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German Pages 174 Year 2000
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 185
Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung Unter besonderer Berücksichtigung des Kausalitäts- und Zurechnungserfordernisses
Von
Martin Gutzeit
Duncker & Humblot · Berlin
M A R T I N GUTZEIT
Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 185
Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung Unter besonderer Berücksichtigung des Kausalitäts- und Zurechnungserfordernisses zugleich ein Beitrag zum Arbeitskampfrisiko
Von Martin Gutzeit
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Gutzeit, Martin: Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung : unter besonderer Berücksichtigung des Kausalitätsund Zurechnungserfordernisses / von Martin Gutzeit. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 185) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10165-0
Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-10165-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier
entsprechend ISO 9706 θ
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Mannheim im Wintersemester 1999/2000 als Dissertation angenommen. Sie wurde mit dem Preis des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. ausgezeichnet. Die Arbeit ist auf dem Stand Januar 2000. Vereinzelt konnte auch noch danach erschienene Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt werden. Sehr herzlich danken möchte ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Günther Wiese, der diese Arbeit ermöglicht und unermüdlich gefördert hat. Er ließ mir jedwede Unterstützung zuteil werden. Seine Anregungen konnte ich stets mit Gewinn verwerten. Herzlich danken möchte ich auch dem Zweitgutachter, Herrn Professor Dr. Volker Rieble, der durch vielfache kritische Stellungnahmen die Arbeit nachhaltig befruchtet hat. Besonderer Dank gebührt meinen Eltern, die mir alle Möglichkeiten eröffnet haben und deren stetiger Unterstützung ich gewiß sein konnte. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Mannheim, im Juni 2000
Martin Gutzeit
Inhaltsverzeichnis § 1
Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung
15
§2
Ohne Arbeit kein Lohn
17
§3
Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
28
A. Arbeitsversäumnis aus persönlichen Gründen (§616 BGB)
28
1. Persönliche Arbeitsverhinderung 2. Verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit 3. Ohne Verschulden des Dienstverpflichteten B. Arbeitsverhinderung wegen Krankheit des Arbeitnehmers (§ 3 EntgeltfortzG)
28 30 32 36
1. Krankheit des Arbeitnehmers
36
2. Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers
38
3. Ohne Verschulden des Arbeitnehmers
38
4. Wartefrist und Dauer des Anspruchs
39
C. Arbeitsausfall infolge eines gesetzlichen Feiertages (§ 2 EntgeltfortzG)
39
D. Annahmeverzug des Arbeitgebers (§615 BGB)
40
1. Angebot des Arbeitnehmers
41
2. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Gläubiger
46
3. Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers
47
E.
Betriebsrisikolehre
49
F.
Arbeitskampfrisikolehre
52
1. Entwicklung und Stand der Rechtsprechung
53
2. Positionen der Literatur sowie kritische Bestandsaufnahme
57
G. Arbeitsversäumnis wegen Betriebsratstätigkeit 1. Erforderliche Arbeitsbefreiung zur ordnungsgemäßen Durchführung von Betriebsratsaufgaben (§ 37 Abs. 2 BetrVG)
70 70
2. Freigestellte Betriebsratsmitglieder ( § 3 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG)
71
3. Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für Betriebsratsmitglieder
73
a) Freistellung für erforderliche Schulungs- und Bildungsveranstaltungen (§ 37 Abs. 6 BetrVG)
74
b) Freistellung für geeignete Schulungs- und Bildungsveranstaltungen (§ 37 Abs. 7 BetrVG)
76
H. Arbeitsausfall aufgrund mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote (§ 11 MuSchG)
78
I.
79
Erholungsurlaub des Arbeitnehmers
nsverzeichnis
10 §4
§5
Lohn ohne Arbeit - Analyse der Rechtsfolgen
83
A. Lohnausfallprinzip
83
B. Bezugsmethode
85
C. Sonderfall: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
87
Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
91
A. Kausalität
91
B. Multiple Verhinderungsgründe
96
1. Grundsätzliche Überlegungen a) Lösung mittels spezifisch arbeitsrechtlicher Ansätze?
96 97
aa) Arbeitnehmerschutzprinzip
97
bb) Fürsorgegedanke
98
cc) Lebensstandardprinzip
99
b) Multiple Verhinderungsgründe als Zurechnungsproblem
100
2. Spezialgesetzliche Regelungen multipler Verhinderungsgründe . . . 110 a) § 297 BGB
110
b) § 2 Abs. 2 EntgeltfortzG
111
c) § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG
112
d) § 4 Abs. 3 EntgeltfortzG
112
e) § 78 Satz 2 BetrVG
114
3. Sonderfall: Urlaub als „Verhinderungsgrund"
121
b) Urlaub und Feiertag: § 3 Abs. 2 BUrlG
122
C. Hypothetische Kausalverläufe 1. Rechtsprechung und Literatur
§6
116
a) Urlaub und Krankheit: § 9 BUrlG
124 125
2. „Rechtsfolgenlösung" von Belling und Hartmann
130
3. Tatbestandslösung
134
Bürgerlichrechtliche Behandlung des Arbeitskampfrisikos
141
A. Das Problem
141
B. Das Arbeitskampfrisiko als Zurechnungsproblem
141
1. Zurechnung des Arbeitskampfrisikos aufgrund vereinsrechtlicher Wertungen? 142
§7
2. Das Arbeitskampfrisiko als „hypothetischer Streik"?
143
3. Arbeitskampfrisikotragung als Beweisproblem?
148
C. Relevanz der Kampfparität?
152
Zusammenfassung der wichtigsten Thesen
154
Literaturverzeichnis
156
S ach wort Verzeichnis
172
Abkürzungsverzeichnis a. a. Ο.
am angegebenen Ort
ABGB
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich
abl.
ablehnend
Abs.
Absatz/Absätze
AcP
Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)
a. E. AFG
am Ende Arbeitsförderungsgesetz vom 25. Juni 1969
a. M. Anm.
anderer Meinung Anmerkung
AP
Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsrecht-Blattei (Loseblattwerk)
AR-Blattei Arbeitsrecht
Arbeitsrecht. Zeitschrift für das gesamte Dienstrecht der Arbeiter, Angestellten und Beamten.
ArbG
Arbeitsgericht
ArbKrankhG
Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 26. Juni 1957 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) i.d.F. vom 14. April 1980 Das Arbeitsrecht der Gegenwart. Jahrbuch für das gesamte Arbeitsrecht und die Arbeitsgerichtsbarkeit. Nachschlagewerk für Wissenschaft und Praxis (Zeitschrift) Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994 Arbeitsrechtssammlung, Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts, der Landesarbeitsgerichte und Arbeitsgerichte Allgemeiner Teil Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung i.d.F. vom 3. Februar 1995 Arbeit und Recht (Zeitschrift) Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift)
ArbPlatzSchutzG
ArbRGegw.
ArbZG ARS AT AÜG AuR BAG BB BetrVG, BetrVG 1972 BGB BGBl. I BGH BGHZ
Betriebsverfassungsgesetz i.d.F. vom 23. Dezember 1988 Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 Bundesgesetzblatt Teil I Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
Abkürzungsverzeichnis
12 Bl.
Blatt/Blätter
BR-Drucks.
Β undesrats-Drucksache
BSeuchG
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen i.d.F. vom 18. Dezember 1979
BSG BT
Bundessozialgericht Besonderer Teil
BVerfG
Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) vom 8. Januar 1963 Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BUrlG
BVerwGE
Entscheidungen des Bundeverwaltungsgerichts
DB
Der Betrieb (Zeitschrift)
ders.
derselbe
d.h.
das heißt
Diss.
Dissertation
DVB1.
Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)
EntgeltfortzG
Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) vom 26. Mai 1994 Entscheidung
Entsch. ES
Entscheidung
EzA
Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht (Loseblattwerk)
f., ff.
folgende
FeiertagslohnzahlungsG
Gesetz zur Regelung der Lohnfortzahlung an Feiertagen vom 2. August 1951
Fn.
Fußnote
gem.
gemäß
GewO
Gewerbeordnung i.d.F. vom 22. Februar 1999
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949
ggfs. GK
gegebenenfalls
Gruchot
Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts. Begründet von Dr. J. A. Gruchot (Zeitschrift)
GS HGB
Großer Senat
h.L.
herrschende Lehre
hrsg.
herausgegeben
i.d.F.
in der Fassung
insbes.
insbesondere
i.S.
im Sinne in Verbindung
i.V.
Gemeinschaftskommentar
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897
Abkürzungsverzeichnis
13
Jherings Jahrbücher
Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts (Zeitschrift)
JR
Juristische Rundschau (Zeitschrift)
JugArbSchutzG
Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) vom 12. April 1976 Jura (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Kraftfahrzeug Kammergericht Konkursordnung i.d.F. vom 20. Mai 1898 kritisch
Jura JuS JW JZ KfZ KG KO krit. LAG
Landesarbeitsgericht
LAGE
Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte (Loseblattwerk)
LohnFG
Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969 meines Erachtens Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) i.d.F. vom 18. April 1968 mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Zeitschrift) Nummer(n) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht - Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht oben genannte(n/r/s) Rückseite Reichsarbeitsgericht Recht der Arbeit (Zeitschrift) Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsversicherungsordnung i.d.F. vom 15. Dezember 1924 Seite(n) Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) Schleswig-Holstein Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter i.d.F. vom 14. August 1961 Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft i.d.F. vom 26. August 1986 Seemannsgesetz vom 26. Juli 1957
m.E. MuSchG m. w. N. NJW NJW-RR Nr. NZA NZA-RR NZfArbR o.g. R RAG RdA RG RGZ RVO S. SAE Schlesw.-Holstein SchwBeschG SchwbG SeemG
14
Abkürzungsverzeichnis
SGB V
Sozialgesetzbuch (SGB) - 5. Buch (V). Gesetzliche Krankenversicherung - vom 20. Dezember 1988
sog. Sp. u.a.
sogenannt Spalte(n) unter anderem
u.a.m. u.a.
und anderes mehr und ähnliche
UrlaubsG
Urlaubsgesetz
usw.
und so weiter
u.U. VersR
unter Umständen Versicherungsrecht (Zeitschrift)
vgl. Vorbem.
vergleiche Vorbemerkung
z.B.
zum Beispiel
ZfA
Zeitschrift für Arbeitsrecht
zit.
zitiert Zivilprozeßordnung i.d.F. vom 12. September 1950
ZPO ZSR ZTR
Zeitschrift für Sozialreform Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes
§ 1 Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung Hauptpflicht des Arbeitnehmers ist die Leistung der vertraglich vereinbarten Arbeit. Hierfür schuldet ihm der Arbeitgeber Lohn. Jedoch unterbleibt beim Arbeitsverhältnis, einem Dauerschuldverhältnis mit typischerweise längerfristiger, in der Regel unbestimmter Laufzeit, aus unterschiedlichen Gründen die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Ob der Arbeitgeber dennoch die Vergütung schuldet, ist eine nicht selten schwierige Frage. Um sie beantworten zu können, muß insbesondere nach den Ursachen der Nichtleistung 1 des Arbeitnehmers gefragt werden. Krankheit, Urlaub, Betriebsratstätigkeit u.a.m. können einen Lohnanspruch bestehen lassen; Streik, unentschuldigtes Fernbleiben u. a. m. führen regelmäßig zum Wegfall des Anspruchs. Die Rechtsprechung hat sich bei der rechtlichen Bewältigung der damit verbundenen Probleme häufig über das geschriebene Recht hinweggesetzt. Stichworte wie Betriebsrisiko- und Arbeitskampfrisikolehre belegen dies. Die Rückführung des inzwischen entwickelten arbeitsrechtlichen Systems der Lohnfortzahlung in das geschriebene Recht soll die erste Aufgabe dieser Arbeit sein. Hierfür ist es erforderlich, die Nichtleistung des Arbeitnehmers als arbeitsvertragliche Leistungsstörung zunächst näher rechtlich zu qualifizieren. Im Anschluß daran sollen die einzelnen Lohnfortzahlungstatbestände dargestellt werden, wobei besonderes Augenmerk auf die Fälle zu legen ist, bei denen eine Loslösung von den normativen Grundlagen beobachtet werden kann. Hieran schließt sich die zweite Aufgabe der Arbeit: Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung muß in sich stimmig sein. Angesprochen sind damit Konstellationen, bei denen nicht nur eine Ursache zum Arbeitsausfall geführt hat, sondern mehrere kumulativ oder auch nur hypothetisch zusammentrafen. Auch diese müssen rechtlich bewältigt werden können. Soweit derartige Probleme bislang überhaupt diskutiert wurden, befaßte man sich vorwiegend mit dem Zusammentreffen zweier Ursachen, von denen nur eine den Lohnanspruch aufrecht erhielt, die andere hingegen einen Anspruch versagte. Doch stellen sich vor allem dann schwierige rechtliche 1
Im folgenden wird von einem weiten Begriff der Nichtleistung ausgegangen, der nicht auf das Verschulden abstellt und sich auch nicht auf die vertragswidrige Nichtleistung beschränkt (vgl. dazu MünchArbR/Blomeyer § 55 RdNr. 1).
16
§ 1 Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung
Fragen, wenn jeweils alle Ursachen den Anspruch bestehen lassen und an die verschiedenen Ursachen unterschiedliche Berechnungsmethoden mit verschiedenen Ergebnissen geknüpft werden. Die Suche nach der rechtlichen Folge war gerade wegen der zeitweisen Kürzung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle auf achtzig Prozent durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung 2 besonders dringlich. Der Lösung der zweiten Aufgabe soll sich in mehreren Stufen genähert werden: Im Anschluß an die tatbestandliche Untersuchung der zentralen Normen des Lohnfortzahlungsrechts sollen zunächst die soeben angesprochenen unterschiedlichen Berechnungsmethoden dargestellt werden. Sodann sind Konstellationen „echter Doppelkausalität" und im Anschluß daran die Fälle nur hypothetischer Nichtleistung Gegenstand der weiteren Überlegungen. Hingewiesen sei bereits an dieser Stelle auf Auswirkungen für die Arbeitskampfrisikolehre, welche m. E. mit der hier entwickelten Konzeption und der „richtigen" Qualifikation als Kausalitäts- und Zurechnungsproblem dogmatisch überzeugender und im Ergebnis angemessener begründet und gelöst werden kann. Ausführungen hierzu bilden den Abschluß dieser Untersuchung.
2
BGBl. I 1996, S. 1476 (1477 f.). Die Kürzung wurde durch Art. 7 Nr. 1 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 (BGBl. I, S. 3843, 3849) wieder zurückgenommen.
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn Im Grundsatz ist heute unbestritten, daß sich die Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung auch im Arbeitsverhältnis nach den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln bestimmt 1 , 2 . Weniger gesichert ist allerdings, welche schuldrechtlichen Regeln im Falle der Nichtleistung einschlägig sind. In Betracht kommen die Vorschriften über den Schuldnerverzug (§§ 284 ff., 326 BGB) bzw. den Gläubigerverzug (§§ 293 ff., 615 BGB) oder aber diejenigen über die Unmöglichkeit der Leistung (§§ 275, 323 ff. BGB). Die Abgrenzung dieser Institute war lange Zeit umstritten, kann aber heute als geklärt gelten. Danach führen grundsätzlich nur dauernde Leistungshindernisse zur Unmöglichkeit, weshalb die Nachholbarkeit der Leistung3 (Möglichkeit der nachträglichen Herbeiführung des Leistungserfolges) über die Qualifikation der Leistungsstörung entscheidet4. Tatsächlich nachholbar ist die Arbeitsleistung in vielen Fällen, doch kann sich die fehlende Nachholbarkeit zudem aus rechtlichen Gründen ergeben, weshalb auch dann von Unmöglichkeit ausgegangen werden muß. So kann z.B. bei einem Vollzeitarbeiter die Nachleistung unmöglich sein, falls er durch sie die gesetzlich zulässige Höchstarbeitsdauer des Arbeitszeitgeset1 Zur früher umstrittenen Frage, ob das Arbeitsverhältnis ein Schuldverhältnis sei, vgl. nur Mayer-Maly, JZ 1961, S. 205 ff.; Söllner, AcP 167, S. 132 (136); Sommer; Nichterfüllung, S. 33 ff.; Wiese, ZfA 1996, S. 439 (448 f.) m.w.N.; gegen die Annahme eines Schuldverhältnisses etwa RAG ARS 37, 230 (236 ff.); 40, 351 (354); 43, 167 (168 f.); LAG Stuttgart, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Bl. 2; Potthoff,\ Arbeitsrecht 1922, Sp. 267 (269 ff.), deren Abkehrversuche vom Bürgerlichen Gesetzbuch heute als überwunden gelten können; einschränkend auch noch BVerfGE 3, 162 (176 f.); BAG AP Nr. 1 zu § 14 SchwBeschG Bl. 1 R; AP Nr. 1 zu § 615 BGB Betriebsrisiko Bl. 2; BGHZ 10, 187 (190 f.); vgl. auch Gamillschegy AcP 176 (1976), S. 197 ff. Grundlegend zum Arbeitsvertrag im Zivilrechtssystem Richardis ZfA 1988, S. 221. ff. 2
Zu den zahlreichen Versuchen, angemessene Ergebnisse ohne Rückgriff auf das Bürgerliche Gesetzbuch zu erlangen, vgl. nur Rückert, ZfA 1983, S. 1 (1 ff.) m.w.N. 3 Vgl. grundlegend zum Leistungsbegriff des Bürgerlichen Rechts Wieacker, Leistungshandlung und Leistungserfolg im Bürgerlichen Schuldrecht, Festschrift für Hans Carl Nipperdey, S. 783 (790 ff., 798, 812). 4 Vgl. nur Beuthien, Zweckerreichung, S. 235 ff.; Kalb, Betriebsrisikolehre, S. 91 ff.; MünchKomm/Emmerich § 275 RdNr. 41 und ferner die Darstellung bei Rückeru ZfA 1983, S. 1 (5 ff.). 2 Gutzeit
18
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn
zes überschreiten würde. Mit Blick auf die heute übliche Dauer der Wochenarbeitszeit ist diese Konstellation jedoch eher theoretisch als praktisch vorstellbar. Bislang keine Beachtung hat in diesem Zusammenhang soweit ersichtlich - die Relevanz des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gefunden, welcher die Lage der Arbeitszeit der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterwirft. Haben sich Betriebsrat und Arbeitgeber über die Lage der Arbeitszeit geeinigt, ist die Arbeitsleistung außerhalb dieses Zeitraumes weder geschuldet noch darf sie vom Arbeitnehmer erbracht werden. Ein Nachleistungsverlangen des Arbeitgebers verstieße gegen die notwendige Mitbestimmung 5 des Betriebsrats. Es läge bei entsprechender betrieblicher Regelung auch hier ein Fall rechtlicher Unmöglichkeit vor. Sieht man von den konsensfähigen - allerdings praktisch seltenen Fällen rechtlicher Unmöglichkeit ab, so wäre für die verbleibenden daran zu denken, daß es sich bei der geschuldeten Arbeitsleistung um eine absolute Fixschuld handeln könnte. Auch bei diesen werden im Falle der Nichtleistung die Unmöglichkeitsvorschriften herangezogen, obgleich nur ein vorübergehendes Leistungshindernis besteht und somit die geschuldete Leistung eigentlich nachholbar wäre. Der Grund hierfür liegt darin, daß die Leistung streng zeitgebunden ist und zu einem späteren Datum nicht mehr erbracht werden kann, da mit ihr der Leistungszweck des Gläubigers nicht mehr verwirklicht würde 6 . Angesprochen sind regelmäßig die Taxifahrt zu einem bestimmten Zug, die Zimmervermietung in einem Hotel etc. Die Verfechter der Unmöglichkeitslösung begnügen sich häufig mit einem recht pauschalen Hinweis auf den Fixschuldcharakter des Arbeitsverhältnisses 7. Die Arbeitsleistung sei regelmäßig zu einem festen Zeitpunkt oder jedenfalls innerhalb eines festen Zeitrahmens geschuldet und insofern nicht nachholbar.
5
Zur Theorie der notwendigen Mitbestimmung vgl. statt aller Wiese, GKBetrVG, § 87 RdNr. 89 ff. m.w.N. 6 Dazu nur MünchKomm/Emmerich § 275 RdNr. 42 ff. (45); Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 331 ff., beide mit weiteren Nachweisen. Vgl. auch Sommer, Nichterfüllung, S. 62 ff. 7 So etwa Fabricius, Leistungsstörungen, S. 98 f., 103 f.; Kalb, Betriebsrisikolehre, S. 94 f.; Neumann-Duesberg, DB 1969, S. 261; Richardis NJW 1987, S. 1231 (1234); Schaub § 51 I I 1; Söllner, AcP 167, S. 132 (139); Zöllner/Loritz, S. 203 f; vgl. ferner BGHZ 10, 187 (189) und die Nachweise von Sommer, Nichterfüllung, S. 97 ff. (insbes. Fn. 358). Hueck/Nipperdey I, S. 223 mit Fn. 1, wollen trotz der Annahme einer Fixschuld die Verzugsregeln anwenden, wobei sie zwar davon ausgehen, daß der Verzug die Unmöglichkeit später herbeiführe, es jedoch „natürlicher" sei, von Verzug zu sprechen; dies verwischt aber die im Bürgerlichen Gesetzbuch angelegte strikte Trennung zwischen Unmöglichkeit und Verzug. Hinsichtlich der Lohnfortzahlung gehen Hueck/Nipperdey I, S. 226, allerdings ohne weiteres von den Unmöglichkeitsregeln aus.
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn
19
Die die Verzugsregeln bevorzugende Gegenmeinung stellt diese These in Frage und verweist etwa auf Gleitzeitmodelle in Betrieben u.a.m. 8 . Ihr ist zuzugeben, daß durch die Tendenz des modernen Arbeitsrechts hin zu einer weitgehenden Flexibilisierung insbesondere bei der Gestaltung der Arbeitszeit die Annahme einer absoluten Fixschuld zunehmend zweifelhafter erscheint. Dennoch folgt die heute ganz überwiegende Meinung der Unmöglichkeitslösung. Das ist kein Zufall, sondern Konsequenz der Bemühung, den Arbeitnehmer vor möglichen Nachleistungsverpflichtungen zu bewahren 9. Doch genügt hierzu ein nur behaupteter Fixschuldcharakter nicht. Insoweit haben die Gesichtspunkte der Gegenmeinung ein zu starkes Gewicht. Bei der Lösung dieser Streitfrage - auch insoweit besteht noch Konsens - ist zunächst zu beachten, daß gewiß in manchen Fällen die geschuldete Arbeitsleistung eine Fixschuld sein kann; dies immer dann, wenn der einzelne Arbeitnehmer seine Arbeit nur zeitgebunden zu verrichten hat, sei es weil er innerhalb einer Gruppe arbeitet, auf die er und die auf ihn angewiesen ist, sei es weil er als Verkäufer zu bestimmten Ladenöffnungszeiten arbeitet usw. 1 0 . Je stärker aber die persönliche Wochenarbeitszeit verkürzt wird und je mehr sog. Dienstleistungen Gegenstand des Arbeitsvertrages werden, desto weniger sprechen rechtliche oder tatsächliche Gründe gegen die Nachholbarkeit der Arbeitsleistung 11 . Ist diese aber möglich und liegt deshalb grundsätzlich Verzug vor, so wäre konsequenterweise der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet, sofern nicht § 615 BGB anwendbar ist, der im Falle des Annahmeverzugs des Arbeitgebers die Nachleistungspflicht des Arbeitnehmers entfallen läßt. Alle anderen Fälle, z.B. Teilnahme an rechtswidrigem Streik, sog. „Blaumachen", Verspätung wegen der Verkehrsverhältnisse u.a.m. würden unabhängig vom Verschulden des Arbeitnehmers dessen Nachleistungspflicht bestehen lassen. Dieses Ergebnis wäre jedoch unbefriedigend, weil die Lage der Arbeitszeit für die Vertragsparteien von besonderer Bedeutung ist - wenn auch 8
So insbesondere von Stebut, RdA 1985, S. 66 (66 ff.). Modifizierend etwa MünchArbRIBlomeyer § 55 RdNr. 10 f., der grundsätzlich unter Heranziehung der Auslegungsregel des § 361 BGB von einem relativen Fixschuldcharakter des Arbeitsverhältnisses ausgeht und deshalb dem Arbeitgeber ein Gestaltungsrecht zwischen den Verzugs- und Unmöglichkeitsfolgen zubilligen will. 9 So zu Recht Nierwetberg, BB 1982, S. 995 (998 f.). 10 Diese Fallkonstellationen werden auch von der die Verzugsregeln befürwortenden Ansicht den Unmöglichkeitsregeln unterstellt; vgl. etwa von Stebut, RdA 1985, S. 66 (67); krit. allerdings Sommer, Nichterfüllung, S. 205 ff. 11 Vgl. Beuthien, RdA 1972, S. 20 (21 f.); Beuthien/Häuser, JuS 1971, S. 478 (478 f.); von Stebut, RdA 1985, S. 66 (67 f.). 2*
20
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn
nicht in dem Maße, daß die Arbeitsleistung streng zeitgebunden wäre. Gerade im Hinblick auf andere Verpflichtungen ist der Arbeitnehmer vor Nachleistungspflichten zu anderen Zeiten auch schutzwürdig 12 . So wäre etwa für ihn bei möglichen Bindungen durch weitere Arbeitsverhältnisse die Nacharbeit eine große Härte. Würde z.B. ein Arbeitnehmer, der bei zwei Arbeitgebern beschäftigt ist und für eine Woche bei beiden unentschuldigt fehlt, zur Nachleistung verpflichtet sein, so könnte dies zu unverhältnismäßigen Belastungen, zu Schwierigkeiten bei der zeitlichen Abstimmung der beiden Arbeitsverhältnisse und schließlich - etwa bei einer dadurch bedingten denkbaren Überschreitung des Arbeitszeitgesetzes - zu erheblichen rechtlichen Komplikationen (Teilunmöglichkeit usw.) führen. Auch die Erfüllung bestehender familiärer Pflichten wäre bei entsprechender Konstellation deutlich erschwert, was die Vereinbarkeit des Arbeits- mit dem Familienleben gefährden würde. Ob daneben das Nachleisten versäumter Arbeit als soziale Sanktion erscheinen kann, die geeignet ist, den Arbeitnehmer im Betrieb herabzuwürdigen 13 , mag dahinstehen. Ein Wegfall der Nachleistungspflicht würde auch nicht zum Arbeitsversäumnis auffordern. Schließlich droht dem Arbeitnehmer der Lohnausfall und bei verschuldetem Arbeitsversäumnis u.U. ein Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers; gegebenenfalls ist der Arbeitgeber auch zur Kündigung berechtigt. Zu bedenken ist ferner, daß dem Arbeitgeber der Nachleistungsanspruch gegenüber einem pflichtvergessenen Arbeitnehmer wenig nützen würde, weil der Anspruch wegen § 888 Abs. 2 ZPO nicht vollstreckbar wäre 14 , so daß das Interesse des Arbeitgebers an einem solchen Anspruch gering sein dürfte. Die herausragende Rolle der Lage der Arbeitszeit war auch für den Gesetzgeber evident, was etwa durch den bereits erwähnten § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zum Ausdruck kommt. Zudem begann die historische Entwicklung des Arbeitsschutzes mit Regelungen der Arbeitszeit, wenn auch zunächst nur hinsichtlich der Dauer 15 , wodurch gleichwohl die tragende Bedeutung für das Arbeitsverhältnis unterstrichen wird. Auch der Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes des Freistaates Sachsen berücksichtigt in seinen §§ 33 ff. in hohem Maße die Wünsche des Arbeitnehmers hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit; dabei spielen insbesondere die bereits oben 12 von Stebuty RdA 1985, S. 66 (69), läßt bereits im Ansatz solche Überlegungen nicht gelten, da für ihn die bloße Härte hinsichtlich der Erfüllung noch kein Grund ist, den Betroffenen von seinen vertraglichen Pflichten zu befreien. Kritisch auch Sommer, Nichterfüllung, S. 182 ff. 13 So etwa Nierwetberg, BB 1982, S. 995 (999) - wohl zu weitgehend. 14 Vgl. dazu etwa Kraft, NZA 1989, S. III (778); Stoffels, Vertragsbruch, S. 59 ff. m.w.N. 15 Vgl. hierzu etwa Reimann, Liber Discipulorum, S. 141 ff. m.w.N.
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn
erwähnten familiären Bindungen eine Rolle (vgl. § 35 Abs. 2 des Entwurfes) 16 . Beachtet man ferner, daß die gesetzliche Qualifikation der Leistungsstörung den Parteien nicht zwingend vorgegeben ist, sondern zu deren Disposition steht 17 , so läßt sich deshalb, in Ermangelung ausdrücklicher arbeitsvertraglicher Regelungen, ein Ausschluß der Nachleistungsverpflichtung und damit die Annahme einer Fixschuld im Wege ergänzender Auslegung des Arbeitsvertrages als angemessen begründen 18 . Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist nämlich nicht darauf abzustellen, was die konkreten Vertragspartner vereinbart hätten, wenn ihnen das Problem bei Vertragsschluß bewußt gewesen wäre. Es geht vielmehr um die Bestimmung der angemessenen Rechtsfolgen eines in diesem Punkte lückenhaften Vertrages, die nach objektiven Kriterien, nämlich Treu und Glauben und der Verkehrssitte (§§ 157, 242 BGB) zu erfolgen hat 1 9 . Die häufig gebrauchte Formel, bei der ergänzenden Vertragsauslegung sei der „hypothetische Parteiwille" zu erforschen, ist deshalb zumindest mißverständlich 20 . Der ergänzenden Vertragsauslegung steht auch grundsätzlich nicht entgegen, daß dispositives Gesetzesrecht (hier also z.B. die §§ 284 ff., 326 BGB) existiert. Zwar muß bei der Schließung vertraglicher Lücken zunächst auf das dispositive Gesetzesrecht zurückgegriffen werden. Das kann aber nur gelten, sofern dieses angemessene Regelungen bereit hält 2 1 . Dies ist beim Arbeitsvertrag, der gegenüber dem „gewöhnlichen" Dienstvertrag vielfache Besonderheiten aufweist, gerade nicht durchweg der Fall, was die hier dargelegte Problematik zeigt und die Abkehrversuche der arbeitsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung vom Bürgerlichen Gesetzbuch erklärt. Insoweit trifft die Bemerkung Heinrich Titzes 22 zu, die 16
Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (ArbVG) des Freistaates Sachsen, BRDrucks. 293/95, S. 25 f., 103 f. Zur Berücksichtigung familiärer Pflichten im Arbeitsverhältnis nach geltendem Recht vgl. etwa ArbG Hamburg, BB 1996, S. 1668 (1669 f.). 17 Vgl. nur MünchKomm/Emmerich § 275 RdNr. 55. 18 So insbesondere Beuthien, RdA 1972, S. 20 (22 f.); Beuthien/Häuser, JuS 1971, S. 478 (479); ferner Heinrich, Jura 1996, S. 235 (236); Hromadka/Maschmann, S. 255 f.; Preis/Hamacher, Jura 1998, S. 11 (13 f.); Rückert, ZfA 1983, S. 1 (S. 8 mit Fn. 28); Stoffels, Vertragsbruch, S. 107 ff.; ders. y AR-Blattei, Arbeitsvertragsbruch, Nr. 230, RdNr. 113; dem zuneigend auch Picker, Lohngefahr, Festschrift für Otto Rudolf Kissel , S. 813 (821 ff.); a. M. hingegen von Stebut, RdA 1985, S. 66 (68), der dieses Ergebnis für „kaum akzeptabel" hält. 19 Vgl. BGHZ 90, 69 (76); Flume , BGB AT, S. 322; Larenz/Wolf BGB AT, S. 562 ff.; Medicus, BGB AT, RdNr. 343; Pawlowski, BGB AT, RdNr. 393 ff. und 515 ff. 20 So zu Recht Flume , BGB AT, S. 327 f. 21 Vgl zum Verhältnis des dispositiven Gesetzesrechts zur ergänzenden Vertragsauslegung nur Larenz/Wolf BGB AT, S. 563 f.
22
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn
Begriffe Verzug und Unmöglichkeit würden im Arbeitsrecht die richtige Entscheidung zwar ermöglichen, jedoch nicht gewährleisten. Zudem muß beachtet werden, daß im Wege ergänzender Vertragsauslegung dispositives Gesetzesrecht nicht durch autonomes Recht ersetzt, sondern nur die Qualifikation der Leistungsstörung geändert wird. Deshalb würde auch nicht der Einwand berechtigt sein, hinter den jeweiligen dispositiven Gesetzesnormen stünden Gerechtigkeitsüberlegungen, die es zu beachten gelte. Wie bereits dargelegt, wären die rechtlichen Folgen der Nichtleistung ohne eine ergänzende Auslegung des Vertrages von Zufällen (etwa von einer Betriebsvereinbarung über die Lage der Arbeitszeit) abhängig, was gleichfalls nicht für eine besondere Gerechtigkeitsgewähr spricht. Im Ergebnis ist daher der herrschenden Meinung zuzustimmen, welche die Rechtsfolgen der Nichtleistung des Arbeitnehmers nach den Unmöglichkeitsregeln bestimmt. Der Ausschluß der Nachleistungspflicht folgt zwar nicht immer aufgrund rechtlicher Gegebenheiten oder aus tatsächlichen Notwendigkeiten, welche die Annahme einer absoluten Fixschuld rechtfertigen; sie folgt jedoch zumindest wegen der erheblichen Bedeutung der Lage der Arbeitszeit aus vertraglichen Grundsätzen, so daß im Regelfall die Unmöglichkeitsvorschriften anzuwenden sind. Allerdings ist damit nicht schlechthin die rechtliche Behandlung der Nichtleistung des Arbeitnehmers vorgegeben. Die Frage, welche Regelungen angemessen sind, läßt Fallgruppenbildungen zu. Insbesondere bei kürzeren Fehlzeiten können durchaus auch die Verzugsregeln für beide Parteien interessengerechter und damit angemessen sein - insbesondere dann, wenn man auf Arbeitnehmerseite an das Entgelt und auf Arbeitgeberseite an die zu bewältigende Arbeit denkt 23 . Dem entspricht es, daß der Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes des Freistaates Sachsen in seinem § 46 Abs. 2 einen Nachleistungsanspruch des Arbeitgebers im Rahmen des Zumutbaren für gegeben hält 2 4 . Hierunter fallen nämlich gerade die kurzzeitigen Arbeitsausfälle. Durch § 46 Abs. 2 würde also die Möglichkeit eröffnet, angemessene Regelungen anhand von Fallgruppen zu schaffen. Freilich betrifft die im Entwurf enthaltene Regelung den Annahmeverzug des 22
JW 1922, S. 548 (551). Zu den Versuchen, differenzierende Fallgruppen zu bilden, siehe etwa MünchArbR/Blomeyer § 55 RdNr. 10 f.; vgl. auch Preis/Hamacher, Jura 1998, S. 11 (13 f.). Zum Interesse des Arbeitgebers an einer Nachleistungsverpflichtung des Arbeitnehmers Sommer, Nichterfüllung, S. 115 f. und zum korrespondierenden Interesse des Arbeitnehmers ders. y a.a.O., S. 182 ff. Die Möglichkeit verschiedener Interessenkonstellationen und damit Fallbildungen etwa bei kurzzeitigem oder längerfristigem Versäumnis der Arbeitszeit wird von von Stebut (RdA 1985, S. 66 [68 f.]) nicht gesehen, weshalb er die ergänzende Auslegung des Arbeitsvertrages ablehnt. 24 BR-Drucks. 293/95, S. 29. 23
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn Arbeitgebers und läßt insoweit i m Vergleich zur derzeit einschlägigen Vorschrift des § 615 B G B einen Nachleistungsanspruch eher zu. Dies spricht aber nicht gegen die ergänzende Auslegung des Arbeitsvertrages i n dem hier dargelegten Sinne, sondern vielmehr für ein Herausarbeiten angemessener, differenzierender Fallgruppen, was bislang i m Rahmen des § 615 B G B nicht m ö g l i c h war. I m übrigen spricht auch de lege lata § 615 B G B , welcher i m Falle des Annahmeverzuges des Dienstberechtigten dem Dienstverpflichteten dessen Vergütungsanspruch beläßt und von einer Nachleistungsverpflichtung gänzlich absieht, nicht gegen das hier vertretene Ergebnis. Durch die vorstehende ergänzende Auslegung des Arbeitsvertrages w i r d dieser N o r m zwar ein Großteil ihres (unmittelbaren) Anwendungsbereiches entzogen, da Annahmeverzug und U n m ö g l i c h k e i t einander ausschließen 2 5 . Dies schadet jedoch n i c h t 2 6 und führt auch zu weitgehend gleichen Ergebnissen. D i e 25
Vgl. etwa BGHZ 60, 14 (17) sowie die umfangreichen Nachweise bei Picker, JZ 1985, S. 641 (698 Fn. 112). Nach Auffassung von Picker (a.a.O., S. 641 [698 ff.]; ders., JZ 1979, S. 285 [292 f.]) - ebenso Richardi (NJW 1987, S. 1231 [1234 f.]; ders., in Staudinger § 615 RdNr. 17 ff.) und Boewer (MünchArbR § 76 RdNr. 1, 9 ff.; § 77 RdNr. 14) - sei § 615 BGB trotz Unmöglichkeit der Arbeitsleistung anwendbar, da der Annahmeverzug des Arbeitgebers stets die Unmöglichkeit der Leistung des Arbeitnehmers bedinge, deshalb ein Annahmeverzug jedoch nicht ausgeschlossen sei, was der - historischen - Konzeption des Gesetzes entspräche (dem neuerdings auch zuneigend Hromadka/Maschmann, S. 262 f.). Dieser Ansicht sind allerdings dieselben Einwände entgegenzuhalten wie der sog. Abstrahierungslehre - dazu sogleich. Soweit diese Lehre behauptet, § 615 BGB regele auch den Fall der Annahmeunmöglichkeit und darunter die Annahmeunwilligkeit und -Unfähigkeit des Gläubigers faßt, ist dies - ungeachtet der Sachfrage - zudem terminologisch ungeschickt. Es geht nämlich um die durch die Nichtannahme bedingte Unmöglichkeit der Schuldnerleistung. Die Frage der rechtlichen Behandlung der Annahmeunmöglichkeit taucht vielmehr im Rahmen der Annahmeverzugsprüfung im Zusammenhang mit der gemäß § 293 BGB geforderten Nichtannahme der Leistung durch den Gläubiger auf und ist dort insbesondere wegen § 297 BGB problematisch (s. dazu unten § 3 D 2 und 3). In einem neuen Arbeitsvertragsgesetz wäre es angebracht, das Verhältnis von Verzug und Unmöglichkeit im Arbeitsrecht klarzustellen. Eine arbeitsrechtliche Gefahrtragungsregel, die lediglich an den Annahmeverzug anknüpft, ist vor dem Hintergrund der heute herrschenden Dogmatik jedenfalls problematisch; vgl. dazu auch Picker, Lohngefahr, Festschrift für Otto Rudolf Kissel, S. 813 (826 ff.). Für eine gänzliche Abschaffung des § 615 BGB spricht sich Lieb, Überarbeitung, S. 205 f., aus; gegen ihn zu Recht Picker, a. a. O. 26 Bletz, JR 1985, S. 228 (229); MünchArbR/Boewer § 76 RdNr. 9; Nierwetberg, BB 1982, S. 995 (996); Picker, JZ 1985, S. 641 (699 Fn. 113, 701); Staudinger/ Richardi § 615 RdNr. 32 f. halten eine solche Zurückdrängung des Anwendungsbereiches des § 615 BGB für systemfremd und deshalb für verfehlt. Keine Bedenken hinsichtlich eines nahezu gänzlichen Ausschlusses des § 615 BGB im Arbeitsrecht haben etwa Beuthien, RdA 1972, S. 20 (22 f.); Dossow, BB 1988, S. 2455 (2458). Vgl. allgemein zur Relevanz des § 615 BGB hinsichtlich der Fixschuldthese Som-
24 Nachleistungspflicht
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn des Arbeitnehmers entfällt wie i m Falle des § 615
B G B bereits wegen § 275 Abs. 1 B G B und stellt den Arbeitnehmer günstiger, da ihr Wegfall v o m Annahmeverzug des Arbeitgebers unabhängig ist. Die Vergütung w i r d i m Falle der v o m Arbeitgeber zu vertretenden U n m ö g l i c h k e i t gemäß § 324 Abs. 1 B G B weiterhin geschuldet. D a diese Vorschrift keinen Annahmeverzug voraussetzt, geht sie z u m einen weiter als die N o r m des § 615 B G B . Z u m anderen bleibt sie aber hinter § 615 B G B zurück, w e i l sie ein Vertretenmüssen des Gläubigers - hier also des Arbeitgebers - verlangt, welches beim Annahmeverzug nicht vorzuliegen braucht. U m Wertungswidersprüche 2 7 zu vermeiden, die sich aus der A n w e n d u n g der Unmöglichkeitsregeln und damit der Nichtanwendung der Gefahrtragungsregel des § 615 B G B auf das Arbeitsverhältnis ergeben, w i r d entweder § 615 B G B analog angewandt 2 8 oder § 324 Abs. 1 B G B zu einer Sphärenhaftung des Gläubigers erstreckt 2 9 , was i m Ergebnis der sog. Lehre v o m Betriebsrisiko weitgehend entspricht 3 0 .
mer , Nichterfüllung, S. 121 ff. und zur Relevanz des § 616 BGB ders. y a.a.O., S. 155 ff. 27 Diese verneint neuerdings wieder Ehmann, NJW 1987, S. 401 (404 ff.), der damit das „zentrale(n) Problem des ganzen Rechts des Annahmeverzugs", nämlich die „sachgerechte Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 323 und § 615" (so Emmerich, Leistungsstörungen, S. 271), schlicht negiert. Gegen die „schneidige Befreiungslösung des § 323" BGB auch Esser/Schmidt, Schuldrecht I. 2., S. 26; ferner Kalb, Betriebsrisikolehre, S. 97 ff. 28 So etwa Emmerich, Leistungsstörungen, S. 279 f. aber auch S. 289 f.; Köhler, Unmöglichkeit, S. 55 ff.; Larenz, Schuldrecht AT, S. 314; MünchAxbR!Otto § 283 RdNr. 29; ders., SAE 1982, S. 164 (165); dem zuneigend auch Medicus, Schuldrecht AT, RdNr. 528; Soergel/Wiedemann vor § 293 RdNr. 16 und Sommer, Nichterfüllung, S. 144 f., 153 f.; unklar Wertheimer, JuS 1993, S. 646 (648), der offenbar grundsätzlich § 324 Abs. 1 und 2 (!) BGB anwenden will, in bestimmten Fällen aber gleichfalls auf eine analoge Anwendung des § 615 BGB zurückgreift und insoweit sogar von einer h. L. spricht. 29 Dahingehend Beuthien, Zweckerreichung, S. 76 ff., 251; ähnlich auch ders., RdA 1972, S. 20 (22 f.), der anführt, aus § 615 BGB lasse sich für unnachholbare Arbeitsverhältnisse nur erschließen, daß der „Arbeitgeber die .... Leistungsunmöglichkeit im Sinne des § 324 I zu vertreten hat"; ferner Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 336 ff. Im übrigen greift bei der vorliegenden Problematik auch § 324 Abs. 2 BGB nicht ein. Diese Vorschrift regelt nämlich nur die Folgen einer während des Annahmeverzuges eintretenden Unmöglichkeit. Ein Annahmeverzug ist aber, wie dargelegt, regelmäßig nicht anzunehmen, sondern durch die sofort eintretende Unmöglichkeit ausgeschlossen (vgl. dazu nur Beuthien, Zweckerreichung, S. 76, 248 ff.; Köhler, Unmöglichkeit, S. 54 f.; Rückert, ZfA 1983, S. 1 [6 mit Fn. 17]; Sommer, Nichterfüllung, S. 129 ff. Lieb, Überarbeitung, S. 205, hält die Lösung der Problematik über § 324 Abs. 2 BGB hingegen für vertretbar). 30 Zu dieser vgl. unten § 3 E.
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn Z u m T e i l w i r d auch nach der sog. Abstrahierungsformel
versucht, die
Anwendung des § 615 B G B durch eine Einschränkung des Begriffes der U n m ö g l i c h k e i t zu erreichen, indem das allein durch die fehlende Annahme des Gläubigers verursachte Ausbleiben der Arbeitsleistung
ausgenommen
wird31. Die unterschiedlichen Ansichten führen jedoch regelmäßig zu dem gleichen E r g e b n i s 3 2 . Unter methodischen Aspekten ist aber eine analoge Anwendung des § 615 B G B vorzuziehen. Gegen die „Sphärenlösung" über § 324 Abs. 1 B G B spricht die notwendige Unbestimmtheit ihrer Kriterien33. Der Versuch, solche Kriterien anhand gesetzlicher Wertungen - w i e sie gerade aus § 615 B G B zu entnehmen sind - zu entwickeln, ist w o h l ein vermeidbarer U m w e g . A u c h die Abstrahierungsformel, nach der die L e i stungshandlung des Gläubigers hinzugedacht werden soll, u m über die Qualifikation der Leistungsstörung zu entscheiden, ist zu stark konstruiert. Sie verschiebt Fälle „echter" U n m ö g l i c h k e i t i n den Annahmeverzug, was i m Ergebnis zu einer verwirrenden Kasuistik f ü h r t 3 4 . Dies gilt auch für die
31
Vgl. BAG AP Nr. 18 zu § 615 BGB Bl. 3; BGHZ 24, 91 (96); LG Berlin, JW 1922, S. 504 f.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, S. 242 f.; Erman/Hanau §615 RdNr. 26; MünchKommISchaub § 615 RdNr. 24; Nassauer, Sphärentheorien, S. 39 ff., 58 ff.; Neumann-Duesberg, JuS 1970, S. 68 (69); Nierwetberg, BB 1982, S. 995 (998 f.); Oertmann, AcP 116 (1918), S. 1 (20 ff. [25 ff.]), allerdings mit Einschränkungen hinsichtlich der Fälle des Substratsrisikos, a.a.O., S. 1 (29 ff.); RGRK/Aljf § 293 RdNr. 6; Titze, JW 1922, S. 548 (549 ff. - jedoch mit Einschränkungen); Trautmann, Gruchot 59 (1915), S. 434 (450 ff.); Staudinger/Werner, 10./11. Auflage, § 293 RdNr. 2 ff. Vgl. zu dieser Entwicklung mit ihren Nuancen auch Beuthien, Zweckerreichung, S. 231 ff.; Köhler, Unmöglichkeit, S. 18 ff. Siehe ferner die Nachweise bei Rückert, ZfA 1983, S. 1 (6 Fn. 18). 32 Zu dem wohl dahinterstehenden allgemeinen zivilrechtlichen Prinzip des Substratsrisikos vgl. umfassend Picker, Lohngefahr, Festschrift für Otto Rudolf Kissel , S. 813 ff.; kritisch dazu Sommer, Nichterfüllung, S. 136 ff. 33 Siehe dazu Köhler, Unmöglichkeit, S. 52 ff.; Sommer, Nichterfüllung, S. 127 ff.; ferner Esser/Schmidt, Schuldrecht I. 2., S. 25, der jedoch trotz seiner Kritik der Sphärenlösung nahesteht. 34 So zu Recht Bletz, JR 1985, S. 228 (229); Erman/Battes vor § 293 RdNr. 3 f.; Rückert y ZfA 1983, S. 1 (6 ff.). Gegen die Ausführungen von Oertmann als einem der maßgebenden Begründer dieser Ansicht Picker, Lohngefahr, Festschrift für Otto Rudolf Kissel, S. 813 (837 ff.). Vgl. ferner die Kritik Beuthiens, Zweckerreichung, S. 239 ff., sowie Sommer, Nichterfüllung, S. 83. Konstruiert ist auch die Ansicht von Bletz, JR 1985, S. 228 (230), es käme im Falle des Annahmeverzuges erst gar nicht zu der Abgrenzungsproblematik mit den Unmöglichkeitsvorschriften, da gemäß § 615 S. 1 BGB a.E. die Leistungspflicht des Arbeitnehmers entfiele und eine nicht geschuldete Leistung nicht unmöglich werden könne. Hiergegen spricht bereits der Wortlaut des § 615 S. 1 BGB, der nur die Afac/ileistungspflicht des Arbeitnehmers entfallen läßt, folglich etwas anderes meint, als die ursprünglich geschuldete Leistung, die sehr wohl unmöglich werden kann; diese Ansicht vertritt in Ansätzen auch Beuthien, Wirtschaftsstörung, S. 8 ff.
§ 2 Ohne Arbeit kein Lohn
26
These Pickers, Richardis und Boewers 35, § 615 BGB sei als bloße Gefahrtragungsregel vom Gesetzgeber auch für Unmöglichkeitsfälle gedacht gewesen und deshalb unmittelbar anzuwenden 36 . Die Intentionen des Gesetzgebers mögen zwar zutreffend wiedergegeben sein 37 und verdienen natürlich Beachtung. Gleichwohl sollte im Interesse einer präzisen Rechtssprache streng zwischen Verzug (im Sinne von Verzögerung) und Unmöglichkeit unterschieden werden, zumal die Trennung im Bürgerlichen Gesetzbuch selbst strikt eingehalten ist (vgl. etwa § 324 Abs. 2 BGB). Die Motive der Verfasser des Gesetzes sind dagegen bei Schließung der „Lücke" zu beachten, so daß § 615 BGB zur Vermeidung der dargelegten Wertungswidersprüche auf den Entgeltanspruch analog anzuwenden ist 3 8 . Folglich rückt die Vorschrift des § 323 Abs. 1 BGB in den Vordergrund, durch welche die oft behauptete These „ohne Arbeit kein Lohn" gestützt wird 3 9 . Dieser Grundsatz läßt sich im übrigen nicht aus § 614 BGB ableiten, was gelegentlich angenommen wird 4 0 . § 614 BGB regelt nämlich nur die Fälligkeit der Vergütung bei Dienstverträgen, nicht aber den Bereich der Leistungsstörung, für den die Formel „ohne Arbeit kein Lohn" einzig interessant ist 4 1 . Materiellrechtlicher Ausgangspunkt dieser Regel ist deshalb allein § 323 Abs. 1 BGB. Tatsächlich wird jedoch dieser Grundsatz von vielen Vorschriften durchbrochen, die trotz nicht erbrachter Leistung des Arbeitnehmers den Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichten. 35
Vgl. dazu die Nachweise oben in Fn. 25. So auch Derleder, Alternativkommentar, § 615 RdNr. 1, und Schwerdtner, Arbeitsrecht I, RdNr. 175, beide aber ohne nähere Begründung. 37 Vgl. aber auch die Kritik von Ehmann, NJW 1987, S. 401 (406 Fn. 50); Rückert, ZfA 1983, S. 1 (10). Vgl. nunmehr jüngst zur Entstehungsgeschichte des §615 BGB Picker, Betriebsstillstand, Gedächtnisschrift Herbert Hofmeister, S. 549 (564 ff.). 38 Kalb (Betriebsrisikolehre, S. 99 ff.), der zu einer Gesamtanalogie der Lohnfortzahlungstatbestände greift, ist mehrfaches entgegenzuhalten. Zum einen verdeckt er den grundsätzlichen Wertungswiderspruch, der gerade aus der Nichtanwendbarkeit des § 615 BGB folgt. Die besondere Problematik des § 615 BGB war letztlich durch ein als „unglücklich" zu bezeichnendes Gesetzgebungsverfahren hervorgerufen worden (vgl. dazu die Nachweise oben Fn. 25 und 37). Die analoge Anwendung des § 615 BGB reicht zur Lösung der von ihm behandelten Fälle aber völlig aus. Ferner bleibt sein Ansatz notwendigerweise hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen (vgl. etwa § 615 Satz 2 BGB) unbestimmt. 39 Vor einer unkritischen Anwendung dieses Grundsatzes im Arbeitsrecht warnt Söllner, AcP 167, S. 132 (insbes. 146 f.). 40 Vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 10 JugArbSchutzG Bl. 1; Bletz, JR 1985, S. 228; Bulla, Nichtleistung, S. 7; MünchKomm/Schaub § 614 RdNr. 1; Soergel/Raab/ Kraft § 614 RdNr. 1; Staudinger/Nipperdey/Mohnen/Neumann, 11. Auflage, § 614 RdNr. 24. 41 So zu Recht Neumann-Duesberg, DB 1969, S. 261 (262 Fn. 18); Söllner, AcP 167, S. 132 (133 f.); Staudinger/Richardi § 614 RdNr. 1. 36
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Die Regelungen über die Entgeltfortzahlung sind an den verschiedensten Stellen zu finden. Zu nennen sind etwa die §§ 615, 616 BGB, §§ 2 und 3 EntgeltfortzG, §§ 1 und 11 BUrlG, § 11 MuSchG, § 37 Abs. 2, 6, 7 und § 3 8 BetrVG. Im folgenden werden diese wichtigsten Lohnfortzahlungstatbestände dargestellt. Besonderes Augenmerk wird auch auf die vom Bürgerlichen Gesetzbuch losgelösten Lehren vom Betriebsrisiko und vom Arbeitskampfrisiko zu legen sein. Mit Blick auf das Zusammentreffen mehrerer Regelungen werden ferner die jeweiligen Berechnungsmethoden des fortzuzahlenden Entgelts näher untersucht. Das tatsächliche oder auch nur hypothetische Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe wird sodann Gegenstand der Abhandlung sein.
