Comic - Film - Gender: Zur (Re-)Medialisierung von Geschlecht im Comicfilm 9783839433362

Gender that matters: the author gets to the bottom of the interplay between comics, films and gender by way of contempor

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German Pages 304 Year 2016

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Table of contents :
Inhalt
1. Einführung
1.1 Medienwissenschaftliche Comicforschung trifft genderorientierte Medienwissenschaft
1.2 (Re-)Medialisierung: Comic und Film
2. Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics
2.1 Bild und Text
2.2 Einzelbild und Bildfolge
2.3 Reduktion und Überzeichnung
2.4 Differenz und Wiederholung
2.5 Comics und Gender
2.6 Zusammenfassung
3. Sin City: Doing Gender in Comic und Film
3.1 Gender Trouble in Sin City: Abstraktion und Subversion in Frank Millers Comic Noir
3.2 Von Comic und Film zum Comicfilm
3.3 (De-)Konstruktion von Gender in Sin City
3.4 Zusammenfassung
4. Unsterblich zu Lebzeiten: Die mediale (Re-)Produktion von Geschlecht in Immortel
4.1 Poésie Graphique – Enki Bilals hybride Comicwelt
4.2 Immortel: Hypermediale Transposition der Trilogie Nikopol
4.3 (Re-)Medialisierte Geschlechter
4.4 Zusammenfassung
5. Kick-Ass: (Hetero-)Normativität eines Superhelden
5.1 Wonder Women und Super Men: Das performative Wechselspiel von Gender, Genre und Medium im Pop-Comic Kick-Ass
5.2 It’s time to be a hero: Vom Scheitern der Gender-Parodie im Comicfilm Kick-Ass
5.3 Kick-Ass 2: (Re-)Affirmation normativer Geschlechterdiskurse
5.4 Zusammenfassung
6. Ausblick: Vom goldenen Zeitalter der Comicfilme
7. Quellenverzeichnis
7.1 Literaturquellen
7.2 Internetquellen
7.3 Comicquellen
7.4 Filmquellen
7.5 DVDs und Bonusmaterial
7.6 Fernsehsendungen und -serien
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Comic - Film - Gender: Zur (Re-)Medialisierung von Geschlecht im Comicfilm
 9783839433362

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Véronique Sina Comic – Film – Gender

Edition Medienwissenschaft

Véronique Sina (Dr. phil.) ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Studiengangskoordinatorin im Bereich der Gender und Queer Studies an der Universität zu Köln (GeStiK) tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender und Medien, Comic- und Intermedialitätsforschung (insbesondere die Korrelation von Comic und Film), Prozesse der Remedialisierung, Medienästhetik sowie Medien- und Kulturtheorie. Sie ist Mitbegründerin und Sprecherin der AG Comicforschung der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM).

Véronique Sina

Comic – Film – Gender Zur (Re-)Medialisierung von Geschlecht im Comicfilm

Die vorliegende Schrift wurde als Inaugural-Dissertation unter dem Titel »Comic – Film – Gender. Zur (Re)medialisierung von Geschlecht im Comicfilm« an der Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Philologie, angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Robert Hochstaedter ([email protected]) Lektorat: Véronique Sina Korrektorat: Angelika Sina Satz: Michael Sina ([email protected]) Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3336-8 PDF-ISBN 978-3-8394-3336-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

D anksagung

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine geringfügig überarbeitete Version meiner Dissertationsschrift, welche ich im Februar 2015 an der Fakultät für Philologie (Institut für Medienwissenschaft) der Ruhr-Universität Bochum (RUB) eingereicht und im darauffolgenden Juni erfolgreich verteidigt habe. Das Schreiben dieser Arbeit wäre niemals ohne die großartige und vielfältige Unterstützung zahlreicher Personen und Einrichtungen möglich gewesen. Ihnen allen möchte ich von Herzen danken! Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter Prof. Dr. Astrid DeuberMankowsky für die wunderbare Betreuung und Begleitung meiner Arbeit. Während meiner gesamten Promotionszeit hat sich Prof. Dr. Astrid DeuberMankowsky stets die Zeit genommen, auf mich und meine Arbeit in ausführlichen Gesprächen einzugehen. Die vielen wertvollen Hinweise und Anregungen, die ich so gewinnen durfte, haben mich ›in guten wie in schwierigen Zeiten‹ motiviert und entscheidend zu der Realisierung meiner Promotion und damit auch dieses Buches beigetragen. Darüber hinaus gilt mein besonderer Dank Prof. Dr. Kornelia Freitag, die als Zweitgutachterin meine Arbeit mit ihrer anhaltenden Unterstützung möglich gemacht hat. Nicht zuletzt, da sie sogar den weiten Weg von Seattle nach Bochum auf sich genommen hat, um einen Disputationstermin im Sommer 2015 möglich zu machen. Danken möchte ich ebenfalls Prof. Dr. Eva Warth und Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans für die Teilnahme an meiner Prüfungskommission. Für die finanzielle Unterstützung meiner Arbeit in Form von Stipendien möchte ich der Ruhr-University Research School sowie der Wilhelm und Günter Esser-Stiftung meinen Dank aussprechen. Für eine stetige Unterstützung meines Promotionsvorhabens sowie diverser wissenschaftlicher Projekte bin ich zudem dem Institut für Medienwissenschaft der RUB, der Fakultät für Philologie der RUB sowie der Gesellschaft der Freunde der Ruhr-Universität Bochum zu Dank verpflichtet. Danken möchte ich an dieser Stelle ebenfalls dem Fernleihteam der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund sowie dem Team von SMIDO, insbesondere Barbara Engels und Thomas Hofmann. Den Teilnehmer_innen meiner Seminare sowie des Bochumer Doktorand_innen Kolloquiums »Gender und Medien« und zahlreichen Kolleg_innen, mit denen ich

mich im Rahmen von wissenschaftlichen Tagungen etc. in den vergangenen Jahren austauschen durfte, gebührt mein Dank für viele interessante Diskussionen und wertvolle Impulse. Für ihre Freundschaft und unermüdliche Bereitschaft, mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, bin ich Bianca Westermann zu großem Dank verpflichtet. Gemeinsam mit Jennifer Eickelmann und Nina Heindl gebührt Bianca Westermann zudem Dank für die umfassende und präzise Lektüre des Manuskripts sowie für viele unverzichtbare Anregungen, die meine Arbeit ungemein bereichert haben. Für ihre fachliche und moralische Unterstützung möchte ich außerdem Julia Eckel, Bernd Leiendecker, Sophie Einwächter, Christian Stewen, Katja Grashöfer, Uwe Wippich, Eva Hohenberger, HansJoachim Backe und Hilde Hoffmann danken. Für die Verwendung des CoverMotivs gilt mein Dank Robert Hochstaedter, der mir seinen wunderbaren Comicstrip zur Verfügung gestellt hat. Ein riesen Dank gebührt meiner Familie, insbesondere meiner Mutter Catherine Vonier sowie meiner Schwiegermutter Angelika Sina, die über die Jahre hinweg stets bereitwillig als Korrekturleserin zur Verfügung stand und gemeinsam mit Monika Barking das Manuskript dieser Arbeit mit bewundernswerter Genauigkeit sowie Sorgfalt gegengelesen und auf Fehler überprüft hat. Meinem Bruder Christian Vonier möchte ich für seinen nicht enden wollenden Enthusiasmus, für zahlreiche gemeinsame Kinobesuche sowie für seine umfangreiche DVD-Sammlung danken, auf die ich im Rahmen meiner Arbeit jederzeit zurückgreifen durfte. Unendlich dankbar bin ich meinem Mann Michael Sina, dessen grandiose Recherchearbeiten und Computerkenntnisse meine Arbeit enorm erleichtert und zu großen Teilen erst möglich gemacht haben. Ohne seine Geduld, Motivation und unerschöpfliche Unterstützung hätte ich mein Promotionsvorhaben sicherlich nicht realisieren können. Dortmund, im August 2015 Véronique Sina

Für Gernot Vonier

In Gedenken an Kim Gehrke (geb. Dasbeck)

Inhalt 1. Einführung 11 1.1 Medienwissenschaftliche Comicforschung trifft genderorientierte Medienwissenschaft 14 1.2 (Re-)Medialisierung: Comic und Film 22 2. Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics 29 2.1 Bild und Text 31 2.2 Einzelbild und Bildfolge 38 2.3 Reduktion und Überzeichnung 48 Differenz und Wiederholung 57 2.4 Comics und Gender 71 2.5 2.6 Zusammenfassung 84 3. S in C it y : Doing Gender in Comic und Film 87 3.1 Gender Trouble in Sin City: Abstraktion und Subversion in Frank Millers Comic Noir 88 3.2 Von Comic und Film zum Comicfilm 110 3.3 (De-)Konstruktion von Gender in Sin City 125 3.4 Zusammenfassung 145 4.

Unsterblich zu Lebzeiten: Die mediale (Re-)Produktion von Geschlecht in I mmortel 147

4.1 Poésie Graphique – Enki Bilals hybride Comicwelt 148 4.2 Immortel: Hypermediale Transposition der Trilogie Nikopol 169 4.3 (Re-)Medialisierte Geschlechter 181 Zusammenfassung 197 4.4

5.

K ick -A ss : (Hetero-)Normativität eines Superhelden

199

5.1 Wonder Women und Super Men: Das performative Wechsel spiel von Gender, Genre und Medium im Pop-Comic Kick-Ass 201 It’s time to be a hero: Vom Scheitern der Gender-Parodie im 5.2 Comicfilm Kick-Ass 226 5.3 Kick-Ass 2: (Re-)Affirmation normativer Geschlechter diskurse 245 Zusammenfassung 261 5.4

6.

Ausblick: Vom goldenen Zeitalter der Comicfilme

263

7. Quellenverzeichnis 271 7.1 Literaturquellen 271 7.2 Internetquellen 293 7.3 Comicquellen 294 Filmquellen 297 7.4 DVDs und Bonusmaterial 299 7.5 7.6 Fernsehsendungen und -serien 300

1. Einführung

Unter dem Titel Comics & Media sorgte die im Frühjahr 2014 erschienene Sonderausgabe des US-amerikanischen Journals Critical Inquiry für eine kleine Sensation: Zum ersten Mal in der Geschichte des renommierten literaturwissenschaftlichen Magazins legt eine gesamte Ausgabe den Schwerpunkt auf die ehemals als triviale ›Schundliteratur‹ verpönten Comics1. Doch nicht nur die ungewöhnliche thematische Ausrichtung2, sondern auch die Wahl des Titelbildes kennzeichnet die special issue des Magazins als etwas ›Besonderes‹. Denn für die Gestaltung der Titelseite zeichnet sich niemand Geringeres verantwortlich als der durch seine umstrittenen Arbeiten berühmt gewordene Underground-Comickünstler3 Robert Crumb. Als provokativer Kommentar zum 1 | Wie Reinhold C. Reitberger und Wolfgang Fuchs bemerken, ist die »Geschichte der Comic Books […] die Geschichte ihrer Anfeindungen. So wurden sie zum Beispiel 1940, als sie sich gerade erst richtig zu etablieren begannen, von der Chicago Daily News als ›giftige pilzartige Wucherung‹ bezeichnet« (Fuchs/Reitberger 1971, 134 f.). 2 | Die Sonderausgabe Comics & Media wurde von der Konferenz Comics: Philosophy and Practice inspiriert, welche im Mai 2012 an der Universität von Chicago veranstaltet wurde (vgl. Chute/Jagoda 2014, 1). 3 | Als Gegenkultur verstanden, entstehen in den USA Ende der 1960er Jahre die so genannten Underground Comix. Im Gegensatz zu den Mainstream-Comics (allem voran den Superheld_innen-Comics der Verlage DC und Marvel) richten sich die Comix (das X soll die Abgrenzung zum Mainstream markieren) an ein erwachsenes Zielpublikum. Oberstes Ziel der Underground Comix ist es, sowohl inhaltliche als auch gestalterische Tabus zu durchbrechen. So dominieren in den Comix der späten 1960er Jahre – wie z.B. in dem von Robert Crumb herausgebrachten Zap Magazine (1968) – vor allem gesellschaftskritische Themen wie Sex, Drogen und Gewalt (vgl. Knigge 1996, 161 ff.). Die Blütezeit der Comix lässt sich laut Andreas C. Knigge zwischen 1968 und 1974 ausmachen (vgl. ebd. 2004, 195 sowie 197). Für eine ausführliche Behandlung der Underground Comix siehe u.a. Charles Hatfield: Alternative Comics. An Emerging Literature. Jackson: Univ. Press of Mississippi 2005 sowie Roger Sabin: Adult comics: An Introduction. London: Routledge 1993.

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Comic – Film – Gender

politisch hochdiskutierten Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe präsentiert Crumbs Cover-Zeichnung ein Gender-Grenzen überschreitendes Paar dressed in drag, welches sich händchenhaltend vor einem sichtlich irritierten Beamten einfindet, um eine Heiratserlaubnis zu beantragen (s. Abb. 1). Wie das nachstehende Zitat von Crumb verdeutlicht, resultiert die Irritation des Beamten, welche sich auf die Rezipient_innen übertragen soll, aus der Uneindeutigkeit des Gezeigten: »The whole idea of this cover is that you can’t tell what gender these people are. So what are you supposed to do? Have a gender inspection to see who has what? […] At first I thought of drawing two unisex creatures with a minister marrying them – but I drew this instead, that was more lurid. I didn’t consider it offensive« (Crumb in Mouly 2012, 39; Herv. im Org.).

Abbildung 1: Robert Crumb: Rejected The New Yorker Cover

Quelle: Special issue of Critical Inquiry: Comics & Media. Hg. v. Hillary Chute und Patrick Jagoda. Chicago: Univ. of Chicago Press 2014 [Cover-Zeichnung]. Zit. nach . Letzter Zugriff: 09.01.2015.

Einführung

Obwohl der Comickünstler selbst sein Werk nicht als beleidigend (»offensive«) erachtet, gesteht er in seiner Äußerung ein, dass es sich hier um eine durchaus reißerische (»lurid«) Darstellung handelt. Genauer gesagt stellt Crumbs Titelmotiv eine parodistische Interpretation heteronormativer Geschlechterordnung dar, welche etablierte Gender-Stereotype reproduziert, diese durch ihre überzeichnete, comichafte Repräsentation aber auch gleichzeitig reflektiert und ad absurdum führt. In ihrer parodistischen Ambivalenz und Übertreibung zeigt die von Crumb entworfene Cover-Zeichnung somit beispielhaft das transgressive Potenzial des Comics auf, mediale Einschreibungs- sowie Entstehungsprozesse sichtbar zu machen und kritisch zu hinterfragen. Zugleich lenkt die hier präsentierte Thematisierung, Reflexion und Irritation geschlechtlich codierter Inhalte unweigerlich den Blick auf das enge Verhältnis von Gender und Medien. Dieses beschränkt sich natürlich nicht nur auf das Medium Comic. Auch für das ›klassische‹ Medium Film, welches seit jeher eine innige Beziehung zur ›Neunten Kunst‹4 pflegt 5, ist die Kategorie Gender von grundlegender, konstitutiver Bedeutung. Zentrales Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, diesem Verhältnis nachzuspüren. Anhand des zeitgenössischen ›Comicfilms‹ soll das Zusammenspiel von Comic, Film und Gender als ein sich gegenseitig bedingendes und auf komplexen, performativen Prozessen der (Re-)Medialisierung basierendes Austauschverhältnis dargelegt werden. Im Rahmen der Forschungsperspektive der Gender-Media Studies und unter Berücksichtigung der reziproken Beziehung der Performativität von Gender sowie der Medialität des Performativen soll anhand ausgewählter Comic- und Filmbeispiele untersucht werden, wie sich Comic, Film und Gender wechselseitig generieren und produktiv aufeinander einwirken. Denn obwohl das Phänomen Comicfilm ein breites Spektrum an verschiedensten Filmen umfasst – die sich auf inhaltlicher, stilistischer und formal-ästhetischer Ebene auf völlig unterschiedliche Weise mit dem Medium Comic auseinandersetzen –, wird im Folgenden der 4 | Laut Thomas Becker geht die Benennung von Comics als Neuvième Art (›Neunte Kunst‹) »auf die Aufzählung durch Riccotto Canudo von 1920 zurück, der zu seiner Zeit, als es jedenfalls schon Comics gab, auf sieben Künste kam, ohne den Comic aufzuführen. Den Film hatte er zur Siebten Kunst erklärt. Als achte kam später in den 1950er Jahren das Fernsehen hinzu. 1966 reihte dann Francis Lacassin den Comic hinter dem Fernsehen ein« (Becker 2011b, 63). 5 | Zur lang jährigen Beziehung von Comic und Film siehe u.a. Véronique Sina: Die Korrelation von Comic und Film. Ein Einblick in die reziproke Entwicklungsgeschichte zweier Medien. In: CLOSURE. Kieler e-Journal für Comicforschung 1/2014. Hg. v. Cord-Christian Casper, Julia Ingold und Gerrit Lembke (et al.), S. 99–121. Online verfügbar unter . Letzter Zugriff: 13.12.2014.

