fotosammlung zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien, des Kunsthistorischen Museums, des Oberösterreichischen Landesarchivs, des Österreichischen Archäologischen Instituts und des Archivs der Universität Halle-Wittenberg. Helene Maimann, Michael Mitterauer, Anton Staudinger, Gerald Stourzh und Herwig Wolfram haben mir Fotos aus ihrem Privatbesitz zur Verfügung gestellt. Wertvolle Ratschläge verdanke ich auch Kurt Mühlberger, dem ehemaligen Leiter des Archivs der Universität Wien, und Martin Wagendorfer, Professor für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck. Dass für alle noch vorhandenen Fehler und Unzulänglichkeiten des Buches alleine ich selbst verantwortlich bin, versteht sich von selbst. Wien, im November 2017

Thomas Winkelbauer

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Von den Anfängen bis zur Revolution von 1848

1.1. Die Wiener Artistenfakultät bis zu ihrer Vereinigung mit dem Wiener Jesuitenkollegium (1365–1623) Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war ein Studium an der Artistenfakultät (facultas artium) der 1365 von Herzog Rudolf IV. nach dem Vorbild der Pariser Universität gegründeten Universität Wien bzw. an der Philosophischen Fakultät, wie die vormalige Artistenfakultät seit dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts genannt wurde8, »auch für [künftige] Mediziner, Juristen und Theologen unumgänglich, denn sie vermittelte nicht nur ein allgemeines Grundwissen, das einen wesentlichen Teil des seit dem Mittelalter gültigen Bildungsbegriffes erfüllte, sondern auch die Methoden des Denkens, Forschens und Disputierens«.9 An der Artistenfakultät wurden durch Lesen, Auslegen, Kommentieren und Disputieren kanonischer Texte die Sieben Freien Künste (septem artes liberales) unterrichtet. Diese »legten die propädeutische Grundlage allen Wissens, und zwar im trivium, dem dreiteiligen Weg zur Weisheit, mittels der sprachlichen Fächer Grammatik, Rhetorik und Logik [bzw. Dialektik] sowie den vier mathematischen Fächern Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik, dem quadrivium«.10 Ein guter Kenner hat treffend formuliert, die facultas artium der abendländischen Universitäten könne »nach heutigem Verständnis als ein inneruniversitäres Gymnasium charakterisiert werden«.11 Bis etwa 1480 gab es an der Wiener Artistenfakultät wohl keinerlei Vorle8 Die Artistenfakultät nahm seit der schrittweisen Übertragung der Humaniora einschließlich der Rhetorik und der Poesie (endgültig 1612) an die »niederen Schulen« im Wiener Jesuitenkollegium, die dadurch in den Rang eines Gymnasiums aufstiegen, und endgültig nach der 1623 erfolgten Übergabe der Fakultät an den Jesuitenorden (nach dessen Cursus philosophicus) den Namen Philosophische Fakultät an. Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 328 und 340. 9 Lhotsky, Die Wiener Artistenfakultät 1365–1497, S. 19. 10 Hammerstein, Bildung und Wissenschaft, S. 3. 11 Ebd., S. 6.

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sungen oder Disputationen in den in erster Linie in Frage kommenden »Fächern« der Rhetorik und der Poetik (Poesie) (vgl. Seite 15f.), in denen Werke antiker Historiker (vor)gelesen, diktiert, kommentiert und erörtert wurden, und zwar ebenso wenig wie an den anderen Hohen Schulen Europas.12 Die Geschichtskenntnisse der Studenten dürften ebenso wie jene der an den Artistenfakultäten lehrenden Magister weitgehend auf privatem Selbststudium beruht haben.13 Immerhin verfasste Thomas Ebendorfer (1388–1464), der von 1412 bis 1425 an der Wiener Artistenfakultät Vorlesungen hielt, 1428 zum Doktor der Theologie promoviert wurde und bis 1460 als Professor an der Theologischen Fakultät wirkte14, »schon um 1450 eine umfangreiche Landesgeschichte [Österreichs] eigens für deutsche Studenten«15, die ursprünglich als siebentes Buch seiner Kaiserchronik gedachte Cronica Austrie. Im Jahr 1481 trug der aus Tirol stammende Magister Benedikt Kneysl an der Wiener Artistenfakultät möglicherweise als erster Auszüge aus Werken des römischen Geschichtsschreibers Sallust (Gaius Sallustius Crispus) vor, zweifellos in erster Linie mit dem Ziel der Verbesserung des lateinischen Schreibstils und der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit der Scholaren.16 1494 las Johann Burger Sallusts Werk über die Catilinarische Verschwörung (De coniuratione Catilinae), und 1497 hielt Urban aus Schwindeck neuerlich eine Vorlesung über Sallust.17 Übrigens waren bereits 1467 für die Bibliothek der Artistenfakultät sowohl De coniuratione Catilinae als auch Sallusts zweites Hauptwerk über den Krieg mit Jugurtha von Numidien (De 12 »Zur Abhaltung von Vorlesungen waren die an der Fakultät promovierten Magister für die Dauer von zwei Jahren verpflichtet, wenn sie nicht Dispens erhielten, welche allerdings mit aufschiebender Wirkung ziemlich häufig gewährt wurde. Auch die Bakkalare mußten durch wenigstens ein Jahr über bestimmte Gegenstände lesen.« Uiblein, Mittelalterliches Studium an der Wiener Artistenfakultät, S. 110. – Die Promotion zum Magister berechtigte nicht nur, sondern verpflichtete – zumindest bis ins erste Drittel des 16. Jahrhunderts – auch für eine bestimmte Zeit dazu, öffentliche Vorlesungen (lectiones publicae) (im Unterschied zu gebührenpflichtigen Privatkollegien) zu halten. Vgl. u. a. Huttner, Geschichte als akademische Disziplin, S. 132–137 und 156–167. 13 Vgl. Uiblein, Mittelalterliches Studium an der Wiener Artistenfakultät, S. 83–87. »Im ganzen wird man sagen dürfen, daß Geschichtskenntnis zwar nicht an sich tradiert, wohl aber von einigen einzelnen geschätzt wurde. Es ist auch zu beachten, daß in den Bursen statutengemäß Lektüre in historialibus üblich war.« Ebd., S. 87. Zu den fast ausschließlich von der Artistenfakultät bzw. von einem als rector bursae eingesetzten Magister (oder Bakkalar) beaufsichtigten Wiener Bursen im 15. und 16. Jahrhundert, in denen aber nur eine kleine Minderheit der Artes-Studenten lebte, siehe Mühlberger, Wiener Studentenbursen und Kodreien. 14 Uiblein, Ebendorfer, Sp. 253f. 15 Lhotsky, Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in Österreich, S. 380. 16 Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 183; Lhotsky, Artistenfakultät, S. 169. 17 Großmann, Die Frühzeit des Humanismus in Wien, S. 305.

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bello Iugurthino) angekauft worden18, und 1493 stiftete Johannes Ramung von Ramspichel, landesfürstlicher Salzamtmann zu Hall in Tirol und Rat König Maximilians I., der Artistenfakultät zahlreiche Bücher, darunter auch zwei Livius-Ausgaben, ein nicht namentlich genanntes Werk des italienischen Humanisten und Historikers Flavio Biondo (1392–1463) und »Sal[l]ustius in Catilinam«.19 Erst die italienischen Humanisten des 15. Jahrhunderts berücksichtigten bei der intensiven Auseinandersetzung mit den vielfach erst wiederzuentdeckenden Schriften der antiken Autoren neben den an der ersten Stelle ihrer Interessen stehenden grammatischen, rhetorisch-poetischen und ethischen Aspekten auch – wenngleich eher am Rande – die (Alte) Geschichte als solche.20 Ab etwa 1400 war in Italien der Fünf-Fächer-Kanon der Humaniora, der humanistischen Disziplinen (studia humanitatis), bestehend aus Grammatik (und Dialektik), Rhetorik, Poetik, Geschichte und Ethik (Moralphilosophie, philosophia practica), entstanden.21 Speziell über die Geschichte (historia) als Disziplin im Rahmen der studia humanitatis heißt es bereits in dem in den 1420er Jahren verfassten Traktat De studiis et litteris von Leonardo Bruni: »Es ist daher angebracht, zu den Disziplinen (studia), von denen ich zuvor gesprochen habe, vor allem die Kenntnis der Geschichte hinzuzufügen, eines Sachbereichs, den gelehrte / wissbegierige / forschende Menschen (bzw. Männer) (studiosi homines) auf keinen Fall ignorieren dürfen.«22 Abgesehen von der sprachlichen Basiswissenschaft Grammatik orientierte sich die Zusammenstellung des Disziplinenkanons an den vier Arten antiker Schriftsteller, nämlich der Redner, Dichter, Historiker und Philosophen. Geschichte wurde allerdings von den Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts nicht als eigenständiges Fach unterrichtet. Es ging ihnen bei der Lektüre der Werke antiker Geschichtsschreiber nicht in erster Linie um das, was wir »die Geschichte« (im Kollektivsingular) zu nennen pflegen, »sondern um die literarische und […] bildungsträchtige Verarbeitung von Geschichte«, wofür nicht zuletzt die besonders intensive Beschäftigung mit den in diesen Werken überlieferten (natürlich fiktiven) Reden spricht.23 In humanistischen LehrsystemaGottlieb, Niederösterreich, S. 482. Ebd., S. 499. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 1, S. 231. Sie jetzt v. a. Leinkauf, Grundriss, Bd. 1, S. 113–128 und passim; zur Historik bes. S. 951– 1011. 22 »Placet ergo ad studia illa, de quibus supra dixi, in primis historiae cognitionem adiungere, rem studiosis hominibus nullo modo negligendam.« Zitiert nach Leinkauf, Grundriss, Bd. 1, S. 972 (Übersetzung modifiziert von Th.W.). 23 Meuthen, Humanismus und Geschichtsunterricht, S. 5–10, das Zitat auf S. 9. – »[D]ie Einspeisung von fiktiven, aber an der historischen Wirklichkeit orientierten Reden der wichtigen dramatis personae« stand bei Lorenzo Valla, Leonardo Bruni, Francesco 18 19 20 21

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tiken wurde die Historia häufig »der Rhetorik als Hilfswissenschaft zu- und untergeordnet oder, wie bei der Grammatik, lediglich als Teilaspekt eines im Gesamtsystem durchaus übergeordneten Faches gesehen«24, wobei besonders zu beachten ist, dass Grammatik und Rhetorik ja auch bereits Fächer des mittelalterlichen Triviums (Grammatik, Rhetorik und Logik) im Rahmen der Lehre der Sieben Freien Künste gewesen waren. Die Befassung mit der Geschichte als einer magistra vitae25 bzw. »den Historien« entnommenen, besonders nachahmenswerten oder auch besonders verwerflichen Beispielen (exempla) von Taten und Verhaltensweisen konkreter Menschen (fast ausschließlich von Männern, insbesondere Staatsmännern und Feldherren) sollte eine erzieherische Wirkung erzielen. Auch in diesem Fall wurde »Geschichtseinsicht von vornherein in den Dienst einer anderen Disziplin genommen, nämlich der Ethik«. Mit zunehmender Häufigkeit wurde im Laufe des 16. Jahrhunderts an den europäischen Universitäten »das Fach Historia nicht, wie es bis dahin gängig war, mit Rhetorik und Poetik verknüpft, sondern mit der Ethik«.26 Einflüsse des Humanismus auf die Wiener Artistenfakultät sind seit etwa 1440 nachweisbar.27 Aber erst in der Regierungszeit König bzw. (seit 1508) Kaiser Maximilians I. hielt der Humanismus, trotz des anhaltenden Widerstands zahlreicher Magister, auf breiter Front Einzug an der Artistenfakultät der Universität Wien. Im März 1497 wurde der aus Franken stammende Konrad Celtis (Conradus Celtis Protucius, eigentlich Konrad Bickel, 1459–1508)28, »der bedeutendste Vertreter des Renaissance-Humanismus in Deutschland vor der

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Guiccardini und anderen (nicht nur italienischen) humanistischen Historikern des 15. und 16. Jahrhunderts »vor allem im Dienste des ethischen Lenkungssinnes«. Leinkauf, Grundriss, Bd. 1, S. 956. Meuthen, Humanismus und Geschichtsunterricht, S. 10f. Cicero, De oratore, II 36: »Historia magistra vitae [est].« Vgl. Koselleck, Historia Magistra Vitae. Meuthen, Humanismus und Geschichtsunterricht, S. 15f. Zur Stellung der Geschichte innerhalb der studia humanitatis vgl. auch Buck, Der italienische Humanismus, S. 9, 13, 16 und 27. – Zum Verhältnis von Humanismus, Geschichte und Geschichtsschreibung vgl. auch Muhlack, Renaissance und Humanismus, S. 163–169, 204–216 und passim. Lhotsky, Artistenfakultät, S. 119–198. Vgl. auch Großmann, Die Frühzeit des Humanismus in Wien, passim, und Strnad, Die Rezeption von Humanismus und Renaissance in Wien. – »Bekanntlich hatte der in Form einer Lektüre antiker Geschichtswerke praktizierte Umgang mit historischen Stoffen einen hohen Stellenwert im humanistischen Bildungsprogramm. Neben den Dichtern und Rhetoren des klassischen Altertums wurden die antiken Historiker zu einem wichtigen Medium der im Zentrum der humanistischen Reformbestrebungen stehenden stilbildenden Schulung der sprachlich-literarischen Fähigkeiten und in dieser Funktion wurden die aus der Antike überlieferten historischen Texte auch zum Gegenstand systematischer Behandlung in den unter humanistischen Einfluß geratenen Bildungseinrichtungen.« Huttner, Geschichte als akademische Disziplin, S. 47. Zur humanistischen Historiographie vgl. als Überblick und Problemaufriss Muhlack, Die humanistische Historiographie. Das selten gebrauchte lateinische Wort celtis, -is (f.) bedeutet Meißel (des Steinmetzen).

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Abb. 1: Epitaph (Gedächtnisbild) für Konrad Celtis (1459–1508). Den Auftrag dafür erteilte Celtis selbst, als er sich dem Tod nahe fühlte. Holzschnitt von Hans Burgkmair dem Älteren, 1507 oder 1508.

Reformation«29, welcher 1487 von Kaiser Friedrich III. zum Poeta laureatus gekrönt worden war, von König Maximilian als Professor der Rhetorik und der Poetik auf einen neu errichteten Lehrstuhl an der Wiener Artistenfakultät berufen.30 Celtis hatte, bevor er im Herbst 1497 seine Professur in Wien antrat, an den Universitäten Heidelberg, Leipzig und Ingolstadt unter anderem historische Vorlesungen gehalten. Er sprach wohl als Erster an der Universität Wien in Vorlesungen ausführlich über Römische Geschichte, und er war auch der Erste, der an einer Universität im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) die »deutsche Vorgeschichte« anhand der Germania von Publius Cornelius Tacitus (De origine et situ Germanorum [»Ursprung und geographische Lage der Germanen«] oder De origine et moribus Germanorum [»Ursprung und Sitten der

29 Machilek, Konrad Celtis und die Gelehrtensodalitäten, S. 137. Zu Celtis’ Leben und Werk siehe zusammenfassend Wuttke, Conradus Celtis Protucius; vgl. auch Bauch, Die Reception des Humanismus, und Benedikt (M.), Denk- und Handlungsformen. 30 Siehe das Berufungsschreiben König Maximilians vom 7. März 1497 in deutscher Übersetzung in Wiesflecker-Friedhuber (Hrsg.), Quellen, S. 82f. – Maßgeblich betrieben wurde die Berufung Celtis’ an die Universität Wien von zwei seiner Wiener Bekannten, den kaiserlichen Räten Johann Fuchsmagen und Johann Krachenberger aus Vilshofen. Machilek, Konrad Celtis und die Gelehrtensodalitäten, S. 149. Vgl. auch Robert, Celtis, Sp. 378f.

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Germanen«]) behandelte.31 Im Zusammenhang mit seinen Vorlesungen gab Celtis die Germania 1498/1500 in Wien auch im Druck heraus, und zwar gemeinsam mit seinem eigenen, aus 283 Hexametern bestehenden Lehrgedicht De situ et moribus Germanorum additiones (»Hinzufügungen zu [Tacitus’] ›Geographische Lage und Sitten der Germanen‹«).32 Die von Celtis und anderen deutschen Humanisten vorgenommene Gleichsetzung von »germanisch« und »deutsch« meinte »die Inanspruchnahme der Germanen, von denen Tacitus und andere antike Autoren […] berichten, als Deutsche und damit als die Vorfahren der Deutschen des 15. und 16. Jahrhunderts, die Tacitus lesen«. Dabei ging es »vielen deutschen Autoren darum, eine der römischen Antike ebenbürtige, ruhmvolle ›deutsche‹ Antike zu rekonstruieren, diese den römischen Schriftstellern auch gegen deren Intention zu entwinden«. Diese Betrachtungsweise war »nicht anstößig, sondern gängige wissenschaftliche Tradition, die der Gleichsetzung von Galliern und Franzosen entsprach«.33 Neben Tacitus’ Germania erörterte Celtis in Vorlesungen auch die Kosmographie (Geographike Hyphegesis) des Claudius Ptolemäus (Klaudios Ptolemaios), also einen »Klassiker« der Geographie und der (Historischen) Landeskunde.34 Bei Celtis’ dichterischem Hauptwerk, den Quattuor libri amorum 31 Der deutsche Humanismus verstand sich stärker als der italienische »zugleich als ein nationalgeschichtliches Phänomen«, und die Geschichte nahm hier, im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), »allenthalben einen viel bestimmteren Platz ein«. Meuthen, Humanismus und Geschichtsunterricht, S. 31. 32 Mertens, Die Instrumentalisierung der »Germania«, S. 60, 73f., 79 und 81–83. Der Erstdruck der Germania war 1472 in Bologna erschienen. Ebd., S. 59. – Beim Wiederabdruck der Additiones in der Ausgabe seiner Amores (1502) gab Celtis diesen den selbständigen Titel Germania generalis. Ebd., S. 81. Darin »gewichtet und ergänzt [er] bestimmte Aussagen der Referenzschrift. Was Tacitus in den ersten vier Kapiteln nur streift oder kurz anspricht, das hebt Celtis […] ins helle Licht: die Indigenität der ›Germani‹, ihre Tüchtigkeit und, besonders ausführlich, die geographische Ausdehnung und Gestalt der ›Germania‹.« Ebd. Vgl. v. a. Müller (G.), Die »Germania generalis« des Conrad Celtis. 33 Mertens, Die Instrumentalisierung der »Germania«, S. 39. – Zur Tacitus-Rezeption der deutschen Humanisten und zu deren Instrumentalisierung der Germania siehe auch Hirschi, Wettkampf der Nationen, passim; Krebs, Ein gefährliches Buch, S. 115–143; Lau, Teutschland, S. 17–19. 34 Lhotsky, Artistenfakultät, S. 245; Bauch, Die Reception des Humanismus, S. 91. – Der universitäre »Vorlesungsbetrieb« gestaltete sich im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit in etwa folgendermaßen: »Jeder Professor bestieg an jedem Werktag die Lehrkanzel seines Hörsaals und hielt eine Vorlesung von ein bis anderthalb Stunden. Sie bestand gewöhnlich aus drei Teilen: In der lectio las der Professor aus einem Standardwerk vor, dessen Text die Studenten, die vor ihm auf Bänken saßen, in gedruckter oder handgeschriebener Form auf ihren Knien vor sich hatten. Im zweiten Teil, der Exegese, erklärte der Professor den jeweiligen Text bis in alle Einzelheiten [und] machte die Hörer mit den verschiedenen Erklärungsversuchen bekannt […]. Dieser Teil der Vorlesung war bei weitem der wichtigste und nahm am meisten Zeit in Anspruch. […] Die Vorlesung schloß [in der Regel, in der Praxis nicht immer ; Th.W.] mit einem Frage- und Antwort-Teil, in dem der Professor sich

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secundum quattuor latera Germaniae (»Vier Bücher Liebesgedichte nach den vier Gegenden Deutschlands«, Nürnberg 1502), handelt es sich unter anderem um »eine detaillierte Beschreibung Deutschlands«35 (Germaniae) in didaktischbelehrender Absicht.36 »Celtis stilisierte Deutschland zu einem kollektiven Akteur, der in kultureller und politischer Konkurrenz mit anderen Nationen stand.«37 Er plante – nach dem Muster der 1474 gedruckten Italia illustrata des Flavio Biondo38 – eine umfassende, allerdings Fragment bzw. Projekt gebliebene Germania illustrata, »eine geographisch-historische Landeskunde, die den Wandel vom alten zum neuen Deutschland vor Augen führen und außer den ›facta et gesta‹ der deutschen Könige, Kaiser [und] Fürsten die ›docti viri‹ in Vergangenheit und Gegenwart aufzählen sollte, also in der Herausbildung der humanistischen Kulturnation ihr eigentliches Ziel hatte«.39 Er lehrte an der Universität Wien nicht nur an der Artistenfakultät, sondern auch an dem 1501 auf seine Initiative hin von König Maximilian I. gegründeten, privilegierten und finanziell dotierten Collegium poetarum (et mathematicorum), einer speziellen, in die Form eines Magisterkollegs gegossenen Humanistenschule im Rahmen der Universität.40 Johannes Cuspinianus (eigentlich Spießheimer, 1473–1529), Celtis’ ebenfalls aus Franken stammender Schüler, wurde zu dessen Nachfolger auf der Wiener Lehrkanzel für Poetik und Rhetorik ernannt. Am 19. März 1508 hielt er seine Antrittsvorlesung über die Praefatio in historiam mundi (»Vorrede zur Geschichte der Welt«) von Plinius dem Jüngeren (Gaius Plinius Caecilius Secundus).41 Cuspinian trat als Autor mehrerer historischer Werke hervor,

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überzeugen konnte, ob die Hörer seine Exegese verstanden hatten.« Brockliss, Lehrpläne, S. 452f. Grössing, Die Lehrtätigkeit des Konrad Celtis in Wien, S. 229. Vgl. die konzise Analyse der Amores bei Robert, Celtis, Sp. 401–404. Hirschi, Wettkampf der Nationen, S. 118. Siehe Clavuot, Flavio Biondos Italia illustrata. Muhlack, Renaissance und Humanismus, S. 211f. (Zitat), und Machilek, Konrad Celtis und die Gelehrtensodalitäten, S. 147f. und 151. – Zur Germania illustrata als einem »Akt der nationalen Selbstbehauptung des deutschen gegenüber dem italienischen Humanismus, mit Mitteln, die dieser zur Verfügung stellt«, siehe Muhlack, Germania illustrata (das Zitat auf S. 156f.), sowie in aller Kürze ders., Renaissance und Humanismus, S. 209–212, Robert, Celtis, Sp. 393–395, und Mertens, Celtis, Germania illustrata. – Zur Germania illustrata und zu den Amores vgl. auch Wuttke, Humanismus als integrative Kraft, S. 399–403 und passim. Siehe die Gründungsurkunde König Maximilians für das Collegium poetarum et mathematicorum vom 31. Oktober 1501 in deutscher Übersetzung in: Wiesflecker-Friedhuber (Hrsg.), Quellen, S. 129f.; Mühlberger, Zwischen Reform und Tradition, S. 19–21; ders., Poetenkolleg und Dichterkrönung. – »Das mit zwei Poesie- und zwei Mathematik-Lehrern ausgestattete Poetenkolleg bot jenen Studenten, welche die an der Artisten-Fakultät vermittelte sprachliche (›triviale‹) und mathematische (›quadriviale‹) Grundausbildung besaßen, eine fachliche Vertiefung im Bereich dieser Artisten-Fächer – wie eben auch die drei oberen Fakultäten weiterführende Spezialisierungen anboten.« Graf-Stuhlhofer, Das Weiterbestehen des Wiener Poetenkollegs, S. 393f. Ankwicz-Kleehoven, Johannes Cuspinian, S. 44. – In seinem »Tagebuch« (bzw. in seinem

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darunter auch einer Austria, einer »historisch-geographischen Landeskunde von Niederösterreich«42 im Sinne der von Konrad Celtis für eine Germania illustrata entwickelten Ideen (abgeschlossen, aber wahrscheinlich nicht vollendet 1528, gedruckt in Basel 1553). Es handelt sich dabei um eine nicht besonders anspruchsvolle Kompilation, deren erster Teil Biographien der babenbergischen Markgrafen und Herzöge von Österreich sowie einen Katalog der habsburgischen Landesfürsten bis zu Karl V. enthält und deren zweiter Teil unter anderem aus einer landeskundlichen Beschreibung (Nieder-)Österreichs (Austriae regionis descriptio) und Viten der österreichischen Landesheiligen Quirin, Maximilian, Florian, Severin, Koloman und Leopold besteht.43 Während die Universität Wien in den beiden ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts »die meistbesuchte Universität im deutschsprachigen Raum« war44, verödete sie in den 1520er Jahren unter anderem als Folge der ersten Blütezeit der Reformation, nicht zuletzt aber wohl auch von Pestepidemien, der wachsenden Konkurrenz neu gegründeter (Landes-)Universitäten (Mainz und Tübingen 1477, Wittenberg 1502, Marburg 1527)45, des großen Wiener Stadtbrandes 1525 und der 1529 in die bekannte zweiwöchige Belagerung Wiens mündenden militärischen Bedrohung durch das Osmanische Reich beinahe völlig. In den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts brachen im Übrigen infolge der scharfen, weithin auf fruchtbaren Boden fallenden Kritik Martin Luthers und seiner Mitstreiter am Klerus und am traditionellen Unterricht an den Fakultäten der Artes und der Theologie die Studentenzahlen an allen Universitäten des Heiligen Römischen Reichs ein, während Luthers wachsender Ruhm zunächst »Heerscharen von Studenten angelockt« hat »und die Universität« Wittenberg »bis 1521 völlig überfüllt« war.46 Durch die in den 1530er Jahren einsetzenden Universitätsreformen König

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Kalender ; vgl. Tersch, Österreichische Selbstzeugnisse, 160–171) hielt Cuspinian unter dem 19. März 1508 fest: »Fæci principium in lectionem oratoriam.« Cuspinian, Tagebuch, S. 402. Ankwicz-Kleehoven, Johannes Cuspinian, S. 245. Ebd., S. 245–256 und 322–327; Lhotsky, Österreichische Historiographie, S. 66–69; Stelzer, Cuspinianus, Sp. 532f. »Ein dritter Teil war der Beschreibung Wiens und seiner Topographie gewidmet, doch wurde er bei der erst 1553 erfolgten Drucklegung ausgeschieden und ging mit dem Originalmanuskript verloren.« Stelzer, Cuspinianus, Sp. 533. – Vgl. auch Gastgeber, Klecker (Hrsg.), Iohannes Cuspinianus, und darin v. a. Coroleu Oberparleiter, Johannes Cuspinians Austria. Engelbrecht, Universität und Staat in Österreich, S. 11. Die Wittenberger Universität, an der seit 1508 Martin Luther lehrte und seit 1518 der aus Tübingen berufene Humanist Philipp Melanchthon die neu geschaffene Griechisch-Professur innehatte, wurde in den Jahren 1519 und 1520 »[m]it einem Schlage […] zur größten Universität Deutschlands«. Winterhager, Wittenberg, S. 175. Roper, Martin Luther, S. 293f.

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Abb. 2: Exlibris von Johannes Cuspinian (1473–1529). Holzschnitt, nach 1502/03.

Ferdinands I.47 wurde das den Lehrbetrieb an der Artistenfakultät im Spätmittelalter prägende sogenannte Regenzsystem, in dessen Rahmen jedes Semester die zu lesenden Bücher (libri ordinarii) an die nicht besoldeten, sondern auf die Kollegiengelder angewiesenen magistri regentes verteilt wurden, durch vom Landesfürsten definierte und mit Stipendien ausgestattete, also besoldete Lehrkanzeln (Lekturen) ersetzt.48 Im Zuge der 1537 von Ferdinand I. angeordneten Reform wurde an der Wiener Artistenfakultät erstmals eine von der Rhetorik getrennte Lehrkanzel für (Alte) Geschichte (Lectura historica) als eigene Professur eingerichtet. Der Professor historicus war angehalten, in seinen Vorlesungen insbesondere Schriften der römischen Geschichtsschreiber Sallust, Caesar, Livius, Tacitus, Curtius (Quintus Curtius Rufus) und Valerius Maximus, 47 Zu den drei Reformgesetzen Ferdinands I. für die Universität Wien aus den Jahren 1533, 1537 und 1554 siehe zusammenfassend Mühlberger, Ferdinand I. als Neugestalter der Universität Wien; außerdem Oman, Die Reform der Wiener Universität durch Ferdinand I. 48 Mühlberger, Zwischen Reform und Tradition, S. 32f. – Im 15. Jahrhundert hatten an der Wiener Artistenfakultät pro Jahr bis zu 100, manchmal auch mehr, magistri regentes Vorlesungen gehalten, im Jahr 1528 hingegen wurden die ordentlichen Lehrbücher an nur 15 Magister verteilt. Ders., Wiener Studentenbursen und Kodreien, S. 163.

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aber auch Vitruvs Werk über die Architektur zu lesen, zu kommentieren und zu interpretieren.49 Seit der Reform von 1537 gab es an der Artistenfakultät übrigens erstmals auch vier verheiratete (also nicht dem Klerus angehörende) Lektoren (d. h. Professoren), die mit ihren Familien außerhalb des – 1384 von Herzog Albrecht III. nach dem Vorbild des 1366 von Kaiser Karl IV. gestifteten Prager Collegium Carolinum für zwölf Artistenmagister gegründeten – Herzogskollegs (Collegium ducale) wohnten. Die Geschichtsprofessur blieb allerdings zunächst unbesetzt. Der erste und einzige Inhaber der Professur scheint Johannes Sylvester (ca. 1504 bis 1552) gewesen zu sein, der als solcher aber erst für das Jahr 1552 belegt ist, in dem er bereits gestorben sein dürfte.50 Durch die 1554 von Ferdinand I. erlassene Reformatio nova wurde die Professur für Geschichte wieder mit jener für die Poetik zusammengelegt, indem ein Professor der Schönen Künste (lit[t]erarum politiarum professor) an die Stelle der bisherigen zwei Professoren für Geschichte einerseits und Poetik andererseits trat. Dieser las künftig sowohl (über) die Historiker Livius, Sallust und Caesar als auch (über) die Dichter Vergil, Ovid, Horaz und Persius.51 Die Reformatio nova von 1554 sollte sich als »das wichtigste landesfürstliche Privileg [der Universität Wien] nach den Stiftbriefen Herzog Rudolfs IV. von 1365 und Herzog Albrechts III. von 1384, gleichsam die Verfassungsurkunde der Universität Wien bis zur sogenannten Sanctio Pragmatica des Jahres 1623« erweisen.52 Ja, im Großen und Ganzen kam es sogar zwischen 1554 und der ersten Theresianischen Universitätsreform von 1753 an der Wiener Universität zu keinen einschneidenden Änderungen, »weder was die institutionelle, die materielle, noch was die inhaltliche Seite der Universität betraf«.53 Durch die Reformen Ferdinands I. wurde 49 Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, Bd. 3, S. 46. 50 Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/2, S. 166; Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 42; Mühlberger, Wiener Studentenbursen und Kodreien, S. 141–143. – Johannes (J#nos) Sylvester, ein katholischer Erasmianer, verfasste die erste ungarische Grammatik (Grammatica Hungaro-Latina, 1539) und übersetzte als erster das gesamte Neue Testament (erschienen 1541 mit einer Widmung an König Ferdinand I. und seine Söhne) und Teile des Alten Testaments aus dem griechischen bzw. hebräischen Urtext ins Ungarische. Fata, Ungarn, das Reich der Stephanskrone, S. 53f. und 181; Péter, Bibellesen, S. 25–27. 51 Reformatio seu Statuta pro Universitate Viennensi, 1. Januar 1554, Pergamentlibell, Archiv der Universität Wien, Ladula 39, Nr. 1; Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 267; Goldmann, Die Wiener Universität, S. 158; Oman, Die Reform der Wiener Universität, S. 15. – Bei Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 2, S. 382, aber auch noch bei Meister, Das Werden der philosophischen Fakultät Wien, S. 365, irrtümlich Literarum Politicarum Professor. 52 Mühlberger, Zwischen Reform und Tradition, S. 30. 53 Hammerstein, Aufklärung und katholisches Reich, S. 174. – Bereits 1854 formulierte Rudolf Kink ebenso bündig wie treffend, die Reformatio nova vom 1. Januar 1554 habe »mit geringen Abänderungen durch zwei volle Jahrhunderte das Grundgesetz der Universität« dargestellt. Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 257.

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die Universität Wien, die im Text der Reformatio nova ausdrücklich als »eine hervorragende Pflanzstätte zur Verbreitung der Religion und zur richtigen Führung des Staates«54 – also zur Ausbildung des (Pfarr-)Klerus und der Beamtenschaft55 – angesprochen wird, tendenziell aus einer kirchlichen bzw. klerikalen Korporation in eine – von einem landesfürstlichen Superintendenten beaufsichtigte – Landesuniversität umgewandelt.56 Unter dem Einfluss Philipp Melanchthons (1497–1560) und seiner Schüler wurde es in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts üblich, dass sich die Professoren an den protestantischen Universitäten, die mit Geschichtsvorlesungen betraut wurden, in ihrer Lehre nicht mehr auf die Alte Geschichte beschränkten, sondern sich der Universalgeschichte »in ihrem ganzen Umfang«57 widmeten und dabei zunehmend zwischen Profangeschichte und Kirchengeschichte zu unterscheiden begannen.58 An den katholisch gebliebenen Universitäten gerieten die theologischen Fakultäten und die Artistenfakultäten seit den 1550er Jahren mehr und mehr unter den Einfluss des Jesuitenordens. In dessen 1599 erlassenem und bis zur Auflösung des Ordens durch das Breve Dominus ac Redemptor noster des dem Franziskanerorden angehörenden Papstes Clemens’ XIV. vom 21. Juli 1773 in Kraft befindlichem Lehr- und Studienplan, der Ratio atque Institutio Studiorum Societatis Jesu (»System und Plan der Studien in der Gesellschaft Jesu«), wurde im dreijährigen Philosophischen Kurs (Cursus phi54 »[…] studium generale, tanquam praecipuum propagandae religionis et reipublicae recte gubernandae seminarium in civitate nostra Viennensi […].« Zitiert nach Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 2, S. 373. 55 Das Rechtsstudium an einer in- oder ausländischen Universität »wurde bis Ende des 17. Jahrhunderts zur fast unabdingbaren Voraussetzung für Posten sowohl an Gerichtshöfen als auch in der Zentral- und Regionalverwaltung« der Habsburgermonarchie. Evans, Die Universität im geistigen Milieu der habsburgischen Länder, S. 191. 56 Mit den Worten Alphons Lhotskys in seinem Ende August 1965 in der Wiener Staatsoper gehaltenen Festvortrag im Rahmen des 12. Internationalen Historikerkongresses: »Ferdinand I. hat nach 1530 aus der Alma mater Rudolphina eine staatliche Lehranstalt gemacht.« Lhotsky, Die Universitäten im Spätmittelalter, S. 48. – Zum Verhältnis zwischen der Artistenfakultät der Wiener Universität und dem Wiener Jesuitenkolleg in den ersten Jahren nach der 1551 erfolgten Berufung der Jesuiten nach Wien siehe u. a. Heiss, Von der Autonomie zur staatlichen Kontrolle, S. 176–186. 57 Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 52. 58 Vgl. ebd., S. 103–131. An der 1576 gegründeten Universität Helmstedt wurde bei ihrer Gründung an der Theologischen Fakultät erstmals im Heiligen Römischen Reich die Kirchengeschichte als eigenes Lehrfach eingeführt. Ebd., S. 122. Zur Ausbildung der Kirchengeschichte zu einer selbständigen theologischen Disziplin an den protestantischen Universitäten im 17. und frühen 18. Jahrhundert siehe ebd., S. 213–273. – Zur »zweifache[n] Einschränkung der [in erster Linie auf der Bibel basierenden; Th.W.] christlichen Universalhistorie« durch den »Rückzug der biblischen Prophetie von der neueren Geschichte« und »die Absonderung der (biblischen) Anfänge der Geschichte als eine von der universalhistorischen Einheit zunehmend ausgegrenzten Epoche der [›antediluvianischen‹; Th.W.] Vorgeschichte« siehe Zedelmaier, Marginalisierung (das Zitat auf S. 21).

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losophicus) an den Artisten- bzw. philosophischen Fakultäten der Geschichtsunterricht beinahe vollständig eliminiert und jedenfalls auf »die Exempelfunktion der ›antiquitates‹« reduziert.59 Nur in den beiden obersten Klassen60 der (in der Österreichischen Ordensprovinz sechsklassigen) Gymnasien wurde das Studium der Geschichte berücksichtigt – freilich nicht als eigenes Fach, sondern, ebenso wie die anderen Realien, nur als Gegenstand der Rhetorik, als sogenannte eruditio (gelehrtes Wissen, höhere Bildung).61 Zum Zwecke der Verbesserung der lateinischen Sprachkenntnisse sollten in der Humanitätsklasse, also in der vorletzten Klasse des Gymnasiums, nicht nur Werke antiker Redner und Dichter gelesen und erläutert werden, sondern auch solche von Geschichtsschreibern, insbesondere von Caesar, Sallust, Livius und Curtius. »Das historische Wissen (eruditio)«, heißt es in den Vorschriften für den Professor der Humanität, »behandle man mit Maß, um die Schüler von Zeit zu Zeit zu unterhalten, aber nicht an der Achtsamkeit auf die Sprache zu hindern.«62 Die einschlägigen Anweisungen für den Professor der Rhetorik, also den Professor der letzten Klasse des Gymnasiums, in der Ratio Studiorum lauten, in deutscher Übersetzung, folgendermaßen: »Das gelehrte Wissen [bzw. die höhere Bildung] (eruditio) […] muss aus der Geschichte und den Sitten der Völker, aus den angesehensten Autoren und jeder Art von Gelehrsamkeit (doctrina), jedoch gemäß der Fassungskraft der Schüler mit weiser Maßhaltung, gewonnen werden.«63

59 Meuthen, Humanismus und Geschichtsunterricht, S. 19f. und 47–49, das Zitat auf S. 48, Anm. 230. 60 Eine »Klasse« war nicht als Alterskohorte definiert, »sondern durch den Lernfortschritt […] – man wurde nicht nach einem Jahr [in die nächste Klasse] versetzt, sondern nach erfolgreichem Absolvieren der vorgesehenen Inhalte«. Friedrich (Markus), Die Jesuiten, S. 299. 61 Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 85–90; Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 154–159. – »Besonders im deutschsprachigen Raum wurde von Jesuiten darauf hingewiesen, daß geschichtliche Kenntnisse nicht nur gelegentlich der Lektüre historischer Texte von klassischen Autoren vermittelt werden sollten, sondern eine zusammenhängende Darstellung der Welt- und Kirchengeschichte grundsätzlich notwendig sei. Dieser Aufgabe wurde aber nicht hinreichend Zeit eingeräumt.« Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 157f. – An den Gymnasien der österreichischen und böhmischen Länder wurden die Ratio studiorum der Jesuiten sowie die Lehrpläne der Piaristen und der Benediktiner 1764 durch eine von Maria Theresia erlassene Instructio pro Scholis humanioribus ersetzt. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 149–151. – Vgl. auch Engel, Die deutschen Universitäten und die Geschichtswissenschaft, S. 247f. 62 Pachtler, Ratio Studiorum, Bd. 2, S. 415. – In der Lektion sollte der Professor Humanitatis »bisweilen, soweit die Erklärung der [gerade gelesenen und besprochenen] Stelle es erfordert, ein wenig historisches Wissen als Zugabe ein[streuen]«. Ebd., S. 421. 63 Ebd., S. 401 (die Übersetzung wurde hier und in den folgenden Zitaten sprachlich modifiziert). Vgl. auch Brader, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichts, S. 731.

Die Wiener Artistenfakultät bis 1623

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»Am Vakanztag soll ein Geschichtsschreiber oder ein Dichter oder etwas zur höheren Bildung [bzw. zum gelehrten Wissen] (eruditio) Gehörendes erklärt und dann abgefragt werden. Am Samstag soll nach einer kurzen Wiederholung der ganzen Woche in der ersten Stunde ein Geschichtsschreiber oder ein Dichter gelesen […] werden […]. Wo aber zu den zwei Stunden vor- und nachmittags eine halbe Stunde zugegeben wird, soll sie dem Geschichtsschreiber oder dem Dichter zugutekommen.«64 »In der Griechischstunde kann man Redner, Geschichtsschreiber oder Dichter erklären, aber es sollen nur alte Klassiker sein, wie Demosthenes, Plato, Thukydides, Homer, Hesiod, Pindar und dergleichen, natürlich in gereinigten Ausgaben. Im ersten Semester erkläre man Redner oder Geschichtsschreiber […]; im zweiten Semester erkläre man einen Dichter und schiebe einmal wöchentlich einen Redner oder einen Geschichtsschreiber ein.«65 »Zur Beförderung des gelehrten Wissens [bzw. der höheren Bildung] (eruditionis causa) mag man [sc. der Professor der Rhetorik] bisweilen an Ferientagen anstelle des Geschichtsschreibers andere, ferner liegende Dinge vornehmen, z. B. hieroglyphische Zeichen, Embleme, Fragen bezüglich der Theorie der Dichtkunst (Epigramm, Grabschrift, Ode, Elegie, Heldengedicht und Trauerspiel), den römischen und den athenischen Senat, das Kriegswesen beider Völker [sc. der ›alten‹ Griechen und Römer], das [antike] Gartenwesen, die Gewänder, den Speisesaal, den Triumphzug, die Sibyllen und dergleichen, jedoch mit Maß.«66

1710 soll es weltweit nicht weniger als 612 Jesuitenkollegien gegeben haben. »Das Netzwerk an Schulen, das die Gesellschaft Jesu unterhielt, dürfte damit eines der größten seiner Art in der Geschichte gewesen sein.«67 Nicht nur in Wien, sondern beispielsweise auch in Paris, Salamanca und Prag gerieten die Jesuiten mit ihren Kollegien in teilweise scharfe Konkurrenz zu den Universitäten, »zumal dort, wo sie große und stark ausgebaute Schulen mit universitätsähnlichem Angebot betrieben«.68 An der Universität Ingolstadt im Herzogtum Bayern wurden 1549 erstmals mehrere (nämlich drei) Lehrstühle an der Theologischen Fakultät dem Orden übertragen. 1576 richtete die Gesellschaft Jesu in ihrem neuen Ingolstädter Kolleg (Gymnasium) einen vollständigen philosophischen Kursus (»Cursus philosophicus«) ein, der künftig als »pars et utile membrum universitatis« (»Teil und nützliches Glied der Universität«) galt. 1585 ließ Herzog 64 Pachtler, Ratio Studiorum, Bd. 2, S. 403. 65 Ebd., S. 411. – Nebenbei sei bemerkt, dass nicht nur an den Gymnasien (aller Konfessionen), sondern auch an den artistischen bzw. philosophischen Fakultäten der frühneuzeitlichen Universitäten die Studenten »selten die Originaltexte [benutzten], sondern die gemäß den jeweiligen konfessionellen, politischen und moralischen Vorstellungen ›gereinigten‹ Ausgaben«. Brockliss, Lehrpläne, S. 458. 66 Pachtler, Ratio Studiorum, Bd. 2, S. 411. Vgl. auch Brader, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichts, S. 732, und Friedrich (Markus), Die Jesuiten, S. 296f. 67 Friedrich (Markus), Die Jesuiten, S. 287. 68 Ebd., S. 289f.

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Wilhelm V. den Vorlesungsbetrieb an der Artistenfakultät der Landesuniversität einstellen und beendete damit die seit 1576 bestehende Doppelgleisigkeit.69 Einige Jahrzehnte später folgten die Habsburger bezüglich der Universität Wien dem wittelsbachischen Vorbild – mit dem Unterschied, dass in Wien nicht der Unterricht an der Philosophischen bzw. der Artistenfakultät der Universität, sondern der Philosophieunterricht am Jesuitenkolleg eingestellt wurde.

1.2. Das Fach Geschichte an der Wiener Jesuitenuniversität (1623–1773) Nachdem die Wiener Jesuiten bereits 1617 mit kaiserlicher und päpstlicher Bestätigung Teile der Artistenfakultät übernommen und den Philosophischen Kurs an ihrem Kolleg eingestellt hatten, wurde das 1551 gegründete Wiener Jesuitenkolleg durch die sogenannte, im Oktober 1623 publizierte Pragmatische Sanktion (Sanctio pragmatica) Kaiser Ferdinands II. mit der Wiener Universität vereinigt bzw. dieser einverleibt. Damit war endlich »auch das ursprüngliche […] Ziel der Jesuiten nach siebzigjährigem Ringen erreicht«.70 Die meisten Lehrkanzeln der Artistenfakultät und der Theologischen Fakultät, an denen 1623 die Bestimmungen der Ratio Studiorum von 1599 in Kraft traten, wurden daraufhin mit Patres der Societas Jesu besetzt, »die durch 150 Jahre die Universität prägen sollten«.71 Der Jesuitenorden richtete den Cursus philosophicus weitgehend auf ein anschließendes Theologiestudium aus, ein Umstand, der den Jesuiten später, im Zusammenhang mit den Universitätsreformen unter Maria Theresia ab die Mitte des 18. Jahrhunderts, zum Vorwurf gemacht werden sollte.72 Die 1617 auf Initiative und mit finanzieller Unterstützung des Erzbischofs Marcus Sitticus von Hohenems gegründete, 1622 vom Kaiser und 1625 vom Papst bestätigte, von einer Konföderation von Benediktinerklöstern Süddeutschlands und der Salzburger Kirchenprovinz getragene Universität Salzburg scheint im 17. Jahrhundert die einzige katholische Universität gewesen zu sein, »an der Geschichte als Unterrichtsfach gelehrt wurde«.73 Die Jesuiten 69 Hengst, Jesuiten an Universitäten, S. 85–99. 70 Mühlberger, Zwischen Reform und Tradition, S. 42. 71 Mühlberger, Die Universität Wien, S. 29. – Erzherzog Leopold V., der Bruder Kaiser Ferdinands II., hatte als Gubernator und künftiger Landesfürst der ober- und vorderösterreichischen Länder bereits im November 1620 den Jesuiten die gesamte Artistenfakultät sowie zwei Lehrstühle an der Theologischen Fakultät der vorderösterreichischen Landesuniversität Freiburg im Breisgau übergeben. Hengst, Jesuiten an Universitäten, S. 143–148. 72 Mühlberger, Promotion und Adelsverleihung, S. 583. 73 Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, S. 207. Die beste

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hingegen sträubten sich noch im frühen 18. Jahrhundert gegen die Einführung des Faches Geschichte an den philosophischen Fakultäten »ihrer« Universitäten. So beauftragte Kaiser Joseph I. (1705–1711) ohne Erfolg die böhmischen Statthalter, »dahin zu reflektieren«, ob nicht an der 1654 mit dem Collegium Clementinum der Jesuiten vereinigten Universität Prag »zur bessern Excolierung der Noblesse [d. h. zur Verbesserung der gelehrten Bildung der männlichen adeligen Jugend; Th.W.] ein eigener beständiger Professor geographiae et historiae an- und aufzunehmen« sei.74 In den – in der Österreichischen Ordensprovinz wie gesagt sechsklassigen75 – Jesuitengymnasien wurden, in Befolgung der oben zitierten Vorschriften der Ratio Studiorum, in der fünften Klasse (der sogenannten Poetikklasse) auch Passagen aus den Werken der Historiker Caesar, Sallust, Livius und Curtius gelesen und übersetzt.76 Ein Geschichtsunterricht im eigentlichen Sinn ist an den meisten Jesuitengymnasien jedoch erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingeführt worden.77 Als erste Jesuitenuniversität richtete die vorderösterreichische Universität Freiburg im Breisgau 1716, und zwar auf Initiative der Breisgauer Landstände, an der Philosophischen Fakultät eine Professur für Geschichte ein.78 Es folgten die Universitäten Würzburg (1720) und Ingolstadt (1726).79 An der Philosophischen

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Überblicksdarstellung der Geschichte der Benediktiner-Universität Salzburg (1617–1810) ist Hermann, Salzburg, Universität. – An der Universität Salzburg wurde Geschichte zunächst, möglicherweise bereits seit 1627, in Verbindung mit Ethik vorgetragen. Mit Sicherheit wurde Geschichte – sowohl Universal- als auch Partikulargeschichte – neben Ethik jedenfalls seit 1671 von dem bedeutenden Dichter und Historiker Simon Rettenpacher (1634–1706) sowie von seinen Nachfolgern gelehrt. Siehe Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 279– 286, v. a. aber Mühlböck, Die Pflege der Geschichte an der alten Universität (1972); dies., Die Pflege der Geschichte an der alten Universität Salzburg (1973); Apfelauer, Die Geschichtsschreibung an der alten Benediktineruniversität Salzburg. Zitiert nach Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 278. Nach der 1773 erfolgten Auflösung des Jesuitenordens wurde die Klassenzahl der Gymnasien in der Habsburgermonarchie ab dem Schuljahr 1776/77 von sechs auf fünf reduziert. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 155. Lackner, Die Jesuitenprofessoren an der philosophischen Fakultät der Wiener Universität, S. 13 und 26f.; Hammer, Geschichte des Geschichtsunterrichtes, S. 3–31. Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 286f. Ebd., S. 289–293. Ebd., S. 293–306. – Als die Jesuiten der Oberdeutschen Ordensprovinz 1624 den Plan diskutierten, an der bayerischen Landesuniversität Ingolstadt – sei es an der Philosophischen oder der Theologischen Fakultät – eine Geschichtsprofessur einzurichten, wurde unter anderem (nach dem Vorbild der Universität Freiburg im Breisgau) eine Verbindung der Lehre der Geschichte mit jener der Ethik erwogen, ebenso eine Verbindung mit der philosophischen Staatslehre. Die Gutachter waren sich nicht einig, ob es sich bei der Geschichte um eine Hilfswissenschaft der Jurisprudenz oder der Theologie handelte oder um eine solche sowohl der Jurisprudenz als auch der Theologie, insbesondere der Kontroverstheologie, oder aber weder um das eine noch das andere. Dickerhof, Universitätsreform und Wissenschaftsauffassung.

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Fakultät der Universität Wien scheint bereits ab 1709 P. Franz Molindes (1678– 1768), der Professor der Ethik (und spätere Provinzial der Österreichischen Ordensprovinz), als Erster universalgeschichtliche Vorlesungen gehalten zu haben. Um 1710 begann P. Franz Wagner (1675–1738) in systematischer Weise den Geschichtsunterricht an den österreichischen Jesuitengymnasien zu organisieren und verfasste dafür auch ein sechsteiliges, zwischen 1729 und 1733 erschienenes Lehrbuch der Universalgeschichte.80 Aber erst 1728/29 richteten die Jesuiten auf Initiative des ehemaligen Rektors des Wiener Jesuitenkollegs und damaligen Provinzials der Österreichischen Provinz, P. Johann Baptist Thullner (1668–1747)81, eine Lehrkanzel für Geschichte ein, was von Kaiser Karl VI. mit der Bemerkung »erit valde utile« (»das wird sehr nützlich sein«) begrüßt worden sein soll.82 Im Januar 1729 eröffnete P. Joseph Pichler (1682– 1742), ein gebürtiger Wiener, der bis dahin als Professor der Rhetorik gewirkt hatte, das erste historische Kolleg, also die erste historische Vorlesung, in dem bzw. der er vor dem Akademischen Senat und geladenen Gästen – selbstverständlich in lateinischer Sprache – über die Methode und den Nutzen der Geschichte sprach. Er las dreimal wöchentlich abwechselnd über Universalgeschichte und Partikulargeschichte, also die Geschichte einzelner Länder, und zwar im ersten Jahr über deutsche Geschichte, wohl insbesondere die mittelalterliche Reichs- bzw. Kaisergeschichte. Pater Pichler hatte den neugeschaffenen Lehrstuhl für Geschichte bis 1737 inne.83 Sein Nachfolger wurde (bis 1745) P. Sigismund Calles (1695–1761), der Autor einer auf quellenmäßiger Grundlage fundierten österreichischen Landesgeschichte (Annales Austriae) von den Anfängen bis zum Auftreten der Habsburger in zwei Bänden (Wien 1750) und einer umfangreichen Kirchengeschichte Deutschlands (Annales ecclesiastici Germaniae) in sechs Bänden (Wien 1756–1769).84 Von 1745 bis 1752 hatte P. Joseph 80 Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 306; Brader, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichts, S. 736f. und 745–749. – P. Franz Wagner wurde von Karl VI. zum Hofhistoriographen ernannt. Er verfasste u. a. eine in elegantem Latein verfasste, 1719 und 1731 in zwei Foliobänden erschienene Biographie und Zeitgeschichte der Regierungszeit Leopolds I. (Historia Leopoldi Magni Romanorum Imperatoris) sowie ein (erst 1745 gedrucktes) Werk über die Persönlichkeit und die Regierung Josephs I. (Historia Josephi Caesaris). Coreth, Österreichische Geschichtschreibung in der Barockzeit, S. 76–78. Zu Wagners Geschichtslehrbuch für die Gymnasien siehe u. a. ebd., S. 25f., und Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 336f. 81 Eine Kurzbiographie Thullners bietet Ensle, Die Jesuitenprofessoren an der philosophischen Fakultät, S. 213f. 82 Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 307; Lackner, Jesuitenprofessoren, S. 16. 83 Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 307–309; Lackner, Jesuitenprofessoren, S. 347; Goldmann, Die Wiener Universität, S. 163f. 84 Locher, Speculum academicum Viennense, Teil 3, S. 49; Lackner, Jesuitenprofessoren, S. 81–86; Coreth, Österreichische Geschichtschreibung in der Barockzeit, S. 118f. und 142f. – Calles bemühte sich offenbar um eine Verbesserung und Professionalisierung des

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Pohl (1711–1786) den Lehrstuhl für Geschichte an der Wiener Philosophischen Fakultät inne. Mit dem Studienjahr 1752/53 wechselte er an die Theologische Fakultät, wo er bis zur Aufhebung der Gesellschaft Jesu im Jahr 177385 Kirchengeschichte lehrte.86 Wie an den anderen katholischen Universitäten des 18. Jahrhunderts, an denen der Lehrbetrieb der philosophischen Fakultäten vom Jesuitenorden bestimmt wurde, ging es auch in Wien nach wie vor »um die Vermittlung eines allgemeinen Bildungswissens, nicht um die einer fachspezifischen Qualifikation. Geschichte wurde, in Weiterführung der humanistisch-rhetorischen Tradition, als Teil des philosophischen Propädeutikums angesehen, aber eben nicht als eigenständige Fachdisziplin. Diesem Konzept zufolge konnte sich der Geschichtsprofessor auch weitgehend darauf beschränken, aus einigen vorgegebenen Handbüchern die als gesichert geltenden Fakten vorzutragen. Themen des neuen Faches Geschichte waren also: die Universalgeschichte, ferner die europäische Staatengeschichte, natürlich auch die Kirchengeschichte und schließlich die deutsche Reichsgeschichte, die eigene Territorial- bzw. Dynastiegeschichte, zuweilen auch die Genealogie. Eigene Forschungsleistungen brauchte der Geschichtsordinarius ebensowenig [zu] erbringen wie es nicht seine Aufgabe war, seine Studenten in speziellere Themen bzw. gar in die historischen Hilfswissenschaften (d. h. also in die Methoden der Geschichtsforschung) einzuführen.«87

Bereits in den 1730er Jahren, also in der späten Regierungszeit Kaiser Karls VI., bestand am Wiener Hof die Absicht, die Universität Wien zu reformieren. Grete Klingenstein hat auf den Einfluss der Ritterakademien »auf die an den Universitäten einsetzende Reformgesinnung« und auf die »standesbezogene, adelige Wurzel der Reformversuche in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts« aufmerksam gemacht.88 Den »ersten Schritt zu einer nachfolgenden großangelegten und allgemeinen Studienreform« in der Regierungszeit seiner Tochter Maria Theresia (1740–1780) stellte ein Dekret Karls VI. vom 16. November 1735 betreffend die Reform des Unterrichts an den Gymnasien der Jesuiten dar, das von diesen aber mehr oder weniger ignoriert wurde.89 Der protestantische thüringische Jurist Johann Basilius Küchelbecker berichtet in seinem 1730 in Hannover gedruckten monumentalen Reisebegleiter für Wienbesucher auch über den »Zustand derer Studien« an der Universität Wien, an der nach seinem

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Geschichtsunterrichts an der Universität Wien und stützte sich dabei unter anderem auf die ungedruckt gebliebene Abhandlung De modo discendae Historiae (»Die Art und Weise, Geschichte zu lernen«) des aus Trient stammenden Präfekten der kaiserlichen Hofbibliothek Johann Benedikt Gentilotti von Engelsbrunn (1672–1725). Benz, Zwischen Tradition und Kritik, S. 423. Zu dieser siehe z. B. Vogel, Aufhebung der Gesellschaft Jesu, und Burson, Wright (Hrsg.), Jesuit Suppression. Lackner, Jesuitenprofessoren, S. 350f. Blanke, Historiker als Beruf, S. 347f. Klingenstein, Vorstufen der theresianischen Studienreformen, S. 349 und 354. Ebd., S. 361.

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Zeugnis damals nur wenige Ausländer studierten. Küchelbecker schreibt unter anderem: »[…] die Moral und Jus Naturæ werden allhier schlecht tractiret, und fast nichts als Fabeln und absurde Principia, deren sich ein jedweder vernünfftiger Mensch schämen muß, tradiret. Das Jus publicum und die Historie, so wohl die Profan- als KirchenGeschichte, können ebenfalls nicht aufrichtig gelehret werden, weil sonsten die Römische Kirche ziemlich würde censiret [d. h. sehr kritisch behandelt; Th.W.] werden müssen. Dieses alles ist auch die Ursache, warum so viele Oesterreichische Cavalliers [d. h. Adelige aus der Habsburgermonarchie; Th.W.], wenn sie auf Reisen gehen, zu Leyden noch eine Zeit lang studiren, und diese Studia daselbst tractiren. Und mit kurtzen: wie ist es möglich, hinter die Wahrheit zu kommen, wo man nicht libertatem sentiendi, & ratiocinandi90 hat. Denn Latein und die Metaphysique alleine machen keinen Gelehrten.«91

Nach den verlorenen Kriegen der 1740er Jahre (Österreichischer Erbfolgekrieg, Erster und Zweiter Schlesischer Krieg) wurden in der Habsburgermonarchie im Rahmen eines umfassenden, nicht zuletzt vom Vorbild protestantischer Staaten wie der Republik der Vereinigten Niederlande, Großbritanniens und der Kurfürstentümer Brandenburg-Preußen und Hannover inspirierten Modernisierungsprogramms auch die Universitäten vom Staat gezielt in den Dienst der – nicht zuletzt zur Erhöhung der militärischen Schlagkraft der Monarchie – für notwendig erachteten Veränderungen gestellt. In einem um 1750 einsetzenden, sich über mehrere Jahrzehnte hinziehenden Reformprozess wurden die Universitäten allmählich aus dem Einflussbereich des Jesuitenordens herausgelöst und zu Staatslehranstalten »umgeformt, deren Aufgabe es war, Menschen mit [für den Staat] brauchbaren Kenntnissen und weltlich nüchterner Urteilsfähigkeit auszubilden«.92 1752 wurden im Auftrag Maria Theresias vom Wiener Erzbischof Johann Joseph Graf Trautson entworfene neue Studienordnungen für die philosophischen und die theologischen Fakultäten der Universitäten der Habsburgermonarchie erlassen. Aus dem zweijährigen, in erster Linie der Allgemeinbildung der künftigen Theologen, Juristen und Mediziner dienenden Studium an den philosophischen Fakultäten wurde die Geschichte gänzlich herausgenommen. Die Kirchengeschichte und die Profangeschichte sollten, zusammen mit der Eloquenz (Rhetorik) und der griechischen Sprache, in Hinkunft in einem neu eingeführten sogenannten Interkalarjahr (d. h. Schaltjahr) zwischen der philo90 Auf Deutsch: »die Freiheit zu denken und Schlüsse zu ziehen«. 91 Küchelbecker, Allerneueste Nachricht vom Römisch-Käyserlichen Hofe, S. 656f. – Zu Küchelbecker und seinem Werk siehe Fechner, Küchelbecker über Wien und die Österreicher; Kauffmann, »Es ist nur ein Wien!«, S. 69–87; Tersch, Zwei Bilder einer Stadt. 92 Klingenstein, Despotismus und Wissenschaft, S. 140. Vgl. auch Engelbrecht, Universität und Staat in Österreich, S. 13–18.

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sophischen Fakultät und den drei höheren Fakultäten gelehrt werden. Die Kirchengeschichte sollte nur für die Kandidaten der Theologie, die Profangeschichte nur für die Kandidaten des Rechts zum Pflichtfach werden. Die Historie wurde somit praktisch »zur Hilfswissenschaft der Theologie bzw. der Jurisprudenz erklärt«.93 Die Professur für Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien wurde 1752 aufgelassen.94 An ihrer Stelle wurde – nach dem Vorbild der Universitäten in protestantischen Territorien des Heiligen Römischen Reichs – eine Professur für Staatengeschichte (bzw. »Geschichte der Friedensschlüsse und Bündnisse« [historia foederum publicarum]) und für Reichs-Historie, den Vorläufer der modernen Verfassungsgeschichte, an der Juridischen Fakultät errichtet.95 Was die Profangeschichte betrifft, sollte sich der Professor der Geschichten (im Plural [Professor Historiarum]!) insbesondere der Reichsgeschichte (d. h. der Reichs-Historie, also der Geschichte des Heiligen Römischen Reichs und seiner Institutionen und Organe96) und der österreichischen Geschichte (also der Geschichte der Habsburgermonarchie, der Monarchia Austriaca) widmen.97 93 Dickerhof, Die katholischen Universitäten im Heiligen Römischen Reich, S. 35. »Das Intercalarjahr der österreichischen Universitäten organisierte erstmals den Hiat zwischen einem eigenständigen Bildungsauftrag des philosophischen Kursus und den hilfswissenschaftlichen Serviceleistungen für die oberen Fakultäten.« Ebd., S. 42f. – Zur Rolle der Geschichte und ihrer Hilfswissenschaften (Urkundenlehre, Chronologie, Paläographie, Genealogie, Heraldik, Sphragistik, Numismatik, [Historische] Geographie und Topographie) als Hilfsdisziplinen der Jurisprudenz an protestantischen und katholischen Universitäten des deutschen Sprachraums im 17. und 18. Jahrhundert siehe auch Engel, Die deutschen Universitäten und die Geschichtswissenschaft, S. 266–273. »Die Historie besaß [in Göttingen, Halle und einigen anderen deutschen Universitäten bis ins späte 18. Jahrhundert, an den Universitäten der Habsburgermonarchie sogar bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts; Th.W.] weder einen eigenen wissenschaftlichen Gegenstand, noch einen eigenen Anspruch, der über das Propädeutische hinausgegangen wäre.« Ebd., S. 282. 94 Engelbrecht, Universität und Staat in Österreich, S. 16. 95 Meister, Das Werden der philosophischen Fakultät Wien, S. 366; Hammerstein, Aufklärung und katholisches Reich, S. 181 und 187f. Staatssekretär Johann Christoph von Bartenstein befand es »für nöthig […], über die Friedensschlüsse, Bündnisse und Tractaten eine besondere öffentliche Vorlesung einzusetzen, als eine Sache, die zur Aufnahme hiesiger Universität nicht wenig beytragen dörfte«. Zitiert ebd., S. 187, Anm. 50. 96 Johann Stephan Pütter (1725–1807), Professor der Rechte an der Universität Göttingen, definierte den Gegenstand in seinem Handbuch der Teutschen Reichs-Historie (Göttingen 1772) kurz und bündig wie folgt: »Die Teutsche Reichs-Historie […] hat zu ihrem eigentlichen Gegenstande, daß man diejenigen Begebenheiten in ihrem Zusammenhange kennenlerne, welche dazu dienen, den heutigen Zustand des Teutschen Reichs aus seinen Gründen einzusehen.« Zitiert nach Hammerstein, Reichs-Historie, S. 102. Vgl. Ebel, Johann Stephan Pütter, S. 97–109 und 189f. 97 Die Reichs-Historie war im 17. Jahrhundert mit Zentren an den Universitäten Jena und Helmstedt als »eine Art Hilfsdisziplin […] der [Reichs-]Publicistik, der Lehre vom ReichsStaatsrecht, dem Jus Publicum Romano Germanicum«, entstanden. Hammerstein, ReichsHistorie, S. 83. Erst in den 1720er und 1730er Jahren setzten »auch an katholischen Uni-

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Während an den Universitäten in Prag, Graz, Innsbruck und Freiburg im Breisgau ein und derselbe Professor die Kirchen- und die Profangeschichte vertrat, kam es in Wien wenig später zur Einrichtung von zwei getrennten Professuren. Im Studienjahr 1752/53 trug noch P. Joseph Pohl, der in diesem Jahr von der Philosophischen an die Theologische Fakultät versetzt wurde, sowohl die Profan- als auch die Kirchengeschichte vor. 1753 wurde (Karl) Michael O’Lynch (1695–1758), der seit 1746 an der Juridischen Fakultät der Universität Prag den neugeschaffenen Lehrstuhl für Geschichte und Eloquenz (historiarum et eloquentiae), der bald in einen Lehrstuhl für Geschichte, Geographie und Heraldik umgewandelt worden war, bekleidet hatte98, an die Juridische Fakultät der Universität Wien berufen (bzw. versetzt), um künftig ausschließlich für Juristen profanhistorische Vorlesungen (insbesondere über Reichs-Historie sowie über Friedensschlüsse und Bündnisse seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts) zu halten. Daneben trug O’Lynch auch an der 1749 von Maria Theresia gestifteten Theresianischen Ritterakademie (Collegium Theresianum) Reichsgeschichte und politische Wissenschaften vor.99 Zum Nachfolger O’Lynchs als »Professor Historiarum« an der Juridischen, de facto aber doch an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien100 wurde 1758 der aus dem Trentino stammende Giovanni Battista de Gaspari (1702– 1768) bestellt. De Gaspari, ein Schüler des berühmten Vertreters der Katholischen Aufklärung Ludovico Antonio Muratori, hatte in Innsbruck, Vicenza und Padua Philosophie und Jus studiert und war anschließend als Übersetzer in Venedig, als Professor an der Ritterakademie Ettal in Bayern und als Hofmeister versitäten Bestrebungen ein, diese neuen […] Materien zum Vortrag zu bringen, oder besser : bringen zu lassen. Denn auch hier waren vielfach die Landesherren selbst die Treibenden.« Ebd., S. 91. An der Juridischen Fakultät der Universität Wien wurde erst 1753 eine Professur für das Jus publicum et feudale eingerichtet, die 1754 mit Karl Anton von Martini besetzt wurde. Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 463–471. – Zum Jus Publicum Romano-Germanicum siehe v. a. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1. ˇ ornejová, Filozofick# fakulta, S. 101; Beránek, Pr#vnick# fakulta, S. 143f.; 98 Pavlíková, C Kazbunda, Stolice deˇjin, Teil 1, S. 20f., 31–37 und 43f. Vor der Berufung an die Universität Prag war O’Lynch, ein Mann offenbar irischer Abstammung, Professor für Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Ritterakademie in Liegnitz in Schlesien gewesen. Kazbunda, Stolice deˇjin, Teil 1, S. 20; Beránek, Pr#vnick# fakulta, S. 144. 99 Locher, Speculum academicum Viennense, Teil 3, S. 26; Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 348–353; Schwarz (Godehard), Die philosophische Fakultät der Universität Wien 1740–1800, S. 86; Seifert, Paul Joseph Riegger, S. 138, 146 und 155; Guglia, Das Theresianum, S. 72f. – Am Theresianum »wurden die Stiefkinder der Universität: Geschichte, experimentelle Physik und Rhetorik, als Einführung in die deutsche Literatur, durch beste Lehrer besonders gepflegt«. Winter, Barock, Absolutismus und Aufklärung, S. 172. 100 Laut Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 460, Anm. 596, wurde der professor historiarum Michael O’Lynch nur anfangs »der juridischen Facultät beigezählt«, er trat aber »später ganz zur philosoph(ischen) Facultät über«.

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der Edelknaben am Hof des Salzburger Fürsterzbischofs Leopold Anton von Firmian sowie als dessen Historiograph tätig gewesen. Nach seiner Berufung an die Universität Wien wurde er auch zum Mitglied der Studienkommission (seit 1760 Studienhofkommission) ernannt. 1759 wurde er zum »Director Scholarum humaniorum« bestellt und mit der »Ober-Inspection« der österreichischen Gymnasien betraut. Anfang Februar 1764 machte Maria Theresia die von de Gaspari entworfene Instructio pro Scholis humanioribus ab dem folgenden Schuljahr für alle Gymnasien in den österreichischen und böhmischen Ländern verbindlich. Die neue Schulordnung – der erste umfassende Gymnasialreformplan der theresianischen Epoche101 – löste die Ratio studiorum der Jesuiten und die an den Gymnasien der Piaristen und Benediktiner in Geltung stehenden Lehrpläne ab.102 De Gasparis Reformplan blieb aber nur bis 1775 in Kraft.103 Trotz der Trennung der profangeschichtlichen von den kirchengeschichtlichen Vorlesungen wurden beide Disziplinen weiterhin in den Rahmen der nach wie vor im Wesentlichen in die Geschichte der vier Weltmonarchien (der assyrischen, der medisch-persischen, der griechisch-makedonischen und der römischen) gegliederten Universalgeschichte gestellt, »wobei mit der Geburt Christi ein Einschnitt in die Geschichte der römischen Monarchie gemacht und die Geschichte der christlichen Ära als Geschichte des römischen Imperiums bzw. des römisch-germanischen Reiches behandelt wurde. Beibehalten wurde auch die Darstellung nach einzelnen Jahrhunderten. […] Innerhalb eines Jahrhunderts wur101 Grimm, Die Schulreform Maria Theresias, S. 303. 102 Locher, Speculum academicum Viennense, Teil 3, S. 26; Schwarz (Godehard), Die philosophische Fakultät der Universität Wien 1740–1800, S. 86–89; Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 150f.; Steiner (H.), Die Mitglieder der »Hohen Schule«, S. 316f.; Grimm, Die Schulreform Maria Theresias, S. 239 und 298–318 (zu den das Fach Geschichte, das in allen sechs Klassen des Gymnasiums gelehrt werden sollte, betreffenden Ausführungen in de Gasparis Reformplan S. 308f.); Pichler, Studienwesen, Bd. 1, S. 37–42. – De Gaspari war übrigens, wie es scheint, neben dem Benediktiner Anselm Desing im deutschen Sprachraum »der einzige katholische Geschichtsprofessor des 18. Jahrhunderts, der bereits eine größere historische Arbeit verfaßt hatte, als er zum Ordinarius ernannt wurde«. Blanke, Historiker als Beruf, S. 350. Er besaß eine bedeutende, zu mehr als 40 % aus Werken der historischen Literatur bestehende Privatbibliothek, die nach seinem Tod auf ca. 3.550 Gulden geschätzt wurde und 78,2 % des Geldwerts seines gesamten hinterlassenen Vermögens ausmachte. Steiner (H.), Die Mitglieder der »Hohen Schule«, S. 187f., 193f. und 199. 103 1775 beauftragte Maria Theresia den Rektor der Savoyschen Ritterakademie in Wien, den Piaristenpater Gratian Marx, mit der Ausarbeitung eines neuen Gymnasialplanes – unter Übergehung des von dem Professor für Universalgeschichte an der Universität Wien Mathias Ignaz von Heß verfassten, gründlich durchdachten und innovativen Entwurfs zur Einrichtung der Gymnasien in k. k. Erblanden, der ihr als allzu revolutionär erschien. Der von Marx im September 1775 innerhalb weniger Tage ausgearbeitete, deutlich konservativere Reformplan wurde auf Empfehlung der Mehrheit der Mitglieder einer eigens eingesetzten außerordentlichen Hofkommission von Maria Theresia am 24. September 1775 genehmigt. Grimm, Die Schulreform Maria Theresias, S. 410–428.

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den zwei parallele Reihen von Ereignissen, meist an Hand der Papst- und Kaiserreihen, dem Hörer vorgeführt. Die Partikulargeschichte wurde nur ausnahmsweise aus der Universalgeschichte herausgenommen und zum Gegenstand eigener Vorlesungen gemacht. Am meisten war dies, wie es nahe lag, mit der deutschen Geschichte der Fall, die dann aber gewöhnlich in der Juridischen Fakultät Heimatrecht erhielt.«104

Aus zeitgenössischen Berichten geht hervor, dass an der Universität Wien noch 1773 die Reichs-Historie in lateinischer Sprache den Studenten in die Feder diktiert wurde, aber auch, dass höchstens ein Zehntel der Jus-Studenten die Vorlesungen über Reichs-Historie und Staatenkunde (»Statistik«) besuchte.105 Vorgetragen wurden die Reichs-Historie und die Staatengeschichte anhand von Kompendien protestantischer Autoren. Unter anderem wohl wegen der traditionellen Skepsis der Jesuiten gegenüber jeder »historischen« und daher per se relativierenden Betrachtungsweise der Heils- sowie der Papst- und Kirchengeschichte einerseits und der Konzentration der historischen Forschungs- und Editionstätigkeit der Benediktiner auf die Geschichte der einzelnen Klöster und des Lebens der Heiligen (sei es ihres Ordens oder der gesamten Christenheit) andererseits kam es lange Zeit nicht zu eigenen, »katholischen« Darstellungen der ReichsHistorie, sondern man beschränkte sich auf die Rezeption »protestantischer« Kompendien (von Johann Peter [von] Ludewig, Johann Jakob Mascov, Johann David Köhler, Johann Jakob Schmauß und anderen).106 Auch der Umstand, dass in allen von Protestanten verfassten Lehrbüchern der Reichs-Historie »eine überaus positive Beurteilung von Kaiser und Reich« vorherrschte, kann zumindest zum Teil erklären, warum »die katholischen Universitäten eigentlich niemals bemerkenswerte eigene Compendien der Reichs-Historie hervorbrachten«.107 Mit der neuen Studienordnung von 1752 für die nunmehr, wenn man das Interkalarjahr mitzählt, wieder drei- und nicht mehr nur zweijährigen philosophischen Studien begann die Zurückdrängung des Einflusses der Jesuiten auf die Philosophische Fakultät und deren Unterstellung unter die Kontrolle des Staates in Gestalt von unmittelbar an den Fakultäten verankerten Studiendirektoren.108 Diese »hatten darüber zu wachen, dass die Professoren sich an die vorgeschrie104 Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 385. 105 Hammerstein, Aufklärung und katholisches Reich, S. 190f. »Diktieren und bloßes Memorieren hielt sich noch vergleichsweise lange, Selbsttätigkeit, eigenes Begreifen schien suspekt […].« Ebd., S. 248. 106 Ebd., S. 260f. Zu den in der Klammer genannten Autoren, Professoren an den Universitäten Halle (Ludewig), Göttingen (Köhler und Schmauß) und Leipzig (Mascov), siehe u. a. Hammerstein, Jus und Historie, passim, sowie die handbuchartige Synthese von Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1, S. 298–317. Vgl. überdies Hammerstein, Besonderheiten der österreichischen Universitäts- und Wissenschaftsreform. 107 Hammerstein, Reichs-Historie, S. 95. 108 Lackner, Jesuitenprofessoren, S. 38; Hammerstein, Aufklärung und katholisches Reich, S. 184f., 193 und 202.

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benen Lehrbücher hielten und dass die Studienordnungen genauestens befolgt wurden«.109 Mit Recht ist im Hinblick auf die Schul- und Universitätspolitik des habsburgischen Reformabsolutismus betont worden: »Im Vordergrund standen Kontrolle, Regulierung und Disziplinierung.«110 Ihren Höhepunkt erreichte die staatliche Kontrolle der Universität Wien nach der Gründung der Studienkommission im Rahmen des (1749 als neue Zentralbehörde für die österreichischen und böhmischen Länder geschaffenen) Directoriums in publicis et cameralibus im Jahr 1757 bzw. seit ihrer Verselbständigung zur Studienhofkommission im Frühjahr 1760. Dieser gehörten stets auch qua Amt die Studiendirektoren der vier Fakultäten der Universität Wien an.111 Die Studienhofkommission blieb – mit einer Unterbrechung von 1791 bis 1808 – bis zur Revolution von 1848 die staatliche Zentralbehörde für das gesamte Schul- und Studienwesen in der Habsburgermonarchie.112 Anders als an den seinerzeit als Zentren der Aufklärung von den Kurfürsten von Brandenburg bzw. Hannover gegründeten (Reform-)Universitäten Halle (gegründet 1694) und Göttingen (gegründet 1734, eröffnet 1737), an denen »die Weichen in eine neue Epoche auf Basis der akademischen Freiheiten und konfessioneller Toleranz gestellt worden« waren, setzte man am Wiener Hof »an die Stelle der kirchlichen bzw. jesuitischen Dominanz die staatliche Aufsicht im Zeichen der Spätaufklärung und des Josephinismus«.113 Jedenfalls aber trat in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allmählich auch an den habsburgischen Universitäten eine im Sinne des »anwendungsbezogenen und nutzenorientierten Wissenschaftsverständnisses« des Juristen und Philosophen Christian Thomasius (1655–1728), des Spiritus rector der Gründung der Universität Halle, »erneuerte Jurisprudenz […] als neue Leitwissenschaft an die bisher von der Theologie beanspruchte Stelle in der universitären Fächerhierarchie«. Ein wichtiges Ergebnis dieser hier nur angedeuteten Entwicklung an einigen protestantischen Universitäten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bestand in einer »umfassenden ›Historisierung‹ der Rechtsmaterien, die einer Kernthese [Notker] Hammersteins zufolge das Signum der von Halle ausgehenden Wissenschaftsreform war«.114 109 Thienen-Adlerflycht, Wandlungen des österreichischen Studiensystems, S. 31. 110 Gant, »National-Erziehung«, S. 102. 111 Walter, ÖZV II/1/1, S. 355–358 und 495–497; Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 483f.; Thienen-Adlerflycht, Wandlungen des österreichischen Studiensystems, S. 32, Anm. 9. 112 Für die Zeit bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts vgl. demnächst zusammenfassend Hengl, Studienhofkommission und Studienrevisionshofkommission. 113 Mühlberger, Das »Antlitz« der Wiener Philosophischen Fakultät, S. 70. – »Die neuen Universitäten Halle und Göttingen wurden mit der Absicht gegründet, künftigen Amtsträgern eine moderne berufsorientierte Ausbildung zu vermitteln und erstarrte Traditionen des akademischen Lebens zu überwinden.« Vierhaus, Göttingen (1987), S. 11. 114 Huttner, Geschichte als akademische Disziplin, S. 37.

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»Als integraler ›Bestandteil reformierter moderner Wissenschaftsbemühungen‹ galt insbesondere die dem Jus Publicum [Romano-Germanicum] zugeordnete Reichshistorie, an die sich ein ganzer Komplex historischer Hilfs- und Teilwissenschaften wie Staatenkunde, Geographie, Genealogie, Diplomatik, aber auch Territorialgeschichte anschloß. Hammerstein macht nachdrücklich darauf aufmerksam, daß der Aufstieg dieser eng ›verklammerten historisch-juristischen Disziplinen‹ nicht als ein ausschließlich die Historie betreffender fach- oder disziplinspezifischer Vorgang mißverstanden werden dürfe. Er verweist in diesem Kontext darauf, daß sich die neue Grunddisziplin der Reichshistorie wissenschaftssystematisch als ein deutlich von allen älteren Formen der Historiographie abgesetzter Neuansatz präsentierte, der mit dem traditionellen [rhetorisch-moralischen] Universitätsfach entweder in gar keinem oder nur in einem sehr losen Zusammenhang gestanden habe.«115

Zu einer allmählichen Verselbständigung der Historie und zu ihrer Herauslösung »aus ihrer ausschließlichen Hinordnung auf das Juristenstudium« sei es erst an der 1737 eröffneten Reformuniversität Göttingen ab ungefähr 1760 gekommen. Ihren deutlichsten und nachhaltigsten Ausdruck habe diese »Aufwertung der Historie in den Bemühungen um eine renommierte Besetzung des in der philosophischen Fakultät angesiedelten Geschichtslehrstuhls gefunden«.116 Insbesondere Johann Christoph Gatterer (1727–1799), der zweite Inhaber der Göttinger Geschichtsprofessur, »habe mit seinen methodologischen Erörterungen und theoretischen Systematisierungsbemühungen dazu beigetragen, die Historie als eine in sich einheitliche Disziplin sui generis zu fundieren«.117 Inwieweit die protestantischen Reformuniversitäten Halle und Göttingen tatsächlich Impulse für die Reform der historischen Fächer an der Universität Wien gaben, wäre allerdings im Einzelnen erst zu erforschen.

1.3. Das Fach Geschichte an der Universität Wien von der Aufhebung des Jesuitenordens bis zur Revolution von 1848 Durch die zweite Universitätsreform Maria Theresias kam es 1774, im Jahr nach der Aufhebung des Jesuitenordens durch den Papst, zu einer völlig neuen Systemisierung der nunmehr zehn Professuren der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Unter anderem wurden eigene Professuren für Pragmatische Universalgeschichte einerseits und für Historische Hilfsmittel – d. h. für die Historischen Hilfswissenschaften – andererseits geschaffen.118 Letztere fanden 115 Ebd., S. 38. 116 Ebd. 117 Ebd., S. 39. Näheres dazu vor allem in den grundlegenden Werken von Notker Hammerstein, insbesondere Hammerstein, Jus und Historie. 118 Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 516; Meister, Das

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auf diese Weise in der Habsburgermonarchie »erstmals als ein mit einem eigenen Lehrstuhl verbundenes Lehrfach Eingang in den Studienbetrieb«, wobei man sich in der Studienhofkommission insbesondere am Göttinger Universitätsmodell orientierte.119 Allerdings war bereits 1772 der Hofsekretär Johann Melchior von Birkenstock (1738–1809), der selbst in Göttingen studiert hatte, nach einer im Auftrag von Staatskanzler Wenzel Anton Fürst Kaunitz-Rietberg durchgeführten Studienreise zu dem Schluss gekommen, dass etwaige Pläne, einen der berühmten Göttingen Professoren – etwa den Universalhistoriker August Ludwig von Schlözer120, den Historiographen und Diplomatiker Johann Christoph Gatterer121 oder den Philologen und Bibliothekar Christian Gottlob Heyne122 – an die Universität Wien zu berufen, praktisch keine Chance auf Realisierung hätten.123 Die Fachleute am Wiener Hof waren sich aber jedenfalls einig, dass die Universität Göttingen damals die beste und für (insbesondere adelige) Studenten aus aller Herren Länder attraktivste Universität Deutschlands, ja Europas war.124 Für unser Thema ist in diesem Zusammenhang insbesondere von Interesse, dass es die Universität Göttingen war, an der ab der Mitte des 18. Jahrhunderts »die Geschichte zu einer selbständigen, als solche institutionell etablierten Wissenschaft« wurde; »hier erhielt sie die methodische Grundlegung als Kulturwissenschaft und als gegenwartsbezogene politische

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Werden der philosophischen Fakultät Wien, S. 367. – Überdies sollte an jeder höheren Lehranstalt der Monarchie seit Oktober 1777, also seit dem Schul- bzw. Studienjahr 1777/78, die Geschichte des betreffenden Landes nach eigenen Vorlesebüchern gelehrt werden. Kink, a. a. O., S. 516, Anm. 689. Egglmaier, Die Historischen Hilfswissenschaften, S. 276f. Duchhardt, Espenhorst (Hrsg.), August Ludwig (von) Schlözer in Europa; zum Einstieg: Becher, August Ludwig v. Schlözer. Gierl, Geschichte als präzisierte Wissenschaft; kurz und prägnant: Reill, Johann Christoph Gatterer. Bäbler (Hrsg.), Christian Gottlob Heyne. »So wenig nun in Göttingen ein Mangel an sehr geschickten Lehrern in aller Art und an Schulmännern ist, so schwer würde es doch halten, ein und andern von da anderswo hinzuziehen. Die mannichfaltige Bequemlichkeit, welche ein Gelehrter allda findet, die ungestörte ruhige Lebensart, der Vortheil, eine der außerlesensten Büchersammlungen wie seine eigene auf der Bibliothek und zu Hause zu nutzen und in jeder Art Kenntnißen einen vollkommen bewanderten Mann sogleich um und neben sich zu finden, die Liebe und Achtung der Studierenden aus allen Ländern, die stete Ermunterung von Seiten des Ministerii und des Königs, die trefliche Policey, die gelinde Verfassung des Landes und dieser gelehrten Republik, die Unabhängigkeit, die gute Bezahlung, welche ein Professor theils von Hannover, theils von seinen Zuhörern, theils von den Verlegern seiner Drukschriften zu genießen und immer mehr zu erwarten hat, alles dieses sind sehr anziehende Reitzungen, welche auch denjenigen, die im Anfange sich schwer dazu entschlossen, aber nun einmal dort domicilirt sind, alle Neigung benehmen, ihren Auffenthalt je wieder zu verändern.« Zitiert nach Lhotsky, Ein Bericht über die Universität Göttingen, S. 65. Zu Birkenstocks Bericht siehe überdies Wahlberg, Wien und Göttingen. Egglmaier, Am Beispiel Österreich, S. 113, und ders., Staatslehranstalt versus Stätte freier Lehre, S. 17.

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Wissenschaft in Verbindung mit anderen Wissenschaften, die sich ihrerseits verstärkt historischen Fragestellungen zuwandten.«125

Abb. 3: Johann Melchior von Birkenstock (1738–1809). Schabblatt von Johann Peter Pichler.

Die neu geschaffene Lehrkanzel der Altertümer und der historischen Hilfsmittel an der Universität Wien wurde im September 1774 dem – als Sohn eines leitenden Herrschaftsbeamten (Gegenschreibers bzw. Pflegers) in Enzesfeld in Niederösterreich geborenen – Ex-Jesuiten und Freimaurers Joseph Hilarius (von) Eckhel (1737–1798), der mit seinem achtbändigen Hauptwerk Doctrina numorum veterum (Wien 1792–1798) als der Begründer der modernen Nu-

125 Vierhaus, Göttingen (1987), S. 13. »Die Bedeutung der Göttinger historischen Schule reicht jedoch über die Erschließung neuer Gesichtspunkte und Methoden und die Vorbereitung einer neuen Historikergeneration hinaus. Sie weitete den historischen Gegenstandsbereich auf die Politik, die Wirtschaft, das soziale und kulturelle Leben aus – eine Expansion, die so nicht aufrechterhalten wurde, als sich im 19. Jahrhundert die disziplinäre Differenzierung der Wissenschaften fortsetzte.« Ebd., S. 29.

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mismatik als Wissenschaft gilt126, anvertraut. Wenige Monate zuvor war Eckhel von Maria Theresia im März 1774 zum Kurator für die antiken Münzen im k. k. Münzkabinett unter der Oberleitung von Valentin Jamerai Duval ernannt worden; 1776 folgte er Duval als Direktor der antiken Münzen am k. k. Münz- und Medaillenkabinett nach.127 Die Vorlesungen über Diplomatik (Urkundenlehre) hielt Joseph Benedikt Heyrenbach (1738–1779), ein weiterer Ex-Jesuit – und zwar unbesoldet, weshalb Eckhel sein Professorengehalt (800 Gulden im Jahr) mit ihm paritätisch teilte.128 Heyrenbach war der erste, der (ab Januar oder Februar 1775) »an einer österreichischen Hochschule diplomatische Vorlesungen gehalten hat«.129 Von November 1783 bis zu seinem Tod war der in Horn im Waldviertel (als Sohn eines Ratsbürgers) geborene Piaristenpater Gregor Maximilian Gruber (1739–1799) außerordentlicher Professor der Diplomatik und Heraldik an der Universität Wien. Vor seiner Versetzung an die Universität Wien hatte er von 1772 bis 1783 an der – 1776 mit der Theresianischen Ritterakademie vereinigten – Savoyschen Ritterakademie bzw. an der Theresianischen Ritterakademie (bis zu deren vorübergehenden Aufhebung im November 1783) allgemeine Weltgeschichte und von etwa 1780 bis 1783 an letzterer außerdem Diplomatik unterrichtet. An der Universität Wien hielt Gruber bis zu seinem Tod allerdings jedes Studien- bzw. Schuljahr nur eine einstündige Diplomatikvorlesung, wofür er jährlich 200 Gulden Remuneration erhielt.130 In Ermangelung guter Alternativen wurden Grubers Lehrbücher noch bis in die 1840er Jahre nicht nur an der Wiener Universität, sondern auch an anderen habsburgischen Universitäten verwendet.131 126 Der französische Altertumsforscher Aubin-Louis Millin (1759–1818) bezeichnete Eckhel als »Linn8 der Numismatik«. Hassmann, Winter, Numophylacium Imperatoris, S. 66. 127 Bergmann, Pflege der Numismatik in Österreich im XVIII. Jahrhundert, S. 328–337; Lhotsky, Die Geschichte der Sammlungen, 2. Hälfte, S. 461–464 und 506f.; Goldinger, 25 Niederösterreicher, S. 510f.; Lein, Beziehungen, S. 90–92; Hassmann, Winter, Numophylacium Imperatoris, bes. S. 62–69, 79–81 und 200. 128 Bergmann, Pflege der Numismatik in Österreich im XVIII. Jahrhundert, S. 334. Zu Heyrenbach siehe Schwendenwein, Heyrenbach, S. 6–22, und Tropper, Urkundenlehre in Österreich, S. 78–81 und 136–143. 129 Tropper, Urkundenlehre in Österreich, S. 78. Siehe auch Pfohl, Urkundenlehre an der Wiener Universität, S. 6–22. 130 Pfohl, Urkundenlehre an der Wiener Universität, S. 32–52; Lienhart, Selbstbiographie, S. 346–348; Lienhart, Gregor Maximilian Gruber (1999a), Teil 1, S. 52–66; Lienhart, Gregor Maximilian Gruber (1999b); Goldinger, 25 Niederösterreicher, S. 512; Bräu, Personalbibliographien, S. 14. – H a u p t w e r k e G r e g o r M a x i m i l i a n G r u b e r s (verfasst für seine Schüler am Theresianum bzw. an der Universität Wien): Abriss akademischer Vorlesungen über die synchronistische Universalhistorie zum Leitfaden seiner Zuhörer, 2 Teile (1777 und 1780); Lehrsystem einer allgemeinen Diplomatik vorzüglich für Oesterreich und Deutschland, 2 bzw. 3 Teile (1783, Supplementband 1784); Kurzgefaßtes Lehrsystem seiner diplomatischen und heraldischen Kollegien (1789). 131 Lienhart, Gregor Maximilian Gruber (1999b), S. 14. – Das Vizedirektorat der philoso-

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Abb. 4: Joseph Hilarius (von) Eckhel (1737–1798). Punktierstich von Domenico Klemi-Bonati und Antoine Louis FranÅois Sergent-Marceau. phischen Studien an der Universität Wien kam 1834 auf der Grundlage von in dieser Frage eingeholten Gutachten zu dem Schluss, dass Grubers diplomatisch-heraldisches Lehrbuch aus dem Jahr 1789 »ein Werk sey, welches für seine Zeit entschiedenen Werth behauptet und noch jetzt um so mehr Beachtung verdient, als der Verfasser ganz vorzüglich unser Vaterland im Auge hatte, österreichische Urkunden und Denkmähler benutzte. / Allein seit Erscheinen desselben (1789) ist beinahe ein halbes Jahrhundert verflossen und gerade eine Zeit, während welcher die Wissenschaften überhaupt, namentlich in Bezug auf ihre Form, wesentliche Fortschritte machten, wichtige Veränderungen erlitten. / Insbesondere die Diplomatik und Heraldik haben seither ihren Umfang erweitert und vervollständigt, die Ansichten der Diplomatiker und Heraldiker sind in mehrfältigen Beziehungen geläutert und berichtigt worden; die urkundlichen Schätze wurden durch fleißige Bearbeiter sorgfältiger verzeichnet, großentheils bestimmter ausgelegt und diesen Wissenschaften [wurde] eine mehr kritische Methode angeeignet.« Zitiert nach Lienhart, Gregor Maximilian Gruber (1999a), Teil 3, S. 293.

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In der Promotionsordnung wurde 1774 und erneut 1775 festgelegt, dass auch Reichs-Historie und Staatengeschichte, weiters Diplomatik und Numismatik wesentliche Bestandteile der Rigorosen sein mussten.132 Von 1774 bis zu seinem frühen Tod 1776 hatte der aufgeklärte Weltpriester, Jurist und Historiker Mathias Ignaz Ritter von Heß (1744–1776), ein gebürtiger Würzburger, der unter anderem als Schüler des Historikers August Ludwig Schlözer an der Universität Göttingen studiert hatte, die Professur für Universalgeschichte inne. Heß wurde am 5. Dezember 1775 an der Wiener Universität zum Dr. phil. promoviert, und er wurde noch im selben Jahr der Philosophischen Fakultät einverleibt. Noch in seinem Todesjahr 1776 gab er zur besseren didaktischen Aufbereitung des Lehrstoffes einen Entwurf der Universalhistorie in synchronistischen Tabellen heraus.133 Auf Heß folgte bis 1783 P. Nikolaus Adaukt Voigt (1733–1787), der ehemalige Rektor des Prager Piaristenkollegs. Der vielseitige Kultur-, Literaturund Wissenschaftshistoriker sowie Numismatiker widmete sich in seiner Wiener Zeit in erster Linie Ordnungsarbeiten im kaiserlichen Münzkabinett.134 Dank seines vierteiligen Hauptwerks Beschreibung der bisher bekannten böhmischen Münzen (1771–1787) gilt Voigt als der Begründer der böhmischen Numismatik.135 Bei der Universitätsreform von 1774 achteten Kaiserin Maria Theresia und die Studienhofkommission mit Nachdruck darauf, dass kein Geschichts- und kein Kirchengeschichtsprofessor ein Ex-Jesuit war.136 Für die Kirchengeschichte war fürs erste weiterhin kein eigener Lehrstuhl vorgesehen, sie sollte vielmehr mit der Polemik (Apologetik, Kontroverstheologie) verbunden werden. An der Theologischen Fakultät der Universität Wien wurde der Weltpriester Ferdinand Stöger zum Professor der Kirchengeschichte und Polemik ernannt.137 Anfang 132 Hammerstein, Aufklärung und katholisches Reich, S. 195. 133 Locher, Speculum academicum Viennense, Teil 3, S. 53f.; Schwarz (Godehard), Die philosophische Fakultät der Universität Wien 1740–1800, S. 132–138; Grimm, Die Schulreform Maria Theresias, S. 380–404; Steiner (H.), Die Mitglieder der »Hohen Schule«, S. 79 und 327f.; Pichler, Studienwesen, Bd. 1, S. 60–65. – Zu dem von Heß verfassten, stark von Karl Anton von Martini beeinflussten »Entwurf zur Einrichtung der Gymnasien in k. k. Erblanden« aus dem Jahr 1775 siehe Grimm, Die Schulreform Maria Theresias, S. 380–404; ders., Stabilisierung versus Mobilisierung, S. 88f.; Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 153f. Präzise definierte der junge Gelehrte in seinem »Entwurf« die zweifache Aufgabe der Gymnasien in der Habsburgermonarchie, »nämlich einerseits auf die Universitätsstudien vorzubereiten und andererseits […] auch Ausbildungsstätte für künftige Staatsbeamte und gehobene bürgerliche Berufe zu sein«. Grimm, Die Schulreform Maria Theresias, S. 383. Zum Geschichtsunterricht in Heß’ »Entwurf« siehe ebd., S. 387–389. 134 Schwarz (Godehard), Die philosophische Fakultät der Universität Wien 1740–1800, S. 138–140. 135 Siehe Kutnar, Marek, Prˇehledn8 deˇjiny cˇesk8ho a slovensk8ho deˇjepisectv&, S. 152–154; Sejbal (Red.), Mikul#sˇ Adaukt Voigt. 136 Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 397. 137 Ebd. Basisinformationen über die Professoren der Kirchengeschichte an der Theologischen

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Oktober 1774 wurde die von Franz Stephan Rautenstrauch (1734–1785), dem Abt des Benediktinerklosters Braunau (Brˇevnov) bei (heute in) Prag, entworfene neue theologische Studienordnung (Verfassung der theologischen Fakultät) gedruckt und allen habsburgischen Universitäten verpflichtend vorgeschrieben.138 Die Kirchengeschichte galt nunmehr als selbständige theologische Disziplin, die künftig im ersten Studienjahr täglich zwei Stunden zu lehren war, wobei unter anderem »bei jedem Jahrhunderte das Verhältnis der Kirche zu dem Staate historisch gezeigt, auseinandergesetzt und bescheiden geprüft werden« sollte.139 Was die Periodisierung der Kirchengeschichte betrifft, wurde durch ein Dekret Kaiser Josephs II. vom 7. September 1779 angeordnet, diese nicht mehr, wie bisher, in ebenso viele Teile zu gliedern, als seit der Geburt Christi Jahrhunderte vergangen waren (also 18), sondern in vier Epochen: die erste von der Entstehung der Kirche bis Konstantin († 337), die zweite von diesem bis zu Karl dem Großen († 814), die dritte bis zum Konzil von Trient (1545–1563) und die vierte bis zur Gegenwart.140 In der Zeit der Alleinregierung Josephs II. (1780–1790) war der Ende November 1781 zum Präses der Studienhofkommission ernannte Präfekt der Hofbibliothek Gottfried van Swieten (1733–1803), der Sohn von Gerard van Swieten (1700–1772), des berühmten Leibarztes Maria Theresias und Reformators der Wiener Medizinischen Fakultät141, der wichtigste Berater des Kaisers in Sachen Universitätsreform.142 Der jüngere van Swieten war ein Förderer Haydns, Mozarts und Beethovens und ein Gönner und Fürsprecher der Schriftsteller der josephinischen Zeit. Teilweise gegen den Rat van Swietens (und des Staatskanzlers Kaunitz) wurde die Zahl der Universitäten in der Habsburgermonarchie 1781 auf vier (seit 1784 fünf) reduziert (Wien, Prag und Freiburg im Breisgau, die 1777 von Tyrnau nach Ofen und 1784 nach Pest verlegte einzige Universität des Königreichs Ungarn, für die die Wiener Studienhofkommission erst seit Ende 1783 zuständig war143, sowie die 1784 als staatliche Anstalt neu gegründete Universität Lemberg). Die Universitäten in Graz, Olmütz und Innsbruck wurden zu Lyzeen herabgestuft (von 1805 bis 1817 erlitt die Uni-

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Fakultät von 1775 bis 1849 bietet Wappler, Geschichte der theologischen Facultät, S. 263– 267. Zu Rautenstrauch als Universitätsreformer und Direktor der Theologischen Fakultät der Universität Wien (ab 1774) siehe Menzel, Rautenstrauch, S. 147–169; zuletzt Jung, Rautenstrauch. Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 400–405, das Zitat auf S. 401. Ebd., S. 408f. Zu Gerard van Swietens Wiener Jahren (seit 1745) nach wie vor maßgeblich Brechka, Gerard van Swieten, S. 88–146. Siehe vor allem das schmale, aber grundlegende und sehr gehaltvolle Werk von Wangermann, Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung. Walter, ÖZV II/1/2/1, S. 46.

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Abb. 5: Gottfried van Swieten (1733–1803). Kupferstich von Johann Georg Mansfeld.

versität Lemberg dasselbe Schicksal144), die Reste der Autonomie der Universitäten gegenüber dem Staat wurden beseitigt und die Hohen Schulen wurden noch stärker als bisher in erster Linie zu Anstalten für die Ausbildung von Staatsbeamten im weitesten Sinne bzw. von für den Staat nützlichen Berufen (Lehrer, Seelsorger, Verwaltungsbeamte, Ärzte).145 Ab dem Studienjahr 1783/84 144 Mischler, Universitäten, S. 651; Lundgreen, Universität Lemberg, S. 161f. 145 Der radikale deutsche Aufklärer Johann Pezzl (1756–1823), der seit 1784 in Wien lebte, hielt in seiner von 1786 bis 1790 in sechs Heften erschienenen Skizze von Wien fest: »In Wien und auf den österreichischen Universitäten überhaupt hat man [im Unterschied zu einigen Universitäten in Deutschland; Th.W.] keineswegs die Absicht, fremde Studierende herbeizuziehen. Die einheimische Jugend so zu bilden und mit jenen Kenntnissen zu versehen, daß der Staat seine Ämter damit brauchbar besetzen und sein Volk in einer zweckmäßigen Kultur und Erleuchtung erhalten könne, dies ist sein Augenmerk, und wenn er dasselbe erzielt, so kann er mit seinen Lehranstalten zufrieden sein.« Pezzl, Skizze von Wien, S. 257f. – Von den insgesamt 38 Professoren der Wiener Universität zählte Pezzl acht

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wurde an den verbliebenen Universitäten eine Studiengebühr in der Höhe von jährlich 30 Gulden eingehoben, was einen deutlichen Rückgang der Studentenzahlen zur Folge hatte.146 Mit Erlass vom 20. Januar 1783 wurde den Professoren der Universitäten unter Strafandrohung verboten, von den von der Studienhofkommission vorgeschriebenen Lehrbüchern auch nur geringfügig abzuweichen, ihnen etwas hinzuzufügen oder – beim Vorlesen – etwas auszulassen.147 Ebenfalls 1783 wurde das Vermögen der Universitäten vom Staat eingezogen.148 Ab 1784 mussten die meisten Vorlesungen in deutscher Sprache gehalten werden – also in der Sprache der Staatsverwaltung, die Joseph II. auch in Galizien und Ungarn durchzusetzen versuchte, und nicht mehr in der internationalen Gelehrtensprache Latein. Die Vorlesungen und Studien an den philosophischen Fakultäten behielten ihren propädeutischen, d. h. vorbereitenden Charakter für die Studien an den drei »höheren« Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz und Medizin). Für die an den philosophischen Fakultäten Weiterstudierenden wurde 1786 die Möglichkeit der Erwerbung eines Doktorats der Philosophie auf der Grundlage dreier Rigorosen aus theoretischer und praktischer Philosophie (philosophia theoretica et practica), Mathematik und Physik (mathesis et physica) sowie Universal- und Österreichischer Geschichte (historia universalis et Austriaca) eröffnet.149 In seinem »Entwurf für das philosophische Lehrfach« aus dem Jahr 1783, mit dem er einen detaillierten Plan für ein verpflichtendes dreijähriges Studium an den philosophischen Fakultäten vorlegte, entwickelte Gottfried van Swieten die folgende bemerkenswerte Vorstellung über den Geschichtsunterricht im Rahmen des reformierten philosophischen Studiums: »Die Geschichte muß sich über alle Zeiten, über alle Völker erstrecken, und wird hier nicht als eine blosse Sammlung der Weltbegebenheiten, oder als ein Zeitvertreib, sondern als die Gefährtin aller Wissenschaften, als ein Studium der Menschheit, eine Schule des Lebens, der Klugheit und der Sitten angesehen; sie soll, wie der seel(ige) Heß sich ausdrückte, von der Stufe des Vorwitzes und einer eitlen Gedächtnißsprache zum hohen Rang des Nachdenkens und der Weisheit hinaufsteigen.«150

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namantlich auf, darunter auch (Joseph Hilarius) Eckhel, seit 1774 Professor der Altertümer und der historischen Hilfsmittel, (Gregor Maximilian) Gruber, seit 1783 außerordentlicher Professor der Diplomatik und Heraldik, und (Joseph von) Sonnenfels, seit 1763 Professor der Polizey- und Kameralwissenschaft. Ebd., S. 258. Grimm, Stabilisierung versus Mobilisierung, S. 91f. Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 549f.; Hammerstein, Aufklärung und katholisches Reich, S. 202f.; Lhotsky, Österreichische Historiographie, S. 133. Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein, S. 21. Meister, Das Werden der philosophischen Fakultät Wien, S. 368; ders., Geschichte des Doktorates der Philosophie, S. 38 und 101f. Zitiert nach Wangermann, Bildungsideal, S. 178. – Bei dem von van Swieten angesprochenen verstorbenen Heß handelt es sich um den bereits erwähnten Mathias Ignaz (von)

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Der »Entwurf« van Swietens sah – neben der Professur für Universalgeschichte – die Einrichtung zweier hilfswissenschaftlicher Lehrkanzeln vor, und zwar einer für Altertumskunde (und Numismatik) und einer für Diplomatik (mit Heraldik und Genealogie). Diese Zweiteilung der hilfswissenschaftlichen Disziplinen wurde nur an der Universität Wien im November 1783 und auch hier nur vorübergehend realisiert. An den übrigen Universitäten der Habsburgermonarchie wurde in der Folge nur je ein »Hilfswissenschaftler« angestellt. Im Unterschied zum »Entwurf zur Philosophischen Facultät« von 1774 wurden die Historischen Hilfswissenschaften aber 1783 zu Pflichtfächern erklärt.151 In das juridische Studium wollte Gottfried van Swieten sowohl die Kirchengeschichte als auch die Geschichte der Österreichischen Monarchie als Pflichtfächer eingebaut wissen. In seinem die österreichische Geschichte betreffenden Antrag versuchte er dem Kaiser seinen Vorschlag mit folgenden Argumenten schmackhaft zu machen: »Als das wirksamste Mittel, die Beurtheilungskraft zu üben und zu stärken, ist die Geschichte überhaupt ein wesentlicher Theil der Erziehung, und als eine unversiegliche Quelle der Erfahrung jedem, der seine Geistesfähigkeiten für das gemeine Wesen [gemeint wohl in erster Linie: als Staatsbeamter ; Th.W.] zu verwenden vorhat, unentbehrlich. Eine so allgemein anerkannte Wahrheit bedarf wohl keinen Beweises, und da sie besonders auf den Nutzen der vaterländischen Geschichte [d. h. der Geschichte der Habsburgermonarchie; Th.W.] das hellste Licht wirft, so ist es vielmehr zu bewundern [sic, statt: zu verwundern; Th.W.], daß ihr bis itzt in dem Laufe der Bildung der gehörige Platz nicht eingeraumet wurde.«152

Über Leopold Plöch, den Nachfolger Nikolaus Adaukt Voigts als Professor der Weltgeschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (1783– 1786), ist nur bekannt, dass er davor als Statistikprofessor am Theresianum gewirkt hatte.153 Von 1786 bis 1790 war der im kurmainzischen Eichsfeld als Sohn eines katholischen Färbermeisters geborene Heinrich Joseph Watteroth (1757–1819) Professor der Universalgeschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.154 Nach dem Besuch eines Jesuitengymnasiums hatte er im Studienjahr 1776/77 an der Universität Göttingen unter anderem bei August Ludwig

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Heß (1746–1776), der von 1774 bis zu seinem frühen Tod im Juni 1776 als Professor für Universal- und Literargeschichte an der Universität Wien wirkte. Seine Kleinere[n] Schriften über Schulwesen, Erziehung und Wissenschaften sind postum 1781 in Wien erschienen. Klingenstein, Despotismus und Wissenschaft, S. 127f., und Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 8, S. 427. Egglmaier, Die Historischen Hilfswissenschaften, S. 279–281; Lienhart, Gregor Maximilian Gruber (1999a), Teil 1, S. 54–57. Zitiert nach Wangermann, Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 76. Schwarz (Godehard), Die philosophische Fakultät der Universität Wien 1740–1800, S. 140. Ebd., S. 140–143; Eckert, Watterroth.

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von Schlözer studiert und war anschließend nach Wien gegangen, wo er als unbezahlter Praktikant in die Dienste der Reichskanzlei (anderen Angaben zufolge des Reichshofrats) trat und an der Universität Vorlesungen bei Joseph von Sonnenfels, seit 1763 Professor der Polizey- und Kameralwissenschaft, hörte. Watteroth publizierte nach der weitgehenden Aufhebung der Zensur zu Beginn der Alleinregierung Kaiser Josephs II. in den Jahren 1781 und 1782 mehrere Broschüren, in denen er unter anderem das Recht der Kritik an verstorbenen Regenten (im konkreten Fall an Kaiser Karl VI.) sowie Toleranz und Bürgerrechte für Protestanten in katholischen Staaten, ja die gesetzliche Begünstigung von Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten forderte, das Recht des Landesfürsten verteidigte, die Güter der Klöster zu säkularisieren, und jene Länder glücklich pries, die ein Parlament und eine Verfassung besaßen.155

Abb. 6: Heinrich Joseph Watteroth (1757–1819). Ölgemälde eines unbekannten Künstlers.

Dank des Wohlwollens Joseph von Sonnenfels’, Gottfried van Swietens und Josephs II. wurde Watteroth 1783 als Professor der Statistik an der Theresianischen Ritterakademie angestellt. Im selben Jahr wurde er in die seit 1782 von 155 Eckert, Watterroth, S. 101–141; Wangermann, Die Waffen der Publizität, S. 34, 39f. und 151; Karstens, Lehrer – Schriftsteller – Staatsreformer, S. 110–120.

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Ignaz von Born und Sonnenfels geleitete Freimaurerloge »Zur wahren Eintracht« aufgenommen, der besonders viele Literaten, Gelehrte und Künstler angehörten. Sonnenfels fungierte dabei als Watteroths Pate.156 Im Frühjahr 1786 wurde ihm auf ausdrückliche Empfehlung Sonnenfels’, wie bereits erwähnt, der vakante Lehrstuhl für Geschichte an der Wiener Universität verliehen.157 Von Beginn seiner Wiener Lehrtätigkeit an war der außerordentlich streitbare und konfliktfreudige Watteroth dem Wiener Kardinal-Erzbischof Christoph Anton von Migazzi als angeblicher »Voltairianer« und Feind der katholischen Kirche ein Dorn im Auge. Es gelang Migazzi aber nicht, seine Absetzung zu erreichen.158 Im August 1790 wurde Watteroth allerdings als Professor der Statistik (d. h. der Staaten- und Länderkunde) an die Juridische Fakultät versetzt. Ende 1791 erlangte er – als Nachfolger Sonnenfels’ und gegen dessen Willen159 – auch die Professur der politischen Wissenschaften bzw. der Policey- und Kameralwissenschaften, über deren erstmalige Verbindung mit der Statistik er sich in seiner bemerkenswerten Antrittsvorlesung äußerte.160 1790 veröffentlichte Watteroth, laut Titelblatt des Buches »öffentlicher ordentlicher Lehrer der allgemeinen Geschichte an der Universität«, von ihm selbst aus dem Englischen übersetzte, vermehrte und bis zum Beginn der Regierungszeit Leopolds II. fortgesetzte Synchronistische Tabellen für die allgemeine Weltgeschichte von Erschaffung der Welt bis 1753, deren Vorrede er mit folgenden Sätzen einleitete: »Die Geschichte wird heut zu Tage so allgemein geschätzt, und ihre besten Schriftsteller so sehr gelesen, daß eine jede Erwähnung ihrer Wichtigkeit überflüssig wäre. Denn sie öffnet die Bahn zu so vielen Theilen der Gelehrsamkeit, und so verschiedenen Lebensarten, daß sie jedermann für nützlich findet, er mag sich was immer für einem Theile der Kenntnisse vorzüglich widmen. 156 Karstens, Lehrer – Schriftsteller – Staatsreformer, S. 117, Anm. 572. 157 Eckert, Watterroth, S. 31–36; Karstens, Lehrer – Schriftsteller – Staatsreformer, S. 127– 138. 158 Im Dezember 1786 reichte Kardinal Migazzi bei Joseph II. eine Beschwerde gegen die Professoren der Welt- und der Kirchengeschichte, Heinrich Joseph Watteroth und Matthias Dannenmayer, ein. Der Vorwurf lautete, dass sie, so sei ihm berichtet worden, in ihren Vorlesungen irreligiöse oder jedenfalls höchst zweideutige Ausdrücke und Formulierungen gebrauchten. Insbesondere Watteroth scheine sich Voltaires Essai de l’histoire zur Richtschnur genommen zu haben. Gottfried van Swieten, der Präses der Studien- und Bücherzensur-Hofkommission, verteidigte die beiden Professoren vehement. Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/2, S. 297–300; Eckert, Watterroth, S. 37–44; Wangermann, Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 85–88. 159 Vgl. Karstens, Lehrer – Schriftsteller – Staatsreformer, S. 120–145; Osterloh, Joseph von Sonnenfels, S. 252–257. 160 Inama von Sternegg, Watteroth, S. 254f.; Schwarz (Godehard), Die philosophische Fakultät der Universität Wien 1740–1800, S. 140–143. Zu Watteroths Publikationen siehe auch Bräu, Personalbibliographien, S. 28f.

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Und doch, ungeachtet die Bücher aller Völker über diesen Gegenstand in einer jeden Büchersammlung zu finden sind, und in der That den größten Theil derselben überhaupt ausmachen; ungeachtet die Geschichte bey so vielen sowohl ein herrschender Gegenstand der Privatunterhaltung als des Gesprächs in geselligen Zusammenkünften geworden ist, so ist es doch erstaunend, daß die Zeitrechnung (wqomokoc_a) nur so oberflächlich bis itzt gelernet wird, indem sie doch viel höhere Ansprüche hat, als ihre Mitwissenschaft[,] die Geschichte. Denn die Reihe der Zeit nach ihren eigenen Perioden; die Zwischenzeit der Begebenheiten, die Fortdauer, das Zusammentreffen der Zufälle, alles dieß muß in einander greifen, um die eigentliche ächt genannte Geschichte in ununterbrochenem Fortgange zu bilden. Sonst ist sie nichts anders als eine Sammlung zerrissener Bruchstücke.«161

Nach dem Tod Josephs II. gehörte Watteroth dem geheimen Konfidentenkreis Leopolds II. an, verfasste eine Reihe von Gutachten, Berichten und Denkschriften für den Kaiser und beteiligte sich intensiv an den Planungen für eine geheime patriotische Assoziation. Mit Leopold II. verband ihn nicht zuletzt eine stark ausgeprägte antiaristokratische Grundeinstellung.162 In seinen Vorlesungen an der Universität unternahm es der kaiserliche Proteg8, seinen Vorgänger Sonnenfels »fachlich und auch persönlich zu diskreditieren und dessen Lehrsätze als falsch zu widerlegen«.163 Besonders wegen seiner publizistischen Auseinandersetzungen mit seinem ehemaligen Lehrer Sonnenfels war Watteroth bei den Studenten wenig beliebt: Nach einer Vorlesung Watteroths im Frühjahr 1792 riefen Studenten vor dem Hörsaal laut »Vivat!« und fügten, nachdem sich Watteroth dankend verneigt hatte, hinzu: »Sonnenfels!«164 Im November 1794 161 Blair, Synchronistische Tabellen, Teil 1, S. III f. Es handelt sich um eine stark erweiterte Übersetzung von: John Blair, The Chronology and History of the World, from the Creation to the Jear of Christ 1753 (London 1754). Vgl. auch Eckert, Watterroth, S. 141–143. – Bereits im Herbst 1786, also in seinem ersten Jahr als Professor der Universalgeschichte an der Universität Wien, hatte der »k. k. öffentl. ordentl. Lehrer der Geschichte« Joseph Heinrich Watteroth im Wiener Verlag Rudolph Gräf(f)er in zwei Teilen mit zusammen 261 Druckseiten die Weltgeschichte nach ihren Haupttheilen im Auszug und Zusammenhange von August Ludwig Schlözer, Hofrath und Professor in Göttingen, seinem ehemaligen akademischen Lehrer, herausgegeben, die er in den kommenden Jahren als »Vorlesebuch« seinen eigenen Vorlesungen zugrunde legte. 162 Silagi, Ungarn, S. 107, 108f., 110–114 und 132–141; Fuchs (I.), Heinrich Joseph Watteroth, S. 157f., 170–176, 185 und 193. – Karl Friedrich Kübeck notierte am 14. September 1801, unmittelbar vor der Beendigung seiner Studien an der Universität Wien, über Watteroth, bei dem er soeben – in dessen Garten in der Vorstadt Landstraße – seine letzte Prüfung abgelegt hatte: »Dieser Mann hat eigenthümliche Formen. Um nicht pedantisch zu erscheinen, stellt er sich roh dar, und sein Vortrag, den ich nur ein Paar Mahl hörte, und seine Vertraulichkeit mit den studierenden Jünglingen macht ihn mehr zu einem literarischen Gladiator als einem würdevollen Lehrer.« Kübeck, Tagebücher, S. 70. 163 Osterloh, Joseph von Sonnenfels, S. 255f.; Karstens, Lehrer – Schriftsteller – Staatsreformer, S. 128. 164 Eckert, Watterroth, S. 77; Lettner, Das Rückzugsgefecht der Aufklärung, S. 168; Karstens, Lehrer – Schriftsteller – Staatsreformer, S. 142.