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse Erbringt der Arbeitnehmer nicht die vertraglich geschuldete Leistung, so verliert er grundsätzlich seinen Lohnanspruch. Wie dargelegt, folgt dies aus dem Umstand, daß durch die Nichtleistung die geschuldete Leistung in der Regel unmöglich wird, so daß, wenn entweder keiner der Vertragspartner oder der Arbeitnehmer die Unmöglichkeit zu vertreten hat, der Arbeitgeber gemäß § 323 Abs. 1 BGB oder § 325 Abs. 1 BGB von seiner Lohnzahlungspflicht frei wird 1 . Hat hingegen der Arbeitgeber die Nichtleistung zu vertreten, bleibt der Lohnanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 324 Abs. 1 BGB bestehen2. Entscheidend für einen Lohnanspruch ist also zum einen, wer die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu vertreten hat 3 . Daneben ist aber als Ausnahme von den allgemeinen Regelungen aufgrund spezialgesetzlicher Vorschriften maßgebend, welche Ursache die Nichtleistung des Arbeitnehmers hat.
A. Arbeitsversäumnis aus persönlichen Gründen (§ 616 BGB) Ist der Arbeitnehmer wegen eines in seiner Person liegenden Grundes für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit und ohne sein Verschulden gehindert, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, so bleibt sein Vergütungsanspruch bestehen (§616 BGB).
1. Persönliche Arbeitsverhinderung Der wohl praktisch häufigste Grund persönlicher Arbeitsverhinderung dürfte die Erkrankung des Arbeitnehmers sein. Dieser Bereich ist jedoch 1
Vgl. zu den genannten Vorschriften und den Einzelheiten (insbesondere hinsichtlich der Wahlrechte des Arbeitgebers nach den §§ 323 und 325 BGB) umfassend Emmerich, Leistungsstörungen, S. 108 ff. und 115 ff. Das in § 325 Abs. 1 BGB vorgesehene Rücktrittsrecht ist durch die §§ 622, 626 BGB ersetzt worden und nur unter den dort verlangten Voraussetzungen zulässig; vgl. dazu bereits RGZ 92, 158 (159 f.); 105, 167 (169) und zum Ganzen Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 349 ff. 2 Siehe zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 324 BGB im Arbeitsverhältnis Neumann-Duesberg, DB 1969, S. 261, 305. 3 Zum Begriff des Verschuldens des Arbeitnehmers vgl. unten § 3 A 3.
Α. Arbeitsversäumnis aus persönlichen Gründen (§616 BGB)
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gesondert geregelt. Die Entgeltfortzahlung für Arbeitnehmer im Krankheitsfalle richtet sich nicht nach § 616 BGB, sondern - abgesehen von Sondervorschriften 4 - nach § 3 EntgeltfortzG 5 . Objektiv wirkende Hinderungsgründe fallen nicht unter den Anwendungsbereich des § 616 BGB, da diese nicht in der Person des Dienstverpflichteten begründet sind 6 . So ist insbesondere das Wegerisiko vom Arbeitnehmer zu tragen, wenn er etwa aufgrund verkehrsbedingter Störungen zu spät zur Arbeit erscheint 7. Jedoch muß der Hinderungsgrund nicht unmittelbar die Person des Arbeitnehmers als solche betreffen. Es ist ausreichend, wenn der Grund der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen ist. Selbst wenn ihm die Arbeitsleistung möglich wäre, ist es wegen des Schutzzwecks des § 616 BGB als ausreichend anzusehen, daß dem Arbeitnehmer wegen eines besonderen, in seinen persönlichen Verhältnissen liegenden Grundes die Arbeitsleistung nicht zugemutet werden kann 8 . Dies ist etwa bei Todesfällen in der Verwandtschaft 9, Krankheitsfällen in der Familie 1 0 oder der eigenen Eheschließung11 denkbar. Hier kann es nach einer Abwägung der widerstreitenden Interessen geboten sein, die Arbeitspflicht hinter höherrangige sittliche oder rechtliche Pflichten zurücktreten zu lassen 12 .
4 §§ 48, 52a, 78 SeemG; für die in Heimarbeit Beschäftigten vgl. § 10 EntgeltfortzG. 5 Zu diesem vgl. unten § 3 B. 6 Das ist nahezu unbestritten. Vgl. die Nachweise von Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 73; a.M. nur, allerdings mit beachtlichen Gründen, Moll RdA 1980, S. 138 (150 ff.). Doch scheint durch die Beschränkung auf die Hindernisse aus der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers ein angemessenerer Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen eher möglich zu sein, als durch eine extensive Interpretation der Norm. Man mag zwar mit Moll (RdA 1980, S. 138 [insbes. 150]) der Auffassung sein, daß der Wortlaut beide Deutungen zuläßt. Dies verlangt aber noch keine weite Auslegung, erst recht nicht, wenn dadurch keine angemessene Lösung gefunden werden kann, da dem Arbeitgeber Risiken über Gebühr (insbesondere für eine u.U. erheblich größere Anzahl von Arbeitnehmern) aufgeladen würden (vgl. dazu wiederum Moll, RdA 1980, S. 138 [152 ff.] einerseits und MünchArbR/ Boewer § 78 RdNr. 12 andererseits). Die Problematik bedarf jedoch einer gründlicheren Untersuchung, die hier nicht vorgenommen werden kann (vgl. neuerdings auch Walk, Leistungshindernisse, S. 126 ff.). 7
Vgl. BAG AP Nr. 58 Bl. 3 R, Nr. 59 Bl. 2 R f. zu § 616 BGB. So BAG AP Nr. 58 Bl. 3, Nr. 59 Bl. 2 R zu § 616 BGB. 9 Vgl. BAG AP Nr. 43 zu § 616 BGB Bl. 2 R. 10 Für ein vom Arbeitnehmer zu pflegendes, krankes Kleinkind vgl. BAG AP Nr. 48 Bl. 2 R ff., Nr. 49 Bl. 2 ff. zu § 616 BGB (Herschel); dazu auch Erasmy, NZA 1992, S. 921; Löwisch, DB 1979, S. 209; Sowka, RdA 1993, S. 34. 11 Vgl. BAG AP Nr. 35 Bl. 2 ff., Nr. 61 Bl. 3 R (mit Anm. Mayer-Maly) zu § 616 BGB. 12 Zu weiteren Hinderungsgründen vgl. die Darstellung von Staudinger/Oetker §611 RdNr. 56 ff. 8
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
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Der persönliche Hinderungsgrund muß ferner für die Arbeitsverhinderung kausal gewesen sein. Hierauf ist noch näher einzugehen 13 .
2. Verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit Die Dienstverhinderung darf nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit eingetreten sein. Diese Limitierung ist Tatbestandsmerkmal und wirkt mithin anspruchsbegründend. Bei längerer persönlicher Dienstverhinderung ist deshalb nicht nur für das über den angemessenen Zeitraum hinausreichende Arbeitsversäumnis kein Lohn fortzuzahlen, sondern der Lohnanspruch entfällt insgesamt 14 . Im Gegensatz zur zeitlichen Beschränkung als Tatbestandsvoraussetzung findet sich etwa in § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG für Krankheitsfälle eine solche auf der Rechtsfolgenseite. Dort behält der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen seinen Vergütungsanspruch für einen Zeitraum von längstens sechs Wochen. Der Lohnanspruch besteht dort also - anders als in den Fällen des § 616 BGB - unabhängig davon, wie lange die Krankheit insgesamt andauert 15 . Wann von einem verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum i.S. des §616 BGB gesprochen werden kann, ist problematisch 16 . Offen ist zwar zunächst, zu welcher Größe die Dauer des Arbeitsversäumnisses ins Verhältnis gesetzt werden soll. Doch bietet sich hierbei primär die bisherige (und gegebenenfalls künftige) Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses an 1 7 . 13
Vgl. dazu unten § 5. Vgl. BAG (GS) AP Nr. 22 zu § 616 BGB Bl. 2 R ff. (A. Hueck); BGH AP Nr. 1 zu § 49 BSeuchG Bl. 5 R; BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Bl. 5; RAG ARS 6, 589; 8, 184 (186); 36, 171; 38, 139; 40, 221 (222); 46, 247 (250); LAG Mannheim, AR-Blattei (D), Arbeitsausfall IV, Entsch. 4; Erman/Hanau § 616 RdNr. 63; M ü n c h A r b R / ^ w r § 78 RdNr. 19; MünchKomm/ Schaub § 616 RdNr. 23; Nikisch I, S. 616; RGRK/Matthes § 616 RdNr. 19; Soergel/Kraft § 616 RdNr. 24; a.M. BAG AP Nr. 2 Bl. 1 R ff., Nr. 5 Bl. 2 R zu § 616 BGB (für Krankheit des Arbeitnehmers); LAG Mannheim, AR-Blattei (D), Arbeitsausfall IV, Entsch. 1; Denecke, BB 1951, S. 58 (allerdings nur für den Fall der Krankheit); Derleder, Alternativkommentar, § 616 RdNr. 8; Dersch, RdA 1952, S. 53 (57); Maurer, AuR 1955, S. 214; Schimana, AuR 1956, S. 321 (325 ff.); Trieschmann, DB 1955, S. 800; Zöllner/Loritz, S. 235. 15 Zur Entstehungsgeschichte des § 616 BGB, die gleichfalls für das aus dem Wortlaut abgeleitete Ergebnis spricht, vgl. BAG (GS) AP Nr. 22 zu § 616 BGB Bl. 5 f. 16 Durch die gesonderte Regelung der Krankheitsfälle im Entgeltfortzahlungsgesetz ist dieser Frage allerdings etwas die Brisanz genommen. 17 So etwa BAG (GS) AP Nr. 21 zu § 616 BGB Bl. 10 R f.; BAG AP Nr. 41 zu § 616 BGB Bl. 2 R; RAG ARS 14, 556; Brill, AR-Blattei (D), Arbeitsausfall IV, Β II 4b; Erman/Hanau § 616 RdNr. 61; Hueck/Nipperdey I, S. 333 f.; Nikisch I, S. 616; Soergel/Kraft § 616 RdNr. 22; Staudinger/Nipperdey/Mohnen, 11. Auflage, § 616 RdNr. 18. 14
Α. Arbeitsversäumnis aus persönlichen Gründen (§ 616 BGB)
31
Dieser als „belastungsbezogen" bezeichneten Auffassung tritt vereinzelt eine „ergebnisbezogene" Ansicht entgegen 18 . Nach ihr ist der Grund des Arbeitsversäumnisses und dessen Vorhersehbarkeit entscheidend. Unbeachtlich sei hingegen die Laufzeit des Dienstvertrages. Dadurch sei zu angemesseneren Ergebnissen zu kommen, indem insbesondere bei sehr langfristigen Arbeitsverhältnissen nur wenige Tage des Arbeitsversäumnisses zugestanden werden bräuchten. Die ergebnisbezogene Betrachtungsweise ist abzulehnen. In ihrem Bemühen um angemessene Resultate hat sie vor allem langfristige Arbeitsverhältnisse im Blick, läßt sich aber bei kurzfristigen Dienstverhältnissen nicht halten. So wäre es unverhältnismäßig, daß ein Bergführer, der für 3 Tage eine Führung leiten soll, seine Vergütung erhält, wenn er die Führung insgesamt wegen seines erkrankten Kleinkindes absagt 19 . Für solche Konstellationen mangelt es der ergebnisbezogenen Ansicht an einem Korrektiv. Sie setzt nicht die ausgefallene zur vertraglich geschuldeten Zeit ins Verhältnis, was vom Gesetz verlangt wird („verhältnismäßig" nicht erhebliche „Zeit"). Ohne Bezugspunkt muß sie deshalb einen „Freistellungskatalog" mit fixen Zeiträumen für jeden Verhinderungsgrund statuieren. Ihr Hinweis, daß im Krankheitsfalle auch bei kurzfristigen Arbeitverhältnissen ein Anspruch auf Lohnfortzahlung bis zu sechs Wochen besteht, trägt dabei nicht. Diese spezialgesetzlichen Normen gelten nur für Arbeitsverhältnisse und nicht wie §616 BGB für sämtliche Dienstverträge. Typischerweise sind Arbeitsverhältnisse längerfristig, so daß ein Lohnfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen ohnehin zumeist verhältnismäßig (im Sinne der belastungsbezogenen Sichtweise) sein dürfte. Entscheidend ist aber, daß aufgrund der tatsächlichen Relevanz der Krankheitsfälle im Arbeitsleben eine für die Praxis klare Regelung erforderlich ist und der Gedanke der Rechtssicherheit in den Vordergrund rückt. Dies ist jedoch eine gesetzgeberische Wertung und gilt nicht in gleichem Maße für die sonstigen von § 616 BGB erfaßten Verhinderungsgründe. Dieselben Einwände sind auch der Rechtsprechung des BAG entgegenzuhalten, das für die Pflege eines Kleinkindes entsprechend dem früheren § 185c RVO einen Zeitraum von 5 Tagen unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses als verhältnismäßig nicht erheblich ansieht 20 . Dies trifft 18
Dafür MünchArbR/Ztoewer § 78 RdNr. 18; Staudinger/Oetker
§ 616 RdNr.
95 ff. 19
Das besagt natürlich nicht, daß der Bergführer nicht gleichwohl von seiner Verpflichtung freizustellen wäre. Der Freistellungsanspruch ist jedoch vom Vergütungsanspruch zu unterscheiden. 20 Vgl. BAG AP Nr. 48 zu § 616 BGB Bl. 3 f. Zu den Auswirkungen der Ablösung des § 185c RVO durch § 45 SGB V vgl. Erasmy, NZA 1992, S. 921; Sowka, RdA 1993, S. 34.
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§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
etwa bei einem Aushilfsarbeitsverhältnis eines Studenten während der Semesterferien ersichtlich nicht zu. Das BAG hielt jedoch eine „einheitliche Beurteilung" für „geboten". Offensichtlich wollte es damit dem bereits erwähnten Anliegen der Praxis, ihr verläßliche Richtwerte an die Hand zu geben, entsprechen, was jedoch aus den dargelegten Gründen nicht angezeigt war. Es wäre allenfalls zu empfehlen, diesem Anliegen durch Tarifverträge Rechnung zu tragen. Da § 616 BGB dispositiv ist 2 1 , steht einer pauschalierten Regelung durch Tarifvertrag 22 nichts entgegen. Sie wäre im Interesse der Rechtsklarheit wünschenswert, zumal in sie ein Korrektiv für kurzzeitige Arbeitsverhältnisse aufgenommen werden kann. Auf dem Boden der herrschenden Lehre ist deshalb festzuhalten, daß zunächst der zur Verhinderung führende Grund im Rahmen einer Interessenabwägung den Arbeitgeberinteressen gegenüber vorrangig sein muß. Dies hat jedoch nichts mit dem Kriterium der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit" zu tun, da insoweit die Verhältnismäßigkeit nur zeitbezogen ist (anders wohl die ergebnisorientierte Sichtweise). Erst dann muß unter dem zeitlichen Aspekt der voraussichtliche Arbeitsausfall mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses ins Verhältnis gesetzt werden. Hierbei ist es allerdings durchaus angemessen, den Verhinderungsgrund bei der Verhältnismäßigkeit mit zu berücksichtigen 23 .
3. Ohne Verschulden des Dienstverpflichteten Ein Verschulden des Dienstverpflichteten hinsichtlich des Verhinderungsgrundes bzw. hinsichtlich des Verhaltens, das zu einem Verhinderungsrund führt 2 4 , hat regelmäßig den Verlust des Vergütungsanspruches zur Folge. Ist 21 Vgl. BAG AP Nr. 8 Bl. 1 f., Nr. 23 Bl. 1 R, Nr. 30 Bl. 1, Nr. 35 Bl. 1 R f., Nr. 43 Bl. 2, Nr. 49 Bl. 1 R, Nr. 55 Bl. 1 R, Nr. 58 Bl. 2 zu § 616 BGB. 22 Zur Regelung der Arbeitsverhinderung wegen persönlicher Arbeitsverhinderung durch Tarifvertrag vgl. BAG AP Nr. 7 Bl. 1 ff., Nr. 8 Bl. 1 R, Nr. 23 Bl. 1 R, Nr. 30 Bl. 1 f., Nr. 35 Bl. 1 ff., Nr. 37 Bl. 1 R ff., Nr. 38 Bl. 1 R., Nr. 49 Bl. 1 R, 3 R, Nr. 51 Bl. 1 R f., Nr. 55 Bl. 1 R ff., Nr. 58 Bl. 2 ff., Nr. 60 Bl. 2 ff., Nr. 61 Bl. 1 R ff., Nr. 83 Bl. 2 f., Nr. 94 Bl. 1 R zu § 616 BGB; AP Nr. 62 Bl. 3 R zu § 1 LohnFG. 23 Zu den sonstigen zu berücksichtigenden Umständen vgl. zurückhaltend Nikisch I, S. 616; Schaub, S. 956; Staudinger/Nipperdey/Mohnen, 11. Auflage, § 6 1 6 RdNr. 19. 24 Diskutiert wird darüber, ob das Verschulden hinsichtlich des Verhinderungsgrundes (so BAG AP Nr. 7 Bl. 5 f. zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; MünchArbRIBoewer § 78 RdNr. 16; Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 103; im Ergebnis auch Birk, GK-EFZR, § 1 RdNr. 242), hinsichtlich des Arbeitsversäumnisses als solchem oder aber hinsichtlich beider (entweder kumulativ so Münch ArbR/Schulin § 81 RdNr. 82 oder nur alternativ, so Dunkl in Kaiser/Dunkl/Hold/ Kleinsorge § 3 RdNr. 96) gegeben sein muß. Die Ansicht, daß das Arbeitsversäum-
Α. Arbeitsversäumnis aus persönlichen Gründen (§616 BGB) der Verhinderungsgrund
verschuldet, droht oftmals ein
33
Schadenersatzan-
spruch des Dienstberechtigten nach § 325 Abs. 1 B G B 2 5 . Das fehlende Verschulden ist als negatives Tatbestandsmerkmal auch in § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG zu finden und wegen der gleichgelagerten Problematik einheitlich zu b e s t i m m e n 2 6 . Was unter Verschulden i.S. dieser Vorschriften zu verstehen ist, ist äußerst strittig. Problematisch ist es jedenfalls, stets unmittelbar auf § 276 Abs. 1 B G B zurückzugreifen, da man sonst i n großem U m f a n g Vertragspflichten konstruieren m ü ß t e 2 7 . Häufig stammen nämlich die Hinde-
nis als solches verschuldet sein muß, wird insbesondere damit begründet, daß z.B. eine zunächst unverschuldet eingetretene Krankheit durch Verschulden des Arbeitnehmers nicht kuriert wird. Diese Problematik läßt sich aber besser über das Kausalitäts- und Zurechnungskriterium lösen. Der zur Krankheit führende Grund (etwa ein Autounfall) ist jedenfalls nicht für einen Krankheitsverlauf allein kausal, der aus einer verweigerten Behandlung herrührt. Ansatzpunkt für das Verschulden wäre in diesem Fall nach richtiger Ansicht die verweigerte Behandlung des Arbeitnehmers, nicht die Krankheit als solche oder gar der Arbeitsausfall. 25 Der Vergütungsanspruch bliebe nach der Konzeption des Gesetzes im Falle der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches aus § 325 Abs. 1 BGB eigentlich betsehen. Doch wird dem Anspruchsinhaber (hier also dem Arbeitgeber), überwiegend das Recht eingeräumt, nur die Differenz zwischen Vergütung und Schaden zu verlangen (sog. Differenztheorie). Vgl. dazu nur Esser/Schmidt, Schuldrecht I. 2., S. 120 ff.; Larenz, Schuldrecht AT, S. 340 ff. Zum Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers vgl. MünchArbRIBlomeyer § 55 RdNr. 32 ff. 26 Für eine gleiche Behandlung des Verschuldensmaßstabs in Lohnfortzahlungsfällen BAG AP Nr. 8 Bl. 3, Nr. 25 Bl. 1 R, Nr. 26 Bl. 1 f., Nr. 44 Bl. 1 R, Nr. 46 Bl. 1 R, Nr. 49 Bl. 2, Nr. 52 Bl. 2, Nr. 71 Bl. 1 f., Nr. 77 Bl. 1 R zu § 1 LohnFG. 27 § 276 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt nur, was der Schuldner zu vertreten hat. Schuldner ist aber nur derjenige, von dem ein Gläubiger berechtigt ist, eine Leistung zu fordern, die auch in einem Unterlassen bestehen kann (vgl. § 241 BGB). Zwar hat § 276 Abs. 1 S. 2 BGB eine über S. 1 hinausgehende Bedeutung für das gesamte bürgerliche Recht, da er den Begriff der Fahrlässigkeit definiert (vgl. Erman/Battes § 276 RdNr. 3; MünchKomm//fa/uzw § 276 RdNr. 2). Damit ist aber noch nicht entschieden, was der Dienstverpflichtete in § 616 BGB bzw. § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG zu vertreten hat. Gegen die unmittelbare Anwendung des § 276 Abs. 1 BGB auch Fabricius, Leistungsstörungen, S. 110 f.; Staudinger/Oetker §616 RdNr. 104; Wiedemann , Arbeitsverhältnis, S. 52; Zöllner/LoritZy S. 231 f.; a.M. aber RAG ARS 15, 568 (570); Lotmar, Arbeitsvertrag II, S. 180; Schnorr von Carolsfeld, S. 210 ff., die § 276 BGB unmittelbar anwenden wollen, wodurch der Lohnfortzahlungsanspruch weitgehend leerlaufen würde. Hofmann, ZfA 1979, S. 275 (286 f.), lehnt die Anwendung des § 276 Abs. 1 BGB auf das selbstschädigende Verhalten zwar ab. Macht der Arbeitnehmer allerdings Lohnfortzahlungsansprüche geltend, kommt nach seiner Ansicht § 276 Abs. 1 BGB zur Anwendung (a.a.O., S. 295 ff.). Später (a.a.O., S. 298 ff.) beschränkt er dann im Wege teleologischer Reduktion den Anwendungsbereich des § 276 Abs. 1 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Durch die bloße Geltendmachung eines Anspruches allein können aber jedenfalls keine vormals nicht bestehenden Rechtspflichten begründet werden. Diese Ansicht ist konstruiert. 3 Gutzeit
34
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
rungsgründe aus dem außerdienstlichen Bereich des Arbeitnehmers. Dort ist man allerdings mit der Annahme echter Vertragspflichten zu Recht zurückhaltend 28 . Bestehen jedoch (in seltenen Fällen) echte Vertragspflichten, z.B. bei einem Berufsfußballspieler, der sich verpflichtet hat, nicht Ski zu laufen, es vertragswidrig dennoch tut und sich hierbei verletzt, so ist unbedenklich § 276 Abs. 1 BGB anzuwenden. Für die problematischen Fälle ohne Vertragspflichtverletzung ist versucht worden, in dem Treue- und Fürsorgegedanken einen Ansatz für den Verschuldensbegriff zu finden 29 . Die Lohnfortzahlung sei Ausfluß der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Ihr solle die Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüberstehen, die dem Arbeitnehmer verbiete, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu mißbrauchen, indem er Folgen, die er nach Treu und Glauben selbst zu tragen habe, auf den Arbeitgeber abwälze. Das sei dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoßen hat 3 0 . Die Lösung über den arbeitsrechtlichen Fürsorgegedanken führt, wie noch zu zeigen ist, zwar zum richtigen Ergebnis. Doch gilt § 616 BGB nicht nur für Arbeitsverhältnisse, sondern für sämtliche Dienstverhältnisse, die nicht stets von einer wechselseitigen Treue- und Fürsorge geprägt sind 3 1 . Deshalb wäre eine Ableitung des Verschuldensbegriffs aus allgemeinen Grundsätzen einer ohne Not begonnenen arbeitsrechtlichen Sonderentwicklung vorzuziehen 3 2 . Zu Recht wird daher heute § 254 Abs. 1 BGB als Anknüpfungspunkt für den Verschuldensmaßstab der Lohnfortzahlungstatbestände angesehen33. Der Arbeitnehmer wird im außerdienstlichen Bereich hierdurch nicht „ex post" zum Schuldner. 28 Vgl. BAG AP Nr. 51 zu § 626 BGB Bl. 1 ff.; LAG Düsseldorf, DB 1971, S. 103; Mayer-Maly, AuR 1968, S. 1 ff.; MünchArbR/Blomeyer § 51 RdNr. 101; Wiese, ZÌA 1996, S. 439 (460). 29 So etwa BAG AP Nr. 25 zu § 1 LohnFG Bl. 2 f. (vgl. auch die Rechtsprechungsnachweise in der folgenden Fußnote); Hueck/Nipperdey I, S. 331 f.; Nikisch I, S. 614 f.; Schelp/Trieschmann, Krankheitsfall, S. 39 ff.; Staudinge r/Nippe rdey/ Mohnen, 11. Auflage, § 616 RdNr. 14. 30 Vgl. BAG AP Nr. 13 zu § 1 ArbKrankhG Bl. 2; AP Nr. 62 Bl. 3 R f., Nr. 75 Bl. 2 R zu § 616 BGB; AP Nr. 28 zu § 63 HGB Bl. 1 f.; AP Nr. 8 Bl. 3, Nr. 25 Bl. 1 R f., Nr. 26 Bl. 2 R f., Nr. 44 Bl. 1 R, Nr. 45 Bl. 1 R, Nr. 46 Bl. 1 R, Nr. 49 Bl. 2, Nr. 52 Bl. 2 f., Nr. 71 Bl. 1 R, Nr. 77 Bl. 1 R, Nr. 94 Bl. 2 R zu § 1 LohnFG; MünchArbR/tfoewr § 78 RdNr. 16; Nikisch I, S. 615; Schaub, S. 955 f. 31 Zum Anwendungsbereich des § 616 BGB vgl. nur Staudinger/Oetker § 616 BGB RdNr. 30 ff. 32 Gegen die Herleitung des Verschuldensbegriffes aus der Fürsorgepflicht auch Hofmann, ZfA 1979, S. 275 (282 ff.); Wiedemann , Arbeitsverhältnis, S. 53 f. 33 Vgl. Birk, GK-EFZR, § 1 LohnFG RdNr. 237 f.; Hunold, DB 1985, Beilage Nr. 1, S. 1 (5); Larenz, Schuldrecht BT 1, S. 321 f.; von Maydell, DB 1973, Bei-
Α. Arbeitsversäumnis aus persönlichen Gründen (§616 BGB)
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Der dieser Vorschrift zugrundeliegende Gedanke steht nämlich auch hinter dem Wegfall des Lohnfortzahlungsanspruches in den Fällen der vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung. Hier ist das Verschulden in einem weiteren Sinne gemeint, das über den Verschuldensbegriff des § 276 Abs. 1 BGB hinausgeht 34 . Ein Dienstverpflichteter soll nicht in den Genuß einer Begünstigung kommen, deren Voraussetzungen er selbst herbeigeführt hat. Dabei geht es allerdings nicht um die Verletzung einer Rechtspflicht; denn eine generelle Pflicht, sich selbst nicht zu schädigen, ist unserer Rechtsordnung fremd. Besteht ausnahmsweise eine solche Pflicht, so ist, wie bereits dargelegt, § 276 Abs. 1 BGB unmittelbar anzuwenden. Das weitergehende Verschuldensmerkmal der Lohnfortzahlungstatbestände ist vielmehr Ausfluß des aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abzuleitenden Verbots des „venire contra factum proprium" 3 5 . Man kann insofern untechnisch von einem „Verschulden gegen sich selbst" 36 sprechen, sollte dadurch aber nicht Gefahr laufen, eine entsprechende Rechtspflicht zu unterstellen und deshalb die Anforderungen an die Sorgfalt des Arbeitnehmers zu überspannen 37. Stets muß bedacht werden, daß eine entsprechende vertragliche Verpflichtung grundsätzlich nicht besteht und eine bloße Obliegenheit aufgrund verfassungsrechtlicher Wertung - hier
läge 15, S. 1 (6); MünchArbR/Boewer § 78 RdNr. 16; Soergel/Kraft § 616 RdNr. 20; Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 106 ff.; Weiland, DB 1979, S. 1653 ff.; ders. y Probleme der Lohnfortzahlung, S. 85 f.; Wiedemann , Arbeitsverhältnis, S. 54 ff.; ähnlich BAG AP Nr. 46 Bl. 3 zu § 1 LohnFG; Hofmann, ZfA 1979, S. 275 (288 f.), letzterer allerdings unter Rückgriff auf § 276 Abs. 1 BGB (vgl. oben Fn. 27); gegen eine Ableitung aus § 254 Abs. 1 BGB Denck, RdA 1980, S. 246 (248); MünchArbR/Sc/w/w § 81 RdNr. 84. 34 Zu § 254 Abs. 1 BGB vgl. Larenz, Schuldrecht AT, S. 539 ff. 35 Vgl. Hofmann, ZfA 1979, S. 275 (292 f.); Wiedemann , Arbeitsverhältnis, S. 54 f.; gegen die Ableitung aus Treu und Glauben allerdings Larenz, Schuldrecht AT, S. 540 f., dessen Einwände sich aber nur auf § 254 Abs. 1 BGB und dort auf den deliktischen Bereich beschränken. Er meint, im Falle deliktischer Schädigung bestünde keine Sonderbeziehung, die es rechtfertige, den Grundsatz von Treu und Glauben anzuwenden. Dies trifft auf die hier zu behandelnden Fälle gerade nicht zu. Ferner geht es wohl auch im deliktischen Bereich nicht primär um die Schädigung an sich, sondern vielmehr um die spätere Geltendmachung des Schadenersatzanspruches, der dann nämlich im Rahmen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses abgewickelt wird, auf das Treu und Glauben Anwendung finden. Vgl. dazu auch Gre ger y NJW 1985, S. 1130 ff. 36 Dieser Begriff wurde vom BAG in vielen Entscheidungen verwandt; vgl. BAG AP Nr. 75 zu § 616 BGB Bl. 2 R; AP Nr. 28 zu § 63 HGB Bl. 1; AP Nr. 25 Bl. 1 R, Nr. 26 Bl. 2 R, Nr. 44 Bl. 1 R, Nr. 45 Bl. 1 R, Nr. 46 Bl. 1 R, Nr. 49 Bl. 2, Nr. 52 Bl. 2 R, Nr. 77 Bl. 1 R zu § 1 LohnFG. 37 Zur Kritik an diesem Terminus vgl. Canaris , Vertrauenshaftung, S. 477 f.; Larenz, Schuldrecht AT, S. 540; Hofmann, ZfA 1979, S. 275 (289 ff.); Thome , Lohnfortzahlung, S. 161 f.; Wiedemann , Arbeitsverhältnis, S. 52 f.
3*
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§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
wegen der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit - zurückhaltend zu begründen ist. Da im Unterschied zu § 254 Abs. 1 BGB eine Quotierung nicht in Betracht kommt 3 8 , sondern der Anspruch aus § 616 BGB im Falle des Verschuldens gänzlich entfällt, werden an dieses zu Recht hohe Anforderungen gestellt. Im Ergebnis herrscht deshalb weitgehend Einigkeit darüber, daß nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit den Anspruch entfallen lassen 39 , was der in Rechtsprechung und Literatur häufig verwendeten Formel des gröblichen Verstoßes des Dienstverpflichteten gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten 40 entspricht 41 . Eine gesetzliche Beschränkung des Verschuldens des Arbeitnehmers auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit findet sich auch in dem durchaus vergleichbar gelagerten Fall des § 617 Abs. 1 Satz 1 BGB, was zudem das hier vertretene Ergebnis stützt.
B. Arbeitsverhinderung wegen Krankheit des Arbeitnehmers (§ 3 EntgeltfortzG) Das Arbeitsversäumnis durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit des Arbeitnehmers führt nicht zu einem Wegfall des Entgelts. Der Arbeitgeber hat vielmehr für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, welches dem Arbeitnehmer bei seiner regelmäßigen Arbeitszeit zustünde (vgl. § 4 Abs. 1 EntgeltfortzG). Mit der Änderung des EntgeltfortzG durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung 42 wurde dieses Entgelt zwischenzeitlich auf 80 Prozent gekürzt. Nunmehr ist durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte 43 die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf 100 Prozent zurückgeführt worden.
1. Krankheit des Arbeitnehmers § 3 EntgeltfortzG gewährt im Krankheitsfalle dem Arbeitnehmer einen Entgeltfortzahlungsanspruch 44. Der Krankheitsbegriff dieser Vorschrift ent38
Vgl. auch Denck, RdA 1980, S. 246 (248). Vgl. dazu Hofmann, ZfA 1979, S. 275 (298 ff., 310 ff.); ferner Erman/Hanau §616 RdNr. 34; MünchKomm/Sc/wwZ? § 616 RdNr. 60; Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 109 f. 40 Vgl. zu dieser Formel die Nachweise oben Fn. 30. 41 So auch BAG AP Nr. 75 zu § 616 BGB Bl. 2 R. 42 BGBl. I 1996, S. 1476 (1477 f.). 43 BGBl. I 1998, S. 3843 (3849 f.). 39
Β. Arbeits Verhinderung wegen Krankheit des Arbeitnehmers spricht
dem
medizinischen
Krankheitsbegriff 4 5 .
Nach
diesem
37 ist
unter
Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand zu versteh e n 4 6 . Schwangerschaft, die Monatsblutung der Frau u. ä. scheiden daher jedenfalls bei normalen Verlauf - mangels Regelwidrigkeit aus dem Krankheitsbegriff a u s 4 7 . N i c h t von Bedeutung ist ferner die Ursache der Krankheit, so daß etwa auch die bei einer Nebentätigkeit zugezogene Krankheit die Rechtsfolgen des § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG auslösen k a n n 4 8 . D i e umstrittene Frage, ob die Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit zugleich deren Begriffsmerkmal ist, muß jedenfalls für das Arbeitsrecht verneint werden, u m eine zu weitgehende terminologische Einschränkung des Anwendungsbereiches zu vermeiden, w e i l auch nicht behandlungsbedürftige körperliche oder geistige Regelwidrigkeiten zur Arbeitsunfähigkeit führen können und der Arbeitnehmer hier i n gleichem Maße schutzwürdig i s t 4 9 .
44 Durch die Neufassung des § 3 EntgeltfortzG durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung ist dieser jetzt als eigenständige Anspruchsnorm ausgestaltet. In der alten Fassung hielt er lediglich den Vergütungsanspruch aus § 611 BGB aufrecht. Vgl. dazu Marienhagen/KiinzU Entgeltfortzahlung, § 3 RdNr. la; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 3 RdNr. 7; Staudinger/ Oetker §616 RdNr. 178 f.; a.M. Dunkl in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge §3 RdNr. 184; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 598 f., der davon ausgeht, der arbeitsvertragliche Anspruch aus § 611 BGB würde jedenfalls dem Grunde nach aufrechterhalten und dies mit dem Wortlaut des Gesetzes „Entgeltfortzahlung" begründet. 45 Dieser Ansicht ist im Ergebnis auch das BAG (AP Nr. 42 zu § 616 Bl. 2; AP Nr. 12 zu § 1 LohnFG Bl. 1 R f.), obwohl es eine Heranziehung der medizinischen Definition ausdrücklich ablehnt. Es geht aber dennoch vom medizinischen Krankheitsbegriff aus und reduziert diesen auf die sog. „arbeitsrechtlich bedeutsamen" Krankheiten. Dabei handelt es sich jedoch nur um die weiterreichende Frage, ob die Krankheit auch zur Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers führt; dazu Schulin, ZfA 1978, S. 215 (248) und sogleich. Vgl. ferner BAG AP Nr. 64 zu § 616 BGB Bl. 1 R; AP Nr. 21 zu § 63 HGB Bl. 1 R; AP Nr. 40 Bl. 1, Nr. 52 Bl. 2, Nr. 62 Bl. 2, Nr. 86 Bl. 2, Nr. 94 Bl. 2 f. zu § 1 LohnFG; Hunold, Krankheit, S. 25 f.; Dunkl in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 3 RdNr. 27; ErfK/Dorner § 3 EntgeltfortzG RdNr. 11 f.; MünchArbR/Schulin § 81 RdNr. 25; Reinecke, DB 1998, S. 130; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 3 RdNr. 27 ff.; Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 197; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 75, unklar allerdings RdNr. 78; siehe auch Marienhagen/KünzU Entgeltfortzahlung, § 3 RdNr. 4. Zum Krankheitsbegriff der gesetzlichen Krankenversicherung vgl. umfassend Krasney, ZSR 1976, S. 411 ff. Gegen eine Gleichstellung des arbeitsrechtlichen mit dem medizinischen Krankheitsbegriff Raatz, Entgeltfortzahlung, S. 71 f. 46 Vgl. kritisch zum sog. allgemeinen medizinischen Krankheitsbegriff Viefhues, ZSR 1976, S. 394. 47 Vgl. etwa BAG AP Nr. 61 zu § 1 LohnFG Bl. 2 f. Das RAG (ARS 42, 389 [391 ff.]) hatte die Schwangerschaft noch als „Unglück" i.S. des damaligen § 63 HGB gewertet. 48 Vgl. dazu m.w.N. nur MünchArbR/Schulin § 81 RdNr. 26 f.
38
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
2. Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers Aus der weiten Definition des Krankheitsbegriffes ist jedoch nicht zu folgern, daß der Arbeitnehmer bei jeglicher Krankheit der Arbeit fernbleiben darf. Das Gesetz verlangt neben der Krankheit auch eine dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit 50 . Diese wiederum liegt nur dann vor, wenn dem Arbeitnehmer die Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflicht unmöglich ist oder ihm zumindest nicht zugemutet werden kann, weil die Gefahr besteht, daß sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert 51' 5 2 . Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muß zudem kausal für die Arbeitsverhinderung gewesen sein. Darauf ist noch näher einzugehen. Die Begriffe der Arbeitsverhinderung und Arbeitsunfähigkeit sind im übrigen nicht kongruent. Die Krankheit kann, auch ohne daß Arbeitsunfähigkeit vorliegt, zu einer Arbeitsverhinderung führen, z.B. dann, wenn dem Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen möglich ist und auch eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes hierdurch nicht zu befürchten ist, er aber gleichwohl - etwa aufgrund einer ambulanten medizinischen Behandlung - der Arbeit fernbleibt. Diese Fallkonstellationen werden nicht von § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG erfaßt, unterfallen aber u. U. der Regelung des § 616 B G B 5 3 .
3. Ohne Verschulden des Arbeitnehmers Hinsichtlich des Verschuldens des Arbeitnehmers gilt nichts anderes als hinsichtlich des Verschuldens des Dienstverpflichteten im Falle des § 616 BGB. Auf die Ausführungen hierzu kann deshalb verwiesen werden 54 . 49 So auch im Ergebnis BAG AP Nr. 12 Bl. 1 R f., Nr. 62 Bl. 2, Nr. 86 Bl. 2, Nr. 94 Bl. 2 f. zu § 1 LohnFG; AP Nr. 21 zu § 63 HGB Bl. 1 R; a.M. BAG AP Nr. 64 zu § 616 BGB Bl. 1 R; AP Nr. 40 Bl. 1, Nr. 52 Bl. 2 zu § 1 LohnFG. 50 Vgl. Schulin, ZfA 1978, S. 215 (234 ff.); ferner Reinecke, DB 1998, S. 130 (132); Thome , Lohnfortzahlung, S. 54 f. 51 Vgl. BAG AP Nr. 52 Bl. 2 R, Nr. 64 Bl. 2 zu § 616 BGB; AP Nr. 23 zu § 63 HGB Bl. 2 R f.; AP Nr. 12 Bl. 1 R, Nr. 54 Bl. 2 R, Nr. 62 Bl. 2, Nr. 86 Bl. 2, Nr. 94 Bl. 2 R zu § 1 LohnFG; Dunkl in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge §3 RdNr. 34 ff.; ErfKIDörner § 3 EntgeltfortzG RdNr. 17; Marienhagen/KünzU Entgeltfortzahlung, § 3 RdNr. 7; MünchArbR/Sc/m/w § 81 RdNr. 35 ff.; RGRK/Α/αίthes § 616 RdNr. 71; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 79 ff. m.w.N. 52 Zur Problematik der sog. Teilarbeitsfähigkeit sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht vgl. Hitzfeld, Liber Discipulorum, S. 55 ff. m.w.N.; ferner Stückmann, Festschrift für Helmut Pieper, S. 551 ff. 53 Vgl. dazu etwa Brill, NZA 1984, S. 281 ff. Zu den Wertungswidersprüchen, die sich zur Zeit der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle von nur 80 Prozent aus den unterschiedlich fortzuzahlenden Lohnhöhen ergeben konnten, vgl. Gutzeit, BB 1997, S. 737 f.; ferner Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 90.
C. Arbeitsausfall infolge eines gesetzlichen Feiertages
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4. Wartefrist und Dauer des Anspruchs Durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Beschäftigung wurde mit dem Ziel der Kostenentlastung dem § 3 EntgeltfortzG ein Abs. 3 angefügt. Danach kann zahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG frühestens wöchigen ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses
Wachstum und der Arbeitgeber der Entgeltfortnach einer vierentstehen55.
Ist ein Anspruch entstanden, so besteht er gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzG für einen Zeitraum von längstens sechs Wochen. Wird der Arbeitnehmer wiederholt krank, so beginnt bei unterschiedlichen Krankheiten die Frist jeweils neu. Handelt es sich jedoch um dieselbe (nicht die gleiche!) Krankheit (sog. fortgesetzte Krankheit), so läuft die Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzG weiter, jedoch ist in einem solchen Fall zudem Satz 2 zu beachten 56 .
C. Arbeitsausfall infolge eines gesetzlichen Feiertages (§ 2 EntgeltfortzG) Fällt die Arbeit infolge eines gesetzlichen Feiertages aus, bleibt der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 2 Abs. 1 EntgeltfortzG bestehen. Welche Tage gesetzliche Feiertage sind, wird mit Ausnahme des Tages der Deutschen Einheit, der bundesrechtlich zum gesetzlichen Feiertag erklärt wurde 57 , in den verschiedenen Landesgesetzen festgelegt 58 . Von den gesetzlichen Feiertagen sind die sog. kirchlichen Feiertage zu unterscheiden, die nach Maßgabe einiger Landesgesetze dem Arbeitnehmer zwar einen Frei-
54 Siehe oben § 3 A 3. Beachte ferner § 3 Abs. 2 EntgeltfortzG. Zu Einzelfragen des Verschuldens bei Krankheit vgl. die Darstellung von Dunkl in Kaiser/Dunkl/ Hold/Kleinsorge § 3 RdNr. 100 ff.; ErfKIDörner § 3 EntgeltfortzG RdNr. 49 ff.; Marienhagen/Künzl, Entgeltfortzahlung, § 3 RdNr. 27 ff.; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 137 ff. 55 Zur Wartefrist und den damit verbundenen Rechtsfragen vgl. etwa Boecken, NZA 1999, S. 673 (676 f.); Giesen, RdA 1997, S. 193 (194 f.); Marienhagen/ KünzU Entgeltfortzahlung, § 3 RdNr. 67a ff.; Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 279 ff.; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 60 ff.; ders. NZA 1998, S. 354 ff. 56 Zu den damit zusammenhängenden Problemen, denen hier nicht im einzelnen nachgegangen werden kann, vgl. umfassend Dunkl in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 3 RdNr. 134 ff., 148 ff.; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 3 RdNr. 166 ff., 194 ff. 57 Vgl. Kapitel I Art. 2 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31.8.1990 (BGBl. II, S. 889). Ferner Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 767. 58 Vgl. die Übersicht in Nipperdey, Arbeitsrecht (Textsammlung), Nr. 250 ff.
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Stellungsanspruch gewähren, jedoch nicht zu einem Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 2 Abs. 1 EntgeltfortzG führen. Gemäß § 2 Abs. 3 EntgeltfortzG entfällt der Fortzahlungsanspruch ferner, wenn der Arbeitnehmer am letzten Arbeitstag vor oder dem ersten Arbeitstag nach dem Feiertag unentschuldigt der Arbeit fernbleibt 59 . Durch diese Regelung soll die eigenmächtige Freizeitverlängerung unterbunden werden. Sie hat also einen Disziplinierungscharakter 60 . Desweiteren muß zwischen dem gesetzlichen Feiertag und dem Arbeitsausfall ein Kausalzusammenhang bestehen. Hierauf ist später näher einzugehen.
D. Annahmeverzug des Arbeitgebers (§ 615 BGB) Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug (Gläubigerverzug), so knüpft § 615 S. 1 BGB daran zwei Rechtsfolgen. Zum einen ist der Arbeitnehmer nicht zur Nachleistung verpflichtet, zum anderen erhält er dennoch die geschuldete Gegenleistung. § 615 BGB geht damit über die Rechtsfolgen, die nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 293 ff. BGB an den Gläubigerverzug geknüpft sind, hinaus. Die Qualifikation einer Leistungsstörung als Verzug setzt jedoch nach den anerkannten Abgrenzungskriterien von Verzug und Unmöglichkeit die Nachholbarkeit der Leistung voraus. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes wird bei den sog. absoluten Fixgeschäften vorgenommen, bei denen der Zeitpunkt der Leistung eine besondere Bedeutung hat, weil der Leistungszweck des Gläubigers zu einem späteren Datum nicht mehr verwirklicht werden kann 61 . Deshalb werden in diesen Fällen trotz der an sich möglichen Nachholbarkeit der Leistung die Unmöglichkeitsvorschriften herangezogen. Wie dargelegt 62 , ist bei Arbeitsverhältnissen zumindest im Wege ergänzender Vertragsauslegung regelmäßig von einer absoluten Fixschuld der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung auszugehen mit der Folge, daß die Nichtleistung des Arbeitnehmers zur Unmöglichkeit der Leistung führt. Deshalb würde § 615 BGB gerade dort keine Anwendung finden. Die unterschiedlichen Lösungsversuche zur Vermeidung der dadurch 59
Zu den Einzelheiten vgl. ErfKiDörner § 2 EntgeltfortzG RdNr. 51 ff.; Kleinsorge in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 2 RdNr. 45 ff.; Marienhagen/KiinzU Entgeltfortzahlung, § 2 RdNr. 20 ff.; MünchArbR/tfoewer § 79 RdNr. 26 ff.; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 793 ff. 60 Vgl. BAG AP Nr. 18 Bl. 1 R, Nr. 23 Bl. 1 R f., Nr. 40 Bl. 1 R f. zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; ferner Kleinsorge in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 2 RdNr. 45; kritisch Frey, Die Feiertagsbezahlung, S. 41. 61 Vgl. dazu bereits oben S. 18 f. 62 Vgl. oben S. 19 ff.
D. Annahme Verzug des Arbeitgebers
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auftretenden Weitungswidersprüche wurden bereits oben dargestellt 63 . Sie unterscheiden sich aber „nur" in der Methode, nicht im Ergebnis. Im folgenden soll für die Fälle der Unmöglichkeit an einer analogen Anwendung des § 615 BGB festgehalten werden. Grundsätzlich ist für den Entgeltanspruch zunächst § 324 Abs. 1 BGB heranzuziehen. Lägen aber die Voraussetzungen des Annahmeverzuges - von der Nachholbarkeit der Leistung abgesehen - vor, so ist § 615 BGB entsprechend anzuwenden, da bei diesem, anders als im Falle des § 324 Abs. 1 BGB, der Anspruch auf die Gegenleistung unabhängig vom Verschulden des Arbeitgebers ist 6 4 . § 615 BGB regelt nur die Folgen des Annahmeverzuges im Dienstvertragsrecht, dessen Voraussetzungen hingegen die §§ 293 ff. BGB.
1. Angebot des Arbeitnehmers § 293 BGB verlangt, daß dem Gläubiger die Leistung angeboten werden muß. Wie das Angebot zu erfolgen hat, ergibt sich aus den §§ 294 bis 296 BGB. Das Gesetz fordert im Regelfall ein tatsächliches Angebot. Gemäß § 294 BGB ist dem Gläubiger die Leistung so, wie sie tatsächlich zu bewirken ist, anzubieten. Grundsätzlich muß also der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz erscheinen und zur sofortigen Arbeitsaufnahme bereit sein 65 , d.h. er muß dem Arbeitgeber die Arbeitsleistung zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Weise anbieten 66 . Hingegen ist gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot des Schuldners ausreichend, wenn entweder der Gläubiger zuvor erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder wenn er eine zur Leistungsbewirkung erforderliche Mitwirkungshandlung unterläßt 67 . Problematisch und heftig umstritten ist in diesem Zusammenhang der Fall der unwirksamen Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Fraglich ist nämlich, ob dann ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers erforderlich ist, um den Gläubigerverzug und damit die Rechtsfolgen des § 615 BGB auszulösen oder ob selbst dieses entbehrlich ist. Ein tatsächliches Angebot ist jedenfalls nicht notwendig, da der Arbeitgeber durch die Kündigungserklärung zumindest konkludent zum Ausdruck bringt, er werde die Leistung des
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Vgl. oben S. 23 ff. Zum Streit über das Verschuldensmerkmal bei der Entstehung des § 615 BGB (sog. culpa-Theorie) vgl. Stoppelkamp, Annahmeverzug, S. 4 f. 65 Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 615 BGB Bl. 1 R; Erman/Hanau § 615 RdNr. 8; Staudinger/Richardi § 615 RdNr. 47 ff. 66 So die „Faustformel" der Praxis; vgl. dazu nur MünchArbR/Ztoewer § 76 RdNr. 17 m.w.N.; Larenz, Schuldrecht AT, S. 390 f. 67 Vgl. dazu nur Staudinger/Richardi § 615 RdNr. 52 ff. m.w.N. 64
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Arbeitnehmers nach dem von ihm gesetzten Beendigungszeitpunkt nicht annehmen 68 . Das BAG hielt in früheren Entscheidungen ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers für erforderlich 69 , erblickte es allerdings in der Erhebung der Kündigungsschutzklage 70 . Diese Rechtsprechung erfuhr vielfache Kritik 7 1 . Man hielt die durch sie bedingten Ergebnisse für zufällig und lebensfremd. Der Arbeitnehmer würde im Falle einer unwirksamen Kündigung üblicherweise nicht auf den Gedanken kommen, seine Leistung weiterhin wörtlich anzubieten. Der Zeitpunkt der Erhebung der Kündigungsschutzklage entscheide somit willkürlich über den Beginn des Annahmeverzuges des Arbeitgebers. Für den Zeitraum bis zur Kündigung bleibe der Arbeitnehmer als Folge der Ansicht der Rechtsprechung ohne Lohn. Vorgeschlagen wurde deshalb u. a. eine teleologische Reduktion des § 295 B G B 7 2 oder eine Entbehrlichkeit des wörtlichen Angebotes wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 B G B ) 7 3 .
68
Vgl. etwa BAG AP Nr. 5 zu § 9 MuSchG Bl. 4; AP Nr. 22 zu § 615 BGB Bl. 1 R. 69 BAG AP Nr. 5 zu § 9 MuSchG Bl. 4; AP Nr. 18 Bl. 1 R ff., Nr. 22 Bl. 1 R; Nr. 23 Bl. 1 R f., Nr. 26 Bl. 3, Nr. 27 Bl. 2 R, Nr. 31 Bl. 1 R, Nr. 32 Bl. 4 zu § 615 BGB. 70 Vgl. BAG AP Nr. 22 Bl. 1 R, Nr. 23 Bl. 1 R, Nr. 26 Bl. 3, Nr. 31 Bl. 1 R, Nr. 32 Bl. 4 zu § 615 BGB; ebenso LAG Frankfurt a.M„ EzA § 615 BGB Nr. 38 S. 116, 117; LAG Köln, EzA § 615 BGB Nr. 41 S. 130, Nr. 42 S. 135, 137. Dies ist im Grunde eine Fiktion - so zu Recht etwa Blomeyer, Anm. zu BAG AP Nr. 31 zu § 615 BGB Bl. 3. Sehr „großzügig" war das BAG mit der Tatbestandsvoraussetzung des Angebots auch in den Fällen, bei denen keine Kündigung des Arbeitgebers vorlag, sondern nur eine zeitweilige unberechtigte Freistellung des Arbeitnehmers. Man sah hier in der bereits erbrachten Dienstleistung das konkludente Angebot, auch weiterhin leisten zu wollen; in diesem Sinne BAG AP Nr. 13 Bl. 3 R, Nr. 14 Bl. 3 zu § 615 BGB Betriebsrisiko. In Wahrheit hat man allerdings auf das Erfordernis des Angebots verzichtet, so zu Recht Staudinger/Richardi § 615 RdNr. 56. Vgl. dazu auch Stehly AuR 1967, S. 44 (46 ff.), der (allerdings nur für den Fall der fristlosen Kündigung - a.a.O., S. 44 [50]) meint, § 295 BGB komme erst gar nicht zur Anwendung, da der Arbeitgeber durch die Kündigungserklärung bereits nach §§ 293, 294 BGB in Annahmeverzug geraten sei, da er ein tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers nicht annehme, weil dieser sich in einem „dauerhaften Erfüllungszustand" befinde. 71
Vgl. etwa Beitzkey SAE 1970, S. 4; Blomeyer, Anm. zu BAG AP Nr. 26 Bl. 3
R ff., Nr. 31 Bl. 2 R ff. zu § 615 BGB; Eisemanny ArbRGegw. 19 (1981), S. 33 ff.;
Nikischy RdA 1967, S. 241 ff.; Söllner y Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § 615 BGB Kurzarbeit Bl. 3 R ff.; Stehly AuR 1967, S. 44. 72 Vgl. Blomeyer y Anm. zu BAG AP Nr. 26 Bl. 5 R f., Nr. 31 Bl. 3 f. zu § 615 BGB; Schäfer, JuS 1988, S. 265 (266); Soergel/Kraft § 615 RdNr. 21 (teleologische Reduktion des § 294 BGB); ähnlich Soergel/Wiedemann § 295 RdNr. 11 und § 296 RdNr. 3.