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Comic – Film – Gender

These nachgegangen, dass die Kategorie Gender für die Konstitution von Comic und Film immer eine entscheidende Rolle spielt.

1.1 M edienwissenschaf tliche C omicforschung triff t genderorientierte M edienwissenschaf t Innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses ist eine zunehmende Etablierung deutschsprachiger Comicforschung zu beobachten, welche sich durch »eine große thematische Breite und methodische Vielfalt« (Ditschke/Kroucheva/ Stein 2009, 11) kennzeichnet6. Dabei haben sich in den letzten Jahren vornehmlich Forscher_innen aus der Literatur-, Kunst-, Geschichts- oder Kulturwissenschaft mit der ›Neunten Kunst‹ beschäftigt. Eine medientheoretische Auseinandersetzung, welche die spezifische mediale Beschaffenheit des Comics genauso in den Blick nimmt wie seine intermedialen Relationen zum ›benachbarten‹ Medium Film, ohne dabei die konstituierende Funktion der Kategorie Gender außer Acht zu lassen, ist bisher jedoch ausgeblieben. Diese Forschungslücke möchte die vorliegende Arbeit schließen. Einen interdisziplinären Ansatz verfolgend, welcher medienwissenschaftliche Comicforschung und genderorientierte Medienwissenschaft miteinander verbindet, soll der moderne Comic 7 im Folgenden als eigenständige mediale Form verstanden werden, die durch eine Reihe spezifischer Charakteristika beschrieben und somit von anderen Medien unterschieden werden kann. Unter Rückgriff auf 6 | Für eine Übersicht zum Stand der deutschsprachigen Comicforschung siehe u.a. Jakob F. Dittmar: Comics. In: Handbuch Medienwissenschaft. Hg. v. Jens Schröter. Stuttgart: J. B. Metzler 2014, S. 258-261, Sigrun Galter: Das neu erwachte Interesse am Comic? Zur Rolle der Literaturwissenschaft in der deutschen Comicforschung. In: Rezensionsforum literaturkritik.de, Nr. 6/Juni 2012. Online verfügbar unter . Letzter Zugriff: 10.11.2014 sowie Daniel Stein: Comicwissenschaft in Deutschland: Ein Einschätzungsversuch. 2012. Online verfügbar unter . Letzter Zugriff: 16.12.2014. Einen systematischen Einblick in die wachsende Anzahl von Publikationen zur deutschsprachigen sowie internationalen Comicforschung bietet u.a. die Bonner Online-Bibliographie zur Comicforschung (vgl. http://www.comicforschung.uni-bonn.de/). 7 | Innerhalb der vorliegenden Arbeit bezeichnet der Ausdruck ›moderner Comic‹ bzw. ›Comic‹ den »Sprechblasencomic amerikanischer Prägung« (Sackmann 2008, 7), der sich Ende des 19. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt hat und sich u.a. durch eine typische »Verzahnung von Bild und Schrift« (Dolle-Weinkauff 2008, 8) auszeichnet.

Einführung

das von Jay David Bolter und Richard Grusin entwickelte Konzept der Remedialisierung (remediation), welches die Repräsentation eines Mediums in oder durch ein anderes Medium bezeichnet (vgl. Bolter/Grusin 1999, 45), wird im Folgenden aber auch gleichzeitig von einer grundlegenden Intermedialität sowie Performativität des Comics ausgegangen, welche nicht ohne die Kategorie Gender gedacht werden kann. Genau wie bei dem noch jungen Feld der Comicforschung handelt es sich auch bei der Medienwissenschaft um eine heterogene Wissenschaft, deren Ansätze und Methoden sich aus unterschiedlichen Disziplinen, wie etwa der Film- und Fernsehwissenschaft oder der Kulturwissenschaft, speisen. Im Rahmen einer genderorientierten Medienwissenschaft wird dieses vielfältige Instrumentarium um eine weitere Ausrichtung – nämlich um Ansätze der Gender und Queer Studies erweitert (vgl. Deuber-Mankowsky/Michaelsen o.J., o.S.). Dabei wird zunächst die Frage nach der medialen »Konstitution und Produktion von Geschlecht« (ebd.) in den Vordergrund gerückt. Gleichzeitig stellt »genderorientiertes medienwissenschaftliches Denken« (vgl. Seier/Warth 2005, 107; Herv. im Org.) aber auch die Frage nach der Rolle von Geschlecht für die Konstitution von Medien. Eine genderorientierte Medienwissenschaft muss ihre Analysegegenstände also stets aus einer doppelten Perspektivierung heraus betrachten, welche sowohl die Bedeutung von Medien für die Konstitution von Gender als auch die strukturierende Funktion der Kategorie Gender für die Beschaffenheit von Medien miteinbezieht. Aus diesem zweifachen Blickwinkel heraus sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Medien Comic und Film beleuchtet werden. Genauer gesagt sollen Comic und Film als Forschungsgegenstände der Gender-Media Studies behandelt und auf ihr wechselseitiges Ineinandergreifen hin untersucht werden. Zu diesem Zweck werden – wie in aktuellen Forschungsansätzen gefordert – »Gendertheorie und Medienwissenschaft […] zusammengedacht und zusammengefügt« (Wagner 2008b, 24). Grundlage dieses Zusammendenkens medienwissenschaftlicher Comicforschung und genderorientierter Medienwissenschaft bildet die Annahme, dass Gender und Medien keine voneinander getrennten Bereiche darstellen. In Anlehnung an die Ausführungen von Teresa de Lauretis8 handelt es sich bei beiden Konzepten um »kulturelle Technologien, die sich wechselseitig antreiben oder produktiv aufeinander einwirken« (Seier/Warth 2005, 95). Bevor das (reziproke) Konstitutionsverhältnis von Medien und Gender untersucht werden kann, bleibt allerdings zu klären, von welchem Gender- bzw. Medienbegriff eigentlich die Rede ist (vgl. Wagner 2008a, 10). Dabei ist zu8 | Zum Verständnis von Geschlecht als kultureller Praxis bzw. Technologie siehe Teresa de Lauretis: Technologies of Gender. Essays on Theory, Film, and Fiction. Bloomington: Indiana Univ. Press 1987.

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Comic – Film – Gender

nächst festzuhalten, dass im aktuellen medienwissenschaftlichen Diskurs keine Einigkeit herrscht, wenn es um eine Definition des Medienbegriffs geht. Auf diese ›Bedeutungsvielfalt‹ weisen auch die beiden Autoren Andreas Böhn und Andreas Seidler hin, wenn sie konstatieren, dass »die Wissenschaft selbst […] keine eindeutige und allgemein verbindliche Definition des Begriffs« bietet, »dafür aber verschiedene Perspektiven, unter denen das, was als Medium gilt, betrachtet werden kann« (Böhn/Seidler 2008, 16)9. Der Medienbegriff scheint also durch eine grundlegende Unbestimmbarkeit geprägt zu sein, welche es erschwert, eine fixe oder allgemein gültige Definition zu formulieren. Aber genau in dieser Unbestimmbarkeit liegt auch die Attraktivität sowie das produktive Potenzial des Medienbegriffs (vgl. Hickethier 2003, 18), welches sich die Gender-Media Studies nutzbar machen können. Denn genau wie in der aktuellen medienwissenschaftlichen Forschung keine einheitliche oder normative Definition des Medienbegriffs vorzufinden ist, setzen auch die Gender bzw. Queer Studies keinen festen Begriff von Gender voraus, sondern »untersuchen, wie sich ein solcher Begriff in den verschiedenen Zusammenhängen jeweils herstellt bzw. wie er hergestellt wird« (Stephan/von Braun 2006, 3). Innerhalb dieser Betrachtungsweise stellt die Kategorie Gender weder eine stabile noch eine unveränderbare Größe dar, sondern vielmehr eine ungelöste sowie unabschließbare Frage, die immer wieder neu gestellt werden muss (vgl. Butler 1997b, 26). Und genau hier erhält der Begriff der Performativität eine zentrale Bedeutung. Den Ausführungen der amerikanischen Philosophin und Theoretikerin Judith Butler folgend, wird das Konzept der Performativität innerhalb der Gender und Queer Studies als permanentes Zitieren bzw. zwanghaftes Wiederholen hegemonialer Normen und geschlechtlicher Identitäten verstanden: »In this sense, gender is in no way a stable identity or locus of agency from which various acts proceede [sic!]; rather, it is an identity tenuously constituted in time – an identity instituted through a stylized repetition of acts. Further, gender is instituted through the stylization of the body and, hence, must be understood as the mundane way in which bodily gestures, movements, and enactments of various kinds constitute the illusion of an abiding gendered self« (ebd. 1990, 270; Herv. im Org.).

9 | Genau wie bei dem noch jungen Feld der Comicforschung, handelt es sich auch bei der Medienwissenschaft um eine heterogene Wissenschaft, deren analytisches Instrumentarium aus einem Konglomerat verschiedenster Methoden und theoretischer Zugänge besteht. Medienwissenschaftliche Forschung verfügt also nicht nur über eine einzige, allgemein gültige oder »verbindliche Methode« (Kloock/Spahr 2012, 11), sondern über einen breiten »Theorien-Pluralismus« (Weber 2010, 15), welcher sich in einer disziplinären Vielfältigkeit widerspiegelt (vgl. Grampp 2014, 41 f.).

Einführung

Mit dem Konzept der Performativität des Geschlechts und der Erkenntnis, dass nichts über den menschlichen Körper ausgesagt werden kann, ohne dass auf bereits vorhandene Normen und Diskurse (wiederholt) zurückgegriffen wird, verdeutlicht Butler, dass sowohl das soziale Geschlecht als auch der menschliche Körper und das vermeintlich ›natürliche‹ heterosexuelle Begehren kulturell bestimmt sind. Dementsprechend geht Butler davon aus, dass es so etwas wie einen stabilen oder fixen ›Gender-Kern‹ (gender core), welcher von Natur aus vorhanden ist und äußeren soziokulturellen Einflüssen ausgesetzt ist, nicht gibt. Vielmehr sind es diese äußeren Einflüsse, die das geschlechtliche Subjekt im Rahmen anhaltender Wiederholungsprozesse und –zwänge diskursiv herstellen (vgl. ebd. 1991, 48 f. sowie 213)10. Dabei darf Performativität – wie Butler betont – nicht etwa »als ein vereinzelter oder absichtsvoller ›Akt‹ verstanden werden, sondern als die ständig wiederholende und zitierende Praxis, durch die der Diskurs die Wirkung erzeugt, die er benennt« (ebd. 1997a, 22). Die geschlechtliche Subjektivität bzw. Identität erweist sich somit als soziokulturelle »Konstruktion, die regelmäßig ihre Genese verschleiert« (ebd. 1991, 205). In einer Gesellschaft, die anhand des Modells der Zwei-Geschlechtlichkeit organisiert ist, wird der Mensch von Beginn an geschlechtlich zugeordnet. Wie Hannelore Bublitz mit Bezug auf die Ausführungen von Butler verdeutlicht, wird innerhalb dieses Modells davon ausgegangen, dass sich die Geschlechtsidentität »als Folge der körperlichen Existenz anatomischer Merkmale« (Bublitz 2002, 57) ausbildet. In diesem Zusammenhang spricht Butler auch von dem Konzept der Heteronormativität bzw. der Zwangsheterosexualität. Innerhalb dieser Zwangsordnung des Geschlechts wird Heterosexualität als erstrebenswerte hegemoniale Norm angesehen, während Homosexualität als etwas Abnormes und Unnatürliches konzipiert wird, was (gewaltsam) ausgeschlossen und verworfen werden muss. Wie Butler betont, werden intelligible, also heterosexuelle und damit gesellschaftlich anerkannte geschlechtliche Identitäten »um den Preis der Homosexualität oder vielmehr durch das Verwerflichmachen der Homosexualität angenommen« (Butler 1997a, 160). Dieses Regime der Zwangsheterosexualität führt nicht nur dazu, dass abweichende, als deviant markierte Sexualitäten unsichtbar gemacht und damit zum Ver10 | In ihren Ausführungen zur »konstruktivistische[n] Identitätskonzeption« (Berns 2004, 620) stützt sich Judith Butler u.a. auf die Sprechakttheorie. Diese ist auf den englischen Philosophen J. L. Austin zurückzuführen, welcher sich in seinen Arbeiten mit den »Handlungsdimension[en] des Sprechens« und dem damit verbundenen »Handlungscharakter von Äußerungen« (ebd., 619) beschäftigt hat. »In diesem Verständnis konstituiert sich im wiederholenden oder ›resignifizierenden‹ Vollzug von Sprechakten eine sowohl konventionsgebundene als auch transgressive ›performative‹ Identität« (ebd., 620).

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Comic – Film – Gender

schwinden gebracht werden. Die von Butler beschriebene heteronormative »Logik der Verwerfung« (ebd., 161) legt ebenfalls nahe, »daß Heterosexualität und Homosexualität einander ausschließende Phänomene sind, daß sie nur dazu gebracht werden können zusammenzustimmen, indem die eine kulturfähig und die andere zu einer vergänglichen und imaginären Angelegenheit gemacht wird« (ebd., 160 f.). Durch die von Butler beschriebene Entkoppelung von Sex und Gender wird die Annahme widerlegt, dass ein weiblicher oder männlicher ›Kern‹ zwangsläufig zu einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsidentität bzw. zu einem gender-spezifischen Handeln, Verhalten oder heterosexuellen Begehren führt. Überdies macht die Autorin durch die Aussage, dass es sich sowohl beim ›biologischen‹ Geschlecht als auch bei der Kategorie Gender um soziokulturelle Konstrukte handelt – also um etwas, was getan, ausgeführt bzw. aufgeführt wird (doing gender) und nicht um etwas, was von Natur aus gegeben ist –, auf den performativen Charakter von Geschlecht aufmerksam: »this construct called ›sex‹ is as culturally constructed as gender; indeed, perhaps it was always already gender, with the consequence that the distinction between sex and gender turn out to be no distinction at all« (ebd. 1997c, 280). Laut Butler kann die Performativität des Geschlechts unter gewissen Umständen subversiv sein und die Möglichkeit zur Kritik an der heteronormativen Zwangsordnung bieten. Wie bereits verdeutlicht wurde, definiert sich das Konzept der Performativität in erster Linie als das gesellschaftlich sanktionierte, zwanghafte Zitieren bzw. Wiederholen soziokultureller Diskurse und konventionalisierter Machtstrukturen. Und genau dieser zwanghafte, auf Wiederholung basierende Charakter ist es, welcher den Raum für Irritationen und subversive Verschiebungen öffnet. Denn wie Butler betont, handelt es sich bei der performativen Geschlechtsidentität um »eine Norm, die niemals vollständig verinnerlicht werden kann: Das ›Innen‹ ist eine Oberflächenbezeichnung, und die Geschlechternormen haben letztlich phantasmatischen Charakter und lassen sich nicht verkörpern. Ist also die Grundlage der geschlechtlich bestimmten Identität keine scheinbar bruchlose Identität, sondern die stilisierte Wiederholung von Akten in der Zeit, so verschiebt sich die räumliche Metapher vom ›Grund‹ und enthüllt sich als stilisierte Konfigurierung, ja als durch die Geschlechtsidentität bestimmte Verkörperung der Zeit […]. Damit zeigt sich auch, daß das unvergängliche, geschlechtlich bestimmte Selbst durch wiederholte Akte strukturiert ist, die zwar versuchen, sich dem Ideal eines substantiellen Grundes der Identität anzunähern, aber in ihrer bedingten Diskontinuität, gerade die zeitliche und kontingente Grundlosigkeit dieses ›Grundes‹ offenbaren. Die Möglichkeiten zur Veränderung der Geschlechtsidentität sind gerade in dieser arbiträren Beziehung zwischen den Akten zu sehen, d.h. in der Möglichkeit, die Wiederholung zu verfehlen« (ebd. 1991, 207; Herv. im Org.).