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wurde Watteroths Doppelprofessur wieder geteilt: Ignaz de Luca wurde zum Professor der Statistik ernannt, und Watteroth verblieb die Professur der politischen Wissenschaft(en) (verbunden mit der politischen Gesetzkunde).165 An der Theologischen Fakultät wurde im Zuge der Verkürzung des Studiums von fünf auf vier Jahre 1785 der Lehrstuhl für Patrologie und theologische Literaturgeschichte aufgehoben und mit jenem für Kirchengeschichte zusammengelegt.166 Da nach wie vor kein geeignetes, von einem Katholiken verfasstes Kompendium der Kirchengeschichte existierte, bestimmte Joseph II. 1786 die »Geschichte der christlichen Religion und Kirche« (Historia religionis et ecclesiae christianae adumbrata in usus lectionum) des aus Wien stammenden Lutheraners Matthias Schröckh, Professor an der Universität Wittenberg, zu dem für alle österreichischen Universitäten (als Vorlesebuch) vorgeschriebenen Lehrbuch der Kirchengeschichte. Dies hatte einen energischen Protest des Wiener Fürsterzbischofs und Kardinals Migazzi zur Folge. Daraufhin setzte der Kaiser 100 Dukaten Belohnung für das beste und für Vorlesungszwecke am besten geeignete Lehrbuch der Kirchengeschichte aus, das das Werk Schröckhs ersetzen könnte. Den Preis erhielt Matthias Dannenmayer (1744–1805), seit 1786 Professor für Kirchengeschichte in Wien (davor in Freiburg im Breisgau), für sein als Manuskript eingereichtes Werk Institutiones historiae ecclesiasticae. Dannenmayer war übrigens Mitglied der (1785 verbotenen) aufgeklärten Geheimgesellschaft der Illuminaten.167 Sein Lehrbuch der Kirchengeschichte wurde im August 1788 per Hofdekret zum Vorlesebuch für alle erbländischen Universitäten und Lyzeen bestimmt, obwohl der Autor – wie die Lutheraner – nur Taufe, Eucharistie und Buße als Sakramente gelten ließ und den Primat des Papstes ablehnte. Es blieb mehr als 30 Jahre in Gebrauch.168 Immerhin brachte es Erzbischof Migazzi dahin, dass Joseph II. die Professoren Watteroth und Dannenmayer im Mai 1789 zu sich rufen ließ, ihre in Vorlesungen öffentlich gezeigte

165 Osterloh, Joseph von Sonnenfels, S. 254f.; Karstens, Lehrer – Schriftsteller – Staatsreformer, S. 147f. 166 Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 404. 167 Wangermann, Die Waffen der Publizität, S. 135. 168 Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, S. 408–415, 457f. und 460–462; Braun, Ignaz Heinrich von Wessenberg, S. 809; Grass, Benediktinische Geschichtswissenschaft, S. 480. – Im weiteren Verlauf wird hier auf das Fach und die Professoren der Kirchengeschichte an der (Katholisch-)Theologischen Fakultät der Universität Wien nicht mehr eingegangen werden. Für die Zeit von 1886 bis 1984 siehe: Lenzenweger, Kirchengeschichte; für die Zeit von 1984 bis 2008: Prügl, Frankl, Hold, Klieber, Kirchengeschichte. – Zur Entwicklung des Faches Kirchengeschichte an der 1821 den Betrieb aufnehmenden Protestantisch-theologischen Lehranstalt in Wien, die erst 1922 als Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität inkorporiert wurde, sowie an dieser Fakultät siehe Leeb, Zum wissenschaftlichen Profil.

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»Unvorsichtigkeit« scharf rügte und ihnen für den Fall der Wiederholung die sofortige Entlassung androhte.169 Kaiser Leopold II. trug 1790 die Untersuchung der Klagen über das Unterrichts- und Studienwesen und dessen Neuorganisation seinem ehemaligen Lehrer Karl Anton von Martini (1726–1800) auf, dem er den Vorsitz der im April 1790 geschaffenen Studieneinrichtungskommission übertrug.170 Grete Klingenstein hat als Maximen der kurzlebigen, auf eine möglichste »Selbstorganisation der Lehrenden« an den einzelnen Fakultäten (und Gymnasien) in den einzelnen Städten und Ländern (Provinzen) abzielenden Martinischen Universitätsreform »Dezentralisierung und Demokratisierung« namhaft gemacht.171 In Zusammenarbeit mit den Professorenkollegien verfasste Martini für alle vier Fakultäten neue Studienordnungen. Die noch im selben Jahr 1790 erlassene neue philosophische Studienordnung sah für die dreijährigen Studien an den philosophischen Fakultäten im zweiten und dritten Jahr Pflichtvorlesungen aus Universalgeschichte und im dritten Jahr als »außerordentliche [d. h. nicht verpflichtende] Lehrgegenstände« Vorlesungen über Diplomatik, Numismatik und Altertumskunde vor.172 Martini strich also, um die von ihm für zu groß gehaltene Zahl der Lehrgegenstände zu reduzieren, die Einführung in die Universalgeschichte im ersten Jahr, und er »stellte es angehenden Theologen und Medizinern frei, ob sie Kollegien in den zu ihrer künftigen Bestimmung nun nicht mehr für notwendig erachteten Fächern der Geschichte, der Schönen Wissenschaften und der Ästhetik hörten oder nicht«.173 Das von van Swieten erst kürzlich eingeführte Pflichtfach der österreichischen Geschichte im juridischen Studienplan schaffte Martini wieder ab – es erschien ihm »nicht schlechterdings nothwendig zu seyn«, da den Schülern ohnehin ausreichende Kenntnisse aus der vaterländischen Geschichte in den unteren Schulen (d. h. an den Gymnasien) und an den philosophischen Fakultäten vermittelt würden.174 Die »alte«, von Gottfried van Swieten geleitete Studienhofkommission wurde Anfang Dezember 1791 aufgelöst und die Leitung des Studienwesens wurde unmittelbar der BöhmischÖsterreichischen Hofkanzlei übertragen. Zu deren Referenten für das Studienwesen wurde der gelehrte, angesichts der Folgen der Französischen Revolution politisch konservative Hofrat bei der Böhmisch-Österreichischen Hofkanzlei 169 Wangermann, Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 89. 170 Wangermann, Das Bildungsideal Gottfried van Swietens, S. 178f. Siehe v. a. Adler, Die Unterrichtsverfassung Kaiser Leopolds II., und Wandruszka, Leopold II., Bd. 2, S. 321– 327. 171 Klingenstein, Universitätsfragen in der Österreichischen Monarchie um 1800, S. 85. 172 Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 2, S. 609; Meister, Das Werden der philosophischen Fakultät Wien, S. 368; Egglmaier, Die Historischen Hilfswissenschaften, S. 281f. 173 Wangermann, Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 99f. 174 Ebd., S. 100f.

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Abb. 7: Karl Anton von Martini (1726–1800). Kupferstich.

Johann Melchior von Birkenstock, ein Verfechter einer »aktive[n] Wissenschaftspolitik des aufgeklärt-absolutistischen Staates«175 und übrigens ein bedeutender Gemälde-, Kupferstich- und Büchersammler und Förderer junger bildender Künstler, Zensor und Literat, ernannt.176 Nachdem bereits in den 1770er und 1780er Jahren die Professoren wiederholt von Amts wegen dazu aufgefordert worden waren, sich – notabene nach dem Vorbild der Professoren protestantischer Musteruniversitäten im Heiligen Römischen Reich wie Göttingen, Halle, Leipzig oder Jena – »neben der bloßen 175 Egglmaier, Am Beispiel Österreich, S. 123. 176 Lentze, Universitätsreform, S. 21f.; Weitensfelder, Studium und Staat, S. 21–68 und passim; Huber-Frischeis, Knieling, Valenta, Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I., S. 327–338. – Zur Auseinandersetzung zwischen Martini und Gottfried van Swieten über die Reform der Universitätsstudien im Jahr 1791 siehe Wangermann, Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 101–111.

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Lehrtätigkeit auch forschend zu betätigen, zu schreiben und zu publizieren«177, ermunterte Martini 1791 die fähigeren Professoren nicht nur zum Publizieren, sondern stellte für wissenschaftliche Publikationen sogar Honorare, Gehaltserhöhungen und Belohnungen in Aussicht: »Die geschickteren Lehrer sollen ermuntert werden, Beiträge zu einer litterarischen [d. h. wissenschaftlichen; Th.W.] Zeitschrift, es sey nun an Recensionen neuer Bücher, oder litterarischen Nachrichten, besonders über vaterländische Begebenheiten im Reiche der Gelehrsamkeit und Künste, gegen ein verhältnismässiges Honorarium, zu liefern […].«178

Und ein paar Seiten weiter : »Die öffentlichen Lehrer unserer Schulen und Universitäten, welche durch die Herausgabe gelehrter Werke gegründeten Beifall sich erwerben, und das ihnen zugetheilte wissenschaftliche Fach in besondere Aufnahme bringen […], sollen […] nicht allein durch Remunerationen und Vermehrungen ihrer Besoldungen, sondern auch durch Rangserhebungen, und Beförderungen zu ansehnlicheren und einträglicheren Lehrämtern belohnet werden.«179

Unter Kaiser Franz II./I. (1792–1835) setzte sich im Zeitalter der Französischen Revolution und der Koalitionskriege in der Habsburgermonarchie »wieder der Polizeistaat im Geiste staatlicher Bevormundung durch«.180 1802 wurden die unter Leopold II. abgeschafften und durch die kollegialische Selbstverwaltung der Professoren ersetzten staatlichen Studiendirektoren für die einzelnen Fakultäten als Aufsichtsorgane wiedereingeführt.181 Zu den Aufgaben der Studiendirektoren gehörte bis zur Wiener Märzrevolution von 1848 auch die Oberleitung der Präventivzensur der (als Manuskript einzureichenden) fachwissenschaftlichen Literatur. Die Lehrbücher hatten sie persönlich zu zensieren.182 1808 wurde die 1791 aufgelöste Studienhofkommission wiedererrichtet.183 Im Unterschied zu den jüngeren österreichischen Universitäten wie zum Beispiel Innsbruck (gegründet 1669) bildeten an den alten Universitäten Prag und Wien 177 Klingenstein, Despotismus und Wissenschaft, S. 157. 178 [Martini], Nachricht von einigen Schul- und Studienanstalten, § 17 (Kursivierung im Original). 179 Ebd., § 32 (Kursivierung im Original). 180 Lentze, Universitätsreform, S. 22. – Der frühe Tod Leopolds II., so Heinrich von Srbik, »ließ die österreichischen Universitäten wieder der Bürokratisierung und Überwachung anheimfallen«. Srbik, Geist und Geschichte, Bd. 1, S. 132f. 181 Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 597–602. 182 Marx, Die österreichische Zensur, S. 23. »Diese Fakultätszensur war gleichwohl noch an den ordentlichen Zensor gebunden, ohne dessen Erlaubnis nichts gedruckt werden durfte. Die unvermeidliche Verzögerung, die dieser Umstand mit sich bringen mußte, unterblieb nur dann, wenn beide Funktionen von einer Person ausgeübt wurden, was nicht selten war.« Ebd. 183 Walter, ÖZV II/1/2/2, S. 268–271.

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weiterhin die in Doktorenkollegien zusammengefassten Doktoren gemeinsam mit den Professoren die Fakultäten und blieben auch an den Rigorosen und Promotionen beteiligt.184

Abb. 8: Heinrich Franz Graf Rottenhan (1738–1809). Kupferstich.

Zur Beratung neuerlicher Reformen im Bildungsbereich war 1795 unter dem Vorsitz von Heinrich Franz Graf Rottenhan (1738–1809), des ehemaligen (1790– 1792) Oberstburggrafen von Böhmen und künftigen (1804–1808) Präsidenten der Obersten Justizstelle, die Studienrevisionshofkommission eingesetzt worden. Hofrat Birkenstock, der ebenso wie Rottenhan aus einem der katholischen Territorien des Heiligen Römischen Reichs stammte, verfasste für die Studienrevisionshofkommission zwischen 1795 und 1799 eine Reihe von Vorschlägen und Gutachten. Als Modell für die Universität der Haupt- und Residenzstadt Wien schwebte ihm nach wie vor die protestantische Musteruniversität Göttingen vor. Die Universität Wien sollte sozusagen zu einem »katholischen Göttingen« werden. Birkenstock äußerte sich allerdings mit keinem Wort dazu, wie er sich die Übertragung des für die Universität Göttingen ganz wesentlichen 184 Lentze, Universitätsreform, S. 22f.; Gall (F.), Die Doktorenkollegien.

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Prinzips der Lernfreiheit der Studenten und der Lehrfreiheit (sowie Zensurfreiheit) der Professoren an die vom Staat scharf reglementierten und gegängelten österreichischen Universitäten vorstellte.185 Die Lehrfreiheit hatte Gerlach Adolph Freiherr von Münchhausen, der Initiator, erste Kurator und große Förderer der Göttinger Universität, im Jahr 1770, kurz vor seinem Tod, folgendermaßen auf den Punkt gebracht: »Unseren Professoren ist ohne Rückhalt erlaubt, selbst das teutsche Staatsrecht bloß nach ihrer Überzeugung vorzutragen, ohne darauf zu sehen, ob ihre Lehrsätze mit dem Interesse derjenigen Classe von Reichsständen, zu welcher unser Regent gehört, oder mit dem noch specielleren Interesse unseres Hofes übereinstimmt oder nicht.«186 Der als Sohn eines Gutsbesitzers in Bozen geborene Franz Joseph Mumelter von Sebernthal (1762–1798) lehrte von 1790 bis zu seinem Tod als Professor der Universalgeschichte an der Universität Wien. In den Jahren 1788 bis 1790 hatte er an der Juridischen Fakultät unter dem Titel »Österreichische Geschichte« auch Vorlesungen über die Staats- bzw. Staatengeschichte der Habsburgermonarchie gehalten.187 Mumelter scheint bei seinen jungen Studenten bzw. Schülern – jedenfalls bei den ernsthaft interessierten und leistungswilligen – beliebt gewesen zu sein. Der als Sohn eines Schneidermeisters in Iglau (Jihlava) in Mähren geborene spätere (ab 1840) Hofkammerpräsident und (ab 1850) Präsident des Reichsrats Karl Friedrich (von) Kübeck (1780–1855), der von 1796 bis 1801 zunächst an der Philosophischen und anschließend an der Juridischen Fakultät der Universität Wien studierte, notierte im November 1796 in seinem Tagebuch: »Herr v. Mumelter lehrt die Geschichte. Seine Vorlesungen sind mir von dem höchsten 185 Weitensfelder, Studium und Staat, S. 47–52 und 147f. – Die Universität Göttingen war die erste Universität Deutschlands, an der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – gefördert durch die personelle Verschränkung des Professorenkollegiums mit der 1751 gegründeten Sozietät der Wissenschaften – jene enge Verbindung von Lehre und Forschung realisiert wurde, »die im 19. Jahrhundert zum Grundprinzip der deutschen Universitäten geworden ist«. Vierhaus, Göttingen (1999), S. 245 und 253. 186 Zitiert nach Hammerstein, Jus und Historie, S. 324. Münchhausen bezog sich dabei auf ein Privileg von König und Kurfürst Georg II. vom 7. Dezember 1736, in dem es hieß: »Daß […] Professores, Lehr- und Exercitien-Meister […] zu ewigen Zeiten vollkommene unbeschränckte Freyheit, Befugniß und Recht haben sollen, öffentlich und besonders zu lehren, respective Collegia publica und privata zu halten, Actus und Exercitia Publica, disputando und sonst anzustellen, bey den Facultäten Urtheile, Bedencken und Responsa abzufassen […] und überhaupt alles und jedes zu thun, was denen Doctoribus und Professoribus zukommt und gebühret […], Männigliches ungehindert.« Zitiert nach Hammerstein, Göttingen, S. 174, Anm. 17. 187 Siehe Egglmaier, Zwischen Aufklärung und Restauration. – H a u p t w e r k e Mu m e l t e r s: Versuch einer systematischen Reichsgeschichte in Kleinem, Bd. 1: Von den ältesten Zeiten bis Heinrich IV. (1786); Ueber die Verdienste oesterreichischer Regenten um das Deutsche Reich (1790). Zu Mumelters Publikationen siehe auch Bräu, Personalbibliographien, S. 35f.

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Interesse.«188 Mumelter borgte dem weitgehend mittellosen Kübeck sogar Bücher, deren Studium er ihm nahelegte. Im November 1797 hielt dieser im Tagebuch fest: »Ausser Plutarch, den ich mir kaufte, lese ich jetzt Gibbon, den mir Herr von Mumelter bandweise leiht […].«189 Im April 1798 bemerkte Kübeck mit Bezug auf Mumelter : »Er trägt zum Entzücken vor!«190 Am 17. November 1798 begleitete Kübeck, der erst kürzlich, rund um seinen 18. Geburtstag, »in die juridischen Studien eingetreten« war, seinen ehemaligen Lehrer auf dem Weg in die Vorlesung und wurde dabei Augenzeuge von Mumelters plötzlichem Tod infolge eines Schlaganfalls. »Dieser schnelle Tod eines von mir so hochverehrten Mannes hat mich tief erschüttert!! Mein dankbares Andenken an ihn wird in meinem Herzen nie verlöschen!«191 Im Sommer 1798 beratschlagte die Studienrevisionshofkommission über das Studium an den philosophischen Fakultäten. Über die Frage der Verbesserung des Geschichtsunterrichts führte der Kommissionspräses Graf Rottenhan in diesem Jahr einen aufschlussreichen Briefwechsel mit Franz Joseph Mumelter. Den im philosophischen Studienkurs im Wesentlichen auf die Universalgeschichte beschränkten universitären Geschichtsunterricht empfand Rottenhan als völlig unzureichend. Er wollte darüber hinaus Kirchengeschichte nicht nur für Theologen gelesen wissen und bedauerte ausdrücklich das Fehlen ihm besonders wichtig erscheinender historischer Themenbereiche wie »Geschichte der Menschheit im Ganzen, Europäische Staatengeschichte, Litterargeschichte [d. h., in heutiger Terminologie, Wissenschaftsgeschichte; Th.W.] im Ganzen und für einzelne Wissenschaften, Geschichte der Künste, der Handlung, Religionsgeschichte, Geschichte der andern Weltteile, Geschichte einzelner europäischer Reiche und Staaten« sowie »Geschichte der Erblande«, also der Länder und Ländergruppen der Habsburgermonarchie.192 Zu Recht als »zukunftsweisend«, ja als »Königsweg«193 ist die Auffassung bezeichnet worden, die von der Studienrevisionshofkommission von vornherein zur Maxime erhoben wurde, nämlich das Studium an den philosophischen Fakultäten de facto zweizuteilen: in einen allgemeinen, weiterhin propädeutischen, für alle Studenten obligatorischen, der wissenschaftlichen Berufsvorbildung dienenden Vorbereitungs- oder Lyzealkurs einerseits und einen forschungsorientierten »höheren, der wissenschaftlichen Ausbildung dienenden sogenannten Universitätskurs« andererseits.194 »Dies bedeutete, daß die Philosophie 188 189 190 191 192 193 194

Kübeck, Tagebücher, S. 18. Ebd., S. 26. Ebd., S. 32. Ebd., S. 38. Zitiert nach Egglmaier, Zwischen Aufklärung und Restauration, S. 389. Klingenstein, Universitätsfragen in der Österreichischen Monarchie um 1800, S. 87. Egglmaier, Die Historischen Hilfswissenschaften, S. 283.

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nunmehr wie die anderen Fakultäten als ›höheres‹, ›erudirteres‹ Studium und nicht mehr ausschließlich als Propädeuticum betrieben werden konnte […].«195 Die Vorschläge der Studienrevisionshofkommission bezüglich einer Neuordnung der Universitäten wurden allerdings allesamt nicht umgesetzt (vermutlich unter anderem deshalb, weil Kaiser Franz II. in diesen Jahren allzu sehr mit der im Zeichen des militärischen Kampfes gegen die Französische Revolution und gegen Napoleon stehenden Außenpolitik beschäftigt war196), die Kommission wurde vielmehr 1802 aufgelöst, bevor und ohne dass auch nur einer der neuen Studienpläne erlassen wurde.197 Bis zu den Universitätsreformen des Unterrichtsministers Leo Graf ThunHohenstein in den Jahren nach der Revolution von 1848/49 wurde das Fach Geschichte (unter verschiedenen Titeln wie »Universal- und Österreichische Staatengeschichte« oder »Welt- und österreichische Staatengeschichte, Diplomatik und Heraldik«) weiterhin im Rahmen des propädeutischen philosophischen Lehrgangs unterrichtet und »nicht als selbständige wissenschaftliche Disziplin angesehen«.198 Der Studienplan für die philosophischen Studien aus dem Jahr 1805199 sah an den österreichischen Universitäten ein nach wie vor dreijähriges philosophisches Studium vor, in dessen Rahmen im ersten und im zweiten Jahr je drei Semesterwochenstunden »Weltgeschichte« für alle verpflichtend waren.200 Künftige Juristen mussten überdies im dritten Jahr drei Wochenstunden »Geschichte der deutschen und besonders der österreichischen Staaten« absolvieren. Zu den, wie wir heute sagen würden, freien Wahlfächern 195 Klingenstein, Universitätsfragen in der Österreichischen Monarchie um 1800, S. 87. – Zu den von Joseph von Sonnenfels, seit 1763 Inhaber des neu geschaffenen Lehrstuhls für Policey- und Kameralwissenschaften an der Universität Wien, bereits 1771 geäußerten Sorgen vor einem ›Akademikerüberschuss‹, seiner Kritik an der angeblichen »Studiersucht« von Bauern- und Handwerkersöhnen sowie seiner Forderung nach einem stärker ›berufsorientierten‹ Studium siehe Klingenstein, Akademikerüberschuß. 196 Weitensfelder, Studium und Staat, S. 144. 197 Egglmaier, Die Historischen Hilfswissenschaften, S. 288. 198 Mazohl, Wallnig, (Kaiser)haus – Staat – Vaterland, S. 47. – Zu den Professoren der Universalgeschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien zwischen 1790 und 1801 (1790–1798: Franz Joseph Mumelter von Sebernthal [1762–1798], 1798–1801: Franz Caspar Lehmann [1769–1846]) siehe im Überblick Schwarz (Godehard), Die philosophische Fakultät der Universität Wien 1740–1800, S. 144–152; zu den Professoren der Historischen Hilfswissenschaften (Diplomatik und Numismatik) zwischen 1783 (Diplomatik) bzw. 1774 (Numismatik) und 1804 bzw. 1816 ebd., S. 153–167. 199 Allerhöchste Entschließung vom 12. Juli 1805 und Hofkanzleidekret vom 9. August 1805, abgedruckt bei: Unger, Systematische Darstellung der Gesetze über die höheren Studien, Teil 2, S. 497–517. 200 Als Lehrbuch der Weltgeschichte »von der Erschaffung der Welt […] bis auf unsre Zeiten« war – wie bisher – das dreibändige Werk Handbuch der allgemeinen Geschichte von Julius August Remer (erste Auflage Wien 1785/86) vorgeschrieben. Matiasek, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichtes, S. 26.

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gehörten die Historischen Hilfswissenschaften Diplomatik und Heraldik. Von diesen beiden Wissenschaften heißt es im philosophischen Studienplan von 1805, sie seien »für den gelehrten Geschichtsforscher, welcher die Geschichte aus ihren Quellen mit Sachkenntniß herausheben will, für Bibliotheks- [und] Archivsdienste, und für mancherlei andere wichtige aus- und inländische Geschäfte nothwendig«. Sie werden daher besonders »demjenigen« ans Herz gelegt, »der Aussichten zu einer Anstellung in auswärtigen Geschäften, oder in Archiven, Bibliotheken u(nd) d(er)gl(eichen) hat«.201 Als weiteres freies Wahlfach wird die Numismatik genannt, »welche zu einem tiefern Studium der Geschichte, vorzüglich der alten, führet«.202 Ebenfalls 1805 wurde die 1775 von sechs auf fünf verminderte Klassenzahl der Gymnasien in jenen Städten der Habsburgermonarchie, die eine Universität oder ein Lyzeum beherbergten, wieder auf sechs erhöht, beginnend mit dem Schuljahr 1807/08. Ab 1816 erhielten auch die übrigen Gymnasien (wieder) eine sechste Klasse. Dadurch erhöhte sich das durchschnittliche Alter der Studienanfänger an den philosophischen Fakultäten um ein Jahr (auf etwa 16 Jahre). Spätestens seit 1820 gab es an allen österreichischen Gymnasien vier Grammatikal- und zwei Humanitätsklassen.203 Geographie und Geschichte wurden in den vormärzlichen Gymnasien im Allgemeinen gemeinsam unterrichtet, und zwar, nach drei Stunden Geographie in der ersten Grammatikalklasse, in der zweiten Grammatikalklasse »die Geographie und Geschichte des Oesterreichischen Kaiserstaates«, in der dritten und vierten Grammatikalklasse »die Geographie und Geschichte des übrigen Europa«. In der ersten Humanitätsklasse sollten die Geographie und Geschichte der »übrigen Welttheile kurz abgehandelt werden«, in der zweiten Humanitätsklasse schließlich die »alte«, d. h. die antike, Geographie und Geschichte.204 Die an den philosophischen Fakultäten Inskri201 Unger, Systematische Darstellung der Gesetze über die höheren Studien, Teil 2, S. 509 und 505. 202 Ebd., S. 511. Vgl. auch Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 602–605. 203 Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 246 und 249f. Zu Ansätzen einer weitergehenden Reform des Gymnasiums in den 1830er und 1840er Jahren, verbunden mit Vorschlägen zur Schaffung achtklassiger Gymnasien, siehe ebd., S. 257–259. – Infolge der Wiederzulassung des Jesuitenordens, der Wiedereröffnung von in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgehobenen Gymnasien in kleineren Städten und der Erhöhung der Klassenzahl von fünf auf sechs stieg die Schülerzahl an den Gymnasien der böhmischen und österreichischen Erbländer zwischen 1814 und 1825 von knapp 11.000 auf ca. 36.500. In den 1830er Jahren pendelte sich die Zahl auf etwa 28.000 ein. Grimm, Stabilisierung versus Mobilisierung, S. 97f. »Die Streuung der Schüler hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft war im Vormärz wesentlich breiter als in der theresianisch-josephinischen Epoche.« Ebd., S. 98. 204 Mitterstöger, Gymnasialstudienwesen, S. 16, 18 (Stundentafel) und 55–65. – Ein anonymer Kritiker der vormärzlichen Gymnasien und Universitäten der Habsburgermonar-

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bierten wurden in den Vorträgen der Studienhofkommission an den Kaiser auch im Vormärz weiterhin nicht als Studenten, sondern als Schüler bezeichnet. So heißt es beispielsweise in einem »Allerunterthänigsten Vortrag der treugehorsamsten Studien-Hofkommission« vom 23. Juli 1836, dass für den »freyen Lehrgegenstand der Numismatik an der hiesigen Universität […] vom Anfange des Schuljahres 1835/36 bis zum 5. Juni d(ieses) J(ahres) […] 36 Schüler vorschriftmäßig eingeschrieben« waren.205 In Preußen hingegen sah die Unterrichtsverfassung für die im Geiste des Neuhumanismus reformierten Gymnasien seit 1816 einen zehnjährigen und seit 1837 einen neunjährigen Kursus in sechs, teilweise mehrjährigen Klassen vor. Das Abiturientenexamen wurde 1812 eingeführt. Die Abiturienten waren im Allgemeinen etwa 19 oder 20 Jahre alt. Seit 1834 war das Abitur Zugangsvoraussetzung für die preußischen Universitäten.206 Die Säkularisierung der Lehrerschaft der gelehrten Schulen, also die Trennung des Standes der Gymnasiallehrer von jenem der Theologen, aber auch von den Lehrern an Bürger- und Elementarschulen, fand in Preußen ihren vorläufigen Abschluss durch die Einführung der Lehrbefähigungsprüfung (examen pro facultate docendi) im Jahr 1810 (neu reglementiert 1831).207 In Bayern folgten bereits seit 1804 auf drei Jahre Grundschule je drei Jahre Realschule, Gymnasium und Lyzeum. Absolventen eines Lyzeums, die ab 1809 ein unter staatlicher Aufsicht stehendes Abitur ablegen mussten, waren bei ihrem Übertritt an die Universität im Allgemeinen 18 Jahre alt, also im Durchschnitt um etwa zwei bis drei Jahre älter als die Erstsemestrigen an den philosophischen Fakultäten der Universitäten der Habsburgermonarchie. Seit 1829 folgte in Bayern auf einen sechsjährigen Kursus (etwa ab dem 8. Lebensjahr) an den bayerischen Lateinschulen ein vierjähriger Gymnasialkursus (etwa vom 14. bis zum 18. Lebensjahr). Seit 1809 gab es in Bayern auch eine verchie skizzierte den gymnasialen Geschichtsunterricht in einem im Februar oder März 1848 in Leipzig erschienenen Buch so: »Die Geschichte schielt durch eine k. k. österreichische Patent-Lupe. Sie stellt Luther, Zwingli, Calvin und Huß als wahre Scheusale […] auf, erinnert sich ganz zufällig und im Vorbeigehen, daß es einmal einen Kaiser Joseph den Zweiten gegeben habe, […] hält dem guten Kaiser Franz eine begeisterte Lobrede und zeigt ausführlich, was für unruhige, niederträchtige Kerle die Franzosen waren und noch sind. Am Ende dieser sogenannten Staatengeschichte angelangt, muß das gläubige Schülergemüth nothwendigerweise zu dem Resultate kommen: es gehe halt doch nichts darüber, ein guter Oesterreicher und frommer Katholik zu sein.« Aus dem Hörsaal, S. 44. 205 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, Karton 246, Fasz. Numismatik, Heraldik, Altertumskunde, Archäologie, Nr. 38 (Zahl 5476/1836 bzw. 37 ex September 1836), fol. 40v. 206 Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts, Bd. 2, S. 290–293 und 347–355. »Die Pforte der Universität wurde 1834 den ohne Reifezeugnis Kommenden verschlossen […].« Ebd., S. 387. 207 Ebd., S. 286–288 und 347f.; Jeismann, Das preußische Gymnasium, S. 318–324 und 349– 360.

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pflichtende staatliche Prüfung für Gymnasiallehrer.208 Im Gegensatz zu Preußen und Bayern wurden in der Habsburgermonarchie sowohl das achtklassige Gymnasium als auch die Matura (»Maturitätsprüfung«) als Zugangsbedingung für die Universitäten und die Lehramtsprüfung erst nach 1848 eingeführt, also etwa vier Jahrzehnte später als in Preußen und Bayern. Nach dem Tod Franz Joseph Mumelters im Jahr 1798 supplierte seit 1800 Johann Wilhelm Ridler209 (1772–1834), ein gebürtiger Leitmeritzer, vier Jahre lang die Lehrkanzel der allgemeinen Weltgeschichte. Im Mai 1804 verlieh ihm Kaiser Franz II. auf Vorschlag der Vereinigten Hofkanzlei die Lehrkanzel definitiv. Die Hofkanzlei hatte sich in ihrem Vortrag davon überzeugt gezeigt, dass die Wiener Universität mit Ridler, der sich neben der griechischen und der lateinischen Sprache »aus den neuern [Sprachen] die französische, englische, italienische [und] spanische« sowie die dänische und die schwedische »[zu] eigen gemacht« habe, »einen vollkommenen Lehrer der Geschichte erhalten« werde.210 1806 erhielt er zusätzlich den Auftrag, die seit dem Tod Gregor Maximilian Grubers im Jahr 1799 nicht besetzte Professur für Diplomatik und Heraldik mitzuversehen.211 Franz Grillparzer (1791–1872), der sich im November 1804, zwei Monate vor seinem 14. Geburtstag, an der Wiener Philosophischen Fakultät einschreiben ließ und dort bis November 1807 philosophische, mathematische, altphilologische, historische, naturhistorische und ästhetische Vorlesungen besuchte212, erinnert sich in seiner Selbstbiographie, dass der – namentlich nicht genannte, aber ohne Zweifel mit Ridler identische – »Professor der Geschichte, trotz seiner vollendeten Geckerei« ihn und seine Studienkollegen bzw. Mitschüler »[a]m meisten befriedigte […]. Sein Vortrag war affektirt, aber lebhaft. Da mir die Geschichte aus meinen Kinderjahren geläufig war, so fand ich mich hier am besten zurecht. Ich erinnere mich sogar, daß er meine Art, die Geschichte zu studieren, sämmtlichen Mitschülern als Muster empfahl, da, bei einer Prüfung über die Han-

208 Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts, Bd. 2, S. 421–435; Fürnrohr, Schraudolph, 200 Jahre Abitur, S. 17–19. – Als zentrale Aufgabe der bayerischen Gymnasien wurde 1829 festgelegt, »die dem Studium der Wissenschaften sich widmende Jugend für die Universität geistig zu stärken und gründlich vorzubereiten«. Zitiert nach Paulsen, a. a. O., S. 428. 209 So die übliche Schreibweise seines Namens; in den in der Folge zitierten Akten firmiert er häufiger, aber nicht durchgängig als »Riedler«. 210 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, Karton 244, Fasz. Geschichte, Heraldik, Diplomatik, Methodenlehre, fol. 135–150 (Zahl 12.830/1804 bzw. 172 ex Juli 1804). 211 Ebd., fol. 151–155 (Zahl 10.606/1806 bzw. 67 ex Juli 1806); Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848, S. 226f. Ein Verzeichnis von Ridlers Publikationen bietet Bräu, Personalbibliographien, S. 45–48. 212 Nadler, Franz Grillparzer, S. 52f.

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delswege der Alten, er aus meinem Herumzeigen mit den Fingern auf der Schulbank abnahm, daß ich mit Zuhilfnahme der Landkarte studiert hatte.«213

Von 1814 bis zu seinem Tod 1834 leitete Ridler die Wiener Universitätsbibliothek, in deren Annalen er sich einschrieb, indem er »als erster selbsttätiger Leiter durch Planung des 1829 fertiggestellten Erweiterungsbaues, Systemisierung und soziale Besserstellung auch der niederen Beamten, Heranbildung selbständiger Bibliothekare, Aufstellung einer Handbibliothek im Lesesaal, vor allem aber durch seinen entscheidenden Anteil an der Abfassung der ›Bibliotheken-Instruktion‹ (1824), die ab 1825 für fast 100 Jahre für alle Bibliotheken des Kaiserstaates verbindlich blieb, die Grundlagen für eine neue, entwicklungskräftige Organisation schuf«.214

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Geschichte und die Historischen Hilfswissenschaften an der Philosophischen Fakultät der Wiener Universität weiterhin von zwei akademischen Lehrern vorgetragen, dem Professor der Welt- bzw. Universalgeschichte und der österreichischen Staatengeschichte sowie der Diplomatik (und Heraldik) einerseits, dem Professor der Numismatik und Altertumskunde andererseits.215 Die letztgenannte Professur war seit 1774 stets mit dem jeweiligen Direktor des kaiserlichen (bzw. kaiserlichköniglichen) Münz- und Antikenkabinetts besetzt, beginnend mit Joseph Hilarius (von) Eckhel. Nach dessen Tod im Jahr 1798 folgte ihm der in Krems an der Donau geborene, 1787 säkularisierte ehemalige Augustiner Chorherr – und, wie Eckhel, Freimaurer – Franz Neumann (1744–1816) als Direktor des vereinigten Münz- und Antiken-Kabinetts nach. Er supplierte die vakante Professur für Altertumskunde und Numismatik an der Universität Wien ab Dezember 1798 mehr als ein Jahrzehnt lang. Erst im Februar 1810 wurde er zum wirklichen Professor der Numismatik und Altertumskunde ernannt.216 Am 1. August 1817 213 Grillparzer, Selbstbiographie, S. 34. – In seinem ersten, 1806 im Alter von 15 Jahren verfassten Lustspiel »Die unglücklichen Liebhaber« (Nadler, Franz Grillparzer, S. 67) hat Grillparzer seinem Lehrer Ridler »in der Person des Rates [in einem Justizkollegium] Rimbold […] ein ironisch-karikierendes Denkmal gesetzt«. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 9 (Wien 1988), S. 134. Grillparzer selbst spricht von einem »Lustspiel, in dem unsere Professoren mit ihren bis zur Karikatur getriebenen Eigenheiten die Rolle der ›unglücklichen Liebhaber‹ spielten«. Grillparzer, Selbstbiographie, S. 28. 214 Österreichisches Biographisches Lexikon (wie vorige Anm.), S. 134. 215 Rüdegger, Die philosophischen Studien, S. 118f. 216 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, Karton 246, Fasz. Numismatik, Heraldik, Altertumskunde, Archäologie, Nr. 2 (Zahl 14.130/1799 bzw. 235 ex August 1799) und Nr. 7 (Zahl 180/1810 bzw. 30 ex Februar 1810); Goldinger, 25 Niederösterreicher, S. 514f.; Lein, Beziehungen, S. 92–98; Hassmann, Winter, Numophylacium Imperatoris, S. 80f. und 142f. sowie passim; Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 7 (Wien 1978), S. 90f.; Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848, S. 194f.

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Abb. 9: Franz Grillparzer (1791–1872). Lithographie, wohl um 1817.

wurde sein ebenfalls in Krems geborener Schüler Anton Steinbüchel (1790– 1883; seit der 1823 erfolgten Nobilitierung seines Vaters: Anton von Steinbüchel bzw. Anton Steinbüchel Edler von Rheinwall) im Alter von erst 26 Jahren zum Professor der Numismatik und Altertumskunde ernannt. 1819 folgte er Neumann auch als Direktor des Münz- und Antikenkabinetts nach. 1836 und 1839 wurde, nachdem Steinbüchel vom Kaiser für die Durchführung von Forschungsund Ankaufsreisen längere Urlaube bewilligt worden waren, seine »außerordentliche Lehrkanzel« zeitweilig von dem hofkriegsrätlichen Konzeptspraktikanten Joseph Häufler (1810–1852) suppliert.217 Nach heftigen Auseinandersetzungen mit Joseph Arneth, dem fast gleichaltrigen Ersten Kustos des k. k. Münz- und Antikenkabinetts, vor allem aber mit seinem eigenen Dienstvorgesetzten, dem Präfekten der Hofbibliothek Moritz Graf Dietrichstein, dem 1833 die Oberleitung des Kabinetts übertragen worden war, wurde Steinbüchel sowohl als Direktor (1840) als auch als Professor (1841) vorzeitig »quiesziert«

217 Ebd., Nr. 38 (Zahl 5476/1836 bzw. 37 ex September 1836) und Nr. 43 (Zahl 4618/1839 bzw. 92 ex Juli 1839).

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(pensioniert). Danach war er als Kunsthändler tätig und lebte in Mailand und Padua, später auf einem Landgut bei Amstetten, in Graz, Triest und Innsbruck.218 Die Auswahl neuer Professoren erfolgte in der Habsburgermonarchie bis 1848 häufig im Rahmen einer sogenannten Konkursprüfung. Wenn an der Universität der Haupt- und Residenzstadt Wien eine Lehrkanzel frei wurde, dann wurde dies zunächst den jeweiligen Fachprofessoren an den anderen höheren Lehranstalten der Monarchie bekanntgegeben. Falls sich »kein vorteilhaft bekannter« Professor meldete, musste von der Landesstelle, also von der obersten politischen Behörde jenes Landes, in dem sich die betreffende Universität befand (im Falle der Universität Wien war das die Niederösterreichische Regierung), öffentlich – insbesondere in der »Wiener Zeitung« – ein Konkurs ausgeschrieben werden. Mindestens drei Monate später wurden eine schriftliche und eine mündliche Konkursprüfung abgehalten. »Seit 1798 mussten Kandidaten für die Konkursprüfung das Doktorat im einschlägigen Fach ihrer Bewerbung vorweisen. […] Eine Dispens von den Konkursprüfungen war in Ausnahmefällen gestattet, insbesondere, wenn der betreffende Professor ›schon durch wenigstens einige Jahre zur vollen Zufriedenheit der Behörden beim Lehramt‹ diente.«219 Da es in der Habsburgermonarchie vor 1848 keine spezielle Ausbildung für Gymnasiallehrer gab, mussten im Übrigen auch Bewerber um ein öffentlich ausgeschriebenes Gymnasiallehramt sich einer schriftlichen und mündlichen Konkursprüfung unterziehen.220 Zwecks Wiederbesetzung der »erledigte[n] außerordentliche[n] Lehrkanzel der Münz- und Alterthumskunde« beauftragte die Studienhofkommission die Niederösterreichische Regierung, das Böhmische Gubernium und das Mährisch-schlesische Gubernium damit, am 8. Oktober 1841 an den Universitäten 218 Lhotsky, Die Geschichte der Sammlungen, 2. Hälfte, S. 478–483 und 540f.; Goldinger, 25 Niederösterreicher, S. 517f.; Lein, Beziehungen, S. 98–103 und 108–124; Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 13 (Wien 2010), S. 163; Heidecker, Anton Steinbüchel von Rheinwall; Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848, S. 261–264; Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, Karton 246, Fasz. Numismatik, Heraldik, Altertumskunde, Archäologie, Nr. 19 (Zahl 1776/1817 bzw. 43 ex August 1817), Nr. 30 (Zahl 2471/1834 bzw. 24 ex April 1834) und Nr. 50 (Zahl 788/1841 bzw. 23 ex Februar 1841). 219 Staudigl-Ciechowicz, Dienst-, Habilitations- und Disziplinarrecht, S. 135. Die schriftlichen »Concurs-Elaborate« sollten »nicht nur der Wissensüberprüfung dienen, sondern auch die Einordnung der [weltanschaulichen und politischen; Th.W.] Geisteshaltung ermöglichen«. Ebd. Siehe auch Widmann, Vormärzliches Studium, S. 126f., und dies., Idee und Wirklichkeit, S. 119–123. 220 Mitterstöger, Gymnasialstudienwesen, S. 105–136. – Der »Berufsstand der Gymnasiallehrer« war in Österreich bis 1848 »eine Domäne des Ordens- und Weltklerus«. Erst durch die Neuordnung der philosophischen Fakultäten im Zuge der Universitätsreform der 1850er Jahre kam es zu einer Säkularisierung, »Verbürgerlichung« und »Professionalisierung« des Berufs des Gymnasiallehrers. Grimm, Stabilisierung versus Mobilisierung, S. 99f.

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Wien, Prag und Olmütz die vorgeschriebene Konkursprüfung abzuhalten. Da jedoch weder in Wien noch in Prag und Olmütz auch nur ein einziger »Konkurrent« antrat, stellten die drei Landesstellen das versiegelte Kuvert mit den Konkursfragen der Studienhofkommission ungeöffnet zurück. Erst danach langte bei der Studienhofkommission das Gesuch des (1840 ernannten) Direktors des k. k. Münz- und Antikenkabinetts und sehr produktiven Historikers, Numismatikers und Archäologen Joseph Calasanz(a) (seit 1861 Ritter von) Arneth (1791–1863) ein221, in dem er darum bat, ihm die erledigte Lehrkanzel zu verleihen. Arneth, ein gebürtiger Mühlviertler, hatte sich bereits 1817 an dem Konkurs nach dem Tod Franz Neumanns beteiligt und war von der Studienhofkommission als der nach Anton Steinbüchel am besten geeignete Kandidat eingestuft worden. Arneth hatte in den 1820er und 1830er insgesamt vier Jahre lang (insbesondere von Herbst 1825 bis 1828) die Lehrkanzel der Welt- und der österreichischen Staatengeschichte, danach jene der Diplomatik und Heraldik sowie mehrmals – in Vertretung Anton von Steinbüchels – jene der Münz- und Altertumskunde suppliert. Auf Vorschlag der Studienhofkommission bewilligte Kaiser Ferdinand das Gesuch und verlieh am 26. Januar 1841 »das Lehramt der Numismatik und Alterthumskunde an der Wiener Universität dem Direktor Meines Münz- und Antiken-Kabinets Joseph Arneth«222, das dieser bis zu seinem Tod im Jahr 1863 innehatte. »Danach wurde dieses Ordinariat nicht wieder besetzt.«223 1824, einige Jahre nach der Verlängerung der Gymnasialstudien um ein Jahr, wurden die philosophischen Studien von drei auf zwei Jahre verkürzt.224 Die

221 Von A r n e t h s monographischen P u b l i k a t i o n e n seien nur genannt: Geschichte des Kaiserthumes Oesterreich (1827); Synopsis nvmorvm antiqvorvm qvi in Mvseo Caesareo Vindobonensi adservantvr, 2 Bde. (1837 und 1842); Beschreibung der zum k. k. Münz- und Antiken-Cabinette gehörigen Statuen, Büsten, Reliefs, Inschriften, Mosaiken (1845, 71859); Die antiken Gold- und Silber-Monumente des k. k. Münz- und Antiken-Cabinettes in Wien (1850); Die Cinque-Cento-Cameen und Arbeiten des Benvenuto Cellini und seiner Zeitgenossen im k. k. Münz- und Antiken-Cabinette zu Wien (1858). 222 Österreichisches Staatsarchiv (wie Anm. 218), Nr. 50 (Zahl 788/1841 bzw. 23 ex Februar 1841); Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848, S. 9–12; Lhotsky, Die Geschichte der Sammlungen, 2. Hälfte, S. 541–549; Lein, Beziehungen, S. 103–108, 113f. und 124–126; Mayerhofer, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1848 bis 1873, S. 1–3. – Arneth war übrigens seit 1817 mit der berühmten Schauspielerin Antonie Adamberger (1790–1867), der früheren Verlobten und Braut Theodor Körners, verheiratet. Die beiden waren die Eltern des bekannten Historikers, Politikers und Archivars Alfred von Arneth (1819–1897), des Autors einer zehnbändigen »Geschichte Maria Theresias« (1863–1879), Direktors des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1868–1897), Präsidenten der Wiener Akademie der Wissenschaften (1879–1897) etc. Siehe Nerath, Alfred Ritter von Arneth, und Pöschl, Alfred Ritter von Arneth als Politiker. 223 Urban, Anfänge der Urgeschichte, S. 264. 224 Studienhofkommissionsdekret vom 2. Oktober 1824, abgedruckt bei: Unger, Systemati-

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nunmehr fünf Semesterwochenstunden Universalgeschichte im zweiten Jahrgang wurden, da der freiwillige Besuch sehr gering war, erst im August 1826 durch eine Allerhöchste Entschließung Kaiser Franz’ I. verpflichtend gemacht, allerdings nicht für alle Studenten, sondern nur für Konviktisten, Stipendiaten und vom Unterrichtsgeld Befreite.225 Als Freigegenstände wurden daneben unter anderem »Österreichische Staatengeschichte« (drei Wochenstunden) und »Historische Hilfswissenschaften« (zwei Wochenstunden) gelehrt.226 »Damit war das für alle Studierende[n] obligate Vor-Studium an der philosophischen Fakultät an seinem Tiefpunkt angelangt.«227 Bezüglich des Faches Universalgeschichte wurde besonders eingeschärft, es sei »ernstlich auf die Beobachtung der bestehenden Vorschrift zu dringen, daß der Vortrag […] wirklich bis auf die neueren Zeiten fortgeführt werde, und nicht schon bei der Geschichte um einige Jahrhunderte zurück abbreche«. Von der Alten Geschichte, die bereits im Gymnasium gründlich behandelt wurde, sei »nur des universal-historischen Zusammenhanges wegen ein Umriß […] zu geben, damit der größte Theil der Zeit auf die Geschichte des Mittelalters und der neuen Zeit verwendet werden könne«. Weiter heißt es: »Die Universalgeschichte neuerer Zeit wird die Hauptbegebenheiten mit der für den österreichischen Staatsbürger interessanten vorzüglichen Beziehung auf das Gesammt-Vaterland darzustellen haben, nachdem es immer mehrere Zuhörer geben wird, welche nicht auch die eigenen Vorlesungen über die österreichische Staatengeschichte besuchen.«228 Bei den Vorlesungen im Wahlfach »Österreichische Staatengeschichte« war »die Darstellung der Genealogie der österreichischen Regentenhäuser nicht zu vernachläßigen, der Hauptinhalt der vorzüglichen Staatsacten anzuführen, auch [an den Universitäten und Lyzeen; Th.W.] in den verschiedenen Provinzen besondere Rücksicht auf die Geschichte dieser Provinz zu nehmen«. Bezüglich der Historischen Hilfswissenschaften wurde bestimmt, jährlich alternierend die Diplomatik und Heraldik bzw. die Numismatik zu behandeln. Mit Vorwissen und Genehmigung der Studienhofkommission konnte auch anstatt der drei genannten Lehrfächer »manches Jahr eine andere historische Hilfswissenschaft, als: die Chronologie, die Genealogie, die Methodologie der Geschichte u(nd) d(er)gl(eichen) vorgetragen werden«.229 Im Oktober 1807 wurde der aus Mähren stammende Martin Wikosch (1754– 1826), seit 1805 Professor der Universal- bzw. Weltgeschichte am Lyzeum in

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sche Darstellung der Gesetze über die höheren Studien, Teil 2, S. 479–497. Vgl. Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 606–608. Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 1/1, S. 627f.; Neugestaltung der österreichischen Universitäten, S. 99. Mühlberger, Das »Antlitz« der Wiener Philosophischen Fakultät, S. 74–77. Meister, Entwicklung und Reformen des österreichischen Studienwesens, Teil 1, S. 39. Unger, Systematische Darstellung der Gesetze über die höheren Studien, Teil 2, S. 485. Ebd., S. 486f.

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Olmütz, davor unter anderem Präfekt und Korrepetitor an der Theresianischen Ritterakademie in Wien und von 1793 bis 1805 Professor der Weltgeschichte an der Universität Innsbruck, als Nachfolger Johann Wilhelm Ridlers zum Professor der Weltgeschichte, der österreichischen Staatengeschichte und der Diplomatik (seit 1815 auch der Heraldik) an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien ernannt.230 1811 und neuerlich 1813 wurde er ermahnt, bei seinen Vorlesungen in der Weltgeschichte nicht um 300 Jahre und in der österreichischen Geschichte um 100 Jahre zurückzubleiben, sondern bis zur Gegenwart zu kommen, weil gerade die neueste Geschichte den Studenten in ihrem künftigen bürgerlichen Leben und im Amte den besten praktischen Nutzen gewähre.231 Nach Wikoschs Versetzung in den Ruhestand supplierte von Herbst 1824 bis 1828 Joseph Arneth, der spätere (ab 1840) Kustos des k. k. Münzund Antikenkabinetts und (ab 1841) Professor der Numismatik und der Altertumskunde, die historischen Fächer (Universalgeschichte und österreichische Staatengeschichte sowie Diplomatik und Heraldik). Im Gegensatz zu Martin Wikosch, der sich auf die Alte Geschichte konzentriert hatte, »schilderte« Joseph Arneth als Supplent zur vollen Zufriedenheit des Vizedirektors der philosophischen Studien und der Studienhofkommission die Geschichte Karls des Großen, der fränkischen, sächsischen und schwäbischen Kaiser (also der Karolinger, Ottonen und Staufer), die Kreuzzüge sowie den Stammvater des Hauses Österreich, König Rudolf I. »Mit gleicher Bedachtsamkeit« trug er die Geschichte der Regierungszeiten Maximilians I., Karls V. und Maria Theresias vor. Er beschloss die Vorlesungen über Universalgeschichte mit einem kurzen Überblick über die »großen Ereignisse« während der taten- und ereignisreichen Regierung Kaiser Franz’ II./I.232 1827 publizierte Joseph Arneth das Werk Geschichte des Kaiserthumes Oesterreich, das er seinen Vorlesungen über die österreichische Staatengeschichte zugrunde legte.233 Im Juli 1828 wurde der in Leitmeritz (Litomeˇrˇice) in Böhmen 230 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, Karton 244, Fasz. Geschichte, Heraldik, Diplomatik, Methodenlehre, fol. 162–191 (Zahl 22.564/1807 bzw. 96 ex November 1807); Tropper, Urkundenlehre in Österreich, S. 87–89; Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848, S. 286f. 231 Matiasek, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichtes, S. 29. 232 Ebd., S. 34; Lein, Beziehungen, S. 103–108. 233 In dem mit September 1826 datierten Vorwort des gut 500-seitigen, die Zeit von ca. 600 v. Chr. bis 1815 behandelnden Lehrbuches führt Arneth als Motiv für dessen Abfassung an: »Beym Beginne des vorigen Schuljahres 1825 wurde dem Verfasser des vorliegenden Abrisses der ›Geschichte des Kaiserthumes Oesterreich‹ die Ehre erwiesen, daß ihm die Vorlesungen über Weltgeschichte – Oesterreichische Staaten-Geschichte – über Diplomatik und Heraldick, übertragen wurden. Aus allen dreyen dieser Fächer, gab es kein brauchbares Buch, das seinen Endzweck erfüllet hätte. Begeistert von der Idee, der vaterländischen Jugend auch nur einen Entwurf der wichtigsten Ereignisse der Geschichte eines Staates vorzulegen, der seit vielen Jahrhunderten der welthistorische, im ganzen Sinne des Wortes

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geborene, seit 1804 als Professor der allgemeinen Weltgeschichte an der Universität Prag lehrende Franz Niklas (Nikolaus) Titze (1769–1858) auf Vorschlag der Niederösterreichischen Regierung und der Studienhofkommission als Professor für die Fächer Universalgeschichte (bzw. allgemeine Weltgeschichte), österreichische Staatengeschichte, Diplomatik und Heraldik an die Universität Wien berufen bzw. versetzt.234 Nach der üblichen Konkursprüfung wurde im September 1838 der ebenfalls aus Nordböhmen stammende, seit 1806 an der Krakauer Universität, ab 1810 am Olmützer Lyzeum, das 1827 zur Universität erhoben wurde, und seit 1832 an der Philosophischen Fakultät der Universität Prag lehrende, für das Jahr 1836 zu deren Rektor gewählte Josef Leonhard Knoll (1775–1841) von Kaiser Franz I. mit dem Lehramt der allgemeinen Weltgeschichte und der österreichischen Staatengeschichte sowie der Diplomatik und Heraldik an der Wiener Philosophischen Fakultät betraut.235 In dem der Ernennung vorausgehenden Vortrag der Studienhofkommission wird darauf hingewiesen, dass der Professor der Geschichte »täglich eine Stunde über die allgemeine Weltgeschichte und täglich eine 2.te Stunde entweder über die österreichische Staatengeschichte oder über die Diplomatik und Heraldik öffentliche Vorlesungen zu halten« habe.236 Nach Knolls Tod supplierte kurzfristig der gebürtige Mährer Dr. Karl Giskra (1820–1879), der bekannte künftige Abgeordnete in der Frankfurter Nationalversammlung, deutsch-liberale Abgeist, unternahm der Verfasser […], von den Studien-Behörden aufgefordert, die Hefte, die er für die Vorlesungen ausarbeitete, dem Drucke zu übergeben, um den Vortrag zu erleichtern, […] um endlich eine Uebersicht der ganzen Geschichte des Kaiserthumes der Jugend an die Hand zu geben […].« Arneth, Geschichte des Kaiserthumes Oesterreich, S. III f. 234 Matiasek, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichtes, S. 38–42; Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848, S. 269f.; Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, Karton 244, Fasz. Geschichte, Heraldik, Diplomatik, Methodenlehre, fol. 199–221 (Zahl 3785/1828 ex Juli 1828). Zum Werdegang und zur Lehrtätigkeit von Franz Niklas (Nikolaus) Titze (auch: Tietze) als Lehrer am Gymnasium in Leitmeritz, als Professor der Welt- und der deutschen Reichsgeschichte am Lyzeum in Linz (1802–1804) und anschließend als Professor der allgemeinen Weltgeschichte an der Universität Prag (1804–1828) siehe Kazbunda, Stolice deˇjin, Teil 1, bes. S. 126, 140–144, 148–156, 161–163, 168–170, 188–190 und 208–211. 235 Matiasek, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichtes, S. 46–57; Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848, S. 138f. Zur Laufbahn Josef Leonhard Knolls als Professor der Allgemeinen Geschichte an der Universität Krakau (1806– 1810), als Professor der Universalgeschichte und der österreichischen Staatengeschichte am Lyzeum in Olmütz (1810–1832) und als Professor der Allgemeinen Geschichte und der österreichischen Staatengeschichte an der Universität Prag (1832–1838) sowie zu seiner scharfen Kritik am ersten, 1836 erschienen Band von Frantisˇek Palacky´s Geschichte von Böhmen, die »ganz parteiisch gegen die Deutschen geschrieben« sei, siehe Kazbunda, Stolice deˇjin, Teil 1, bes. S. 188–190, 199 und 202–212, sowie Korˇ alka, Frantisˇek Palacky´, S. 176f. und 180f. 236 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, Karton 244, Fasz. Geschichte, Heraldik, Diplomatik, Methodenlehre, fol. 222–247 (Zahl 5752/1838 bzw. 79 ex September 1838), hier fol. 228v–229r.

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ordnete im mährischen und im niederöstereichischen Landtag sowie im Wiener Reichsrat, Bürgermeister von Brünn, österreichische Innenminister und Präsident des Abgeordnetenhauses, die (damals einzige) historische Lehrkanzel.237 Im Vormärz gab es an der Universität Wien (ebenso wie an den Universitäten Prag und Graz238) weiterhin nur die eine umfassende Lehrkanzel für Allgemeine (Welt-)Geschichte und österreichische Staatengeschichte, mit der Lehraufträge für die Historischen Hilfswissenschaften Diplomatik und Heraldik verbunden waren. In Wien lehrte der gebürtige Oberösterreicher Johann Nepomuk Kaiser (1792–1865), der im September 1842 als Nachfolger Knolls zum ordentlichen Professor der Welt- und der österreichischen Staatengeschichte sowie der Diplomatik und Heraldik ernannt wurde, bis zu seiner Quieszierung (d. h. Emeritierung bzw. Versetzung in den Ruhestand) im November 1861.239 Kaiser hatte vor seiner – von ihm seit 1828 angestrebten – Versetzung nach Wien von 1820 bis 1840 als Professor der Weltgeschichte an der philosophischen Lehranstalt in Görz und seit 1840 an der Universität Olmütz unterrichtet. An letzterer war er 1841 zum Doktor der Philosophie promoviert worden. Die Wiener Professur wurde ihm von Kaiser Ferdinand verliehen, ungeachtet des Umstandes, dass »die treugehorsamste Studienhofkommission« selbst in ihrem Vortrag darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er sich »weder durch handschriftliche noch durch Druckwerke während seines 22jährigen Lehramtes bemerkbar gemacht hat und sich bloß auf die genaue Pflichtentsprechung in den Vorlesestunden beschränkt hat«.240 Kaiser gehörte, wie es scheint, bereits im Vormärz zu den Anhängern der akademischen Lehr- und Lernfreiheit, und er spielte im Revolutionsjahr 1848 als Mitglied des Wiener Gemeindeausschusses (Ende Mai bis Anfang Oktober 1848) und Gemeinderates (Oktober 1848) eine nicht ganz unbedeutende politische Rolle: Er gehörte der Deputation des Wiener Gemeinderates an, die im Oktober, um weiteres Blutvergießen zu verhindern, dem Fürsten Alfred Windischgrätz die bedingungslose Kapitulation der von kaiserlichen Truppen belagerten Stadt anbot.241 Er scheint auch in seiner Wiener Zeit kein einziges wissenschaftliches 237 Matiasek, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichtes, S. 57f. Laut Haintz, Carl Giskra, S. 6 und 11, supplierte Giskra die Professur nicht 1841/42, sondern 1843. 238 Die 1782 in ein Lyzeum umgewandelte Universität Graz war 1827 als Universität wiedererrichtet worden. 239 Matiasek, Die Entwicklung des Geschichtsunterrichtes, S. 58–67. Zur Lehrtätigkeit Kaisers nach 1848 siehe Mayr (J.), Anfänge, S. 549f. Das Datum seiner Quieszierung nach Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 124, Anm. 468. 240 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, Karton 244, Fasz. Geschichte, Heraldik, Diplomatik, Methodenlehre, fol. 270–302 (Zahl 6367/1842 bzw. 91 ex Oktober 1842), hier fol. 284r ; Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848, S. 129–131. 241 Siehe Till, Die Wiener Stadtverwaltung im Jahre 1848; ders., Die Mitglieder der ersten

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Werk publiziert zu haben, jedenfalls aber kein einziges Buch.242 Unterstaatssekretär Ernst von Feuchtersleben plante im Sommer 1848 im Rahmen einer von ihm als dringend erachteten »Erfrischung« des Personalstandes der Philosophischen Fakultät auch Professor Kaiser von seinem Lehramt zu »entfernen«, ein Vorhaben, das von der Wiener Oktoberrevolution überrollt wurde und daher nicht zur Ausführung kam.243 Erst durch die Thun’sche Reform der Universitäten und Gymnasien der Habsburgermonarchie kam es ab 1849 zur Übertragung des philosophischen Propädeutikums an die reformierten, von sechs auf acht Klassen erweiterten Gymnasien244, zur »Entlassung der philosophischen Fakultät aus ihrer Vorbereitungsaufgabe« für die drei »höheren« Fakultäten und zu ihrem »Aufstieg zum gleichrangigen wissenschaftlichen Studium«.245 Nur die am Ende der achten Klasse des Gymnasiums abgelegte Maturitätsprüfung berechtigte künftig zum Studium. »Das Alter der zum Universitätsstudium zugelassenen Hörer hob sich deshalb von 16 auf 18 Jahre.«246 Geschichtswissenschaftliche – in erster Linie hilfswissenschaftliche – Forschungen (Numismatik, Genealogie, Heraldik, Diplomatik etc.) und Quelleneditionen wurden im 18. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Habsburgermonarchie nicht an den Universitäten, deren Aufgabe fast ausschließlich in der Wissensvermittlung bestand, betrieben, sondern in Klöstern, in Hofinstituten, in älteren Gelehrten Gesellschaften in einzelnen Kronländern wie zum Beispiel der in den 1770er Jahren gegründeten Königlich-

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Wiener Gemeindevertretung, S. 64 und 70; ders., Universität und Stadtverwaltung, S. 9– 11, 33 und 36. Rüdegger, Die philosophischen Studien, S. 123f.; Pfohl, Urkundenlehre an der Wiener Universität, S. 70–73; Mayerhofer, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1848 bis 1873, S. 121; Ruscher, Johann Nepomuk Kaiser ; Tropper, Urkundenlehre in Österreich, S. 95–97. Egglmaier, Reformansätze vor der Thunschen Reform, S. 72 und 80f. Die Verlegung der zwei propädeutischen Jahrgänge von der Philosophischen Fakultät an die Gymnasien wurde bereits am 10. Mai 1848, gut 14 Monate vor Thuns Amtsantritt, eingeleitet, aber erst nach der Niederschlagung der Revolution umgesetzt. Meister, Entwicklung und Reformen des österreichischen Studienwesens, Teil 1, S. 71. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 277–279, die Zitate auf S. 279. Zu den vormärzlichen Vorarbeiten für die Gymnasial- und Universitätsreformen nach der Revolution von 1848/49 – insbesondere zum Vortrag der Studienhofkommission vom 3. September 1846 mit dem für die Reformen maßgeblich gewordenen Entwurf einer (Neu-)Einrichtung der philosophischen Studien an den inländischen Lehranstalten – siehe u. a. Mazohl-Wallnig, Einfluß Bolzanos, und Mazohl, Universitätsreform und Bildungspolitik; zur Gymnasialreform u. a. Wozniak, Count Leo Thun. Engelbrecht, Universität und Staat in Österreich, S. 20.

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Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag sowie ab 1847 an der neu gegründeten Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien.247

Abb. 10: Joseph von Hormayr (1781–1848). Punktierstich.

Die in unserem Zusammenhang wichtigsten Hofinstitute waren: das Münzkabinett (bzw. Münz- und Antikenkabinett); die Hofbibliothek; das 1749 als Geheimes Hausarchiv gegründete und 1840 ausdrücklich zur wissenschaftlichen Anstalt erklärte Geheime Haus-, Hof- und Staatsarchiv, an dem u. a. Joseph von Hormayr248 (1781–1848; Archivreferent der Staatskanzlei und provisorischer

247 Vgl. z. B. Lhotsky, Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in Österreich, S. 386– 399; Pischinger, Geschichtsministerium oder Verlagsanstalt, S. 15–27. 248 Zu Hormayrs Leben und Werk siehe Gant, Hormayr, und Landi, Hormayr. Über seine Aktivitäten im Hausarchiv bzw. Haus-, Hof- und Staatsarchiv informiert konzise Hochedlinger, Österreichische Archivgeschichte, S. 71–74. – Hormayr war von Michael Ignaz Schmidt (1736–1794), dem Autor einer insgesamt elfbändigen Geschichte der Deutschen (1778–1793), der 1780 nach Wien berufen und zum Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs ernannt worden war, sowie von dem unter anderem mit Goethe befreundeten patriotischen Nationalhistoriker Johannes von Müller (1752–1809), der 1792 von Kaiser Franz II. nach Wien berufen und im Jahr 1800 zum Kustos an der Hofbibliothek ernannt worden war, »zu seiner deutschnationalen Geschichtsromantik angeregt worden«. Winter,

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Abb. 11: Joseph Chmel (1798–1858). Lithographie von Adolf Dauthage, 1853.

Direktor des Archivs 1802–1808, wirklicher Direktor 1808–1813, seit 1810 Herausgeber des Archivs für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst und seit 1811 des Taschenbuches für vaterländische Geschichte, 1827 Übersiedlung nach München und Eintritt in bayerische Dienste) und Joseph Chmel249 (1798– 1858; Augustiner Chorherr von St. Florian; seit 1834 Archivar im Geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchiv, 1843–1846 dessen provisorischer Leiter und seit 1846 Vizedirektor) wirkten; die Ambraser Kunstkammer ; die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien. An Klöstern und Stiften als Zentren der historischen Forschung seien hier nur exemplarisch die Benediktinerklöster Melk, Kremsmünster und Marienberg sowie die Augustiner Chorherrenstifte Klosterneuburg, Neustift und – weitaus

Romantismus, Restauration und Frühliberalismus, S. 60. Vgl. auch Srbik, Geist und Geschichte, Bd. 1, S. 231f. 249 Zu Chmels Tätigkeit im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, das die Staatskanzlei 1840 »mit Wissen und Billigung des Kaisers […] zu einer wissenschaftlichen Anstalt erklärte«, siehe zusammenfassend Hochedlinger, Österreichische Archivgeschichte, S. 75–77 (das Zitat auf S. 75).

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am bedeutendsten – St. Florian (Franz Seraphicus Kurz250, Joseph Chmel251) in Nieder- bzw. Oberösterreich und Tirol erwähnt. Joseph von Hormayr berichtete in den 1820er Jahren in Briefen an den Archäologen, Kunsthistoriker, Pädagogen und Journalisten Karl August Böttiger, der seit 1814 als Oberaufseher die Antikenmuseen in Dresden leitete, wiederholt über die nicht zuletzt durch die rigide Präventivzensur eingeschränkten Arbeitsund Publikationsmöglichkeiten eines Historikers im vormärzlichen Wien. Am 20. November 1826 teilte er mit, König Ludwig I. von Bayern habe ihm einen sehr ehrenvollen Ruf an die Bayerische Akademie der Wissenschaften und an die soeben von Landshut nach München verlegte bayerische Landesuniversität erteilt, einen Ruf, der »obendrein das sicherste Asyl wider den täglich steigenden Aberwitz der Censur und die gänzliche Isolierung von allen auswärtigen literarischen Freunden und Unternehmungen gewährt hätte«. Er könne sich jedoch nicht sogleich entscheiden, den Ruf anzunehmen – obwohl G e s c h i c ht s s c h re i b u n g derzeit in der Habsburgermonarchie »durch die Censur gänzlich verpönt und außer Kurs gesetzt« sei; »nur der G e s c h i c ht s f o r s c hu n g und dem Quellenstudium ist noch ein beschränkter Spielraum übrig gelassen«.252 »Seit 1807 […] sammle und arbeite ich an dem Werk meiner Liebe und meines Lebens: Max I., Karl V., ihre Helden und ihre Zeit, allein wie dürfte man, bei den jetzigen Censurverhältnissen, auch nur von fern an die Herausgabe eines Werkes denken, das die Ursachen, das Auflodern und den Fortgang der Reformation berührt?«253 Wie schon erwähnt, nahm Hormayr 1827 den Ruf nach München schließlich doch an und wandte sich enttäuscht von Österreich ab. Im Mai 1847 wurde in Wien endlich die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften gegründet. Die Einsetzung ihrer allerersten Kommission, der Historischen Kommission, fand auf Initiative von Joseph Chmel, der in Österreich »als das entscheidende Bindeglied im Übergang der Geschichtsschreibung zur Wissenschaft angesehen werden muß«254, am 24. November 1847 statt.255 Zu 250 Siehe zuletzt die historiographiegeschichtliche Einordnung und Würdigung von Höflechner, Franz Kurz und die österreichische Geschichte. 251 Zum wissenschaftlichen Oeuvre von Kurz und Chmel immer noch grundlegend: Mühlˇ erník, bacher, Die literarischen Leistungen des Stiftes St. Florian, S. 164–365, und C Schriftsteller, S. 40–49 und 74–100. Vgl. auch Reinhard, Die Florianer Historikerschule. 252 Vajk, Hormayr 8s Böttiger, S. 99f. (Hervorhebungen durch Hormayr). 253 Ebd., S. 101. 254 Fellner (F.), Geschichte als Wissenschaft, S. 184. Vgl. insbesondere Lhotsky, Joseph Chmel zum hundertsten Todestage, und Ottner, Historical Research and Cultural History. – Chmel unterhielt von 1831 bis zu seinem Tod im Jahr 1858 eine intensive Gelehrtenkorrespondenz mit dem Frankfurter Bibliothekar und Archivar und, gemeinsam mit Georg Heinrich Pertz, Leiter der Monumenta Germaniae Historica (MGH) Johann Friedrich Böhmer (1795–1863), dem Begründer des Unternehmens der Regesta Imperii. Siehe Ottner, Chmel und Böhmer. 255 »Zwei Gesichtspunkte waren maßgebend: einmal sollte die Akademie nun alle bisher dem

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Recht ist betont worden, dass der 1798 in Olmütz in Mähren geborene Augustiner Chorherr Joseph Chmel »am Anfang der modernen systematischen, konzeptgeleiteten und quellenorientierten Forschungsarbeit in Österreich« steht, dass er aber ebenso »auch am Beginn der Tradition der darstellerischen Zurückhaltung der österreichischen Geschichtsforschung« steht, die vom 1854 gegründeten Institut für Österreichische Geschichtsforschung (zu diesem siehe unten Kapitel 2.2) fortgeführt wurde.256 Andererseits ist Chmel wiederholt »für eine breite, möglichst alle Aspekte integrierende, über die gängige Darstellung der politischen Geschichte, der ›äusseren Schicksale‹, weit hinausgehende Auffassung von Geschichte eingetreten, die er auch explizit ›Kulturgeschichte‹ genannt hat und die in Wahrheit eine frühe Form der ›histoire totale‹ darstellen sollte«.257 In den habsburgischen Ländern fand – anders als an protestantischen deutschen »Reformuniversitäten« wie Göttingen, Halle, Jena und Berlin oder im Rahmen der 1819 im Deutschen Bund vom Reichsfreiherrn Heinrich Friedrich Karl vom Stein gegründeten »Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde« und in den von dieser herausgegebenen Monumenta Germaniae Historica (MGH) – in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts »[d]ie Ablösung der historiographischen Praxis der Spätaufklärung […] nicht statt«, und »ebenso wenig kam es vor 1848 zu einer neuartigen institutionellen Verankerung der Geschichtsforschung oder zur Etablierung eines fachlichen Ausbildungssystems für Historiker«.258 Diese Schritte erfolgten in der Habsburgermonarchie erst infolge der 1849 begonnenen grundlegenden Universitätsreform. Zufall privater Initiative überlassenen nötigen Vorarbeiten zur quellenmäßigen Sicherung einer Österreichischen Geschichte bei sich konzentrieren, und dann ihr Interessengebiet auf die ganze Monarchie […] erstrecken […]. Als das Wichtigste und Dringlichste erschienen Chmel […] Editionen der Geschichtsquellen; so wurde die Herausgabe der bis heute fortgesetzten Fontes rerum Austriacarum, Bohemicarum, Hungaricarum, Polonicarum et Italicarum – später kurzweg Fontes rerum Austriacarum bezeichnet – beschlossen […]. Als publizistisches Organ für die nötigen Voruntersuchungen, aber auch zur Mitteilung der aus der Editionsarbeit sich ergebenden anderen Erkenntnisse, sollte neben den fallweise in Anspruch genommenen Sitzungsberichten [der Philosophisch-historischen Klasse der Akademie] ein dem [seit 1820 erscheinenden] ›Archiv [der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde]‹ der [1819 gegründeten] Monumenta Germaniae [Historica] entsprechendes eigenes Organ als Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen (seit 1865 bloß Archiv für österreichische Geschichte) erscheinen […].« Lhotsky, Österreichische Historiographie, S. 155. Vgl. u. a. Meister, Geschichte der Akademie der Wissenschaften, S. 69f., 311–313 und passim; Klingenstein, 150 Jahre Historische Kommission. 256 Höflechner, Forschungsorganisation und Methoden der Geschichtswissenschaft, S. 219f. Vgl. auch Häusler, »Geschichtsforschung«. – Zur Arbeit der Historischen Kommission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in den ersten Jahrzehnten ihrer Existenz siehe Pischinger, Geschichtsministerium oder Verlagsanstalt; dies., Vom ›Dilettanten‹ zum Fachwissenschaftler ; Ottner, »Für den Mann vom Fache«. 257 Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 338. 258 Fillafer, Jenseits des Historismus, S. 104.

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Von der Thun-Hohenstein’schen Universitätsreform bis zum Zerfall der Habsburgermonarchie (1849–1918)

Abb. 12: Franz Freiherr von Sommaruga (1780–1860). Lithographie von Josef Kriehuber, 1847.

Am 23. März 1848, zehn Tage nach dem Ausbruch der Wiener Märzrevolution, wurde, als Nachfolger der aufgelösten Studienhofkommission, das Ministerium des öffentlichen Unterrichtes geschaffen, das 1849, nach der blutigen Niederschlagung der Revolution und nach der Übernahme der bisher vom Ministerium des Innern verwalteten Kultusangelegenheiten, in k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht umbenannt wurde.259 Bereits der erste, vom 27. März bis zum 9. Juli 1848 (bis zum Sturz des Ministeriums Pillersdorf) amtierende Unterrichtsminister Franz Freiherr von Sommaruga (1780–1860) kündigte am 30. März in einer Rede in der Aula der Wiener Universität die Neuordnung der Universitäten nach dem Grundsatz der Lehr- und Lernfreiheit (im Sinne der Abschaffung der Semester- und der Jahresprüfungen sowie der Anwesenheits-

259 Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 86–88. Zur Geschichte des österreichischen Unterrichtsministeriums von 1848 bis 1861 siehe auch Musil, Zur Geschichte des österreichischen Unterrichtsministeriums, S. 9–14 und 30.

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kontrollen) an.260 Direkt an die Wiener Studenten gewandt, die sich in großer Zahl aktiv an der Revolution beteiligten, führte Sommaruga unter anderem aus: »Wir wollen ein Gebäude aufführen von fester Dauer, ähnlich – so sehr es nur immer die Verhältnisse des Vaterlandes gestatten – jenen blühenden Hochschulen Deutschlands, die wir als Vorbilder gründlicher wissenschaftlicher Ausbildung verehren. Lern- und Lehrfreiheit, durch keine Schranke als jene constitutioneller Gesetze gebunden, wird ihre Grundlage sein. Ihre Interessen, meine Herren Studierenden, sei es in Dingen des wissenschaftlichen Strebens, sei es in so ferne Sie für die Dauer Ihrer Studien Glieder des großen academischen Körpers sind, werden gewissenhaft beachtet werden.«261

Der seit 1847 als Vizedirektor der medizinisch-chirurgischen Studien an der Universität Wien amtierende liberale Arzt, Philosoph und Lyriker Ernst Freiherr von Feuchtersleben (1806–1849), der nach der Demission Sommarugas zum Unterstaatssekretär im Ministerium des öffentlichen Unterrichtes ernannt wurde, hatte bereits am 19. März 1848 an der Universität die Lehr- und Lernfreiheit verkündet.262 In der Amtszeit Feuchterslebens als Unterstaatssekretär wurde im August 1848 bei der Besetzung vakanter Lehrstühle das Konkursverfahren durch das Berufungsverfahren ersetzt, das eine Mitwirkung des Lehrkörpers, der dem Unterrichtsminister künftig Vorschläge zu erstatten hatte, vorsah.263 Am 28. Juli 1849 übernahm mit dem böhmischen Aristokraten Leo Graf Thun-Hohenstein (1811–1888; von 1849 bis 1860 Minister für Cultus und Unterricht) »ein aufgeklärter Konservativer«264 die Leitung des Ministeriums. Er machte sich gleich in den ersten Jahren des Neoabsolutismus an eine tiefgreifende Reform des gesamten mittleren und höheren Unterrichtswesens im Österreichischen Kaiserstaat, darunter auch der Universitäten, bzw. er verteidigte die bereits vor seiner Amtsübernahme eingeleiteten Reformen gegen re260 Lentze, Universitätsreform, S. 29; Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 49 und 53; Maisel, Lehr- und Lernfreiheit. 261 Zitiert nach Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 516. – Vgl. den von Franz Exner verfassten, im Juli 1848 in der Wiener Zeitung erschienenen Bericht über die Tätigkeit des Ministeriums Sommaruga, abgedruckt in: Meister, Entwicklung und Reformen des österreichischen Studienwesens, Teil 2, S. 241–261, insbesondere die die Universitäten betreffenden §§ 62–95 (S. 255–260). 262 Egglmaier, Reformansätze vor der Thunschen Reform, S. 60f. – »Der Entwurf der Grundzüge des öffentlichen Unterrichtswesens in Österreich, den [Franz] Exner und [Ernst von] Feuchtersleben in der Wiener Zeitung vom 18. bis 22. Juli [1848] zur Kritik veröffentlichten, gehört zum Besten, was auf diesem Gebiete geschrieben wurde.« Winter, Revolution, Neoabsolutismus und Liberalismus, S. 69. 263 Siehe u. a. Höflechner, Die Thun’schen Reformen im Kontext der Wissenschaftsentwicklung. 264 Fillafer, Leo Thun und die Aufklärung, S. 59. Zur geistigen und politischen Formierung des (künftigen) Staatsmannes Leo Thun-Hohenstein bis 1848 siehe nach wie vor in erster Linie Thienen-Adlerflycht, Graf Leo Thun im Vormärz.

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Abb. 13: Ernst von Feuchtersleben (1806–1849). Porträtstich von Franz Xaver Stöber nach einer Zeichnung von Josef Danhauser.

aktionäre Kritiker wie den Reichsratspräsidenten Karl von Kübeck. Als – keineswegs eins zu eins übernommenes – Vorbild für die Universitätsreform, die weitgehend bereits vor seiner Amtszeit, ja sogar einige Jahre vor der Revolution konzipiert worden war, diente (neben den Universitäten Göttingen, Halle und Jena) insbesondere die – nicht zuletzt als Ersatz für die 1807 im Frieden von Tilsit verloren gegangene Universität Halle – 1810 gegründete preußische Universität Berlin. Die Einrichtung der Berliner Universität erfolgte unter anderem auf der ideellen Grundlage von Denkschriften Friedrich Schleiermachers und Wilhelm von Humboldts, welch letzterer 1808 von Rom nach Berlin berufen wurde, um das preußische Schul-, Universitäts- und Wissenschaftssystem zu reformieren. Im Februar 1809 trat Humboldt sein Amt als Chef der neu geschaffenen Sektion für Unterricht und Cultus im preußischen Innenministerium in Berlin an.265 Beeinflusst von der 1798 publizierten Schrift Der Streit der Fakultäten des Kö265 Tenorth, Eine Universität zu Berlin, S. 42–45.

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Abb. 14: Leo Graf Thun-Hohenstein (1811–1888). Lithographie von Josef Kriehuber, 1850.

nigsberger Philosophen Immanuel Kant, legte Schleiermacher 1808 Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn vor, in denen er den Anspruch der philosophischen Fakultät auf Vorrang damit begründete, dass »diese nicht nur die Idee der Universität überhaupt beinhalte, sondern zugleich die Idee der Wissenschaftlichkeit gegenüber dem ›Handwerksmäßigen‹ der drei anderen Fakultäten wahre«. Schleiermacher forderte insbesondere die Einführung von Seminar(i)en »in den allgemeinen Universitätsbetrieb als Pflanzschule[n] wissenschaftlicher Detailforschung für fortgeschrittene Studierende. Damit [zog] neben Vorlesung und praktischen Übungen das Seminar als Forschungswerkstatt der Meister und Gesellen in die Universität ein. Die Bedeutung dieser Einrichtung für die moderne Forschungsuniversität ist nicht hoch genug einzuschätzen. Hier konstituiert[e] sich das Prinzip der lehrenden Forschung und des forschenden Lernens, zunächst in den

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Geisteswissenschaften angesiedelt, mit einiger Verzögerung in naturwissenschaftlichen Labors aufgegriffen.«266

Die neue preußische Universität Berlin basierte auf den Grundsätzen der Lehrund Lernfreiheit und der – erstmals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an der Universität Göttingen realisierten – Verbindung von Forschung und Lehre. Wilhelm von Humboldts Denkschrift Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin aus dem Winter 1809/10 blieb zunächst unpubliziert, wurde erst um 1900 im Archiv »entdeckt« und begründete danach den »Mythos Humboldt« bzw. den Mythos des Humboldtschen Universitätsmodells.267 Humboldt entwickelte bereits vorliegende Ideen weiter, »er ergänzte sie und goß sie in einprägsame Formeln. Als verantwortlicher Staatsbeamter schuf er jene konkreten Voraussetzungen, welche das Modell zum Leben erweckten.«268 »Konzeptionell band Humboldt Forschung in die Universität ein. Er wollte keine nationale Erziehungsdiktatur wie [Johann Gottlieb] Fichte [in einer 1807 verfassten Denkschrift]; er wollte aber auch nicht, wie noch Schleiermacher, die eigentliche Forschung selbst den Meistern in der Akademie der Wissenschaften vorbehalten. Auch die Universität habe Erkenntnis nicht nur systematisch zu verbreitern, sondern zu erweitern. Das entsprach dem Wissenschaftsprogramm des deutschen Idealismus. Mit Humboldt kam die Forderung des Neuhumanismus hinzu, Menschen zur Selbstbildung gemäß ihren Anlagen zu befähigen.«269

An der Berliner Universität wirkten seit den 1820er bzw. den 1830er Jahren zwei besonders prominente und ab der Jahrhundertmitte auch in der Habsburgermonarchie – sowohl mit ihrem wissenschaftlichen Œuvre als auch mit ihren davon nicht scharf zu trennenden nationalpolitischen Ansichten und Botschaften – sehr wirkmächtige Historiker : Ranke und Droysen. Leopold (seit 1865: von) Ranke (1795–1886) wurde 1825 als außerordentlicher Professor für Geschichte an die Berliner Universität berufen. Ende 1833 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. Ranke war einer der Begründer der modernen, möglichst unmittelbar aus den Quellen und in kritischer (auch 266 vom Bruch, Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, S. 263. 267 Ebd., S. 262. Zum »Mythos Humboldt« und zur Funktion der »Chiffre Humboldt« in der Universitätsgeschichtsschreibung siehe zuletzt Eichler, Mythos Humboldt. 268 vom Bruch, Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, S. 264. 269 Ebd. – Die »Universität zu Berlin lässt sich zwar nicht in allen Details als Umsetzung von Humboldts Vision identifizieren oder anderen Denkschriften der Zeit eindeutig zurechnen; wesentliche Strukturprinzipien der Universitätsidee Humboldts nimmt sie aber ohne Zweifel auf und setzt sie in die Realität um […].« Tenorth, Eine Universität zu Berlin, S. 9. »Humboldt bleibt der wirkliche Gründer, konzeptionell im Bunde mit anderen, aber auch politisch für die Realisierung der Gründungsaktionen wesentlich, ja unersetzlich.« Ebd., S. 70.

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selbstkritischer!) Auseinandersetzung mit diesen erarbeiteten, auf methodisch angeleiteter Geschichtsforschung basierenden, leidenschaftslosen und auf möglichste Objektivität abzielenden Geschichtsschreibung270 sowie ein Mitbegründer der historischen Seminare bzw. seminaristischer Übungen (exercitationes historicae) als einer neuen, kooperativen und diskursiven Form der universitären Lehre.271 Angelpunkte von Rankes politischem und geschichtspolitischem Weltbild waren die Idealisierung des nach Möglichkeit friedlichen Konzerts der europäischen (und der deutschen) Staaten und des Gleichgewichts innerhalb der Pentarchie der europäischen Großmächte (England, Frankreich, Österreich, Preußen und Russland) sowie die Ablehnung politischer Revolutionen und der politischen Ziele der »Borussischen« oder »Preußischen Schule« der Geschichtsschreibung, also des propagandistischen Einsatzes für die »Reichseinigung« unter preußischer Führung, und des für diese Schule charakteristischen Hohenzollernmythos mit Männern wie Johann Gustav Droysen, dem in der Kritik an seinem Lehrer Ranke maßvolleren Heinrich von Sybel und dem Scharfmacher, das Ideal der Objektivität in der Geschichtswissenschaft ausdrücklich ablehnenden Heinrich von Treitschke an der Spitze.272 Von Ranke 270 1828 schrieb Ranke in einem Brief: »Viele wollen, statt ihre politische Meinung auf Historie, das ist Erforschung der Tatsachen, zu gründen, vielmehr die Geschichte durch die Meinung beherrschen; ein Unternehmen, welches alle Freiheit der Wissenschaft vernichten würde, wenn es gelänge.« Zitiert nach Boldt (A. D.), Leopold von Ranke, S. 42. 271 »Das berühmte Ranke-Seminar, charakteristisch für seine Teamarbeit, fand in seiner privaten Bibliothek mit einigen ausgewählten Studenten statt, die dann an Rankes Büchern und handschriftlichen Quellen arbeiteten. Bis zum Ende seines Lebens wies er jegliche Einmischung der Universität oder staatliche Unterstützung zurück […]. Nichtsdestotrotz wurde 1882 [recte: in den Jahren 1883 bis 1885; Th.W.] das ›Berliner Historische Seminar‹ an der Universität Berlin offiziell eingeführt. So wurde Rankes Bibliothek nicht nur für Studenten, sondern auch für eine Reihe bekannter Historiker zur Inspirationsquelle.« Ebd., S. 112f. Ranke war freilich »keineswegs der Erfinder historischer Übungen, die Kollegen schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts anboten. 1844 wurden sie von Minister Eichhorn [dem preußischen Cultus- und Unterrichtsminister ; Th.W.] als verpflichtende Ergänzung zum sonst domina[n]ten Vorlesungswesen eingeführt.« Ebd., S. 116. – »Ranke fungiert als Mentor und Tutor zugleich, die Schüler stellen ihre eigenen Texte vor, man bespricht gemeinsam die Arbeiten der anderen oder debattiert über Werke gelehrter Kollegen. Das Seminar als Einrichtung der universitären Lehre ist keine Erfindung Rankes, aber er professionalisiert die historischen Übungen und entwickelt sie kontinuierlich weiter. […] Der Professor erklärt und lenkt, aber gemeinsam wird kritisiert und im Seminar offen diskutiert. Das Prinzip ist learning-by-doing, Zusammenarbeit im Team macht den Charakter der historischen Übungen aus. […] Was heute im Alltag der universitären Lehre selbstverständlich ist (oder sein sollte), hat Ranke, begünstigt durch die Freiheiten an der Berliner Reformuniversität, erfolgreich ausgebaut und als Erfolgsmodell eingeführt.« Juhnke, Leopold Ranke, S. 86f. Die staatlich geförderte und reglementierte Organisationsform des historischen Seminars lehnte Ranke zeitlebens ab. Huttner, Historische Gesellschaften, S. 44, 46f. und 52; Pandel, Von der Teegesellschaft zum Forschungsinstitut, S. 12f., 16, 22 und 30. 272 Zu Rankes Leben und Werk siehe insbesondere die folgenden Synthesen: Boldt (A. D.),

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stammen bekanntlich einige Gassenhauer des Historismus wie: »Ich aber behaupte: jede Epoche ist unmittelbar zu Gott, und ihr Werth beruht gar nicht auf dem, was aus ihr hervorgeht, sondern in ihrer Existenz selbst.«273 Und: »Man hat der Historie das Amt, die Vergangenheit zu richten, die Mitwelt zum Nutzen zukünftiger Jahre zu belehren, beigemessen: so hoher Aemter unterwindet sich gegenwärtiger Versuch nicht: er will blos zeigen274, wie es eigentlich gewesen.«275 Wissenschaftliche Forschung und Geschichtsschreibung waren bei Ranke »untrennbar miteinander verknüpft«.276 Sein Empirismus kommt etwa in der folgenden, auch heute noch sehr beherzigenswerten Maxime klar zum Ausdruck: »Eine rechte Überzeugung aber fängt mit dem Zweifel an.«277 Sir Thomas Macaulay (1800–1859), der prominente britische Historiker und Politiker, Autor der vielgerühmten und vielgelesenen fünfbändigen History of England from the accession of James II., hat Rankes Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation (sechs Bände, 1839–1847) als das Werk »eines Geistes, der sich auf minutiöse Untersuchungen und weit fliegende Spekulationen versteht«, charakterisiert. Es sei geschrieben »in einer bewundernswerten Haltung, ebenso frei von Leichtsinn wie von Bigotterie, seriös und ernsthaft, jedoch tolerant und unparteiisch«.278 Johann Gustav Droysen (1808–1884), der Zeit seines Lebens Rankes angebliche »Leisetreterei«, »eunuchische Objektivität« und »feige Intelligenz« ohne »sittlichen Zorn« ablehnte279, wirkte ab 1833 als Privatdozent für Klassische Philologie und von 1835 bis 1840 als außerordentlicher Professor für Klassische Philologie und Alte Geschichte an der Universität Berlin, anschließend als Ordinarius an den Universitäten Kiel und Jena sowie 1848/49 als Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung und wurde schließlich 1859 (übrigens gegen das Votum Rankes) auf einen Lehrstuhl für Geschichte an die Berliner Universität berufen. Er war einer der Väter der nicht bloß quellenkritischen,

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Leopold von Ranke, und Juhnke, Leopold Ranke; zur spannungs- und konfliktreichen Ausbildung Rankes zum Historiker und zur Genese seiner »impliziten« oder »immanenten« Historik siehe Baur, Historik. – »[D]ie preußisch-kleindeutsche Schule J. G. Droysens, Heinrich von Sybels und Heinrich von Treitschkes […] betrieb Historiographie als engagierte historisch-politische Wissenschaft zugunsten einer kleindeutschen Lösung des Nationalstaatsproblems.« Weber (W.), Völkische Tendenzen, S. 843. Aus: Weltgeschichte, 9. Teil, 2. Abt.: Ueber die Epochen der neueren Geschichte (1888). Zitiert nach Pammer, Leopold Ranke, S. 12. In der ersten Auflage (1824): »er will bloß sagen«. Zitiert nach Henz, Leopold von Ranke, Bd. 2, S. 14. Aus: Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1535 (21874). Zitiert nach Henz, Leopold von Ranke, Bd. 2, S. 16. Wimmer, Rankes Quellen, S. 60. Zitiert nach ebd. Zitiert nach Briggs, Geschichte und Sozialwissenschaften, S. 382. Nippel, Johann Gustav Droysen, S. 212.

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sondern hermeneutischen – d. h. verstehenden und interpretierenden – Methodik in der modernen Geschichtswissenschaft und Geschichtsschreibung und einer der einflussreichsten Geschichtstheoretiker des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt seiner berühmten, seit 1857 insgesamt siebzehnmal gehaltenen Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte, die erstmals 1868 unter dem Titel Historik im Druck erschienen sind, stand »die Frage, durch welche intellektuellen Operationen der Historiker die zahllosen [keineswegs für sich selbst sprechenden; Th.W.] Zeugnisse über Handlungen aus der Vergangenheit in eine sinnstiftende Darstellung umsetzt«.280 Wie bereits Humboldt und Ranke vor ihm, war Droysen »davon überzeugt, daß die Arbeit des Historikers das Verstehen des zu untersuchenden Gegenstandes erfordert; die kausale Erklärung tritt zurück. […] Zwischen Droysens Auffassung vom Verstehen und jener von Ranke und Humboldt klafft jedoch ein grundlegender Unterschied. Sie sind alle einer Meinung, daß der Gegenstand selbst, die aus Willensakten bestehende Geschichte, die Methode der Forschung bestimmt. Diesen Gegenstand faßt Droysen aber anders auf. Für Humboldt und Ranke sind die Individualitäten die ausschlaggebenden Einheiten der Geschichte. Die Geschichtsforschung befaßt sich mit dem Verstehen dieser Individualitäten. Für Droysen ist Geschichte ein Ganzes und muß als solches verstanden werden; die Willensakte sind Teile einer umgreifenden Ganzheit.«281

Als Gegenstand der Geschichtswissenschaft galt Droysen »der Kosmos der sittlichen Welt […]. Die sittliche Welt nach ihrem Werden und Wachsen, nach dem Nacheinander ihrer Bewegung auffassen, heißt sie geschichtlich auffassen.«282 1857 schrieb er an einen Studienfreund und Kollegen: »[…] der Historiker hat nicht bloß Kritik zu treiben, wie Ranke in seiner Schule voranstellt, sondern ist Interpret, muß verstehen lernen und lehren. […] Jede geschichtliche Vergangenheit muß als eine politische Gegenwart empfunden und mitempfunden werden.«283 Von 1861 bis 1888 war, dies sei hier in zeitlichem Vorgriff angemerkt, Theodor 280 Ebd., S. 220. – In Abgrenzung gegenüber Ranke und der in erster Linie auf Quellenkritik orientierten »kritischen Schule« betonte Droysen »vor allem die Konstruktion der Geschichte durch den Historiker« und »dass es sich bei der Konstruiertheit historischen Wissens um einen unhintergehbaren Aspekt der Historiographie handelt«. Hackel (Hrsg.), Johann Gustav Droysen, S. 64. – Zu Entstehung, Kontext und Rezeption von Droysens Historik siehe insbesondere die Beiträge von Wolfgang Neugebauer, Gerrit Walther, Wilfried Nippel und Horst Walter Blanke in: Rebenich, Wiemer (Hrsg.), Johann Gustav Droysen, S. 261–423, sowie jene von Stephan Paetrow, Helmut G. Walther, Klaus Ries, Hans-Christof Kraus, Christiane Hackel und Helmut Hühn in Ries (Hrsg.), Johann Gustav Droysen, S. 31–159. 281 Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft, S. 144f. 282 Zitiert nach ebd., S. 145f. 283 Zitiert nach Nippel, Johann Gustav Droysen, S. 221.

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Mommsen (1817–1903), der mit Abstand einflussreichste Althistoriker und Altertumswissenschaftler seiner Zeit, Professor für Römische Altertumskunde an der Berliner Universität. Einen großen Teil seiner Arbeitskraft widmete er dem monumentalen Unternehmen des Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL). Für seine Römische Geschichte284 erhielt er 1902 den Nobelpreis für Literatur.285 Von größter Bedeutung für die Ausrichtung des Faches Alte Geschichte an der Universität Wien war der Umstand, dass von 1876 bis 1914 hintereinander die beiden Mommsen-Schüler Otto Hirschfeld (bis 1884) und Eugen Bormann die Professur für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik am Wiener Archäologisch-Epigraphischen Seminar innehatten. 1885 unterstützte Mommsen seinen Nachfolger auf der Berliner Professur Otto Hirschfeld, »als dieser nach dem Vorbild des Wiener ›Archäologisch-Epigraphischen Seminars‹ und des Straßburger ›Instituts für griechische und römische Altertumsforschung‹ ein Institut für Altertumskunde an der Friedrich-Wilhelms Universität einrichtete«.286 Nun aber zurück zur 1849 einsetzenden Universitätsreform in der Habsburgermonarchie. Minister Leo Graf Thun-Hohenstein vertrat auch selbst die – freilich in der Praxis vielfach relativierten – Grundsätze der Lehr- und Lernfreiheit287 und der (beschränkten) Autonomie und Selbstverwaltung der Universitäten. Zentrale Rollen bei der Universitätsreform spielten der von Unterrichtsminister Sommaruga bereits im Frühjahr 1848 von seiner Prager Professur für Philosophie als Ministerialrat in das Unterrichtsministerium berufene Franz Seraphin Exner (1802–1853) und Hermann Bonitz (1814–1888), ein protestantischer preußischer Gymnasiallehrer und Gymnasialreformer, der im Januar 1849 vom interimistischen Unterrichtsminister Franz Graf Stadion als Professor für Klassische Philologie an die Universität Wien berufen worden war.288 284 Die Bände 1 bis 3 erschienen in erster Auflage 1854–1856, Band 5 1885; Band 4 über die Kaiserzeit hat Mommsen nie geschrieben. 285 Zu Mommsens Leben und Werk sowie zu seiner Bedeutung als Wissenschaftsorganisator siehe v. a. die exzellente Biographie von Rebenich, Theodor Mommsen, zu der auch für Mommsen selbst und seine Zeitgenossen völlig überraschenden Verleihung des Literaturnobelpreises Schlange-Schöningen, Ein »goldener Lorbeerkranz«. 286 Rebenich, Theodor Mommsen, S. 153. 287 Vgl. u. a. Meister, Lehr- und Lernfreiheit. 288 Instruktive Überblicke und Analysen der Reform der österreichischen Universitäten im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts bieten Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 221–238, und Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 48–57. Vgl. – neben Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein – auch das ältere Grundlagenwerk von Frankfurter, Thun-Hohenstein, Exner und Bonitz, sowie Lhotsky, Das Ende des Josephinismus; außerdem Surman, Habsburg Universities 1848–1918, bes. S. 168–213, und Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt, S. 132–161; zu den beiden zentralen Schöpfern der Universitätsreform nach 1848 zuletzt Aichner, Franz Exner, und Fillafer, Hermann Bonitz.

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Insgesamt wird man nicht von einer simplen Übernahme des »Humboldtschen Universitätsmodells« in der Habsburgermonarchie sprechen können, das den österreichischen Reformern in der Mitte des 19. Jahrhunderts ja noch nicht einmal als mögliches Modell bewusst sein konnte; »die so genannten Thunschen Reformen sind eher ein Gemisch aus Übernahmen deutscher Strukturen und einer Modifizierung derselben nach österreichischem Modus.«289 Von einer Übernahme »eines«, geschweige denn »des« deutschen bzw. preußischen Universitätsmodells »unter direkter Bezugnahme auf Wilhelm von Humboldt in Österreich um 1848 und danach kann nicht die Rede sein«.290 Dennoch ist die Einschätzung Walter Höflechners wohl nicht übertrieben, wonach das mit dem Namen von Leo Thun-Hohenstein verbundene Reformwerk »eine tiefgreifende Ausweitung des Begriffes von Wissenschaft bewirkt« und »in seiner Grundstruktur die österreichischen Universitäten und Hochschulen bis 1975 bestimmt« hat.291 Die angestrebte Verwissenschaftlichung der österreichischen Universitäten sollte auf drei Ebenen erfolgen: »auf [der] Ebene der wissenschaftlichen Fundierung des Unterrichtes, auf [der] Ebene der Etablierung der Universitäten als Forschungsinstitutionen und auf [der] Ebene einer generellen Neuorientierung der Fächer, und zwar nicht nur im Hinblick auf die praktische Berufsvorbereitung von Juristen, Theologen, Ärzten, Gymnasiallehrern etc., sondern auch auf die Ausbildung von Wissenschaftlern, die sich in ihren jeweiligen Fächern forschend betätigen würden«.292

Die philosophischen Fakultäten der habsburgischen Universitäten wurden als den drei anderen Fakultäten gleichrangige Institutionen eingerichtet. Erst seit der Universitätsreform in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die österreichischen Universitäten, insbesondere deren philosophische Fakultäten, auch zu 289 Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 55. – »Die Universität sollte erneuert, aber auch zweckmäßig zugerichtet werden. Sie sollte sich selbst verwalten, ohne aber dem Zugriff von ›Thron‹ und ›Altar‹ völlig entzogen zu sein.« Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt, S. 132. »Zweifelsohne verfolgte der aristokratisch-konservative Politiker Thun mit der Reform ein zentrales Ziel, das darin bestand, die tendenziell liberal gesinnte Akademikerschaft zu einer konservativ-loyalen Staatselite umzubilden. Sie sollte den Vergleich mit Absolventen deutscher Universitäten nicht scheuen müssen und das Substrat eines neuartigen Verwaltungssystems bilden.« Ebd., S. 133. 290 Ash, Wurde ein »deutsches Universitätsmodell« nach Österreich importiert, S. 81. Zur Historiographiegeschichte der Thun-Hohenstein’schen Universitätsreform siehe jetzt v. a. den ausgezeichneten Aufsatz von Feichtinger, Fillafer, Leo Thun und die Nachwelt, der sich insbesondere der Problematik der Universitätsautonomie widmet und dessen Kernthese lautet, »dass im Hinblick auf die Aushandlung von Autonomiefragen das ThunHohenstein’sche Reformwerk über 150 Jahre hinweg in Österreich den zentralen Maßstab für Hochschulreformen vorgab«. Ebd., S. 350. 291 Höflechner, Die Thun’schen Reformen im Kontext der Wissenschaftsentwicklung, S. 51. ˇ ezník, Tomek, S. 139. 292 R

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Abb. 15: Franz Seraphin Exner (1802–1853). Lithographie von Josef Kriehuber, 1831.

Stätten der Wissenschaft und der Forschung – also nicht nur, wie bis dahin jedenfalls weit überwiegend, der Lehre.293 Die, wie erwähnt, bereits im Sommer 1848 beschlossene Einführung des Berufungsverfahrens (anstelle des Konkursverfahrens mit Prüfung der Kandidaten) für die Besetzung von Professuren und des Habilitationsverfahrens für die Zulassung als Privatdozent führte innerhalb weniger Jahre zu einer markanten Anhebung des wissenschaftlichen Niveaus der Universitätslehrer.294 Es folgte ein Prozess der raschen Ausdifferenzierung der Disziplinen. Die zunehmende Spezialisierung295 und Professio293 Als »der Weitergabe vorhandenen Stoffes dienende Schule[n]« waren die Universitäten der Habsburgermonarchie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts »bestimmt durch ein streng geregeltes, in der Hauptsache auf Abfragen des Eingelernten gerichtetes System von Semestral- und Annualprüfungen«. Widmann, Vormärzliches Studium, S. 123. 294 Vgl., neben Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein, u. a. Meister, Entwicklung und Reformen des österreichischen Studienwesens, Teil 1, S. 69– 113, sowie – als pointierte Zusammenfassung – Höflechner, Nachholende Eigenentwicklung? – Zu den Habilitierungsvorschriften und zu den Rechten und Pflichten der Privatdozenten an den österreichischen Universitäten seit dem Jahr 1848 siehe Sammlung der für die österreichischen Universitäten giltigen Gesetze und Verordnungen, S. 129–137 (in der 2. Aufl. auf S. 150–161); Beck von Mannagetta, von Kelle (Hrsg.), Die österreichischen Universitätsgesetze, S. 169–189 und 202f.; Lemayer, Verwaltung, S. 58–71. 295 Vgl. Engel, Die deutschen Universitäten und die Geschichtswissenschaft, S. 338–347.

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Abb. 16: Hermann Bonitz (1814–1888). Lithographie von Josef Kriehuber, 1857.

nalisierung führte zur Schaffung zahlreicher neuer Lehrkanzeln, Seminare, Institute, Laboratorien und Sammlungen. Diese »wurden die zentralen Orte des Forschens, Lehrens, Lernens und der Begegnung. Gleichzeitig dienten sie als ›Gehege‹ ihrer ›Platzhirschen‹ [d. h. der Ordinarien; Th.W.], die nicht selten zum Schauplatz heftiger ›Revierkämpfe‹ wurden, was sich mitunter auf den Wissenschaftsbetrieb lähmend auswirken konnte.«296 Als Folge der Universitätsreform der 1850er Jahre stieg übrigens auch das Sozialprestige der Professoren: »Mit dem Liberalismus ist [ab etwa 1860; Th.W.] […] das höhere gesellschaftliche Ansehen des Lehrpersonales in Erscheinung getreten – der Professor, der vor dem Jahre 1848 nicht höher rangierte als ein mittlerer Verwaltungsbeamter, wurde jetzt geradezu zum Inbegriffe dessen, was man sich damals als Gipfelpunkt einer Karriere zu denken vermochte.«297 »Spezialisierung um der Wissenschaftlichkeit willen, das war das Gebot der Stunde.« Ebd., S. 339. 296 Mühlberger, Das »Antlitz« der Wiener Philosophischen Fakultät, S. 87. 297 Lhotsky, Wissenschaft und Unterricht, S. 263. – Die Zeit der Alleinregierung Kaiser Josephs II. (1780–1790) sei »eine Periode wahrhafter Erbärmlichkeit der wirtschaftlichen Fundierung der Hohen Schulen und ihres Personals« gewesen. »Erst unter Leopold II. suchten Freiherr von Martini und andere eine Besserung herbeizuführen; unter Kaiser

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Die um die Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffenen neuen organisatorischen Strukturen der österreichischen Universitäten »forderten auch einen neuen Typus des Professors: den auf einem Spezialgebiet tätigen Lehrer und Forscher. Ziemlich rasch wurde jetzt [insbesondere an den philosophischen Fakultäten; Th.W.] der häufig bloß enzyklopädisch gebildete Lehrer verdrängt, der die Forschungsergebnisse anderer nur didaktisch aufbereitete und vermittelte. Das Unterrichtsministerium nützte dabei ziemlich rigoros seine Eingriffsmöglichkeiten; es versetzte die den neuen Ansprüchen nicht mehr gerecht werdenden Professoren in den Ruhestand und berief – zuerst nicht immer die Wünsche der Fakultät berücksichtigend – als Lehrer und Forscher bewährte Ausländer auf die frei gewordenen oder neu geschaffenen Lehrstühle. Das nunmehr auch in Österreich eingeführte Habilitationsverfahren und das Privatdozententum taten ein übriges, um dem Professorenstand ein modernes Profil zu geben.«298

Später erfolgte die Ernennung der Professoren in der Regel nach den Vorschlägen des Professorenkollegiums der Fakultät durch den Unterrichtsminister.299 Was Thuns Berufungspolitik betrifft300, so gab er »im Falle der Historie nach Möglichkeit klerikal-konservativen Kandidaten den Vorzug«301, aber auch sonst berief er nach Möglichkeit nur Katholiken, sofern fachlich tüchtige Männer mit entsprechendem Glaubensbekenntnis bzw. Taufschein zur Verfügung standen. Protestanten wurden nur dann auf Lehrstühle berufen, »wenn keine geeigneten katholischen Kandidaten vorhanden waren«.302 Anlässlich der

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Franz II. wurden die Professoren wenigstens nach dem Gehaltsschema der Konzeptsbeamten honoriert.« ders., Das Ende des Josephinismus, S. 273. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 235. »Erst seit den 1870er Jahren, als im Ministerium nur noch die formaljuristischen und finanziellen Seiten der Professorenbestellungen usw. Gegenstand der Deliberationen wurden, hörte die sachliche Lenkung allmählich auf.« Lhotsky, Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in Österreich, S. 400. »Obwohl mit Ministerialerlass vom 11. Dezember 1848 den Fakultäten das Vorschlagsrecht […] zugesprochen wurde, betrachtete Thun es als seine persönliche Angelegenheit, geeignete akademische Lehrer zu gewinnen, um sein hochschulpolitisches Konzept [einer ›konservativen Modernisierung‹; Th.W.] zu verwirklichen.« Aichner, Mazohl, Kraler, Aspekte der Thun-Hohensteinschen Bildungsreform, S. 208. Kernbauer, Konzeptionen der Österreich-Geschichtsschreibung, S. 256. – Minister Thun sprach 1849 klar aus, wer ihm als Professor der allgemeinen Geschichte geeignet schien: »Dafür ist ein Mann nötig, der anerkannter Wissenschaftler und Lehrer ist, über dem Parteiengezänk der Tagespolitik steht«, der aber jedenfalls Katholik zu sein hatte, »weil die Universität eine vorherrschend katholische ist und die Beziehungen des Geschichtsstudiums zu den kirchlichen Verhältnissen zu innig sind, als daß an einer solchen Universität dessen Pflege ausschließlich einem Protestanten zweckmäßig überlassen werden könnte«. Zitiert nach Höflechner, Metamorphosen und Konsequenzen, S. 290. Vgl. auch Lentze, Universitätsreform, S. 131f. Lentze, Universitätsreform, S. 266 und 268. Immerhin gelang es Minister Thun zu verhindern, dass die Bestimmung des Artikels 7 des Konkordats von 1855 zwischen Kaiser Franz Joseph I. und Papst Pius IX., demzufolge »[i]n den für die katholische Jugend bestimmten Gymnasien und mittleren Schulen […] nur Katholiken zu Professoren oder

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Bestellung des preußischen Lutheraners Theodor Sickel zum Dozenten für Historische Hilfswissenschaften am Institut für Österreichische Geschichtsforschung hielt Thun 1856 in seinem (von Unterstaatssekretär Joseph Alexander von Helfert formulierten) Vortrag an den Kaiser fest, dass es bei diesem Fach nicht um Fragen gehe, »auf deren Lösung die confessionelle Ansicht irgendeinen Einfluß üben kann«.303 Nach Thuns Rücktritt traten die österreichischen Universitäten ab 1861, also seit dem Ende des Neoabsolutismus und dem staatsrechtlichen Übergang zur konstitutionellen Monarchie, »endgültig in die Welt einer freien Wissenschaftsentwicklung ein, getragen von enormem Optimismus und Fortschrittswillen, ja Fortschrittsgläubigkeit. Und die Annäherung an das deutsche Vorbild wurde perfektioniert.«304 Zur Einrichtung eines wissenschaftlichen Doktorats der Philosophie an den österreichischen Universitäten kam es in der Amtszeit des Ministers ThunHohenstein noch nicht, sondern erst durch die Rigorosenordnung von 1872. Die bisher übliche öffentliche Disputation über Thesen wurde abgeschafft. Stattdessen wurden die Vorlage einer wissenschaftlichen Abhandlung »über ein frei gewähltes Thema aus einem der dem Bereiche der philosophischen Fakultät angehörigen Fächer« und die Ablegung zweier »strenger Prüfungen« (Rigorosen) bei Professoren der philosophischen Fakultät verlangt.305 Nach den ersten Berufungen deutscher Fachleute auf Lehrstühle an der Universität Wien in den 1850er und 1860er Jahren wurde im Bereich der Geschichte das Rekrutierungsfeld bald »nationalisiert«: Mit Ausnahme der beiden Althistoriker Otto Hirschfeld und Eugen Bormann wurden nach 1870 nur noch österreichische – d. h. in der Habsburgermonarchie geborene und ausgebildete – Historiker zu Professoren ernannt.306 Darin unterschied sich das akademische Feld der Geschichte an der Universität Wien übrigens von den Naturwissenschaften und der Medizin, aber auch von den philologischen Fächern, in denen auch im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts nach wie vor auch Professoren von Universitäten im Deutschen Reich berufen wurden, obwohl seit etwa 1890 derartige Berufungen wegen des immer größer werdenden Raum- und

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Lehrern ernannt werden« konnten (zitiert nach Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 4, S. 545), auch auf die Universitäten angewandt wurde. Wozniak, Count Leo Thun, S. 77 und 80. Zitiert nach Mayr (J.), Anfänge, S. 554, und Zikulnig, Restrukturierung, Regeneration und Reform, S. 208. Höflechner, Nachholende Eigenentwicklung, S. 105. – »Jetzt erst erfolgte wirklich die Ernennung der Professoren nach den Vorschlägen der Fakultäten, wie es den gesetzlichen Vorschriften entsprach.« Lentze, Universitätsreform, S. 275. Vgl. auch Surman, Mobilität der Wiener Professoren, bes. S. 627f. Meister, Geschichte des Doktorates der Philosophie, S. 48–50 und 114–121. Zur weiteren Entwicklung des Doktorats der Philosophie bis in die 1950er Jahre siehe ebd., S. 50–59 und 121–141. Saxer, Die Schärfung des Quellenblicks, S. 85.