D. Annahmeerzug des Arbeitgebers
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Einer derartigen Modifikation des § 295 BGB bedarf es jedoch nicht. Inzwischen hat auch die Rechtsprechung ihren Standpunkt revidiert und hält nicht mehr an dem Erfordernis des wörtlichen Angebotes fest 74 . Sie stützt sich nun zu Recht auf § 296 BGB. Der Arbeitgeber sei nämlich verpflichtet, zu einem festen Zeitpunkt seine Mitwirkungshandlung dadurch zu erbringen, daß er einen Arbeitsplatz zur Verfügung stelle und ggfs. durch die Ausübung seines Direktionsrechtes die geschuldetet Arbeit erst konkretisiere. Durch die unberechtigte Kündigung mache er jedoch deutlich, daß er diese Mitwirkung verweigern werde. Deswegen entfalle gemäß § 296 Satz 1 BGB die Notwendigkeit eines Angebotes. Zwar stößt auch diese Lösung des BAG auf Wiederstand 75 . Gegen sie wird eingewandt, die unwirksame Kündigung des Arbeitnehmers sei kein Fall des § 296 Satz 1 BGB, da der Arbeitgeber nichts weiter tun müsse, als die Leistung des Arbeitnehmers anzunehmen. Zumindest wenn der Arbeitsplatz „leer" stünde, müsse der Arbeitnehmer seine Leistung wörtlich anbieten, da es dann an einer „qualifizierten Mitwirkungshandlung" i.S. des § 296 Satz 1 BGB fehle. Doch überzeugt dies nicht. Die Mitwirkung des Arbeitgebers erschöpft sich regelmäßig nicht in der bloßen Annahme der Leistung. Mit dem BAG ist davon auszugehen, daß der Arbeitgeber die Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers erst durch sein Direktionsrecht konkretisieren muß. Jedenfalls muß er dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. Durch die Kündigung bringt der Arbeitgeber aber gerade zum Ausdruck, daß er den Arbeitsplatz dem 73
So etwa MünchKomm/ Walchshöf er, 2. Auflage, § 295 RdNr. 6; ähnlich Schaub, AR-B lattei SD 80, Annahmeverzug, RdNr. 28; Söllner, Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § 615 BGB Kurzarbeit Bl. 4 f.; dem zuneigend neuerdings Hromadka/Maschmann, S. 258. 74 Vgl. BAG AP Nr. 34 Bl. 2 R ff., 4 f., Nr. 35 Bl. 2 f., Nr. 35a Bl. 1 R, Nr. 39 Bl. 2 f., Nr. 40 Bl. 3, Nr. 42 Bl. 1 f., Nr. 45 Bl. 3 f., Nr. 46 Bl. 2 R, Nr. 50 Bl. 1 R, Nr. 53 Bl. 3 f., Nr. 56 Bl. 2 R, Nr. 60 Bl. 2 ff. zu § 615 BGB; AP Nr. 2 zu § 297 BGB Bl. 1 R; AP Nr. 1 zu § 9 AÜG Bl. 6; ferner LAG Hamm, DB 1988, S. 1501; LAG Mecklenburg-Vorpommern, AP Nr. 148 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 3 R ff.; a.M. aber jüngst LAG Düsseldorf, LAGE § 615 BGB Nr. 51 S. 4 ff. Für den Fall der Schließung eines gesamten Betriebsteiles vgl. bereits BAG AP Nr. 2 zu § 615 BGB Kurzarbeit Bl. 2 R ff. Die gleichen Grundsätze gelten auch für den Fall des Annahme Verzuges aufgrund einer unwirksamen Aussperrung; vgl. dazu LAG Mecklenburg-Vorpommern, NZA-RR 1997, S. 163 (165 f.). 75 So etwa von Kaiser, Anm. zu BAG EzA zu § 615 BGB Nr. 70 S. 12 ff.; Kraft, Anm. zu BAG EzA zu § 615 BGB Nr. 43 S. 146a ff.; Löwisch, Anm. zu BAG EzA zu § 615 BGB Nr. 66 S. 7 ff.; Ramrath, Anm. zu BAG AP Nr. 60 zu § 615 BGB Bl. 5 R ff.; Schäfer, JuS 1988, S. 265 (266); Soergel/Wiedemann § 295 RdNr. 11 und § 296 RdNr. 3; Stahlhacke, AuR 1992, S. 8 (9 f.); Treber, Anm. zu BAG EzA zu § 615 BGB Nr. 83 S. 9 ff.; Waas, NZA 1994, S. 151 ff.; Wiedemann/Wonneberger, Anm. zu BAG AP Nr. 45 zu § 615 BGB Bl. 3 R ff.; Winterfeld, SAE 1986, S. 17 (18 ff.); Wolf/Neumeier, SAE 1986, S. 13 (14 f.).
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Arbeitnehmer nicht bereitstellen w i l l 7 6 . Selbst wenn der Arbeitsplatz „ l e e r " stünde, kann man von dem Arbeitnehmer nicht erwarten, daß er diesen Arbeitsplatz quasi besetzt, u m dort zu arbeiten 7 7 . D i e Bedenken gegenüber der neueren Rechtsprechung könnten allenfalls hinsichtlich besonderer Konstellationen berechtigt sein, bei denen tatsächl i c h kein Fall des § 296 Satz 1 B G B v o r l i e g t 7 8 . Z u denken wäre etwa an Außendienstmitarbeiter 7 9 . B e i diesen mag es oftmals an einer M i t w i r k u n g s handlung des Arbeitgebers fehlen. Ist es deshalb nicht möglich, § 296 B G B unmittelbar heranzuziehen, so folgt daraus noch nicht, daß dann ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers gemäß § 295 B G B erforderlich w ä r e 8 0 . Zur angemessenen Behandlung dieser Fälle ist ferner weder eine Einschränkung aus Treu und G l a u b e n 8 1 , noch die gleichfalls vorgeschlagene teleologische Reduktion der §§ 294 f. B G B n o t w e n d i g 8 2 . Z u beachten ist nämlich - was m . E . bei der gesamten Diskussion nicht hinreichend berücksichtigt w i r d - , daß vorliegend eigentlich kein Fall des Annahmeverzuges gegeben ist, da aufgrund des Fixschuldcharakters der Arbeitspflicht grundsätzlich die 76
So zu Recht MünchMciïU Boewer § 76 RdNr. 23; Staudinger/Richardi § 615 RdNr. 66; deswegen überzeugen auch nicht die dahingehenden Einwände von Wolf/ Neumeier, SAE 1986, S. 13 (14). Vgl. ferner die Kritik von Waas, NZA 1994, S. 151 (152 aber auch 153). 77 Vielfach findet sich der Hinweis, Mitwirkungshandlung i.S. d. § 296 BGB sei nur eine solche, die dem Schuldner die Leistung erst ermögliche und nicht die bei Dienstverträgen typische fortdauernde Mitwirkung (so etwa Löwisch, Anm. zu BAG EzA zu § 615 BGB Nr. 66 S. 9). Warum aber das Bereitstellen von Verpackungsmaterial eine notwendige Mitwirkungshandlung, i.S. der §§ 295, 296 BGB darstellen soll (so das Beispiel von Waas, NZA 1994, S. 151 [154]), das Zurverfügungstellen eines Arbeitsplatzes hingegen nicht, leuchtet nicht ein. Auch die Unterscheidung von Kraft (Soergel/Kraft § 616 RdNr. 25 f.) ist nicht überzeugend. Er geht grundsätzlich davon aus, die Zuweisung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber sei der schlichten Annahme „wertungsmäßig gleich", da eine Handlung des Arbeitnehmers (das Erscheinen am Arbeitsplatz) vorauszugehen habe. Nur wenn der Arbeitgeber ein Hausverbot erteile, der Arbeitnehmer also gar nicht erst an seinen Arbeitsplatz gelange, sei § 296 BGB „uneingeschränkt anwendbar". Daß der Arbeitgeber jedoch in „beiden Fällen" den Arbeitnehmer nicht an seinem Arbeitsplatz „sehen will", ist offensichtlich. Gerade deshalb wurde ihm gekündigt. 78 Vgl. schon die Ausführungen von Blomeyer, Anm. zu BAG AP Nr. 26 zu §615 BGB Bl. 5 f. und BGH EzA zu § 615 BGB Nr. 45 S. 165. In der Entscheidung des BGH lehnt das Gericht die Anwendung des § 296 BGB auf Fälle ab, in denen der Dienstverpflichtete seine Tätigkeit weitgehend selbst gestalten konnte. 79 Auf solche Konstellationen verweisen etwa auch Wiedemann/Wonneberger, Anm. zu BAG AP Nr. 45 zu § 615 BGB Bl. 4 f.; Winterfeld, SAE 1986, S. 17 (18). 80 So aber MünchArbRIBoewer § 76 RdNr. 24. 81 Vgl. die Nachweise oben Fn. 73. 82 Vgl. die Nachweise oben Fn. 72. Zu den methodischen Bedenken hinsichtlich dieses Vorschlages vgl. überzeugend BAG AP Nr. 34 zu § 615 BGB Bl. 4; Eisemann, ArbRGegw. 19 (1981), S. 33 (42 f.).
D. Annahmeerzug des Arbeitgebers
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Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung einschlägig wären 83 . Es stellt sich deshalb die Frage, inwieweit die hier problematische Konstellation überhaupt in den §§ 293 ff. BGB geregelt ist 8 4 . Die Regelung des § 296 BGB betrifft unmittelbar nur Fälle der zeitlich fixierten Mitwirkungspflicht des Gläubigers, weswegen hinsichtlich der Leistungspflicht des Schuldners nicht gleichfalls per se von einer Fixschuld ausgegangen werden kann; läge eine schuldnerseitige Fixschuld vor, so wäre nach der gesetzlichen Konzeption kein Fall des Verzuges, sondern der Unmöglichkeit gegeben, weshalb hierfür eine dem § 296 BGB vergleichbare Regelung gerade fehlt. Da § 615 BGB jedoch analog anzuwenden ist, muß der Fall der schuldnerseitigen Fixschuld in das System der §§ 294 ff. BGB eingefügt werden. Dabei bietet sich eine entsprechende Anwendung des § 296 BGB an 8 5 . Das Angebot des Schuldners soll nämlich grundsätzlich den zeitlichen Beginn des Gläubigerverzuges festlegen. Ebenso wie im Falle der kalendermäßig bestimmten Mitwirkungshandlung des Gläubigers entfällt bei zeitlicher Fixierung der Leistungsverpflichtung die Warnfunktion des Angebots für den Gläubiger. Dagegen kann nicht eingewandt werden, daß durch das Angebot dem Gläubiger zudem die Feststellung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Schuldners ermöglicht werde. Daß dies nicht Zweck des Angebotes ist, zeigt gerade § 296 BGB. Im unmittelbaren Anwendungsbe83
Auf diesen Umstand wies bereits Nikisch (RdA 1967, S. 241 [244]) hin; dagegen, allerdings nicht überzeugend, BAG AP Nr. 34 zu § 615 BGB Bl. 3 R. Nikisch verfolgte aber (a.a.O., S. 241 [242 ff.]) den „richtigen Ansatz" nicht weiter, sondern ging davon aus, daß die §§ 293 ff. BGB dem „Wesen" des Arbeitsverhältnisses angepaßt werden müßten. 84 Nicht selten werden daher die §§ 293 ff. BGB für das Arbeitsrecht als unbefriedigend empfunden; vgl. die Nachweise von Eisemann, ArbRGegw. 19 (1981), S. 33 (43 ff. mit Fn. 71). Deshalb geht auch die häufig zu findende Argumentation fehl, die §§ 293 ff. BGB enthielten dezidierte Regelungen, an die sich der Normunterworfene zu halten habe und die die Gerichte nicht durch eigene moralische Wertungen ersetzen dürften; vgl. etwa aus jüngerer Zeit Ramrath, Anm. zu BAG AP Nr. 60 zu § 615 BGB Bl. 7 R ff. Hingegen ist nach Ansicht von Löwisch (Anm. zu BAG EzA zu § 615 Nr. 66 S. 9) die Verweisung des § 615 BGB klar und eindeutig. Eine „Lücke" für Analogien und Restriktionen bestehe nicht. 85 Im Ergebnis ähnlich Waas, NZA 1994, S. 151 ff., der aber zu Unrecht die „Leistungstreuepflicht" des Arbeitgebers unter den Begriff der Mitwirkungsverpflichtung i. S. des § 296 BGB subsumiert und § 296 BGB unmittelbar anwenden will. Das verstößt jedenfalls gegen die Wertung des § 295 BGB, wonach bei verweigerter Annahme der Leistung zumindest ein wörtliches Angebot erforderlich ist. Waas (a.a.O., S. 151 [155]) will deshalb die Anwendung des § 295 BGB allgemein auf die Fälle beschränken, in denen der Gläubiger nur vorübergehend zur Annahme nicht bereit ist. Das ist aber bei den „normalen Gläubigerverzugskonstellationen" nicht einzusehen und konstruiert. Für die Entbehrlichkeit eines Angebots wegen einer mit § 296 BGB vergleichbaren Lage auch Stoppelkamp, Annahmeverzug, S. 96 ff.
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§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
reich dieser Norm bleibt der Gläubiger hierüber stets im unklaren 86 . Die Anzeige der Leistungsbereitschaft des Schuldners ist in den sonstigen Fällen ebenfalls nicht unmittelbarer Gegenstand des Angebots. Sie wird nur bei zeitlich nicht fixierter Verpflichtung durch das Angebot dem Gläubiger (quasi konkludent) mitgeteilt 87 , ist aber nicht dessen weiterer Zweck. Das Angebot soll also lediglich den zeitlichen Beginn der Verzugsfolgen festlegen; das ist letztlich nur eine Konsequenz des § 271 Abs. 1 BGB. Verweigert somit der Arbeitgeber seine Mitwirkung (unmittelbare Anwendung) oder lehnt er die Leistung des Arbeitnehmers ab (analoge Anwendung), so ist aufgrund der zeitlichen Fixierung der Mitwirkungshandlung bzw. Leistungsverpflichtung der Beginn des Eintrittes der Verzugsfolgen bestimmt. Der Arbeitgeber muß dann mit Blick auf die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit seines Arbeitnehmers nicht mehr „gewarnt" werden, um sich darüber klar zu werden, ob er nur unter Inanspruchnahme der Arbeitnehmerleistung das Entgelt fortzahlt 88 . Der Zweck des Angebots durch den Schuldner kann nicht darin liegen, den Gläubiger auf die „besondere Gefährlichkeit" seines Verhaltens hinzuweisen. Ein Angebot des Arbeitnehmers ist also entbehrlich.
2. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Gläubiger Neben dem grundsätzlich erforderlichen Angebot des Schuldners verlangt § 293 BGB die Nichtannahme der Leistung durch den Gläubiger. Da es bei den Normen des Leistungsstörungsrechts letztlich um die Zuweisung von Risiken geht, ist der Begriff der Nichtannahme weit auszulegen, so daß hierunter jedes Verhalten des Gläubigers fällt, das den Erfüllungseintritt verhindert 89 . Neben der schlichten Ablehnung der Leistung ist deshalb auch die Nichtvornahme einer notwendigen Mitwirkungshandlung als Nichtannahme zu werten 90 . Im Arbeitsverhältnis stellt somit auch das unterbliebene 86 Vgl. ähnlich Eisemann, ArbRGegw. 19 (1981), S. 33 (46 f.); zu Sinn und Zweck des § 296 BGB und dessen Anwendbarkeit auf den Fall der unberechtigten Kündigung auch Konzen, Anm. zu BAG AP Nr. (34 und) 35 Bl. 5 f., 6 ff. zu § 615 BGB. Für Blomeyer (Anm. zu BAG AP Nr. 26 zu § 615 BGB Bl. 6) steht es hingegen „außer Zweifel", daß das Angebot „der Manifestierung der schuldnerischen Leistungsbereitschaft dienen soll". 87 Vgl. etwa MünchKomm/Thode § 294 RdNr. 2, § 295 RdNr. 4 und § 297 RdNr. 1. 88 Diese „Warnung" verlangen z.B. das LAG DüsseldorfLAGE § 615 BGB Nr. 51 S. 6 und Kaiser, Anm. zu BAG EzA zu § 615 BGB Nr. 70 S. 14 f., die damit allerdings die Schutzwürdigkeit des Gläubigers überbetonen. 89 Vgl. Erman/Hanau § 615 RdNr. 10; MünchArbR ! Boewer § 76 RdNr. 31; Soergel/Wiedemann § 293 RdNr. 8; Staudinger/Richardi § 615 RdNr. 84. 90 Vgl. nur Staudinger/Löwisch § 293 RdNr. 21.
D. Annahmeerzug des Arbeitgebers
47
Zurverfügungstellen des Arbeitsplatzes eine Nichtannahme durch den Gläubiger dar. Desweiteren ist unerheblich, ob der Gläubiger die Leistung nicht annehmen will oder ob er sie nicht annehmen kann (sog. Annahmeunmöglichkeit) 91 . Die Frage, ob der Gläubiger die Leistung nicht annehmen kann oder nicht annehmen will, ist für die Qualifikation der Leistungsstörung deswegen ohne Bedeutung, da es insoweit, wie bereits ausgeführt, jedenfalls im Grundsatz nur auf die Nachholbarkeit der geschuldeten Leistung ankommt und ferner hinsichtlich der Nichtannahme das Verschulden des Gläubigers keine Rolle spielt. Die Problematik der Annahmeunmöglichkeit verdient jedoch in anderem Zusammenhang insofern besondere Beachtung, als der zu dieser führende Umstand zugleich ein Unvermögen auf Schuldnerseite zur Folge haben kann und deswegen gemäß § 297 BGB der Annahmeverzug entfällt. Da folglich auch die Annahmeunmöglichkeit des Gläubigers als Annahmeverzug zu werten ist, sind auch die bislang vor allem von der Rechtsprechung gesondert behandelten „Betriebsrisikofälle" mit erfaßt 92 . Es handelt sich bei der Prüfung der Nichtannahme durch den Gläubiger zugleich um eine Kausalitäts- und Zurechnungsfrage. Das Unterbleiben der Arbeitsleistung muß nämlich durch die Nichtannahme des Arbeitgebers bedingt gewesen sein. Der Aspekt der Kausalität und Zurechnung wird zwar meist nicht explizit bei der Prüfung der Nichtannahme herausgestellt, der Sache nach werden aber die entsprechenden Fragestellungen dort bzw. im Rahmen des § 297 B G B 9 3 erörtert. Die Qualifikation als Kausalitätsund Zurechnungsproblem folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes („für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste") und entspricht zudem der Struktur der Entgeltfortzahlungsnormen, nach der es - ausgehend vom Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn" - darauf ankommt, ob die Leistung durch Krankheit, wegen persönlicher Arbeitsverhinderung, Feiertages usw. oder eben aufgrund der Nichtannahme durch den Gläubiger unterbleibt.
3. Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers Gemäß § 297 BGB muß der Arbeitnehmer zur Zeit des Angebots oder zu der nach § 296 BGB maßgebenden Zeit 9 4 zur Leistung imstande sein. Das Unvermögen des Schuldners hinsichtlich der vertraglich geschuldeten Lei91
Vgl. MünchArbRIBoewer § 76 RdNr. 31, § 77 RdNr. 13 ff.; a.M. Staudinger/ Löwisch Vorbem. zu §§ 293-304 RdNr. 4 ff.; allerdings einschränkend in RdNr. 9 für vorübergehende Annahmeunmöglichkeit. 92 Vgl. die Ausführungen unter § 3 E. 93 Zu diesem sogleich unter 3. 94 Zu den notwendigen Modifikationen hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunktes bei der Anwendung des § 297 BGB im Arbeitsverhältnis vgl. BAG, BB 1961,
48
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
stung schließt also den Annahme Verzug grundsätzlich a u s 9 5 . Nach
der
Intention des Gesetzgebers bezieht sich die Vorschrift des § 297 B G B auf Fälle der vorübergehenden U n m ö g l i c h k e i t 9 6 , die allerdings bei Arbeitsverhältnissen aufgrund
des regelmäßig anzunehmenden
Fixschuldcharakters
nicht m ö g l i c h sind. Deswegen ist die N o r m gleichwohl auch i m Arbeitsrecht von Relevanz. Sie ist nämlich bedeutsam bei der Bestimmung der Rechtsfolgen, wenn mehrere Verhinderungsgründe zusammentreffen.
Hier-
auf ist später näher einzugehen. Wegen der analogen A n w e n d u n g des § 615 B G B müssen aber i m Rahmen des § 297 B G B wegen des Fixschuldcharakters des Arbeitsverhältnisses die Unmöglichkeitsgründe außer Betracht bleiben, die allein durch die Ablehnung der Leistung durch den Gläubiger bzw. dessen unterbliebener Mitwirkungshandlung bedingt s i n d 9 7 . I n den bereits oben erwähnten Fällen der Annahmeunmöglichkeit tritt deshalb dann kein Annahmeverzug ein, wenn die Ursache hierfür i n gleicher Weise auch den Schuldner an der Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Leistung hind e r t 9 8 bzw. er ohnehin hinsichtlich der Leistung unvermögend i s t 9 9 . Dies ist S. 1128; ArbG Mannheim/Heidelberg, BB 1982, S. 1667; a.M. insoweit Staudinger/Löwisch § 297 RdNr. 18. 95 Vgl. etwa BAG AP Nr. 2 zu § 297 BGB Bl. 1 R f.; zur besonderen Problematik, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, auch andere als die vertraglich geschuldete Leistung zuzuweisen, um die für den Arbeitnehmer nachteiligen Folgen des § 297 BGB zu vermeiden, vgl. MünchArbR/Ztoewer § 76 RdNr. 26 m.w.N. 96 Vgl. nur MünchKomm/77zö DB 1979, S. 1305 (1308). 2,9 Vgl. unten § 6. 220 Zum Begriff des Ehrenamts und der Verpflichtung zur unentgeltlichen Amtsführung vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 5 ff.; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 7 f., dort (RdNr. 8) auch mit berechtigter Kritik an der Qualifikation als Ehrenamt. 221 Zum Erfordernis der Abmeldung und Rückmeldung vgl. Fitting/ Kaiser/ Heither/Engels § 37 RdNr. 42 ff.; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 37 RdNr. 37 ff.; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 46 ff. Die Rechtsprechung ist hierbei zu „großzügig"; vgl. nur jüngst BAG AP Nr. 119 zu § 37 BetrVG 1972. 222 Vgl. nur BAG AP Nr. 98 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 3 R; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 21. 218
G. Arbeitsversäumnis wegen Betriebsratstätigkeit
71
einzelnen zu den Betriebsratsaufgaben zu rechnen ist. Die Ausführungen der Literatur sind hierzu regelmäßig kasuistisch 223 . Eine abstrakte Definition der Betriebsratsaufgaben wird sich auch kaum finden lassen. Entscheidend ist, ob dem Betriebsrat eine Aufgabe wirksam zugewiesen ist. Solche Zuweisungen enthält zunächst das BetrVG, z.B. für die Teilnahme an Betriebsratssitzungen u. a. m. Daneben legen auch andere Gesetze Aufgaben für Betriebsräte fest (vgl. etwa § 17 Abs. 2 und 3 KSchG) 2 2 4 . Ob durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen weitere Aufgaben zugewiesen werden können, ist umstritten, allerdings zu bejahen 225 . Weiter muß die Arbeitsbefreiung nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben erforderlich sein. Dieses Merkmal dient dazu, die gegenseitigen Interessen von Arbeitgeber und Betriebsrat hinsichtlich der Arbeitsbefreiung an einem möglichst ungestörten Arbeitsablauf einerseits und der Ausübung von Betriebsratstätigkeit andererseits in ein ausgewogenes Verhältnis zu setzen. An die Erforderlichkeit ist dabei ein objektivierter ex ante Maßstab anzulegen. Auf rein subjektive Wertungen des Betriebsratsmitglieds kann es bei der Interessenabwägung ebensowenig ankommen wie auf eine streng objektive Betrachtung ex post, weil bei letzterer dem Betriebsratsmitglied das Risiko der Fehleinschätzung über Gebühr auferlegt würde. Deshalb ist auf das Urteil eines „vernünftigen Dritten" im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Arbeitsbefreiung abzustellen 226 . Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist ferner zu beachten, daß das Betriebsratsmitglied verpflichtet ist, seine Amtstätigkeit möglichst rationell auszuüben 227 .
2. Freigestellte Betriebsratsmitglieder (§ 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG) Neben der Norm des § 37 Abs. 2 BetrVG stellt das BetrVG für größere Betriebe mit § 38 BetrVG eine „praxisfreundliche" Regelung zur Verfü223
Vgl. die Darstellung von Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 23 ff. Vgl. dazu die Übersicht von Pulte, NZA 1996, S. 913 ff. 225 Befürwortend Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 22; Wiese, GKBetrVG, § 37 RdNr. 23; stark einschränkend Hess/Schlochauer/Glaubitz § 37 RdNr. 22 und wohl auch Richardi, BetrVG, § 37 RdNr. 20, der allerdings vor allem die Beschneidung von gesetzlichen Aufgaben durch einen Tarifvertrag problematisiert. 226 Vgl. BAG Nr. 105 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 3 R f.; Fitting/Kaiser/Heither/ Engels § 37 RdNr. 34; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 37 RdNr. 26; Stege/Weinspach § 37 RdNr. 7; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 33 f. Siehe auch BAG AP Nr. 39 Bl. 2, Nr. 40 Bl. 2 R zu § 37 BetrVG 1972. 227 So BAG AP Nr. 8 zu § 37 BetrVG Bl. 3; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 37 RdNr. 28; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 36. 224
72
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
gung. In größeren Betrieben ist nämlich die ordnungsgemäße Durchführung von Betriebsratsaufgaben derart zeitintensiv, daß zur Vermeidung von Streitigkeiten neben die Arbeitsbefreiung aus konkretem Anlaß (§ 37 Abs. 2 BetrVG) eine betriebsgrößenabhängige 228 Freistellungsstaffel t r i t t 2 2 9 . So ist etwa in einem Betrieb mit einer regelmäßigen Betriebsgröße zwischen 300 und 600 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied freizustellen. Zu Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kann es im Falle des § 37 Abs. 2 BetrVG insbesondere wegen des Kriteriums der Erforderlichkeit kommen. Während diese dort stets gesondert zu prüfen ist, wird sie im Fall des § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG unwiderleglich vermutet 230 . Systematisch ist daher § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG im Verhältnis zu § 37 Abs. 2 BetrVG die speziellere N o r m 2 3 1 . Allerdings bedeutet die Freistellung 232 im Sinne des § 38 Abs. 1 BetrVG keine völlige Freiheit des Betriebsratsmitglieds. Durch die Freistellung entfällt nur die Arbeitspflicht, nicht hingegen entfallen sonstige Pflichten, wie etwa die Bindung an die betriebliche Ordnung, die betriebliche Arbeitszeit, die allgemeine Treuepflicht u.a.m. 2 3 3 . Die Freistellung muß ferner der Wahrnehmung von Beriebsratsaufgaben 234 dienen 2 3 5 , weil sonst eine unzu228 Zur Feststellung der „in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer" vgl. nur Rieble/Gutzeit, BB 1998, S. 638 (642 f.). 229 Vgl. auch die Begründung zum Regierungsentwurf, BR-Drucks. 715/70, S. 41 = BT-Drucks. VI/1786, S. 41; femer BAG AP Nr. 44 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 1 R. 230 Vgl. BAG AP Nr. 44 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 1 R; AP Nr. 1 Bl. 3 R, Nr. 2 Bl. 3, Nr. 3 Bl. 1 R, Nr. 9 Bl. 1 R, Nr. 10 Bl. 2 R, Nr. 17 Bl. 3, Nr. 19 Bl. 2 R zu § 38 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 38 RdNr. 7; Wiese, GKBetrVG, § 38 RdNr. 7 m.w.N. 231 Vgl. BAG AP Nr. 2 Bl. 3 R, Nr. 3 Bl. 2 R, 10 Bl. 2 R, Nr. 17 Bl. 2 f. zu § 38 BetrVG 1972; AP Nr. 10 Bl. 2 R, Nr. 80 Bl. 2 R zu § 37 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 15, § 38 RdNr. 7; Richardi, BetrVG, § 38 RdNr. 5; Wiese, GK-BetrVG, § 38 RdNr. 8; a.M. Boemke, Anm. zu BAG AP Nr. 80 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 4 R f. 232 Zum Verfahren bei Freistellung vgl. statt aller Wiese, GK-BetrVG, § 38 RdNr. 34 ff. m.w.N. 233 Vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 38 BetrVG 1972 Bl. 1 R; AP Nr. 39 Bl. 2 R f. zu § 40 BetrVG 1972; AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972 Bl. 6 R; AP Nr. 8 zu § 108 BetrVG 1972 Bl. 2 R; AP Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung Bl. 2 f.; Blanke/Wedde in Däubler/Kittner/Klebe § 38 RdNr. 62; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 38 RdNr. 79 f.; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 38 RdNr. 43 ff.; Richardi, BetrVG, § 38 RdNr. 56 ff.; Wiese, GK-BetrVG, § 38 RdNr. 71 f. 234 Vgl. zur Definition der Betriebsratsaufgaben bereits oben unter § 3 G 1. 235 Vgl. BAG AP Nr. 44 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 1 R; AP Nr. 4 Bl. 2 f., Nr. 9 Bl. 1 R, Nr. 19 Bl. 1 R zu § 38 BetrVG 1972; AP Nr. 8 zu § 108 BetrVG 1972 Bl. 2 R f.; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 38 RdNr. 43; Wiese, GK-BetrVG, § 38 RdNr. 77.
G. Arbeitsversäumnis wegen Betriebsratstätigkeit
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lässige Begünstigung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG vorläge. So gehört es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats, Gerichtsverhandlungen zu besuchen. Mithin hat das einzelne Betriebsratsmitglied keinen Anspruch aus § 37 Abs. 2 BetrVG; es ist dann aber auch nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitgliedern in gleicher Weise verwehrt, an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen 236 .
3. Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für Betriebsratsmitglieder Wie dargelegt, stellt das BetrVG zur Durchführung von Betriebsratsaufgaben Freistellungs- und Lohnfortzahlungsansprüche zur Verfügung. Bei deren Wahrnehmung steht der Betriebsrat bzw. das einzelne Betriebsratsmitglied allerdings vor zwei Problemen. Zum einen ist es oftmals schwierig, das Vorliegen einer Betriebsratsaufgabe überhaupt festzustellen. Zum anderen ist es regelmäßig problematisch, die als Betriebsratsaufgabe erkannte Angelegenheit ordnungsgemäß durchzuführen. Nicht nur neugewählten Mitgliedern ohne enstprechende Vorbildung würde viel abverlangt, verwiese man sie insoweit auf autodidaktische Methoden 2 3 7 . Dem Betriebsrat bzw. dem Betriebsratsmitglied stellt sich mithin bei „ständig steigenden Anforderungen" 238 das Problem der Wissensvermittlung. Das Gesetz hilft dabei u. a . 2 3 9 mit der Gewährung von Schulungsansprüchen 240. Das BetrVG stellt zwei verschiede Schulungsansprüche zur Verfügung. Einerseits bietet es in seinem § 37 Abs. 7 eine hinsichtlich des zeitlichen Umfanges vorgegebene „Grundversorgung" (dazu unter b). Andererseits ist aus konkretem Anlaß ferner eine in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich unbegrenzte Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG möglich.
236
Vgl. dazu BAG AP Nr. 44 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 1 R ff. (abl. Weiss); ferner AP Nr. 9 zu § 38 BetrVG 1972 Bl. 1 R f.; kritisch (zu Unrecht) auch Blanke/Wedde in Däubler/Kittner/Klebe § 38 RdNr. 66. Die Frage, ob die Verletzung dieser trotz Freistellung bestehenden Pflichten lediglich betriebsverfassungsrechtliche Sanktionen (vgl. etwa § 23 Abs. 1 BetrVG) oder zugleich arbeitsvertragsrechtliche Folgen (Möglichkeit der Abmahnung bzw. Kündigung, Verlust des Lohnanspruchs usw.) nach sich zieht, ist im Sinne der letzteren, ganz herrschenden Auffassung zu entscheiden; vgl. dazu nur Wiese, GK-BetrVG, § 38 RdNr.74, 77 m.w.N.; a.M. etwa Hess/Schlochauer/Glaubitz § 38 RdNr. 47 ff. 237 Vgl. auch BAG AP Nr. 35 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 2 f. 238 So die amtliche Begründung, BT-Drucks. V I 1786, S. 40 f. 239 Vgl. z.B. § 80 Abs. 3 BetrVG. 240 Zum Zweck der Schulungsansprüche vgl. nur Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 129 f. m.w.N.; a.M. vor allem Blanke/Wedde in Däubler/Kittner/Klebe § 37 RdNr. 91 f.
74
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
a) Freistellung für erforderliche Schulungs- und Bildungsveranstaltungen (§ 37 Abs. 6 BetrVG) § 37 Abs. 6 BetrVG gewährt einen Anspruch auf Teilnahme an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung, soweit diese Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Daraus folgt zunächst, daß nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats gehörende Angelegenheiten niemals Gegenstand einer Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG sein können 2 4 1 . Allerdings ist damit noch nicht gesagt, daß jegliche Kenntnisvermittlung über Aufgaben des Betriebsrats einen Anspruch nach § 37 Abs. 6 BetrVG auslöst. Vielmehr schränkt das Gesetz den Schulungsanspruch ein und verlangt als zusätzliches Kriterium, daß die dort vermittelten Kenntnisse für die Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sein müssen. Um eine ausufernde Inanspruchnahme der Schulungsmöglichkeiten zu Lasten des Betriebes zu vermeiden, darf das Merkmal der Erforderlichkeit nicht zu extensiv verstanden werden 2 4 2 . Es genügt deshalb nicht, daß die Kenntnisse über eine Angelegenheit nur möglicherweise irgendwann einmal benötigt werden. Das BAG fordert vielmehr zu Recht, daß die Vermittlung der Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sein muß, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann 2 4 3 . Inhaber des Anspruchs aus § 37 Abs. 6 BetrVG ist zunächst der Betriebsrat. Das einzelne Betriebsratsmitglied hat im Falle seiner Schulungsteilnahme nur einen von diesem abgeleiteten Individualanspruch 244 . Damit 241
Vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 111; Richardi, BetrVG, § 37 RdNr. 85. 242 Hingegen warnen Fitting/Kaiser/Heither/Engels (§ 37 RdNr. 114) vor einer restriktiven Interpretation, folgen aber gleichwohl der strengeren Rechtsprechung des BAG; vgl. die Nachweise in der folgenden Fußnote. 243 Vgl. - mit unterschiedlicher Akzentuierung - BAG AP Nr. 4 Bl. 2, Nr. 5 Bl. 3, Nr. 6 Bl. 2, Nr. 7 Bl. 7 R, Nr. 9 Bl. 3, Nr. 13 Bl. 2 R, Nr. 18 Bl. 3, Nr. 20 Bl. 2 R, Nr. 21 Bl. 2, Nr. 22 Bl. 1 R, Nr. 26 Bl. 1 R, Nr. 30 Bl. 2, Nr. 54 Bl. 2 R, Nr. 58 Bl. 2 f., Nr. 63 Bl. 1 R f., Nr. 67 Bl. 2 R, Nr. 91 Bl. 2 f., Nr. 92 Bl. 4 R, Nr. 99 Bl. 2, Nr. 106 Bl. 1 R f., Nr. 109 Bl. 3 R, Nr. 110 Bl. 2, Nr. 113 Bl. 2, Nr. 118 Bl. 2 zu § 37 BetrVG 1972; AP Nr. 6 Bl. 2, Nr. 7 Bl. 3 R zu § 40 BetrVG 1972; AP Nr. 9 zu § 89 ArbGG 1953 Bl. 3. Diese Rechtsprechung wird von der Literatur zumeist gebilligt; vgl. etwa Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 113 f., 119; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 37 RdNr. 106; Richardi, BetrVG, § 37 RdNr. 86 f.; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 142 mit weiteren Nachweisen sowie Beispielen RdNr. 144, 155; zu eng hingegen Galperin/Löwisch § 37 RdNr. 73; zu weitgehend Weiss/Weyand § 37 RdNr. 24. Zur besonderen Problematik der Schulungen mit nur teilweise erforderlicher Thematik vgl. nur Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 156 ff., sowie Hanau, Festschrift für Gerhard Müller, S. 169 (179 ff.).
G. Arbeitsversäumnis wegen Betriebsratstätigkeit
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w i r d dem Umstand Rechnung getragen, daß durch § 37 Abs. 6 B e t r V G der Betriebsrat i n die Lage versetzt werden soll, seine Aufgaben ordnungsgemäß d u r c h z u f ü h r e n 2 4 5 . Bei der Auswahl des zu schulenden M i t g l i e d s ist der Betriebsrat grundsätzlich frei. Jedoch ist auch insoweit das K r i t e r i u m der Erforderlichkeit zu beachten. So ist etwa die Schulung eines kurz vor dem Ausscheiden
aus dem Betriebsrat
stehenden
Betriebsratsmitgliedes
regelmäßig nicht mehr e r f o r d e r l i c h 2 4 6 . Der Schulungsanspruch aus § 37 Abs. 6 B e t r V G ist zwar i m Gegensatz zu demjenigen aus § 37 Abs. 7 B e t r V G in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich unbegrenzt, gleichwohl ergeben sich aber auch hier durch das K r i t e r i u m der Erforderlichkeit S c h r a n k e n 2 4 7 . Dies folgt aus der Verweisung auf § 37 Abs. 2 B e t r V G , welcher den Freistellungsanspruch generell - und somit auch i n zeitlicher Hinsicht - an das M e r k m a l der Erforderlichkeit b i n d e t 2 4 8 . Das BAG stellt hingegen auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz a b 2 4 9 . Dies läßt sich zwar u . U . damit begründen, daß durch die Gewährung von Schu-
244
Vgl. BAG AP Nr. 5 Bl. 2 R, Nr. 18 Bl. 2 R, Nr. 20 Bl. 2, Nr. 35 Bl. 3, Nr. 46 Bl. 1 R, Nr. 53 Bl. 1 R, Nr. 109 Bl. 3 R, Nr. 113 Bl. 2 R zu § 37 BetrVG 1972; AP Nr. 7 zu § 40 BetrVG 1972 Bl. 2 R; DB 1982, S. 704; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 37 RdNr. 134; Wiese, GK-BetrVG 1972, § 37 RdNr. 135 f.; dogmatische Bedenken äußert hingegen Richardi, BetrVG, § 37 RdNr. 105 f., nach dessen Ansicht die jeweiligen Ansprüche mit der Beschlußfassung des Betriebsrats nebeneinander entstünden. Die Vormachtstellung des Betriebsrats zeigt sich hingegen schon in der Befugnis, das zu schulende Mitglied frei auszuwählen. Weiter dient der Schulungsanspruch den Interessen des Betriebsrats als Kollegialorgan (vgl. die Nachweise in der folgenden Fußnote). Deshalb verdient die Konstruktion der h. L. den Vorzug. Zum Verfahren bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern für die Teilnahmen an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen vgl. statt aller Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 219 ff. mit weiteren Nachweisen. 245 Vgl. nur BAG AP Nr. 5 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 2 R. Siehe auch BAG AP Nr. 109 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 3 R; bedenklich hingegen noch BAG, DB 1982, S. 704. In letztgenannter Entscheidung hielt es das BAG für maßgebend, ob die Vermittlung der Kenntnisse für das betreffende Mitglied erforderlich sei. 246 Vgl. BAG AP Nr. 67 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 3 R f.; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 140. Zur entsprechenden Problematik im Falle des § 37 Abs. 7 BetrVG vgl. auch BAG AP Nr. 86 Bl. 1 R f., Nr. 117 Bl. 1 R f. zu § 37 BetrVG 1972. 247 Zu Rechtsprechungsnachweisen hinsichtlich der zulässigen Dauer einer Schulung gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG vgl. Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 179. 248 Vgl. Blanke/Wedde in Däubler/Kittner/Klebe § 37 RdNr. 117 ff.; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 139 f.; Hess/Schlochauer/Glaubitz § 37 RdNr. 114 (Glaubitz stellt allerdings nicht auf die Verweisung auf § 37 Abs. 2 BetrVG ab, sondern mißt dem „soweit" in § 37 Abs. 6 BetrVG besondere Bedeutung bei); Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 168. Das BAG (AP Nr. 18 Bl. 3 R f., Nr. 24 Bl. 2 R f. zu § 37 BetrVG 1972) hat dagegen die Verweisung auf § 37 Abs. 2 BetrVG nicht hinreichend beachtet. 249 Vgl. BAG AP Nr. 18 Bl. 3 R f., Nr. 24 Bl. 2 R f., Nr. 26 Bl. 2 R zu § 37 BetrVG 1972.
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
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lungsansprüchen in Grundrechte des Arbeitgebers eingegriffen w i r d 2 5 0 und diese deshalb verfassungskonform unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen sind. Vorliegend genügt jedoch das Kriterium der Erforderlichkeit den verfassungsrechtlichen Vorgaben, da man zu gleichen Ergebnissen gelangt 2 5 1 , weshalb es einer Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht bedarf. b) Freistellung für geeignete Schulungs- und Bildungsveranstaltungen (§ 37 Abs. 7 BetrVG) Neben dem Schulungsanspruch des Betriebsrats nach § 37 Abs. 6 BetrVG stellt das Gesetz mit § 37 Abs. 7 dem einzelnen Betriebsratsmitglied einen eigenen 252 Anspruch zur Verfügung 253 . Dieser besteht während der regelmäßigen Amtszeit und ist hinsichtlich seiner Dauer 2 5 4 auf drei Wochen, bzw. vier Wochen bei erstmaligem Amtsantritt 2 5 5 , beschränkt. Voraussetzung 256 ist, daß die Schulungs- und ΒildungsVeranstaltung von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenverbänden der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt 257 ist.
250
Vgl. dazu sogleich unter § 3 G 3 b. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der hier nur angesprochenen Dauer der Schulung. Etwas anderes kann freilich mit Blick auf die Kostentragungspflicht (vgl. § 40 Abs. 1 BetrVG) des Arbeitgebers anzunehmen sein, wenn z.B. eine an sich erforderliche Schulung derart kostenintensiv ist, daß eine Teilnahme an ihr mit Blick auf die Kosten „unverhältnismäßig" wäre. Zur Problematik vgl. Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 169 ff. m.w.N. Soweit das BAG (AP Nr. 18 Bl. 3 R f., Nr. 26 Bl. 2 R zu § 37 BetrVG 1972) ausführt, die Dauer der Schulung schlage sich auch auf die Kosten nieder, muß beachtet werden, daß dies zwar regelmäßig, aber nicht stets der Fall zu sein braucht. Relativiert wird diese These etwa durch die Möglichkeit der Schulung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern u.a.m. Die beiden Fragestellungen müssen deshalb gesondert behandelt werden (vgl. aber auch BAG AP Nr. 24 Bl. 2 R f. zu § 37 BetrVG 1972). Dies übersieht auch Richardi, BetrVG, § 37 RdNr. 99 f. 252 Vgl. BAG AP Nr. 5 Bl. 2 R f., Nr. 7 Bl. 7 R, Nr. 117 Bl. 1 R zu § 37 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 151; Hess/Schlochauer/ Glaubitz § 37 RdNr. 153a; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 188. 253 Zum Verhältnis der beiden Schulungsansprüche zueinander vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 182 f.; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 164 ff., 189. 254 Zur Dauer des Anspruchs aus § 37 Abs. 7 BetrVG vgl. statt aller Wiese, GKBetrVG, § 37 RdNr. 209 ff. 255 Vgl. dazu nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 175 und Wiese, GKBetrVG, § 37 RdNr. 209. 256 Zum besonderen (betriebsinternen) Verfahren bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen vgl. Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 219 ff. m.w.N. 251
G. Arbeitsversäumnis wegen Betriebsratstätigkeit
77
Geeignet i.S.d. § 37 Abs. 7 BetrVG ist nach heute gefestigter Ansicht eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung, wenn sie nach Zweck und Inhalt auf die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats bezogen und sie zu fördern geeignet ist; die vermittelten Kentnisse müssen für die konkrete Arbeit im Betrieb nicht benötigt werden 2 5 8 . Dem ist zuzustimmen. Aus der Systematik des § 37 Abs. 7 zu § 37 Abs. 6 BetrVG, der eine bezahlte Freistellung hinsichtlich sämtlicher erforderlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltungen gewährt, folgt, daß der Begriff der Geeignetheit über den der Erforderlichkeit hinausgeht 259 . Deshalb ist es nicht notwendig, daß die vermittelten Kenntnisse vom Betriebsrat für eine konkrete Tätigkeit benötigt werden, um die demnächst anfallenden Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können, also erforderlich sind 2 6 0 . Andererseits folgt aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Abschnitt über die Geschäftsführung des Betriebsrats und aus der Erhöhung des Anspruchs für Betriebsratsmitglieder, die ihr Amt erstmalig ausüben, daß zwischen dem Inhalt der Veranstaltung und der ordnungsgemäßen Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben ein hinreichender Zusammenhang bestehen muß 2 6 1 . Eine Schulung über gesellschaftspolitische Themen oder staatsbürgerliches Allgemeinwissen - also letztlich ein Bildungsurlaub - verstieße zudem gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot 262 aus § 78 Satz 2 BetrVG 2 6 3 . Zu bedenken ist ferner, worauf das BAG264 und Loritz 265 zu Recht hinweisen, daß die Schulungsproblematik auch eine verfassungsrechtliche 257
Zum Anerkennungsverfahren vgl. Hess/Schlochauer/Glaubitz § 37 RdNr. 161 ff.; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 199 ff. m.w.N. Nicht zu folgen ist dem BAG (AP Nr. 115 zu § 37 BetrVG 1972 = SAE 1997, S. 88 [insoweit ablehnend Gutzeit]), soweit es die nachträgliche Genehmigung für ausreichend erachtet, wenn nur der Antrag rechtzeitig gestellt ist. 258 Vgl. BAG AP Nr. 5 Bl. 3, Nr. 6 Bl. 2, Nr. 7 Bl. 7 R f., Nr. 18 Bl. 3, Nr. 23 Bl. 3 f., Nr. 73 Bl. 4, Nr. 92 Bl. 4 ff., Nr. 115 Bl. 3 f. zu § 37 BetrVG 1972; Fitting/ Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 153 f.; Froschauer, Arbeitsrecht und Umweltschutz, S. 194; Galperin/Löwisch § 37 RdNr. 102; Gutzeit, SAE 1997, S. 92 (92 f.); Hess/Schlochauer/Glaubitz § 37 RdNr. 155; Richardi, BetrVG, § 37 RdNr. 141 ff.; Stege/Weinspach § 37 RdNr. 63; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 190; weitergehend nur Blanke/Wedde in Däubler/Kittner/Klebe § 37 RdNr. 141 f.; Däubler/Peter, Schulung, RdNr. 150 ff., 176 ff.; Weiss/Weyand § 37 RdNr. 41 f. 259 Vgl. insoweit bereits BAG AP Nr. 5 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 2 R f. 260 Vgl. zur Erforderlichkeit nach § 37 Abs. 6 BetrVG oben § 3 G 3 a. 261 Vgl. nur BAG AP Nr. 92 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 4 R. 262 Zum Begriff der Begünstigung i.S. d. § 78 Satz 2 BetrVG vgl. etwa Kutsch, Schutz des Betriebsrats und seiner Mitglieder, S. 82 f. m.w.N. 263 Abzulehnen ist daher die weiterreichende Ansicht von Blanke/Wedde in Däubler/Kittner/Klebe § 37 RdNr. 141 f.; Däubler/Peter, Schulung, RdNr. 150 ff., 176 ff.; Weiss/Weyand § 37 RdNr. 41 f.
78
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
Dimension besitzt. Der Schulungsanspruch des Betriebsratsmitglieds stellt nämlich als Berufsausübungsregelung einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitgebers dar. Dies kann bei der Frage, ob eine bestimmte Thematik geeignet im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG ist, durchaus bedeutsam werden. Grundsätzlich ist jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen eine restriktivere Auslegung des Begriffes der Geeignetheit als die der herrschenden Lehre nicht geboten; dies auch deswegen, weil der Gesetzgeber eine fixe Zeitspanne für den Schulungsanspruch aus § 37 Abs. 7 BetrVG vorgesehen hat und somit selbst bei einer extensiven Auslegung des Begriffes zusätzliche Belastungen des Arbeitgebers jedenfalls in zeitlicher Hinsicht nicht zu befürchten sind.
H. Arbeitsausfall aufgrund mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote ( § 1 1 MuSchG) Während der Schwangerschaft und einer daran anschließenden Schonfrist wird die werdende Mutter durch verschiedene im MuSchG normierte Beschäftigungsverbote vor körperlicher Überlastung geschützt. Neben den Schutz vor körperlichen Schäden der werdenden Mutter und gegebenenfalls auch des Kindes muß aber zugleich eine wirtschaftliche Sicherung treten. Sonst käme die werdende Mutter unter Umständen in eine finanzielle Zwangslage, die dazu führen könnte, daß sie die Beschäftigungsverbote mißachtet 266 . Die wirtschaftliche Sicherung wird im MuSchG durch die Gewährung von Zahlungsansprüchen verwirklicht 2 6 7 . Zahlungsverpflichtete sind abhängig von dem jeweiligen Beschäftigungsverbot der Arbeitgeber 268 , die Krankenkassen oder der Bund. Im vorliegenden Zusammenhang sind allerdings nur die Entgeltfortzahlungsansprüche gegen den Arbeitgeber von Interesse. Die für die Praxis bedeutsamste entgeltfortzahlungsrechtliche Regelung des MuSchG findet sich dort in § I I 2 6 9 . Nach dessen Maßgabe haben die in § 1 MuSchG genannten Frauen einen Zahlungsanspruch gegen den 264
AP Nr. 73 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 3 f. NZA 1993, S. 2 (7 f.); vgl. auch Richardi, BetrVG, § 37 RdNr. 140. 266 Vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 10 MuSchG Bl. 3; AP Nr. 1 zu § 13 MuSchG Bl. 2; AP Nr. 7 zu § 3 MuSchG 1968 Bl. 2; AP Nr. 2 Bl. 3, Nr. 7 Bl. 2, Nr. 8 Bl. 1 R, 2, Nr. 10 Bl. 1 R, Nr. 11 Bl. 2, Nr. 12 Bl. 2, Nr. 13 Bl. 1 R zu § 11 MuSchG 1968; Buchner/Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 1; MünchArbR/Heenen, §219 RdNr. 44; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, Einf. RdNr. 3, § 11 RdNr. 1. 267 Zum System der Leistungen vgl. MünchArbR/Heenen, § 219 RdNr. 42 f. 268 Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken vgl. BVerfG AP Nr. 1 zu § 14 MuSchG 1968 Bl. 2 ff.; BAG AP Nr. 5 Bl. 3 ff., Nr. 6 Bl. 1 R ff. zu § 11 MuSchG 1968; AP Nr. 13 zu § 14 MuSchG 1968 Bl. 1 R ff.; Buchner/Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 5 ff. 265
I. Erholungsurlaub des Arbeitnehmers
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Arbeitgeber. Hierbei wird nicht der bislang bestehende Lohnzahlungsanspruch aufrecht erhalten. Vielmehr enthält § 11 MuSchG eine eigenständige Anspruchsgrundlage 270 . Dies kommt vor allem durch die dort verwandte Bezugsmethode (oder Referenzmethode) zur Berechnung des Entgelts zum Ausdruck. Ferner ist der Anspruch aus § 11 MuSchG nur ein Mindestanspruch. Erhält die werdende Mutter in den Fällen des § 11 Abs. 1 MuSchG wegen geänderter Tätigkeit ein höheres Entgelt, so ist dieses maßgebend 271 . Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt eines Anspruches aus § 11 Abs. 1 MuSchG sind die dort genannten Beschäftigungsverbote 272 . Muß ihretwegen die werdende Mutter ganz oder teilweise mit der Arbeit aussetzen, so hat sie einen Entgeltfortzahlungsanspruch. Diesen hat sie gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 MuSchG auch, wenn wegen dieser Verbote die Beschäftigung oder die Entlohnungsart wechselt. Auf die besonderen Kausalitätsprobleme zwischen den in § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG genannten Beschäftigungsverboten und dem Arbeitsausfall wird noch näher einzugehen sein. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme des einzelnen Arbeitgebers entfällt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG jedoch, soweit die werdende Mutter Mutterschaftsgeld nach den Vorschriften der R V O 2 7 3 beziehen kann. Dadurch soll der Arbeitgeber entlastet und statt dessen der wirtschaftliche Schutz der werdenden Mutter durch die Gemeinschaft sichergestellt werden 2 7 4 .