Einführung

In diesem Sinne erreicht die Performativität des Geschlechts ihre produktive Kraft in dem Moment, in dem eine genaue Wiederholung ritualisierter Konventionen scheitert und somit »neue Möglichkeiten für die Geschlechtsidentität eröffnet [werden], die den starren Codes der hierarchischen Binarität widersprechen« (ebd., 213). Demnach geht mit der verfehlten Wiederholung bzw. Wiederaufführung geschlechtlicher Identitäten ein subversives Potenzial einher, welches einen dynamischen Prozess der »Rekonfiguration und WiederEinsetzung« (ebd.) mit sich bringt. Indem »eine Subversion der [geschlechtlichen] Identität nur innerhalb der Verfahren repetitiver Bezeichnung möglich« (ebd.; Herv. im Org.) ist, birgt die Performativität von Gender also stets »die Verschiebung der Normen in sich«, denn »Normen werden nie auf die gleiche Weise zitiert. Die ›Verfehlung‹ der Normen ist sozusagen in die Normen selbst eingebaut« (Bublitz 2002, 74). Zudem stellt Butler in ihren Ausführungen fest, dass ebenso »wie die Körperoberflächen als das Natürliche inszeniert werden, können sie umgekehrt zum Schauplatz einer unstimmigen, entnaturalisierten Performanz werden, die den performativen Status des Natürlichen selbst enthüllt« (Butler 1991, 214). So kann z.B. eine exzessive oder übertriebene Nachahmung den theatralischen Charakter einer Zitierung in Erscheinung treten lassen (vgl. ebd. 1997a, 319 f.). Weiterhin verdeutlicht Butler, dass »die Struktur der Imitation einen der zentralen Mechanismen der Fabrikation/Erfindung offenbart, durch die sich die gesellschaftliche Konstruktion der Geschlechtsidentität vollzieht« (ebd. 1991, 201). Demzufolge vermag das Konzept der Gender-Parodie zu einer Verwirrung der Geschlechter beitragen, indem z.B. in Form der kulturellen Praktik der Travestie stereotype Gender-Rollen kritisch reflektiert werden. Ferner »offenbart die Geschlechter-Parodie, daß die ursprüngliche Identität, der die Geschlechtsidentität nachgebildet ist, selbst nur eine Imitation ohne Original ist. Oder genauer gesagt: sie ist eine Produktion, die effektiv – d.h. in ihrem Effekt – als Imitation auftritt. Diese fortwährende Verschiebung ruft eine fließende Ungewißheit der Identitäten hervor, die ein Gefühl der Offenheit für deren Re-Signifizierung und Re-Kontextualisierung vermittelt. Die parodistische Vervielfältigung der Identitäten nimmt der hegemonialen Kultur und ihren Kritiken den Anspruch auf naturalisierte oder wesenhafte geschlechtlich bestimmte Identitäten« (ebd., 203).

In diesem Zusammenhang geht die Autorin auch auf den Begriff des Pastiche ein, da dieser im Gegensatz zur Parodie den Begriff des Originals verspottet und somit verdeutlicht, dass das imitierte Original selbst schon immer abgeleitet war (vgl. ebd., 203 f.). Wie Butler selbst betont, muss die Gender-Parodie – welche als Zurschaustellung performativer und somit nicht-essenzieller Geschlechterrollen verstanden werden kann (vgl. Rehberg 2011, 388) – an sich jedoch nicht zwingend subversiv sein (vgl. Butler 1991, 204). Daher gilt es zwi-

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schen bestimmten »Formen parodistischer Wiederholung« zu unterscheiden, die »wirklich störend bzw. wahrhaftig verstörend wirken«, und solchen, die »gezähmt sind und erneut als Instrumente der kulturellen Hegemonie in Umlauf gebracht werden« (ebd.). Damit eine parodistische Wiederholung ›wahrhaftig‹ störend bzw. verstörend wirken kann, muss nicht nur der zwanghafte Charakter der auf Ausschluss und Verwerfung basierenden heteronormativen Geschlechterordnung ausgestellt und überwunden werden, sondern innerhalb der stilisierten Wiederholung von Akten, die die Geschlechtsidentität konstituieren, muss ebenfalls eine Verfehlung oder Deformation stattfinden, welche »den phantasmatischen Identitätseffekt als eine politisch schwache Konstruktion entlarvt« (ebd., 207). In ihrem Buch Remediatisierung. Die performative Konstitution von Gender und Medien (2007) geht Andrea Seier dem Vorhaben nach, das von Judith Butler etablierte Prinzip der Performativität des Geschlechts mit einer grundlegenden Konzeption der Medialität des Performativen zusammenzudenken. Mit Hilfe des von Jay David Bolter und Richard Grusin entwickelten Konzepts der Remedialisierung fokussiert sie »den Begriff der Performativität aus der Perspektive der Medienwissenschaft« (Seier 2007, 13) und stellt dabei die These auf, dass »der Begriff der Performativität genau da seine Entfaltungskraft erlangt, wo er das einzelne Phänomen, eben einen Film, ein Theaterstück, eine Performance, an den generellen Prozess der Re-Signifikation bindet« (ebd., 63)11. Genau wie bei einer performativen Konzeption von Gender spielen also auch bei der durch den Prozess der Remedialisierung beschriebenen Performativität von Medien die Aspekte der Wiederholung und Reproduktion sowie der Produktivität und Prozessualität eine zentrale Rolle (vgl. ebd., 69), denn »Medien wie Film, Fernsehen oder Computer konstituieren sich in anhaltenden Prozessen, die nicht zum Abschluss kommen und auf einem komplexen Verhältnis von Ereignis und performativer Wiederholung basieren« (ebd., 77). Weiterhin heißt es bei Seier: »Die performative Perspektivierung verschiebt in diesem Sinne den Blick von gegebenen Medien auf ihre Prozessualität und Diskontinuität. Medien werden demnach nicht aufgrund ihrer spezifischen Gegebenheit, sondern als Kette sich wiederholender Akte von Remediatisierungen wirksam, in denen das eigene und/oder andere Medien wiederholend zitiert werden. Erst im Rahmen dieser Remediatisierungen konstituieren sich 11 | Während Jay David Bolter und Richard Grusin sich in ihren Ausführungen vornehmlich mit der Entwicklung digitaler Medien/›neuer‹ Medien befassen bzw. sich auf das wechselseitige Bedingungsverhältnis zwischen verschiedenen Medien konzentrieren, beschäftigt sich Andrea Seier in erster Linie mit dem Medium Film und legt den Fokus dabei auf die Konstitutionsprozesse von Medien (vgl. Bolter/Grusin 1999, 14 sowie Seier 2007, 70).

Einführung Medien. Ihre Spezifik liegt demnach nicht in einer gegebenen, in sich geschlossenen Identität, sondern in der Art und Weise, in der sie Konventionen des eigenen oder anderer Medien wiederholen« (ebd., 138).

In diesem Zusammenhang macht die Autorin nicht nur auf den performativen Charakter von Medien aufmerksam, sondern auch auf den »transformatorischen Aspekt, der mit der Performativität einhergeht« (ebd.). Dieser wird von Seier als eine Art »Realisierungsüberschuss« (ebd., 64) bezeichnet. Im Zuge der permanenten Wiederholung bzw. Wiederaufführung von Medien bringt dieser ›Überschuss‹ die Möglichkeit einer produktiven Transformation bzw. einer Re-Signifikation oder auch Verschiebung mit sich, die es in Bezug auf die Medialisierung von Geschlecht, genauer gesagt auf die »wechselseitige Verschränkung von Mediatisierung und Vergeschlechtlichung« (ebd., 139) zu untersuchen gilt: »Zur Diskussion steht dabei, welchen Anteil medienspezifische Performativitäten an Gender-Performativitäten haben. Wenn beide, Gender und Medien, durch das Verhältnis von Gegenwärtigkeit, Reproduktion und Transformation geprägt sind, eröffnet die Konzeption der Performativität ein medienwissenschaftliches Denken, das sich der Frage nach Ereignis und Wiederholung stellt, sei es in Körpern oder in Medien. Filmische Geschlechterinszenierungen wären demnach als ein Ort zu untersuchen, an dem Geschlechterdiskurse nicht nur aktualisiert, sondern auch transformiert werden« (ebd., 140; Herv. im Org.).

An die Ausführungen von Andrea Seier anknüpfend, soll innerhalb der vorliegenden Arbeit der Frage nachgegangen werden, inwieweit nicht nur das Medium Film im Allgemeinen, sondern auch der ›Comicfilm‹ im Speziellen als Ort der Transformation bzw. der subversiven Repräsentation von Gender dienen kann. Im Rahmen einer systematischen Analyse geschlechtlicher und medialer Performativitäten soll untersucht werden, unter welchen Umständen das eingangs erwähnte transgressive Potenzial des Comics in das Medium Film übertragen werden kann. Die (Re-)Medialisierung von Gender und Medien in den Blick nehmend, soll hierbei ein besonderes Augenmerk auf unterschiedliche Formen der (Re-)Produktion heteronormativer Geschlechterordnung gelegt werden. Dabei soll verdeutlicht werden, dass das performative Zusammenspiel von Comic, Film und Gender auf komplexen Prozessen der zwanghaften, normierten Wiederholung bzw. Wiederaufführung basiert. Durch diese werden hegemoniale Machtstrukturen nicht nur zuallererst hervorgebracht und gefestigt, sondern können ebenso – unter spezifischen Bedingungen – unterlaufen werden.

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1.2 (R e -)M edialisierung : C omic und F ilm In Reclams Sachlexikon des Films definiert die Medienwissenschaftlerin Susanne Marschall das Phänomen Comicverfilmung als »Adaption gezeichneter Comicstrips und Comic-Serien für das Medium Film« (Marschall 2002, 103). Wie dieser Definitionsversuch verdeutlicht, scheinen zunächst zwei basale Aspekte für das Phänomen konstitutiv zu sein – nämlich das Vorhandensein einer grafischen Vorlage sowie ihre Überführung in das Medium Film. Laut Irina O. Rajewsky lässt sich ein solcher grenzüberschreitender, intermedialer Wechsel als »Transformation eines medienspezifisch fixierten Produktes […] in ein anderes, konventionell als distinkt wahrgenommenes Medium [bezeichnen]; nur letzteres ist materiell präsent« (Rajewsky 2002, 19). Auf Comicverfilmungen bezogen, bedeutet dies, dass das ›Ausgangsmedium‹ Comic nicht nur in das neue Medium Film übertragen, sondern gleichzeitig auch zum Verschwinden gebracht wird. Der Film nach dem Comic wäre demnach immer nur Film und niemals Comic12 . Adaptionen wie etwa Sin City (USA 2005), Immortel (ad vitam) (F/I/GB 2004), Kick-Ass (USA/GB 2010) oder Kick-Ass 2 (USA/GB 2013) machen jedoch deutlich, dass eine solche Betrachtungsweise unzulänglich geworden ist und sowohl der Begriff der Comicverfilmung als auch das ihm zugrunde liegende Prinzip des Medienwechsels nicht mehr ausreichend sind, um zeitgenössische Produktionen, die auf das Medium Comic rekurrieren, zu beschreiben. Durch die gezielte filmische Wiederaufführung comichafter Elemente wird in diesen Produktionen zugleich mit den Ausdrucksmitteln des Films und den Darstellungsmöglichkeiten des Comics experimentiert. Die Voraussetzung für diese filmische Remedialisierung des Comics, welche im Folgenden unter dem Begriff des ›Comicfilms‹ subsumiert werden soll, bilden aktuelle Entwicklungen im Bereich der digitalen Technik und Computeranimation, die den erfolgreichen Transfer formal-ästhetischer Aspekte vom grafischen Medium Comic in das technische Medium Film in vielen Fällen erst möglich machen und damit das Repertoire kinematografischer Repräsentationsmöglichkeiten erweitern. Davon ausgehend, dass Medien sich durch permanente Wechselverhältnisse und Austauschprozesse gegenseitig bestimmen und somit Einzelmedien weder unabhängig funktionieren noch existieren können (vgl. Bolter/Grusin 1999, 55), weisen Jay David Bolter und Richard Grusin in ihren Ausführungen darauf hin, dass jede Form der Medialisierung als Akt der Remedialisierung ver12 | Die hier verwendete Formulierung lehnt sich an eine von Knut Hickethier verfasste Textpassage aus dem Aufsatz Intermedialität und Fernsehen – technisch-kulturelle und medienökonomische Aspekte an, in der der Autor das Aufheben einer medialen Differenz beschreibt, wenn er bemerkt, dass »›Theater im Fernsehen […] immer Fernsehen‹ und ›der Film nach der Literatur […] Film‹« sei (Hickethier 2008, 449).