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Personalmangels, der – gemessen insbesondere an den großzügigen Verhältnissen in Preußen – Vernachlässigung zahlreicher Institute, Laboratorien und Kliniken der Universität Wien seitens des Ministeriums für Cultus und Unterricht, der unzulänglichen Dotation mit Sachmitteln sowie nach 1898 wegen der in diesem Jahr erfolgten Abschaffung bzw. Verstaatlichung der lukrativen Kollegiengelder immer schwieriger und seltener wurden.307 Dennoch blieben die Universitäten mit deutscher Unterrichtssprache in der westlichen Reichshälfte Österreich-Ungarns im Allgemeinen und die Universität Wien im Speziellen alles in allem auch weiterhin eng an den »Professorenmarkt« im Deutschen Reich angebunden. Ab 1901 wurde auch ein Vertreter des Wiener Ministeriums zu den Konferenzen der (erstmals 1898 zusammengetretenen) Hochschulreferenten der Unterrichtsverwaltungen der deutschen Länder beigezogen, und 1907 fand – »auf Initiative deutscher und österreichischer, besonders Wiener Hochschullehrer«308 und unter reger österreichischer Beteiligung – in Salzburg erstmals auf dem Boden der Habsburgermonarchie ein Deutscher Hochschullehrertag statt.309 Um 1900 hatte die Geschichtswissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien eine sehr starke Stellung, die nicht zuletzt in dem Umstand zum Ausdruck kam, dass kein anderes Fach über vier Ordinarien verfügte.310 Neben der Philosophie war die Geschichte die einzige Disziplin, bei der noch um 1900 das Ministerium besonderen Wert auf das katholische Glaubensbekenntnis der Kandidaten und deren politische Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus und dem Staat Österreich-Ungarn legte, sich in einigen wenigen Fällen über (Dreier-)Vorschläge der Fakultät hinwegsetzte und die Ernennung von Professoren gegen den ausdrücklichen Willen der Fakultät oktroyierte.311 Der ekla307 Siehe insbesondere die Denkschrift über die gegenwärtige Lage sowie als kenntnisreiche und ausgewogene zeitgenössische Problemskizze Salvisberg, Oesterreichische Hochschulverhältnisse; zuletzt: Ranzmaier, Philosophische Fakultät, S. 133–136. – Zu den Kollegiengeldern und deren Abschaffung für ordentliche Professoren und besoldete außerordentliche Professoren durch das Gehaltsgesetz 1898 sowie deren partieller Wiedereinführung 1919/20 siehe jetzt allgemein Staudigl-Ciechowicz, Dienst-, Habilitationsund Disziplinarrecht, S. 101–109 und 157–179. 308 vom Bruch, Wissenschaftspolitik, Kulturpolitik, Weltpolitik, S. 40. 309 Vgl. u. a. Höflechner, Zum Einfluß des deutschen Hochschulwesens auf Österreich. Zur Berufung von Professoren österreichischer Universitäten und Hochschulen an preußische Universitäten (insbesondere Berlin und Breslau) sowie an die Reichsuniversität Straßburg in den Jahrzehnten um 1900 siehe auch Wendel, Aktivitäten Althoffs. 310 Ranzmaier, Professorenkollegium oder Ministerium, S. 285. Vgl. auch Höflechner, Bemerkungen zur Differenzierung des Fächerkanons. 311 Ranzmaier, Professorenkollegium oder Ministerium, S. 288f. – »Oktrois [des Ministeriums] gab es [um 1900] nur in jenen Disziplinen, die Legitimierungsfunktion für den Staat trugen bzw. in den Augen der Regierung vor allem der Heranbildung loyaler Staatsbürger zu dienen hatten: Philosophie und Geschichte.« Ranzmaier, Philosophische Fakultät, S. 146.

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tanteste derartige Fall war die 1899 erfolgte Ernennung des konservativ-katholischen Tirolers Josef Hirn (1848–1917), der im Vorschlag der Fakultät überhaupt nicht genannt worden war, als Nachfolger Alfons Hubers zum ordentlichen Professor der Österreichischen Geschichte.312

2.1. Das Philologisch-Historische Seminar (1850–1872) An mehreren deutschen Universitäten gab es seit dem 18. Jahrhundert philologische (d. h. altphilologische) und/oder pädagogische Seminare (von latein. seminarium = Pflanzstätte, abgeleitet von semen = Same), die ursprünglich in erster Linie der Ausbildung von Gymnasiallehrern dienten (Göttingen 1738, Erlangen und Kiel 1777, Helmstedt 1779, Leipzig 1784, Halle 1787).313 Nachdem zunächst am Seminarium philologicum der Göttinger Universität ab den 1760er Jahren »der pädagogische Zweck durch den fachwissenschaftlichen zurückgedrängt worden« war314, trat seit etwa 1810 insbesondere an den neu gegründeten philologischen Seminar(i)en der preußischen Universitäten (Berlin und Breslau 1812, Bonn 1818, Königsberg und Greifswald 1822) die fachwissenschaftliche Ausbildung an die Seite (also nicht an die Stelle) der pädagogischen.315 Nach diesen Vorbildern wurden im Herbst 1849, auf Anregung und in Wien unter der Leitung des Altphilologen Hermann Bonitz, die Philologischen Seminare der Universitäten Prag und Wien gegründet, 1851 das Philologische Seminar der Universität Krakau.316 Die Forschungsorientierung der frühen historischen Seminare an deutschen Universitäten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts scheint lange Zeit 312 Ranzmaier, Professorenkollegium oder Ministerium, S. 298f.; Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 160f.; Surman, Habsburg Universities 1848–1918, S. 353. – Zu Hirns Berufung nach Wien und zu den Demonstrationen deutschnationaler und »freisinniger« Studenten gegen den »Klerikalen« und zur Störung von Hirns Antrittsvorlesung an der Universität Wien (unter anderem durch das Singen der »Wacht am Rhein«) siehe Gall (M. H.), Josef Hirn, S. 33–56. – Josef Hirn war übrigens im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert der einzige explizit für Österreichische Geschichte an die Universität Wien berufene Professor, der keine Lehrveranstaltungen zur Quellenkunde abhielt. Saxer, Vermittlungsweise des Quellenblicks, S. 32f., Anm. 25. 313 Pandel, Von der Teegesellschaft zum Forschungsinstitut, passim. – »Die Behauptung, Grundlage und Entstehungsmotiv der historischen Seminare sei die Trennung der ›Ausbildung zum Lehrer‹ von der ›Ausbildung in der Wissenschaft‹ [Wilhelm Erben 1913], entpupp[t] sich bei näherer Betrachtung als reine Legende.« Ebd., S. 1. »Es kann […] nicht die Rede davon sein, daß eine strikte Trennung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik, von Wissenschaft und Unterricht vorgenommen wurde. Gerade deren Verbindung machte den Charakter des Seminars aus.« Ebd., S. 7. 314 Erben, Die Entstehung der Universitäts-Seminare, Sp. 1251. 315 Ebd., Sp. 1257–1260. 316 Erben, Streifzüge, S. 40.

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überschätzt worden zu sein. Einer der besten Kenner hat die Ergebnisse seiner Untersuchungen folgendermaßen zusammengefasst: »Das historische Seminar als jene Organisationsform universitärer Geschichtswissenschaft, die später zum Inbegriff für die Vorreiterrolle der deutschen Universitäten auf diesem Gebiet wurde, war von seiner Entstehung her weder ein Folgeprodukt der sich nach 1800 durchsetzenden neuen Idee von Wissenschaft und des daraus resultierenden ›Forschungsimperativs‹ noch ein institutioneller Reflex der inhaltlich-methodischen Innovationen im Bereich der Geschichtsforschung. Hauptzweck der seit 1809 nachweisbaren [privaten] historischen Übungsgesellschaften und der ersten staatlich anerkannten historischen Seminare war nicht die Ausbildung von Berufshistorikern. Vielmehr sollten diese Einrichtungen dem nach wie vor vielfach aus Gründen der Allgemeinbildung betriebenen Studium der Geschichte einen größeren Praxisbezug verschaffen und die wirklich geschichtsinteressierten Studierenden in die Anfangsgründe historischer Forschung einführen. Mit der in Preußen 1810 in Gang gebrachten Reglementierung der akademischen Lehrerbildung fiel dem universitären Geschichtsstudium dann eine neue berufsvorbereitende Funktion zu.«317

Auf Anregung und nach dem Plan des gegen Ende des Jahres 1849 an die Universität Wien berufenen Historikers und Altphilologen Heinrich Wilhelm Grauert wurde das Wiener Philologische Seminar im Studienjahr 1850/51 zu einem Philologisch-Historischen Seminar erweitert.318 Unter anderem infolge dieser engen organisatorischen Verbindung der Geschichte mit der Klassischen Philologie wurde auch in Österreich die Textkritik »zur grundlegenden Methode der Geschichtswissenschaft: Urkunden, Akten, Handschriften, Bücher dominierten in der Quellenforschung und damit auch in der Entwicklung der historischen Methode und die Ausbildung der Hilfswissenschaften – bei zunehmender Vernachlässigung ökonomischer, statistischer und materieller Zeug317 Huttner, Historische Gesellschaften, S. 82. – Die Geschichtswissenschaft hatte an den philosophischen Fakultäten der Universitäten des deutschen Sprachraums bis in die 1840er Jahre hinein »historische Erziehung als Teil der Allgemeinbildung zu vermitteln, Vorbereitungswissenschaft und Hilfswissenschaft für andere Disziplinen [insbesondere die Rechtswissenschaft; Th.W.] zu sein und schließlich Geschichtsforschung zu treiben. […] Forschung stand anfangs durchaus an letzter Stelle. Die Lehre als fachlicher Beitrag zur Allgemeinbildung war weitaus wichtiger.« Pandel, Von der Teegesellschaft zum Forschungsinstitut, S. 9. »Nicht als Wissenschaftswissen, sondern als Bildungswissen [war] Geschichte an der Konstitution des Bildungsbürgertums beteiligt.« Ebd., S. 26. 318 Grauert legte seinen Plan in einer Denkschrift nieder, die er »dem Herrn Minister des Cultus und Unterrichtes auf dessen Erfordern eingereicht hat«. Grauert, Plan eines historischen Seminars, S. 321, Anm. *). Grauert »hegt[e] […] die entschiedene Ueberzeugung, […] dass das philologische und [das] historische Seminar nur zwei, von besonderen Docenten geleitete Abtheilungen eines und desselben Ganzen bilden müssen«. Ebd., S. 340. – Zur Geschichte des philologisch-historischen Seminars vgl. u. a. Kirchshofer, Geschichte des philologisch-historischen Seminars, S. 1–111, und Jungwirth, Die philosophische Fakultät der Universität Wien, S. 149–171.

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nisse der Vergangenheit. Gebunden an Sprach- und Literaturwissenschaft, wurde Geschichtswissenschaft zur Geisteswissenschaft.«319

Mit Recht ist die Rolle der Klassischen Philologie als »Leitfach« an den philosophischen Fakultäten der österreichischen Universitäten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausgestrichen worden.320 Die ersten nach 1848 berufenen Professoren für Allgemeine Geschichte (d. h. für Weltgeschichte unter Einschluss bzw. unter besonderer Berücksichtigung der Alten, also der römischen und der griechischen Geschichte) waren die beiden preußischen Katholiken Heinrich Wilhelm Grauert und Joseph Aschbach. Minister Thun, der lieber Gelehrte aus der Habsburgermonarchie berufen hätte, bezeichnete 1852 die Berufung von Ausländern auf Geschichtslehrstühle als eine »unvermeidliche traurige Folge der früheren auffallenden Vernachlässigung des Geschichtsstudiums an den österreichischen Universitäten«.321 Der Althistoriker und Altphilologe Heinrich Wilhelm Grauert (1804–1852), der auch ein – seinerzeit berühmtes – zweibändiges Werk über Königin Christina von Schweden (1626–1689) und ihren Hof verfasst hatte, wurde im Dezember 1849 (zur »Entlastung« Johann Nepomuk Kaisers) aus Münster in Westfalen an die Universität Wien berufen, wo er seinen Dienst zu Ostern 1850 antrat.322 Er war ein Schüler von Barthold Georg Niebuhr (1776–1831), des wohl bedeutendsten und einflussreichsten (Mit-)Begründers der »modernen« philologisch-kritischen Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung. Der Autodidakt Niebuhr hatte im Studienjahr 1810/11 – ohne Inhaber einer Professur zu sein – als erster Althistoriker Vorlesungen an der neugegründeten Universität Berlin gehalten und dabei »die Geschichte Roms durch historisch-philologische Quellenkritik auf eine wissenschaftliche Grundlage«323 gestellt.324 Grauert beFellner (F.), Geschichte als Wissenschaft, S. 195. Vgl. z. B. Muhlack, Zum Verhältnis. Egglmaier, Die Bedeutung der klassischen Philologie. Zitiert nach Zikulnig, Restrukturierung, Regeneration und Reform, S. 265. Zu Leben und Werk Grauerts siehe v. a. Srbik, Wilhelm Heinrich Grauert (Heinrich von Srbik war ein Enkel Grauerts); weiters Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 9–14; Mayerhofer, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1848 bis 1873, S. 69f. – Historiographische H a u p t w e r k e H e i n r i c h Wi l h e l m G r a u e r t s : Historische und philologische Analekten (1833); Christina, Königin von Schweden und ihr Hof, 2 Bde. (1837 und 1842); Über die Thronentsagung des Königs Johann Casimir von Polen und die Wahl seines Nachfolgers (1851). 323 Briggs, Geschichte und Sozialwissenschaften, S. 385. – Friedrich Carl von Savigny (1779– 1861), der Begründer der Historischen Rechtsschule, »bekannte, er sei durch Niebuhrs ›Römische Geschichte‹ zu seiner 1815–1831 erschienenen ›Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter‹ veranlaßt worden«. Ebd. 324 Die erste Fassung von Niebuhrs Römischer Geschichte erschien in zwei Teilen 1811 und 1812, die zweite Fassung 1827 und 1830, der dritte Teil postum 1832. Zu Niebuhrs Leben und Werk sowie zu den unterschiedlichen »Niebuhr-Bildern« siehe v. a. Walther, Niebuhrs Forschung.

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Das Philologisch-Historische Seminar (1850–1872)

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tonte besonders die enge Verbindung der Klassischen Philologie mit der Geschichte. Im Gegensatz zu Hermann Bonitz, aber auch zum Professor für Österreichische Geschichte Albert Jäger (siehe unten Seite 94f.) war Grauert davon überzeugt, Hauptaufgabe des Seminars sei die Ausbildung von Lehrern für die Gymnasien und andere höhere Schulen, nicht die Einführung der Studenten in die Forschung.325 Er hatte mehr als zwanzig Jahre lang (seit 1836 als ordentlicher Professor der Geschichte) an der Philosophischen Fakultät der Theologisch-Philosophischen Akademie in Münster die historische Abteilung des Historisch-Philologischen Seminars geleitet326, »das ganz im Geiste der älteren deutschen Seminarien nur der Ausbildung von Gymnasiallehrern für ihren Lehrberuf gewidmet war, in gewissem Gegensatze zu den jüngeren Seminaren, besonders an den preußischen Universitäten, die mehr und mehr auf die Einführung in die wissenschaftliche Forschung Gewicht legten«.327 Grauert ließ das von ihm de facto geschaffene Historische Seminar der Universität Wien »als historische Abteilung in das [P]hilologische [Seminar] eingliedern«.328 Er starb bereits im Januar 1852 nach kurzer Krankheit (sei es an den Pocken oder an chronischer Überarbeitung). Den Übungsbetrieb in der historischen Abteilung des Philologisch-Historischen Seminars skizzierte Grauert 1850 folgendermaßen: Jedes wirkliche (d. h. mit einem Stipendium ausgestattete) Mitglied des Seminars musste in jedem Semester – auf der Basis der Benützung und selbständigen Durcharbeitung der jeweils »besten neueren Hilfsmittel« und der »wichtigsten Quellen« – eine schriftliche Abhandlung verfassen und diese mündlich, und zwar »möglichst frei […], als geschehe es eben in der Schule«, vortragen; »auf keinen Fall [war] 325 Erben, Streifzüge, S. 45f. – Seinem Kollegen Albert Jäger gegenüber vertrat Grauert die Ansicht, »wir hätten nicht den Beruf, in den Seminarien Forscher und Gelehrte und Universitätsprofessoren heranzubilden, sondern Lehrer für die Mittelschulen«. Daher sollten die Lehramtskandidaten bei ihren Seminararbeiten nicht dazu verhalten werden, diese aus den Primärquellen zu erarbeiten, es genüge vielmehr, wenn sie durch die »selbstständige Benützung und Verwerthung« der jeweils besten Werke der Sekundärliteratur »den Beweis liefern, wie sie auf Grund der bezeichneten Werke im Stande seien, die Geschichte ihren Schülern in anziehender Weise beizubringen«. Jäger, Graf Leo Thun, S. 9f. Vgl. auch Kirchshofer, Geschichte des philologisch-historischen Seminars, S. 36–48, bes. S. 42f. 326 Grauert, Plan eines historischen Seminars, S. 337. 327 Redlich, Zur Geschichte des historischen Seminars, S. 128. – W#cslaw Wladiwoj Tomek, der erste Professor für Österreichische Geschichte an der Universität Prag, hatte, anders als Grauert, nachdrücklich, aber vergeblich dafür plädiert, an den zu gründenden Historischen bzw. Philologisch-Historischen Seminaren in erster Linie nicht Gymnasialprofessoren, sondern forschende Wissenschaftler auszubilden und den Schwerpunkt nicht auf die ˇ ezník, Tomek, S. 146–149. Klassische Philologie, sondern auf die Geschichte zu legen. R Vgl. auch den für Leben und Werk Tomeks als Historiker und Politiker grundlegenden ˇ ezník (Hrsg.), W. W. Tomek, historie a politika, sowie Bahlcke, ErSammelband von R fahrungsraum und Raumkonzept, S. 260–263. 328 Srbik, Wilhelm Heinrich Grauert, S. 21.

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eigentliches Ablesen statthaft«. Im Anschluss an den Vortrag kritisierte, erläuterte und ergänzte »der Dirigent«, also der Seminarleiter, diesen und forderte die anderen Mitglieder auf, »über einzelnes ihre Meinung zu äussern und den Verfasser zur Rechenschaft zu ziehen, welcher sich dann zu vertheidigen hat, so dass sich eine Disputation bildet«.329 Ausgewählte besonders gute und besonders schlechte Abhandlungen und Referate wurden zu eigenen Terminen »einer speciellen Recension« durch ein anderes Mitglied des Seminars unterzogen. Außerdem wurden spezielle Disputationen »über einen historischen Gegenstand, wofür und wogegen mit erheblichen Gründen gestritten werden kann«, abgehalten. »Auch für diese Disputationen wird eine eigene Stunde bestimmt, Defendent und Opponent, so wie die These, vorher gewählt.«330 Für die Übungen im Seminar setzte Grauert folgenden dreijährigen »Cursus« fest: Je ein ganzes Studienjahr sollte der Geschichte der Griechen und der Geschichte der Römer gewidmet sein, und im dritten Jahr sollte »die [Geschichte] der neueren Völker durchgearbeitet werde[n]«, wobei Grauert je ein Semester für das Mittelalter und für die Neuzeit (»die neuere Zeit«) vorsah.331 Grauerts Nachfolger als Professor der Allgemeinen Geschichte, der Rheinländer Joseph Aschbach (1801–1882), wurde, auf Empfehlung seines Freundes Johann Friedrich Böhmer, des Frankfurter Stadtarchivars und Bibliothekars und Begründers der Regesta Imperii, aus Bonn nach Wien berufen.332 Er trat seine Wiener Professur im Oktober 1853 an.333 Aschbach war ein Spezialist für die Völkerwanderungszeit und die Geschichte des Mittelalters und hatte als Lehrer am katholischen Gymnasium in Frankfurt am Main bzw. (seit 1842) als Professor an der Universität Bonn unter anderem eine vierbändige Geschichte Kaiser Sigmunds publiziert (Hamburg 1838–1845). In Wien verfasste er aber – veran329 Grauert, Plan eines historischen Seminars, S. 330f. 330 Ebd., S. 332f. – Als Themen der Disputationen schlug Grauert beispielsweise die folgenden vor: »Ist Perikles zu tadeln, dass er die Athener zum peloponnesischen Kriege bewogen?« – »Verdient Alexander von Macedonien den Beinamen des Grossen?« – »War die Zerstörung Carthago’s eine politisch kluge Handlung der Römer?« – »[W]o sind die Grenzpuncte zwischen Mittelalter und Alterthum und neuerer Zeit?« – »Haben die Kreuzzüge auch nachtheilige Folgen gehabt?« – »Welche Folgen haben die Züge der deutschen Kaiser nach Italien gehabt?« – »Hat der westfälische Friede zur Auflösung des deutschen Reiches beigetragen?« – »Hat die französische Literatur einen überwiegend nachtheiligen Einfluss auf die deutsche ausgeübt?« Ebd., S. 343f. 331 Ebd., S. 334. 332 Zur Geschichte des Forschungsunternehmens der Regesta Imperii (RI) siehe http://www. regesta-imperii.de/unternehmen.html [Zugriff: 12. 09. 2016]. 333 Schrauf, Josef von Aschbach; Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 15– 22; Mayerhofer, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1848 bis 1873, S. 4–6. – Nachdem Aschbach den Ruf an die Universität Wien angenommen hatte, gratulierte ihm Böhmer am 2. Oktober 1853 brieflich und bekannte: »Ich beneide Sie um den Kreis von Wissenschaftsfreunden, in den Sie treten.« Zit. nach Schrauf, Josef von Aschbach, S. 58.

Das Philologisch-Historische Seminar (1850–1872)

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Abb. 17: Joseph Aschbach (1801–1882). Lithographie von Eduard Kaiser, 1857.

lasst durch das 500-Jahr-Jubiläum der Universität im Jahr 1865 – insbesondere eine Geschichte der Wiener Universität in den ersten 200 Jahren ihrer Existenz, also von 1365 bis 1565, in drei Bänden (Wien 1865, 1877 und [postum] 1888), die von Alphons Lhotsky als »ein gelungener großer Wurf, eine in mehr als einer Hinsicht originelle Tat ohne Vorbilder«334 gewürdigt wurde.335 Aschbach hielt abwechselnd Vorlesungen zur alten, mittleren und neueren Geschichte.336 334 Zitiert nach Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 20. 335 Weitere H a u p t w e r k e J o s e p h A s c h b a c h s (in Auswahl): Geschichte der Westgothen (1827); Geschichte der Ommaijaden in Spanien nebst einer Darstellung des Entstehens der spanischen christlichen Reiche, 2 Bde. (1829 und 1830); Geschichte Spaniens und Portugals zur Zeit der Herrschaft der Almoraviden und Almohaden, 2 Bde. (1833 und 1837); Geschichte der Grafen von Wertheim, 2 Bde. (1843); Die römischen Legionen Prima und Secunda Adjutrix in Niederpannonien (1856); Über das römische Heerwesen in Pannonien im ersten christlichen Jahrhundert (1869). 336 Mayr (J.), Anfänge, S. 551. – »Aschbachs Vorlesungen umfaßten wie in Bonn das ganze Gebiet der Geschichte, verweilten aber mit Vorliebe beim Alterthum und fanden jedesmal eine wichtige Ergänzung in den Seminarübungen, wo er über schwierigere Punkte des gerade behandelten Zeitraumes, über Quellen und neuere Literatur ausführlich zu sprechen pflegte.« Schrauf, Josef von Aschbach, S. 28f.

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Von der Thun-Hohenstein’schen Universitätsreform bis 1918

Die Österreichische Geschichte wurde – nach letztlich gescheiterten Ansätzen der Etablierung eines speziellen universitären Unterrichts in der »vaterländischen Geschichte« in den 1780er Jahren und um 1820337 – erst im Zuge der Thun’schen Universitätsreform durch die Schaffung selbständiger Professuren für Österreichische Geschichte (in Prag 1850, in Wien und Innsbruck 1851, in Graz erst 1865, schließlich in Lemberg 1869) von der »Allgemeinen Geschichte« abgespalten. Als erster Professor der Österreichischen Geschichte – formal ganz traditionell als Professor der allgemeinen Welt- und der österreichischen Staatengeschichte – wurde im Mai 1851 der in der Tradition der benediktinischen Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung des 17. und 18. Jahrhunderts338 stehende gelehrte Tiroler Benediktinerpater Albert Jäger (1801–1891) von Minister Thun-Hohenstein an die Universität Wien berufen.339 Jäger hatte zuvor von 1845 bis 1849 als Professor der Welt- und der österreichischen Staatengeschichte sowie der Historischen Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck gewirkt und war 1849 vom Abt des Klosters Marienberg (im Oberen Vinschgau), seinem Ordensvorstand, gegen seinen Willen als Gymnasialdirektor in Meran installiert worden, um die Umwandlung des dortigen, bisher sechsklassigen Stiftsgymnasiums in ein achtklassiges Gymnasium in die Wege zu leiten. An dieser Schule war Jäger bereits von 1831 bis 1841 zunächst als Religions- und dann als (alle Fächer außer Religion unterrichtender) Klassenlehrer tätig gewesen.340 Albert Jäger publizierte hauptsächlich über Themen der österreichischen und vor allem der Tiroler Geschichte vom 15. bis ins frühe 19. Jahrhundert.341 Minister Thun machte es ihm anlässlich seiner Bestellung zum Professor an der Universität Wien 1851 zur Aufgabe, »eine gründliche Bearbeitung der österreichischen Geschichte zu fördern, junge Kräfte zur Erforschung und Benützung der Quellen derselben anzuleiten und so österreichische Geschichtsforscher und Professoren der Geschichte für die österreichischen Universitäten heranzubil337 338 339 340

Egglmaier, Geschichte. Grass, Benediktinische Geschichtswissenschaft. Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 22; Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 158. Jäger, Graf Leo Thun; Grass, Albert Jäger ; Voltelini, Albert Jäger ; Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer, S. 12f. und 17; Parteli, Marienberg, S. 61–73. 341 Als H a u p t w e r k e A l b e r t J ä g e r s gelten: Tirol und der baierisch-französische Einfall im Jahre 1703 (1844); Der Streit des Cardinals Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Oesterreich als Grafen von Tirol, 2 Bde. (1861); Geschichte der landständischen Verfassung Tirols bis 1519, 2 Bde. (1881–1885). Das zuletzt genannte Alterswerk hat Hans Voltelini 1928 als »das letzte, größte und bedeutungsvollste Werk Jägers« bezeichnet, aber gleichzeitig kritisch dagegen eingewendet: »Ein ausgedehnter archivalischer Stoff ist darin angehäuft, nicht immer genügend kritisch gesichtet, leider ohne Rücksicht auf die gleichzeitige deutsche Literatur über Rechtsgeschichte und Ständewesen, daher nicht selten die Ereignisse mißdeutend und mißverstehend. […] Auch Weitschweifigkeit hat man dem Buche nicht mit Unrecht vorgeworfen.« Voltelini, Albert Jäger, S. 171.

Das Philologisch-Historische Seminar (1850–1872)

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Abb. 18: Albert Jäger (1801–1891). Lithographie von Adolf Dauthage, 1854.

den«.342 Er sollte Vorlesungen über österreichische Geschichte für Lehramtskandidaten und für Juristen halten, aber auch »eine Schule für [die] Bearbeitung der österreichischen Geschichte gründen durch Anleitung junger Leute zur Benützung der Quellen«.343 Jägers Schüler Ottokar Lorenz (1832–1904) rühmte 1891 in einem Nachruf Jägers Talent als Vortragender : »Man hörte ihn wirklich gern und mit Aufmerksamkeit. Er hatte eine ausgezeichnete Art des erzählenden Vortrages, wie ich Aehnliches kaum wiedergefunden habe.«344 Durch die 1848/49 einsetzende Gymnasialreform wurde das Klassenlehrersystem durch das Fachlehrersystem ersetzt, das übrigens von 1804 bis 1818 bereits bestanden hatte. Die künftigen Lehrer (Professoren) der Gymnasien 342 Zitiert nach Grass, Albert Jäger, S. 351. – Auf Drängen des Abtes und des Konvents von Marienberg suchte Jäger in Rom um eine Dispens an, das Kloster verlassen zu dürfen. Im März 1852 erhielt er die erbetene Säkularisierung bzw. Exklaustrierung. Er blieb formal weiterhin Ordensgeistlicher, durfte sich aber direkt einem Diözesanbischof unterstellen und entschied sich für den Bischof von Brixen. Ebd., S. 353; Jäger, Graf Leo Thun, S. 4–7; Parteli, Marienberg, S. 69f. 343 Jäger, Graf Leo Thun, S. 7. 344 Zitiert nach Parteli, Marienberg, S. 157, Anm. 222.

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sollten ihre Fachausbildung an den reorganisierten philosophischen Fakultäten der Universitäten erhalten. Durch einen eigenen Erlass des Ministeriums für Cultus und Unterricht wurde 1856 die Prüfung der Kandidaten des Gymnasiallehramtes geregelt. Die künftigen Gymnasiallehrer des Faches Geschichte mussten neben einer »chronologisch sicheren Übersicht über die Weltgeschichte« auch »die Einsicht in den pragmatischen Zusammenhang der Hauptbegebenheiten« nachweisen. Darüber hinaus war »in bezug auf irgend eine Hauptparthie der Geschichte« die »Vertrautheit mit den besten historischen Hilfsmitteln zur Kenntnis derselben« nachzuweisen. Jeder Kandidat musste eine »umfassende gründliche Kenntnis der alten Geschichte und Geographie und so viel philologische Bildung beweisen, dass er Stellen römischer und griechischer Geschichtsschreiber […] richtig zu übersetzen wisse«. Insbesondere musste der Kandidat aber auch in der »Geschichte und Landeskunde des österreichischen Staates« wohl unterrichtet sein und »Bekanntschaft mit den gediegensten neueren Forschungen« gemacht haben.345

2.2. Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1854–1918) Im Herbst 1854 wurde – unter anderem auf Anregung von Joseph Alexander von Helfert (1820–1910), seit November 1848 Unterstaatssekretär im Ministerium für Cultus und Unterricht und Autor des programmatischen Büchleins Über Nationalgeschichte und den gegenwärtigen Stand ihrer Pflege in Oesterreich (Prag 1853)346 – an der Universität Wien das Institut für Österreichische Geschichtsforschung (abgekürzt: IÖG oder IfÖG) gegründet.347 In dem auf einer

345 Zitiert nach Mazohl, Universitätsreform und Bildungspolitik, S. 139. 346 Zu Helferts Bedeutung als Historiker siehe Pisecky, Josef Alexander Frh. v. Helfert, S. 160– 185 und passim, sowie Koller, Josef Alexander von Helfert. Helferts »kleine Schrift« stand allerdings nicht in unmittelbarem und ursächlichem Zusammenhang mit der Gründung des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 19f. – Die einzigartige Sammlung Helferts zum Revolutionsjahr 1848 befindet sich übrigens, nach einer abenteuerlichen Odyssee, heute in Moskau. Siehe hierzu Hochedlinger, Krenn, Sammlung Helfert. 347 Nach wie vor grundlegend Lhotsky, Geschichte des Instituts. Zur neuesten Gesamtdarstellung von Zehetbauer, Geschichtsforschung und Archivwissenschaft, siehe die Rezension von Thomas Winkelbauer. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 123 (2015), S. 255–257. – Bis zum Hochschulorganisationsgesetz von 1955, das die Bezeichnung Institut auf alle bisher Seminar genannten Lehr- und Forschungseinrichtungen der Universitäten übertrug, unterschied man in Österreich zwischen (Forschungs-)I n s t i t u t e n wie dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung und dem Österreichischen Archäologischen Institut einerseits und von ihrem Gründungszweck

Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1854–1918)

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Abb. 19: Joseph Alexander von Helfert (1820–1910). Lithographie von August Prinzhofer, 1855.

Allerhöchsten Entschließung Kaiser Franz Josephs vom 20. Oktober 1854 basierenden Ministerialerlass vom 11. November 1854, mit dem die Gründung der, wie das Institut zunächst hieß, »Schule für österreichische Geschichtsforschung« eingeleitet wurde, wird als »Hauptzweck dieser Schule […] die Heranbildung junger Männer zur tieferen Erforschung der österreichischen Geschichte durch Anleitung zum Verständnisse und zur Benützung der historischen Quellen« genannt.348 Bereits in einem Vortrag, den Minister Thun am 14. September 1853, also mehr als ein Jahr vor der zitierten Allerhöchsten Entschließung, dem Kaiser erstattete, hatte er »die Errichtung einer eigenen Schule für vaterländische Geschichtsforschung« als »eine dringende Nothwenher primär der (Aus-)Bildung von Gymnasiallehrern dienenden S e m i n a r e n andererseits. Gall (F.), Seminar oder Übung, S. 19f. 348 Sammlung der für die österreichischen Universitäten giltigen Gesetze und Verordnungen, S. 580f. – Die Bezeichnung »Institut« anstelle von »Schule« wurde im Jahr 1856 üblich, offiziell festgelegt wurde sie aber erst in den Statuten des Jahres 1857. Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 34.

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digkeit« bezeichnet und betont, dass die zu gründende Schule der Erfüllung ihrer Aufgabe nur dadurch möglichst nahe kommen könne, »daß sie jüngere Talente aus den verschiedenen Kronländern des Kaiserstaates in sich vereinigt und dieselben jenem engen Anschauungskreise entrückt, welcher nicht selten sonst talentvolle Kräfte unter dem Einflusse nationaler Bestrebnisse von dem rechten Ziele der Geschichtsforschung ablenkt und zu bloßen Partheimännern macht«.349 Als Voraussetzung der Errichtung des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung ist mit Recht die »Erfindung einer österreichischen Nationalgeschichte« durch führende Vertreter der Bildungs- und Wissenschaftspolitik des Neoabsolutismus namhaft gemacht worden.350 Die Bestrebungen ThunHohensteins und Helferts, ein groß- bzw. gesamtösterreichisches (»vaterländisches«) Gemeingefühl, eine Art übernationales Nationalgefühl unter Bezug auf eine österreichische Staatsnation, zu schaffen bzw. zu stärken, sind allerdings im Wesentlichen gescheitert. In den ersten, von Minister Thun 1857 »vorläufig« genehmigten Statuten wird das Institut für Österreichische Geschichtsforschung als »eine mit der Philosophischen Fakultät der Universität Wien verbundene, unter dem unmittelbaren Schutz und der obersten Leitung des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht stehende Anstalt« charakterisiert. Ihr Zweck sei »die Heranbildung junger Männer zur tieferen Erforschung der Geschichte des Österreichischen Kaiserstaates durch Anleitung zum Verständnis und zur Benutzung der Quellen«. Das Institut habe demnach »eine zweifache Aufgabe: es hat junge Männer bekannt zu machen a) mit den Historischen Hilfswissenschaften und b) mit der eigentlichen Quellen- und Geschichtsforschung«.351 Räumlich untergebracht wurde das Institut in dem an die Universitätsbibliothek, das heutige Universitätsarchiv, angebauten sogenannten Stöckelgebäude beim Dominikanerkloster.352 Hier, nicht im Philologisch-Historischen Seminar, erfolgte die Heranführung ausgewählter Studenten an die Forschung. Die dem Institut vom Ministerium für Cultus und Unterricht bei seiner Gründung zugedachte Hauptaufgabe bestand 349 Zitiert nach Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 26. 350 Berger Waldenegg, Vaterländisches Gemeingefühl, S. 137 und passim. 351 Zitiert nach Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 64. Ganz ähnlich wurden die Aufgaben der »Schule« bereits in den vorläufigen Statuten von 1854 umschrieben. Ebd., S. 29. – Die direkte Unterstellung unter das jeweils zuständige Ministerium blieb übrigens bis zur Eingliederung des Instituts in die Universität Wien per 1. Januar 2016 aufrecht, seit 1981 auf der rechtlichen Grundlage des Forschungsorganisationsgesetzes, durch dessen § 26 das Institut für Österreichische Geschichtsforschung als eine direkt dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung unterstehende teilrechtsfähige »Einrichtung des Bundes«, d. h. als eine nachgeordnete Dienststelle des Wissenschaftsministeriums, eingerichtet wurde. 352 Mayr (J.), Anfänge, S. 553.

Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1854–1918)

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Abb. 20: Theodor von Sickel (1826–1908). Lithographie von Adolf Dauthage.

in der Erforschung und Darstellung der Geschichte der Habsburgermonarchie und ihrer Länder im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit unter systematischer Anwendung der neuesten Methoden der Quellenkritik und der Historischen Hilfswissenschaften (Paläographie, Diplomatik, Chronologie, Epigraphik, Heraldik, Quellenkunde u. a.). Als Gründungsdirektor (1854–1869) wurde Albert Jäger eingesetzt, in dessen Berufungsschreiben als Professor für Österreichische Geschichte Minister Thun 1851 betont hatte, dass derzeit auf dem Gebiet der geistigen Bewegung für Österreich kaum etwas wichtiger sei »als die Begründung einer Schule für Bearbeitung der österreichischen Geschichte«.353 1856 wurde Theodor (seit 1884 Ritter von) Sickel (1826–1908), Sohn einer protestantischen Pastoren- und Lehrerfamilie aus der preußischen Provinz Sachsen, der sich seit dem Vorjahr in Wien aufhielt, zum besoldeten Dozenten der historischen Quellenkunde und der Paläographie am Institut für Österreichische Geschichtsforschung ernannt. Den Kontakt zum Institut hatte Ottokar 353 Zitiert nach Brunner, Das österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 390, Anm. 18.

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Lorenz, eines der sechs Mitglieder des ersten (Ausbildungs-)Kurses des Instituts, hergestellt, der im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, wo er von 1857 bis 1865 als Archivar tätig war, Sickels Bekanntschaft gemacht und von diesem zunächst privat Paläographieunterricht erhalten hatte. Der Autodidakt354 Albert Jäger war sich übrigens nicht zu gut, selbst an Sickels Paläographievorlesungen teilzunehmen.355 Seinem 1852 zum ordentlichen Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Innsbrucker ernannten Kollegen Julius Ficker, dem Begründer der »Innsbrucker Historischen Schule«356, gegenüber klagte er 1857, es fehle ihm nicht an wissenschaftlichen Plänen, »wenn nur die leidigen Seminarien u. Institute u. Prüfungsgeschichten einem nicht so viele Lebenskraft abzapften«.357 Der einzige ernsthafte einheimische Konkurrent Sickels in Bezug auf die (Lehre der) Historischen Hilfswissenschaften war der aus Mähren stammende Priester Beda Dud&k (1815–1890), ein Konventuale des Benediktinerstifts Raigern bei Brünn, also ein Ordensbruder Albert Jägers. Dud&k habilitierte sich Anfang 1855 an der Universität Wien als Privatdozent für historische Quellenkunde. Im Wintersemester 1855/56 hielt er die dreistündige Vorlesung »Praktische Anleitung zur Benutzung der Quellen der mittleren Geschichte«, im Wintersemester 1856/57, ebenfalls dreistündig, das Kolleg »Historische Chronologie und Paläographie« – allerdings, anders als Sickel, nicht am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, sondern nur für »gewöhnliche« Geschichtsstudenten. Dud&k zog sich schließlich nach Mähren zurück, wo er 1859 zum Landeshistoriographen ernannt wurde.358 Bereits 1857 stieg Sickel zum außerordentlichen Professor der historischen Quellenkunde und Paläographie an der Universität Wien auf. Er hatte an der 1821 gegründeten und 1846/47 reformierten Pcole des Chartes in Paris und an der 1842 am Staatsarchiv Mailand, der Hauptstadt der bis 1859 österreichischen Lombardei, eingerichteten Scuola di Paleografia, Diplomatica e Archivistica gründliche Kenntnisse in den Historischen Hilfswissenschaften erworben und 354 »Den deutschen Fachleuten erschienen [in den 1840er und 1850er Jahren; Th.W.] die österreichischen alle als ›Autodidakten‹, und sie waren es auch wirklich.« Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 16. 355 Sickel berichtete darüber in einem autobiographischen Fragment: »Ich erklärte mich […] bereit, in zwangloser Weise die Elemente der Paläographie vorzutragen. Jäger räumte dafür das Institutslokal ein und nahm regelmäßig an meinen Vorlesungen früh morgens 7 Uhr teil.« Zitiert nach Bretholz, Theodor v. Sickel, S. 15. 356 Vgl. Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer, S. 18–30, 37–40, 81–87 und passim; Brechenmacher, Julius Ficker ; zuletzt Urmann, Geschichtswissenschaftliche Forschungsbedingungen, und Aichner, Mazohl, Kraler, Aspekte der Thun-Hohensteinschen Bildungsreform, S. 209–212. 357 Archiv und Sammlungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Nachlass Julius von Ficker, Albert Jäger an Julius von Ficker, Wien, 15. März 1857. 358 Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 52f. und 59; Dibetto, Beda Dudik, S. 7–15; Mahel, Beda Dud&k, S. 159–166.

Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1854–1918)

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1854 bis 1856 im Auftrag des französischen Unterrichtsministeriums Studienreisen nach Oberitalien und Wien unternommen. 1867 wurde er endlich ad personam zum Ordinarius für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften ernannt, und erst seit damals durfte er auch andere als rein hilfswissenschaftliche Lehrveranstaltungen abhalten.359 Ausgelöst wurde diese Ernennung durch Sickels Berufung an die Universität Tübingen, die er zweifellos angenommen hätte, wenn er nicht endlich in Wien zum Ordinarius befördert und seine Bezüge beträchtlich erhöht worden wären. Ein Ruf an die Universität Berlin bzw. dessen Ablehnung hatte 1872 eine weitere markante Gehaltserhöhung zur Folge.360 Von 1869 (zunächst nur provisorisch, seit 1873 definitiv)361 bis 1891 leitete Sickel als Vorstand das Institut für Österreichische Geschichtsforschung, dessen wissenschaftliches Profil mit dem Schwerpunkt auf der Diplomatik und der Urkundenedition sowie der Paläographie und Chronologie des Mittelalters er bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hinein prägen sollte. Von 1881 bis 1901 fungierte er überdies als Gründungsdirektor des Österreichischen Historischen Instituts (Istituto Austriaco di Studi Storici) in Rom und von 1898 bis 1908 als Präsident der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.362 Sickels »Schule« zeichnete sich »durch 359 Von der Freiheit, nunmehr auch andere als hilfswissenschaftliche Vorlesungen zu halten, hat Sickel nur selten Gebrauch gemacht. Nach Auskunft der Lektionskataloge (= Vorlesungsverzeichnisse) hielt er erstmals im Sommersemester 1868 eine vierstündige Vorlesung über deutsche Geschichte unter den Saliern, im darauf folgenden Wintersemester eine zweistündige Vorlesung über das Zeitalter Ludwigs XIV., und im Wintersemester 1873/74 las er eine vierstündige Geschichte des 17. Jahrhunderts. Mayr (J.), Anfänge, S. 572. »Die Lehrverpflichtung auf dem Gebiete der Hilfswissenschaften nahm an die zehn Stunden wöchentlich in Anspruch und ließ für Vorlesungen allgemeinen Inhaltes nur wenig Zeit.« Ebd., S. 572f. Vgl. auch Zatschek, Das Wiener Institut für Geschichtsforschung, S. 4–6. 360 In einem Brief an den preußischen Philosophen und kleindeutschen Publizisten Rudolf Haym hat Sickel am 5. September 1900 rückblickend festgehalten: »Daß ich trotz mehrfachen Rufes nach Preußen in Wien ausgehalten habe, ist meiner wissenschaftlichen Tätigkeit zu statten gekommen. Und mir persönlich ist es in Österreich gut ergangen. Aber daß aus Österreich nicht das geworden ist, was ich erwartet und wofür ich mich ganz eingesetzt hatte, das betrübt mich sehr.« Zitiert nach Redlich, Theodor Sickel, S. 164. 361 Albert Jäger wurde 1867 als Kandidat der altkonservativen Partei vom Landgemeindenbezirk Hall und Schwaz in den Tiroler Landtag gewählt und von diesem in den Jahren 1867 bis 1870 in das Abgeordnetenhaus des Reichsrats entsandt, weswegen er sich von Teilen seiner universitären Verpflichtungen dispensieren ließ und 1869 auch die Leitung des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung niederlegte. Voltelini, Albert Jäger, S. 167 und 168f.; Adlgasser, Die Mitglieder der österreichischen Zentralparlamente, S. 513; Parteli, Marienberg, S. 71f. 362 Sickel, Denkwürdigkeiten, S. 161–166 (Entwurf zu dem Anfang einer Selbstbiographie); ders., Römische Erinnerungen; Bretholz, Theodor v. Sickel; Erben, Einleitung; ders., Theodor Sickel; Redlich, Theodor Sickel; Santifaller, Einleitung; Mayr (J.), Anfänge; Kramer (H.), Institut, S. 3–21. – H a u p t w e r k e T h e o d o r ( v o n ) S i c k e l s : Monumenta graphica medii aevi ex archivis et bibliothecis imperii Austriaci collecta, 10 Lieferungen mit je 20 Tafeln (1858–1882) – »ein Markstein in der Geschichte der paläographischen Wis-

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eine die Exaktheit der Naturwissenschaften anstrebende hilfswissenschaftliche Orientierung einerseits und eine strenge Ablehnung jenes geschichtsfinalisierenden [also teleologischen; Th.W.] Geschichtsdenkens andererseits […], das der idealistisch-hermeneutischen Geschichtsschreibung Rankes noch zu eigen gewesen war«, aus.363 1875 wurde Sickel mit der Leitung der Abteilung »Diplomata« (= Urkunden) der Monumenta Germaniae Historica betraut. Zwischen 1879 und 1893 legte er als mustergültig geltende Editionen der etwa 1.300 überlieferten Diplome der deutschen bzw. römischen Könige und Kaiser von Konrad I. (911–918 ostfränkischer König) bis zu Otto III. (983–1002) vor.364 Erst durch diese »Verlegung einer Abteilung der Monumenta Germaniae nach Wien« wurde das Institut für Österreichische Geschichtsforschung »aus einer Schule für den gelehrten Nachwuchs zu einem Forschungsinstitut in vollem Sinne des Wortes«.365 Theodor von Sickel war einer der prominentesten Vertreter der Historischen Hilfswissenschaften, insbesondere der Diplomatik und der Paläographie, seiner Zeit, und zwar »in einem eher eng gefaßten, heute wohl beinahe als handwerklich zu bezeichnenden Sinne. Unter der Maxime der strikten kritischen und empirisch ausgerichteten hilfswissenschaftlichen Arbeit ist das Institut [für Österreichische Geschichtsforschung] nach und nach seiner ursprünglichen Zielsetzung entfremdet und zu einer, ja bald zu d e r führenden Schule der Hilfswissenschaften umgewandelt worden. Dementsprechend war Gegenstand der an diesem Institut ausgebildeten Historiker, was sich senschaft« (Erben, Theodor Sickel, S. 458; siehe u. a. Sickel, Römische Erinnerungen, S. 87–92, und Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 53–61, v. a. aber Stelzer, Theodor Sickel); Beiträge zur Diplomatik, 8 Lieferungen (1861–1882); als Herausgeber und Bearbeiter : Monumenta Germaniae Historica (MGH), Diplomata 3, Bd. 1: Die Urkunden Konrad I., Heinrich I. und Otto I., 2 Teile (1879–1884), Bd. 2,1: Die Urkunden Otto des II. (1888) und Bd. 2,2: Die Urkunden Otto des III. (1893); (gemeinsam mit H. v. Sybel:) Kaiserurkunden in Abbildungen, 2 Bde. (1880–1891); Liber Diurnus Romanorum Pontificum (1889). – Die von Sickel in dem ersten von ihm herausgegebenen Diplomata-Band der MGH von 1879 »entwickelten und in der Einleitung desselben Bandes formulierten Editionsgrundsätze sind für das Früh- und Hochmittelalter bis heute grundlegend geblieben«. Härtel, Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften, S. 134. 363 Kolárˇ, Nährboden fachlicher Innovation, S. 92. 364 »In diesem Werk hat Sickel die von ihm erfundene diplomatische Methode zum ersten Male in großem Maßstabe praktisch zur Anwendung gebracht.« Santifaller, Einleitung, S. 4. – Vgl. auch den Briefwechsel zwischen Sickel und Georg Waitz (1813–1886), seit 1875 Präsident der Monumenta Germaniae Historica, aus den Jahren 1861 bis 1886: Erben, Georg Waitz und Theodor Sickel. 365 Brunner, Das österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 396. »Mit den Diplomata brachte Sickel ein bedeutendes wissenschaftliches Unternehmen an das Institut für Österreichische Geschichtsforschung und legte damit den Grundstein zu seiner Entwicklung von einer vorrangig auf die Lehre ausgerichteten Anstalt zu einer wissenschaftlichen Institution, in der die Lehre unmittelbar aus der am Institut betriebenen Forschung schöpft.« Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition, S. 413.

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hilfswissenschaftlich exakt behandeln ließ – und nicht mehr ; der kritische Umgang mit zu edierenden Quellen, die Weiterentwicklung der Paläographie und insbesondere der Diplomatik […] zu immer größerer Exaktheit und Leistungsfähigkeit der Kritik prägte die Absolventen dieses Instituts und bestimmte die methodische und thematische Ausrichtung der Geschichtsforschung in Österreich für Generationen […].«366

1881 trat Sickel die Lehre der Paläographie an den gebürtigen Niederösterreicher Engelbert Mühlbacher (1843–1903) ab, der im April dieses Jahres ad personam zum außerordentlichen Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften ernannt wurde, womit »de facto ein Extraordinariat der Historischen Hilfswissenschaften ins Leben« trat.367 Seit 1880 redigierte Mühlbacher auch die neu gegründete, bis zum heutigen Tag erscheinende Zeitschrift des Instituts, die Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (MIÖG).368 Mühlbacher war 1862 in das oberösterreichische Chorherrenstift St. Florian eingetreten, das er in den 1870er Jahren verließ, ohne formal aus dem Orden auszutreten. Er war in der Folge »schweren Angriffen seitens klerikal-konservativer Kreise ausgesetzt«.369 Vom langen Hinhalten verbittert und zermürbt, wurde Mühlbacher nach jahrelangen Bemühungen der Fakultät vom Kaiser erst 1896, kurz bevor er in der Nachfolge Heinrich von Zeißbergs die Direktion des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung übernahm370, zum Ordinarius ernannt, nachdem ihm immerhin bereits 1891 das Gehalt eines ordentlichen Professors gewährt worden war.371 Am 24. September 1896 schrieb er an seinen Lehrer Julius von Ficker, mit dem er in intensivem 366 Höflechner, Forschungsorganisation und Methoden, S. 233f.; vgl. auch die Würdigung von Sickels Lebensleitung bei Srbik, Geist und Geschichte, Bd. 1, S. 305–308. – »Die kunstgerechte Arbeit mit Quellen [in erster Linie mit einer einzigen Quellengattung, nämlich mit mittelalterlichen Urkunden; vgl. z. B. Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 115; Th.W.] als ›Selbstzweck‹ – die Fixierung auf die Quelle als zunehmend abstraktes Grundelement historischer Forschung – wurde zum zentralen Merkmal der Fachlichkeit.« Saxer, Schärfung des Quellenblicks, S. 388. »In der hilfswissenschaftlichen Spezialisierung am Institut für österreichische Geschichtsforschung wurden [seit ca. 1870] einzelne Urkunden und andere zeitgenössisch [im Gegensatz zu den intentionalen oder historiographischen Quellen; Th.W.] als überrestlich bezeichnete Quellen sogar dauerhaft zu epistemischen Dingen, an denen man immer wieder neue Problemdimensionen erkannte und die geradezu ›mikrologisch‹ (Johann Friedrich Böhmer) untersucht und wiederholt neu geordnet wurden. In dieser extremen Form war die Fixierung auf die Quelle für die Geschichtswissenschaft des späten 19. Jahrhunderts allerdings nicht repräsentativ.« Ebd., S. 398. – Zur Geschichte der »Wiener Diplomata-Abteilung« der MGH siehe v. a. PferschyMaleczek, Diplomata-Edition. 367 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 461. 368 Siehe zuletzt Ottner, Die Entwicklung von Fachzeitschriften, S. 185–191. 369 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 461. 370 Die Bestellung Mühlbachers zum Institutsdirektor erfolgte am 19. Oktober 1896. Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 218, Anm. 15. 371 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 461f.

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Briefkontakt stand: »Sie haben mir in trüber Zeit so viel herzliche Theilnahme, für die ich Ihnen jetzt nochmal herzlich danke, bewiesen, daß es mich drängte, Ihnen selbst zu melden, daß die heutige ›Wiener Zeitung‹ – mir selbst unerwartet – meine Ernennung zum Ordinarius publicirt. Später werde ich ausführlicher schreiben.«372 Bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1903 betrieb Mühlbacher, ganz im Sinne der Verschmelzung der Traditionen der »Wiener Schule« Theodor Sickels mit jenen der »Innsbrucker Schule« Julius von Fickers373, eine Erweiterung der am Institut betriebenen Forschungen auf Rechts-, Verfassungsund Verwaltungsgeschichte.374 Engelbert Mühlbacher wirkte übrigens nicht nur auf Mediävisten sehr anregend. Heinrich (Ritter von) Srbik, der künftige Wiener Ordinarius für Geschichte der Neuzeit, der in den Jahren 1898 bis 1901 (gemeinsam mit seinen späteren Wiener Professorenkollegen Wilhelm Bauer und Hans Hirsch) den Institutskurs absolvierte, bezeugte zwei Jahrzehnte später im Vorwort seines »dem Andenken Engelbert Mühlbachers« gewidmeten Buches Wallensteins Ende mit großer Dankbarkeit, »daß vornehmlich Mühlbacher mir den Weg von der kritischen Schule der mittelalterlichen Geschichte und ihrer Hilfswissenschaften zur neueren Geschichte gewiesen und daß er durch die Entscheidung über die Anfänge meines Lebensweges mitbestimmend auf meine ganze Zukunft eingewirkt hat«.375 Andererseits vertrat derselbe Mühlbacher als Vorstand des Instituts für Geschichtsforschung gegen die wiederholte Anregung, in den Lehrplan des Institutskurses auch »Schriftenkunde der Neuzeit« aufzunehmen, noch um 1900 »die Ansicht, dass, wer spätmittelalterliche Texte lesen könne,

372 Archiv und Sammlungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Nachlass Julius von Ficker, Mühlbacher an Ficker, Wien, 24. September 1896; die angekündigten näheren Schilderungen ebd., ders. an dens., Wien, 1. Oktober 1896. 373 Brunner, Das österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 397. Vgl. Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer, S. 18–30, 37–40, 81–87 und passim, sowie Urmann, Geschichtswissenschaftliche Forschungsbedingungen. 374 Engelbert Mühlbacher hielt seit dem Wintersemester 1881/82 als erster Historiker an der Universität Wien methodologische Lehrveranstaltungen ab (»Anleitung zur historischen Kritik«, »Methodik der Geschichtswissenschaft«, »Historische Kritik« und »Methodologie der Geschichtsforschung«), wobei er sich auf Vorarbeiten seines Innsbrucker Lehrers Julius (von) Ficker stützen konnte. Saxer, Schärfung des Quellenblicks, S. 101; Blanke, Fleischer, Rüsen, Historik als akademische Praxis, S. 253. – H a u p t w e r k e E n g e l b e r t M ü h l b a c h e r s : Die streitige Papstwahl des Jahres 1130 (1876); Die Datirung der Urkunden Lothars I. (1877); Die Urkunden Karls III. (1879); Die Regesten des Kaiserreiches unter den Karolingern 751–918, nach J. F. Böhmer neu bearb., 5 Bde. (1880–1889, 21899– 1904); Deutsche Geschichte unter den Karolingern (1896); Die literarischen Leistungen des Stiftes St. Florian bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, hrsg. von O. Redlich (1905); Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Großen, hrsg. unter Mitarbeit von A. Dopsch, J. Lechner und M. Tangl (1906). 375 Srbik, Wallensteins Ende, S. VII.

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Abb. 21: Engelbert Mühlbacher (1843–1903). Kunstdruck nach einem Stich von August Steininger, um 1900.

auch die ›greulichen‹ Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts zu entziffern in der Lage sei«.376 1893 trat der Tiroler Oswald Redlich (1858–1944), ebenso wie Mühlbacher ein Ficker-Schüler, als außerordentlicher Professor der Geschichte des Mittelalters und der Historischen Hilfswissenschaften an der Universität Wien Mühlbacher zur Seite.377 Der als Sohn des gleichnamigen Schwarzenbergischen Domänendirektors in Wittingau (Trˇebonˇ) in Südböhmen geborene, vom Prager Professor Jaroslav Goll empfohlene tschechische Historiker Josef Sˇusta378 absolvierte als 376 Hochedlinger, Österreichische Archivgeschichte, S. 348f. 377 Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer, S. 78–80; Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 463. 378 Josef Sˇusta (1874–1945) war neben Josef Pekarˇ und Kamil Krofta der bedeutendste Schüler Jaroslav Golls. Zwischen 1896 und 1912 war er mit einer Unterbrechung im ersten Jahrfünft des 20. Jahrhunderts ordentliches Mitglied des Österreichischen historischen Instituts in Rom. Nachdem er sich im Jahr 1900 habilitiert hatte, wurde er 1905 zum außerordentlichen und 1911 zum ordentlichen Professor für allgemeine Geschichte an der Tschechischen Universität Prag ernannt. 1920/21 amtierte er als Minister für Schulwesen und nationale Volksbildung der Tschechoslowakischen Republik. Seit 1935 redigierte er den Cˇesky´ cˇasopis historicky´. Von 1939 bis 1945 war er Präsident der Tschechischen Akademie der Wissen-

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Abb. 22: Der Lehrkörper des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung im Jahr 1893. Von links nach rechts: Engelbert Mühlbacher, Heinrich von Zeißberg, der Kunsthistoriker Franz Wickhoff und Oswald Redlich. Fotografie.

außerordentliches Mitglied (d. h. ohne Stipendium) in den Jahren 1893 bis 1895 den 20. Ausbildungskurs des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung.379 Er lernte Oswald Redlich also unmittelbar nach dessen Berufung von Innsbruck nach Wien kennen. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er, Redlich habe sich als sehr guter Lehrer erwiesen: »Er hatte eine wirkliche Hochachtung vor seinem Fach und war imstande, selbst die kompliziertesten Fragen schaften und Künste. Im Mai 1945 wurde er zu Unrecht der Kollaboration mit den NSBesatzungsbehörden im »Protektorat Böhmen und Mähren« beschuldigt und beging daraufhin Suizid. Santifaller, Das Institut für österreichische Geschichtsforschung, S. 119 Nr. 174; Kutnar, Marek, Prˇehledn8 deˇjiny cˇesk8ho a slovensk8ho deˇjepisectv&, S. 722f.; Lach, Gollu˚v zˇ#k Josef Sˇusta; Kazbunda, Stolice deˇjin, Teil 3, S. 225–233, 288–293, 387– 398 und passim. 379 Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 269f.; Zatschek, Das Wiener Institut für Geschichtsforschung, S. 30.

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Abb. 23: Mitglieder bzw. Absolventen des 18. (1889–1891) und des 19. (1891–1893) »Kurses« des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Am Tisch sitzend (en face) links der spätere (1920/21) Staats- und Bundeskanzler Michael Mayr, in der Mitte Alfons Dopsch. Fotografie von Rosa Jenik, um 1895.

ohne jede Affektiertheit in allgemein verständlicher Weise zu behandeln. Seine Vorlesungen und Übungen waren das Rückgrat unseres Kurses in den Hilfswissenschaften; neben diesen ragte noch der allerdings viel schwerer verdauliche Brocken des [Heinrich von] Zeißbergschen Kollegs über die Quellen der österreichischen Geschichte im Mittelalter heraus.«380 Nach dem Zeugnis von Karl Lechner, der den »Kurs« in den Jahren 1919 bis 1921 absolvierte, war Redlich »ein begnadeter Lehrer. Ihm fehlte zwar das Temperamentvolle, Faszinierende, Mitreißende. Er hat nicht kämpferisch scharf profilierte Thesen aufgestellt, ist nicht [wie insbesondere sein Kollege Alfons Dopsch381; Th.W.] gegen die ›herrschende Lehre‹ zu Felde gezogen – gerade darum aber hat er sich vor Einseitigkeit bewahrt.«382 Der studierte Historiker (Promotion 1925 bei Ludo Moritz Hartmann) und Wiener Kulturpolitiker (1945–1949 »unorthodoxer« kommunistischer Stadtrat für Kultur und Volksbildung) Viktor Matejka 380 Sˇusta, Mlad# l8ta ucˇnˇovsk# a vandrovn&, S. 102. 381 »[…] die Polemik – oder doch der Agon – war ihm [sc. Alfons Dopsch] Bedürfnis, ein Element, dessen er nicht entraten wollte, und so hat er auch seine Schüler völlig bewußt zu Stürmern erzogen und zu Skeptikern a priori gegenüber jeder ›herrschenden Lehre‹ – kein Wort konnte man in seinen Vorlesungen und Übungen so oft hören wie dieses und auf keine andere Weise konnte man sich bei ihm besser einführen als durch die Bestreitung einer hergebrachten Ansicht.« Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 319. Vgl. auch Vollrath, Alfons Dopsch, S. 41–46. 382 Lechner (K.), Oswald Redlich, S. 152.

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schließlich hielt nach dem Zweiten Weltkrieg fest, Oswald Redlich, »der nicht nur ein großer Gelehrter, sondern auch ein sehr menschlicher Freund seiner Schüler war«, rage unter seinen Professoren an der Wiener Universität »hervor wie ein Tiroler Leuchtturm«. »In seiner Ära herrschte Liberalität, und seine Toleranz war von persönlich geprägter Humanität.«383 Nachfolger Engelbert Mühlbachers auf der Lehrkanzel für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften sowie als Vorstand des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung wurde, nachdem ein knappes Jahr lang Oswald Redlich interimistisch das Institut geleitet hatte384, 1904 mit dem einer adeligen Südtiroler Familie entstammenden Emil von Ottenthal (1855– 1931) ein weiterer Ficker-Schüler. Ottenthal hatte seit 1889 als außerordentlicher und seit 1893 als ordentlicher Professor für Allgemeine Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck gewirkt.385 Er beschränkte in seiner mehr als zwanzigjährigen Direktionszeit das ›Institutsprofil‹ in der Tradition Sickels neuerlich weitgehend »auf die traditionelle hilfswissenschaftliche Kritik der Papst- und Kaiserurkunden. Rechts- und Verfassungsgeschichte sowie Kulturgeschichte berücksichtigte er – im Unterschied zu Mühlbacher – nicht.«386 Nach seiner Emeritierung 1926 folgte ihm auf der Lehrkanzel Hans Hirsch (1878–1940) und als Vorstand des Instituts für Geschichtsforschung für einige Jahre (1926–1929) Oswald Redlich. Zwar ist die Absicht des Unterrichtsministeriums, mittels der Gründung des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung sowie der Schaffung spezieller Professuren für Österreichische Geschichte »eine wissenschaftlich fundierte österreichische Nationalgeschichte zur Basis eines gesamtösterreichi383 Matejka, Im Kleinen das Große, S. 2558. 384 »Ausgehend von der Erwägung, daß die Führung der Institutsgeschäfte in den Händen des Dozenten der Hilfswissenschaften liegen solle, ist Redlich zugunsten seines Freundes zurückgetreten, zumal Ottenthal, der seither nie mehr allgemeine Vorlesungen oder Seminar gehalten hat, in der Tat seine ganze Kraft den Institutsangelegenheiten widmen konnte.« Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 291. 385 Vgl. u. a. Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer, S. 71–78; Lichtmannegger, Emil von Ottenthal; Taddei, Emil von Ottenthal. 386 Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 306. – »Ottenthal, der Sickel so vieles dankte und ihm größte Pietät entgegenbrachte, glaubte diese am besten durch starres Festhalten an der Tradition zu beweisen.« Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 315. – H a u p t w e r k e E m i l v o n O t t e n t h a l s : Das friaulische Parlament. Die Entwicklung der patriarchalen Macht nach außen und innen (1880); Regulae cancellariae apostolicae. Die päpstlichen Kanzleiregeln von Johannes XXII. bis Nicolaus V. (1888); (gemeinsam mit O. Redlich:) Archivberichte aus Tirol, 4 Bde. (1888–1912); Regesta Imperii 2/1: Die Regesten des Kaiserreiches unter Heinrich I. und Otto I., 919–973, nach J. F. Böhmer neubearb. v. E. v. Ottenthal (1893); (gemeinsam mit H. Hirsch:) MGH, Diplomata regum et imperatorum Germaniae, Bd. 8: Lotharii III diplomata nec non et Richenzae imperatricis placita (1927); Die Bullenregister Martin V. und Eugen IV. (1885); Die gefälschten Magdeburger Diplome und Melchior Goldast (1919).

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Abb. 24: Oswald Redlich (1858–1944). Fotografie.

schen Nationalbewußsteins zu machen, […] an der aus der Personalpolitik sich ergebenden Deutschorientierung der [österreichischen bzw. deutsch-österreichischen; Th.W.] Geschichtswissenschaft gescheitert«.387 Dennoch kooperierte das Institut für Geschichtsforschung, wie sich am Beispiel der 1897 erfolgten Gründung der Commission für die Herausgabe von Acten und Correspondenzen zur neueren Geschichte Österreichs (ab 1903: Kommission für Neuere Geschichte Österreichs) zeigen lässt, »konstruktiv, wenn es darum ging, Forschungsprojekte, die außerhalb der engeren auf Mediaevistik und Hilfswissenschaften ausgerichteten Aufgaben des Instituts lagen, zu planen und zu verwirklichen«.388 387 Fellner (F.), Geschichte als Wissenschaft, S. 172. 388 Ebd., S. 201. Vgl. Fellner (F.), »… ein wahrhaft patriotisches Werk«, S. 15–41. – Der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs gehörte von Anfang an der Direktor des

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Abb. 25: Emil von Ottenthal (1855–1931). Fotografie.

Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung war bis zum Ende Österreich-Ungarns nicht zuletzt auch eine Kaderschmiede für Professoren der Geschichte an den Universitäten der Habsburgermonarchie bzw. Cisleithaniens.389 Von 1855 bis 1897 absolvierten das Institut in insgesamt 21 »Kursen« 105 ordentliche (d. h. mit Stipendien des Unterrichtsministeriums versehene) und 73 außerordentliche Mitglieder, von denen im Jahr 1898 nicht weniger als 23 als Professoren an Universitäten der westlichen Reichshälfte Österreich-Ungarns wirkten (sechs in Wien, sieben in Graz, vier in Prag und je drei in Innsbruck und Czernowitz), weitere 18 waren Privatdozenten an österreichischen, ungarischen und deutschen Universitäten.390 Instituts für Österreichische Geschichtsforschung qua Amt an. Siehe das vom Minister für Kultus und Unterricht per Erlass vom 29. August 1900 genehmigte Statut der Kommission: Beck von Mannagetta, von Kelle (Hrsg.), Die österreichischen Universitätsgesetze, S. 401–403, hier S. 401. 389 »Das Absolvieren des IfÖG-Lehrgangs galt lange als wichtigste[s] Entr8ebillet für die Archiv- und Universitätslaufbahn in Cisleithanien.« Fillafer, Wallnig, Einleitung, S. 16. 390 Geschichte der Wiener Universität von 1848 bis 1898, S. 333. – Laut Santifaller, Das Institut für österreichische Geschichtsforschung, S. 99–121, wurden die ersten 21 »Kurse« (1855–1897) nicht von insgesamt 178, sondern von 191 ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern absolviert.

Das Historische Seminar (1872–1918)

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2.3. Das Historische Seminar (1872–1918) Ab 1870 kam es an der Universität Wien zu einem zweiten Schub bei der Gründung von Seminaren und Instituten. Im Januar 1872 wurden die Professoren Joseph Aschbach und Albert Jäger gleichzeitig emeritiert (»quiesziert«). Über die Vorlesungen der beiden, die er um 1870 als Student besuchte, berichtet der spätere Wiener Professor für Allgemeine Neuere Geschichte August Fournier (1850–1920), ein Schüler von Ottokar Lorenz, in seinen – während des Ersten Weltkriegs verfassten, erst postum im Druck erschienenen – Memoiren, dass sie weder formal noch inhaltlich zu fesseln vermochten.391 Im März 1872 stellte die Direktion des Philologisch-Historischen Seminars, bestehend aus den Altphilologen Johannes Vahlen und Emanuel Hoffmann und den Historikern Albert Jäger, Joseph Aschbach und Ottokar Lorenz, beim Ministerium für Cultus und Unterricht den Antrag, die beiden Abteilungen des Seminars, die in der Praxis »seit vielen Jahren« nur noch formal eine Einheit gebildet hätten, auch rechtlich zu trennen und zu verselbständigen, was an den Universitäten Graz, Innsbruck und Krakau bereits erfolgt sei.392 Der »Zusam391 Fournier, Erinnerungen, S. 66. 392 Das H i s t o r i s c h e S e m i n a r a n d e r Un i v e r s i t ä t K r a k a u wurde bereits 1861, ein Jahrzehnt vor der 1870/71 erfolgten gänzlichen Polonisierung der Universität, gegründet. Seine Statuten wurden vom Staatsministerium am 31. August 1861 genehmigt. Im November 1877 setzte der Minister für Cultus und Unterricht die 1870 modifizierten Statuten außer Kraft und genehmigte neue Statuten; diese sind abgedruckt in: Sammlung der für die österreichischen Universitäten giltigen Gesetze und Verordnungen, Supplement-Band 2, S. 1039–1042. Zur Gründung und zu den ersten Jahrzehnten des Krakauer Historischen Seminars siehe Hulewicz, Seminarium Historyczne; Garbacik, Rozwjj mediewistyki, S. 68–72; Jabłon´ski, Historia nowoz˙ytna i najnowsza, S. 115–117; Stinia, Uniwersytet Jagiellon´ski, S. 210–215. – Das H i s t o r i s c h e S e m i n a r a n d e r Un i v e r s i t ä t G r a z wurde mit Beginn des Studienjahres 1866/67 eingerichtet. Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 554f. und 569–572; die im April 1866 vom Staatsministerium genehmigten Provisorischen Statuten sind abgedruckt in: Sammlung der für die österreichischen Universitäten giltigen Gesetze und Verordnungen, SupplementBand 2, S. 998–1002. – Das H i s t o r i s c h e S e m i n a r a n d e r Un i v e r s i t ä t I n n s b r u c k , wo es bis dahin – wegen des Widerstands Fickers – weder ein Philologisch-Historisches noch ein Historisches Seminar gegeben hatte (das Philologische Seminar wurde 1865 eingerichtet), wurde im August 1871 gegründet und mit Beginn des Studienjahres 1871/72 eröffnet. Erben, Streifzüge, S. 44f., 47f. und passim; Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer, S. 59–62; die Provisorischen Statuten des Innsbrucker Historischen Seminars sind abgedruckt in: Sammlung der für die österreichischen Universitäten giltigen Gesetze und Verordnungen, Supplement-Heft 1, S. 727–731 (in der 2. Aufl. auf S. 621– 624). – Das H i s t o r i s c h e S e m i n a r a n d e r Un i v e r s i t ä t L e m b e r g , die im Laufe der 1870er Jahre weitgehend, aber nicht vollständig polonisiert wurde, wurde (im Zuge der Teilung des 1852 eingerichteten Philologisch-historischen Seminars) im Wintersemester 1872/73 eröffnet; sein im September 1873 vom Minister genehmigtes Statut ist abgedruckt ´ ski, Historya in: ebd., S. 739–741 (in der 2. Aufl. auf S. 634–636). Siehe Finkel, Starzyn Universytetu Lwowskiego, Teil 2, S. 381–384; Stopka, Nauki historyczne, S. 229. – Das

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menhang beider Abtheilungen« bestehe »lediglich darin, daß am Schlusse jedes Semesters die, übrigens völlig selbständig gestellten, Anträge der Directionen beider Abtheilungen in einem Berichte vereinigt werden«.393 Noch im selben Jahr 1872 wurde das Philologisch-Historische Seminar geteilt und es wurde – übrigens 13 Jahre vor seinem Pendant an der Universität Berlin, der anderen großen Hauptstadtuniversität des deutschen Sprachraums394 – ein selbständiges Historisches Seminar gegründet. Am 15. Oktober 1872 genehmigte der Minister für Cultus und Unterricht dessen Statut.395 Damit fanden die Emanzipation der Geschichtswissenschaft von der (Klassischen) Philologie und ihre fachwissenschaftliche Professionalisierung ihren organisatorischen Abschluss. Die Fakultät stellte den Antrag, die Allgemeine Geschichte künftig auf zwei Ordinariate aufzuteilen, eines mit dem Schwerpunkt in der Alten Geschichte und ein zweites mit dem Schwerpunkt in der Geschichte des Mittelalters. Für die erstgenannte Professur wurde der damals an der Universität Zürich wirkende deutsche Ranke-Schüler Max Büdinger (1828–1902) vorgeschlagen, für die zweite der bereits 53jährige, höchst renommierte deutsche Mediävist und Paläograph Wilhelm Wattenbach (1819–1897), der sich unter anderem eingehend mit den sogenannten Österreichischen Freiheitsbriefen, also dem 1358/59 entstandenen Fälschungskomplex des Privilegium maius, und mit der hochmittelalterlichen österreichischen Annalistik befasst hatte. Büdinger wurde umgeH i s t o r i s c h e S e m i n a r d e r P r a g e r Un i v e r s i t ä t trat mit Beginn des Studienjahres 1873/74 ins Leben; sein im Mai 1873 bewilligtes Statut ist abgedruckt in: Sammlung der für die österreichischen Universitäten giltigen Gesetze und Verordnungen, Supplement-Heft 1, S. 735–737 (in der 2. Aufl. auf S. 629–632). – An der neu gegründeten, mit dem Studienjahr 1875/76 ins Leben tretenden Un i v e r s i t ä t C z e r n o w i t z wurden auf Antrag der dortigen Philosophischen Fakultät mit Beginn des Sommersemesters 1876 gleichzeitig ein Philologisches, ein Germanistisches, ein Mathematisches und ein H i s t o r i s c h e s S e m i n a r eingerichtet. Die Provisorischen Statuten des Czernowitzer Historischen Seminars sind abgedruckt in: ebd., Supplement-Band 2, S. 1048–1050; zur Gründung der Universität Czernowitz siehe u. a. Lemayer, Verwaltung, S. 120–131. 393 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Unterricht allgemein (1848–1940), Karton 729, Zahl 3496/1872 (Unterstreichung im Original). 394 Das Berliner Historische Seminar (mit einer hilfswissenschaftlichen Abteilung) wurde erst 1885 errichtet (auf Initiative des aus Göttingen berufenen Ranke-Schülers Julius Weizsäcker). Huttner, Historische Gesellschaften, S. 45. Anders als in Wien und Prag, erhielten in Berlin aber nicht nur die Mitdirektoren, »sondern auch alle anderen Ordinarien sowie Extraordinarien, später auch Privatdozenten, Zugang zum Seminar […]. Dies bedeutete neben der quantitativen Expansion auch eine thematische und methodische Vervielfältigung der Seminarlehre: So konnte […] das Fach der Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte in den Übungen vertreten sein, ohne dass ein für das Fach zuständiges Seminar vorhanden war. Da also praktisch jeder Dozent neben Kollegs [= Vorlesungen] auch Übungen anbot, waren in Berlin viel günstigere Entwicklungsbedingungen für das Seminar gegeben als an den österreichischen Universitäten.« Kolárˇ , Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 402f. 395 Archiv der Universität Wien, Institut für Geschichte, Karton 1, Mappe 1/1.

Das Historische Seminar (1872–1918)

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Abb. 26: Max Büdinger (1828–1902). Fotografie.

hend berufen, die Berufung Wattenbachs jedoch lehnte Kaiser Franz Joseph ab – warum, ist bislang ungeklärt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Kaiser Wattenbachs Berufung deshalb verhinderte, weil er ihm noch immer nachtrug, dass er 20 Jahre zuvor seinem Ahnen Herzog Rudolf IV. »dem Stifter« – noch dazu in einer Publikation der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften – »Hoffart« und »Uebermuth« attestiert und apodiktisch festgestellt hatte: »Er war ein eitler, hochfahrender, gewaltthätiger Fürst.«396 Dass Wattenbachs protestantisches Glaubensbekenntnis noch 1872 eine Rolle für seine Ablehnung durch den Kaiser spielte, ist eher unwahrscheinlich.397 Max Büdinger war als Sohn eines orthodoxen jüdischen Pädagogen und einer 396 Wattenbach, Die österreichischen Freiheitsbriefe, S. 99f. 397 Joseph Chmel hatte Unterrichtsminister Thun-Hohenstein bereits 1849 vergeblich die Berufung Wattenbachs empfohlen. Dieser hatte von 1847 bis 1849 in der Hofbibliothek und im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien sowie in zahlreichen österreichischen Klöstern Studien für seine Edition der »Österreichischen Annalen« betrieben (Annales Austriae, ediert von Wilhelm Wattenbach, in: Monumenta Germaniae Historica, Abt. 1: Scriptores, Bd. 9, ediert von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1851, S. 479–843). Lhotsky, Das Ende des Josephinismus, S. 283f.

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ebenfalls aus jüdischem Elternhaus stammenden Französischlehrerin in Kassel geboren worden. Er war bereits Ende 1851 als Privatlehrer und Privatgelehrter nach Wien gekommen, wo er sich mit Ottokar Lorenz und Theodor (von) Sickel anfreundete und sich 1859 mit Frantisˇek Palacky´ und Joseph Alexander von Helfert auf eine gelehrte Auseinandersetzung über die Echtheit der Königinhofer und der Grünberger Handschrift einließ.398 Seit 1861 wirkte Büdinger als Professor der Allgemeinen Geschichte an der Universität Zürich. Dort trat er aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus und blieb konfessionslos. Lorenz und Sickel setzten sich schließlich 1872 mit Erfolg für die Berufung Büdingers an die Universität Wien ein. Hier war er als Mitvorstand des neuen Historischen Seminars der letzte Professor, der in Lehrveranstaltungen und Publikationen die Geschichte vom Alten Ägypten bis zur Gegenwart behandelte.399 Er hielt einen regelmäßigen Vorlesungszyklus von sechs oder acht Semestern »von den ältesten bis in die neuesten Zeiten […]. Er bereitete sich immer sorgfältig vor, er benützte nicht ausgearbeitete Hefte, sondern hatte nur einen ganz kleinen Zettel mit Schlagworten vor sich, aus denen er dann einen wohlgeordneten, formvollendeten Vortrag zu gestalten verstand. Er wollte nicht ein Kompendium der Universalgeschichte geben, er strebte vielmehr die Zusammenhänge der geschichtlichen Entwicklung darzustellen im Sinne seiner Überzeugung von der Macht der Ideen und der Bedeutsamkeit der Kulturübertragungen. Er überging daher Allbekanntes oder wußte es in neuem Lichte zu zeigen, dagegen holte er aus scheinbar fernliegenden, sonst unbeachteten Quellen Zeugnisse für seine Auffassungen.«400

Neben seinen Vorlesungen hielt er im Historischen Seminar regelmäßig historische Übungen ab, für die er in jedem Semester aus einem relativ engen Kanon antiker und mittelalterlicher historiographischer Texte eine Quelle auswählte (z. B. Herodots Historien, Thukydides’ Werk über den Peloponnesischen Krieg oder Einhards Vita Karoli Magni), »deren Übersetzung und Kritik von einzelnen 398 Zum sogenannten Handschriftenstreit siehe u. a. Truhlárˇ , Zur Beleuchtung, und Otruba (Hrsg.), Rukopisy. 399 H a u p t w e r k e M a x B ü d i n g e r s : Über Gerberts wissenschaftliche und politische Stellung (1851); Zu den Quellen der Geschichte Kaiser Heinrichs III. (1853); Oesterreichische Geschichte bis zum Ausgange des 13. Jahrhunderts (1858 [unvollendet, reicht nur bis ca. 1060]); Die Königinhofer Handschrift und ihre Schwestern (1859); Die Königinhofer Handschrift und ihr neuester Vertheidiger [sc. Joseph Alexander von Helfert] (1859); Ein Buch ungarischer Geschichte 1058–1100 (1866); Lafayette. Ein Lebensbild (1870); Don Carlos’ Haft und Tod (1891); Die Universalhistorie im Alterthume (1895); Die Universalhistorie im Mittelalter, 2 Teile (1898 und 1900). – Zu Büdingers Biographie siehe Redlich, Max Büdinger ; Müller (B. Ch.), Max Büdinger (1963); ders., Max Büdinger (1964); Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 23–33; Mayerhofer, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1848 bis 1873, S. 27–29. 400 Redlich, Max Büdinger, S. 12. Näheres über Büdinger als letzter Universalhistoriker an der Universität Wien, seine Lehrveranstaltungen und Publikationen bei Müller (B. Ch.), Max Büdinger (1963), S. 308–340.

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Studenten vorbereitet, vorgetragen und vor so genannten Opponenten und dem Professor verteidigt wurde. Zu diesen Plenarübungen kamen Besprechungen von Seminararbeiten im kleineren Kreis.«401 Daneben ließ Büdinger manchmal aber auch im selben Semester eine bunte Mischung von Themen aus verschiedenen Epochen behandeln. So ließ er beispielsweise im Wintersemester 1872/73 »gleichzeitig den spartanischen Kriegsstaat, den Schlesischen Krieg [vermutlich den Siebenjährigen Krieg oder Dritten Schlesischen Krieg; Th.W.], die fränkischen Hausmeier und das altägyptische Königtum behandeln«.402 Büdinger legte übrigens als erster Geschichteprofessor an der Universität Wien in seiner Lehre in einigen Semestern einen Schwerpunkt auf die englische und die nordamerikanische Geschichte. In den Sommersemestern 1873 und 1876 hielt er Vorlesungen über »Nordamerikanische Geschichte bis zur Unionsverfassung«, und in den Sommersemestern 1889 und 1892 solche über »Columbus’ Leben«. Unter seiner Betreuung entstanden auch die ersten beiden thematisch einschlägigen Wiener Dissertationen: 1883 wurde Hans Schlitter mit einer Arbeit über Die ersten Beziehungen Österreichs zu den Vereinigten Staaten von Amerika 1778–1787 promoviert, und 1887 der in Pittsburgh geborene Walter Scaife mit einer Dissertation zum Thema The Development of the American National and State Boundaries.403 Die Österreichische Geschichte wurde zur Zeit der Berufung Büdingers bereits seit gut einem Jahrzehnt durch Ottokar Lorenz (1832–1904) betreut, einen gebürtigen Mährer, der sich 1856 »von der Schulbank des ersten Institutskurses weg«404 habilitiert hatte, 1860 zum außerordentlichen und 1861, nach der »Quieszierung« Johann Nepomuk Kaisers und um ihn daran zu hindern, einen Ruf an die Universität Freiburg im Breisgau anzunehmen, zum ordentlichen Professor der Allgemeinen und der Österreichischen Geschichte ernannt worden war.405 Lorenz ging keinem Konflikt aus dem Weg und wurde zu einer Art »enfant terrible der Wiener Historikerschaft«.406 Er war »zeitlebens nicht nur 401 Saxer, Vermittlungsweisen des Quellenblicks, S. 47f. 402 Ebd., S. 54f. Siehe auch die Erinnerungen Adolf Bauers, der vom Wintersemester 1874/75 bis zum Sommersemester 1876 Mitglied des Historischen Seminars war (Mitgliederverzeichnis des Historischen Seminars, S. 6), an Büdingers Seminarübungen, abgedruckt bei Redlich, Zur Geschichte des Historischen Seminars, S. 133–137. 403 Grandner, Bader-Zaar, Lehre und Forschung über Nordamerika, S. 114–116. 404 Mayr (J.), Anfänge, S. 551f. 405 Zu den Wiener Jahren von Ottokar Lorenz siehe Steiner (M.), Wiener Zeit, und Mayerhofer, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1848 bis 1873, S. 159–161. 406 Hochedlinger, Österreichische Archivgeschichte, S. 114; vgl. auch ders., Stiefkinder der Forschung, S. 343f. – »Er hat sich in angeborenem Widerspruchsgeist stets gegen feste Regeln, Pedanterie und Schulwesen in der Geschichtswissenschaft gesträubt, und wahre Verehrung kannte dieser Ironiker und Gegner des kritischen und ›objektiven‹ Spezialistentums und der Technisierung der Wissenschaft, dieser Forscher mit der Neigung zum Paradoxen[,] eigentlich nur für den Größten, für Leopold von Ranke.« Srbik, Geist und

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Abb. 27: Ottokar Lorenz (1832–1904). Fotografie, um 1870.

abwägender Historiker, sondern auch Politiker«407 und entwickelte sich schließlich zu einem kleindeutschen und prussophilen politischen Publizisten und Verehrer Kaiser Wilhelms I. und Bismarcks. 1883 wurde an der Universität Wien sogar ein – letztlich im Sand verlaufendes – Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet.408 Das Ministerium nützte die Gelegenheit der gleichzeitigen Quieszierung Joseph Aschbachs und Albert Jägers für die Schaffung einer zweiten Lehrkanzel für Geschichte, Bd. 2, S. 105. – Alphons Lhotsky sprach einmal vom »geistreiche[n] und zu seinem Schaden oft genug allzu temperamentvolle[n] Ottokar Lorenz«. Lhotsky, Wissenschaft und Unterricht, S. 248. 407 Srbik, Geist und Geschichte, Bd. 2; S. 105. 408 Vgl. Steiner [M.], Wiener Zeit, S. 57–90 und 102–118, sowie Staudigl-Ciechowicz, Dienst-, Habilitations- und Disziplinarrecht, S. 728–732. – Historiographische H a u p t w e r k e v o n O t t o k a r L o r e n z (in Auswahl): Die Erwerbung Österreichs durch Ottokar von Böhmen (1857); Die österreichische Regentenhalle (1857); Deutsche Geschichte im 13. und 14. Jahrhundert, 2 Bde. (1863–1867); Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter von der Mitte des 13. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, 2 Bde. (1870, 31886); Genealogischer Hand- und Schulatlas (1892); Genealogisches Handbuch der europäischen Staatengeschichte (1895, 31908); Staatsmänner und Geschichtsschreiber des 19. Jahrhunderts (1896); Lehrbuch der gesamten wissenschaftlichen Genealogie (1898); Kaiser Wilhelm und die Begründung des Reiches 1866 bis 1871 (1902).

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Abb. 28: Heinrich von Zeißberg (1839–1899). Fotografie.

Österreichische Geschichte, die wegen der steigenden Zahl der Lehramtskandidaten notwendig geworden sei. Anstelle Wattenbachs wurde im August 1872 der gebürtige Wiener Heinrich (seit 1874 Ritter von) Zeißberg (1839–1899), der ehemalige Geschichtslehrer Erzherzog Rudolfs, zum ordentlichen Professor »für Geschichte« (de facto: für Österreichische Geschichte) ernannt. Zeißberg hatte sich 1863 in Wien für Allgemeine Geschichte habilitiert, war von 1864 bis 1871 Professor der Allgemeinen und der Österreichischen Geschichte an der Universität Lemberg gewesen409 und hatte 1871 und 1872 drei Semester lang als Ordinarius für Allgemeine Geschichte an der Universität Innsbruck gewirkt. Er leitete seit 1876 gemeinsam mit Ottokar Lorenz und Max Büdinger als Mitvorstand das 1872 neu geschaffene Historische Seminar der Universität Wien, lehrte aber seit 1874 auch am Institut für Österreichische Geschichtsforschung und stand diesem als Nachfolger Sickels von 1891 bis zu seiner Ernennung zum

´ ski, Historya Universytetu Lwowskiego, Teil 1, S. 319 und 350, sowie 409 Finkel, Starzyn Teil 2, S. 128 und 382. Erst mit der 1863 erfolgten Berufung Heinrich Zeißbergs begann »die moderne Geschichtswissenschaft an der Universität Lemberg«. Lundgreen, Universität Lemberg, S. 166.

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Direktor der Hofbibliothek im Jahr 1896 als Vorstand vor.410 Neben seiner Tätigkeit am Seminar und am Institut und einer umfangreichen Publikationstätigkeit speziell zur Quellenkunde des Mittelalters und der Neuzeit sowie zur Geschichte Österreichs und der Habsburgermonarchie wirkte Zeißberg in Wien übrigens auch als Geschichtslehrer des Kronprinzen Rudolf und später als Redakteur der deutschsprachigen Ausgabe des von Rudolf angeregten monumentalen »Kronprinzenwerkes« (Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, 24 Bände, 1886 bis 1902).411 Die doppelte Direktion bzw. Vorstandschaft des neu eingerichteten Historischen Seminars hatten 1872 Ottokar Lorenz und Max Büdinger übernommen. Lorenz leitete bis zu seinem Weggang aus Wien (er nahm, wie schon erwähnt, 1885 einen Ruf an die Universität Jena an) die Abteilung für Österreichische Geschichte. Als Nachfolger von Lorenz als Professor für Allgemeine und Österreichische Geschichte wurde 1887 der Tiroler Bergbauernsohn Alfons Huber (1834–1898), der Lieblingsschüler Julius Fickers an der Universität Innsbruck und seit 1870 ebendort Ordinarius für Österreichische Geschichte, berufen.412 1897 wurde Oswald Redlich, nach seiner in diesem Jahr erfolgten 410 »Mit Zeissbergs Berufung an die Spitze der Hofbibliothek versiegte die Pflege der allgemeinen österreichischen Geschichte am Institut [für Österreichische Geschichtsforschung], das doch als ›großösterreichische Propagandastelle‹ gegründet worden war, vollends.« Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 347. 411 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 126f., 158–160, 328–330 und 404f.; Bauer (G.), Heinrich von Zeißberg; Mayerhofer, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1848 bis 1873, S. 313–315; Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer, S. 47f. Siehe auch Höflechner, Metamorphosen. – H a u p t w e r k e H e i n r i c h v o n Z e i ß b e r g s (Auswahl): Arno, erster Erzbischof von Salzburg (785–821) (1863); Miesco I. (Mieczysław), der erste christliche Beherrscher der Polen (1867); Die Kriege Kaiser Heinrich’s II. mit Herzog Boleslaw I. von Polen (1868); Die polnische Geschichtsschreibung des Mittelalters (1873, poln. 1877); Johannes Łaski, Erzbischof von Gnesen (1510–1531), und sein Testament (1874); Kleinere Geschichtsquellen Polens im Mittelalter. Eine Nachlese (1877); Das Todtenbuch des Cistercienser-Stiftes Lilienfeld (1879); Rudolph von Habsburg und der österreichische Staatsgedanken (1882); Quellen zur Geschichte der Politik Oesterreichs während der französischen Revolutionskriege (1793–1797), 3 Bde. (1882–1890); Über das Rechtsverfahren Rudolfs von Habsburg gegen Ottokar von Böhmen (1887); Zwei Jahre belgischer Geschichte (1791, 1792), 2 Bde. (1891); Belgien unter der Generalstatthalterschaft Erzherzog Carls (1793, 1794), 3 Teile (1893–1894); Erzherzog Carl von Oesterreich. Ein Lebensbild, 2 Bde. (1895); Elisabeth von Aragonien, Gemahlin Friedrich’s des Schönen von Österreich (1314–1330) (1898). 412 H a u p t w e r k e A l f o n s Hu b e r s (Auswahl): Über die Entstehungszeit der österreichischen Freiheitsbriefe (1860); Geschichte der Vereinigung Tirols mit Österreich (1864); Geschichte Österreichs [bis 1648], 5 Bde. (1885–1896); Österreichische Reichsgeschichte. Geschichte der Staatsbildung und des öffentlichen Rechtes (1895, 21901 [bearb. von Alfons Dopsch]). – Zu Hubers Vorlesungen zur historischen Methodik an der Universität Wien, in denen er (Geschichts-)Forschung und Geschichtsschreibung einander gegenüberstellte und für eine Autonomisierung der Forschung plädierte, siehe Saxer, Schärfung des Quellenblicks, S. 120–122. – Vgl. auch Fellner (F.), Alfons Huber, S. 277–292; Huber

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Abb. 29: Alfons Huber (1834–1898). Fotografie, um 1880.

Ernennung zum ordentlichen Professor der Geschichte (ohne Beschränkung auf das Mittelalter) und der Historischen Hilfswissenschaften413, dritter Mitvorstand des Historischen Seminars414, und seit der Emeritierung Max Büdingers

(Alfons), Briefe; Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer, S. 30–40, 43–48 und passim, sowie Srbik, Briefe an Alfons Huber. 413 Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 34; Höflechner, Zur Vertretung der historisch-mediävistischen Hilfswissenschaften, S. 708. 414 H a u p t w e r k e O s w a l d R e d l i c h s : Regesta Imperii 6/1: Die Regesten des Kaiserreiches unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1273–1313 (1898); Rudolf von Habsburg. Das Deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaiserreiches (1903); Die Privaturkunden des Mittelalters (1911); (als Fortsetzung der Geschichte Österreichs von Alfons Huber :) Geschichte Österreichs, Bd. 6: Österreichs Großmachtbildung in der Zeit Kaiser Leopolds I. (1921, 41961 unter dem Titel: Weltmacht des Barock), und Bd. 7: Das Werden einer Großmacht. Österreich von 1700 bis 1740 (1938, 41962). – Zu Leben und Werk Oswald Redlichs vgl. u. a. Santifaller, Oswald Redlich; Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und Anschluß, S. 94–106; Winkelbauer, Oswald Redlich.

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(1899) war er ein Vierteljahrhundert lang dessen geschäftsführender Direktor.415 Redlich hat 1911 für die von Sickel praktisch ignorierten Privaturkunden »das grundlegende und bis heute nicht ersetzte Kompendium geschaffen, neben Wilhelm Erbens416 Kaiserdiplomatik [1907] eigentümlicherweise das einzige diplomatische Handbuch, das aus der Wiener Schule erwachsen ist, sofern man nicht Heinrich Fichtenaus Standardwerk über Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert [1971] […] ebenfalls als ein solches rechnet«.417 Nach Hubers unerwartetem Tod 1898 ließ sich Redlich von seinem Tiroler Landsmann und Kollegen Mühlbacher »und andere[n] Freunde[n]« davon überzeugen, Hubers fünfbändige, bis zum Jahr 1648 reichende Geschichte Österreichs – eine »kühl und streng objektiv referierende Staatsgeschichte«418 – fortzusetzen, da »die Fortsetzung von Hubers Werk gerade für die neuere Zeit sicher eine der dringendsten und wichtigsten Fragen unserer heimischen Geschichtsschreibung« sei.419 Auf Anraten seines alten Lehrers Julius Ficker machte er sich an diese Arbeit aber erst nach der Vollendung des schließlich 1903 erschienenen, dem Andenken Fickers (gest. 1902) gewidmeten Buches Rudolf von Habsburg. Das Deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaiserreiches.420 Diese umfangreiche Biographie König Rudolfs I. ist von einem »schwärmerisch-großdeutschen Standpunkt aus« geschrieben.421 Nachdem bereits Alfons Huber in seinem Unterricht im Historischen Seminar seit den späten 1880er Jahren »eine stärkere thematische Konzentration seiner Übungen vorgenommen« hatte, führte Oswald Redlich um 1900 an der Universität Wien eine neue »Spielart der seminaristischen Übung« ein, in der vorher getrennte Lehrformen, nämlich quellenkritische Übungen, Vortragsübungen (»Conversatorien«) und Besprechungen von Seminararbeiten im kleinen Kreis, »stärker aufeinander bezogen wurden, indem Redlich sie um eine 415 Mitgliederverzeichnis des Historischen Seminars, S. 3. 416 Wilhelm Erben (1864–1933), ein gebürtiger Salzburger, absolvierte 1885 bis 1887 in Wien den »Kurs« des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und wurde danach am Institut ein enger Mitarbeiter Sickels bei der Edition der Urkunden Ottos III. Von 1903 bis 1917 war er Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck und anschließend bis zu seinem Tod an der Universität Graz. Siehe u. a. Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer, S. 108–114, und Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 422–426. 417 Härtel, Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften, S. 145f. – 2011 hat Härtel selbst ein solches Handbuch vorgelegt: Reinhard Härtel, Notarielle und kirchliche Urkunden im frühen und hohen Mittelalter (Wien 2011). 418 Lhotsky, Der Stand der österreichischen Geschichtsforschung, S. 87f. 419 Archiv und Sammlungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Nachlass Julius von Ficker, Oswald Redlich an Julius von Ficker, Wien, 28. Dezember 1898. 420 Ebd., ders. an dens., Wien, 26. Februar 1899. 421 Holeschofsky, Oswald Redlich (im Druck), im Text nach Anm. 56.

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gemeinsame Frage zu einem historischen Ereignis herum arrangierte«.422 Dies schlug sich auch in der Aufgabe differenzierter Bezeichnungen für die einzelnen Unterrichtsformen im Rahmen des Historischen Seminars nieder, die nunmehr in den Vorlesungsverzeichnissen – erstmals im Wintersemester 1898/99 – einheitlich als »Seminare« angeführt wurden.423

Abb. 30: Vorstände, Mitglieder und Absolventen des Historischen Seminars. Am Tisch sitzend von links nach rechts die drei Co- bzw. Mitvorstände Heinrich von Zeißberg, Max Büdinger und Alfons Huber. Fotografie, um 1895.

Dem durch Erlass des Ministers für Cultus und Unterricht vom 15. Oktober 1872 promulgierten Statut des Historischen Seminars zufolge hatte das »unter der Leitung zweier vom Unterrichts-Minister ernannter Directoren« stehende Seminar »die Aufgabe, in die Kunst und Fertigkeit des geschichtlichen Unterrichtes sowie in die Erforschung der allgemeinen sowohl als der österreichischen Geschichte einzuführen«.424 Das Seminar sollte also einerseits weiterhin eine wichtige Rolle bei der Professionalisierung der Ausbildung der Geschichtslehrer an den Gymnasien und Realschulen spielen, andererseits aber auch, anders als 422 Saxer, Vermittlungsweisen des Quellenblicks, S. 55. 423 Ebd. – Wie aus den bisherigen Ausführungen ja deutlich wurde, bezeichnete »Seminar« im 19. Jahrhundert in der Regel eine universitäre Organisationseinheit und nicht (wie heute) eine spezifische Form der akademischen Lehre. Zunächst nur selten und erst seit den 1880er Jahren wurde die Bezeichnung verkürzend auch für die Übungen im Rahmen eines Seminars verwendet. Ebd., S. 36, Anm. 32. 424 Sammlung der für die österreichischen Universitäten giltigen Gesetze und Verordnungen, Supplement-Heft 1, S. 732–734, hier S. 732, §§ 1 und 2.

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bisher, die Studenten in die fachwissenschaftliche Forschung einführen. Oswald Redlich charakterisierte die durch das Nebeneinander von Historischem Seminar und Institut für Österreichische Geschichtsforschung geprägte Situation der Geschichtswissenschaft (genauer gesagt: der Mittleren, der Neueren und der Österreichischen Geschichte sowie der Historischen Hilfswissenschaften) an der Universität Wien im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in der Rückschau folgendermaßen: »Indem gerade auch am Beginn der siebziger Jahre Theodor Sickel die Leitung des Institutes für österreichische Geschichtsforschung übernahm und damit eine Blütezeit desselben begann, gab es nun zwei Stätten eifrigen historisch-wissenschaftlichen Lebens an der Wiener Universität, die sich gegenseitig ergänzten.«425 Seit dem Wintersemester 1900/1901 wurde am Historischen Seminar regelmäßig ein sich über das ganze Studienjahr, also über zwei Semester, erstreckendes einstündiges Kolleg »Einführung in des Studium der Geschichte« abgehalten, das die Studierenden im ersten Studienjahr besuchen mussten. Das Unterrichtsministerium hatte 1900 und 1901 die von den Professoren Oswald Redlich und Josef Hirn mit dem Ziel der Entlastung des Historischen Seminars beantragte Einrichtung eines eigenen Historischen Proseminars, das unter der Leitung von Alfons Dopsch (zu diesem siehe die folgenden Absätze) stehen sollte, nicht genehmigt.426 Ab dem Wintersemester 1915/16 hielt der TitularExtraordinarius Wilhelm Bauer die Einführungsvorlesung, die er unter anderem durch »Führungen durch das k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, durch die Universitätsbibliothek und die Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses« (also des heutigen Kunsthistorischen Museums) aufzulockern pflegte.427 In mehreren Semestern hielt Bauer die Vorlesung auch zweistündig, »um größeren Raum für Übungen, Vorträge, Referate zu gewinnen«, wie er in einer im Dezember 1918 vorgelegten Denkschrift zu Papier brachte. Bauer regte in diesem Memorandum an, »das bisherige Einführungskolleg zu einem wirklichen Proseminar« umzugestalten. Im Namen der »Vorstehung« des Historischen Seminars griff Oswald Redlich den Vorschlag auf und ersuchte am 9. Januar 1919 das Deutschösterreichische Staatsamt für Unterricht um die Genehmigung, das Kolleg »als förmliches Historisches Proseminar zu bezeichnen und auszuge425 Redlich, Zur Geschichte des historischen Seminars, S. 133. – Zur Diskussion über die Reform des akademischen Studienganges für künftige Geschichtslehrer an Gymnasien und Realschulen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg vgl. u. a. Über die fachliche Ausbildung, S. 56–72. 426 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Unterricht allgemein (1848–1940), Karton 730, Zahl 8198/1900 und 8684/1901. (Vgl. auch Kirchshofer, Geschichte des philologisch-historischen Seminars, S. 203f.) 427 Bericht Wilhelm Bauers über seine im Studienjahr 1916/17 (in Vertretung des zum Militärdienst eingerückten Hans Hirsch) an der Universität Wien abgehaltene Vorlesung »Einführung in das Studium der Geschichte«, Wien, Oktober 1917. Ebd., Zahl 37.854/1917.

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stalten, ähnlich wie bei der Klassischen Philologie und bei der Germanistik solche Proseminare längst eingerichtet sind«.428 Ähnlich wie zu Beginn des Jahrhunderts, wurde die Genehmigung neuerlich nicht erteilt. Stattdessen bewilligte das Staatsamt für Inneres und Unterricht im September 1919 dem unbesoldeten Extraordinarius Wilhelm Bauer »für das im Studienjahre 1918/19 abgehaltene Kollegium ›Einführung in das Studium der Geschichte‹ eine einmalige Remuneration« in der Höhe von 800 Kronen.429 In den kommenden Jahren kündigte Bauer in jedem Semester weiterhin, nunmehr stets zweistündig, die »Einführung in das Studium der Geschichte (mit Übungen)« an (im Wintersemester Teil I, im Sommersemester Teil II), seit dem Sommersemester 1923 ergänzt um einstündige »Geschichtliche Übungen für Anfänger« und seit dem Wintersemester 1923/24 um die ebenfalls einstündige Vorlesung »Die theoretischen Grundlagen der Geschichtswissenschaft«.430 Der aus Nordböhmen stammende Alfons Dopsch (1868–1953) habilitierte sich 1893 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien für Österreichische Geschichte und wurde 1898 zum außerordentlichen und 1900 zum ordentlichen Professor für Allgemeine und Österreichische Geschichte an der Universität Wien bzw. am Institut für Österreichische Geschichtsforschung ernannt. Man erwartete von ihm, dass er die bis zu dessen Abgang von der Universität im Jahr 1896 von Heinrich von Zeißberg am Institut für Österreichische Geschichtsforschung gehaltenen Vorlesungen und Übungen zur österreichischen Geschichte und Quellenkunde übernehme und dass er die österreichische Geschichte insbesondere auf dem Gebiet der Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte vertrete. 1917 wurde Dopsch zum Mitdirektor des Historischen Seminars ernannt.431 Durch seine Ernennung zum Ordinarius im Jahr 428 Archiv der Universität Wien, Institut für Geschichte, Karton 1, Mappe 1/3, fol. 1–8. 429 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, Unterricht allgemein (1848–1940), Karton 730, Zahl 26.651/1919. – Im Studienjahr 1921/22 gab es an der Universität Wien nur drei systemisierte Proseminare, nämlich das Mathematische Proseminar, des Philologische (d. h. Altphilologische) Proseminar und das Proseminar für deutsche Philologie. Gesamt-Vorlesungs-Verzeichnis der öffentlichen akademischen Vorlesungen in Wien. Wintersemester 1921/22, hrsg. von der Akademischen Verlags- und Versandbuchhandlung Emil Haim & Co. (Wien 1921), S. 67 und 71. 430 Gesamt-Vorlesungs-Verzeichnis (wie vorige Anm.), Wintersemester 1920/21 bis Wintersemester 1923/24. 431 Archiv der Universität Wien, Personalakten der Philosophischen Fakultät, PA 1020: Alfons Dopsch, fol. 13–22. – H a u p t w e r k e A l f o n s D o p s c h s : als Herausgeber (gemeinsam mit Ernst Schwind): Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutschösterreichischen Erblande im Mittelalter (1895); Österreichische Urbare, 2 Bde. (1904 und 1910) (eine mustergültige und methodisch vorbildliche Edition der landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs sowie der Steiermark aus dem 13. und 14. Jahrhundert); als Autor : Die ältere Sozial- und Wirtschaftsordnung der Alpenslawen (1909); Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit vornehmlich in Deutschland, 2 Bde. (1912/13, 21921/ 22, 31962); Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung.

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1900 wurde de facto eine neue, auf Dopsch zugeschnittene Professur geschaffen, die »einerseits die ›neue[n] Ausgestaltungen der österreichischen Geschichte in der Richtung der Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte‹ berücksichtigte, die sich aus der Lehrverpflichtung hinsichtlich der [1893 zunächst für die Juristen verpflichtend eingeführten, sehr bald aber auch von den Historikern übernommenen432] ›Österreichischen Reichsgeschichte‹ ergaben, andererseits aber auch das Lehrfach ›Österreichische Quellenkunde und Geschichte‹ für die Hörer des IfÖG abdeckte«.433

Dopschs wohl bedeutendstes, auch international intensiv rezipiertes und sehr kontrovers diskutiertes Werk sind die 1918 und 1920 (in erweiterter zweiter Auflage 1921/22) in zwei Bänden erschienenen Wirtschaftliche[n] und soziale[n] Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung. Aus der Zeit von Caesar bis auf Karl den Großen.434 Auf der Basis einer »minutiöse[n] Zusammenfassung lokalund regionalgeschichtlicher Einzelforschungen«435 verficht er darin die damals

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Aus der Zeit von Caesar bis auf Karl den Großen, 2 Bde. (1918–1920, 21923/24); Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft in der Weltgeschichte (1930); Gesammelte Aufsätze, 2 Bde. (1928 und 1938); Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit. Untersuchungen zur Agrar- und Sozialgeschichte des hohen Mittelalters mit besonderer Berücksichtigung des südostdeutschen Raumes (1939). – Vgl. Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und Anschluß, S. 107–114; Buchner, Alfons Dopsch; Vollrath, Alfons Dopsch; eine kurze, insgesamt sehr kritische Auseinandersetzung mit Dopschs historiographischen (und polemischen) Hauptwerken bietet Brunner, In memoriam Alfons Dopsch; viel positiver in der Beurteilung: Lhotsky, Alphons Dopsch, besonders, mit Bezug auf Frage der »Kontinuität« zwischen Antike und Mittelalter, S. 10: »Es ist das erste Mal […], daß ein österreichischer Geschichtsforscher einem Menschheitsproblem mit einer konstruktiven These nahetritt, und dies erklärt, daß fortan sein Name in der weiten Fachwelt beider Hemisphären der bestgekannte eines Österreichers ist […].« Im Jahr 1898 wurde die Österreichische Reichsgeschichte – unter dem Titel »Geschichte der Verfassung und Verwaltung Österreichs« – in den Lehrplan des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung aufgenommen. Brunner, Das österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 410; Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 226–230, 237f. und 240. Zu den Umständen und Hintergründen des neuen, 1893 eingeführten Pflichtfachs Österreichische Reichsgeschichte an den Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultäten Cisleithaniens siehe Ebert, Zur Einführung der Österreichischen Reichsgeschichte. Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 301. – Dopsch hielt seit 1898 am Institut für Österreichische Geschichtsforschung die von Engelbert Mühlbacher neu in den Lehrplan des Instituts aufgenommene dreistündige Vorlesung »Geschichte der Verfassung und Verwaltung Österreichs« sowie das Kolleg »Quellenkunde der österreichischen Geschichte«, das bis dahin der 1896 zum Direktor der Wiener Hofbibliothek ernannte Heinrich von Zeißberg gehalten hatte. Dopsch (A.), Selbstdarstellung, S. 288. »Die ›Grundlagen‹ haben im eigentlichen Sinne das internationale Ansehen von Dopsch begründet. Das liegt wohl daran, daß er viel stärker als in seinen anderen Arbeiten der herrschenden Lehre, hier der ›Katastrophentheorie‹, eine eigene, die ›Kontinuitätstheorie‹ entgegenstellte, daß er es also nicht bei der Zertrümmerung des alten Bildes bewenden ließ.« Vollrath, Alfons Dopsch, S. 44. Vollrath, Dopsch, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen, S. 136.

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ketzerische These eines bruchlosen Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter, von der »römischen« Antike zum »germanischen« Mittelalter. Dopsch ging dabei von der Prämisse aus: »Die Germanen haben nicht die römische Kultur zerstört oder gar vernichtet, sondern sie erhalten und weitergeführt.«436 »Die mit der späteren Wertschätzung kontrastierende Kritik der Zeitgenossen erklärt sich daraus, dass Dopsch fest zementierte wissenschaftliche Grundüberzeugungen in Zweifel zog […].«437

Abb. 31: Alfons Dopsch (1868–1953). Fotografie, um 1910.

Mit der Ernennung Dopschs zum ordentlichen Professor verfolgte das Unterrichtsministerium im Übrigen wohl nicht zuletzt auch die Absicht, die Verstimmung der Fakultät wegen der Oktroyierung Josef Hirns als Professor der Österreichischen Geschichte im Jahr davor zu besänftigen.438 Der künftige prominente tschechische Archivar und Historiker Karel Stloukal (1887–1957), der von 1910 bis 1913 den 24. Kurs des Instituts für Österreichische

436 Zitiert nach ebd. 437 Ebd., S. 137. 438 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 161 und 507.

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Geschichtsforschung absolvierte439, erinnert sich in seinen Memoiren an Alfons Dopsch als den »scharfsinnigsten Kopf des Instituts«. Insbesondere seine praktischen Übungen und Seminare seien »sehr anregend und instruktiv« gewesen. »Hier sprühte er vor Witz und Ironie und verschenkte großzügig Kostproben seines großen Wissens.« Allerdings habe Dopsch »uns Tschechen« nicht gemocht: »Er war ein überzeugter Deutschnationaler, getränkt mit dem Hass des Deutschen aus Böhmen gegen alles Tschechische. […] Uns tschechischen Institutsmitgliedern gegenüber benahm er sich mit kühler, korrekter Höflichkeit, aber hinter den Kulissen schadete er uns gerne. Ein ausgezeichneter Gelehrter, ein guter Lehrer, aber ein unschöner Charakter.«440 Die Beziehungen zwischen den Institutsmitgliedern, also den Studenten, seien freundschaftlich gewesen, es habe keine Nationalitätenkonflikte gegeben, »allerdings bildeten sich Gruppen nach der Nationalität und nach persönlichen Neigungen. Die Deutschen betrachteten uns Tschechen großteils als Fremde, und wir Tschechen bildeten natürlich eine eigene Gruppe.«441 Der prominente Mediävist Theodor Mayer (1883–1972) – von 1927 bis 1930 Professor an der Deutschen Universität Prag und anschließend bis 1942 an den Universitäten Gießen, Freiburg im Breisgau und Marburg, von 1942 bis 1945 Präsident der Monumenta Germaniae Historica und Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom und seit 1951 Leiter des Konstanzer Instituts für Landschaftskunde des Bodenseegebietes bzw. (seit 1960) des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte, der von 1903 bis 1905 den »Kurs« am Institut für Österreichische Geschichtsforschung absolvierte – betrachtete seinen Doktorvater Alfons Dopsch als den für seine wissenschaftliche Ausbildung und für die Hinlenkung seiner Interessen auf die »Verfassungs- und Wirt439 Siehe Stloukal, Historie m8ho zˇivota, S. 149–166, und Jirousˇek, Karel Stloukal, S. 53–60, sowie Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 360f. Über die tschechischen Mitglieder des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Hlavácˇ ek, Tzv. Gollova ˇskola. 440 Stloukal, Historie m8ho zˇivota, S. 149f. – »Dopschs antislawische Haltung, aus der dieser kein Hehl zu machen pflegte, war allgemein bekannt, dasselbe gilt für seinen Antisemitismus.« Heinzel, Theodor Mayer, S. 30. – Dopsch selbst bekannte 1925 im Kontext seiner Erinnerungen an den um 1890 mit Bravour absolvierten dreijährigen Lehrgang am Institut für Österreichische Geschichtsforschung stolz: »Kritischen Sinn hatte ich bereits aus meiner Heimat mitgebracht, da wir hart an der deutsch-slawischen Sprachgrenze gewohnt waren, der slawischen Falschheit und Hinterhältgkeit mit Mißtrauen zu begegnen, die Augen offen zu halten und die gegnerischen Versicherugen stets mit Vorsicht und Zweifel aufzunehmen. Die diplomatischen Übungen bei Sickel […] schärften ohne Zweifel die von Haus aus vorhandene Geistesrichtung.« Dopsch (A.), Selbstdarstellung, S. 281. 441 Stloukal, Historie m8ho zˇivota, S. 152. »Im Kurs von 1910 bis 1913 waren wir Tschechen sehr zahlreich [Karel Stloukal, Vladim&r Klecanda, Eugen Dostal und Gustav Skalsky´ ; Th.W.], und das war kein Nachteil, weil wir dadurch nicht so auf unsere österreichischen Kollegen angewiesen waren und nicht gezwungen waren, deutsch zu sprechen.« Ebd.

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schaftsgeschichte [des Mittelalters; Th.W.] auf der Grundlage der Landesgeschichte« wichtigsten akademischen Lehrer.442 Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte an der Universität Wien die Institutionalisierung der Geschichte der Neuzeit, die vom Unterrichtsministerium bereits seit 1893 betrieben worden war, aber zunächst am Widerstand der Fakultät gescheitert war.443 Im Zuge der Reorganisierung der historischen Lehrstühle um 1900 wurde die »Neuere Allgemeine Geschichte« als eigenständiges Fach konstituiert – zunächst noch nicht de jure, aber doch de facto. Mit August Fournier (1850–1920), einem in Wien geborenen Sohn einer nach Österreichisch-Schlesien eingewanderten französischen Emigrantenfamilie, der sich 1875 in Wien für Österreichische Geschichte habilitiert hatte444, 1883 an die Deutsche Universität Prag und von dort 1899 als Ordinarius der Allgemeinen und der Österreichischen Geschichte an die Technische Hochschule in Wien berufen worden war, wurde im August 1903 – unter Umgehung und gegen den Willen der Fakultät – als Nachfolger Max Büdingers, der 1899 emeritiert worden war, vom Ministerium zum letzten Mal ein Ordinarius für Allgemeine Geschichte an der Universität Wien ernannt.445 Fournier hatte den Ruf eines ausgezeichneten Vortragenden.446 Sein Hauptwerk ist eine dreibändige NapoleonBiographie (1885–1889 [vierte Auflage 1922], französisch 1890/91, englisch 1903 [zweite Auflage 1911], ungarisch 1916).447 Er war »der erste konkret für die Neuere Geschichte ernannte Ordinarius an der Universität Wien«448, nachdem an der Deutschen Universität Prag bereits 1883, also 20 Jahre vor Wien, durch die Ernennung Fourniers zum Ordinarius der Allgemeinen Geschichte de facto eine Lehrkanzel für Neuere Geschichte geschaffen worden war, die Fournier 442 Zitiert nach Heinzel, Theodor Mayer, S. 27. Vgl. auch Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 360–363. 443 Ranzmaier, Professorenkollegium oder Ministerium, S. 296–303. 444 Siehe den autobiographischen Bericht über den Verlauf des Habilitationskolloquiums und des Probevortrags bei Fournier, Erinnerungen, S. 113f. 445 Badner, Fournier, bes. S. 14–30. 446 »[…] die Rede floß frei und gepflegt von seinen Lippen, die Hörer vom Anfang bis zum Ende [der Vorlesung] fesselnd und anregend.« Winkler, August Fournier, S. 117. 447 Kirchshofer, Geschichte des philologisch-historischen Seminars, S. 155f.; Fellner, Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, S. 127f.; Ranzmaier, Professorenkollegium oder Ministerium, S. 302f. – Weitere H a u p t w e r k e F o u r n i e r s : Abt Johann von Viktring und sein Liber certarum historiarum (1875); Gentz und Cobenzl. Geschichte der österreichischen Diplomatie in den Jahren 1801–1805 (1880); Die historische Bedeutung des Zunftwesens (1881); Historische Studien und Skizzen, 3 Bde. (1885–1912); Der Kongreß von Ch.tillon. Die Politk im Kriege von 1814 (1900); Zur Textkritik der Korrespondenz Napoleons I. (1903); Österreich und Preußen im 19. Jahrhundert (1907); Österreichs Kriegsziele im Jahre 1809 (1909); Die Geheimpolizei auf dem Wiener Kongreß. Eine Auswahl aus ihren Papieren (1913); Österreich-Ungarns Neubau unter Kaiser Franz Joseph I. Eine historische Skizze (1917). 448 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 264.