I. Erholungsurlaub des Arbeitnehmers Das BUrlG gewährt mit seinen §§ 1 und 3 jedem Arbeitnehmer zur Erhaltung und Wiederauffrischung seiner Arbeitskraft und Gesundheit 275 269
Vgl. auch § 16 MuSchG, der aber hier nicht weiter von Interesse sein soll. § 16 MuSchG deckt sich im übrigen wohl regelmäßig mit § 616 BGB. Allerdings ist § 616 BGB abdingbar, so daß aus mutterschutzrechtlichen Erwägungen eine zwingende Vorschrift angezeigt war; vgl. dazu auch Buchner/Becker, MuSchG, § 16 RdNr. 26 f. Vgl. femer § 7 Abs. 2 MuSchG. 270 Vgl. BAG AP Nr. 2 Bl. 2, 3 R, Nr. 3 Bl. 1 zu § 10 MuSchG; AP Nr. 2 Bl. 2 R, Nr. 4 Bl. 2, Nr. 6 Bl. 1 R zu § 11 MuSchG 1968; Glatzel, AR-Blattei SD 1220, RdNr. 106; unklar Buchner/Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 3; femer BSG, NZA 1991, S. 909 (911). 271 Vgl. nur BAG AP Nr. 3 zu § 11 MuSchG 1968 Bl. 1 f. 272 Zu den hier nicht relevanten Einzelheiten der Beschäftigungsverbote vgl. nur Buchner/Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 14 ff. 273
Vgl. §§ 195 ff. RVO, zum Mutterschaftsgeld § 200 RVO und femer Kasseler Handbuch/Ä7em/?f, Mutterschutz 3.4., RdNr. 147. 274 Vgl. dazu nur Buchner/Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 56 ff. und Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, § 11 RdNr. 7. 275 Zum Zweck des BUrlG vgl. BAG AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch Bl. 6.
80
§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
einen Mindestanspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Dieser beträgt 2 4 2 7 6 Werktage 277 im Jahr (§ 3 Abs. 1 BUrlG). Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr278. Der Urlaubsanspruch richtet sich gegen den Arbeitgeber auf völlige Freistellung von der nach dem Arbeitsverhältnis geschuldeten Arbeitspflicht 279 . Die sonstigen Nebenpflichten - wie etwa denkbare Geheimhaltungspflichten des Arbeitnehmers - bleiben hingegen während des Urlaubs bestehen. Neben den Freistellungsanspruch tritt untrennbar der Anspruch auf das Urlaubsentgelt. Dieser folgt gleichfalls aus dem BUrlG und stellt sich nicht nur als ein bloßes Aufrechterhalten des vertraglich geschuldeten Arbeitsentgelts dar 2 8 0 . § 1 BUrlG spricht nämlich vom „bezahlten" Erholungsurlaub, so daß hierin in Verbindung mit § 11 BUrlG eine eigene Anspruchsgrundlage gesehen werden muß. Jedenfalls ist aber die Gewährung des nach § 11 BUrlG zu berechnenden Urlaubsentgelts zwingende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Urlaubsgewährung nach dem BUrlG. Durch die dort zur Berechnung des Urlaubsentgelts verwandte Bezugsmethode (Referenzmethode) macht das Gesetz gerade deutlich, daß es sich bei dem Urlaubsentgelt nicht um die Weitergewährung des sonst zu zahlenden Arbeitslohnes handelt. Der Arbeitgeber erfüllt ferner seine Verpflichtungen nach dem BUrlG auch dann nicht, wenn er nur unbezahlten Urlaub - z.B. in Form von sog. „unbezahltem Sonderurlaub" - gewährt 281 . Derartiger Urlaub tritt vielmehr selbständig neben den gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub 276
Vgl. auch die Sonderregelungen hinsichtlich des Mindesturlaubs in § 19 JugArbSchutzG und § 47 SchwbG. Zur Berechnung der Urlaubsdauer vgl. MünchArbR/Leinemann § 87 RdNr. 50 ff. 277 Zur Legaldefinition der Werktage vgl. § 3 Abs. 2 BUrlG. 278 Davon kann nur in den Fällen des § 13 Abs. 3 BUrlG abgewichen werden. Für die Seeschiffahrt ist gemäß § 53 Abs. 1 SeemG das Beschäftigungsjahr maßgebend. 279 Vgl. etwa BAG AP Nr. 14 Bl. 2 R zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; AP Nr. 4 Bl. 2, Nr. 16 Bl. 1 R zu § 7 BUrlG Übertragung; AP Nr. 19 Bl. 2, Nr. 22 Bl. 3 R f. zu § 11 BUrlG; Dersch/Neumann, BUrlG, § 1 RdNr. 34. 280 So zu Recht BAG AP Nr. 6 Bl. 3, Nr. 9 Bl. 2, Nr. 73 Bl. 2 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; AP Nr. 3 Bl. 3 zu § 394 BGB; Dersch/Neumann, BUrlG, § 1 RdNr. 65, 68 ff.; Hueck/Nipperdey I, S. 432; Hohmeister, BB 1995, S. 2110; Staudinger/Richardi § 611 RdNr. 883 f.; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S. 210 f.; nur im Grundsatz ähnlich Bleistein, GK-BUrlG, § 1 RdNr. 11 ff. - aber auch RdNr. 83 f.; unklar Weber, RdA 1995, S. 229 (232, vgl. auch S. 233); a.M. nunmehr BAG AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch Bl. 2 R; AP Nr. 6 Bl. 2, Nr. 16 Bl. 1, Nr. 19 Bl. 2, Nr. 22 Bl. 3 R, Nr. 29 Bl. 1 R f., Nr. 34 Bl. 2 f. zu § 11 BUrlG; AP Nr. 13 zu § 47 BAT Bl. 1 R; Kasseler Handbuch/Schütz, Urlaub 2.4., RdNr. 65 ff. und 72 ff.; Leinemann, DB 1983, S. 989 f.; ders., NZA 1985, S. 137 (139); ders., in MünchArbR § 87 RdNr. 1 ff. Zur damit zusammenhängenden besonderen Problematik der Pfändbarkeit des Urlaubsentgelts vgl. nur Hohmeister a.a.O.
I. Erholungsurlaub des Arbeitnehmers
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aus dem BUrlG und beeinflußt diesen nicht - auch nicht hinsichtlich der Höhe 2 8 2 . Der volle gesetzliche Mindesturlaubsanspruch wird erstmals nach sechsmonatigem 283 Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben 284 (vgl. § 4 BUrlG). Dabei ist die Wartezeit nicht für jedes Urlaubsjahr erneut zu durchlaufen. Ist diese einmal erfüllt, so erwirbt der Arbeitnehmer bereits am ersten Tag des neuen Urlaubsjahres den vollen Urlaubsanspruch 285 . Der Urlaub wird nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 1 BUrlG vom Arbeitgeber 286 gewährt 287 . Als Schuldner des Urlaubsanspruchs ist der Arbeitgeber allerdings an etwaige Wünsche des Arbeitnehmers gebunden, es sei denn, es stünden der Erteilung von Urlaub dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegen. Deswegen geht auch die Kritik von Dersch/Neumann 2SS gegen eine Entscheidung des BAG2* 9 fehl, in der dieses ein Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Urlaubsgewährung abgelehnt haben soll. Hiervon war in der Entscheidung jedoch nicht die Rede 2 9 0 . Das Gericht hielt den Arbeitgeber lediglich 281 Vgl. umfassend zu den vom Erholungsurlaub abzugrenzenden Sonderformen der „Beurlaubung" Dersch/Neumann, BUrlG, § 1 RdNr. 36 ff. 282 Dies erkennen auch diejenigen an, die in dem Urlaubsentgelt nur den aufrechterhaltenen Arbeitslohn sehen; vgl. BAG AP Nr. 22 zu § 13 BUrlG; Kasseler Handbuch/Schütz, Urlaub 2.4., RdNr. 60 und 120 ff. Hierin liegt im Grunde ein Widerspruch; vgl. Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S. 210 f. 283 Zur Berechnung der Wartezeit vgl. Dersch/Neumann, BUrlG, § 4 RdNr. 19 ff. 284 Nach Maßgabe des § 5 BUrlG ist auch ein Anspruch auf Teilurlaub gegeben. 285 Vgl. nur Bleistein, GK-BUrlG, § 1 RdNr. 16 f.; Dersch/Neumann, BUrlG, § 4 RdNr. 15 ff., 59. 286 Allerdings ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG zu beachten; vgl. dazu umfassend nur Wiese, GK-BetrVG, § 87 RdNr. 385 ff. Zum Verhältnis des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG und § 7 BUrlG vgl. zutreffend Wiese, GK-BetrVG, § 87 RdNr. 391, 414. 287 So die ganz h. M.: Bachmann, GK-BUrlG, § 7 RdNr. 2 ff.; Dersch/Neumann, BUrlG, § 7 RdNr. 6; MünchArbR/Leinemann § 87 RdNr. 70 ff.; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S. 212; a.M. - soweit ersichtlich - nur Weber, RdA 1995, S. 229 (230 f.). 288 BUrlG, § 7 RdNr. 6. 289 AP Nr. 10 zu § 7 BUrlG Bl. 1 R f. (krit. Leipold). 290 Zuzugeben ist Dersch/Neumann allerdings, daß die Entscheidung des BAG zumindest mißverständlich war, jedenfalls insoweit, als das BAG (a. a. Ο. Bl. 2) ausführt, ein Recht des Arbeitgebers zur beliebigen Urlaubserteilung im Urlaubsjahr oder zur Erteilung der Urlaubs nach billigem Ermessen bestünde nicht. Jedoch liegt der Schwerpunkt der Aussage hier auf der Beliebigkeit der Urlaubserteilung und nicht auf der Frage nach dem Bestehen eines dahingehenden Rechts des Arbeitgebers als solchen.
6 Gutzeit
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§ 3 Lohn ohne Arbeit - tatbestandliche Analyse
an die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers für gebunden. Diese Bindung folgt gerade aus § 7 Abs. 1 BUrlG. Damit wird aber nicht die grundsätzlich bestehende Weisungsbefugnis des Arbeitgebers unterlaufen. Sie wird nur eingeschränkt, was dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 BUrlG entspricht 291 . Äußert der Arbeitnehmer keine Wünsche, so verbleibt es grundsätzlich beim Weisungsrecht des Arbeitgebers.
291
Vgl. auch die Kritik von Bachmann, GK-BUrlG, § 7 RdNr. 3 ff.
§ 4 Lohn ohne Arbeit - Analyse der Rechtsfolgen Die verschiedenen Regelungen zur Entgeltfortzahlung unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich des Tatbestandes, sondern auch hinsichtlich der Rechtsfolgen. Zur Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts kennt das geltende Recht zwei verschiedene Methoden: zum einen das sog. Lohnausfallprinzip 1 , welches mit einer hypothetischen Methode arbeitet; zum anderen findet sich die sog. Bezugsmethode2, mit der das Durchschnittseinkommen eines fixen Zeitraumes (meist drei Monate) ermittelt wird, nach dem sich die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts bestimmt.
A. Lohnausfallprinzip Das Lohnausfallprinzip findet sich in den meisten arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungstatbeständen 3. Es wird regelmäßig als die gerechteste Methode zur Berechnung des fortzuzahlenden Lohnes bezeichnet4. Für die Bezugsmethode spricht hingegen die einfachere Berechenbarkeit, weshalb sie bei Lohnfortzahlungstatbeständen Anwendung findet, bei denen typischerweise für einen längeren Zeitraum Arbeitsausfall zu erwarten ist 5 . Bestimmt sich die fortzuzahlende Lohnhöhe nach dem Lohnausfallprinzip, so wird bei einigen Lohnfortzahlungsregelungen schlicht die Aufrechterhaltung des vertraglichen Vergütungsanspruches angeordnet. Diese sind dann keine eigenständigen Anspruchsgrundlagen, sondern schränken lediglich die Vorschrift des § 323 BGB ein. Dies gilt etwa für § 616 B G B 6 und
1 Dieses Prinzip wird auch als Verdienstausfallprinzip oder individuelle Berechnungsmethode bezeichnet. 2 Sie wird auch gelegentlich als Referenzprinzip, Vorverdienstprinzip, Lohnsicherungssystem oder als pauschale Berechnungsmethode bezeichnet. 3 Zur Neufassung des § 3 EntgeltfortzG vgl. sogleich unter C. 4 Derartige Gerechtigkeitsüberlegungen haben vor allem im Urlaubsrecht eine Rolle gespielt, als schon vor der Geltung des BUrlG in der Praxis häufig aufgrund tarifvertraglicher Regelungen die Bezugsmethode Anwendung fand. Vgl. etwa Nikisch I, S. 543 m.w.N. aus der Rechtsprechung; ferner Bulla, Nichtleistung, S. 8, 17; Kappenhagen, Lohnausfallprinzip und Bezugsmethode, S. 2 f. 5 Dazu sogleich unter B. 6 Vgl. BGHZ 62, 380 (384 f.); Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 20 f.; Staudinger/ Nipperdey/Mohnen/Neumann § 616 RdNr. 4; unklar BAG AP Nr. 2 Bl. 1 R f., Nr. 61 Bl. 1 R zu § 616 BGB; vgl. aber auch BAG, DB 1972, S. 343 (344); DB
6*
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§ 4 Lohn ohne Arbeit - Analyse der Rechtsfolgen
§ 37 Abs. 2 BetrVG 7 . Andere Lohnfortzahlungsregelungen sind dagegen als selbständige Anspruchsgrundlagen ausgestaltet - so z. B. § 615 BGB 8 und § 2 EntgeltfortzG 9 . Kommt es aus den in § 616 BGB und § 37 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen zu einem Arbeitsausfall, so ist dem Arbeitnehmer die vertragsgemäße Vergütung (§ 611 Abs. 1 BGB) fortzuzahlen. Der Arbeitnehmer ist dann so zu stellen, als ob er gearbeitet hätte 10 . Wurde etwa im Betrieb Kurzarbeit geleistet, so ist nur das der Kurzarbeit entsprechende Entgelt fortzuzahlen 11 . Wären hingegen Überstunden angefallen, so sind gegebenenfalls entsprechende Zuschläge zu gewähren usw. Maßgeblich ist also eine hypothetische Betrachtungsweise, die insbesondere bei leistungs- oder erfolgsabhängiger Vergütung 12 Schwierigkeiten bereiten kann. Leistungen des Arbeitgebers, die nicht den Charakter einer Vergütung haben, sondern lediglich tatsächliche Aufwendungen ersetzen, werden hingegen nicht fortgezahlt 13 . Entsprechendes wie in den Fällen der § 616 BGB und § 37 Abs. 2 BetrVG gilt grundsätzlich auch bei den Tatbeständen, die als selbständige Anspruchsgrundlagen ausgestaltet sind. Auch im Falle des § 615 BGB ist der fortzuzahlende Lohn nach den Grundsätzen des Lohnausfallprinzips zu ermitteln. Der Arbeitnehmer muß mithin so gestellt werden, als ob er gearbeitet hätte 14 . Nichts anderes gilt für § 2 EntgeltfortzG 15, 1 6 .
1981, S. 222 (223), wo das Gericht - allerdings im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 LohnFG - besonders auf den Wortlaut „nicht verliert" abstellt. 7 Vgl. BAG AP Nr. 1 Bl. 2, Nr. 16 Bl. 2 R f., Nr. 17 Bl. 1 R, Nr. 24 Bl. 2, Nr. 34 Bl. 1 R, 2, Nr. 36 Bl. 1, Nr. 37 Bl. 1 R f., Nr. 50 Bl. 1 R, Nr. 97 Bl. 1 R, Nr. 105 Bl. 1 R und Nr. 112 Bl. 2 R zu § 37 BetrVG 1972; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 53 m.w.N. 8 Vgl. KG, DB 1979, S. 170; Staudinger/Richardi § 615 RdNr. 8. 9 Vgl. BAG EzA § 4 TVG Ausschlußfristen Nr. 71, S. 260 f.; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 759. 10 Vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 611 BGB Berufssport Bl. 2; AP Nr. 37 Bl. 2, Nr. 55 Bl. 1 R, Nr. 76 Bl. 2, Nr. 90 Bl. 2 R, Nr. 97 Bl. 1 R, Nr. 112 Bl. 2 R zu § 37 BetrVG 1972; AP Nr. 1 zu § 24 BPersVG Bl. 1 R; Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 37 RdNr. 46; MünchArbR ! Boewer § 78 RdNr. 22; Soergel/Kraft § 616 RdNr. 28; Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 118; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 52. 11 In diesem Fall ist jedoch bereits auf tatbestandlicher Seite das Kausalitätskriterium nicht erfüllt; diese Konstellation ist also keine reine Rechtsfolgenproblematik. 12 Vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 611 BGB Berufssport Bl. 2 R f.; AP Nr. 4 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht Bl. 2 (dort allerdings zu § 615 BGB). 13 Vgl. BAG AP Nr. 64 Bl. 2 R, Nr. 97 Bl. 2 zu § 37 BetrVG 1972; AP Nr. 39 zu § 63 HGB Bl. 2. 14 Vgl. KG, DB 1979, S. 170; Soergel/Kraft § 615 RdNr. 48; Staudinger/Richardi § 615 RdNr. 120 f.
Β. Bezugsmethode
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Β. Bezugsmethode Die Bezugsmethode findet im Urlaubsrecht 17 ihren größten praktischen Anwendungsbereich. Dort ist sie in § 11 Abs. 1 BUrlG vorgeschrieben. Maßgeblich für die Höhe des Urlaubsentgelts ist danach grundsätzlich der durchschnittliche Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs 18 . Obwohl das Gesetz nur vom erhaltenen Arbeitsverdienst spricht, ist damit nicht der Verdienst gemeint, der in dem Bezugszeitraum tatsächlich gezahlt wurde, sondern deijenige, den der Arbeitnehmer hätte erhalten müssen 19 . Durch die Bezugsmethode wird das Lebensstandardprinzip verwirklicht, dessen materialer Gehalt sich allerdings darin erschöpft, daß der Arbeitnehmer während des ihm zustehenden Erholungsurlaubs nicht schlechter gestellt sein darf als zu Zeiten, zu denen er arbeitet 20 . Dieses Prinzip stellt folglich sicher, daß der Arbeitnehmer sich erholen kann, ohne wegen des Urlaubs in finanzielle Not zu geraten. Es wurde vor der Geltung des BUrlG vom BAG als Maßstab für das während des Urlaubs fortzuzahlende Entgelt herangezogen 21. Seit dem Inkrafttreten des BUrlG kommt zwar diesem Prinzip eine eigenständige Bedeutung insoweit nicht mehr zu, als es durch 15 Vgl. BAG AP Nr. 2 Bl. 1 R, Nr. 6 Bl. 1 f., Nr. 12 Bl. 1 R, Nr. 15 Bl. 1 R, Nr. 28 Bl. 1 R, Nr. 33 Bl. 1 f., Nr. 41 Bl. 1 R, Nr. 44 Bl. 2 f., Nr. 56 Bl. 1 R, Nr. 63 Bl. 2, Nr. 64 Bl. 1 R zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; Kleinsorge in Kaiser/ Dunkl/Hold/Kleinsorge § 2 RdNr. 29; Schmitt § 2 RdNr. 50; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 807. 16 Insoweit differenzieren Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (531 ff.), m.E. zu Unrecht zwischen verschiedenen Versionen des Lohnausfallprinzips. Einerseits soll darauf abzustellen sein, was der Arbeitnehmer bekäme, wenn er gearbeitet hätte. Andererseits soll darauf abzustellen sein, was der Arbeitnehmer erhielte, hätte der Verhinderungsgrund nicht vorgelegen. Letzteres läge im Falle der Lohnfortzahlung wegen Feiertages vor; ersteres in den sonstigen Fällen der Lohnfortzahlung. Diese Unterscheidung ist nicht gerechtfertigt. Darauf wird noch genauer zurückzukommen sein; vgl. unten § 5 C 2. 17 Unberücksichtigt bleiben in diesem Zusammenhang Sonderbestimmungen, wie sie sich etwa in §§ 53 ff. SeemG finden. Soweit im folgenden der Begriff Urlaubsrecht verwandt wird, sind damit nur die Regelungen des BUrlG angesprochen. 18 Vgl. zu Einzelfragen etwa MünchArbR ! Leinemann § 88 RdNr. 15 ff. 19 Vgl. dazu nur Dersch/Neumann, BUrlG, § 11 RdNr. 9 m.w.N.; femer BAG AP Nr. 8 zu § 11 MuSchG 1968 Bl. 1 R f.; a.M. aber BAG AP Nr. 34 zu § 11 BUrlG Bl. 3 R; hinsichtlich einer entsprechenden tariflichen Regelung vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie Bl. 2 f. Zu § 11 Abs. 1 MuSchG vgl. nur Buchner/Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 83 m.w.N. 20 Vgl. Dersch/Neumann, BUrlG, § 11 RdNr. 10; Stahlhacke, GK-BUrlG, § 11 RdNr. 1, 10; Staudinger/Richardi § 611 RdNr. 903 f. 21 Vgl. etwa BAG AP Nr. 11 Bl. 1 R f. und Nr. 54 Bl. 2 R zu § 611 BGB Urlaubsrecht.
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§ 4 Lohn ohne Arbeit - Analyse der Rechtsfolgen
die Regelungen der §§ 1 und 11 BUrlG gewährleistet wird. Ob es deshalb gänzlich aufgegeben werden sollte 22 , muß vorliegend dahinstehen. Möglicherweise kann es als Auslegungsmaßstab in Zweifelsfragen herangezogen werden 23 . Allerdings ist im Urlaubsrecht die Bezugsmethode nicht in reiner Form durchgehalten, sondern in mehrfacher Hinsicht durchbrochen. Zum einen bleiben gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht 24 . Zum anderen ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 bei nicht nur vorübergehenden Verdiensterhöhungen, die während des Berechungszeitraumes oder des Urlaubs eintreten, von dem erhöhten Verdienst auszugehen25. Durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz wurde zudem mit Wirkung vom 1.10.1996 § 11 Abs. 1 BUrlG dahingehend ergänzt, daß der Arbeitsverdienst für im Bezugszeitraum zusätzlich geleistete Überstunden bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens außer Betracht bleibt. Dadurch sollte geschicktes Taktieren der Arbeitnehmer hinsichtlich der Lage ihres Urlaubs unterbunden werden 26 . Aufgrund dieser praktisch sehr bedeutsamen Durchbrechungen der „reinen" Bezugsmethode nähert sich das gemäß § 11 Abs. 1 BUrlG zu berechnende Urlaubsentgelt nunmehr stärker an das Lohnausfallprinzip an. Grundlage der Entgeltberechnung 27 ist mithin der Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs. Dabei ist der Arbeitsverdienst umfassend zu verstehen. Zu ihm rechnen alle Leistungen, die der Arbeitgeber als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitneh22 Dafür ausdrücklich BAG AP Nr. 13 zu § 47 BAT Bl. 2 f.; Leinemann, NZA 1985, S. 137; MünchArbR/Z^memawz, § 88 RdNr. 8 f.; anders noch BAG AP Nr. 2 Bl. 5, Nr. 11 Bl. 1 R und Nr. 15 Bl. 2 zu § 11 BUrlG; zu § 11 Abs. 1 und 2 MuSchG vgl. auch BAG AP Nr. 8 Bl. 1 R und Nr. 11 Bl. 2 zu § 11 MuSchG. 23 Eventuell spielt dieses Prinzip im Zusammenhang mit der hier zu untersuchenden Problematik eine Rolle, ob hypothetische Kausal Verläufe zu berücksichtigen sind, da eine Berücksichtigung dem Lebensstandardprinzip entgegenstehen könnte; dahingehend etwa Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (529 f.). Vgl. auch den Hinweis von Dersch/Neumann, BUrlG, § 11 RdNr. 10. 24 Dies gilt jedoch nicht für die regelmäßige Minderung des Arbeitsentgelts; vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 11 BUrlG Bl. 2. 25 Vgl. nur Dersch/Neumann, BUrlG, § 11 RdNr. 14 f. 26 Vgl. BT-Drucks. 13/4612, S. 15, und dazu Giesen, RdA 1997, S. 195 (200); zur insoweit geänderten früheren Rechtslage vgl. etwa BAG AP Nr. 2 Bl. 3 R ff. und Nr. 13 Bl. 1 R f. zu § 11 BUrlG. 27 Spezielle Probleme der Entgeltberechnung im Rahmen des § 11 BUrlG können an dieser Stelle nicht umfassend behandelt werden. Hingewiesen sei nur auf die besondere Problematik der Freischichttage, z.B. im Falle der sog. 5-Tage Woche; vgl. dazu etwa jüngst Leinemann, BB 1998, S. 1414 m.w.N.
C. Sonderfall: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
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mers erbringt 28 , also auch Sachleistungen, die gegebenenfalls gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 BUrlG angemessen in bar abzugelten sind. Reine Aufwandsentschädigungen hingegen, wie z.B. ein Zuschlag für die erhöhten Lebenshaltungskosten während eines Auslandseinsatzes, rechnen nicht zum Arbeitsverdienst i.S. des § 11 Abs. 1 BUrlG 2 9 . Entsprechendes gilt für das im Falle mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote zu zahlende Entgelt. Hier sieht das Gesetz in § 11 Abs. 1 und 2 MuSchG ebenfalls dessen Berechnung nach der Bezugsmethode 30 vor. Auch hinsichtlich der Durchbrechungen gilt gleiches. Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur sowie bestimmte Verdienstkürzungen 31 im Bezugszeitraum werden nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 MuSchG berücksichtigt bzw. unberücksichtigt gelassen. Für im Bezugszeitraum zusätzlich geleistete Überstunden fehlt hingegen eine dem § 11 Abs. 1 BUrlG vergleichbare Regelung. Jedoch war eine dahingehende Ergänzung der Vorschrift auch nicht geboten; naturgemäß ist eine Gefahr des Taktierens der Arbeitnehmerin hinsichtlich der Höhe des im Bezugszeitraum erlangten Arbeitsverdienstes nicht in gleichem Maße wie im Urlaubsrecht gegeben. Leistungen für Überstunden sind folglich im Bezugszeitraum zu berücksichtigen 32 .
C. Sonderfall: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung 33 wurde die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall neu geregelt. Entgegen der bis dahin maßgeblichen Fassung des § 3 EntgeltfortzG, welche den Lohnanspruch nach dem Lohnausfallprinzip nur aufrecht erhielt, ist § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzG nunmehr als Anspruchsgrundlage ausgestaltet34. Die Höhe des fortzuzahlenden Lohnes bestimmt sich nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzG. Dabei war zunächst 28
Vgl. Dersch/Neumann, BUrlG, § 11 RdNr. 8. Vgl. bereits BAG AP Nr. 2 zu § 11 BUrlG Bl. 3. 30 Auf Sonderheiten hinsichtlich Lage und Dauer des Bezugszeitraumes braucht vorliegend nicht eingegangen zu werden; vgl. dazu nur Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, § 11 RdNr. 60 ff. 31 Zum Verhältnis des § 11 Abs. 2 S. 2 und § 11 Abs. 1 S. 5 MuSchG vgl. Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, § 11 RdNr. 54. 32 Vgl. Buchner/Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 76. 33 BGBl. I 1996, S. 1476 (1477 f.); vgl. dazu allgemein Löwisch, NZA 1996, S. 1009 ff. 34 Vgl. Marienhagen/Künzh Entgeltfortzahlung, § 3 RdNr. la; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 3 RdNr. 7; Staudinger/Oetker §616 RdNr. 178 f.; a.M. Dunkl in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 3 RdNr. 184; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 598 f., der davon ausgeht, der arbeitsvertragliche Anspruch aus § 611 BGB 29
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eine Höhe von 80 vom Hundert des dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts festgeschrieben worden. Diese Kürzung ist jedoch mit Wirkung zum 1.1.1999 wieder zurückgenommen worden 35 , ohne daß sich aber an der Ausgestaltung des § 3 EntgeltfortzG als eigene Anspruchsgrundlage etwas geändert hätte 36 . Damit findet auch bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall grundsätzlich das Lohnausfallprinzip Anwendung, wobei es allerdings in einer Hinsicht modifiziert ist: Es ist auf die „regelmäßige" Arbeitszeit abzustellen. Ungeachtet dessen gelten die Ausführungen zum Entgeltbestandteil des fortzuzahlenden Lohnes entsprechend 37. Unter regelmäßiger Arbeitszeit ist nicht die betriebsübliche 38 Arbeitszeit zu verstehen, sondern die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers 39 . Problematisch war dieses regelmäßig anspruchsbegrenzende 40 Merkmal vor allem bei Überstunden, die während des krankheitsbedingten Arbeitsausfalles geleistet worden wären 41 . Der Arbeitnehmer konnte hierfür nämlich dann keine Lohnfortzahlung verlangen, wenn die Leistung der entsprechenden Überstunden nicht seiner regelmäßigen Arbeitszeit entsprach 42 . Dabei war zunächst zu beachten, daß das Gesetz von der regelmäßigen Arbeitszeit und nicht von der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit spricht 43 , weshalb die Lohnfortzahlung für krankheitsbedingt nicht geleistete Überwürde jedenfalls dem Grunde nach aufrechterhalten und dies mit dem Wortlaut des Gesetzes „Entgeltfortzahlung" begründet. 35 BGBl. 1998, S. 3843 (3849). 36 Unklar ErfK(NT)/Dó'raer § 4 EntgeltfortzG RdNr. 5. 37 Vgl. bereits oben unter § 4 A. Das EntgeltfortzG enthält in seinem § 4 Abs. la hinsichtlich des Aufwendungsersatzes und der leistungs- und erfolgsabhängigen Vergütung (vgl. dazu auch Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 401 f.) eine klarstellende positivrechtliche Regelung. Eine sachliche Änderung gegenüber den obigen Ausführungen ergibt sich daraus jedoch nicht. Vielmehr wird die dazu ergangene Rechtsprechung bestätigt. Zur Neuregelung der Überstundenvergütung vgl. sogleich. 38 Zum Begriff der betriebsüblichen Arbeitszeit, wie er etwa in § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verwandt wird, vgl. Gutzeit, BB 1996, S. 106 (111). 39 Vgl. etwa BAG AP Nr. 4 zu § 2 LohnFG Bl. 2; Birk, GK-EFZR, § 2 LohnFG RdNr. 6; Hold in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 4 RdNr. 56 f.; Schmitt § 4 RdNr. 22; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 559. 40 Zum umgekehrten Fall, daß hierdurch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Falle gleichzeitiger Kurzarbeit „erweitert" werden könnte, vgl. unten § 5 Β 2 d. 41 Wenn ohnehin keine Überstunden geleistet worden wären, so mangelt es bereits an der anspruchsbegründenden Kausalität. Diese Problematik wurde aber regelmäßig mit derjenigen vermengt, die sich allein um das Merkmal der „Regelmäßigkeit" rankt. 42 Vgl. nur BAG AP Nr. 8 zu § 2 LohnFG Bl. 1 R. 43 Vgl. auch BAG AP Nr. 3 Bl. 2, Nr. 8 Bl. 1 R zu § 2 LohnFG.
C. Sonderfall: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
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stunden nicht per se ausgeschlossen war. Dem Merkmal der Regelmäßigkeit ist vielmehr genüge getan, wenn der Umfang der individuellen Arbeitszeit prognostizierbar ist, also einer bestimmten „Regel" folgt. Damit wird auch dem Zweck dieser Modifikation des Lohnausfallprinzips entsprochen, der darin besteht, Streitigkeiten über den Umfang des tatsächlichen Arbeitsausfalls zu vermeiden 44 . Zweifelhaft ist allerdings, ob auf eine solche Regel bereits dann geschlossen werden kann, wenn mit der älteren Rechtsprechung des BAG nur auf eine gewisse Stetigkeit und Dauer des jeweiligen Arbeitszeitumfanges abgestellt wird 4 5 . Dies ist nämlich schon deshalb nicht überzeugend, weil eine rein vergangenheitsbezogene Betrachtung hinsichtlich der vom Gesetz verlangten Prognose allenfalls eine indizielle Bedeutung haben kann 4 6 . Doch verlangt das BAG nunmehr selbst, daß hinsichtlich des Umfanges der Arbeitszeit eine Gesetzmäßigkeit erkennbar sein muß 4 7 . Damit schieden Überstunden, die nur zufällig und in ungewissen Abständen anfielen, aus. Andererseits konnten Überstunden, die erst im Lohnfortzahlunsgzeitraum zu leisten gewesen wären, berücksichtigt werden, wenn sie auch in Zukunft aufgrund einer erkennbaren Regel zu leisten waren. Der Streit um die Überstunden ist seit dem 1.1.1999 durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte 48 obsolet geworden. Durch Artikel 7 dieses Gesetzes wurde § 4 Abs. la EntgeltfortzG nämlich dahingehend ergänzt, daß zusätzlich für Überstunden gezahltes Entgelt nicht zum Arbeitsentgelt im Sinne
44 Zum Zweck dieser Einschränkung vgl. etwa Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 560. Auch MünchArbR/Schulin § 82 RdNr. 22 f. sieht in der Vermeidung von Unsicherheiten den Zweck dieser Modifikation. Er will aber weitergehend dem Merkmal der „Regelmäßigkeit" dann keine besondere Bedeutung beimessen, wenn der Arbeitsausfall sicher feststeht (dahingehend auch Schmitt § 4 RdNr. 24). Dem ist in dieser Weite nicht zu folgen. Allerdings liegt die Vermutung nahe, daß in den Fällen, in denen über den Umfang des Arbeitsausfalls in zeitlicher Hinsicht nicht gestritten wird, eine Gesetzmäßigkeit hinsichtlich des Umfanges der Arbeitszeit vorliegt, weshalb dann ohnehin eine Regelmäßigkeit anzunehmen wäre. Deshalb ist seine Kritik an der Entscheidung des BAG AP Nr. 19 zu § 2 LohnFG wahrscheinlich berechtigt. Allerdings erlaubt der dort mitgeteilte Sachverhalt wegen zu weniger Angaben keine abschließende Beurteilung. 45 So noch BAG AP Nr. 3 zu § 2 LohnFG Bl. 2, wo es auf den zurückliegenden Zeitraum von dreizehn Wochen bzw. drei Monaten maßgeblich abstellte. Vgl. auch BAG AP Nr. 26 zu § 2 LohnFG Bl. 3 R ff.; dort allerdings zur anders gelagerten Problematik des früheren § 59 Abs. 3 AFG. 46 Vgl. zum Ganzen auch Schmitt, 3. Aufl. 1997, § 4 RdNr. 19 ff. 47 Vgl. BAG AP Nr. 8 Bl. 1 R, Nr. 19 Bl. 2 zu § 2 LohnFG; Staudinger/Oetker §616 RdNr. 407; unklar Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 561; ders. in Kasseler Handbuch, 2.2. RdNr. 367. Einen „besonderen Ordnungsplan" scheint hingegen Birk (GK-EFZR, § 2 LohnFG RdNr. 9 - vgl. aber auch RdNr. 13 f. - im Grunde nicht kosequent) nicht zu verlangen. 48 BGBl. I 1998, S. 3843.
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des § 4 Abs. 1 EntgeltfortzG g e h ö r t 4 9 . D a m i t ist jedoch nicht auch zugleich das M e r k m a l der Regelmäßigkeit bedeutungslos geworden. Relevant bleibt es etwa bei den sog. Freischichtmodellen 5 0 oder i n den Fällen, i n denen die Arbeitszeit vorübergehend verkürzt w i r d 5 1 . Das fortzuzahlende Arbeitsentgelt wurde, wie dargelegt, zwischenzeitlich auf 80 v o m Hundert gekürzt. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EntgeltfortzG bestand - ungeachtet entgegenstehender tariflicher Regelungen 5 2 - jedoch bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten eine A u s n a h m e 5 3 . I n diesen Fällen war dem Arbeitnehmer das volle Entgelt fortzuzahlen. Desweiteren bestand für den Arbeitnehmer die M ö g l i c h k e i t , ungekürzte Lohnfortzahlung unter Anrechnung auf den Erholungsurlaub nach Maßgabe des § 4a EntgeltfortzG zu verlangen 5 4 .
49 Vgl. dazu Däubler, NJW 1999, S. 601 (605); Feichtinger, AR-Blattei SD 1000.3, RdNr. 284; Hold, ZTR 1999, S. 103 (104); Löwisch, BB 1999, S. 102 (105); Schaub, NZA 1999, S. 177 (177 f.). 50 Bei diesen wird eine tarifliche Arbeitszeitverkürzung so umgesetzt, daß die Betriebsnutzungszeit unangetastet bleibt und die Arbeitnehmer zum Ausgleich dafür in einem bestimmten Bezugszeitraum Freizeitausgleich in Form von Freischichten erhalten. Es sind dabei aber - was nicht immer hinreichend geschieht - verschiedene Problembereiche auseinanderzuhalten. Zunächst ist die Kausalität der Krankheit für den Arbeitsausfall zu untersuchen, und erst dann sind gegebenenfalls die Rechtsfolgen zu bestimmen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß in solchen Fällen regelmäßig vorrangige tarifliche Lohnfortzahlungsregelungen existieren. Eine weitere, daran anknüpfende Fragestellung ist die Auswirkung des Krankheitstages für den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freizeitausgleich. Diesen Fragen soll hier im einzelnen nicht nachgegangen werden; vgl. dazu Birk, GK-EFZR, § 2 RdNr. 20 ff.; Veit, NZA 1990, S. 249 ff. 51 Vgl. auch unten § 5 Β 2 d. 52 Vgl. zu dieser Problematik nur Rieble, RdA 1997, S. 134 ff. 53 Vgl. dazu Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, 4. Auflage 1997, § 4 RdNr. 67 ff.; Schmitt, 3. Auflage 1997, § 4 RdNr. 90 ff. 54 Vgl. dazu nur Giesen, RdA 1997, S. 193 (195 ff.); Löwisch, NZA 1996, S. 1009 (1014 f.).
§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes A. Kausalität Wie dargelegt 1, gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn". Er folgt aus der Anwendung des § 323 Abs. 1 BGB. Praktisch bildet dieser Grundsatz jedoch aufgrund vielfacher Durchbrechungen die Ausnahme. Die wichtigsten Lohnfortzahlungsregelungen wurden bereits erörtert 2. Ihnen ist grundsätzlich gemeinsam, daß die in ihnen genannten Verhinderungsgründe kausal für den Arbeitsausfall sein müssen3. So setzt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall voraus, daß durch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die Arbeitsleistung unterbleibt 4 ; der Anspruch auf Lohnfortzahlung an Feiertagen setzt voraus, daß die Arbeitszeit infolge eines Feiertages ausfällt; § 615 BGB spricht von den infolge des Verzugs nicht geleisteten Diensten; gemäß §616 BGB wird der Dienstverpflichtete seines Vergütungsanspruchs nicht dadurch verlustig, daß er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird; Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist usw. Ist in diesen Fällen der Verhinderungsgrund für den Arbeitsausfall nicht kausal, entfällt der jeweilige Lohnfortzahlungsanspruch. Anders als bei dieser Tatbestandsstruktur, die das Kausalitätskriterium als wesentliches Merkmal beinhaltet und sich in den meisten Lohnfortzahlungsregelungen findet, ist im Falle des Erholungsurlaubs ein Kausalzusammenhang grundsätzlich nicht gesondert zu prüfen. Vielmehr wird der Urlaub vom Arbeitgeber gewährt und bedeutet einen Anspruch des Arbeitnehmers auf völlige Freistellung von den bestehenden Arbeitspflichten 5 . 1
Vgl. zum Ganzen oben § 2. Vgl. oben § 3. 3 Zum Urlaubsanspruch sogleich unten § 5 Β 3. 4 Daß in diesem Fall zunächst auch die Kausalität zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit zu prüfen ist, wurde bereits oben unter § 3 Β 2 dargelegt und soll vorliegend nicht weiter vertieft werden. 2
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
Obgleich Kausalitäts- und Zurechnungsprobleme zu den Standards der Rechtswissenschaft gehören, fristen sie im Lohnfortzahlungsrecht ein verhältnismäßig stiefmütterliches Dasein. Regelmäßig finden sich umfassende Abhandlungen nur auf den hierfür klassischen Gebieten. Im Zivilrecht werden sie vor allem im Delikts- und Schadensersatzrecht erörtert. Eine exponierte Stellung haben sie im Strafrecht. Die jeweils vertretenen Lehren sind allerdings von diesen Gebieten geprägt. Versuche, eine umfassende Darstellung für die gesamte Rechtsordnung zu bieten, existieren kaum. Ein solcher Versuch kann auch an dieser Stelle nicht unternommen werden. Dennoch muß die Problematik für das Lohnfortzahlungsrecht auf eine breitere Grundlage gestellt werden. Nach wohl nahezu allgemeiner Ansicht gilt im Lohnfortzahlungsrecht der Grundsatz der Monokausalität 6 des Verhinderungsgrundes. Dieser muß 5 Vgl. etwa BAG AP Nr. 14 Bl. 2 R zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; AP Nr. 4 Bl. 2 und Nr. 16 Bl. 1 R zu § 7 BUrlG Übertragung; AP Nr. 19 Bl. 2 und Nr. 22 Bl. 3 R f. zu § 11 BUrlG; Dersch/Neumann, BUrlG, § 1 RdNr. 34 sowie zum Ganzen bereits oben unter § 3 J. 6 Vgl. zu den einzelnen Lohnfortzahlungstatbeständen BAG AP Nr. 42 zu § 1 ArbKrankhG Bl. 2 ff.; AP Nr. 1 Bl. 1 R f. und Nr. 4 Bl. 3 zu § 15 BErzGG; AP Nr. 66 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Bl. 1 R f.; AP Nr. 9 zu § 611 BGB Berufssport Bl. 2 R; AP Nr. 94 zu § 611 BGB Urlaubsrecht Bl. 3 f.; AP Nr. 4 zu § 611 BGB Werkstudent Bl. 5; AP Nr. 59 Bl. 2 R und Nr. 65 Bl. 2 zu § 616 BGB; AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Nachurlaub Bl. 1 R; AP Nr. 2 Bl. 1 R und Nr. 3 Bl. 1 R zu § 7 BUrlG Betriebsferien; AP Nr. 3 Bl. 2, Nr. 4 Bl. 2, Nr. 5 Bl. 1, 2 und Nr. 8 Bl. 1 R zu § 9 BUrlG; AP Nr. 3 zu § 2 EntgeltFG Bl. 2; AP Nr. 2 zu § 3 EntgeltFG Bl. 1 R; AP Nr. 6 Bl. 1 R, Nr. 13 Bl. 1 R, Nr. 14 Bl. 1 f., Nr. 15 Bl. 1 f., Nr. 24 Bl. 1 R, Nr. 30 Bl. 2, Nr. 35 Bl. 2 R, Nr. 36 Bl. 1 R, Nr. 38 Bl. 1 R, Nr. 39 Bl. 1 R, Nr. 41 Bl. 1 R, Nr. 47 Bl. 1 R, Nr. 52 Bl. 2, Nr. 53 Bl. 1 R, Nr. 56 Bl. 1 R, Nr. 58 Bl. 1 R, Nr. 62 Bl. 2 f., Nr. 63 Bl. 2, Nr. 68 Bl. 2 und Nr. 69 Bl. 1 R zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; AP Nr. 4 zu § 133c GewO Bl. 1 R; AP Nr. 107 Bl. 3 R, Nr. 114 Bl. 1 R, Nr. 121 Bl. 2, Nr. 138 Bl. 5 und Nr. 146 Bl. 2 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; AP Nr. 20 Bl. 2 f. und Nr. 27 Bl. 1 R zu § 63 HGB; AP Nr. 15 Bl. 2, Nr. 29 Bl. 2 f., Nr. 36 Bl. 2, Nr. 53 Bl. 1 R, Nr. 58 Bl. 1 R f., Nr. 64 Bl. 1 R und Nr. 79 Bl. 1 R zu § 1 LohnFG; AP Nr. 17 zu § 2 LohnFG Bl. 2; AP Nr. 6 zu § 6 LohnFG Bl. 1 R f.; AP Nr. 7 Bl. 1 R f., 2 R, Nr. 10 Bl. 2 R und Nr. 11 Bl. 2 zu § 3 MuSchG 1968; AP Nr. 12 zu § 11 MuSchG 1968 Bl. 1 R; AP Nr. 16 zu § 14 MuSchG 1968 Bl. 2; AP Nr. 19 zu § 1 T V G Tarifverträge: Einzelhandel Bl. 1 R f.; LAG Berlin, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 43, S. 1; BB 1991, S. 1341; LAG Hamburg, AuR 1995, S. 376; ArbG Rheine, BB 1967, 1484; Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (521); Birk, GK-EFZR, § 1 RdNr. 209 ff.; Buchner/ Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 25 f.; Dunkl in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge §3 RdNr. 56 ff.; Feichtinger, AR-Blattei SD 1000.3, RdNr. 47; Gröninger/Thomas, MuSchG, § 1 1 RdNr. 45 f.; Kleinsorge in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge §2 RdNr. 11 ff.; MünchArbR/Schulin § 81 RdNr. 62; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 2 RdNr. 27 ff., § 3 RdNr. 58 ff.; Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 85 ff., 229 ff.; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 96 ff., 774 ff.; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 52, 56 f.; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, § 11 RdNr. 13 f.; krit. zum
Α. Kausalität
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danach die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall sein. Das Kausalitätskriterium fungiert nach dieser Lehre als wichtiges anspruchsbegrenzendes Korrektiv des Lohnfortzahlungsanspruchs. So mangele es an der Kausalität, wenn der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer ohnehin arbeitsunwillig 7 oder ausgesperrt gewesen wäre 8 . War ein Arbeitnehmer krank, wurde aber zugleich in seinem Betrieb Kurzarbeit geleistet, so entfalle ein Teil seiner Arbeitszeit bereits wegen Kurzarbeit, so daß die Krankheit für den Arbeitsausfall gleichfalls nicht die alleinige Ursache sei 9 . Diese Vorstellung über Kausalität im Lohnfortzahlungsrecht entspricht auf den ersten Blick der als herrschend 10 anzusehenden Äquivalenztheorie11. Kausalität meint danach die konkrete Verursachung eines Erfolges als condicio sine qua non und erfaßt folglich jede Bedingung als kausal, die nicht hin weggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele 12 . Daraus scheint für das Lohnfortzahlungsrecht zu folgen, daß der Verhinderungsgrund dann nicht kausal geworden ist, wenn der Arbeitsausfall, würde der Verhinderungsgrund hinweggedacht, gleichwohl eingetreten wäre - mithin der Grundsatz der Monokausalität 13 .
Erfordernis der Monokausalität Boecken, NZA 1999, S. 673 (676); Matthes, DB 1970, S. 1400 (1401); von Maydell, DB 1973, Beilage Nr. 15, S. 1 (4 f.); Raatz, Entgeltfortzahlung, S. 82 ff.; Soergel/Kraft § 616 RdNr. 16; Waldeyer, DB 1972, S. 679 (679 f.); a.M. hinsichtlich des Kausalitätserfordemisses überhaupt BAG AP Nr. 27 Bl. 1 R ff., Nr. 29 Bl. 1 ff. und Nr. 31 Bl. 1 ff. zu § 1 ArbKrankhG und neuerdings ArbG Hameln, BB 1992, S. 354 (355 f.) sowie Lembke, NZA 1998, S. 349 (351), - beide für § 11 Abs. 1 MuSchG. 7 Vgl. z.B. BAG AP Nr. 64 zu § 1 LohnFG Bl. 1 R ff. 8 Vgl. BAG AP Nr. 107 Bl. 3 R zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 9 Die Problematik hat also für die Rechtsfolgenseite der Lohnfortzahlungsregelung keine Relevanz mehr - unklar BAG AP Nr. 6 Bl. 2 ff. zu § 2 LohnFG, wo zunächst maßgeblich auf die Rechtsfolgenanordnung der einschlägigen Normen verwiesen wird, dann aber zutreffend festgestellt wird, dieses Problem sei „keine Frage der Berechnung" (BAG a.a.O. Bl. 2 R f.). 10 Vgl. aus der umfangreichen strafgerichtlichen Rechtsprechung nur RGSt 1, 373 (374); 5, 29 (31 f.); 44, 230 (244); 56, 343 (348); 57, 392 (394); 58, 366 (368); 66, 181 (184); 67, 258 (259); 69, 44 (47 f.); 75, 49 (50 f.); 75, 372 (374); 77, 17 (18 ff.); BGHSt 1, 332 (333); 2, 20 (24); 7, 112 (114); 24, 31 (34); 31, 96 (98). 11 Vgl. aus der unerschöpflichen Literatur exemplarisch Ebert/Kühl, Jura 1979, S. 561 (563 ff.); Engisch, Kausalität, S. 7 ff.; Deutsch, Haftungsrecht, S. 77 ff., 80 ff.; ders., Unerlaubte Handlung, S. 22 f.; Eser/Burkhardt, Strafrecht I, S. 52 f.; Jakobs, Strafrecht, S. 185 ff.; Lange, Schadensersatz, S. 75 ff., 79 ff.; Larenz, Schuldrecht AT, S. 433; Roxin, Strafrecht, S. 293 ff. 12 Im Grunde ist es nicht richtig, die „condicio sine qua non"-Formel begrifflich mit der Äquivalenztheorie zu verknüpfen, da erstere nur besagt, wann eine Bedingung überhaupt kausal für einen Erfolg ist, letztere jedoch darauf abhebt, alle Bedingungen als grundsätzlich gleichwertig zu betrachten. Diese begriffliche Verknüpfung entspricht jedoch gängiger Rechtssprache.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
Allerdings wird die Äquivalenztheorie selbst von ihren Verfechtern in mehrfacher Hinsicht relativiert. Die Kritik, der sie sich ausgesetzt sieht, hat unterschiedlichste Angriffspunkte. So wird zum einen die schier uferlose Weite dieser Lehre gerügt, nach der mannigfache Bedingungen als für einen bestimmten Erfolg kausal angesehen werden müßten; solche Einwände verlieren jedoch durch die Erkenntnis an Gewicht, daß eine sachgerechte Begrenzung durch weitere Zurechnungskriterien erreicht werden k a n n 1 4 , 1 5 . Für das Lohnfortzahlungsrecht würden sich insoweit ohnehin keine Probleme ergeben, als sich die für das Kausalitätserfordernis maßgeblichen Bedingungen aus den Lohnfortzahlungstatbeständen selbst ergeben (persönliche Verhinderung, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit usw.). Die Schwächen der Äquivalenztheorie liegen allerdings nicht nur in ihrer Weite, sondern - für das Lohnfortzahlungsrecht ungleich bedeutsamer spiegelbildlich in ihrer Begrenztheit. So müßte bei konsequenter Anwendung der Äquivalenztheorie die Kausalität dann verneint werden, wenn zwei alternative Bedingungen jeweils unabhängig voneinander den Erfolg herbeigeführt hätten 16 . Würde etwa ein Vater bei der Pflege seines kranken Kleinkindes (§ 616 BGB) selbst arbeitsunfähig krank (§ 3 Abs. 1 EntgeltfortzG), so wäre nach der „strengen" Äquivalenztheorie bzw. dem Grundsatz der Monokausalität eigentlich keiner der Verhinderungsgründe (Pflege des Kleinkindes und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit) für den Arbeitsausfall kausal, woran der Lohnfortzahlungsanspruch jeweils scheitern müßte. Gleichwohl läßt sich an der Kausalität der beiden Verhinderungsgründe für den Arbeitsausfall nicht zweifeln; sonst erhielte man das verquere Ergebnis, daß es einen Arbeitsausfall gäbe, der durch nichts verursacht war 1 7 . Es ist zwar versucht worden, die Äquivalenztheorie für solche Konstellationen zu öffnen. Dies ist dahingehend geschehen, daß jede Bedingung als kausal angesehen wurde, die zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele 18 . Bei all diesen 13
Bei den Verfechtern des Grundsatzes der Monokausalität wird allerdings nicht immer hinreichend deutlich, wie dieser Grundsatz zu verstehen ist. Sofern das Erfordernis der „alleinigen" Ursache nicht mehr als Kausalitäts-, sondern bereits als Zurechnungskriterium verstanden wird, sei auf die Ausführungen unten § 5 Β 1 b verwiesen 14 Zu diesem Komplex vgl. Eser/Burkhardt, Strafrecht I, S. 52 f.; Roxi η, Strafrecht, S. 295. Vgl. auch bereits Wilburg, Schadensrecht, S. 1 ff. 15 Eine weitere Begrenzung sucht man vor allem im Strafrecht dadurch zu erreichen, daß auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt u. ä. abgestellt wird. Auf solche Fragen kommt es aber vorliegend nicht weiter an. 16 Vgl. dazu - die Kausalität bejahend - Eser/Burkhardt, Strafrecht I, S. 53 f., 68 f.; Larenz, Schuldrecht AT, S. 434; Puppe, ZStW 92 (1980), S. 863 (876 ff.); Roxiriy Strafrecht, S. 296, 303; kritisch, aber im Ergebnis ebenso Joerden, Dyadische Fallsysteme, S. 149 f., 151 ff. 17 Vgl. für das Strafrecht auch Puppe, ZStW 92 (1980), S. 863 (877).