Einführung

standen werden muss: »Any act of mediation is dependent on another, indeed many other, acts of mediation and is therefore remediation« (ebd., 56). Hierbei ist zu beachten, dass der von Bolter und Grusin beschriebene Prozess der Remedialisierung in Form von zwei verschiedenen Strategien – der so genannten transparent immediacy und hypermediacy – auftreten kann. Unter dem Konzept der immediacy (oder auch Unmittelbarkeit) verstehen die beiden Autoren das Verschwinden des Mediums, während das Konzept der hypermediacy (oder auch Hypermedialität) das Sichtbarmachen bzw. die Selbstthematisierung des Mediums beschreibt. Diese von Bolter und Grusin als »double logic of remediation« (ebd., 5; Herv. im Org.) bezeichneten Strategien der Verschleierung ​bzw. der Sichtbarmachung von Medien als Medien schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind vielmehr reziprok aufeinander bezogen (vgl. ebd., 6). Dabei kann der Effekt, der durch die Remedialisierungsstrategien der Unmittelbarkeit und Hypermedialität erzielt wird, zwischen den beiden Polen der Transparenz und Opazität variieren (vgl. ebd., 33 f.). Mit dem Prozess der Remedialisierung präsentieren Bolter und Grusin ein performatives Intermedialitätskonzept, welches nicht nur dazu dient, komplexe Wechselbeziehungen zwischen einzelnen Medien in Augenschein zu nehmen. Wie Andrea Seier verdeutlicht, legt das von Bolter und Grusin etablierte Konzept gleichzeitig auch den Fokus auf (inter-)mediale Prozesse der Konstituierung (vgl. Seier 2007, 70). Dementsprechend definieren Bolter und Grusin ein Medium als »that which remediates. It is that which appropriates the techniques, forms, and social significance of other media and attempts to rival or refashion them in the name of the real« (Bolter/Grusin 1999, 65). Dabei kann die von Bolter und Grusin beschriebene Aneignung bzw. Umgestaltung oder auch Wiederaufführung von Medien durch Medien unterschiedliche Formen annehmen. Daher weist auch Irina O. Rajewsky darauf hin, dass mit dem Konzept der Remedialisierung »letztlich unterschiedlichste Phänomene unter ein heading subsumiert werden, die tatsächlich alle in irgendeiner Weise von Remediatisierung zeugen, zwischen denen aber zugleich […] signifikante Unterschiede bestehen« (Rajewsky 2008, 51). So können nicht nur Inhalte eines Mediums zitiert bzw. von einem Medium in das andere übertragen werden13, sondern auch formal-ästhetische Eigenschaften. 13 | Als klassisches Beispiel für eine solche Form der Remedialisierung wäre die Literaturverfilmung zu nennen: »The contemporary entertainment industry calls such borrowing ›repurposing‹: to take a ›property‹ from one medium and reuse it in another« (Bolter/Grusin 1999, 45). Auch wenn mit jeder Form des repurposing – also der Wiederverwendung medialer Inhalte – zwangsläufig eine Re-Definition der zitierten Inhalte einhergeht, weisen Bolter und Grusin darauf hin, dass in solchen Fällen kein bewusstes (formal-ästhetisches) Wechselspiel zwischen den involvierten Medien zu beobachten ist. In Bezug auf die Remedialisierungsstrategie des repurposing machen die Autoren

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Auch wenn Bolter und Grusin sich im Rahmen ihrer Ausführungen zunächst auf digitale Medien beziehen, machen sie dennoch deutlich, dass der Prozess der Remedialisierung nicht nur auf diese reduziert werden darf: »Remediation did not begin with the introduction of digital media. We can identify the same process throughout the last several hundred years of Western visual representation« (Bolter/Grusin 1999, 11). Darüber hinaus verdeutlichen die Autoren, dass Remedialisierungsakte nicht als hierarchische, sondern vielmehr als wechselseitige Prozesse zwischen alten und neuen Medien verstanden werden müssen, da ›alte‹ Medien ›neue‹ mediale Formen genauso remedialisieren können wie auch umgekehrt: »Remediation operates in both directions: users of older media such as film and television can seek to appropriate and refashion digital graphics, just as digital graphics can refashion film and television« (ebd., 48). Im Rahmen dieser Perspektivierung konstituieren sich Medien in anhaltenden Wiederholungsprozessen, d.h. (neue und alte) Medien schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern imitieren, zitieren und überbieten einander, um etwas Neues zu schaffen (vgl. ebd., 55)14. Mit dem Konzept der Remedialisierung beschreiben Bolter und Grusin also ein »mediales Basisphänomen« (Rajewsky 2008, 50; Herv. im Org.), welches auf die Durchlässigkeit bzw. das Verwischen medialer Grenzen aufmerksam macht. Demzufolge handelt es sich bei unterschiedlichen Einzelmedien – wie etwa dem Comic oder dem Film – nicht um statische, sondern um dynamische Formen, die sich in einem stetigen Austausch bzw. Wechselspiel miteinander befinden und deren historische Genese auf komplexe Prozesse der Remedialisierung zurückzuführen ist (vgl. Qvortrup 2007, 22).

außerdem deutlich, dass mit der Wiederverwendung von Medieninhalten auch immer eine ökonomische Dimension verbunden ist: »The goal is not to replace the earlier forms, to which the company may own the rights, but rather to spread the content over as many markets as possible« (ebd., 68). Die von Bolter und Grusin beschriebene Ausbreitung von Medieninhalten über verschiedene Medienplattformen hinweg erinnert nicht nur zufällig an das von Henry Jenkins etablierte Konzept der Medienkonvergenz bzw. der Transmedialität (vgl. Jenkins 2006, 95). 14 | Auch Henry Jenkins beschäftigt sich in seinem Buch Convergence Culture (2006) mit dem Phänomen der intermedialen Medienzusammenführung bzw. des Medientransfers. Genau wie Bolter und Grusin geht Jenkins davon aus, dass in einer Gesellschaft, in der neue und alte Medien aufeinandertreffen, die alten Medien nicht durch die neuen ersetzt werden, sondern sich beide vielmehr gegenseitig beeinflussen und aufeinander einwirken (vgl. Jenkins 2006, 6 sowie 11). Daher verwundert es auch nicht, dass Richard Grusin unlängst in einem Gespräch mit Henry Jenkins konstatiert hat, dass sowohl das Konzept der Multimedialität als auch der Transmedialität als Strategien der Remedialisierung verstanden werden müssen (vgl. Jenkins 2011, o.S.).

Einführung

Indem der Film den Comic mit Hilfe technischer Mittel remedialisiert, d.h. zitiert und imitiert, geht dieser also nicht einfach in dem neuen Medium auf, sondern bleibt auch weiterhin – sowohl auf inhaltlicher wie formalästhetischer Ebene – präsent und erkennbar. Darüber hinaus beschränkt sich der Austausch von Comic und Film im Rahmen aktueller Produktionen nicht ausschließlich auf die Remedialisierung des Comics durch den Film. Auch umgekehrt lässt sich eine Wiederaufführung des Films durch den Comic beobachten. Das Verhältnis von Comic und Film ist hier somit nicht als einseitig, sondern vielmehr als wechselseitig zu verstehen. Demnach kann die Remedialisierung beider Medien als produktiver Prozess beschrieben werden, innerhalb dessen charakteristische Eigenschaften von einem Medium in das andere transferiert bzw. neu miteinander kombiniert werden können. Binnen dieser Betrachtungsweise schließen Comic und Film sich nicht wechselseitig aus, sondern generieren sich vielmehr gegenseitig und schaffen etwas Neues – eben einen Comicfilm. Im Folgenden soll dieser reziproken Beziehung nachgegangen und im Hinblick auf das Verhältnis von Medialität und Performativität hin untersucht werden. Mittels der Analyse konkreter Comic- und Filmbeispiele soll die wechselseitige Verzahnung von Gender- und Mediendiskursen aufgezeigt und verdeutlicht werden, dass das Konzept des performativen Comicfilms nicht ohne Einbeziehung der Kategorie Gender gedacht werden kann. Um die konstitutive Rolle der Kategorie Gender aufzuzeigen, wird zunächst im zweiten Kapitel das Medium Comic einer sowohl medienwissenschaftlichen wie auch gendertheoretischen Betrachtungsweise unterzogen. Der Frage nachgehend, was einen Comic überhaupt zu einem Comic macht, wird die (auf Prozessen der Remedialisierung basierende) Medienspezifik des Comics herausgearbeitet. In der beispielhaften Analyse des konstitutiven Zusammenspiels von Medien und Gender wird verdeutlicht, dass es sich beim Comic sowohl um ein hypermediales wie auch um ein performatives Medium handelt, dessen mediale Beschaffenheit auch die Kategorie Gender umfasst. Den Ausgangspunkt für diese Annahme bildet die allegorische Zeichnung La Bande Dessinée (2007)15 des franko-serbischen Comickünstlers Enki Bilal. Als grafische Antwort auf die Frage Qu’est-ce que la Bande Dessinée? (Was ist die bande dessinée bzw. ein Comic?) konzipiert, verdeutlicht Bilals Zeichnung nicht nur die Hybridität und Uneindeutigkeit des Mediums. Indem Bilal eine weibliche Figur für die allegorische Darstellung des Comics wählt, macht der Künstler außerdem auf die konventionalisierte Repräsentationsfunktion ›der 15 | Bei dem Begriff der bande dessinée handelt es sich im Allgemeinen um die französische Bezeichnung für das Medium Comic (vgl. Knigge 1996, 330). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Begriff bande dessinée speziell als Bezeichnung für einen französischen bzw. franko-belgischen Comic verwendet.

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Frau‹ sowie auf die geschlechtliche Codierung des Mediums bzw. auf die im Comic eingelassenen geschlechtsspezifischen Bezeichnungs- und Zuschreibungsprozesse aufmerksam. Diese werden – so die These des Kapitels – allerdings nicht zwingend ›kommentarlos‹ übernommen und/oder (re-)affirmiert. Aufgrund seiner (hyper-)medialen Beschaffenheit besitzt der Comic vielmehr das Potenzial, (stereotype) Strategien der (medialen) Vergeschlechtlichung kritisch zu hinterfragen und – unter bestimmten Umständen – subversiv zu unterlaufen. Anhand ausgewählter Comic- und Filmbeispiele erfolgt in einem nächsten Schritt die Analyse der wechselseitigen Verschränkung von Gender und Medien im zeitgenössischen Comicfilm. Fokussiert wird dabei die Frage, inwieweit nicht nur die (hyper-)mediale Ästhetik des Comics, sondern auch das in ihr eingelassene subversive Potenzial auf das Medium Film übertragen (bzw. remedialisiert) werden kann. Dementsprechend beinhaltet das dritte Kapitel eine detaillierte Untersuchung des im Jahr 2005 erschienenen Comicfilms Sin City sowie der gleichnamigen, von Frank Miller kreierten Comicreihe16. Dabei wird verdeutlicht, dass es sich bei den in Comic und Film eingeschriebenen Geschlechterrollen nicht um ›schlichte‹ Repräsentationen bzw. mediale Reproduktionen stereotyper Darstellungskonventionen und Visualisierungsmechanismen handelt. Es wird vielmehr aufgezeigt, dass mit der detailgetreuen filmischen Remedialisierung der hypermedialen Sin City-Comics eine überzeichnete und damit verfehlte subversive Wiederholung heteronormativer Geschlechterrollen einhergeht. Im vierten Kapitel wird die komplexe Wechselbeziehung von Comic, Film und Gender anhand der europäischen Produktion Immortel (ad vitam) sowie der französischen Comicreihe La Trilogie Nikopol in den Blick genommen. Als performative Transposition des zugrunde liegenden grafischen Materials handelt es sich – trotz diverser narrativer Verschiebungen – auch bei Immortel um einen hypermedialen Comicfilm, welcher – genau wie Sin City – technische Errungenschaften dazu nutzt, die Ästhetik des Comics in das Medium Film zu überführen. Indem die hybride Comicwelt der Trilogie Nikopol auf die filmische Leinwand transferiert und dabei gleichzeitig transformiert wird, wird – so die These des Kapitels – nicht nur die Künstlichkeit der Medien Comic und Film hervorgehoben, sondern auch die Brüchigkeit und Kontingenz des Diskursproduktes Gender ausgestellt. Durch die performative Zurschaustellung der eigenen (hyper-)medialen Beschaffenheit gelingt es Comic und Film zudem, rigide Grenzbereiche zu öffnen und den (disziplinierenden) Zwangscharakter heteronormativer Geschlechterrollen kritisch zu reflektieren. 16 | Für eine bessere Unterscheidung bzw. Übersicht werden Comictitel im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit durch eine kursive Schreibweise gekennzeichnet, wohingegen Filmtitel durch den Gebrauch von Kapitälchen markiert werden.

Einführung

Im Gegensatz zu Sin City und Immortel zeichnen sich die in Kapitel fünf behandelten Comicfilme Kick-Ass und Kick-Ass 2 durch die Repräsentation eines vermeintlich unmittelbaren bzw. ›glaubwürdigen‹ Comicuniversums aus. Ziel dieser Produktionen scheint es zu sein, die knallbunte Ästhetik der Comicwelt möglichst alltäglich wirken zu lassen. Bei beiden Produktionen handelt es sich um selbstreferenzielle bzw. selbstreflexive Comicfilme, welche zunächst gängige Darstellungskonventionen und stereotype Geschlechterrollen des Superheld_innen-Genres zu durchbrechen scheinen. Eine genaue Betrachtung des Comic- und Filmmaterials macht allerdings deutlich, dass es sich bei den in Kick-Ass und Kick-Ass 2 vorzufindenden Momenten der Gender-Parodie lediglich um eine phasenhafte oder oberflächliche Subversion genrespezifischer Geschlechterrollen handelt. Die Möglichkeit einer subversiven Repräsentation von Gender scheitert schlussendlich in Comic und Film an der Marginalisierung und Verwerfung angeblich devianter ethnischer und sexueller Identitäten sowie an der unmittelbaren (Re-)Naturalisierung und Konsolidierung tradierter Konzepte von Männlichkeit und Weiblichkeit. Sowohl in Kick-Ass als auch in Kick-Ass 2 wird die herrschende binäre Geschlechterordnung also weder dauerhaft durchbrochen noch subversiv unterlaufen. Trotz eines vermeintlichen Bestrebens nach Umdeutung und Re-Interpretaion genrespezifischer Geschlechterentwürfe werden hegemoniale Macht- und Hierarchiestrukturen in Comic und Film durch die unkritische sowie unreflektierte Wiederaufführung bereits zirkulierender heteronormativer Konventionen unterstützt, aufrechterhalten und gefestigt. Während der Aspekt der Hypermedialität in Sin City und Immortel sowohl eine Dekonstruktion als auch Subversion geschlechtlicher Konventionen mit sich bringt, ist im Falle von Kick-Ass sowie Kick-Ass 2 durch das Ineinandergreifen von immediacy und hypermediacy eine Authentifizierung des Gezeigten und damit gleichzeitig eine (Re-) Affirmation heteronormativer Gender-Diskurse zu beobachten. Im Butler’schen Sinne handelt es sich somit bei beiden Produktionen um funktionale Filme, die »eine ritualistische Entlastung für eine heterosexuelle Ökonomie zur Verfügung stellen, die ihre Grenzen andauernd gegen die Invasion von queerness überwachen muss« (Butler 1997a, 179). Wie die Analyse der ausgewählten Comic- und Filmbeispiele zeigen wird, ist die performative bzw. hypermediale Ausstellung der eigenen Künstlichkeit also weder im Comic noch im Film als Automatismus oder Garant für eine subversive Dekonstruktion der Kategorie Gender bzw. eine produktive Verschiebung der regulierenden Norm heterosexueller Zweigeschlechtlichkeit zu verstehen. In diesem Sinne ist – wie Butler in ihren Ausführungen betont – die zu untersuchende Frage nicht ob, sondern vielmehr wie geschlechtliche Konventionen innerhalb des heteronormativen Regimes wiederholt werden (vgl. ebd. 1991, 217). Daher darf sich eine kritisch-reflexive Untersuchung des performativen Wechselverhältnisses von Comic, Film und Gender auch nicht auf

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den Aspekt der (medialen) Konstruiertheit beschränken, sondern muss »die multiplen Machtrelationen mitberücksichtig[en] [….], die konstitutiv und produktiv an diesem Verhältnis von Gender und Medien mitwirken, produktiv auch in dem kritischen Sinne, dass sie immer wieder neue Ausschließungen hervorbringen« (Deuber-Mankowsky/Michaelsen 2012, 1). Diesen Ausschließungen, Machtstrukturen sowie (hetero-)normativen Zuweisungen nachzugehen, sie aufzudecken, sichtbar zu machen und ihre (inter-)mediale Form der Repräsentation einer differenzierten Betrachtung sowie konkreten, fallspezifischen Analyse zu unterziehen, ist Ziel der vorliegenden Arbeit.

2. Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Bevor im Rahmen der nachstehenden Untersuchungen der zeitgenössische Comicfilm sowie die damit verbundene filmische Remedialisierung comicspezifischer Elemente und Ästhetik einer genaueren Betrachtung unterzogen werden, ist es sinnvoll, sich zunächst mit der (medialen) Funktionsweise des Comics zu beschäftigen. Der Frage nachgehend, was einen Comic überhaupt zu einem Comic macht, soll im Folgenden der Ansatz der Gender-Media Studies für die Comicforschung fruchtbar gemacht werden, indem sowohl die spezifische Medialität des Comics als auch die (Re-)Medialisierung von Geschlecht für eine Definition des Mediums in den Blick genommen werden. Davon ausgehend, dass Gender und Medien keine voneinander getrennten Bereiche darstellen, sondern vielmehr diskursiv und konstitutiv aufeinander bezogen sind, soll verdeutlicht werden, dass es sich beim (modernen) Comic um ein hypermediales Medium handelt, welches nicht ohne die Kategorie Gender beschrieben werden kann. Einen performativen Gender- und Medienbegriff zugrundelegend, soll der Comic innerhalb der vorliegenden Arbeit als ein Phänomen begriffen werden, welches ›nicht einfach schon da ist‹ und aus sich selbst heraus besteht, sondern erst durch komplexe (Remedialisierungs-)Prozesse des Zitierens, Imitierens und Wiederaufführens hervorgebracht wird. Anstatt eine fixe, unveränderliche Definition für das Medium Comic zu liefern, soll im Folgenden nach der (hyper-)medialen Ästhetik des Comics gefragt und aufgezeigt werden, welche Effekte bzw. welches produktive, grenzüberschreitende Potenzial der Comic als spezifisches Medium hervorzubringen vermag. In diesem Zusammenhang verdeutlicht der Prozess der Remedialisierung, dass die Spezifik von Medien im Allgemeinen sowie des Comics im Speziellen »immer schon auf Wiederholungen basiert, die sowohl das eigene Medium, aber auch andere Medien einschließen« (Seier 2007, 85 f.). Durch diese permanenten Prozesse der Wiederholung werden mediale Grenzen etabliert, aber auch gleichzeitig erweitert und variiert. Die Herausforderung einer Analyse im intermedialen Kontext besteht nun darin, die grundlegenden Charakte-

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ristika des Comics zu benennen1, ohne dabei die Tatsache aus den Augen zu verlieren, dass sich Medien fortwährend auf sich selbst und andere mediale Formen beziehen, diese annehmen und voraussetzen, um sich zu konstituieren. Gleichzeitig ist zu beachten, dass sich Medien stets durch historisch wandelbare Eigenschaften definieren und an kulturelle Situationen gebunden sind (vgl. Hickethier 2003, 26). Daher lässt sich die Frage nach medienspezifischen Eigenschaften »immer nur unter Berücksichtigung des Kriteriums der Historizität beantworten« (Rajewsky 2002, 37). Infolgedessen handelt es sich auch beim Medium Comic um »eine in ständiger Veränderung begriffene Form« (Sackmann 2008, 14), deren Definition und Entwicklung als ein »on-going process« (McCloud 1993, 23) verstanden werden muss. »Medium-specificity is then understood less as an essence than as an ongoing process of negotiation with what is considered typical of a certain medium at a particular moment in time« (Baetens/Surdiacourt 2013, 348). Doch wodurch zeichnet sich nun die mediale Beschaffenheit des (modernen) Comics aus? Gibt es so etwas wie ein Set typischer Eigenschaften (vgl. Hickethier 2003, 26), welches als charakteristisch für den Comic angesehen werden kann? Wenn ja, welche sind die Spezifika des Comics, die ihn trotz seiner Affinität zu anderen Medien gleichzeitig auch von diesen abgrenzen? Wie im Folgenden verdeutlicht wird, zählen die Integration von Bild und Text, das Zusammenspiel von Einzelbild und Bildfolge sowie eine auf den Prinzipien der Reduktion und Überzeichnung basierende Ästhetik zu den charakt­ eristischen Merkmalen, die das medienspezifische Potenzial des (modernen) Comics kennzeichnen. Auf dem »Modus der Wiederholung« (Frahm 2010, 12) basierend, ist der Comic zudem durch eine performative Grundstruktur geprägt, welche das (produktive) Potenzial der Differenz und Verfehlung in sich birgt. All diese charakteristischen Eigenschaften machen den Comic zu einem performativen Medium, welches sich durch einen gewissen Grad der Fragmentierung, Hybridisierung und demonstrativen Künstlichkeit auszeichnet. Zu der (hyper-)medialen Beschaffenheit des Comics zählt allerdings auch – so die These der vorliegenden Arbeit – die Kategorie Gender. Denn genau wie es kein Gender ohne Medien geben kann, so können auch Medien – oder in diesem konkreten Fall Comics – nicht ohne Gender gedacht werden.

1 | Laut Irina O. Rajewsky ist eine Abgrenzung verschiedener medialer Formen für eine intermediale Analyse zwingend erforderlich, da eine Negation medialer Differenzen »in letzter Konsequenz das Intermedialitätskonzept selbst desavouieren würde« (Rajewsky 2008, 55).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

2.1 B ild und Te x t Mit Hilfe des für den modernen Comic typisch gewordenen Gestaltungsmittels der Sprechblase präsentiert der amerikanische Comickünstler und Autor Will Eisner in einer kurzen Abfolge von drei Panels eine Unterhaltung zwischen zwei Goldfischen (vgl. Eisner 2006, 124; s. Abb. 2): Im ersten Panel des Comicstrips2 konstatiert einer der beiden Fische, dass er weder an Gott noch an irgendeine andere Art der übernatürlichen Präsenz oder Intelligenz glaubt. Abbildung 2: Dieser Strip von Will Eisner verdeutlicht auf prägnante Art und Weise die Interaktion von Bild und Text im Medium Comic

Quelle: Will Eisner: Comics & Sequential Art. Panamus: Poorhouse Press 2006, S. 124.

Nach einer nachdenklichen Pause (welche im Strip durch ein zweites, textloses und somit ›stummes‹ Panel suggeriert wird) antwortet sein Artgenosse mit einer (erbosten) Gegenfrage: »Oh yeah, then who feeds us every day?!!« (ebd.; Herv. im Org.). In diesem Beispiel kommt die Komik des Comicstrips durch ein ausgewogenes Wechselspiel zwischen der bildlichen und verbalen Ebene (genauer gesagt durch die so genannte punch line oder auch Pointe) zustande. Verdeckt oder entfernt man den Text aus den einzelnen Panels bzw. Sprechblasen, geht die eigentliche Aussage des Strips verloren. Gleichzeitig würde der hier präsentierte Witz ohne die bildliche Darstellung – also das Wissen, dass es sich bei den sprechenden Entitäten um zwei Goldfische (im Glas) handelt – genauso wenig funktionieren. Diese spezifische Art des Zusammenspiels von Bild und Text bezeichnet Scott McCloud als interdependent. »[W]ords and

2 | Wie Dietrich Grünewald beschreibt, leitet sich der Begriff des Comicstrips »aus der spezifischen Form und dem Inhalt ab: Comic-Strips bestehen aus einer inhaltlich-chronologischen Folge von Einzelbildern (Panel), in einem Streifen angeordnet, und erzählen komisch-witzige Geschichten« (Grünewald 2000, 3).

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pictures go hand in hand to convey an idea that neither could convey alone« (McCloud 1993, 155; Herv. im Org.). Wenngleich die Kombination sowohl bildlicher als auch linguistischer Zeichen nicht ausschließlich dem modernen Comic vorbehalten ist 3, stellt sie für viele Comicforscher_innen eines der grundlegenden Merkmale des Mediums dar4. So unterstreicht auch Mila Bongco die Relevanz der Zusammenführung von Bild und Text für die mediale Beschaffenheit des Comics, wenn sie bemerkt, dass »[b]oth pictures and texts are the fundamental basis of almost all comics, and to seek to understand one without the other is to misinterpret the substance of this hybrid genre« (Bongco 2001, 14). Die Interaktion von Bild und Text muss im Comic allerdings nicht zwingend die Form der oben beschriebenen interdependenten Kombination annehmen. Insgesamt macht McCloud sieben unterschiedliche Typen der Text- bzw. Wort-Bild-Kombinationen im Comic aus. Neben der interdependenten Kombination handelt es sich hierbei um die wortspezifische, bildspezifische, duospezifische, überschneidende (oder auch additive) sowie parallele Kombination. Als siebte Kategorie führt McCloud zudem die Montage auf (vgl. ebd., 140 sowie ebd. 2006, 130)5. Während sich 3 | Nicht nur im Comic, sondern auch in Film, Fernsehen und Internet werden die beiden Zeichensysteme Bild und Text (bzw. Sprache) miteinander kombiniert (vgl. Varnum/ Gibbons 2002, ix). Darüber hinaus betont Andreas Platthaus, dass bereits »mittelalterliche Bildprogramme in Kirchen oder illuminierte Handschriften […] – bildliche Darstellungen durch Beigabe von Text ›lesbar‹« (Platthaus 2003, 143) gemacht haben. Mit dem Einsatz der Sprechblase im modernen Comic erhält das Zusammenspiel von Bild und Text (im Vergleich zu anderen medialen Formen) jedoch eine völlig neue Qualität. Laut Jens Balzer und Lambert Wiesing kann die Sprechblase demnach als charakteristisches Kriterium für die Definition des Mediums angesehen werden (vgl. Balzer/Wiesing 2010, 36). 4 | Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass innerhalb der (aktuellen) Comicforschung kein Konsens über die Definition des Mediums herrscht. Dementsprechend sind sowohl Definitionen vorzufinden, welche die Integration von Text und Bild als konstitutiv für den Comic ansehen (vgl. hierzu u.a. Saraceni 2003, 5; Dolle-Weinkauff 1991, 70 ff. oder Harvey 2009, 25), als auch Erklärungsversuche, in denen das Zusammenspiel dieser beiden Zeichensysteme keine zentrale Rolle spielt (s. hierzu u.a. McCloud 1993, 21 oder Grünewald 2010, 29). Trotz dieser ›Uneinigkeit‹ kommt Martin Schüwer zu dem Schluss, dass »die Geschichte der Comics von der Geburt des Mediums bis heute durch die Integration von schriftsprachlichem und grafischem Kommunikationskanal geprägt war« (Schüwer 2008, 306) und dass daher das medienspezifische Potenzial, welches aus dem Zusammenspiel von Schrift und Bild im Comic entstehen kann, in jedem Fall einer Analyse unterzogen werden sollte. 5 | In Bezug auf die von McCloud erarbeitete Typologie der Wort-Bild-Kombinationen ist zu beachten, dass es sich hierbei nicht um in sich geschlossene Kategorien handelt,

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

die wortspezifische Kombination dadurch auszeichnet, dass sämtliche für die Rezipient_innen wichtigen Informationen mit Hilfe der linguistischen Ebene des Comics vermittelt werden, überwiegt in der bildspezifischen Kombination vor allem die piktoriale Ebene. Dagegen lassen sich die zwei Typen der duospezifischen und überschneidenden Kombination (genau wie die bereits erwähnte interdependente Kombination) durch ein gleichberechtigtes Wechselspiel von Bild und Text definieren, weswegen sie auch unter der Kategorie der wechselspezifischen Kombination zusammengefasst werden können (vgl. Hoppeler/ Etter/Rippl 2009, 65). Als Montage bezeichnet McCloud die Integration verbaler Elemente im Bild. In diesem Sinne wird der Text »zum Bildelement, d.h. er wird vornehmlich in seiner ikonischen Erscheinungsart wahrgenommen, also primär betrachtet anstatt gelesen« (ebd., 68; Herv. im Org.). In der parallelen Kombination scheinen Bild und Text schließlich keine Berührungspunkte mehr miteinander zu teilen, sondern völlig unterschiedliche Informationen zu vermitteln, was wiederum zu Verständnisproblemen und Irritationen führen kann6. Die Interaktion von Bild und Text im Comic ist also nicht mit einer bloßen »Verdoppelung von Informationen« (Dolle-Weinkauff 1991, 78) zu verwechseln. Betrachtet man die von McCloud erarbeitete Typologie wird vielmehr deutlich, dass es sich bei dem Phänomen Comic aufgrund der unterschiedlichen Kombinationsformen schriftlicher und bildlicher Zeichen sowohl um ein integrales als auch um ein hybrides Medium handelt (vgl. Varnum/Gibbons 2002, xiii). Demnach schöpft der Comic sein produktives Potenzial gerade aus der Spannung bzw. dem vielschichtigen Wechselspiel verbaler und piktorialer Elemente: »When the pictures confirm the meaning of the words – or oppose them, or comment upon them – this interaction, this play, makes possible the irony, complications, double meanings, humour, suspense, melodrama, pun, parody, and secret motivations of the story. By manipulating the interaction between the two codes which make up their

sondern dass die Übergänge zwischen den einzelnen Kombinationen durchaus fließend sein können (vgl. Hoppeler/Etter/Rippl 2009, 65). Darüber hinaus sind innerhalb der Comiclandschaft auch so genannte Pantomimen-Comics vorzufinden – also Comics die sich nur der bildlichen Ebene bedienen. In solchen Fällen wird mit der Erwartungshaltung der Rezipient_innen gespielt, da »die Sprache als ›fehlend‹ wahrgenommen [wird]. Insofern gehört sie selbst in einem Fall wie diesem zum künstlerischen Kalkül« (Schüwer 2008, 320). 6 | In diesem Zusammenhang sprechen die Autor_innen Robin Varnum und Christina T. Gibbons auch von der so genannten ironischen Nebeneinanderstellung (ironic juxtaposition) von Text und Bild (vgl. Varnum/Gibbons 2002 xiv).

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Comic – Film – Gender language, comics have at their disposal the syntax of other literary and artistic forms: iteration, distortion, amplification, stylization, and so on« (Bongco 2001, 14 f.).

Wie bereits Mila Bongco macht auch Charles Hatfield auf das Spannungsverhältnis von Bild und Text im Comic aufmerksam. In seinem Aufsatz An Art of Tensions weist er darauf hin, dass das Medium durch »a plurality of messages« (Hatfield 2009, 132) gekennzeichnet ist, welche der heterogenen Form des Comics geschuldet ist. So interagieren Text und Bild nicht einfach miteinander, sondern können sich – wie z.B. in Form der von McCloud beschriebenen Kombination der Montage – sogar aufeinander zubewegen und somit die gängige Dichotomie zwischen beiden Kommunikationskanälen auf brechen (vgl. ebd., 133). Gleichzeitig kann die Trennung zwischen Bild und Text niemals ganz aufgehoben werden, denn indem die Schrift »als grafische Form inszeniert wird, tritt ihre Andersartigkeit gegenüber dem Bild deutlich hervor« (Schüwer 2008, 304)7. Insofern kommt auch der Comicforscher Ole Frahm zu dem Schluss, dass die Interaktion von Text bzw. Schrift und Bild – zweier völlig unterschiedlicher Zeichensysteme – im Comic nicht automatisch ein einheitliches oder harmonisches Zusammenspiel ergeben muss (vgl. Frahm 2010, 15). Dabei stellt er fest, dass »es bei der Lektüre von Comics gerade nicht darum gehen muss, eine Einheit herauszustellen, sondern vielmehr darum, ihre heterogenen Zeichen, Schrift und Bild, in ihrer Besonderheit, in ihrer Materialität zu genießen, die sich in keiner abschließenden Einheit bündeln lässt« (ebd., 32).