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wegen seines Reichsratsmandates, das während der Sessionen des Abgeordnetenhauses des Reichsrats seine Anwesenheit in Wien notwendig machte, »allerdings nur unregelmäßig versehen konnte«449. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde an der Universität Wien eine zweite ordentliche Professur für Neuere Geschichte eingerichtet und mit dem einer Wiener jüdischen Kaufmannsfamilie entstammenden, in London geborenen und ebendort (im Exil) gestorbenen Alfred Francis Prˇibram (1859–1942), einem Schüler Fourniers, besetzt. Prˇibram, der erstmals im Wintersemester 1887/88 als frischgebackener Privatdozent »Übungen in neuerer Geschichte« veranstaltet hatte450, war 1894 zum – bis 1898 allerdings nicht besoldeten, sondern nur remunerierten – Extraordinarius der mittleren und neueren Geschichte ernannt worden.451 Der Aufstieg des ausgezeichneten Vortragenden452 zum Ordinarius verzögerte sich wohl nicht zuletzt wegen seiner jüdischen Abstammung bzw. wegen seines »mosaischen« Religionsbekenntnisses, also wegen antijüdischer Ressentiments – sei es seitens des Professorenkollegiums der Fakultät, in dem allerdings zumindest offener Antisemitismus um 1900 »nicht salonfähig« war453, sei es seitens des Ministeriums oder des Kaisers.454 Bei seiner 1913 erfolgten Ernennung zum Ordinarius ad personam erhielt er neben seinem Nominalfach »Neuere Geschichte« zusätzlich einen Lehrauftrag für »Länder- und Kolonialgeschichte bzw. Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der neueren Zeit«. Erst durch die Wiederbesetzung von Prˇibrams ad personam verliehenem Ordinariat

449 Ebd., S. 266; Badner, Fournier, S. 30–33 und 125–143. Fournier war von 1892 bis 1901 Abgeordneter im böhmischen Landtag und von 1891 bis 1901 Mitglied des Abgeordnetenhauses des Reichsrats. 1891 trat er dem Klub der Vereinigten deutschen Linken bei, und 1897 wurde er Mitglied der Deutschen Fortschrittspartei. Adlgasser, Die Mitglieder der österreichischen Zentralparlamente, S. 301. Vgl. auch Fournier, Erinnerungen, S. 69–84 und 229–231. (Fourniers Erinnerungen brechen mit seiner Übersiedlung nach Prag im Jahr 1883 ab.) 450 Saxer, Vermittlungsweisen des Quellenblicks, S. 41, Anm. 45. 451 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 260f. 452 Edmund Glaise-Horstenau berichtet in seinen Memoiren: »Ihn vortragen zu hören, war wirklich ein Vergnügen.« Broucek (Hrsg.), Ein General im Zwielicht, S. 539. – Gerhart B. Ladner berichtet in seinen Erinnerungen an die Wiener Studienzeit, Prˇibram sei »ein geistsprühender Vortragender geschichtlicher Anekdotik« gewesen. Ladner, Erinnerungen, S. 23. 453 Ranzmaier, Philosophische Fakultät, S. 143. 454 Seit den 1880er Jahren und verstärkt nach den Wiener Gemeinderatswahlen 1895 wurde von christlichsozialen, deutschnationalen und alldeutschen Politikern (von Karl Lueger beispielsweiser auf dem 6. allgemeinen österreichischen Katholikentag 1907) sowie von auflagenstarken Wiener Zeitungen gegen »die Verjudung der Wiener Universität« gehetzt. Siehe zuletzt Staudigl-Ciechowicz, Dienst-, Habilitations- und Disziplinarrecht, S. 113– 117.

Das Historische Seminar (1872–1918)

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Abb. 32: August Fournier (1850–1920). Fotografie.

im Jahr 1930 durch Wilhelm Bauer wurde für die neuere Geschichte an der Universität Wien auf Dauer eine eigene Professur geschaffen.455 455 Kolárˇ , Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 318; Ranzmaier, Professorenkollegium oder Ministerium, S. 294–296 und 300–304; Surman, Habsburg Universities 1848–1918, S. 367. – H a u p t w e r k e A l f r e d F r a n c i s P ˇr i b r a m s : Oesterreich und Brandenburg, 2 Bde. (1884/85) ; Franz Paul Freiherr von Lisola, 1613–1674, und die Politik seiner Zeit (1894) ; England and the International Policy of the Great Powers 1871–1914 (1931) ; als Herausgeber : Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Österreich, Bd. 1 [mehr nicht erschienen] (1938) ; Quelleneditionen : Venetianische Depeschen vom Kaiserhofe, 1657–1661 (1901) ; Privatbriefe Kaiser Leopold I. an den Grafen F. E. Pötting, 1662–1673, 2 Bde. (1903/04) ; Österreichische Staatsverträge, England, 1526–1813, 2 Bde. (1907 und 1913) ; Urkunden und Akten zur Geschichte der

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Abb. 33: Alfred Francis Prˇibram (1859–1942). Fotografie.

Während des Ersten Weltkrieges war Prˇibram (im Gegensatz etwa zu Hans Uebersberger; siehe unten Seite 142) einer der wenigen Wiener Universitätshistoriker, die sich von Propagandaschriften und von – sei es deutschnationalen, sei es geopolitischen (die Habsburgermonarchie als »Bollwerk« und »Grenzwacht gegen Osten« etc.) – chauvinistischen und imperialistischen Phrasen distanzierten.456 So sprach er sich etwa Anfang Februar 1915 gegenüber Josef Redlich deutlich gegen die damals grassierende »maßlose Verurteilung Englands« aus.457 Der spätere Wiener Titular-Ordinarius für Allgemeine Geschichte der Neuzeit Heinrich Benedikt lernte seinen künftigen Lehrer Prˇibram als junger Jusstudent kennen und hatte noch im hohen Alter sehr positive Erinnerungen an ihn: »Pribram war ein ungemein unterhaltender Gesellschafter und wußte geschichtliche Anekdoten auf so fesselnde Weise vorzubringen, daß ich hingerissen war. Er stärkte meine Neigung zur Geschichte. Obwohl Jurist, besuchte ich seine Vorlesungen, darJuden in Wien, 1526–1847, 2 Bde. (1918) ; Die politischen Geheimverträge ÖsterreichUngarns 1879–1914, Bd. 1 (1920) . – Zu Prˇibrams Leben und Werk siehe Zouzelka, Alfred Francis Prˇibram ; Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und Anschluß, S. 152–155. 456 Ramhardter, Geschichtswissenschaft und Patriotismus, S. 71, 187 und 190. 457 Fellner, Corradini (Hrsg.), Schicksalsjahre Österreichs, Bd. 2, S. 15.

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unter die über die französische Revolution, und wurde sein Schüler, lernte von ihm den Vorzug des freien Vortrags und das Einflechten von Anekdoten. Viele Jahre später wurde er neben Srbik mein Prüfer beim geschichtlichen Rigorosum.«458

Laut seinem Dissertanten Friedrich Engel-Janosi fehlten Prˇibram »[z]um großen Historiker […] zwei Eigenschaften: die eigene Geschichtsauffassung und die vom ›feu sacr8‹ diktierte Gestaltungskraft«.459 Ebenfalls nach dem Zeugnis Engel-Janosis war Prˇibram »ein tief unglücklicher Mensch. Wie oft hat er mir, wenn wir nach seiner Vorlesung zusammen nach Hause gingen – wir wohnten in Döbling in ziemlicher Nähe voneinander –, gesagt, daß er den Beruf verfehlt habe: Naturwissenschaftler hätte er werden sollen, dort gebe es noch Sicherheit; in der Geschichte sei der Subjektivität, der Willkür das Tor weit offen.«460 In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg hielten übrigens sowohl Fournier (bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1920) als auch Prˇibram (bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1930) auch Vorlesungen zu Themen, die wir heute als zeitgeschichtlich bezeichnen würden. So las Fournier im Sommersemester 1919 und im Wintersemester 1919/20 in zwei Teilen mit zusammen fünf Wochenstunden über »Grundzüge neuester Geschichte seit 1871« und in den Sommersemestern 1919 und 1920 über »Oesterreichische und ungarische Verfassungsgeschichte der neuesten Zeit, 1848–1918«, und Prˇibram hielt seit dem Sommersemester 1920 unter anderem Vorlesungen über »Geschichte des britischen Weltreiches, 1815–1914«, »Geschichte des 19. Jahrhunderts, Teil II (1848–1890)« und »Teil III« (wohl von 1890 bis 1914), »Allgemeine Geschichte 1890–1914« sowie »Internationale Politik der europäischen Großmächte 1871–1918«.461 Abschließend ein Wort zu den Studenten. Gut die Hälfte der insgesamt 183 Mitglieder des Historischen Seminars in den Jahren 1872 bis 1901 stammte aus Nieder- und Oberösterreich (26,4 % aus Wien, 14,9 % aus dem übrigen Niederösterreich, 10,2 % aus Oberösterreich). In die böhmischen Länder waren 28,6 % der Seminarmitglieder heimatzugehörig (Mähren 14,9 %, Böhmen 9,3 %, Schlesien 4,4 %). Nur je fünf Studenten (2,7 %) stammten aus Galizien und Salzburg, je vier (2,2 %) aus Krain und aus Ungarn, je drei (1,6 %) aus Kärnten und aus dem Deutschen Reich, je zwei (1,1 %) aus Oberitalien, Tirol und der Bukowina. Der überwiegende Teil (61,6 %) ergriff den Beruf des Gymnasiallehrers, immerhin 18,4 % wurden Universitätsprofessoren und Universitätsdo458 Benedikt (H.), Damals im alten Österreich, S. 203f. 459 Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, S. 73. 460 Ebd. – »Einmal, wieder auf dem Heimweg nach einer Vorlesung, sagte Pribram halb träumend, was er sich als besondere Gunst des Schicksals vorstelle: irgendwo im Vorderen Orient eine uralte Handschrift mit einer unbekannten neuen Fassung eines Evangeliums zu entdecken. Diese würde er kritisch herausgeben, und dieses Werk würde ihn weltberühmt machen.« Ebd., S. 80. 461 Derndarsky, Berücksichtigung der Zeitgeschichte, S. 245f. und 259–262.

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Von der Thun-Hohenstein’schen Universitätsreform bis 1918

zenten, 10,8 % Bibliothekare und/oder Archivare. Die restlichen 9,2 % verteilen sich auf die Kategorien Wissenschaftliche Beamte, Staatsbeamte der allgemeinen Verwaltung, Privatgelehrte sowie Schriftsteller und Redakteure.462

2.4. Das Archäologisch-Epigraphische Seminar (1876–1918)

Abb. 34: Otto Hirschfeld (1843–1922). Fotografie, um 1900.

Im Jahr 1876 wurde – durch Teilung des Historischen Seminars – an der Universität Wien das Archäologisch-Epigraphische Seminar errichtet. Typisch für die »Wiener Schule« der Alten Geschichte und der Klassischen Archäologie wurden und blieben für lange Zeit die Konzentration der Althistoriker auf die 462 Kirchshofer, Geschichte des philologisch-historischen Seminars, Anhang, S. 5f.

Das Archäologisch-Epigraphische Seminar (1876–1918)

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Hilfswissenschaften (Epigraphik, Numismatik, Prosopographie) und auf Quelleneditionen, die enge Zusammenarbeit der Vertreter der Alten Geschichte mit den Vertretern der Klassischen Archäologie sowie Forschungsschwerpunkte in der Provinzialgeschichte und Provinzialarchäologie der römischen Kaiserzeit und in der Limesforschung (naturgemäß mit dem Schwerpunkt auf dem Donaulimes).463 Otto Hirschfeld (1843–1922), geboren in Königsberg in Ostpreußen, der sich 1869 in Göttingen für Alte Geschichte habilitiert hatte und der 1872 bis 1876 Professor für Alte Geschichte und Altertumskunde in Prag war, wurde 1876, nach der Abwehr eines Rufes an die Universität Kiel, als Professor für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik an das neu gegründete Archäologisch-Epigraphische Seminar der Universität Wien berufen.464 Erst mit der Berufung Hirschfelds wurde an der Universität Wien »ein Ordinariat ausschließlich für Alte Geschichte modernen Zuschnitts eingerichtet«.465 Hirschfeld war ein bedeutender Epigraphiker und Erforscher der römischen Provinzial- und Verwaltungsgeschichte. Seit 1873 bearbeitete er im Auftrag Theodor Mommsens die lateinischen Inschriften Galliens für das von der Berliner Akademie der Wissenschaften getragene Korpuswerk der antiken lateinischen Inschriften (Corpus Inscriptionum Latinarum). 1884 wurde er als Nachfolger seines Lehrers Mommsen an die Universität Berlin berufen466, wo er die Errichtung des Instituts für Altertumskunde nach dem Vorbild des Wiener Archäologisch-Epigraphischen Seminars durchsetzen konnte, dessen erster Direktor er wurde.467 Max Büdinger, der seit 1872 als Universalhistoriker im neugegründeten Historischen Seminar auch die Alte Geschichte unterrichtet hatte, wurde 1876 dieser Verpflichtung entbunden. In den folgenden Jahrzehnten galt die »Wiener Schule« Otto Hirschfelds und des Archäologen Otto Benndorf (1838–1907), der als Berater im Unterrichtsministerium unter anderem bei der Gründung des Österreichischen Archäologischen Instituts und bei der Einrichtung des EphesosMuseums eine Schlüsselrolle spielte, »als eines der wichtigsten Zentren der Mommsenschen epigraphisch-archäologischen Forschung in der deutschspra-

463 Weiler, Alte Geschichte, Klassische Archäologie und Altertumskunde, S. 86–105. Vgl. u. a. Schachermeyr, Leben, S. 177–189. 464 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 34–41; zu Hirschfelds Prager Jahren siehe Kazbunda, Stolice deˇjin, Teil 2, S. 125f. und 135–151. 465 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 128. 466 Mommsen hatte seinen »Meisterschüler« Hirschfeld systematisch als seinen Nachfolger aufgebaut. Rebenich, Franke, Einleitung, S. 32f. 467 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 41. – Historiographisches H a u p t w e r k O t t o H i r s c h f e l d s (neben zahlreichen Inschrifteneditionen): Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian (1905; Neubearbeitung von: Untersuchungen auf dem Gebiete der römischen Verwaltungsgeschichte I [1877]).

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chigen Welt«.468 Die Epigraphik, also die historische Hilfswissenschaft der Inschriftenkunde, gewann deutlich das Übergewicht über die Geschichte im eigentlichen Sinn.

Abb. 35: Eugen Bormann (1842–1917). Fotografie, um 1900.

Zum Nachfolger Hirschfelds wurde 1885 mit dem in Westfalen geborenen Eugen Bormann (1842–1917; seit 1881 Professor für Alte Geschichte in Marburg) neuerlich ein Mommsen-Schüler ernannt. Seine beiden Forschungsschwerpunkte waren die Inschriften Mittelitaliens und jene des römischen Limes in Österreich, insbesondere in Carnuntum.469 Nach der 1914 erfolgten Emeritierung Bormanns wurde dessen Professur geteilt: Wilhelm (Josef) Kubitschek (1858–1936) wurde 1916 zum Ordinarius für Römische Altertumskunde und Epigraphik am Archäologisch-Epigraphischen Seminar ernannt. Kubitschek 468 Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 293. 469 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 42–50; zur Biographie Bormanns, seinem Familienleben und seinen Reisen in Italien und Südosteuropa siehe Sasse, Buchberggasse 41. – H a u p t w e r k e E u g e n B o r m a n n s (abgesehen von Inschrifteneditionen): De Syriae provinciae Romanae partibus capita nonnulla (1865); Die älteste Gliederung Roms (1909).

Das Archäologisch-Epigraphische Seminar (1876–1918)

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Abb. 36: Wilhelm Kubitschek (1858–1936). Fotografie.

hatte nach der Promotion an der Universität Wien zunächst als Mittelschullehrer gearbeitet, sich 1887 für Alte Geschichte habilitiert, seit 1890 gemeinsam mit seinem Studienkollegen Emil Szanto für die Kommission für die archäologische Erforschung Kleinasiens der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien gearbeitet, 1896/97 für ein Jahr als außerordentlicher Professor für Römische Altertumskunde an der Universität Graz, seit 1897 als Kustos an den Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses und seit 1910 als Direktor an der Münz- und Medaillensammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien sowie daneben als zunächst unbesoldeter (erst seit 1904 als besoldeter) außerordentlicher Professor (seit 1905 mit dem Titel eines ordentlichen Professors) für Römische Altertumskunde und Epigraphik mit einem Lehrauftrag für Numismatik an der Universität Wien gewirkt. Auch nach seiner 1929 erfolgten Emeritierung zog sich der vielseitige Gelehrte nicht völlig von

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seiner Lehrtätigkeit zurück, Kubitschek hielt vielmehr auch weiterhin Lehrveranstaltungen über antike Numismatik und Wirtschaftsgeschichte.470

Abb. 37: Emil Szanto (1857–1904). Fotografie, um 1905.

Ebenfalls 1916 wurde der in Prag geborene Adolf Bauer (1855–1919), der sich 1880 an der Universität Graz für die Geschichte des Altertums habilitiert hatte und dort 1884 zum außerordentlichen und 1891 zum ordentlichen Professor für Allgemeine Geschichte des Altertums und Altertumskunde ernannt worden war, als Professor für Alte Geschichte an das Historische Seminar der Universität Wien berufen, an dem auf seinen Wunsch eine eigene Abteilung für Geschichte des Altertums eingerichtet wurde. Bereits im Wintersemester 1917/18 erlitt der

470 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 74–83; Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 334. – H a u p t w e r k e Wi l h e l m Ku b i t s c h e k s : De Romanarum tribuum origine ac propagatione (1882); Imperium Romanum tributim discriptum (1889); Die Kalenderbücher von Florenz, Rom und Leyden (1915); Zur Geschichte von Städten des römischen Kaiserreiches. Epigraphisch-numismatische Studien, Bd. 1 (1916); Artikel in Pauly-Wissowas Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft: »Itinerarien« (1916) und »Karten« (1919); Itinerarstudien (1919); (gemeinsam mit S. Frankfurter :) Führer durch Carnuntum (1891, 61923); Grundriß der antiken Zeitrechnung (1928); Ältere Berichte über den römischen Limes in Pannonien (1929); Zur Abfolge der Prägungen der Kaiser Marcus und Verus (1932); Studien zur Geographie des Ptolemäus, Bd. 1: Die Ländergrenzen (1934).

Das Archäologisch-Epigraphische Seminar (1876–1918)

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Abb. 38: Adolf Wilhelm (1864–1950). Fotografie.

noch in der Tradition der Universalgeschichte stehende Bauer einen Schlaganfall, an dessen Folgen er 1919 gestorben ist.471 Mit der Ernennung des gebürtigen Wieners Emil Szanto (1857–1904), der sich 1887 als Schüler Hirschfelds und Bormanns an der Universität Wien habilitiert hatte, zum außerordentlichen Professor für Griechische Geschichte und Altertumskunde im Jahr 1893 und zum Ordinarius der Klassischen Altertumswissenschaften im Jahr 1901 kam »es in Wien erstmals zu jener Ressortteilung zwischen griechischer und römischer Geschichte, die formal bis heute Bestand hat«.472 Gemeinsam mit Ludo Moritz Hartmann, Carl Grünberg und Stephan Bauer gründete Szanto 1893 die Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte, aus deren Redaktion er und Grünberg aber bereits 1894 wieder aus471 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 67–73; Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 332. 472 Weiler, Alte Geschichte, Klassische Archäologie und Altertumskunde, S. 99. Vgl. insbesondere Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 51–57. – H a u p t w e r k e E m i l S z a n t o s : Untersuchungen über das attische Bürgerrecht (1881); Das griechische Bürgerrecht (1892); Die griechischen Phylen (1901).

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schieden.473 Nach Szantos frühem Tod wurde de facto Adolf Wilhelm (1864– 1950) sein Nachfolger, der sich 1894 mit seinen überwiegend der griechischen Epigraphik gewidmeten Schriften für Griechische Altertumskunde und Epigraphik habilitiert hatte. Obwohl er sich damals seit Jahren nicht in Österreich, sondern als Sekretär des 1898 gegründeten Österreichischen Archäologischen Instituts zu Forschungszwecken in Griechenland aufhielt, wo er unter anderem die Inschriftensammlung des Nationalmuseums in Athen ordnete, wurde Wilhelm 1904 zum Titular-Extraordinarius für Griechische Altertumskunde und Epigraphik an der Universität Wien ernannt. 1905 erfolgte unter Beibehaltung seines Nominalfaches seine Ernennung zum Extraordinarius und 1912 ad personam zum Ordinarius.474

2.5. Das Seminar für Osteuropäische Geschichte (1907–1918) An der Tschechischen (»Böhmischen«) Universität Prag wurde bereits 1884, zwei Jahre nach der Teilung der Prager Universität, mit der Ernennung Konstantin Jirecˇeks (1854–1918), eines in Wien geborenen Tschechen, der sich 1877 an der damals noch ungeteilten Prager Universität für Geographie und Geschichte Südosteuropas habilitiert hatte, zum Ordinarius der Allgemeinen Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Slawen und der Balkanhalbinsel eine Professur für die Geschichte Ost- und Südosteuropas geschaffen.475 1893 wurde für Jirecˇek – neben jenem Vatroslav (von) Jagic´s476 und auf dessen Bemühungen hin – ein zweites Ordinariat für Slawische Philologie und Altertumskunde am Seminar für Slawische Philologie der Universität Wien errichtet, aber erst 1907 wurde das Seminar für Osteuropäische Geschichte gegründet.477 Besonders großes Gewicht legte Jirecˇek in seinen Vorlesungen und 473 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 54. 474 Ebd., S. 58–66; Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 333. – H a u p t w e r k e A d o l f Wi l h e l m s : Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde (1909); Attische Urkunden, 5 Bde. (1911–1942); Neue Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde, 5 Bde. (1911–1932); Griechische Königsbriefe (1943); Griechische Epigramme aus Kreta (1950); Griechische Epigramme. Aus dem Nachlaß hrsg. von H. Engelmann und K. Wundsam (1980). 475 Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 29 und 55; Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 523. – Konstantin Jirecˇek wurde 1854 als Sohn eines hohen Ministerialbeamten des Ministeriums für Cultus und Unterricht und Literaturhistorikers und einer Tochter des Mitbegründers der wissenschaftlichen Slawistik Pavel Jozef Sˇaf#rik sowie als Neffe des bedeutenden Rechtshistorikers Hermenegild Jirecˇek in Wien in einen polyglotten Gelehrtenhaushalt hineingeboren. Leitsch, Constantin Jirecek, S. 1f. – Zu Jirecˇeks Prager Jahren siehe Kazbunda, Stolice deˇjin, Teil 2, S. 225–233, und Teil 3, S. 41– 47, 141–148 und passim. 476 Vgl. Jagoditsch, Die Lehrkanzel für slavische Philologie, S. 25–35. 477 Dazu und zum Folgenden grundlegend Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische

Das Seminar für Osteuropäische Geschichte (1907–1918)

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Seminarübungen auf die Quellenkunde zur Geschichte Südosteuropas, wobei er sich aber auf die mittelalterliche Geschichte beschränkte.478 Er blieb, der Denomination seiner Professur zum Trotz, auch in Wien in erster Linie Historiker und Balkanspezialist. Von 1907 bis zu seinem Tod 1918 war er Vorstand des neu geschaffenen Seminars für Osteuropäische Geschichte, das Ministerium lehnte eine Umwidmung seines Lehrstuhls auf Osteuropäische Geschichte aber wiederholt ab. Bis zu seinem Tod kündigte Jirecˇek seine – ausschließlich historischen – Lehrveranstaltungen im Vorlesungsverzeichnis im Abschnitt »Slavische Philologie« an.479 Die Gründung des Seminars für Osteuropäische Geschichte war ebenso wie die Schaffung eines auch so benannten Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte »ein Resultat von Aktivitäten nicht des offiziellen Repräsentanten der Disziplin, sondern anderer Akteure«.480 Jirecˇek war an der Gründung nicht initiativ beteiligt. Diese kam in erster Linie auf Betreiben eines Nicht-Ordinarius zustande, nämlich des außerordentlich agilen und bis in höchste politische und gesellschaftliche Kreise bestens »vernetzten«, erst im Jahr vor der Gründung des Seminars habilitierten, aus Klagenfurt stammenden Privatdozenten Hans Uebersberger (1877–1962), eines Spezialisten für die neuzeitliche russische und polnische Geschichte.481 Eine wichtige Rolle in der Vorgeschichte der Gründung des Seminars für Osteuropäische Geschichte spielte Prinz Franz von und zu Liechtenstein (1853– 1938), ein wissenschaftlich und kulturell vielseitig interessierter und als Mäzen tätiger Mann, der in den Jahren 1894 bis 1898 österreichisch-ungarischer Botschafter in Sankt Petersburg war und sich auch nach seiner Abberufung um eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Russland bemühte. Zu diesem Zweck regte er unter anderem die Erforschung der Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten bzw. Höfen sowie die Edition der diesbezüglichen Quellen, insbesondere der Berichte der russischen Vertreter am Wiener Kaiserhof, an und sagte deren Finanzierung aus seinem Privatvermögen zu. Der Unterrichtsminister beauftragte im Februar 1899 Engelbert Mühlbacher, den Direktor des Instituts für Österreichische

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Geschichte, S. 15–101; außerdem Suppan, Wakounig, Kastner (Hrsg.), Osteuropäische Geschichte in Wien; Surman, Habsburg Universities 1848–1918, S. 446f. Leitsch, Constantin Jirecek, S. 8f. Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 19 und 60. – H a u p t w e r k e Ko n s t a n t i n J i r e cˇ e k s (in Auswahl): Geschichte der Bulgaren (1876); Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien (1912–1919); Geschichte der Serben, 2 Bde. (1911 und 1918; unvollendet; Bd. 1: Bis 1371, Bd. 2: 1371–1537). Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 361. Zu Uebersberger siehe Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 60– 153; Suppan, Wakounig, Hans Uebersberger ; Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und Anschluß, S. 141–149.

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Abb. 39: Konstantin Jirecˇek (1854–1918). Fotografie.

Geschichtsforschung, damit, für die Durchführung der Editionsarbeit einen geeigneten Mann zu finden, und dieser schlug Hans Uebersberger vor, der soeben (1897–1899) als ordentliches Mitglied den Institutskurs absolvierte. Der Kärntner Uebersberger, dessen Studienschwerpunkt bis dahin in der Kunstgeschichte gelegen war, sprach Slowenisch und begann sogleich mit dem Erlernen des Russischen. Da sich bald herausstellte, dass die Berichte der russischen Diplomaten vom Kaiserhof von den Anfängen bis zum Jahr 1699 bereits ediert worden waren, verlegte sich Uebersberger auf die Darstellung der russischösterreichischen Beziehungen, und mit der daraus entstehenden, die Zeit von 1488 bis 1605 behandelnden Monographie habilitierte er sich, wie bereits erwähnt, 1906 an der Universität Wien für Osteuropäische Geschichte. Prinz Liechtenstein finanzierte nicht nur jahrelang Uebersbergers Forschungen, sondern auch den Ankauf der etwa 10.000 Bände umfassenden Bibliothek des russischen Historikers Vasilij Alekseevicˇ Bil’basov (1838–1904), die zum wich-

Das Seminar für Osteuropäische Geschichte (1907–1918)

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Abb. 40: Hans Uebersberger (1877–1962). Fotografie.

tigsten Grundstock der Bibliothek des neuen Seminars für Osteuropäische Geschichte wurde.482 Uebersberger wurde 1910 zum Extraordinarius und 1915 zum (de facto zweiten) Ordinarius für Osteuropäische Geschichte ernannt. 1910 war der rasche Aufstieg des Shootingstars zum ordentlichen Professor noch am energischen Widerstand der drei einflussreichen »IfÖG-Ordinarien« Oswald Redlich, Emil von Ottenthal und Alfons Dopsch gescheitert. Uebersbergers Beförderung zum Ordinarius wurde durch den Ruf beschleunigt, den er 1913 auf eine neugeschaffene außerordentliche Professur an der Universität Berlin erhielt.483

482 Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 60–90 und 114–122; Wakounig, Ein Grandseigneur der Diplomatie, S. 46f. und 79. Zur Entwicklung der Seminarbibliothek in den Jahren 1908 bis 1918 siehe Leitsch, Stoy, a. a. O., S. 90–96. 483 H a u p t w e r k e H a n s U e b e r s b e r g e r s : Österreich und Russland seit dem Ende des 15. Jahrhunderts, Bd. 1: Von 1488 bis 1605 (1906); Russlands Orientpolitik in den letzten zwei Jahrhunderten, Bd. 1: Bis zum Frieden von Jassy (1913); Der Saloniki-Prozeß. Deutsche Übersetzung nach dem serbischen Originaltexte nachgeprüft vom Orientalischen Seminar in Berlin, bearb. von Hans Uebersberger (1933); Österreich zwischen Russland und Serbien. Zur südslawischen Frage und der Entstehung des Ersten Weltkrieges (1958). – Vgl. Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 60–153; Suppan,

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Während des Ersten Weltkriegs gehörte Uebersberger, der von 1907 bis 1918 als Beirat (Referent) für Osteuropafragen im österreichisch-ungarischen Außenministerium fungierte, zu den besonders eifrig publizistisch tätigen Wiener Universitätsprofessoren. Er forderte ab dem Frühsommer 1915 in zahlreichen scharf antirussischen und antislawischen Artikeln in der Neuen Freien Presse große Gebietsabtretungen Russlands (die baltischen Provinzen, Polen und die Ukraine) zugunsten der Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn.484 Schon im Herbst 1914 äußerte sich Uebersberger gesprächsweise, es werde – zur Sicherung der Vormachtstellung der Deutschen in der westlichen Reichshälfte des habsburgischen Vielvölkerstaates angesichts angeblicher panslawistischer Bestrebungen – »nichts anderes übrig [bleiben], als nach dem Frieden[sschluss] eine Art Militärdiktatur« zu errichten.485 Nach der Auflösung der Habsburgermonarchie begrüßte Uebersberger deren Ende ebenso entschieden wie den »Zusammenschluß Deutsch-Österreichs mit dem deutschen Mutterreiche«, also den »Anschluss« an Deutschland. Endlich sei Österreich von seiner »slawischen Fessel« befreit und seien die Deutschen Österreichs der »undankbaren Aufgabe ledig, den einigenden Kitt für das Habsburgerreich bilden zu müssen«, schrieb er um die Jahreswende 1918/19.486

2.6. Die Anfänge des Frauenstudiums In den meisten Staaten Europas wurden Frauen in den Jahren zwischen etwa 1870 und 1895 zum Universitätsstudium zugelassen. In Österreich hingegen, also in der westlichen Reichshälfte Österreich-Ungarns, wurden Frauen erst 1897 – nach langen, sehr kontroversiellen Debatten487 – die Pforten der philosophischen Fakultäten geöffnet; erst 1900 folgten die medizinischen und 1919 die juridischen Fakultäten.488 Im Königreich Ungarn war Frauen das Studium an

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Wakounig, Hans Uebersberger; Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und Anschluß, S. 141–149. Ramhardter, Geschichtswissenschaft und Patriotismus, S. 51f., 110–115 und passim. Zitiert nach ebd., S. 101. Zitiert nach ebd., S. 117f. – Vgl. auch Scheutz, »Frontangst«, »Frontrisiko« und »Frontdrang«, der darauf aufmerksam macht, dass in der Korrespondenz der Historiker Heinrich Ritter von Srbik, Wilhelm Bauer und Hans Hirsch während des Ersten Weltkriegs »kaum politische Fragen oder Überlegungen zu einer allfälligen Zukunftsgestaltung der durch Nationalitätenkonflikte geprägten Monarchie« behandelt werden und dass darin »die übliche professorale Kriegspublizistik […] keinen Platz« fand (S. 97f.). Mit Verordnung vom 6. Mai 1878 hatte der Minister für Kultus und Unterricht sehr restriktive Bedingungen für die ausnahmsweise (»in ganz seltenen Fällen«) Zulassung von Frauen zu Universitätsvorlesungen festgelegt. Beck von Mannagetta, von Kelle (Hrsg.), Die österreichischen Universitätsgesetze, Nr. 458, S. 562–564. Heindl, Zur Entwicklung des Frauenstudiums, S. 17f.

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den philosophischen und medizinischen Fakultäten der Universitäten Budapest und Klausenburg (Cluj-Napoca, Kolozsv#r) immerhin bereits 1896 erlaubt worden.489 Im April 1890 und neuerlich im November 1891 legte der jungtschechische Abgeordnete Karel Ad#mek490 im Abgeordnetenhaus des Österreichischen Reichsrats eine Resolution mit der zentralen Forderung an die k. k. Regierung vor, »baldigst das Geeignete veranlassen zu wollen, damit an den medicinischen und philosophischen Facultäten der österreichischen Hochschulen auch weibliche Hörer eingeschrieben werden können«.491 Im Februar 1893, also mit einiger Verzögerung, ersuchte der Reichsrat die österreichischen Universitäten um Gutachten in dieser damals auch innerhalb der Professorenschaft heftig umstrittenen Frage. Schließlich wurde das Dekanat der Philosophischen Fakultät der Universität Wien am 5. Februar 1897 vom Minister für Kultus und Unterricht ersucht, »das Professorencollegium einzuladen, die Frage in Berathung zu ziehen, ob und eventuell unter welchen Modalitäten Frauen sowohl als ordentliche als [auch als] außerordentliche Hörerinnen an den philosophischen Fakultäten zugelassen werden könnten«.492 Dekan Alfons Huber, Professor für Österreichische Geschichte, setzte daraufhin unverzüglich eine aus ihm selbst und acht bzw. sieben493 weiteren Professoren bestehende Kommission ein. Diese trat am 19. Februar 1897 zusammen.494 Max Büdinger, Professor für Allgemeine Geschichte, sprach sich anfangs grundsätzlich gegen die Zulassung von Frauen zu den philosophischen Vorlesungen aus, »weil er [damit] in der Schweiz [d. h. in seiner Zeit als Professor an der Universität Zürich; Th.W.] keine angenehmen Erfahrungen gemacht habe«. Im weiteren Verlauf der Diskussion wies er noch einmal auf negative Erfahrungen hin, »die er mit nicht genügend gebildeten Frauen in Zürich gemacht habe«, und sprach sich »nur für Zulassung mit bestimmtem Zeugnisse« aus. Ernst Mach, seit 1895 Professor für Philosophie (insbesondere Geschichte der induktiven Wissenschaften) an der Universität Wien, plädierte hingegen für die Zulassung von Frauen »unter denselben Bedingungen, unter denen Männer zugelassen werden, die Strömung lasse sich nicht mehr aufhalten«. Friedrich Jodl, seit 1896 Ordinarius für Philosophie, 489 Lind, Frauenstudium, S. 67f. 490 Karel Ad#mek (1840–1918), geboren und gestorben in Hlinsko, Bezirk Chrudim, in Ostböhmen, Textilfabrikant, Schriftsteller und Politiker, 1879 bis 1900 Mitglied des Abgeordnetenhauses, seit 1907 Mitglied des Herrenhauses des Reichsrats. Adlgasser, Die Mitglieder der österreichischen Zentralparlamente, S. 11; Miloslav Martínek, Karel Ad#mek. In: Biograficky´ slovn&k cˇesky´ch zem&, Bd. 1, S. 33f. 491 Lind, Frauenstudium, S. 51, und Friedrich (Margret), Paradies, S. 137. 492 Archiv der Universität Wien, Philosophische Fakultät, Akten, Nr. 739 ex 1896/97. 493 Eduard Suess musste sich für die einzige abgehaltene Kommissionssitzung entschuldigen. Ebd. 494 Ebd. Vgl. auch Lind, Frauenstudium, S. 52–55.

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schloss sich, unter Hinweis auf die meisten Länder Europas, Mach vollinhaltlich an, und auch der Physiker Franz Serafin Exner (d. J.) war derselben Ansicht. Die Kommission empfahl dem Professorenkollegium schließlich einstimmig »zur Beschlussfassung und eventuellen Antragstellung an das hohe Ministerium«, »Frauen, welche das Maturitätszeugniss eines österreichischen oder [eines] den österreichischen gleichstehenden Gymnasiums vorlegen, […] die Immatrikulation als ordentliche Hörer zu gewähren«, womit »alle die Rechte verbunden [sein sollten], welche den ordentlichen Universitätshörern gesetzlich zustehen«. Mit knapper Stimmenmehrheit (4 : 3) regte die Kommission (zweitens) an, »Frauen, welche kein oder kein genügendes Maturitätszeugniss besitzen, […] die Inscription als außerordentliche Hörer dann zu gewähren, wenn sie den Ernst einer auf wirkliches Studium gerichteten Absicht durch die Inscription auf mindestens zehn Vorlesungen darthun und nachdem außerdem eine Prüfung ihrer Vorbildung durch den Decan und die Genehmigung des Vorlesungsbesuches seitens der Docenten, welche die Bewerberin zu hören wünscht, stattgefunden hat«.495

In dem von Friedrich Jodl verfassten Kommissionsbericht werden die Empfehlungen unter anderem damit begründet, dass schon derzeit »von studierenden Frauen auf den verschiedensten Gebieten der geistigen Thätigkeit, zu welcher die Universität vorbereiten will, beachtenswerthe Erfolge zu verzeichnen sind«. Die in der Diskussion geäußerten Bedenken einiger Kommissionsmitglieder »erschienen der Mehrheit der Commission doch nicht als durchgreifend genug, um angesichts des Vorganges sovieler anderer Culturländer, angesichts des durch die ganze heutige Frauenwelt gehenden starken Zuges nach Erweiterung und Vertiefung ihrer Bildung, angesichts der ungeheueren Bedeutung, welche die Hebung des intellektuellen Niveaus der Frauenwelt für eine befriedigende Lösung der wichtigsten socialen und politischen Probleme besitzt, einfach das Verharren auf dem Status quo zu rechtfertigen, welcher den Besuch von Universitäts-Vorträgen durch Frauen zu einer reinen Gnadensache macht«.496

In der Sitzung des Professorenkollegiums am 26. Februar wurde der erste Antrag fast einstimmig angenommen, der zweite mit 19 gegen 17 Stimmen aber nur mit knapper Mehrheit. Am 27. Februar teilte Dekan Huber diese Beschlüsse dem Minister mit.497 Nur einen Monat später wurde die Zulassung von Frauen als ordentliche bzw. außerordentliche Hörerinnen (offiziell: Hörer) an den philosophischen Fakultäten der k. k. Universitäten durch eine am 23. März 1897 erlassene Verordnung des Ministers für Kultus und Unterricht ermöglicht, und zwar weitgehend unter 495 Archiv der Universität Wien, Philosophische Fakultät, Akten, Nr. 739 ex 1896/97. 496 Ebd. 497 Ebd.

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den von der Wiener Professorenkommission empfohlenen Modalitäten.498 Die Immatrikulation war nur den zunächst sehr wenigen Frauen, die »an einem inländischen oder an einem vom Minister für Kultus und Unterricht als gleichwertig anerkannten ausländischen Staatsgymnasium«499 die Reifeprüfung abgelegt hatten, möglich. Nur an den philosophischen Fakultäten wurden Frauen, welche die 1869 eröffnete Lehrerinnenbildungsanstalt in Wien500 »oder eine von jenen Schulen für Mädchen« (gemeint sind insbesondere Mädchenlyzeen501), die nicht mit einer Maturitätsprüfung abschlossen, aber die »der Minister für Kultus und Unterricht hiefür von Fall zu Fall als gleichwertig bezeichnet, mit Erfolg absolviert haben«, als außerordentliche Hörerinnen zugelassen.502 Ordentliche Hörerinnen konnten nach Ablauf der regulären Studienzeit (acht Semester) zum Erwerb des Doktorats der Philosophie zugelassen werden – »nach den Bestimmungen der für die männlichen Studierenden geltenden Rigorosen-Ordnung«.503 Da Österreicherinnen erst seit März 1896 im Inland die Matura ablegen durften, und zwar nur an einigen wenigen, in der betreffenden Verordnung taxativ aufgezählten Gymnasien504, waren anfangs die außerordentlichen Hörerinnen an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien bei weitem in der Überzahl. Im Wintersemester 1897/98 waren 37 von 40 Studentinnen sowie 29 der 32 Studentinnen mit österreichischer Staatsbürgerschaft außerordentliche Hörerinnen, also nur drei ordentliche Hörerinnen.505 1898 wurden 16 junge Frauen, die das 1892 gegründete Wiener Mädchengymnasium506 besucht und am 498 Beck von Mannagetta, von Kelle (Hrsg.), Die österreichischen Universitätsgesetze, Nr. 461, S. 567–569. 499 Ebd., S. 568 (§ 2 lit. c). 500 Lind, Frauenstudium, S. 11. 501 Vgl. etwa die Auszüge aus dem Erlass des Ministers für Kultus und Unterricht vom 11. Dezember 1900 betreffend die Mädchenlyzeen bei Beck von Mannagetta, von Kelle (Hrsg.), Die österreichischen Universitätsgesetze, Nr. 466b, S. 576–581. 502 Beck von Mannagetta, von Kelle (Hrsg.), Die österreichischen Universitätsgesetze, S. 568, Nr. 461 (§ 7). 503 Lind, Frauenstudium, S. 56. 504 Ebd., S. 71f.; Heindl, Zur Entwicklung des Frauenstudiums, S. 24; Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, Sonderreihe, Karton S 114, fol. 12f. und 36f.; Beck von Mannagetta, von Kelle (Hrsg.), Die österreichischen Universitätsgesetze, Nr. 459, S. 564–566. 505 Einer anderen Zählung zufolge waren an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien im Studienjahr 1897/98 drei ordentliche und 31 außerordentliche Studentinnen inskribiert. Je eine der drei ordentlichen Hörerinnen stammte aus Niederösterreich, Mähren und Schlesien, 20 der außerordentlichen Hörerinnen kamen aus Niederösterreich, drei aus Galizien, je zwei aus Mähren und Ungarn und je eine aus Istrien, Krain, Slawonien und Russland. Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, Sonderreihe, Karton S 114, fol. 48. 506 Diese vom (1888 gegründeten) Verein für erweiterte Frauenbildung getragene Privatschule

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Akademischen Gymnasium die Matura abgelegt hatten, als ordentliche Hörerinnen zugelassen, und im Wintersemester 1900/1901 waren immerhin bereits 31 von 118 Studentinnen und 30 der 55 Studentinnen mit österreichischer Staatsbürgerschaft ordentliche Hörerinnen.507 Je vier Väter der 32 im Wintersemester 1897/98 inskribierten Österreicherinnen waren Ärzte, Mittelschullehrer und Offiziere, zwei waren niedere Beamte. Insgesamt dominierten Studentinnen aus dem Bildungsbürgertum sowie aus dem Mittel- und Kleinbürgertum, zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieg auch die Zahl der aus dem Besitzbürgertum stammenden Studentinnen.508 Auffällig ist der hohe und vor dem Ersten Weltkrieg kontinuierlich wachsende Anteil der Studentinnen »mosaischen« Bekenntnisses (im Wintersemester 1897/98 waren es 25 %, im Wintersemester 1907/08 bereits 37,6 %), darunter relativ viele Studentinnen aus Galizien.509 Im Fach Geschichte stieg die Zahl der inländischen Studentinnen von 15 im Wintersemester 1897/98 auf 86 im Wintersemester 1904/05 und 141 im Wintersemester 1908/09.510 Bereits im Laufe des Jahres 1902 legten die ersten vier Studentinnen der Geschichte, die alle im Sommer 1898 am Akademischen Gymnasium in Wien die Matura abgelegt hatten, ihre von Oswald Redlich betreuten Dissertationen vor, als allererste am 25. April 1902 Anna Ogrinz, geboren in Wien, die über das Thema Heinrich Truchsess von Diessenhofen. Sein Leben und seine Schriften gearbeitet hatte, und zwar, wie nicht anders zu erwarten, »streng nach der Methode der Schule des Instituts für österreichische Geschichtsforschung«.511

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durfte zunächst nicht den Namen »Gymnasium« tragen, sondern musste sich »gymnasiale Mädchenschule« nennen. Friedrich (Margret), Paradies, S. 152. »1906 konnten die ersten Maturantinnen an ihrer eigenen Schule die Prüfungen ablegen. Bis dahin war die Maturaprüfung mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen, da die Haltung der Professoren des k. k. Akademischen Gymnasiums in Wien zum Frauenstudium ablehnend bis feindselig war, und die Maturantinnen dies in Form von quälenden Fragen und unverdient schlechten Benotungen zu spüren bekamen. Der Verein empfahl seinen Schülerinnen daher, sich der Prüfung am staatlichen Gymnasium in Graz oder in Prag zu unterziehen.« Ebd., S. 153. Tuma, Studienwahl, S. 80, Tab. 2; Wytek, Statistiken und Graphiken, S. 153; Lind, Frauenstudium, S. 57. Tichy, Soziale Herkunft, S. 94f. Heindl, Die konfessionellen Verhältnisse, bes. S. 145 Tab. 1. Vgl. auch dies., Die Studentinnen der Universität Wien. Tuma, Studienwahl, S. 87, Tab. 9. Es lässt sich nicht eruieren, wieviele davon Geschichte im Hauptfach studierten. Tichy, Soziale Herkunft, S. 95 Anm. 2. Fellner (F.), Frauen, S. 95. – Die drei anderen waren ebenfalls gebürtige Wienerinnen: Isabella Eck[h]ardt (Dissertation: Der Romzug Kaiser Sigismunds [1431–33]), Luise von Czerny (Die Beziehungen Ludwigs des Bayern zu Benedikt XII.) und Gabriele Fischer (Die Briefsammlung des Heinrich v. Isernia). Ebd. und Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, Sonderreihe, Karton S 114, »Verzeichnis über diejenigen Damen, welche an der k. k. Universität Wien zu Doctoren promoviert wurden«, fol. 3r. – Die ersten Studentinnen an der Wiener Philosophischen Fakultät stammten überwiegend »aus dem deutschspra-

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Dass studierende Frauen von nicht wenigen ihrer männlichen Kommilitonen noch im frühen 20. Jahrhundert als Exotinnen wahrgenommen worden sein dürften, demonstriert etwa die kolorierte Federzeichnung (Abb. 41) auf der Rückseite einer Eintrittskarte für das am 18. Januar 1904 im Ballsaal des Variet8s, Konzert- und Ballhauses Ronacher stattfindende, seit 1892 alljährlich vom Akademischen Verein deutscher Historiker in Wien (zu diesem siehe Kapitel 2.7) veranstaltete »akademische Historiker-Kränzchen«. Die Zeichnung ist mit »Melzers Ideal« betitelt – offenbar unter Bezugnahme auf den Geschichtsstudenten Victor Melzer, Mitglied des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien sowie des Komitees, von dem das »Historiker-Kränzchen« ausgerichtet wurde, der die Karte eigenhändig unterschrieben hatte.512 In das Historische Seminar wurden erst mehr als zwei Jahrzehnte nach der grundsätzlichen Zulassung von Frauen als ordentliche Hörerinnen an der Philosophischen Fakultät die ersten Frauen aufgenommen. Die ersten drei Studentinnen, die vom Wintersemester 1920/21 bis zum Wintersemester 1921/22 dem Historischen Seminar als Mitglieder angehörten, waren Maria Lovisoni, Andrea Pigler und Emma Waldhäusl.513 Alle drei scheinen ihr Doktoratsstudium abgeschlossen zu haben, allerdings ist die Dissertation von Andrea Pigler in keiner öffentlichen Bibliothek in Wien vorhanden.514 1928 war Maria Lovisoni, chigen Besitz- und Bildungsbürgertum Niederösterreichs und Mährens«. Cohen, Die Studenten der Wiener Universität, S. 312. Von den 34 »Pionier-Studentinnen« des Wintersemesters 1899/1900 gaben je 44 % als Religionsbekenntnis »römisch-katholisch« und »Mosaisch« an, von der gesamten, weit überwiegend männlichen Studentenschaft der Philosophischen Fakultät waren im gleichen Zeitraum 66,3 % katholisch und 25,2 % »jüdisch«. Ebd., S. 297 (Tab. 4) und S. 313. 512 Victor Melzer, geboren 1881 in Allentsteig im niederösterreichischen Waldviertel, absolvierte von 1903 bis 1905 als außerordentliches Mitglied den »Kurs« am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, trat 1905 seinen Dienst als Praktikant im Adelsarchiv an, wurde 1906 mit der Dissertation Zur älteren Geschichte der Benediktinerklöster Garsten und Gleink (Erstgutachter war Oswald Redlich, Zweitgutachter Emil von Ottenthal) promoviert und erlag noch im selben Jahr einem Lungenleiden. Santifaller, Das Institut für österreichische Geschichtsforschung, S. 128, Nr. 245; Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 346. – Obmann des Komitees war Gustav Adolf Bodenstein (1883–1886), ebenfalls ein Redlich-Dissertant (promoviert 1905) und im Studienjahr 1903/04 Säckelwart (also Kassier) des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien. Bodenstein war seit 1906 im Hofkammerarchiv tätig (ab 1910 als Beamter und von 1916 bis 1923 als provisorischer Leiter), obwohl er kein Absolvent des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung war. Hochedlinger, Österreichische Archivgeschichte, S. 120, 192 u. ö.; Walter, Inventar des Wiener Hofkammerarchivs, S. XXXV. 513 Mitgliederverzeichnis des Historischen Seminars, S. 19f.; Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, Sonderreihe, Karton S 114, GZ 1083 ex 1922/23, Nr. 1036, 1053 und 1153. 514 Maria Lovisonis – handgeschriebene und samt Quellenanhang nur 113 Seiten umfassende – Dissertation mit dem Titel Wolfger von Ellenbrechtskirchen. Bischof von Passau und Patriarch von Aquileia wurde von Oswald Redlich und Alfons Dopsch begutachtet und Ende März 1922 approbiert. Emma Waldhäusl wurde mit einer – maschingeschriebenen und

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Abb. 41: Karikatur zum Thema Frauenstudium. Kolorierte Federzeichnung, 1904.

geboren 1898 in Pula (Pola) in Istrien, Professorin am Mädchen-Reform-Realgymnasium und an der Frauenoberschule in Wien XIII (Hietzing), Andrea Pigler, geboren 1898 in Wien, verheiratete Wittibschlager, wirkte als Professorin am Mädchen-Reform-Realgymnasium in Mödling, und Emma (Emmy) Waldhäusl, geboren 1899 in Pottenbrunn, verheiratete Feiks, war Professorin an der Mädchenmittelschule in Wien XIX (Döbling).515 Der »Kurs« des Instituts für Geschichtsforschung war noch länger als das Historische Seminar eine ausschließliche Männerdomäne. Erst im letzten Jahr der kurzen Vorstandschaft von Oswald Redlich wurde 1929 – und zwar zunächst ausdrücklich nur ausnahmsweise – erstmals eine Frau zugelassen, während Frauen ein reguläres Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien damals bereits seit mehr als 30 Jahren möglich war.516 1911 hatte sich erstmals eine Frau, Baronin Melitta von Winkler (1879– 1946)517, die bei Oswald Redlich dissertiert hatte und 1910 als Praktikantin in das Archiv des Ministeriums des Innern und der Justiz aufgenommen worden war, am Institut für Österreichische Geschichtsforschung zur Ergänzungsprüfung mehr als doppelt so umfangreichen – germanistischen, im Dezember 1922 approbierten Dissertation zu dem Thema Caroline Pichlers Stellung zur zeitgenössischen Literatur mit besonderer Berücksichtigung ihrer Novellendichtung promoviert. 515 Mitgliederverzeichnis des Historischen Seminars, S. 30, 31 und 35. 516 Vgl. u. a. Fellner (F.), Frauen. 517 Siehe die von Katharina Fleissner-Rösler verfasste Kurzbiographie in: Korotin (Hrsg.), biografiA, Bd. 3, S. 3560.

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für den staatlichen Archivdienst angemeldet.518 Sie war vom Institutsvorstand Emil von Ottenthal zunächst abgelehnt worden – mit der Begründung, dass durch die Zulassung von Frauen »die geistige Leistungsfähigkeit des Schülermaterials […] im allgemeinen sicherlich nicht steigen, sondern fallen würde« und dass »das Fortkommen jener strebsamen jungen Männer, welche wesentlich aus wissenschaftlichem Drange sich der […] Ausbildung im Institut widmen«, dadurch erschwert würde, »daß sie die ohnehin dünn gesäten Posten an öffentlichen Archiven noch mit weiblichen Bewerberinnen teilen müßten«. Auf Weisung des Ministeriums für Kultus und Unterricht musste Ottenthal sowohl Melitta von Winkler als auch in den Jahren 1915 und 1918 zwei weitere Frauen – Anna Netoliczka von Baldershofen (1884–1969), die in Graz studiert und dissertiert hatte, und Severa Mendrochowicz (1891–1942)519, wie Winkler eine Dissertantin von Oswald Redlich – zur Ergänzungsprüfung zulassen.520 Die Ergänzungsprüfung für den staatlichen Archivdienst wurde 1927 abgeschafft. Seither stellte in Österreich für Männer und Frauen die Absolvierung des Institutskurses die einzige Möglichkeit für eine künftige Laufbahn im höheren Archivdienst in einem staatlichen Archiv dar. Als erste Frau absolvierte von 1929 bis 1931 Hertha Bittner (1907–1981)521, die Tochter Ludwig Bittners, des da518 Ab 1895 mussten Bewerber – seit 1911 waren es auch Bewerberinnen – um den Höheren Dienst in staatlichen Archiven, die nicht die Staatsprüfung am Institut für Österreichische Geschichtsforschung absolviert hatten, »ihre Kenntnisse in den Historischen Hilfswissenschaften in einer schriftlichen und mündlichen Archivergänzungsprüfung aus Paläographie, Urkundenlehre, Chronologie und Archivkunde unter Beweis stellen. Diese wurde am Institut für Österreichische Geschichtsforschung von einer Prüfungskommission aus Universitätslehrern, einem Archivbeamten und einem Mitglied des Archivrats abgenommen und stand auch Archivaren an nicht-staatlichen Archiven offen.« Hochedlinger, Österreichische Archivgeschichte, S. 339. Der k. k. Archivrat war 1894 als Beratungsorgan beim Ministerium des Innern eingerichtet worden. Siehe ebd., S. 130–133. 519 Kurzbiographie (Autorin: Veronika Pfolz) in: Korotin (Hrsg.), biografiA, Bd. 2, S. 2233f. 520 Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 299f. und 376f.; Fleissner-Rösler, »Im strengen Archivdienste«; dies., Archivarinnen; Mazohl-Wallnig, »Männlicher Geist in weiblicher Gestalt«, S. 157f. – Alphons Lhotsky hat sich 1954 in seiner umfangreichen Institutsgeschichte zu der folgenden Aussage verstiegen: »Ottenthals Bestürzung, die man auf keinen Fall als Schrulle eines alten Weiberfeindes deuten darf, war nur zu berechtigt.« Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 300. Pavel Kol#rˇ hat darauf aufmerksam gemacht, dass Lhotsky in der Institutsgeschichte zum Jahr 1929 »über die Einführung des elektrischen Lichts« berichtet, »über Frauen aber nicht«. Kolárˇ , Nährboden fachlicher Innovation?, S. 112, Anm. 64. – Melitta (von) Winkler »war nach bestandener Ergänzungsprüfung über drei Jahrzehnte eine wichtige Stütze des Archivbetriebs [im Archiv des Innenministeriums], hat Wesentliches für die Prestigepublikation ›Österreichische Zentralverwaltung‹ geleistet und im Sommer 1927 unter Einsatz ihres Lebens versucht, die Vandalisierung des Archivs beim Sturm auf den Justizpalast zu verhindern«. Hochedlinger, Österreichische Archivgeschichte, S. 354. 521 Siehe die von Katharina Fleissner-Rösler verfasste Kurzbiographie von Hertha Gündisch, geb. Bittner, in: Korotin (Hrsg.), biografiA, Bd. 1, S. 1113f.

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maligen Direktors des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, als außerordentliches Mitglied den Institutskurs. Die offizielle Aufnahme von Irmtraut Lindeck-Pozza (1914–2008), der zweiten Frau als Institutsmitglied, erfolgte erst 1935. Den endgültigen Umschwung zur routinemäßigen Zulassung von Frauen zum Institutskurs brachte erst der Zweite Weltkrieg: Den 43. Ausbildungskurs besuchten von 1943 bis 1945 als außerordentliche Mitglieder nicht weniger als acht Frauen.522 Mit Erlass des Ministers für Kultus und Unterricht vom 25. August 1907 wurde bestimmt, dass Frauen an den philosophischen und medizinischen Fakultäten zu Assistenten (die männliche Form hielt sich bis in die 1980er Jahre) bestellt sowie zur Habilitation als Privatdozenten zugelassen werden dürfen.523 Aber erst 1925 habilitierte sich mit Erna Patzelt die erste und für lange Zeit einzige Historikerin an der Universität Wien, und zwar für Geschichte des Mittelalters und Wirtschaftsgeschichte.524

2.7. Der Akademische Verein deutscher Historiker in Wien Die deutschen, d. h. die deutschsprachigen, großteils aus den österreichischen und den böhmischen Ländern stammenden Wiener Geschichtsstudenten waren in den Jahrzehnten um 1900 – vor und nach der Zulassung von Frauen zum Studium – sehr wahrscheinlich mehrheitlich deutschnational, slawenfeindlich, antisemitisch, antisozialistisch und antiklerikal gesinnt. Jedenfalls dürfte diese Aussage auf die Mitglieder des Historischen Seminars und des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung zutreffen.525 Der Anteil der borussischkleindeutsch bzw. alldeutsch orientierten, vom 1871 gegründeten Deutschen Reich begeisterten und dessen langjährigen ersten Reichskanzler Otto von Bismarck enthusiastisch verehrenden Studenten lässt sich allerdings kaum beziffern. 522 Fellner (F.), Frauen, S. 103–106; Fleissner-Rösler, »Im strengen Archivdienste«, S. 44– 79; dies., Archivarinnen, S. 364–373. Von 1929 bis 1945 absolvierten insgesamt 15 Frauen und 103 Männer den Institutskurs. Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 395. 523 Lind, Frauenstudium, S. 76. 524 Ebd., S. 184. Zu Erna Patzelt siehe unten S. 210, 212 und 264f. 525 Vgl. den Bericht, den Eduard Winter, der in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in ˇ esk# L&pa) in Nordböhmen das Gymnasium absolvierte, in seinen LeBöhmisch Leipa (C benserinnerungen gibt: »Unter der deutschen Jugend, die in die zwei Oberschulen des Ortes ging, das […] Obergymnasium und die […] Oberrealschule, herrschte ein übler nationalistischer Geist. Neben der hochmütigen Verachtung der Tschechen, der völkischen Gegner, galt der Kampf auch der römisch-katholischen Kirche, der sozialistischen Arbeiterbewegung und vor allem dem Judentum.« Winter, Mein Leben im Dienst des Völkerverständnisses, S. 13.

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In der zweiten Hälfte des Jahres 1889 gründeten – nach Prager Vorbild – mehrere Mitglieder des Historischen Seminars der Universität Wien mit dem erklärten Ziel der Förderung und Vertiefung der historischen Studien den Akademischen Verein deutscher Historiker in Wien.526 Nach kontroversieller Diskussion des diesbezüglichen Paragraphen im ersten Satzungsentwurf527 wurde in den Satzungen des Vereins – wohl mit damals in erster Linie antitschechischer bzw. allgemein antislawischer, vermutlich aber auch schon mit antisemitischer Stoßrichtung – bestimmt: »Ordentliche und ausserordentliche Mitglieder können nur Deutsche sein.«528 Dr. Walter Boguth, ein Gründungsmitglied des Vereins, erinnerte sich ein Vierteljahrhundert später, im Jahr des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, freudig und stolz an die zur Zeit der Gründung herrschende nationalpolitische Atmosphäre: Die »mächtige nationale [sc. deutschnationale und zum Teil alldeutsche; Th.W.] Bewegung der achtziger Jahre« habe »unter den Deutschen Österreichs, wie überhaupt die akademische Jugend, so auch die jungen Historiker der Wiener Universität ergriffen, ihr Nationalgefühl und ihre nationale Empfindlichkeit erheblich gesteigert«.529 Zu den 39 Gründungsmitgliedern des Vereins gehörten neben Walter Boguth beispielsweise der junge, nachmals berühmte Dr. Alfons Dopsch, der spätere Denkmalschützer und Professor für Kunstgeschichte in Innsbruck und Wien cand. phil. Moriz Dreger, der künftige Direktor des Archivs des Ministeriums des Innern stud. phil. Heinrich Kretschmayr, der spätere kurzzeitige österreichische Staats- und Bundeskanzler Dr. Michael Mayr, der zukünftige Direktor 526 Der »Zweck des Vereines« war laut § 2 der am 30. August 1889 von der Niederösterreichischen Statthalterei approbierten Satzungen »die Pflege der Geschichtswissenschaft mit Ausschluss der Politik unter seinen Mitgliedern und deren geselliger Zusammenschluss«. Ordentliche Mitglieder konnten alle Hörer der Philosophischen Fakultät der Universität Wien werden, außerordentliche Mitglieder die Hörer der anderen Fakultäten und anderer Hochschulen (§ 4). Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat – Sonderreihe, Karton 213, S165.101. 527 Boguth, Die Gründung des akademischen Vereines, S. 4. 528 Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat – Sonderreihe, Karton 213, S165.101, Satzungen des akademischen Vereines deutscher Historiker in Wien (1889), § 5. – Der zunächst national indifferente, 1877 unter dem Namen Akademischer Historiker-Club in Graz gegründete Akademische Verein deutscher Historiker in Graz beschränkte übrigens erst 1898, unter dem Eindruck des eskalierenden Kampfes gegen die sogenannten Badenischen Sprachenverordnungen für Böhmen und Mähren, die Aufnahme auf »Universitätshörer deutscher Abstammung«. Cerwinka, Der Akademische Verein deutscher Historiker in Graz, S. 98. Nach dem Zeugnis eines Beteiligten wurde aber bereits »in den ersten neunziger Jahren […] die Aufnahme in den Verein von arischer Abstammung und deutschnationaler Gesinnung abhängig gemacht«. Zitiert nach ebd., S. 99, Anm. 15. 529 Boguth, Die Gründung des akademischen Vereines, S. 4. – »Die Ausschußmitglieder gehörten teils dem Institut für österr. Geschichtsforschung, teils dem historischen Seminare an und die nächste wohltätige Wirkung der neuen Vereinsgründung war, daß zwischen Institut und Seminar wieder ein engeres Einvernehmen hergestellt wurde, das in den früheren Jahren bedauerlicherweise gefehlt hatte.« Ebd., S. 5.

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des Niederösterreichischen Landesarchivs Dr. Max Vancsa, der spätere Direktor des Archivs und der Bibliothek des Finanzministeriums Dr. Viktor Hofmann von Wellenhof und der künftige Direktor der Staatsrealschule im dritten Wiener Gemeindebezirk und prominente Schulbuchautor (u. a. Lehrbuch der Geschichte der Neuzeit für die oberen Klassen der Gymnasien, erste Auflage 1907) Dr. Karl Woynar.530 Die Vereinsarbeit konzentrierte sich auf zunächst monatliche, meist auch von Professoren – besonders häufig, wie es scheint, von Alfons Huber, Max Büdinger, Engelbert Mühlbacher, Oswald Redlich, der dem Verein viele Jahre in jeder Hinsicht mit Rat und Tat zur Seite stand531, und Alfons Dopsch – besuchte Vereinsabende mit wissenschaftlichen Vorträgen »im Locale des historischen Seminars«532, auf wissenschaftliche Exkursionen (beispielsweise in das Stift Klosterneuburg oder auf die Burg Kreuzenstein), den gemeinsamen Besuch fachwissenschaftlicher Veranstaltungen, Ausstellungen (z. B. des Hagenbundes) und Museen (u. a. des Museums für Kunst und Industrie, des heutigen Museums für Angewandte Kunst), die Schaffung und kontinuierliche Erweiterung (durch Ankauf und Schriftentausch) einer Bibliothek sowie die Herausgabe von Jahresberichten, in denen, wenn es die aktuelle Finanzlage erlaubte, auch (aus Vorträgen hervorgegangene) Abhandlungen publiziert wurden. Der Geselligkeit dienten die nach den wissenschaftlichen Vorträgen – nach dem Vorbild »farbentragender« (deutschnationaler) Burschenschaften533 (ehemalige studierende

530 Academischer Verein deutscher Historiker in Wien, Bericht über das I. Vereinsjahr (1889– 1890) (Wien 1890), S. 3 und 8. Vgl. auch Kirchshofer, Geschichte des philologischhistorischen Seminars, Anhang, S. 30–33. 531 In der Vollversammlung des Vereins am 5. November 1912, während des Rektoratsjahres Oswald Redlichs, bemerkte der Alte Herr Dr. Lothar Gross, der spätere Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, »daß Prof. Redlich unserem Vereine schon so nahe verbunden sei, daß dies inniger nicht mehr möglich sei«. Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hofund Staatsarchiv, Nachlass Fritz Fellner, Karton 84, Nr. 2, Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1912–1925), Protokoll der erwähnten Vollversammlung. 532 Goll, Zum fünfundzwanzigsten Semester, S. 26. – Der folgende, auf den Akademischen Verein deutscher Historiker in Graz gemünzte Satz trifft sehr wahrscheinlich auch auf sein Wiener Pendant zu: »Sein kontinuierlichstes Element lag in der Vermittlung einer über den Seminarrahmen [sc. den Rahmen der Lehrveranstaltungen am Historischen Seminar ; Th.W.] hinausgehenden, für beide Teile ersprießlichen Bindung von Professoren und Studenten.« Cerwinka, Der Akademische Verein deutscher Historiker in Graz, S. 110. 533 Vgl. die Schilderung des Festkommerses am Abend des 1. März 1902 im Hotel »Zur Goldenen Birne« im Anschluss an die Feier des 25. Semesters des Vereins, bei dem unter anderem »die Klänge der ›Wacht am Rhein‹ […] den Saal […] durchbrausten«: Goll, Die Feier, das Zitat auf S. 30. (Das Lied Die Wacht am Rhein war ab 1871 neben Heil Dir im Siegerkranz die inoffizielle Nationalhymne des Deutschen Reichs und in der Habsburgermonarchie ein Schibboleth der Deutschnationalen. Siehe z. B. Drobesch, Der Deutsche Schulverein, S. 198.)

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Mitglieder konnten dem Verein wie bei diesen seit dem Studienjahr 1895/96 als Alte Herren erhalten bleiben534) – veranstalteten Kneipen: »Hier bei feuchtfröhlichem Thun lernten sich die Mitglieder näher kennen, und ein freundschaftliches, brüderliches Verhältnis griff unter ihnen platz. […] Von grosser Bedeutung nicht nur für die Pflege der Geselligkeit und die gesellschaftliche Stellung, sondern vor allem für das Vereinsvermögen war das akademische Historikerkränzchen, das am 15. Februar 1892, im dritten Vereinsjahre, ins Leben trat. […] Mit dem Kränzchen kamen die Frühlingsausflüge [z. B. in die Wachau; Th.W.] als beliebte Veranstaltungen des Vereines in Aufschwung.«535

1892 trat der Verein dem (Kartell-)Verband historischer Vereine an deutschen Hochschulen bei. In den Studienjahren 1893/94 und 1899/1900 führte er die Geschäfte des Verbandes als »Vorort«.536 Im Vorsitzjahr 1899/1900 wurden der Verein deutscher Historiker in Prag und der Akademische Historikerclub in Innsbruck in den Verband aufgenommen.537 In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg fanden bereits jede zweite Woche – nicht selten auch ohne vorhergehenden Vortrag – Kneipen statt, »auf denen«, wie es im Bericht des Obmanns über das Vereinsjahr 1907/08 heißt, »alter studentischer Frohsinn stets zu seinem Recht kam«, und bei denen die Teilnehmer auch ihrer »bedrängten Volksgenossen nicht vergaßen«.538 Spätestens seit 1912/13539 war jedes Mitglied verpflichtet, mindestens einem (deutschen bzw. deutschnationalen) »Schutzverein«540 anzugehören, also zum Beispiel dem 1880 gegründeten Deutschen 534 Laut den im November 1895 approbierten geänderten Satzungen umfasste der Verein »ordentliche und ausserordentliche Mitglieder und ›alte Herren‹«. In den einmal jährlich stattfindenden Vollversammlungen hatten die Alten Herren »nur eine beratende Stimme«. Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat – Sonderreihe, Karton 213, S165.101, Satzungen des akademischen Vereines deutscher Historiker in Wien (1895), §§ 4 und 7a. 535 Goll, Zum fünfundzwanzigsten Semester, S. 22f. – Im März 1902 hatte der Verein 115 Mitglieder (57 ordentliche Mitglieder, 52 Alte Herren und sechs außerordentliche Mitglieder), rund dreimal so viele wie im ersten Vereinsjahr. Ebd., S. 23. 536 Ebd., S. 24. 537 Stiglmayer, Allgemeiner Bericht für 1899/1900. 538 Hiller, Vereinsjahr 1907/08, S. 32. – Im Februar 1907 beschloss der Vereinsausschuss, »ein ständiges Kneiplokal zu beschaffen, alle 14 Tage eine Kneipe zu veranstalten und ein Kneipbuch einzuführen«. Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Nachlass Fritz Fellner, Karton 84, Nr. 2, Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1906–1912), Protokoll der Ausschusssitzung am 14. Februar 1907. 539 In der Ausschusssitzung am 13. November 1912 stellte Rudolf Wolkan (jun.) den (offenbar angenommenen) Antrag, »bei Mitgliederaufnahmen die Zugehörigkeit zu Schutzvereinen zu verlangen und diesen Punkt in den Aufnahmsformularen wieder [!] einzusetzen«. Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1912–1925) (wie Anm. 531). 540 Pieter Judson hat treffend konstatiert: »Die Vorstellung, die Schutzvereine existierten, um Nationen zu beschützen, geht […] von irrigen Voraussetzungen aus. Eigentlich engagierten

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Schulverein, dem Deutschen Böhmerwaldbund (gegr. 1884), dem Bund der Deutschen Nordmährens (gegr. 1886), dem Verein »Südmark« (gegr. 1889)541 oder dem Bund der Deutschen in Böhmen (gegr. 1894)542. Der Akademische Verein deutscher Historiker in Wien veranstaltete selbst regelmäßig Sammlungen zugunsten dieser chauvinistischen »Schutzvereine«.543 Über das Vereinsjahr 1908/09 konnte der Obmann unter anderem berichten: »Seiner nationalen Pflichten eingedenk, hat der Verein durch Sammlung auf den Kneipen, Verwendung von Wehrschatzmarken usw. nach Kräften die Schutzvereine unterstützt, er gehört dem Rede- und Leseverein ›Germania‹ an [zu diesem siehe weiter unten] und hat es nie verabsäumt, soweit dies im Rahmen eines Fachvereines möglich ist, seine Mitglieder auf die Wichtigkeit der nationalen Arbeit hinzuweisen und ihnen dabei an die Hand zu gehen.«544

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sich die Schutzvereine, um eine ganz bestimmte Art von Nation zu schaffen, um eine nationale Gesellschaft aufzubauen und das nationale Bewusstsein im Alltag einer bestimmten Bevölkerung zu verankern.« Judson, Schutzvereine, S. 7. Vgl. ausführlicher ders., Guardians of the Nation, und ders., Exclusive Revolutionaries. – »Die deutschen Nationalisten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs nahmen […] eine doppelte Vorkämpferrolle ein. Nicht nur auf gesellschaftlicher, sondern auch auf einer ethnogeographischen und geostrategischen Ebene sahen sie sich als Vorkämpfer für das gesamte Deutschtum, indem sie das ihre verteidigten. Besonders unter deutschösterreichischen nationalen Aktivisten wurde diese Selbstwahrnehmung als ins Feindesland hineinragender, vorgelagerter Außenposten des Deutschtums intensiv gepflegt. Sie lag vor allem den nationalen Schutzvereinen zugrunde.« Schmid (J.), Im Geiste Bismarcks, S. 38. Vgl. auch Höbelt, Kornblume und Kaiseradler, S. 66–72. Vgl. z. B. Schmid (J.), Im Geiste Bismarcks. Bei der Eröffnungskneipe im Wintersemester 1908/09 beispielsweise wurde »für den Bund der Deutschen in Böhmen gesammelt«, desgleichen bei der Julkneipe im Dezember 1908. Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1906–1912) (wie Anm. 538), Protokolle der Ausschusssitzungen am 4. und am 30. November 1908. Hiller, Vereinsjahr 1907/08, S. 32. – Die Vollversammlung des Grazer Schwestervereins beschloss 1903, dass jedes Mitglied dazu verpflichtet sei, der Ortsgruppe nicht farbentragender Studenten des Deutschen Schulvereins beizutreten. »1906 wurde berichtet, daß jedes Mitglied zwei nationalen Schutzvereinen angehöre und daß bei jeder größeren Veranstaltung [des Vereins] Sammlungen für diese Vereine durchgeführt werden.« Cerwinka, Der Akademische Verein deutscher Historiker in Graz, S. 105. Grüner, Vereinsjahr 1908/09, S. 34. – Bereits bei der Vollversammlung Anfang November 1908 hatte der Vorsitzende Albert Hiller »auf die stets streng nationale Haltung und Tätigkeit des Vereines« hingewiesen, »die sich sowohl in der Stellungnahme zu allen die Studentenschaft berührenden Fragen wie insbesondere durch die lebhafte Unterstützung nationaler Schutzvereine durch Geldsammlungen bei Kneipen etc. bekundet habe«. Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1906–1912) (wie Anm. 538), Protokoll der Vollversammlung am 5. November 1908. Ähnlich ein Jahr später : »Seiner [nach der Pflege der wissenschaftlichen Tätigkeit; Th.W.] zweiten Pflicht, der Erziehung zur nationalen Arbeit, glaubt der Ausschuß [des Vereins] dadurch gerecht geworden zu sein, daß er darauf sah, daß alle V. M. V. M. [= Vereinsmitglieder] mindestens einem Schutzvereine angehörten, und daß man auch bei fröhlichen Tafelrunden durch Sammlungen, die alle dem Roseggerbausteine der akademischen Fachvereine zugute kamen, unseres Volkes gedachte.« Seidl, Vereinsjahr 1909/10, S. 36.

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Im Januar 1911 nahm der Vereinsausschuss (in heutiger Terminologie: der Vereinsvorstand) den Antrag von Rudolf Wolkan (jun.)545, »auf den Mitgliederlisten zu verzeichnen, welchen Schutzvereinen die einzelnen Mitglieder angehören«, einstimmig an.546 Im November 1912 fasste der Vereinsausschuss einstimmig den Beschluss, »wissenschaftliche Besprechungsabende einzuführen, an denen jüngere Semester über leichte Themen in freier Rede Vorträge halten und über Neuerscheinungen in der Literatur Bericht erstatten«. Die Leitung dieser Besprechungsabende übernahm zunächst das Gründungsmitglied Dr. Walter Boguth.547 Zwei Wochen später beschloss der Ausschuss, dafür in jedem Semester einen Leiter einzusetzen, einen bestimmten (Wochen-)Tag und eine Mindestanzahl festzulegen sowie in diesem Rahmen »methodische Übungen und Repetitorien über Weltgeschichte« abzuhalten.548 Im Februar 1913 wurde der Beschluss gefasst, jeden zweiten Mittwoch »im Hotel Regina gemütliche Abende zu veranstalten, um auf diese Weise den geselligen Verkehr zwischen alten Herr[e]n und Vereinsmitgliedern zu fördern«.549 Seit dem Wintersemester 1927/28 fanden die Ausschusssitzungen nicht mehr ausschließlich im Historischen Seminar, sondern zunehmend auch, ja seit Juli 1930 überwiegend, im Hörsaal des Instituts für Geschichtsforschung statt, in einem Fall (am 14. November 1927) auch im Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte – ein deutliches Indiz dafür, dass dem Verein deutscher Historiker in Wien und dessen Ausschuss keineswegs nur Mitglieder des Historischen Seminars angehörten.550 Der Verein war zumindest in seiner Frühzeit nicht »völkisch«, also rassistisch antisemitisch, ausgerichtet.551 Dafür spricht etwa der Umstand, dass Professor 545 Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Literaturhistoriker und Direktor der Wiener Universitätsbibliothek (1860–1927), bei dem es sich um seinen Vater handeln könnte. 546 Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1906–1912) (wie Anm. 538), Protokoll der Ausschusssitzung am 17. Januar 1911. 547 Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1912–1925) (wie Anm. 531), Protokoll der Ausschusssitzung am 27. November 1912. 548 Ebd., Ausschusssitzung am 11. Dezember 1912. 549 Ebd., Ausschusssitzung am 4. Februar 1913. 550 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Nachlass Fritz Fellner, Karton 84, Nr. 2, Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1924–1932), S. 100, 106, 144, 150 und danach passim. 551 Zur »illiberalen Wende zum akademischen Antisemitismus« in der deutschen Studentenschaft im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts siehe u. a. Jarausch, Deutsche Studenten, S. 82–93. – Als Beispiel für den bereits um 1890 weitverbreiteten antisemitischen »Alltagsrassismus« in studentischen und bildungsbürgerlichen Kreisen siehe etwa die Briefe des 1890 an der Universität Graz mit einer Arbeit über Graf Bernhard von Spanheim (gest. 1256) promovierten Emil Lesiak, eines Mitglieds des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Graz, an Anton Mell, den späteren Direktor des Steiermärkischen Landesarchivs: Roth, Vom »alltäglichen« Antisemitismus.

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Max Büdinger (siehe oben Seite 112–115) einer seiner eifrigsten professoralen Förderer war und in einigen Jahren (jedenfalls 1898, dem Jahr, im dem er seinen 70. Geburtstag feierte, 1900, 1901 und in seinem Todesjahr 1902) auf Ersuchen der Vereinsleitung das Protektorat über das vom Verein veranstaltete »Akademische Historikerkränzchen« übernahm.552 In einer Sitzung des Vereinsausschusses im Dezember 1896 bemerkten die Ausschussmitglieder Dr. Franz Wilhelm und Hans Uebersberger, der spätere Professor für Osteuropäische Geschichte, dass der Verein »in den nationalen Kreisen wegen seines zahmen Auftretens wenig Sympathien habe«. Wilhelm fügte mahnend hinzu, »daß der Verein von seinen Gründern auch zur Hebung des Nationalgefühles gegründet worden sei und ein nationaler Verein sei wie jeder andere nationale Verein, nur trage er keine Farben [d. h. keine Mütze und kein Band; Th.W]«.553 In einer Ausschusssitzung im April 1898 forderte das Ausschussmitglied Robert Olbrich seine Kollegen dazu auf, möglichst zahlreich dem bereits erwähnten Rede- und Leseverein deutscher Hochschüler in Wien »Germania« beizutreten. Obmann Franz Rubasch setzte eigenhändig die folgende Notiz unter die betreffende Stelle im Sitzungsprotokoll: »Solche Bemerkungen […] sind ganz überflüssig.«554 Der – ebenso wie der Wiener Historikerverein nach einem gleichnamigen Prager Vorbild555 – im Februar 1893 von »völkischen« Korporationen (insbesondere den Burschenschaften Olympia, Silesia, Libertas und Bruna-Sudetia) gegründete Rede- und Leseverein deutscher Hochschüler in Wien »Germania« wurde von Beginn an von der österreichischen Regierung polizeilich überwacht, »weil sie hier einen Versuch [Georg] Schönerers vermutete, seinen Anhang unter der Studentenschaft wieder zu befestigen«.556 Nicht zuletzt deshalb, weil die 552 Rubasch, Vereinsjahr 1897/98, S. 4f.; Stiglmayer, Allgemeiner Bericht für 1899/1900, S. 5; Goll, Vereinsjahr 1900/01, S. 8f.; ders., Allgemeiner Bericht für 1901/1902, S. 5f. – Am 14. Mai 1902 veranstaltete der Verein in den Räumen des Historischen Seminars unter Beteiligung des Rektors und zahlreicher Professoren sowie »vieler ehemaliger Schüler des dahingegangenen Forschers« eine Gedenkfeier und Trauerkundgebung für den am 22. Februar verstorbenen Max Büdinger. Die Gedenkrede hielt Alfons Dopsch. Goll, Allgemeiner Bericht für 1901/1902, S. 6f. 553 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Nachlass Fritz Fellner, Karton 84, Nr. 2, Protokollbuch (»Sitzungs-Berichte«) des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1889–1899), Protokoll der Ausschusssitzung am 12. Dezember 1896. 554 Ebd., Ausschusssitzung am 21. April 1898. 555 Die Prager »Germania« war im Mai 1892 von antisemitischen Studenten ins Leben gerufen worden, nachdem sie ein Jahr zuvor eine Abstimmung über die Einführung eines »Arierparagraphen« in die Statuten der »Deutschen Lesehalle« knapp verloren hatten (mit 566 gegen 634 Stimmen). Molisch, Politische Geschichte der deutschen Hochschulen, S. 126f. 556 Ebd., S. 90, und Hein, Studentischer Antisemitismus in Österreich, S. 50. – Siehe die

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»Germania« von Anfang an – nach rassistischen Kriterien definierten – Juden die Aufnahme verweigerte, wurde übrigens im Frühjahr 1895 die Deutschakademische Lese- und Redehalle gegründet, an deren Stelle im Oktober 1907 die Lese- und Redehalle deutscher Studenten in Wien trat.557 Da der Fachverein der Historiker als solcher ohne vorhergehende Statutenänderung nicht der »Germania« beitreten konnte, fasste der Ausschuss im November 1903 den Beschluss, jährlich eine Unterstützungssumme an die »Germania« zu zahlen; »zugleich möge von den Mitgliedern beitreten, wer wolle«.558 Im März 1904 besuchten die Ausschuss- und Vereinsmitglieder offiziell und auf eigene Kosten eine Theateraufführung der »Germania«.559 Im Oktober 1905 teilte der Historikerverein der »Germania« mit, dass er im Fall des korporativen Beitritts jährlich bis zu 50 Kronen beizutragen bereit sei.560 Einen Monat später wurde die angebotene Summe auf 60 Kronen erhöht.561 Im Mai 1909 beschloss der Vereinsausschuss einstimmig, die Mitglieder mittels Anschlags am – vermutlich im oder vor dem Historischen Seminar befindlichen – Vereinskasten »zur regen Agitation für die Germania-Aufführung« aufzufordern.562 Im Oktober desselben Jahres streckte der Obmann dem Verein den Betrag für die Begleichung des vorjährigen Mitgliedsbeitrags für die »Germania« sowie »für eine Loge zur Germaniavorstellung« vor.563 1902 unterstrich der damalige Obmann, die Gründer und alle späteren Mit-

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Satzungen des Lese- und Redevereins »Germania« aus den Jahren 1893, 1896 und 1900: Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat – Sonderreihe, S164, Karton 211, S164.66. – Zu den Vorgängervereinen des Lese- und Redevereins »Germania« – beginnend mit dem 1861 gegründeten und, nach heftigen internen Auseinandersetzungen zwischen schwarzrot-goldenen »Borussophilen« und schwarz-gelben »Österreichern« bzw. »DeutschÖsterreichern«, im Dezember 1870 »wegen Staatsgefährlichkeit« (recte vermutlich »wegen Überschreitung des statutarischen Wirkungsbereiches«) behördlich aufgelösten Akademischen Leseverein – siehe Lesevereine der deutschen Hochschüler, S. 3–57, und Hein, Studentischer Antisemitismus in Österreich, passim. Hein, Studentischer Antisemitismus in Österreich, S. 60f. Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Nachlass Fritz Fellner, Karton 84, Nr. 2, Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1899–1906), unfol., Protokoll der Ausschusssitzung am 21. »Laubriß« (!) 1903. Ebd., Protokoll der Ausschusssitzungen am 20. Februar und 5. März 1904. Ebd., Protokoll der Ausschusssitzung am 18. Oktober 1905. Ebd., Protokoll der Ausschusssitzung am 21. November 1905. Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1906–1912) (wie Anm. 538), Protokoll der Ausschusssitzung am 14. Mai 1909. – Ein Jahrzehnt später wurde beschlossen, »ein schwarzes Brett für Vereinsnachrichten im Innenraum des [Historischen] Seminars anzubringen«. Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1912–1925) (wie Anm. 531), Protokoll der Ausschusssitzung am 6. November 1919. Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1906–1912) (wie Anm. 538), Protokoll der Ausschusssitzung am 13. Oktober 1909. – Im Januar 1907 fasste der Vereinsausschuss einstimmig den Beschluss, dem Deutschen Nationalrat für Wien beizutreten (zunächst für ein Jahr). Ebd., Ausschusssitzung am 16. Januar 1907.

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glieder des Vereins seien Männer, »die sich durch die Liebe zu ihrem deutschen Volke enge verwandt sind, und die das gleiche Streben beseelt, für des deutschen Volkes Ehre und Ruhm ihre ganze Kraft einzusetzen«.564 1905 fasste der Vereinsausschuss den Beschluss, die Vereinsvorträge allgemein zugänglich zu machen, und zwar durch folgenden Zusatz auf den Einladungen: »Deutsche Gäste willkommen!«565 Nicht statutengemäß, aber de facto nahm der Akademische Verein deutscher Historiker in Wien spätestens seit 1911 keine »Nichtarier« als Mitglieder auf und reihte sich damit bereits vor dem Ersten Weltkrieg in die Reihe der völkischnationalen Vereine ein.566 Im Dezember 1910 nahm der Ausschuss einstimmig den Antrag des Bücherwarts Rudolf Wolkan an, dass die Nationale – gemeint ist damit wohl das Aufnahmegesuch mit Angaben zur Person – »die ehrenwörtliche Erklärung der arischen Abkunft enthalten müsse«.567 In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg unterzeichneten die Vereinsfunktionäre Schreiben an Vereinsmitglieder »mit treudeutschem Gruß«.568 Im Juli 1918 regte Vereinsobmann Paul Müller, von 1946 bis zu seinem frühen Tod 1948 außerordentlicher Professor für Neuere Geschichte, an, »den Arierparagraphen […] in unsere Hausordnung« aufzunehmen, »indem daselbst betont werden soll, daß wir unter Deutschen nur Arier verstünden«.569 Im November 1918, kurz nach der Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich, nahm das Ausschussmitglied Karl Lechner, der spätere Direktor des Niederösterreichischen Landesarchivs, im Namen des Historikervereins an der Gründungsversammlung des (völkisch-nationalen) Deutschen Burschenbundes570 teil und berichtete in der nächsten Ausschusssitzung: »[D]er neue Bund, der die frü564 Goll, Zum fünfundzwanzigsten Semester, S. 21f. 565 Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1899–1906) (wie Anm. 558), Protokoll der Ausschusssitzung am 2. März 1905. 566 Bereits 1878 hatte die Wiener Burschenschaft Libertas als erste österreichische studentische Korporation den Arierparagraphen in ihren Statuten verankert. Die anderen schlagenden deutschnationalen Burschenschaften folgten, mit Ausnahme der Arminia, bis zum Sommer 1883. Hein, Studentischer Antisemitismus in Österreich, S. 24–49. »So wurde die Bezeichnung ›Burschenschaft‹ zunächst auf Wiener Boden, bald aber für ganz Österreich der Inbegriff einer völkischen, also nationalen und antisemitischen Korporation.« Ebd., S. 37. 567 Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1906–1912) (wie Anm. 538), Protokoll der Ausschusssitzung am 13. Dezember 1910. 568 Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1912–1925) (wie Anm. 531), Protokoll der Ausschusssitzung am 15. Dezember 1913. 569 Ebd., Protokoll der Ausschusssitzung am 11. Juli 1918. 570 Der Deutsche Burschenbund hatte bereits in seiner Vorbereitungsphase in einer Vertreterversammlung am 6. Februar 1918 »die Durchführung des Kampfes für das deutsche Volkstum in Österreich und hauptsächlich gegen das Judentum und gegen jegliche das deutsche Volkstum verleugnende Internationale als die erste Pflicht der nationalen Studentenschaft« erklärt. Zitiert nach Hein, Studentischer Antisemitismus in Österreich, S. 72.

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heren Deutschösterreicher im weiteren Sinne den Juden gegenüber vereinigen soll, hat seinen Sitz im [D]eutschen Klub in der Johannesgasse.« Nach längerer Debatte wurde immerhin festgehalten: »Der Verein wird sich jeglichem Radikalismus gegenüber [z. B. der Forderung, alle ›nichtdeutschen Professoren‹ von der Universität zu ›entfernen‹ und für immer alle ›nichtdeutschen Studenten‹ von der Wiener Universität auszusperren; Th.W.] kühl verhalten.«571 In Vorbereitung der Vollversammlung am 9. Mai 1919 setzte der Ausschuss einen Punkt »Hausordnung« auf die Tagesordnung, »um die Aufnahme des Arierparagraphen in dieselbe zu bringen, der unseren Statuten fehlt«. Paul Müller stellte in der Vollversammlung den Antrag, Paragraph 1 »unserer Hausordnung« um den Zusatz: »[D]er Verein nimmt prinzipiell nur Arier auf« zu ergänzen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.572 Im Januar 1923 wurden dem Vereinsausschuss zwei Fassungen für die Formulierung des in die – der Vereinsbehörde vorzulegenden – Satzungen des Vereins einzufügenden »Arierparagraphen« vorgelegt. Die erste Variante lautete: »Mitglieder des Vereines können nur diejenigen sein, die arischer Abstammung sind und innerhalb des Vereins keine parteipolitischen Tendenzen verfechten.« Die zweite Variante war deutlich schärfer : »Mitglieder des Vereines können nur diejenigen sein, die arischer Abstammung sind und deutschvölkischer Gesinnung; unter deutschvölkischer Gesinnung verstehen wir eine solche, die in Einheit und Macht des deutschen Volkes letztes Ziel ihres Denkens und Handelns sieht.« Nach längerer Debatte einigte man sich auf die zweite Fassung, »die der Vollversammlung vorgelegt werden soll«.573 Letzteres wurde allerdings, wie es scheint, zunächst unterlassen. Erst in einer am 10. Dezember 1926 im Historischen Seminar abgehaltenen außerordentlichen Vollversammlung beschlossen die Mitglieder des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien – in Anwesenheit der Professoren Hans Hirsch und Oswald Redlich – einstimmig die Einführung des »Arierparagraphen«. Paragraph 5 der Satzungen lautete künftig: »Ordentliche Mitglieder können nur deutsche Arier sein. Ausnahmsweise kann jedoch der Ausschuß den einstimmigen Beschluß fassen, Germanen, die nicht Deutsche sind, als Gäste bzw. ordentliche Mitglieder aufzunehmen.«574 In einer Ausschusssitzung am 2. Februar 1928 berichtete Obmann Dr. Heinrich Kunnert, dass ein gewisser Herr Dedering sich bereit erklärt habe, 571 Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1912–1925) (wie Anm. 531), Protokoll der Ausschusssitzung am 20. November 1918. 572 Ebd., Protokolle der Ausschusssitzung am 3. Mai und der Vollversammlung am 9. Mai 1919. 573 Ebd., Protokoll der Ausschusssitzung am 26. Januar 1923. 574 Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat – Sonderreihe, S164, Karton 211, S164.66, und Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1924–1932) (wie Anm. 550), S. 61f.

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»dem Verein eine Anzahl Bücher rassenkundlichen Inhalts zu überlassen, gegen die Verpflichtung, sie im [Glas-]Kasten des Vereins auszustellen«. Der Ausschuss fasste den Beschluss, »die Bücher auf jeden Fall zu erwerben«.575 In der Ausschusssitzung am 16. November 1931 schlug Obmann Walter Wache, Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und eingefleischter Nationalsozialist, vor, »daß Aufnahmswerber, deren arische Abkunft bezweifelt wird, die Taufscheine der Eltern vorzulegen haben«. In derselben Sitzung wurde unter dem Tagesordnungspunkt »Revision von Aufnahmen« gegen drei weibliche und ein männliches Mitglied der »Verdacht jüdischer Abkunft« geäußert. Im Fall von »Fräulein E. Hecht« galt der Beweis als erbracht, woraufhin sie aus dem Verein ausgeschlossen wurde.576 Seit einer neuerlichen, von einer außerordentlichen Vollversammlung am 1. Juli 1932 einstimmig angenommenen577 Satzungsänderung im Jahr 1932 galten die folgenden Bestimmungen, die deutlich machen, wie wichtig den Vereinsmitgliedern der Ausschluss von »Nichtariern« damals war : »§ 8. Alle Aufnahmswerber haben ein Aufnahmsgesuch einzureichen, das folgenden Satz enthält: ›Ich bekenne mich zum deutschen Volkstum und erkläre ehrenwörtlich, deutscharischer Abkunft zu sein‹. § 9. Für ein neu aufzunehmendes Mitglied müssen zwei ordentliche Mitglieder oder Altmitglieder bürgen; es genügt die Bürgschaft einer Person, wenn diese dem Ausschuss angehört. Bei fehlenden Bürgen genügt auch dokumentarischer Nachweis der deutscharischen Abstammung. § 10. Sollte die arische Abkunft eines Aufnahmswerbers begründeterweise angezweifelt werden, so hat der Aufnahmswerber auf jeden Fall den dokumentarischen Nachweis zu erbringen, dessen Ueberprüfung dem Ausschuss obliegt.«578

Auch Gäste, Förderer, Stifter und Ehrenmitglieder des Vereins konnten nur Männer und Frauen werden, »die deutscharischer Abstammung sind und sich zum deutschen Volkstum bekennen«.579 Für den Wiener Historikerverein galt spätestens seit 1933/34 wohl dasselbe, was der Augenzeuge Albert Massiczek (1916–2001), der 1936 bis 1939 als außerordentliches Mitglied den »Kurs« am Institut für Geschichtsforschung absolvierte, von den deutschnationalen Studenten der Universität Wien im Allgemeinen festhielt: »unter den ›Nationalen‹ waren die Nichtnazis eine sehr kleine Minderheit.«580 575 Protokollbuch (wie vorige Anm.), S. 125. 576 Ebd., S. 169f. Zu Walter Wache vgl. unten S. 241. 577 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Nachlass Fritz Fellner, Karton 84, Nr. 2, Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1932–1936), Protokoll der erwähnten außerordentlichen Vollversammlung. 578 Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat – Sonderreihe, S164, Karton 211, S164.66. 579 Ebd., §§ 4a und 7. 580 Massiczek, Universität Wien März/April 1938, S. 216. – Zu Massiczeks Zeit am Institut für Geschichtsforschung und zu seiner Beziehung zu seinem Kurskollegen Friedrich Heer siehe

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Ende März 1935 wurde die »Umbildung« des Vereins nach Inhalt der in diesen Punkten unveränderten Statuten von der Sicherheitsdirektion des Bundes (also des durch die oktroyierte »Maiverfassung 1934« an die Stelle der Republik Österreich getretenen klerikal-diktatorischen Bundesstaates Österreich) für die bundesunmittelbare Stadt Wien genehmigt (um genau zu sein: »nicht untersagt«). Vorausgegangen waren vertrauliche Erhebungen durch das Polizeikommissariat Wien Innere Stadt, die das Ergebnis zeitigten, dass der Verein (angeblich) »vollkommen unpolitisch« – gemeint wohl: nicht im Sinne der seit Juni 1933 in Österreich verbotenen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) politisch aktiv – war. Er fördere »keine Bestrebungen, die der Pflege des Staats- und Wehrgedanken[s] zuwiderlaufen«, und »sein Verhalten gegenüber der vaterländischen Bewegung« gebe »zu keinem Bedenken Anlass«. In der Evidenz des Polizeipräsidiums sei der Vereinsobmann Dr. Wilhelm Deutsch (ein Srbik-Schüler, geboren 1907 in Wien, seit 1932 Bibliothekar des Historischen Seminars, 1936 bis 1938 Mitarbeiter des Reichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands der NSDAP in Berlin, 1939 Gymnasialprofessor in Wien, 1940 Privatdozent für Allgemeine Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien, 1943 gefallen581) zwar »als Nationalsozialist, als engster Mitarbeiter [Alfred Eduard] Frauenfelds [1929 bis 1934 Gauleiter der NSDAP in Wien; Th.W.] und als Mitglied einer Nat(ional) Soz(ialistischen) Terrorgruppe vorgemerkt«, doch seien die Erhebungen des Polizeikommissariats Landstraße »diesbezüglich ergebnislos« verlaufen. Auffällig, um nicht zu sagen: »verdächtig« im Hinblick auf ein zu vermutendes Naheverhältnis des Vereins zur NSDAP, ist der Umstand, dass alle vier der Behörde zu meldenden Vereinsfunktionäre 1935 entweder evangelisch (AB) oder konfessionslos waren.582 ders., Ich war Nazi, S. 136–138 und 170, sowie ders., Ich habe nur meine Pflicht erfüllt, S. 29–31, 37f., 45–52, 70f., 85f. und passim (S. 30: Auch im Institut »wimmelte es [im Frühjahr 1938; Th.W.] von Uniformen. Die Kollegen waren bei der SA, in der SS oder im [Nationalsozialistischen Deutschen] Studentenbund […]«). 581 Fellner, Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, S. 90. 582 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Archiv der Republik, Bundeskanzleramt, Inneres/Vereinsbüro, Akt XIV-250: Akademischer Verein deutscher Historiker in Wien, Bericht des Bezirks-Polizei-Kommissariats Innere Stadt in Wien vom 15. März 1935 und Nicht-Untersagungs-Bescheid vom 28. Mai 1935 (Abschrift). (Obmann Dr. Wilhelm Deutsch und »Schriftführer« Dr. Magda Koch waren »ev. a.B.«, Obmannstellvertreter Otmar Hirt und »Säckelwart« Dr. Hedwig Rogendorfer »k.l.«.) – Zum engen Naheverhältnis zwischen großen Teilen der Evangelischen Kirche und den (verbotenen) Nationalsozialisten in Österreich während der Regierungsdiktatur der Jahre 1933/34 bis 1938 sowie zumindest in den ersten Monaten nach dem – nicht nur von Bischof Hans Eder herbeigesehnten und begeistert begrüßten – »Anschluss« siehe Schwarz (Gerhard P.), Ständestaat und Evangelische Kirche; Schwarz (K.), Bejahung – Ernüchterung – Verweigerung; ders., Bischof Dr. Hans Eder; Mayr (M.), Evangelisch in Ständestaat und Nationalsozialismus. »Von den Gegnern des Ständestaates (Sozialisten, Nationalsozialisten) ging gleichsam als politisches Ventil gegen die zunehmende Konfessionalisierung des öffentlichen Lebens die Losung vom

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Neben dem sich spätestens seit Ende der 1920er Jahre radikalisierenden Antisemitismus gehörte auch ein ausgeprägter Antiklerikalismus zum »geistigen Rüstzeug« der Vereinsmitglieder. Im Januar 1913 wies der Ausschuss das Ansinnen eines Herrn Astner, der im Sitzungsprotokoll als »Geistlicher, aber freiheitlich gesinnt« bezeichnet wird, dem Verein beizutreten, ab. Es wurde beschlossen, »ihm mitzuteilen, daß, solange er noch geistlichen Standes ist, aus Rücksichtnahme auf die Denkungsweise der Studentenschaft dies nicht möglich ist«.583 In Reaktion auf den Vorschlag, Pater Virgil Redlich OSB (1890–1970), den Sohn Professor Oswald Redlichs, zum Beitritt in den Verein »aufzufordern«, wurde im Oktober 1917 nach längerer Debatte der Beschluss gefasst, »daß der Verein eine Formel aufstellen wird, die jedem streng national gesinnten Priester als Bedingung seines Beitrittes zur ehrenwörtlichen Bestätigung vorgelegt werden soll«.584 Im November 1917 beschloss die Vereinsleitung einstimmig die folgende »Formel«: »Endesgefertigter bestätigt durch seine Unterschrift, innerhalb seiner priesterlichen Standespflichten allzeit deutschvölkische Gesinnung betätigt zu haben und verpflichtet sich, diese Gesinnung fürderhin nach Kräften den Zielen unseres deutscharischen Fachverbandes zur Verfügung stellen zu wollen.«585 Auch ein starker Antimarxismus und Antisozialismus waren gewissermaßen selbstverständliche Voraussetzungen der Vereinsmitgliedschaft. Im Mai 1919 wurde Otto Brunner, der wohl bedeutendste Historiker, den die Universität Wien im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, vom Alten Herrn Dr. Fritz Dworschak (1941–1945 Erster Direktor des Kunsthistorischen Museums, 1947–1958 Direktor des Stadtarchivs und Leiter des Kulturamts seiner Geburtsstadt Krems) in den Historikerverein eingeführt. Als ordentliches Mitglied wurde Brunner erst aufgenommen, nachdem er ausdrücklich erklärt hatte, »kein Sozialdemokrat zu sein«.586 Wenige Monate später fungierte er bereits als (dritter) Schriftführer des Vereins587, und von November 1920 bis Juni 1922 war er, als Nachfolger Paul Müllers, dessen Obmann.588

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Kirchenaustritt aus der Römisch-katholischen Kirche aus.« Schwarz (K.), Bischof Dr. Hans Eder, S. 10. Das Vereinswesen der Evangelischen Kirche wurde zwischen 1933 und 1938 zu einem »Sammelbecken der illegalen NS-Bewegung«. Ebd., S. 11. Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1912–1925) (wie Anm. 531), Protokoll der Ausschusssitzung am 29. Januar 1913. Ebd., Protokoll der Ausschusssitzung am 25. Oktober 1917. Ebd., Protokoll der Ausschusssitzung am 22. November 1917. – Im Mai 1918 wurde beschlossen, »daß die Mitgliedschaft des Historikervereines mit statutengemäßen näheren Beziehungen zum Verein katholischer Hochschülerinnen unvereinbar sein soll«. Ebd., Protokoll der Ausschusssitzung am 27. Mai 1918. Ebd., Protokoll der Ausschusssitzung am 3. Mai 1919. Ebd., Protokolle der Ausschusssitzungen am 18. September und am 13. Oktober 1919. Ebd., Protokolle der außerordentlichen Ausschusssitzung am 25. November 1920, der

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Seit 1922 konnten dem Verein auch Frauen als Mitglieder beitreten – zwei Jahre nachdem die ersten Studentinnen in das Historische Seminar aufgenommen worden waren (siehe oben Seite 147f.). Am 13. Juni 1922 beschloss die Vollversammlung bei zwei Stimmenthaltungen mit 15 Stimmen die folgende Neufassung des Paragraphen 4 der Satzung: »Ordentliche Mitglieder können alle Hörer und Hörerinnen der philosophischen Fakultät in Wien sein; außerordentliche Mitglieder können alle Hörer und Hörerinnen der anderen Fakultäten in Wien sein.«589 Einen Monat später wurden die ersten vier »Fräulein« aufgenommen: Die Redlich-Dissertantin Elisabeth (von) Räcke (Dissertationsthema: Die Entstehung der Landeshoheit unter den letzten Babenbergern im Zusammenhang mit dem Erlöschen der reichsfreien Adelsgeschlechter Niederösterreichs) und die Hauptfach-Geographin Dr. Bettina (von) Rinaldini (Dissertationsthema: Die Kitzbühler Alpen) als ordentliche Mitglieder sowie Elfriede Csallner und Hildegard Albrecht »provisorisch«.590 Im Juli 1924 wurden erstmals zwei Frauen in den Vereinsausschuss gewählt: Hertha Primavesi, die 1928 mit einer Dissertation über Die Teilnahme Margaretens von Österreich an der Wahl Karl V. (Gutachter : Oswald Redlich und Alfons Dopsch) promoviert wurde, übernahm die Funktion der ersten »Schriftführerin«, Dr. Else (Elisabeth) (von) Räcke jene des »Säckelwarts«.591 Im Mai 1925 wurde Hertha Primavesi wiedergewählt (diesmal laut Protokoll als »Schriftführer«).592 Im Studienjahr 1932/33 gehörten dem zwölfköpfigen Ausschuss drei Frauen an (als »Säckelwart« Hedwig Rogenhofer, als »Bibliothekar« Magda Koch und als »Beisitzer« Hedwig Flemisch).593

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Vollversammlung am 27. November 1920 und der außerordentlichen Vollversammlung am 13. Juni 1922. Ebd., Protokoll der Vollversammlung am 13. Juni 1922. – Bereits im November 1908 hatte die Vollversammlung den Beschluss des Ausschusses, der Akademischen Frauengruppe des Deutschen Schulvereins »das Recht der Teilnahme an den Vorträgen und die Benützung der Vereinsbücherei einzuräumen«, genehmigt. Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1906–1912) (wie Anm. 538), Protokoll der Vollversammlung am 5. November 1908. Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1912–1925) (wie Anm. 531), Protokoll der Ausschusssitzung am 13. Juli 1922. Ebd., Protokoll der außerordentlichen Vollversammlung am 7. Juli 1924, und Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1924–1932) (wie Anm. 550), Protokoll der außerordentlichen Vollversammlung am 7. Juli 1924 (sic!). Ebd. (Protokollbuch 1924–1932), Protokoll der Vollversammlung am 22. Mai 1925. Laut Sitzungsprotokoll wurde Walther Latzke zu ihrem Stellvertreter gewählt, laut Meldung an die Vereinsbehörde hingegen Alexander Novotny (1906–1986), der künftige Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Graz (ab 1959 als Extraordinarius und von 1963 bis 1976 als Ordinarius). Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Archiv der Republik, Bundeskanzleramt, Inneres/Vereinsbüro, Akt XIV-250: Akademischer Verein deutscher Historiker in Wien, Bekanntgabe des Ergebnisses der Ausschusswahlen am 22. Mai 1925. Ebd., Bekanntgabe des Ergebnisses der Ausschusswahlen am 17. November 1932.

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En passant sei bemerkt, dass dank der weiblichen Mitglieder des Ausschusses dessen Sitzungen, wie es scheint, zumindest zeitweise einen weniger ernsten und konfliktfreudigen Charakter annahmen als zu Zeiten der Männerbündelei. So vermerkte Schriftführer Karl Wührer im Protokoll der Ausschusssitzung vom 18. März 1927, die Sitzung habe sich »unter dem Einfluss der beiden Herthas« – nämlich Hertha Bittners und Hertha Primavesis – »immer heiterer gestaltet«.594 Den (auch von diesen geteilten?) Ansichten über »typisch weibliche« Arbeiten und Aufgaben zufolge waren für Dinge wie Tortenbacken und Dekorieren von Veranstaltungsräumen die weiblichen Vereinsmitglieder zuständig. So wurde beispielsweise in der Ausschusssitzung am 23. November 1927 im Hinblick auf die Weihnachts- bzw. Julkneipe (beide Begriffe werden im Protokoll nebeneinander verwendet) am 14. Dezember »Fräulein Primavesi […] beauftragt, aus den Fräulein [Hertha] Bittner, [Berta] Hettfleisch, [Lotte bzw. Charlotte] Pietsch und [Hilde] Reiger einen Unterausschuß zu bilden, der für Ausschmückung und Belustigung der Kneipe sorgen soll«.595 1899 wurde das Aufnahmegesuch eines gewissen R. Heilsberg abgewiesen, »da derselbe«, wie es im Protokoll der Ausschusssitzung heißt, »dem internationalen socialwissenschaftlichen Bildungsvereine angehört«.596 Das Wort »internationalen« (offenbar in der Bedeutung von »national indifferent« bzw. »übernational«, also nicht auf Deutsche als Mitglieder beschränkt) ist über der Zeile nachgetragen. Der in erster Linie von Studenten getragene Socialwissenschaftliche Bildungsverein war 1895 in Wien gegründet worden und wurde 1907/ 1908 de facto (jedenfalls auf personaler Ebene) in die ebenfalls in Wien ins Leben gerufene Soziologische Gesellschaft übergeführt.597 Als erster Obmann amtierte von 1895 bis 1897 der damalige Privatdozent für römische und mittelalterliche Geschichte Ludo Moritz Hartmann, der auch 1907 – gemeinsam mit dem prominenten Soziologen und Pazifisten Rudolf Goldscheid – die Initiative zur Gründung der Soziologischen Gesellschaft ergriff.598 Den Mitgliedern des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien war der Socialwissenschaftliche Bildungsverein wohl nicht nur deshalb, weil er auch nichtdeutsche Mitglieder aufnahm, sondern insbesondere wegen der zahlreichen Sozialdemokraten und Juden suspekt. 594 Ebd., S. 73f. 595 Ebd., S. 108. – In der Ausschusssitzung am 30. November 1931 schlug Obmann Walter Wache vor, »für den Namen ›Weihnachtsfeier‹ ›Julfeier‹ einzusetzen, da der Ausdruck ›Weihnachtsfeier‹ auch von jüdischen Vereinigungen gebraucht wird«. Der Gegenantrag von Dr. Alexander Novotny, »trotzdem bei ›Weihnachtsfeier‹ zu bleiben«, wurde mit fünf gegen eine Stimme bei drei Enthaltungen angenommen. Ebd., S. 171f. 596 Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1899–1906) (wie Anm. 558), Protokoll der Ausschusssitzung am 25. November 1899. 597 Müller (R.), Die Stunde der Pioniere, S. 17f. 598 Ebd., S. 19 und 35.

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Die Vereinsstatuten definierten den Vereinszweck kurz und bündig wie folgt: »Zweck des Vereines ist Verbreitung wissenschaftlicher und insbesondere nationalökonomischer Kenntnisse unter der Studentenschaft.«599 Diesem Zweck dienten insbesondere die (spätestens seit 1902 während des Semesters täglich von 7 bis 22 Uhr benutzbare) Bibliothek sowie zahlreiche Vorträge (von 1895 bis 1908 waren es insgesamt mindestens 207) mit einem sehr weit gespannten, im weitesten Sinne sozialwissenschaftlichen und sozialreformerischen Themenspektrum. Unter den 111 Referenten und neun Referentinnen (Else Federn, Auguste Fickert, Ricarda Huch, Ellen Key, Rosa Mayreder, Lotte Pohl-Glas, Anna Schapire[-Neurath], Käthe Schirmacher und Adele Schreiber[-Krieger]) befanden sich auch (in alphabetischer Reihenfolge) einige Historiker : der Publizist und Privatgelehrte Heinrich Friedjung (1851–1929), Carl Grünberg, der 1893 zusammen mit Ludo Moritz Hartmann und Stephan Bauer die Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte gegründet hatte, Ludo Moritz Hartmann selbst (er hielt insgesamt sechs Vorträge, u. a. über die Themen »Der Zufall in der Geschichte« und »Christentum und Sozialismus«) und der prominente Nationalökonom und Historiker Friedrich Otto Hertz (1878–1964). Privatdozent Kurt Kaser (1870–1931), der Leiter der 1901 konstituierten Historischen Sektion des Vereins und künftige Professor für Allgemeine Neuere Geschichte in Czernowitz (1914–1918) und für Neuere Geschichte und Wirtschaftsgeschichte in Graz (1925–1931), hielt nicht weniger als sieben Vorträge, beispielsweise zu den Themen »Die Arbeiterfrage im deutschen Mittelalter« und »Kapital und Politik im 16. Jahrhundert«. Der spätere ordentliche Professor für Römische Altertumskunde und Epigraphik am Archäologisch-Epigraphischen Seminar der Universität Wien Wilhelm Kubitschek sprach im Studienjahr 1899/1900 über »Die Christenfrage im römischen Staate«. Karl Lamprecht (1856–1915), seit 1891 Inhaber des Lehrstuhls für mittelalterliche und neuere Geschichte an der Universität Leipzig, reflektierte im Studienjahr 1907/08 über »Marxistische Geschichtsauffassung und moderne Geschichtswissenschaft«. Alfred Francis Prˇibram, damals Extraordinarius der mittleren und neueren Geschichte am Wiener Historischen Seminar, behandelte 1899/1900 »Demokratische Ideen der puritanischen Revolution«. Zuletzt seien noch drei nicht professionelle bzw. nicht hauptberufliche Historiker unter den Referenten des Socialwissenschaftlichen Bildungsvereins erwähnt. Der später berühmt gewordene Verfassungs- und Verwaltungsjurist, Rechtshistoriker und Politiker Josef Redlich (1869–1936), 1926 bis 1935 Professor an der Harvard University in den USA, hielt einen Vortrag über »Das österreichische Heimatsrecht und seine Reform«. Richard Schüller (1870–1972 [sic!]), damals Privatdozent für Nationalökonomie, wie Josef Redlich als Sohn 599 Zitiert nach ebd., S. 20.

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eines jüdischen Fabrikanten in Mähren geboren, seit 1940 im Exil in den USA, hielt insgesamt acht Vorträge, z. B. 1897/98 über »Die innere Entwicklung Österreichs von 1848 bis 1880«. Der Journalist und spätere Reichsratsabgeordnete Ernst Viktor Zenker (1865–1946) schließlich sprach im Studienjahr 1897/98 – etwa gleichzeitig mit dem Erscheinen seines Pionierwerks Die Wiener Revolution 1848 in ihren socialen Voraussetzungen und Beziehungen (1897) – über »Die sozialen Grundlagen der Revolution von 1848«.600 Der Socialwissenschaftliche Bildungsverein war übrigens der erste wissenschaftliche Verein Österreichs, der, und zwar seit 1898, auch Frauen (Studentinnen) als Mitglieder aufnahm.601 Der Akademische Verein deutscher Historiker in Wien kooperierte seit 1934 eng mit der neu eingerichteten Fachschaft der Historiker, dem Vorläufer der heutigen Studienrichtungsvertretung Geschichte.602 Die Fachschaft war zwischen 1934 und 1938 »der allein anerkannte Verband aller studierenden Historiker«. Der Akademische Verein deutscher Historiker blieb aber weiter bestehen, und die Fachschaftsmitglieder konnten (nach Absolvierung ihrer Studien) in diesen »übertreten«.603 Am Schluss der Vollversammlung des Vereins am 14. November 1934 übergab dessen Ausschuss die Geschäfte »an die Leitung der Fachschaft«.604 Im Studienjahr 1934/35 war Dr. Adam von Wandruszka, Mitglied der illegalen SA und künftiger (seit 1969) Professor für Österreichische Geschichte an der Universität Wien, Bücherwart der Fachschaft, und die zweite 600 Ebd., S. 42–48. 601 Ebd., S. 26. 602 Die Fachschaften waren ursprünglich (seit den 1920er Jahren) Untergliederungen der bald unter starken nationalsozialistischen Einfluss geratenen Deutschen Studentenschaft. Deren gewählte Vertretung wurde vom Senat der Universität Wien im April 1930 »als die Vertretung aller Studierenden deutscher Volkszugehörigkeit und Muttersprache« anerkannt, womit er praktisch den Arierparagraphen legalisierte. 1931 wurde der erst 1926 gegründete Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund bei den Studentenschaftswahlen an der Universität Wien (ebenso übrigens an der Hochschule für Bodenkultur, der Technischen Hochschule Wien und der Tierärztlichen Hochschule) zur stärksten Fraktion. Unterrichtsminister Kurt Schuschnigg löste die Deutsche Studentenschaft im Sommer 1933 auf. An deren Stelle trat die Hochschülerschaft Österreichs, für die ein Sachwalter bestellt wurde. Sachwalter an der Universität Wien war, als Nachfolger des künftigen österreichischen Bundeskanzlers Josef Klaus, von 1934 bis 1937 der spätere österreichische Unterrichtsminister Heinrich Drimmel, der ab 1935 gleichzeitig als Sachwalter der Hochschülerschaft Österreichs fungierte. Lichtenberger-Fenz, Hochschulpolitik, bes. S. 91f., 98– 102 und 162–178; Wagner (G.), Hochschülerschaft, S. 92–104, 109–111, 114–130 und 425– 427; Ash, Die österreichischen Hochschulen, S. 42–45. – Zum »aufhaltsamen Aufstieg des NS-Studentenbundes« in Deutschland um 1930 siehe Jarausch, Deutsche Studenten, S. 152–163. 603 Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1932–1936) (wie Anm. 577), Vollversammlung am 14. November 1934, Bericht des Obmanns Karl Starzacher. 604 Ebd.