Α. Kausalität
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sprachlichen Kunstgebilden darf aber nicht übersehen werden, daß die condicio sine qua non-Formel selbst von ihrem frühesten Vertreter 19 nur als sicherer „Anhaltspunkt" verstanden werden sollte, um zu ersehen, ob eine bestimmte Bedingung für einen Erfolg tatsächlich kausal gewesen ist. Sie ist nämlich letztlich nicht mehr als eine Hilfskonstruktion oder - überspitzt formuliert - eine Scheinbegründung; denn wenn tatsächlich strittig ist, ob eine bestimmte Bedingung kausal für einen Erfolg war, führt die Frage, ob der Erfolg auch ohne diese Bedingung eingetreten wäre, nicht weiter. Ist also etwa unklar, ob eine Sprengung in einem Bergwerk Risse in einer Hausfassade zur Folge hatte, so bringt die Fragestellung, ob der Riß auch dann eingetreten wäre, wenn man die Sprengung hinwegdenkt, keinerlei Erkenntnisgewinn 20 . Die Bemühung der condicio sine qua non-Formel ist also für die Kausalitätsprüfung im Grunde entbehrlich und darf erst recht dann nicht zu Irritationen 21 führen, wenn die Kausalität einer Bedingung bereits feststeht 22 . Im Strafrecht setzt sich deshalb in Anschluß an Engisch 23 zunehmend die Formel der „gesetzmäßigen Bedingung" 24 durch, die Kausalität dann annimmt, wenn eine Bedingung für einen bestimmten Erfolg aufgrund eines gesetzmäßigen Zusammenhangs tatsächlich wirksam geworden ist. Letztlich kann aber auch durch diese Formel ein Kausalitätsnachweis nicht geführt werden. Sie hilft allenfalls über die Schwächen der Äquivalenzlehre - insbesondere bei der hier problematischen Konstellation alternativer Kausalität - hinweg. Für das Lohnfortzahlungsrecht braucht der Streit allerdings nicht umfassend entschieden zu werden 25 . Die Feststellung eines Kausalzusammenhangs ist dort regelmäßig unproblematisch. Bedeutsam ist hingegen die Erkenntnis, daß auch bei Vorliegen multipler Verhinderungsgründe das Kau18 Vgl. Ebert/Kühly Jura 1979, S. 561 (568); Eser/Burkhardt, Strafrecht I, S. 69; Soergel/Mertens vor § 249 RdNr. 119. 19 So von Glaser, Abhandlungen, S. 298. 20 Vgl. dazu Erb, JuS 1994, S. 449 (450); Eser/Burkharde Strafrecht I, S. 53; Freund, Strafrecht, S. 52; Jakobs, Strafrecht, S. 186 f.; Larenz, Schuldrecht AT, S. 433 f.; Roxin, Strafrecht, S. 295 f. Umfassende Kritik an der condicio sine qua non-Formel findet sich bei Schulin, Kausalitätsbegriff, S. 105 ff., insbesondere auch zum Einwand der vorausgesetzten Kausalitätsfeststellung, a.a.O., S. 113 f. 21 Auch Lange, Schadensersatz, S. 157 f., ist bei der Lösung dieses Problems zu stark der condicio sine qua non-Formel verhaftet. 22 Dies entspricht auch der Vorstellung von Kausalität als vorrechtlichem Datum; vgl. dazu nur Schulin, Kausalitätsbegriff, S. 8 ff. (40 f.); Köck, Kausalität und Zurechnung, S. 9 (10). 23 Kausalität, S. 21 und passim. 24 Vgl. Erb, JuS 1994, S. 449 (450); Eser/Burkhardt, Strafrecht I, S. 54 ff.; Freundy Strafrecht, S. 52; JakobSy Strafrecht, S. 188 ff.; Roxin, Strafrecht, S. 297; ähnlich Joerden, Dyadische Fallsysteme, S. 35 ff. 25 Vermittelnd Frisch, Zurechnung, S. 521 ff.
§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
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salitätskriterium jeweils erfüllt ist. Die strikte Übernahme der Äquivalenztheorie legt zwar zunächst ein anderes Ergebnis nahe. Diese als Hilfskonstruktion gedachte Lehre darf aber nicht dazu führen, tatsächliche Kausalzusammenhänge zu verdecken. Dabei ist es für das Lohnfortzahlungsrecht gleich, ob man die Äquivalenztheorie modifiziert oder aber auf die Theorie der gesetzmäßigen Bedingung zurückgreift. Entscheidend ist, daß die sich daran anknüpfenden rechtlichen Fragestellungen als Zurechnungsproblem zu qualifizieren sind und dadurch sachgerecht lösen lassen. Ihre rechtliche Behandlung darf nicht durch unzutreffende Kausalitätserwägungen überspielt werden.
B. Multiple Verhinderungsgründe 1. Grundsätzliche Überlegungen In vielen Fällen der Nichtleistung des Arbeitnehmers bereitet die Kausalitätsfrage keine besonderen Schwierigkeiten. Kausal ist z.B. die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, die Betriebsratstätigkeit usw. Auch bei Vorliegen multipler Verhinderungsgründe ist, wie dargelegt, das Kausalitätsmerkmal jeweils erfüllt 2 6 . Die rechtliche Behandlung ist jedoch ungleich problematischer. Was gilt etwa dann, wenn zwei Lohnfortzahlungstatbestände zusammentreffen, nach denen aber der Lohn in jeweils unterschiedlicher Höhe fortgezahlt werden müßte 27 ? Beim Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe sind grundsätzlich alle Kombinationsmöglichkeiten 28 denkbar - z.B. Urlaub und Streik, Krankheit und Feiertag, Kurzarbeit und Mutterschutz usw. Für die Behandlung einiger, aber nicht aller dieser Konstellationen existieren spezielle Regelungen 29 . Dies mag auch ein Grund dafür sein, weshalb in der Literatur die Problematik regelmäßig kasuistisch und nicht umfassend behandelt wird. Gleichwohl lassen sich m.E. gemeinsame Grundprinzipien erkennen, deren Geltung durch spezialgesetzliche Regelungen entweder bestätigt oder aber in begründeten Ausnahmen durchbrochen wird. Bevor jedoch auf allgemeine zivilrechtliche Zurechnungsüberlegungen abgestellt werden kann, sollen denkbare spezifisch arbeitsrechtliche Lösungsansätze beleuchtet 26
Zur bloß hypothetischen Nichtleistung vgl. unten § 5 C. Diese Frage stellt auch Reinecke, DB 1991, S. 1168. Die Antwort bleibt er aber schuldig. Vielmehr klammert er diese Frage als weniger problematisch aus seiner Untersuchung aus. 28 Es ist nicht Aufgabe der nachfolgenden Untersuchung, sämtlich Konstellationen zu beleuchten. Vielmehr soll versucht werden, gemeinsame Grundprinzipien der Behandlung multipler Verhinderungsgründe herauszuarbeiten. 29 Zu diesen vgl. sogleich unten § 5 Β 2. 27
Β. Multiple Verhinderungsgründe
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werden, wobei die bereits erwähnten Vorschriften für einzelne Fälle multipler Verhinderungsgründe zunächst ausgeklammert bleiben 30 . a) Lösung mittels spezifisch arbeitsrechtlicher
Ansätze?
aa) Arbeitnehmerschutzprinzip Das Arbeitnehmerschutzprinzip geht vornehmlich auf Wiedemann zurück. In seiner knappsten Fassung kann es dahingehend beschrieben werden, daß der Schutz des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber Äquivalent für die Verfügbarkeit der Arbeitskraft sei 31 . Ungeachtet der Berechtigung dieses Prinzips als solchen 32 , das für einige arbeitsrechtliche Fragestellungen zur Begründung bestimmter Ergebnisse herangezogen werden mag 3 3 , würde dessen Anwendung bei der vorliegenden Problematik dogmatisch gebotene Differenzierungen verwischen 34 . Würde man sich nämlich auf den Standpunkt stellen, der Arbeitgeber habe auch dann den Lohn fortzuzahlen, wenn etwa Arbeitsunwilligkeit und Krankheit zusammenfielen, weil der Arbeitgeber es mit der Einstellung der Arbeitnehmer übernommen habe, deren Existenz zu sichern 35 , so begegnete dieser Einwand grundlegenden Bedenken. Eine solche Betrachtungsweise wandelte den Arbeitsvertrag systemwidrig von einem schuldrechtlichen Austauschvertrag in einen Existenzsicherungsvertrag 36 . Auf seiner Grundlage könnte in der Folge das einfachrechtliche System der Lohnfortzahlung (§§ 616, 615 BGB, §§ 2, 3 EntgeltfortzG usw.) nicht erklärt werden, nach dem es im genannten Beispiel darauf ankommt, daß der Arbeitsausfall durch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit verursacht war. Handelte es sich bei den Lohnfortzahlungsnormen nämlich nur um Ausschnitte eines allgemeineren Prinzips, so wären sie 30 Außer Betracht bleiben femer Überlegungen, die auf verfassungs- und europarechtliche Vorgaben rekurrieren und die Lohnfortzahlungsnorm als solche in Frage stellen. Angesprochen ist damit insbesondere die Problematik der „mittelbaren" Diskriminierung wegen des Geschlechts im Zusammenhang mit § 37 Abs. 2 BetrVG; vgl. dazu überzeugend Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 55 m.w.N. 31 So maßgeblich Wiedemann , Arbeitsverhältnis, S. 11 ff. (insbes. 16). 32 Vgl. hierzu - teilweise polemisch - Ramm, JZ 1968, S. 479 f. 33 Vgl. etwa BAG GS AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972 Bl. 8. 34 Das wird im Ergebnis auch von Wiedemann (Arbeitsverhältnis, S. 49 [50 f.]) selbst so gesehen, wodurch sich allerdings das von ihm entwickelte Prinzip relativiert; vgl. dazu auch Löwisch/Rödig y RdA 1970, S. 55 (56). 35 So etwa Wiedemann , Arbeitsverhältnis, S. 89, dort allerdings zur Begründung der „Betriebsrisikolehre". 36 So zu Recht Staudinger/Richardi § 615 RdNr. 208. Vgl. auch Picker, JZ 1988, S. 62 (67), der treffend betont, auf die Schutzbedürftigkeit abstellende „außerrechtliche" Wertungen hätten zudem eine Beliebigkeit der Ergebnisse zur Folge. Umfassend auch Koller, Risikozurechnung, S. 394 ff., 398 ff.
7 Gutzeit
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
nicht nur überflüssig, sondern liefen aufgrund ihrer tatbestandlichen Grenzen diesem Prinzip sogar zuwider 37 . bb) Fürsorgegedanke Der dogmatischen Herleitung des Arbeitnehmerschutzprinzips weitgehend ähnlich 38 ist die der Fürsorgepflicht 39 des Arbeitgebers. Ihre historische Entwicklung und ihre Begründung hat jüngst Wiese 40 umfassend nachgezeichnet. Auch sie soll Korrelat 41 zu der aus § 242 BGB ableitbaren 42 Verpflichtung des Arbeitnehmers sein, nach Maßgabe der übernommenen Funktion die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nicht zu schädigen und im Rahmen des Zumutbaren wahrzunehmen 43 . Der Arbeitgeber habe danach insbesondere auch die ideellen Interessen des Arbeitnehmers zu achten, zu fördern und ihn vor vermeidbaren Nachteilen im Rahmen des Zumutbaren zu schützen 44 . Mit diesem Befund sei aber noch nicht über einzelne Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien entschieden. Sie bedürften der Konkretisierung unter Berücksichtigung ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen und allgemeiner Grundsätze 45. Durch Fallgruppenbildung wird also letztlich § 242 BGB für das Arbeitsrecht fruchtbar gemacht und dessen herausragende Bedeutung 46 für das Arbeitsverhältnis herausgestellt. Für die vorliegende Problematik, der rechtlichen Bewältigung multipler Verhinderungsgründe, lassen sich hieraus allerdings keine zwingenden Schlüsse ziehen. Differenzierende materiale Überlegungen würden durch die Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben eher verdeckt als offengelegt 47 . Im übrigen stünden sich zwei über § 242 BGB begründbare Ansichten diametral gegenüber. Der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die für eine extensive Anwendung der Lohnfort37 Zu Recht stellt daher Richardi (MünchArbR, § 6 RdNr. 25) heraus, daß man mit dem Arbeitnehmerschutzprinzip als einheitlichem Rechtsgrundsatz rechtsdogmatisch gebotene Unterscheidungen preisgebe. Vgl. auch Löwisch/Rödig, RdA 1970, S. 55 (56). 38 Vgl. oben § 5 Β 1 a aa. 39 Kritisch hinsichtlich der Terminologie Wiese, ZfA 1996, S. 439 (465 f.). 40 ZfA 1996, S. 439 ff. mit umfassenden Nachweisen. 41 Vgl. Wiese, ZfA 1996, S. 439 (461). 42 Vgl. BAG AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht Bl. 7; BAG AP Nr. 75 Bl. 1 R, Nr. 93 Bl. 2 f.; Nr. 96 Bl. 2 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972 Bl. 6 R. 43 Vgl. Wiese, ZfA 1996, S. 439 (462). 44 Vgl. Wiese, ZfA 1996, S. 439 (463). 45 Vgl. Wiese, ZfA 1996, S. 439 (463). 46 Vgl. richtig Wiese, ZfA 1996, S. 439 (461). 47 Vgl. auch Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (527).
Β. Multiple Verhinderungsgründe
99
zahlungnormen spräche, ließe sich auf Seiten des Arbeitnehmers der gleichfalls aus § 242 BGB folgende Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenhalten, wenn dieser etwa Fortzahlung seines Gehalts als freigestelltes Betriebsratsmitglied verlangen würde, obgleich er bereits sieben Wochen arbeitsunfähig erkrankt ist und mithin keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle mehr hätte 48, 4 9 . cc) Lebensstandardprinzip Der Vollständigkeit halber sei noch auf das im Zusammenhang mit lohnfortzahlungsrechtlichen Fragestellungen immer wieder herangezogene Lebensstandardprinzip hingewiesen. Die hinter diesem Prinzip stehende materiale Aussage beschränkt sich allerdings darauf, im Falle der Lohnfortzahlung den Arbeitnehmer hinsichtlich des Entgelts in Höhe des bisherigen Verdienstes zu sichern. Das Lebensstandardprinzip hatte in der Rechtsprechung des BAG vor allem in der Zeit vor Inkrafttreten des BUrlG eine bedeutende Rolle gespielt 50 . Es ist ferner im Betriebsverfassungsrecht vom BAG im Zusammenhang mit steuerlichen Nachteilen im Rahmen der Entgeltfortzahlung für Betriebsratsmitglieder bei Sonntags- und Nachtzuschlägen diskutiert worden 51 . Durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen, welche die Höhe und die Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts verbindlich festlegen, hat jedoch das Lebensstandardprinzip erheblich an praktischer Bedeutung verloren. Ohnehin waren aus ihm konkrete Rechtsfolgen kaum ableitbar. Inzwischen stellt auch das BAG hinsichtlich beider soeben genannter Problembereiche nicht mehr hierauf ab 5 2 . Das Lebensstandardprinzip wird auch in der Literatur stark kritisiert 53 . Inwieweit es gänzlich aufgegeben werden sollte, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden 54 . Unzutreffend war jedenfalls die Ansicht des 48
Zum Rechtsmißbrauchseinwand in den Fällen hypothetischer Nichtleistung vgl. zutreffend Belling/ Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (526 f.). 49 Zu denken wäre auch an die der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers korrespondierende Treuepflicht des Arbeitnehmers; vgl. zu dieser nur Zöllner/Loritz, S. 177 f. 50 Vgl. etwa BAG AP Nr. 11 Bl. 1 R f. und Nr. 54 Bl. 2 R zu § 611 BGB Urlaubsrecht; vgl. auch nach dessen Inkrafttreten femer BAG AP Nr. 2 Bl. 5, Nr. 11 Bl. 1 R und Nr. 15 Bl. 2 zu § 11 BUrlG; zum Mutterschutzrecht vgl. BAG AP Nr. 8 Bl. 1 R und Nr. 11 Bl. 2 zu § 11 MuSchG. 51 Vgl. BAG AP Nr. 12 zu § 37 BetrVG; zum Ganzen nur Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 64 mit weiteren Nachweisen. 52 Vgl. BAG AP Nr. 13 zu § 47 BAT Bl. 2 f.; AP Nr. 37 Bl. 1 R ff., Nr. 50 Bl. 1 f., Nr. 112 Bl. 3 zu § 38 BetrVG 1972. 53 Vgl. etwa Dersch/Neumann, BUrlG, § 11 RdNr. 10; Kappenhagen, Lohnausfallprinzip und Bezugsmethode, S. 161 ff.; MünchArbR/Leinemann § 88 RdNr. 8 f.; Wiedemann , Arbeitsverhältnis, S. 49 (50 f.); Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 64. 54 Vgl. bereits oben § 4 B. 7»
100
§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
BAG, das Lebensstandardprinzip verlange, daß im Rahmen des § 1 Abs. 1 ArbKrankhG weitere neben der Krankheit bestehende Ursachen, deretwegen der Lohn gleichfalls entfallen wäre (z.B. Schlechtwetter oder Kurzarbeit), grundsätzlich unberücksichtigt bleiben müßten 55 . Insoweit genügt der Hinweis, daß das Lebensstandardprinzip entsprechend seines materialen Gehalts nur hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Lohnfortzahlungsnorm Bedeutung erlangen kann, es bei der Behandlung multipler Verhinderungsgründe aber um eine tatbestandliche Problematik geht 56 . b) Multiple Verhinderungsgründe
als Zurechnungsproblem
Das Problem multipler Verhinderungsgründe wird nicht allein dadurch hinreichend erfaßt, daß man es nur als Problem der Gesetzeskonkurrenz abhandelt 57 . Daran ist zwar richtig, daß von einer Gesetzeskonkurrenz im technischen Sinne gesprochen werden kann. So können ersichtlich nicht zwei Lohnfortzahlungsnormen kumulativ nebeneinander anwendbar sein, wodurch es im Ergebnis zu einer Doppelung der Ansprüche käme 5 8 . Die Beschreibung des Problems als solches der Gesetzeskonkurrenz benennt aber die dahinterstehenden materialen Fragen nicht, sondern verdeckt sie. Letztlich handelt es sich nämlich um ein Zurechnungsproblem. Zurechnungslehren entwickelten sich ganz allgemein wegen der gebotenen Begrenzung der Äquivalenzlehre, nach der grundsätzlich alle Bedingungen gleichwertig (äquivalent) nebeneinander stehen 59 . Ihre Berechtigung folgt aus dem Grundsatz, daß jede Partei die Folgen von Zufall und Unglück selbst zu tragen hat („casum sentit dominus") 60 und ist somit letztlich Ausdruck der Selbstverantwortung der Person 61 . Für das Verständnis der Zurechnungslehren im Zivilrecht sind die Ausführungen von Canaris in seiner Habilitiationsschrift 62 grundlegend. Sie haben gezeigt, daß sich hinter der zivilistischen Zurechnungproblematik 63 diejenige der Gefahrtragung 55
Vgl. BAG AP Nr. 27 Bl. 3 R, Nr. 29 Bl. 2 zu § 1 ArbKrankhG. Vgl. dazu ausführlich unten § 5 C 2. 57 So etwa Birk, GK-EFZG, § 2 RdNr. 214, 216. 58 Vgl. dazu aber auch Reinecke, DB 1991, S. 1168 mit Fn. 1. 59 Zur Entwicklung im Strafrecht und zu weiteren Lösungswegen vgl. nur Frisch, Zurechnung, S. 10 ff. m.w.N.; zum Zivilrecht vgl. MünchKomm/Grunsky vor § 249 RdNr. 37. 60 Zu diesem vgl. etwa Picker, Lohngefahr, Festschrift für Otto Rudolf Kissel , S. 813 (817 f.). Auch im österreichischen ABGB findet sich in § 1311 der Satz: „Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder dessen Person er sich ereignet". 61 Vgl. grundlegend Larenz, Hegels Zurechnungslehre, S. 60 ff.; ferner Canaris , Vertrauenshaftung, S. 468; Deutsch, Haftungsrecht, S. 58 f. 62 Vertrauenshaftung, S. 469 ff. 56
Β. Multiple Verhinderungsgründe
101
verbirgt und die j e w e i l i g e Gefahr nur aufgrund z w e i e r 6 4 Prinzipien zugerechnet werden kann: Z u m einen kennt das deutsche Recht die Zurechnung wegen des Verschuldens, z u m anderen die von R i s i k e n 6 5 · 6 6 . O b und i n welchem U m f a n g diese Zurechnungskriterien zur Begrenzung eines Haftungsgrundes 6 7 jeweils
heranzuziehen
sind, bedarf
sorgfältiger
Prüfung
und
Begründung. I m Deliktsrecht etwa w i r d durch die Einteilung der Haftungstatbestände in Verschuldens- und Gefährdungshaftung
über die Verschul-
denszurechnung entschieden. Dabei steigt m i t der Rücknahme der Zurechnungskriterien für einen Haftungstatbestand zugleich der Rechtfertigungsz w a n g 6 8 , da hierdurch eine Haftung für zufällige, nicht selbst verantwortete Folgen eher erreicht w i r d 6 9 . Aus diesem Grund ist es i n solchen Fällen auch gerechtfertigt, wenn nicht sogar angezeigt, dem „Schädiger" z . B . m i t einer summenmäßigen Begrenzung der H a f t u n g 7 0 entgegenzukommen.
63 Die Zurechnungsproblematik ist von der Kauslitätsfrage zu trennen. Vgl. zur Unterscheidung schon BGHZ 3, 261 (267) und grundlegend auch Larenz, Hegels Zurechnungslehre, S. 60 ff.; zur entsprechenden Problematik im Strafrecht vgl. nur Frisch, Zurechnung, S. 16 ff. 64 Gegen das Veranlassungsprinzip als drittes Zurechnungsprinzip vgl. nur Canaris , Vertrauenshaftung, S. 473 ff. 65 Dabei müssen - und auch hierauf hat Canaris (Vertrauenshaftung, S. 469 f.) zutreffend hingewiesen - diese Zurechnungsprinzipien vom Haftungsgrund getrennt werden. Es gilt nicht der Grundsatz, daß der „Schädiger" jeden verschuldeten oder jeden in seinem Risikobereich entstandenen Schaden zu ersetzen hat. So war es etwa nicht zutreffend, daß das RG (RGZ 106, 22 [25]) die Fälle der positiven Forderungsverletzung unmittelbar in § 276 BGB geregelt sah. Den Haftungsgrund hierfür hat Staub, Die positiven Vertragsverletzungen, aufgezeigt. 66 Allerdings will Deutsch, Haftungsrecht, S. 76 ff., das Risikoprinzip offenbar nicht als Zurechnunsgprinzip verstanden wissen, wenn er hinsichtlich der Zurechnung eine Beziehung zum Willen des Handelnden verlangt. „Verantwortlich" kann man jedoch auch für bestimmte Risiken sein. Kognitive und voluntative Elemente würden überstrapaziert, wenn man in den Fällen der Gefährdungshaftung eine Zurechnung etwa nur wegen der „Erkennbarkeit" oder der „Übernahme" einer Gefahr bejaht (Deutsch, Haftungsrecht, S. 142 ff.). Für das Lohnfortzahlungsrecht läßt sich immerhin behaupten, der Arbeitgeber habe das Krankheitsrisiko usw. erkannt. In der Sache ergeben sich daraus wohl keine Unterschiede. 67 Unter Haftung wird hier die Haftung im weiteren Sinne verstanden, mit der die Verantwortlichkeit einer Person angesprochen ist. Davon zu unterscheiden ist die Haftung im engeren Sinne, welche die Zugriffsmöglichkeiten des Gläubigers im Rahmen der Zwangsvollstreckung beschreibt; vgl. zum Ganzen Larenz, Schuldrecht AT, S. 21 ff. (22). 68 Vgl. bereits die Überlegungen von Rümelin, Zufall im Recht, S. 35 f. und passim. 69 So wird im Strafrecht schon deswegen niemals auf das Verschuldensprinzip verzichtet werden können. Vgl. auch Deutsch, Haftungsrecht, S. 59. 70 So etwa in § 12 StVG und in § 11 ProdHaftG.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
Alle zur Begrenzung der Äquivalenzlehre entwickelten Zurechnungslehren 7 1 lassen sich dementsprechend - mehr oder weniger trennscharf diesen beiden Prinzipien zuordnen 72 . So basiert die Adäquanzlehre 73 sowohl auf dem Risikogedanken als auch auf dem Verschuldensprinzip, wenn sie etwa verlangt 74 , daß der Erfolgseintritt nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegen darf. Denn zum einen soll durch sie die Zurechnung nur zufälliger Folgen vermieden werden; zum andern wird zu ihrer Rechtfertigung angeführt, daß nicht adäquate Folgen grundsätzlich auch nicht beherrschbar seien 75 . Weil sich in der Adäquanzlehre somit Elemente des Verschuldensprinzips finden, wird sie im Bereich der Gefährdungshaftung, für die das reine Risikoprinzip gilt, überwiegend nicht angewandt 76 . Die Zurechnung „nach dem Schutzzweck der haftungsbegründenden N o r m " 7 7 basiert wiederum maßgeblich auf Risikoerwägungen, wenn sie nur den Schaden dem Schädiger zurechnet, vor dem die haftungsbegründenden Norm den Geschädigten auch schützen will. Insbesondere gehört das vom Geschädigten allein zu tragende „allgemeine Lebensrisiko" 78 hierher, bei dem es rechtsdogmatisch freilich zweifelhaft ist, ob es der Lehre vom Schutzzweck zugeschlagen werden muß oder ob es sich bei diesem nicht schon um ein eigenständiges Zurechnungsmoment handelt 79 . Mit der 71 Zu den Zurechnungslehren im Strafrecht, die an dieser Stelle nicht erörtert werden können, die aber maßgeblich auf Risikoüberlegungen abstellen, vgl. Roxin, Strafrecht, S. 310 ff. 72 Auf die besondere Problematik der Zurechnung des Verhaltens Dritter oder des Geschädigten selbst sei nur hingewiesen. Auch insoweit lassen sich alle Zurechnungsüberlegungen gleichfalls auf das Verschuldens- und das Risikoprinzip zurückführen. 73 Vgl. dazu BGH, NJW 1995, S. 126 (127); Lange, Schadensersatz, S. 83 ff.; ders., Schadenszurechnung, Festschrift für Wolf gang Zöllner, S. 1175 f.; Larenz, Schuldrecht AT, S. 435 ff.; ders., Objektive Zurechnung, Festschrift für Richard M. Honig, S. 79 (80 ff.); MünchKomm/Grunsky vor § 249 RdNr. 40; Soergel/Mertens vor § 249 RdNr. 120 ff.; Staudinger/Schiemann § 249 RdNr. 12 ff.; siehe auch rechtsvergleichend Stoll, Haftungsfolgen, S. 397 ff. 74 Die Adäquanzlehre schwankt zwar in der Formulierung, aber regelmäßig nicht in der Sache; vgl. auch Lange, Schadensersatz, S. 83 ff. 75 Zur Rechtfertigung der Adäquanzlehre vgl. nur Lange, Schadensersatz, S. 87. 76 Vgl. BGHZ 37, 311 (317); 79, 259 (262 f.); BGH, NJW 1982, S. 2669; Lange, Schadensersatz, S. 97 ff.; Staudinger/Schiemann § 249 RdNr. 25. 77 Hierzu Köck, Kausalität und Zurechnung, S. 9 (16 f.); Larenz, Schuldrecht AT, S. 440 ff.; MünchKomm/Grwnsty vor § 249 RdNr. 44 ff.; Soergel/Mertens vor § 249 Rdnr. 146 ff.; Staudinger/Schiemann § 249 RdNr. 27 ff. Zu neueren Tendenzen der Rechtsprechung vgl. Lange, Schadenszurechnung, Festschrift für Wolfgang Zöllner, S. 1175 (1178 ff.). Zu einem „neuen Weg" über § 254 BGB vgl. Lorenz, Folgenzurechnung, Festschrift für Erwin Deutsch, S. 251 ff. 78 Dazu Staudinger/Schiemann § 249 RdNr. 35 f., 89. 79 Vgl. MünchKomm/GrwnjÄry vor § 249 RdNr. 72 m.w.N.
Β. Multiple Verhinderungsgründe
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Schutzzwecklehre eng verwandt ist die Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang 80 , welche zwar zunächst eine Einschränkung der Haftung mit Hilfe eines relativen Rechtswidrigkeitsbegriffes 81 erreichen wollte, sich dann aber doch als Zurechnungslehre entwickelt und der Schutzzwecklehre angenähert hat 8 2 . U m die schlichte Abgrenzung von Risikobereichen geht es schließlich bei den Tatbeständen der Gefährdungshaftung, wenn etwa i m Rahmen des § 7 StVG verlangt wird, daß sich die spezifische Betriebsgefahr 8 3 verwirklicht haben muß, wenn bei § 833 BGB auf die Verwirklichung der Tiergefahr 84 abgestellt wird usw. Im arbeitsrechtlichen System der Lohnfortzahlung ist das Risikoprinzip 8 5 in geradezu exemplarischer Weise verwirklicht. Ausgangspunkt ist der aus § 323 Abs. 1 BGB folgende Grundsatz „Ohne Arbeit kein L o h n " 8 6 , wonach der Arbeitnehmer das Vergütungsrisiko im Falle der Nichtleistung trägt. Hinsichtlich bestimmter - praktisch überaus bedeutender - Risiken finden sich hingegen gesetzliche Risikozuweisungen an den Arbeitgeber 87 . Die besondere Schwierigkeit jeder Risikozurechnung besteht regelmäßig darin, die zurechnungsrelevanten Risiken zu konkretisieren 88 . Diese Aufgabe ist dem Rechtsanwender aber im Lohnfortzahlungsrecht vom Gesetzgeber abgenommen worden, da dieser in den einzelnen Tatbeständen das dem Arbeitgeber auferlegte Risiko (Krankheit, Betriebsratstätigkeit, mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot usw.) näher spezifiziert hat. Deshalb kann es in diesem Zusammenhang auch grundsätzlich dahinstehen, aus welchen gesetzgeberischen Motiven im Arbeitsverhältnis die Regel des § 323 Abs. 1 BGB durchbrochen wird. Es genügt die bloße Feststellung, daß sie 80
Vgl. Lange, Schadensersatz, S. 101 ff. So insbesondere Ehrenzweig, System des österreichischen Privatrechts II, §301. 82 Vgl. zum Verhältnis von Schutzzwecklehre und Lehre vom Rechts Widrigkeitszusammenhang Lange, Schadensersatz, S. 106; MünchKomm/Grwtts£y vor § 249 RdNr. 44; Staudinger/Schiemann § 249 RdNr. 28. 83 Vgl. BGHZ 115, 84 (87 f.) mit Anm. Roth, JuS 1993, S. 716 ff.; Jagusch/ Hentschel § 7 StVG RdNr. 10 ff. 84 Vgl. dazu etwa MünchKomm/Stew § 833 RdNr. 13 ff. 85 Zu diesem vgl. allgemein schon Rümelin, Zufall im Recht, S. 30 ff.; ferner Esser, Gefährdungshaftung, S. 69 ff. 86 Vgl. dazu bereits oben § 2. 87 Zur Frage der Risikozuweisung bereits Söllner, AcP 167 (1967), S. 132 (137 f., 141); Trinkner, Anm. zu BAG AP Nr. 24 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 5. Vgl. auch schon BAG AP Nr. 4 zu § 133c GewO Bl. 1 R. 88 Dieses bezeichnet Canaris (Vertrauenshaftung, S. 481) zu Recht als die „entscheidende Aufgabe einer jeden Lehre von der Risikozurechnung"; vgl. dazu umfassend die Habilitationsschrift von Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen im Austauschverhältnis. Allgemein zur Risikozurechnung im Arbeitsrecht Koller, a.a.O., S. 383 ff. 81
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
durchbrochen ist und somit bestimmte Risiken dem Arbeitgeber auferlegt worden sind. Der Aspekt der Verschuldenszurechnung spielt dabei nur insofern eine Rolle, als durch ihn die Zuweisung einzelner Risiken geändert wird 8 9 . So ist dem Arbeitgeber nur das Risiko der vom Arbeitnehmer unverschuldeten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auferlegt, nicht hingegen das der verschuldeten. Unter dem Gesichtspunkt der Risikozurechnung ist allerdings entscheidend, ob sich das jeweilige Risiko auch verwirklicht hat. Das ist in den Fällen multipler Verhinderungsgründe deswegen fraglich, weil sich dort gerade mehrere Risiken realisieren. Hierbei nun den Grundsatz der „alleinigen" Ursache 90 als Zurechnungs- und nicht als Kausalitätslehre fruchtbar zu machen, um in diesen Fällen die Zurechnung stets auszuschließen, ginge zu weit. Dies könnte allein in den Konstellationen überzeugen, in denen nur eines der Risiken dem Arbeitnehmer einen Lohnfortzahlungsanspruch gewährt, das andere hingegen den Lohnanspruch entfallen ließe (z.B. beim Zusammentreffen von Krankheit und Streik). Doch etwa in dem bereits erwähnten Fall des arbeitsunfähig erkrankten Vaters, der zu Hause sein krankes Kleinkind pflegen muß, wäre es ein unbilliges Ergebnis, wenn ein Lohnfortzahlungsanspruch gänzlich versagt würde 91 . Da andererseits eine Doppelung der Ansprüche ersichtlich ausscheidet, stellt sich die Frage, welches Risiko zugerechnet wird und welches nicht. Zur Lösung des Problems überzeugt auch eine vorgeschlagene „zeitliche Betrachtungsweise", nach der stets die erste Ursache die maßgebliche sein soll, nicht 9 2 . Sie hilft ohnehin nur dann, wenn tatsächlich eine Ursache der anderen zeitlich vorangeht. Entscheidend sprechen aber ihre auf bloßen Zufälligkeiten beruhenden Ergebnisse gegen sie. Auch die im Sozialrecht anzutreffenden „Kausalitätslehren" helfen, selbst dogmatisch zutreffend als Zurechnungslehren qualifiziert, nicht weiter 93 . Nach der „sozialrechtlichen Wesentlichkeitstheorie" kommt es darauf an, ob eine Bedingung wesentlich für einen Erfolg war. Sowohl die Krankheit des Arbeitnehmers als auch die Pflege seines Kleinkindes waren in diesem Sinne wesentlich. Da spezifisch arbeitsrechtliche Lösungsansätze nicht ersichtlich sind 9 4 , ist für die Lösung des Problems vielmehr von Bedeutung, daß der Gesetzgeber 89 Dabei werden an das arbeitnehmerseitige Verschulden nur geringe Anforderungen gestellt - vgl. bereits oben § 3 A 3. 90 Zum im Lohnfortzahlungsrecht herrschenden Grundsatz der Monokausalität als Kausalitätslehre vgl. bereits oben § 5 A. 91 So auch Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 89. 92 Vgl. Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 88. Oetker spricht aber selbst davon, daß diese Methode nur „regelmäßig" eine sachgerechte Problemlösung bewirke. 93 Vgl. nur Ost/Mohr/Estelmann, Sozialrecht, S. 189 ff. 94 Vgl. oben § 5 Β 1 a.
Β. Multiple Verhinderungsgründe
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- teilweise im Tatbestand, teilweise in den Rechtsfolgen - die dem Arbeitgeber auferlegten Risiken nicht nur spezifiziert, sondern auch gewichtet hat 9 5 . So trägt er das Krankheitsrisiko des Arbeitnehmers nur für sechs Wochen und nur in Höhe des dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts. Zwischenzeitlich wurde das fortzuzahlende Entgelt sogar um 20% gesenkt 96 . Das Risiko der persönlichen Verhinderung ist dem Arbeitgeber hingegen nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit und in Höhe des ausgefallenen Lohnes zugewiesen. Das Risiko der Nichtbeschäftigung wegen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes ist dem Arbeitgeber in Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten dreizehn Wochen auferlegt usw. Anhand dieser gesetzlichen Gewichtungen hat die Zurechnung der Risiken zu erfolgen. Ausgehend von dem aus § 323 Abs. 1 BGB folgenden Grundsatz, nach dem der Arbeitnehmer die Vergütungsgefahr trägt, folgt im Falle einer Kumulation von Risiken, die der Arbeitgeber zu tragen hätte, daß er nur das geringste zu tragen hat. Denn nur insoweit ist eine Durchbrechung des § 323 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. So kommt es etwa in dem Fall des erkrankten Vaters, der zugleich sein Kleinkind pflegen muß, darauf an, ob das Risiko der Pflege eines Kleinkindes oder das Krankheitsrisiko geringer wäre. Dies ist zunächst eine Frage der konkreten Berechnung. Als etwa die Höhe des fortzuzahlenden Lohnes im Krankheitsfalle auf 80 vom Hundert gekürzt worden war, konnte der Arbeitnehmer während dieser Zeit unter Berufung auf § 616 BGB nicht den vollen Lohn verlangen. Daß er während seiner Krankheit zugleich sein Kind pflegen mußte, verhalf ihm nicht zu einem höheren Entgeltanspruch. Die Durchbrechung des § 323 Abs. 1 BGB war nur insoweit gerechtfertigt, als er Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verlangen konnte. Eine Besserstellung des Vaters gegenüber anderen erkrankten Arbeitnehmern wäre nicht zu rechtfertigen gewesen. Gleiches muß aber auch für den umgekehrten Fall gelten, bei dem das Risiko der Pflege des Kleinkindes geringer zu veranschlagen wäre, etwa dann, wenn ein Tarifvertrag die nach § 616 BGB maßgebliche Höhe des fortzuzahlenden Lohnes absenkte. Aus denselben Gründen wäre nur dieser geringere Lohn fortzuzahlen. Es ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigte, das Krankheitsrisiko zu privilegieren. Im Fall des Zusammentreffens mit § 616 BGB kann sogar insgesamt der Lohnfortzahlungsanspruch entfallen, wenn der Arbeitnehmer das Kleinkind für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit pflegt. Dieses Risiko ist nämlich allein dem Arbeitnehmer zugewiesen 97 . Mußte etwa das Kind in Begleitung des Vaters für drei Wochen 95 Zur Entwicklung der Lastenverteilung vgl. auch Heinze, NZA 1996, S. 785 ff.; femer unter (Über-)Betonung verfassungsrechtlicher Aspekte auch Kreßel, Lastenverteilung, Festschrift für Wolfgang Gitter, S. 491 ff. 96 Vgl. oben § 4 C.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
(also für einen verhältnismäßig erheblichen Zeitraum) in Kur, so kann der Vater auch dann keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangen, wenn er während der Kur selbst arbeitsunfähig erkrankte. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt die Durchbrechung des § 323 Abs. 1 BGB nicht, weil sich das Krankheitsrisiko nicht alleine, sondern neben dem der Pflege des Kleinkindes verwirklichte und letzteres Risiko vom Arbeitnehmer zu tragen war. Davon zu unterscheiden sind selbstverständlich die Fälle, in denen der Arbeitnehmer erkrankt ist und nur deshalb - quasi en passant - sein Kind pflegt, er aber trotz des erkrankten Kindes gearbeitet hätte, wäre er nicht selbst arbeitsunfähig krank gewesen. In diesen Fälle ermangelt es schon an der Kausalität der Pflege des kranken Kleinkindes für den Arbeitsausfall und damit zugleich an der Verwirklichung eines weiteren Risikos neben dem der Krankheit des Arbeitnehmers. Freilich läßt sich auch hinsichtlich der Zurechnung einzelner Risiken selbst wenn sie der Gesetzgeber näher spezifiziert hat - streiten. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Das BAG9S hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen ununterbrochen erkrankt war. Das Problem lag darin, daß innerhalb dieses Zeitraumes auch ein Arbeitskampf stattfand, in dessen Verlauf die Belegschaft ausgesperrt wurde. Es ging also um die Frage, ob durch den Arbeitskampf der sechswöchige Fristablauf gehemmt wurde. Vor allem unter Risikogesichtspunkten lehnte das BAG eine Hemmung ab. Im Arbeitskampf müßten beide Parteien ihre Risiken selbst tragen. Eine „Lohnfortzahlungsanwartschaft" bestehe nicht". Anders entschied das BAG100 in einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer unbezahlten Urlaub nehmen mußte. Bereits während dieses Urlaub wurde er arbeitsunfähig krank. Es kam nunmehr entscheidungserheblich auf den Fristbeginn der sechs Wochen an. Sollte die Frist bereits mit Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit oder erst mit dem Einsetzen der Lohnfortzahlung im Anschluß an den Urlaub zu laufen beginnen? Das BAG entschied sich für letzteres und begründete dies unter anderem damit, daß das dem Arbeitgeber auferlegte Risiko einer sechswöchigen Lohnfortzahlung ausgeschöpft werden könne, da dieses die ihm zugemutete Leistung zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer darstelle 101 . Für letztere Ansicht des BAG spricht nunmehr § 3 Abs. 1 Satz 2 EntgeltfortzG, der bestimmt, wann der Arbeitgeber zu einer neuerlichen sechswöchigen Lohnfortzahlung herangezogen werden kann, mithin die diesem auferlegte Last näher konkretisiert 102 . 97
Vgl. oben § 3 A 2. AP Nr. 29 zu § 1 LohnFG. 99 BAG AP Nr. 29 zu § 1 LohnFG Bl. 3 R. 100 AP Nr. 36 zu § 1 LohnFG. 101 BAG AP Nr. 36 zu § 1 LohnFG Bl. 2 R. 98
Β. Multiple Verhinderungsgründe
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Da es bei der Frage multipler Verhinderungsgründe um die Zurechnung von Risikobereichen geht, können Konstellationen, bei denen nur im Rechtssinne von verschiedenen Verhinderungsgründen gesprochen werden kann, als Scheinproblem enttarnt werden. Gemeint sind insbesondere die Fälle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, bei denen die Krankheit ein Beschäftigungsverbot zur Folge hat; zu denken ist etwa an ein Beschäftigungsverbot gemäß § 17 BSeuchG 103 usw. Hierbei bewirkt das dem Arbeitgeber zugewiesene Risiko, nämlich die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, nur zugleich ein Beschäftigungsverbot zum Schutze Dritter, ohne daß sich deshalb an der Risikotragung innerhalb des Arbeitsverhältnisses etwas ändern würde. Es verwirklicht sich also kein zusätzliches, vom Arbeitnehmer zu tragendes Risiko. Daraus kann allerdings nicht gefolgert werden - und auch dadurch wird belegt, daß es sich nicht um ein bloßes Problem der Gesetzeskonkurrenz handelt - , § 17 BSeuchG sei im Rahmen des § 3 EntgeltfortzG niemals zu berücksichtigen 104 . Es wäre nämlich anders zu entscheiden, wenn sich durch § 17 BSeuchG gleichwohl ein selbständiges Risiko verwirklicht. So ist etwa im Rahmen des § 17 BSeuchG gegebenenfalls der bloße Verdacht auf bestimmte Krankheiten ausreichend, welcher jedoch im Rahmen des § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG grundsätzlich nicht genügt. Insoweit mangelt es allerdings schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG, weshalb sich ein Zurechungsproblem dort nicht stellt 1 0 5 . Es ist aber auch die - zugegeben theoretische - Konstellation vorstellbar, daß ein Arbeitnehmer an Scharlach arbeitsunfähig erkrankt ist und gleichzeitig bei ihm der Verdacht auf eine weitere der in § 17 Abs. 1 Nr. 1 BSeuchG genannten Krankheiten besteht. Hier sind hinsichtlich des Scharlachs die Voraussetzungen des § 17 BSeuchG als auch des § 3 EntgeltfortzG erfüllt. Der Krankheitsverdacht bleibt aber daneben als vom Arbeitnehmer allein zu tragendes Risiko bestehen, weshalb ein Entgeltfortzahlungsanspruch entsprechend der oben entwickelten Grundsätze nicht bestünde 106 . Ebenso gestaltet sich das Verhältnis des § 3 Abs. 1 MuSchG i.V. mit § 11 MuSchG zu § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG. Gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem 102 Vgl. zur Problematik auch schon BAG AP Nr. 20 und 27 zu § 63 HGB; ferner Scholz, BB 1978, S. 311 ff. 103 Vgl. dazu auch BAG AP Nr. 6 zu § 6 LohnFG Bl. 1 R f. 104 So aber das BAG AP Nr. 6 zu § 6 LohnFG Bl. 1 R: Dieses gesetzl. Beschäftigungsverbot schließt Lohnfortzahlungsansprüche nicht aus. 105 In Betracht käme allenfalls ein Anspruch aus § 616 BGB; vgl. dazu BGH, DB 1979, S. 1367 (1369); DB 1979, S. 1371. 106 Es sei denn man würde einen persönlichen Verhinderungsgrund annehmen; vgl. die vorige Fußnote. Dann verbliebe es bei den bereits dargestellten Grundsätzen der Konkurrenz von § 616 BGB und § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet wären. Es ist auch hier denkbar, daß sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MuSchG als auch die des § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG gegeben sind und sich die Problematik multipler Verhinderungsgründe stellt. Das BAG107 hat das Problem gesehen, eine Stellungnahme aber dadurch vermieden, daß es sich auf die wohl kaum haltbare und nicht näher begründete These zurückzog, die Voraussetzungen des Beschäftigungsverbotes und eine auf der Schwangerschaft beruhende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit schlössen sich aus. Der Senat räumt zwar ein, daß es dabei für die Praxis zu schwierigen Abgrenzungsproblemen kommen könne; er billigt aber dem Arzt insoweit einen Beurteilungsspielraum zu, inwieweit die Beschwerden der schwangeren Frau Krankheitswert hätten (dann § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG) oder nicht (dann u.U. § 3 Abs. 1 MuSchG) 1 0 8 . Dies hätte jedoch die eigentümliche Konsequenz, daß die Beschäftigung einer Frau, die zunächst aufgrund von Beschwerden ohne Krankheitswert unter das Beschäftigungsverbot des § 3 Abs. 1 MuSchG fällt, nach Maßgabe des § 21 MuSchG sanktioniert werden könnte, die Beschäftigung hingegen dann sanktionslos möglich wäre, wenn die Beschwerden sich derart steigerten, daß eine Krankheit im Sinne des § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG vorläge 1 0 9 . Ein derartiges Ausweichmanöver des BAG vor der Kausalitäts- und Zurechnungsproblematik ist auch nicht berecht i g t 1 1 0 . Vielmehr ist davon auszugehen, daß eine regelwidrig verlaufende Schwangerschaft beide Tatbestände erfüllen kann, wobei dann der Arbeitgeber nach den soeben dargelegten Grundsätzen nur das geringere Risiko also in Anbetracht der Bezugsmethode des Mutterschutzrechts wohl regelmäßig das Risiko der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit 111 - zu tragen 107
AP Nr. 7, Nr. 10 und Nr. 11 zu § 3 MuSchG 1968; AP Nr. 12 zu § 11 MuSchG 1968; vgl. auch BSG, NZA 1991, S. 909 (910 f.); grundsätzlich zustimmend Gröninger/ThomaSy MuSchG, § 11 RdNr. 48; Meisel/Sowka y Mutterschutz, § 11 RdNr. 86; Schliemann/König, NZA 1998, S. 1030 (1031, 1033 f.); Zmarzlik/ Zipperer/Viethen, MuSchG, § 11 RdNr. 18. 108 Vgl. BAG AP Nr. 7 Bl. 2 R f., Nr. 10 Bl. 3 und Nr. 11 Bl. 2 R zu § 3 MuSchG 1968; zum Beweiswert einer ärtzlichen Bescheinigung LAG Düsseldorf\ NZA-RR 1999, S. 348 ff. 109 Vgl. auch Coester, Anm. zu BAG, SAE 1997, S .27 (29); Weyand, BB 1994, S. 1852 (1854). 110 Auch eine Negation des Kausalitätserfordemisses im Rahmen des § 11 Abs. 1 MuSchG wäre der falsche Weg, so aber ArbG Hameln, BB 1992, S. 354 (355 f.). Wegen dieser Problematik halten Schliemann/König (NZA 1998, S. 1030 [1033 f.]) andere Lösungen für nicht praktikabel, weil nach ihrer Ansicht die Aufgabe des Grundsatzes der Monokausalität eine Doppelung der Ansprüche zur Folge hätte. 1,1 Das war im Ergebnis auch die Ansicht des Ausschusses für Arbeit des Deutschen Bundestags im Gesetzgebungsverfahren, vgl. zu BT-Drucks. IV/3652 S. 6. Freilich findet sich dort keine dogmatische Einordnung der Problematik. Ebenso
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h ä t t e 1 1 2 . Dagegen läßt sich für das Mutterschutzrecht nicht anführen, die schwangere Frau dürfe dann nicht schlechter gestellt werden, wenn sie zudem noch krank s e i 1 1 3 . Z u m einen würde dies eine Besserstellung der werdenden Mutter hinsichtlich des Krankheitsrisikos bedeuten, für die es keine gesetzlichen Anhaltspunkte gibt; zum andern w i r d übersehen, daß der Arbeitgeber i m Fall des Beschäftigungsverbotes des § 3 Abs. 1 M u S c h G dieses Risiko durch die M ö g l i c h k e i t der Umsetzung der betroffenen Arbeitnehmerin abfangen k a n n 1 1 4 .
unter Heranziehung von Risikoüberlegungen auch Buchner/Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 43. Nach Birk, GK-EFZR, § 1 RdNr. 224, ist hingegen § 11 Abs. 1 MuSchG die umfassendere Regelung, weshalb diese § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG vorgehe. Soweit hierfür ferner vorgetragen wird, die werdende Mutter solle durch § 11 Abs. 1 MuSchG besser als im Fall der Krankheit geschützt sein {Birk, a. a. O.), ist dies zunächst eine nicht näher belegte These, die zudem übersieht, daß der Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit von § 11 Abs. 1 MuSchG gerade nicht geregelt wird - schon gar nicht umfassender. Hiergegen auch zu Recht BAG AP Nr. 7 zu § 3 MuSchG 1968 Bl. 3. 112 Art. 6 Abs. 4 GG steht einer solchen Lösung im übrigen nicht entgegen; derart konkrete Folgerungen lassen sich aus dieser Norm nämlich nicht ziehen; vgl. BVerwGE 61, 79 (84 f.); DVB1. 1984, S. 1216 (1217); zur Problematik auch BAG AP Nr. 7 zu § 3 MuSchG 1968 Bl. 3 f.; a.M. ArbG Hameln, BB 1992, S. 354 (355 f.). Ohnehin stellt sich die Frage eher im umgekehrten Sinne, da Art. 6 Abs. 4 GG die Mutter unter den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft stellt und der Gesetzgeber hier u.U. unzulässigerweise diese Pflichten an den Arbeitgeber weitergibt; vgl. dazu BVerfG AP Nr. 1 zu § 14 MuSchG 1968 Bl. 2 ff.; BAG AP Nr. 5 Bl. 3 ff., Nr. 6 Bl. 1 R ff. zu § 11 MuSchG 1968; AP Nr. 13 zu § 14 MuSchG 1968 Bl. 1 R ff.; Buchner/Becker, MuSchG, § 11 RdNr. 5 ff. Auf solche Überlegungen stellt auch Coester, Anm. zu BAG, SAE 1997, S. 27 (29 f.), ab, der deshalb den Arbeitgeber entlasten und auf der „Rechtsfolgenseite" der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit den Vorzug geben will. 113 So aber Gamillscheg, RdA 1968, S. 117 (118), der dazu auch den „Geist der Gesamtregelung" bemüht; Weyand, BB 1994, S. 1852 (1856). Überdenkenswert sind allenfalls die Ausführungen von Lembke, NZA 1998, S. 349 (352 f.), insbesondere hinsichtlich der historischen Auslegung der einschlägigen Vorschriften, nach der auch für eine krankhaft verlaufende Schwangerschaft § 11 Abs. 1 MuSchG im Verhältnis zu § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG lex specialis sein soll; dem zuneigend auch Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, § 11 RdNr. 19a f. Hierauf kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Allerdings stellt sich das Konkurrenzproblem auch dann, wenn eine von der Schwangerschaft unabhängige Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit führt. Soweit Lembke (a.a.O., S. 353) hierbei das Dogma der strikten Alternativität der Lohnfortzahlungstatbestände (entweder § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG oder § 3 Abs. 1 MuSchG i.V. mit § 11 MuSchG) aufrechterhalten will, ist ihm jedenfalls zu widersprechen. 114 Zur dann zulässigen Umsetzung vgl. nur BAG AP Nr. 10 zu § 3 MuSchG 1968 Bl. 2 R; AP Nr. 2 Bl. 2 R ff., Nr. 5 Bl. 2 R, Nr. 6 Bl. 2 R f. zu § 11 MuSchG 1968; Buchner/Becker, MuSchG, vor §§ 3-8 RdNr. 27 ff.; diese Möglichkeit des Arbeitgebers übersieht Weyand, BB 1994, S. 1852 (1856).