Die Kombination von Schrift und Bild führt somit zu einer Hybridisierung sowie Fragmentierung des Mediums, welche – ganz im Sinne von Bolter und Grusin – nicht nur als hypermediale Faszination mit der eigenen Medialität 7 | In Bezug auf die ›Andersartigkeit‹ von Bild und Text weist Hermann Josef Schnackertz – in Anlehnung an Lessings Laokoon-Schrift – auf die traditionelle Trennung zwischen sprachlichen (zeitlichen) sowie visuellen (räumlichen) Darstellungsmitteln hin. »Das darstellende Bild vermag seinem Wesen gemäß nur einen Moment des abgebildeten Geschehens, nur eine bestimmte Gegenwart zur Erscheinung zu bringen […]. Es ist gewissermaßen ein momentanes Gebilde, insofern es der Struktur der aufeinanderfolgenden Teile entbehrt. Im Gegensatz zum literarischen Kunstwerk entfaltet es sich nicht in der Zeit. Während jede einzelne Konkretisation eines literarischen Werkes sich in subjektiv erlebter Zeit, in aufeinanderfolgenden Augenblicken aktualisiert und demgemäß die Wandlungen der Zeitperspektive erfährt, steht das Bild bei der ›ästhetischen Erfassung‹ aufgrund des Festgelegtseins seiner räumlichen Beziehungen unmittelbar als fertiges Ganzes dar« (Schnackertz 1980, 10).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

begriffen werden kann, sondern gleichzeitig auch die Rezipient_innen dazu auffordert, Vergnügen an diesem bewusst ausgestellten Akt der (Re-)Medialisierung zu finden (vgl. Bolter/Grusin 1999, 14). Weiterhin stellt Frahm die These auf, dass die Kombination sowohl bildlicher als auch linguistischer Zeichen ein parodistisches Potenzial mit sich bringt, welches nicht nur auf die Heterogenität des Mediums, sondern auch auf die Referenzlosigkeit der im Comic verwendeten Zeichensysteme aufmerksam macht. Demnach parodieren Comics »die Vorstellung, dass Zeichen und Gegenstand etwas miteinander zu tun haben sollen. Und sie machen sich darüber lustig, dass gelegentlich eine Nähe zwischen Gegenstand und Zeichen behauptet wird, die dann Wahrheit heißt, aber in der all die Prozesse, die zu dieser Wahrheit führen, unsichtbar sind« (Frahm 2010, 36).

Dieses ›Lustigmachen‹ ist allerdings nicht zwingend als Humor zu verstehen. In Anlehnung an das von Judith Butler entwickelte Konzept der Performativität des Geschlechts bzw. der (subversiven) Geschlechter-Parodie8 verdeutlicht Frahm, dass es sich hier vielmehr um eine Form des Pastiche oder auch der ›strukturellen Parodie‹ handelt, welche den Begriff des Originals verspottet und damit den konstruierten sowie ursprungslosen Charakter des Gezeigten hervorhebt: »Im Falle der Comics enthüllt die strukturelle Parodie die Kontingenz der Relation zwischen Zeichen und Wirklichkeit. Wodurch? Die Konstellation unterschiedlicher Zeichen im Comic zeigt nicht nur, dass sich Schriftzeichen und Bildzeichen aufeinander beziehen. In ihrer heterogenen Materialität sind die konstellierten Zeichen immer schon selbstreferentiell. Vielleicht ließe sich sagen, dass die Zeichen aufgrund ihrer Selbstrefentialität einander im Anspruch imitieren, ein Außerhalb der Zeichen (›ein Original‹) zu bezeichnen. Die strukturelle Parodie der Comics, die Schrift und Bild in ihrer materialen Unterschiedlichkeit neben- und miteinander konstelliert, parodiert eben diesen Anspruch auf eine Wahrheit außerhalb der Zeichen und lenkt den Blick auf die Konstellation der Zeichen selbst. Indem Comics ein eigenes Zeichensystem aufzubieten scheinen, das die Heterogenität von Schrift und Bild in ihren Panels mit den Sprechblasen und Klangworten integriert, bleibt diese Einheit von der strukturellen Parodie in Frage gestellt, durch die Schrift und Bild als wechselseitige Wiederholung ohne Original wirksam werden« (ebd., 37).

Aufgrund ihrer (hyper-)medialen Beschaffenheit erzeugen Comics also einerseits die »Sehnsucht nach Identität, dem Original und der Wahrheit außerhalb der Zeichen« (ebd., 54). Andererseits wird eine einheitliche, transparente sowie 8 | Siehe hierzu Kapitel 1.1 (S. 19 ff.) der vorliegenden Arbeit.

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unmittelbare Repräsentation durch die Heterogenität des Mediums destabilisiert. Und genau dieses paradoxe Wechselspiel zwischen »stabilisierender und destabilisierender Wiederholung« (ebd.) kennzeichnet laut Frahm »die strukturelle Nähe zwischen Comics und Parodien« (ebd.). Die Ansicht, dass die Kombination von Bild und Text zwar eine wichtige Rolle für die mediale Beschaffenheit des Comics spielt, eine einheitliche Synthese dieser beiden Zeichensysteme allerdings niemals völlig abgeschlossen sein kann, teilt auch Ronald Schmitt (vgl. Schmitt 1992, 158 f.)9. Einen dekonstruktivistischen Ansatz verfolgend verdeutlicht Schmitt, dass es für das menschliche Auge unmöglich ist, Bild und Text simultan wahrzunehmen, denn »the presence of the one necessitates the absence of the other creating a continual, unresolvable play of difference between the two textual forms. In addition, signification and stable meaning is continually deferred as the eye, instead of scanning left to right in even, linear patterns, jumps between words and pictures, spiralling, zig-zagging and often interrupting the entire process to re-scan the information in a new way. Rather than two ›stable‹ texts (words and pictures) juxtaposed, the comic book is a form of self-inflicted ›double-writing‹, collapsing traditional strategies for word and picture texts« (ebd., 158).

Wie Martin Schüwer beschreibt, hebt Schmitt mit seinen Überlegungen – genau wie Frahm – den Prozesscharakter des Comiclesens hervor (vgl. Schüwer 2008, 318). Dabei führt er eine Reihe comicspezifischer Gestaltungsmittel auf, die sowohl zur Fragmentierung des Gezeigten als auch zur gegenseitigen Unterminierung von Bild und Text beitragen. So erschwert z.B. eine nichtlineare Anordnung der einzelnen Panels die chronologische bzw. einheitliche Rezeption einer Comicseite. Darüber hinaus weist Schmitt darauf hin, dass auch die im Comic verwendete grafische Textgestaltung10 einen transgressiven 9 | In Anlehnung an die Ausführungen von Ronald Schmitt und von der Plurimedialität des Comics sprechend, weist Martin Schüwer ebenfalls auf die Schwierigkeit einer nahtlosen Integration bzw. Rezeption sowohl grafischer als auch verbaler Elemente hin (vgl. Schüwer 2008, 323). Dabei geht Schüwer davon aus, dass der Einsatz bestimmter comicspezifischer Mittel – wie der Sprechblase – zumindest die Möglichkeit einer »virtuellen Gleichzeitigkeit« (ebd., 325), also einer simultanen Rezeption von Bild und Text, zulässt. »Virtuell bleibt diese Simultanität deshalb, weil die beiden Funktionen des Auges eben nicht gleichzeitig wirksam werden können« (ebd.). 10 | Die grafische Textgestaltung umfasst im Comic u.a. das Format der Textflächen innerhalb des Bildes, die Anordnung des Textes in diesen Textflächen, die Buchstabengestaltung, die Abstände zwischen den Buchstaben und Zeilen des Textes sowie den Schriftschnitt, die Schriftgröße bzw. Schriftart (vgl. Dittmar 2008, 99).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Charakter besitzen kann. »The ›uncertainty of the frontiers between so-called pictographic, ideographic and phonetic scripts‹ is underscored in comic book typeface« (Schmitt 1992, 158). Besonders deutlich wird dies im Hinblick auf die Darstellung von Sprache und Geräuschen bzw. Soundeffekten im Comic. Aufgrund seiner ›stummen Natur‹ muss auch die auditive Ebene im Comic visuell wiedergegeben werden. Dabei spielen der Einsatz von Sprech- oder Gedankenblasen, Kommentaren (z.B. in Form von in Boxen arrangierten Blocktexten) und Onomatopoetika (Lautmalereien) eine zentrale Rolle. All diese verschiedenen Textformen bzw. »formalen Mittel der Sprachdarstellung« (Schüwer 2008, 327) zeichnen sich durch ein komplexes Zusammenspiel sowohl verbaler als auch piktorialer Elemente aus und bringen somit die Grenzen zwischen Bild, Text und sound ins Wanken. So werden z.B. Lautstärke oder auch Klangfarbe (timbre) durch visuelle Soundeffekte erzeugt bzw. beeinflusst. Dabei wird u.a. mit Hilfe verschiedener Schriftarten (z.B. Maschinenschrift oder Handschrift), Schriftgrößen sowie Schriftschnitte (fett oder kursiv etc.) auf die Seh- und Lesegewohnheiten der Rezipient_innen zurückgegriffen, um so bestimmte – auf Konventionen basierende – Assoziationen zu wecken (vgl. Dittmar 2008, 106). Darüber hinaus heißt es bei Schmitt: »Sound effects are expressed in monosyllabic ›invented‹ words which are themselves art works (colourful graphic shapes rather than black letters on a light background). These words are not in balloons but are superimposed over the pictures, ›violating‹ the space of the visual image like graffiti« (Schmitt 1992, 159).

Auch durch die Gestaltung der Sprechblasen und deren Inhalte werden sprachliche sowie bildliche Mittel miteinander kombiniert und Grenzen unterminiert11. Dabei veranschaulicht die Gestaltung der Form bzw. des Randes der Sprechblase, ob es sich um die Darstellung von (direkter) Rede (z.B. durchgezogene Linie) oder Gedanken (geschwungene ›wolkenartige‹ Linienführung) handelt. Der gezackte Rand einer Sprechblase kann wiederum auf eine technische Übertragung, z.B. auf eine Telefon- oder Fernsehstimme hinweisen. Als weiteres Beispiel für das Durchbrechen traditioneller Grenzen und Dichotomien im Comic führt Schmitt die direkte Adressierung des Rezipienten bzw. der Rezipientin, z.B. mit Hilfe von Kommentaren und Textboxen, auf. »This self-conscious narrative intrusion, considered such a radical technique in postmodern literature, has always been a standard part of modern comic book convention« (ebd.).

11 | In diesem Zusammenhang kann auch der Einsatz von Piktogrammen als weitere Form der Unterminierung sprachlicher sowie bildlicher Mittel im Comic angesehen werden (vgl. Dittmar 2008, 104).

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Abschließend stellt Schmitt fest, dass die Beziehung von Text bzw. Wort und Bild im Medium Comic von einer kontinuierlichen Spannung zwischen Präsenz und Abwesenheit (presence and absence) geprägt ist. »[T]he word text alternating as symbol, sound and pure image, the pictorial text continually chopped-up by words supposedly indispensable for ›grasping‹ the meaning of the story« (ebd.). Im Rahmen dieses Spannungsverhältnisses kommt es zu einer permanenten, wechselseitigen Dekonstruktion sowohl ikonischer bzw. grafischer Formen (pictorial text) als auch symbolischer bzw. linguistischer Zeichen (word text). Dementsprechend stellt der Comic eine Art Zwischenmedium dar, welches sich durch das grenzüberschreitende Zusammenspiel von Text und Bild kennzeichnet12 . Gleichzeitig wird jegliche Form der kohärenten Repräsentation durch die Heterogenität des Mediums destabilisiert. »The function of the picture and the word is no longer conceived of as separate, or supplementary in a hierarchical sense. Both signifying forms exist in an interplay which blurs any clear boundaries between them and fragments any sense of formal unity they presume to represent« (ebd., 160).

Der hier beschriebene ›Konflikt‹ zwischen Text und Bild stellt allerdings nicht das einzige Spannungsverhältnis im Comic dar. Denn auch das Verhältnis zwischen Einzelbild und Bildfolge bzw. »Sequenz und tabularischer Gesamtstruktur« (Schüwer 2008, 323) ist von einem komplexen Wechselspiel der Trennung und Verschränkung geprägt.

2.2 E inzelbild und B ildfolge Bereits 1985 führt Will Eisner den Begriff der ›sequenziellen Kunst‹ als Synonym für den Comic ein (vgl. Eisner 2006, 5). Ein paar Jahre später übernimmt Scott McCloud die Bezeichnung und unternimmt gleichzeitig den Versuch diese zu erweitern. Dabei definiert er den Comic als »[j]uxtaposed pictorial and other images in deliberate sequence, intended to convey information and/ or to produce an aesthetic response in the viewer« (McCloud 1993, 9). Indem er sich auf die formellen Eigenschaften des Comics konzentriert, liefert McCloud seinen Leser_innen eine Definition, deren wichtigstes Kriterium in der Bildsequenz zu finden ist. Demnach handelt es sich beim Comic um ein visuelles Medium, welches sich im Gegensatz zum Film nicht durch die bewegte, sondern durch die statische Bildfolge definiert (vgl. ebd., 7). Einzelbilder schließt 12 | In Bezug auf die Kombination von Bild und Text bezeichnet auch David Carrier den Comic als in-between art und verweist so auf das grenzüberschreitende Potenzial des Mediums (vgl. Carrier 2001, 65).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

McCloud dagegen kategorisch als Comicform aus (vgl. ebd., 20 f.). Erst die Abfolge von mindestens zwei stehenden Bildern verwandelt »the art of the image […] into something more: the art of comics« (McCloud 1993, 5; Herv. im Org.; s. Abb. 3)13. Auch Dietrich Grünewald betont die Wichtigkeit der Bildfolge für die mediale Beschaffenheit des Comics. Vom ›Prinzip Bildgeschichte‹ sprechend, versteht Grünewald den Comic als eigenständige Kunstform, genauer gesagt als »künstlerische Grundhaltung, mittels Bildern Geschichten zu erzählen« (Grünewald 2010, 28). Mit diesem Ansatz hebt Grünewald deutlich die Wichtigkeit der Narrativität, also des kausalen Zusammenhangs zwischen den sequenziell aufeinander folgenden Panels des Comics hervor, wie Eckart Sackmann feststellt (vgl. Sackmann 2007, 6). Abbildung 3: Vom Einzelbild zur Bildfolge

Quelle: Scott McCloud: Understanding Comics. The Invisible Art. New York: Harper Perennial 1993, S. 5.

Laut Grünewald lassen sich verschiedene Ebenen des Comics bzw. des Prinzips Bildgeschichte ausmachen. Neben dem Inhalt – also dem, was im Comic erzählt bzw. dargestellt wird (vgl. Grünewald 2000, 35) – und dem Gehalt – dem gesellschaftlichen, philosophischen sowie kulturellen Kontext (vgl. ebd., 37) – stellt die Inszenierung eine weitere Ebene des Comics dar. Mit dem Begriff der Inszenierung beschreibt Grünewald die künstlerische Gestaltung und Anordnung einzelner Szenen (vgl. ebd., 30). Dabei umfasst die Ebene der Inszenierung sowohl die Gestaltung der kleinsten Einheit im Comic – dem Panel bzw. Einzelbild – als auch die der Panel- bzw. Bildfolge, die Grünewald als ›narrative Bildfolge‹ bezeichnet: »Das spezifische Mittel, mit dem […] Geschichten [im Comic] erzählt werden, ist die narrative Bildfolge, konkreter: eine Folge statischer Einzelbilder, die mit Text (Schrift) 13 | Eine ähnliche Aussage lässt sich auch bei Eckart Sackmann finden. Laut Sackmann grenzt die Abfolge von mindesten zwei stehenden Bildern den Comic vom »illustrierten Text (bei dem die Erzählung durch den Text getragen wird), […] (Trick-)Film (fließende Bilder, Ton) und […] Einzelbild-Erzählung (Cartoon, Einzelbildwitz)« (Sackmann 2007, 6) ab.

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Comic – Film – Gender eine inhaltliche und formale Einheit bilden können, aufeinander bezogen sind und als Ganzes wirken« (ebd., 28).

In Bezug auf die narrative Bildfolge gilt es darüber hinaus zwischen »zwei grundsätzlichen Erzählmöglichkeiten« (ebd., 31) – der weiten und engen Bildfolge – zu unterscheiden. Während die weite Bildfolge einen ›Bild-Sprung‹, also eine Folge von Bildern, die »zeitlich relativ weit auseinander liegen« (ebd.), präsentiert, stellt die enge Bildfolge einen ›Bild-Fluss‹ dar, welcher sich durch eine Folge von Bildern kennzeichnet, »zwischen denen nur ein relativ kurzer Zeitraum vergangen ist« (ebd., 32)14. Sowohl bei der weiten als auch der engen Bildfolge handelt es sich um Bestandteile einer weiteren Ebene des Comics – der Dramaturgie. Diese Ebene umfasst die Art und Weise wie im Comic erzählt bzw. dargestellt wird: »Dramaturgie meint, in einer bestimmten Erzählzeit (bestimmt durch die Komplexität der Einzelbilder sowie durch ihre Anzahl) eine bestimmte erzählte Zeit (ein paar Minuten, ein Jahr, ein Jahrhundert…) und was in dieser erzählten Zeit geschieht, zu arrangieren« (ebd., 32).