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Schriftführerin des Historikervereins »Fräulein« Flemisch war deren »erster Schriftführer«. Vereinsobmann Karl Starzacher und sein Stellvertreter Hirt fungierten als Beisitzer der Fachschaft.605 Im Frühjahr des Jahres 1935 wurde das Verhältnis zwischen Fachverein und Fachschaft durch eine Satzungsänderung des Vereins geklärt. Paragraph 5a der Satzungen lautete seit Mai 1935 wie folgt: »Ordentliches Mitglied kann jede/ jeder ordentliche Hörerin/Hörer der Universität Wien [also nicht mehr nur der Philosophischen Fakultät; Th.W.] nach Erlangung des Absolutoriums [also in der Zeit der Vorbereitung auf die Rigorosen bzw. die Lehramtsprüfungen; Th.W.] werden, der vor dem Sommersemester 1934 Mitglied des Akademischen Vereins deutscher Historiker war oder seit dem Wintersemester 1934/35 Mitglied der Fachschaft der Historiker geworden ist, der aber deutsch-arischer Abstammung ist und sich zum deutschen Volkstum bekennt.«606 Die oben zitierten Paragraphen 8 bis 10 der Satzungen blieben unverändert in Geltung. Die Veranstaltungen wurden ab nun vom Fachverein und der Fachschaft gemeinsam durchgeführt, »so daß auch weiterhin die Verbindung der Studierenden der Geschichte mit den schon im Berufe stehenden Mitgliedern des Vereines gesichert erscheint«. Die Bücherei des Vereins »wurde bis auf Widerruf der Fachschaft zur Verfügung gestellt«.607 Die Vollversammlung des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien wählte am 18. März 1937 Dr. Adam von Wandruszka, der im Studienjahr 1936/37 auch Fachschaftsbeirat war608, zum neuen Obmann. In der »Hauptversammlung« am 21. Dezember 1937 wurde er wiedergewählt. Wandruszka war der letzte Obmann des Vereins: Am 30. November 1939 erging »zu Handen des letzten Obmannes, Herrn Dr. Adam von Wandruszka«, der Auflösungsbescheid der Staatlichen Verwaltung des Reichsgaues Wien. Der Verein wurde »über Antrag des vom Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich bestellten Stillhaltekommissar[s] für Vereine, Organisationen und Verbände gemäß § 3 des Gesetzes über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden vom 17. Mai 1938 […] behördlich aufgelöst«.609

605 Ebd. 606 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Archiv der Republik, Bundeskanzleramt, Inneres/Vereinsbüro, Akt XIV-250: Akademischer Verein deutscher Historiker in Wien, vom Sicherheitsdirektor des Bundes für die bundesunmittelbare Stadt Wien am 28. Mai 1935 »nach Inhalt der […] geänderten Statuten« nicht untersagte Umbildung des Vereins. 607 Protokollbuch des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien (1932–1936) (wie Anm. 577), Protokoll der Beiratssitzung am 26. Februar 1935. 608 Wagner (G.), Hochschülerschaft, S. 252–254. 609 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Archiv der Republik, Bundeskanzleramt, Inneres/Vereinsbüro, Akt XIV-250: Akademischer Verein deutscher Historiker in Wien.

3.

Von der Gründung der Republik (Deutsch-)Österreich bis zum Ende des nationalsozialistischen Großdeutschen Reiches (1918–1945)

Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns »glaubten«, so Fritz Fellner in einem Handbuchartikel über den »Beitrag Österreichs zu Theorie, Methodik und Themen der Geschichte der Neuzeit«, »die meisten [österreichischen] Historiker, sich in den Dienst der politischen Geschichte stellen zu müssen«.610 Besser sollte es wohl heißen: in den Dienst der (deutsch)nationalen bzw. »gesamtdeutschen« Politik. Das »Trauma des verlorenen Krieges und die Notwendigkeit einer Neuinterpretation der österreichischen Geschichte als Folge der Reduzierung Österreichs auf einen Kleinstaat«, so Fellner weiter, blockierte nach 1918 »die neuen Wege […], auf denen man in das 20. Jahrhundert eingetreten war. Herausgerissen aus dem Bemühen um die Sinngebung der österreichischen Geschichte als der Geschichte einer europäischen Großmacht, suchte die österreichische Geschichtswissenschaft durch eine forcierte Rückkehr zu der Tradition der deutschen Reichsgeschichte Zuflucht in der historischen Gemeinsamkeit einer großen Vergangenheit zu finden. Die politische Geistesgeschichte Österreichs in der Zwischenkriegszeit ist noch nicht geschrieben – eine Voraussetzung dafür wäre eine Art Mentalitätsgeschichte der Mitglieder des Instituts für österreichische Geschichtsforschung: [Heinrich (von)] Srbik, [Wilhelm] Bauer, [Karl Gottfried] Hugelmann, [Alfons] Dopsch, [Lothar] Gross, [Ludwig] Bittner, [Hans] Hirsch, [Oswald] Redlich, [Hugo] Hantsch. Sie alle haben, auf verschiedene weltanschauliche Positionen ausgerichtet, damals versucht, in der Reichsidee jenen Ordnungsbegriff zu finden, der aus dem vermeintlichen Chaos der ersten Nachkriegsjahre herausführen sollte.«611

Friedrich Heer (zu ihm siehe unten Kapitel 4.4) zitiert in seinem Buch Der Glaube des Adolf Hitler (1968) aus Hitlers sogenannten Tischreden, »daß ich […] keinen Augenblick gezögert habe, meine Heimat [Österreich] dem 610 Fellner (F.), Geschichte als Wissenschaft, S. 209. 611 Ebd., S. 209f. – »Bis 1983 – über weit mehr als ein Jahrhundert hin – haben [an den österreichischen Universitäten] ausschließlich Mitglieder des Instituts [für Österreichische Geschichtsforschung] die Lehrkanzeln für Geschichte des Mittelalters, für Österreichische Geschichte und mehrheitlich auch jene für Neuere Geschichte besetzt.« Höflechner, Forschungsorganisation und Methoden der Geschichtswissenschaft, S. 224.

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Von der Gründung der Republik bis zum Ende des Großdeutschen Reiches

Reichsgedanken zu opfern«, und fährt fort: »Die Heimat dem Reichsgedanken opfern: Das entsprach genau dem Glauben meiner nationalsozialistischen österreichischen katholischen Kommilitonen an der Wiener Universität und im Institut für österreichische Geschichtsforschung in den Jahren 1933–1938.«612 Praktisch allen österreichischen Historikern der Zwischenkriegszeit gemeinsam war die Vorstellung von einer historischen »Kulturmission« der Deutschen der Habsburgermonarchie gegenüber den als kulturell unterlegen und rückständig wahrgenommenen nicht-deutschen Nationen Ostmittel- und Südosteuropas, und zwar einer dezidiert »deutschen Kulturmission«.613 Diese Missionsidee war nach 1918 alles andere als neu. Beispielsweise bekannte sich Erzherzog Johann bereits im September 1850 in einem Privatbrief an Justizminister Anton Ritter von Schmerling ganz offen zu ihr, indem er erklärte: »[D]ie Civilisation zu geben ist der Deutsche Stamm, welcher am meisten fortgeschritten[,] zu geben beruffen.«614 Die deutschsprachigen Historiker in Österreich und in Deutschland verwendeten »die gleichen Handbücher und arbeitete[n] an den gleichen Großunternehmen, viele österreichische Studenten verbrachten ein oder zwei Gastsemester an einer deutschen Universität, um bei deutschen Koryphäen zu hören. Der ›Anschluss‹ war – bei den Historikern – schon vor 1938 vollzogen.«615 Die österreichischen Historiker waren mit ihren Kollegen im Deutschen Reich, in der Weimarer Republik und im nationalsozialistischen Deutschen Reich von den 1890er Jahren bis 1945 auch durch gemeinsame Versammlungen und Tagungen und eine gemeinsame Standesvertretung verbunden. Seit der ersten Versammlung Deutscher Historiker im Jahr 1893 in München nahmen an diesen Deutschen Historikertagen, die viermal in Österreich stattfanden (1896 in Innsbruck, 1904 in Salzburg, 1913 in Wien und 1927 in Graz), stets auch zahlreiche Vertreter aus Österreich teil. Ebenso intensiv war die Beteiligung österreichischer Historiker am 1895 gegründeten Verband deutscher Historiker, der seit seiner Gründung die Deutschen Historikertage organisierte.616 Erst 1949 wurde auf Initiative von August Loehr (1882–1965)617, des damaligen Ersten Direktors des Kunsthistorischen Museums, im Rahmen des ersten Österreichischen Historikertages in Wien als Dachorganisation der österreichischen Geschichtsvereine 612 Heer, Der Glaube des Adolf Hitler, S. 394. 613 Vgl. u. a. Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und Anschluß, S. 27–39, 88–93 und passim; Fellner (G.), Die österreichische Geschichtswissenschaft vom Anschluß zum Wiederaufbau. 614 Zitiert nach Berger Waldenegg, Vaterländisches Gemeingefühl, S. 172. 615 Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 332. 616 Schumann, Die deutschen Historikertage; Berg, Zur Institutionalisierung der deutschen Geschichtswissenschaft. 617 Mit vollem Namen: August Oktavian Julius Perpetuus Maria Karl Josef (bis April 1919 Ritter von) Loehr.

Das Historische Seminar (1918–1945)

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und der sich mit Geschichte beschäftigenden Arbeitsgemeinschaften und Anstalten ein eigener österreichischer Historikerverband ins Leben gerufen, der »Verband Österreichischer Geschichtsvereine«, der heutige »Verband Österreichischer Historiker und Geschichtsvereine«.618

3.1. Das Historische Seminar (1918–1945) Am Historischen Seminar wurde, wie bereits erwähnt, erst 1919 ein Historisches Proseminar eingerichtet (zumindest de facto, wenn auch offiziell nicht unter diesem Namen), dessen erfolgreiche Absolvierung zur Voraussetzung für den Eintritt in das Historische Seminar erklärt wurde. Nachdem Alfons Dopsch im Frühjahr 1922 aus der Vorstehung des Historischen Seminars ausgeschieden war und die Leitung des neu gegründeten Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte übernommen hatte (siehe unten Kapitel 3.5), stellte die Leitung des Historischen Seminars im Juni 1922 den Antrag, die bisherige Gliederung des Seminars in vier Abteilungen (Geschichte des Altertums, Geschichte des Mittelalters, Geschichte der Neuzeit und Österreichische Geschichte) beizubehalten. Im Mai 1923 wurde der Antrag vom Bundesministerium für Unterricht genehmigt. Gleichzeitig wurde Alfred Francis Prˇibram zum Mitdirektor (Mitvorstand) des Seminars (Abteilung für neuere Geschichte) bestellt, und auch der Antrag des Professorenkollegiums, die jeweils zweistündigen Übungen im Historischen Seminar folgendermaßen zu regeln, wurde genehmigt: Künftig sollten in jedem Wintersemester von Professor Wilhelm Kubitschek oder Professor Adolf Wilhelm Übungen aus alter Geschichte, von Professor Oswald Redlich Übungen aus Geschichte des Mittelalters und von dem soeben aus Graz berufenen Professor Heinrich Srbik Übungen aus neuerer Geschichte abgehalten werden, in jedem Sommersemester hingegen von Kubitschek oder Wilhelm Übungen aus alter Geschichte, von Srbik oder Redlich Übungen aus österrei618 Bericht über die konstituierende Versammlung; Mikoletzky, Der Verband Österreichischer Geschichtsvereine. – Der Beschluss zur Gründung eines Gesamtverbandes österreichischer Geschichtsvereine sowie zur Abhaltung eines ersten österreichischen Historikertages in Wien – u. a. zwecks Konstituierung dieses Verbandes – erfolgte am 6. Dezember 1948 bei einer Sitzung österreichischer Historiker im Hörsaal des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Dem ersten Vorstand gehörten neben anderen die Wiener Universitätsprofessoren Hugo Hantsch (Professor für Geschichte der Neuzeit) und Leo Santifaller (Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs und Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung), der Innsbrucker Universitätsprofessor Hans Kramer und mehrere Archivdirektoren an. Als geschäftsführender Vizepräsident fungierte in den ersten Jahren August Loehr, als Generalsekretär Hanns Leo Mikoletzky, der spätere Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs. Bericht über die konstituierende Versammlung, S. 3–11; Mikoletzky, a. a. O., S. 43f.

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Von der Gründung der Republik bis zum Ende des Großdeutschen Reiches

chischer Geschichte und von Alfred Francis Prˇibram Übungen aus neuerer Geschichte. Seminarübungen aus alter und aus neuerer Geschichte wurden künftig also in jedem Semester angeboten, solche aus Geschichte des Mittelalters und aus österreichischer Geschichte hingegen nur jedes zweite Semester.619

Abb. 42: Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951). Fotografie von Theo Bauer, Wien, 1927.

Der soeben erwähnte, 1878 in Wien in eine erst zehn Jahre davor in den niederen Adel erhobene Beamtenfamilie hineingeborene Heinrich (bis April 1919: Ritter von) Srbik (1878–1951) war in der Ersten Republik und in der NS-Zeit in Österreich und Deutschland der einflussreichste österreichische Vertreter der politischen Geschichte und der Geistesgeschichte der Neuzeit.620 Er begann seine 619 Archiv der Universität Wien, Institut für Geschichte, Karton 1, Mappe 1/3, fol. 95, 98 und 138. 620 Die Literatur zu Leben und Werk Srbiks ist ziemlich umfangreich. An dieser Stelle sei nur

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akademische Karriere als Verfassungs- und Wirtschaftshistoriker. In den Jahren, in denen Alfons Dopsch – auf Anregung Karl Theodor von Inama-Sterneggs – an der Edition der landesfürstlichen Urbare Österreichs und der Steiermark arbeitete, wurde Srbik von diesem zu seiner 1904 gedruckten Institutsarbeit (Staatsprüfungsarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung) über Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich während des Mittelalters angeregt. Als Mitarbeiter der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs edierte Srbik im Auftrag Engelbert Mühlbachers die Staatsverträge zwischen der Habsburgermonarchie und der Republik der Vereinigten Niederlande von 1672 bis 1722 (gedruckt 1912). Ebenfalls im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Kommission verfasste Srbik sein für die Wirtschaftsgeschichte der Habsburgermonarchie in der Epoche des Merkantilismus bahnbrechendes Werk Der staatliche Exporthandel Österreichs von Leopold I. bis Maria Theresia, mit dem er 1907 die Lehrbefugnis für Österreichische Geschichte an der Universität Wien erwarb. Eine schmale Monographie über den Merkantilisten Wilhelm von Schröder ermöglichte 1910 die Erweiterung der Venia legendi auf Allgemeine Geschichte.621 1917 publizierte Srbik als letztes wirtschaftshistorisches Werk Studien zur Geschichte des österreichischen Salzwesens. 1922 wurde er, nachdem er seit 1912 als außerordentlicher Professor für Allgemeine Geschichte und ab 1917 als ordentlicher Professor für Neuere Geschichte und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Graz gewirkt hatte, als Nachfolger August Fourniers zum Ordinarius für Allgemeine Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien sowie zum Mitdirektor des Historischen Seminars und zum Leiter von dessen Neuzeitabteilung ernannt.622 Die Berufungskommission (mit hingewiesen auf die gedruckte Dissertation von Moos, Bildungsbürgertum, Nationalproblem und demokratisches Zeitalter, die leider ungedruckt gebliebene Habilitationsschrift von Derndarsky, Österreich und die »deutsche Einheit«, und auf Pesditschek, Heinrich (Ritter von) Srbik (2012). In Pesditscheks – wohl etwas zu holzschnittartiger – Darstellung erscheint Srbik als »ein durchaus typischer Nationalsozialist«, dessen »Idealismus und Sentimentalismus« die Autorin als »eine bloße Maske« interpretiert. Siehe kurz und prägnant Pesditschek, Heinrich (Ritter von) Srbik (2015), die Zitate auf S. 295. Helmut Reinalter hingegen attestierte »Srbiks Verhältnis zur Herrschaft des Nationalsozialismus letztlich tragische Züge […], die einerseits in seinem Bemühen um eine gerechte Völkerordnung und andererseits im von ihm lange Zeit nicht erkannten Unterschied zwischen der nationalsozialistischen und seiner [eigenen] Reichsideologie zum Ausdruck kamen«. Reinalter, Heinrich Ritter von Srbik, S. 89. Vgl. außerdem u. a. Derndarsky, Der Fall der gesamtdeutschen Historie; ders., Zwischen »Idee« und »Wirklichkeit«; Schönwälder, Historiker und Politik, S. 91–98 und passim; dies., Heinrich von Srbik. – Zitate aus Srbiks 1945 verfassten, von Fritz Fellner und Doris Corradini zur Edition vorbereiteten, von den Erben aber leider nicht zur Publikation freigegebenen Memoiren enthält Pasteiner, Die gesamtdeutsche Geschichtsauffassung, S. 59–65 und 261f. 621 Hassinger, Die Wirtschaftsgeschichte an Österreichs Hochschulen, S. 425. 622 Ausführlich zur Vorgeschichte und zu den Umständen der sich von 1920 bis 1922 hinziehenden Berufung Srbiks an die Universität Wien Derndarsky, Österreich und die

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Oswald Redlich als Berichterstatter an der Spitze) hatte übrigens zunächst Srbik nicht als Kandidaten in Erwägung gezogen, sondern, unter besonderer Betonung der Notwendigkeit, »einen Historiker zu gewinnen, der mit Ueberzeugung die Gemeinschaft Deutschlands und Oesterreichs vertritt«, im Dezember 1920 drei »hervorragende reichsdeutsche Historiker« vorgeschlagen: primo loco Hermann Oncken, Professor in Heidelberg, und secundo loco ex aequo die Professoren Walter Goetz (Leipzig) und Felix Rachfahl (Freiburg im Breisgau).623 Srbik lehnte insgesamt vier, sein großes Renommee unter deutschen Fachkollegen beweisende Rufe an deutsche Universitäten ab (Bonn 1926, Köln 1927, München 1928, Berlin 1935) und lehrte bis zu seiner Entlassung aus politischen Gründen 1945 in Wien.624 Zu Recht gilt Srbik als Begründer und Hauptvertreter einer »gesamtdeutschen Geschichtsauffassung«625, worunter eine möglichst harmonische Synthese aus Elementen einer »borussischen«, d. h. preußisch-kleindeutschen, und einer »österreichischen«, d. h. habsburgisch-großdeutschen Interpretation der Geschichte des deutschsprachigen Raumes und Mitteleuropas zu verstehen ist. Die

»deutsche Einheit«, S. 60–82. – H a u p t w e r k e H e i n r i c h ( v. ) S r b i k s : Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich während des Mittelalters (1904); Der staatliche Exporthandel Österreichs von Leopold I. bis Maria Theresia (1907); Wilhelm von Schröder. Ein Beitrag zur Geschichte der Staatswissenschaften (1910); Studien zur Geschichte des österreichischen Salzwesens (1917); Wallensteins Ende (1920, 21952); Metternich, 2 Bde. (1925, Bd. 3 postum 1954); Deutsche Einheit. Idee und Wirklichkeit vom Heiligen Reich bis Königgrätz, 4 Bde. (1935–1942); Österreich in der deutschen Geschichte (1936); Wien und Versailles 1692–1697 (1944); Aus Österreichs Vergangenheit. Von Prinz Eugen zu Franz Joseph (1949); Geist und Geschichte. Vom deutschen Humanismus bis zur Gegenwart, 2 Bde. (1950/51); als Herausgeber : Österreichische Staatsverträge: Niederlande, Bd. 1: Bis 1722 (1912); (gemeinsam mit Ludwig Bittner, Alfred Francis Prˇibram und Hans Uebersberger :) Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise bis zum Kriegsausbruch 1914, 8 Bde. (1930); (gemeinsam mit Oskar Schmid:) Quellen zur deutschen Politik Österreichs, 5 Bde. (1934–1938). 623 Archiv der Universität Wien, Personalakten der Philosophischen Fakultät, PA 3223: Heinrich Srbik, fol. 6–10. Nachdem Oncken den Ruf nach längerem Hin und Her im Oktober 1921 abgelehnt hatte und das Ministerium daraufhin die Fakultät aufgefordert hatte, einen neuen Vorschlag zu erstatten, schlug die Kommission Anfang März 1922 an erster Stelle Heinrich Srbik, ordentlicher Professor in Graz, und »[i]n zweiter Linie, doch in gewissem Abstand«, Wilhelm Bauer, außerordentlicher Professor »an unserer Fakultät«, vor. Ebd., fol. 100–103, die Zitate auf fol. 101r. 624 Siehe z. B. Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 264. 625 Siehe insbesondere Srbik, Deutsche Einheit, sowie in aller Kürze ders., Gesamtdeutsche Geschichtsauffassung (1930) (mit dem Postulat »der Schaffung eines gemeinsamen deutschen Volksbewußtseins auf der Grundlage eines gemeinsamen Geschichtsbewußtseins« [S. 6] und der Formulierung des Ideals »einer einheitlichen Geschichte des durch Blut, Sprache und Kultur, durch Raum und Schicksal einheitlichen deutschen Volkes« [S. 10]). Vgl. u. a. Moos, Bildungsbürgertum, Nationalproblem und demokratisches Zeitalter, S. 87–137.

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1935 erschienenen ersten beiden Bände seines Hauptwerks Deutsche Einheit626 waren »in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre [im deutschen Sprachraum] die in der Geschichtswissenschaft wie in einer breiteren historisch interessierten Öffentlichkeit vielleicht am meisten beachtete, diskutierte und gewürdigte Veröffentlichung eines Fachhistorikers«.627 Große symbolische und gefühlsmäßige Bedeutung maß Srbik einer von ihm postulieren translatio imperii vom Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) auf den österreichischen Kaiserstaat bei. Er betrachtete das 1804 begründete Kaisertum Österreich als legitimen Nachfolger des 1806 aufgelösten Heiligen Römischen Reichs.628 In seinem primär ideengeschichtlichen Œuvre machte Srbik den Begriff »Reich« tendenziell »zu einer vollkommen von der historischen Realität gelösten, rational kaum faßbaren oder überprüfbaren Kategorie«.629 Das hinderte ihn nicht daran, 1941 (!) im vierten Band der Deutschen Einheit »das Europa terrorisierende Deutsche Reich und dezidiert den Nationalsozialismus als Träger einer deutschen historischen Mission in seinem Sinne« zu bezeichnen.630 Im selben Jahr pries Srbik in einem Aufsatz in der Historischen Zeitschrift und neuerlich 1943 in einem Vortrag das »Dritte Reich«, in dem das »neue Zeitalter der Volksgemeinschaft, ihrer Reinheit des Bluts und ihres stolzen Selbstbewußtseins, ihrer Freiheit nach außen und ihrer Geschlossenheit nach innen, der Sicherheit ihres Bodens und nicht zuletzt der sozialen Idee die größte Verkörperung in der Weltgeschichte erfahren« habe.631 Bis zum heutigen Tag beruht Srbiks Ruf als bedeutender Historiker in erster Linie auf seiner 1925 erschienenen monumentalen, rund 1.400-seitigen Biographie des österreichischen Staatskanzlers Klemens Wenzel Fürst Metternich (Metternich. Der Staatsmann und der Mensch).632 Wolfram Siemann, dessen 626 »Der vom Verleger dem Autor empfohlene Titel entspricht im Grunde nicht dem Inhalt und der Grundidee des Werkes, denn nicht eine deutsche Einheit wird in diesen Bänden dargestellt, sondern die deutsche Vielfalt, es ist der universalistische Reichsgedanke, den Srbik in seiner Entfaltung seit dem 15. Jahrhundert zeichnet, und es ist die Verteidigung des sogenannten ›dritten Deutschland‹ gegenüber dem preußischen Herrschaftsanspruch, die sich Srbik zum Anliegen gemacht hat.« Fellner (F.), Heinrich von Srbik, S. 337. 627 Schönwälder, Heinrich von Srbik, S. 532. 628 Vgl. z. B. Derndarsky, Zwischen »Idee« und »Wirklichkeit«. 629 Schönwälder, Historiker und Politik, S. 93. 630 Schönwälder, Heinrich von Srbik, S. 539. 631 Zitiert nach ebd. 632 Nach dem 1954 niedergeschriebenen Urteil Paul Feyerabends hat Srbik damit »den ganz neuen Typus der geistesgeschichtlich fundierten Biographie geschaffen«. Feyerabend, Geisteswissenschaften, S. 64. Dieser Einschätzung schloss sich Helmut Reinalter wortwörtlich an: Nach seinem Urteil schuf Srbik mit diesem Werk »einen neuen Typ der geistesgeschichtlich fundierten Biographie, in der das Denken und System Metternichs vor dem ideengeschichtlichen Hintergrund der Zeit dargestellt wurden«. Reinalter, Heinrich Ritter von Srbik, S. 81.

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2016 erschienenes Opus magnum Metternich. Stratege und Visionär das neue Standardwerk zum Thema darstellt, hat Srbiks Werk »als große Lebensleistung« anerkannt und betont, »dass im Grunde seit den Quellenforschungen Srbiks keine vergleichbar eigenständige Biografie Metternichs mehr erschienen ist«.633 Er hat aber auch die dem Werk Srbiks »zugrunde liegende ideologische Textur« hervorgehoben, nämlich einen »biologistischen Rassismus als Untergrund von Srbiks Biografie«, den von Srbik bei Metternich »vermisste[n] Willen zu einem deutschen Kulturimperialismus« und das von Srbik an Metternich kritisierte Fehlen eines sich durch »gewaltigen Machtinstinkt« und kompromisslosen Willen zur Tat auszeichnenden Herrenmenschentums (im Sinne von Friedrich Nietzsche und Oswald Spengler).634 Überdies habe sich Srbik zu stark auf die persönlichen Erinnerungen der politischen Akteure gestützt und erliege »oft den Urteilen seiner Gewährsleute oder – vielleicht schlimmer – betont daran, was seinem Normenraster entgegenkommt«.635 Srbik war offenbar ein rhetorisch begabter und viele Studenten faszinierender akademischer Lehrer. Heinrich Appelt, später (1963–1980) Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien, berichtet in seiner Autobiographie, er habe sich schon in seinem allerersten Studiensemester im Herbst 1928 für Srbiks Vorlesungen begeistert, »die den Hörer durch ihren weitgespannten Horizont, durch die wohlfundierte Ausgewogenheit des Urteils und durch die vollendete Form der Darbietung fesselten«.636 Fritz Fellner, der im Studienjahr 1940/41 in Wien Geschichte studierte, war damals nur von Srbiks Vorlesungen wirklich beeindruckt: »Srbik faszinierte durch die Souveränität seines Vortrags ebenso wie durch die feine, alle grellen Formulierungen vermeidende Interpretation, durch die leicht vornehme Ironie, mit der er – indirekt und doch offen – sich nicht scheute, seine

633 Siemann, Metternich, S. 21. – Friedrich Heer prophezeite 1977: »Srbiks ›Metternich‹-Vision wird die weit dürftiger angelegte Metternich-Schau des Henry Kissinger […] als Vision und Kunstwerk überleben.« Heer, Das Wagnis der Schöpferischen Vernunft, S. 244. 634 Siemann, Metternich, S. 21–28. – Was den Stellenwert biologistischer Ansätze im Werk Srbiks betrifft, kam Karen Schönwälder zu folgender Einschätzung: »Die Arbeiten Heinrich von Srbiks präsentierten keine biologistische Geschichtsauffassung. Er integrierte ›moderne‹ Konzeptionen wie die des ›Volks- und Kulturbodens‹; wirkungsmächtig waren für ihn aber insbesondere Personen und Ideen.« Schönwälder, Heinrich von Srbik, S. 536. »Sicherlich repräsentierten Srbiks Veröffentlichungen keine völkisch-rassistische Neudeutung der Geschichte. Dennoch wäre es zu einfach und unbefriedigend zu sagen, seine Geschichtsauffassung sei keine nationalsozialistische Geschichtsauffassung gewesen. Denn zur Entwicklung einer einigermaßen vereinheitlichten, offiziellen Geschichtsauffassung kam es in den zwölf Jahren der Diktatur nicht.« Ebd., S. 543. 635 Siemann, Metternich, S. 29. Zu den Widersprüchen in Srbiks Metternich-Bild siehe ebd., S. 29f. 636 Appelt, [Autobiographie], S. 10.

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Bedenken gegenüber den gegenwärtigen Entwicklungen anzudeuten.«637 Und Günther Hamann, der spätere (1971–1994) Wiener Ordinarius für Geschichte der Neuzeit, der während des Zweiten Weltkriegs vier Semester lang Srbiks Vorlesungen besuchte, erinnerte sich Ende der 1970er Jahre mit Enthusiasmus und Wehmut an die vielen zu Füßen von Srbiks Katheder im Hörsaal 41 verbrachten Stunden: »Jedes Plätzchen, sogar auf den Stufen des Hörsaals, war besetzt. Vom ersten Augenblick an herrschte Stille, die nur vom Beifall bei den häufig eingeflochtenen unzeitgemäßen Äußerungen unterbrochen wurde. […] Wenn Srbik dann sprach, sitzend über kleine Zettelchen gebeugt, doch in völlig freier und dabei stets druckreifer Rede […] – dann spürte man sofort: hier herrscht ein dem verrohten Zeitalter völlig zuwiderlaufender Ton, das reine Gegenteil des laut und ordinär hämmernden Trommlertons und der akademisch-pathetischen Fanfarenstöße, wie sie unser militärisches und ziviles Alltagsleben damals von früh bis spät durchdröhnten.«638

1923 wurde Viktor Bibl (1870–1947), seit 1913 außerordentlicher Professor für Allgemeine Geschichte der Neuzeit am Historischen Seminar, der Titel eines ordentlichen Professors verliehen. Bibl hatte sich 1905 (er arbeitete damals als Archivar im Niederösterreichischen Landesarchiv) nach einigen Schwierigkeiten in Wien als Privatdozent für Allgemeine Geschichte der Neuzeit habilitiert. Er war ein Vielschreiber639, und er war und blieb im akademischen Feld ein Außenseiter. Das »Trifolium« Heinrich (von) Srbik, Wilhelm Bauer und Hans

637 Fellner (F.), Geschichtsstudium in Kriegs- und Nachkriegsjahren, S. 55. 638 Hamann, Kriegs- und Nachkriegserinnerungen, S. 369f. 639 H a u p t w e r k e V i k t o r B i b l s : Die Einführung der katholischen Gegenreformation in Niederösterreich durch Kaiser Rudolf II. (1576–1580) (1900); Die Restauration der niederösterreichischen Landesverfassung unter K. Leopold II. Ein Beitrag zur Geschichte der österreichischen Stände und inneren Staatsverwaltung (1902); Die katholischen und protestantischen Stände Niederösterreichs im XVII. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der ständischen Verfassung (1903); Die Erhebung Herzog Cosimos von Medici zum Großherzog von Toskana und die kaiserliche Anerkennung (1569–1576) (1911); Die niederösterreichischen Stände im Vormärz. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Revolution des Jahres 1848 (1911); Zur Frage der religiösen Haltung K. Maximilians II. (1917); Der Tod des Don Carlos (1918); Der Zerfall Österreichs, 2 Bde. (1922 und 1924); Der Herzog von Reichstadt. Sein Lebensroman (1925); Die Wiener Polizei. Eine kulturhistorische Studie (1927); Metternich in neuer Beleuchtung. Sein geheimer Briefwechsel mit dem Bayerischen Staatsminister Wrede (1928); Maximilian II. Der rätselhafte Kaiser. Ein Zeitbild (1929); Das deutsche Schicksal (1930); Lügen der Geschichte (1931); Metternich. Der Dämon Österreichs (1936, 41941); Die Tragödie Österreichs (1937); Kaiser Franz. Der letzte römischdeutsche Kaiser (1937); Kronprinz Rudolf. Die Tragödie eines sinkenden Reiches (1938); Österreich 1806–1938 (1939); Prinz Eugen. Ein Heldenleben (1941); Erzherzog Karl. Der beharrliche Kämpfer für Deutschlands Ehre (1942); Kaiser Josef II. Ein Vorkämpfer der großdeutschen Idee (1943); Radetzky. Soldat und Feldherr (1955); als Herausgeber : Die Korrespondenz Maximilians II., 2 Bde. (1916 und 1921).

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Hirsch stand ihm »gleich einer Phalanx gegenüber«640, und mit Srbik war der Metternich-Hasser Bibl in eine heftige publizistische Kontroverse verstrickt. Bibls maßlose Polemik gegen Srbiks Metternich-Buch erzürnte nicht nur den auf jede Form von Kritik dünnhäutig und beleidigt reagierenden Srbik, sondern beinahe alle seine Wiener Historikerkollegen. Wilhelm Bauer verfasste Anfang 1932, nach dem Erscheinen von Bibls (Mach-)Werk Lügen der Geschichte, eine Erklärung »gegen Bibls Missbrauch der wissenschaftlichen Publizistik«, der von zahlreichen Fachkollegen unterzeichnet wurde.641 1934, nach der gewaltsamen Beseitigung der Demokratie in Österreich, wurde Bibl von der Regierung Schuschnigg beurlaubt, und 1937, nach der Publikation des sofort verbotenen Buches Die Tragödie Österreichs, entzog ihm der Unterrichtsminister die Lehrbefugnis.642 Nach dem »Anschluss« wurde Bibl 1938/39 eine »Wiedergutmachung« ausbezahlt. Im Frühjahr 1939 wurde er »entpflichtet«.643 In der NS-Zeit wurde er in seinem Disput mit Srbik von Ulrich Crämer, dem zuständigen Lektor (d. h. Gutachter bzw. Zensor) der »Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums«, ohne Wenn und Aber unterstützt.644 Im Oktober 1938 kam Crämer nach einem Vergleich der Werke Srbiks und Bibls zu dem Schluss, dass Srbiks Versuch einer »Ehrenrettung« Metternichs angesichts der Widerlegungen Bibls als »gescheitert« angesehen werden müsse. Der nationalsozialistische Gutachter hob auch Bibls »einwandfreien« Charakter hervor, während er Srbik Opportunismus und »echt jesuitische Verdrehungskunst« vorwarf; Srbik sei ein »Meister der Intrige und Verstellung«.645 1940 wurde Bibl rückwirkend unter dem Datum 1. Mai 1938 als Mitglied in die NSDAP aufgenommen.646 Im April 1945 wurde er aus dem öffentlichen Dienst entlassen und sämtlicher Ruhebezüge für verlustig erklärt. Zwei Tage nach seinem Tod am 15. Juli 1947 wurde sein Ansuchen um Erlangung einer Pension bewilligt.647 Als zweiter (bzw., wenn man den Titular-Ordinarius Bibl mitzählt, dritter) ordentlicher Professor für Allgemeine Neuere Geschichte trat im Jahre 1930 der bisherige (seit 1917) Extraordinarius Wilhelm Bauer (1877–1953) an Srbiks Seite 640 Nasko, Bibl contra Srbik, S. 499. 641 Ebd., S. 506, und Nasko, Viktor Bibl, S. 247f. Vgl. auch Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und Anschluß, S. 159–171. 642 Nasko, Viktor Bibl, S. 289–302. 643 Ebd., S. 302–305. 644 Jedlitschka, Die »Parteiamtliche Prüfungskommission«, S. 221–223. – Der Neuzeithistoriker Ulrich Crämer (1907–1992), NSDAP-Mitglied seit 1930, war von 1939 bis 1945 Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität München (»von Hitlers Gnaden«, da er eine »nichtarische« Urgroßmutter hatte). 645 Ebd., S. 222. 646 Nasko, Viktor Bibl, S. 306–318. 647 Ebd., S. 318–321.

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Abb. 43: Viktor Bibl (1870–1947). Fotografie.

– zum Ordinarius ernannt von seinem Studienkollegen und damaligen Unterrichtsminister Heinrich Srbik höchstpersönlich! Bauer hat mit seiner erstmals 1921 veröffentlichten Einführung in das Studium der Geschichte »ein Standardwerk vorgelegt, das für Generationen von Geschichtsstudenten im deutschen Sprachraum die Basis ihrer Ausbildung geworden ist«.648 Bauer hatte auch, im Auftrag der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, ein wichtiges Editionsprojekt begründet, die Edition der Korrespondenz Ferdinands I. (1503– 1564) mit seinen engeren Verwandten (insbesondere seinem Bruder Kaiser Karl 648 Fellner (F.), Geschichte als Wissenschaft, S. 177. – Weitere H a u p t w e r k e Wi l h e l m B a u e r s : Die Anfänge Ferdinands I. (1907); Die öffentliche Meinung und ihre geschichtlichen Grundlagen (1914); Die öffentliche Meinung in der Weltgeschichte (1930); Deutsche Kultur von 1830 bis 1870 (1937). – Das Folgende nach Dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft und Anschluß, S. 130–140; Schulz, Wilhelm Bauer; Scheutz, Wilhelm Bauer.

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V., seiner Schwester Maria und seiner Tante Margarete).649 Ein weiteres wichtiges Arbeitsgebiet Bauers war die Geschichte der öffentlichen Meinung von der Antike bis zur Gegenwart. Von 1915 bis 1942 redigierte er die Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, seit 1929 unterstützt von Otto Brunner. Im Gegensatz zu Srbik war Bauer nach dem Zeugnis des späteren Direktors des Wiener Kriegsarchivs und Bevollmächtigten Generals der Deutschen Wehrmacht in Agram (Zagreb) Edmund Glaise-Horstenau »ein entsetzlicher Vortragender, man hatte unausgesetzt das Bedürfnis, ihm auf den Rücken zu schlagen, damit die mühselig herausgepreßten Worte etwas leichter das Gehege seiner Zähne verließen«.650 Heinrich (von) Srbik, Wilhelm Bauer und Hans Hirsch, die, wie bereits erwähnt, von 1898 bis 1901 gemeinsam den 23. Ausbildungskurs am Institut für Österreichische Geschichtsforschung absolviert hatten, blieben ihr Leben lang befreundet und bildeten in ihrer metaphorischen Selbstdefinition ein »Trifolium« (Kleeblatt), das nicht nur in der Universitätspolitik – freilich, insbesondere seit den späten 1920er Jahren, keineswegs immer friktionsfrei – eng kooperierte. Auch Alfons Dopsch war ein Absolvent des »Institutskurses«, also »Institutsmitglied« (»Institutler«), ebenso wie alle, die bis 1945 und im Zuge der »Entnazifizierung« in den nächsten Jahren ordentliche Professoren am Historischen Seminar und am Institut für Geschichtsforschung wurden. »Wenn auch dieser Besetzungspolitik bei der Rekrutierung der AssistentInnen und in den Karrieren bis zur außerordentlichen Professur nicht konsequent gefolgt wurde, so hatte die Geschlossenheit der Herkunft aus der ›Wiener Schule‹ auf der Ebene der Ordinarien doch eine Einheitlichkeit auch in der ideologischen Orientierung der Lehrenden und ihrer Lehre zur Folge.«651 Zu dieser ideologischen Grundorientierung gehörte auch ein tief sitzender Antisemitismus. So schrieb beispielsweise Srbik Ende November 1919 in einem Brief an Wilhelm Bauer : »Sie [nämlich die österreichische Sozialdemokratie; Th.W.] steht unter jüdischer Führung, ist von jüdischem, undeutschem Denken durchtränkt und fördert immer mehr auf Kosten des Deutschtums den Giftstoff im Volk, das Judentum.«652 Im August 1930 begründete Srbik, der von Oktober 1929 bis September 1930 als Unterrichtsminister der Regierung des deutschnationalen, aber parteilosen und von den Heimwehren unterstützten Bundeskanzlers (und seit 1918 Leiters der Wiener Polizeidirektion) Johannes Schober (Kabinett Schober III) angehörte, in einem Brief an den deutschen Historiker Siegfried August Kaehler die Unmöglichkeit, den Historiker Peter Kuranda in Wien zu habilitieren, wie 649 650 651 652

Siehe Laferl, Familienkorrespondenz. Broucek (Hrsg.), Ein General im Zwielicht, S. 543. Heiss, Die »Wiener Schule der Geschichtswissenschaft«, S. 400f. Srbik, Korrespondenz, S. 139.

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Abb. 44: Wilhelm Bauer (1877–1953). Fotografie von Max Schneider, Wien, 1927.

folgt: »[…] die Zusammensetzung der Wiener Philosoph(ischen) Fakult(ät) ließ und läßt es seit mehreren Jahren schwer zu, daß Juden für neuere Geschichte habilitiert werden. […] und […] Wilh(elm) Bauer […] gibt ganz bestimmt zu Kurandas Habilitation seine Zustimmung n i c ht .« Die Habilitation Friedrich Engel-Janosis, eines Schülers von Alfred Francis Prˇibram, im Jahr 1929 (nach einem gescheiterten ersten Versuch 1924653) führte er als Ausnahme von dieser Regel an.654 Ja, sein grundsätzlicher Antisemitismus hinderte Srbik nicht daran, sich für die Habilitation Engel-Janosis aktiv zu engagieren, und noch am 8. April 653 Alfons Dopsch sprach sich 1924 in der Habilitationskommission wegen Engels Tätigkeit als Fabrikant (als Leiter einer zunächst sehr kleinen, erst kürzlich von seinem Vater geerbten Holz- und Parkettbodenfabrik) gegen dessen Habilitierung aus und forderte die Zurückweisung des Habilitationsgesuchs, er blieb mit seinem Antrag aber deutlich in der Minderheit; nur der Extraordinarius und Titular-Ordinarius Viktor Bibl dürfte dem Antrag zugestimmt haben. Trotzdem zog Engel-Janosi sein Gesuch, nachdem er über den Verlauf der Sitzung und den Konflikt zwischen Dopsch und Srbik informiert worden war, umgehend zurück. Müller (A.), Grenzziehungen in der Geschichtswissenschaft, S. 299f. Vgl. auch Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, S. 101f. und 106f. 654 Srbik, Korrespondenz, S. 359f.

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1938 dankte er diesem brieflich für die Übersendung eines Exemplars seines soeben erschienen Buches Die Jugendzeit des Grafen Prokesch von Osten mit den folgenden Worten: »Hochgeehrter Herr Kollege! Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr schönes ProkeschBuch. Die Lektüre […] hat mir reichen Genuß gebracht. […] Es ist ein sehr wertvoller Beitrag zur deutschen und österreichischen Geistesgeschichte und ein sehr hochzuschätzendes Stück der Biographie eines bedeutenden Menschen. Ich denke in diesen Tagen oft an Sie und bin mit größter Hochachtung Ihr ergebener H. v. Srbik.«655

An der Wiener Philosophischen Fakultät gab es in der Ersten Republik ein einflussreiches, von dem späteren Dekan (1927/28) und Rektor (1932/33) und engagierten Nationalsozialisten Othenio Abel, dem Begründer der Paläobiologie, initiiertes, konspirativ operierendes Netzwerk von 18 antisemitischen Professoren, das sich (nach dem Vulgonamen seines Treffpunkts, des paläontologischen Seminarraums) »Bärenhöhle« nannte und vermutlich von 1922 bis 1933/34 aktiv war. Diesem gehörten neben anderen die Historiker Wilhelm Bauer, Heinrich Srbik, Carl Patsch, Gustav Turba und Hans Uebersberger sowie der Prähistoriker Oswald Menghin an, ebenso der Pädagoge und Altphilologe Richard Meister, der nach 1945 – als »graue« bzw. »schwarze Eminenz« – zum einflussreichsten Wissenschafts- und Hochschulpolitiker unter den österreichischen Universitätsprofessoren werden sollte und von 1951 bis 1963 als Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften amtierte.656 Diese »gut versteckte Clique« sorgte in den 1920er und 1930er Jahren dafür, dass zahlreiche »Habilitationen und Berufungen von jüdischen und linken Wissenschafterinnen und Wissenschaftern scheiterten«.657 Nur en passant sei erwähnt, dass es im Rahmen des Historischen Seminars von 1943 bis 1945 kurzfristig ein Institut für die Geschichte des Postwesens gegeben hat, das nominell von Professor Wilhelm Bauer, de facto aber vom Postrat Erhard Riedel geleitet wurde, NSDAP-Mitglied seit 1935.658 Riedel ver655 Zitiert nach Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, S. 158. Zu den zahlreichen Manifestationen von Srbiks Antisemitismus vgl. aber Pesditschek, Heinrich (Ritter von) Srbik (2012), bes. S. 274–277 und 297–305. – Sowohl 1924 als auch 1929 waren es die Professoren Srbik und Prˇibram, die Engel-Janosi rieten, sich zu habilitieren. Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, S. 101; zu Engel-Janosis Biographie Prokesch-Ostens vgl. ebd., S. 132–136. 656 Taschwer, Hochburg des Antisemitismus, S. 103–113 und passim (Richard Meister als »schwarz-braune Eminenz«: S. 259); ders., Geheimsache Bärenhöhle; Feichtinger, Richard Meister. Nach einer Formulierung von Feichtinger, Fillafer, Leo Thun und die Nachwelt, S. 352, war Meister »einer jener österreichischen Hochschullehrer, die jedem Regime des 20. Jahrhunderts als Staatsbeamte gefügig dienten«. 657 Taschwer, Geheimsache Bärenhöhle, S. 222. Siehe auch Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 75–86, und Huber (Andreas), Die Hochschullehrerschaft der 1930er- und 1940er-Jahre, S. 656–660. 658 Saurer, Institutsneugründungen, S. 320f. (irrtümlich »Wilhelm« Riedel).

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fasste mit seinen Mitarbeiterinnen ein bis heute außerordentlich nützliches Regestenwerk in 30 Bänden und sechs Registerbänden zum Bestand »Postakten« des Wiener Finanz- und Hofkammerarchivs und später – leider ohne Anmerkungsapparat – eine immer noch brauchbare Österreichische Postgeschichte (Wien 1957), die sich allerdings nicht mit der phänomenalen, zwei Jahrzehnte älteren Weltgeschichte der Post. Mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebietes von Ludwig Kalmus (Wien 1937) messen kann.

3.2. Das Institut für Geschichtsforschung (1918–1945) 1920 wurde das Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Österreichisches Institut für Geschichtsforschung in Wien bzw. (an) der Universität Wien umbenannt. Ab dem Frühjahr 1942 führte das Institut den Namen Institut für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien. Seit 1945 trägt es wieder seinen alten Namen Institut für Österreichische Geschichtsforschung.659 Nach der Emeritierung Emil (von) Ottenthals leitete von 1926 bis zu seiner eigenen Emeritierung 1929 Oswald Redlich das Institut für Geschichtsforschung. Im Vergleich mit Ottenthal war Redlich deutlich offener gegenüber den Neuerungen in der Diplomatik, und insbesondere seine intensive Beschäftigung mit den Privaturkunden (darunter versteht man alle Urkunden mit Ausnahme der Papst-, Kaiser- und Königsurkunden) regte ihn zu einer stärkeren Berücksichtigung rechts- und wirtschaftsgeschichtlicher Aspekte der Urkundenforschung an. »Ebenso waren z. B. seine Vorlesungen über die mittelalterliche Historiographie, die umfassend Ideengeschichte der Epoche behandelten, ausgeprägt allgemeingeschichtlich orientiert.«660 Sein »akademischer Habitus« unterschied sich wesentlich von jenem Ottenthals, und er war, jedenfalls in den 1920er Jahren und mit den Worten seines Schülers Alphons Lhotsky, »der einzige Geschichtsschreiber [also nicht nur Quellen edierender, regestierender und kommentierender Geschichtsforscher ; Th.W.] im Wiener Institutskreise«.661 Die Themen von Redlichs Forschungen und Publikationen waren enorm breit gestreut und vielfältig. Sie umfassten Urkundenlehre, Chronologie, Archivwissenschaft, Geschichte der Habsburgermonarchie, Geschichte Tirols, Landesgeschichte und Landeskunde Niederösterreichs, Mitarbeit an den Regesta Imperii und an den Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg sowie verschiedene Bereiche 659 Reiches Material zur Geschichte des Instituts für Geschichtsforschung unter den Vorständen Hans Hirsch und Otto Brunner, also von 1929 bis 1945, bietet Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung. 660 Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 306. 661 Lhotsky, Unsere Lehrer, S. 274.

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der Geistes-, Kultur- und Kunstgeschichte. Ähnlich umfangreich war sein Engagement in der, wie wir heute sagen würden, Wissenschaftsorganisation bzw. in der Ausübung von akademischen Ehrenämtern: Im Studienjahr 1908/09 war er Dekan der Philosophischen Fakultät und 1911/12 Rektor der Universität Wien, von 1919 bis 1938 Präsident der Wiener Akademie der Wissenschaften. Seine Rektoratsrede am 26. Oktober 1911 beendete er mit den Worten: »Unsere höchste Aufgabe aber bleibt die Wissenschaft und ihre Lehre. Beides zusammen. Die Universität darf nicht zum bloßen Forschungsinstitut werden, sondern muß auch hohe Schule bleiben. […] sie forscht und lehrt und sie lehrt forschen. […] Die Forschung kennt keine Grenzen, sie verträgt keine Bevormundung, aber sie hat ihre Schranken in der Unvollkommenheit alles menschlichen Könnens. Die ernste Forschung erzieht nicht zum Hochmut, sondern zur Demut. Der Forscher möchte oft wohl verzagen und es stärkt ihn nur der Gedanke an den Wert des kleinsten Gliedes in der großen Kette. So ist die Forschung ein tief sittliches Streben, Arbeit von idealem Werte.«662

Oswald Redlich verfasste auch einige historisch-politische Essays, mit denen er sich an ein über den Kreis der Fachkollegen hinausgehendes Publikum wandte. 1915, im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs, bekannte er sich in ÖsterreichUngarns Bestimmung zur Idee einer großösterreichischen Staatsnation, 1921 hingegen, nach der nicht nur für ihn traumatischen Auflösung Österreich-Ungarns, meinte er in dem Essay Säkularjahre der Geschichte Österreichs rückblickend, die Deutschen der Monarchie »hätten als einzige der altösterreichischen Nationen kein Nationalgefühl entwickelt, [sie] seien vielmehr in Treue zu Dynastie und Staat ›steckengeblieben‹. Das sei ein Fehler gewesen.«663 Wie so gut wie alle seine Kollegen bekannte er sich darin zum Anschlussgedanken: »Auch wir Deutschösterreicher sind jetzt frei, wir sind ein nationaler, ein deutscher Staat. Aber wird sind durch den Gewaltfrieden [d. h. den Staatsvertrag von SaintGermain-en-Laye; Th.W.] zu einem Staat gemacht worden, dem die Lebensadern unterbunden sind. Wir brauchen einen Rückhalt, einen Anschluß. Wo ihn suchen? Die Antwort muß auch uns jetzt unsere tiefinnerste nationale Pflicht erteilen. Sie ruft uns dahin, wohin wir seit tausend Jahren gehören, zu unserem ganzen, großen deutschen Volk. […] Das ideale Ziel muß die Wiedervereinigung mit Deutschland sein. Auch uns muß unsere Geschichte das Ideal der Zukunft weisen. Die Abtrennung der deutschösterreichischen Länder seit 1866 [also seit dem Ende des Deutschen Bundes; Th.W.] muß für uns eine historische Episode werden, unsere Zukunft, unser Heil ist bei Deutschland.«664

662 Zitiert nach Santfaller, Oswald Redlich, S. 96. 663 Holeschofsky, Oswald Redlich (im Druck), im Text nach Anm. 96. 664 Redlich, Ausgewählte Schriften, S. 51.

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Mit einigem Recht konnte festgestellt werden, der großdeutsche und nationalliberale Redlich sei in der Frage der Beziehung Österreichs zu Deutschland, was seine politischen Ansichten und seine Weltanschauung anbelangt, »ein Historiker nicht über, sondern zwischen den Parteien« (den Groß- und den Kleindeutschen bzw. den Habsburg-Loyalen und den Deutschnationalen) gewesen.665 Nach dem Urteil seines jüngsten Biographen nahm Redlich nicht nur in (national)politischen Fragen, sondern auch »in den Fragen der Wissenschaftstheorie und Methodik […] eine vermittelnde Stellung ›zwischen den Parteien‹ ein«. Seine Konzilianz habe aber auch dazu geführt, dass er an der Philosophischen Fakultät, im Institut für Geschichtsforschung und im Historischen Seminar »weitgehend an realer Macht verlor bzw. bei wesentlichen Personalentscheidungen, vor allem der Regelung seiner [eigenen] Nachfolge, beiseitegeschoben wurde.«666 Ab 1933 stellte sich Redlich dem diktatorischen Dollfuß-Schuschnigg-Regime als Bundeskulturrat zur Verfügung, ohne als prononcierter Verfechter des »Ständestaats« hervorzutreten. Im Dezember 1933 warnte er in mehreren Zeitungsartikeln hingegen eindringlich vor den vom NS-Regime in Deutschland ausgehenden Gefahren für die Freiheit der Wissenschaften. In einem am 24. Dezember 1933 in der Wiener Zeitung abgedruckten Aufruf konstatierte er, dass nicht einmal in den »düsteren« Zeiten der Gegenreformation (im 16. und 17. Jahrhundert) die Wissenschaft so unmittelbar für ein bestimmtes Staats- und Gesellschaftsmodell in Anspruch genommen worden sei wie in der Sowjetunion. Im Anschluss daran gab er seiner Sorge Ausdruck: »[…] wovor uns bangt, ist, daß auch die deutsche Wissenschaft diesen Weg geht«. Das Ideal der Freiheit der Forschung und Lehre müsse mit »treuester nationaler Gesinnung« vereinbar sein.667 Wohl nicht zuletzt wegen seiner tiefen Skepsis gegenüber dem NS-Staat legte Redlich am 16. März 1938, wenige Tage nach dem »Anschluss«, sein Amt als Präsident der Wiener Akademie der Wissenschaften zurück. Große Verdienste um die weitgehende Bewahrung der Einheit der Aktenbestände der Wiener Zentralarchive erwarb sich Oswald Redlich als Archivbevollmächtigter der Republik (Deutsch-)Österreich in den Jahren 1919 bis 1924. Diese Aufgabe war vom Staatssekretär für Äußeres Victor Adler Anfang November 1918 zunächst Ludo Moritz Hartmann anvertraut worden, der aber im Dezember 1918 zum (deutsch-)österreichischen Gesandten in Berlin ernannt wurde, wo er bis November 1920 amtierte. In den Archivverhandlungen mit den Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns gelang es Redlich und seinem Stellvertreter Ludwig Bittner, sich mit den Verhandlungspartnern grundsätzlich auf die 665 Holeschofsky, Oswald Redlich (im Druck), im Text nach Anm. 105. 666 Ebd., vorletzter Absatz. 667 Ebd., im Text bei Anm. 118 und 119.

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Anwendung des Provenienzprinzips zu einigen und dadurch eine Zerschlagung und Aufteilung der Wiener Archivalien nach dem Pertinenzprinzip weitgehend zu verhindern. Allerdings mussten trotzdem insbesondere an Italien und die Tschechoslowakei relativ große Aktenbestände ausgefolgt werden.668 Redlichs Nachfolger als Vorstand des Instituts für Geschichtsforschung wurde 1929 Hans Hirsch (1878–1940), der 1926 als Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften von der Deutschen Universität Prag an die Universität Wien berufen worden war.669 Durch Hirsch »erhielt die Wiener Mittelalterforschung einen kräftigen Impuls zum weiteren Loslösen von der Sickel-Tradition und zur Verstärkung der Verfassungs- und Rechtsgeschichte. Hirsch ging in seiner Kritik an der klassischen Diplomatik erheblich weiter als der mehr traditionsgebundene [und 20 Jahre ältere; Th.W.] Redlich.«670 Er blieb »nie bei einer rein formalen Diplomatik stehen, sondern stellte stets die Urkunde in den rechtshistorischen Kontext«.671 Mit seinem 1913 erschienenen Werk Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit hat er »auf die methodische Ausrichtung – nämlich die Struktur des Reiches mittels Urkundenkritik und Beschäftigung mit der Landesgeschichte zu durchdringen – der Mittelalterforschung einen nachhaltigen Einfluss« gewonnen.672 Und in seinem 1922 publizierten Buch Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen Mittelalter sah die zeitgenössische Kritik »einen bahnbrechenden Beitrag zum grundsätzlichen Verständnis der mittelalterlichen Rechts- und Verfassungsgeschichte«.673 Als akademischer Lehrer verstand es Hans Hirsch, »in seinen Vorlesungen und Seminaren weit ausholend mit verblüffender Kombinatorik und viel Emotion ein plastisches Bild der mittelalterlichen Welt zu entwerfen und die Hörer damit in seinen Bann zu ziehen«. Beispielsweise soll er, wenn er in der Vorlesung auf die Hinrichtung des letzten Staufers Konradin zu sprechen kam, »regelmäßig […] zu Tränen gerührt gewesen sein«.674 Gerhart B. Ladner be668 Neck, Oswald Redlich; Just, Oswald Redlich; Hochedlinger, Österreichische Archivgeschichte, S. 169–175; ders., Lothar Groß, S. 61–68. Vgl. auch Just, Ludwig Bittner. – »[D]ie Vertreter und führenden Archivare der Nachfolgestaaten, also die Verhandlungspartner, [waren] fast durchwegs ehemalige Schüler Redlichs […].« Santfaller, Oswald Redlich, S. 55. 669 H a u p t w e r k e v o n H a n s H i r s c h : Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit. Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte des deutschen Reiches und der deutschen Kirche (1913); Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen Mittelalter (1922). – Zu Leben und Werk Hans Hirschs siehe Zehetmayer, Hans Hirsch, und Zajic, Hans Hirsch, sowie Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 212–241 und passim. 670 Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 309. 671 Zehetmayer, Hans Hirsch, S. 224. Vgl. insbesondere Zajic, Hans Hirsch, S. 406–417 (Hirsch als Urkundenforscher). 672 Zehetmayer, Hans Hirsch, S. 226f. 673 Ebd., S. 229. 674 Ebd., S. 231. – »Die leidenschaftliche Fixierung auf den hochmittelalterlichen Reichsge-

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Abb. 45: Hans Hirsch (1878–1940). Fotografie von Karl Winkler, Wien.

richtet in seinen Erinnerungen, der Vorlesungszyklus von Hans Hirsch »über die deutsche Kaisergeschichte« sei »ein Lichtblick« seiner Wiener Studienjahre gewesen.675 Der Archivar und Archivwissenschaftler Walter Goldinger, der einige Jahre (1973–1975) dem Österreichischen Staatsarchiv als Generaldirektor vorstand, hat seinem Lehrer Hans Hirsch, bei dem er 1932 dissertierte, rückblickend »ein ungemein hohes Maß von Lehrbegabung« attestiert: »Das innere Feuer seiner Vorträge zündete.«676 Heinrich Appelt, ein weiterer Dissertant Hirschs, hat vom »hinreißenden Schwung seines Vortrages« gesprochen, aber auch »die strenge Methode, zu der er seine Schüler erzog« und die »harte Disziplin der Quellendanken, durchaus auch im Sinne einer aktuellen gesellschaftlichen oder politischen Zielvorstellung bzw. einer ›gesamtdeutsch‹-völkischen Geschichtsauffassung mit wenigstens latent teleologischen Zügen verband Hirsch als ›deutschbewußte[n] Österreicher‹ mit der Mehrzahl der österreichischen Historiker der Zwischenkriegszeit, ganz besonders mit seinen beiden gleichaltrigen Kurskollegen und engen Freunden, dem in dieser Hinsicht für eine ganze Historikergeneration einflussreichsten Srbik, aber auch Bauer […].« Zajic, Hans Hirsch, S. 363f. 675 Ladner, Erinnerungen, S. 23. 676 Goldinger, [Autobiographie], S. 76.

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kritik und besonders der Diplomatik«, zu der Hirsch seine Schüler angeleitet habe, lobend hervorgehoben.677 Seit den späten 1920er Jahren standen das Historische Seminar und das Institut für Geschichtsforschung, »geleitet von den mächtigen Direktoren [Heinrich] Srbik und [Hans] Hirsch, in heftiger Konkurrenz zueinander«.678 Das »disziplinäre Feld der Geschichtswissenschaft« war an der Universität Wien »zunehmend ›polyzentrisch‹ organisiert […], nachdem der hegemoniale Deutungsanspruch des IfÖG nach der Jahrhundertwende schrittweise erodiert war«.679 Seit 1929 wirkten »nebeneinander die drei starken, hoch ambitionierten Ordinarien Hans Hirsch, Alfons Dopsch und Heinrich von Srbik, jeder von ihnen Leiter eines eigenen Instituts«680, nämlich des Instituts für Geschichtsforschung (Hirsch), des (1922 eingerichteten) Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (Dopsch) und des Historischen Seminars (Srbik). 1931 wurde – formal als Nachfolger Oswald Redlichs und gegen dessen Willen sowie auf Betreiben von Hans Hirsch und Alfons Dopsch681 – Otto Brunner (1898–1982), zum Zeitpunkt seiner Berufung Unterstaatsarchivar im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, als außerordentlicher Professor für mittelalterliche und österreichische Geschichte an die Universität Wien bzw. das Institut für Geschichtsforschung berufen.682 Brunner, der 1922 bei Redlich mit der Studie Österreich und die Walachei während des Türkenkrieges 1683–1699 dissertiert und sich 1929 mit dem Buch Die Finanzen der Stadt Wien von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert für Österreichische Geschichte habilitiert hatte,683 war »der für die Entwicklung der Geschichtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wohl wichtigste […] Wiener Historiker«.684 Der amerikanische Historiker James 677 678 679 680 681

Appelt, [Autobiographie], S. 10. Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 275. Ebd., S. 283. Ebd. Siehe Kolárˇ , Fachkontroverse und institutionelles Umfeld. – »Die Ernennung von Otto Brunner, der der einseitig hilfswissenschaftlichen Ausprägung der österreichischen Mittelalterforschung kritisch gegenüberstand, zum Nachfolger Oswald Redlichs bedeutete einen weiteren Schlag gegen die Sickelsche Tradition des Wiener Instituts.« Ebd., S. 122. 682 Archiv der Universität Wien, Personalakten der Philosophischen Fakultät, PA 1140: Otto Brunner, Phil. DZ 595, 1930/31, fol. 1–8. 683 Die Dissertation ist heute verschollen; siehe aber die Druckfassung in: Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung 44 (1930), S. 265–323. – H a u p t w e r k e O t t o B r u n n e r s : Die Finanzen der Stadt Wien von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert (1929); Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Südostdeutschlands (ab der 4. Aufl. stattdessen: Österreichs) im Mittelalter (1939, 41959, mehrere Nachdrucke); Adeliges Landleben und europäischer Geist. Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1612–1688 (1949); Neue Wege der Sozialgeschichte. Vorträge und Aufsätze (1956, 21968 unter dem Titel: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte). 684 Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 47. – Otto Brunner und die volksgeschichtliche Vorgeschichte der strukturgeschichtlich orientierten westdeut-

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Abb. 46: Otto Brunner (1898–1982). Fotografie von Karl Winkler, Wien.

Van Horn Melton, einer der beiden Übersetzer seines Hauptwerkes Land und Herrschaft ins Englische, hat vor einigen Jahren einen Artikel über Brunner mit dem folgenden Satz eingeleitet: »Die Bücher und Aufsätze Otto Brunners gehören zu den eigenständigsten und anregendsten Arbeiten deutschsprachiger Forschung im 20. Jahrhundert.«685 Hans Rosenberg, der 1933 aus »rassischen« schen Sozialgeschichte nach 1945 werden seit zwei Jahrzehnten intensiv untersucht und kontrovers diskutiert. Siehe u. a. Jütte, Zwischen Ständestaat und Austrofaschismus; Oexle, Sozialgeschichte – Begriffsgeschichte – Wissenschaftsgeschichte; Oberkrome, Volksgeschichte; Algazi, Herrengewalt und Gewalt der Herren; ders., Otto Brunner ; Quaritsch, Otto Brunner ; Boldt (H.), Otto Brunner und die deutsche Verfassungsgeschichte; vor allem aber Blänkner, Von der »Staatsbildung« zur »Volkwerdung«; ders., Nach der Volksgeschichte; ders., Begriffsgeschichte; weiters: Weltin, Otto Brunner; Kortüm, »Wissenschaft im Doppelpaß«; Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 298–315 und passim. 685 Melton, Otto Brunner und die ideologischen Ursprünge der Begriffsgeschichte, S. 123. – Otto Brunners Land und Herrschaft ist übrigens neben Alfons Dopschs Wirtschaftliche[n] und soziale[n] Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung – abgesehen von Thomas Ebendorfers Cronica regum Romanorum, Cronica Austriae und Cronica pontificum Romanorum sowie Konrad Celtis’ Germania illustrata – das einzige Werk eines an der Uni-

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Gründen aus dem nationalsozialistischen Deutschland zunächst nach England und 1935 in die Vereinigten Staaten emigrierte und seit den 1950er Jahren zusammen mit Werner Conze, Theodor Schieder und Otto Brunner zum Pionier der modernen Sozialgeschichte als Strukturgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland wurde686, bezeichnete Brunner 1972 in einem Brief an Dietrich Gerhard sogar als den »allerbedeutendsten Historiker unseres Jahrhunderts«.687 Dietrich Gerhard, der 1933 als Jude entlassen worden war, ebenfalls in die USA emigriert und in den 1950er Jahren nach Deutschland zurückgekehrt war, soll Otto Brunner geradezu »verehrt« haben.688 Und Peter Blickle, einer der führenden deutschen Spätmittelalter- und Frühneuzeithistoriker seiner Generation, attestierte 1983 in seinem Nachruf auf Brunner dessen Buch Land und Herrschaft, »eines der wichtigsten Werke der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft dieses Jahrhunderts« zu sein.689 Otto Brunners Karriere erreichte in der Zeit des Nationalsozialismus den ersten Höhepunkt und kam danach für ein knappes Jahrzehnt zum Stillstand. Nachdem er 1923 bis 1931 als Archivar im Haus-, Hof- und Staatsarchiv gewirkt hatte, wurde er, wie bereits erwähnt, 1931 an der Universität Wien außerordentlicher Professor für Geschichte des Mittelalters und Österreichische Geschichte und 1941 ordentlicher Professor für Mittlere und Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der südostdeutschen Landesgeschichte. Von 1940 bis 1945 war er als Nachfolger des überraschend verstorbenen Hans Hirsch Vorstand des Instituts für Geschichtsforschung. Von April 1942 bis Juni 1944 war er bei der Deutschen Wehrmacht eingerückt und unterrichtete unter anderem an der Kriegsschule Tulln Offiziersschüler (Fahnenjunker) in Geographie und Geschichte.690 1945 wurde er aus politischen Gründen »enthoben« und im Au-

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versität Wien tätigen Historikers, das Volker Reinhardt in den von ihm herausgegebenen, 228 Essays zu historiographischen Texten aus knapp zweieinhalb Jahrtausenden enthaltenden Band Hauptwerke der Geschichtsschreibung aufgenommen hat: Borgolte, Brunner, Land und Herrschaft. Zu Rosenbergs Leben und Werk siehe Ritter (G. A.), Hans Rosenberg; in aller Kürze: B(ernd) F(aulenbach), Rosenberg, Hans. In: vom Bruch, Müller (Hrsg.), Historikerlexikon, S. 281f. Zitiert nach Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 82, Anm. 117. Blänkner, Nach der Volksgeschichte, S. 337. Zitiert nach Blänkner, Von der »Staatsbildung« zur »Volkwerdung«, S. 91. Gadi Algazi hingegen wirft Otto Brunner gerade anhand von Land und Herrschaft vor, geradezu grundsätzlich Worte und Begriffe zu verwechseln: »Soziale Verhältnisse werden auf ›konkrete Ordnungen‹ reduziert, denen wiederum ein ›Wesen‹ zugerechnet wird, und dies wiederum wird an erstaunlich konstant bleibenden ›Grundbegriffen‹ festgemacht; aus diesen ›Grundbegriffen‹ lassen sich schließlich Rechte und Befugnisse ›herleiten‹. Hier nähert man sich dem Bereich des Wortzaubers.« Algazi, Otto Brunner, S. 178. Archiv der Universität Wien, Personalakt Otto Brunner (wie Anm. 682), DZ 1100, 1945/46, fol. 5f.

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gust 1948 in den dauernden Ruhestand versetzt.691 Von 1954 bis 1966 war er ordentlicher Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Hamburg, der er im Studienjahr 1959/60 als Rektor vorstand.692 Übrigens knüpfte Brunner in den 1960er Jahren den Kontakt mit Friedrich Engel-Janosi wieder an und lud ihn im Dezember 1966 ein, einen Vortrag in der (1947 gegründeten) Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften in Hamburg zu halten.693 In seinem außerordentlich einflussreichen, in erster Auflage 1939 erschienenen Hauptwerk Land und Herrschaft bezeichnete Otto Brunner »Volksgeschichte« als »das Gebot der Stunde« (S. 194). In der zweiten und dritten Auflage (1942 und 1943) ersetzte er den Begriff »Volksgeschichte« durch »politische Volksgeschichte« (S. 185 bzw. 188) und nach 1945, in der vierten Auflage (1959), durch »Strukturgeschichte« (S. 164).694 Brunners Konzept von »Volksgeschichte« bzw. »politischer Volksgeschichte« war grundsätzlich nicht – jedenfalls nicht notwendigerweise – rassistisch, »und sein theoretischer und methodischer Ansatz konnte so verstanden werden, dass er nach 1945 in ›entideologisierter‹ Form die Entwicklung der neuen deutschen Sozialgeschichte als ›Strukturgeschichte‹ inspirierte«.695 Im Übrigen waren die Begründer der strukturgeschichtlichen Sozialgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere Werner Conze und Theodor Schieder, mit denen zusammen Otto Brunner 691 Otto Brunners Pensionsdekret wurde übrigens zunächst irrtümlich dem gleichnamigen Professor am Institut für Chemie der Hochschule für Bodenkultur und erst Anfang Oktober 1948 dem richtigen Adressaten zugestellt, der am 30. Oktober den Empfang quittierte. Ebd., DZ 3211, 1947/48, fol. 4–10. 692 Zu Brunners Lehrtätigkeit an der Universität Hamburg siehe Wolgast, Der akademische Lehrer. 693 Siehe die Durchschläge der Briefe Engel-Janosis an Brunner vom 4. Januar und 29. Juni 1967 in: Archiv der Universität Wien, Institut für Geschichte, Karton 18, Mappe 18/1: Korrespondenz Engel-Janosi II 66 bis X 67. Als Vortragsthemen schlug Engel-Janosi am 4. Januar 1967 vor: »Die Geschichte der Universalgeschichtsschreibung in der Neuzeit« oder (aus Anlass der 50. Wiederkehr von dessen Todestag) »Kaiser Franz Joseph und seine Ratgeber«; eventuell komme auch in Frage: »Zwei österreichische Friedensversuche im Jahre 1917«. – Otto Brunner war von 1958 bis 1960 Präsident der Joachim Jungius-Gesellschaft. Buisson, Wissenschaftliches Werk, S. 30. 694 Es stimmt also nicht, dass die Passage mit dem Begriff »politische Volksgeschichte« sich »textidentisch in den drei ersten Auflagen« findet, wie Blänkner, Nach der Volksgeschichte, S. 336, Anm. 33, schreibt. Vgl. auch Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 49. 695 Heiss, Die »Wiener Schule der Geschichtswissenschaft«, S. 418. – Brunner hatte den Begriff »Struktur« ohne nähere Erläuterung bereits in den 1930er Jahren verwendet. In einem 1948 erschienenen Aufsatz diskutierte er »sein sozialgeschichtliches Konzept ausführlicher und explizierte den Begriff ›Struktur‹ bzw. ›Strukturgeschichte‹ mit dem Begriff ›innerer Bau‹. Dieser Begriff wurde von Brunner auch mit dem Terminus ›Verfassung‹ und in ähnlicher Begriffswahl mit ›Volksordnung‹ in Zusammenhang gebracht.« Ehmer, Müller, Sozialgeschichte in Österreich, S. 116.

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1957 den Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte gründete, »in den späten 1930er und in den 1940er Jahren selbst dem Umfeld ›volksgeschichtlicher‹ Strömungen zuzuordnen«.696 Reinhard Blänkner, der derzeit wohl beste Kenner und scharfsinnigste Interpret von Otto Brunners Leben und Werk, vertritt mit meines Erachtens gut nachvollziehbaren Argumenten die These, »dass in Brunners wissenschaftlichem Werk nicht zwei, sondern wenigstens drei Schichten und Phasen unterschieden werden müssen, die allerdings erst jenseits der einseitigen Fokussierung auf die verschiedenen Auflagen von ›Land und Herrschaft‹ sichtbar werden«.697 Bereits in dem 1936 erschienenen Aufsatz Zum Problem der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte entwarf Brunner »das Programm einer […] historischen ›Strukturanalyse‹, in dem von ›politischer Volksgeschichte‹ bezeichnenderweise noch nicht gesprochen wird«.698 Ende der 1930er Jahre wandte er sich unter dem Eindruck der sogenannten Volks- und Kulturbodenforschung und des zeitgenössischen Volkwerdungsdiskurses der Volksgeschichte zu, und sein »Programm einer historischen Strukturanalyse« wurde »im Sinne totalitärer Gemeinschaftsstiftung ›völkisch‹ aufgeladen und überformt«.699 Brunners »grundsätzliche Problemstellung« war aber schon damals »die Frage […] nach den Bedingungen und Formen politisch-sozialer Ordnung und dem ›inneren Zusammenhang‹ politisch-sozialer Verbände«.700 Nach 1945, also »nach dem Desaster des Nationalsozialismus und der gescheiterten Utopie einer homogen gedachten ›Volksordnung‹«, löste und distanzierte er sich »vom homogenistischen Konzept der Volksgeschichte« und vollzog einen »politischen und wissenschaftlich-konzeptuellen Rahmenwechsel« von der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte und zur Sozialgeschichte. Die wissenschaftlich-politischen Grundkategorien und Leitbegriffe »Volk« und »Reich« ersetzte er dabei durch »Menschen« und »menschliche Gruppen« sowie »Europa« bzw. »Alteuropa«.701 Unter »Alteuropa« verstand Brunner die sehr lange, »der modernen industri696 Pinwinkler, Österreichische Historiker, S. 37. Vgl. zuletzt Lausecker, Werner Conze, und Haar, Theodor Schieder. – Zu den Beziehungen zwischen Otto Brunner, Werner Conze und Theodor Schieder siehe Dunkhase, Werner Conze, und Nonn, Theodor Schieder, jeweils passim. Was die Etablierung sowohl der Sozialgeschichte als Strukturgeschichte als auch der Begriffsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren betrifft, »lässt sich festhalten, dass Otto Brunner gegenüber [dem um zwölf Jahre jüngeren] Conze zwar gedanklich und begrifflich meist einen gewissen Vorsprung besaß, im Endeffekt aber beide am gleichen Strang zogen und sich gegenseitig befruchteten«. Dunkhase, Werner Conze, S. 135. 697 Blänkner, Nach der Volksgeschichte, S, 341. – Blänkner arbeitet an einer Monographie über Otto Brunner. 698 Ebd., S. 343. 699 Ebd., S. 347. 700 Ebd., S. 349. 701 Ebd., S. 350–356.

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ellen Gesellschaft vorausgehende Großepoche der agrarisch [d. h. sozialgeschichtlich von Adel und Bauerntum; Th.W.] geprägten Welt von der Antike bis in die Neuzeit«702, also grosso modo »die Zeitspanne von Homer bis Goethe«703. Brunner widmete diesem Thema eine Reihe von seinerzeit sehr einflussreichen Aufsätzen, vor allem aber sein 1949 erschienenes zweites Hauptwerk Adeliges Landleben und europäischer Geist. Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg, 1612–1688. Ohne Berücksichtigung dieser »politisch-wissenschaftlichen Alteuropa-Wendung« sei, so Reinhard Blänkner, Brunners Gesamtwerk nicht verständlich.704 Insgesamt sei der »Übergang von der ›Volksgeschichte‹ zur ›Strukturgeschichte‹ […] weit weniger spektakulär als oftmals behauptet«: »Brunners spätere ›Strukturgeschichte‹ als historische Strukturanalyse ist eine entideologisierte ›Volksgeschichte‹, die des expliziten Bezugs auf den völkischpolitischen Begriff ›Volk‹ nicht nur nicht mehr bedarf, sondern ihren Verzicht mit Blick auf die beabsichtigte Entideologisierung auch erfordert.«705 Ausgehend von seiner Skepsis in Bezug auf die Anwendbarkeit moderner Begriffe (z. B. »Staat« und »Gesellschaft«) auf vormoderne politisch-soziale Ordnungen, wurde Otto Brunner auch zu einem Mitbegründer der (bundesrepublikanischen) »Begriffsgeschichte«. Gemeinsam mit Werner Conze und Reinhart Koselleck gab er das siebenbändige (bzw., mit dem in zwei Teilen erschienenen Registerband, achtbändige) Standard- und Referenzwerk Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland heraus.706 Er steuerte zwar selbst nur einen einzigen Artikel bei (zum Stichwort Feudalismus) – nach dem Erscheinen des zweiten Bandes, in dem dieser 1975 erschienen ist, kurz vor dem Erscheinen des dritten Bandes, ist er verstorben –, allerdings liegt das »von Brunner entworfene Konzept des [chronologischen] Dreischritts ›Alteuropa – Schwellenzeit [um 1800] – Moderne Gesellschaft‹« den Geschichtlichen Grundbegriffen insgesamt zugrunde: »Alle Artikel dieses Lexikons sind nach diesem Muster aufgebaut.«707 Otto Brunner war seit dem 1. Juli 1938 Parteianwärter und seit November 1943 Mitglied der NSDAP.708 Er wurde aber, im Unterschied zu Wilhelm Bauer und Heinrich Srbik, von der Sonderkommission beim Wiener Unterrichtsmi702 703 704 705 706 707

Ebd., S. 357. Blänkner, Von der »Staatsbildung« zur »Volkwerdung«, S. 117. Ebd., S. 111. Ebd., S. 116. Die Bände 1–7 erschienen 1972–1992, der Registerband 1997. Blänkner, Begriffsgeschichte, S. 107. Siehe auch Koselleck, Einleitung, S. XXVI f. – Dem Mitherausgeber Werner Conze zufolge verdankt »[d]as Lexikon ›Geschichtliche Grundbegriffe‹ […] seine Entstehung und sein Konzept in erheblichem Maße den Anstößen, die Brunner gegeben hat«. Conze, Nachruf Otto Brunner, S. 453. 708 Archiv der Universität Wien, Personalakt Otto Brunner (wie Anm. 682), Personalblätter, fol. 5.

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nisterium im Mai 1946 günstig beurteilt: Er biete »nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür, dass er jederzeit rückhaltlos für die Unabhängigkeit der Republik Österreich eintreten werde«.709 »[M]it dem intellektuell dürftigen Argument ›einmal Nazi – immer Nazi‹« ist Otto Brunner tatsächlich »nicht beizukommen«.710 Allerdings hatte er Adolf Hitler und dem NS-Regime bis kurz vor dessen Ende treu gedient. Noch am 21. Januar 1945 hielt er auf Einladung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete und »Chefideologen« der NSDAP Alfred Rosenberg »in der damals schon weitestgehend in Trümmern liegenden Reichshauptstadt Berlin im Rahmen einer Vorlesungsreihe mit dem Titel ›Weltgeschichtliche Bewährungsstunden‹ einen Durchhalte-Vortrag über Otto den Großen«.711 In seinem spätestens im Sommer 1944 abgeschlossenen, in den Wirren des Kriegsendes nicht mehr erschienenen Buch Der Schicksalsweg des deutschen Volkes, dessen Druckfahnen sich erst unlängst gefunden haben, sang er im Schlusskapitel ein Loblied auf Hitler und die NSDAP und deren terroristische, rassistische und imperialistische, in Genozid und Massenmord mündende Politik: »In den Tagen des Zusammenbruchs [1918/19], in Deutschlands größter Not, faßte Adolf Hitler den Entschluß, eine Bewegung zur Befreiung des deutschen Volkes zu gründen. In 14 Jahren härtesten Kampfes hat er über alle Rückschläge hinweg die NSDAP. zum Siege geführt. Mit dem Tage der Machtergreifung, am 30. Januar 1933[,] konnte der Führer darangehen, die Grundlage für die Erreichung seiner Ziele zu legen. Es ging nun nicht um die Wiederherstellung des Deutschen Reiches von 1914, sondern um die Zusammenfassung aller geschlossen siedelnden Deutschen in einem Großdeutschen Reich und die Sicherung seines Lebensraumes. Die nationalsozialistische Bewegung stellte daher den Gedanken des Volkes in seiner blutmäßigen Einheit in den Mittelpunkt ihres politischen Denkens. […] Die NSDAP. begann eine politische Neuausrichtung des ganzen deutschen Volkes, sie schaltete die inneren Gegner, die Parteien und das Judentum, aus. Grundlegende Gesetze leiteten die biologische Wiedererstarkung des deutschen Volkes ein.«712

Dass es Otto Brunner im Unterschied zu anderen ehemaligen Nationalsozialisten seiner Generation nicht gelungen ist, in den 1950er Jahren an die Universität Wien zurückzukehren, ist, so die plausible Vermutung von Gernot Heiss, »wohl auf die Ablehnung des [brillanten; Th.W.] Konkurrenten innerhalb der Universität und darauf zurückzuführen, dass er (als Protestant) nicht in die ein-

709 710 711 712

Zitiert nach Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive, S. 190. Blänkner, Begriffsgeschichte, S. 103. Kortüm, Otto Brunner, S. 102. Zitiert nach ebd., S. 102. Die Druckfahnen, die lange Zeit als verschollen galten, haben sich in Brunners Privatbibliothek erhalten, die 1986 von einer japanischen Universitätsbibliothek erworben wurde. Ebd., S. 108, Anm. 55.

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flussreichen katholisch-konservativen Netzwerke eingebunden war«.713 Als Protestanten blieb Brunner insbesondere der (nicht nur) an den Universitäten nach 1945 sehr einflussreiche Cartellverband der katholischen österreichischen Studentenverbindungen (CV, ÖCV) verschlossen.714 Mit 1. Februar 1940 wurde das Österreichische Institut für Geschichtsforschung direkt dem Reichserziehungsministerium in Berlin unterstellt. Pläne, die Archivarsausbildung für das gesamte Deutsche Reich beim Preußischen Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem zu zentralisieren, die zur Auflösung oder jedenfalls zu einer Degradierung und Unterordnung des Wiener Instituts führen hätten können, wurden schließlich im September 1940 aufgegeben.715 1942 wurde das Institut in Institut für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft (in Wien) umbenannt.716 Das Fach »Österreichische Geschichte« wurde nach dem »Anschluss« 1938 in »Südostdeutsche Landesgeschichte« umbenannt. 1946 wurde es zunächst in Form eines Extraordinariats und 1951 in der eines Ordinariats wiederhergestellt.717

3.3. Exkurs: Heimito von Doderer und das Institut für Geschichtsforschung Im Juli 1923, drei Jahre vor dem Ende der Institutsvorstandschaft Emil (von) Ottenthals, legte der 1920 nach vierjähriger Kriegsgefangenschaft in Sibirien nach Wien zurückgekehrte und erst spät, nach dem Erscheinen seines Romans Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre (1951), zu Berühmtheit gelangte Schriftsteller Heimito von Doderer (1896–1966) die Aufnahmeprüfung für den 34. Kurs am Institut für Geschichtsforschung ab und erhielt als ordentliches Mitglied eines der Jahresstipendien zuerkannt. Bereits Anfang No713 Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive, S. 191. – »Otto Brunner und mit ihm der sozialwissenschaftliche, ›volksgeschichtliche‹ Ansatz, der sich in den 50erJahren fruchtbar zum strukturgeschichtlichen Ansatz der neuen deutschen Sozialgeschichte entwickelte, konnte sich nach 1945 an der Universität Wien nicht mehr etablieren: Brunner nahm 1953 den Ruf nach Hamburg an (den er – als ›Wunschnachfolger‹ von Hermann Aubin – wohl den Kontakten aus der ›Volksforschung‹ zu verdanken hatte).« Ebd., S. 206. Zu Hermann Aubin, dem seinerzeitigen Leiter der Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaft, siehe v. a. Mühle, Für Volk und deutschen Osten. 714 Zur gescheiterten »Entnazifizierung« Otto Brunners, zu seiner Versetzung in den Ruhestand (ohne Abzüge) im August 1948 und zu seiner »zweiten« Karriere in Deutschland siehe Pfefferle, Pfefferle, Glimpflich entnazifiziert, S. 96, 104f., 117f., 126f., 150–153 und passim; Stifter, Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration, S. 355f. 715 Hageneder, Existenzkrise; Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 189–193. 716 Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 255–260. 717 Lhotsky, Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in Österreich, S. 402.

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Abb. 47: Heimito (von) Doderer (1896–1966). Fotografie, um 1930.

vember desselben Jahres legte er aus nicht mehr mit Sicherheit eruierbaren Gründen das Stipendium zurück und beendete seine Studien am Institut.718 Sein späterer (nach 1945) Studienkollege Günther Hamann berichtete in seinem Nachruf, Doderer habe »in dem damals noch nach strengen Regeln geführten Institut nicht mehr und nicht weniger als den Besuch einer jungen Dame [seiner damaligen Freundin und späteren ersten Ehefrau Gusti Hasterlik; Th.W.] empfangen« und sei »daraufhin vom Vorstande, Emil von Ottenthal, des Hauses verwiesen worden«.719 Das Doktoratsstudium der Geschichte (mit dem Nebenfach Psychologie) hingegen schloss Doderer, nachdem er vom Sommersemester 1922 bis zum Sommersemester 1924 ohne Unterbrechung Mitglied des Historischen Seminars gewesen war720, erfolgreich ab. Seine Dissertation Zur bürgerlichen Geschichtsschreibung in Wien während des 15. Jahrhunderts wurde im 718 Lebensaft, Eskapade, S. 416–419. 719 Hamann, Heimito von Doderer, S. 490. Vgl. auch Fleischer, Das verleugnete Leben, S. 152. 720 Mitgliederverzeichnis des Historischen Seminars, S. 20.

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Juli 1925 approbiert und sowohl vom Erstgutachter Oswald Redlich als auch vom Zweitgutachter Heinrich Srbik mit »sehr gut« beurteilt.721 Am 22. Juli legte Doderer die Rigorosen ab. In seinem Tagebuch hielt er dazu fest: »Am 22. Juli mittags stieg ich im Frack, mein Diplom unterm Arm, die breite Treppe von der Rampe der Universität herab, mit Dr. [Albrecht] Reif722 und Gusti [Hasterlik]. Unten gab ich einem Wagentürlaufmacher zwei Silber-Stücke. Ich war soeben zum Doctor promoviert worden: wir gingen in’s Caf8 ›Herrenhof‹ [in der Herrengasse] und tranken ein Glas auf den erledigten Abschnitt.«723

Im Oktober 1948 ließ sich der inzwischen 52jährige Doderer neuerlich in das Institut für Österreichische Geschichtsforschung aufnehmen, setzte seine 1923 wenige Monate nach dem Ende des Vorbereitungsjahres und nach sehr gut bestandener Aufnahmsprüfung abgebrochenen Studien fort und absolvierte – »nicht zuletzt in Vorsorge für die mögliche Absicherung in einem bürgerlichen Beruf«724 – mit Erfolg den 44. Institutskurs (1948–1950).725 Von Ren8 (von) Stangeler, dem deutlichsten und langlebigsten der zahlreichen Alter Egos des

721 Lebensaft, Eskapade, S. 419–425. Eine kurze literaturwissenschaftliche Analyse von Doderers Dissertation und Hinweise bezüglich der (unpräzisen) Mittelalterbezüge in Doderers Romanen bieten Király, Drachen, Hexen und Dämonen, S. 43–46, und dies., Der Autor als Mediävist, sowie Meyer, Genealogie, Geschichte und Gregor. Zum Verhältnis Doderers zu seinem Lehrer und Doktorvater Oswald Redlich siehe Fleischer, Das verleugnete Leben, S. 125, 139, 167 und 187, sowie Ma-Kircher, Dopsch – Redlich – Srbik, bes. S. 144–149, weiters Fleischer, Heimito von Doderer, S. 70f. und 76–79. 722 Doderers ehemaliger »Hofmeister«, d. h. Privat- bzw. Nachhilfelehrer, Freund und erster Liebhaber (Doderer war bisexuell). Fleischer, Das verleugnete Leben, S. 61–63, 133f. und passim; Kleinlercher, Zwischen Wahrheit und Dichtung, bes. S. 34f., 157f. und 293f. 723 Zitiert nach Lebensaft, Eskapade, S. 422. 724 Weber (D.), Doderer, S. 134. Vgl. auch ebd., S. 62 und 130f., sowie Fleischer, Das verleugnete Leben, S. 372–390 (Kapitel 28: »Aus Depression: Wissenschaft«) und Schmid (G.), Doderer lesen, S. 24f. 725 Lebensaft, Eskapade, S. 425–429; Hamann, Heimito von Doderer, S. 490f.; Fleischer, Das verleugnete Leben, S. 372–375 und 380–388; ders., Heimito von Doderer, S. 168f. – Viktor Matejka, ein Studienkollege Doderers in der ersten Hälfte der 1920erJahre, der ebenso wie dieser 1925 zum Dr. phil. promoviert wurde (vgl. Matejka, Widerstand ist alles, S. 57–65), behauptete in einem in anderer Hinsicht allerdings teilweise fehlerhaften und unzuverlässigen Erinnerungstext: »Nichts war für Doderer so erstrebenswert wie die Mitgliedschaft am Institut für Österreichische Geschichtsforschung […].« Matejka, Eine Dodereriade, S. 110, und ders., Anregung ist alles, S. 39. Zur Unglaubwürdigkeit einiger Angaben Matejkas siehe Fleischer, Das verleugnete Leben, S. 350, 368, 545f. und 551, sowie Kleinlercher, Zwischen Wahrheit und Dichtung, S. 401–422. – Den Erinnerungen von Doderers Freundin Dorothea Zeemann (vgl. Fleischer, Das verleugnete Leben, S. 428–445 und passim) zufolge trug dieser in den 1950er und 1960er Jahren »[d]en Schlüssel zum Institut für österreichische Geschichtsforschung […] stets bei sich. Es war ihm die größte Ehre, dorthin zu gehören, wo man ihn nicht zu schätzen wußte.« Zeemann, »Packerl«, S. 124.

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Autors in Doderers Romanen und Erzählungen726, erfährt der Leser des Romans Die Dämonen unter anderem, dass er »ein Doktor der Philosophie und sogar Absolvent des Institutes für Österreichische Geschichtsforschung war«727 und dass er 1927 häufig im Institut arbeitete, und zwar »auf dem Bibliotheksgang, seit er den dreijährigen Kursus hier absolviert und die große Prüfung mit passablem Resultat gemacht hatte«728. Über einen amerikanischen Mediävisten und Professor der Geschichte an der Harvard University namens Bullog(g), der früher Gymnasialprofessor in Budapest gewesen war und sich mit der Bitte um Rat und Hilfe an Ren8 Stangeler gewandt hatte und der »anscheinend paläographisch nicht so ganz sicher« war, urteilte Ren8 in Gedanken: »Hat in Budapest studiert. Sind halt nicht so gehunzt worden, wie wir am Institut in Wien.«729 Nach dem Zeugnis von Doderers Schwester Astri von Stummer, dem Vorbild der Asta Haupt (geb. Stangeler) der Strudlhofstiege, soll Oswald Redlich 1927, nach einer Rezitation (»im Stile des Rhapsoden sprach der Autor ohne Manuskript«730) des im Jahr 1926 entstandenen Divertimento No IV, über seinen ehemaligen Dissertanten Doderer gesagt haben: »[…] er war mein begabtester Schüler – und trotzdem –, er gehört nicht zu uns Wissenschaftlern, sein Weg ist ein ganz anderer …!«731

3.4. Das Archäologisch-Epigraphische Seminar (1918–1945) 1923 wurde dem aus der Steiermark stammenden Rudolf Egger (1882–1969), der nach einigen Jahren der Tätigkeit als Gymnasiallehrer 1912 als Sekretär in das Österreichische Archäologische Institut eingetreten war und sich 1917 an der Universität Wien für Römische Altertumskunde habilitiert hatte, in Anerkennung seiner Lehrtätigkeit der Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors verliehen. 1929 wurde er als Nachfolger Wilhelm Kubitscheks zum ordentlichen Professor für Römische Altertumskunde und Epigraphik ernannt. Da die Professur Adolf Bauers für Alte Geschichte am Historischen Seminar nach dessen Tod 1919 nicht nachbesetzt worden war, erhielt Egger zusätzlich einen 726 Siehe Löffler, Doderer-ABC, S. 24–28 und 347–350; Voracek, Rand der Wissenschaft, S. 138f., 163, 247–249, 320f., 402f., 412, 419, 437; Nüchtern, Kontinent Doderer, S. 337f. 727 Doderer, Die Dämonen, S. 49. 728 Ebd., S. 694. 729 Ebd., S. 1319. Vgl. Löffler, Doderer-ABC, S. 275; Voracek, Rand der Wissenschaft, S. 257f.; Nüchtern, Kontinent Doderer, S. 296f. 730 Schmidt-Dengler, Nachwort, S. 490. 731 Stummer, Mein Bruder Heimito, S. 166. – Zu Doderers Verhältnis zu Leo Santifaller und zur »Geschichtsforschung« in den 1950er und 1960er Jahren sowie zu seiner Geringschätzung der politischen Geschichte (im Sinne von Ereignisgeschichte und »Geschichte der großen Männer«) siehe unten S. 253–256.

Das Archäologisch-Epigraphische Seminar (1918–1945)

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Lehrauftrag für Alte Geschichte. Gemeinsam mit dem Archäologen Camillo Praschniker leitete er ab 1933 das Österreichische Archäologische Institut.732

Abb. 48: Josef Keil (1878–1963). Fotografie.

Josef Keil (1878–1963), geboren in Reichenberg (Liberec) in Nordböhmen, trat bereits 1904, unmittelbar nach seiner Promotion an der Universität Wien, als Sekretär in das Österreichische Archäologische Institut mit Sitz in Smyrna (Izmir) ein und nahm in der Folge unter anderem an den Ausgrabungen in Ephesos teil, die er später (von 1926 bis 1935) selbst leiten sollte. 1920 habilitierte er sich an der Universität Wien für Alte Geschichte. 1925, zwei Jahre nach Rudolf Egger, wurde auch ihm der Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors verliehen. 1927 nahm er einen Ruf auf die Lehrkanzel für Alte Geschichte an der preußischen Universität Greifswald an. 1936 wurde Keil als Nachfolger Adolf Wilhelms zum ordentlichen Professor für Griechische Geschichte, Epigraphik 732 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 97–107. – H a u p t w e r k e v o n Ru d o l f E g g e r (Auswahl): Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Norikum (1916); Teurnia. Die römischen und frühchristlichen Altertümer Oberkärntens (1924, 8. erw. Aufl. 1979); Der heilige Hermagoras (1948); (mit Hans Dolens:) Führer durch die Ausgrabungen und das Museum auf dem Magdalensberg (1953, 201977); Die Stadt auf dem Magdalensberg (1961); Römische Antike und Frühes Christentum. Ausgewählte Schriften, 2 Bde. (1962/63, 2 1967).

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und Altertumskunde an der Universität Wien ernannt.733 Im Unterschied zu Rudolf Egger, der 1938 der NSDAP beigetreten war, war Josef Keil ein »standhafter Gegner des Nationalsozialismus«734, sodass er am 18. April 1945 für wenige Wochen die Funktion eines provisorischen Rektors der Universität Wien übernehmen konnte. Sowohl Egger als auch Keil veröffentlichten als typische Vertreter der sogenannten »Wiener Schule« der Alten Geschichte und Altertumskunde »nur selten historische Abhandlungen im engeren Sinne« und beschränkten »sich weitgehend auf die Publikation von inschriftlichem und archäologischem Quellenmaterial«.735

3.5. Das Seminar für Osteuropäische Geschichte (1918–1945) Nach dem Tod Konstantin Jirecˇeks Anfang 1918 erfolgte ein weiterer Schritt zur »Entphilologisierung« der Osteuropäischen Geschichte an der Universität Wien.736 Die Nachfolge Jirecˇeks als Vorstand des Seminars für Osteuropäische Geschichte trat ohne Schwierigkeiten Hans Uebersberger an. Jirecˇeks Lehrstuhl wurde nach längeren Diskussionen in einen für »Slavische Geschichte und Altertumskunde mit besonderer Berücksichtigung der Balkanländer« umbenannt und 1921 mit Carl Patsch (1865–1945), einem aus Böhmen stammenden Archäologen und Historiker, dessen Spezialgebiet die Geschichte des Balkans im Altertum war, besetzt. 1922 gelang es Patsch, seine zunächst erfolgte Zuordnung zum Seminar für Slawische Philologie zu lockern. Er erklärte sich mit Genehmigung des Unterrichtsministeriums zum Vorstand eines nie offiziell gegründeten Instituts für Balkankunde, das bis 1935 neben dem Seminar für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien existierte, »verwaltungstechnisch« aber nach wie vor zum Seminar für Slawische Philologie gehörte. Die Bibliothek des »Patsch-Instituts« wurde schließlich 1948 in jene des Seminars

733 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 108–119. – H a u p t w e r k e J o s e f Ke i l s (neben Inschrifteneditionen und Grabungsberichten): Ephesos. Ein Führer durch die Ruinenstätte und ihre Geschichte (1915, 51964); die Artikel »Lydia« in Pauly-Wissowas Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft (1927) und »Asia« im Reallexikon für Antike und Christentum (1950); (gemeinsam mit A. Wilhelm:) Denkmäler aus dem rauhen Kilikien (1931). 734 Pesditschek, Wien war anders, S. 314. 735 Ebd., S. 289. 736 Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 369. Zur Geschichte des Seminars zwischen 1918 und 1945 siehe insbesondere Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 142–203.

Das Seminar für Osteuropäische Geschichte (1918–1945)

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für Osteuropäische Geschichte integriert, dessen Name daraufhin um den Passus »und Südostforschung« erweitert wurde.737

Abb. 49: Carl Patsch (1865–1945). Fotografie.

1934 wurde Hans Uebersberger, der bereits 1932 in die NSDAP eingetreten war, als Ordinarius auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Osteuropäische Ge-

737 Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 155–171; Hajek, Carl Patsch; Haselsteiner, Carl Patsch; Leitsch, Wien, S. 209f. – H a u p t w e r k e v o n C a r l P a t s c h : Römische Straßen in Bosnien und der Hercegovina (1893); Archäologisch-epigraphische Untersuchungen zur Geschichte der römischen Provinz Dalmatien, 8 Teile (1896–1912); Die Lika in römischer Zeit (1900); Das Sandschak Berat in Albanien (1904); Zur Geschichte und Topographie von Narona (1907); Historische Wanderungen im Karst und an der Adria, Teil 1 (1922); Beiträge zur Völkerkunde von Südosteuropa, 6 Teile (1925– 1937).

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Von der Gründung der Republik bis zum Ende des Großdeutschen Reiches

schichte an der Universität Breslau und 1935 an die Universität Berlin berufen.738 Nachdem Carl Patsch im März 1934 im Alter von 68 Jahren mitten im Semester vom Ministerium gegen seinen Willen frühzeitig in den dauernden Ruhestand versetzt worden war, »blieb die Geschichte Osteuropas in Wien [zunächst] ohne jedwede Vertretung«.739 Hans Hirsch forderte in der Folge, bei der Berufung eines neuen Ordinarius für Osteuropäische Geschichte, d. h. eines Nachfolgers für Hans Uebersberger, »volksgeschichtliche« Fragen wie die ethnischen Verhältnisse zwischen dem »Ostdeutschtum« und den slawischen Bevölkerungen in den Vordergrund zu stellen. Hirsch unternahm mit seinem Vorstoß wohl einen gezielten »Versuch, das Fach Osteuropäische Geschichte aus seiner Beschäftigung mit den osteuropäischen Nationen in ihrer historischen Selbständigkeit herauszulösen und eine deutschzentrierte Perspektive stärker zu machen, die in der Nähe der ›Volksgeschichte‹ stehen würde. Dies war eine Tendenz, die sich im Bereich der Osteuropäischen Geschichte auch im nationalsozialistischen Deutschland abzeichnete.«740 Berufen wurde schließlich im Juni 1935 nicht der von Hirsch protegierte (und am 6. September 1945 in Prag öffentlich hingerichtete) Josef Pfitzner741, sondern der Ende 1934 von den Nationalsozialisten seiner außerordentlichen Professur an der Universität Königsberg enthobene, von Uebersberger wärmstens empfohlene und auch von Srbik unterstützte Russlandspezialist Martin Winkler (1893–1982). Winkler wurde nach dem »Anschluss« Österreichs an NS-Deutschland zunächst am 19. März 1938 als Stellvertreter des kommissarischen Rektors Fritz Knoll eingesetzt, er spielte aber anscheinend bei der »Selbstgleichschaltung der Wiener Universität« keine oder jedenfalls keine prominente Rolle.742 Anfang November 1938 wurde er »bis auf weiteres beurlaubt« und mit Ende März 1939 strafweise mit nur 50 Prozent des ihm eigentlich zustehenden Ruhegenusses in den Ruhestand versetzt – aus nicht ganz klaren Motiven, vermutlich aber in erster Linie wegen seiner (angeblichen) Verbindungen zu »probolschewistischen Kreisen«, wegen seines Einsatzes für den Ausbau der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen und wegen des 738 Uebersberger begründete die Annahme des Rufes an die Universität Breslau insbesondere damit, dass wegen seiner »nationalen Gesinnung« (sprich: wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP) seine Zwangspensionierung durch Unterrichtsminister Schuschnigg unmittelbar bevorstehe. Suppan, Wakounig, Hans Uebersberger, S. 130f. Siehe auch Bahlcke, Das Historische Seminar der Universität Breslau, S. 231. 739 Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 376. 740 Ebd., S. 379. 741 Zu Josef Pfitzners Leben und Werk, seiner akademischen Karriere und seiner politischen Biographie siehe v. a. Brandes, Mísˇková, Vom Osteuropa-Lehrstuhl ins Prager Rathaus; überdies Hadler, Sˇ ustek, Josef Pfitzner, und Konrád, Deˇjepisectv&, germanistika a slavistika, S. 120–129 und passim. 742 Er wird in Müller (A.), Dynamische Adaptierung und »Selbstbehauptung«, nicht einmal erwähnt. Vgl. auch Massiczek, Universität Wien März/April 1938, S. 222.

Das Seminar für Osteuropäische Geschichte (1918–1945)

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gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Verbreitung »bolschewistischer PropagandaLiteratur«.743 Winkler kehrte 1945 nicht nach Wien zurück und war auch an keiner Universität in Deutschland mehr tätig.744

Abb. 50: Martin Winkler (1893–1982). Zeichnung von Robert Fuchs.

Nominell war von 1940 bis 1945 der gebürtige Lemberger Hans Koch (1894– 1959) Vorstand des Seminars für Osteuropäische Geschichte. Er hatte in Wien evangelische Theologie und osteuropäische Geschichte studiert und sich 1929, ebenfalls in Wien, mit Studien zur Kirchengeschichte Russlands für Kirchenge743 Vgl. Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 172–203; Augustynowicz, Martin Winkler, sowie Huber (Andreas), Rückkehr erwünscht, und die folgende ungedruckte, auf breiter Quellenbasis beruhende Kurzbiographie, die mir dankenswerter Weise vom Autor zur Verfügung gestellt wurde: Huber (Andreas), Martin Winkler. 744 Huber (Andreas), Rückkehr erwünscht, S. 212. – Historiographische H a u p t w e r k e ˇ aadaev. Ein Beitrag zur russischen GeistesgeM a r t i n Wi n k l e r s : Peter Jakovlevicˇ C schichte des XIX. Jahrhunderts (1927); Zarenlegende. Glanz und Geheimnis um Alexander I. (1942, Neuaufl. 1948 [populärwissenschaftlich]).

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schichte und Osteuropäische Geschichte habilitiert. Anfang 1932 wurde er Mitglied der NSDAP in Österreich; dem völkisch-antisemitischen Alldeutschen Verband war er bereits als Student beigetreten. Von 1937 bis zu seiner Berufung an die Universität Wien wirkte er als ordentlicher Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Breslau. Eine Lehrtätigkeit in Wien hat Koch allerdings nie aufgenommen. Stattdessen baute er zunächst im Auftrag des Berliner Auswärtigen Amtes in Sofia ein Deutsches Wissenschaftliches Institut auf. Von 1941 bis 1944 wirkte er im Dienst der Abwehr, also des deutschen Militärgeheimdienstes, unter anderem an der Aufstellung einer gemischt deutsch-ukrainischen Einheit namens »Nachtigall« mit. Ende 1944 oder Anfang 1945 wurde er zum Direktor des 1937 gegründeten Geheimen OstforschungsInstituts des Sicherheitsdienstes der SS, des sogenannten Wannsee-Instituts, ernannt.745 Tatsächlich geleitet wurde das Seminar von 1939 bis 1945 von dem in Kremsier (Kromeˇrˇ&zˇ) in Mähren geborenen Jirecˇek- und Uebersberger-Schüler Alois Hajek (1889–1966), einem wissenschaftlich nicht besonders produktiven Südosteuropa- und insbesondere Bulgarienspezialisten, der sich 1924 als Privatdozent habilitiert hatte, dem 1935 der Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessor verliehen worden war und der im Herbst 1939 zum beamteten außerordentlichen Professor für südosteuropäische Geschichte ernannt wurde. Im Februar 1943 wurde er offiziell zum »Mitdirektor« des Seminars bestellt. Der nach Aussagen von unverdächtigen Zeitzeugen »gänzlich unpolitische« Hajek floh Anfang April 1945 mit seiner Familie aus Wien vor der Roten Armee in Richtung Westen und wurde Ende Februar 1946 wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP als Extraordinarius aus dem öffentlichen Dienst entlassen und im November 1947 in den Ruhestand versetzt. Im Mai 1949 wurde der mittlerweile Sechzigjährige auf Antrag des Professorenkollegiums der Philosophischen Fakultät reaktiviert und – formal als Assistent bzw. als wissenschaftliche Hilfskraft – wieder am Seminar angestellt. Im Januar 1950 wurde ihm auch die Lehrbefugnis wieder zuerkannt und er nahm seine Vorlesungstätigkeit wieder auf. Nach Erreichen der Altersgrenze wurde er mit Ende des Jahres 1954 in den dauernden Ruhestand versetzt.746 745 Brandon, Hans Koch; Kappeler, Hans Koch; Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 185–195. 746 Leitsch, Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte, S. 146–148 und 185–193; Schwarcz, Alois Hajek. – H a u p t w e r k e A l o i s H a j e k s : Bulgarien unter der Türkenherrschaft (1925); Bulgariens Befreiung und staatliche Entwicklung unter seinem ersten Fürsten (1939). Außerdem publizierte Hajek im Jahr 1926 mehrbändige Lehrbücher der Geographie (Erdkunde [zemeˇpis]) sowie gemeinsam mit Rudolf Jezˇek ebensolche der Heimatkunde (vlastiveˇda) für die Mittelschulen und die Fachschulen in der Republik Österreich mit tschechischer Unterrichtssprache, die Komensky´-Schulen. Hajek gab als

Das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (1922–1936)

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3.6. Das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (1922–1936) Im Herbst 1921 erhielt Alfons Dopsch einen Ruf an die Universität Berlin (auf den Lehrstuhl, den einst Leopold von Ranke innegehabt hatte). Im Zuge der Berufungsabwehrverhandlungen konnte er das Wiener Unterrichtsministerium endlich747 dazu bewegen, nicht nur sein eigenes Gehalt stark zu erhöhen, sondern vor allem 1922 – in etwa nach dem Vorbild von Karl Lamprechts Institut für Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig (gegr. 1907) – an der Universität Wien ein eigenes Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte zu errichten. Der Verpflichtung, Lehrveranstaltungen am Institut für Österreichische Geschichtsforschung zu halten, wurde Dopsch – mit Ausnahme des alle zwei Jahre zu haltenden dreistündigen Kollegs über österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte748 – gleichzeitig enthoben.749 »Die [anderen] ursprünglich von Dopsch gehaltenen Lehrveranstaltungen am IfÖG wurden erst 1931 durch die Ernennung Otto Brunners zum Extraordinarius für ›Mittelalterliche und Österreichische Geschichte‹ […] wieder aufgenommen.«750 Das Lehrdeputat Otto Brunners wurde so gestaltet, dass es den Bedürfnissen der ordentlichen Professoren Hans Hirsch und Alfons Dopsch angepasst wurde: Der neubestellte außerordentliche Professor »sollte gerade diejenigen Abschnitte der Hilfswissenschaften und [der] Österreichischen Geschichte übernehmen, die die beiden Ordinarien selbst in ihren Lehrveranstaltungen nicht abdeckten«.751 Bereits in den 1890er Jahren hatten Alfons Dopsch und Ludo Moritz Hartmann (1865–1924), beide Absolventen des Ausbildungskurses des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, der Wirtschaftsgeschichte bei den Historikern an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien breitere Aner-

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Muttersprache stets Deutsch an, er scheint aber beide Landessprachen Mährens perfekt in Wort und Schrift beherrscht zu haben. Schwarcz, Alois Hajek, SA. 179f. Bereits 1907 hatte Dopsch in einem für das Ministerium verfassten »Promemoria über die Grundsätze, nach welchen die Lehrbücher der Geschichte für die oberen Klassen der Mittelschulen zu bearbeiten wären« das Fehlen eines Seminars für Kulturgeschichte in Österreich im Allgemeinen und an der Universität Wien im Besonderen bedauert. Bruckmüller, Wissenschaft und Schulbuch, S. 606f. Kolárˇ, Nährboden fachlicher Innovation?, S. 110f. Die Gründung des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte im März 1922 war »ein wissenschaftspolitisches Ereignis ersten Ranges, dessen Bedeutung weit über die Grenzen der Wiener Universität und der österreichischen Geschichtswissenschaft hinausging. Alfons Dopsch gewann [dadurch] eine privilegierte Stellung, die höchstens mit jener von Karl Lamprecht nach der Gründung seines ›Instituts für Kultur- und Universalgeschichte‹ vergleichbar war.« Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 338. – Zur »Wiener Schule der Wirtschaftsgeschichte« vgl. v. a. Knittler, Die Wiener Wirtschaftsgeschichte. Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 302. Ebd., S. 313.

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kennung verschafft.752 Ludo Moritz Hartmann wurde als Sohn des aus Böhmen stammenden, damals im Exil lebenden politischen Dichters, Journalisten und 1848er-Revolutionärs Moritz Hartmann, eines überzeugten Demokraten und Republikaners, in Stuttgart geboren und promovierte 1887, nach Studien an den Universitäten Wien und Berlin, bei Otto Hirschfeld in Berlin. 1889 habilitierte er sich mit dem Buch Untersuchungen zur Geschichte der byzantinischen Verwaltung in Italien (540–750) an der Universität Wien als Privatdozent für römische Geschichte und Geschichte des Mittelalters. 1901 wurde seine Lehrbefugnis »auf das gesamte Gebiet der Geschichte«, d. h. auf die Neuere Geschichte ausgedehnt. Im Wintersemester 1891/92 hielt er als Erster an der Universität Wien eine wirtschaftsgeschichtliche Vorlesung, und zwar mit dem Titel: »Allgemeine Wirtschaftsgeschichte von der Begründung des römischen Mittelmeerreiches bis zur Ausbreitung des Lehenswesens mit besonderer Berücksichtigung Italiens«.753 Hartmanns akademische Karriere wurde sowohl durch seine jüdische Herkunft und seine deklarierte Konfessionslosigkeit als auch durch seine kritische Einstellung gegenüber der Habsburgermonarchie und der Dynastie und seine Sympathien für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), der er 1901 als Mitglied beitrat, gehemmt. Erst mit Beschluss vom 31. Dezember 1918 wurde er zum (bis 1920 unbesoldeten) außerordentlichen und in seinem Todesjahr 1924 endlich ad personam zum ordentlichen Professor für Geschichte der Spätantike und des frühen Mittelalters ernannt.754 1895 begründete er in Wien – nach dem Vorbild der englischen »University Extension«755 – die Volkstümlichen Universitätskurse und ab 1900 insgesamt fünf Volkshochschulen, die auf Wunsch der Behörden den Namen Volksheime erhielten. Von Dezember 1918 bis November 1920 war der glühende Anschlussbefürworter Ludo Moritz Hartmann Gesandter der Republik (Deutsch-)Österreich in Berlin.756 1921 gründete er die Vereinigung sozialistischer Hochschullehrer, deren Obmann er bis zu seinem Tod war.757 752 Hassinger, Die Wirtschaftsgeschichte an Österreichs Hochschulen, S. 414. 753 Ebd., S. 419. 754 Archiv der Universität Wien, Personalakten der Philosophischen Fakultät, PA 1886: Ludwig Hartmann. 755 Fuchs (A.), Geistige Strömungen, S. 107. 756 Laut dem Zeitzeugen Friedrich Engel-Janosi kam Hartmann im Wintersemester 1918/19 »wöchentlich mit seinem Reisesack von Berlin nach Wien, um hier sein Seminar über langobardische Rechts- und Verfassungsgeschichte zu halten«. Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, S. 72. 757 Das wissenschaftliche H a u p t w e r k v o n Lu d o M o r i t z H a r t m a n n s ist seine Geschichte Italiens im Mittelalter in vier Bänden (1897–1915). In Hartmanns Todesjahr 1924 erschien die seinerzeit hochgelobte und vielgelesene Kurzgefaßte Geschichte Italiens. Von Romulus bis Viktor Emanuel. – Zu Leben und Werk Hartmanns vgl. Bauer (S.), Ludo Moritz Hartmann; Fuchs (A.), Geistige Strömungen, S. 106–110 und 146; Fellner (G.), Ludo Moritz Hartmann; Glaser, Im Umfeld des Austromarxismus, S. 78–80, 106–109,

Das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (1922–1936)

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Abb. 51: Alfons Dopsch (1868–1953). Fotografie von Theo Bauer, Wien, 1929.

Oswald Redlich, seit 1919 Präsident der Wiener Akademie der Wissenschaften, setzte sich 1922 und 1923 ohne Erfolg für die Wahl Hartmanns zum korrespondierenden Mitglied der Akademie im Inland ein: Am 29. Mai 1922 erhielt der von den wirklichen Akademiemitgliedern Wilhelm Kubitschek, Alfons Dopsch und Oswald Redlich unterschriebene Wahlvorschlag bei zwei Abstimmungen in der philosophisch-historischen Klasse nur sechs bzw. sogar nur zwei von 22 möglichen Stimmen, und beim erneuten Versuch am 28. Mai 1923 nur neun bzw. vier von neuerlich 22 möglichen Stimmen.758 303–305 und 334–347; Filla (Hrsg.), Aufklärer und Organisator ; Herholt, Ludo Moritz Hartmann; Ramhardter, Geschichtswissenschaft und Patriotismus, S. 70f. und 159–170; Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 84–96; zuletzt: Stifter, Ludo Moritz Hartmann. 758 Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wahlvorschläge, Ludo Moriz [sic!] Hartmann (13. Mai 1922), sowie Protokolle der außerordentlichen Sitzungen der philosophisch-historischen Klasse vom 29. Mai 1922 (C 2147) und vom 28. Mai 1923 (C

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Abb. 52: Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Fotografie.