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
2. Spezialgesetzliche Regelungen multipler Verhinderungsgründe a) § 297 BGB § 297 BGB löst manche Konstellationen multipler Verhinderung auf tatbestandlicher Ebene dadurch, daß § 297 BGB den Annahmeverzug des Gläubigers (Arbeitgebers) dann nicht eintreten läßt, wenn der Schuldner (Arbeitnehmer) zur Bewirkung der Leistung außerstande i s t 1 1 5 . Dies wird vor allem dann praktisch, wenn der Arbeitnehmer etwa während des „Annahmeverzuges" des Arbeitgebers arbeitsunfähig erkrankt ist. Hier sind wegen § 297 BGB die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 615 BGB nicht erfüllt. Es verbleibt damit beim Anspruch aus § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG 1 1 6 . Daß dann der Arbeitnehmer gegebenenfalls auch einen höheren Lohnfortzahlungsanspruch als den aus § 615 BGB erhält, ist sachlich gerechtfertigt. Der Arbeitgeber soll aus der Nichtannahme der Leistung nämlich keinen Vorteil ziehen. Durch § 297 BGB darf aber der Blick auf die soeben dargelegte Risikozurechnung nicht verstellt werden. So kann zwar beim Zusammenfallen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit mit einem Fall des sog. Betriebsrisikos, z.B. eines Fabrikbrandes, der unter die Vorschrift des § 615 BGB zu subsumieren i s t 1 1 7 , der Anspruch aus § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Leistung der vertraglich geschuldeten Arbeit wäre ohnehin nicht möglich gewesen. Das Gesetz regelt über § 297 BGB nur mittelbar, welche Lohnfortzahlungsregelung Anwendung finden soll. Beide Risiken werden aber dem Arbeitgeber zugerechnet, weshalb der Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall bestehen bleibt. Anders wäre hingegen zu entscheiden, wenn § 615 BGB im konkreten Fall wirksam abbedungen wäre. Dann wäre nämlich die Vergütungsgefahr in den Fällen des Betriebsrisikos nicht mehr dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer zugewiesen, weshalb ein Anspruch aus § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG nach den soeben dargelegten Grundsätzen entfiele. Wegen dieser Grundsätze 118 ist es eigentlich auch nicht notwendig, den Wortlaut des § 297 BGB zu strapazieren und neben der schlichten Fähigkeit zur Leistung zudem die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers zu fordern 119 . Das BAG120 hat zwar entschieden, daß ein nicht leistungswilli-
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Zu den Voraussetzungen des § 297 BGB vgl. bereits oben § 3 D 3. Vgl. etwa BAG AP Nr. 50 Bl. 2, Nr. 60 Bl. 3 zu § 615 BGB; AP Nr. 52 zu § 616 BGB Bl. 1 R f.; EzA § 615 BGB Nr. 48, S. 200; Birk, GK-EFZR, § 1 RdNr. 222. 1,7 Vgl. zur Betriebsrisikolehre oben § 3 E. 118 Vgl. oben § 5 Β 1 b. 119 Vgl. bereits oben § 3 D 3. 116
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ger Schuldner sich selbst außer Stande setze, die geschuldete Leistung zu bewirken 1 2 1 . Die damit zusammenhängenden Kausalitäts- und Zurechnungsprobleme erfordern diese Qualifikation jedoch nicht. Allerdings bedarf diese Frage einer eingehenderen Untersuchung, die hier nicht vorgenommen werden kann und aufgrund der Ergebnisidentität für das hier relevante Problem auch dahinstehen mag. Zu bedenken ist jedenfalls, daß über die tatbestandliche Qualifikation einer Leistungsstörung entschieden wird und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen umfassend zu berücksichtigen sind. So könnte die Ansicht des BAG im Ergebnis deshalb zutreffen, weil es etwa unbillig erscheint, den nicht leistungsbereiten Schuldner in den Genuß der Vorteile des § 300 BGB kommen zu lassen. b) §2 Abs. 2 EntgeltfortzG Gemäß § 2 Abs. 2 EntgeltfortzG gilt die Arbeitszeit, die an einem gesetzlichen Feiertag gleichzeitig infolge Kurzarbeit ausfällt und für die an anderen Tagen als an den gesetzlichen Feiertagen Kurzarbeitergeld 122 geleistet wird, als infolge eines gesetzlichen Feiertages ausgefallen. Von dieser Regelung ist allerdings nicht die Gefahrtragung im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander betroffen; es wird lediglich das Entgeltrisiko für den gesetzlichen Feiertag von der Bundesanstalt für Arbeit auf den Arbeitgeber verlagert 123 . Der Arbeitnehmer erhält - sieht man von den in diesem Zusammenhang nicht weiter interessanten sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Sonderfragen a b 1 2 4 - den Lohn in Höhe des Kurzarbeitergeldes vom Arbeitgeber fortgezahlt 125 .
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AP Nr. 28 zu § 615 BGB Bl. 2 R f.; vgl. aber nunmehr BAG AP Nr. 77 zu §615 BGB Bl. 4 f.: Für die Beurteilung des Leistungsvermögens des Schuldners komme es nur auf objektive Umstände der Leistungsfähigkeit an. 121 Zustimmend MünchArbR/Boewer § 76 RdNr. 29; Staudinger/Löwisch § 297 RdNr. 12. 122 Zu den Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes vgl. §§169 ff. SGB III. 123 Vgl. BAG AP Nr. 33 Bl. 1 R f., Nr. 35 Bl. 2 R zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG mit Hinweisen zur Entstehungsgeschichte; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 2 RdNr. 102. 124 Dazu nur BAG AP Nr. 44 zu § FeiertagslohnzahlungsG Bl. 1 R ff.; Kleinsorge in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 2 RdNr. 41 ff.; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 2 RdNr. 104 ff. 125 Vgl. BAG AP Nr. 33 Bl. 1 R f., Nr. 44 Bl. 1 R zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; Kleinsorge in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 2 RdNr. 40; Niesel/Roeder § 179 SGB III RdNr. 11; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 2 RdNr. 103; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 785 f.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
c) § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG bestimmt, welches Entgelt im Falle des Zusammentreffens von Feiertag und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlen ist. Der Gesetzgeber hat damit das wohl praktisch am häufigsten vorkommende Konkurrenzproblem geregelt und sich für den Vorrang des Feiertags entschieden 126 . Das hatte vor allem Konsequenzen, als die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch auf 80% reduziert w a r 1 2 7 . § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG setzt aber voraus, daß der Arbeitgeber zur Fortzahlung des Lohnes auch nach § 3 EntgeltfortzG dem Grunde nach verpflichtet wäre. War hingegen der Arbeitnehmer bereits für sechs Wochen arbeitsunfähig krank und liegt nun in der siebten Woche ein Feiertag, so verschafft ihm § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Deswegen braucht § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG jedoch nicht so gelesen zu werden, als bestimme sich die Lohnfortzahlung tatbestandlich nach § 3 EntgeltfortzG und nur hinsichtlich der Rechtsfolgen nach § 2 EntgeltfortzG 1 2 8 . Vielmehr nimmt durch die Formulierung des § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG der Gesetzgeber den grundsätzlichen Vorrang der Feiertagszahlung für den Fall, daß dem Arbeitnehmer ohnehin kein Anspruch gemäß § 3 EntgeltfortzG zugestanden hätte, zurück. Es verbleibt dann bei den allgemeinen Grundsätzen. Ist jedoch an dem Feiertag in dem Betrieb gearbeitet worden und hätte auch der betroffene Arbeitnehmer arbeiten müssen, so ist § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG schon tatbestandlich nicht einschlägig. In diesem Falle stellt sich das vom Gesetzgeber geregelte Konkurrenzproblem nicht. Hier verbleibt es daher, soweit der Arbeitsausfall nicht noch auf weiteren Umständen beruht, bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall 129 . d) §4 Abs. 3 EntgeltfortzG Wird in einem Betrieb verkürzt gearbeitet und würde deshalb das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers im Falle seiner Arbeitsfähigkeit gemindert, so ist gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 EntgeltfortzG die verkürzte Arbeitszeit für ihre Dauer als die für den Arbeitnehmer maßgebende regelmäßige
126 Vgl. dazu MünchArbR/Schulin § 81 RdNr. 67; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 4 RdNr. 126 f. 127 Dazu nur Raab, NZA 1997, S. 1144 (1147 ff.) mit weiteren Nachweisen; ferner Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 808. 128 So aber Hold in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 4 Rdnr. 96; Raab, NZA 1997, S. 1144 (1146); Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 780; offengelassen von BAG AP Nr. 62 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 2 R. 129 Vgl. Hold in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 4 Rdnr. 98.
Β. Multiple Verhinderungsgründe
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Arbeitszeit anzusehen 130 . Mit dieser Regelung hinsichtlich des Verhältnisses von Kurzarbeit und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit scheint das Gesetz das Problem multipler Verhinderungsgründe erst auf der Rechtsfolgenseite und nicht schon im Tatbestand der Entgeltfortzahlungsnormen anzusiedeln. Doch der Schein trügt. Daß die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit den Arbeitgeber nur insoweit zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, als der Arbeitsausfall durch sie kausal verursacht wurde, ergibt sich bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG. Nur: Auch bei verkürzter Arbeitszeit erhält der Arbeitnehmer dem Grunde nach einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die daran anknüpfende Rechtsfolge, nach der dem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG bezeichneten Zeitraum das Entgelt fortzuzahlen ist, welches ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehen würde, scheint der Relevanz von gleichzeitiger Kurzarbeit - zumindest wenn diese nicht „regelmäßig" anfällt - entgegenzustehen. Durch das Merkmal der „Regelmäßigkeit" hat sich das in § 4 Abs. 1 EntgeltfortzG grundsätzlich festgeschriebene Lohnausfallprinzip nämlich stark der Bezugsmethode angenähert 131 . Diese mögliche Konsequenz will § 4 Abs. 3 Satz 1 EntgeltfortzG vermeiden 132 . Deshalb hat diese Norm einen eigenen Regelungsgehalt und nicht nur klarstellende Funktion 1 3 3 . Für Unklarheit sorgt allerdings die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 EntgeltfortzG. Danach gilt § 4 Abs. 3 Satz 1 nicht für den Fall des § 2 Abs. 2 EntgeltfortzG 134 . Das damit angesprochene Zusammentreffen dreier Verhinderungsgründe (Kurzarbeit, Feiertag, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit) löst deshalb Irritationen aus, weil manche § 4 Abs. 3 Satz 2 EntgeltfortzG als Ausnahmeregelung verstehen und die Ansicht vertreten, es sei entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 EntgeltfortzG nunmehr auf die regelmäßige Arbeitszeit abzustellen, weshalb in der Konsequenz das Arbeitsentgelt ungekürzt fortzuzahlen sei 1 3 5 . Ungeachtet dessen, daß die Angemessenheit eines derartigen Ergebnisses kaum mehr begründbar erscheint, ist darauf hinzuweisen, daß im Falle des Zusammentreffens von Krankheit und gesetzlichem Feiertag die Lohnfortzahlung im Interesse der Gleichbehandlung von arbeitsfähigen und krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Arbeitnehmern dem Feiertags130
Zum Ganzen vgl. nur Hold in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 4 RdNr. 99 ff.; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 4 RdNr. 129 ff. mit weiteren Nachweisen. 131 Zum Merkmal der Regelmäßigkeit vgl. bereits oben § 4 C. 132 Vgl. ErfKIDörner § 4 EntgeltfortzG RdNr. 56. 133 Vgl. ErfK IDörner § 4 EntgeltfortzG RdNr. 56; a.M. MünchArbR/Sc/iw/m § 82 RdNr. 32; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 4 RdNr. 129. 134 Zu diesem vgl. soeben § 5 Β 2 b. 135 So etwa Hold in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 4 RdNr. 103; MünchArbR/ Schulin § 82 RdNr. 32. 8 Gutzeit
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
recht überantwortet worden ist (vgl. § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG) 136 . Es besteht dann aber auch kein Grund, die Rechtsfolge der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle hinsichtlich des Kriteriums der „Regelmäßigkeit" selbst auch nur klarstellend - zu modifizieren. Die lohnfortzahlunsgrechtlichen Folgen bestimmen sich vielmehr ausschließlich nach dem Feiertagsrecht. Von der deshalb allein einschlägigen Regelung des § 2 Abs. 2 EntgeltfortzG wegen der gleichzeitig gegebenen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit abzuweichen, ist also nicht geboten, so daß sich die fortzuzahlende Höhe entsprechend dem Arbeitsengelt für die verkürzte Arbeitszeit bestimmt 1 3 7 . Man sollte daher § 4 Abs. 3 Satz 2 EntgeltfortzG lediglich als eine - wenn auch mißglückte - klarstellende Regelung auffassen 138 . e) § 78 Satz 2 BetrVG Die soeben entwickelten Grundsätze der Behandlung multipler Verhinderungsgründe 139 bedürfen einer Einschränkung, soweit einer der Verhinderungsgründe durch Betriebsratstätigkeit bedingt w a r 1 4 0 . Erkrankt etwa ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, so kann nicht davon ausgegangen werden, daß stets nur das geringere Risiko vom Arbeitgeber zu tragen sei. Zwar folgt dies nicht unmittelbar aus § 37 Abs. 2, 6, 7 oder § 38 Abs. 1 BetrVG. Doch sind diese Vorschriften letztlich Konkretisierungen des § 78 Satz 2 BetrVG 1 4 1 , nach dem Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen 1 4 2 . Dabei stützt nur das Verbot der Begünstigung die allgemeinen Grundsätze. Wenn also im geschilderten Beispiel das Krankheitsrisiko geringer zu veranschlagen wäre, 136 Vgl y osserl y Entgeltfortzahlung, RdNr. 573; vgl. auch schon BAG AP Nr. 35 Bl. 2 R, Nr. 62 Bl. 2 R zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG. Wohin es führt, wenn man § 4 Abs. 2 EntgeltfortzG derart liest, daß sich die Lohnfortzahlung - entgegen den obigen Ausführungen - tatbestandlich nach § 3 und nur hinsichtlich der Höhe nach § 2 EntgeltfortzG bestimmt, zeigen die Konstruktionen von Raab, NZA 1997, S. 1144 (1146 f.). 137 Vgl. Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 4 RdNr. 134 ff.; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 573. 138 Auch die Begründung zu § 4 Abs. 3 Satz 2 EntgeltfortzG des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß), BT-Drucks. 12/5798, S. 26, hebt hervor, daß ausgeschlossen werden solle, daß arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer an Feiertagen eine höhere Vergütung erhalten als arbeitsfähige Arbeitnehmer; vgl. ferner Ammermüller, DB 1975, S. 2373 (2374). 139 Vgl. oben § 5 Β 1 b. 140 Zum Arbeitsversäumnis wegen Betriebsratstätigkeit vgl. oben § 3 G. 141 Vgl. Kreutz, GK-BetrVG, § 78 RdNr. 4; Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 6 mit weiteren Nachweisen. 142 Dazu nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels § 78 RdNr. 12 ff.; Hess/Schlochauer/ Glaubitz § 78 RdNr. 10 ff.; Kreutz, GK-BetrVG, § 78 RdNr. 34 ff.
Β. Multiple Verhinderungsgründe
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verbliebe es bei den Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsf a l l 1 4 3 . Gleiches würde in zeitlicher Hinsicht gelten, wenn das Betriebsratsmitglied länger als sechs Wochen arbeitsunfähig krank i s t 1 4 4 . Hingegen verlangt das Benachteiligungsverbot eine Sonderbehandlung. Ist etwa für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall tarifvertraglich die Bezugsmethode vereinbart und wäre der für ein gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied nach dem Lohnausfallprinzip zu zahlende Lohn geringer, so ist gleichwohl der Lohn entsprechend den tarifvertraglichen Vorschriften fortzuzahlen; sonst wäre das Betriebsratsmitglied wegen seiner Tätigkeit benachteiligt. Soweit Voraussetzung ist, daß die Amtsausübung ursächlich für die Benachteiligung w a r 1 4 5 , kann diese Ursächlichkeit nicht deutlicher als durch die Regelung des § 37 Abs. 2 BetrVG bzw. des § 38 Abs. 1 BetrVG zum Ausdruck gebracht werden. Das Risiko des durch eine Betriebsratstätigkeit bedingten Arbeitsausfalls tritt mithin im Verhältnis zu anderen Verhinderungsgründen stets zurück 1 4 6 . Das Betriebsratsmitglied würde sonst wegen seiner Betriebsratstätigkeit entweder mehr oder weniger erhalten als ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Betriebs. Genau dieses verbietet § 78 Satz 2 BetrVG. Aus diesem Grunde ist auch die Ansicht von Reinecke 147 abzulehnen, nach welcher die Betriebsratsmitglieder in den Fällen der § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG ein zeitlich fest umrissenes Kontingent bezahlter Freistellung zu Schulungszwecken hätten. Daraus folge, daß das jeweilige Betriebsratsmitglied während einer Schulung stets einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung habe, selbst wenn zeitgleich zur Schulung ein Arbeitskampf stattfindet und das Betriebsratsmitglied deshalb seinen Anspruch verloren hätte, wäre es nicht auf der Schulung gewesen. Daß dieses Ergebnis in besonders eklatanter Weise gegen § 78 Satz 2 BetrVG verstieße, bedarf keiner näheren Darlegung.
143 Zur Berechnung der Höhe des fortzuzahlenden Lohnes bei freigestellen Betriebsratsmitgliedern, bei denen das Merkmal der „regelmäßigen Arbeitszeit" besondere Probleme bereitet, vgl. zutreffend Knipper, Freigestelltes Betriebsratsmitglied, S. 76 f. 144 Vgl. Knipper, Freigestelltes Betriebsratsmitglied, S. 73 f.; Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 231; vgl. zum Verhältnis zu sonstigen Verhinderungsgründen Wiese, GK-BetrVG, § 37 RdNr. 56. 145 Vgl. BAG, NZA 1993, S. 909 (910); Kreutz, GK-BetrVG, § 78 RdNr. 36. 146 Unzutreffend daher Staudinger/Oetker § 616 RdNr. 231, der die Lohnfortzahlung eines freigestellten und erkrankten Betriebsratsmitglieds auf § 37 Abs. 2 BetrVG stützt. Richtig Knipper, Freigestelltes Betriebsratsmitglied, S. 73 ff., die ihr Ergebnis allerdings nicht aus § 78 Satz 2 BetrVG ableitet, sondern sich - seltsamerweise - maßgeblich auf § 37 Abs. 4 BetrVG beruft. 147 DB 1991, S. 1168 (1173).
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
3. Sonderfall: Urlaub als „Verhinderungsgrund" Im Gegensatz zu den sonstigen Lohnfortzahlungsregelungen spielen Überlegungen zur Kausalität und Zurechnung des Arbeitsausfalls während des Urlaubs des Arbeitnehmers grundsätzlich keine entscheidende Rolle. Das Gesetz verlangt auch keine gesonderte Kausalitätsprüfung. Nach der Rechtsprechung des BAG haben selbst weder Streik 1 4 8 noch Aussperrung 149 Einfluß auf einen bewilligten Urlaub und - damit zusammenhängend - auf die Zahlung des während des Urlaubs fortzuzahlenden Entgelts 150 . Das ist deshalb zutreffend, weil es insoweit nicht um die Zuweisung von Risiken geht, die auf dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn" basieren 151 . Maßgeblich ist nämlich, daß der einzelne Arbeitnehmer ohnehin einen festen Urlaubsanspruch hat, der Arbeitgeber mithin „nur" Ansprüche des Arbeitnehmers erfüllt 1 5 2 . Ist der Arbeitnehmer etwa arbeitsunwillig und hätte er auch dann nicht gearbeitet, wenn ihm der Urlaub nicht gewährt worden wäre, dann ist diese Arbeitsunwilligkeit aus Sicht des Arbeitgebers (zumindest urlaubs- und entgeltfortzahlungsrechtlich) grundsätzlich 153 unbeachtlieh154. Diesen Grundsatz übersieht das BAG allerdings in den Fällen, in denen ein bereits streikender Arbeitnehmer die Gewährung von Urlaub begehrt. Hierbei vertritt es mit nur knapper Begründung die Auffassung, der betroffene Arbeitnehmer müsse sich zumindest vorübergehend zur Wiederauf148 Vgl. BAG AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG Bl. 1 f. (mit zust. Anm. Boldt); AP Nr. 121 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 3; in diesen Entscheidungen hatte das BAG allerdings hervorgehoben, daß der Urlaub schon zeitlich vor dem Arbeitkampf gewährt worden sei und der Arbeitnehmer sich nicht am Arbeitskampf beteiligt habe. 149 Vgl. BAG AP Nr. 58 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 1 R f.; zust. Bielstein, GK-BUrlG, § 1 RdNr. 149 ff. (153). 150 Vgl. etwa BAG AP Nr. 58 Bl. 1 R ff. zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG. 151 Α. M. etwa Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 1 RdNr. 22: Ausnahmeregelung zu § 323 BGB. Hingegen wird die Arbeitsleistung nicht unmöglich, sie wird erst gar nicht geschuldet. 152 Das betont auch das BAG AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG Bl. 1 R f. (Boldt); dahingehend auch BAG AP Nr. 58 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 1 R f.; Reinecke, DB 1991, S. 1168 (1172). Das BAG neigt allerdings dazu, sich von dieser Erkenntnis wieder zu lösen - hierzu sogleich. 153 Allenfalls kann sich in Ausnahmefällen die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen als rechtsmißbräuchlich erweisen, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr nur in sehr geringem Umfang oder überhaupt nicht gearbeitet hat; vgl. dazu nur Dersch/Neumann, BUrlG, § 9 RdNr. 19 ff.; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 1 RdNr. 81 ff. 154 Dem Arbeitgeber ist aber nicht die Möglichkeit eröffnet, solche Fehlzeiten nachträglich auf den Urlaub anzurechnen, weil dies den Erholungszweck des Urlaubs gefährden würde; vgl. dazu nur Dersch/Neumann, BUrlG, § 3 RdNr. 40 ff. m.w.N.
Β. Multiple Verhinderungsgründe
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nähme der Arbeit bereit erklärt haben, sonst könne er seinen Urlaubsanspruch nicht wirksam geltend machen 155 . Das ist urlaubsrechtlich nicht zutreffend. Zwar unterliegt auch die Gewährung des Urlaubs durch den Arbeitgeber während eines Arbeitskampfes grundsätzlich den allgemeinen Beschränkungen, die sich etwa aus § 7 Abs. 1 BUrlG ergeben 156 . Spezifische Regelungen für die Urlaubsgewährung während eines Arbeitskampfes existieren aber gerade nicht. Demgegenüber wäre es äußerst begrifflich, wenn man annähme, der Arbeitgeber könne den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, der auf völlige Freistellung von der nach dem Arbeitsverhältnis geschuldeten Arbeitspflicht gerichtet i s t 1 5 7 , während eines Arbeitskampfes deshalb nicht erfüllen, weil die Pflicht zur Arbeitsleistung aufgrund der Streikteilnahme schon suspendiert sei 1 5 8 . Damit würde verkannt, daß neben den Freistellungsanspruch untrennbar der Anspruch auf das Urlaubsentgelt 159 tritt. Dieser Anspruch kann jedenfalls erfüllt werden 160 . Ferner bestimmt sich gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG die Dauer des Urlaubs nach Werk- und nicht nach Arbeitstagen, 155 Vgl. BAG AP Nr. 22 zu § 7 BUrlG Bl. 3 (mit im Ergebnis zust. Anm. Rüthers/Beninca)\ ebenso LAG Nürnberg, NZA 1995, S. 854 (855); Löwisch/Krauß, AR-B lattei SD 170.3.1, RdNr. 24; Peteret, Anm. zu BAG EzA zu § 7 BUrlG Nr. 102, S. 5 ff.; weitergehend Dütz/Dörrwächter, Anm. zu BAG, SAE 1998, S. 157 (159 ff.); a.M. wohl Löwisch/Bittner, AR-Blattei SD 170.3.2, RdNr. 81. 156 Vgl. dazu bereits oben § 3 I. 157 Vgl. dazu etwa BAG AP Nr. 14 Bl. 2 R zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; AP Nr. 4 Bl. 2, Nr. 16 Bl. 1 R zu § 7 BUrlG Übertragung; AP Nr. 19 Bl. 2, Nr. 22 Bl. 3 R f. zu § 11 BUrlG; Dersch/Neumann, BUrlG, § 1 RdNr. 34. 158 So BAG AP Nr. 35 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 2; AP Nr. 22 zu § 7 BUrlG Bl. 3; LAG Nürnberg, NZA 1995, S. 854 (855); Bleistein, GK-BUrlG, § 1 RdNr. 147 f.; Dersch/Neumann, BUrlG, § 3 RdNr. 46; Dütz/Dörrwächter, Anm. zu BAG, SAE 1998, S. 157 (160 f.), allerdings im Widerspruch zu S. 163, wonach eine „freiwillige Urlaubsgewährung" „unproblematisch möglich" erscheint; Leinemann/ Linck, Urlaubsrecht, § 1 RdNr. 78; wie das BAG wohl auch Peterek, Anm. zu BAG EzA zu § 7 BUrlG Nr. 102, S. 10: Urlaub tritt hinter Arbeitskampf zurück. 159 Zu diesem und zu dessen Verhältnis zum Freistellungsanspruch vgl. zutreffend BAG AP Nr. 6 Bl. 3, Nr. 9 Bl. 2, Nr. 73 Bl. 2 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; AP Nr. 3 Bl. 3 zu § 394 BGB; Dersch/Neumann, BUrlG, § 1 RdNr. 65, 68 ff.; Hueck/ Nipperdey I, S. 432; Hohmeister, BB 1995, S. 2110; Staudinger/Richardi §611 RdNr. 883 f.; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S. 210 f.; nur im Grundsatz ähnlich Bleistein, GK-BUrlG, § 1 RdNr. 11 ff. - aber auch RdNr. 83 f.; unklar Weber, RdA 1995, S. 229 (232, vgl. auch S. 233); a.M. nunmehr BAG AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch Bl. 2 R; AP Nr. 6 Bl. 2, Nr. 16 Bl. 1, Nr. 19 Bl. 2, Nr. 22 Bl. 3 R, Nr. 29 Bl. 1 R f., Nr. 34 Bl. 2 f. zu § 11 BUrlG; AP Nr. 13 zu § 47 BAT Bl. 1 R; Kasseler Handbuch/Sc/iwYz, Urlaub 2.4., RdNr. 65 ff. und 72 ff.; Leinemann, DB 1983, S. 989 f.; ders., NZA 1985, S. 137 (139); ders., in MünchArbR § 87 RdNr. 1 ff.; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 1 RdNr. 25 ff. Vgl. auch die Ausführungen oben § 3 I. 160 So richtig Rüthers/Beninca, Anm. zu BAG AP Nr. 22 zu § 7 BUrlG Bl. 5 f.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
weshalb es auf die Arbeitsverpflichtung gerade nicht maßgeblich ankommt 1 6 1 . Auch liefe der Freistellungsanspruch während eines Arbeitskampfes nicht zwingend ins Leere, weil der streikende Arbeitnehmer stets damit rechnen muß, etwa zu Erhaltungsarbeiten 162 u.ä. herangezogen zu werden. Wegen seiner persönlichen Urlaubsplanung mag der Arbeitnehmer deshalb geneigt sein, trotz des Arbeitskampfes seinen Urlaubsanspruch geltend zu machen. Der urlaubsrechtliche Freistellungsanspruch ist mithin umfassender. Schließlich stellt es einen Widerspruch zur früheren Rechtsprechung des Gerichts dar, nach der Streik und - vor allem auch - Aussperrung einen bereits bewilligten Urlaub unberührt lassen 163 . Wollte das BAG an dieser Rechtsprechung festhalten, wäre es beliebig, die Konkurrenzfrage abhängig vom (zufälligen) Zeitpunkt der Urlaubsbewilligung zu entscheiden 164 . Ferner verlangt auch die mit dem Urlaubsanspruch bezweckte Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft und Gesundheit des Arbeitnehmers 1 6 5 keine restriktive Interpretation. Es kann im Gegenteil gerade im Interesse des Arbeitnehmers liegen, den Urlaub während des Arbeitskampfes gewährt zu bekommen. Zum einen erhält der Arbeitnehmer das Urlaubsentgelt gem. § 11 Abs. 1 BUrlG, zum anderen kann er aus den bereits erwähnten persönlichen Gründen, etwa einer kurzfristig geplanten Urlaubsreise, daran interessiert sein, auch während eines Arbeitskampfes für einen von vornherein feststehenden Zeitraum von seinen Arbeitspflichten befreit zu werden. Die vom BAG verlangte Bereitschaftserklärung zur zumindest 161 Zutreffend wird in der Begründung des Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes der CDi//C5i/-Fraktion (BT-Drucks. IV/207, S. 4) darauf hingewiesen, daß grundsätzlich auch arbeitsfreie Kalendertage als Urlaubstage anzusehen seien. Vgl. hierzu unten § 5 Β 3 b. 162 Dazu nur Löwisch/B ittner, AR-Blattei SD 170.2, RdNr. 218 ff.; zur Auswahl der Arbeitnehmer vgl. dies., a.a.O., RdNr. 225 f. 163 Vgl. zum Streik BAG AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG Bl. 1 f.; zur Aussperrung BAG AP Nr. 58 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 1 R f. 164 Α. M. Dütz/Dörrwächter, Anm. zu BAG, SAE 1998, S. 157 (162 f.), die dieses arbeitskampfrechtlich begründen - dazu sogleich. Nach Ansicht des BAG (AP Nr. 19 zu § 7 BUrlG Bl. 2 R; AP Nr. 15 zu § 9 BUrlG Bl. 1 R f.) wird der Arbeitgeber von seiner Freistellungsverpflichtung gem. § 275 Abs. 1 BGB dann frei, wenn die Freistellung nach der Festlegung des Urlaubszeitraums unmöglich werde, weil er dann das zu seiner Leistung Erforderliche getan habe. Das könnte die Unterscheidung nach dem Bewilligungszeitpunkt zwar rechtfertigen, ist aber schon deshalb abzulehnen, weil es auf die Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers gerade nicht ankommt, die Freistellung mithin nicht unmöglich wird. Legt der Arbeitgeber also einen Urlaubszeitraum fest, so erfüllt er damit die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers auch dann, wenn dieser zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet war. Zu dieser Entscheidung richtig Coester, Anm. zu BAG, SAE 1995, S. 197 (198): „.. .warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?". Vgl. auch unten § 5 Β 3 a. 165
Zum Zweck vgl. nur BAG AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch Bl. 6.
Β. Multiple Verhinderungsgründe
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vorübergehenden Wiederaufnahme der Arbeit erscheint dabei als entbehrlicher Formalismus 166 . Arbeitskampfrechtliche Gründe vermögen die Ansicht des BAG gleichfalls nicht zu stützen. In Betracht käme allenfalls der Grundsatz der Kampfparität 1 6 7 , der es verbieten könnte, statt zu streiken, (kollektiv) Urlaub zu nehmen, um ein vermeintlich optimales Ergebnis - nämlich Arbeitsausfall und Urlaubsentgelt - zu erzielen 168 . Dagegen spricht jedoch schon zweierlei: Der Arbeitgeber hat erstens die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer ohnehin zu erfüllen. Mit urlaubsbedingtem Produktionsausfall muß er stets kalkulieren, so daß die Folgen einer solchen (kollektiven) Maßnahme ihn nicht zusätzlich treffen würden 1 6 9 . Die kollektive Geltendmachung von Urlaubsansprüchen ist daher schon kein taugliches Kampfmittel 1 7 0 . Im Hinblick auf den Grundsatz der Kampfparität ließe sich eher umgekehrt argumentieren, daß dieser erst dann zum Nachteil des Arbeitgebers gefährdet wäre, wenn die Urlaubsgewährung während des Arbeitskampfes nicht möglich wäre. Denn es drohte insbesondere bei lang andauernden Arbeitskämpfen eine „Lawine an Urlaubsanträgen" im Anschluß an den Arbeitskampf loszubrechen, obgleich der Arbeitgeber die Arbeitskraft der Arbeitnehmer gerade in dieser Zeit dringend benötigen könnte 1 7 1 . Das spricht auch gegen die Ansicht von Rüthers und Beninca, nach welcher der Grundsatz der
166 Es werden sogar Stimmen laut, die Bereitschaftserklärung des Arbeitnehmers könne rechtsmißbräuchlich sein, wenn sie nur zum Zwecke der Urlaubsgewährung eingesetzt würde; so LAG Nürnberg, NZA 1995, S. 854 (856); Dütz/Dörrwächter, Anm. zu BAG, SAE 1998, S. 157 (161). 167 Zu diesem vgl. ausführlich oben § 3 F 2. 168 Dahingehend BAG AP Nr. 35 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 2, 2 R; DützJ Dörrwächter, Anm. zu BAG, SAE 1998, S. 157 (161 ff.); Loritz, Anm. zu BAG AP Nr. 122 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 4 R; Mayer-Maly, Anm. zu BAG AP Nr. 35 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 4; Rüthers/Beninca, Anm. zu BAG AP Nr. 22 zu § 7 BUrlG Bl. 7 R f. In einer jüngeren Entscheidung vom 24. 9. 1996 (AP Nr. 22 zu § 7 BUrlG) hat aber das BAG gar nicht erst versucht, sein Ergebnis mit derartigen Erwägungen zu untermauern. Vgl. auch BAG AP Nr. 114 Bl. 3 R, Nr. 122 Bl. 3 zu Art. 9 GG Arbeitskampf: Entgeltfortzahlungsansprüchen während eines Streiks steht der Paritätsgrundsatz nicht entgegen. 169 Vgl. auch die Ausführungen von Boldt, Anm. zu BAG AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG Bl. 3; Löwisch/Bittner, AR-Blattei SD 170.3.2, RdNr. 80; allgemein zu Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen hinsichtlich des Urlaubs während eines Arbeitskampfes BAG AP Nr. 58 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 2.; Löwisch/ Bittner, a.a.O., RdNr. 81. 170 Vgl. dazu auch Rüthers/Beninca, Anm. zu BAG AP Nr. 22 zu § 7 BUrlG Bl. 7 f., die aber die kollektive Geltendmachung von Urlaubsansprüchen als Kampfmittel begreifen. 171 Diese Überlegungen stellen auch Rüthers/Beninca, Anm. zu BAG AP Nr. 22 zu § 7 BUrlG Bl. 6 R, 7 R m.w.N. und Dütz/Dörrwächter, Anm. zu BAG, SAE 1998, S. 157 (162), an.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
Kampfparität deshalb verletzt sei, weil sich der Arbeitskampf durch die Urlaubsgewährung und der damit verbundenen (Teil-)Finanzierung durch den Arbeitgeber verlängern könne 1 7 2 . Die Aussicht eines zusätzlichen urlaubsbedingten Arbeitsausfalles im Anschluß an den Arbeitskampf dürfte den Arbeitgeber wesentlich stärker belasten als die Erfüllung von Urlaubsansprüchen während des Arbeitskampfes. Dies kann auch nicht mit der formalen Begründung entkräftet werden, die Urlaubsgewährung nach einem Arbeitskampf sei lediglich nach urlaubsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, weil sie eben erst später erfolge, sich auf den Arbeitskampf deshalb nicht auswirken könne und mithin die Kampfparität nicht berühre 173 . Wenn schon der diffuse Begriff der Kampfparität in die Diskussion eingeführt wird, dann können das damit angesprochene Verhandlungsgleichgewicht nicht beliebig bestimmt und erkennbare Folgelasten willkürlich ausgeblendet werden 1 7 4 . Zweitens: Soweit der Arbeitgeber durch einen ungünstigen Zeitpunkt des (kollektiven) Urlaubs „getroffen" würde, ist zu berücksichtigen, daß der Urlaub von ihm erst gewährt werden muß. Dies kann gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG etwa dann unterbleiben, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Daran knüpft ein letztes Argument. Sähe man die Kampfparität zum Nachteil des Arbeitgebers gleichwohl gefährdet, so kann die Wahrung dieses Grundsatzes auch dadurch hinreichend gesichert werden, daß man dem Arbeitgeber entgegen § 7 Abs. 1 B U r l G 1 7 5 völlig freistellt, inwieweit er Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer während eines Arbeitskampfes erfüllen will oder nicht. Er bedarf dann nicht des (bevormundenden) Schutzes, wenn er Urlaub gleichwohl gewährt.
172 Anm. zu BAG AP Nr. 22 zu § 7 BUrlG Bl. 7 R f.; ebenso Dütz/Dörrwächter, Anm. zu BAG, SAE 1998, S. 157 (161 f.). 173 So Dütz/Dörrwächter und Rüthers/Beninca jeweils a. a. Ο. 174 Wie sehr der Paritätsgrundsatz zur Willkür einlädt, zeigt die Konstruktion von Dütz/Dörrwächter, Anm. zu BAG, SAE 1998, S. 157 (162 f.), nach der ein vor dem Arbeitskampf bewilligter, aber erst während des Arbeitskampfes angetretener Urlaub die Kampfparität nicht beeinträchtige, weil die Urlaubsgewährung außerhalb des Arbeitskampfes nicht nach arbeitskampfrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sei. Anderes könne nur gelten, „wenn Urlaub im Vorfeld eines geplanten Streiks systematisch beantragt wird, um hierdurch den bevorstehenden Streik gegebenenfalls auf Kosten des ArbGeb verlängern zu können". Dies stelle eine „Umgehung" der Kampfparität dar. Nach dieser Konstruktion geht es nicht einmal mehr um Folgelasten. 175 Vgl. dazu oben § 3 I.
Β. Multiple Verhinderungsgründe
121
a) Urlaub und Krankheit: § 9 BUrlG Der Urlaub dient der Wiederauffrischung und Erhaltung der Arbeitskraft und Gesundheit des Arbeitnehmers 176 . Fällt eine Krankheit des Arbeitnehmers in den Urlaubszeitraum, so würde dieser Zweck gefährdet werden. Deshalb sieht § 9 BUrlG eine Durchbrechung des oben dargestellten Grundsatzes vor, nach dem die Urlaubsgewährung auch für solche Tage möglich ist, an denen keine Arbeitspflicht besteht 177 . Nach dieser Vorschrift können Tage krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden, sofern diese Tage durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen sind 1 7 8 . Das Risiko krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit verbleibt mithin trotz des Urlaubs des Arbeitnehmers beim Arbeitgeber. Entsprechend des Zwecks des § 9 BUrlG ist aber einschränkend zu verlangen, daß die Krankheit tatsächlich den Erholungszweck vereiteln würde 1 7 9 . Das ist zwar regelmäßig anzunehmen, wäre aber etwa dann nicht der Fall, wenn sich ein Pianist lediglich den Finger verstaucht 180 . Durch die Regelung des § 9 BUrlG wird die Krankheit zur einzigen Ursache des Arbeitsausf alls 181 im Sinne des § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG. Die Lohnfortzahlung richtet sich für diese Tage dann nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. § 9 BUrlG gilt nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern ebenso für (unbezahlten) Sonderurlaub, wenn dieser Erholungszwecken des Arbeitnehmers dient 1 8 2 . Seine Wertung ist ferner auch in anderen Konstellationen zu berücksichtigen. Entsprechend den oben aufgezeigten Grundsätzen 1 8 3 hindert etwa ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot die 176
Vgl. nur BAG AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch Bl. 6. Vgl. oben § 5 Β 3. Nicht überzeugend ist aufgrund des unzutreffenden Ansatzes die dogmatische Konstruktion von Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 9 Rdnr. 1 ff., die § 9 BUrlG als Ausnahmeregelung zu § 275 Abs. 1 BGB verstehen - dazu oben Fn. 151. Wie Leinemann/Linck auch BAG AP Nr. 3 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW Bl. 2. 178 Zur Nachweisproblematik vgl. nur Dersch/Neumann, BUrlG, § 9 RdNr. 5 ff. m.w.N. 179 Vgl. LAG Düsseldorf,\ DB 1975, S. 159 (160); LAG Hamm, BB 1979, S. 889; Dersch/Neumann, BUrlG, § 9 RdNr. 7; Nöth y AR-Blattei SD 1640.4, RdNr. 34 ff.; Stahlhacke, GK-BUrlG, § 9 RdNr. 7 f.; a.M. LAG Frankfurt a.M. y BB 1966, S. 944 f.; ErfKIDörner, § 9 BUrlG RdNr. 10; Leinemann/Linck,, Urlaubsrecht, § 9 RdNr. 8. 180 So das Beispiel von Dersch/Neumann, BUrlG, § 9 RdNr. 7. 181 Vgl. BAG AP Nr. 3 Bl. 3, Nr. 4 Bl. 2, Nr. 5 Bl. 2 zu § 9 BUrlG. 182 Vgl. etwa BAG AP Nr. 2 Bl. 2 zu § 7 BUrlG Betriebsferien; AP Nr. 5 zu § 9 BUrlG Bl. 1 R f. - allerdings ist § 9 BUrlG dann nicht mehr zwingend: vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 9 BUrlG Bl. 1 R f.; ferner BAG AP Nr. 15 Bl. 2 und Nr. 53 Bl. 1 R f. zu § 1 LohnFG; siehe auch Reinecke, DB 1991, S. 1168 (1171, 1174 f.). 177
122
§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
Urlaubsgewährung nicht schon deshalb, weil seitens der Arbeitnehmerin ohnehin keine Arbeitspflicht 184 besteht 185 . Es ist in diesen Fällen aber entsprechend § 9 BUrlG zu prüfen, inwieweit die mit dem Urlaub bezweckte Erholung auch während solcher Zeiten erreicht werden kann 1 8 6 . Dies mag im Mutterschutzrecht während der Schutzfristen vor und nach der Entbindung zweifelhaft sein, weshalb diese Zeiten auf den Urlaub nicht angerechnet werden können 1 8 7 ; soweit hingegen das Beschäftigungsverbot schlicht an die Gefahren eines bestimmten Arbeitsplatzes o. ä. anknüpft, steht der Erholung der Arbeitnehmerin und damit der Urlaubsgewährung nichts im Wege 1 8 8 . Diese Überlegungen gelten für das Zusammentreffen mit weiteren Verhinderungsgründen jeweils entsprechend 189 . b) Urlaub und Feiertag: § 3 Abs. 2 BUrlG Gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG beträgt der Urlaub jährlich mindestens 24 Werktage. Nach § 3 Abs. 2 BUrlG gelten als Werktage alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Damit wird in erster Linie die Dauer des Mindesturlaubs geregelt. Zweck des § 3 Abs. 2 BUrlG ist ausweislich der Begründung eines Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes der CDÎ//C5 [/-Fraktion 1 9 0 nur die Klarstellung, daß grundsätzlich auch arbeitsfreie Kalendertage als Urlaubstage anzusehen sind, was vor allem die Sonnabende 191 betrifft. Die urlaubsrechtliche Sonderstellung der Sonn- und 183
Vgl. die Ausführungen soeben unter § 5 Β 3. Vgl. zu den Sonn- und gesetzlichen Feiertagen sogleich unter § 5 Β 3 b. 185 Irreführend BAG AP Nr. 19 zu § 7 BUrlG Bl. 2 R.; hingegen geht das BAG AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG, von der grundsätzlichen Möglichkeit der Urlaubsgewährung trotz mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote aus. Zutreffend Coester, Anm. zu BAG, SAE 1995, S. 197: Der Hinweis auf die ohnehin entfallene Arbeitspflicht sei „vordergründig-formal". 186 Vgl. Stahlhacke, GK-BUrlG, § 9 RdNr. 4 f. 187 So LAG Düsseldorf/Köln, DB 1974, S. 1872; Buchner/Becker, MuSchG, vor §§ 3-8 RdNr. 39; Coester, Anm. zu BAGy SAE 1995, S. 197; Meisel/Sowka, Mutterschutz, vor § 3 RdNr. 25a. 188 Vgl. Buchner/Becker, MuSchG, vor §§ 3-8 RdNr. 39; Coester, Anm. zu BAG, SAE 1995, S. 197 (197 f.); Meisel/Sowka, Mutterschutz, vor § 3 RdNr. 26 ff.; MünchArbRIHeenen § 219 RdNr. 13; einschränkend Zmarzlik/Zipperer/Viethen y MuSchG, vor § 3 RdNr. 13 ff. (15): nur bei Betriebsferien; a.M. Kanzlsperger, AuR 1997, S. 192 ff., mit allerdings abenteuerlicher Begründung. Zum denkbaren aber abwegigen - Einwand der Geschlechtsdiskriminierung vgl. zutreffend Coester, a.a.O., S. 198. 189 Vgl. etwa die S ach Verhaltskonstellationen in BAG AP Nr. 1 zu § 12 ArbPlatzSchutzG: Musterungstag; AP Nr. 91 zu § 611 BGB Urlaubsrecht: Niederkunft der Ehefrau; AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Nachurlaub: Beerdigung des Vaters; vgl. dazu ausführlich Β leiste in y GK-BUrlG, § 1 RdNr. 32 ff. m.w.N. zum Streitstand. 190 BT-Drucks. IV/207, S. 4. 184
Β. Multiple Verhinderungsgründe
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gesetzlichen Feiertage erklärt sich aus der mit dem Erholungsurlaub im wesentlich gleichen Schutzrichtung 192 . Wenn auch die mit der Urlaubsgewährung bezweckte Wiederauffrischung und Erhaltung der Arbeitskraft und der Gesundheit der Arbeitnehmer schon aufgrund der Dauer der Freistellung nachhaltiger verwirklicht werden kann als an den Sonn- und gesetzlichen Feiertagen, so dienen doch auch letztere der „Erhebung" 1 9 3 und damit der Regeneration der Arbeitnehmer. Das entspricht Art. 140 GG i.V. mit Art. 139 WRV, wonach der „Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage" als „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt" bleiben. Diesen verfassungsrechtlich eingeforderten Schutz gewährleistet seit dem 1.7.1994 § 9 ArbZG, der als Nachfolgeregelung des § 105a GewO unterschiedslos für alle Beschäftigungsbereiche gilt; danach dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden. Das in § 3 Abs. 2 BUrlG ausgesprochene Verbot der Anrechnung von Sonn- und gesetzlichen Feiertagen auf den Mindesturlaubsanspruch, sichert die Urlaubsgewährung zusätzlich zu diesen 194 . Damit tragen Sonnund gesetzliche Feiertagen aber zugleich ihr eigenes rechtliches Schicksal 1 9 5 . Die Lohnfortzahlung an Feiertagen bestimmt sich deshalb auch dann nach § 2 EntgeltfortzahlungsG, wenn der Feiertag innerhalb eines zusammenhängend gewährten Urlaubszeitraums liegt 1 9 6 . Ein Anspruch gemäß den 191 Zur urlaubsrechtlichen Behandlung arbeitsfreier Samstage, die hier nicht weiter vertieft werden soll, vgl. nur Dersch/Neumann, BUrlG, § 3 RdNr. 30 ff.; Leinemann/Linck y Urlaubsrecht, § 3 RdNr. 10 ff. Der Streit rankt sich im wesentlichen um die Frage der An- oder Umrechnung arbeitsfreier Tage. 192 Demgegenüber meinen Leinemann/Linck y Urlaubsrecht, § 3 RdNr. 18, Sonnund gesetzliche Feiertage würden deshalb nicht angerechnet, weil sie grundsätzlich arbeitsfrei sind. Das ist schon deshalb unzutreffend, weil hinsichtlich der Dauer der Urlaubstage nicht auf Arbeits-, sondern auf Werktage abgestellt wird, folglich die Frage der Verpflichtung zur Arbeitsleistung gerade keine Rolle spielt; vgl. dazu oben § 5 Β 3. 193 Vgl. etwa § 5 des Gesetzes über die Sonntage und Feiertage des Landes Baden-Württemberg vom 8. 5. 1995 (GBl. S. 450); § 1 Abs. 3 der Verordnung über den Schutz der Sonn- und Feiertage des Landes Berlin vom 28. 10. 1954 (abgedruckt in Nipperdey y Arbeitsrecht, Nr. 255). 194 Vgl. BAG AP Nr. 94 zu § 611 BGB Urlaubsrecht Bl. 3; Dersch/Neumanny BUrlG, § 3 RdNr. 27. 195 Das hat das BAG AP Nr. 58 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 1 R ff., verkannt, als es annahm, die Lohnfortzahlung für Feiertage während eines Urlaubs würde von einer zwischenzeitlich erklärten Aussperrung nicht berührt. Der Arbeitnehmer sei auch an den Sonn- und gesetzlichen Feiertagen „im Urlaub" - so BAG a.a.O., Bl. 2 R; zust. allerdings MünchArbR ! Boewer § 79 RdNr. 11. 196 Vgl. BAG AP Nr. 15 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 1 R; AP Nr. 94 zu § 611 BGB Urlaubsrecht Bl. 3; Bleisteiny GK-BUrlG, § 3 RdNr. 23; Dersch/Neumanny BUrlG, § 3 RdNr. 27.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
§§ 1, 11 Abs. 1 und 2 BUrlG scheidet für den feiertagsbedingten Arbeitsausfall mithin grundsätzlich aus. Es gelten vielmehr die allgemeinen oben entwickelten Grundsätze 197 . Ein Sonderproblem stellt sich jedoch dann, wenn trotz eines Feiertags (etwa aufgrund der Ausnahmeregelung des § 10 ArbZG) in einem Betrieb gearbeitet wird. In diesem Fall liefe die mit § 3 Abs. 2 BUrlG bezweckte Gewährung von Erholungsurlaub zusätzlich zu dem Sonn- und gesetzlichen Feiertag ins Leere. Fehlt es nämlich bereits an der feiertagsbedingten Freistellung, so kann der Urlaub auch nicht zusätzlich gewährt werden. Deshalb kann das Anrechnungsverbot des § 3 Abs. 2 BUrlG in diesen Fällen keine Anwendung finden 1 9 8 . Der Arbeitnehmer kann an solchen Tagen vielmehr Urlaub nehmen und erhält einen Anspruch auf das Urlaubsentgelt gemäß den §§ 1 und 11 Abs. 1 B U r l G 1 9 9 . Unzutreffend wäre es demgegenüber auch für diese Fälle Lohnfortzahlung gemäß (oder entsprechend) § 2 EntgeltfortzG zu gewähren 200 .