Im Rahmen dieses ›Arrangements‹ werden die Erzählmöglichkeiten der weiten und engen Bildfolge immer wieder neu miteinander kombiniert und erlauben es somit, »den Rhythmus der Geschichte zu bestimmen« (ebd. 2010, 26)15. Neben Grünewald weist auch Daniele Barbiere auf die im Comic vorzufindende Diskrepanz zwischen Erzählzeit sowie erzählter Zeit hin und unterstreicht dabei die Tatsache, dass es sich bei der Erzählzeit, also der eigentlichen Lese- bzw. Rezeptionszeit, um eine variable Größe handelt: »Im Unterschied zur Literatur, und im Gegensatz zum Film, Theater und Musik, ist die Lesezeit im Comic eine variable und textabhängige Größe, die sich keineswegs auf gleichlange Textabschnitte oder gleichlange Filmstreifen zurückführen läßt. Tatsächlich wird die Lesegeschwindigkeit für einen Comictext verlangsamt und beschleunigt durch 14 | Neben der weiten und engen Bildfolge unterscheidet Grünewald außerdem zwischen der reellen und ideellen Bildfolge. Während die reelle Bildfolge durch die Darstellung von mindestens zwei aufeinander folgenden Bildern gekennzeichnet ist, handelt es sich bei der ideellen Bildfolge um die Darstellung eines Momentes, welcher die Rezipient_innen dazu animiert, sich das Vorher und Nachher vorzustellen, d.h. im Bild selbst ist eine zeitliche Abfolge zu erkennen (vgl. Grünewald 2000, 31). 15 | Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Prinzip des Rhythmus im Comic siehe u.a. Daniele Barbieri: Zeit und Rhythmus in der Bilderzählung. In: Ästhetik des Comics. Hg. v. Michael Hein, Michael Hüners und Torsten Michaelsen. Berlin: Schmidt 2002, S. 125-142.

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics die Eigenschaften des Textes selbst. Ein Panel von normalem Ausmaß, welches ein absehbares Ereignis ohne Worte beschreibt, ist sicherlich schneller zu lesen als ein sehr großes und komplexes Panel, das ein völlig unvorhergesehenes Ereignis darstellt und dabei von Dialogen und verbalen Bemerkungen begleitet wird« (Barbieri 2002, 126).

Natürlich kann die Rezeptionszeit nicht nur durch die Gestaltung der einzelnen Panels, sondern auch durch die Lesegewohnheiten des jeweiligen Rezipienten bzw. der jeweiligen Rezipientin beeinflusst werden. Denn jeder Leser bzw. jede Leserin kann selbstständig über Tempo und Rhythmus der Comicrezeption bestimmen und ist dabei nicht, wie z.B. beim (Kino-)Film, an eine vorgegebene Projektionszeit bzw. Projektionsfläche (Kinoleinwand) gebunden. Und genau wie die Rezeptionszeit zeichnet sich auch die Rezeptionsweise eines Comics durch einen gewissen Grad der Unbestimmbarkeit sowie Unbeständigkeit aus. In diesem Sinne steht es jedem Rezipienten bzw. jeder Rezipientin frei, eine Comicseite (oder auch Doppelseite) als Ganzes zu betrachten, auf der jeweiligen Seite (zwischen den einzelnen Panels bzw. Sequenzen) mit den Augen hin und her zu wandern oder innerhalb eines Werkes vor- und zurückzublättern (vgl. Eisner 2006, 40). Die Rezeption eines Comics ist somit immer mit einer (bewussten) Wahrnehmung des Mediums als materielles Objekt verbunden. Dabei umfasst die Materialität des Comics »not only the design or layout of the page but also the physical makeup of the text, including its size, shape, binding, paper and printing« (Hatfield 2009, 144). Eine weitere Eigenheit des Comics besteht in der gleichzeitigen Sukzessivität und Simultanität seiner Bilder. So können die sequenziell angeordneten Panels einer Seite sowohl einzeln als auch gleichzeitig im Ganzen betrachtet werden (s. Abb. 4). Im Comic kann eine Seite also im doppelten Sinne wahrgenommen werden: einerseits »als Abfolge von Panels«, andererseits »als grafische Gesamtkomposition« bzw. »als Tableau« (Schüwer 2008, 161)16. 16 | Der französische Comickünstler und -forscher Benoît Peeters macht vier grundlegende Arten der grafischen Seitengestaltung im Comic aus. Dabei handelt es sich um das so genannte konventionelle Blatt, das dekorative Blatt, das rhetorische Blatt sowie um das produktive Blatt (vgl. Peeters 2007, o.S.). Während bei einem konventionellen Blatt alle Panels in einem einheitlichen Raster gleichmäßig auf einer Seite verteilt sind, wird das dekorative Blatt »so gestaltet, dass es sich jeweils von den anderen unterscheidet. Der Gesamtwirkung der Seite wird die Komposition der Einzelbilder und die Erzählung untergeordnet« (Dittmar 2008, 123). Im Gegensatz zu dem ästhetischen Effekt des dekorativen Blattes steht bei einem rhetorischen Blatt die Erzählung im Vordergrund. Die Anordnung der Panels und die Gestaltung der Seite dienen im Allgemeinen primär dazu, die Narration voranzutreiben. Bei einem produktiven Blatt wird die Handlung durch die Panelanordnung vorgegeben. Hier beeinflusst also die Seitengestaltung die Narration und nicht umgekehrt (vgl. ebd.).

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Comic – Film – Gender »In other words, there is a tension between the concept of ›breaking down‹ a story into constituent images and the concept of laying out those images together on an unbroken surface. This tension lies at the heart of the comics design – and poses yet another challenge to the reader« (Hatfiled 2009, 140).

Abbildung 4: Sukzessivität und Simultanität der Bilder

Quelle: Art Spiegelman: Maus. A Survivor’s Tale: And Here My Troubles Began. New York: Pantheon 1991, S.116.

Die aus dem hier beschriebenen Prozess des breaking down resultierende Aufspaltung von Zeit und Raum führt wiederum zu einer Ansammlung von Leerstellen zwischen den einzelnen Panels, dem so genannten gutter bzw. Gitter: »As panels form borders to enclose material for narration, so do the same borders work to exclude the surrounding space. Much of the story in comics takes place in these intervals between the frames, in the gaps which separate the panels, called the ›gutter‹« (Bongco 2001, 17). Mit Hilfe des Gitters werden die einzelnen aufeinanderfolgenden Panels zugleich miteinander verbunden und

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

voneinander getrennt. Um einen kausalen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Panels und den Lücken, die sie voneinander trennen, zu schaffen, müssen die Leerstellen auf Basis des Dargestellten, der erlernten Konventionen bzw. der eigenen Rezeptionserfahrungen sowie des eigenen Vorwissens (sinngemäß) von den Rezipient_innen gefüllt werden (vgl. ebd.). Die durch das Gitter voneinander getrennten Einzelteile (Panels) werden so nach dem pars pro toto Prinzip zu einem Ganzen zusammengefügt (vgl. McCloud 1993, 67). In diesem Sinne »muss der Rezipient Indizien suchen und deuten, die ihm den roten Faden der Geschichte offenbaren. Entscheidend ist, Einzelpanels nicht additiv zu betrachten, sondern verknüpfend, synthetisierend zu lesen. Dabei müssen die Leerstellen, also das, was zwischen den Einzelbildern nicht gezeigt wird, kombinierend gefüllt werden. Das verlangt genaues Betrachten aller Informationen der Einzelbilder (Bild- und Textinformationen) und den Vergleich der Bilder unter Beachtung der Unterschiede, der wahrnehmbaren Differenz« (Grünewald 2001, 12).

In Bezug auf das Konzept der Remedialisierung kann die sequenzielle Struktur des Comics sowie das daraus resultierende Zusammenspiel von Fragmentierung, Einheit und (Dis-)Kontinuität als prägnantes Beispiel für das von Jay David Bolter und Richard Grusin als Doppellogik (double logic) beschriebene gegenseitige Bedingungsverhältnis von Unmittelbarkeit und Hypermedialität gesehen werden (vgl. Bolter/Grusin 1999, 5 sowie 34): Die Betrachtung einer Panelsequenz bzw. einer Comicseite verlangt ein permanentes Oszillieren zwischen »Opazität und Transparenz, zwischen ›looking through‹ und ›looking at‹« (Seier 2007, 77). Während der durch die Panelstruktur fragmentierte Raum im Comic stets auf die eigene Medialität hinweist, wird – auf der Suche nach Kohärenz oder closure 17 (vgl. McCloud 1993, 64) – seitens des Rezipienten bzw. der Rezipientin der Versuch unternommen, die heterogene Anordnung der Panels zu einer homogenen Einheit umzuwandeln, welche einen vermeintlich unmittelbaren bzw. »unfragmentierten Blick auf das repräsentierte Objekt« (Seier 2007, 76) ermöglichen soll. Oder wie McCloud formuliert: »Comics panels fracture both time and space, offering a jagged, staccato rhythm of unconnected moments. But closure allows us to connect these moments and mentally construct a continuous, unified reality« (McCloud 1993, 67)18. Bei dieser ›Re17  |  Der von Scott McCloud eingeführte closure-Begriff bezieht sich auf das so genannte Induktionsverfahren, also der Wissensproduktion aus gegebenen Informationen und dem daraus resultierenden »Phänomen etwas als vollständig wahrzunehmen, obwohl man es nur bruchstückhaft sieht« (Wendt 2011, 13). 18 | Insgesamt nennt McCloud sechs verschiedene Arten der Induktion bzw. der Bildverknüpfung im Comic (vgl. McCloud 1993, 70 ff.). Dabei handelt es sich um die

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alität‹ handelt es sich um eine medial vermittelte Wirklichkeit, also um eine »Medienwirklichkeit« (Hickethier 2003, 34), die durch Medien (re-)produziert und nach den Bedingungen der Medien – in diesem Fall des Comics – organisiert wird. Zu den medialen Bedingungen, die die ›Realität‹ des Comics konstituieren, gehören nicht nur die bereits erwähnten Prozesse der Aufspaltung (breaking down) und Zusammenführung (closure), sondern auch das Konzept der Rahmung bzw. des Rahmens19. Laut Jakob Dittmar spielen Rahmen im Comic eine besondere Rolle, da diese »die einzelnen Bilder voneinander abgrenzen und deren Sequenzialität überhaupt verdeutlichen und die Erzählung dabei gliedern und moderieren« (Dittmar 2008, 58). Insgesamt lassen sich verschiedene Arten der Rahmung ( frame) im Comic unterscheiden. »Es können Rahmen um den Comicstrip, um die Comicseite, um das einzelne Bild des Comics dargestellt sein« (ebd.). Auch dem materiellen Seitenrand wird als ›natürliche‹ äußere Begrenzung des Mediums die Funktion eines Rahmens zuteil (vgl. ebd., 60). Eine weitere Art der Rahmung stellt das so genannte panel grid (Rahmengitter) dar. Mit Hilfe des Rahmengitters erfolgt die Proportionierung der Bilder im Verhältnis zur jeweiligen Comicseite. Anders ausgedrückt ermöglicht das Rahmengitter die Regulierung der einzelnen Bildabstände sowie der Anzahl der Bilder pro Seite20. Aber nicht nur die unterschiedlichen Arten von Rahmungen sind im Comic von Bedeutung, sondern auch ihre Gestaltung: »Der Rand kann Mittel der Erzählung sein […], kann durch Form (drei-, vier und mehreckig, rund, oval), Größe (Differenzierung der Breite und Höhe) und Art der Umrandung (dünn, dick, gerade, wolkig, gezackt) das Erzählte betonen, steigern, dynamisieren, Erzählebenen (Realerzählung, Rückblende, Traum, Wunschbild usf.) signalisieren« (Grünewald 2000, 20).

Momentfolge (moment-to-moment), die Handlungsfolge (action-to-action), die Subjektfolge (subject-to-subject), die Szenenfolge (scene-to-scene), die Aspektfolge (aspectto-aspect) sowie um die Paralogie (non-sequitur). 19 | Im Comic lassen sich zwei verschiedene Ebenen der Rahmung unterscheiden – und zwar die visuelle sowie die narrative Rahmung. Während narrative Rahmen als textuelle Strategien verstanden werden, die in erster Linie die »Vermehrung von Fiktionsebenen und eine Verschachtelung dieser Ebenen bewirken« (Schmitz-Emans 2012, 86), soll es im Folgenden primär um unterschiedliche Arten visueller, d.h. gezeichneter Rahmen und ihre jeweiligen Eigenheiten gehen. 20 | Dabei kann die durch das Rahmengitter vorgegebene Gliederung bzw. Proportionierung der Bilder pro Seite zwischen einer besonders strikten bzw. gleichmäßigen Anordnung (strict grid pattern) und einem losen Arrangement (loose grid pattern) variieren (vgl. Lefèvre 2009, 161).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Hierbei ist zu beachten, dass Rahmungen im Comic nicht zwingend sichtbar sein müssen, denn Rahmen können »erschüttert oder zerbrochen werden oder sich auflösen« (vgl. Dittmar 2008, 60). So kann z.B. der Inhalt eines Panels über die Grenzen des gezeichneten Rahmens hinausgehen und/oder in ein anderes Panel hineinreichen21. Rahmenlose Panels können nahtlos ineinander übergehen und in Form so genannter bleeds22 für einen Effekt der Weite und Zeitlosigkeit sorgen23. Rahmungen im Comic übernehmen also sowohl eine strukturierende als auch ästhetisierende Funktion (vgl. ebd., 69). Überdies definieren sie das Gezeigte und machen es zum Bild (vgl. ebd., 57). Dabei trennt der Rahmen »das Abgebildete von der Realität« und »erklärt das in ihm Gezeigte als etwas Zusammengehörendes. Was in der Realität als zufällig und ungeordnet erscheint, erhält durch den Rahmen seine innere Ordnung« (Hickethier 2001, 47)24. In diesem Zusammenhang kann der Rahmen als »arbiträre[s] Zeichen« (Balzer 2002, 146) verstanden werden, welcher das Gezeigte gliedert und somit eine scheinbare Einheit konstruiert. Die Konstruktion dieser vermeintlichen Einheit 25 erfolgt durch die visuelle Komposition der einzelnen Panels, welche –

21 | Scott McCloud beschreibt diesen Effekt als breaking the fourth wall (vgl. McCloud 2006, 45). Im Allgemeinen dient diese Technik »der Lenkung der Leseraufmerksamkeit, weil mit ihr […] einzelne Handlungsmomente akzentuiert werden können, indem gegen die angenommene Unverletzlichkeit des Rahmens verstoßen wird« (Schmitz-Emans 2012, 80). 22 | Bei einem bleed handelt es sich um ein randloses Panel, welches aufgrund seiner fehlenden Begrenzung über die Ränder einer Comicseite ›zu bluten‹ bzw. hinauszulaufen scheint (vgl. McCloud 1993, 103). 23 | Wie Monika Schmitz-Emans verdeutlicht, unterstreicht »[d]ie Abwesenheit des gezeichneten Rahmens […] seine Funktion, denn in der Leerstelle manifestiert sich die Abweichung von der Lesererwartung, wodurch die Bedeutung des Rahmens unversehens aktualisiert wird« (Schmitz-Emans 2012, 78). 24 | Mit dem Begriff der ›Realität‹ ist hierbei die außermediale bzw. vormediale ›Realität‹ gemeint, die Knut Hickethier auch als »Umwelt« (Hickethier 2003, 32) bezeichnet. Dabei verdeutlicht er, dass es sich ebenso bei der vormedialen Realität um ein »kulturell erzeugte[s] Bild von der Realität« (ebd., 34) handelt und dass »[d]as, was Menschen ganz selbstverständlich als eine außerhalb von ihnen existierende Realität wahrnehmen und kennen, […] abhängig davon [ist], was sie wahrnehmen können und wie sie diese Wahrnehmungen aufgrund ihrer Bewusstseinsstrukturen zu einem weitgehend kohärenten Weltbild zusammensetzen« (ebd., 33). 25 | Pascal Lefèvre spricht in diesem Zusammenhang von der visuellen Ontologie (visual ontology) des Comics, welche er als »a definition of the real in visual terms« (Lefèvre 2009, 159) bezeichnet.