An der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien hatte der als Sohn österreichischer Eltern in Rumänien geborene Jurist und Nationalökonom Carl Grünberg (1861–1940), einer der »Väter des Austromarxismus«, bereits 1912 einen Lehrstuhl für Neuere Wirtschaftsgeschichte erhalten. 1893 hatte er – gemeinsam mit dem Nationalökonomen Stephan Bauer (1865– 1934) und den Historikern Ludo Moritz Hartmann und Emil Szanto (1857–1904) – die interdisziplinäre Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte, die Vorläuferin der 1903 von Bauer, Hartmann und Georg von Below gegründeten und ab 1925 von Hermann Aubin herausgegebenen Vierteljahrschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte, begründet759, 1919 wurde er als Nachfolger Eugen von 2173). Für die diesbezügliche Recherche und für die Übermittlung von Scans der drei Archivalien danke ich Stefan Sienell ganz herzlich. – Viktor Matejka hat bezeugt, »wie Redlichs Liberalität sich für Hartmann in der Republik einsetzte, ihn trotz massivem Widerstand zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu machen. Leider ist das Redlich nicht gelungen, der Widerstand der konservativen Akademiemitglieder war borniert und massiv.« Matejka, Im Kleinen das Große, S. 2559. 759 Zur Geschichte der von 1893 bis 1900 erschienenen Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte sowie zu den Anfängen und der Frühgeschichte der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte siehe Fellner (G.), Ludo Moritz Hartmann, S. 272–285, und Schöttler, Die »Annales«-Historiker, S. 94–107.

Das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (1922–1936)

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Abb. 53: Carl Grünberg (1861–1940). Fotografie.

Böhm-Bawerks Professor für Politische Ökonomie und Volkswirtschaftslehre, 1923 nahm er einen Ruf nach Frankfurt am Main an und wurde Direktor des Instituts für Sozialforschung.760 Der Nationalökonom, Finanzwissenschaftler und Wirtschaftshistoriker Karl Theodor von Inama-Sternegg (1843–1909) wurde, nach Professuren in Innsbruck und Prag, 1881 auf Initiative des Ministerpräsidenten Eduard Graf Taaffe als Direktor des Bureaus für administrative Statistik nach Wien berufen. Noch im selben Jahr wurde er zum Honorarprofessor für Statistik an der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien ernannt. Zusätzlich hielt er ab 1884 als außerordentlicher Professor auch Vorlesungen über Statistik an der k. k. Orientalischen Akademie. 1884 wurde er zum Präsidenten der Statistischen Zentralkommission in Wien bestellt. Seit 1891 war er Mitglied des Herrenhauses des Reichsrats und seit 1899 760 Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 73f. und 88. – Geschichtswissenschaftliche H a u p t w e r k e C a r l G r ü n b e r g s : Die Bauernbefreiung und die Auflösung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in Böhmen, Mähren und Schlesien, 2 Bde. (1893/94); Die Grundentlastung (1899); Studien zur österreichischen Agrargeschichte (1901); Die Agrarverfassung und das Grundentlastungsproblem in Bosnien und Herzegowina (1911).

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Präsident des Internationalen Statistischen Instituts. Von 1891 bis 1897 gab Inama-Sternegg, zusammen mit Eugen von Böhm-Bawerk und Ernst von Plener, die Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, das Organ der Gesellschaft österreichischer Volkswirte, heraus.761 Zur Institutionalisierung der Wirtschaftsgeschichte an der Universität Wien als eigenes Fach mit eigenem Institut bzw. Seminar kam es aber, wie gesagt, nicht an der Rechts- und staatswissenschaftlichen, sondern an der Philosophischen Fakultät. Charakteristisch für die von Alfons Dopsch und seinem Schülerkreis betriebenen sozial- und wirtschaftshistorischen Forschungen, deren Schwerpunkt zunächst »auf regionale[n] und lokale[n] Phänomene[n] des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit« lag, war unter anderem die Kombination einer für die »Wiener Schule« typischen positivistischen Quellenzentriertheit mit einem ›modernisierten Historismus‹ und einer deutschnationalen Perspektive.762 Dopsch nahm in seinen Arbeiten grundsätzlich »die historischhermeneutische Methode der Quellenkritik zum Maßstab« und blieb »ganz in der Tradition des Historismus […], nur daß sein methodisches Verständnis gegenüber dem Rankes um den Verstehensbegriff verkürzt erscheint«.763 Die Atmosphäre am 1922 gegründetem Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte zeichnete sich unter anderem durch eine »identitätsstiftende Abgrenzung vom IfÖG-Mainstream«764 und durch die Förderung von Frauen aus, deren Zulassung an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien ja seit 1897 möglich war, am Institut für Geschichtsforschung hingegen erst seit 1929.765 Unter den Dissertantinnen von Alfons Dopsch befanden sich die spätere außerordentliche Titularprofessorin (»tit. ao. Univ.-Prof.«) für Wirtschafts- und Kulturgeschichte an der Universität Wien Erna Patzelt (1894–1987), Österreichs erste Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg766 (1909–1994) und die in einer ungarisch-jüdischen Familie als Rosa Stern in Baden bei Wien geborene und im Exil viel zu früh im Alter von 36 Jahren im diabetischen Koma verstorbene Lucie Varga (1904–1941). 761 Müller (V.), Karl Theodor von Inama-Sternegg. – Das historiographische H a u p t w e r k I n a m a - S t e r n e g g s ist: Deutsche Wirtschaftsgeschichte, 3 Bde. (1879, 1891 und 1899/ 1901, Bd. 1 21909). Zu diesem Pionierwerk und seiner Rezeption und Beurteilung in der zeitgenössischen Fachliteratur siehe Müller (V.), Karl Theodor von Inama-Sternegg, S. 67–79. 762 Ehmer, Müller, Sozialgeschichte in Österreich, S. 114. 763 Vollrath, Alfons Dopsch, S. 48. »Der ganz dem Historismus verpflichtete, aber um den Verstehensbegriff verkürzte methodische Ansatz von Dopsch hat ihn daran gehindert, über die mit umfassender Quellenkenntnis vorgenommene Feststellung von Einzeltatbeständen hinaus in einer geschlossenen Darstellung den wirtschaftsgeschichtlichen Charakter [im Sinne eines Idealtypus; Th.W.] einer Epoche erstehen zu lassen.« Ebd., S. 50. 764 Kolárˇ, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa, S. 340. 765 Siehe oben S. 148–150. 766 Steininger, Firnberg, Hertha.

Das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (1922–1936)

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Abb. 54: Karl Theodor von Inama-Sternegg (1843–1909). Nach einer Fotografie von August Steininger.

Varga, die spätere Schülerin, Privatassistentin und Freundin von Lucien Febvre, Professor am CollHge de France und Mitbegründer der französischen »AnnalesSchule«, maturierte 1923 an dem 1911 von Eugenie (Genia) Schwarzwald gegründeten Mädchenrealgymnasium in Wien. Sie publizierte als erste Frau kontinuierlich in der ebenso einflussreichen wie innovativen, von Febvre und Marc Bloch herausgegebenen Zeitschrift Annales d’histoire 8conomique et sociale.767 Varga war eine der originellsten, kreativsten und innovativsten Historikerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. »Wäre sie nicht schon 1941 gestorben und hätte sie – wie durch ein Wunder – die Deportationen in den 767 Schöttler, Lucie Varga; ders., Varga, Lucie, geb. Stern, Rosa; ders., Die Annales und Österreich, S. 82–90; Mazohl-Wallnig, »Männlicher Geist in weiblicher Gestalt«, S. 174– 177. – Lucie Vargas Dissertation erschien 1932 unter dem Titel Das Schlagwort vom »finsteren Mittelalter« in der von Dopsch herausgegebenen Reihe »Veröffentlichungen des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte an der Universität Wien«. Im Vorwort dankte sie besonders »Herrn Hofrat Dopsch, der meine Arbeit vom Anfang bis zum Schluß, von der Anregung des Themas bis zum Mitlesen der Korrekturen, mit nie ermüdender Teilnahme begleitet hat«.

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Von der Gründung der Republik bis zum Ende des Großdeutschen Reiches

Abb. 55: Erna Patzelt (1894–1987). Fotografie.

Jahren danach überlebt, hätte sie der Geschichtsschreibung möglicherweise einen besonderen Stempel aufdrücken können.«768 Ihren bekanntesten, 1937 in den Annales publizierten Aufsatz über die Entstehung des Nationalsozialismus (La genHse du national-socialisme. Notes d’analyse sociale) hat Lucien Febvre 1950 mit dem Attribut »wundervoll« gekennzeichnet769, und 1947 erinnerte er an »die beiden wunderbaren und so lebendigen Studien von Lucie Varga« über das Montafon-Tal in Vorarlberg und die ladinische Gemeinde Enneberg in den Südtiroler Dolomiten, die den bekannten französischen Historiker und Nationalökonomen Henri Hauser »so sehr beeindruckten und in denen die österreichische Volksseele so genau beleuchtet wird«.770 Die beiden, 1936 und 1939 in den Annales erschienenen Aufsätze beruhen nicht zuletzt auf Befragungen von Frauen und Männern »vor Ort« über ihre Lebensgewohnheiten und deren 768 Schöttler, Lucie Varga, S. 150. 769 Schöttler, Die »Annales«-Historiker, S. 4. 770 Schöttler, Lucie Varga, S. 167. Die erwähnten sowie weitere Aufsätze Lucie Vargas sind – in deutscher Übersetzung – leicht zugänglich in: Varga, Zeitenwende.

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Veränderungen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Lucie Varga verband dabei in fruchtbarer Weise Fragestellungen und Methoden der Geschichtswissenschaft und der Ethnologie.771 In einem Beitrag zur Festschrift Dreißig Jahre Frauenstudium in Österreich hat Vargas akademischer Lehrer Alfons Dopsch 1927 seine persönlichen Erfahrungen mit Studentinnen so zusammengefasst: »Unter meinen Zuhörern befanden sich von allem Anfang an auch zahlreiche Studentinnen. Die Arbeit, welche sie besonders auch in den Seminarübungen geleistet haben, hat das Niveau niemals ungünstig, mitunter aber geradezu förderlich beeinflußt, wenn in der Diskussion die weiblichen Studierenden sich hervortaten.«772 Die große Anziehungskraft, die Dopschs Seminar auf inländische wie ausländische Studenten und Studentinnen ausübte773, hatte nicht zuletzt mit der intellektuell besonders anregenden Atmosphäre und damit zu tun, dass von Dopsch »auf dem Weg über die Bevorzugung der wissenschaftlichen Diskussion gegenüber dem Referatesystem auch neue didaktische Wege gesucht wurden«774. Seine begeisterten Schüler schilderten den Betrieb in Dopschs Seminar mit folgenden Worten: »Er hört nicht etwa ein Elaborat an, womit eines der Mitglieder die andern nach dem alten Referatsystem langweilt: Durch kurze Zwischenfragen und längere Belehrung, meist mit milder Nachsicht, gelegentlich auch mit leichter Ironie, leitet er über die heiß gewordenen Köpfe hin eine Diskussion, in der zum großen Thema des Semesters aus den mittellateinischen oder mittelhochdeutschen Quellen von allen Schülern neue Belege und Einzelheiten beigebracht werden, bis schließlich aus den Urkunden die mittelalterliche Dorfgemeinde, die Zunft, die Grundherrschaft, die frühkapitalistische Wirtschaft oder eine geistesgeschichtlich bedeutsame Erscheinung Gestalt und Leben gewinnen.«775

Bereits 1935 wurde im Rahmen eines Sparprogramms, zu dem sich das klerikal-autoritäre Regime des Bundeskanzlers Kurt Schuschnigg infolge der kata771 Vgl. auch die Zusammenfassung bei Runggaldier, Frauen im Aufstieg, S. 161–166. 772 Dopsch (A.), Frauenstudium, S. 8. 773 »[…] Japaner, Griechen, Engländer, Belgier, Litauer, Schweden, Polen, Amerikaner und Türken fanden sich hier zusammen […].« Dopsch (A.), Selbstdarstellung, S. 315. 774 Knittler, Die Wiener Wirtschaftsgeschichte, S. 338. 775 Ergänzung zur Selbstdarstellung, S. 319. – »Der Lernende soll nicht nur merken, daß und wo die Meinungen geteilt sind, er soll und muß auch versuchen, sich die seine zu bilden. Im Seminar […] findet er Gelegenheit, Fragen zu stellen oder aufzuwerfen, auch Bedenken anzumelden. Und darauf kommt es bei Dopsch an. Nur starke Naturen und selbstdenkerische Köpfe reussiren in diesem Kreise […].« Lhotsky, Alphons Dopsch, S. 11. – »Aus aller Herren Länder kamen Hörer [und Hörerinnen; Th.W.] in sein Seminar, in dem er bereits nach ganz modernen Methoden, nämlich in Form einer freien Arbeitsgemeinschaft mit intensiver Anregung zu selbständigem, kritischem Denken, lebhaften Debatten und Auseinandersetzungen arbeitete.« Hoffmann, Alfons Dopsch und die Wiener Schule der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 11.

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Abb. 56: Hertha Firnberg (1909–1994). Fotografie.

strophalen Wirtschaftslage gezwungen sah, an eine vorzeitige Versetzung von Alfons Dopsch in den Ruhestand gedacht.776 Die Zwangspensionierung konnte um ein Jahr verzögert werden777, aber mit 31. Juli 1936 wurde der damals 68jährige Dopsch tatsächlich, wie andere Professoren auch778, zwei Jahre vor der 776 Archiv der Universität Wien, Personalakt Alfons Dopsch (wie Anm. 431), fol. 28–31; Neck, Alfons Dopsch und seine Schule, S. 377. – En passant sei erwähnt, dass das SchuschniggRegime am 1. Juli 1935 das »Hochschulermächtigungsgesetz« und das »Hochschulerziehungsgesetz« erließ. Künftig waren alle Studenten der österreichischen Universitäten und Hochschulen zum Besuch von »Vorlesungen zur weltanschaulichen und staatsbürgerlichen Erziehung und über die ideellen und geschichtlichen Grundlagen des österreichischen Staates, zur Teilnahme an vormilitärischen Übungen und zur Ableistung einer Schulungsdienstzeit im Hochschullager« verpflichtet. Hochschulerziehungsgesetz, § 2, hier zitiert nach Lichtenberger-Fenz, Universitäten und Hochschulen, S. 9f. 777 Spätestens Anfang 1934 war im Unterrichtsministerium eine Liste aller Professoren erstellt worden, die aufgrund ihres Alters für eine (Früh-)Pensionierung in Frage kamen, auf der Alfons Dopsch (damals 65 Jahre alt) noch mit dem Vermerk »zu halten« versehen war. Staudigl-Ciechowicz, Dienst-, Habilitations- und Disziplinarrecht, S. 205. 778 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 162 und 508f. Mir ist allerdings kein mit Dopsch

Das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (1922–1936)

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Abb. 57: Lucie Varga (1904–1941). Fotografie, um 1930.

Erreichung des gesetzlichen Emeritierungsalters von 70 Jahren, gegen seinen Willen vorzeitig in den dauernden Ruhestand versetzt; seine Lehrkanzel wurde nicht wieder besetzt, und das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte wurde im Januar 1937 in das Historische Seminar eingegliedert, d. h. de facto aufgelöst, nachdem sich auch Dopschs Hoffnung, dass das Seminar an die Rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät übertragen werden könnte779, zerschlagen hatte. Die Schließung des Seminars scheint allerdings nicht eine bloße Sparmaßnahme der Regierung gewesen zu sein, sondern dürfte sowohl durch die Ablehnung des Schuschnigg-Regimes gegenüber dem großdeutsch gesinnten Dopsch als auch durch fachinterne Spannungen an der Universität Wien ausgelöst worden sein.780 Im Gegensatz zum engagierten Einsatz von und seinem Seminar vergleichbarer Fall bekannt. – Zur vorzeitigen Versetzung von Carl Patsch in den dauernden Ruhestand im März 1934 siehe oben S. 202. 779 Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 381; Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 126–129. 780 »Private Informationen bestätigten bald, daß hinter allen diesen Machenschaften keinerlei sachliche Motive standen, sondern die alte Feindschaft des politischen Klerikalismus gegen

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außen – unter anderem durch prominente englische und niederländische Mediävisten und Wirtschaftshistoriker781 – »wurde Dopsch von seiner eigenen Fakultät und vor allem von seinen Fachkollegen nicht genügend unterstützt. Im Gegenteil kann man sagen, dass das Vorgehen des Ministeriums von den meisten Historikern als eine Chance zur Neugestaltung des Faches eher begrüßt wurde.«782 Hans Hirsch, der Vorstand des Instituts für Geschichtsforschung, der dem Ministerium gegenüber Dopsch hinter dessen Rücken beschuldigte, seit 1927 seinen Lehrverpflichtungen im Rahmen des Instituts nicht mehr nachgekommen zu sein, und Heinrich Srbik, der geschäftsführende Vorstand des Historischen Seminars, setzten durch, dass das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte bzw. dessen Bibliothek im Februar 1937 als »Abteilung für Wirtschafts- und Kulturgeschichte« an das Historische Seminar angegliedert bzw. diesem eingegliedert wurde. Die Leitung der Abteilung und der Bibliothek wurde Otto Brunner übertragen. Die 1922 als Leihgabe Dopschs Seminar zur Verfügung gestellten ca. 300 Bände der Bibliothek des Instituts für Geschichtsforschung wurden wieder in diese eingegliedert. Nach der Rückgabe von 2.700 Bänden aus Dopschs Privatbesitz an den Eigentümer umfasste der Bestand immerhin noch etwa 5.000 Bände. Die, infolge der angespannten Finanzlage des Staates gekürzte, »Dotation« (d. h. das Sachmittelbudget) des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte wurde zu ungefähr gleichen Teilen auf die Bibliothek der »Abteilung für Wirtschafts- und Kulturgeschichte des Historischen Seminars«, das Institut für Geschichtsforschung und das Historische Seminar aufgeteilt.783 »Durch die Schließung des Seminars [für Wirtschafts- und den von Jugend auf großdeutsch gesinnten Professor und die Umtriebe einer kleinen Gruppe persönlicher Feinde.« Ergänzung zur Selbstdarstellung, S. 325. Siehe auch Buchner, Alfons Dopsch, S. 165. – Klaralinda Ma-Kircher hat die plausible Ansicht geäußert, durch das »Lavieren zwischen den beiden antidemokratischen Blöcken« habe sich Dopsch »nach 1934 die Gegnerschaft sowohl der Dollfußregierung [bzw. des Schuschniggregimes; Th.W.] als auch die Feindschaft der dem Nationalsozialismus nahestehenden Historikerkollegen, deren Haltung nur zum Teil in methodischen Divergenzen begründet lag«, zugezogen. Ma-Kircher, Dopsch – Redlich – Srbik, S. 138f. – »Wegen der wohl bewussten Vermengung politischer ›Säuberungs-‹ und budgetärer Sparmaßnahmen ist bis heute nicht in allen Fällen klar, worauf die Versetzungen [von Professoren] in den Wartebzw. den Ruhestand jeweils zurückzuführen waren.« Ash, Die österreichischen Hochschulen, S. 45f. 781 Dopsch war ohne Zweifel in der Zwischenkriegszeit einer der international angesehensten österreichischen Historiker. Von der Gründung des Historiker-Weltverbandes Comit8 international des sciences historiques (International Committee of Historical Sciences) im Jahr 1926 bis 1933 war er – bis 1928 neben dem Belgier Henri Pirenne und seither neben dem Polen Bronisław Dembin´ski – einer von dessen beiden Vizepräsidenten. (Präsident war der norwegische Historiker und Politiker Halvdan Koht.) Quelle: http://www.cish.org/index. php/fr/page-2/archives-et-histoire/liste-des-membres-du-bureau-1926-2010/ [Zugriff: 24. 01. 2017]. 782 Knittler, Die Wiener Wirtschaftsgeschichte, S. 343. 783 Neck, Alfons Dopsch und seine Schule, S. 378f.

Das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (1922–1936)

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Kulturgeschichte] bekam das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Dopsch und dem von Hirsch geführten IfÖG-Mainstream weitere schwere Risse und resultierte in einer unüberbrückbaren Feindschaft.«784 Es überrascht daher nicht, dass sich in der von Erna Patzelt organisierten Festschrift, die Alfons Dopsch zum 70. Geburtstag gewidmet wurde785, keine Beiträge von Wiener Kollegen finden – mit Ausnahme von Patzelt selbst und des Rechtshistorikers Heinrich Mitteis786, eines Gegners des Nationalsozialismus, der 1935 seine Münchener Professur verloren und daraufhin einen Ruf an die Universität Wien (als Nachfolger von Hans von Voltelini) angenommen hatte.787 Marc Bloch nahm übrigens am 9. Dezember 1936 die Einladung Patzelts an und sagte einen Beitrag für die Dopsch-Festschrift zu, den er ihr am 29. September 1937 von London aus per Post übermittelte. Am 13. April 1938, einen Monat nach dem »Anschluss« Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich, zog Bloch wegen der Verfolgung prominenter österreichischer Gelehrter – »Je ne saurais ignorer les pers8cutions qui ont atteint d’illustres savants autrichiens, parmi ceux mÞmes peut-Þtre qui comptaient s’associer / notre commun hommage« – seinen Beitrag zurück, insbesondere um zu verhindern, dass durch seine Beteiligung an einem unter diesen Umständen in Wien erscheinenden Werk der Eindruck entstehen könnte, er stimme diesen Entwicklungen zu.788 Wohl mit Recht konnte über Dopschs Zwangspensionierung und die Schließung des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte gesagt werden: »Bürokratische Engstirnigkeit, aber auch der kurzsichtige professorale Ehrgeiz und kollegiale Eifersucht hatten ein vielversprechendes wissenschaftliches Unternehmen zerstört, das geeignet war, das Ansehen der österreichischen Ge-

784 Knittler, Die Wiener Wirtschaftsgeschichte, S. 347. 785 Wirtschaft und Kultur. Festschrift zum 70. Geburtstag von Alfons Dopsch (Baden bei Wien/ Leipzig 1938). 786 Vgl. Brun, Heinrich Mitteis. 787 In der Liste der Gratulanten (S. V–VIII) finden sich immerhin die Namen von Hans Hirsch und Heinrich Ritter von Srbik sowie das Historische Seminar der Universität Wien und das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, es fehlen aber beispielsweise Wilhelm Bauer, Otto Brunner und Oswald Redlich. Merkwürdigerweise ist umgekehrt Alfons Dopsch mit einem Oswald Redlich zum 80. Geburtstag gewidmeten Aufsatz vertreten in: Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung 52 (1938), S. 257–267. Zur Nicht-Beteiligung der Wiener Historiker an der Dopsch-Festschrift vgl. Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 142f. 788 Die Schreiben Blochs an Patzelt befinden sich seit Juli 2016 im Teilnachlass von Alfons Dopsch im Archiv des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Näheres dazu bei Dopsch (H.), Marc Bloch et les M8langes en l’honneur d’Alfons Dopsch; vgl. auch Buchner, Alfons Dopsch, S. 166f., und Schöttler, Die »Annales«-Historiker, S. 153f. und 270.

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schichtswissenschaft in der Welt zu heben, wie sonst kein zweites Vorhaben dieser Art.«789

3.7. Die Wiener Historiker in der NS-Zeit (1938–1945) Die beinahe ausnahmslos den »Anschluss« Österreichs an Deutschland herbeisehnenden Historiker der Universität Wien widmeten sich seit den 1920er Jahren in Publikationen und Vorlesungen mit Vorliebe »großen Themen der deutschen Geschichte« wie der mittelalterlichen deutschen Reichsgeschichte einerseits und der Geschichte der Habsburgermonarchie und deren »historischen Leistungen« andererseits. Dabei waren es im Speziellen »die Leistungen für die deutsche Geschichte, für die Geschichte des deutschen Volkes und des Deutschen Reiches, die von den Wiener Historikern der gesamtdeutschen, in der Tradition der großdeutschen, Geschichtsauffassung zur Ehrenrettung des Kaisertums im Mittelalter, der Habsburgermonarchie oder der Deutschösterreicher herausgearbeitet wurden«.790 Der »Anschluss« Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich im März 1938 hatte daher – ganz anders als die Befreiung Österreichs durch die alliierten Armeen 1945 – keine tiefgreifenden Folgen für den Großteil des Personals der historischen Seminare der Universität Wien und des Instituts für Geschichtsforschung. »Die Historiker der [›gesamtdeutschen‹] Wiener Schule konnten sich 1938 gegenüber den neuen Machthabern recht einhellig sowohl auf eine Unterstützung deutschnationaler bzw. nationalsozialistischer Organisationen als auch auf ein langjähriges wissenschaftliches Wirken für die deutsche Einheit berufen.«791 »Radikalen«, d. h. krude biologistisch und rassistisch ar789 Neck, Alfons Dopsch und seine Schule, S. 379. – In der folgenden scharfen Formulierung ist die aktive Rolle der Vorstände und Professoren des Historischen Seminars und des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung bei der Aufhebung des Seminars für Wirtschaftsund Kulturgeschichte wahrscheinlich überbetont: 1936 habe »die Fachmehrheit – […] eine Koalition um Hirsch und Srbik (beide Leiter ihrer eigenen Institute) – das Dopschsche Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte in Zusammenarbeit mit dem Schulministerium [recte: Unterrichtsministerium; der Begriff Schulministerium dürfte sich als Bohemismus – tschechisch: ministerstvo ˇskolstv& – in den Text eingeschlichen haben; Th.W.] aufheben« lassen, »um die daraus entstandene Beute – die jährliche Seminardotierung, die Räumlichkeiten, die reichhaltige Bibliothek sowie eine Assistentenstelle – untereinander zu teilen«. Kolárˇ, Fachkontroverse und institutionelles Umfeld, S. 123. 790 Heiss, Die »Wiener Schule der Geschichtswissenschaft«, S. 399. 791 Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 39f. – »Die Wiener Historiker waren ihrer eigenen damaligen Einschätzung nach als Vertreter der gesamtdeutschen Geschichtsauffassung geistige Wegbereiter des Anschlusses Österreichs an NaziDeutschland […].« »Ideologisches Ziel war die ›Schaffung eines gemeinsamen deutschen Volksbewußtseins auf der Grundlage eines gemeinsamen Geschichtsbewußtseins‹.« Ebd.,

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gumentierenden und scharf kirchenfeindlichen und antiklerikalen Nationalsozialisten wie dem NS-Dozentenbundführer Arthur Marchet waren die Historiker der »Wiener Schule« allerdings »zu wenig nationalsozialistisch«.792 Dennoch: Während an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien 1938 insgesamt 14 der 45 ordentlichen und elf der 22 außerordentlichen Professoren, 13 der 32 emeritierten bzw. pensionierten ordentlichen und außerordentlichen Professoren und 56 der 159 Privatdozenten entlassen bzw. ihrer Lehrbefugnis beraubt wurden793, handelte es sich im Bereich der Geschichte nur um eine Handvoll Privatdozenten, einen Emeritus und einen Honorarprofessor. Der Neuzeithistoriker Friedrich Engel-Janosi (1893–1978, seit 1935 Titular-Extraordinarius)794, der erst im Januar 1938 für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften habilitierte Gerhart B. Ladner (1905–1993)795, der Numismatiker, Kunst- und Kulturhistoriker August Loehr (1882–1965, seit 1929 Honorarprofessor für Numismatik und Geldgeschichte)796, der Althistoriker Edmund Groag (1873–1945, Habilitation 1919, seit 1925 Titular-Extraordinarius für Römische Geschichte)797, der Privatdozent für Antike Numismatik Karl Pink (1884–1965) sowie der 1930 emeritierte ordentliche Professor Alfred Francis Prˇibram durften aufgrund der Übertragung der rassistischen Nürnberger Gesetze auf Österreich sowie einer am 31. Mai 1938 erlassenen »Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums« des Berliner Reichsministers des Innern nicht mehr lehren, und der Mediävist Anton Julius Walter (1906–1985) musste seine Lehrbefugnis als Privatdozent zurücklegen, da er nach dem »Anschluss« wegen seiner Tätigkeit als Redaktionsmitglied der christlich-

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S. 45. Das Zitat im Zitat stammt aus: Srbik, Gesamtdeutsche Geschichtsauffassung (1932), S. 5. Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 54. Insgesamt also 94 Lehrende. Cermak, Beiträge zur Geschichte des Lehrkörpers der philosophischen Fakultät, S. XI. Huber (Andreas), Die Hochschullehrerschaft der 1930er- und 1940er-Jahre, S. 660, kommt dagegen auf 97 vertriebene Mitglieder der Philosophischen Fakultät. Vgl. Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 114. Siehe u. a. Huber (Andreas), Friedrich Engel-Janosi [Zugriff: 22. 09. 2017]. Zu den Umständen der Habilitation Ladners, zur Aberkennung der Venia am 22. April 1938 und zu deren Wiederzuerkennung im Oktober 1946 siehe Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 160, Anm. 39. Den Antrag für die Bestellung Loehrs zum Honorarprofessor hatten die Professoren Srbik und Dopsch gestellt. Loehr, [Selbstdarstellung], S. 50. Vgl. auch Auer, August O. Loehr, und Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 342–344. – Den Erinnerungen Gerhart B. Ladners an seine Wiener Studienjahre in der Zwischenkriegszeit sowie an seine Forschungen im Wiener Münzkabinett zufolge war Loehr »eine urösterreichische Persönlichkeit und einer der zivilisiertesten und gebildetsten Männer, die ich kennengelernt habe. Er hat fast ganz Europa bereist und war in allen Wissensgebieten zu Hause. Zur Nazizeit ist es einem seiner Mitarbeiter am Münzkabinett gelungen, ihm eine jüdische Großmutter nachzuweisen […].« Ladner, Erinnerungen, S. 24f. Siehe auch ebd., S. 47f. Kniefacz, Edmund Groag [Zugriff: 22. 09. 2017].

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sozialen Reichspost (1933–1936) und als Sekretär der »Österreichischen Pressekammer« des klerikal-autoritären (»möchtegernfaschistischen«, »imitationsfaschistischen«) »christlichen Ständestaates« (1936–1938) »untragbar« war.798 Prˇibram gab 1939 dem Drängen seiner in England lebenden Söhne nach und folgte ihnen dorthin; er starb 1942 im Exil in London.799 Friedrich EngelJanosi und Gerhart B. Ladner, der 1933 bis 1938 am Österreichischen Historischen Institut in Rom an seinem bahnbrechenden Werk über die Papstbildnisse des Altertums und des Mittelalters gearbeitet hatte800, emigrierten in die USA bzw. (zunächst) nach Kanada, aber nur Engel-Janosi kehrte nach 1945 zurück.801 Er lehrte 1949 als Gastprofessor (finanziert durch ein Stipendium der Rockefeller Foundation) und, nach seiner Resignation als Full Professor of European 798 Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 51; Kowall, Die 1938 von der Universität verwiesenen Mitglieder des akademischen Lehrkörpers, S. 99–101 (Engel-Janosi), 118f. (Groag), 193–196 (Ladner), 206–208 (Loehr), 249–251 (Prˇibram), 303–305 (Walter) und 313–316 (Winkler); Mühlberger, Dokumentation Vertriebene Intelligenz 1938, S. 40, 44, 46 und 48; Huber (Andreas), Rückkehr erwünscht, S. 321 (Loehr) und 339 (Walter). – Anton Julius Walter, Vertragsbeamter der Nationalbibliothek in Wien, suchte im Juni 1938 um Aufnahme in die NSDAP an. Das Ansuchen wurde Anfang März 1942 abgelehnt, Walter gehörte aber dennoch mehreren NS-Organisationen an und war förderndes Mitglied der SS. Im August 1939 rückte er als Freiwilliger zur Deutschen Wehrmacht ein. Huber (Andreas), Rückkehr erwünscht, S. 65, 124, 172, 187 und 339. – Der ehemaligen Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs und Privatdozent für Neuere Geschichte Hanns Schlitter (1859–1945), ein (nach Ausweis seiner Tagebücher) rabiater Antisemit, dürfte seine ab 1934 nicht mehr ausgeübte Lehrbefugnis 1938 freiwillig zurückgelegt haben. Kowall, Mitglieder (wie oben), S. 273–275; Kraler, Das Tagebuch von Hans Schlitter 1912–1927, S. 48. – Zu jenen, die nach dem »Anschluss« ihre Venia legendi verloren, gehörte auch der (prononciert katholische) Prähistoriker Richard Pittioni. Siehe Friedmann, Der Prähistoriker Richard Pittioni, S. 30–38; Urban, Urgeschichte (2010), S. 388–393. Zum Eisenstädter »Exil« Pittionis (als Leiter des Landschaftsmuseums Eisenstadt, einer Außenstelle des Museums des Reichsgaus Niederdonau, des heutigen Burgenländisches Landesmuseums) siehe Krenn, Kulturpolitik II, S. 171–233. Vgl. auch http://geschichte. univie.ac.at/en/persons/richard-pittioni-prof-dr [Zugriff: 18. 02. 2017]. 799 In der Londoner Times vom 5. Juni 1942 ist auf S. 7 unter dem Titel »Professor A. F. Pribram« ein nicht namentlich gezeichneter Nachruf erschienen, dessen zwei letzte Sätze so lauten: »After the rape of Austria he joined his sons in London. The closing years were devoted to the study of Anglo-Austrian relations, with special reference to 1908–14.« Für den Hinweis auf diesen Nachruf und einen Mikrofilmausdruck danke ich Josef Sziderits. – »Bevor Pribram nach England emigrierte, verbrannte er seine Manuskripte. Neben […] Aufzeichnungen über Cromwell befanden sich unter diesen Entwürfe zu einer Methodologie der Geschichte. In dieser wollte er den Mangel an Konsequenz in der Abfassung historischer Werke nachgweisen; er dachte ursprünglich, dies an Beispielen aus dem Oeuvre des Graf-Andr#ssy-Biographen Eduard von Wertheimer darzutun, und ersetzte dieses Vorhaben dann – um den geschätzten Kollegen nicht zu kränken – durch passende Zitate aus den eigenen Schriften.« Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, S. 75. 800 Siehe Ladner, Erinnerungen, S. 50–62. 801 Fellner (G.), Die Emigration österreichischer Historiker, S. 482f. und 487; zu EngelJanosis Jahren in der Emigration ausführlich Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, S. 157–240.

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History an der Catholic University of America in Washington, D.C., von 1959 bis 1968 praktisch als Ordinarius, wenngleich nur mit dem Titel eines Honorarprofessors für Neuere Geschichte an der Universität Wien.802 Nach seiner Rückkehr nach Wien wählte Engel-Janosi für seine Vorlesungen und Seminare mit Vorliebe historiographiegeschichtliche und geschichtsphilosophische Themen. Besonders faszinierend waren seine Vorlesungen, der Erinnerung Fritz Fellners zufolge, »wenn er, die mitgebrachten Zettel beiseite schiebend, frei improvisierend, fast selbstvergessen und nur für sich selbst und vor sich hinsprechend«, zu Grundfragen der Geschichtswissenschaft Stellung nahm.803 Dem – von Wilhelm Bauer und Otto Brunner redigierten – ersten Heft des Jahrgangs 1938 der Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung, dessen Beiträge die Autoren Oswald Redlich zum 80. Geburtstag widmeten, wurde ein nicht namentlich gezeichneter, den »Anschluss« euphorisch begrüßender Text vorangestellt, in dem es unter anderem heißt: »Was seit dem Fall des ehrwürdigen alten Reiches die Besten unter unseren Vorfahren immer wieder ohne Erfolg erstrebt haben, ist durch den entscheidenden Zugriff eines gottbegnadeten Führers, den wir mit Stolz und Freude den unsern nennen dürfen, Wirklichkeit geworden. […] Unsere herrliche Jugend […] darf mit Zuversicht und dem Hochgefühl, einem großen, stolzen Volk anzugehören, in eine glückliche Zukunft blicken. Späterer Darstellung muß vorbehalten bleiben, inwieweit Geschichtsschreibung und Geschichtsforschung ihrer Aufgabe, an der Vorbereitung dieses Aufstieges mitzuwirken, entsprochen haben. Wir glauben aber, diesem Urteil mit Zuversicht entgegensehen zu dürfen. Denn das Institut für Geschichtsforschung und diese Zeitschrift, die den wissenschaftlichen Interessen des Instituts zu dienen hat, sind stets Instrumente eines gesamtdeutschen Wissenschaftswillens gewesen.«804

802 Vgl. Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, bes. S. 241–266, und Weinzierl, Friedrich Engel-Janosi. – H a u p t w e r k e F r i e d r i c h E n g e l - J a n o s i s : Soziale Probleme der Renaissance (1924); Graf Rechberg. Vier Kapitel zu seiner und Österreichs Geschichte (1927); Der Freiherr von Hübner, 1811–1892. Eine Gestalt aus dem Österreich Kaiser Franz Josephs (1933); Die Jugendzeit des Grafen Prokesch von Osten (1938); The Growth of German Historicism (1944); Four Studies in French Romantic Historical Writing (1955); Österreich und der Vatikan, 1846–1918, 2 Bde. (1958–1960); Geschichte auf dem Ballhausplatz. Essays zur österreichischen Außenpolitik 1830–1945 (1963); Vom Chaos zur Katastrophe. Vatikanische Gespräche 1918 bis 1938. Vornehmlich auf Grund der Berichte der österreichischen Gesandten beim Heiligen Stuhl (1971); Die Wahrheit der Geschichte. Versuche zur Geschichtsschreibung in der Neuzeit (1973). 803 Fellner (F.), Friedrich Engel-Janosi, S. 357. Die Notizen, die Engel-Janosi bei seinen Vorlesungen »in Wien benützte, waren größtenteils in Englisch abgefaßt. Ich bin zur Überzeugung gelangt, daß es das Beste für eine Vorlesung ist, zuerst eingehende Notizen auf losen Blättern auszuarbeiten, diese Notizen sorgfältig zu lesen und dann frei zu sprechen.« Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, S. 260. 804 Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung 52 (1938), S. IX. – Zur rasanten Gleichschaltung und zu der damit Hand in Hand gehenden Selbstgleichschaltung

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Abb. 58: Friedrich Engel-Janosi (1893–1978). Fotografie, um 1937 (?).

Institutsdirektor Hans Hirsch war über den »Anschluss« ebenso begeistert wie viele seiner Kollegen. In einem Brief an den Rechtshistoriker Karl Gottfried Hugelmann (1879–1959), einen gebürtigen Wiener, der seit 1934 als ordentlicher Professor für Deutsche Rechts- und Verfassungsgeschichte an der Universität Münster lehrte, schrieb er am 7. April 1938 in einem Brief: »Niemand hätte, als ich im Dezember in Münster sprach, es geglaubt, dass wir dem Ziele so nah sind, das uns doch eigentlich stets als Ideal und unerreichbar schien. Wir können jener gottbegnadeten Persönlichkeit [sc. Adolf Hitler; Th.W.], die es zum richtigen Zeitpunkt verstand, die Räder historischen Geschehens ins Rollen zu brin-

der Universität Wien im Frühjahr und Sommer 1938 vgl. z. B. Lichtenberger-Fenz, Universitäten und Hochschulen. »Der ›Anschluß‹ […] brachte für die Mehrheit der österreichischen Professoren die Erfüllung dessen, was sie seit langem ersehnt hatten. Der professorale Jubelschrei, der den nationalsozialistischen Besetzern entgegenflog, kam aus vollem Herzen. […] Als Gelehrte wie als Bürgerliche waren sie gewohnt, ›deutsch‹ zu denken.« Ebd., S. 5.

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Abb. 59: Gerhart B. Ladner (1905–1993). Fotografie.

gen, nicht genug danken, dass der Traum unserer Väter erfüllt und die Zukunft der werdenden Geschlechter gesichert ist.«805

Für die Annäherung an die NSDAP konnten ab 1938 neben politischen Überzeugungen natürlich auch opportunistische Erwägungen ausschlaggebend sein: »Insbesondere Personen, die noch in der Karriere standen oder auch nur um die Erneuerung ihrer Dozentur oder außerordentlichen Professur besorgt sein mußten, suchten um die Aufnahme in die Partei an. Zu diesen gehörte auch noch Otto Brunner, der erst 1941 zum ordentlichen Universitätsprofessor […] ernannt wurde: Anläßlich seines Aufnahmeantrags im Juli 1938 war er durch die Ortsgruppenleitung recht negativ als sog. ›Märznationalsozialist‹ beschrieben worden, der die liberale Presse [d. h. die Tageszeitung Neue Freie Presse; Th.W.] bezogen habe und dessen Frau ›bis jetzt die Volksgemeinschaft‹ ablehne. 1942 wurde schließlich seine Aufnahme in die NSDAP ›aus Altersgründen‹ zurückgewiesen; Brunner bemühte sich nun offenbar um eine Revision, wofür eine Konkurrenz mit dem Parteimitglied Heinz Zatschek [1901–1965; 805 Zitiert nach Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 155f.

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Abb. 60: August Loehr (1882–1965). Fotografie.

1941 bis 1942 ordentlicher Professor für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien; Th.W.] im Institut für Geschichtsforschung ausschlaggebend gewesen sein dürfte […].«806

Otto Brunner leitete seit 1940 – als Nachfolger von Hans Hirsch, der seinerseits 1934 dem Geographen und (während seines Geographie- und Geschichtestudiums) Srbik- und Redlich-Schüler Hugo Hassinger807 nachgefolgt war – die 1931 von deutschen, österreichischen und Schweizer Wissenschaftlern in Wien gegründete und bereits vor 1938 weitgehend durch verschiedene Berliner Behörden (insbesondere das Auswärtige Amt und das Reichsinnenministerium) finanzierte Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft, eine der insgesamt sechs Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften. Diese Arbeitsgemeinschaft von überwiegend an der Universität Wien tätigen Geisteswissenschaftlern hatte nach 806 Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 52. – Zatschek war Mitglied der NSDAP und des NSD-Dozentenbundes. Vgl. den monumentalen Aufsatz von Hruza, Heinz Zatschek (2008); zuletzt kurz und bündig ders., Heinz Zatschek (2017). 807 Zu diesem zuletzt Zippel, Hugo Hassinger.

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einer von Otto Brunner im Oktober 1940 unterschriebenen Selbstdarstellung die Aufgabe, »die den Südostraum bearbeitenden Wissenschaftler zusammenzufassen und mit ihrer Hilfe bestimmte, vom volkspolitischen Standpunkt wichtige wissenschaftliche Aufgaben zu bearbeiten, sowie wissenschaftliche Unterlagen für politische Entscheidungen vorzubereiten«.808 Im Rahmen einer geheimen Tagung in Wien im März 1941 aus Anlass der Jubiläumsfeier zum zehnjährigen Bestehen der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft nannte Brunner unter deren künftigen Aufgaben neben anderen die »Immunisierung der deutschen Volksgruppen [in Südosteuropa] gegen die geistige Beeinflussung durch fremde Staatsideen« und die Begründung einer deutschen kulturellen Hegemonie über die Kleinvölker Südosteuropas.809 Organisiert und koordiniert vor allem von Hugo Hassinger, arbeiteten mehrere lokale und überregionale Forschergruppen an der »Mobilisierung organisatorischer Ressourcen und auch konkreter Werkzeuge wie völkischer Landkarten zum Zweck einer koordinierten politischen Beratung im Rahmen des Eroberungskrieges und der damit einher gehenden, so genannten ›Umvolkung‹ in Südosteuropa«.810 Heinrich (von) Srbik war bereits seit dessen Gründung 1935 Ehrenmitglied von Walter Franks Berliner Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands, eines Instruments der NS-Propaganda, zu dessen Hauptaufgaben die sogenannte »Judenforschung« gehörte.811 1938 wurde Srbik – angeblich ohne sein Wissen und auf Anregung des »Reichsstatthalters in Österreich und Führers der österreichischen Landesregierung« Arthur Seyß-Inquart – als einer von 808 Zitiert nach Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 53f. Näheres bei Svatek, »Wien als Tor nach dem Südosten«; Lechner (G.), »Südostforschung«, bes. S. 35–45 und 64–72; Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik; ders., »Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft« (2000); ders., Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft (2017). – Nach dem »Anschluss« Österreichs an das Großdeutsche Reich übernahmen Mitglieder der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft »wichtige Funktionen für den Machtaufbau des NS-Regimes in Österreich«. Fahlbusch, »Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft« (2000), S. 252. 809 Fahlbusch, »Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft« (2000), S. 255f. 810 Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 133. 811 Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut, S. 267f., 573f., 577–580, 716–718 und passim. Srbik nahm nie an »irgendwelchen Sitzungen und Tagungen des Reichsinstituts« teil und scheint es nur ein einziges Mal besucht zu haben (am 9. Februar 1937). Ebd., S. 578. Er ließ sich aber jedenfalls, mit einer treffenden Formulierung Michael Derndarskys, für das Reichsinstitut »als Renommierfachmann verwenden«. Derndarsky, Der Fall der gesamtdeutschen Historie, S. 161. – 1937 wurde Srbik zum »Auswärtigen Mitglied« des Senats der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ernannt. Karen Schönwälder vermutet, dass die Gesellschaft dadurch »›gesamtdeutsches‹ Denken demonstrieren und sich gleichzeitig mit einem Mann schmücken wollte, der ein großes Ansehen bei den nationalsozialistischen Machthabern mit einem internationalen wissenschaftlichen Renommee verband, der politischen Einfluß hatte, und von dem Kollegen gleichzeitig wohl erwarteten, daß er etablierte Formen wissenschaftlichen Arbeitens verteidigen werde«. Schönwälder, Heinrich von Srbik, S. 529.

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insgesamt 180 Österreichern auf die vom »Führer und Reichskanzler« Adolf Hitler approbierte Liste (»Liste des Führers«) für die gleichzeitig mit der Volksabstimmung über den »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich am 10. April 1938 durchgeführte Pseudo-Wahl zum Großdeutschen Reichstag in Berlin, der über keinerlei relevante Kompetenzen verfügte, gesetzt (und natürlich »gewählt«).812 Im Mai 1938 wurde er als Mitglied in die NSDAP aufgenommen (er nahm für sich später, in Analogie zum Typus des »Edelkommunisten«, in Anspruch, ein »Edelnationalsozialist« gewesen zu sein), und im Juni 1938 wurde er – als Nachfolger des zurückgetretenen Oswald Redlich – zum Präsidenten der Wiener Akademie der Wissenschaften gewählt. Srbik begrüßte wie beinahe alle seine Wiener Kollegen mit Begeisterung den »Anschluss« Österreichs an Deutschland als endliche Erfüllung eines lange gehegten Wunsches – unter anderem in einem am 10. April 1938 in einer Sondernummer des Völkischen Beobachters aus Anlass der Volksabstimmung über den »Anschluss« Österreichs erschienenen Zeitungsartikel.813 Srbik war kein völkisch-rassistischer Parteihistoriker, aber insbesondere seine Mitteleuropa-Konzeption und seine damit verbundene Forderung nach einer politischen Neuordnung Mitteleuropas unter deutscher Führung ließen sich zwanglos für die Rechtfertigung der aggressiv expansionistischen Außenpolitik des Großdeutschen Reiches – sowohl nach Westen (Elsass-Lothringen) als auch nach Osten und Südosten (»Lebensraum«) – instrumentalisieren.814 Daran konnte der Umstand nichts ändern, dass im Januar 1943 die NSDAP Wien in zwei Schreiben an die Reichsleitung der Partei Kritik an Srbiks »eindeutig […] ausserhalb biologischer Gesetzlichkeit liegende[m] Geschichtsbild« übte sowie daran, dass »er […] eine Bewertung rassischer Triebkräfte in der Geschichte« ablehne und deshalb »zu einer biologisch-bindungslosen Objektivität« komme. Er sei »zu stark Ideengeschichtler, um in Volk und Rasse im Sinne des Nationalsozialismus den eigentlichen Träger des geschichtlichen Ablaufs zu sehen«.815 Srbik selbst stellte Anfang September 1945 in einer »Darlegung« ge812 Siehe Lilla, Die Vertretung Österreichs im Großdeutschen Reichstag, bes. S. 236–241, 244, 266 und 322f. 813 »Das Großdeutsche Volksreich, geboren aus dem Willen der Nation und geschaffen durch die Tat eines genialen Deutschen, ist erstanden.« Heinrich von Srbik, Tausend Jahre Deutschland. In: Völkischer Beobachter, 10. April 1938, zitiert nach Schönwälder, Heinrich von Srbik, S. 534. Siehe auch Moos, Bildungsbürgertum, Nationalproblem und demokratisches Zeitalter, S. 138f. 814 »Srbiks Konzeption integrierte die völkische Ideologie, den Mitteleuropagedanken und die Reichsidee in einer Geschichtsdeutung, deren Grundgedanke es war, daß deutsche Geschichte und Gegenwart [Mitte der 1930er Jahre] beherrscht seien von dem Auftrag, Mitteleuropa und insbesondere den Osten zu ›führen‹ sowie eine deutsche Weltsendung auszufüllen.« Schönwälder, Historiker und Politik, S. 94. 815 Zitiert nach Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 55.

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genüber dem Staatsamt für Unterricht (bzw. für Volksaufklärung) fest, dass seine Ansichten »von radikalnazionalsozialistischer [sic!] Seite als katholisch-universalistisch heftig angegriffen und ›undeutsch‹ genannt worden« seien, dass ihm »katholische und österreichische Blickbefangenheit vorgeworfen worden« sei und dass er sich »in extremen Parteikreisen den Ruf eines Klerikalen und Legitimisten« erworben habe, obwohl er »weder das eine noch das andere« sei oder jemals gewesen sei.816 Es ist aber andererseits kaum zu bestreiten, dass Srbik in seinem Œuvre seriöse Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung mit »der historischen und aktuellen Interpretation von Politik und Gesellschaft« auf eine Weise verband, »die dem Gebrauch (nicht Mißbrauch) seiner Publikationen für die Legitimation der [nationalsozialistischen] Kriegspläne förderlich war«.817 Gerhard Ritter (1888–1967), ein konservativer Gegner des Nationalsozialismus, von 1925 bis 1956 Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Freiburg im Breisgau und nach dem Zweiten Weltkrieg »einer der meinungsführenden Historiker Deutschlands«818, hatte bereits 1937 an seinen Freund und Lehrer Hermann Oncken geschrieben, ihn beängstige der Eindruck, dass Srbik und andere österreichische und (süd)deutsche Historiker »eine ›gesamtdeutsche‹ Ideologie zusammenbrauen, die zuletzt nichts anderes ist als das ideologische Feigenblatt (oder Propagandamittel) für eine deutsche Außenpolitik, die an Abenteuerlichkeit die Politik eines Grafen Berchtold und Tisza weit hinter sich lassen wird«.819

816 Zitiert nach Derndarsky, Der Fall der gesamtdeutschen Historie, S. 173f. Vgl. u. a. Moos, Bildungsbürgertum, Nationalproblem und demokratisches Zeitalter, S. 153–176. 817 Schönwälder, Historiker und Politik, S. 98. 818 B(ernd) F(aulenbach), Ritter, Gerhard. In: vom Bruch, Müller (Hrsg.), Historikerlexikon, S. 273–275, hier S. 273. 819 Ritter (G.), Briefe, S. 329. Leopold Graf Berchtold und Stephan (Istv#n) Graf Tisza waren zur Zeit der Julikrise 1914 österreichisch-ungarischer Außenminister bzw. ungarischer Ministerpräsident. Vgl. auch den langen, letztlich nicht abgeschickten Brief Ritters an Srbik vom 24. Juli 1937, ebd., S. 323–328.

4.

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4.1. Entnazifizierung und Restauration Nach der Wiedererrichtung der Republik Österreich im April 1945 wurden die Parteimitglieder und Parteianwärter der NSDAP unter den Professoren, Dozenten, Assistenten und wissenschaftlichen Hilfskräften in den Jahren 1945 und 1946 vom Dienst suspendiert und vor eine Sonderkommission des Unterrichtsministeriums zitiert. Auf der Grundlage des am 8. Mai 1945 erlassenen (und 1947 umfassend novellierten) »Verbotsgesetzes« sowie des »BeamtenÜberleitungsgesetzes« vom 22. August 1945 waren davon am Historischen Seminar der Universität Wien und am Institut für Österreichische Geschichtsforschung die Professoren Wilhelm Bauer, Otto Brunner und Heinrich Srbik sowie der 1939 zum außerplanmäßigen Professor für Neuere Geschichte ernannte Reinhold Lorenz820, die Dozenten Wilhelm Deutsch, Heinrich Fichtenau 820 Reinhold Lorenz (1898–1975), seit 1921 Bibliothekar und von 1927 bis 1939 außerordentlicher Assistent am Historischen Seminar der Universität Wien, erhielt 1930 die Lehrbefugnis als Privatdozent für Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der politischen und Geistesgeschichte. 1935 wurde ihm der Titel eines außerordentlichen Professors verliehen, 1939 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt, 1945 als NSDAPMitglied enthoben. Vom Sommersemester 1931 bis zum Wintersemester 1944/45 hielt er – trotz seines, laut Berichten von Studierenden, umständlichen und sprunghaften Vorlesungsstils und einer Sprachstörung (Stottern) – in der Nachfolge Wilhelm Bauers ohne Unterbrechung das sich über ein ganzes Studienjahr erstreckende Historische Proseminar bzw. die Einführung in das Studium der Geschichte. Aus einem erhalten gebliebenen Skriptum aus dem Jahr 1936 geht hervor, dass er den Studienanfängern gegenüber die rassistischen Lehren von Joseph Arthur de Gobineau, Houston Steward Chamberlain und Alfred Rosenberg als wissenschaftlich fundiert verteidigte. Nach 1945 war er (zunächst ohne finanzielle Entschädigung) als Mitarbeiter August Loehrs an der Konzipierung und am Aufbau des – 1975 geschlossenen, 1987 in Eisenstadt wiedereröffneten und 1994 endgültig abgeschafften – Museums Österreichischer Kultur beteiligt. 1954 wurde ihm die 1945 entzogene Lehrbefugnis wieder erteilt, und er nahm seine Lehrtätigkeit wieder auf. Zeiller, Reinhold Lorenz, S. 3–30. – Lorenz war Mitglied einer Gruppe katholischer Intellektueller, die sich 1932 konstituierte und später als »Volksdeutscher Arbeitskreis österreichischer Katholiken« firmierte. Der Gruppe gehörten neben Lorenz mit Taras Boro-

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und Herbert Hassinger (ein Sohn von Hugo Hassinger) sowie zwei Assistenten und eine wissenschaftliche Hilfskraft betroffen. Leo Santifaller (1890–1974), seit 1942/43 Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien, musste sich wegen einer Publikation aus dem Jahr 1938 (Deutsch-Österreich und seine Rückkehr in das Reich) rechtfertigen. Es handelt sich dabei um die etwas erweiterte Druckfassung einer am 6. April 1938 an der Universität Breslau gehaltenen Vorlesung. In dem Büchlein, einer euphorischen Rechtfertigung und Verherrlichung des »Anschlusses« Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich, finden sich Passagen wie die folgenden: »Seit den Tagen des glorreichen Aufbruches der Nation am 30. Januar 1933 habe ich an den großen Festtagen des deutschen Volkes und des Deutschen Reiches in meiner Vorlesung über deutsche Reichs- und Verfassungsgeschichte stets einige Augenblicke innegehalten und habe gerade auf Grund und im Zusammenhange dieser Vorlesung versucht, die großen Taten des Führers und den Aufstieg unseres Volkes entsprechend zu würdigen. So habe ich auch diesmal in meiner ersten Vorlesung des Sommersemesters, am 6. April, über die weltgeschichtlichen Ereignisse des März gesprochen und habe versucht, eine kurze Übersicht zu geben über das Werden Deutschösterreichs als eines Teiles des Deutschen Reiches, über seine Loslösung vom Reiche und über seine nun erfolgte Wiedervereinigung.«821 »[…] inzwischen [seit 1933; Th.W.] war das Deutsche Reich, das nationalsozialistische Reich Adolf Hitlers, herrlich emporgestiegen und der Führer hat das deutsche Volk aus der Not, dem Jammer, dem Elend und der Hoffnungslosigkeit des Zusammenbruches und der Nachkriegszeit herausgeführt. […] Vor allem aber hat der Führer den deutschen Menschen von innen heraus neu geformt, ihm eine neue Weltanschauung und einen neuen Lebensinhalt auf rassisch-völkischer Grundlage gegeben und diesen neuen deutschen Menschen wehrhaft, politisch, stark und lebens- und schaffensfreu-

dajkewycz und Ernst Klebel auch zwei weitere »gesamtdeutsche« österreichische Historiker an. Eminger, Andraschek-Holzer, Karl Lechner, S. 532–539 und 573f.; vgl. auch Fellner (G.), Ludo Moritz Hartmann, bes. S. 340–346. – H a u p t w e r k e v o n R e i n h o l d L o r e n z : Volksbewaffnung und Staatsidee in Österreich (1792–1797) (1926; überarbeitete Druckfassung der Dissertation); [General Ludwig Freiherr von] Gablenz in Holstein. Ein Beitrag zur deutschen Staats- und Volksgeschichte (1929; Habilitationsschrift); Türkenjahr 1683. Das Reich im Kampf um den Ostraum (1933); Der Staat wider Willen. Österreich 1918–1938 (1940, 21942, 31943; dabei handelt es sich um ein höhnisches, extrem antisemitisches und den Nationalsozialismus verherrlichendes 300-seitiges Pamphlet); Drei Jahrhunderte Volk, Staat und Reich. Fünfzehn Beiträge zur neueren deutschen Geschichte (1942); Japan und Mitteleuropa. Von Solferino bis zur Wiener Weltausstellung (1859–73) (1944); Grundriß der Geschichtslehre (1945; beinahe die gesamte Auflage wurde durch einen Bombenangriff vernichtet); Kaiser Karl und der Untergang der Donaumonarchie (1959). 821 Santifaller, Deutsch-Österreich, S. 5, Anm. 1.

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dig gemacht. In der Gestaltung des Reiches selbst aber konnte der Führer das schaffen, was die mittelalterlichen Kaiser und was Bismarck umsonst erstrebt haben.«822 »Das Land Österreich aber ist [im März 1938] nicht arm und bloß zur großen deutschen Mutter heimgekehrt; es hat vielmehr eine Fülle reichster Schätze und Gaben der Natur und des Menschentums in das deutsche Vaterhaus mitgebracht: […] Das größte und glänzendste Geschenk aber, das Österreich dem Reiche gebracht hat, ist Österreichs großer Sohn, Adolf Hitler, der Schöpfer und Führer des großen Volksreiches Deutschland.«823

Abb. 61: Leo Santifaller (1890–1974). Fotografie, Photo Winkler, Wien.

Falls man, wie der Autor dieser Zeilen, Santifallers 1945 vorgebrachter Rechtfertigung, dass die beanstandeten Passagen nicht von ihm stammten, sondern ohne sein Wissen von nationalsozialistischen Studenten eingefügt worden seien, misstraut824, fällt auf, dass Otto Brunners etwa gleichzeitig verfasster und pu822 Ebd., S. 25. 823 Ebd., S. 28f. 824 Siehe Anm. 827.

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blizierter Aufsatz Österreichs Weg zum Großdeutschen Reich in einem etwas sachlicheren und weniger blumigen Ton gehalten ist. Die – unvermeidlichen, aber zweifellos ebenso wie bei Santifaller von Herzen kommenden – patriotischen Lobesworte auf Adolf Hitler lauten bei Brunner folgendermaßen: »Der Schöpfer Großdeutschlands aber, Adolf Hitler, ist ein Österreicher. Sein volkhaftes Denken ist aufs stärkste mitbestimmt durch die politische Erfahrung seiner Jugend, da er unter den Deutschen Österreichs heranwuchs, denen viel stärker als den Deutschen des Reichs das Volk und nicht allein der Staat Ausgangspunkt ihres politischen Denkens war. […] Der Führer hat seine Heimat Österreich zurück ins Reich geführt. Aus dem zähen Bauernblut des niederösterreichischen Waldviertels stammend, im alten Bajuvarenland Oberösterreich herangewachsen, erfuhr er in seiner Jugend das Schicksal des deutschen Österreichers an sich selbst. […] Wenn Österreich nun wieder seine alte Mission aufnimmt, wenn es sich wieder ›am Hofzaun des Reiches‹ weiß, aber auch in dessen ›Schutz und Schirm‹, dann ist es heimgekehrt im stolzen Bewußtsein, das Seine zum Werden des neuen Großdeutschland, dem es den Führer, den Einiger von Volk und Reich gab, getan zu haben.«825

Am 15. März 1938, drei Wochen vor seiner in dem zitierten Büchlein publizierten Breslauer Vorlesung, hatte sich Santifaller in einem kurzen Schreiben an seinen Lehrer Hans Hirsch nach Wien über den »Anschluss« begeistert geäußert: »Hochverehrter Herr Professor! Zutiefst ergriffen von der Grösse des geschichtlichen Geschehens, der Wiedervereinigung der alten deutschen Ostmark mit dem Reiche, ist es mir ein Herzensbedürfnis, Ihnen und den verehrten Kollegen des Instituts für Geschichtsforschung die allerherzlichsten Glückwünsche auszusprechen. Das, was wir schon als Studenten der Alma mater Rudolfina erhofft und erstrebt haben, ist nun Wirklichkeit geworden. Ein Volk, ein Reich, ein Führer! Mit herzlichen Grüssen in treuer Verbundenheit, Heil Hitler Ihr Leo Santifaller.«826

Leo Santifaller war von Januar bis Mai 1946 suspendiert. Im Gegensatz zu Otto Brunner erreichte er aber eine recht rasche Rehabilitierung.827 Mit Recht konnte

825 Brunner, Österreichs Weg, S. 519 und 528. 826 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Nachlass Leo Santifaller. Für die Anfertigung und Überlassung einer Transkription dieses Schreibens danke ich Johannes Holeschofsky. Zur »euphorischen Stimmung« der Wiener Historiker im März 1938 vgl. auch Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 155f. 827 Santifaller rechtfertigte sich vor der Sonderkommission mit der Behauptung, »die inkriminierten Passagen hätten nationalsozialistische Studenten eingefügt, um ihn, der als nicht systemkonform gegolten habe, damit zu schützen. Ein beigebrachtes sprachwissenschaftliches Gutachten bestätigte Santifallers Verteidigung aufgrund von Unterschieden im

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festgestellt werden, dass Santifaller »ein klassisches Beispiel von Elitenkontinuität vor und nach Ende des Nationalsozialismus« darstellt.828 Ab 1947 wurden die Strafmaßnahmen gegen sogenannte minderbelastete ehemalige NSDAPMitglieder gemildert. »Bauer und Srbik konnten mit Erreichung ihres Emeritierungsalters (1948) wieder die vollen Pensionen beanspruchen.«829 Srbik, der sich bis zu seinem Tod keiner Schuld bewusst war830, erhielt nahezu drei Jahre lang keinerlei Bezüge ausbezahlt, was ihm und seiner Frau zweifellos reale Existenzsorgen bereitete831 und was er als großes Unrecht des österreichischen Staates ihm gegenüber empfand.832 Erst im März 1948 wurde Srbik in den dauernden Ruhestand versetzt. Sein Ruhegenuss wurde bis einschließlich November 1948, also bis zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, um ein Drittel gekürzt.833 1950/51 erschien – mit der Widmung: »Friedrich Meinecke in alter Vereh-

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Sprachrhythmus.« Heiss, Die »Wiener Schule der Geschichtswissenschaft«, S. 409. Siehe auch Müller (A.), Dynamische Adaptierung und »Selbstbehauptung«, S. 612. Holeschofsky, Leo Santifaller, S. 682. Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 59. – »Bei seinen engsten Schülern galt Srbik auch nach 1945 noch als unanfechtbare moralische Instanz. Dem entspricht, dass Srbik auch noch nach 1938 großen Respekt bei deutschen Historikern wie Franz Schnabel und Friedrich Meinecke genoss, die den Nationalsozialismus stets abgelehnt hatten.« Lehmann, Auf der Suche nach Orientierung, S. 76. – Zur »Entnazifizierung« an der Universität Wien siehe zuletzt ausführlich Pfefferle, Pfefferle, Glimpflich entnazifiziert, und Stifter, Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration, S. 346–365; prägnante Zusammenfassungen der Entnazifizierung der Lehrenden und von deren schrittweiser Rücknahme 1947/48 bieten Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 142–154, und Pfefferle, Pfefferle, »Eine peinliche Zwischenzeit«. »Im wiedererstandenen Österreich fühlte sich der kaltgestellte Srbik ungerecht behandelt, war er es doch gewohnt, unter allen [politischen] Systemen mit dem ihm eigenen Pflichtbewußtsein so loyal wie möglich zu dienen und eine absolute wissenschaftliche Autorität darzustellen.« Derndarsky, Der Fall der gesamtdeutschen Historie, S. 165. Vgl. Hamann, Kriegs- und Nachkriegserinnerungen, S. 391. Derndarsky, Österreich und die »deutsche Einheit«, S. 188f. »Es unterliegt zwar keinem Zweifel, daß Srbik kein Nationalsozialist war […]. Aber es ist auch gewiß, daß Srbik aufgrund seiner politischen Haltung große Affinität zu starken Männern und zu autoritären Systemen hatte, die er jedenfalls höher wertete als andere politische Strömungen und Einrichtungen.« Ebd., S. 479. Derndarsky kommt in seiner Analyse des Verhältnisses Srbiks zum Nationalsozialismus zu dem Schluss, es könne »nicht von der Hand gewiesen werden, daß ihm beträchtliche Teile der nationalsozialistischen Bewegung und Politik doch durchaus zusagten«. Ebd., S. 490. »Im Anhängen an eine historische Wunschvorstellung sah Srbik der politischen Wirklichkeit nicht ins Auge und versuchte, eine Harmonie der Gegensätze zu konstruieren, als er sich im zeitgeschichtlichen Spannungsfeld von Idee und Wirklichkeit, von Historie und Politik befand.« Ebd., S. 491. Vgl. auch ders., Der Fall der gesamtdeutschen Historie, bes. S. 169. Martina Pesditschek hingegen hat mit guten, aber im einzelnen auch diskutablen Argumenten »Srbik als einen – sich hinter der Maske eines naiven Altruisten verbergenden – kühl kalkulierenden, niemals vertrauenswürdigen Machtmenschen und durchaus typischen Nationalsozialisten zu erweisen versucht«. Pesditschek, Heinrich Ritter von Srbik (2017), S. 779. Archiv der Universität Wien, Personalakt Heinrich Srbik (wie Anm. 623), fol. 198.

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rung« – in zwei Bänden Srbiks letztes großes Werk: Geist und Geschichte. Vom deutschen Humanismus bis zur Gegenwart. Dabei handelt es sich, ähnlich wie bei Meineckes Alterswerk Die Entstehung des Historismus (1936), um »eine ideengeschichtliche Bestandsaufnahme der maßgebenden Traditionen deutscher Historiographie (hier zudem verklärt zu einer Apologie der eigenen weltanschaulichen Position, die nach dem Zusammenbruch des ›Dritten Reiches‹ in das Kreuzfeuer der Kritik geraten war), weniger um eine kritische Methodenund Problemgeschichte des eigenen Faches«.834 Die Restauration der akademischen Geschichtswissenschaft erfolgte nach 1945 in Österreich im Allgemeinen und an der Universität Wien im Speziellen fast ausschließlich durch Personen, die 1938 entlassen worden waren, also durch konservativ-katholische, dem autoritären bzw. diktatorischen »christlichen Ständestaat« zumindest nahestehende Wissenschaftler, einerseits und durch Personen (de facto fast ausschließlich Männer), »die erfolgreich durch die Maschen der Entnazifizierung geschlüpft waren«835, andererseits.836 »Die Konsequenzen dieser Fokussierung bestanden in der Fortführung der traditionellen Wissenschaftsauffassung wie auch wesentlich der Forschungsinteressen von deren Ausformungsperiode, d. h. aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, durch die österreichischen Historiker nach 1945 und damit auch wiederum auf deren erste Schülergenerationen bis in die 1960er Jahre, mitunter länger. Dies bewirkte die Prolongierung des Status von 1914 um mehr als ein halbes Jahrhundert; es ist einsichtig, dass dieser Prozess in einem weltanschaulich so sensiblen und relevanten Fach wie der Geschichtswissenschaft von besonderer Bedeutung war.«837

Im Gegensatz zu Deutschland haben auch die nach 1945, zum Teil erst spät oder nur zeitweilig, zurückgekehrten Emigranten wie Heinrich Benedikt, Friedrich Engel-Janosi oder Robert A. Kann »nicht für eine Rekonzeptualisierung und 834 Blanke, Typen und Funktionen, S. 9. 835 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 603. 836 »Überall standen der materielle Wiederaufbau [der Universitäten; Th.W.], die Aufrechterhaltung der Lehre und die Wiederherstellung der Machtverhältnisse im Innern zugunsten der konservativ-katholischen Eliten der Zeit vor dem ›Anschluss‹ im Vordergrund.« Ash, Die österreichischen Hochschulen, S. 68. 837 Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 603f. – »Österreich wurde – politisch wie wissenschaftlich – von jener Generation wieder aufgebaut, die noch in der Tradition der Habsburgermonarchie in ihrem Weltbild geprägt worden war. Es war die im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts geborene Generation, die den Weg der Wissenschaft nach 1945 bestimmte – die zwischen 1900 und 1916 geborene Generation war aus dem wissenschaftlichen Leben ausgeschaltet – die einen waren als Juden vertrieben worden, die anderen im Krieg gefallen oder wegen ihrer Verstrickung in den Nationalsozialismus bis in die Mitte der 1950er Jahre von der Fortführung einer Karriere ferngehalten.« Fellner (F.), Geschichtsstudium in Kriegs- und Nachkriegsjahren, S. 67. – Siehe zuletzt die kenntnisreiche Problemskizze von Krenn, Die Geschichtswissenschaft an den österreichischen Universitäten.

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Problematisierung der überkommenen Geschichtsbetrachtung gesorgt, sondern überwiegend latente Tendenzen sanktioniert und verstärkt: die ›Flucht‹ [aus der politischen Geschichte; Th.W.] in die Geistesgeschichte einerseits und die Konzentration auf das lange Sterben der Habsburgermonarchie nach 1848/1867 andererseits«.838 Heinrich Benedikt (1886–1981), der einer assimilierten Wiener Fabrikantenund Gelehrtenfamilie jüdischer Herkunft entstammte und auf Wunsch des Vaters im Alter von 14 Jahren durch die Taufe in die evangelische Kirche aufgenommen wurde839, emigrierte 1939 nach England und kehrte 1946 nach Wien zurück. Als akademischer Lehrer war er »ein Spätberufener«.840 Er habilitierte sich 1947 auf Wunsch der Wiener Philosophischen Fakultät im Alter von 61 Jahren für Österreichische Geschichte. Nachdem der im November 1946 zum Extraordinarius bestellte Dozent Paul Müller841 (1895–1948) im November 1948 überraschend und allzu früh gestorben war, wurde Heinrich Benedikt 1950 zum außerordentlichen Professor und 1955 schließlich zum Titular-Ordinarius für Allgemeine Geschichte der Neuzeit ernannt.842 Sein wissenschaftliches Haupt838 Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 321. 839 In seinen Kindheits- und Jugenderinnerungen charakterisierte Benedikt sein Christentum und sein Verhältnis zu seiner jüdischen Herkunft folgendermaßen: »Ich wurde Protestant, aber ein katholischer. Schon als Kind glaubte ich an Jesus und die Mutter Gottes und an alle Heiligen. […] Ich liebe das Heidnische der katholischen Kirche, wie es in den romanischen Ländern ausgebildet ist, das Mysterium der lateinischen Liturgie, die hierarchische Ordnung, die Pracht der Barockkirchen. Ich bin ein Österreicher, ein Barockmensch. […] Ich wurde zum Christen erzogen und wuchs in christlicher Umgebung auf, bin aber froh, als Jude geboren zu sein. Das bringt eine gesunde Demut mit sich, die Erkenntnis, daß es besser [ist] verspottet als Spötter zu sein, besser Unbill zu erleiden als zuzufügen.« Benedikt (H.), Damals im alten Österreich, S. 170. 840 Hamann, Heinrich Benedikt, S. 11. 841 Paul Müller hatte ab Mai 1945 zunächst das Ordinariat für Geschichte der Neuzeit de facto suppliert und war im November 1946 zum außerordentlichen Professor ernannt worden. Glaubhaften Berichten zufolge hat sich der kleine und schmächtige Mann buchstäblich zu Tode gearbeitet. Nach dem Zeugnis Leo Santifallers ist er »an Überanstrengung gestorben«. Santifaller, [Selbstdarstellung], S. 184. – Müller, der 1934 als Privatdozent die Lehrbefugnis für Allgemeine Geschichte der Neuzeit erworben hatte, war 1940 wegen defätistischer und staats- bzw. preußenfeindlicher Äußerungen angezeigt, verhaftet und der Geheimen Staatspolizei übergeben worden, er überstand Krieg und Diktatur aber letztlich – abgesehen von zehntägiger Gestapo-Haft und einer Verwarnung durch den Dekan – unbeschadet, möglicherweise unter anderem deshalb, weil Heinrich von Srbik seine schützende Hand über seinen Schüler hielt. Kahlig, Paul Georg Müller, bes. S. 21–38; Müller (A.), Dynamische Adaptierung und »Selbstbehauptung«, S. 610. – H a u p t w e r k e v o n P a u l M ü l l e r : Ein Prediger wider die Zeit. Georg Scherer. Ein Beitrag zur Predigt und Polemik der österreichischen Gegenreformation (1933); Feldmarschall Fürst Windischgrätz. Revolution und Gegenrevolution in Österreich (1934). 842 H a u p t w e r k e v o n H e i n r i c h B e n e d i k t (in Auswahl): Franz Anton Graf von Sporck (1662–1738). Zur Kultur der Barockzeit in Böhmen (1923); Das Königreich Neapel unter Kaiser Karl VI. (1927); Monarchie der Gegensätze. Österreichs Weg durch die Neuzeit

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werk ist das 1927 erschienene 736-seitige Buch Das Königreich Neapel unter Kaiser Karl VI. Eine Darstellung auf Grund bisher unbekannter Dokumente aus österreichischen Archiven, das 1930 als Dissertation approbiert wurde. Das monumentale Werk »kann bis heute als das deutschsprachige Standard- und Referenzwerk für die Zeit der österreichischen Herrschaft in Neapel bezeichnet werden«.843

Abb. 62: Paul Müller (1895–1948). Fotografie.

Benedikt war ein polyglotter Weltbürger und ein glänzender Vortragender, der seine Vorlesungen mit Anekdoten zu würzen pflegte. Lotte Tobisch, deren Mutter mit 60 Jahren in dritter Ehe den damals bereits achtzigjährigen Heinrich (1947, 2. Aufl. 1968 unter dem Titel: Die Monarchie des Hauses Habsburg); Vom Inselstaat zum Weltreich. Geschichte Englands 1485–1815 (1950); Der Pascha-Graf Alexander von Bonneval 1675–1747 (1959); Kaiseradler über dem Apennin. Die Österreicher in Italien 1700 bis 1866 (1964); Als Belgien österreichisch war (1965). – Zur Habilitation des damals bereits 61-jährigen Heinrich Benedikt im Jahr 1947 siehe Müller (A.), Grenzziehungen in der Geschichtswissenschaft, S. 302f. 843 Wallnig, Die österreichischen Vizeköniginnen, S. 17.

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Abb. 63: Heinrich Benedikt (1886–1981). Fotografie.

Benedikt heiratete, hat ihn folgendermaßen charakterisiert: »Benedikt war nicht nur gescheit, sondern auch umwerfend charmant, witzig und elegant. Wie man auf Wienerisch sagt, ›eine Todsünd’ wert‹, auch noch mit neunzig.«844 In einem Alter, in dem andere in Pension gingen und gehen, sammelte Benedikt »begeisterte Hörerscharen um sich […]. Es schien, als hätte er ein Nachholbedürfnis an Mitteilsamkeit, als wollte er noch recht viel vom alten Europa und von seinem geliebten alten, großen Vaterland erzählen – wie immer : farbig, lebendig, abwechslungsreich, spannend, nun auch im Hörsaal. Er hatte ein Jahrzehnt lang akademische Erfolge, obwohl oder gerade weil er sich im Professorenkollegium zum allgemeinen Vergnügen stets als ein origineller Außenseiter fühlte und benahm […].«845

Die »Säuberung des Lehrkörpers« und die Restrukturierung des wissenschaftlichen Personals der österreichischen Universitäten und Hochschulen nach 1945 sind mit Begriffen wie »Restauration (der Katholisch-Konservativen)«, »res844 Tobisch, Langweilig war mir nie, S. 44. 845 Hamann, Heinrich Benedikt, S. 17f.

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taurative Erneuerung« und »Rückbruch« gekennzeichnet worden.846 Der Soziologe Christian Fleck hat treffend von einer »autochthonen Provinzialisierung« der Universitäten und Hochschulen in den ersten Jahren der Zweiten Republik gesprochen.847 »Zu keinem Zeitpunkt in der bisherigen Geschichte des österreichischen Hochschulwesens stand der Hochschulpolitik eine derartig große Chance zu einer grundlegenden Veränderung und Erneuerung offen. Sie wurde verspielt. […] Die Erneuerung des österreichischen Wissenschaftssystems scheiterte an der Innovationsfeindlichkeit, Trägheit und Klüngelhaftigkeit der Ministerialbürokratie, am Desinteresse der Parlamentarier und der politischen Parteien, die ÖVP ausgenommen, die zu dieser Zeit den Unterrichtsminister stellte und das gesamte Erziehungssystem als Domäne der Partei, des ihr nahestehenden [C]artellverbandes und der Katholischen Kirche betrachtete.«848

Eine wichtige Rolle spielte dabei – neben und in Kooperation mit Ludwig Adamovich (1890–1955), dem ersten Rektor der Universität Wien nach 1945, und Professor Richard Meister (1881–1964) – der für die Universitäten zuständige Sektionschef im Unterrichtsministerium Otto Skrbensky (1887–1952), ein ehemaliger Vertrauensmann und Funktionär des Dollfuß- bzw. SchuschniggRegimes (er war im Februar 1938 – damals war er Ministerialrat im Unterrichtsministerium – zum »Kommissar für die Aufrechterhaltung der Disziplin unter den Studierenden an den Hochschulen« ernannt worden).849

4.2. Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung und das Historische Seminar / Historische Institut / Institut für Geschichte (1945–1975) Der gebürtige Südtiroler Leo Santifaller (1890–1974), der – als Nachfolger des an die Universität Prag zurückgekehrten Heinz Zatschek850 – 1942 auf die Professur für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften nach Wien berufen worden war851, stieg 1945 zum einflussreichsten Historiker und zu 846 847 848 849

Heiss, Wendepunkt und Wiederaufbau, bes. S. 27–33. Fleck, Autochthone Provinzialisierung. Ebd., S. 75. Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen, S. 102, 138, 144f. und 151f.; Massiczek, Universität Wien März/April 1938, S. 220; Huber (Andreas), Die Hochschullehrerschaft der 1930er- und 1940er-Jahre, S. 683. – »Otto Skrbensky war ein wichtiger Mitverursacher der auf Eigenrekrutierung angewiesenen Provinzialisierung des österreichischen Hochschulwesens [der] 1940er und 1950er Jahre, die noch in die 1970er und 1980er Jahre nachwirkte […].« Pfefferle, Pfefferle, Otto Skrbensky. 850 Zu diesem siehe Hruza, Heinz Zatschek (2008), sowie Konrád, Deˇjepisectv&, germanistika a slavistika, S. 117–119, 262–269 und passim. 851 Von 1929 bis 1942 hatte Santifaller als ordentlicher Professor für Mittlere und Neuere

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einem der wichtigsten Wissenschaftsorganisatoren Österreichs auf852 : Er war nicht nur von 1945 bis 1962 Vorstand des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und seit 1945 geschäftsführender Direktor des Historischen Seminars der Universität Wien, sondern auch von 1945 bis 1956 Generaldirektor des neu geschaffenen Österreichischen Staatsarchivs853, von 1956 bis 1964 Wissenschaftlicher Direktor des Österreichischen Kulturinstituts in Rom, Obmann mehrerer Kommissionen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (mit der altehrwürdigen Historischen Kommission an der Spitze), Mitglied der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica und der – von Papst Pius XI. gestifteten – Pius-Stiftung für Papsturkunden- und mittelalterliche Geschichtsforschung sowie Präsident der Kommission für diplomatische Geschichte im Rahmen des Comit8 International des Sciences Historiques, und er begründete zwei heute noch bestehende Fachzeitschriften, nämlich 1948 die Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs und 1957 die Römischen Historischen Mitteilungen.854 Santifaller verkörperte »auf exemplarische Weise […] die historistisch-ereignisgeschichtlich fixierte, zugleich sozialkonservativ argumentierende österreichische Schule der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so wie sie sich in der Sickel-Nachfolge am Wiener Institut für österreichische Geschichtsforschung Geschichte an der Universität Breslau gewirkt. – Über eine Episode aus dem frühen beruflichen Werdegang Santifallers als Staatsarchivar in Bozen (1924) und als wissenschaftlicher Assistent und Mitarbeiter der Diplomata-Edition der Monumenta Germaniae Historica in Berlin (1927) berichtet Maleczek, Leo Santifaller. 852 »Wie Santifaller vom bestens völkisch-kollegial vernetzten Historiker vor 1945 zu einem Wissenschaftsorganisator großen Stiles nach 1945 wurde, der über ausgezeichnete politische Beziehungen verfügte, ist noch ein Forschungsdesiderat.« Holeschofsky, Leo Santifaller, S. 684. 853 Über die Entnazifizierung in den Wiener Zentralarchiven, die Gründung des Österreichischen Staatsarchivs 1945 und die »Ära Santifaller« informiert konzise, pointiert und kenntnisreich Hochedlinger, Österreichische Archivgeschichte, S. 236–252. 854 Obermair, Willfährige Wissenschaft; ders., Leo Santifaller ; Müller (A.), Alte Herren / Alte Meister, S. 131. – H a u p t w e r k e L e o S a n t i f a l l e r s : Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung (1924); Die Urkunden der Brixner Hochstiftsarchive 845–1336, 2 Bde. (1929 und 1941–1943); Bozner Schreibschriften der Neuzeit, 1500– 1851 (1930); Urkundenforschung. Methoden, Ziele, Ergebnisse (1937, 41986); Beiträge zur Geschichte des Lateinischen Patriarchats von Konstantinopel, 1204–1261, und der venezianischen Urkunde (1938); Saggio di un elenco dei funzionari, impiegati e scrittori della Cancellaria Pontificia dall’inizio all’anno 1099, 2 Bde. (1940); Urkunden zur Geschichte des Trienter Domkapitels 1147–1500 (1948); Beiträge zur Geschichte der Beschreibstoffe im Mittelalter. Mit besonderer Berücksichtigung der päpstlichen Kanzlei (1953); Quellen und Forschungen zum Urkunden- und Kanzleiwesen Papst Gregors VII. (1957); Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems (1954, 21964); Liber Diurnus. Studien und Forschungen, hrsg. von Harald Zimmermann (1976); Das Trienter Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung im späten Mittelalter. Aus dem Nachlass hrsg. von Klaus Brandstätter (2000).

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Abb. 64: Leo Santifaller (Mitte) mit Mitgliedern des 47. (1953–1956) »Kurses« des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (von links nach rechts: Kurt Peball, Otto Rommel, Herta Eberstaller und Friederike Grill). Fotografie, Photo Winkler, Wien, 1954.

ausbildete und bis weit in die Gegenwart hinein selbst reproduzierte«.855 Am Beginn seiner höchst erfolgreichen Laufbahn war »sein fulminantes Erstlingswerk von 1924« gestanden, die Druckfassung seiner voluminösen Dissertation über das Domkapitel von Brixen von der Jahrtausendwende bis 1500, mit der er »ein wegweisendes und vielbeachtetes Muster künftiger Arbeiten über Personennetzwerke der Reichskirche entwarf«.856 »Auf diese innovativen Ansätze ist Santifaller selbst [allerdings] nicht mehr intensiv zurückgekommen.«857 Er beschränkte sich vielmehr künftig weitgehend auf das Edieren von Urkunden und anderen Quellen.858 Heinrich Fichtenau (1912–2000) hatte laut eigener Aussage auf nachdrück-

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Obermair, Willfährige Wissenschaft, S. 394f., wortident mit ders., Leo Santifaller, S. 600. Obermair, Leo Santifaller, S. 606. Ebd., S. 607. Vgl. auch die folgenden Bemerkungen Friedrich Engel-Janosis, der 1959 aus dem Exil in den USA an die Universität Wien zurückkehrte, in seinen Lebenserinnerungen: »Unter dem Einfluß des Positivismus des 19. Jahrhunderts, der in Wien im Institut für österreichische Geschichtsforschung mit viel Einfluß gepflegt wurde, wurde Archiv-Lesen und QuellenEdieren um 1950 als die eigenste Aufgabe des Historikers angesehen; gelegentlich schien es, als ob dem Lesen ein Vorzug vor dem Denken eingeräumt würde. Man ließ sich die Probleme [heute würden wir sagen: die Fragestellungen; Th.W.] von den Dokumenten diktieren, anstatt von den Problemen her die Dokumente scharf zu befragen.« Engel-Janosi, … aber ein stolzer Bettler, S. 253f.

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lichen Rat seines Lehrers Hans Hirsch859 1938 um Aufnahme in die NSDAP angesucht, sein Ansuchen war aber »zurückgestellt« und von ihm nie erneuert worden. Er wurde von der Sonderkommission für Dozenten, Assistenten und wissenschaftliche Hilfskräfte der philosophischen und juridischen Fakultät bereits im Dezember 1945 positiv beurteilt. Er legte der Kommission das Original eines Schreibens des Dozenten Walter Wache, eines Nationalsozialisten und SS-Mitglieds, an Hans Hirsch vom 30. April 1938 vor, in dem Wache seinem Lehrer offenbar nahegelegt hatte, Fichtenau zu entlassen oder ihn wenigstens »kalt zu stellen«.860 Zwischen 1938 und 1945 »rassisch« und politisch verfolgte Persönlichkeiten sowie keiner nationalsozialistischen Neigungen verdächtige Historikerkollegen bescheinigten Fichtenau zwischen Juli und September 1945 schriftlich eine antifaschistische und antirassistische, den Nationalsozialismus ablehnende »österreichische« Einstellung sowie dass er sie seit 1938 moralisch und finanziell unterstützt habe.861 Fichtenaus um vier Jahre jüngerer Kollege Erich Zöllner bestätigte am 3. Juli 1945: »Herr Univ.-Dozent Dr. Heinrich Fichtenau ist mir seit Beginn meiner Studien am Österreichischen Institut für Geschichtsforschung im Jahre 1936 persönlich bekannt. Ich habe ihn seither stets als entschiedenen, aufrechten und volksbewussten Österreicher schätzen gelernt. Mir gegenüber hat Dozent Fichtenau insbesondere seit März 1938, in voller Kenntnis meiner Abstammung – ich galt nach den Bestimmungen der Nürnberger Rassengesetze als Mischling ersten Grades – eine unverändert wohlwollende, jederzeit hilfsbereite Haltung eingenommen. Darüber hinaus hat er die jüdische Familie David und Amalie Oppenheim […] bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst tatkräftigst unterstützt.«862

Fichtenau, der sich 1942 für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften habilitiert hatte, erhielt aufgrund eines Erkenntnisses der gemäß Paragraph 7 des »Verbotsgesetzes« beim Unterrichtsministerium eingerichteten Überprüfungskommission vom 28. Juli 1947 durch Bescheid des Ministeriums vom 20. Februar 1948 seine Lehrbefugnis zurück.863 1950 wurde er zum außerordentlichen Professor für die Geschichte des Mittelalters und 1962 zum or859 Hirsch hat offenbar selbst nach dem »Anschluss« einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP gestellt und dürfte nur aufgrund seines plötzlichen Todes nicht NSDAP-Mitglied geworden sein. Näheres bei Zajic, Hans Hirsch, S. 392–403. 860 Zum Hirsch-Schüler und -Proteg8 Walter Wache (1908–1951) siehe Zajic, Hans Hirsch, S. 340–347 und passim, sowie Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 99–101 u. ö. 861 Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive, S. 191f.; jetzt v. a. Winkelbauer, Heinrich Fichtenau, hier S. 311–313. 862 Hier zitiert nach der Abschrift im Archiv des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Korrespondenz Heinrich Fichtenau. Zum Ehepaar Oppenheim vgl. Massiczek, Ich habe nur meine Pflicht erfüllt, S. 116f. und passim. 863 Ausfertigungen des Erkenntnisses und des Bescheids ebd.

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Abb. 65: Heinrich Fichtenau (1912–2000). Fotografie, Foto Zahradnik, Wien, 1960er Jahre.

dentlichen Professor für die Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften ernannt. Im selben Jahr folgte er – gegen dessen Willen – Leo Santifaller als Vorstand des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung nach und leitete das Institut bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1983.864 Fichtenau hat eine Reihe von bedeutenden Büchern sowohl zur Geschichte des Mittelalters als auch zu den historischen Hilfswissenschaften Paläographie und Diplomatik verfasst. Mehrere seiner Werke wurden ins Englische übersetzt865, 864 Winkelbauer, Heinrich Fichtenau, passim; Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Archiv der Republik, Unterricht, Personalakt 803: Heinrich Fichtenau, 2 Teile (1936–1949 und 1950– [1989]); Archiv der Universität Wien, Personalakten der Philosophischen Fakultät, PA 3858: Heinrich Fichtenau. 865 H a u p t w e r k e H e i n r i c h F i c h t e n a u s : Mensch und Schrift im Mittelalter (1946); Das karolingische Imperium. Soziale und geistige Problematik eines Großreiches (1949; engl. 1957); Arenga. Spätantike und Mittelalter im Spiegel von Urkundenformeln (1957); Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert (1971); Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts. Studien über Denkart und Existenz im einstigen Karo-

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darunter auch die Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts, »die zum Kultbuch der modernen Mediävistik der angelsächsischen Welt geworden sind«.866 In seinem zu Recht als »bahnbrechend«867 bezeichneten Werk über die Arengen in mittelalterlichen Urkunden gelang Fichtenau der Brückenschlag zwischen der Hilfswissenschaft der Diplomatik bzw. Urkundenlehre auf der einen und der Geistes- und Ideengeschichte auf der anderen Seite. Fichtenaus Schüler Herwig Wolfram (geb. 1934), der sich 1966 für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften habilitierte, wirkte seit 1969 als außerordentlicher Professor und seit 1971 (bis zu seiner Emeritierung 2002) als – neben Fichtenau und Heinrich Appelt – dritter Ordinarius für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien und im Institut für Österreichische Geschichtsforschung, das er von 1983 bis 2002 als Nachfolger Fichtenaus leitete. Wolfram begründete nicht nur die international renommierte, mit dem historiographischen Konzept der »Ethnogenese« arbeitende »Wiener Schule der Frühmittelalterforschung«868, sondern er ist auch Initiator, Herausgeber und Mitautor der 15-bändigen Österreichischen Geschichte, die zwischen 1994 und 2006 im Verlag Ueberreuter erschienen ist.869 Heinrich Appelt (1910–1998), ein Schüler von Hans Hirsch, war 1943 als

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lingerreich (1984, Taschenbuchausgabe 1992, engl. 1991); Ketzer und Professoren. Häresie und Vernunftglaube im Hochmittelalter (1992, engl. 1998). Johanek, Die Erudition und die Folgen, S. 267. – Als Beispiel für Fichtenaus quellennahe Argumentation und skeptische Offenheit gegenüber Modebegriffen sei ein Absatz aus der Einleitung zu Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts zitiert: »Letztlich ist alle Geschichte zugleich Geschichte von Mentalitäten. Was dieses Wort betrifft, sollte es nicht ›zerredet‹ werden. Es wurde in diesem Buch ebenso wenig wie andere Wörter verwendet, die kaum zu definieren und in Gefahr sind, zu Schlagworten zu werden [in einer Fußnote nennt Fichtenau als Beispiel das Wort ›Struktur‹; Th.W]. Schade wäre es auch, wenn Mentalitätenforschung allzu abstrakt betrieben würde und damit in den Fehler der ›Geistesgeschichte‹ von einst verfiele. Mit Recht hat man [zitiert wird Georges Duby, Hommes et structures, 1973; Th.W.] davor gewarnt, die enge Verbindung mentaler und realer Erscheinungen zu vergessen.« Fichtenau, Lebensordnungen, S. 3. Höflechner, Forschungsorganisation und Methoden der Geschichtswissenschaft, S. 235. Zu dieser »Wiener Schule« und ihren Hauptvertretern Herwig Wolfram (geb. 1934), Walter Pohl (geb. 1953) und Helmut Reimitz (geb. 1965) sowie deren Vorläufer Erich Zöllner (1916–1996) siehe jetzt insbesondere Geary, Austria. H a u p t w e r k e H e r w i g Wo l f r a m s : Intitulatio I. Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts (1967); Geschichte der Goten (1979, 52009: Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, ital. 1985, engl. 1988, franz. 1990, russ. 2003); Die Geburt Mitteleuropas. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung 378–907 (1987); Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter (1990, 21992); Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung (1995, 22003); Die Germanen (1995, 92009, poln. 1996, japan., italien. 2005); Salzburg, Bayern, Österreich. Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und die Quellen ihrer Zeit (1995, 32013); The Roman Empire and its Germanic Peoples (1997); Konrad II. 990–1039 (2000, 22016, engl. 2006); Gotische Studien. Herrschaft und Volk im Frühmittelalter (2005); Tassilo III. Höchster Fürst und niedrigster Mönch (2016).

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Abb. 66: Herwig Wolfram (geb. 1934). Fotografie, 1965.

außerordentlicher Professor in der Nachfolge Santifallers an die Universität Breslau berufen worden und wirkte ab 1946 zunächst als außerordentlicher und seit 1959 als ordentlicher Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Graz. 1963 folgte er einem Ruf auf eine gleichnamige Professur an die Universität Wien. Damit gab es an der Universität Wien und am Institut für Österreichische Geschichtsforschung wieder z w e i Ordinariate für Geschichte des Mittelalters u n d Historische Hilfswissenschaften – wie bereits von 1896 bis 1929 (1896–1903 Engelbert Mühlbacher und Oswald Redlich, 1904–1926 Emil von Ottenthal und Redlich, 1926–1929 Hans Hirsch und Redlich).870 Appelt war vor allem Diplomatiker und 870 Je einen Ordinarius und Extraordinarius mit dieser Denomination hatte es schon von 1881 bis 1891 (Theodor von Sickel und Mühlbacher) sowie von 1893 bis 1897 (Mühlbacher und Redlich) gegeben. – »Ohne Präzedenzfall in der Geschichte des Instituts«, so Heinrich Fichtenau 1962, »war dagegen der von 1950 bis jetzt bestehende Zustand, daß neben einem Ordinarius für beide Fächer (Santifaller) ein Extraordinarius für Geschichte des Mittelalters allein (Fichtenau) stand.« Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Archiv der Republik, Unterricht, Personalakt 803: Heinrich Fichtenau, 2. Teil, Heinrich Fichtenau an Sektionschef Otto

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Abb. 67: Heinrich Appelt (1910–1998). Fotografie, Foto Kob8, Wien, 1970.

Urkundeneditor. Als sein Hauptwerk gilt zu Recht die 1956 zur Bearbeitung übernommene, in fünf Foliobänden erschienene Edition der Urkunden Kaiser Friedrich Barbarossas für die Monumenta Germaniae Historica (1975–1990).871 Als Nachfolger Srbiks wurde 1946 der ebenfalls – in einer katholisch-konSkrbensky, Wien, 14. April 1962. Diese Behauptung Fichtenaus ist insofern unrichtig, als von 1929/30 bis 1940 Hans Hirsch der einzige Ordinarius für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften war, dem von 1930 bis 1940 Otto Brunner als Extraordinarius für Geschichte des Mittelalters und Österreichische Geschichte zur Seite stand. Von 1941 bis 1942 war Heinz Zatschek der einzige ordentliche Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften, von 1943 bis 1962 dessen Nachfolger Leo Santifaller. 871 Zur Übernahme der Edition der Stauferurkunden durch das Institut für Österreichische Geschichtsforschung im Jahr 1904 siehe Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition, S. 416– 421, zur Edition der Barbarossa-Diplome ebd., S. 458–467, sowie Appelt, [Autobiographie], S. 16–22. – H a u p t w e r k e H e i n r i c h Ap p e l t s (abgesehen von Urkundeneditionen): Die Urkundenfälschungen des Klosters Trebnitz (1940); Regesta Imperii 3/1: Die Regesten des Kaiserreiches unter Konrad II., 1024–1039, nach J. F. Böhmer neubearb. unter Mitwirkung von N. v. Bischoff von H. Appelt (1951); Privilegium minus. Das staufische Kaisertum und die Babenberger in Österreich (1973, 21976); Kaisertum, Königtum, Landesherrschaft. Gesammelte Studien zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte (1988).

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servativen Variante – »gesamtdeutsch« orientierte Melker Benediktinerpater Hugo Hantsch (1895–1972), ein »volkstumsbewusste[r], föderalistische[r] Großösterreicher«872, auf die Professur für Allgemeine Geschichte der Neuzeit berufen.873 Hantsch war 1938 als prononcierter Anhänger des klerikal-autoritären »Ständestaats« bzw. der Kanzlerdiktatur von Kurt Schuschnigg (er war seit September 1934 ehrenamtlicher Leiter der Arbeitsgemeinschaft für das Auslandsdeutschtum im Kulturamt der Vaterländischen Front in Wien gewesen)874 von seiner Grazer Professur für Österreichische Geschichte entlassen und elf Monate lang im Konzentrationslager Buchenwald interniert worden. Hantschs bekanntestes Werk ist Die Geschichte Österreichs, deren zweiter und letzter Band in erster Auflage 1950 erschienen ist und bezeichnenderweise mit dem Jahr 1918 abbricht. Auch der geplante, aber nie zustande gekommene dritte Band sollte ursprünglich nicht der Geschichte der Ersten Republik oder gar der NS-Zeit gewidmet sein, sondern »einige Exkurse und wissenschaftliche Detailfragen sowie die wirtschaftliche und allgemein kulturelle Entwicklung ÖsterreichUngarns enthalten«.875 Das gewaltige, derzeit vor dem Abschluss stehende Forschungs- und Publikationsprojekt Die Habsburgermonarchie 1848–1918, dessen erster, dem Andenken des im Vorjahr verstorbenen Hugo Hantsch gewidmeter Band 1973 erschienen ist, verdankt sich der Initiative und den 1952 einsetzen-

872 Holeschofsky, Eigene Wege, S. 177. 873 Zur Kritik an der »gesamtdeutschen« Geschichtsauffassung am Beginn der Zweiten Republik im Allgemeinen und an Hugo Hantsch im Speziellen siehe etwa Gerbel, Zur »gesamtdeutschen« Geschichtsauffassung, S. 96–98 und 99–102. 874 »Hantsch befürwortete den autoritären Kurs von Kanzler Engelbert Dollfuß, und so trägt dessen nach 1945 entstandenes [und 1962 im Druck erschienenes; Th.W.] Porträt auch apologetische Züge.« Holeschofsky, Hugo Hantsch (2012), S. 478. Zu Hantschs Engagement im Dienste der Vaterländischen Front und der Regierungsdiktatur von Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg zwischen 1933/34 und 1938 siehe auch Tölg, Ideologie und Politik, S. 30–77, sowie die – Tölg und Holeschofsky noch nicht bekannten, aber gegenüber dem von Tölg ausgewerteten Bestand »Vaterländische Front« im Österreichischen Staatsarchiv, Abt. Archiv der Republik, Bestandsgruppe Bundeskanzleramt, nur wenig Unbekanntes enthaltenden – Mappen »Amtswalter-Kurse der V(aterländischen) F(ront) nach Entwürfen v. H. Dozent Dr. Hantsch« und »Ueber den Kulturrat der VF / v. Dr. Hantsch« im Archiv der Universität Wien, Institut für Geschichte, Karton 15. 875 Hantsch, Geschichte Österreichs, Bd. 2, S. 567 (Nachwort). Auf der »Expertentagung« im Dezember 1960 in Reichenau an der Rax (siehe unten Anm. 1040) gab Hantsch allerdings bekannt, dass er gerade »im Begriffe« sei, den dritten Band seiner Geschichte Österreichs »zu schreiben, der die Zeit von 1918 und weiter umfassen soll«. Kolbakek (Hrsg.), Zeitgeschichte im Geschichtsunterricht, S. 113. – Weitere H a u p t w e r k e Hu g o H a n t s c h s : Der deutsche Bauernkrieg (1925); Jakob Prandtauer. Der Klosterarchitekt des österreichischen Barock (1926); Die Entwicklung Österreich-Ungarns zur Großmacht (1933); Die Geschichte Österreichs, 2 Bde. (1937 und 1950); Die Nationalitätenfrage im alten Österreich (1953); Leopold Graf Berchtold. Grandseigneur und Staatsmann, 2 Bde. (1963). – Vgl. Holeschofsky, Hugo Hantsch (2014); kompakter : ders., Hugo Hantsch (2012).

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Abb. 68: Hugo Hantsch (1895–1972). Fotografie, Photo-Studio Fayer, Wien.

den Bemühungen Hantschs.876 Fritz Fellner, der spätere Gründungsvorstand des Instituts für Geschichte der 1963 (wieder)gegründeten Universität Salzburg, hat seinen Doktorvater folgendermaßen charakterisiert: »Hantsch war – aus seiner gefestigten [römisch-katholischen] Religiosität heraus – tolerant gegenüber jeder anderen Weltanschauung oder auch wissenschaftlichen Auffassung. […] Und er hat in seiner Personalpolitik immer nur nach fachlicher Qualifikation und nie nach weltanschaulichen oder anderen Verbindungen entschieden – er hat zuerst 1950 den Protestanten Günther Hamann, dann 1954 zusätzlich mich, der aus seiner kirchenfreien sozialliberalen Gesinnung nie ein Hehl gemacht hatte, dann den Sozialisten Karl Selber und erst 1963 […] einen C.V.er [sc. Helmut Rumpler; Th.W.] als Assistenten genommen.«877 876 Siehe Stickler, Habsburgermonarchie, S. 699–708, und die dort zitierte Literatur. 877 Fellner (F.), Geschichtsstudium in Kriegs- und Nachkriegsjahren, S. 66. Vgl. ausführlicher ders., Hugo Hantsch. – Hantsch selbst war Mitglied der Wiener CV-Verbindung Nordgau. Holeschofsky, Hugo Hantsch (2014), S. 81. – Hantschs Biograph Johannes Holeschofsky hat ihn zusammenfassend als »legitimistische[n], ›föderalistische[n]‹ Verfechter einer gegen den damaligen geschichtswissenschaftlichen Mainstream argumentierenden großösterreichischen Historiografie« charakterisiert. Holeschofsky, Hugo Hantsch (2012), S. 488.

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Der einer altösterreichischen Offiziers-, Lehrer- und Beamtenfamilie entstammende Alphons Lhotsky (1903–1968), seit 1937 Kustos im Kunsthistorischen Museum und Autor einer monumentalen Geschichte der habsburgischen Sammlungen (vom mittelalterlichen Schatz bis zum modernen Museum), »ein leidenschaftlicher Österreich-Patriot, dabei im Grunde kein Freund der ›politischen Geschichte‹«878, wurde 1946 zum außerordentlichen und 1951 zum ordentlichen Professor für Österreichische Geschichte ernannt. Er hat in seinem staunenswert umfangreichen und vielseitigen, ungeheuer kenntnisreichen und anregenden Œuvre in fruchtbarer Weise Methoden und Fragestellungen der Kulturgeschichte, der Wissenschaftsgeschichte, der Kunstgeschichte und der Quellenkunde Österreichs miteinander verbunden.879 Als seinen wichtigsten akademischen Lehrer betrachtete er zeitlebens Oswald Redlich, von dessen Vorlesungen er ganz besonders jene über die »Quellenkunde zur Kulturgeschichte« bzw. »Quellen zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Neueren Zeit«, die Redlich zum ersten Mal 1894/95 hielt880, schätzte.881 1967, ein Jahr vor seinem Tod, legte Lhotsky eine mustergültige Edition der Österreichischen Chronik (Cronica Austrie) Thomas Ebendorfers vor ; »ein Jahrzehnt zuvor war die ursprünglich als Einleitung zu dieser Edition gedachte […] präzise und informative Biographie Ebendorfers erschienen«.882 Lhotsky widmete sein Leben vollständig der Wissenschaft: »Für ihn gab es keine Feiertage: Er gönnte anderen ihr Sonntagsvergnügen, […] wünschte davon aber nichts zu sehen und ungestört zu arbeiten. Gleichmaß, ja Einförmigkeit des äußeren Tagesablaufes schien ihm unentbehrlich, um geistige Leistungen von Rang zu vollbringen. […] Mochten andere und gelegentlich auch er selbst seine Einstellung als überspitzt empfinden, er war vollkommen davon überzeugt, daß

878 Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 327. 879 Zur Vorgeschichte und zu den Umständen der Berufung Lhotskys an die Universität Wien siehe Mikoletzky, Ein »Gelehrter« wird »Lehrender«. Vgl. auch Zöllner, Alphons Lhotsky ; ders., Zur Wissenschaftsauffassung Alphons Lhotskys; Wagner (H.), Einleitung. – H a u p t w e r k e A l p h o n s L h o t s k y s : Die Geschichte der Sammlungen. Festschrift des Kunsthistorischen Museums in Wien zur Feier des fünfzigjährigen Bestandes 1891–1941, Teil 2, 2 Bde. (1941–1945); Geschichte des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 1854–1954 (1954); Thomas Ebendorfer. Ein österreichischer Geschichtsschreiber, Theologe und Diplomat des 15. Jahrhunderts (1957); Privilegium maius. Die Geschichte einer Urkunde (1957); Österreichische Historiographie (1962); Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs (1963); Die Wiener Artistenfakultät 1365–1497 (1965); Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, 1281–1358 (1967); Das Zeitalter des Hauses Österreich. Die ersten Jahre der Regierung Ferdinands I. in Österreich (1520–1527) (1971); Aufsätze und Vorträge, hrsg. von Hans Wagner und Heinrich Koller, 5 Bde. (1970–1976). 880 Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 217. 881 Zöllner, Zur Wissenschaftsauffassung Alphons Lhotskys, S. 545. 882 Zöllner, Alphons Lhotsky, S. 152.

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Abb. 69: Alphons Lhotsky (1903–1968). Fotografie.

sie für ihn eine unabdingbare Voraussetzung erfolgreicher wissenschaftlicher Arbeit bildete.«883

Lhotsky war wohl der unermüdlichste Forscher und Quelleneditor unter den österreichischen Historikern des 20. Jahrhunderts. Die universitäre Lehre scheint er vor allem als lästige Pflicht betrachtet zu haben. In einem 1964, vier Jahre vor seinem Tod, im Rahmen des Österreichischen Volksbildungswerkes in Rif bei Salzburg gehaltenen Vortrag hat er das folgende resignierte Lebensresümee gezogen: »Ich stehe nicht an, offen zu bekennen, daß das Ausscheiden aus dem Kustodenberufe das zentrale Unglück meines kleinen Daseins war, und daß ich seither in dem von vielen – mir unverständlicherweise – so heiß ersehnten akademischen Lehramte nicht einen einzigen Augenblick jenes intellektuellen Glücksgefühles erlebte, das mir dort in so reichem Maße beschieden war.«884 883 Zöllner, Zur Wissenschaftsauffassung Alphons Lhotskys, S. 536. 884 Lhotsky, Die Rolle des Historikers, S. 300. Vgl. auch Lhotskys 1962 geäußerte Kritik an den Studenten (und Studentinnen) seiner Zeit: »Es ist kein Geheimnis, daß die Universität von heute, der seit der Thunschen Reform Lehre u n d Forschung aufgebürdet sind, sehr wahrnehmbar darunter leidet, daß sie sich zum ganz überwiegenden Teile der Ausbildung

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Abb. 70: Erich Zöllner (1916–1996). Fotografie, Photo Simonis, Wien, 1982.

Erich Zöllner (1916–1996), von dem das zitierte Zeugnis über Lhotskys Arbeitsethos und Arbeitsstil stammt, wurde 1945 Assistent am Institut für Österreichische Geschichtsforschung; »den ersten Antrag dazu stellte noch Otto Brunner am 8. Mai 1945, der ihn während des Krieges aufgrund der NS-Rassengesetze885 nur persönlich [als Bearbeiter des Burgenländischen Urkundenbuches; Th.W.] beschäftigen hatte können«, bevor er (Brunner) im August 1945 »enthoben« und nach längerem Tauziehen mit 1. Oktober 1948 (erst 50-jährig) solcher Studenten zu widmen hat, denen es gar nicht um die Wissenschaft als solche zu tun ist, sondern bloß um die handwerkliche Verwertung ihrer Ergebnisse zum Zwecke des Broterwerbes […].« ders., Das Ende des Josephinismus, S. 280. 885 In der rassistischen Terminologie der »Nürnberger Gesetze« von 1935 galt Erich Zöllner als »Mischling ersten Grades« vulgo »Halbjude«. – »Otto Brunner ist es zu verdanken, daß Zöllner den Krieg unbeschadet überstanden hat«; Zöllners Mutter konnte angeblich »dank der Verbindungen zu höheren nationalsozialistischen Funktionären vor dem Abtransport ins KZ gerettet werden«. Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 370. Vgl. auch Massiczek, Universität Wien März/April 1938, S. 226; ders., Ich habe nur meine Pflicht erfüllt, S. 37; Winkelbauer, Erich Zöllner, S. 133–135.

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zwangspensioniert wurde.886 Mit seinem 1950 erschienenen Buch Die politische Stellung der Völker im Frankenreich wurde Erich Zöllner zu einem Pionier der Frühmittelalterforschung in Wien.887 Aus den Überblicksvorlesungen zur Österreichischen Geschichte, die Zöllner ab dem Wintersemester 1947/48 sowohl an der Universität Wien als auch an der Akademie der bildenden Künste hielt, ging sein bekanntes und seinerzeit viel gelesenes, 1961 in erster und 1990 in achter Auflage erschienenes Lehrbuch Geschichte Österreichs. Von den Anfängen bis zur Gegenwart hervor, »[e]ine sachliche, pathoslose, von Tatsachen überquellende Darstellung, ein wertvolles Handbuch«.888 1962 wurde Zöllner auf die neu geschaffene zweite ordentliche Professur für Österreichische Geschichte (zunächst mit dem Zusatz: »mit besonderer Berücksichtigung der Neuzeit und der historischen Hilfswissenschaften«) berufen.889 Nachfolger Alphons Lhotskys und damit neuer Inhaber der anderen Professur für Österreichische Geschichte wurde der aus Köln berufene Adam Wandruszka (1914–1997), ein Srbik-Schüler und ehemaliger (seit 1933) SAMann, der im März 1938 den Historiker Arnold Winkler (1882–1969), seit 1928 außerordentlicher Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Wiener Hochschule für Welthandel, in seiner Wohnung verhaftet, die Wohnung durchsucht und seine Tagebücher beschlagnahmt hatte.890 Wandruszka hatte sich 1955 in Wien für Geschichte der Neuzeit habilitiert und war 1959 auf den Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Köln berufen worden. In seiner Wiener Antrittsvorlesung nannte Wandruszka im November 1969 als eine der »bleibenden Aufgaben« der österreichischen Geschichtswissenschaft »die Problematik des Übergangs von der Monarchie zur Republik […], das Problem der Kontinuität, der institutionellen und strukturellen historischen Wurzeln unserer gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Zustände«.891 Nach dem Zeugnis Fritz Fellners zählte Wandruszka »zu den we886 Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive, S. 190f. und 200. 887 Pohl, Erich Zöllner als Pionier der Frühmittelalterforschung. 888 Hanisch, Der Beginn des Nationalstaatsparadigmas, S. 303. – Erich Zöllners Geschichte Österreichs wurde bereits 1966 ins Französische, später auch ins Chinesische (1981), Rumänische (1997), Kroatische (1997), Ungarische (1998), Japanische (2000) und Ukrainische (2001) übersetzt. Zum historiographiegeschichtlichen Kontext und zur zeitgenössischen Rezeption des Werks siehe Heiss, Die Diskussion um eine neue Geschichte Österreichs, und Winkelbauer, Erich Zöllner, S. 138–140. – Weitere H a u p t w e r k e E r i c h Z ö l l n e r s : Die politische Stellung der Völker im Frankenreich (1950); Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts (1970); Probleme und Aufgaben der österreichischen Geschichtsforschung. Ausgewählte Aufsätze (1984); Der Österreichbegriff. Formen und Wandlungen in der Geschichte (1988). 889 Winkelbauer, Erich Zöllner, und Zöllner, [Autobiographie]. 890 Wandruszka, Vergiftete Atmosphäre; Berger, Die Wiener Hochschule für Welthandel, S. 169f. 891 Wandruszka, Zur Problematik der österreichischen Geschichte, S. 483.

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Abb. 71: Adam Wandruszka (1914–1997). Fotografie.

nigen Österreichern, die nach 1945 ihre Vergangenheit nicht beschönigt oder gar verleugnet haben, sondern offen zugaben, daß sie Nationalsozialisten waren«.892 Michael Hochedlinger hat ihn, was seiner Wiener Zeit ab 1969 betrifft, recht treffend als »Geistes- und Kulturhistoriker alten Stils mit gefährlicher Nähe zum Habsburg-Feuilleton« charakterisiert.893 Am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, wie es seit 1945 wieder 892 Fellner (F.), Adam Wandruszka, S. 376. Vgl. das Interview, das Wandruszka 1988, vier Jahre nach seiner Emeritierung, der Wiener Stadtzeitung Falter gab (Wandruszka, Vergiftete Atmosphäre), die Leserbriefe Wandruszkas und Mario Wunderls in den Nummern 15/1988 und 17/1988 des Falter, jeweils S. 2, sowie Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 349–351. – Als H a u p t w e r k A d a m Wa n d r u s z k a s gilt zu Recht: Leopold II. Erzherzog von Österreich, Großherzog von Toskana, König von Ungarn und Böhmen, Römischer Kaiser, 2 Bde. (1963–1965). Am weitesten verbreitet ist seine auch ins Englische, Italienische und Japanische übersetzte Überblicksdarstellung: Das Haus Habsburg. Die Geschichte einer europäischen Dynastie (1956, 81995). Seinerzeit sehr anregend und viel diskutiert war Wandruszkas Beitrag zu der von Heinrich Benedikt herausgegebenen Geschichte der Ersten Republik: Österreichs politische Struktur. Die Entwicklung der Parteien und politischen Bewegungen. In: Heinrich Benedikt (Hrsg.), Geschichte der Republik Österreich (Wien 1954), S. 289–485. 893 Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 320.