C. Hypothetische Kausalverläufe Neben den soeben behandelten Konstellationen „echter" Doppelkausalität sind auch Fälle denkbar, in denen nur eine Bedingung für den Arbeitsausfall kausal war, eine weitere hingegen nur wegen dieser nicht wirksam werden konnte. Angesprochen sind etwa die unterbliebene Streikteilnahme eines Arbeitnehmers aufgrund dessen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, die Beendigung (oder Unterbrechung) eines Streiks wegen eines Feiertages usw. Dabei kann von hypothetischer Kausalität gesprochen werden. Ob hypothetische Kausal Verläufe im Rahmen der Zurechnung 201 berücksichtigt werden müssen, ist umstritten. Ohne das Ergebnis dieser Frage vorwegzunehmen, ist vorab auf eines hinzuweisen: Sollte eine hypothetische Bedingung zu berücksichtigen sein, so kann für ihre rechtliche Behandlung nichts anderes gelten, als bei den soeben behandelten Fällen multipler Verhinderungsgründe. Auch hier trüge der Arbeitgeber nur das geringere 197
Vgl. oben § 3 C sowie § 5 A und Β. Vgl. Leinemann/Lincky Urlaubsrecht, § 3 RdNr. 27; Nikischy Anm. zu BAG AP Nr. 94 zu § 611 BGB Urlaubsrecht Bl. 6 R; a.M. BAG AP Nr. 94 zu § 611 BGB Urlaubsrecht Bl. 3 f.; Dersch/Neumanriy BUrlG, § 3 RdNr. 27. 199 Vgl. ErfK/Dörner> § 3 BUrlG, RdNr. 22; Leinemann/Lincky Urlaubsrecht, § 3 RdNr. 27; a.M. BAG AP Nr. 94 zu § 611 BGB Urlaubsrecht Bl. 3 f., nach dessen Ansicht der Arbeitnehmer kein Entgelt erhalten soll. 200 So aber Bleistein, GK-BUrlG, § 3 RdNr. 23; Dersch/Neumanny BUrlG, § 3 RdNr. 27. 201 Bei diesem Problem handelt es sich nicht um eine Kausalitätsproblem; vgl. dazu bereits oben § 5 A sowie Belling/Hartmanny ZfA 1994, S. 519 (522 Fn. 15); Larenz, Schuldrecht AT, S. 525; Staudinger/Medicus § 249 RdNr. 98. 198
C. Hypothetische Kausalverlufe
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Risiko. Erst recht können sich hypothetische Bedingungen im Rahmen der Zurechnung nicht stärker auswirken als tatsächlich wirksam gewordene. Vielmehr sind sie, wie tatsächlich wirkende Zweitursachen auch, z.B. während des Urlaubs des Arbeitnehmers grundsätzlich ohne Bedeutung 202 usw. Deshalb handelt es sich um ein Scheinproblem, wenn verschiedentlich die Konsequenzen einer hypothetischen Streikteilnahme des Arbeitnehmers während eines bewilligten Urlaubs problematisiert werden 2 0 3 . Im folgenden kann es also nur darum gehen, ob hypothetische Kausalverläufe zu berücksichtigen sind, nicht hingegen, wie sie zu berücksichtigen sind.
1. Rechtsprechung und Literatur Die Frage der Relevanz hypothetischer Kausalverläufe im Lohnfortzahlungsrecht war schon mehrfach Gegenstand der Rechtsprechung. Von einer einheitlichen oder gar gefestigten Rechtsprechung zu dieser Problematik kann hingegen nicht die Rede sein. Vielmehr dürften sich die insoweit einander widersprechenden Entscheidungen in etwa die Waage halten 2 0 4 ; eine eingehende Begründung der Ergebnisse wird regelmäßig nicht gegeben. Besonders deutlich werden die Diskrepanzen der Rechtsprechung an zwei Entscheidungen des LAG Berlin. Am 12. Dezember 1990 entschied die 13. Kammer des Gerichts 205 , daß ein Arbeitnehmer, der schon vor Streikbeginn arbeitsunfähig erkrankt war, keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall habe, wenn er sich ohne die Erkrankung am Streik beteiligt hätte. Ein solcher Arbeitnehmer müsse die Folgen eines kollektiven Arbeitskampfes ebenso tragen wie seine arbeitsfähigen Mitstreikenden 206 . Nicht einmal drei Monate später, am 8. März 1991, entschied die 5. Kammer des LAG Berlin 207 bei entsprechendem Sachverhalt gegenteilig: Ein Lohnfortzahlungsanspruch wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit entfalle nicht wegen bloß hypothetischer Streikteilnahme des betroffenen Arbeitnehmers. Die Relevanz einer hypothetischen Teilnahme am Arbeitskampf sei rechtsdogmatisch nicht zu begründen 208 . Zwar ist nicht zu 202
Vgl. oben § 5 Β 3. So etwa von LAG Berlin, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 44, S. 3. 204 Vgl. hierzu auch die Rechtsprechungsübersicht von Belling/Hartmann y ZfA 1994, S. 519 (523 ff.) und die Hinweise auf nicht veröffentlichte Entscheidungen von Reinecke, DB 1991, S. 1168 (1169 f.). 205 LAG Berlin, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 43, S. 2 f.; vgl. auch schon das Urteil der 9. Kammer des LAG Berlin vom 19. August 1985, LAGE § 1 LohnFG Nr. 7 S. 5 f. 206 A.a.O., S. 2. 207 LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 42. 208 A.a.O., S. 5. 203
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
verkennen, daß sich die 5. Kammer des LAG Berlin von der zwischenzeitlich am 15. Januar 1991 ergangenen Entscheidung des BAG209 leiten ließ. Dort stellte das BAG im Gegensatz zur Vorinstanz 210 fest, daß ein Betriebsratsmitglied, das sich während eines Streiks auf einer Betriebsratsschulung befand, auch dann Anspruch auf Lohnfortzahlung habe, wenn es sich ohne die Schulung am Arbeitskampf beteiligt hätte, die hypothetische Streikteilnahme mithin unbeachtlich sei. Doch auch diese Entscheidung des BAG setzt nur die Reihe zufälliger Rechtsprechung fort. In anderen Entscheidungen hielt nämlich auch das BAG hypothetische Kausalverläufe für beachtlich. So hatte das BAG211 am 3. Dezember 1997 neuerlich zur Relevanz hypothetischer Verläufe während einer Betriebsratsschulung Stellung zu nehmen. Ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied wurde nach seinem Arbeitsvertrag regelmäßig an Sonntagen, bei Bedarf aber auch an Wochentagen eingesetzt, soweit es hierzu bereit war. Während einer Betriebsratsschulung gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG erfolgte kein Angebot zur Arbeit an Wochentagen. Der Arbeitgeber wollte deshalb auch keinen Lohn fortzahlen. Demgegenüber stellte das BAG jedoch ohne weiteres auf eine „hypothetische Betrachtungsweise" ab, nach der maßgeblich sei, welche Arbeitsleistung ohne die schulungsbedingte Abwesenheit erbracht worden wäre. Auf das fehlende Angebot des Arbeitgebers, das nur wegen der Schulungsteilnahme unterblieben sei, komme es nicht a n 2 1 2 . Ferner hatte das BAG hypothetische Verläufe bei der dienstplanmäßigen Einteilung von Arbeitnehmern an Feiertagen berücksichtigt. An bestimmten Feiertagen wurden Arbeitnehmer nicht auf einem Dienstplan eingetragen und somit freigestellt. Demnach bestand für sie an diesen Tagen grundsätzlich keine Arbeitspflicht und mithin auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das BAG hielt einen Entgeltfortzahlungsanspruch jedoch dann für gegeben, wenn die Arbeitnehmer dienstplanmäßig eingeteilt worden wären, wäre der entsprechende Tag kein Feiertag gewesen 213 . Entsprechend urteilte das BAG214 hinsichtlich eines feiertagsbedingten Ausfalls von Mehrarbeit. Auch hier sei entscheidend, inwieweit 209
AP Nr. 114 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.; vgl. auch schon BAG AP Nr. 31 zu § 1 ArbKrankhG Bl. 1 R. 210 LAG Hamm, DB 1990, S. 2274. 211 AP Nr. 124 zu § 37 BetrVG 1972. 212 AP Nr. 124 zu § 37 BetrVG 1972 Bl. 1 R f. 213 BAG AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 1 R f.; AP Nr. 3 zu § 2 EntgeltFG Bl. 2 f. Anders entschied das BAG, wenn nicht die dienstplanmäßige Einteilung, sondern schon der Abschluß des Arbeitsvertrages bei von Tag zu Tag neu begründeten Arbeitsverhältnissen wegen des Feiertages unterblieben war: BAG AP Nr. 24 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG (Trinkner). 2,4 AP Nr. 47 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 2 f.; zum sog. „langen Samstag" vgl. auch BAG AP Nr. 69 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; zum Entgeltfortzahlungs-
C. Hypothetische Kausalverlufe
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Mehrarbeit angefallen wäre, wenn es sich nicht um einen Feiertag gehandelt hätte. Apodiktisch entschied das BAG in einem Fall, in dem eine ausländische Arbeitnehmerin Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum begehrte, für den ihre Arbeitserlaubnis ( § 1 9 AFG; nunmehr: §§ 284 f. SGB I I I 2 1 5 ) gerade abgelaufen war: „Ob die Arbeitsleistung allein wegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht erbracht worden ist, muß anhand eines hypothetischen Kausalverlaufes geprüft werden" 2 1 6 . Das BAG stellte entscheidungserheblich darauf ab, ob die abgelaufene Arbeitserlaubnis, wäre ihr Fehlen sogleich bemerkt worden, unmittelbar im Anschluß an die abgelaufene Erlaubnis wieder erteilt worden wäre. Dann sei ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gegeben, denn wäre die Arbeitnehmerin nicht krank gewesen, so hätte sie der Arbeitgeber auf die fehlende Arbeitserlaubnis hingewiesen und sie hätte sich sogleich um die Beantragung kümmern können 2 1 7 . Das BAG hob hervor, „daß bei der Bewertung mehrer Umstände, die für denselben Erfolg ursächlich werden können, immer nach einem hypothetischen Kausalverlauf gefragt werden m u ß " 2 1 8 . Auf die entgegenstehende eigene Rechtsprechung ging das Gericht nicht ein. Wie wenig prognostizierbar die Rechtsprechung ist, läßt sich auch anschaulich an weiteren Entscheidungen des BAG zeigen. In einem Urteil vom 1. März 1995 2 1 9 unterbrach eine Gewerkschaft ihren Streik während der Pfingstfeiertage, um ihn im Anschluß an diese unmittelbar wieder fortzusetzen. Es war mithin davon auszugehen, daß die Gewerkschaft den Streik nicht unterbrochen hätte, wenn die betreffenden Tage keine Feiertage gewesen wären. In einem Schreiben wurden die bestreikten Arbeitgeber von der Gewerkschaft darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des BAG in solch einem Falle das Entgelt an den Feiertagen fortzuzahlen sei. Das BAG versagte gleichwohl den Entgeltfortzahlungsanspruch. Das Frappierende dabei ist, daß der Hinweis der Gewerkschaft auf die frühere Rechtsprechung des BAG durchaus berechtigt war. Schon am 31. Mai 1988 entschied nämlich das BAG, daß Feiertagslohn gezahlt werden müsse, wenn ein Streik unmittelbar vor dem Feiertag ende oder sich unmittelbar anspruch eines Berufsfußballspielers hinsichtlich einsatzabhängiger Prämien für Meisterschaftspunkte vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 611 BGB Berufssport Bl. 2 R f. 2,5 Zur Neuregelung des Rechts der Arbeitsgenehmigung vgl. nur Marschner , Β Β 1998, S. 370. 216 BAG AP Nr. 2 zu § 3 EntgeltFG Bl. 1 R f. 217 A.a.O., Bl. 2 f. 2,8 A.a.O., Bl. 2 R. 219 AP Nr. 68 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
anschlösse 220 . Sogar weitgehend gleichgelagert war der Sachverhalt in einer Entscheidung vom 11. Mai 1993 2 2 1 ; dort bestreikte eine Gewerkschaft einen Betrieb und setzte den Streik unmittelbar vor den Pfingstfeiertagen aus. Im Unterschied zur Entscheidung vom 1. März 1995 wurde aber am Dienstag nach Pfingsten in dem Betrieb gearbeitet. Jedoch wurde bereits ab Mittwoch wieder gestreikt. Das BAG nahm einen Entgeltfortzahlungsanspruch für den Pfingstmontag an. Der Feiertag sei die alleinige Ursache, wenn die Gewerkschaft den Streik unmittelbar davor beende 222 . Wenn das BAG nun im Gegensatz hierzu im Urteil vom 1. März 1995 den Entgeltfortzahlunsganspruch versagt, so stützt es sich hierfür auf die nicht näher begründete These, die Beendigung des Arbeitskampfes müsse sich auf die Suspendierung der Arbeitsverhältnisse auch tatsächlich auswirken; dabei hält das BAG allerdings selbst eine Auswirkung auf Bereitschaftsdienste an den Feiertagen für unerheblich 223 . Soll es also wirklich nur darauf ankommen, ob die Gewerkschaft einen „Sicherheitsabstand" 224 zu dem Feiertag einhält? In anderen Entscheidungen hatte das BAG hypothetische Verläufe nicht berücksichtigt. So hatte eine Arbeitnehmerin den Antritt ihres Erziehungsurlaubs vom Ende ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit abhängig gemacht. Das LAG Berlin hatte als Vorinstanz einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mit der Begründung abgelehnt, daß sich die Arbeitnehmerin, wäre sie nicht krank gewesen, im Erziehungsurlaub befunden hätte 2 2 5 . Das BAG gab hingegen der Arbeitnehmerin recht: Alleinige Ursache sei nur die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gewesen 226 . Dem von der Vorinstanz berücksichtigten hypothetischen Verlauf maß das BAG mithin keine Bedeutung bei. Auch in den bereits angesprochenen Fällen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit während eines Streiks sprach sich das BAG neuerlich gegen die Berücksichtigung einer nur hypothetischen Streikteilnahme 007
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aus . Dieser Ansicht ist auch das LAG Hamburg in einer Entscheidung vom 27. Oktober 1994 beigetreten. Es stützt sein Ergebnis insbesondere auf 220 Ap N r 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 1 R. Diesen Grundsatz hat es im Urteil vom 23. Oktober 1996 (AP Nr. 146 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 2) nunmehr wieder bestätigt. Das BAG versagte in erstgenannter Entscheidung zwar den Anspruch, aber nur deshalb, weil die streikende Gewerkschaft erst nach dem Feiertag das Ende des Arbeitskampfes bekanntgab. 221 AP Nr. 63 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG (.Belling/Hartmann). 222 A.a.O., Bl. 2 R. 223 AP Nr. 68 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 2 f. 224 Belling/Hartmann, Anm. zu BAG AP Nr. 63 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 4. 225 Vgl. Nachweis bei BAG AP Nr. 4 zu § 15 BErzGG Bl. 3. 226 AP Nr. 4 zu § 15 BErzGG Bl. 3 f.
C. Hypothetische Kausal verlaufe
129
beweisrechtliche Erwägungen. Der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast käme im Falle der Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe eine „typischerweise streitentscheidende Bedeutung" zu. In der Literatur 2 2 9 finden sich nur selten Ausführungen zur Relevanz hypothetischer Verläufe im Entgeltfortzahlungsrecht. Soweit hierzu überhaupt Stellung genommen wird, fällt eine Begründung allenfalls knapp aus. So vertritt etwa Buchner 230 die Ansicht, die hypothetische Streikteilnahme sei aufgrund von Beweisschwierigkeiten und der daraus resultierenden Gefahr bloßer Lippenbekenntnisse nicht zu berücksichtigen. Ausnahmsweise sei sie aber dann beachtlich, wenn der Arbeitnehmer etwa (mit Gipsarm) Streikposten stehe oder aber erst als aktiv Streikender erkrankt sei 2 3 1 . Reinecke 232 hält hypothetische Verläufe grundsätzlich nur dann für relevant, wenn es sich um rein tatsächliche Vorgänge handele. Sie seien jedoch dann ohne Bedeutung, wenn, wie im Falle einer bloß hypothetischen Streikteilnahme, noch die Abgabe einer Willenserklärung zu erfolgen habe 2 3 3 . Allerdings „hilft" Reinecke in den letzteren Fällen mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs gemäß § 242 BGB, wenn etwa eine Gewerkschaft einen Streik nur während eines Feiertages aussetzen w i l l 2 3 4 . Auch Henssler 235 spricht sich gegen die Relevanz einer nur hypothetischen Streikteilnahme aus. Er begründet dies ebenfalls mit Beweisschwierigkeiten („unerfreuliche Gesinnungserforschung") sowie mit dem Grundsatz der Kampfparität 236 . Ein Arbeitnehmer, der erst nachträglich erkläre, er hätte sich am Streik beteiligt, könne keinen Druck mehr ausüben. Deshalb sei auch keine Kürzung der Vergütung gerechtfertigt 237 . Etwas anderes gelte, wenn für den betroffenen Arbeitnehmer ohnehin keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestan-
227
AP Nr. 121 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 2, 3 R; vgl. auch zu einer Freistellung gemäß § 15a BAT während eines Arbeitskampfes BAG AP Nr. 122 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 2 R. 228 AuR 1995, S. 376 (Gussone). 229 Vgl. nur die Literaturnachweise von Belling/ Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (525 Fn. 34, 526 Fn. 38). 230 DB 1966, S. 110 f. 231 Buchner, DB 1966, S. 110 (111). 232 DB 1991, S. 1168. 233 Reinecke, DB 1991, S. 1168 (1174). 234 Reinecke, DB 1991, S. 1168 (1175). 235 SAE 1991, S. 347. 236 Henssler, SAE 1991, S. 347 (349 f.). 237 Zu dem Aspekt Kampfparität sei nur auf die Ausführungen unter § 3 F verwiesen. Hielte man ihn hinsichtlich der vorliegenden Problematik überhaupt für relevant, würde er jedenfalls überstrapaziert. Vgl. auch gegen Henssler völlig zutreffend Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (538 f.). 9 Gutzeit
130
§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
den hat. Dann entfalle spruch 238 .
nach allgemeinen Grundsätzen sein Lohnan-
2. „Rechtsfolgenlösung" von Belling und Hartmann Eine umfassende Untersuchung der Relevanz hypothetischer Kausalverläufe im Entgeltfortzahlungsrecht findet sich bei Belling und Hartmann 239. Zutreffend gehen sie bei der Behandlung der Problematik davon aus, die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe könne nicht schlicht mit Hilfe des Rechtsmißbrauchseinwandes über § 242 BGB gelöst werden 2 4 0 . Auf die sonst geförderte Verdeckung differenzierender materialer Erwägungen wurde bereits hingewiesen 241 . Sodann unterscheiden Belling und Hartmann zwischen dem Tatbestand und der „Rechtsfolgenseite" der Entgeltfortzahlungsnormen. Nach ihrer Ansicht können hypothetische Kausalverläufe nicht im Tatbestand, sondern erst auf der Rechtsfolgenseite der jeweiligen Norm berücksichtigt werden. Die hypothetische Kausalität sei nämlich nicht dem „Bereich der Kausalität zuzurechnen" 242 . Sie könne wegen ihrer „fehlenden Realität" auch weder zurechnungsbegründend sein, noch könne sie „die einzig reale Kausalreihe als Grundlage für die Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beeinträchtigen oder gar entfallen lassen" 243 . Folglich sei im Tatbestand der Normen „kein Raum" für die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe. Belling und Hartmann entwickeln daher eine „Rechtsfolgenlösung": Entscheidend sei, inwieweit auf der Rechtsfolgenseite eine hypothetische Betrachtung vorzunehmen sei. Eine hypothetische Betrachtung sei zunächst dann ausgeschlossen, wenn, wie im Urlaubs- oder Mutterschutzrecht, zur Berechnung der fortzuzahlenden Lohnhöhe die Bezugsmethode maßgeblich sei 2 4 4 . Aufgrund der vergangenheitsbezogenen Betrachtung käme die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe dort nicht in Betracht 245 . Beim Lohnausfallprinzip 246 unterscheiden Belling und Hartmann zwei Versionen. Das Gesetz bestimme die fortzuzahlende Lohnhöhe im Rahmen 238
Henssler, SAE 1991, S. 347 (350). Ausschluß der Entgeltfortzahlung durch hypothetische Nichtleistung?, ZfA 1994, S. 519. 240 Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (526 f.). 241 Vgl. oben § 5 Β 1 a. 242 Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (527). 243 Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (527). 244 Vgl. zur Bezugsmethode oben § 4 B. 245 Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (529 f.). 239
C. Hypothetische Kausal Verläufe
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des Lohnausfallprinzips in manchen Lohnfortzahlungsnormen entweder danach, was der Arbeitnehmer verdient hätte, wenn er gearbeitet hätte. Oder es stelle darauf ab, was der Arbeitnehmer verdient hätte, wenn das konkrete Leistungshindernis nicht gewesen wäre. Beide Versionen verlangten somit eine Hypothese, die allerdings unterschiedlich weit reiche. Während bei der erstgenannten Version die Arbeitsleistung unwiderleglich vermutet werde, also kein Raum für die Berücksichtigung einer hypothetischen Nichtleistung sei, seien in der zweiten hypothetische Kausalverläufe relevant 2 4 7 . Die Frage, welche Version bei welcher Entgeltfortzahlungsnorm jeweils gelten soll, bereitet Belling und Hartmann Schwierigkeiten. Dabei vertreten sie einen differenzierenden Standpunkt und untersuchen die einzelnen Lohnfortzahlungsnormen, nachdem sie festgestellt haben: „Keine der beiden genannten Versionen ist für sämtliche Anwendungsfälle des Lohnausfallprinzips angebracht" 248 . So gehen Belling und Hartmann etwa für den Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit von der erstgenannten Version des Lohnausfallprinzips aus, nach der die Arbeitsleistung unwiderleglich vermutet werden soll. Mit dem Wortlaut des Gesetzes können sie dieses Ergebnis allerdings nicht begründen. Vielmehr müssen sie insoweit konstatieren: „Die normative Gestaltung des Gesetzgebers geht hier nicht so weit, daß er Kranken (fiktiv) die Arbeitsfähigkeit gäbe und dem Arbeitgeber (fiktiv) auch noch deren Arbeitseinsatz verschaffte". Ihr Ergebnis begründen Belling und Hartmann vielmehr mit der (inzwischen geänderten) Regelungstechnik des Gesetzes. § 3 EntgeltfortzG beschränke „im Wege einer Negativdefinition" § 323 Abs. 1 BGB. Deshalb entfalle der gemäß § 611 BGB geschuldete Arbeitslohn bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht. Der Lohn könne gemäß § 323 Abs. 1 BGB nur dann entfallen, wenn weitere Umstände gegeben wären, die den Tatbestand des § 323 Abs. 1 BGB erfüllten. Da § 323 Abs. 1 BGB insoweit reale Umstände voraussetze, könnten nur hypothetisch gebliebene Verläufe nicht zu einem Wegfall des Lohnanspruches führen 2 4 9 . Weiter untermauert wird das Ergebnis mit teleologischen Argumenten. Die Gesundung des Arbeitnehmers solle nicht dadurch erschwert werden, daß der Arbeitnehmer finanzielle Einbußen erleide. Schließlich wird darauf verwiesen, daß auch die Gleichstellung mit einem gesunden Arbeitnehmer es nicht erfordere, hypothetische Kausalverläufe zu berücksichtigen. Solche würden auch bei diesem keine Rolle spielen 2 5 0 . 246 247 248 249 250
9*
Vgl. dazu oben § 4 Belling/Hartmann, Belling/Hartmann, Belling/Hartmann, Belling/Hartmann,
A und C. ZfA 1994, ZfA 1994, ZfA 1994, ZfA 1994,
S. S. S. S.
519 519 519 519
(531 f.). (532). (532 f.). (534).
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
Daß der hypothetische Kausalverlauf nur deshalb nicht tatsächlich kausal geworden ist, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankte, wird dabei übersehen. Zu gleichem Ergebnis wie in den Fällen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kommen Belling und Hartmann für die betriebsverfassungsrechtliche Lohnfortzahlungsregelung des § 37 Abs. 2 BetrVG. Auch hierbei stützen sie sich auf die bereits erwähnte Regelungstechnik des Gesetzes 251 . Bezeichnend ist allerdings, daß hierzu jegliche teleologische Ausführung fehlt. Die zweite Version des Lohnfortzahlungsprinzips, welche Raum für die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe lasse, findet nach Ansicht von Belling und Hartmann bei § 2 EntgeltfortzG für die Lohnfortzahlung an Feiertagen Anwendung. Diese sei am schwächsten ausgestaltet, was sich etwa daran zeige, daß die Lohnfortzahlungspflicht entfalle, wenn der Arbeitnehmer am letzten Arbeitstag vor oder dem ersten Arbeitstag nach dem Feiertag unentschuldigt fehle. Ferner lasse § 2 EntgeltfortzG den Tatbestand des § 323 Abs. 1 BGB unberührt. Im Unterschied zu den übrigen Lohnfortzahlungsnormen stelle § 2 EntgeltfortzG eine eigene Anspruchsgrundlage 252 dar. In dieser sei positiv angeordnet, was den Arbeitnehmern zusteht. Dies ist nach Ansicht von Belling und Hartmann der Lohn, der zu zahlen sei, wenn die Arbeit nicht feiertagsbedingt ausgefallen wäre. Gestützt wird das Ergebnis auf zusätzliche Risikoüberlegungen. Den Arbeitnehmern würde zwar das Feiertagsrisiko abgenommen, nicht hingegen weitere Risiken, die unabhängig davon den Lohnanspruch bedrohten 253 . Die Abgrenzung nach Risikobereichen überzeugt zwar, erfolgt aber an dogmatisch falscher Stelle. Die von Belling und Hartmann vorgenommene Verortung der Problematik auf der Rechtsfolgenseite vermag nämlich insgesamt nicht zu überzeugen. Richtig ist zwar, daß es sich bei der Frage hypothetischer Kausalität nicht um eine Kausalitätsfrage handelt. Unzutreffend ist jedoch der Einwand, die hypothetische Ursache sei nicht im Rahmen der tatbestandlichen Zurechnung zu berücksichtigen. Das steht zunächst im Widerspruch zur eigenen Aussage, wonach es allgemein anerkannt sei, daß es sich bei der hypothetischen Kausalität um eine Frage der wertenden Zurechnung handele 254 und ist auch im folgenden von Belling und Hartmann nicht näher begründet worden. Nicht überzeugend ist gleichfalls der Hinweis auf das Delikts- und Schadensrecht 255. Dort werden zwar auf dem 251
Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (534). Für § 2 EntgeltfortzG als eigene Anspruchsgrundlage auch BAG EzA § 4 T V G Ausschlußfristen Nr. 71, S. 260 f.; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 759. 253 Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (534 ff.). 254 Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (522 Fn. 15). 252
C. Hypothetische Kausalverlufe
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Risikoprinzip basierende Zurechnungsüberlegungen in der Tat erst regelmäßig auf der „Rechtsfolgenseite" im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität erörtert. Dies aber deshalb, weil hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität bereits durch das Verschuldenskriterium eine haftungsbegrenzende Zurechnung erreicht w i r d 2 5 6 . Für das Schadensrecht führt Deutsch 257 anschaulich aus, „normative Einschränkungen, wie sie etwa die adäquate Kausalität vornimmt, sind für die haftungsbegründende Ursächlichkeit weder notwendig noch angebracht". „Der Student sollte stets bedenken, daß er sich mit der Prüfung der Adäquanz der haftungsbegründenden Kausalität der besten Argumente begibt, die ihm später beim Verschulden fehlen werden". Eine gesonderte Prüfung sei aber gleichwohl „unschädlich" 2 5 8 . Für die schadensrechtliche Behandlung ist ferner entscheidend, daß sich insbesondere hypothetische Ursachen als zeitlich spätere Ereignisse erst regelmäßig im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität auswirken können. Konstellationen, in denen das geschützte Rechtsgut zeitgleich durch eine hypothetische Ursache verletzt worden wäre, so daß u. U. ein Anspruchsausschluß in Betracht käme, sind akademische Konstellationen und werden daher kaum erörtert 259 . In diesem zeitlichen Versatz liegt aber ein wesentlicher Unterschied zur hier behandelten Problematik. Die hypothetische Ursache im Lohnfortzahlungsrecht wirkt nämlich zeitgleich. Ohnehin begegnet das Abstellen auf die „Rechtsfolgenseite" der Lohnfortzahlungsnormen grundlegenden Bedenken. Es provoziert zunächst eine gewisse Zufälligkeit der Ergebnisse. So mag etwa in einem Tarifvertrag auch für die Lohnfortzahlung an Feiertagen die Bezugsmethode vereinbart sein. Gewiß haben die Tarifparteien hierbei nicht an die Problematik hypothetischer Kausalität gedacht oder diese gar abweichend von dem gesetzgeberischen Leitbild regeln wollen. Nach Ansicht von Belling und Hartmann wäre aber genau dies die (eigentümliche) Konsequenz. Auch die Zuordnung der Versionen des Lohnausfallprinzips zu den einzelnen Tatbeständen ist nicht überzeugend. So läßt sich etwa die Rechts255
Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (528). Vgl. BGH, VersR 1993, S. 843: Verschuldenserfordernis übernehme die Filterfunktion; Köck, Kausalität und Zurechnung, S. 9 (14 f.); MünchKomm/Grunsky vor § 249 RdNr. 38 f. mit zahlreichen Nachweisen; kritisch Lange, Schadensersatz, S. 96 f., der sich grundsätzlich für die Adäquanztheorie auch im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität ausspricht. 257 Vgl. Deutsch, Unerlaubte Handlung, S. 25. 258 So Deutsch, a.a.O. 259 Völlig zutreffend weist aber etwa Grunsky (MünchKomm vor § 249 RdNr. 79) darauf hin, daß sich hypothetische Ursachen sowohl hinsichtlich der späteren haftungsausfüllenden als auch hinsichtlich der früheren haftungsbegründenden Kausalität auswirken können, was sich gegebenenfalls auf das Bestehen eines Anspruches auswirkt. 256
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
folge des § 2 Abs. 1 EntgeltfortzG auch anders lesen. Denn aus ihr geht nicht eindeutig hervor, daß das Entgelt zu zahlen ist, das der Arbeitnehmer bekommen würde, wenn die Arbeit nicht feiertagsbedingt ausgefallen wäre; vielmehr ist ausweislich des Wortlauts das Entgelt zu zahlen, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Auf welchen Gründen dieser Arbeitsausfall beruhen darf, ist nicht ausdrücklich gesagt. Zugestanden sei allerdings, daß in den Fällen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit die erstere der von Belling und Hartmann angeführten Versionen des Lohnausfallprinzips Anwendung finden mag; nach dieser würde der Arbeitnehmer den Lohn erhalten, den er bekommen hätte, wenn er gearbeitet hätte. Dies folgt aber weder aus der (damaligen) Regelungstechnik des Gesetzes noch aus teleologischen Erwägungen, sondern daraus, daß dort das Lohnausfallprinzip insoweit modifiziert ist, als auf die „regelmäßige" Arbeitszeit abgestellt w i r d 2 6 0 . Damit werden Schwankungen des Arbeitsvolumens ausgeklammert, was für eine unwiderlegliche Vermutung der Arbeitsleistung auf der Rechtsfolgenseite spricht. Doch ist hiermit noch nicht über die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe im Tatbestand entschieden. Nunmehr hat der Gesetzgeber ohnehin die für Belling und Hartmann maßgebende „Regelungstechnik" geändert, indem er auch § 3 EntgeltfortzG zu einer eigenständigen Anspruchsgrundlage ausgestaltet hat 2 6 1 . Dies war durch die zeitweilige Kürzung des Lohnfortzahlungsanspruches im Krankheitsfalle auf 80% bedingt.
3. Tatbestandslösung Die richtige Verortung des Problems der Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe ist folglich im Tatbestand der Lohnfortzahlungsnormen. Dabei handelt es sich, wie bereits dargelegt, um ein Zurechnungsproblem. Die Kausalitätsfrage wird von der hypothetischen Bedingung nicht berührt. Daß also die tatsächlich zum Arbeitsausfall führende Ursache kausal war, kann nicht bezweifelt werden 262 . Die Relevanz hypothetischer Verläufe ist keine spezifisch lohnfortzahlungsrechtliche Problematik. Vor allem im Schadens- und im Strafrecht ist 260
Vgl. dazu oben § 4 C. Vgl. Marienhagen/KünzU Entgeltfortzahlung, § 3 RdNr. la; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, § 3 RdNr. 7; Staudinger/Oetker §616 RdNr. 178 f.; a.M. Dunkl in Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge § 3 RdNr. 184; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 598 f., der davon ausgeht, der arbeitsvertragliche Anspruch aus § 611 BGB würde jedenfalls dem Grunde nach aufrechterhalten und dies mit dem Wortlaut des Gesetzes „Entgeltfortzahlung" begründet. 262 Vgl. für das Strafrecht Freund, Strafrecht, S. 52 f.; Roxin, Strafrecht, S. 302. 261
C. Hypothetische Kausalverlufe
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ihre rechtliche Bedeutung schon häufig eingehend untersucht worden. Die dort gemachten Überlegungen sollen im folgenden - soweit erforderlich dargestellt und für die hier behandelte Frage fruchtbar gemacht werden. Im Schadensrecht wird, wie bereits erwähnt 2 6 3 , die Relevanz hypothetischer Kausalverläufe regelmäßig auf der Rechtsfolgenseite 264 erörtert. Dies ist deshalb (aber auch nur dann 2 6 5 ) richtig, weil die hypothetische Bedingung dort der tatsächlich kausal gewordenen Bedingung zeitlich nachfolgt. Es geht im Schadensrecht also um einen „Blick in die dem Schadensereignis folgende Z e i t " 2 6 6 . Der Tatbestand der jeweiligen Schadensersatznorm war bereits erfüllt. Dementsprechend werden von der vorherrschenden Ansicht hypothetische Verläufe grundsätzlich dann als relevant angesehen, wenn es um sogenannte Dauerschäden geht. Angesprochen sind damit der entgangene Gewinn, Schäden aus fortwirkender Erwerbsminderung usw. Prägnant formuliert der BGH, dem Geschädigten dürfe nicht deshalb eine „krisenfeste Position" verschafft werden, „weil ihm einmal Unrecht geschehen" sei 2 6 7 . Hingegen soll bei den reinen Sachschäden (sog. unmittelbaren Schäden oder Objektschäden) eine hypothetische Betrachtung nicht vorzunehmen sein 2 6 8 , wofür die strikte Anwendung der Differenztheorie 269 eigentlich spräche 270 . Das wird damit begründet, daß einem Geschädigten ein einmal gegebener Anspruch nicht wieder genommen werden könne. Ferner wird darauf verwiesen, daß der Geschädigte bis zum schädigenden Ereignis das Sachrisiko trage und im Anschluß daran zusätzlich mit dem in der Person des Ersatzpflichtigen begründeten Forderungsrisiko belastet werde. Deshalb sei es nicht gerechtfertigt, ihn auch weiterhin das Sachrisiko tragen zu lassen, 263
Vgl. oben § 5 C 2. Unzutreffend ist es allerdings, die hypothetische Kausalität als bloßes Problem der Schadensberechnung zu qualifizieren; dahingehend wohl S toll, Haftungsfolgen, S. 428 f. (dort auch rechtsvergleichende Hinweise); für die Behandlung als Zurechnungsproblem vgl. nur Erman/Kuckuk vor § 249 RdNr. 79; Lange, Schadensersatz, S. 179, beide mit weiteren Nachweisen; gegen die Behandlung als schlichtes Problem der Schadensberechnung MünchKomm/Grwufcy vor § 249 RdNr. 79 mit Fn. 249. 265 Zutreffend weist MünchKomm/Grwrtity vor § 249 RdNr. 79 darauf hin, daß im Falle einer gleichzeitigen hypothetischen Schädigung der Anspruch als solcher entfallen könne. 266 Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 RdNr. 98. 267 BGHZ 10, 6 (11); vgl. auch überzeugend Zeuner, AcP 157 (1958/59), S. 441 (446 ff.); femer Soergel/Mertens vor § 249 RdNr. 158. 268 Vgl. BGHZ 29, 207 (215 f.); NJW-RR 1995, S. 936 (937); Larenz, Schuldrecht AT, S. 525. 269 Zu ihr kritisch Larenz, Schuldrecht AT, S. 480 ff., 524. 270 Vgl. Lange, Schadensersatz, S. 179; Soergel/Mertens vor § 249 RdNr. 152; Staudinger/Schiemann § 249 RdNr. 94. 264
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
weil dies eine Kumulation von Risiken beim Geschädigten zur Folge hätte 2 7 1 . Derartige Argumentationen sind jedoch wenig präzise und provozieren Einwände. So wird etwa schlicht, aber treffend vorgetragen, Forderungs- und Sachrisiko seien nicht miteinander vergleichbar 272 . Doch ist auch dies letztlich nur eine These. Gegen die Berücksichtigung des Forderungsrisikos spricht m.E. vor allem die folgende Überlegung: Es geht im Schadensrecht ausschließlich um die Frage, wer welchen Schaden zu ersetzen hat und nicht darum, einem Geschädigten einen adäquaten Schuldner zuzuweisen. Das Forderungsrisiko bleibt mithin außen vor, so daß es schadensrechtlich grundsätzlich ohne Belang ist, ob ein Millionär oder ein Sozialhilfeempfänger Ersatz schuldet. Besinnt man sich hingegen auf die eigentliche Zurechnungsproblematik, so läßt sich unter Rückgriff auf die beiden bereits dargestellten 273 Zurechnungsprinzipen, dem Verschuldensund dem Risikoprinzip, argumentieren, daß der Schädiger die Gefahr deshalb trägt, weil er den Schaden schuldhaft herbeigeführt hat. Daß der Schaden später (hypothetisch) gleichfalls eingetreten wäre, entlastet ihn unter Risikogesichtspunkten grundsätzlich nicht mehr. Dies verhält sich aber etwa hinsichtlich des entgangenen Gewinns deshalb anders, weil sich hierbei der Schaden erst in der Z e i t 2 7 4 zeigt und bis dahin dieses Risiko vom „Geschädigten" selbst zu tragen ist. Aufgrund dieser erst mittels der Zurechnungsprinzipien zu findenden Lösungen geht die Ansicht, im Schadensrecht seien hypothetische Verläufe stets, also auch bei „reinen Sachschäden" zu berücksichtigen 275 , ebenso zu weit, wie die Gegenansicht, hypothetische Verläufe seien generell nicht von Bedeutung 276 , zu kurz greift. Die Wertung kann vielmehr selbst hinsichtlich des Ersatzes unmittelbarer Schäden dann anders ausfallen, wenn man Zurechnungskriterien zurücknimmt, also etwa den Schädiger auch ohne Verschulden haften läßt 2 7 7 . Konsequent ordnet daher das Gesetz in den Fällen des § 287 Satz 2 und § 848 B G B 2 7 8 , in denen für Zufall gehaftet 271 Vgl. Erman/Kuckuk vor § 249 RdNr. 81; Niederländer, AcP 153 (1954), S. 41 (54 f.); Staudinge r/Medicus, 12. Aufl., § 249 RdNr. 105; Zeuner y AcP 157 (1958/ 59), S. 441 (445 f.); ders., AcP 162 (1963), S. 516 (520); krit. Staudinger/Schiemann § 249 RdNr. 100. 272 Vgl. Lange, Schadensersatz, S. 180. 273 Vgl. oben § 5 Β 1 b. 274 Zutreffend zum „ Z e i t m o m e n t " Hanau, Kausalität, S. 150 f. 275 So im Grundsatz etwa von Caemmerer, Überholende Kausalität, S. 11 ff., 14 ff., der nur in den Fällen, in denen das Gesetz (ausnahmsweise) den Ersatz des „objektiven Schadens" anordnet, hypothetische Verläufe unberücksichtigt lassen will (a.a.O., S. 7 ff.); Heck, Schuldrecht, S. 48 f.; MünchKomm/ G runsky vor §249 RdNr. 83. 276 Dahingehend noch RGZ 141, 365 (367 ff.); 144, 80 (84); Niederländer, AcP 153 (1954), S. 41; die Vertreter dieser rigiden Ansicht halten sie aber meist selbst nicht konsequent durch.
C. Hypothetische Kausalverlufe
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wird, die Relevanz hypothetischer Bedingungen ausdrücklich a n 2 7 9 . Damit wird verschuldetes Handeln nicht in dem Sinne „sanktioniert", daß man einen Täter für die Folgen seines Handelns dann um so stärker zur Verantwortung zieht, je mehr er sich als „Missetäter" geriert 280 . Es geht vielmehr darum, in den Fällen, in denen eine Gefahr zwischen Personen ausschließlich unter Risikogesichtspunkten zu verteilen ist, die Risikobereiche differenzierter gegeneinander abzuschichten. Doch auch in weiteren Fällen können Risikogesichtspunkte stärker zu berücksichtigen sein. So ist etwa die Berücksichtigung hypothetischer Verläufe insoweit gerechtfertigt, als die hypothetische Bedingung im Zeitpunkt der Schädigung schon als Anlage vorhanden war (sog. „Anlagefälle") 2 8 1 . Als Paradebeispiel dient regelmäßig die Zerstörung eines bereits einsturzreifen Gebäudes 282 . Hier verwirklicht sich kein neues, dem Schädiger zuzurechnendes Risiko. Im angefühlten Beispiel hatte sich das Substratsrisiko vielmehr schon zeitlich vorher realisiert, als das Gebäude abbruchreif wurde. Deshalb verbleibt es beim „Geschädigten". Freilich ist es wiederum eine Wertungsfrage, wann schon von einer „Anlage" 2 8 3 gesprochen werden kann, die es rechtfertigt, trotz verschuldeter Schädigung hypothetische Verläufe zu berücksichtigen. Im Ergebnis spricht manches dafür, bei Körperschäden zurückhaltender zu sein als bei „bloßen" Sachschäden. Die typischerweise größere Anfälligkeit des Körpers darf dem Schädiger nicht zum Vorteil gereichen. Bei der Problematik hypothetischer Bedingungen ist im Schadensrecht aber noch ein letzter grundlegender Einwand zu beachten: Die Reserveursa277
Auf das fehlende Verschulden stellt auch Heck, Schuldrecht, S. 48 ab; a.M. von Caemmerer, Überholende Kausalität, S. 17 (Fn. 44), der die Ansicht vertritt, eine solche Differenzierung würde einen „unnötigen Graben zwischen Gefährdungshaftung und Verschuldenshaftung aufreißen"; MünchKomm/Grwrt5fcy vor § 249 RdNr. 82. 278 Zu § 287 Satz 2 BGB vgl. nur MünchKomm/Thode § 287 RdNr. 4 f., zu § 848 BGB nur MünchKomm/Stew § 848 RdNr. 1. Kritisch zur Relevanz hypothetischer Verläufe bei diesen Vorschriften Hanau, Kausalität, S. 147 ff. 27 9 Niederländer, AcP 153 (1954), S. 41 (78), hält hingegen diese Vorschriften für „sachwidrig" und für ein „Produkt eines nicht klar erfaßten Kausalitätsbegriffs". 280 Ygj z u derartigen Überlegungen zutreffend von Caemmerer, Überholende Kausalität, S. 28 f., aber auch S. 29 f. 281 Vgl. BGHZ 29, 207 (215); 125, 56 (61 f.); NJW-RR 1995, S. 936 (937); Deutsch, Haftungsrecht, S. 120 f.; Erman/Kuckuk vor § 249 RdNr. 83; Lange, Schadensersatz, S. 188 ff.; Soergel/Mertens vor § 249 RdNr. 157; Staudinger/Schiemann § 249 RdNr. 97 ff.; dahingehende Ansätze finden sich auch bei RGZ 141, 365 (369). 282 Fall in Anlehnung an BGH, MDR 1952, S. 214. 283 Zutreffend weist etwa Lange, Schadensersatz, S. 177 (Fn. 7), darauf hin, jede Kausalkette lasse sich (zeitlich) unbegrenzt zurückführen; das gilt auch für Anlagen.
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
che darf niemals zur Ersatzpflicht eines Dritten führen 2 8 4 . Dieser Dritte kann nämlich in solchen Fällen mangels realer Kausalität nicht haftbar gemacht werden. Der Wegfall auch des Anspruchs gegen den „Erstschädiger" gerade wegen der hypothetischen Schädigung durch den Dritten würde dann zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung des Geschädigten führen. Jenes Risiko verbleibt mithin grundsätzlich beim „Erstschädiger" 2 8 5 . Neben dem Schadensrecht ist auch im Strafrecht vor allem unter dem Eindruck der Habilitationsschrift von Samson286 die Problematik der hypothetischen Kausalität verstärkt diskutiert worden. Zwar decken sich die Lösungen mit dem Schadensrecht oft im Ergebnis: Daß neben dem Täter ein Dritter bereit stand, der an Stelle des Täters das Opfer getötet hätte, entlastet den Täter nicht 2 8 7 . Doch sind die Wertungen kriminalpolitische 288 und deshalb andere, die im Privatrecht auch keine entsprechende Geltung verlangen können 2 8 9 ; so darf die Rechtsordnung ihre Verbote nicht deshalb zurücknehmen, weil Dritte bereitstanden; so ist es weiter ein Unterschied, ob man denjenigen, der ein abbruchreifes Haus vorsätzlich beschädigt, strafrechtlich oder im Hinblick auf zivilrechtliche Schadenersatzleistungen zur Verantwortung zieht - das Verbot, fremdes Eigentum nicht zu beschädigen, wiegt in diesen Fällen kriminalpolitisch schwerer als das nicht mehr sonderlich hoch einzustufende (zivile) Integritätsinteresse des Eigentümers. Das rechtfertigt unterschiedliche Ergebnisse. Vereinzelt wird aber auch für das Strafrecht vertreten, eine von einem Dritten nicht rechtswidrig gesetzte Reserveursache sei zu beachten und lasse die Zurechnung des Täters entfall e n 2 9 0 ; größere Einigkeit besteht sogar hinsichtlich der Fälle, in denen der Täter eine „Naturkausalität lediglich modifiziert" 2 9 1 . Das würde die Ergebnisse im Schadensrecht stützen, dennoch: Aufgrund der differierenden, nicht übertragbaren kriminalpolitischen Wertungen kann eine tiefere Aus-
284
Vgl. Erman/Kuckuk vor § 249 RdNr. 85; Staudinger/Medicus, 12. Aufl., § 249 RdNr. 100 f.; ferner Deutsch, Haftungsrecht, S. 119 f. 285 Konstruiert ist es, wenn man den Erstschädiger dafür haften ließe, daß er keinen Anspruch gegen den Dritten erlangen konnte; so aber MünchKomm/Grwrtj&y vor § 249 RdNr. 84; Soergel/Mertens vor § 249 RdNr. 153. 286 Hypothetische Kausal Verläufe im Strafrecht, 1972. 287 Frisch, Zurechnung, S. 565; Roxin, Strafrecht, S. 316 f. 288 V g l frisch, Zurechnung, S. 562 ff.; Roxin, Strafrecht, S. 318 f.; Samson, Hypothetische Kausal Verläufe, S. 137 ff. 289 Zum Sanktionsgedanken im Zivilrecht vgl. Lange, Schadensersatz, S. 12 f. 290 Vgl. Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 142 ff.; a.M. Roxin, Strafrecht, S. 317; Frisch, Zurechnung, S. 565 ff. 291 Vgl. Roxin, Strafrecht, S. 317 f. (mit Einschränkungen); a.M. Frisch, Zurechnung, S. 565 ff. mit Nachweisen zum Streitstand (a.a.O. Fn. 211); Jakobs, Strafrecht, S. 232.
C. Hypothetische Kausalverlufe
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einandersetzung mit der strafrechtlichen Problematik an dieser Stelle unterbleiben. Überträgt man vor allem die schadensrechtlichen Überlegungen auf das Lohnfortzahlungsrecht, so vermögen diese die grundsätzliche Relevanz hypothetischer Ursachen zu begründen. Im Unterschied zum Schadensrecht fehlt es zunächst am zeitlichen Versatz. Die hypothetische Streikteilnahme folgt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht nach, sondern besteht zeitgleich. Soweit im Schadensrecht eine zeitliche Kongruenz besteht, werden auch dort hypothetische Bedingungen berücksichtigt. Dies gilt augenscheinlich bei den skizzierten „Dauerschäden"; diese Wertung steckt aber auch hinter der Behandlung der „Anlagefälle". Ferner handelt es sich bei dem hier behandelten Komplex vertraglicher Leistungsstörung um eine Risikotragung zwischen zwei Vertragsparteien, so daß jeglicher, im Schadensrecht problematische Drittbezug ausscheidet. Schließlich spielt bei der Problematik der multiplen Verhinderungsgründe der Aspekt der Verschuldenszurechnung regelmäßig keine Rolle, weshalb es insoweit bei der reinen Risikozurechnung verbleibt. Hierbei spricht die Wertung der § 287 Satz 2 und § 848 BGB für die Relevanz hypothetischer Kausalverläufe 292 . Gegenüber diesen materialen Erwägungen wiegen die immer wieder vorgebrachten Beweisschwierigkeiten gering 2 9 3 . Daß allein deswegen hypothetische Kausalverläufe nicht relevant sein sollen, ist schon deshalb nicht überzeugend, weil, wie dargelegt, das Gesetz selbst in manchen Fällen ihre Berücksichtigung ausdrücklich bestimmt hat. Ohnehin ist dieser Einwand ein prozessualer, der dann auch mit den Mitteln des Prozeßrechts durch Beweislastregeln gelöst werden muß 2 9 4 . Für die praktisch häufig relevanten Fälle der Streikbeendigung vor Feiertagen ließe sich etwa § 2 Abs. 3 EntgeltfortzG fruchtbar machen. Schließlich mag es Fälle geben, in denen die hypothetischen Verläufe als unstreitig feststehen 295 . Gleichwohl mit Beweisschwierigkeiten zu argumentieren, käme einer Rechtsschutzversagung gleich 2 9 6 .
292 Soweit die Nichtleistung hingegen von einer Seite verschuldet ist, ändert sich an der Gesamtlösung aufgrund der soeben angeführten Argumente nichts. Die Relevanz hypothetischer Verläufe folgt für das Lohnfortzahlungsrecht schon aus der zeitlichen Kongruenz und dem fehlenden „Drittbezug". Es wird aber rechtstatsächlich zumeist am Verschulden fehlen, so daß dann der Hinweis auf die § 287 Satz 2 und § 848 BGB angezeigt ist. 293 Etwa Buchner, DB 1966, S. 110 (111); Henssler, SAE 1991, S. 347 (349 f.); femer Reinecke, DB 1991, S. 1168 (1173). 294 Ausführungen zur Verteilung der Beweislast können an dieser Stelle nicht erfolgen. Vgl. aber unten § 6 Β 3. 295 Vgl. etwa den Sachverhalt bei BAG AP Nr. 114 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 296 Vgl. auch Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (537).
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§ 5 Kausalität und Zurechnung des Verhinderungsgrundes
Unzutreffend ist weiter die Unterscheidung zwischen hypothetischen Verläufen, denen ein schlichtes Verhalten zugrunde liegt und solchen, bei denen noch zusätzlich eine Willenserklärung hypothetisch unterstellt werden müßte, wie z.B. bei der Streikteilnahme. Nach Ansicht von Reinecke 297 sollen nur bei der ersten Gruppe hypothetische Verläufe von Bedeutung sein, während der Arbeitnehmer im Falle einer nur hypothetischen Streikteilnahme nicht so behandelt werden könne, als hätte er eine Willenserklärung abgegeben. Daran ist zwar richtig, daß dem Einzelnen nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen eine Willenserklärung nicht zugerechnet werden kann, wenn er diese nicht abgegeben hat. Anderes muß aber im Rahmen der Risikozurechnung gelten. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, hypothetisches Bummeln und hypothetische Streikteilnahme unterschiedlich zu beurteilen 298 , zumal die Fiktion 2 9 9 einer Willenserklärung dem Gesetz nicht fremd i s t 3 0 0 . Grundsätzlicher läßt sich argumentieren: Die Willenserklärung ist das Mittel des Einzelnen, mit dem er privatautonom handeln kann 3 0 1 . Deshalb bewirkt die Fiktion einer Willenserklärung regelmäßig einen Eingriff in die Privatautonomie, weil fingierte Erklärungen dem Willen des Einzelnen meist nicht entsprechen. Genau dies ist bei den hier problematischen Konstellationen aber nicht der Fall. Der einzelne Arbeitnehmer wollte streiken und hätte dies auch getan, wenn nicht eine andere Ursache - etwa Krankheit - für ihn die erklärte Streikteilnahme entbehrlich gemacht hätte. Mithin entsprach die Streikteilnahme seinem eigentlichen Willen, weshalb die Berücksichtigung nur „hypothetischer Erklärungen" auch unter diesem Aspekt unbedenklich ist.
297
DB 1991, S. 1168 (1174); allerdings hält Reinecke (a.a.O., S. 1175) als Korrektiv den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bereit. 298 Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (538). 299 Vorliegend darf dahinstehen, inwieweit die Berücksichtigung einer hypothetischen Willenserklärung überhaupt schon eine Fiktion derselben ist. Hinsichtlich des hier erhobenen Einwandes des unzulässigen Eingriffs in die Privatautonomie stellen sich zumindest vergleichbare Fragen. 300 Dazu nur Flume , BGB AT, S. 117 ff. Das erkennt auch Reinecke, DB 1991, S. 1168 (1174) an. Richtig ist vor allem sein Hinweis auf § 252 BGB. Auch dort wird auf hypothetische Willenserklärungen abgestellt, wenn es auf den Gewinn ankommt, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen ... erwartet werden konnte. 301 Vgl. Medicus, BGB AT, RdNr. 172 ff., 242 ff.
§ 6 Bürgerlichrechtliche Behandlung des Arbeitskampfrisikos A. Das Problem Wie dargelegt 1, vermögen sämtliche von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Lösungsmodelle der Arbeitskampfrisikoproblematik nicht zu überzeugen. Der tragende Grund liegt hierfür m.E. im regelmäßig falschen Ansatz. Bei der Frage der angemessenen Verteilung des Arbeitskampfrisikos handelt es sich um eine solche der Gefahrtragung im Arbeitsverhältnis. Deshalb ist die Antwort auch im Individualarbeitsrecht zu suchen und nicht, wie es häufig geschieht, im kollektiven Arbeitskampfrecht 2. In knappster Form lassen sich die Konstellationen wie folgt beschreiben: Eine Gewerkschaft „streikt" in einem begrenzten Gebiet, wodurch es - von ihr beabsichtigt - in weiteren Gebieten zu Arbeitsausfällen kommt. Die Gewerkschaft macht sich also Abhängigkeiten der arbeitsteiligen Wirtschaft zunutze und erreicht aufgrund externer Effekte eine maximale Wirkung ihres minimalistischen Handelns (Minimax-Prinzip). Die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer berufen sich auf § 615 BGB - scheinbar zu Recht. An dieser unbilligen Risikotragung entzündet sich der Streit 3 .
B. Das Arbeitskampfrisiko als Zurechnungsproblem Gerade weil § 615 BGB die Frage der Risikotragung im Arbeitsverhältnis regelt, ist dort über das Zurechnungskriterium die Lösung zu suchen. Die Vorschrift rechnet das Vergütungsrisiko nämlich ausschließlich unter Risikogesichtspunkten zu, da der Annahmeverzug ein Verschulden des Gläubigers nicht voraussetzt 4. Das Vergütungsrisiko der durch den Annahmeverzug bedingten Nichtleistung trägt im Dienstvertragsrecht danach grundsätzlich der Dienstberechtigte. Das ist der gesetzliche Regelfall. Unter dem Aspekt der Zurechnung bleibt aber stets zu erwägen, ob nicht ausnahmsweise besondere Umstände eine abweichende Risikozuweisung recht1
Vgl. oben § 3 F. Zu den wenigen individualrechtlichen Lösungen vgl. oben § 3 F 2. 3 Das RG (RGZ 106, 272 [276]), dem die Loslösung vom BGB in erster Linie zu „verdanken" ist, befürchtete gar „unmögliche Zustände". 4 Vgl. prägnant zum rechtshistorischen Hintergrund Stoppelkamp, Annahme Verzug, S. 4 f. 2
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§ 6 Bürgerlichrechtliche Behandlung des Arbeitskampfrisikos
fertigen 5 . Das sei an einem der Arbeitskampfrisikoproblematik vergleichbaren Beispiel verdeutlicht, bei dem die Gewerkschaften aber zunächst hinweggedacht werden: Unterbindet der Arbeitnehmer die Anlieferung von produktionsnotwendigen Zubehörteilen durch einen Zulieferbetrieb, indem er etwa die dortigen Maschinen manipuliert, so kann er sich im Falle eines Produktions- und Arbeitsausfalls nicht auf § 615 BGB berufen. Die Vergütungsgefahr hätte er in diesen Fällen - ungeachtet weiterer Schadensersatzforderungen - selbst zu tragen. Der die Vorschrift des § 615 BGB dominierende Gedanke der abstrakten Gefahrbeherrschung durch den Gläubiger, nach dem dieser aufgrund abstrakt-typischer Grundsätze Störungen am besten abwehren kann und ihm deshalb die Gefahr zugerechnet wird 6 , stößt hier an seine Grenzen 7. Die Besonderheit der „Arbeitskampfrisikofälle" besteht jedoch darin, daß nicht alle Akteure selbst Parteien des Arbeitsvertrages sind, sondern die Gewerkschaften als „Dritte" hinzutreten. Dabei sind die Gewerkschaften die Störer, deren Handeln einer der Vertragsparteien nicht ohne weiteres zugerechnet werden kann. Dies gilt ersichtlich für die Arbeitgeber, aber grundsätzlich auch für die einzelnen Arbeitnehmer - insbesondere für Außenseiter und Andersorganisierte.
1. Zurechnung des Arbeitskampfrisikos aufgrund vereinsrechtlicher Wertungen? Allenfalls für die mitgliedschaftlich organisierten Arbeitnehmer ließe sich daran denken, aus vereinsrechtlichen Grundsätzen eine Zurechnung des 5
Vgl. allgemein für die Risikozurechnung Canaris , Vertrauenshaftung, S. 481. Vgl. zu diesem grundlegend Koller, Risikozurechnung, S. 78 ff., 132 ff.; ferner ders., Bewegliches System, S. 75 (79 f.). Zu weiteren möglicherweise dahinterstehenden Prinzipien, dem Absorptionsprinzip und dem Prinzip arbeitsteiliger Veranlassung, vgl. Koller, Risikozurechnung, S. 89 ff., 95 ff., 178 ff., 193 ff. 7 Eine exakte Bestimmung des dem Gläubiger Zurechenbaren kann hier dahinstehen; hingewiesen sei jedoch auf die Ausführungen in den Motiven (Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Band II. Recht der Schuldverhältnisse. 1888, S. 69), nach denen zwar schon die „nackte T(h)atsache der Nichtannahme der angebotenen Leistung" den Annahmeverzug auslöst, dabei aber davon ausgegangen wurde, daß das Entgeltrisiko deshalb beim Gläubiger verbleibt, weil „aus irgend einem auf der Seite des Gläubigers liegenden Grunde" die Dienstleistung nicht mehr durchführbar war (Motive, a.a.O., S. 68). An dieser inneren Rechtfertigung der Gefahrenverteilung fehlt es gerade in dem gebildeten Beispielsfall. Vgl. dazu auch Picker, Lohngefahr, Festschrift für Otto Rudolf Kissel , S. 813 (817 f. mit Fn. 15); zu weitgehend allerdings ders., a.a.O., S. 813 (854), wonach es Zweck der Substratsgefahrtragung sei, die Folgen von Zufall und Unglück gerade als solche zu regeln, sie also unabhängig von einer noch so verdünnten „Zurechenbarkeit" zuzuweisen. 6
Β. Das Arbeitskampfrisiko als Zurechnungsproblem
143
Handelns der Gewerkschaft zu entwickeln. In diesem Sinne bezeichnete schon Jörns 8 die organisierten Arbeitnehmer schlicht als „mitverantwortlich" und versagte ihnen aus diesem Grunde den Lohnanspruch. Auch Kalb 9 hat erwogen, ob zumindest die zur Urabstimmung über den bevorstehenden Streik berechtigten Arbeitnehmer eine haftungsbegründende Einflußmöglichkeit besäßen. Er lehnte dieses aber im Ergebnis zu Recht ab 1 0 . Das Ergebnis der Urabstimmung hänge von heteronomen Bedingungen, wie dem Abstimmungsverhalten der Kollegen, dem Plazet der Gewerkschaftsorgane und letztlich auch vom Scheitern der Tarifverhandlungen, ab 1 1 . Dies sei vom Arbeitnehmer nicht beeinflußbar. Das entspricht auch allgemeinen Grundsätzen des Vereinsrechts, nach denen Mitglieder nicht für die Schulden ihres (nichteingetragenen) Vereins 12 haften 13 .
2. Das Arbeitskampfrisiko als „hypothetischer Streik"? Hinsichtlich der Zurechnung der gewerkschaftlich provozierten Leistungsstörung ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Gewerkschaften nicht „typische Dritte" sind und der Arbeitskampf kein Geschehen ist, welches sich auf einer abstrakt kollektiven Ebene abspielt. Das auf den Abschluß eines Tarifvertrages gerichtete Vorgehen der Gewerkschaften bezieht die Arbeitnehmer nämlich regelmäßig mit ein. Der von einer Gewerkschaft gefaßte Streikbeschluß muß durch die Arbeitnehmer erst in den Betrieben via Streikteilnahme umgesetzt werden, damit er seine Folgen entfalten kann. Arbeitnehmer und Gewerkschaften wirken zusammen - auf zwei Stufen. Erst die Streikteilnahme des einzelnen Arbeitnehmers rechtfertigt dessen Lohnverlust 14 . Die unter dem Stichwort Arbeitskampfrisiko diskutierten Fälle unterscheiden sich von den „gewöhnlichen" Arbeitskampfkonstellationen wiederum dadurch, daß der Arbeitsausfall auch weitgehend ohne Streikbeteiligung einzelner Arbeitnehmer erreicht wird. Dazu gräbt die Gewerkschaft dem Arbeitgeber bildlich gesprochen „das Wasser ab". Der Arbeitgeber kann die Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen. Deren erklärte Streikteil8
Betriebsrisiko, S. 156. Betriebsrisikolehre, S. 56 f. 10 A.a.O., S. 57 f.; vgl. auch Weiss, AuR 1974, S. 37 (42). 11 Kalb, a.a.O., S. 57. 12 Zur Rechtsform der Gewerkschaften vgl. nur die Darstellung von Vorderwülbecke, Rechtsform, S. 27 ff. 13 Vgl. BGH, NJW 1979, S. 2304 (2306); sowie Reichert, Vereinsrecht, RdNr. 2507 ff. 14 Vgl. dazu nur BAG AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Bl. 1 R f.; AP Nr. 114 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 3. 9
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6 Bürgerlichrechtliche Behandlung des Arbeitskampfrisikos
nähme wird entbehrlich. Das Risiko des streikbedingten Arbeitsausfalls, welches die Arbeitnehmer zu tragen hätten, scheint sich nicht zu realisieren. Indes wurde bereits dargelegt, daß auch ein nur hypothetischer Verlauf, welcher der Realisierung eines Risikos entgegensteht, im Rahmen der Zurechnung des jeweiligen Entgeltfortzahlungstatbestandes zu berücksichtigen ist 1 5 . Dies muß auch bei der Verteilung des Arbeitskampfrisikos beachtet werden, denn die Streikteilnahme der Arbeitnehmer unterbleibt nur deshalb, weil der Gewerkschaft die Ausnutzung externer Effekte möglich ist; sonst müßte der Arbeitskampf großflächig geführt werden. Da sich also (durch die Gewerkschaften provoziert) das Annahmeverzugsrisiko realisiert hat, realisiert sich das individuelle Streikrisiko der einzelnen Arbeitnehmer nicht mehr. Sind aber hypothetische Verläufe im Rahmen der Zurechnung von Verhinderungsgründen relevant, so verhilft zwar nicht schon die Annahme einer hypothetische Streikteilnahme des Arbeitnehmers zum Ziel, denn diese scheitert schon regelmäßig an einem fehlendem Streikbeschluß der Gewerkschaft 16 . Deshalb verbleibt aber die Lohngefahr nicht beim Arbeitgeber, vielmehr bedarf es einer doppelten Hypothese: Fällt der Arbeitsausfall in ein hypothetisches Kampfgebiet und hätte sich der Arbeitnehmer an diesem Arbeitskampf beteiligt, so erhält er trotz der Regelung des § 615 BGB keinen Lohn. Das bedarf der näheren Darlegung. Für die Frage, ob sich das Risiko des streikbedingten Arbeitsausfalls realisiert hätte, wenn das Ausnutzen externer Effekte nicht möglich gewesen wäre, muß zunächst das „hypothetische Arbeitskampfgebiet" ermittelt werden. Damit ist dasjenige Kampfgebiet angesprochen, auf dem die Gewerkschaft den Arbeitskampf ohne Minimax-Strategie u. ä. geführt hätte. Dieses ist regelmäßig erheblich größer. Bestreikt etwa eine Gewerkschaft einen kleinen Teil eines Unternehmens, wodurch es dort zu einem vorhersehbaren Arbeitsausfall im übrigen Teil kommt, so liegt es nahe, daß die Gewerkschaft diese Abhängigkeit gezielt ausgenutzt hat - mit anderen Worten, daß sie das Unternehmen insgesamt hätte bestreiken müssen, wenn ihr ein Schwerpunktstreik nicht möglich gewesen wäre, um den gleichen Druck auf ihren Verhandlungspartner auszuüben. Gleiches gilt auch für das Bestreiken des Zulieferers eines Betriebes, mit dem die Gewerkschaft zu einem Tarifabschluß gelangen will usw. 1 7 . Damit ist aber erst das „hypothetische Arbeitskampfgebiet" ermittelt. Da es sich bei der Gefahrtragung um ein individualrechtliches Problem handelt, ist entsprechend der beschriebenen Zweistufigkeit des Arbeitskampfgeschehens sodann zu fragen, ob 15
Vgl. oben § 5 C. Man wird wohl kaum jemals annehmen können, der Arbeitnehmer hätte, hätte er vom Arbeitgeber beschäftigt werden können, ohnehin „wild" gestreikt. 17 Vgl. etwa das von Seiter, Staatsneutralität, S. 93, wiedergegebene Zitat eines Betriebsratsvorsitzenden hinsichtlich des Streiks in einem Zulieferunternehmen. 16
Β. Das Arbeitskampfrisiko als Zurechnungsproblem
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sich auch die Arbeitnehmer in dem „hypothetischen Arbeitskampfgebiet" an einem Streik beteiligt hätten. Wäre dies der Fall, so hätten die Arbeitnehmer nach den oben entwickelten Grundsätzen wegen hypothetischer Streikteilnahme keinen Lohnfortzahlungsanspruch. Im Unterschied zu diesen „bekannten" Konstellationen fehlt also nicht nur die erklärte Streikteilnahme des Arbeitnehmers; es fehlt auch der Streikbeschluß der Gewerkschaft. Die hier vertretene Lösung mag auf den ersten Blick unverhältnismäßig konstruiert erscheinen, sie ist aber die konsequente Fortführung der bürgerlichrechtlichen Dogmatik im Arbeitsrecht und auch dort nicht unbekannt. So ist etwa in den bereits erörterten Fällen der Streikunterbrechung an Feiertagen 18 im Grunde auch eine doppelte Hypothese vorzunehmen. Auch hier ist zunächst zu fragen, ob die Gewerkschaft ihren Streikbeschluß für den Feiertag gefaßt hätte (der Feiertag ist also der „externe Effekt"). Sodann ist aber zu fragen, ob sich die einzelnen Arbeitnehmer weiter am Streik beteiligt hätten. Ein Arbeitnehmer, der sich ohnehin nicht am Streik der Gewerkschaft beteiligt und deshalb seinen Anspruch auf das Entgelt behält, darf durch einen nur „hypothetischen Streikbeschluß" an einem Feiertag nicht schlechter gestellt werden. Zur rechtlichen Bewältigung des Arbeitskampfrisikos muß also vor allem die gewerkschaftliche Taktik stärker ins Blickfeld gerückt und im Rahmen der Zurechnung gewürdigt werden. Schon in der Weimarer Zeit hatte etwa das OLG Jena 19 über einen besonders prägnanten Sachverhalt zu entscheiden: In einer Betriebsversammlung wurde einstimmig ein Streik dreier Arbeitnehmer in Schlüsselpositionen beschlossen, was den Betrieb zum Erliegen bringen sollte und brachte. Die übrigen Arbeitnehmer meldeten sich arbeitswillig. Solche Fällen mögen auch durch „grobkörnigere" Rechtsfiguren, wie die der Umgehung 20 adäquat gelöst werden können. Doch ist der Begriff der Umgehung weit weniger präzise als die hier vorgestellte doppelte Hypothese. Umgangen wird nämlich regelmäßig die Erstreckung des Arbeitskampfgebietes und die individuelle Streikerklärung (im Falle des OLG Jena sogar nur die individuelle Streikerklärung). Das entspricht exakt den anzustellenden Hypothesen. Auch muß eine Umgehungslösung erst begründen, warum sie zu einem Wegfall des Anspruchs auf Lohnfortzahlung führt. Arbeitskampfrechtlich wäre eine derartige „Umgehung" sogar grundsätzlich zulässig. Die eigentliche individualrechtliche Zurechnungsproblematik erschließt sich hingegen einer solchen Lösung nur schwer.
18
Vgl. oben § 5 C 1. NZfArbR 1923, S. 190 f. 20 Das OLG Jena, NZfArbR 1923, S. 190 (191), bemühte (noch unschärfer) den Grundsatz von Treu und Glauben. 19
10 Gutzeit
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§ 6 Bürgerlichrechtliche Behandlung des Arbeitskampfrisikos
Schließlich finden sich in den verschiedenen Begründungen der von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Arbeitskampfrisikolehren 21 freilich meist nicht unmittelbar ausgesprochen - Ansätze der beiden Hypothesen. Treffend führt etwa das BAG22 aus, die mittelbar betroffenen Arbeitgeber könnten sich als Opfer eines „kalten Streiks" 23 fühlen. Ihnen dürfe das Beschäftigungs- und Lohnrisiko nicht aufgebürdet werden, weil sie sonst stärker belastet würden als die unmittelbar bestreikten Arbeitgeber. Damit ist das „hypothetische Kampfgebiet" angesprochen. Sogar ausdrücklich konstatiert Seiter 24, daß durch einen Streik in einer kleinen Kolbenfabrik, der einen großen Automobilhersteller stillegt, dieselbe Wirkung erzielt würde, als wäre der Automobilhersteller unmittelbar bestreikt worden. In gleichem Sinne rechtfertigt Picker 25 den Lohnverlust der Arbeitnehmer mit der Erwägung, daß der Arbeitgeber nicht „einfach als Partner eines Austauschvertrages", sondern „in seiner Rolle als Mitglied des Kreises der potentiellen Tarifvertragspartner" von den Fernwirkungen des Arbeitskampfes betroffen sei. Der hypothetischen Streikteilnahme der einzelnen Arbeitnehmer stehen wiederum die angestellten Partizipationsüberlegungen nahe. So führt Beuthien 26 aus, daß im tariflich unmittelbar umkämpften Bereich nicht mitkämpfende Arbeitnehmer im Falle einer Betriebs- oder Absatzstörung nicht besser stehen dürften, als wenn sie selbst gestreikt hätten oder ausgesperrt worden wären. „Hätten sie doch, wären nicht die anderen Arbeitnehmer für sie tarifpolitisch tätig geworden, selbst die aktive Kampflast übernehmen müssen. Außerdem haben sie, wenn sie gewerkschaftlich organisiert sind, unmittelbar und zwingend am neuen Tarifvertrag und damit am Kampferfolg teil ... Als Tarifteilhaber müssen sie auch die tarifautonom angemessene passive Kampflast des Lohnverlustes mittragen" 27 . Bei Jorns 2S findet sich hinsichtlich des Teilstreiks in einem Betriebe die Erwägung, daß der nicht streikende Teil der Belegschaft mit dem Streik einverstanden sei und 21
Vgl. oben § 3 F. AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 5. 23 Diesen Terminus befürwortet auch Beuthien, Wirtschaftsstörung, S. 71 f., während Lieb, NZA 1990, S. 289 (295 f.), von den „Steuerungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerseite" spricht. Das LAG Hamm, EzA zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 6, S. 17, hatte als Vorinstanz der genannten Entscheidung des BAG und im Anschluß an dessen frühere Rechtsprechung (BAG AP Nr. 30 zu § 615 BGB Betriebsrisiko Bl. 2) zu Recht betont, daß der mittelbar betroffene Betrieb in einer dem unmittelbar bestreikten Betrieb vergleichbaren Lage sei. 24 Staatsneutralität, S. 94. 25 Arbeitskampf, Festschrift für Horst Locher, S. 477 (484). 26 Wirtschaftsstörung, S. 20. 27 Beuthien, a.a.O. (Hervorhebung vom Verf.). 28 Betriebsrisiko, S. 153 ff. 22
Β. Das Arbeitskampfrisiko als Zurechnungsproblem
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sich nur scheinbar zur Arbeit bereit erkläre. In diesen Fällen entfalle der Lohnanspruch nach bürgerlichrechtlichen Grundsätzen wegen Arglist 2 9 . Die hier vertretene Lösung ist also im Grunde nicht neu, wenn auch weitgehend in Vergessenheit geraten und bislang noch nicht hinreichend entwikkelt und begründet worden. Schon im Jahre 1926 vertrat Kreller 30 die Ansicht, bei der „Teilstreikproblematik" handele es sich weniger um eine Frage des materiellen Rechts als um ein Beweisproblem. Es müsse die gesetzliche Vermutung aufgestellt werden, daß der durch einen Streik an der Arbeit verhinderte Arbeitnehmer das Verhalten der Streikenden billige, so daß er bereit sein müsse, die Folgen der Arbeitseinstellung für seine Person zu tragen 31 . Dieser Auffassung ist Nikisch 32 beigetreten. Bei einem Teilstreik in einem einzelnen Betriebe könne im allgemeinen angenommen werden, daß die Lahmlegung des ganzen Betriebes beabsichtigt sei und auch der nichtStreikende Teil der Belegschaft dieses Ergebnis wünsche33. Auch König 34 versagt den Annahmeverzugslohn nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn Anhalt dafür bestehe, daß die Arbeitswilligen mit den Streikenden zusammenhängen und der Teilstreik geführt werde, um die Folgen der Arbeitsverweigerung zu vermeiden. Plastisch bezeichnet Bötticher 35 die nichtStreikenden Arbeitnehmer als Gesinnungsgenossen, die aus taktischen Gründen mit einer Minderheit „als Brechstange" arbeiten wollen. Ihnen müsse „ohne Zweifel" der Lohn versagt werden. Ist § 615 BGB nach den hier dargelegten Grundsätzen wegen eines „hypothetischen Streiks" nicht anwendbar und verbleibt das Arbeitskampfrisiko somit beim Arbeitnehmer, weil dessen Entgeltanspruch dann gem. § 323 Abs. 1 BGB entfällt, so ist auch die Unterscheidung zwischen dem Wirtschafts- und Betriebsrisiko hinfällig. Soweit darauf hingewiesen wird, die bloße wirtschaftliche Sinnlosigkeit der Arbeitsleistung stelle keine Leistungsstörung dar, weil die Arbeitsleistung grundsätzlich möglich bleibe und § 323 Abs. 1 BGB deshalb nicht anwendbar sei 3 6 , wird verkannt, daß 29
A.a.O., S. 155 Fn. 11. AcP 125 (1926), S. 1 (60). 31 Kreller berief sich auf eine unveröffentlichte Hamburger Dissertation von Joachim Lohse, Unmöglichkeit und Annahmeverzug im geltenden Arbeitsrecht und nach dem Entwurf eines neuen Arbeitsvertragsgesetzes, 1924. 32 Jherings Jahrbücher, 80 Bd. (1930), S. 1 (119 ff.); diese Ansicht hat er allerdings später wieder aufgegeben (ders. I, S. 605). 33 Nikisch, Jherings Jahrbücher, 80 Bd. (1930), S. 1 (120). 34 RdA 1948, S. 54 (60). 35 Waffengleichheit, S. 13; ders., Gleichbehandlung, S. 43. Bötticher begründet seine Ansicht freilich nicht mit hypothetischer Streikteilnahme, sondern mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Vgl. auch RGRK/Matthes § 615 RdNr. 242. 36 Vgl. Picker, JZ 1979, S. 285 (293 f.); Richardi, Gefahrtragungsregelung, Festschrift für Strasser, S. 451 (462 f.). 30
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die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung schon wegen deren Fixschuldcharakter aufgrund Zeitablaufs eintritt 37 . Es kommt darum nicht entscheidend darauf an, ob die Arbeitsleistung wegen der Fernwirkung eines Streiks tatsächlich hätte erbracht werden können oder ob sie nur wirtschaftlich sinnlos war. Erst recht also muß § 323 Abs. 1 BGB nicht analog für das Wirtschaftsrisiko angewandt werden 38 .
3. Arbeitskampfrisikotragung als Beweisproblem? Da es für die Verteilung des Arbeitskampfrisikos einerseits auf häufig schwer nachweisbare hypothetische Verläufe ankommt, andererseits aber ein Massenphänomen gelöst werden muß, stellt sich die Frage nach der Praktikabilität einer solchen Lösung. Vorschnell wäre es, allein aufgrund der bereits erwähnten beweisrechtlichen Schwierigkeiten eine solch differenzierende Lösung zu verabschieden 39. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, daß die gebotenen dogmatischen Differenzierungen im Interesse der Rechtssicherheit mit beweisrechtlichen Mitteln, die im folgenden skizziert werden sollen, egalisiert werden müssen 40 . Klärungsbedürftig ist zunächst, wer überhaupt hinsichtlich des Nachweises hypothetischer Verläufe beweisbelastet ist. Während das BAG41 hinsichtlich solcher Tatsachen, die gegen die Alleinursächlichkeit 42 eines Verhinderungsgrundes sprechen, grundsätzlich den Arbeitgeber für beweisbelastet hält, hat es diese Last dem Arbeitnehmer hinsichtlich des Nachweises seiner Arbeitswilligkeit während der Arbeitsunfähigkeit auferlegt 43 . Letzteres entspricht wohl allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung 44 , nach denen der Arbeitnehmer den Tatbestand einer ihm günstigen Rechts37
Vgl. dazu oben § 2. Deshalb ist § 615 BGB auch nur analog anwendbar oben § 2. Dahingehend wohl auch MünchArbR/Oito § 283 RdNr. 42. 38 So aber Lieb, NZA 1990, S. 289 (291 f.); ders., Arbeitskampfrisiko, S. 163 (169 ff.). 39 Nach Ansicht des BAG AP Nr. 2 zu § 615 BGB Betriebsrisiko Bl. 2 R f., könne man die Frage der Lohnfortzahlungspflicht nicht „danach beurteilen, ob die nicht am Arbeitskampf beteiligten Arbeitnehmer oder Arbeitgeber mit den im Kampf Stehenden sympathisieren oder nicht". Es befürchtete insoweit nicht zu überbrückende Beweisschwierigkeiten und Lippenbekenntnisse wider innerer Überzeugung, die sogar noch belohnt würden. Vgl. dazu auch Weiss, AuR 1974, S. 37 (40 f.). 40 Ähnliche Probleme stellen sich auch im Deliktsrecht, wenn es um die rechtliche Bewältigung komplexer Prozesse geht; vgl. dazu nur Köck, Kausalität und Zurechnung, S. 9 (23 ff.). 41 AP Nr. 121 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 3 R; diesem folgend MünchArbR/ Boewer § 79 RdNr. 30; Vossen, Entgeltfortzahlung, RdNr. 96, 119, 792 aber auch RdNr. 99. 42 Zu diesem unzutreffenden Grundsatz vgl. oben § 5 A.
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norm darlegen und beweisen muß. Dem Arbeitgeber obliegt demgegenüber der Beweis für rechtshemmende, rechtshindernde oder rechtsvernichtende Tatsachen. Gleiches müßte demnach für nur hypothetische Verläufe gelten, da auch diese weder anspruchsvernichtend, noch -hemmend sind 4 5 . In der insoweit gleichgelagerten beweisrechtlichen Problematik des Schadensrechts hat sich die dort herrschende Meinung allerdings zu Recht anders entschieden und dem Schädiger die Beweislast für eine hypothetische Schadensursache auferlegt 46 . Hierfür spricht die textliche Fassung der gesetzlich geregelten Fälle hypothetischer Kausalität in § 287 S. 2 und § 848 B G B 4 7 . Für das Arbeitsrecht sind zudem fürsorgerische Überlegungen zu beachten 48 . Der Zweck der Lohnfortzahlungsregelungen darf nicht prozessual in der Weise untergraben werden, daß der Arbeitgeber in einem gerichtlichen Verfahren hypothetische Verläufe und Alternativursachen ins Blaue hinein behaupten kann 4 9 und den Arbeitnehmer so in Beweisnöte treibt 50 . Doch gerade für hypothetische Verläufe verliert der Streit um die Beweislast im Hinblick auf mögliche Beweiserleichterungen erheblich an Relevanz. So verlangt etwa § 252 Satz 2 BGB für den Nachweis des (bloß hypothetisch feststellbaren) entgangenen Gewinns nur eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung. Der von § 286 ZPO grundsätzlich geforderte Vollbeweis bezieht sich denn auch konsequent auf „tatsächliche Behauptungen", mithin nicht auf hypothetische, als nur vorgestellte Verläufe 51 . Hinsichtlich dieser kann ein solcher Beweis auch regelmäßig nicht geführt werden 52 . In 43 BAG AP Nr. 64 zu § 1 LohnFG Bl. 2 R (hinsichtlich des Zusammentreffens von Krankheit und ArbeitsunWilligkeit); dem folgend Dunkl in Kaiser/Dunkl/Hold/ Kleinsorge § 3 RdNr. 64, 225; Schmitt, EntgeltfortzahlungsG, § 3 RdNr. 76. 44 Hierzu nur BGH, NJW 1991, S. 1052 (1053) m.w.N.; Zöller/Greger vor § 284 RdNr. 17. 45 Vgl. Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (540). 46 Vgl. BGHZ 78, 209 (214); BGH, NJW 1986, S. 2838; Baumgärtel/Strieder, Beweislast, § 249 RdNr. 10; Deutsch, Haftungsrecht, S. 121 f.; Lange, Schadenersatz, S. 195 ff.; für das rechtmäßige Alternativverhalten: BGH, NJW 1993, S. 520 (521). 47 Vgl. Lange, Schadensersatz, S. 195. 48 So für den Nachweis des Verschuldens des Arbeitnehmers in § 616 BGB Baumgärtel/Baumgärtel, Beweislast, § 616 RdNr. 8; MünchArbR/ßoewer § 78 RdNr. 25. 49 Zu den Besonderheiten der Darlegungs- und Beweislast bei „negativen Tatbestandsmerkmalen" vgl. nur BGH y NJW 1985, S. 1774 (1775). 50 Für die Beweislast des Arbeitgebers hinsichtlich hypothetischer Verläufe LAG Berlin, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf S. 4; a.M. Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (540 f.); Reinecke, DB 1991, S. 1168 (1174). 51 Vgl. Weber, Kausalitätsbeweis, S. 195. 52 Vgl. Schneider, Beweis, S. 68 mit Hinweis auf strafrechtliche Entsprechungen.
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Betracht kommt deshalb die Anwendung des § 287 ZPO. Dagegen spricht zwar wiederum der nach dem Wortlaut der Norm nur beschränkte Anwendungsbereich für den Nachweis von Schaden und Schadenshöhe; wie aber Weber* 3 in seiner Habilitationsschrift überzeugend dargelegt hat, ist § 287 ZPO hinsichtlich des Nachweises hypothetischer Verläufe analog anwendbar, da der entsprechende Nachweis über ihn sachgerechter geführt werden kann als über § 286 ZPO. Deshalb macht es ferner keinen Unterschied, ob die hypothetische Kausalität auf Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite von Relevanz ist 5 4 . Ist § 287 ZPO also anwendbar, bleibt zu klären, welche Konsequenzen hieraus folgen. Immerhin verlangt § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ebenso wie § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO die freie Überzeugung des Gerichts. Der von Weber* 5 zutreffend dargelegte Unterschied zu § 286 ZPO besteht vor allem in der dem Gericht eingeräumten Möglichkeit, den Umfang der Beweisaufnahme zu beschränken. Das findet seinen Grund vornehmlich darin, daß der über § 287 ZPO zu führende Nachweis mit „Schwierigkeiten" verbunden ist, wie es § 287 Abs. 2 ZPO selbst formuliert 56 . Dies gilt in besonderem Maße für hypothetische Verläufe, die im Grunde gar nicht exakt beweisbar sind 5 7 . Das hat wiederum Konsequenzen für den Gegenstand der Überzeugungsbildung des Gerichts. Sind hypothetische Verläufe rechtlich von Bedeutung, so genügt die bloße Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts 58 , sonst würde die beweisbelastete Partei vor eine regelmäßig unlösbare Aufgabe gestellt 59 . Das deckt sich auch mit den bereits erwähnten beweisrechtlichen Anforderungen an den entgangenen Gewinn. Genügen aber Wahrscheinlichkeiten, so kann davon gesprochen werden, daß es innerhalb des Anwendungsbereichs des § 287 ZPO in der Regel keine Beweislastentscheidungen gibt60.
Mit diesen beweisrechtlichen Vorgaben läßt sich die Problematik des Arbeitskampfrisikos rechtlich angemessen bewältigen. Die doppelte Hypothese bereitet ohnehin hinsichtlich der Feststellung des hypothetischen Kampfgebiets regelmäßig keine Schwierigkeiten 61 . Die Gewerkschaften 53 Kausalitätsbeweis, S. 195 ff.; ihm folgend Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (541 f.). 54 Dazu nur Weber, Kausalitätsbeweis, S. 208 ff. 55 Kausalitätsbeweis, S. 197 ff., mit Nachweisen zum Meinungsstand. 56 Zutreffend Weber, Kausalitätsbeweis, S. 201 f. 57 Vgl. BGH, NJW 1983, S. 998. 58 So auch im Ergebnis Belling/Hartmann, ZfA 1994, S. 519 (541 f.). 59 Überzeugend Weber, Kausalitätsbeweis, S. 205 f. 60 So Schneider, Beweis, S. 67, 79 f. 61 Die Feststellung eines hypothetischen Arbeitskampfgebietes greift nicht etwa in das Selbstbestimmungrecht der Gewerkschaften ein. Deshalb kann darin auch
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tragen ihre Kampftaktiken meist offen zur Schau. Auch sind ihre Strategien durchsichtig; deren Gefährlichkeit liegt weniger in der intellektuellen Raffinesse, als in den fehlenden Kompensationsmöglichkeiten der Arbeitgeber. Problematischer ist hingegen der Nachweis der hypothetischen Streikteilnahme. Schematische Beweisregeln verbieten sich zwar 6 2 . Gleichwohl läßt sich der Partizipationsgedanke zu einer Faustregel ausbauen. Danach ist es wahrscheinlich 63 , daß sich die von dem Tarifvertrag regelungsbetroffenen Arbeitnehmer auch an einem Streik beteiligt hätten 64 . Regelungsbetroffen sind zunächst die Gewerkschaftsmitglieder, aber auch die Außenseiter (nicht hingegen die Andersorganisierten), soweit diese aufgrund vertraglicher Bezugnahmeklauseln oder gar wegen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes 65 von einem künftigen Tarifvertrag profitieren würden 66 . Die Außenseiter sind nach der Rechtsprechung des BAG auch befugt, sich an einem Streik zu beteiligen 67 . Der im Zusammenhang mit dem Partizipationsgedanken regelmäßig vorgetragene Einwand, die Partizipation sei ebenso wie der Erfolg des Arbeitskampfes ungewiß 68 , verfängt nicht. Partizipation wird hier nicht als materieller Zurechnungsgrund gebraucht 69 , sondern dient ausschließlich einer beweisrechtlichen Prognose hinsichtlich der Streikteilnahme einzelner Arbeitnehmer 70 . kein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG gesehen werden. Vgl. dazu die Ausführungen BVerfGE 92, S. 365 (403 f.). 62 Vgl. zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Feststellung einer inneren Tatsache BVerfG, NJW 1993, S. 2165. 63 Das LAG Berlin, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf S. 4, zieht sogar die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises in Erwägung; das geht wohl zu weit schon weil es sich um einen individuellen Willensentschluß handelt (so BGHZ 31, 351 [357]; 100, 214 [216]). Allgemein zum Anscheinsbeweis Baumbach/Lauterbach/Hartmann Anh. § 286 RdNr. 15 ff.; Zöller/Greger vor § 284 RdNr. 29 ff. m.w.N. 64 Nach Ansicht des ArbG Kassel, DB 1972, S. 1121 (1123), sei der Arbeitskampf den Arbeitnehmern, in deren Interesse er geführt wird, als einheitliches Geschehen „zuzuordnen". Freilich verstand das Gericht das Interesse an dem Arbeitskampf als materiellen Zurechnungsgrund. 65 Vgl. dazu nur Thüsing, ZTR 1997, S. 433 ff., mit Nachweisen zum Meinungsstand. 66 Die bloße Erstreckung betriebs- und betriebsverfassungsrechtlicher Normen des Tarifvertrages auch auf Außenseiter gem. § 3 Abs. 2 T V G reicht hingegen m. E. noch nicht aus, um eine hypothetische Streikbeteiligung zu vermuten. 67 So etwa BAG (GS) AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 8; ferner BAG AP Nr. 66 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 3. 68 Vgl. Picker, JZ 1979, S. 285 (287); femer Weiss, AuR 1974, S. 37 (42 ff.). 69 Dahingehend auch in jüngerer Zeit noch Kalb, Arbeitskampfrisiko, Festschrift für Eugen Stahlhacke, S. 213 (226 f. mit Fn. 69). 70 Deshalb wird zugleich der Individualwille des Arbeitnehmers geachtet, der aber als innere Tatsache anhand von Indiztatsachen erst ermittelt werden muß; dazu
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Interessant, da in die gleiche Richtung weisend, sind in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen der Bundesregierung 71 in der Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Sicherung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen. Die dort in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Vorschrift zur Neufassung des damaligen § 116 Abs. 3 AFG beruht maßgeblich auf dem Partizipationsgedanken und versagt in den dort geregelten Fällen, in denen durch Fernwirkung eines Arbeitskampfes Arbeit ausfällt, Sozialleistungen aus Gründen staatlicher Neutralität. In der Begründung wird die Versagung des Versicherungsanspruches mit der Erwägung gerechtfertigt, daß „der Arbeitslose an dem Ergebnis des Arbeitskampfes partizipiert". Der Arbeitskampf werde „stellvertretend auch für die Änderung seiner Arbeitsbedingungen geführt". Nach einer „natürlichen Betrachtungsweise wie auch im wirtschaftlichen Sinne" müsse der Arbeitslose daher „als beteiligt angesehen" werden. Trotz des Partizipationsgedankens beschränkt sich das hypothetische Arbeitskampfgebiet nicht zwingend auf den räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages. Hier hilft ein Blick auf die in der sozialrechtlichen Vorschrift des § 146 Abs. 3 Nr. 2 SGB I I I 7 2 angesprochenen Konstellationen eines Stellvertreterstreiks. Gleichwohl wird in den dort geregelten Fällen die Feststellung des hypothetischen Arbeitskampfgebietes besonders schwierig sein. So reicht nicht etwa schon die Feststellung, daß in einem Gebiet ein Tarifvertrag für ein anderes Tarifgebiet von derselben Gewerkschaft faktisch miterkämpft wird, weil dieser Tarifvertrag in dem vertretenen Gebiet übernommen zu werden pflegt. Es ist zudem erforderlich, daß die mittelbaren Arbeitsausfälle in dem vertretenen Gebiet von der Gewerkschaft - etwa zur nachhaltigen Sicherung der Übernahme des Tarifergebnisses - gewollt sind. Nur dann liegt ein gezieltes Ausnutzen produktionstechnischer Abhängigkeiten vor, und nur dann kann von einem „kalten Streik" oder einem „hypothetischen Kampfgebiet" gesprochen werden.
C. Relevanz der Kampfparität? Läßt sich das Arbeitskampfrisiko individualrechtlich angemessen verteilen, bleibt die Frage nach der Relevanz des vielfach bemühten Grundsatzes der Kampfparität 73 . Dabei ist zunächst zu bedenken, daß aufgrund der hier BVerfG, NJW 1993, S. 2165. Der Lohnverlust ist mithin kein Resultat einer rein ökonomischen Rechnung - hiergegen zu Recht Picker, JZ 1979, S. 285 (288). 71 BT-Drucks. 10/4989, S. 7. 72 Vgl. dazu auch Kalb, Arbeitskampfrisiko, Festschrift für Eugen Stahlhacke, S. 213 (227 ff.), der dabei allerdings die Paritizipation der Arbeitnehmer als materiellen Zurechnungsgrund gebraucht. 73 Zu diesem vgl. bereits ausführlich oben § 3 F.
C. Relevanz der Kampfparität?
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entwickelten individualrechtlichen Lösung die nach Ansicht der herrschenden Meinung paritätsgefährdende Minimax-Strategie der Gewerkschaften erheblich an Durchschlagskraft verloren hat. Soweit der Paritätsgrundsatz nicht überhaupt verabschieden werden sollte, muß seine Sicherung jedenfalls dort ansetzen, wo die Gefahr droht - auf kollektiver Ebene. Der Schutz durch das einzelvertragliche Leistungsstörungsrecht wäre ohnehin ein höchst unvollkommener. Zu Recht hat Picker 74 hervorgehoben, daß Bummel- oder Nadelstichstreiks regelmäßig zu weit größeren Schäden führten, ohne daß die Arbeitgeber über leistungsstörungsrechtliche Institute geschützt werden könnten. Auch würde Vorrathaltung einzelner Arbeitgeber den Zeitpunkt einer Leistungsstörung im Arbeitsverhältnis erheblich hinauszögern. Eine paritätswahrende Arbeitskampfrisikolehre käme zu spät. Operationen am Leistungsstörungsrecht zur Lösung kollektivrechtlicher Probleme behandeln also den falschen Patienten. Es verbleibt daher nur die Sicherung der Kampfparität durch kollektives Arbeitsrecht. Dabei sind wiederum zwei Stoßrichtungen denkbar. Einerseits könnten die (dann arbeitskampfrechtlichen) Befugnisse mittelbar betroffener Arbeitgeber ausgebaut werden 75 . Es könnte aber auch umgekehrt eine weitgehende Sicherung durch Reglementierung der Kampftaktik der Gewerkschaften angestrebt werden, indem diesen zum Schutze der Kampfparität ein „offenes Visier" 7 6 verordnet würde. Minimax-Strategien wären dann zumindest insoweit unzulässig, als durch sie die Parität gefährdet wäre. Diesen zweiten Ansatz gebietet schon der Schutz der Außenseiter und Andersorganisierten, in deren Rechte sonst unverhältnismäßig eingegriffen würde 77 .
74 JZ 1988, S. 62 (69 f.); ders., Arbeitskampf, Festschrift für Horst Locher, S. 477 (487); vgl. auch Staudinger/Richardi § 615 RdNr. 231. 75 Dafür etwa Picker, Arbeitskampf, Festschrift für Horst Locher, S. All (490 ff.). 76 Auch im Strafrecht wird der heimtückische Mord stärker sanktioniert als der „einfache" Totschlag. 77 Vgl. auch die allgemeinen Ausführungen des Großen Senats BAG AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf Bl. 6 R f. Zur Außenseiterproblematik vgl. Biedenkopf\ Rechtsfortbildung, S. 21 ff.; Löwisch/Bittner, AR-Blattei SD 170.3.2, RdNr. 46 ff.; differenzierend Kalb, Betriebsrisikolehre, S. 119 ff., 126 ff.
§ 7 Zusammenfassung der wichtigsten Thesen 1. Erbringt der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung nicht, so bestimmen sich die daran anknüpfenden leistungsstörungsrechtlichen Folgen grundsätzlich nach den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung und nicht nach den Verzugsregeln. Das folgt insbesondere aus einer ergänzenden Auslegung des Arbeitsvertrages. 2. § 615 BGB steht dieser Lösung nicht entgegen, ist aber als zentrale Gefahrtragungsregel analog anzuwenden. 3. Im Falle einer unwirksamen Kündigung durch den Arbeitgeber muß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft wegen § 296 BGB nicht mehr anbieten. Dabei ist für besondere Konstellationen (z.B. für Außendienstmitarbeiter) § 296 BGB analog anzuwenden. 4. Die Betriebsrisikolehre ist als nicht legitimierbare Sonderentwicklung neben dem BGB aufzugeben. Die nach dieser Lehre in Rechtsprechung und Literatur behandelten Fälle werden sachgerecht von § 615 BGB erfaßt. 5. Der im Lohnfortzahlungsrecht nach nahezu allgemeiner Ansicht geltende Grundsatz der Monokausalität, nach dem der in einem Lohnfortzahlungstatbestand genannte Verhinderungsgrund die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall gewesen sein muß, ist aufzugeben. Bei dem dabei angesprochenen Problem handelt es sich vielmehr um ein Zurechnungsproblem, das auch keiner spezifisch arbeitsrechtlichen Lösung zugeführt werden kann, sondern nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen entschieden werden muß. 6. Sind zwei (oder mehr) Verhinderungsgründe für den Arbeitsausfall ursächlich, so gilt ausgehend von dem aus § 323 Abs. 1 BGB folgenden Grundsatz, nach dem der Arbeitnehmer die Vergütungsgefahr selbst trägt, daß der Arbeitgeber nur das geringste Risiko zu tragen hat. 7. Für manche Konstellationen sind allerdings spezielle Regelungen zu beachten (§ 297 BGB, § 2 Abs. 2 sowie § 4 Abs. 2 und 3 EntgeltfortzG, § 78 Satz 2 BetrVG). 8. Dagegen spielen Kausalitäts- und Zurechnungsfragen beim Urlaub grundsätzlich keine Rolle. Insoweit geht es nicht um leistungsstörungsrechtliche Fragen; der Arbeitgeber erfüllt vielmehr nur einen Anspruch
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des Arbeitnehmers. Eine Sonderstellung kommt aber den Sonn- und gesetzlichen Feiertagen sowie dem Krankheitsrisiko zu (§ 3 Abs. 2 und § 9 BUrlG). 9. Hypothetische Kausalverläufe sind im Lohnfortzahlungsrecht von Relevanz, weshalb etwa einem Lohnfortzahlungsanspruch wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit die sonst erfolgte Teilnahme an einem Arbeitskampf entgegengehalten werden kann. 10. Nach diesen Grundsätzen ist auch das Arbeitskampfrisiko zu verteilen. Die von Rechtsprechung und Lehre entwickelte Arbeitskampfrisikolehre ist hingegen abzulehnen, weil sie systemwidrig das individualrechtliche Gefahrtragungsproblem mit kollektivrechtlichen Instrumenten lösen will. Vor allem über den Begriff der Kampfparität findet dabei das jeweilige rechtspolitische Vorverständnis unausgewiesen Eingang in die Lösung eines juristischen Problems. 11. Richtiger Ansatzpunkt ist demgegenüber, daß Gewerkschaft und Arbeitnehmer nicht durch einen provozierten Annahmeverzug des Arbeitgebers zu einem Lohnerhalt gelangen können. Deshalb gilt: Fällt der Arbeitsausfall in ein hypothetisches Kampfgebiet und hätte sich der Arbeitnehmer an diesem Arbeitskampf beteiligt, so erhält er keinen Lohn. Über die Beweisregel des § 287 ZPO kann dieser Ansatz für die Praxis handhabbar gemacht werden.
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Trittin, Wolfgang, Das Betriebsrisiko bei mittelbaren Arbeitskampffolgen - Kritik der Rechtsprechung des BAG zu Entgeltansprüchen und Mitbestimmungsrechten - , DB 1990, S. 322. Veit, Barbara, Der Anspruch auf Lohnfortzahlung für krankheitsbedingte Fehltage und auf Freizeitausgleich nach dem „Freischichtenmodell", NZA 1990, S. 249. Vießues, Herbert, Der medizinische Krankheitsbegriff, ZSR 1976, S. 394. Vorderwülbecke, Martin, Rechtsform der Gewerkschaften und Kontrollbefugnis des Gewerkschaftsmitglieds, Diss. München 1987, Berlin 1988 (zit.: Rechtsform). Vossen, Reinhard, Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen, Neuwied/ Kriftel/Berlin 1997 (zit.: Entgeltfortzahlung). -
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Waas, Bernd, Rechtsfrage des Annahmeverzugs bei Kündigung durch den Arbeitgeber, NZA 1994, S. 151. Waldeyer, Wolfgang, Die Lohnfortzahlungsdauer Krankheit und Schlechtwetter, DB 1972, S. 679.
beim Zusammentreffen
von
Walk, Werner, § 616 BGB und Leistungshindernisse in „neutraler" Sphäre, Diss. Tübingen 1997 (zit.: Leistungshindernisse). Weber, Hansjörg, Die Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung, RdA 1995, S. 229. Weber, Helmut, Der Kausalitätsbeweis im Zivilprozeß. Kausalität - Beweiswürdigung und Beweismaß - Beweiserleichterungen, Tübingen 1997 (zit.: Kausalitätsbeweis). Weiland, -
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Weiss, Manfred, Arbeitskampfbedingte Störungen in Drittbetrieben und Lohnanspruch der Arbeitnehmer, AuR 1974, S. 37.
Literaturverzeichnis -
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Wiedemann,
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Emst/Neumeier, Hubert, Anm. zu BAG, SAE 1986, S. 9.
Zeuner, Albrecht, Zum Problem der überholenden Kausalität, AcP 157 (1958/59), S. 441. -
Buchbesprechung: von Caemmerer, Ernst, Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht, AcP 162 (1963), S. 516.
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Wolfgang/Lor/ίζ, Karl-Georg, Arbeitsrecht, 5. Auflage, München 1998.
arverzeichnis Annahmeverzug 23 ff., 40 ff. - Angebot des Arbeitnehmers 41 ff. - Annahmeunmöglichkeit 46 ff. - und Arbeitskampfrisiko 61 ff., 141 ff. - und Krankheit 110 - Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers 49, 110 f. - Leistungsunfähigkeit mers 47 ff., 110
des Arbeitneh-
Arbeitnehmerschutzprinzip 67 ff., 97 f. Arbeitskampf - und Betriebsratstätigkeit
- freigestellte 71 ff.
Betriebsratsmitglieder
- Schulungs- und Bildungsveranstaltungen 73 ff. Betriebsrisikolehre 49 ff. - Existenzgefährdung 51 f.
des
Betriebes
Bezugsmethode 85 ff. - und hypothetische 130 ff.
Kausalverläufe
Feiertag 39 f.
115
- und Krankheit 112, 113 f.
- und Krankheit 106
- und Kurzarbeit
- u n d Urlaub 116 ff.
111, 113 f.
- und Urlaub 122 ff.
Arbeitskampfrisiko 52 ff.
Fürsorgegedanke 98 f.
- Annahme verzug 61 ff., 141 ff. - Arbeitnehmerschutzprinzip 67 ff.
Fixschuld 18 ff.
- Außenseiter 60 f., 68, 151 f.
hypothetische Kausalverläufe
- Beweisschwierigkeiten 148 ff.
- Anlagefälle 137
- hypothetischer Streik 143 ff.
- Arbeitskampfrisiko
- Kampfparität 54 ff., 57 ff., 152 f.
- Beweisschwierigkeiten 139, 148 ff.
- Solidaritätsprinzip 53 f.
- fehlende Arbeitserlaubnis 127
- vereinsrechtliche Wertungen 142 f. - zivilrechtliche 141 ff.
Lösungen
61 ff.,
143 ff.
- hypothetischer Streik 128 f., 140, 143 ff. - Rechtsfolgenlösung
Arbeitsunfähigkeit 38 f.
124 ff.
125 f., 127 f.,
130 ff.
- im Schadensrecht 135 ff. - im Strafrecht
Beschäftigungsverbote
138 f.
- Tatbestandslösung 134 ff.
- nach dem BSeuchG 107 - nach dem MuSchG 78 ff., 107 ff.
Kampfparität 54 ff., 57 ff., 119, 152 f.
Betriebsrat 70 ff.
Kausalität 91 ff.
- Benachteiligungsverbot 70, 114 f.
- condicio sine qua non-Formel 93 ff.
- Betriebsratstätigkeit 114 f.
- Formel der gung 95 f.
- erforderliche 70 ff.
und
Krankheit
Betriebsratsaufgaben
gesetzmäßigen
Bedin-
- Grundsatz der Monokausalität 92 ff. - Wesentlichkeitstheorie
104
Sachwortverzeichnis - vgl. auch hypothetische Kausal Verläufe Krankheit 36 ff.
173
- und Krankheit 104 ff. - verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit 30 ff.
- und Annahme verzug 110 - und Arbeitskampf 106
Unmöglichkeit
- Arbeitsunfähigkeit 38 f.
- Abgrenzung von Verzug 17 ff.
- und Betriebsratstätigkeit
114 f.
- und § 17 BSeuchG 107
Urlaub 79 ff., 116 ff. - und Arbeitskampf 116 ff.
- u n d Feiertag 112, 113 f.
- und Feiertag 122 ff.
- und Kurzarbeit
- Höhe des Urlaubsentgelts 85 ff.
112 ff.
- und MuSchG 107 ff. - und persönlicher Verhinderungsgrund 104 ff. - und Sonderurlaub 121 f.
- und Krankheit 121 f. - Urlaubswünsche des Arbeitnehmers 81 f.
- Umfang der Entgeltfortzahlung 87 ff.
- Wartezeit 81
- Inhalt des Urlaubsanspruchs 80 f.
- und Urlaub 121 f. - Wartefrist des Arbeitnehmers 39
Verschulden
Kurzarbeit
- als Zurechnungsprinzip
- und Feiertag 111, 113 f. - und Krankheit 112 ff.
- unverschuldeter 32 ff., 38
Lebensstandardprinzip 85 f., 99 f. Lohnausfallprinzip 83 ff.
- Abgrenzung 17 ff.
- und hypothetische Kausalverläufe 130 ff. - im Krankheitsfall 87 ff.
- vgl. auch Annahme verzug
101 ff.
Verhinderungsgrund
Verzug von
Unmöglichkeit
Zurechnung 100 ff. persönlicher Verhinderungsgrund 28 ff. - Abgrenzung: objektiver rungsgrund 29
Verhinde-
- multiple Verhinderungsgründe Zurechnungsproblem 100 ff. - Risikoprinzip 101 ff., 103 ff. - Verschuldensprinzip 101 ff.
als