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heißt, wurde unter dem neuen Vorstand Leo Santifaller »in der bisherigen Tradition weitergearbeitet«. Die Schwerpunkte in den historischen Hilfswissenschaften, der Quellenedition und der Mittelalterforschung sowie die intensive Mitarbeit an Editionsprojekten der (aus Berlin nach München übersiedelten) Monumenta Germaniae Historica wurden beibehalten, die regionalen – nun nicht mehr »südostdeutschen«, sondern wieder »österreichischen« – Editionsprojekte (Babenberger-Urkundenbuch, Urkundenbuch des Burgenlandes, Matrikel der Universität Wien) wurden fortgesetzt.894 Daneben initiierte Santifaller auch die Bearbeitung und Edition der Kanzleiregister Papst Innocenz’ III., ein bis zum heutigen Tag am Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Kooperation mit dem Österreichischen Historischen Institut in Rom erfolgreich betriebenes Großprojekt der historischen Grundlagenforschung.895 Santifaller selbst hat sich 1951 in einer Selbstdarstellung zu der »Überzeugung« bekannt, »daß es für uns Historiker die erste, vornehmste und dringlichste Pflicht und Aufgabe ist, die Geschichtsquellen, insbesondere die exaktesten unter ihnen, die Urkunden, zu sammeln, kritisch zu untersuchen und zu veröffentlichen, d. h. also herauszugeben«.896 Er strebte nach eigenem Bekunden danach, »die Geschichtswissenschaft als eine hervorragend exakte Wissenschaft zu erweisen und ferner eine klare und scharfe Unterscheidung zwischen der Geschichtsforschung als exakter Wissenschaft und der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung als auf exakter Grundlage beruhender literarischen Kunst durchzuführen – ohne indessen den hohen Wert und die Notwendigkeit dieser in Frage zu stellen«.897 Diese Grundsätze hat Santifaller auch seinen Schülern zu vermitteln versucht. Heimito von Doderer (siehe Kapitel 3.3) hielt 1961 in einem Brief an seinen ehemaligen (in den Jahren 1948 bis 1950) Lehrer Leo Santifaller898 dessen »Position« fest, die für ihn, Doderer, »stets fruchtbar« geworden sei, die »Position«, die Santifaller allen seinen Schülern vermittelt habe, »zu wissen nämlich, dass sich Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in verschiedenen Kategorien bewegen, und dass nur die erste den Anspruch erheben kann, eine empi894 895 896 897 898

Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive, S. 203f. Vgl. Hageneder, Sommerlechner, Edition der Kanzleiregister. Santifaller, [Selbstdarstellung], S. 178. Ebd., S. 180. Doderer schrieb seine Institutsarbeit bemerkenswerter Weise nicht, was in Anbetracht seiner 1925 approbierten Dissertation naheliegend gewesen wäre (vgl. oben S. 196f.), über eine spätmittelalterliche historiographische Quelle bei seinem seinerzeitigen kurzfristigen Kurskollegen des Jahres 1923 und nunmehrigen Professor für Österreichische Geschichte Alphons Lhotsky, sondern über Die Abtwahlformel in den Herrscherurkunden bis zum 10. Jahrhundert bei Leo Santifaller. In seiner 1954, also drei Jahre nach der Strudlhofstiege, erschienenen Institutsgeschichte bemerkte Lhotsky zu Doderer nur lakonisch: »er ist ein bekannter Romanschriftsteller.« Lhotsky, Geschichte des Instituts, S. 370.

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rische Wissenschaft zu sein, während die zweite zur Kunstübung gehört«.899 Im Oktober 1948, unmittelbar nach der Wiederaufnahme seiner Studien am Institut für Geschichtsforschung, hatte Doderer seinem Tagebuch anvertraut: »[…] an dem, was man seit dem 19. Jahrhundert Wissenschaft nennt und was man heute noch am Institut für österreichische Geschichtsforschung darunter versteht, liegt mir wenig.«900 Und am 3. März 1951, nicht einmal ein Jahr nach der Absolvierung des Kurses am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, hatte er im Tagebuch notiert oder vielmehr proklamiert: »Geschichte als Wissenschaft ist ein Unsinn. Nur die sogenannten Hilfs-Wissenschaften sind wissenschaftlich; sie sind die Geschichts-Wissenschaft selbst. Hierin hat Leo Santifaller logischerweise recht, aber : das Ganze ist durchaus nicht der Mühe wert, es sei denn als praktisches Mittel des Existenz-Kampfes, als utilitärer Vorwand, um einer Amts-Stelle Existenzberechtigung zu verleihen, damit man sie sichere und von ihr lebe. Das aber liegt genau auf der gleichen Ebene, auf welcher der Käs’ verkauft wird, die Schuhe gedoppelt und Toiletteseifen hergestellt werden.«901

Aber nicht nur die Erwerbung eingehender Kenntnisse in den historischen Hilfswissenschaften hielt Doderer – zumindest für einen Romancier mit sehr hohen Ansprüchen an sein Werk – für nicht der Mühe wert, auch die politische Geschichte langweilte den Historiker und Schriftsteller Doderer zeit seines Lebens, und er hielt eine (wissenschaftliche) Beschäftigung damit für Zeitverschwendung. Bereits kurz nach dem Abschluss seines Geschichtsstudiums hatte er im September 1925 in seinem Tagebuch festgehalten: »Meine persönliche Meinung […] ist die, dass politische Geschichte überhaupt zum Belanglosen gehört, zumindest aber eine sehr nebensächliche Erscheinungsform geschichtlichen Lebens darstellt.«902 Und im Februar 1926 urteilte er über den gesamten universitären Wissenschaftsbetrieb, wie er ihn in den vergangenen Jahren intensiv kennengelernt hatte, apodiktisch: »Und […] da haben wir eine ›Wissenschaft‹, die sich breit macht, Lehrstühle besetzt, Universitäten erfüllt, einen Strom von Büchern vor sich herwälzt und tausende von frischen Gehirnen selbstgenügsam versandet, sie mit lauter nebensächlichen, überflüssigen Kinkerlitzchen beschäftigt: […] – Nein, die ›Wissenschaft‹, sie kann mir gestohlen werden, sie ist lächerlich, angesichts der herrschenden Verhältnisse in den einfachsten Fragen.«903

In einer 1964 in französischer Sprache in Athen gehaltenen Rede mit dem Titel Von der Wiederkehr Österreichs hat Doderer, dem 1957 der Große Österreichi899 900 901 902 903

Zitiert nach Lebensaft, Eskapade, S. 434. Zitiert nach Möller, Heimito von Doderer, S. 290. Zitiert nach Schmidt-Dengler, Historia magistra vitae, S. 149. Doderer, Tagebücher 1920–1939, Bd. 1, S. 286f. Ebd., S. 340.

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Abb. 72: Heimito (von) Doderer (1896–1966) mit dem Typoskript der Dämonen unter dem Arm. Fotografie, um 1955.

sche Staatspreis für Literatur und 1961 der Preis der Stadt Wien für Literatur verliehen worden war, einleitend kritisiert, dass immer noch »die politische Geschichte eines Landes als dessen eigentliche ›Geschichte‹ gelte«.904 Dabei geschehe »das eigentliche Leben« heute »unglaublicherweise noch immer, ja erst recht, ohne Zusammenhang mit ihr […]. Wir haben wahrlich keinen Grund mehr, ›Geschichte‹ mit ›politischer Geschichte‹ gleichzusetzen. Und keine Pro-

904 Doderer, Athener Rede, S. 239. Die Rede erschien in deutscher Sprache erstmals unter dem Titel Österreichs Nationalbewußtsein ist übernational. Von der Wiederkehr Österreichs in der Kleinen Zeitung, Graz, 20. Juni 1964. Barker, Tiefe der Zeit, S. 264. Eine erste Fassung der »Athener Rede« ist 1954 entstanden und unter dem Titel Der Anschluß ist vollzogen in der Zeitschrift Kontinente erschienen (Jg. 7 [1953/54], Heft 8, S. 20–23). Doderer, Die Wiederkehr der Drachen, S. 310 und 317, Nr. 104.

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fessoren werden das Wesentliche unserer Tage aufzeichnen. Vielmehr besorgt das die Romanliteratur.«905 Am 31. Januar 1962 organisierte das Institut für Österreichische Geschichtsforschung bzw. dessen Vorstand Leo Santifaller im Großen Festsaal der Universität Wien in Anwesenheit von Bundespräsident Adolf Schärf, Kardinal Franz König, Unterrichtsminister Heinrich Drimmel, der das Ehrenprotektorat über die Veranstaltung übernommen hatte, des Rektors und des Senats der Universität Wien, zahlreicher Botschafter, Bischöfe, Äbte, Rektoren, Dekane und Professoren sowie – last not least – der aus der Schatzkammer herbeigeschafften Reichskrone eine große »Jahrtausendfeier der Kaiserkrönung Ottos des Großen (962–1962)«.906 Leo Santifaller feierte in seiner Festrede (»Otto I., das Imperium und Europa«) das ottonische Imperium als »ein staatlich-politisches und kulturelles Gebilde von europäischen Ausmaßen und von europäischer Bedeutung, das in seinen Nachwirkungen bis in unsere Gegenwart reicht«, es stelle »zugleich aber auch den bedeutsamen Versuch einer europäischen Einigung dar«.907 Als Vertreter der Humboldt-Universität zu Berlin (und damit der Historiker der DDR) nahm an der Feier übrigens auch Eduard Winter (zu ihm siehe unten Seite 278–284) teil, der am 5. Februar 1962 in einem Brief sarkastisch berichtete: »So saß ich mit Rektoren Österreichs und Westdeutschlands zusammen, aber zwei Schwyzer von der Universität Bern und ein Italiener […] hatten sich auch eingefunden. Die Schwyzer, wie ich, betont zivil, die anderen in Talaren mit Ketten und Orden behängt. Wir saßen anbetend – im Mittelpunkt der sozialistische Bundespräsident Schärf – vor der Kaiserkrone Ottos I.«908

905 Doderer, Athener Rede, S. 240. – Zum Wandel von Doderers Geschichtskonzeption und zur Konstruktion von Geschichte in seinen Romanen und Erzählungen siehe – ausgehend von einem »Ansatz, der die spezifische Bedeutung von Geschichte für Doderer eben aus seinem ›Doppelberuf‹ als Historiker und Romancier erklärt« (S. 11) und von der »Frage, wie das Geschichtsstudium Doderers Schreiben beeinflußte« (S. 13) – Király, Drachen, Hexen und Dämonen; zu Doderers grundsätzlicher Geschichtsskepsis zuletzt Nüchtern, Kontinent Doderer, S. 196, 215f. und 254. 906 Siehe die den Festakt ausführlich dokumentierende Festschrift zur Jahrtausendfeier. – Am 7. Februar 1962 dankte Rektor Franz Arnold dem Leiter der Kunstkammer und der Weltlichen Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums Univ.-Doz. Dr. Hermann Fillitz, dem späteren Ordinarius für Kunstgeschichte an den Universitäten Basel und Wien und Ersten Direktor des Kunsthistorischen Museums, brieflich »für alle Mühe und Fürsorge beim Transport und [bei] der Aufstellung der ehrwürdigen Reichskrone in unserem großen Festsaal, auch im Namen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung«. Konzept und Durchschlag des Schreibens im Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, GZ 143, Studienjahr 1961/62, Gedenkfeier aus Anlaß der 1000. Wiederkehr der Krönung König Otto I. zum Kaiser, 31. 1. 1962, fol. 103f. 907 Santifaller, Otto I., das Imperium und Europa, S. 19. 908 Winter, Erinnerungen, S. 131.

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Abb. 73: Leo Santifaller während der Festrede (»Otto I., das Imperium und Europa«) bei der »Jahrtausendfeier der Kaiserkrönung Ottos des Großen (962–1962)« im Großen Festsaal der Universität Wien am 31. Januar 1962. Vor ihm in einer Vitrine die aus der Weltlichen Schatzkammer »entlehnte« Reichskrone.

Dem im Grunde wohl nach wie vor groß- bzw. gesamtdeutschen Geschichtsbild Santifallers und der Konzentration auf das früh- und hochmittelalterliche Kaisertum können einerseits die Arbeiten Alphons Lhotskys gegenübergestellt werden, die – im Gegensatz zu jenen des »Großösterreichers« Hugo Hantsch909 – »kleinösterreichisch« geprägt waren und der das Hauptaugenmerk auf die erzählenden österreichischen Quellen des Mittelalters und nicht auf die Urkunden, sondern auf die österreichische Historiographie und auf kulturgeschichtliche Fragestellungen legte, andererseits die vielfach innovativen Arbeiten Heinrich Fichtenaus.910 In seinem 1949 erschienenen Buch Das karolingische Imperium. Geistige und soziale Problematik eines Großreiches hat Fichtenau endgültig den

909 »Ein enger kleinösterreichscher Nationalismus blieb Hantsch fremd, es war die im Reichsgedanken manifestierte Überzeugung von der völkerverbindenden Mission, die Österreichs historische Aufgabe gewesen war, es war die im katholischen Christentum verankerte Universalität des Reiches als abendländische Ordnungsform, die Hantsch als den Wesenszug der österreichischen Geschichte zu erkennen vermeinte.« Fellner (F.), Hugo Hantsch, S. 374. 910 Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive, S. 204f.

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»Karlsmythos« zerstört, was ihm Traditionalisten (nicht nur am Institut für Österreichische Geschichtsforschung) verübelt haben.911 »Im Gegensatz zu Hantschs Hochschätzung für die Großmachtstellung der Habsburgermonarchie in der Geschichte […] stand die von der kleinräumigen Republik Österreich ausgehende Perspektive von Alphons Lhotsky.«912 Für Lhotsky wurde in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre die Republik in den Grenzen von 1918 bzw. 1945 »zum Ausgangspunkt der Konstruktion einer Geschichte Österreichs, und die Erforschung des mittelalterlichen Staatsbildungsprozesses [besser gesagt: der Entstehung und Entwicklung der österreichischen Länder im Hoch- und Spätmittelalter; Th.W.] aus dieser Perspektive [wurde] sowohl zur wissenschaftlichen Aufgabe als auch zum Dienst am Staate im Rahmen der staatsbürgerlichen Erziehung«. Er verfocht (erstmals 1949 auf dem ersten österreichischen Archivtag) die Ansicht, dass die österreichischen Erblande in der Zeit um 1500 eine Einheit bildeten, die mit relativ geringen Veränderungen die folgenden Jahrhunderte überdauert habe. »Spinnen wir diesen Gedanken weiter aus, so erscheinen uns die vierhundert Jahre Großmacht im Verein mit Böhmen und Ungarn von 1526 bis 1918 als ein Zwischenspiel, an dessen Ende neuerdings jenes natürliche Ergebnis des Spätmittelalters, im großen und ganzen räumlich ähnlich, zutage trat und damit seine in sich selbst zurücklaufende echte Wesenhaftigkeit bewiesen hat.«913 Diese Verengung der Perspektive auf das künftige Staatsgebiet der Republik wurde von Kollegen wie den ehemaligen Nationalsozialisten Otto Brunner und Theodor Mayer914, aber auch von »Großösterreichern« wie Hugo Hantsch und Adam Wandruszka und zuletzt von Gerald Stourzh als provinziell und unangemessen abgelehnt.915 Das Historische Seminar änderte seinen Namen 1955 in Historisches Institut und schließlich 1979 in Institut für Geschichte. Zu den beiden prägenden Professoren für Geschichte der Neuzeit wurden – nach der Emeritierung von Heinrich Benedikt im Jahr 1959 und jener von Hugo Hantsch im Jahr 1965 sowie nach dem Ende der Honorarprofessur des aus der Emigration in den USA zurückgekehrten Friedrich Engel-Janosi (Honorarprofessor für Neuere Geschichte

911 Siehe insbesondere Nelson, »Das karolingische Imperium«; außerdem Wolfram (H.), Fichtenau als Mensch und Lehrer; Geary, Fichtenau im Ausland; Pohl, Abschließende Bemerkungen. Vgl. auch Fichtenau, [Autobiographie], S. 51f. 912 Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive, S. 208f. 913 Lhotsky, Der Stand der österreichischen Geschichtsforschung, S. 92. 914 Zur Laufbahn, zum Werk und zu den Aktivitäten Theodor Mayers (1883–1972) vor, während und nach der Herrschaft des Nationalsozialismus siehe jetzt v. a. Heinzel, Theodor Mayer. Mayer war seit 1937 Mitglied der NSDAP. 915 Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive, S. 209. Vgl. die konzise Zusammenstellung der diesbezüglichen programmatischen Äußerungen Lhotskys und seiner Kritiker bei Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 327–330.

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Abb. 74: Heinrich Lutz (1922–1986). Fotografie.

1959–1968)916 – der gebürtige Bayer Heinrich Lutz (1922–1986), der 1966 als Nachfolger Hantschs von der Universität Saarbrücken an die Universität Wien berufen wurde, und der 1929 in Wien geborenen Gerald Stourzh, der, nach einem Ordinariat für Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der amerikanischen Geschichte an der Freien Universität Berlin (1964–1969), von 916 Wenigstens en passant sei darauf hingewiesen, dass die Bemühungen um die Rückkehr der Emigranten nach 1945 beschämend zögerlich und ungenügend waren. »Sowohl in den Universitäten als auch im Unterrichtsministerium war man willens, jene zu rehabilitieren, die 1938 ihre Stellen verloren, aber das Land nicht verlassen hatten. Emigranten begegnete man unverhohlen mit Neid, da diese es angeblich besser getroffen hätten, mit alten und neuen Vorurteilen, unter welchen die aus dem antisemitischen Syndrom bestehenden nicht am schwächsten vertreten waren, mit Ignoranz gegenüber den berechtigten Ängsten prinzipiell Rückkehrwilliger und brüsker Zurückweisung jener, die irgendwelche als Forderungen mißdeutbare Fragen nach den Rückkehrbedingungen stellten. Davon ausgenommen war nur eine Handvoll Prominenter, mit denen man sich zu schmücken gedachte, und alte Freunde aus dem christlich-sozialen, ständestaatlichen und monarchistischen Milieu.« Fleck, Autochthone Provinzialisierung, S. 91.

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Abb. 75: Gerald Stourzh (rechts) (geb. 1929) und Mitglieder seines Privatissimums beim Heurigen. Fotografie, 1973.

1969 bis 1997 die zweite ordentliche Professur für Geschichte der Neuzeit am Historischen Institut bzw. am Institut für Geschichte innehatte. Die Forschungsschwerpunkte von Heinrich Lutz, eines Schülers von Franz Schnabel in München, der vor seiner Berufung nach Wien von 1953 bis 1960 prägende Jahre als Assistent und Editor eines Bandes der Nuntiaturberichte aus Deutschland (für die Jahre 1552 und 1553)917 am Deutschen Historischen Institut in Rom verbracht hatte, wo er auch seine Münchener Habilitationsschrift zur späten Regierungszeit Kaiser Karls V. verfasste, lagen in der deutschen und europäischen Geschichte des 16. und des 19. Jahrhunderts. Zwei rote Fäden, die sein umfangreiches Œuvre durchziehen, sind einerseits das Verhältnis von Humanismus und Reformation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sowie andererseits die Beziehungen zwischen der Habsburgermonarchie, Preußen und den Staaten des »Dritten Deutschland« (Bayern, Sachsen, Württemberg u. a.) im 19. Jahrhundert. Von 1971 bis zu seinem plötzlichen Tod 1986 leitete Lutz überdies das große, von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betriebene Editionsprojekt Deutsche Reichs-

917 Erschienen 1959; zwei weitere von Heinrich Lutz bearbeitete Bände für die Jahre 1554 bis 1556 sind 1971 und 1981 erschienen.

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tagsakten unter Kaiser Karl V. (1519–1555), für das er an der Universität Wien am Historischen Institut eine eigene Arbeitsstelle einrichten konnte.918 Eine ähnliche Bedeutung wie die Jahre am Deutschen Historischen Institut in Rom für Heinrich Lutz, hatte der langjährige Aufenthalt – von 1951 bis 1958 – als Research Associate und zuletzt als Assistant Professor an der University of Chicago für die Entwicklung der Forscherpersönlichkeit von Gerald Stourzh. Die Einladung nach Chicago war von dem bekannten Politologen Hans J. Morgenthau ausgegangen, dessen Bekanntschaft Stourzh in Wien gemacht hatte. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der politischen und Verfassungsgeschichte der USA einerseits, in der politischen, Verfassungs- und Rechtsgeschichte der Habsburgermonarchie zwischen 1848 und 1918 andererseits, aber auch in der Geschichte der Republik Österreich.919 So ist Stourzh, der von sich gesagt hat, dass er während seiner Universitätsstudien von 1947 bis 1951 in Wien von seinen beiden wichtigsten Lehrern, den Professoren Heinrich Benedikt und Hugo Hantsch, nicht »wirklich […] tief beeinflusst« wurde und dass in dieser Zeit Bücher (von Friedrich Meinecke, Josef Redlich, Max Weber und anderen) »wichtiger als Lehrer« waren920, der Autor des Standardwerks zur Geschichte des Österreichischen Staatsvertrags von 1955.921 Für sein 1954, noch vor seinem 918 Zu Leben und Werk von Heinrich Lutz siehe u. a. Hamann, Dankeswort, und ders., Heinrich Lutz, vor allem aber die Beiträge in Kohler, Stourzh (Hrsg.), Die Einheit der Neuzeit, außerdem Lutz, Nachwort. – H a u p t w e r k e v o n H e i n r i c h Lu t z : Conrad Peutinger. Beiträge zu einer politischen Biographie (1958); Ragione di stato und christliche Staatsethik im 16. Jahrhundert (1961, 21976); Demokratie im Zwielicht. Der Weg der deutschen Katholiken aus dem Kaiserreich in die Republik 1914–1925 (1963); Christianitas afflicta. Europa, das Reich und die päpstliche Politik im Niedergang der Hegemonie Kaiser Karls V., 1552–1556 (1964); Reformation und Gegenreformation (1979, 52002); ÖsterreichUngarn und die Gründung des Deutschen Reiches (1979); Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung. Von Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden, 1490 bis 1648 (1983); Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866 (1985). 919 Vgl. Plaschka, Gerald Stourzh; Sutter, Laudatio; Angerer, Bader-Zaar, Grandner, Vorwort. 920 Stourzh, Spuren einer intellektuellen Reise, S. 19–24. – Gerald Stourzh pflegte in der Studienzeit des Autors (um 1980) in Vorlesungen seinen Hörerinnen und Hörern die Wichtigkeit der autonomen, selbst gewählten Lektüre einzuschärfen und darauf aufmerksam zu machen, dass im Englischen anstelle von »I study history« die Formulierung »I read history« üblich sei und wie wichtig das selbständige »Erlesen« des eigenen Studienfaches sei. Ganz in diesem Sinne formulierte Berthold Sutter in seiner Laudatio auf Gerald Stourzh: »Wer als Student, noch dazu mit Verdrossenheit und ohne wache Aufmerksamkeit, nur das gerade unmittelbar Notwendigste […] liest, wird niemals Freude an seinem Fach gewinnen.« Sutter, Laudatio, S. 19. 921 H a u p t w e r k e v o n G e r a l d S t o u r z h : Benjamin Franklin and American Foreign Policy (1954, 21969); Alexander Hamilton and the Idea of Republican Government (1970); Um Einheit und Freiheit. Staatsvertrag, Neutralität und das Ende der Ost-West-Besetzung Österreichs 1945–1955 (52005; 1. Aufl. 1975 unter dem Titel: Kleine Geschichte des österreichischen Staatsvertrages); Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848–1918 (1985); Wege zur Grundrechtsdemokratie. Studien

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25. Geburtstag, erschienenes Buch über Benjamin Franklin, den ersten Gesandten der Vereinigten Staaten im vorrevolutionären Frankreich, Mitautor der amerikanischen Verfassung von 1787 und Gegner der Sklaverei, mit dem er sich 1962 an der Universität Wien für Geschichte der Neuzeit habilitierte, fand Stourzh früh auch »die Anerkennung und Bewunderung von seiten der amerikanischen Geschichtswissenschaft«.922 1958 kehrte er nach Wien zurück und baute (als deren Generalsekretär) die Österreichische Gesellschaft für Außenpolitik und internationale Beziehungen auf. Anstelle einer möglichen Karriere im österreichischen diplomatischen Dienst nahm Stourzh, wie bereits erwähnt, 1964 den Ruf an die Freie Universität Berlin an, bevor er 1969 als Nachfolger Friedrich Engel-Janosis neuerlich nach Wien zurückkehrte. Im Mittelpunkt der rechtshistorischen Forschungen von Gerald Stourzh stehen das Recht und der Rechtsschutz »der jeweils kleinsten Minderheit, nämlich der Einzelperson« – sei es »im Zusammenhang der Konstitutionalisierung der Individualrechte in der Amerikanischen und [der] Französischen Revolution oder der Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Habsburgermonarchie«.923 Etwas im Schatten von Heinrich Lutz und Gerald Stourzh stand Günther Hamann (1924–1994)924, der dritte Professor für Geschichte der Neuzeit (ab 1964 Extraordinarius, von 1971 bis 1994 Ordinarius), der 1949 mit einer Arbeit über Erasmus von Rotterdam und das Christentum bei Hugo Hantsch dissertiert und sich 1961 an der Universität Wien für Geschichte der Neuzeit habilitiert hatte. Hamann war ein hervorragender Kenner der Geschichte der Entdeckungen und der Geschichte der Naturwissenschaften sowie der Historischen Geographie und der Kartographiegeschichte, der diese Spezialdisziplinen an der Universität Wien etablierte, indem er mit seinen Schülern am Institut für Geschichte geradezu eine »Schule der Entdeckungs- und Wissenschaftsgeschichte« aufbaute. Er war auch der Initiator und seit 1980 der Gründungspräsident der Österrei-

zur Begriffs- und Institutionengeschichte des liberalen Verfassungsstaates (1989); Vom Reich zur Republik. Studien zum Österreichbewußtsein im 20. Jahrhundert (1990); 1945 und 1955: Schlüsseljahre der Zweiten Republik (2005); From Vienna to Chicago and back. Essays on intellectual history and political thought in Europe and America (2007); Spuren einer intellektuellen Reise. Drei Essays (2009); Der Umfang der österreichischen Geschichte. Ausgewählte Studien 1990–2010 (2011); Die moderne Isonomie. Menschenrechtsschutz und demokratische Teilhabe als Gleichberechtigungsordnung (2015). 922 Fellner (F.), Geschichte als Wissenschaft, S. 188. Das Werk wurde 1955 mit dem vom Institute of Early American History and Culture vergebenen Preis für das beste Buch auf dem Gebiet der frühen amerikanischen Geschichte ausgezeichnet. Plaschka, Gerald Stourzh, S. 23; Stourzh, Spuren einer intellektuellen Reise, S. 35f. 923 Angerer, Bader-Zaar, Grandner, Vorwort, S. 10. 924 Im Nachruf auf seinen Kollegen und Freund Heinrich Lutz charakterisierte sich Günther Hamann selbst als »im Unterschied zur strahlenden, optimistisch-motivierten Dynamik von Lutz eher pessimistische[n] Typus«. Hamann, Heinrich Lutz, S. 336.

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Abb. 76: Günther Hamann (1924–1994). Fotografie.

chischen Gesellschaft für Geschichte der Naturwissenschaften, der heutigen Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte.925

925 Dörflinger, Günther Hamann; Wernhart, Günther Hamann; Hittmair, Günther Hamann. – G ü n t h e r H a m a n n s H a u p t w e r k ist: Der Eintritt der südlichen Hemisphäre in die europäische Geschichte. Die Erschließung des Afrikaweges nach Asien vom Zeitalter Heinrichs des Seefahrers bis zu Vasco da Gama (1968). (Das Buch wurde mit dem Portugiesischen Nationalpreis für wissenschaftliche Literatur, dem Pr8mio Camles, ausgezeichnet. Hittmair, Günther Hamann, S. 507.) Die bedeutendsten Aufsätze Hamanns sind wiederabgedruckt in: Hamann, Die Welt begreifen und erfahren.

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Abb. 77: Günther Hamann (links) und Friedrich Engel Janosi (1893–1978) im Gespräch. Fotografie, 1973.

4.3. Das Seminar bzw. Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (1945–1975) Erna Patzelt (1894–1987), Alfons Dopschs bereits erwähnte Schülerin, langjährige Mitarbeiterin, Assistentin (und Lebensgefährtin), die sich 1925 als erste österreichische Historikerin – und zwar für Geschichte des Mittelalters und Wirtschaftsgeschichte – habilitiert hatte, erst 1929 endlich zum »ordentlichen Assistenten« avanciert war, der 1932 der Titel eines »außerordentlichen Universitätsprofessors« verliehen worden war und die 1938, zwei Jahre nach der Auflösung des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte, entlassen worden war (indem ihr auslaufender Vertrag nicht verlängert wurde), gilt zu Recht als die eigentliche Fortsetzerin des Lebenswerks von Alfons Dopsch.926 Sie setzte sich mit Erfolg dafür ein, dass das Seminar für Wirtschafts- und Kulturge926 Fellner (F.), Frauen, S. 99–101; Knittler, Die Wiener Wirtschaftsgeschichte, S. 337. – H a u p t w e r k e E r n a P a t z e l t s : Die karolingische Renaissance (1924, 21965); Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich (1924); Die fränkische Kultur und der Islam (1932, 21978); Österreich bis zum Ausgang der Babenbergerzeit (1946, 21974); gemeinsam mit Herbert Patzelt: Schiffe machen Geschichte. Beiträge zur Kulturentwicklung im vorchristlichen Schweden (1981).

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schichte 1946 wiedererrichtet bzw. vom Historischen Seminar wieder abgetrennt wurde (1951 auch räumlich). Sie leitete das Seminar ab 1948 als »Oberassistent« (mit dem Titel eines außerordentlichen Professors), von 1955 bis zu ihrer krankheitsbedingten Pensionierung 1959 als außerordentlicher Professor.927 Von Mai 1946 bis Mai 1948 war auch die spätere Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg als wissenschaftliche Hilfskraft am Wiederaufbau des Seminars beteiligt.928 Vollständig »reaktiviert« wurde das Seminar, nunmehr unter dem Namen Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, erst mit der Errichtung eines eigenen Lehrstuhls für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, auf den 1961 der zehn Jahre davor für Österreichische Geschichte und Wirtschaftsgeschichte habilitierte Dopsch-Schüler, Absolvent des Kurses des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und bedeutende Landeshistoriker Alfred Hoffmann (1904–1983), seit 1927 Archivar am Oberösterreichischen Landesarchiv und seit 1956 dessen Direktor, berufen wurde.929 Durch die 1952 erschienene umfangreiche Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich (Band 1: Von der Frühzeit bis zum Jahre 1848) hat Hoffmann »die wirtschaftsgeschichtliche Forschung in Österreich entscheidend beeinflußt, indem sie erstmals in zusammenfassender Überblicksdarstellung große Entwicklungslinien herausarbeitete«.930 In der relativ kurzen Zeit, die ihm zur Verfügung stand, hat er dem Fach Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien durch die Vermehrung der Zahl der Assistenten und durch die Realisierung von Forschungs- und Publikationsprojekten wie dem seit 1968 von ihm herausgegebenen Österreichischen Städtebuch oder dem Projekt Wirtschafts- und Sozialstatistik Österreichs 1750–1914 zu einem starken Aufschwung verholfen: Als er 1961 die Professur übernahm, stand ihm nur ein einziger Assistent zur Verfügung. »Als er 1974 emeritiert wurde, betrug die Zahl seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter fast ein Dutzend.«931 In den späten 1960er und frühen 1970er Jahren standen die sozialhistorischen Forschungen am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte stark unter dem Einfluss der von Otto Brunner entwickelten Fragestellungen und Thesen, seiner 927 Mazohl-Wallnig, »Männlicher Geist in weiblicher Gestalt«, S. 156 und 166–171; Mazohl-Wallnig, Friedrich, Patzelt, Erna; Neck, Alfons Dopsch und seine Schule, S. 376. 928 Neck, Alfons Dopsch und seine Schule, S. 380. 929 Mosser, Vorwort des Herausgebers; außerdem Hoffmann, Alfons Dopsch und die Wiener Schule der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 12; Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 379f. 930 Mitterauer, Alfred Hoffmann, S. 554. 931 Ebd., S. 555. Vgl. auch Matis, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 86f. und 91. – Weitere H a u p t w e r k e A l f r e d H o f f m a n n s : Die oberösterreichischen Städte und Märkte. Eine Übersicht ihrer Entwicklungs- und Rechtsgrundlagen (1932); Das Wappen des Landes Oberösterreich als Sinnbild seiner staatsrechtlichen Entwicklungsgeschichte (1947); Studien und Essays, 2 Bde. (1979 und 1981).

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Abb. 78: Alfred Hoffmann (1904–1983). Fotografie.

Forderung nach einer »Sozial- und Verfassungsgeschichte«, bei der »Menschen und menschliche Verbände in ihrem Zusammenleben, in ihrer Vergesellschaftung« im Zentrum stehen sollten, wobei das besondere Interesse dem »inneren Bau«, der »Struktur menschlicher Verbände« (Familie bzw. Haus, Wirtschaftsbetrieb, Stadt-, Dorf- und Pfarrgemeinde, Zunft, Bruderschaft, Verein, Partei, Stand, Klasse, Nation etc.) galt.932 1973 ist die von Michael Mitterauer, Ernst Bruckmüller, Peter Feldbauer, Helmuth Stradal und Herbert Knittler verfasste dreibändige Untersuchung Herrschaftsstruktur und Ständebildung erschienen, in der der ambitionierte Versuch unternommen wurde, eine »Typologie der österreichischen Länder aus ihren mittelalterlichen Grundlagen« zu entwickeln. In der Folge entbrannte eine von Othmar Hageneder (geb. 1927, 1968 an der 932 Mitterauer, Experiment, S. 326f. »Die Strukturgeschichte der 1950er Jahre wirkte [in der Geschichtswissenschaft in Deutschland und Österreich; Th.W.] bis weit in die 1970er Jahre in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte hinein. Sie trug insgesamt mehr zur Ausdifferenzierung in Spezialgebiete als zu einer geschichtlichen Synthese bei.« Metzger, Geschichtsschreibung und Geschichtsdenken, S. 224.

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Universität Wien habilitiert, 1953–1976 Archivar am Oberösterreichischen Landesarchiv, 1976–1995 Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften zunächst in Innsbruck und seit 1980 in Wien) ausgelöste, »für österreichische Verhältnisse ganz ungewöhnlich heftige wissenschaftliche Kontroverse« über das von Mitterauer in diesem Zusammenhang vorgestellte Erklärungsmodell.933

Abb. 79: Michael Mitterauer (geb. 1937) auf einer Ungarn-Exkursion des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Plattensee, 17. Juni 1971) im Kreis von Kollegen (von links nach rechts: Herbert Knittler, ein Unbekannter, Michael Mitterauer, Franz Baltzarek und Alois Mosser). Fotografie von Heinrich Mejzlik.

Der Berufung Alfred Hoffmanns vorausgegangen war 1959 die Bestellung von Michael Mitterauer (geb. 1937) zur wissenschaftlichen Hilfskraft.934 Mitterauer wurde 1961 zum Universitätsassistenten, 1971 zum außerordentlichen und 1973 zum ordentlichen Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung (2003) drei Jahrzehnte lang lehrte und forschte. In seiner Zeit beschritt das Institut neue Wege. Nicht zuletzt ihm, aber auch den Assistenten bzw. Dozenten Ernst Bruckmüller 933 Matis, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 94. Siehe Mitterauer, Ständegliederung und Ländertypen; Hageneder, Landesbildung, Herrschaftsstruktur und Ländertypen; Mitterauer, Zweierlei Wissenschaft; Hageneder, Strukturgeschichte und historische Landeskunde. Vgl. auch Hochedlinger, Stiefkinder der Forschung, S. 381. 934 Knittler, Die Wiener Wirtschaftsgeschichte, S. 343, Anm. 79.

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(geb. 1945), Peter Feldbauer (geb. 1945), Herbert Knittler (geb. 1942), Alois Mosser (geb. 1937), Roman Sandgruber (geb. 1947) und Hannes Stekl (geb. 1944) sowie ihren wenig jüngeren Kollegen Birgit Bolognese-Leuchtenmüller (geb. 1949) und Reinhard Sieder (geb. 1950) ist es zuzuschreiben, dass das Fach Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien allmählich in eine Historische Sozialwissenschaft transformiert wurde und sich seit den 1970er bzw. seit den 1980er Jahren auch intensiv der Alltagsgeschichte, der Agrargeschichte, der Stadtgeschichte, der Historischen Familienforschung, der Geschichte des Bürgertums und der Oral History sowie der Biographik und Autobiographik als Quellen der Sozialgeschichte zuwandte. Der von der Mediävistik herkommende Mitterauer war in den 1970er und 1980er Jahren nicht nur in Österreich, sondern weltweit ein Pionier der Geschichte der Familie, der Jugend und des Alters, aber auch der Erforschung der »Welt der kleinen Leute«, der Sammlung (an der in der ersten Hälfte der 1980er Jahre gegründeten »Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen«), der Publikation (in der seit 1983 im Böhlau-Verlag erscheinenden Reihe »Damit es nicht verlorengeht«) und der systematischen Analyse von Autobiographien und anderen Selbstzeugnissen »einfacher« Menschen. Die Herausgeber der Mitterauer zu seinem 60. Geburtstag gewidmeten Festschrift umrissen seine Bedeutung für die Neuorientierung der Historischen Familienforschung seit den 1970er Jahren wie folgt: »Mit seiner unerschöpflichen Energie und Kreativität hat Michael Mitterauer den entscheidenden Beitrag zur Verankerung, Weiterentwicklung und Neuorientierung der Historischen Familienforschung in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft geleistet. […] In den 1970er Jahren initiierte er quantifizierende Forschungsprojekte, durch die Bevölkerungsverzeichnisse zunächst für Österreich und dann für große Teile Europas gesammelt und analysiert wurden. […] Zu Anfang der 1980er Jahre stellte die Einbeziehung von lebensgeschichtlichen Interviews und von autobiographischen Texten […] eine wesentliche methodische Innovation der Historischen Familienforschung dar. […] Wie kaum ein anderer Vertreter der Historischen Familienforschung hat Michael Mitterauer den überregionalen und internationalen Vergleich gefördert und praktiziert.«935

Michael Mitterauer ist ohne Zweifel einer der international angesehensten Historiker der Wiener Universität seiner Generation, was etwa in den Übersetzungen mehrerer seiner Bücher in andere Sprachen sowie in dem Umstand zum Ausdruck kommt, dass er 2004 als bisher einziger Österreicher mit dem seit 1983 alle drei Jahre verliehenen, höchst renommierten Preis des Historischen Kollegs ausgezeichnet wurde (für sein wissenschaftliches Gesamtwerk und insbesondere 935 Ehmer, Hareven, Wall, Vorwort, S. 11–13.

Das Seminar bzw. Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte

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für das im Jahr davor erschienene Buch Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs).936 Einen wichtigen Anstoß für die Stärkung der Position der Sozialgeschichte an der Universität Wien sowie an den anderen österreichischen Universitäten gaben die Schulgesetze von 1962 und das Allgemeine Hochschulstudiengesetz von 1966, in deren Gefolge im Jahr 1969 an den österreichischen höheren Schulen das Fach »Geschichte und Sozialkunde« an die Stelle des Faches »Geschichte« trat. Die daraus erwachsenden Bedürfnisse der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung regten 1971, gleichzeitig mit dem Erlass des Lehrplans für das neue Schulfach, die Gründung einer sozialhistorischen Fachzeitschrift, der Beiträge zur historischen Sozialkunde, an, die in erster Linie als Hilfsmittel für den Schulunterricht gedacht war und seither – seit dem Jahrgang 31 (2002) unter dem neuen Titel Historische Sozialkunde. Geschichte – Fachdidaktik – Politische Bildung – vom Verein (zunächst: von der Arbeitsgemeinschaft) Geschichte und Sozialkunde in enger Kooperation mit dem Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien herausgegeben wird.937 Die seit 1971 erscheinende Lehrerfortbildungszeitschrift stellt nicht zuletzt »eine Plattform innovativer wissenschaftlicher Ansätze« am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte dar.938

936 H a u p t w e r k e M i c h a e l M i t t e r a u e r s : Zollfreiheit und Marktbereich. Studien zur mittelalterlichen Wirtschaftsverfassung am Beispiel einer niederösterreichischen Altsiedellandschaft (1969); (gemeinsam mit Reinhard Sieder :) Vom Patriarchat zur Partnerschaft. Zum Strukturwandel der Familie (1977, 41991, engl. 1982, japan. 1993); Grundtypen alteuropäischer Sozialformen. Haus und Gemeinde in vorindustrieller Zeit (1979); Markt und Stadt im Mittelalter (1980); Ledige Mütter. Zur Geschichte unehelicher Geburten in Europa (1983); Sozialgeschichte der Jugend (1986, 31992, engl. 1992); Historisch-anthropologische Familienforschung. Fragestellungen und Zugangsweisen (1990, japan. 1994, serb. 2001); Ahnen und Heilige. Namengebung in der europäischen Geschichte (1993); Millennien und andere Jubiläen (1998); Dimensionen des Heiligen. Annäherungen eines Historikers (2000); Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs (2003, 5 2009, span. 2008, engl. 2010, slowen. 2011); Sozialgeschichte der Familie. Kulturvergleich und Entwicklungsperspektiven (2009); Traditionen der Namengebung. Namenkunde als interdisziplinäres Forschungsgebiet (2011); (gemeinsam mit John Morrissey :) Pisa. Seemacht und Kulturmetropole (2011, italien. 2015); Historische Verwandtschaftsforschung (2013); St. Jakob und der Sternenweg. Mittelalterliche Wurzeln einer großen Wallfahrt (2014). 937 Ehmer, Müller, Sozialgeschichte in Österreich, S. 119, v. a. aber Mitterauer, Experiment. 938 Mitterauer, Warum Europa, S. 16.

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4.4. Friedrich Heer – ein umstrittener Außenseiter

Abb. 80: Friedrich Heer (1916–1983). Fotografie.

Der überzeugte Gegner des Nationalsozialismus und »linkskatholische« Querdenker Friedrich Heer (1916–1983), ein unkonventioneller, nonkonformistischer und kosmopolitischer, kreativer und geistreicher, sprachgewaltiger und enorm produktiver Historiker, Publizist, Essayist und Geschichtsphilosoph bzw. Geschichtsvisionär sowie – im Brotberuf – zeitweiliger Chefdramaturg des Burgtheaters (1961–1972), war wahrscheinlich »nicht nur der bekannteste Intellektuelle der Zweiten Republik, sondern auch der international vielleicht angesehenste Wiener Historiker der Nachkriegszeit«939, jedenfalls aber der wohl 939 Kwaschik, Von Nutzen und Nachteil des Essays für Historiker, S. 194. – »Er gehört zweifelsohne zu jener raren Spezies österreichischer Intellektueller, welche die kulturelle Be-

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bedeutendste, allerdings auch umstrittenste »public intellectual« in den ersten Jahrzehnten der Zweiten Republik.940 Er war in den dreieinhalb Jahrzehnten nach 1945, neben Walter Dirks und Eugen Kogon sowie den Schriftstellern Carl Amery und Heinrich Böll, der führende »linkskatholische« Intellektuelle und Publizist des deutschsprachigen Raumes. Heer war ein überzeugter Österreicher, der zeitlebens am »real existierenden Österreich« gelitten hat, »einer der vielen intellektuellen Vordenker der heutigen europäischen Einigungsversuche«.941 Von der überwiegenden Mehrheit der österreichischen akademischen Historiker wurde er ebenso zeitlebens sehr kritisch beäugt und als sich nicht an die Regeln und Standards der ›Zunft‹ haltender Historiker marginalisiert und stigmatisiert.942 Heers ausdrücklich »cum ira et studio«, gewissermaßen mit heiligem Zorn (und in unausgesprochener Auseinandersetzung mit seinen deutschnationalen und zum Teil nationalsozialistischen Lehrern an der Universität Wien), vorgetragene Geschichtsauffassung stand in den 1950er und 1960er Jahren, so sein Hörer Gerhard Botz im Rückblick, »in schärfstem Gegensatz zu den restaurierten alt-historistischen oder liberal-positivistischen Wissenschaftstheorien seiner eigenen Zunft. […] Erst mit dem Aufkommen einer ›politisch-aufklärerischen‹ Zeitgeschichte und der ›teilnehmenden Beobachtung‹ auch in der Geschichtswissenschaft und in Zeiten der ›cultural studies‹ wirkt Heers bekenntnishafte und engagierte Geschichtstheorie weniger anstößig.«943

Heer habilitierte sich 1950 mit dem eindrucksvollen, 1949 gedruckten Werk Aufgang Europas. Eine Studie zu den Zusammenhängen zwischen politischer Religiosität, Frömmigkeitsstil und dem Werden Europas im 12. Jahrhundert für »Geistesgeschichte des Abendlandes«944, und er erhielt 1961 – auf Antrag der

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findlichkeit dieser Republik nachhaltig geprägt und dauerhaft verändert haben.« MüllerFunk, Essayismus, S. 103. – Zu Heers facettenreichem intellektuellem Profil siehe u. a. die Beiträge in: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung 19 (2010), Heft 1–4: »Schreiber bin ich, Worte-Macher …«. Die vielen Gesichter des Friedrich Heer, 1916–1983. Siehe z. B. Pelinka, Friedrich Heer. Botz, Friedrich Heers Österreich- und Europa-Identitäten, S. 51. Siehe zusammenfassend Gehler, Friedrich Heer, und Scheichl, Friedrich Heer. – »Mit seinem eigenwilligen Sprachduktus, dem Tempo der Assoziationen, dem Bilderreichtum und dem globalen Verfahren des Vergleichens, mit seinem schier mühelosen Überschreiten von Epochen und Kulturen stand er am Rand der etablierten Geschichtswissenschaft, in der strenger legitimierte, aber auch ein-tönigere Paradigmen dominieren.« Meissl, Kampf ums »Reich«, S. 103. Botz, Skandalon, S. 53. Heer hatte (am 6. April 1949) als Fach, für das er die Lehrbefähigung anstrebte, beantragt: »Allgemeine Geschichte des Mittelalters mit besonderer Berücksichtigung der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte«. Dafür fand sich in der Habilitationskommission keine Mehrheit. Der Antrag Richard Meisters aber, der Fakultät zu empfehlen, Heer für »Geistesgeschichte des Abendlandes« zu habilitieren, also »für ein Fach […], das es« – bis dahin – »nicht gab« (Scheichl, Friedrich Heer, S. 112), wurde von der Kommission am

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Professoren Hugo Hantsch, Alphons Lhotsky, Friedrich Engel-Janosi und Heinrich Benedikt, der vom Professorenkollegium der Fakultät mit 57 Ja- gegen acht Nein-Stimmen angenommen wurde – den Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors945, einen, wie man in Österreich zu sagen pflegt, »Titel ohne Mittel«.946 Erich Zöllner hat die »Komödie um Heers Habilitation«947 in der für ihn charakteristischen noblen Zurückhaltung in seinem Nachruf auf den Freund und Kurskollegen am Institut für Österreichische Geschichtsforschung so zusammengefasst: »Im Jahre 1950 erfolgte nach Überwindung erheblicher Widerstände und Bedenken wegen Heers methodischer Großzügigkeit und seiner Betätigung als Journalist und Romancier […] seine Habilitation für ›Geistesgeschichte des Abendlandes‹. Ein Minoritätsvotum, dem sich schließlich doch eine knappe Mehrheit der Fakultät [d. h. der Professoren der Fakultät; Th.W] anschloß, bot die Voraussetzung für eine positive Entscheidung des Ministeriums, nachdem sich in einer ersten Abstimmung eine Mehrheit gegen die Habilitation ausgesprochen hatte.«948

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17. Mai 1950 mit sieben Ja-Stimmen, einer Gegenstimme und einer Enthaltung angenommen. Archiv der Universität Wien, Personalakten der Philosophischen Fakultät, PA 1912: Friedrich Heer, Teil 1, fol. 3, 21 und 32. – Heer hatte 1937 bis 1939 als ordentliches Mitglied den 41. Kurs am Österreichischen Institut für Geschichtsforschung absolviert. Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung, S. 360–362. Archiv der Universität Wien, Personalakt Friedrich Heer (wie vorige Anm.), Teil 2 (H23), fol. 6–14; Adunka, Friedrich Heer, S. 51; Holeschofsky, Hugo Hantsch (2014), S. 159f. Historiographische H a u p t w e r k e F r i e d r i c h H e e r s : Aufgang Europas. Eine Studie zu den Zusammenhängen zwischen politischer Religiosität, Frömmigkeitsstil und dem Werden Europas im 12. Jahrhundert (1949); Das Experiment Europa. Tausend Jahre Christenheit (1952); Die Tragödie des Heiligen Reiches (1952); Europäische Geistesgeschichte (1953, 21965, engl. 1966); Sieben Kapitel aus der Geschichte des Schreckens (1957); Die Dritte Kraft. Der europäische Humanismus zwischen den Fronten des konfessionellen Zeitalters (1959); Mittelalter. Vom Jahr 1000 bis 1350, 2 Teile (1961, engl., italien. und niederländ. 1962, span. 1963, hebr. 1965, schwed. 1966, portug. 1968, franz. 1970, erw. dt. Ausg. 1977, erschienen als Bde. 9 und 10 im Rahmen der von Heer selbst herausgegebenen, 22-bändigen Kindlers Kulturgeschichte des Abendlandes); Europa, Mutter der Revolutionen (1964); Das Glück der Maria Theresia (1966); Das Heilige Römische Reich (1967); Gottes erste Liebe. 2000 Jahre Judentum und Christentum (1967); Genesis des österreichischen Katholiken Adolf Hitler (1967, engl. 1970); Der Glaube des Adolf Hitler. Anatomie einer politischen Religiosität (1968, franz. 1971); Kreuzzüge – gestern, heute, morgen? (1969); Abschied von Höllen und Himmeln. Vom Ende des religiösen Tertiär (1970); Werthers Weg in den Untergrund. Die Geschichte der Jugendbewegung (1974); Charlemagne and his World (1975, dt. 1977 [Karl der Große und seine Welt]); Der Kampf um die österreichische Identität (1981); Der König und die Kaiserin. Friedrich und Maria Theresia, ein deutscher Konflikt (1981). Gaisbauer, Friedrich Heer, S. 450. Zöllner, Friedrich Heer, S. 559. – In der Fakultätssitzung vom 19. Mai 1950 wurde die Habilitation Heers mit 18 Ja- gegen 15 Nein-Stimmen und neun Stimmenthaltungen abgelehnt. Unmittelbar danach unterschrieben 22 der insgesamt 42 Professoren und Dozenten (also um vier mehr als bei der vorhergehenden Abstimmung) ein »Minoritätsvotum«, das de facto ein Majoritätsvotum war, zugunsten von Heers Habilitation. Daraufhin wurde Heer

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Das rettende Minoritätsvotum, das Unterrichtsminister Felix Hurdes die Möglichkeit eröffnete, die Habilitierung Heers zu genehmigen, wurde übrigens neben anderen Professoren von den Historikern Hugo Hantsch, Heinrich Fichtenau, Heinrich Felix Schmid und Erich Zöllner unterschrieben, nicht hingegen von ihren Fachkollegen Leo Santifaller und Alphons Lhotsky.949 Letzterer ersuchte am 24. Oktober 1950 den Dekan der Philosophischen Fakultät, dem am 27. Oktober stattfindenden Habilitationskolloquium fernbleiben zu dürfen. Lhotsky hielt ausdrücklich fest, dass er »weder gegen die Person noch gegen die fachlichen Qualitäten des Herrn Dr. Heer Bedenken hege«, dass ihn »vielmehr nur die Erhaltung der Tradition der Wiener Schule der Geschichtswissenschaft gegen die Deklaration des Genannten als ›Historiker‹ einstellt«.950 Auch Santifaller erschien nicht zu Heers Habilitationsvortrag, und zwar mit der im Grunde durchaus nachvollziehbaren Begründung, dass Heers Habilitationsschrift »nicht so sehr Geschichtswissenschaft bezw. Geschichtsforschung, sondern ausgesprochen Geschichtsdeutung mit bestimmter Tendenz – cum ira951, wie er im Vorwort selbst sagt – bildet und daher nicht in das Fach Geschichte, sondern in das Gebiet der Kultur- und Geschichtsphilosophie, also im ganzen gesehen in das Fach Philosophie gehört«.952

Friedrich Heer war unter anderem ein beharrlicher Kämpfer gegen den Antisemitismus (nicht nur, aber insbesondere seiner Landsleute) und ein glühender

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zu den weiteren Schritten des Habilitationsverfahrens zugelassen. Archiv der Universität Wien, Personalakt Friedrich Heer (wie Anm. 944), Teil 1, fol. 30f. Vgl. Botz, Heers Österreich- und Europa-Identitäten, S. 38, Anm. 63; ders., Friedrich Heer aus zeitgeschichtlicher Sicht, S. 40–42; Gaisbauer, »Heer-Bilder«, S. 271f.; Scheichl, Friedrich Heer, S. 112f. Archiv der Universität Wien, Personalakt Friedrich Heer (wie Anm. 944), Teil 1, fol. 22; Rumpler, Erlösung der Welt, S. 238f.; Adunka, Friedrich Heer, S. 462f.; Botz, Vom »Reich« über Europa zu Österreich, S. 170–172. Vgl. auch Müller (A.), Grenzziehungen in der Geschichtswissenschaft, S. 304f. Archiv der Universität Wien, Personalakt Friedrich Heer (wie Anm. 944), Teil 1, fol. 47. Unterstreichung im Original. Archiv der Universität Wien, Personalakt Friedrich Heer (wie Anm. 944), Teil 1, fol. 45. – Der prominente Wiener Judaist Kurt Schubert hat mit der folgenden Äußerung in einer Radiosendung, dem am 10. April 1991 aus Anlass von Friedrich Heers 75. Geburtstag im Programm Österreich 1 ausgestrahlten »Salzburger Nachtstudio«, wohl übertrieben: Man müsse, so Schubert, »mit aller Deutlichkeit sagen, dass Heer wahrscheinlich der große Stern der österreichischen Historiker geworden wäre, wenn er nicht von Herrn Santifaller abgewürgt worden wäre«. Jedenfalls dürfte aber die in derselben Sendung von dem Soziologen Reinhold Knoll geäußerten Einschätzung zutreffen, dass Heer wegen mehr oder minder permanenter existenzieller Sorgen dazu gezwungen gewesen sei, durch Vielschreiberei und zahllose Vorträge Geld zu verdienen, wodurch er um seine Möglichkeit der Professionalisierung gebracht worden sei. Zitiert nach einer privaten Audiokassette im Besitz des Verfassers.

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Verteidiger des Judentums, dessen große Bedeutung für das österreichische Kultur- und Geistesleben er immer wieder herausstrich. So hielt er beispielsweise in seinem 1955 veröffentlichten Essay Judentum und Österreichischer Genius »die einfache Tatsache« fest: »[D]ie Provinzialisierung des heutigen Geisteslebens in Österreich, die Niveaulosigkeit, der Mangel an Weltgültigkeit, an der Befassung auch mit echten weltweiten Fragen ist eine direkte Folge der Vernichtung und Austreibung der Juden aus Österreich.«953 Von 1974 bis 1980 hat Friedrich Heer Kindlers Kulturgeschichte des Abendlandes in 22 Bänden herausgegeben. Er selbst steuerte dazu den zweiteiligen Band Mittelalter. Vom Jahr 1000 bis 1350 bei, der ursprünglich 1961 gleichzeitig auf Englisch und im Rahmen von Kindlers Kulturgeschichte auf Deutsch erschienen war. Im Vorwort zur erweiterten Ausgabe von 1977 bekannte er : »Diese Studie ist in der Überzeugung geschrieben, daß unser europäisches Mittelalter die politischen, gesellschaftlichen und geistig-seelischen Strukturen Europas heute vielfältig bestimmt. Deshalb die mehrfachen Hinweise auf Gegenwartsbezüge. Solche Bezugnahmen erregen gelegentlich das Ärgernis ›reiner‹ Historiker, die – wie ›reine Naturwissenschaftler‹ – an Berührungsangst leiden und sich der Kommunikation verweigern. F ü r d e n Au t o r i s t G e s c h i c h t e G e g e nw a r t . Gegenwart wird durchströmt von Kräften, von Elementen, die aus Vergangenheiten in die Zukunft strahlen. Vom Autor sind die Gegenwartsbezüge als Einladung an den Leser gedacht, unsere problemreiche Gegenwart aus unserer Vergangenheit aufzuschlüsseln.«954

Insbesondere die späteren historiographischen Hauptwerke Heers richteten sich nicht an die Fachkollegenschaft, von der sie weitgehend ignoriert wurden, sondern an eine breite, historisch interessierte Öffentlichkeit. Im Unterschied insbesondere zum Aufgang Europas handelt es sich dabei eher um »wissenschaftlich fundierte Sachbücher« mit einem »stärker populärwissenschaftlichen Charakter«.955 Im Laufe der 1970er Jahre wurde das Werk »des rastlosen Denkers und Schreibers Heer«956 »immer diffuser, von der Wissenschaft hat er sich weit entfernt«.957 953 Heer, Judentum und Österreichischer Genius, S. 8. – Die Hochschätzung des Judentums durch Friedrich Heer ist ein Element seiner verklärten Sicht auf die Geschichte Österreichs bzw. »Altösterreichs«. Im selben Essay heißt es an anderer Stelle (ebd., S. 19 und 20): »Wer heute, im provinziellen Wien von 1955, etwas erfahren will von Altösterreich, kann es nur noch durch einige wenige Adelige, alte kaiserliche Beamte, vor allem aber durch einige Juden.« »Für das heutige Österreich, nach 1945, ist nachdrücklich sichtbar geworden: die Vereinsamung, die Kontaktlosigkeit, die mangelnde Welterschlossenheit und Weltgültigkeit der hier geistig Schaffenden beruht auf dem Verlust der Juden: sie hatten als erste dem Österreicher die Weiten und Tiefen, die Abgründe und Höhen jenes Weltraumes erschlossen, den staunende Entdecker aus fernen Ländern in seiner Einzigartigkeit heute erspähen: Österreich.« 954 Heer, Mittelalter, Teil 1, S. 13 (Hervorhebung Th.W.). 955 Scheichl, Zwischen Wissenschaft und Publizistik, S. 60. 956 Liessmann, Vorwort, S. I.

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In seinem letzten, 1981, zwei Jahre vor seinem Tod, erschienenen Hauptwerk Der Kampf um die österreichische Identität, einer weit ausholenden und immer noch anregenden, mit Herzblut geschriebenen Geschichte Österreichs und des Österreichbewusstseins, hat Friedrich Heer unter anderem die These formuliert und expliziert, es gebe »kein historisches Gebilde in Europa, das so sehr außengesteuert ist wie Österreich«.958 Eine wichtige Voraussetzung für den Deutschnationalismus des österreichischen Bildungsbürgertums in den Jahrzehnten vor und nach 1900 sah Heer übrigens in der Berufung zahlreicher deutscher Hochschullehrer an die Universitäten der Habsburgermonarchie im Zuge der Gymnasial- und Universitätsreformen der 1850er Jahre: »Die Auswirkung dieser Bildungsreformen bedeutete konkret die Nichtbildung eines Österreich-Bewußtseins der Lehrer, [der] Professoren, der Schüler, der Studenten.«959 Lehrveranstaltungen an der Universität Wien hielt Friedrich Heer von seiner Habilitation 1950 bis zum Sommersemester 1970, und zwar regelmäßig eine zweistündige Vorlesung.960 Eine ganze Reihe von Heers Büchern ist »weitgehend mit dem Text von Vorlesungen identisch«.961 Das gilt beispielsweise auch für den monumentalen Essay Europäische Geistesgeschichte (1953), dessen äußere Form 957 Scheichl, Zwischen Wissenschaft und Publizistik, S. 66. – Gerhard Botz bezeichnete mit einiger Berechtigung den Historiker, Soziologen und Politiker Ernst Karl Winter (1895– 1959), der 1938 in die USA emigrierte und erst 1955 nach Österreich zurückkehrte, als »Heers Vordenker«, der so wie dieser eine (politisch-weltanschauliche) Position eingenommen habe, »die er als eine des ›rechts Stehens und links Denkens‹ beschrieb«. Botz, Vom »Reich« über Europa zu Österreich, S. 178 und 180, sowie ders., »Rechts stehen und links denken?«, S. 283f. und 287. – Winter war übrigens von 1933 bis 1938 »der einzige Exponent des Politischen Katholizismus«, der offen gegen den von Bundespräsident Miklas gedeckten autoritären, in die Diktatur führenden Kurs der Bundeskanzler Dollfuß und Schuschnigg protestierte. Hanisch, Die Ideologie des Politischen Katholizismus, S. 15f. und 26f. – Zu Person und Werk Ernst Karl Winters vgl. Missong, Ernst Karl Winter, und Diamant, Die österreichischen Katholiken, S. 203–209, v. a. aber Holzbauer, Ernst Karl Winter. 958 Heer, Der Kampf um die österreichische Identität, S. 18. Vgl. z. B. Botz, Müller, Differenz/Identität, bes. S. 25–27 und 33–40. – »Heer schreibt wie immer aus einer unglaublichen Wissensfülle um Daten, Persönlichkeiten, kulturelle Entwicklungen, dabei in einer reichen, suggestiven, in starkem Maße persönliche Empfindungen ausdrückenden Sprache. Eine Psychogeschichte, eine Geschichte der mentalen Entwicklung, ausgehend von der Psyche vieler in den verschiedensten Funktionen wirkender einzelner, ist sein Ziel.« Bruckmüller, Nation Österreich, S. 49. 959 Heer, Der Kampf um die österreichische Identität, S. 266. Ein paar Zeilen weiter oben hielt Heer aber auch fest: »Exner und Bonitz haben in ihrer Organisation der Gymnasien und Realschulen in Österreich, Thun hat mit seiner Universitätsreform großartige Leistungen vollbracht. Es kann auch kein Zweifel bestehen: Österreich brauchte Berufungen aus dem Ausland, und hier kamen neben der Schweiz die Staaten des Deutschen Bundes vorrangig in Betracht.« 960 Scheichl, Friedrich Heer, S. 110. 961 Scheichl, Vorwort des Herausgebers, S. VIII.

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freilich nicht die des Essays ist, »sondern die des (leider schlampigen) wissenschaftlichen Buchs«962 : »[Werk-]Ausgaben und Forschungsliteratur sind nicht in Hinblick auf Benützer notiert, sondern als Notizen und Gedächtnisstützen für den Vorlesenden selbst […] Auch das Assoziieren und Abschweifen gehört zur wissenschaftlichen Vorlesung, die eben nicht ein Buchtext ist. Heer hat den Text aber offenbar kaum überarbeitet und diese Züge des Mündlichen bewahrt […] Das schnelle Produzieren und die dadurch notwendigerweise geringere Sorgfalt im Formulieren und Belegen hat Heers Büchern nicht gut getan und ihre Wirkung beeinträchtigt, hat es zumal den Kritikern leicht gemacht, seine neue Art des Zusammensehens der Fakten als unwissenschaftlich abzuqualifizieren, die, nicht bestreitbaren, ›handwerklichen Mängel‹ (Friedrich Wilhelm Graf) anzuprangern und sich damit einer inhaltlichen Auseinandersetzung zu entziehen.«963

Mitte der 1960er Jahre hielt Heer eine Vorlesungsreihe, in der er als einer der ersten versuchte, Adolf Hitler »in den österreichischen Kontext zu stellen«, und er »nahm ihn nicht als Unperson, Dämon oder Sündenbock, sondern als Person ernst«.964 Aus diesen Vorlesungen sind Heers seinerzeit lebhaft diskutierte Bücher Genesis des österreichischen Katholiken Adolf Hitler (1967) und Der Glaube des Adolf Hitler. Anatomie einer politischen Religiosität (1968) hervorgegangen. Der Germanist Sigurd Paul Scheichl hat im Studienjahr 1963/64 »zwei seiner (faszinierenden) Vorlesungen gehört« und erinnert sich daran wie folgt: »Besonders spannend in Heers Vorlesung war die jeweils letzte Doppelstunde des Semesters, in der er ›diskutierte‹, d. h. aufgrund von Studierenden gegebener Stichworte Monologe über Motive seiner Vorlesung (und seines nächsten Buchs) hielt und die Breite seines Wissens wie seine Fähigkeit zur assoziativen Zusammenschau vor Augen führte. Das (manchmal fast zu) Suggestive seines Tonfalls und seiner Redeweise ist eine lebendig gebliebene Erinnerung; Heer war in hohem Maß ein Mann des gesprochenen Worts.«965

Reinhold Knoll, ein regelmäßiger Hörer Friedrich Heers, fasste das Charakteristische dieser Vorlesungen so zusammen: »Seine Vorlesungen waren jeweils ein ›Bühnenstück‹, und gemäß moderner Dramaturgie war jeder Aktschluss von Überraschungen begleitet, unkonventioneller Interpretation oder Entdeckung bislang verborgener historischer Lineaturen. Die ganze Geistesgeschichte, die Friedrich Heer zur ›Aufführung‹ brachte, war buchstäblich zum 962 Ebd., S. III. 963 Ebd., S. VIII. – »Heer ist leider der Wirkung seines Werks selbst im Weg gestanden, weil er auf Erwartungen und Gewohnheiten seiner Leserinnen und Leser kaum Rücksicht genommen und alle Konventionen wissenschaftlichen Schreibens beiseite geschoben hat. […] Heer verstößt mit seiner Mischform zwischen Essay und großer historischer Darstellung gegen zu viele (auch gute) Regeln.« Scheichl, Editorische Notiz, S. XII. 964 Meissl, Kampf ums »Reich«, S. 102. 965 Scheichl, Friedrich Heer, S. 109.

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›Welttheater‹ geworden […]. Und die acht, neun oder gar zwölf Zuhörer bekamen rote Ohren, denn nie zuvor hatten sie sich Geschichte so lebendig gedacht, in einer kaum abweisbaren Aufdringlichkeit gegenüber der Gegenwart, weshalb man meinen konnte, die Gegenwart sei nur eine weitere Szene in der endlosen Folge von Dramen.«966

Mit Recht sind Friedrich Heer von Kritikern – unter anderem – »seine Vorliebe für kaum definierbare Begriffe«, »terminologische Unschärfe«, die »Reduktion der europäischen Geschichte auf die Spannung zwischen ›Kirche‹ und ›Ketzern‹«967 sowie eine weitgehend assoziative anstelle einer methodischen Herangehens- und Darstellungsweise vorgeworfen, von anderen aber im Gegenteil als dem jeweiligen Gegenstand bzw. Vorhaben adäquat gewürdigt worden.968 Heer war, mit einer glücklichen Wortprägung Richard Fabers, »ein extemporierender Gelehrter«.969 Faber hat Heers historische Methode als »eine (u. a. an Warburg & Co. geschulte) ikonologische bzw. poetologische: eine metaphorologische oder rhetorische ganz allgemein« bezeichnet. Es handle sich um eine »symptomatologische« Methode, »um eine politische Symptomatologie […] oder präziser : um eine politisch-religiöse [Symptomatologie]«.970 Das bedeutet aber auch, wie mit gleichem Recht konstatiert worden ist, dass Heer »im akademischen Sinn keine ›wissenschaftliche Methode‹« hatte und »keinem ›Ansatz‹ verpflichtet« war. »Er war ein Universalist, der souverän zwischen den Bereichen der Politik, der Kunst, der Technik, der Wissenschaft und dem Kommerz sprang und seine Thesen in skizzenhaften Beschreibungen der jeweiligen Protagonisten manchmal in einer untergründigen Weise entwickelt[e].«971 Der Autor dieser Zeilen erinnert sich recht gut an Auftritte Heers, der damals wohl schon von seinem schweren Krebsleiden gezeichnet war, im Österreichischen Rundfunk in den Jahren um 1980 und kann die folgende Beschreibung des (schriftlichen ebenso wie mündlichen) »Heer-Stils« durch Brigitte Hamann nur bestätigen: »Statt nüchtern zu berichten, jagte er seine Leser [bzw. Zuhörer ; 966 Knoll, Erinnerungen an Friedrich Heer, S. 14. 967 Scheichl, Friedrich Heer, S. 117. 968 So Konrad Paul Liessmann in seinem Vorwort zur 2003 erschienenen Neuausgabe von Heers »geistigem Testament« (Gaisbauer, Friedrich Heer, S. 331) Das Wagnis der schöpferischen Vernunft (1977): »Friedrich Heer hat den Begriff der ›schöpferischen Vernunft‹ nicht explizit definiert. Sein Verfahren ist in hohem Maße assoziativ, mäandernd, ein- und umkreisend, immer wieder exemplarisch, schöpfend aus einer Fülle detaillierter Kenntnise, aber nicht systematisch-begrifflich. […] Früher hätte man einen solchen Ansatz dialektisch genannt, heute ist man eher geneigt davon zu sprechen, daß Friedrich Heer zu einer Zeit, als dies noch lange nicht Mode war, den produktiven Widersprüchen und Verzweigungen, den Pluralitäten und Verirrungen, den Vieldeutigkeiten und Mehrfachcodierungen der Vernunft auf der Spur gewesen war.« Liessmann, Vorwort, S. I f. 969 Faber, Einleitung des Herausgebers, S. 26. 970 Faber, »Geschichte ist Gegenwart«, S. 139. 971 Pfabigan, Vorwort, S. VI. »Heer war […] keineswegs naiv und er verfügte sehr wohl über eine Methode, die allerdings zu seiner Zeit nicht anerkannt war.« Ebd., S. VII.

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Th.W.] mit wilden Assoziationen quer durch die Weltgeschichte und durch die wissenschaftlichen Disziplinen […].«972 »Doch«, und damit hat Sigurd Paul Scheichl vollkommen recht, »die Voraussetzung dieser Fähigkeit zum Assoziieren, Heers ungeheuer breites Wissen, regt oft zum Nachdenken über nicht gesehene Zusammenhänge an, selbst wenn dem Wissen die methodische Ordnung fehlt.«973 Mit anderen Worten: »Auch wenn das Analytische, das methodische Reflektieren nie seine Stärke war und kaum [irgend]wo eine straffere stoffliche Systematisierung vorliegt, so bewahrt er sich doch den Überblick durch eine für professionelle Historiker einzigartige Bildungswelt […].«974 Adolf Gaisbauer hat 2008 minutiös dokumentiert, dass Friedrich Heer sich zu Unrecht zeitlebens als Widerstandskämpfer und Opfer nationalsozialistischer Verfolgungen stilisiert bzw. fiktionalisiert hat.975 Fritz Wolfram, der langjährige Generalsekretär der Katholischen Aktion Österreich, hat daraufhin zur Verteidigung Heers bzw. zur Relativierung der Kritik an ihm die rhetorische Frage gestellt: »Wer verfügt […] denn schon über eine Biographie ganz ohne ›Lebenslüge‹?« Und er fügte hinzu: »Mir fällt es eigentlich nicht schwer, die mehr oder weniger faszinierenden Ideen des Autors und seine persönlichen Schwächen auseinanderzuhalten. […] Soll ich so wie Thomas Bernhard auch Friedrich Heer als ›Übertreibungskünstler‹ lesen, der mit objektiv Unhaltbarem dennoch etwas Schätzenswertes vermittelt, nämlich emotionale Beteiligtheit? Den Wissenschaftler und den Publizisten wird man schwerlich bei ihm auseinanderhalten können. Sollte man es können? Wünschen wir uns nicht mehr solche Doppelbegabungen?«976

4.5. Das Seminar bzw. Institut für Osteuropäische Geschichte (und Südostforschung) (1945–1975) Seit dem 6. August 1945 versuchte der in Grottau (Hr#dek nad Nisou) in Nordböhmen geborene Eduard Winter (1896–1982), der 1941 zum ordentlichen Professor für europäische Geistesgeschichte an der Philosophischen Fakultät der 972 Zitiert nach Scheichl, Friedrich Heer, S. 124. 973 Ebd., S. 125. 974 Meissl, Kampf ums »Reich«, S. 101. – Karl Markus Gauß hat zur Neuauflage von Heers Buch Das Wagnis der schöpferischen Vernunft bekundet: »Auf den mäandernden Wegen des Gedankens […], die scheinbar ziellos durchs geistige Gelände ziehen, führt uns Heer an so vielen Dingen vorbei, die wir vergessen oder von denen wir gar nie etwas erfahren haben, daß es schon deswegen lohnt, ihn zu begleiten; und diese Dinge, so disparat, unzusammenhängend, fremd sie wirken, schaut er auf eine Weise zusammen, die oft verwegen, manchmal erzwungen, aber immer anregend ist.« Zitiert nach Scheichl, Vorwort des Herausgebers, S. X. 975 Gaisbauer, »Heer-Bilder«. Vgl. auch Hell, Lebens-Lüge. 976 Wolfram (F.), Leserbrief.

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Deutschen Universität Prag und 1942 zum Leiter des auf seine Initiative hin an der Prager Universität errichteten und der Reinhard-Heydrich-Stiftung977 eingegliederten Instituts für osteuropäische Geistesgeschichte ernannt worden war, auf Dauer im Wiener Seminar für Osteuropäische Geschichte Fuß zu fassen.978 Vergeblich: Mehr als eine Stelle als unbesoldete wissenschaftliche Hilfskraft am Seminar für Osteuropäische Geschichte (im Wintersemester 1945/46) und (zumindest offiziell) am Slawischen Seminar (im Sommersemester 1946) ließ die Universität bzw. das Unterrichtsministerium dem umtriebigen, wissenschaftlich enorm produktiven und politisch-weltanschaulich wendigen Flüchtling nicht zukommen.979 Die unbesoldete Stelle an der Universität verschaffte ihm immerhin eine bessere Lebensmittelkarte.980 Während seine mit dem vierten Kind schwangere Frau mit den drei Kindern im heimatlichen Tirol »überwinterte«, setzte Winter in Wien alle Hebel in Bewegung, um die de facto und bald auch de jure vakante Professur für Osteuropäische Geschichte zu erlangen. Die Ursache für Winters »Scheitern in Wien« ist möglicherweise (Winter selbst jedenfalls war Zeit seines Lebens davon überzeugt981) in erster Linie in dem Umstand zu suchen, dass die herrschenden konservativ-klerikalen Kreise in Österreich im Allgemeinen, in der Universitätsleitung und im Unterrichtsministerium im Besonderen (mit Rektor Ludwig Adamovich [sen.] und Minister Felix Hurdes an der Spitze) es für einen österreichischen Universitätsprofessor als »untragbar« erachteten, dass er, obwohl (seit 1919) katholischer Priester, 1941 geheiratet hatte und deshalb exkommuniziert worden war. Vielleicht spielte auch der kirchenkritische Grundtenor seines Buches Der Josefinismus und seine Geschichte. Beiträge zur Geistesgeschichte Österreichs 1740–1848 (1943, ausgeliefert erst 1944982) eine gewisse Rolle oder sein ostentatives Naheverhältnis zu Offizieren der Roten Armee und seine rasche Konversion vom (zumindest nomi-

977 Die Reinhard-Heydrich-Stiftung wurde 1942 eingerichtet »zum Zweck der ›Erforschung der völkischen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Böhmens und Mährens sowie der Völker im ost- und südosteuropäischen Raum‹, mithin zum Zweck einer Forschung, die direkt im Dienst der nationalsozialistischen Kriegs- und Eroberungspolitik stand«. Luft, Eduard Winter, S. 288. 978 Zu Winters Prager Jahren (zunächst an der Theologischen, seit 1941 an der Philosophischen Fakultät) jetzt eingehend ebd., S. 159–318, zu seinem »Existenz- und Durchsetzungskampf in Wien (1945–1947)« ebd., S. 315–346. 979 Archiv der Universität Wien, Personalakten der Philosophischen Fakultät, PA 3750: Eduard Winter. 980 Winter, Mein Leben im Dienst des Völkerverständnisses, S. 167. 981 Siehe Winter, Erinnerungen, S. 10–34. 982 Neuauflage (Ost-)Berlin 1962 mit dem Untertitel: Die Geschichte des österreichischen Reformkatholizismus.

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nellen) Nationalsozialisten (er war sehr wahrscheinlich seit Februar 1940 Mitglied der NSDAP) zum Sozialisten bzw. Kommunisten.983 Zu Weihnachten 1945 skizzierte Winter für den ersehnten Fall, dass er längerfristig in Wien bzw. Österreich wissenschaftlich arbeiten könne, eine Art Arbeitsplan. Darin hielt er unter anderem fest, dass »eine Geschichte des Denkens in der Donaumonarchie mit besonderer Berücksichtigung der slawischen Völker und der Ungarn« besonders notwendig sei. »Es ginge um die Herausarbeitung der österreichischen Eigenart und vor allem Wiens als kultureller Umschlagplatz; religiöses und nationales Denken müßten beachtet werden, ohne daß die wirtschaftlichen Verhältnisse übersehen werden.«984 Am 8. Mai 1946 schrieb er seiner Frau, wenn es mit der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft und einem »Wirken in Österreich« nicht klappe, dann gehe er »in das sowjetische besetzte Deutschland«.985 Und am 26. Oktober : »Die Macht der katholischen Kirche ist hier zu groß. […] ich will der Aufforderung der Universität Halle/Saale nachkommen, eine Professur für osteuropäische Geschichte an der Universität Halle anzunehmen«.986 Am 4. Dezember 1946 trat unter dem Vorsitz des Dekans, des berühmten, vom NS-Regime 1938 zwangsbeurlaubten Physikers und Pazifisten Hans Thirring (1888–1976), eine 17-köpfige Berufungskommission zusammen, bestehend aus 15 Professoren (darunter Eduard Castle, Hugo Hassinger, Rudolf Jagoditsch, August Loehr, Richard Meister und Leo Santifaller) und zwei kooptierten Mitgliedern, nämlich dem ein paar Wochen vorher zum Extraordinarius für Geschichte der Neuzeit ernannten Paul Müller und der Assistentin und Dozentin Erna Patzelt, der Leiterin des soeben wiedererrichteten Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Man einigte sich rasch auf zwei mögliche Kan983 »Die erneute Hinwendung Winters zu einer weiteren Weltanschauung vollzog sich in einem […] atemberaubenden Tempo […].« Luft, Eduard Winter, S. 317. 984 Zitiert nach Winter, Mein Leben im Dienst des Völkerverständnisses, S. 160f. Jahrzehnte später hat Winter diesen Plan in Form einer 1968 bis 1971 im Wiener Europa Verlag erschienenen Trilogie realisiert: Winter, Barock, Absolutismus und Aufklärung; ders., Romantismus, Restauration und Frühliberalismus; ders., Revolution, Neoabsolutismus und Liberalismus. 985 Zitiert nach Winter, Mein Leben im Dienst des Völkerverständnisses, S. 165. – Am 29. August 1946 schrieb Winter an Professor Alfred Kastil, den Verwalter des Nachlasses des Philosophen Franz Brentano und Besitzer der Wohnung, in der er in Wien längere Zeit lebte: »Ganz im Sinne unserer Aussprachen in Wien ist es mein Bestreben, in Österreich zu bleiben, da sich hier die günstigsten und verhältnismäßig freiesten Arbeitsmöglichkeiten ergeben. Freilich, Voraussetzung sind die Staatsbürgerschaft und eine bescheidene Lebensexistenz. […] Da ich aber die Schwierigkeiten für eine solche selbst bescheidene Lebensexistenz nicht verkenne, habe ich die Aufforderung des Dekans der Philosophischen Fakultät der Universität Halle, nach dort zu kommen, um neuere Geschichte vorzutragen, aufgegriffen. Diese Aufforderung erhielt ich Ende Juni […].« Zitiert nach ebd., S. 169. 986 Zitiert nach ebd., S. 171.

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Abb. 81: Eduard Winter (1896–1982). Fotografie, um 1950.

didaten für die Wiederbesetzung der vakanten ordentlichen Professur für Osteuropäische Geschichte: Heinrich Felix Schmid, von 1929 bis 1938 und wieder seit Oktober 1945 Professor für Slawische Philologie an der Universität Graz, und Eduard Winter. Loehr berichtete, Winter habe Rufe nach Halle, Leipzig und Berlin. Patzelt bemerkte, er sei nie Nationalsozialist gewesen, und Müller gab zu Protokoll, Winters Buch über den Josephinismus sei ein grundlegendes Werk. Castle bestätigte Letzteres und hob außerdem Winters Buch über Bernard Bolzano (Bolzano und sein Kreis, 1933) sowie sein Werk Tausend Jahre Geisteskampf im Sudentenraum (1938) lobend hervor. Hassinger sprach sich ebenfalls für Winter aus, den er von Prag her kenne. Schließlich wurde der Antrag, Winter primo loco und Schmid secundo loco vorzuschlagen, mit 14 gegen drei Stimmen (bzw. bei drei Stimmenthaltungen) angenommen.987 Im ausführlichen Kommissionsbericht wird unter anderem hervorgehoben, Eduard 987 Archiv der Universität Wien, Dekanat der Philosophischen Fakultät, Dekanats-Zahl 1310 aus dem Studienjahr 1945/46, Protokoll der Kommissionssitzung.

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Winter habe sich, »ausgehend von der europäischen Geistesgeschichte, in unermüdlicher Arbeit zum politischen und Universalhistoriker Osteuropas von grossen Ausmassen entwickelt«. Er gelte »als vorzüglicher Pädagoge und […] als ausgezeichneter und hinreissender Redner, dessen Vorträge sich durch besondere Klarheit und Eindringlichkeit kennzeichnen«. Er habe sich auch »als wissenschaftlicher Organisator grossen Stiles« bewährt. Dass er sich »auch als ausgezeichneter Kenner der Geschichte Oesterreichs bewährt« und »in allen seinen grossen Werken immer wieder auch die Geschichte Oesterreichs mitberücksichtigt« habe sowie »in ganz grossem Ausmasse aus den Wiener Archiven« schöpfe »und umfangreiche Aktenpublikationen aus denselben in die Wege geleitet« habe, empfehle Winter »für die Wiener Lehrkanzel in ganz besonderem Masse«. Über Heinrich Felix Schmid heißt es im Kommissionsbericht zusammenfassend, dass er »wohl die slawische Rechts- und Verfassungsgeschichte aus der Fülle der slawischen Quellen selbst meisterhaft beherrscht und bearbeitet hat – doch die zentralen Probleme der osteuropäischen politischen und Staatengeschichte sowie auch die engen Zusammenhänge und Beziehungen zwischen der Geschichte Oesterreichs und Osteuropas hat Schmid kaum oder doch nur sehr am Rande in den Kreis seiner Forschungen gezogen«.988

Jene drei Kommissionsmitglieder, die nicht für die Reihung: 1. Eduard Winter, 2. Heinrich Felix Schmid plädierten, »stimmten für eine Liste: Schmid und Winter primo et aequo loco«.989 Inzwischen war Winter, der seit dem Frühjahr 1945 staatenlos war, im November 1946 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden, die er bis zu seinem Tod behielt. Am 20. Januar 1947 teilte Dekan Hans Thirring dem Unterrichtsministerium den Berufungswunsch der Fakultät mit.990 In einem anonymen, am 1. Februar 1947 erschienenen Zeitungsartikel wurde Winter eine enge Kooperation mit Behörden und Amtsträgern der NSDAP in Prag in den Jahren 1939 bis 1945 vorgeworfen. Das Unterrichtsministerium holte daraufhin über Vermittlung des Außenministeriums beim österreichischen Gesandten in Prag Informationen ein, der wiederum das tschechoslowakische Außenministerium um Auskunft ersuchte. Zusätzlich gestützt auf ein Gutachten von Rudolf Jagoditsch, seit 1939 Professor für slawische Literatur- und Kulturkunde und nach 1945 zunächst der einzige Professor am Slawischen Seminar991, zu Winters politischer und wissenschaftlicher Tätigkeit im Protektorat Böhmen 988 Ebd., Durchschlag des Kommissionsberichts (undatiert). 989 Ebd. 990 Ebd., Durchschlag des Schreibens des Dekans an das Bundesministerium für Unterricht, und Luft, Eduard Winter, S. 331. 991 Jagoditsch, Die Lehrkanzel für slavische Philologie, S. 46, 48, Anm. 74, und 51, Anm. 77.

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und Mähren, weigerte sich Unterrichtsminister Felix Hurdes schließlich im Juni 1947, Eduard Winter zu berufen.992 Bereits kurz davor, im Frühjahr 1947, hatte Winter den Ruf an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands angenommen, an der er von Mai 1948 bis Februar 1951 als Rektor amtierte. 1951 nahm er einen Ruf auf den Lehrstuhl für osteuropäische Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin an, wo er bis zu seiner Emeritierung 1965 das Institut für Geschichte der Völker der UdSSR leitete.993 Winter zog wiederholt Parallelen zwischen seinem eigenen Schicksal und anderen gelehrten katholischen Priestern, mit denen er sich in seinen Forschungen intensiv beschäftigte. Anfang April 1947, kurz vor seiner Übersiedlung nach Halle, schrieb er an den katholischen Kirchenrechtler und Moraltheologen, Publizisten und Politiker Karl Hilgenreiner, einen (im Unterschied zu Winter) von den NS-Herrschern des »Protektorats Böhmen und Mähren« Verfolgten994 : »Zu den vielen Opfern, katholischen Priestern, die eigene Wege gingen, es seien die von mir behandelten Bernard Bolzano, Anton Günther und Franz Brentano genannt, soll nun ich selbst als ihr Publizist kommen.«995 In seiner letzten, 1979 erschienenen Monographie Ketzerschicksale mit biographischen und ideengeschichtlichen Vignetten von 32 heterodoxen christlichen Denkern aus neun Jahrhunderten (darunter – natürlich – auch Bolzano, Günther und Brentano) teilte er seinen Lesern im Vorwort mit: »Nicht um eine allgemeine Geschichte der Ketzerei geht es mir im folgenden, sondern um ein letztes Nachdenken über bestimmte Ketzer – über eigenständige und eigen992 Luft, Eduard Winter, S. 341. »In welchem Verhältnis die Ablehnung Winters aufgrund klerikalen Einspruchs wegen seiner Vergangenheit als Priester und seine Ablehnung aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialismus in Prag zueinander standen, ist nicht eindeutig zu bestimmen. Eine klare Sicht wird auch dadurch erschwert, daß Argumente häufig in Alibifunktion genutzt wurden. Sicherlich schlug man auch auf den nationalsozialistischen Kollaborateur und meinte den abtrünnigen Priester.« Ebd., S. 344f. 993 Siehe – neben Luft, Eduard Winter – v. a. Neˇ mec, Eduard Winter (2008); zuletzt Fillafer, Wallnig, Einleitung, S. 37–45, und in aller Kürze Neˇ mec, Eduard Winter (2017). – Friedrich Heer bemerkte in der am 6. August 1977 ausgestrahlten Radiosendung »Ex libris« (Gaisbauer, Friedrich Heer, S. 338, Nr. 45): »Die Ausladung Eduard Winters aus Österreich 1947 hat Österreich ebenso sehr geschadet, wie die nicht vollzogenen Berufungen altösterreichischer Forscher, bzw. ihre schnöde Behandlung hierzulande, in der Zweiten Republik. Der miese, wahrhaft elende geistespolitische Zustand Österreichs heute ist ein Ergebnis dieser Todsünden – für die kein Gericht zuständig ist.« Zitiert nach Oberkofler, Zum Kontext von Dossiers, S. 9. 994 Hilgenreiner war seit Juni 1944 im Kloster Z#smuky in Mittelböhmen, einem Konzentrationslager für Priester, inhaftiert, und befand sich anschließend, bis zu seiner 1946 erfolgten Abschiebung nach Österreich, in tschechoslowakischer Haft. Neue Deutsche Biographie, Bd. 9 (1972), S. 140f. (Onlinefassung: https://www.deutsche-biographie.de/ pnd117718092.html). 995 Zitiert nach Winter, Mein Leben im Dienst des Völkerverständnisses, S. 176.

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willige religiöse Denker, die mir im Laufe von sechs Jahrzehnten, in denen ich mich mit Ideengeschichte befaßt habe, begegnet sind. […] Jetzt, wo das Manuskript abgeschlossen vor mir liegt, erscheint es mir fast wie ein Testament, im wissenschaftlichen wie persönlichen Bereich; und manches Stück Lebensweg meiner Ketzergestalten gemahnt mich an meinen eigenen Werdegang mit seinen durchlebten Kämpfen und Nöten. […] Ich führe den Leser in meine Ketzergalerie, und das Buch, das ich ihm in die Hand gebe, ist nicht nur ein historisches Kompendium, sondern zugleich ein Bekenntnisbuch.«996

Erst im Sommersemester 1948 konnte am Seminar für Osteuropäische Geschichte mit der am 30. Juni 1947 erfolgten Berufung des in Berlin geborenen, 1945 auf sein Ordinariat für slawische Philologie an der Universität Graz zurückgekehrten Mediävisten Heinrich Felix Schmid (1896–1963), eines hervorragenden Kenners der Geschichte Polens und der böhmischen Länder, zum ordentlichen Professor für Osteuropäische Geschichte wieder ein geregelter Lehrbetrieb aufgenommen werden.997 Schmid war 1938 nach dem »Anschluss« zunächst in »Schutzhaft« genommen und anschließend seiner Lehrtätigkeit enthoben und in den Ruhestand versetzt worden.998 1947, nach der Verhinderung der Berufung Eduard Winters, ließ ihm das Unterrichtsministerium die Wahl zwischen der Professur für Osteuropäische Geschichte und dem Ordinariat für slawische Sprachwissenschaft an der Universität Wien frei, und er entschied sich »selbstverständlich« für die historische Professur.999 Neben Schmid und dem 1946 entlassenen und 1949 »reaktivierten« Alois Hajek lehrte und forschte am Seminar der 1949 habilitierte gebürtige Wiener Günther Stökl (1916–1998), der 1956 an die Universität Köln berufen wurde, wo er zu einem der führenden Osteuropahistoriker des deutschen Sprachraums aufstieg.1000 1948 wurde das Seminar für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien auf Wunsch von Heinrich Felix Schmid in Seminar für Osteuropäische Ge996 Winter, Ketzerschicksale, S. 7. 997 Die Ernennung durch den Bundespräsidenten erfolgte am 18. Februar 1948. Archiv der Universität Wien, Personalakten der Philosophischen Fakultät, PA 3318: Heinrich Felix Schmid, fol. 16–24. – Zur Geschichte des Seminars bzw. Instituts zwischen 1945 und 1990 siehe als instruktiven Überblick Leitsch, Wien. – H a u p t w e r k e H e i n r i c h F e l i x S c h m i d s : Die Nomokanonübersetzung des Methodius (1922); Die rechtlichen Grundlagen der Pfarrorganisation auf westslawischem Boden und ihre Entwicklung während des Mittelalters (1938); Byzantinisches Zehntwesen (1957). – Vgl. Stoy, Heinrich Felix Schmid. 998 In den Jahren 1942 bis 1944 hielt Heinrich Felix Schmid als Offizier der Nachrichtenabteilung des Generalstabs der Deutschen Luftflotte 4 in der besetzten Sowjetunion wiederholt schützend seine Hand über den ihm unterstellten, 1922 in Prag geborenen kommunistischen Widerstandskämpfer und späteren Deserteur Richard Wadani und rettete ihm dadurch vermutlich das Leben. Rettl, Koch, Richard Wadani, S. 81–98. 999 Schmid (H. F.), [Selbstdarstellung], S. 225. 1000 Stoy, Günther Stökl. Vgl. auch Leitsch, Einige Erinnerungen.

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schichte und Südostforschung und 1956 in I n s t i t u t für Osteuropäische Geschichte und Südostforschung umbenannt. Seit 1998 heißt es Institut für Osteuropäische Geschichte.

Abb. 82: Heinrich Felix Schmid (1896–1963). Fotografie, Photo Winkler, Wien.

Eine ähnlich dominierende Position wie Heinrich Lutz und Gerald Stourzh am Historischen Institut nahmen am Institut für Osteuropäische Geschichte und Südostforschung von 1965 bzw. 1967 bis zu ihrer 1996 bzw. 1993 erfolgten Emeritierung als nebeneinander wirkende ordentliche Professoren für Osteuropäische Geschichte Walter Leitsch (1926–2010) und Richard Georg Plaschka (1925–2001) ein. Walter Leitsch1001 wurde von der Universität Wien im De1001 H a u p t w e r k e v o n Wa l t e r L e i t s c h : Der Wandel der österreichischen Rußlandpolitik in den Jahren 1724–1726 (1958); Moskau und die Politik des Kaiserhofes im XVII. Jahrhundert, Teil 1: 1604–1654 (1960); Berichte über den Moskauer Staat in italienischer Sprache aus dem 16. Jahrhundert (1993); Sigismund III. von Polen und Jan Zamoyski (2006); Das Leben am Hof König Sigismunds III. von Polen, 4 Bde. (2009). – Vgl. Wakounig, Walter Leitsch, und Stoy, Walter Leitsch.

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zember 1964 in aller Eile für Osteuropäische Geschichte habilitiert, um im Frühjahr 1965 als Nachfolger seines im Februar 1963 überraschend verstorbenen Lehrers Heinrich Felix Schmid zum ordentlichen Professor für Osteuropäische Geschichte ernannt werden zu können. Er war ein Spezialist für die Geschichte Russlands und Polens in der Frühen Neuzeit – und ein notorischer Spötter und Zyniker.1002 Dem charakterlich gänzlich anders gearteten Richard Georg Plaschka1003, einem Schüler von Hugo Hantsch, war bereits 1962 die Lehrbefugnis für Allgemeine Geschichte der Neuzeit verliehen worden. Er befasste sich in erster Linie mit der Geschichte der böhmischen Länder und der Habsburgermonarchie im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Vor seiner Ernennung zum außerordentlichen (1965) bzw. ordentlichen (1967) Professor für Osteuropäische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der West- und Südslawen an die Universität Wien baute er 1958 im Auftrag von Unterrichtsminister Heinrich Drimmel zusammen mit mehreren Wissenschaftlern und Ministerialbeamten die Arbeitsgemeinschaft Ost auf, die 1964 in Österreichisches Ost- und Südosteuropa-Institut umbenannt wurde und die bzw. das Plaschka von 1958 bis 1988 leitete. Neben den beiden Ordinarien wirkten am Institut für Osteuropäische Geschichte und Südostforschung zeitweilig auch Ludwig Gogol#k (1910–1987), ein hervorragender Kenner der Geschichte der Slowaken und Ungarns (ab 1958 Lehrbeauftragter, 1969 Habilitation, ab 1974 außerordentlicher Titularprofessor)1004, der prominente, aus »rassischen« Gründen 1938 aus Österreich geflohene Historiker der Habsburgermonarchie Robert A. Kann (1906–1981; 1973/74 und 1976–1981 Gastprofessor)1005, Kurt Marko (geb. 1928), ein Spezialist der 1002 »Manchmal ging er mit seinem Zynismus etwas zu weit und musste sich bei einem Vortrag zur fünfzigsten Wiederkehr der russischen Revolution im Jahre 1967 von einem Zeitzeugen sagen lassen, dass denn das alles nicht so lustig gewesen sei.« Stoy, Walter Leitsch, S. 278. 1003 H a u p t w e r k e v o n R i c h a r d G e o r g P l a s c h k a : Von Palacky´ bis Pekarˇ. Geschichtswissenschaft und Nationalbewußtsein bei den Tschechen (1955); Cattaro – Prag. Revolte und Revolution. Kriegsmarine und Heer Österreich-Ungarns im Feuer der Aufstandsbewegungen vom 1. Februar bis 28. Oktober 1918 (1963); (gemeinsam mit Horst Haselsteiner und Arnold Suppan:) Innere Front. Militärassistenz, Widerstand und Umsturz in der Donaumonarchie 1918, 2 Bde. (1974); Matrosen, Offiziere, Rebellen. Krisenkonfrontationen zur See 1900–1918 (1984); Avantgarde des Widerstandes. Modellfälle militärischer Auflehnung im 19. und 20. Jahrhundert, 2 Bde. (2000). – Vgl. Hrabovec, Richard Georg Plaschka, und Suppan, Richard Georg Plaschka. 1004 Blehova, Ludwig Gogol#k. 1005 Kastner, Robert A. Kann; Winters, Das Werden eines Historikers. – Robert A. Kann ist der Autor mehrerer Standardwerke zur Geschichte der Habsburgermonarchie, darunter : The Multinational Empire: Nationalism and National Reform in the Habsburg Monarchy 1848–1918, 2 Bde. (1950), deutsche Ausgabe: Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918, 2 Bde. (1964); A History of the Habsburg Empire

Das Seminar bzw. Institut für Osteuropäische Geschichte (und Südostforschung)

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Abb. 83: Walter Leitsch (1926–2010). Fotografie, Photo Simonis, Wien.

Geschichte des Kommunismus und der Sowjetunion (1956–1962 Assistent, 1969–1973 Dozent, 1973–1991 außerordentlicher Professor)1006 sowie der spätere Ordinarius für Osteuropäische Geschichte an der Universität Klagenfurt Andreas Moritsch (1936–2001), ein exzellenter Kenner der Geschichte der Südslawen, insbesondere der Slowenen, im 19. und 20. Jahrhundert und des Austroslawismus (1968–1981 Assistent, 1981–1993 Dozent, danach bis zu seinem Tod Professor in Klagenfurt)1007. 1973 wurde die bisherige Assistentin Thorvi Eckhardt (1921–1979), die sich 1968 mit einer Einführung in das Studium der slawischen Paläographie habilitiert hatte und die von 1962 bis zu ihrem Tod die Österreichischen Osthefte redigierte, zur außerordentlichen Professorin für Osteuropäische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Hilfswissenschaften ernannt.1008 1526–1918 (1974), deutsche Ausgabe: Geschichte des Habsburgerreiches 1526–1918 (1977, 21990). 1006 Peyfuss, Kurt Marko. 1007 Suppan, Andreas Moritsch. 1008 Peyfuss, Thorvi Eckhardt.

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Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975

Abb. 84: Richard Georg Plaschka (1925–2001). Fotografie.

4.6. Das Archäologisch-Epigraphische Seminar bzw. das Institut für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik (1945–1975) Das Archäologisch-Epigraphische Seminar wurde 1956 in Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik und 1977/78 in Institut für Alte Geschichte und Klassische Archäologie umbenannt. 1984 wurde der Bereich der Klassischen Archäologie von der Alten Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik durch die Errichtung eines Instituts für Alte Geschichte und eines Instituts für Klassische Archäologie institutionell und 1989 auch räumlich getrennt. 1988 wurde das Institut für Alte Geschichte in Institut für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik und schließlich vor einigen Jahren, nach dem Dienstantritt von Bernhard Palme (geb. 1961) als Professor für Alte Geschichte und Papyrologie im April 2004, in Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik umbenannt.

Das Archäologisch-Epigraphische Seminar bzw. das Institut für Alte Geschichte

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Abb. 85: Rudolf Egger (1882–1969). Fotografie.

Rudolf Egger (1882–1969), seit 1929 ordentlicher Professor für Römische Altertumskunde und Epigraphik, wurde 1945, wiewohl er kein politisch aktiver Nationalsozialist gewesen zu sein scheint, im Zuge der »Entnazifizierung« aus politischen Gründen »entpflichtet« und 1947 im Alter von 65 Jahren in den dauernden Ruhestand versetzt. Von 1948 bis zu seinem Tod leitete er (die ersten zwei Jahre gemeinsam mit dem Archäologen Camillo Praschniker) im Auftrag der Kärntner Landesregierung sehr erfolgreich die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg.1009 Fritz Schachermeyr, der der Konzentration der »Wiener Schule« der Althistoriker auf die Epigraphik und die Archäologie im Allgemeinen sehr kritisch gegenüberstand, stellte Egger in seiner Autobiographie ein durchaus positives Zeugnis aus: »Dieser große Forscher hat die Bearbeitung und 1009 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 102–107.

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Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975

Auswertung von lateinischen Inschriften auf eine letzte Höhe gebracht. So hat damals die Wiener Schule das Optimum ihrer Blüte erreicht.«1010

Abb. 86: Artur Betz (1905–1985). Fotografie.

Auf Rudolf Egger folgte, nach einer längeren Vakanz, 1948 der in Siebenbürgen als Sohn eines k. u. k. Offiziers geborene, wissenschaftlich relativ wenig produktive Artur Betz (1905–1985) als ordentlicher Professor für Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. Nach Studium und Promotion an der Universität Wien hatte Betz seit 1932 als Bibliothekar, später als wissenschaftliche Hilfskraft und Assistent am Archäologisch-Epigraphischen Seminar gearbeitet. Er hatte sich 1940 mit Untersuchungen zur Militärgeschichte der römischen Provinz Dalmatien für Römische Geschichte und Lateinische Epigraphik habilitiert, und 1946 war ihm der Titel eines außerordentlichen Professors für Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik verliehen worden. Betz war ein engagierter und bei den Studierenden beliebter, offenbar etwas

1010 Schachermeyr, Leben, S. 180.

Das Archäologisch-Epigraphische Seminar bzw. das Institut für Alte Geschichte

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kauziger und daher von Anekdoten umrankter akademischer Lehrer. Als Forscher widmete er sich vor allem der kaiserzeitlichen lateinischen Epigraphik.1011

Abb. 87: Fritz Schachermeyr (1895–1987). Fotografie.

In der Person des gebürtigen Linzers Fritz Schachermeyr (1895–1987), eines Schülers von Adolf Bauer, wurde 1952 ausgerechnet ein (ehemaliger) »Rassenfanatiker«, ja der »bis 1945 […] entschiedenste Promulgator der nationalsozialistischen Rassenlehre unter allen professionellen Altertumswissenschaftlern«1012, zum Nachfolger des 1950 emeritierten Nazigegners Josef Keil bestellt. Schachermeyr hatte sich 1928 mit der im folgenden Jahr als Buch veröffentlichten Schrift Etruskische Frühgeschichte an der Universität Innsbruck für Geschichte des Altertums habilitiert und war ab 1931 Professor in Jena, ab 1936 in Heidelberg und seit 1941 in Graz gewesen. 1934 war ihm wegen seiner politischen Aktivitäten als Führer des Gaues Thüringen des nationalsozialistischen »Kampfringes der Deutschösterreicher im Reiche« die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt worden. 1937 war er der NSDAP beigetreten. 1946 war er aus politischen Gründen in den Ruhestand versetzt worden. Nachdem das 1011 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 120–129; Weber (E.), Artur Betz. 1012 Pesditschek, Wien war anders, S. 315.

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Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975

Bundeskanzleramt im Dezember 1951 der »Wiederverwendung« Schachermeyrs zugestimmt hatte, wurde er 1952 zum ordentlichen Professor für Griechische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik an der Universität Wien ernannt. Im Professorenkollegium der Philosophischen Fakultät hatte sich insbesondere der hoch angesehene klassische Philologe Albin Lesky dafür eingesetzt, ihn auf dem Dreiervorschlag an die erste Stelle zu setzen.1013 Durch die Berufung Schachermeyrs »vollzog sich ein Bruch in der Tradition des [Archäologisch-Epigraphischen] Seminars«.1014 Im Unterschied zu seinen Vorgängern, deren Forschungsschwerpunkte in der Epigraphik und in den Altertumswissenschaften gelegen waren, »bevorzugte er die historischen Forschungen und die kulturvergleichende Methode«.1015 »Seine philologischen und sprachwissenschaftlichen Kenntnisse und seine weitgespannten geisteswissenschaftlichen Interessen ermöglich[t]en Quellenstudien aus erster Hand und mach[t]en ihn zum Grenzgänger zwischen Alter Geschichte, Archäologie, Philologie, Sprachwissenschaft und Geschichtsphilosophie […].«1016 Der 1976 als Nachfolger von Artur Betz auf die Professur für Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik berufene Gerhard Dobesch (geb. 1939) erinnerte sich im Jahr seiner Berufung mit Begeisterung an seinen Lehrer Schachermeyr als »eine Persönlichkeit […], die von hellenischem Wesen geprägt war. Es waren unvergeßliche Stunden, wenn wir Studenten in Atem gehalten wurden von der drängenden Fülle der Ideen, wenn wir uns wie mit suggestiver Kraft hineinversetzt sahen in das zur Gegenwart werdende historische Geschehen und zugleich wieder darüber erhoben wurden durch eine über den Dingen stehende, universalhistorische Reflexion.«1017 1013 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 130–147. – Schachermeyr war übrigens ein Onkel Heinrich Fichtenaus. 1014 Pesditschek, Zur Geschichte des Instituts für Alte Geschichte, S. 19. 1015 Ebd. – H a u p t w e r k e v o n F r i t z S c h a c h e r m e y r (in Auswahl): Zur Rasse und Kultur im minoischen Kreta (1939); Indogermanen und Orient (1944); Alexander der Große. Ingenium und Macht (1949); Griechische Geschichte. Mit besonderer Berücksichtigung der Geistesgeschichte und der kulturmorphologischen Zusammenhänge (1960, 21969); Propyläen-Weltgeschichte, Bd. 3: Griechenland. Die hellenistische Welt (1962, 21976); Die minoische Kultur des alten Kreta (1964, 21979); Alexander der Große. Das Problem seiner Persönlichkeit und seines Wirkens (1973); Die ägäische Frühzeit, 5 Bde. (1976–1982); Griechische Geschichte. Entwicklung und Zusammenbruch (1978, 21980). – Vgl. Pesditschek, Fritz Schachermeyr ; Druckfassung: dies., Barbar, Kreter, Arier ; weiters: dies., Die Karriere des Althistorikers Fritz Schachermeyr. 1016 Weiler, Alte Geschichte, Klassische Archäologie und Altertumskunde, S. 101. 1017 Dobesch, Alte Geschichte an der Universität Wien, S. 21. In seinem Nachruf auf Schachermeyr schrieb Dobesch: »Er war ein faszinierender Lehrer, konzentriert und aus dem Vollen schöpfend, voll von Anregungen und neuen Ansichten, und er war ein begnadeter Redner, der die Gabe unvergleichlich plastischer Schilderungen besaß und dem das zu eigen war, was er selbst die ›Strahlkraft‹ nannte.« Zitiert nach Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 144.

Das Archäologisch-Epigraphische Seminar bzw. das Institut für Alte Geschichte

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Abb. 88: Ernst Kirsten (1911–1987). Fotografie.

Als Nachfolger Schachermeyrs bekleidete von 1970 bis 1981 dessen aus Sachsen stammender Schüler und Freund Ernst Kirsten (1911–1987), ein Spezialist für die historische Geographie und Topographie des Mittelmeerraumes, dem 1940 von der Universität Heidelberg auf der Grundlage der (ungedruckt gebliebenen bzw. nur teilweise veröffentlichten) Habilitationsschrift Die dorische Landnahme in Lakonien und Messenien die Lehrbefugnis für Alte Geschichte verliehen worden war, die Professur für Griechische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. Vor seiner Berufung nach Wien hatte Kirsten an der Universität Bonn seit 1963 als Direktor des neugegründeten Seminars für Historische Geographie und seit 1965 als ad personam ernannter Ordinarius gewirkt.1018 Neben Kirsten bekleidete von 1973 bis 1987 Roman Stiglitz (1922–1988), der sich 1967 für Griechische und Römische Altertumskunde habilitiert hatte und dessen Hauptinteressen in der griechischen Religionsgeschichte und Epigraphik sowie der historischen Topographie lagen, ein Extraordinariat.1019 1018 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 148–154; Schachermeyr, Ernst Kirsten. – H a u p t w e r k e E r n s t K i r s t e n s : Das dorische Kreta (1942); (gemeinsam mit Wilhelm Kraiker :) Griechenlandkunde. Ein Führer zu klassischen Stätten (1955, 51967); Süditalienkunde, Bd. 1: Campanien und seine Nachbarlandschaften (1975). 1019 Pesditschek, Die Professoren der Alten Geschichte, S. 155–160. – Das H a u p t w e r k v o n

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Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975

4.7. Das Institut für Numismatik (1965–1975) Im April 1961 wurde in Kooperation zwischen dem damaligen Unterrichtsminister Heinrich Drimmel und der ihr 50jähriges Bestehen feiernden Österreichischen Rektorenkonferenz eine Resolution beschlossen, die am Anfang eines – unter anderem angesichts stark steigender Studentenzahlen – »längst überfälligen und langerwarteten Erweiterungsprozesses der [österreichischen] Hochschulen stehen sollte«.1020 Allein innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre sollten österreichweit nicht weniger als 200 neue Professuren (Lehrkanzeln) geschaffen werden, in den darauf folgenden Jahren weitere 200.1021 An der Universität Wien wurden im Fachbereich Geschichte zwei neue Institute gegründet: das Institut für Numismatik (1965) und das Institut für Zeitgeschichte (1966).1022 Der Beginn der Lehre der Numismatik an der Universität Wien ist spätestens mit der Bestellung von Joseph Hilarius Eckhel zum Professor der Altertümer und der historischen Hilfsmittel im Jahr 1774 anzusetzen. Aber erst Wilhelm (Josef) Kubitschek richtete 1898 einen Numismatischen Lehrapparat als eigene Abteilung des Archäologisch-Epigraphischen Seminars ein. Kubitschek hielt auch noch nach seiner Emeritierung 1930 weiterhin Vorlesungen und Übungen zur antiken Numismatik ab. Die Numismatik des Mittelalters und der Neuzeit hingegen wurde von den Kustoden und Direktoren des Münzkabinetts des Kunsthistorischen Museums gelehrt.1023 1955 habilitierte sich der 1947 aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrte, bereits 1950 promovierte, 1953 bis 1962 als Münzexperte im Wiener Dorotheum beschäftigte Robert Göbl (1919–1997) für Antike Numismatik. Er war ein Schüler von Karl Pink (1884–1965), eines Priesters und Mönchs (Zisterzienser im Stift Wilhering), der 1933 für dasselbe Fach die Lehrbefugnis an der Universität Wien erhalten hatte, 1938 auf der Grundlage der rassistischen Nürnberger Gesetze von seinen Arbeitsplätzen im Münzkabinett und an der Universität vertrieben und seines Lehrauftrags beraubt worden war und der 1945 als Titular-Extraordinarius an die Universität zurückgekehrt war.1024 1965 wurde auf Initiative Göbls und mit Unterstützung und auf Fürsprache der Althistoriker Artur Betz und Fritz Schachermeyr sowie von Herbert Hunger (Professor für

1020 1021 1022 1023 1024

R o m a n S t i g l i t z , zugleich seine einzige Monographie, ist: Die großen Göttinnen Arkadiens. Der Kultname »megalai theai« und seine Grundlagen (1967). Höflechner, Das Fach »Geschichte«, S. 14f. Ebd., S. 15. 1966 wurde (auf Initiative von Kurt Schubert, der seit 1959 als außerordentlicher Professor für Judaistik am Institut für Orientalistik lehrte) übrigens auch das Institut für Judaistik der Universität Wien gegründet. Specht, Die Geschichte der numismatischen Lehre an der Universität Wien, S. 17–19. Ebd., S. 19.

Das Institut für Numismatik (1965–1975)

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Abb. 89: Robert Göbl (1919–1997). Fotografie, 1977.

Byzantinistik) und Manfred Mayrhofer (Professor für Indogermanistik) durch Ausgliederung aus dem Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik das Institut für Antike Numismatik und Vorislamische Geschichte Mittelasiens eingerichtet, dessen Name auf die beiden Forschungsschwerpunkte des ersten Institutsleiters zugeschnitten war.1025 Robert Göbl wurde 1965 zum außerordentlichen Professor an die Universität Wien und zum Institutsvorstand berufen. Von 1971 bis 1989 hatte er als Ordinarius den für ihn neu geschaffenen Lehrstuhl für Antike Numismatik und Vorislamische Geschichte Mittelasiens inne. Er begründete unter anderem die Reihe Moneta Imperii Romani (MIR), die die Münzprägung der einzelnen römischen Kaiser dokumentiert, und regte das an MIR anschließende Unternehmen Moneta Imperii Byzantini (MIB) an, das von seinem Mitarbeiter und späteren Nachfolger Wolfgang Hahn in Angriff genommen wurde.1026 1025 Siehe Göbl, Institut für Antike Numismatik. 1026 Göbl, [Autobiographie], und Specht, Die Geschichte der numismatischen Lehre an der

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Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975

Um sich auch offiziell dem gesamten Fach der Numismatik widmen zu können, wurde das Institut 19781027 in Institut für Numismatik umbenannt. Im Jahr 2000 wurde der Name auf Institut für Numismatik und Geldgeschichte erweitert.1028

4.8. Das Institut für Zeitgeschichte (1966–1975) In den ersten 15 Jahren der Zweiten Republik (bis ungefähr 1960) wurden an der Universität Wien deutlich weniger Lehrveranstaltungen zu Themen der Zeitgeschichte – »Zeitgeschichte« verstanden als »die Epoche der Mitlebenden und ihre wissenschaftliche Behandlung« (Hans Rothfels)1029 – angeboten als während der Ersten Republik (1919 bis 1933/34 bzw. 1938), als »fast in jedem Semester Zeitgeschichte, zumindest im weiteren Sinn, gelesen wurde«.1030 Den ersten Gesamtüberblick über die (politische) Geschichte Europas und der Welt von 1918 bis 1938 bot Hugo Hantsch unter verschiedenen Titeln zwischen 1950 und 1959 insgesamt viermal an.1031 Der 1948 an die Universität Wien berufene Professor für Osteuropäische Geschichte Heinrich Felix Schmid hielt erst zwischen 1957 und 1963 regelmäßig Vorlesungen zur Geschichte Osteuropas oder Südosteuropas oder Russlands im 19. und 20. Jahrhundert, seit dem Ersten Weltkrieg, seit der Weltwirtschaftskrise 1929 oder seit dem Zweiten Weltkrieg.1032 Der Privatdozent Ludwig Jedlicka (1916–1977), auf den gleich noch näher einzugehen sein wird, bot zwischen 1959 und 1965 so gut wie in jedem Semester Vorlesungen und andere Lehrveranstaltungen (Seminare und Übungen) zum Zweiten Weltkrieg und zu dessen Vorgeschichte an.1033 Friedrich Heer (siehe

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1030 1031 1032 1033

Universität Wien, S. 20f.; Weiler, Alte Geschichte, Klassische Archäologie und Altertumskunde, S. 104. – Robert Göbl verfasste zwei Standard-Lehr- und Handbücher, nämlich: Antike Numismatik, 2 Bde. (1978), und: Numismatik. Grundriß und wissenschaftliches System (1987); weitere H a u p t w e r k e R o b e r t G ö b l s sind (in Auswahl): Dokumente zur Geschichte der iranischen Hunnen in Baktrien und Indien, 4 Bde. (1967– 1968); Sasanidische Numismatik (1968, engl. 1971); System und Chronologie der Münzprägung des Kusˇa¯nreiches (1984). Siehe auch das Schriftenverzeichnis in: Numismatische Zeitschrift 106/107 (1999), S. 9–19, und Göbl, [Autobiographie], S. 73f. (zu den beiden großen Lehr- und Handbüchern ebd., S. 68f.). Nach Göbl, [Autobiographie], S. 66, erst im Jahr 1981. Specht, Die Geschichte der numismatischen Lehre an der Universität Wien, S. 21. Scheurig, Einführung in die Zeitgeschichte, S. 6. – Zu Hans Rothfels (1891–1976), einem der prominentesten Meinecke-Schüler, der von 1939 bis 1951 im Exil (zunächst in Großbritannien, dann in den USA) lebte, vgl. u. a. Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 70–105 und passim, sowie Hürter (Hrsg.), Hans Rothfels. Derndarsky, Berücksichtigung der Zeitgeschichte, S. 249. Ebd., S. 250 und 265f. Ebd., S. 249 und 265–267. Ebd., S. 250 und 266–268.

Das Institut für Zeitgeschichte (1966–1975)

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Kapitel 4.4), dem 1961 der Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors verliehen worden war, begann Mitte der 1960er Jahre eine mehrsemestrige Vorlesungsreihe mit dem Titel »Geschichte des Antisemitismus. Historische Genesis des österreichischen Katholiken Adolf Hitler«.1034

Abb. 90: Ludwig Jedlicka (1916–1977). Fotografie.

Mit der am 3. Juni 1966 auf Antrag des Professorenkollegiums der Philosophischen Fakultät der Universität Wien durch das Bundesministerium für Unterricht erfolgten Errichtung des Instituts für Zeitgeschichte kam die Institutionalisierung der Zeitgeschichte an der Universität Wien zu einem vorläufigen Abschluss. Hinter dieser Institutsneugründung standen »viele Jahre von öffentlichkeitswirksamer Aufbauarbeit und intensivem ›Networking‹ in Politik und Wissenschaft durch den 1958 [an der Universität Wien für Neuere Ge1034 Gerbel, Zur »gesamtdeutschen« Geschichtsauffassung, S. 112.

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Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975

schichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte; Th.W.] habilitierten Militärhistoriker Ludwig Jedlicka«.1035 Nicht zuletzt unterhielt Jedlicka seit Anfang der 1950er Jahre intensive Kontakte zu dem renommierten außeruniversitären Münchener Institut für Zeitgeschichte, als dessen »Korrespondent für Österreich« er sich etwas hochtrabend zu bezeichnen pflegte.1036 Jedlicka, der erste Vorstand des neu geschaffenen Instituts für Zeitgeschichte, wurde 1966 zum außerordentlichen und schließlich 1969 – gegen das Votum der universitären Berufungskommission1037 – zum ordentlichen Professor für Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte ernannt.1038 Gerhard Botz hat zu Recht auf einen möglichen Hintergrund des hinhaltenden Widerstands der Professorenschaft gegen die »Hebung« Jedlickas zum Ordinarius aufmerksam gemacht: »Jedlicka fehlte – anders als [seiner Nachfolgerin] Weinzierl – als Nicht-Absolvent des ›Institutskurses‹ des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung auch ein lange noch erforderliches Initiationsritual für Geschichtsprofessuren in Wien.«1039 Er hatte bereits Ende 1960 als privaten Verein die Österreichische Gesellschaft für Zeitgeschichte gegründet, deren Vorsitz der nicht gerade auf Zeitgeschichte spezialisierte Professor für 1035 Rathkolb, Zeit- und Gegenwartsgeschichte, S. 181. – »Institutionengeschichtlich betrachtet, verschaffte der geschickte Netzwerker Jedlicka der Zeitgeschichte durch seine offenen Medienkontakte – für ihn war universitäre Zeitgeschichtsforschung immer auch Dienstleistung für JournalistInnen – eine Bedeutung, die deutlich über das tatsächliche Oeuvre weit hinausging. Überdies gelang es ihm – trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Außenseiterposition – junge Studentinnen und Studenten für seine Projekte und Forschungen zu motivieren und auch ihre Leistungen zu würdigen. Sein Versuch, eine geschlossene, allein auf sein Institut, das auch ein Archiv und eine Bibliothek beinhaltete, konzentrierte Zeitgeschichtsforschung zu entwickeln, hingegen hat sich inzwischen längst überlebt.« Rathkolb, Ludwig Jedlicka, S. 367. 1036 Näheres bei Steinbacher, Anfänge der Zeitgeschichtsforschung. 1037 Rathkolb, Zeit- und Gegenwartsgeschichte, S. 185. 1038 Hugo Hantsch hatte im Mai 1965, wenige Monate vor seiner Emeritierung, in einem Gutachten die Ernennung Jedlickas zum außerordentlichen Titularprofessor (»tit. ao. Univ.-Prof.«) befürwortet, nachdem er im Mai 1963 in einem Schreiben an Unterrichtsminister Heinrich Drimmel die Verleihung einer regelrechten Professur für Zeitgeschichte an Jedlicka vehement abgelehnt hatte. Nach seiner »mühseligen Habilitation« (im Jahr 1958) habe Jedlicka keine wissenschaftlichen Arbeiten mehr vorgelegt. Überdies habe er die Zeitgeschichte, die »nach 1945 weitergeht, auf die NS-Zeit reduziert«. Die Verleihung einer Professur für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an Jedlicka würde, so Hantsch im Jahr 1963, berechtigten »Aufruhr unter jenen Dozenten für Neuere Geschichte erregen, die wissenschaftlich weit über Jedlicka stehen«. Zitiert nach Holeschofsky, Hugo Hantsch (2014), S. 145. Von Heinrich Felix Schmid, einem der Gutachter im Habilitationsverfahren, hatte sich Jedlicka unter anderem sagen lassen müssen: »Wozu werden eigentlich diese [nicht in Österreich erschienen, aber auch für Themen der österreichischen Geschichte wichtigen; Th.W.] Aktenveröffentlichungen durchgeführt, wenn die Erforscher der Zeitgeschichte sie nicht zur Kenntnis nehmen?« Müller (A.), Reichenau, S. 37. 1039 Botz, Rückblicke, S. 407.

Das Institut für Zeitgeschichte (1966–1975)

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Österreichische Geschichte Alphons Lhotsky übernahm, während Jedlicka selbst die Funktion des Generalsekretärs ausübte. Seit Februar 1961 hatte Jedlicka überdies das von dieser Gesellschaft errichtete außeruniversitäre Österreichische Institut für Zeitgeschichte geleitet.1040 1962 war er von der Bundesregierung (Kabinett Gorbach I) mit der Erforschung der österreichischen Widerstandsbewegung zwischen 1938 und 1945 beauftragt worden.1041 1971 gründete Jedlicka gemeinsam mit dem nachmaligen Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs Rudolf Neck (1921–1999) die »Wissenschaftliche Kommission des Theodor-Körner-Stiftungsfonds und des Leopold-KunschakPreises zur Erforschung der österreichischen Geschichte der Jahre 1927 [seit 1978: 1918] bis 1938«, die bis 1980 regelmäßig Tagungen zu Themen der Zeitgeschichte Österreichs veranstaltete und die Referate sowie Protokolle der an die Referate anschließenden Diskussionen publizierte.1042 Die Gründung der Kommission »war Kreiskys Idee, und Jedlicka war als der schwarze und Neck als der rote Teil dabei«.1043 Seit 1930 war Jedlicka Mitglied der »Hitler-Jugend«, wo er es bis zum HJOberstammführer brachte, und seit 1935 – also bereits in der Zeit der Illegalität – Mitglied der NSDAP gewesen. Von 1941 bis 1944 war er als dienstverpflichteter Gefreiter der Deutschen Wehrmacht im Heeresmuseum im Arsenal, dem späteren Heeresgeschichtlichen Museum, tätig gewesen, an das er 1954 zurückkehren konnte – »eine klassische österreichische Mitläuferbiographie«, wie

1040 Rathkolb, Zeit- und Gegenwartsgeschichte, S. 183. – Bereits im Frühjahr 1958 hatte sich, angeregt von Bruno Kreisky (damals Staatssekretär im Bundeskanzleramt), unter der Leitung von Rudolf Neck, dem späteren Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, die Arbeitsgemeinschaft für Geschichte der Arbeiterbewegung in Österreich konstituiert, aus der 1959 der Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung hervorging. Gerbel, Zur »gesamtdeutschen« Geschichtsauffassung, S. 108f. – Mitte Dezember 1960 fand im Hotel Thalhof in Reichenau an der Rax eine vom Unterrichtsministerium organisierte »Expertentagung« statt, zu deren schriftlicher Dokumentation Jedlicka nicht weniger als drei Texte beisteuerte und die er später als »Geburtsstunde der österreichischen Zeitgeschichtsforschung« bezeichnete. Müller (A.), Reichenau, S. 37. Minister Drimmel hielt ein Einleitungsreferat und ein Schlusswort, beteiligte sich an den Diskussionen und bekannte sich zur Wichtigkeit des Instituts für Zeitgeschichte, »das wir derzeit aktivieren«. Drimmel, Schlusswort, S. 219. 1041 Gerbel, Zur »gesamtdeutschen« Geschichtsauffassung, S. 111. – Unter Beteiligung Jedlickas wurde 1963 das – überparteiliche – Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) gegründet, das ab 1965 die Publikationsreihe Monographien zur Zeitgeschichte herausgab. Vgl. z. B. Bailer, 50 Jahre Dokumentationsarchiv, S. 9f., v. a. aber Neugebauer, Ludwig Jedlicka, Herbert Steiner und die Widerstandsforschung. 1042 Weinzierl, Anfänge, S. 307. – Jedlicka verhinderte übrigens Zeit seines Lebens, dass Erika Weinzierl, seine spätere Nachfolgerin auf der Wiener Professur, als Mitglied in die Kommission aufgenommen wurde. Rathkolb, Ambivalente Ordinariate, S. 108. 1043 Interview mit Anton Staudinger, zit. nach Kramer (J.), Sabo, »Das waren die Anfänge …«, S. 119.

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Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975

Peter Huemer treffend bemerkt hat.1044 Politisch hatte sich Jedlicka nach 1945 der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) angeschlossen, der er 1949 beitrat und von deren Unterrichtsministern Heinrich Drimmel (1954–1964) und Theodor Piffl-Percˇevic´ (1964–1969) er und »sein« Institut nachhaltig gefördert wurden.1045

Abb. 91: Ludwig Jedlicka vor dem Mikrofilmlesegerät mit seinen Assistenten Anton Staudinger (mit Pfeife) und Karl Stuhlpfarrer. Fotografie von Peter Lehner, ca. 1972.

1954 hatte Heinrich Benedikt die erste wissenschaftliche Darstellung der Geschichte der Ersten Republik herausgegeben.1046 Im Vorwort hatte er »[d]ie 1044 Huemer, Anmerkungen, S. 52. »Ludwig Jedlicka […] gehörte zu jener Generation enttäuschter junger Männer nach dem nationalsozialistischen Krieg, die sich missbraucht fühlten, in ihrem Glauben getäuscht, in ihrem Idealismus – soweit vorhanden – geschändet.« Ebd., S. 55. – Vgl. auch Botz, Rückblicke, S. 412–416. 1045 Siehe v. a. Rathkolb, Ludwig Jedlicka, und ders., Ambivalente Ordinariate. – H a u p t w e r k e v o n Lu d w i g J e d l i c k a : Ein Heer im Schatten der Parteien. Die militärpolitische Lage Österreichs 1918–1938 (1955); Der 20. Juli 1944 in Österreich (1965, 21966); Ende und Anfang. Österreich 1918/19 (1969); Vom alten zum neuen Österreich. Fallstudien zur österreichischen Zeitgeschichte 1900 bis 1975 (1975, 21977). – Zur politischen und amtlichen Biographie Heinrich Drimmels sowie zu seiner Personal- und Hochschulpolitik vgl. auch Rathkolb, Die Universität Wien und die »hohe Politik«, S. 50–53, und Wohnout, Heinrich Drimmel. 1046 Diese Geschichte der Republik Österreich entstand nicht zuletzt als Antwort auf und »Gegenentwurf« zu dem Werk Austria from Habsburg to Hitler des an der University of

Das Institut für Zeitgeschichte (1966–1975)

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universale Idee der Völkergemeinschaft und eines gegen Klassenjustiz gesicherten Rechtes« als »eine im alten Österreich wurzelnde Idee« beschworen, die es »über alle Krisen und Katastrophen, die dem neuen [Österreich] in die Wiege gelegt wurden, wach zu halten« gelte.1047 1977, im Jahr von Ludwig Jedlickas unerwartetem Tod, eröffnete der mittlerweile neunzigjährige Benedikt sein Vorwort zu einem Band mit gesammelten Aufsätzen des um eine Generation jüngeren Jedlicka mit folgenden Sätzen: »Ludwig Jedlicka steht an der Spitze der Österreichischen Zeitgeschichte als Lehrfach. Zur systematischen Pflege dieser Wissenschaft bedurfte es einer eigenen Lehrkanzel und eines mit ihr verbundenen Instituts. Dies durchzusetzen, wobei starke Widerstände zu überwinden waren, gelang der Beharrlichkeit und dem Enthusiasmus des Mannes, der uns jetzt eine Auswahl seiner vielseitigen Forschungsergebnisse in die Hände legt.«1048

Als akademischer Lehrer war Jedlicka nach dem Zeugnis seiner ersten Dissertanten in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre liberal und tolerant.1049 Am jungen Institut für Zeitgeschichte herrschte damals eine ausgesprochen kollegiale und kreative Atmosphäre, geprägt von Pionier- und Entdeckergeist. Peter Huemer, der 1968 bei Jedlicka dissertierte, erinnert sich an seinen Lehrer wie folgt: »Er hat sich für seine StudentInnen und ihre Arbeiten wirklich interessiert, er war fast jederzeit für unsere Fragen und Probleme ansprechbar, zumindest in dieser frühen Phase Mitte der 1960er Jahre, als die Zahl seiner Dissertanten überschaubar war. Er war stolz auf uns und hat als […] begnadeter Netzwerker über Arbeiten, von denen er sich etwas versprach, breit gestreut erzählt.«1050

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California, Berkeley, tätigen Ökonomen und Publizisten Charles A. Gulick, das im Original 1948 und in deutscher Übersetzung (Österreich von Habsburg zu Hitler) in 5 Bänden von 1948 bis 1950 erschienen ist. Gerbel, Zur »gesamtdeutschen« Geschichtsauffassung, S. 105. – Zu zwei weiteren frühen Monographien über die Geschichte der Ersten Republik, Walter Goldingers Geschichte der Republik Österreich und Hanns Leo Mikoletzkys Österreichische Zeitgeschichte (beide 1962 erschienen), siehe Safrian, Anfänge der österreichischen Zeitgeschichtsschreibung. Benedikt (H.), Vorwort (1954), S. 14. Benedikt (H.), Vorwort (1977), S. 5. Beispielsweise Wolfgang Neugebauer (promoviert 1969): »Seit 1964 als Student, dann intensiv 1966–1969 im Dissertantenseminar, konnte ich Professor Jedlickas Arbeit und Haltung verfolgen. Nach meinem Eindruck hatte er eindeutig mit dem NS-Gedankengut gebrochen, äußerte sich aber – im Unterschied etwa zu seinem Historikerkollegen Adam Wandruszka – nie zu seiner NS-Vergangenheit. […] Deutschnationale Burschenschafter wurden im Dissertantenseminar Jedlickas eher unfreundlich behandelt, während gegenüber linken Studierenden ein für damalige Verhältnisse hohes Maß an Toleranz herrschte.« Neugebauer, Ludwig Jedlicka, Herbert Steiner und die Widerstandsforschung, S. 66f. Huemer, Anmerkungen, S. 52. Vgl. auch ders., Als wir unser Institut bekamen.

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Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975

Hans Hautmann, der 1968 mit einer Dissertation über die Anfänge der linksradikalen Bewegung und der Kommunistischen Partei Deutschösterreichs 1916–1919 promoviert wurde, berichtet, Jedlicka habe ihn, obwohl er politisch »ziemlich weit links stand, […] stets entgegenkommend« behandelt.1051 »Jedlicka hatte Humor und eine sympathische, offene und unprätentiöse Manier, mit uns [d. h. mit seinen Assistenten und Dissertant/inn/en; Th.W.] umzugehen, ganz im Gegensatz zu den Historikerfürstenallüren, die manch andere aus dem Kreis der Herren Professoren an den Tag legten. […] Er war nicht der Produzent eines umfangreichen Œuvres zeitgeschichtlicher Standardwerke, sondern in erster Linie ein Anreger, geschickter Netzwerker und zielstrebiger Betreiber der Etablierung seines Faches in der österreichischen Wissenschaftslandschaft.«1052

Abb. 92: Erika Weinzierl (1925–2014) und Robert A. Kann (1906–1981). Fotografie, um 1975.

Auf Jedlicka, der 1977 im 61. Lebensjahr unerwartet gestorben war, folgte die streitbare, dezidiert »linkskatholische«, aber erst 1995 aus Protest gegen die Annäherung der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) an die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) aus der ÖVP bzw. aus dem Österreichischen Arbeiter- und Angestellten-Bund (ÖAAB) ausgetretene Intellektuelle Erika Weinzierl (1925– 1051 Hautmann, Erinnerungen, S. 429. 1052 Ebd. – Vgl. auch Kramer (J.), Sabo, »Das waren die Anfänge …« (Interviews mit Anton Staudinger und Gerhard Jagschitz, Jedlickas ersten beiden Assistenten).

Das Institut für Zeitgeschichte (1966–1975)

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2014). Sie hatte sich bereits seit den späten 1960er Jahren im Dialog zwischen österreichischen Katholiken und der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ) engagiert und war dabei »zu einer Grenzgängerin zwischen den beiden großen Parteien SPÖ und ÖVP« geworden, »ohne aber zentrale persönliche Anliegen aufzugeben«.1053 1979 wurde Weinzierl als ordentliche Professorin für Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Neuesten Geschichte an die Universität Wien berufen, wo sie bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 1995 lehrte. Sie hatte von 1945 bis 1948 den Kurs am Institut für Österreichische Geschichtsforschung absolviert, 1948 bei Leo Santifaller mit einer Dissertation über die Geschichte des Benediktinerklosters Millstatt in Kärnten promoviert, von 1948 bis 1964 als Archivarin am Haus-, Hof- und Staatsarchiv gewirkt und sich 1961 mit einem Buch über die österreichischen Konkordate von 1855 und 1933 an der Universität Wien (unter der Patronage Alphons Lhotskys) für das Fach Österreichische Geschichte habilitiert.1054 Ab 1964 hatte sie in Salzburg das Institut für kirchliche Zeitgeschichte am Internationalen Forschungszentrum für Grundfragen der Wissenschaften geleitet und daneben von 1967 bis 1969 ein Extraordinariat und von 1969 bis 1979 eine ordentliche Professur für Österreichische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte an der 1962 (wieder)errichteten Universität Salzburg innegehabt.1055 Bundespräsident Heinz Fischer würdigte Erika Weinzierls Rolle als Historikerin und öffentliche Mahnerin 2014 anlässlich ihres Todes folgendermaßen: »Sie war mutig, sie hat die Dinge beim Namen genannt und sie hat wesentlich 1053 Rathkolb, Weinzierl, Erika, geb. Fischer, S. 796f. 1054 Weinzierl hatte nur die eingeschränkte Venia legendi für »Österreichische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Kirchengeschichte« beantragt, doch auf Antrag Leo Santifallers fasste die Habilitationskommission einstimmig den Beschluss, ihr die Lehrbefugnis für das ganze Fach »Österreichische Geschichte« zu verleihen. Rathkolb, Ambivalente Ordinariate, S. 100. 1055 H a u p t w e r k e v o n E r i k a We i n z i e r l : Geschichte des Benediktinerklosters Millstatt in Kärnten (1951); Die österreichischen Konkordate von 1855 und 1933 (1960); Zu wenig Gerechte. Österreicher und Judenverfolgung 1938–1945 (1969, 41997); Emanzipation? Österreichische Frauen im 20. Jahrhundert (1975); Ecclesia semper reformanda. Beiträge zur österreichischen Kirchengeschichte im 19. und 20. Jahrhundert (1985); Prüfstand. Österreichs Katholiken und der Nationalsozialismus (1988). Beim zuletzt genannten Werk handelt es sich nicht um eine Monographie, sondern um eine Sammlung von seit 1963 erschienenen, überarbeiteten und aktualisierten, thematisch einschlägigen Aufsätzen der Autorin, leider unter Weglassung aller Anmerkungen. – Als Mitherausgeberin: Kirche in Österreich, 1918–1965, 2 Bde. (1966/67); Österreich. Die Zweite Republik, 2 Bde. (1972); Das neue Österreich. Geschichte der Zweiten Republik (1975); Justiz und Zeitgeschichte, 8 Bde. (1977–1991); Österreich 1918–1938. Geschichte der Ersten Republik, 2 Bde. (1982); Das große Tabu. Österreichs Umgang mit seiner Vergangenheit (1987); »Gegen Rassenhass und Menschennot«. Irene Harand, Leben und Werk einer ungewöhnlichen Widerstandskämpferin (2004). – Vgl. Rathkolb, Weinzierl, Erika, geb. Fischer, und ders., Erika Weinzierl, sowie Jochum, Kritische Chronistin.

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Von der Wiedererrichtung der Republik Österreich bis zum UOG 1975

dazu beigetragen, dass unser Bild über den Nationalsozialismus der Wahrheit näher gerückt wurde.«1056 Seit 2016 trägt ein Hörsaal der Universität Wien zu Ehren der zahlreiche Schülerinnen und Schüler prägenden akademischen Lehrerin und in allen Foren der österreichischen Öffentlichkeit vor Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Antisemitismus warnenden Stimme den Namen Erika-Weinzierl-Saal.1057 Das Nachwort zu ihrem im »Bedenkjahr« 1988 erschienenen Buch Prüfstand. Österreichs Katholiken und der Nationalsozialismus beendete Weinzierl mit den folgenden Sätzen: »Es ging und geht […] nicht um die Ausübung eines Richteramtes, sondern um das für die Verfasserin nicht ohne Trauer mögliche Aufzeigen jener historischen Phänomene, die dazu führten, daß auch überzeugte Katholiken Antisemiten waren und Nationalsozialisten geworden sind. Das Wissen darum ist kein undurchdringlicher Schild gegen künftige Irrwege und Schuld. Doch es kann und muß uns sensibler dafür machen, wie früh und auf welche Weise Wege in den Abgrund beginnen. Bereits das Wort, die Sprache sind gefährliche Waffen bei der Verletzung von Menschenrechten. Schon jene des Nachbarn zu bewahren[,] gehört zur Erfüllung des Gebotes christlicher Nächstenliebe ebenso wie zum Schutz der Freiheit und Würde, die jedem Menschen auf dieser Erde zusteht.«1058

1056 Zitiert nach https://medienportal.univie.ac.at/presse/aktuelle-pressemeldungen/detailan sicht/artikel/erika-weinzierl-saal-an-der-universitaet-wien/ [Zugriff: 16. 02. 2017]. 1057 Ebd. 1058 Weinzierl, Prüfstand, S. 300.

5.

Ausblick auf die Zeit nach 1975

Durch die Berücksichtigung von Erika Weinzierl haben wir das Jahr 1975, also die Grenze des Untersuchungszeitraums des vorliegenden Buches, bereits überschritten. Abschließend folgt ein kurzer Ausblick auf die Zeit seit dem Universitätsorganisationsgesetz (UOG) 1975, mittels dessen die traditionelle Ordinarienuniversität durch die Gruppen- bzw. Gremienuniversität ersetzt wurde. In deren Kollegialorganen (im Akademischen Senat, in den Fakultätskollegien, Studienkonferenzen, Institutskonferenzen, Berufungskommissionen und Habilitationskommissionen) verfügten die Vertreter/innen des akademischen »Mittelbaus«, also die Assistent/inn/en und Dozent/inn/en, sowie die Studentinnen und Studenten über starke Mitbestimmungsrechte. Etwa seit den 1970er Jahren lässt sich auch in Österreich im Allgemeinen und an der Universität Wien im Besonderen eine markante »Pluralisierung der Forschungsansätze und Deutungsmodelle«1059 sowie der Zugänge zur Vergangenheit in der Geschichtswissenschaft bzw. in den manchmal nicht zu Unrecht im Plural apostrophierten Geschichtswissenschaften beobachten.1060 In Reaktion auf westeuropäische Anregungen wurden auch an der Universität Wien Fragestellungen und Methoden der Sozial-, Struktur- und Mentalitätsgeschichte, der Alltags-, Frauen- und Geschlechtergeschichte, der Mikrohistorie, der His1059 Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme, S. 60. Siehe auch Iggers, Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, bes. S. 121–144 (Nachwort zur Neuausgabe 2007). 1060 Die Herausgeber und Herausgeberinnen der 1990 gegründeten Österreichischen Zeitschrift für Geschichtswissenschaften haben die Wahl des Plurals im Editorial des ersten Heftes nicht begründet. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 1 (1990), Heft 1, S. 5–8. In einer neueren Einführung in das Studium der Geschichte heißt es dazu: Das Studienfach Geschichte habe »sich seit seiner Entstehung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in eine Vielzahl von zeitlich, räumlich und thematisch, teils auch durch ihre spezifischen Methoden definierte Teildisziplinen aufgespalten […]. Angesichts dieser Lage ist hier die Rede von d e n Geschichtswissenschaften.« Cornelißen, Das Studium der Geschichtswissenschaften, S. 9. Vgl. auch Iggers, Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, S. 111–113.

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Ausblick auf die Zeit nach 1975

torischen Anthropologie und der Globalgeschichte aufgegriffen. Dadurch wurde das »Feld historischer Fragestellungen« stark erweitert, »ohne daß ein allgemeines Paradigma [im Sinne des ›frühen‹ Thomas S. Kuhn1061; Th.W.] – wie noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert – die verschiedenen Fragestellungen zusammenzuhalten und zusammenzuführen vermöchte«.1062 Die – auch mit der Vermehrung des wissenschaftlichen Personals und der starken Zunahme der Zahl der Studentinnen und Studenten zusammenhängende1063 – fortschreitende Spezialisierung, Pluralisierung und Erweiterung der Geschichtswissenschaft(en) hatte eine zunehmende Unübersichtlichkeit zur Folge, worauf an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden kann. Besonders augenfällig ist eine starke »Internationalisierung der Geschichtswissenschaft«1064, die sich auch in einer wachsenden Internationalisierung der Professorenschaft der geschichtswissenschaftlichen Institute der Universität Wien niederschlägt – dies allerdings erst seit der Jahrtausendwende. Aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit, aber auch um die Sammlung und Auswertung der Daten nicht ausufern zu lassen, beschränke ich mich bei der folgenden Analyse des Personalstands der Geschichte-Institute der Universität Wien in den Studienjahren 1975/76, 1997/98 und 2015/16 auf die Mitglieder der Professorenkurie (siehe Diagramm 1). Es werden also weder die habilitierten noch die nicht habilitierten Assistentinnen und Assistenten (Assistenzprofessor/inn/en und außerordentliche Professor/inn/en [»neuen Typs«1065]) berücksichtigt noch die Privatdozentinnen und -dozenten noch die externen Lehrbeauftragten (Lektor/inn/en). Im Untersuchungszeitraum ist sowohl die Zahl der Professor/inn/en als auch jene der Student/inn/en stark gewachsen. Die Zahl der Professorinnen und Professoren stieg von 16 im Jahr 1975 über 28 im Jahr 1997 auf 32 im Jahr 2015 (Diagramm 1).

1061 Siehe z. B. Rose, Thomas S. Kuhn, und Richards, Daston (Hrsg.), Kuhn’s Structure of Scientific Revolutions. 1062 Hammerstein, Heirbaut, Sozialwissenschaften, Geschichte und Rechtswissenschaft, S. 365. – »Es gibt jetzt [1993] kein Paradigma der Geschichtsforschung mehr, wie es das an den Universitäten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts durchaus gegeben hat, sondern eine Vielfalt von Forschungsstrategien.« Iggers, Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, S. 115f. 1063 Heiss, Zwischen Wissenschaft und Ideologieproduktion, S. 321. 1064 Vgl. z. B. Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme, S. 266–271. 1065 Nicht zu verwechseln mit den außerordentlichen Professor/inn/en »alten Typs«, die der Professorenkurie angehörten. Vgl. Anm. 1075.

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Ausblick auf die Zeit nach 1975 35 Professoren 30

Professorinnen Nicht-Österreicher/innen

25 20 15 10 5 0

1975/76

1997/98

2015/16

Diagramm 1: Zahlen der Professorinnen und Professoren (Mitglieder der Professor/inn/enkurie der Fakultät) an den Geschichte-Instituten der Universität Wien in den Studienjahren 1975/76, 1997/98 und 2015/16 (insgesamt und Frauenanteil sowie Anteil der Nicht-Österreicher/innen)1066

Im Studienjahr 1975/76 gab es an den sechs (mit dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung sieben) Geschichte-Instituten der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (Historisches Institut, Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik, Institut für Osteuropäische Geschichte und Südostforschung, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Institut für Zeitgeschichte und Institut für Antike Numismatik und Vorislamische Geschichte Mittelasiens) insgesamt 16 ordentliche und außerordentliche Professoren und keine einzige Professorin (ohne Berücksichtigung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte).1067 Von diesen waren nur zwei (= 12,5 Prozent) keine gebürtigen Österreicher : Heinrich Lutz (geb. 1922 in Wolfratshausen in Oberbayern) studierte und habilitierte sich (1961) in München. 1966 wurde er, nach Stationen am Deutschen Historischen Institut in Rom, an der Philosophisch-theologischen Hochschule Passau und an der Universität Saarbrücken, als ordentlicher

1066 Quelle: Siehe die Anmerkungen 1067, 1070 und 1074. 1067 Historisches Institut: Heinrich Appelt, Heinrich Fichtenau, Günther Hamann, Heinrich Lutz, Gerald Stourzh, Adam Wandrusza, Herwig Wolfram und Erich Zöllner ; Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik: Ernst Kirsten und Roman Stiglitz; Institut für Osteuropäische Geschichte und Südostforschung: Walter Leitsch, Kurt Marko und Richard Georg Plaschka; Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte: Michael Mitterauer ; Institut für Antike Numismatik und Vorislamische Geschichte Mittelasiens: Robert Göbl; Institut für Zeitgeschichte: Ludwig Jedlicka. Quelle: Personalstand der Universität Wien für das Studienjahr 1975/76. Nach dem Stande vom 1. Oktober 1975, hrsg. vom Rektorat der Universität (Wien 1975).

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Ausblick auf die Zeit nach 1975

Professor für Geschichte der Neuzeit an die Universität Wien berufen.1068 Ernst Kirsten (geb. 1911 in Chemnitz in Sachsen) studierte in Greifswald, Göttingen, München und Leipzig und habilitierte sich 1940 an der Universität Heidelberg für Alte Geschichte. Seit 1951 war er Professor an der Universität Bonn, bevor er 1970 als ordentlicher Professor für Griechische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik an die Universität Wien berufen wurde.1069 Innerhalb von gut zwei Jahrzehnten hat sich zwischen 1975 und 1997 die Zahl der an den Geschichte-Instituten der Universität Wien tätigen Professoren fast verdoppelt: Im Studienjahr 1997/98 gab es an den sechs (mit dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung sieben) Geschichte-Instituten der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien insgesamt 28 ordentliche und außerordentliche Professorinnen und Professoren (wiederum ohne Berücksichtigung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte).1070 Von diesen 26 Professoren und zwei Professorinnen (Edith Saurer und Luciana Aigner-Foresti waren Extraordinariae) waren nur drei (= 11,5 Prozent) keine gebürtigen Österreicher, der Prozentsatz der aus dem Ausland Berufenen blieb also gegenüber 1975 praktisch unverändert, ja er ging sogar leicht zurück: Der Wissenschaftshistoriker Mitchell Ash (geboren 1948 in New York), der nach Studien in den USA und Deutschland 1982 seinen Ph.D. an der Harvard University erlangt hatte, wurde 1997 als ordentlicher Professor für Geschichte der Neuzeit an die Universität Wien berufen.1071 Luciana Aigner-Foresti (geboren 1936 in Rom) arbeitete nach Studien in Graz und Perugia zunächst als Vertragsassistentin an der Universität Graz, habilitierte sich 1987 an der Universität Wien und wurde 1994 als außerordentliche Professorin für Etruskologie und Italische Altertumskunde an die Universität Wien berufen.1072 Peter Siewert (geboren 1940 in Friedrichshafen am Bodensee) studierte in München, Thessaloniki, Tübingen und Köln, habilitierte sich 1980 an der Universität des Saarlandes für 1068 Fellner, Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, S. 265f. 1069 Ebd., S. 218. 1070 Institut für Geschichte: Mitchell Ash, Wolfdieter Bihl, Karl Brunner, Heide Dienst, Gerhard Drekonja, Wolfgang Häusler, Alfred Kohler, Werner Maleczek, Edith Saurer, Winfried Stelzer und Herwig Wolfram; Institut für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik: Luciana Aigner-Foresti, Gerhard Dobesch, Peter Siewert und Ekkehard Weber ; Institut für Ost- und Südostforschung: Horst Haselsteiner, Maximilian Peyfuss und Arnold Suppan; Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte: Ernst Bruckmüller, Herbert Knittler, Michael Mitterauer, Hannes Stekl und Dieter Stiefel; Institut für Zeitgeschichte: Gerhard Botz, Gerhard Jagschitz, Anton Staudinger und Karl Stuhlpfarrer ; Institut für Numismatik: Wolfgang Hahn. Quelle: Personalstand der Universität Wien für das Studienjahr 1997/98. Nach dem Stande vom 1. Januar 1998, hrsg. von der Universitätsdirektion der Universität Wien (Wien 1998). 1071 Fellner, Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, S. 42f. 1072 Ebd., S. 35f.

Ausblick auf die Zeit nach 1975

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Alte Geschichte und wurde 1982 als Nachfolger von Ernst Kirsten als Ordentlicher Professor für Griechische Geschichte an die Universität Wien berufen.1073 Im Studienjahr 2015/16 zählte die Professor/inn/enkurie der HistorischKulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien 32 Mitglieder aus den sechs (mit dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung sieben) Geschichte-Instituten (ohne Berücksichtigung des Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie).1074 Die Unterscheidung von ordentlichen und außerordentlichen Professoren und Professorinnen spielt nun fast keine Rolle mehr.1075 Von den 25 Professoren und sieben Professorinnen (Gabriella Hauch, Christina Lutter, Dorothea Nolde am Institut für Geschichte, Petra Amann am Institut für Alte Geschichte, Kerstin Susanne Jobst am Institut für Osteuropäische Geschichte sowie Carola Sachse und Sybille Steinbacher am Institut für Zeitgeschichte) waren nicht weniger als 17, also etwas mehr als die Hälfte (53,1 Prozent), keine (gebürtigen) Österreicher/innen.1076 Fünf davon gehörten zum Personal des Instituts für Geschichte. Von Mitchell Ash war bereits die Rede; er wurde im Herbst 2016 emeritiert. Der französische und amerikanische Staatsbürger Philippe Buc (geboren 1961 in Paris) war seit 1990 zunächst Assistant Professor, dann Associate Professor und schließlich acht Jahre lang (Full) Professor in Medieval History an der Stanford University, bevor er 2011 an die Universität Wien berufen wurde. Dorothea Nolde (geboren 1965 in Ahrensburg in Schleswig-Holstein) studierte und promovierte an der 1073 https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Siewert [Zugriff: 28. 04. 2016]. 1074 Institut für Geschichte: Mitchell Ash, Peter Becker, Philippe Buc, Gabriella Hauch, Thomas Hellmuth, Christian Lackner, Christina Lutter, Dorothea Nolde, Walter Pohl, Wolfgang Schmale, Thomas Winkelbauer und Stefan Zahlmann; Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik: Petra Amann, Thomas Corsten, Fritz Mitthof und Bernhard Palme; Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte: Carsten Burhop, Franz X. Eder, Josef Ehmer, Thomas Ertl und Peer Vries; Institut für Osteuropäische Geschichte: Kerstin Susanne Jobst, Oliver Schmitt und Philipp Ther ; Institut für Zeitgeschichte: Rainer Gries, Bertrand Perz, Oliver Rathkolb, Carola Sachse, Friedrich Stadler, Sybille Steinbacher und Frank Stern; Institut für Numismatik: Reinhard Wolters. Quelle: Webseiten der Institute. 1075 Es gibt nur noch wenige »ordentliche Professoren«. Die meisten Mitglieder der Professorenkurie sind privatrechtlich – unbefristet oder auf bestimmte Zeit – angestellte Professorinnen und Professoren der in die Vollrechtsfähigkeit »entlassenen« Universität. »Außerordentlicher Professor« bzw. »außerordentliche Professorin« ist nunmehr der Berufstitel der dem beamteten universitären »Mittelbau« angehörenden »endgültig definitiv gestellten« (vulgo pragmatisierten) habilitierten Universitätsassistent/inn/en. 1076 Die biographischen Angaben in den folgenden Absätzen entstammen den Webseiten der betreffenden Institute sowie, soweit vorhanden, den Einträgen in der Online-Enzyklopädie Wikipedia und in Fellner, Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. – Derzeit (Sommer 2017) zählt die Professoren- und Professorinnenkurie der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät insgesamt 47 Mitglieder. Von diesen sind 25, d. h. 53,2 %, Deutsche, 17, also 36,2 %, sind Österreicher/innen, und fünf haben eine andere Staatsangehörigkeit.

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Ausblick auf die Zeit nach 1975

Universität Hamburg, war von 2005 bis 2012 Juniorprofessorin an der Universität Bremen, habilitierte sich 2012 an der Universität Basel und wurde 2014 als Professorin für Geschichte der Neuzeit (Schwerpunkt Frühe Neuzeit) an die Universität Wien berufen. Wolfgang Schmale (geboren 1956 in Würzburg) studierte in Bochum und Bordeaux, habilitierte sich an der Ludwig-Maximilians-Universität München und wurde 1999 als ordentlicher Professor für Geschichte der Neuzeit an die Universität Wien berufen. Stefan Zahlmann (geboren 1968 in Münster) studierte und promovierte an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster, habilitierte sich an der Universität Konstanz und wurde 2010 als Professor für Geschichte und Theorie von Medienkulturen (18.– 20. Jahrhundert) an die Universität Wien berufen. Der Althistoriker Thomas Corsten (geb. 1961 in Aachen) studierte und promovierte an der Universität Köln und habilitierte sich an der Universität Heidelberg. 2010 wurde er als Universitätsprofessor für Griechische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik an die Universität Wien berufen. Fritz Mitthof (geb. 1964 in Stuttgart) studierte in Heidelberg. 1998 bis 2008 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kommission für Antike Rechtsgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2004 habilitierte er sich an der Universität Wien, an die er 2008 als Professor für Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik berufen wurde. Am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte waren 2015 zwei der drei Professoren keine Österreicher. Carsten Burhop (geboren 1973 in Bremen) studierte in Bremen, Duisburg und Bonn, habilitierte sich 2005 im Fach Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, war einige Jahre Professor für Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte an der Universität zu Köln und lehrte von 2013 bis 2016 als Professor für Wirtschaftsund Sozialgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Weltwirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert an der Universität Wien (seit Oktober 2016 ist er Professor für Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bonn). Peer Vries (geboren 1953 in Weert in den Niederlanden) studierte an der Universität Leiden, an der er anschließend lange Zeit lehrte und forschte. 2007 wurde er an die Universität Wien berufen, wo er bis zu seiner Pensionierung 2016 als Professor für internationale Wirtschaftsgeschichte wirkte.1077 Am Institut für Osteuropäische Geschichte waren im Studienjahr 2015/16 alle drei Mitglieder der Professorenkurie keine Österreicher. Kerstin Susanne Jobst 1077 Zum Stichwort »zunehmende Internationalisierung« lässt sich auch noch anführen, dass der Österreicher Thomas Ertl (geboren 1968 in Innsbruck) zwar in Wien studierte, sich aber an der Freien Universität Berlin habilitierte und in Berlin, Rom, Heidelberg, Göttingen und Erlangen forschte und lehrte, bevor er 2011 als Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters an die Universität Wien berufen wurde.

Ausblick auf die Zeit nach 1975

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(geboren 1963 in Hamburg) studierte in Hamburg, Wien, Krakau und Mainz, habilitierte sich 2005 an der Universität Hamburg für Neuere und für Osteuropäische Geschichte und wurde 2012 als Professorin für Gesellschaften und Kulturen der Erinnerung im östlichen Europa an die Universität Wien berufen. Oliver Jens Schmitt (geboren 1973 in Basel) studierte in Basel, Wien, Berlin und München, habilitierte sich 2003 für das Fach Ost- und Südosteuropäische Geschichte an der Universität Regensburg und wurde 2005 Professor für Geschichte Südosteuropas an der Universität Wien. Philipp Ther schließlich ist zwar in Österreich geboren (1967 in Mittelberg im Kleinwalsertal), er ist bzw. war aber deutscher Staatsbürger, studierte an den Universitäten Regensburg und München und an der Georgetown University in Washington, promovierte an der Freien Universität Berlin, wurde 2002 Juniorprofessor für Polen- und Ukrainestudien an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), war anschließend Professor für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz und ist seit 2010 Professor für Geschichte Ostmitteleuropas am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien.1078 Am Institut für Zeitgeschichte waren 2015 beide Professorinnen und zwei der fünf Professoren keine Österreicher. Rainer Gries (geboren 1958 in Heidelberg) studierte in Freiburg im Breisgau, habilitierte sich 2002 an der FriedrichSchiller-Universität Jena, war von 2003 bis 2011 Vertragsprofessor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien und wurde schließlich 2014 auf den Franz Vranitzky Chair for European Studies berufen, eine transdisziplinäre Professur am Institut für Zeitgeschichte und am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Carola Sachse (geboren 1951 in Kassel) studierte an den Universitäten Fribourg (Schweiz) und Frankfurt am Main sowie an der Freien Universität Berlin, promovierte 1987 an der Technischen Universität Berlin, an der sie sich auch 2001 habilitierte, und wurde 2004 als Professorin an das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien berufen (emeritiert mit 1. Oktober 2016). Sybille Steinbacher (geboren 1966 in München) studierte in München, Warschau und Bochum, lehrte und forschte von 2005 bis 2010 an der FriedrichSchiller-Universität Jena, wo sie sich 2010 für Neuere und Neueste Geschichte habilitierte, und wurde noch im selben Jahr als Universitätsprofessorin für Zeitgeschichte (Vergleichende Diktatur-, Gewalt- und Genozidforschung) an die Universität Wien berufen; seit Mai 2017 ist sie Professorin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Frank Stern (geboren 1944 in Ostpreußen) studierte 1078 Seit 2017 wirkt am Institut für Osteuropäische Geschichte der Österreicher Wolfgang Mueller (geb. 1970 in Wien) – als Nachfolger des 2011 (!) emeritierten Schweizers Andreas Kappeler – als Universitätsprofessor für Russische Geschichte.

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Ausblick auf die Zeit nach 1975

in Tel Aviv, Berlin und Jerusalem. An der Universität Tel Aviv hatte er seit 1985 eine Dozentur für deutsche und europäische Geschichte und seit 1990 eine Assistenzprofessur an der Abteilung für Geschichte inne. Nach verschiedenen akademischen Stationen in den USA, in Österreich (Innsbruck und Wien), Israel und Deutschland wurde er 2004 als Professor für visuelle Zeit- und Kulturgeschichte an das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien berufen. Der einzige Professor (im Sinne von: Mitglied der Professorenkurie) am Institut für Numismatik war im Studienjahr 2015/16 Reinhard Wolters (geboren 1958 in Duisburg). Er studierte in Bochum, Bonn, Münster und Wien, habilitierte sich 1995 an der Technischen Universität Braunschweig, war anschließend außerplanmäßiger Professor zunächst in Braunschweig und danach in Tübingen. Seit 2010 lehrt er als Professor für Numismatik und Geldgeschichte an der Universität Wien. Die rasche »Internationalisierung« der Professorenschaft der GeschichteInstitute der Universität Wien zwischen 1998 und 2015 war also in erster Linie, wenngleich nicht ausschließlich, eine »Germanisierung«: 13 der 17 NichtÖsterreicher/innen waren Deutsche und nur vier nicht, nämlich je ein (gebürtiger) US-Amerikaner (Mitchell Ash), Franzose (Philippe Buc), Schweizer (Oliver Schmitt) und Niederländer (Peer Vries). Die Zukunft wird zeigen, ob es früher oder später zu einer Marginalisierung der Österreicherinnen und Österreicher in der Professorenschaft der Geschichte-Institute der Universität Wien kommen wird. Da die Förderungsmöglichkeiten für hochbegabte Nachwuchshistorikerinnen und -historiker insbesondere in Deutschland, aber auch in der Schweiz deutlich besser sind als in Österreich, ist dies nicht unwahrscheinlich. Ausgelöst durch Turbulenzen bei der Neubesetzung der Professur für Zeitgeschichte an der Universität Graz, kam es im Februar und März 2017 auf den Debattenseiten der österreichischen Tageszeitungen Der Standard und Die Presse zu einer Auseinandersetzung über die Frage, ob – insbesondere in den historischen Fächern und in der Kunstgeschichte – »zu viele Deutsche« als Professoren und Professorinnen an österreichische Universitäten berufen werden. Der Soziologe Reinhold Knoll (geboren 1941 in Wien) beklagte unter anderem, dass es als Folge der skizzierten Entwicklung »keine Spezialvorlesung mehr über österreichische Malerei« gebe und »beispielsweise Franz Schubert inzwischen zur deutschen Musik gezählt« werde. Er behauptete auch, es mehrten sich die Beispiele dafür, dass »die deutschen Professoren und Professorinnen« die »österreichische ›Begabungsreserve‹« zu wenig fördern, »an der Entwicklung der Institute nur wenig Anteil […] nehmen, hingegen bei nächster Gelegenheit sofort wieder nach Deutschland […] verschwinden«.1079 Der Wirt1079 Knoll, Unis: Wiederholt sich die Geschichte?

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schafts- und Sozialhistoriker Michael Pammer (geboren 1962 in Linz) replizierte kühl: »Der Wissenschaftsmarkt ist ein internationaler, in dem die nationale Herkunft im Idealfall keine Rolle spielt. Prinzipiell geht es bei Berufungen um Qualität. Qualitätsvorstellungen sind gewiss nicht einheitlich, aber die nationale Herkunft gehört definitiv nicht zu den infrage kommenden Qualitätsmerkmalen. Wenn sich viel mehr Deutsche als Österreicher bewerben, was der Regelfall ist, ist es bei einer halbwegs fairen Durchführung von Berufungsverfahren unvermeidlich, dass mehr Deutsche berufen werden.« Aber, keine Angst: »Die Ausländer nehmen uns die Stellen nicht weg. Ausnahmen sind die paar Deutschen.«1080

Der Historiker und Archivar Michael Hochedlinger (geboren 1967 in Linz) wandte dagegen ein, dass »deutsche Arbeitsmigranten« an den österreichischen Universitäten »längst […] die universitäre Geschichtswissenschaft insgesamt« beherrschten, und warnte: »Dass an heimischen Universitäten immer mehr deutsche Professoren immer mehr deutsche Studenten unterrichten, ist ein Faktum. Was in medizinisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen und manchen Geisteswissenschaften aber kein sachliches Problem darstellen muss, wird in Fächern mit konkreten Raumbezügen wie der Geschichtswissenschaft nicht ohne gravierende Folgen bleiben.« Es müsse die Frage gestattet sein, »welche Themen der zur Fachvertretung berufene akademische Lehrer zu bearbeiten willens und in der Lage ist. Bei deutschen Historikern, denen die eigene Vergangenheit wahrlich genug aufgibt, scheint die Bereitschaft, sich der Geschichte des Gastlandes zu widmen, oft geringer ausgeprägt.« Dies habe »auch karrierestrategische Gründe. Denn die Befassung mit ›abseitigen‹ österreichischen Themen reduziert die Chancen im Lehrstuhlhopping, das nach vielen Jahren der Wochenendbeziehungen idealerweise wieder Richtung Heimat und Familie führen soll.«1081

Der österreichische Germanist Fritz Peter Knapp (geboren 1944), emeritierter Professor an der Universität Heidelberg, hat in einem Leserbrief an die (zumindest theoretische) Selbstverständlichkeit erinnert, dass für eine Berufung auf eine Professur »immer nur die Qualifikation, nicht die Herkunft des Bewerbers entscheidend sein« darf. Andererseits habe aber auch die regionale Perspektive ihre Berechtigung. Diese werde »traditionell überwiegend in der jeweiligen Region auch besonders gepflegt, z. B. ›Österreichische Geschichte‹ eben in Österreich. Selbstverständlich kann trotzdem auch hier ein Ausländer der beste Fachvertreter sein. Doch dies ist im konkreten Fall nachzuweisen.«1082 Ob Hochedlingers Kassandraruf zu Recht erschallt (bzw. erschallt sein wird), das wird man vielleicht erst in einigen Jahrzehnten wissen. Immerhin sind die an 1080 Pammer, Die Unis und der deutsche Einmarsch. Siehe auch ders., Deutscher Einmarsch. 1081 Hochedlinger, Historische Kavallerie für Oughadougou. 1082 Knapp, Regionale Perspektive.

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Ausblick auf die Zeit nach 1975

den österreichischen Universitäten erstmals in den 1850er Jahren eingerichteten Professuren für Österreichische Geschichte – wo es sie noch gibt (an der Universität Graz, immerhin der zweitgrößten Universität Österreichs, wurde die Professur seit der Emeritierung von Moritz Cs#ky im Jahr 2004 nicht nachbesetzt) – derzeit überwiegend mit Österreichern und einer Österreicherin besetzt: in Wien mit Christina Lutter (Schwerpunkt Mittelalter), Thomas Winkelbauer (Schwerpunkt Frühe Neuzeit) und Peter Becker (Schwerpunkt 19. und 20. Jahrhundert), in Innsbruck mit Kurt Scharr. Professor für Österreichische Geschichte an der Universität Salzburg ist der – hochqualifizierte – Engländer Laurence Cole, und an der Universität Klagenfurt hat der – ebenfalls bestens qualifizierte – gebürtige Bayer Reinhard Stauber die Professur für Neuere und Österreichische Geschichte inne. Es gibt zwar auch in Österreich Förderprogramme für exzellente Dissertant/ inn/en und Habilitand/inn/en – das APART-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, eines der wenigen Habilitationsstipendien in Österreich, wurde allerdings in den drei aufeinanderfolgenden Jahren 2015, 2016 und 2017 nicht ausgeschrieben, und sogenannte Laufbahnstellen, die eine Entfristung von Postdoc-Stellen nach der Erfüllung bestimmter Bedingungen (etwa der Habilitation) ermöglichen, gibt es, jedenfalls im Bereich der Geschichte, an den österreichischen Universitäten bisher nur in homöopathischen Dosen. Eine nicht geringe Zahl von jungen österreichischen Historikerinnen und Historikern wagt es unter anderem deswegen, den heutzutage für eine akademische Karriere unverzichtbaren Weg ins Ausland zu beschreiten. Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeitsbedingungen an der Universität Wien und an ihren Geschichte-Instituten so attraktiv bleiben bzw. (wieder) werden, dass der eine oder die andere von ihnen sich – möglichst nach Lehrjahren und dem Sammeln von Erfahrungen im Ausland – um offene Stellen an der Universität Wien bewerben und dabei reüssieren wird. Einige Umstände des Lehrens und Forschens an einer Massenuniversität mit im Wintersemester 2016/17 nicht weniger als rund 7500 Geschichtestudentinnen und -studenten1083 sind freilich nicht unbedingt dazu angetan, diese Hoffnung als sehr realistisch erscheinen zu lassen.

1083 Vgl. Anm. 1.

6.

Anhang

6.1. (Ordentliche) Professoren im Fachbereich Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (von den Anfängen bis ca. 1980) Professoren für Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien 1552 1729–1737 1737–1745 1745–1752

Johannes (J#nos) Sylvester (Inhaber der Lectura historica an der Artistenfakultät) P. Joseph Pichler SJ P. Sigismund Calles SJ P. Joseph Pohl SJ

Professoren für Profangeschichte (»Professores Historiarum«) zunächst an der Juridischen Fakultät, bald aber (zumindest de facto) an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien 1753–1758 1758–1768 1769–1772

Michael O’Lynch Giovanni Battista de Gaspari Joseph Alois von Leporini

Professoren für (Pragmatische) Universalgeschichte (bzw. für Universalgeschichte und österreichische Staatengeschichte bzw. für Weltgeschichte und österreichische Staatengeschichte sowie [seit 1825] für Diplomatik [und Heraldik]) an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien 1774–1776 1776–1783 1783–1786

P. Mathias Ignaz Ritter von Heß SP P. Nikolaus Adaukt Voigt SP Leopold Plöch

316 1786–1790 1790–1798 1798–1800 1800–1807 1807–1824 1824–1828 1828–1838 1838–1842 1842–1861

Anhang

Heinrich Joseph Watteroth (1790 als Professor der Statistik an die Juridische Fakultät versetzt) Franz Joseph Mumelter von Sebernthal Franz Caspar Lehmann Johann Wilhelm Ridler (1800–1804 als Supplent; 1806 erhielt er zusätzlich den Auftrag, die seit 1799 nicht besetzte Professur für Diplomatik und Heraldik mitzuversehen) Martin Wikosch (seit 1815 auch für die Lehre der Heraldik zuständig) Joseph Calasanz Arneth (als Supplent) Franz Niklas (Nikolaus) Titze Josef Leonhard Knoll Johann Nepomuk Kaiser

Professoren für Altertümer und historische Hilfsmittel (insbesondere Numismatik) bzw. für Numismatik und Altertumskunde 1774–1798 1798–1816 1817–1840 1841–1863

Joseph Hilarius (von) Eckhel Franz Neumann (1798–1810 als Supplent) Anton (von) Steinbüchel Joseph Calasanz (von) Arneth

Professoren für Diplomatik (mit Heraldik und Genealogie) 1783–1799 1799–1804 1806–1807 1808–1825

P. Gregor Maximilian Gruber SP (ao. Prof. der Diplomatik und Heraldik) Franz Karl Xaver Alter (als Supplent?) Johann Wilhelm Ridler (gleichzeitig weiterhin Professor der Weltgeschichte und der österreichischen Staatengeschichte) Martin Wikosch

Professoren für Allgemeine Geschichte 1850–1852 1853–1872 1872–1899 1872–1896

Heinrich Wilhelm Grauert Joseph Aschbach Max Büdinger Heinrich (von) Zeißberg

Professoren im Fachbereich Geschichte an der Universität Wien

317

Professoren (für Allgemeine und) für Österreichische Geschichte 1851–1872 1861–1885 1887–1898 1900–1936 1899–1916 1941–1945

1951–1968 1962–1986 1969–1984

P. Albert Jäger OSB Ottokar Lorenz Alfons Huber Alfons Dopsch (seit 1898 ao. Prof.) Josef Hirn Otto Brunner (o. Prof. für Mittlere und Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der südostdeutschen Landesgeschichte; 1930–1941 ao. Prof. für Geschichte des Mittelalters und Österreichische Geschichte) Alphons Lhotsky (seit 1946 ao. Prof.) Erich Zöllner (bis 1969 mit dem Zusatz: »mit besonderer Berücksichtigung der Neuzeit und der historischen Hilfswissenschaften«; seit 1953 tit. ao. Prof.) Adam Wandruszka

Professoren für Geschichte (des Mittelalters) und Historische Hilfswissenschaften 1867–1891 1896–1903 1897–1929 1904–1926 1926–1940 1941–1942 1943–1962 1962–1983 1963–1980 1971–2002

Theodor (von) Sickel (1857–1867 ao. Prof. der historischen Quellenkunde und Paläographie) Engelbert Mühlbacher (seit 1881 ao. Prof.) Oswald Redlich (seit 1893 ao. Prof.) Emil (von) Ottenthal (Ottenthaler von Ottenthal) Hans Hirsch Heinz Zatschek Leo Santifaller Heinrich Fichtenau (1950–1962 ao. Prof. für Geschichte des Mittelalters) Heinrich Appelt Herwig Wolfram (seit 1969 ao. Prof.)

Professoren für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik 1876–1884 1884–1914

Otto Hirschfeld Eugen Bormann

318

Anhang

Professoren für Griechische Altertumskunde und Epigraphik bzw. für Griechische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik 1901–1905 1912–1933 1936–1950 1952–1966 1970–1981

Emil Szanto (1893–1901 ao. Prof. für Griechische Geschichte und Altertumskunde, ab 1901 o. Prof. für Klassische Altertumswissenschaften) Adolf Wilhelm (1904 Titular-Extraordinarius, 1905 Extraordinarius, 1912 ad personam Ordinarius) Josef Keil Fritz Schachermeyr (bis 1970, also über die Emeritierung hinaus und bis in sein 75. Lebensjahr hinein, im Amt) Ernst Kirsten

Professoren für Römische Altertumskunde und Epigraphik bzw. für Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik 1916–1929 1929–1945 1948–1975 1976–2007

Wilhelm (Josef) Kubitschek Rudolf Egger Artur Betz Gerhard Dobesch

Professor für Alte Geschichte 1916–1919

Adolf Bauer

Ordinarius ad personam für Geschichte der Spätantike und des frühen Mittelalters 1924

Ludo Moritz Hartmann (ernannt am 30. Juli 1924, gestorben am 14. November 1924; seit Ende 1918 unbesoldeter, seit 1920 besoldeter ao. Prof.)

Professoren für Osteuropäische Geschichte 1893–1918 1915–1934 1921–1934 1935–1938

Konstantin Jirecˇek (Prof. für Slavische Philologie und Altertumskunde) Hans Uebersberger (seit 1910 ao. Prof.) Carl Patsch (Prof. für Slavische Geschichte und Altertumskunde mit besonderer Berücksichtigung der Balkanländer) Martin Winkler

Professoren im Fachbereich Geschichte an der Universität Wien

(1940–1945 1948–1963 1965–1996 1967–1993

319

Hans Koch [nur nominell; er hat die Lehrtätigkeit an der Universität Wien nicht aufgenommen]) Heinrich Felix Schmid Walter Leitsch Richard Georg Plaschka (seit 1965 ao. Prof.)

Professoren für Allgemeine Geschichte der Neuzeit 1903–1920 1913–1930 1922–1945 1930–1945 1939–1945 1946–1965 1955–1959 1959–1968 1966–1986 1969–1997 1971–1994

August Fournier (formal: Prof. für Allgemeine Geschichte) Alfred Francis Prˇibram (seit 1894 ao. Prof.) Heinrich (von) Srbik Wilhelm Bauer (seit 1917 ao. Prof.) Reinhold Lorenz (außerplanmäßiger Prof.) P. Hugo Hantsch OSB Heinrich Benedikt (seit 1950 ao. Prof., ab 1955 Titular-Ordinarius für Allgemeine Geschichte der Neuzeit) Friedrich Engel-Janosi (Honorarprofessor) Heinrich Lutz Gerald Stourzh Günther Hamann (seit 1964 ao. Prof.)

Professoren für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1961–1974 1973–2003 1979–2003

Alfred Hoffmann Michael Mitterauer (seit 1971 ao. Prof.) Herbert Knittler

Professor für Antike Numismatik und Vorislamische Geschichte Mittelasiens 1971–1989

Robert Göbl (seit 1965 ao. Prof.)

Professoren für Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte bzw. der Neuesten Geschichte 1969–1977 1979–1995

Ludwig Jedlicka (seit 1966 ao. Prof.) Erika Weinzierl

320

Anhang

6.2. Die historischen Seminare und Institute an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (1850–1975) und an den für die Geschichtswissenschaften zuständigen Nachfolgefakultäten (1975–2017) 1850–1872: Philologisch-Historisches Seminar 1872–1955: Historisches Seminar ! 1955–1979: Historisches Institut ! seit 1979: Institut für Geschichte 1876–1956: Archäologisch-Epigraphisches Seminar ! 1956–1977: Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik ! 1978–1984: Institut für Alte Geschichte und Klassische Archäologie Seit 1984: Institut für Alte Geschichte bzw. Institut für Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik bzw. Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik 1907–1948: Seminar für Osteuropäische Geschichte ! 1948–1956: Seminar für Osteuropäische Geschichte und Südostforschung ! 1956– 1998: Institut für Osteuropäische Geschichte und Südostforschung ! seit 1998: Institut für Osteuropäische Geschichte 1922–1936: Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte / 1946 wiedererrichtet ! seit 1959: Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1965–1978: Institut für Numismatik und Vorislamische Geschichte Mittelasiens ! 1978–2000: Institut für Numismatik ! seit 2000: Institut für Numismatik und Geldgeschichte Seit 1966: Institut für Zeitgeschichte Seit 1854: Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1920–1942: Österreichisches Institut für Geschichtsforschung in Wien, 1942–1945: Institut für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien); bis 31. Dezember 2015 ein – seit 1884 räumlich im Hauptgebäude der Universität Wien untergebrachtes – außeruniversitäres Forschungsinstitut in der rechtlichen Form einer staatlichen »Anstalt« (als nachgeordnete Dienststelle des jeweils für Wissenschaft und Forschung zuständigen [Bundes-]Ministeriums), seit 2016 ein Institut der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien

7.

Quellen und Literatur

7.1. Ungedruckte Quellen Archiv der Universität Wien Ladula 39, Nr. 1: Reformatio seu Statuta pro Universitate Viennensi, 1. Januar 1554, Pergamentlibell Akademischer Senat, GZ 143, Studienjahr 1961/62 Akademischer Senat, Sonderreihe, Kartons 114, 211 und 213 Philosophische Fakultät, Akten, Nr. 739 ex 1896/97 Dekanat der Philosophischen Fakultät, Dekanats-Zahl 1310 aus dem Studienjahr 1945/46 Personalakten der Philosophischen Fakultät: –, PA 1020: Alfons Dopsch –, PA 1140: Otto Brunner –, PA 1886: Ludwig Hartmann –, PA 1912: Friedrich Heer –, PA 3223: Heinrich Srbik –, PA 3318: Heinrich Felix Schmid –, PA 3750: Eduard Winter –, PA 3858: Heinrich Fichtenau Institut für Geschichte, Kartons 1, 15 und 18

Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv Studienhofkommission, Karton 244, Fasz. Geschichte, Heraldik, Diplomatik, Methodenlehre Studienhofkommission, Karton 246, Fasz. Numismatik, Heraldik, Altertumskunde, Archäologie Unterricht allgemein (1848–1940), Karton 729 Unterricht allgemein (1848–1940), Karton 730

322

Quellen und Literatur

Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Nachlass Fritz Fellner, Karton 84, Nr. 2: Protokollbücher des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien, 6 Bde. (1889–1936)

Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Archiv der Republik Bundeskanzleramt, Inneres/Vereinsbüro, Akt XIV-250: Akademischer Verein deutscher Historiker in Wien Bundeskanzleramt, Bestand »Vaterländische Front« Unterricht, Personalakt 803: Heinrich Fichtenau, 2 Teile (1936–1949 und 1950–[1989])

Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Wahlvorschläge, Ludo Moriz [sic!] Hartmann (13. Mai 1922) Protokolle der außerordentlichen Sitzungen der philosophisch-historischen Klasse vom 29. Mai 1922 (C 2147) und vom 28. Mai 1923 (C 2173)

Archiv und Sammlungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Nachlass Julius von Ficker Teilnachlass Alfons Dopsch Korrespondenz Heinrich Fichtenau

7.2. Gedruckte Quellen und Literatur Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848: Silvia Adamek, Der Lehrkörper der philosophischen Fakultät von 1800 bis 1848 (ungedr. phil. Diss. Wien 1984). Adler, Die Unterrichtsverfassung Kaiser Leopolds II.: Sigmund Adler, Die Unterrichtsverfassung Kaiser Leopolds II. und die finanzielle Fundierung der österreichischen Universitäten nach den Anträgen Martinis (Wien/Leipzig 1917). Adlgasser, Die Mitglieder der österreichischen Zentralparlamente: Franz Adlgasser, Die Mitglieder der österreichischen Zentralparlamente 1848–1918. Konstituierender Reichstag 1848–1849, Reichsrat 1861–1918. Ein biographisches Lexikon, 2 Bde. (= Studien zur Geschichte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 33, Wien 2014). Adunka, Friedrich Heer : Evelyn Adunka, Friedrich Heer (1916–1983). Eine intellektuelle Biographie (Innsbruck/Wien 1995).

Gedruckte Quellen und Literatur

323

Adunka, Ohne Wissensbildung keine Gewissensbildung: Evelyn Adunka, Ohne Wissensbildung keine Gewissensbildung. Das humanistische Denken bei Friedrich Heer. In: Spurensuche 19 (2010), Heft 1–4: »Schreiber bin ich, Worte-Macher …«. Die vielen Gesichter des Friedrich Heer, 1916–1983, S. 25–33. Aichner, Franz Exner : Christof Aichner, Franz Exner. Professor für Philosophie, Mitschöpfer der Universitätsreform nach 1848. In: Mitchell G. Ash, Josef Ehmer (Hrsg.), Universität – Politik – Gesellschaft (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert, Bd. 2, Göttingen 2015), S. 183–188. Aichner, Mazohl, Kraler, Aspekte der Thun-Hohensteinschen Bildungsreform: Christof Aichner, Brigitte Mazohl, Tanja Kraler, Aspekte der Thun-Hohensteinschen Bildungsreform – ein »Werkstattbericht«. In: Harm-Hinrich Brandt (Hrsg.), Der österreichische Neoabsolutismus als Verfassungs- und Verwaltungsproblem. Diskussionen über einen strittigen Epochenbegriff (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 108, Wien/Köln/Weimar 2014), S. 195–220. Algazi, Herrengewalt und Gewalt der Herren: Gadi Algazi, Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter. Herrschaft, Gegenseitigkeit und Sprachgebrauch (= Historische Studien 17, Frankfurt am Main u. a. 1996). Algazi, Otto Brunner : Gadi Algazi, Otto Brunner – »Konkrete Ordnung« und Sprache der Zeit. In: Peter Schöttler (Hrsg.), Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft, 1918–1945 (Frankfurt am Main 1997), S. 166–203. Angerer, Bader-Zaar, Grandner, Vorwort: Thomas Angerer, Birgitta Bader-Zaar, Margarete Grandner, Vorwort. In: dies. (Hrsg.), Geschichte und Recht. Festschrift für Gerald Stourzh zum 70. Geburtstag (Wien/Köln/Weimar 1999), S. 9–16. Ankwicz-Kleehoven, Johannes Cuspinian: Hans Ankwicz-Kleehoven, Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian. Gelehrter und Diplomat zur Zeit Kaiser Maximilians I. (Graz/Köln 1959). Apfelauer, Die Geschichtsschreibung an der alten Benediktineruniversität Salzburg: Richard Apfelauer, Die Geschichtsschreibung an der alten Benediktineruniversität Salzburg. In: Kurt Mühlberger (Hrsg.), Archivpraxis und Historische Forschung. Mitteleuropäische Universitäts- und Hochschularchive. Geschichte, Bestände, Probleme und Forschungsmöglichkeiten (= Schriftenreihe des Universitätsarchivs 6, Wien 1992), S. 239–246. Appelt, [Autobiographie]: Heinrich Appelt, [Autobiographie]. In: Hermann Baltl, Nikolaus Grass, Hans Constantin Faußner (Hrsg.), Recht und Geschichte. Ein Beitrag zur österreichischen Gesellschafts- und Geistesgeschichte unserer Zeit. Zwanzig Historiker und Juristen berichten aus ihrem Leben (= Studien zur Rechts-, Wirtschaftsund Kulturgeschichte 14, Sigmaringen 1990), S. 9–22. Arneth, Geschichte des Kaiserthumes Oesterreich: Jos(eph) C(alasanz) Arneth, Geschichte des Kaiserthumes Oesterreich (Wien 1827). Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, Bd. 3: Joseph Ritter von Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, Bd. 3: Die Wiener Universität und ihre Gelehrten 1520 bis 1565 (Wien 1888). Ash, Die österreichischen Hochschulen: Mitchell G. Ash, Die österreichischen Hochschulen in den politischen Umbrüchen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Johannes Koll (Hrsg.), »Säuberungen« an österreichischen Hochschulen 1934–1945. Voraussetzungen, Prozesse, Folgen (Wien/Köln/Weimar 2017), S. 29–72.

324

Quellen und Literatur

Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen: Mitchell G. Ash, Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen des 19. und 20. Jahrhunderts. In: Ders., Josef Ehmer (Hrsg.), Universität – Politik – Gesellschaft (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert, Bd. 2, Göttingen 2015), S. 29–172. Ash, Wurde ein »deutsches Universitätsmodell« nach Österreich importiert: Mitchell G. Ash, Wurde ein »deutsches Universitätsmodell« nach Österreich importiert? Offene Forschungsfragen und Thesen. In: Christof Aichner, Brigitte Mazohl (Hrsg.), Die Thun-Hohenstein’schen Universitätsreformen 1849–1860. Konzeption – Umsetzung – Nachwirkungen (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 115, Wien/Köln/Weimar 2017), S. 76–98. Auer, August O. Loehr : Erwin M. Auer, DDr. August O. Loehr (31. März 1882 bis 11. Juli 1965) (= Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Geschichtsvereine 24, Wien 1982). Augustynowicz, Martin Winkler : Christoph Augustynowicz, Martin Winkler (1893– 1982). In: Arnold Suppan, Marija Wakounig, Georg Kastner (Hrsg.), Osteuropäische Geschichte in Wien. 100 Jahre Forschung und Lehre an der Universität (Innsbruck/ Wien/Bozen 2007), S. 199–225. Aus dem Hörsaal. Studienbilder aus Oesterreich (Leipzig 1848). Bäbler (Hrsg.), Christian Gottlob Heyne: Balbina Bäbler (Hrsg.), Christian Gottlob Heyne. Werk und Leistung nach zweihundert Jahren (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen N. F. 32, Berlin 2014). Badner, Fournier : Heinz Badner, August Fournier. Eine Monographie (ungedr. phil. Diss. Wien 1953). Bahlcke, Das Historische Seminar der Universität Breslau: Joachim Bahlcke, Das Historische Seminar der Universität Breslau 1811 bis 1945. Fachentwicklung – Personalstand – Forschungsschwerpunkte [2013]. Wiederabdruck in: ders., Erinnerungskonkurrenz. Geschichtsschreibung in den böhmischen Ländern vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart (= Forschungen zur Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 3, Frankfurt am Main 2016), S. 217–238. Bahlcke, Erfahrungsraum und Raumkonzept: Joachim Bahlcke, Erfahrungsraum und Raumkonzept. Die Habsburgermonarchie als Gegenstand der Geschichtsschreibung in den böhmischen Ländern im 19. und 20. Jahrhundert. In: ders., Erinnerungskonkurrenz. Geschichtsschreibung in den böhmischen Ländern vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart (= Forschungen zur Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 3, Frankfurt am Main 2016), S. 239–279. Bailer, 50 Jahre Dokumentationsarchiv : Brigitte Bailer, 50 Jahre Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.), Opferschicksale. Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus. 50 Jahre Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Gewidmet Herbert Steiner. Redaktion: Christine Schindler (= Jahrbuch des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes 2013, Wien 2013), S. 9–30. Baltl, Grass, Faußner (Hrsg.), Recht und Geschichte: Hermann Baltl, Nikolaus Grass, Hans Constantin Faußner (Hrsg.), Recht und Geschichte. Ein Beitrag zur österreichischen Gesellschafts- und Geistesgeschichte unserer Zeit. Zwanzig Historiker und Juristen berichten aus ihrem Leben (= Studien zur Rechts-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte 14, Sigmaringen 1990).

Gedruckte Quellen und Literatur

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Barker, Tiefe der Zeit: Andrew Barker, Tiefe der Zeit, Untiefen der Jahre. Heimito von Doderers »österreichische Idee« und die »Athener Rede«. In: Kai Luehrs (Hrsg.), »Excentrische Einsätze«. Studien und Essays zum Werk Heimito von Doderers (Berlin/ New York 1998), S. 263–272. Bauch, Die Reception des Humanismus: Gustav Bauch, Die Reception des Humanismus in Wien. Eine litterarische Studie zur deutschen Universitätsgeschichte (Breslau 1903). Bauer (G.), Heinrich von Zeißberg: Gertraut Bauer, Heinrich von Zeißberg. Lebensweg und Lebenswerk (ungedr. phil. Diss. Wien 1952). Bauer (S.), Ludo Moritz Hartmann: Stephan Bauer, Ludo Moritz Hartmann. In: Neue Österreichische Biographie 1815–1918, 1. Abt.: Biographien, Bd. 3 (Zürich/Leipzig/ Wien 1926), S. 197–209. Bauer (W.), Heinrich Srbik: Wilhelm Bauer, Heinrich Srbik (1878–1951). In: Neue Österreichische Biographie ab 1815, Bd. 12 (Zürich/Leipzig/Wien 1957), S. 171–193. Baur, Historik: Siegfried Baur, Versuch über die Historik des jungen Ranke (= Historische Forschungen 62, Berlin 1998). Becher, August Ludwig v. Schlözer : Ursula A. J. Becher, August Ludwig v. Schlözer. In: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. 7 (Göttingen 1980), S. 7–23. Beck von Mannagetta, von Kelle (Hrsg.), Die österreichischen Universitätsgesetze: Leo Ritter Beck von Mannagetta, Carl von Kelle (Hrsg.), Die österreichischen Universitätsgesetze. Sammlung der für die österreichischen Universitäten gültigen Gesetze, Verordnungen, Erlässe, Studien- und Prüfungsordnungen usw. (Wien 1906). Benedikt (H.), Damals im alten Österreich: Heinrich Benedikt, Damals im alten Österreich. Erinnerungen (Wien/München 1979). Benedikt (H.), Vorwort (1954): Heinrich Benedikt, Vorwort. In: ders. (Hrsg.), Geschichte der Republik Österreich (Wien 1954), S. 7–14. Benedikt (H.), Vorwort (1977): Heinrich Benedikt, Vorwort. In: Ludwig Jedlicka, Vom alten zum neuen Österreich. Fallstudien zur österreichischen Zeitgeschichte, 1900– 1975 (St. Pölten 1977), S. 5f. Benedikt (M.), Denk- und Handlungsformen: Michael Benedikt (M.), Denk- und Handlungsformen des Konrad Celtis. In: ders., Reinhold Knoll, Josef Rupitz (Hrsg.), Verdrängter Humanismus – Verzögerte Aufklärung, Bd. 1/1: Philosophie in Österreich (1400–1650) (Klausen-Leopoldsdorf/Cluj-Napoca 1996), S. 315–332. Benz, Zwischen Tradition und Kritik: Stefan Benz, Zwischen Tradition und Kritik. Katholische Geschichtsschreibung im barocken Heiligen Römischen Reich (= Historische Studien 473, Husum 2003). Beránek, Pr#vnick# fakulta: Karel Beránek, Pr#vnick# fakulta. In: Deˇjiny University ˇ ornejová (Praha 1996), S. 137– Karlovy 1348–1990, Bd. 2: 1622–1802, red. von Ivana C 163. Berg, Zur Institutionalisierung der deutschen Geschichtswissenschaft: Matthias Berg, Zur Institutionalisierung der deutschen Geschichtswissenschaft: Der Verband Deutscher Historiker um 1900. In: Christine Ottner, Klaus Ries (Hrsg.), Geschichtsforschung in Deutschland und Österreich im 19. Jahrhundert. Ideen – Akteure – Institutionen (= Pallas Athene 48, Stuttgart 2014), S. 223–242. Berger Waldenegg, Vaterländisches Gemeingefühl: Georg Christoph Berger Waldenegg, Vaterländisches Gemeingefühl und nationale Charaktere. Die kaiserliche Regierung im Neoabsolutismus und die Erfindung einer österreichischen National-

326

Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

375

Redlich, Ausgewählte Schriften: Oswald Redlich, Ausgewählte Schriften (Zürich/ Leipzig/Wien o. J. [1928]). Redlich, Max Büdinger : Oswald Redlich, Max Büdinger. In: Neue österreichische Biographie 1815–1918, 1. Abt.: Biographien, Bd. 6 (Wien 1929), S. 9–14. Redlich, Theodor Sickel: Oswald Redlich, Theodor Sickel. Werdezeit und Persönlichkeit. In: Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung 42 (1927), S. 153–164. Redlich, Zur Geschichte des historischen Seminars: Oswald Redlich, Zur Geschichte des historischen Seminars an der Universität Wien [1914]. Wiederabdruck [mit einem Nachtrag] in: ders., Ausgewählte Schriften (Zürich/Leipzig/Wien o. J. [1928]), S. 127– 140. Reill, Johann Christoph Gatterer: Peter Hanns Reill, Johann Christoph Gatterer. In: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Band 6 (Göttingen 1980), S. 7–22. Reinalter, Heinrich Ritter von Srbik: Helmut Reinalter, Heinrich Ritter von Srbik. In: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. 8 (Göttingen 1982), S. 78–95. Reinhard, Die Florianer Historikerschule: Edith Reinhard, Die Florianer Historikerschule und ihre Bedeutung für die österreichische Geschichtsschreibung (ungedr. phil. Diss. Graz 1950). Reinhardt (Hrsg.), Hauptwerke: Volker Reinhardt (Hrsg.), Hauptwerke der Geschichtsschreibung (Stuttgart 1997). Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende: Ilse Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende. Politik und Hochschulrecht 1945–2015. In: Mitchell G. Ash, Josef Ehmer (Hrsg.), Universität – Politik – Gesellschaft (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert, Bd. 2, Göttingen 2015), S. 461–494. Rettl, Koch, Richard Wadani: Lisa Rettl, Magnus Koch, »Da habe ich gesprochen als Deserteur.« Richard Wadani. Eine politische Biographie (Wien 2015). ˇ ezník (Hrsg.), W. W. Tomek, historie a politika: Milosˇ R ˇ ezník (Hrsg.), W. W. Tomek, R historie a politika (1818–1905). Sborn&k prˇ&speˇvku˚ kr#lov8hradeck8 konference k 100. vy´ rocˇ& fflmrt& W. W. Tomka [W. W. Tomek, Geschichte und Politik (1818–1905). Sammelband mit den Beiträgen der Königgrätzer Konferenz aus Anlass des 100. Todestages von W. W. Tomek] (Pardubice 2006). ˇ ezník, Tomek: Milosˇ R ˇ ezník, W#cslaw Wladiwoj Tomek, das Ministerium für Cultus R und Unterricht und die Einführung der historischen Seminare in Österreich: Die Institutionalisierung der Geschichtswissenschaft zwischen Staat, Nation und akademischer Neuorientierung. In: Christine Ottner, Klaus Ries (Hrsg.), Geschichtsforschung in Deutschland und Österreich im 19. Jahrhundert. Ideen – Akteure – Institutionen (= Pallas Athene 48, Stuttgart 2014), S. 139–157. Richards, Daston (Hrsg.), Kuhn’s Structure of Scientific Revolutions: Robert J. Richards, Lorrane Daston (Hrsg.), Kuhn’s Structure of Scientific Revolutions at fifty. Reflections on a science classic (Chicago/London 2016). Ries (Hrsg.), Johann Gustav Droysen: Klaus Ries (Hrsg.), Johann Gustav Droysen. Facetten eines Historikers (= Pallas Athene 34, Stuttgart 2010). Ritter (G. A.), Hans Rosenberg: Gerhard A. Ritter, Hans Rosenberg. 1904–1988. In: Geschichte und Gesellschaft 15 (1989), S. 282–302.

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Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

Scheichl, Zwischen Wissenschaft und Publizistik: Sigurd Paul Scheichl, Zwischen Wissenschaft und Publizistik. Friedrich Heers Weg zur öffentlichen Wirksamkeit. In: Spurensuche 19 (2010), Heft 1–4: »Schreiber bin ich, Worte-Macher …«. Die vielen Gesichter des Friedrich Heer, 1916–1983, S. 57–67. Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte: Emil Clemens Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte an den deutschen Universitäten. Ihre Anfänge im Zeitalter des Humanismus und ihre Ausbildung zu selbständigen Disziplinen (Freiburg i. Br. 1927). Scheurig, Einführung in die Zeitgeschichte: Bodo Scheurig, Einführung in die Zeitgeschichte (= Sammlung Göschen 1204, Berlin 1962). Scheutz, »Frontangst«, »Frontrisiko« und »Frontdrang«: Martin Scheutz, »Frontangst«, »Frontrisiko« und »Frontdrang«. Die Korrespondenz der Historiker Heinrich Ritter von Srbik, Wilhelm Bauer und Hans Hirsch im Ersten Weltkrieg. In: Laurence Cole, Christa Hämmerle, Martin Scheutz (Hrsg.), Glanz – Gewalt – Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie (1800 bis 1918) (= Frieden und Krieg. Beiträge zur Historischen Friedensforschung 18, Essen 2011), S. 77–99. Scheutz, Wilhelm Bauer : Martin Scheutz, Wilhelm Bauer (1877–1953). Ein Wiener Neuzeithistoriker mit vielen Gesichtern. In: Karel Hruza (Hrsg.), Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Porträts, [Bd. 1] (Wien/Köln/Weimar 2008), S. 247–281. Schindling, Bildung und Wissenschaft: Anton Schindling, Bildung und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 30, München 21999). Schlange-Schöningen, Ein »goldener Lorbeerkranz«: Heinrich Schlange-Schöningen, Ein »goldener Lorbeerkranz« für die »Römische Geschichte«. Theodor Mommsens Nobelpreis für Literatur. In: Josef Wiesehöfer (Hrsg.), Theodor Mommsen: Gelehrter, Politiker und Literat (Stuttgart 2005), S. 207–228. Schmid (G.), Doderer lesen: Georg Schmid, Doderer lesen. Zu einer historischen Theorie der literarischen Praxis. Essai (Salzburg 1978). Schmid (H. F.), [Selbstdarstellung]: Heinrich Felix Schmid, [Selbstdarstellung]. In: Nikolaus Grass (Hrsg.), Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 2 (= Schlern-Schriften 69, Innsbruck 1951), S. 209–234. Schmid (J.), Im Geiste Bismarcks: Julia Schmid, Im Geiste Bismarcks zu nationaler Einheit. Die deutschnationale Erfahrungsgemeinschaft in Österreich und dem Deutschen Reich zwischen 1890 und 1914. In: Peter Haslinger (Hrsg.), Schutzvereine in Ostmitteleuropa. Vereinswesen, Sprachenkonflikte und Dynamiken nationaler Mobilisierung 1860–1939 (= Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 25, Marburg 2009), S. 28–41. Schmidt-Dengler, Historia magistra vitae: Wendelin Schmidt-Dengler, Historia magistra vitae – ein anmaßendes Sprichwort? Heimito von Doderer und die Geschichtsforschung. In: Johann Holzner, Wolfgang Wiesmüller (Hrsg.), Ästhetik der Geschichte (= Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Germanistische Reihe 54, Innsbruck 1995), S. 141–162. Schmidt-Dengler, Nachwort: Wendelin Schmidt-Dengler, Nachwort des Herausgebers. In: Heimito von Doderer, Meister-Erzählungen, hrsg. von Wendelin SchmidtDengler (München 1972), S. 489–495.

Gedruckte Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

381

Srbik, Wallensteins Ende: Heinrich Ritter von Srbik, Wallensteins Ende. Ursachen, Verlauf und Folgen der Katastrophe (Wien 1920). Srbik, Wilhelm Heinrich Grauert: Heinrich Ritter von Srbik, Ein Schüler Niebuhrs: Wilhelm Heinrich Grauert (= Sitzungsberichte der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, Phil.-Hist. Klasse 176/4, Wien 1914). Staudigl-Ciechowicz, Dienst-, Habilitations- und Disziplinarrecht: Kamila Maria Staudigl-Ciechowicz, Das Dienst-, Habilitations- und Disziplinarrecht der Universität Wien 1848–1938. Eine rechtshistorische Untersuchung zur Stellung des wissenschaftlichen Universitätspersonals (= Schriften des Archivs der Universität Wien 22, Göttingen 2017). Staudigl-Ciechowicz, Zwischen Aufbegehren und Unterwerfung: Kamila StaudiglCiechowicz, Zwischen Aufbegehren und Unterwerfung. Politik und Hochschulrecht 1848–1945. In: Mitchell G. Ash, Josef Ehmer (Hrsg.), Universität – Politik – Gesellschaft (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert, Bd. 2, Göttingen 2015), S. 429–460. Steinbacher, Anfänge der Zeitgeschichtsforschung: Sybille Steinbacher, Die Anfänge der Zeitgeschichtsforschung in Wien und das Institut für Zeitgeschichte München. In: Bertrand Perz, Ina Markova (Hrsg.), 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien 1966–2016 (Wien 2017), S. 39–61. Steiner (H.), Die Mitglieder der »Hohen Schule«: Hartwig Steiner, Die Mitglieder der »Hohen Schule«. Zur Sozialgeschichte der Wiener Akademiker im 18. Jahrhundert (ungedr. phil. Diss. Wien 1972). Steiner (M.), Wiener Zeit: Margarete Steiner, Die Wiener Zeit des Ottokar Lorenz (ungedr. phil. Diss. Wien 1955). Steininger, Firnberg, Hertha: Barbara Steininger, Firnberg, Hertha. In: Brigitta Keintzel, Ilse Korotin (Hrsg.), Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken (Wien/Köln/Weimar 2002), S. 175–178. Stelzer, Cuspinianus: Winfried Stelzer, Cuspinianus, Johannes. In: Franz Josef Worstbrock (Hrsg.), Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1 (Berlin/New York 2008), Sp. 519–537. Stelzer, Theodor Sickel: Winfried Stelzer, Theodor Sickel und die Fotografie der 1850er Jahre. 150 Jahre »Monumenta graphica medii aevi«, der Fotograf Moritz Lotze (Verona) und Plagiate am letzten Portraitfoto Radetzkys. In: Johannes Gießauf, Rainer Murauer, Martin P. Schennach (Hrsg.), Päpste, Privilegien, Provinzen. Beiträge zur Kirchen-, Rechts- und Landesgeschichte. Festschrift für Werner Maleczek zum 65. Geburtstag (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Erg.-Bd. 55, Wien/München 2010), S. 419–447. Stickler, Habsburgermonarchie: Matthias Stickler, »Die Habsburgermonarchie 1848– 1918« – Ein Jahrhundertwerk auf der Zielgeraden. In: Historische Zeitschrift 295 (2012), S. 690–719. Stifter, Ludo Moritz Hartmann: Christian H. Stifter, Ludo Moritz Hartmann. Wissenschaftlicher Volksbildner, sozialdeterministischer Historiker, realitätsferner Politiker. In: Mitchell G. Ash, Josef Ehmer (Hrsg.), Universität – Politik – Gesellschaft (= 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert, Bd. 2, Göttingen 2015), S. 247–255.

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Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

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390

Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Abbildungsnachweis

Archiv der Universität Wien: Abb. 1, 6, 7, 10, 14, 15, 16, 18, 20, 21, 23, 24, 25, 30, 33, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 48, 50, 51, 53, 54, 62, 63, 67, 68, 80 und 90. Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Abb. 11, 17, 28, 31, 39, 46, 59, 65, 71, 76, 82, 83, 84 und 88. Österreichische Nationalbibliothek: Abb. 8, 27, 32, 36, 38, 49, 56, 58 und 89. Archiv des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung der Universität Wien: Abb. 22, 61, 64, 69 und 70. Archiv des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Universität Wien: Abb. 34, 35, 37, 86 und 87. Archiv der Universität Innsbruck: Abb. 29. Archiv des Kunsthistorischen Museums: Abb. 60. Archiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale): Abb. 81. Archiv des Österreichischen Archäologischen Instituts: Abb. 85. Archiv des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien: Abb. 92. Oberösterreichisches Landesarchiv : Abb. 78. Österreichisches Staatsarchiv : Abb. 73. Wienbibliothek im Rathaus bzw. IMAGNO. brandstätter images GesmbH: Abb. 47 und 72. Gemeinfreie Bilder (Internet): Abb. 2, 3, 5, 12, 13, 19, 26, 52 und 55. Privat: Abb. 66, 74, 75, 77, 79 und 91. Abb. 4: Günther Dembski, Joseph Hilarius Eckhel (1737–1798). In: Compte Rendu 48 (2001), S. 57. Abb. 9: Rudolf Payer-Thurn, Hermann Reuther (Hrsg.), Grillparzer im Bilde (Wien 1930). Abb. 57: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 4 (1993), Heft 1, S. 85.

Personenregister Seiten mit Abbildungen der betroffenen Personen sind durch Fettdruck hervorgehoben.

Abel, Othenio 182 Ad#mek, Karel 143 Adamovich, Ludwig 238, 279 Adler, Victor 50, 185 Aigner-Foresti, Luciana 308 Albrecht, Hildegard 119, 163, 197 Albrecht III., Herzog von Österreich 22 Algazi, Gadi 189f. Alter, Franz Karl Xaver 316 Amann, Petra 309 Amery, Carl 271 Appelt, Heinrich 176, 187f., 243–245, 307, 317 Arneth, Joseph Calasanz (von) 61, 63, 65f., 316 Arnold, Franz 256 Aschbach, Joseph 22, 90, 92f., 111, 116, 316 Ash, Mitchell 74, 81f., 166, 182, 209, 216, 219f., 225, 233f., 238, 308f., 312 Astner (Vorname unbekannt) 162 Aubin, Hermann 195, 208 Baltzarek, Franz 267 Bartenstein, Johann Christoph von 31 Bauer, Adolf 115, 136f., 198, 291, 318 Bauer, Stephan 137, 165, 208 Bauer, Wilhelm 104, 122f., 129, 142, 169, 174, 177–181, 182, 187, 193, 217, 221, 229, 233, 319 Becker, Peter 309, 314 Beethoven, Ludwig van 42 Below, Georg von 208

Benedikt, Heinrich 130f., 234–237, 252, 258, 261, 272, 300f., 319 Benndorf, Otto 133 Berchtold, Leopold Graf 227, 246 Bernhard, Thomas 278 Betz, Artur 290–292, 294, 318 Bibl, Viktor 177–179, 181 Bihl, Wolfdieter 308 Bil’basov, Vasilij Alekseevicˇ 140 Biondo, Flavio 15, 19 Birkenstock, Johann Melchior von 37f., 51, 53f. Bismarck, Otto von 116, 150, 154, 231 Bittner, Ludwig 149, 169, 174, 185f. Bittner (verh. Gündisch), Hertha 149, 164 Blair, John 48 Blänkner, Reinhard 189–194 Blickle, Peter 190 Bloch, Marc 211, 217 Bodenstein, Gustav Adolf 147 Boguth, Walter 151, 155 Böhm-Bawerk, Eugen von 209f. Böhmer, Johann Friedrich 71, 92, 103f., 108, 245 Böll, Heinrich 271 Bolognese-Leuchtenmüller, Birgit 268 Bonitz, Hermann 81, 84, 88, 91, 275 Bormann, Eugen 81, 86, 134, 137, 317 Born, Ignaz von 47 Borodajkewycz, Taras 229f. Böttiger, Karl August 71 Botz, Gerhard 271, 273, 275, 298, 300, 308

396 Bruckmüller, Ernst 205, 266–268, 275, 308 Bruni, Leonardo 15 Brunner, Karl 308 Brunner, Otto 10, 162, 180, 183, 188–195, 205, 216f., 221, 223–225, 229, 231–232, 245, 250, 258, 265f., 317 Buc, Philippe 309, 312 Büdinger, Max 112–115, 117–119, 121, 127, 133, 143, 152, 156, 316 Burger, Johann 14 Burhop, Carsten 309f. Calles, Sigismund 28, 315 Castle, Eduard 280f. Celtis, Konrad 16–20, 189 Chamberlain, Houston Steward 229 Chmel, Joseph 58, 70–72, 113 Clemens XIV., Papst 23 Cole, Laurence 314 Conze, Werner 190–193 Corradini, Doris 10, 127, 130, 161, 173, 308f. Corsten, Thomas 309f. Crämer, Ulrich 178 Cs#ky, Moritz 314 Csallner, Elfriede 163 Cuspinian, Johannes 19f., 21 Czerny, Luise von 146 Dannenmayer, Matthias 47, 49f. Dedering (Vorname unbekannt) 159 Dembin´ski, Bronisław 216 Derndarsky, Michael 131, 173, 175, 225, 227, 233, 296 Desing, Anselm 33 Deutsch, Wilhelm 161, 229 Dienst, Heide 308 Dietrichstein, Moritz Graf 61 Dirks, Walter 271 Dobesch, Gerhard 292, 308, 318 Doderer, Heimito (von) 10, 195–198, 253–256 Dollfuß, Engelbert 185, 238, 246, 275 Dopsch, Alfons 10, 104, 107, 118, 122–127, 141, 147, 151f., 156, 163, 171,

Personenregister

173, 180f., 188f., 197, 205, 207, 210f., 213–219, 264f., 317 Dostal, Eugen 126 Dreger, Moriz 151 Drekonja, Gerhard 308 Drimmel, Heinrich 166, 256, 286, 294, 298–300 Droysen, Johann Gustav 77–80 Dud&k, Beda 100 Duval, Valentin Jamerai 39 Dworschak, Fritz 162 Ebendorfer, Thomas 14, 189, 248 Eberstaller (verh. Hageneder), Herta 195, 240, 253, 266f. Eck(h)ardt, Isabella 146 Eckhardt, Thorvi 287 Eckhel, Joseph Hilarius (von) 38f., 40, 44, 60, 294, 316 Eder, Franz X. 309 Eder, Hans, Bischof 161f. Egger, Rudolf 198–200, 289f., 318 Ehmer, Josef 191, 210, 268f., 309 Engel-Janosi, Friedrich (von) 131, 181f., 191, 206, 219–222, 234, 240, 258, 262, 264, 272, 319 Erben, Wilhelm 88, 91, 101f., 111, 120, 173 Ertl, Thomas 309f. Exner, Franz Serafin (d. J.) 144 Exner, Franz Seraphin 74, 81, 83, 275 Faber, Richard 277 Febvre, Lucien 211f. Federn, Else 165 Feldbauer, Peter 266, 268 Fellner, Fritz 10, 71, 90, 109, 118, 127, 130, 146, 148, 150, 152f., 155–157, 160f., 169f., 173, 175–177, 179, 206, 208, 220f., 230, 234, 247, 251f., 257, 262, 264, 308f. Ferdinand I., Kaiser von Österreich 63, 67, 179, 248 Ferdinand I., röm.-dt. Kaiser 21–23, 179, 248 Ferdinand II., röm.-dt. Kaiser 26 Feuchtersleben, Ernst von 68, 74f.

Personenregister

Feyerabend, Paul 175 Fichte, Johann Gottlieb 77 Fichtenau, Heinrich (von) 10, 120, 240–245, 257f., 273, 292, 307, 317 Ficker, Julius (von) 100, 103–105, 108, 111, 118, 120 Fickert, Auguste 165 Fillitz, Hermann 256 Firmian, Leopold Anton von 33 Firnberg, Hertha 9, 210, 214, 265 Fischer, Gabriele 146 Fischer, Heinz 303 Fleck, Christian 238, 259 Flemisch, Hedwig 163, 167 Fournier, August 111, 127–129, 131, 173, 319 Frank, Walter 225 Franz II./I., röm.-dt. Kaiser und Kaiser von Österreich 52, 56, 58f., 66, 69, 85 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich, König von Ungarn etc. 85, 97, 103, 113, 191 Frauenfeld, Alfred Eduard 161 Friedjung, Heinrich 165 Friedrich III., röm.-dt. Kaiser 17 Fuchsmagen, Johann 17 Gaisbauer, Adolf 272f., 277f., 283 Gaspari, Giovanni Battista de 32f., 315 Gatterer, Johann Christoph 36f. Gauß, Karl Markus 278 Gentilotti von Engelsbrunn, Johann Benedikt 29 Georg II. (August), König von Großbritannien und Irland und Kurfürst von Hannover 54 Gerhard, Dietrich 190 Giskra, Karl 66f. Glaise-Horstenau, Edmund (von) 128, 180 Gobineau, Joseph Arthur de 229 Göbl, Robert 294–296, 307, 319 Goetz, Walter 174 Gogol#k, Ludwig 286 Goldinger, Walter 39, 60, 62, 187, 301 Goldscheid, Rudolf 164

397 Goll, Jaroslav 105 Graf, Friedrich Wilhelm 276 Grauert, Heinrich Wilhelm 89–92, 316 Gries, Rainer 309, 311 Grill (verh. Hillbrand), Friederike 240 Grillparzer, Franz 59–61 Groag, Edmund 219f. Gross, Lothar 152, 169 Gruber, Gregor Maximilian 39f., 44f., 59, 316 Grünberg, Carl 114, 137, 165, 208f. Guiccardini, Francesco 16 Gulick, Charles A. 301 Hageneder, Othmar 195, 253, 266f. Hahn, Wolfgang 295, 308 Hajek, Alois 201, 204f., 284 Hamann, Brigitte 277f. Hamann, Günther 177, 196f., 233, 235, 237, 247, 261–264, 307, 319 Hammerstein, Notker 13, 22, 31, 34–36, 41, 44, 54, 306 Hantsch, Hugo 10, 169, 171, 246f., 257– 259, 261f., 272f., 286, 296, 298, 319 Härtel, Reinhard 102, 120 Hartmann, Ludo Moritz 10, 107, 137, 164f., 185, 205–208, 230, 318 Haselsteiner, Horst 201, 286, 308 Hassinger, Herbert 173, 206, 230, 281 Hassinger, Hugo 224f., 230, 280f. Hasterlik (verh. [von] Doderer), Gusti (Auguste) 196f. Hauch, Gabriella 309 Häufler, Joseph 61 Hauser, Henri 212 Häusler, Wolfgang 72, 308 Hautmann, Hans 302 Haydn, Joseph 42 Haym, Rudolf 101 Hecht, E. 160 Heer, Friedrich 10, 160, 169f., 176, 270–278, 283, 296 Heilsberg (Vorname unbekannt) 164 Heiss, Gernot 23, 180, 188, 191, 194f., 218f., 224–226, 233, 238, 241, 251, 253, 257f., 306

398

Personenregister

Helfert, Joseph Alexander (von) 86, 96–98, 114 Hellmuth, Thomas 309 Hertz, Friedrich Otto 165 Heß, Mathias Ignaz (von) 33, 41, 44f., 315 Hettfleisch, Berta 164 Heyne, Christian Gottlob 37 Heyrenbach, Joseph Benedikt 39 Hilgenreiner, Karl 283 Hiller, Albert 153f. Hirn, Josef 88, 122, 125, 317 Hirsch, Hans 104, 108, 122, 142, 159, 169, 178, 180, 183, 186–188, 190, 202, 205, 216–218, 222, 224, 232, 241, 243–245, 317 Hirschfeld, Otto 81, 86, 132–134, 137, 206, 317 Hirt, Otmar 161, 167 Hitler, Adolf 169f., 178, 194, 222, 226, 230–232, 272, 276, 297 Hochedlinger, Michael 69f., 72, 96, 105, 115, 118, 127, 147, 149, 170, 186, 235, 239, 248, 252, 258, 265, 267, 313 Hoffmann, Alfred 213, 265–267, 319 Hoffmann, Emanuel 111 Höflechner, Walter 8, 67, 71f., 74, 82f., 85–88, 94, 103, 105, 111, 118–120, 125, 127f., 133, 137f., 169, 174, 214, 234, 243, 294 Hofmann von Wellenhof, Viktor 152 Holeschofsky, Johannes 12, 120, 184f., 232f., 239, 246f., 272, 298 Hormayr, Joseph von 69–71 Huber, Alfons 88, 118–121, 143f., 152, 182, 203, 219f., 238, 317 Huch, Ricarda 165 Huemer, Peter 300f. Hugelmann, Karl Gottfried 169, 222 Humboldt, Wilhelm von 75, 77, 80, 82, 256, 283 Hunger, Herbert 294 Hurdes, Felix 273, 279, 283 Inama-Sternegg, Karl Theodor von 209–211

173,

Jäger, Albert 91, 94f., 99–101, 111, 116, 317 Jagic´, Vatroslav (von) 138 Jagoditsch, Rudolf 138, 280, 282 Jagschitz, Gerhard 302, 308 Jedlicka, Ludwig 296–302, 307, 319 Jezˇek, Rudolf 204 Jirecˇek, Hermenegild 138 Jirecˇek, Konstantin 138–140, 200, 204, 318 Jobst, Kerstin Susanne 309f. Jodl, Friedrich 143f. Johann, Erzherzog 170 Joseph I., röm.-dt. Kaiser 27f., 85 Joseph II., röm.-dt. Kaiser 42, 44, 46–49, 58, 84 Judson, Pieter M. 153f. Kaehler, Siegfried August 180 Kaiser, Johann Nepomuk 67f.,115, 316 Kalmus, Ludwig 183 Kann, Robert A. 234, 286, 302 Kant, Immanuel 76 Kappeler, Andreas 204, 311 Karl IV., röm.-dt. Kaiser 22 Karl V., röm.-dt. Kaiser 20, 65, 71, 163, 179f., 260f. Karl VI., röm.-dt. Kaiser 28f., 46, 235f. Kaser, Kurt 165 Kastil, Alfred 280 Kaunitz-Rietberg, Wenzel Anton Fürst 37 Keil, Josef 199f., 291, 318 Key, Ellen 165 Kirsten, Ernst 293, 307–309, 318 Kissinger, Henry 176 Klaus, Josef 166 Klebel, Ernst 230 Klecanda, Vladim&r 126 Klingenstein, Grete 29f., 45, 50, 52, 55f., 72 Knapp, Fritz Peter 313 Kneysl, Benedikt 14 Knittler, Herbert 205, 213, 216f., 264, 266–268, 308, 319 Knoll, Fritz 202 Knoll, Josef Leonhard 66f., 316

Personenregister

Knoll, Reinhold 273, 276f., 312 Koch, Hans 203f., 319 Koch, Magda 161, 163 Kogon, Eugen 271 Kohler, Alfred 261, 308 Köhler, Johann David 34 Koht, Halvdan 216 Kol#rˇ, Pavel 102, 108, 112, 124, 129, 134, 136, 139, 149, 183, 186, 188, 200, 202, 205, 210, 218 König, Kardinal Franz 256 Koselleck, Reinhart 16, 193 Krachenberger, Johann 17 Kramer, Hans 101, 171, 299, 302 Kreisky, Bruno 299 Kretschmayr, Heinrich 151 Krofta, Kamil 105 Kübeck, Karl Friedrich (von) 48, 54 f. , 75 Kubitschek, Wilhelm (Josef) 134–136, 165, 171, 198, 207, 294, 318 Küchelbecker, Johann Basilius 29f. Kuhn, Thomas S. 306 Kunnert, Heinrich 159 Kuranda, Peter 180f. Kurz, Franz Seraphicus 71 Lackner, Christian 27–29, 34, 309 Ladner, Gerhart B. 128, 186 f. , 219 f. , 223 Lamprecht, Karl 165, 205 Latzke, Walther 163 Lechner, Karl 104, 107, 158, 225, 230 Lehmann, Franz Caspar 56, 233, 316 Leitsch, Walter 138f., 141, 200f., 203f., 284–287, 307, 319 Leopold I., röm.-dt. Kaiser 173 Leopold II., röm.-dt. Kaiser 47f., 50, 52, 84, 177, 252 Leopold V., Erzherzog 26 Leporini, Joseph Alois von 315 Lesiak, Emil 155 Lesky, Albin 292 Lhotsky, Alphons 10, 13f., 16, 18, 20, 23, 37, 39, 44, 62f., 69, 71f., 81, 84f., 93f., 96–98, 100, 102f., 106–108, 113, 116,

399 120, 124, 126, 147, 149, 183, 195, 213, 215, 219, 248–251, 253, 257f., 272f., 299, 303, 317 Liechtenstein, Prinz Franz von und zu 139f. Liessmann, Konrad Paul 274, 277 Lindeck-Pozza, Irmtraut 150 Loehr, August Oktavian (von) 56, 170f., 219f., 224, 229, 280f. Lorenz, Ottokar 95, 99f., 111, 114–118, 317 Lorenz, Reinhold 229f., 319 Lovisoni, Maria 147f. Luca, Ignaz de 49 Ludewig, Johann Peter (von) 34 Ludwig I., König von Bayern 71 Lueger, Karl 128 Luther, Martin 20, 58, 283 Lutter, Christina 309, 314 Lutz, Heinrich 10, 259–262, 285, 307, 319 Ma-Kircher, Klaralinda 197, 216 Macaulay, Sir Thomas 79 Mach, Ernst 143f. Maleczek, Werner 308 Marchet, Arthur 219 Maria Theresia, »Kaiserin«, König(in) von Ungarn und Böhmen 24, 26, 29f., 32f., 36, 39, 41f., 63, 65, 173f., 272 Marko, Kurt 286f., 307 Martini, Karl Anton von 32, 41, 50–52, 84 Mascov, Johann Jakob 34 Massiczek, Albert 160, 202, 238, 241, 250 Matejka, Viktor 107f., 197, 208 Maximilian I., röm.-dt. Kaiser 15f., 19, 65, 261 Mayer, Theodor 126f., 258 Mayr, Michael 67, 86, 93, 98, 101, 107, 115, 151, 161 Mayreder, Rosa 165 Mayrhofer, Manfred 295 Meinecke, Friedrich 233f., 261, 296 Meister, Richard 22, 31, 36, 44, 50, 64, 68, 72, 74, 81, 83, 86, 182, 238, 271, 280 Melanchthon, Philipp 20, 23 Mell, Anton 155

400 Melton, James Van Horn 189 Melzer, Victor 147, 195 Mendrochowicz, Severa 149 Menghin, Oswald 11, 182 Metternich, Klemens Wenzel Lothar Fürst 174–178 Migazzi, Christoph Anton von 47, 49 Miklas, Wilhelm 275 Mikoletzky, Hanns Leo 171, 248, 301 Millin, Aubin-Louis 39 Mitteis, Heinrich 217 Mitterauer, Michael 12, 265–269, 307f., 319 Mitthof, Fritz 309f. Molindes, Franz 28 Mommsen, Theodor 80f., 133f. Morgenthau, Hans J. 261 Moritsch, Andreas 287 Mosser, Alois 39, 265, 267f. Mozart, Wolfgang Amadeus 42 Mueller, Wolfgang 311 Mühlbacher, Engelbert 71, 103–106, 108, 120, 124, 139, 152, 173, 244, 317 Müller, Johannes von 69 Müller, Paul 158f., 162, 235f., 280f. Mumelter (von Sebernthal), Franz Joseph 54–56, 59, 316 Münchhausen, Gerlach Adolph von 54 Muratori, Ludovico Antonio 32 Neck, Rudolf 186, 214, 216, 218, 265, 299 Netoliczka von Baldershofen, Anna von 149 Neugebauer, Wolfgang (dt. Historiker) 80 Neugebauer, Wolfgang (österr. Historiker) 299, 301 Neumann, Franz 60f., 63, 316 Nietzsche, Friedrich 176 Nolde, Dorothea 309 Novotny, Alexander 163f. Ogrinz, Anna 146 Olbrich, Robert 156 O’Lynch, (Karl) Michael 32 Oncken, Hermann 174, 227

Personenregister

Oppenheim, Amalie 241 Oppenheim, David 241 Ottenthal, Emil (von) 108, 110, 141, 147, 149, 183, 195f., 244, 317 Palacky´, Frantisˇek 66, 114, 286 Palme, Bernhard 288, 309 Pammer, Michael 79, 313 Patsch, Carl 182, 200–202, 215, 318 Patzelt, Erna 150, 210, 212, 217, 264f., 280f. Peball, Kurt 240 Pekarˇ, Josef 105, 286 Pertz, Georg Heinrich 71, 113 Perz, Bertrand 309 Pesditschek, Martina 90, 92f., 114, 133f., 136–138, 173, 182, 199f., 207, 233, 289, 291–293 Peyfuss, Maximilian (Max Demeter) 287, 308 Pezzl, Johann 43 Pfitzner, Josef 202 Pichler, Joseph 28, 315 Pietsch, Lotte (Charlotte) 164 Piffl-Percˇevic´, Theodor 300 Pigler (verh. Wittibschlager), Andrea 147f. Pillersdorf, Franz Xaver von 73 Pink, Karl 219, 294 Pirenne, Henri 216 Pittioni, Richard 220 Pius IX., Papst 85 Pius XI., Papst 239 Plaschka, Richard Georg 261f., 285f., 288, 307, 319 Plener, Ernst von 210 Plöch, Leopold 45, 315 Pohl, Joseph 28f., 32, 315 Pohl, Walter 243, 251, 258, 309 Pohl-Glas, Lotte 165 Praschniker, Camillo 199, 289 Prˇibram, Alfred Francis 128–131, 165, 171f., 174, 181f., 219f., 319 Primavesi, Hertha 163f. Pütter, Johann Stephan 31

Personenregister

Rachfahl, Felix 174 Räcke, Elisabeth (von) 163 Ramung von Ramspichel, Johannes 15 Ranke, Leopold (von) 77–80, 102, 112, 115, 205, 210 Rathkolb, Oliver 298–300, 303, 309 Rautenstrauch, Franz Stephan 42 Redlich, Josef 130, 165, 261 Redlich, Oswald 10, 12, 101, 105–109, 115, 118–122, 141, 146–149, 152, 159, 162f., 169, 171, 174, 183–186, 188, 197f., 207f., 217, 221, 224, 226, 244, 248, 317 Redlich, Virgil 162 Reif, Albrecht 197 Reiger, Hilde 164 Reimitz, Helmut 243 Reinalter, Helmut 173, 175 Reinhardt, Volker 190 Remer, Julius August 56 Rettenpacher, Simon 27 Ridler (Riedler), Johann Wilhelm 59f., 65, 316 Riedel, Erhard 182f. Rinaldini, Bettina (von) 163 Ritter, Gerhard 227 Rogendorfer, Hedwig 161 Rommel, Otto 240 Rosenberg, Alfred 194, 229 Rosenberg, Hans 189f. Rothfels, Hans 296 Rottenhan, Heinrich Franz Graf 53, 55 Rubasch, Franz 156 Rudolf, Kronprinz 117f. Rudolf IV., Herzog von Österreich 8, 13, 22, 113 Rumpler, Helmut 247, 273 Sachse, Carola 309, 311 Sˇaf#rik, Pavel Jozef (tschechisch: Pavel Josef Sˇafarˇ&k) 138 Sandgruber, Roman 268 Santifaller, Leo 10, 101f., 106, 110, 119, 147, 171, 198, 230–233, 235, 238–240, 242, 244f., 253f., 256f., 273, 280, 303, 317 Saurer, Edith 182, 308

401 Scaife, Walter 115 Schachermeyr, Fritz 133, 289–294, 318 Schapire(-Neurath), Anna 165 Schärf, Adolf 256 Scharr, Kurt 314 Scheichl, Sigurd Paul 271, 273–278 Schieder, Theodor 190–192 Schirmacher, Käthe 165 Schleiermacher, Friedrich 75–77 Schlitter, Hans 115, 220 Schlözer, August Ludwig (von) 37, 41, 46, 48 Schmale, Wolfgang 309f. Schmauß, Johann Jakob 34 Schmerling, Anton von 170 Schmid, Heinrich Felix 273, 281f., 284–286, 296, 298, 319 Schmidt, Michael Ignaz 69 Schmitt, Oliver 309, 311f. Schnabel, Franz 233, 260 Schober, Johannes 180 Schönerer, Georg (von) 156 Schönwälder, Karen 173, 175f., 225–227 Schreiber(-Krieger), Adele 165 Schröckh, Matthias 49 Schubert, Kurt 273, 294, 312 Schüller, Richard 165 Schuschnigg, Kurt (von) 166, 178, 185, 202, 213–215, 238, 246, 275 Schwarzwald, Eugenie (Genia) 211 Selber, Karl 247 Seyß-Inquart, Arthur 225 Sickel, Theodor (von) 10, 86, 99–104, 108, 114, 117, 120, 122, 126, 186, 239, 244, 317 Sieder, Reinhard 268f. Siemann, Wolfram 175f. Siewert, Peter 308 Skalsky´, Gustav 126 Skrbensky, Otto 238, 245 Sommaruga, Franz von 73f., 81 Sonnenfels, Joseph (von) 44, 46–49, 56 Spengler, Oswald 176 Srbik, Heinrich (von) 10, 52, 70, 90f., 103f., 115f., 119, 131, 142, 161, 169,

402 171–182, 187f., 193, 197, 202, 216–219, 224–227, 233–235, 245, 251, 319 Stadion, Franz Graf 81 Stadler, Friedrich 309 Starzacher, Karl 166f. Stauber, Reinhard 314 Staudinger, Anton 12, 299f., 302, 308 Stein, Heinrich Friedrich Karl vom 72 Steinbacher, Sybille 298, 309, 311 Steinbüchel, Anton (von) 61–63, 316 Stekl, Hannes 268, 308 Stelzer, Winfried 20, 102, 308 Stern, Frank 309, 311f. Stiglitz, Roman 293f., 307 Stloukal, Karel 125f. Stöger, Ferdinand 41 Stökl, Günther 284 Stourzh, Gerald 12, 258f., 260–262, 285, 307, 319 Stradal, Helmuth 266 Stuhlpfarrer, Karl 72, 300, 308 Stummer, Astri von 198 Suess, Eduard 143 Suppan, Arnold 139, 141, 202, 286f., 308 Sˇusta, Josef 105–107 Sutter, Berthold 261 Swieten, Gerard van 42 Swieten, Gottfried van 42–47, 50f. Sybel, Heinrich von 78f., 102 Sylvester, Johannes (J#nos) 22, 315 Szanto, Emil 135–138, 208, 318 Taaffe, Eduard Graf 209 Ther, Philipp 309, 311 Thirring, Hans 280, 282 Thomasius, Christian 35 Thullner, Johann Baptist 28 Thun-Hohenstein, Leo Graf 44, 56, 74–76, 81–83, 86, 94, 98, 113 Tisza, Stephan (Istv#n) Graf 227 Titze (Tietze), Franz Niklas (Nikolaus) 66, 316 Tobisch, Lotte 236f. Tomek, W#cslaw Wladiwoj 82, 91 Trautson, Johann Joseph Graf 30 Treitschke, Heinrich von 78f.

Personenregister

Turba, Gustav

182

Uebersberger, Hans 69, 130, 139–142, 156, 174, 182, 200–202, 204, 318 Urban aus Schwindeck 14 Vahlen, Johannes 111 Valla, Lorenzo 15 Vancsa, Max 152 Varga, Lucie 210–213, 215 Voigt, Nikolaus Adaukt 41, 45, 315 Voltaire (eigentlich FranÅois-Marie Arouet) 47 Voltelini, Hans (von) 94, 101, 217 Vries, Peer 309f., 312 Wache, Walter 160, 164, 241 Wadani, Richard 284 Wagner, Franz 28 Waitz, Georg 102 Waldhäusl (verh. Feiks), Emma (Emmy) 147f. Walter, Anton Julius 219f. Wandruszka, Adam (von) 10, 50, 166f., 251f., 258, 301, 317 Wattenbach, Wilhelm 112f., 117 Watteroth, Heinrich Joseph 45–50, 316 Weber, Ekkehard 308 Weber, Max 261 Weinzierl, Erika 221, 298f., 302–305, 319 Weizsäcker, Julius 112 Wertheimer, Eduard von 220 Wickhoff, Franz 106 Wikosch, Martin 64f., 316 Wilhelm, Adolf 137f., 171, 199, 318 Wilhelm, Franz 156 Wilhelm I., deutscher Kaiser 116 Wilhelm V., Herzog von Bayern 25f. Windischgrätz, Alfred Fürst 67, 235 Winkelbauer, Thomas 96, 119, 241f., 250f., 309, 314 Winkler, Arnold 251 Winkler, Martin 202f., 220, 318 Winkler, Melitta von 148f. Winter, Eduard 32, 69, 74, 150, 256, 278–284

Personenregister

Winter, Ernst Karl 275 Wolfram, Fritz 278 Wolfram, Herwig 12, 243f., 258, 307, 308, 317 Wolkan, Rudolf (jun.) 153, 155, 158 Wolters, Reinhard 309, 312 Woynar, Karl 152 Wührer, Karl 164 Wunderl, Mario 252

403 Zahlmann, Stefan 309f. Zatschek, Heinz 101, 106, 223f., 238, 245, 317 Zeemann, Dorothea 197 Zeißberg, Heinrich (von) 103, 106, 117f., 121, 123f., 316 Zenker, Ernst Viktor 166 Zöllner, Erich 241, 243, 248–251, 272f., 307, 317