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ähnlich der mise en scène im Film26 – neben der Anordnung der verschiedenen Bildelemente auch die Wahl des Bildausschnittes und der Perspektive umfasst (vgl. Eisner 2006, 88): »The enclosed space of the frame is always already structured, and it would be for the reason that a closed space already provides a geometric centre, and that this centre offers a naturally privileged zone to the representation. More generally, whether the image will be static or dynamic, its centering or its ›deframing‹, the distribution of presence and absence, the presence of a text and its location, and its spreading on the planes, the viewing angle chosen and the eventually out of the space by perspective, in short the entirety of the formal parameters that organize the image are indexed by the form and dimension of the frame, as much as by its location on the page, its site« (Groensteen 2007, 47).

Indem die Rahmung das Bild bestimmt, wird nicht nur das Gezeigte eingegrenzt und inszeniert, sondern auch das Nicht-Gezeigte ausgegrenzt. Denn der »in einem Bild dargestellte Inhalt ist immer eine Auswahl aus anderen möglichen Ausschnitten und Perspektiven auf das Dargestellte. Jedes Auswählen bedeutet eine Wertung aller möglichen Inhalte« (Dittmar 2008, 69). Mit Bezug auf das Medium der Fotografie schreibt auch Judith Butler der Rahmung eine aktive Ein- bzw. Ausgrenzungsfunktion zu: »Vor den Ereignissen und Aktionen, die innerhalb des Rahmens dargestellt werden, steht die aktive, wenn auch unmarkierte Begrenzung des Feldes selbst und damit eine Reihe von Inhalten und Perspektiven, die nicht gezeigt werden, niemals gezeigt werden können, unmöglich zu zeigen sind« (Butler 2008, 206).

Anders ausgedrückt: Der Rahmen trennt das Anwesende von dem Abwesenden, das Darstellbare von dem Nicht-Darstellbaren und das Sichtbare von dem Unsichtbaren. Die Leerstellen zwischen den Panels werden somit zu einem Ort des Nicht-Gezeigten, zu einer Art des hors champ27 oder genauer gesagt des hors cadre (vgl. Lefèvre 2009, 157)28 – einer »Schnittstelle von visuellem und 26 | Zu den Aspekten der filmischen mise-en-scène zählen u.a der Drehort bzw. Schauplatz (setting), die Beleuchtung (lighting), das Make-up, die Kostüme, die Requisiten, die Figurenbewegung und der Schauspielstil (vgl. Hayward 2000, 231). 27 | Der Begriff des hors champ wurde im Rahmen der Filmwissenschaft vornehmlich von André Bazin geprägt und bezeichnet den nicht sichtbaren Bereich außerhalb des filmischen Bildes (vgl. Schüwer 2008, 186). 28 | Neben den Konzepten des hors champ bzw. hors cadre weist Lefèvre in seinen Ausführungen auf die Möglichkeit hin, Figuren oder andere Inhalte innerhalb eines Panels zu verdecken bzw. für die Rezipient_innen ›unsichtbar‹ zu machen (hors champ

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imaginiertem Handlungsraum« (Wendt 2011, 12). Im Comic weisen die Inhalte eines Panels also immer über die Grenzen des Dargestellten hinaus. In diesem Zusammenhang bemerkt auch Michael Hein, dass zwischen den Panels eines Comics stets »mehr zu verstehen gegeben [wird], als in den Panels gezeigt wird« (Hein 2002, 56). Demnach handelt es sich beim Comic um eine auf dem Prinzip der Auslassung basierende Repräsentationsform, welche niemals vollständig, niemals ganz abgeschlossen sein kann29. So bleiben ebenfalls die Einzelbilder eines Comics durch ihre sequenzielle Anordnung auf eine gewisse Art und Weise unvollständig, denn das wahre Potenzial eines Panels kann sich erst in der Abfolge mehrerer Bilder vollends entfalten. Aber auch die Bildfolge selbst ist im Comic nie ganz abgeschlossen, da sie »ihrerseits aus nichts als lauter Einzelbildern [besteht]. Kein anderes Einzelbild enthält die Vollständigkeit, die dem einen fehlt. Sie ergänzen sich. Doch dabei werden sie nicht ganz zu einem neuen, großen Einzelbild, welches seinerseits wiederum unvollständig wäre. Vielmehr geschieht etwas in dem Raum zwischen den Bildern« (Breithaupt 2002, 37).

Den Ausführungen von Ole Frahm folgend, kann das, was zwischen den einzelnen Comicbildern passiert, als Störung bezeichnet werden (vgl. Frahm 2010, 156), welche den (kontinuierlichen) Blick des Betrachters bzw. der Betrachterin spaltet und gleichzeitig darauf hinweist, dass »zwischen den gezeichneten Linien des Comics« (ebd., 149) keine endgültige, in sich geschlossene Wahrheit zu finden ist30. Denn im Comic geht es nicht etwa um die unmittelbare Abbildung ›realer‹ Personen oder Geschehnisse, sondern vielmehr um deren (re-)medialisierte Repräsentation und (Re-)Konstruktion (vgl. ebd., 169). Dabei bedient sich der Comic als grafisches Medium einer ganz bestimmten Bildäs-

interne): »for instance figures can overlap one another and hide parts from the viewer. While some elements may not be visualized, they can be suggested by direct and indirect means […]. The artist thus has a powerful tool, namely framing, at his hands« (Lefèvre 2009, 158). 29 | Von dem strukturellen bzw. formalen Gitter (formal gutter) des Comics sprechend (vgl. Gardner 2012, xiii), vertritt auch der amerikanische Comicforscher Jared Garner die These, dass es sich beim Comic um eine auf dem Prinzip der Auslassung basierende Repräsentationsform handelt, »that depends as much on what is left out as on what is included« (ebd., xi). 30 | In Anlehnung an die Ausführungen von Ole Frahm weist auch Jonas Engelmann in seinem Buch Gerahmter Diskurs. Gesellschaftsbilder im Independent Comic auf die Unabgeschlossenheit der sequenziellen Bildfolge sowie auf das (kritisch-)reflexive Potenzial der Panelzwischenräume im Comic hin (vgl. Engelmann 2013, 10 sowie 45 f.).

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thetik, die als ›überzeichnete Reduktion‹ beschrieben werden kann und die im folgenden Kapitel näher beleuchtet werden soll.

2.3 R eduk tion und Ü berzeichnung In seinem einführenden Werk Understanding Comics. The Invisible Art verdeutlicht Scott McCloud, dass das Darstellungsprinzip des Comics auf der ikonischen Repräsentation31 von Personen, Orten und Gegenständen basiert (vgl. McCloud 1993, 26). Dabei unterscheidet er zwischen so genannten nicht bildlichen Zeichen wie z.B. Wörtern und Zahlen – also völlig abstrakten Symbolen, die keinerlei Ähnlichkeit mit dem bezeichneten Referenten mehr aufweisen – und bildlichen Zeichen (pictures), die so gestaltet sind, dass sie dem jeweils dargestellten Objekt bzw. bezeichneten Gegenstand (etc.) ähneln. Darüber hinaus geht McCloud davon aus, dass einige Bilder bzw. bildliche Zeichen einen größeren ikonischen Wert (iconic content) besitzen als andere (vgl. ebd., 27)32 . Der Comickünstler und Autor spricht in diesem Zusammenhang auch von der so genannten ikonischen Abstraktion (iconic abstraction; vgl. ebd., 46). Neben der ikonischen Abstraktion ist laut McCloud auch die nicht-ikonische Abstraktion im Medium Comic, z.B. in Form experimenteller Comics, zu beobachten (vgl. ebd., 50). Im Gegensatz zu der ikonischen Abstraktion (bei der – unabhängig vom Abstraktionsgrad – stets deutlich bleibt, auf was oder wen verwiesen wird) weist das Gezeigte im Rahmen einer nicht-ikonischen Abstraktion keinerlei Bezug mehr zu dem repräsentierten Objekt (etc.) auf. Mit Bezug auf die Ausführungen von McCloud bemerkt Martin Schüwer, dass die nicht-ikonische Form der Abstraktion (im Gegensatz zur ikonischen) »vor allem das zum Thema [macht], was auf der Bildebene selbst vor sich geht« (Schüwer 2008, 352). Folglich steht bei der nicht-ikonischen Abstraktion nicht mehr die Sinn- oder

31 | Laut Astrid Deuber-Mankowsky bedeutet der Begriff der Repräsentation »Vorstellung, Bild, Vergegenwärtigung und Stellvertretung« (Deuber-Mankowsky 2007, 111). Hierbei ist zu beachten, dass »der Repräsentationsbegriff nicht im Sinne einer reinen Stellvertreterfunktion zu verstehen ist, sondern immer auf Zeichen bezogen scheint, die performativ vollzogen und hergestellt werden« (von Hoff 2005, 162). 32 | In seinen Ausführungen bemerkt Martin Schüwer, dass McCloud den Begriff des Ikonischen recht eigenwillig verwendet, da er sowohl bildliche als auch nicht bildliche Zeichen (visuelle Symbole wie z.B. mathematische Zeichen oder Buchstaben) als ikonisch bezeichnet, während nach der gängigen semiotischen Begriffsdefinition ausschließlich solche Zeichen als ikonisch gelten, die eine klare Ähnlichkeit zwischen Signifikant (Bezeichnendes) und Signifikat (Bezeichnetes) aufweisen (vgl. Schüwer 2008, 348 f.).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Narrationsvermittlung, sondern die künstlerische bzw. visuelle Gestaltung im Vordergrund. Abbildung 5: Die ikonische Abstraktion: Vom fotorealistischen zum ›cartoonhaften‹ Zeichenstil

Quelle: Scott McCloud: Understanding Comics. The Invisible Art. New York: Harper Perennial 1993, S. 29.

Abhängig vom Grad der ikonischen bzw. nicht-ikonischen Abstraktion lassen sich im Medium Comic verschiedenste Zeichenstile ausmachen, die »von realistischer Repräsentation zu einfachsten Grundformen« (Dittmar 2008, 155) reichen. Je mehr ein Bild simplifiziert und abstrahiert wird, desto weniger wird es mit der unmittelbaren Darstellung von ›Realität‹ in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang nennt McCloud den Cartoon33 als Beispiel für einen 33 | Während Scott McCloud den Cartoon, bzw. das Cartoonhafte vornehmlich als Zeichenstil begreift, wird der Begriff innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses ebenfalls für die Bezeichnung einer Comicgattung verwendet. In diesem Sinne versteht beispielsweise der Comickünstler und Autor Robert C. Harvey den Cartoon als Vorläufer des Comics bzw. des Zeitungsstrips. Laut Harvey haben sich Comicstrip und Cartoon aus humoristischen Zeichnungen (Karikaturen) des 18. Jahrhunderts entwickelt (vgl. Harvey 2009, 35). Während Harvey den Cartoon als humoristische Einzelbildzeichnung mit Untertext definiert, handelt es sich bei einem Comic (bzw. Comicstrip) um »a narrative told by a sequence of pictures with the dialogue of the characters incorporated into the pictures in the form of speech balloons« (ebd., 38). Im Gegensatz zu den textlosen Karikaturen besteht das Hauptmerkmal eines Cartoons (und somit auch eines Comics bzw. Comicstrips) in einem visual-verbal blending, also in der Integration von Text und Bild (vgl. ebd., 25 f.). In Anlehnung an die Ausführungen von Scott McCloud wird – wenn nicht anders angegeben – der Cartoon-Begriff im Rahmen der vorliegenden Arbeit für die Bezeichnung des entsprechenden Zeichenstils verwendet.

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besonders abstrakten Zeichenstil (vgl. McCloud 1993, 29; s. Abb. 5)34. Während der Cartoon – in der Tradition der Karikatur verhaftet – sowohl durch eine reduzierte als auch übertriebene Darstellungsweise gekennzeichnet ist, gilt ein fotorealistischer Zeichenstil aufgrund seiner vermeintlichen Ikonizität im Allgemeinen als besonders ›realitätsnah‹ (vgl. ebd., 28)35. An dieser Stelle ist (nochmals) zu bemerken, dass es sich bei dem hier beschriebenen Realismuseffekt um eine Konvention, also um eine inszenierte, konstruierte und subjektive Auffassung dessen handelt, was zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb einer bestimmten Kultur als realistisch aufgefasst wird. Dementsprechend wird Realismus »als formaler Aspekt der Bildgestaltung betrachtet, der sich durch Übersetzungsleistungen, besondere Inszenierungsstrategien und konventionalisierte Bezugnahmen herstellt« (Richter 2008, 191). Im Falle des von McCloud beschriebenen fotorealistischen Zeichenstils beschränkt sich der besagte Bezugsrahmen zudem nicht ausschließlich auf eine wie auch immer geartete außermediale Wirklichkeit. Im Rahmen des Prozesses der Remedialisierung wird hier vielmehr auf »bereits vertraute mediale Strategien der Erzeugung von Unmittelbarkeit« (Seier 2007, 74) zurückgegriffen, die durch ein anderes Medium – das Medium der Fotografie – etabliert und konventionalisiert worden sind. Denn wie Andrea Seier mit Bezug auf die Ausführungen von Bolter und Grusin konstatiert, erzeugt erst das performative Zitieren »von Konventionen der Unmittelbarkeit […] den Eindruck von Unmittelbarkeit. Dieser Eindruck basiert somit weniger auf außermedialen als auf medialen Kontexten und bleibt stets an (Hyper-)medialität gebunden« (ebd., 77). In diesem Sinne ist das, »was im Comic als scheinbare Wirklichkeit dargestellt wird, […] nichts als ein verkürztes und somit verzerrtes Abbild dieser Wirklichkeit, das wir mit Hilfe bestimmter Codes, die zu verstehen wir erlernt haben, entschlüsseln« (Knigge 1985, 12). Auch wenn der von Andreas C. Knigge beschriebene ›Entschlüsselungsprozess‹ meist unbewusst erfolgt und der Comic – genau wie andere mediale Formen – in der Regel darum bemüht scheint, sich selbst möglichst »unauf34 | Laut Jakob Dittmar kann der Zeichenstil in Anlehnung an den Neo-Formalismus als ein formales System bezeichnet werden, welches sich zum einen aus sämtlichen Gestaltungsmitteln, welche dem Comic zur Verfügung stehen, und zum anderen aus dem individuellen Einsatz dieser Mittel durch den jeweiligen Comickünstler bzw. die jeweilige Comickünstlerin zusammensetzt (vgl. Dittmar 2008, 148). 35 | Dieser hohe Grad an Ikonizität wird dem Medium der Fotografie im Allgemeinen aufgrund der mechanischen Bilderzeugung zugesprochen, »aus der für das fotografische Bild (auch für das Film- und Fernsehbild) eine von der Menschenhand unbeeinflusste ›Objektivität‹ abgeleitet wird. Auch wenn zahlreiche Bildbeeinflussungsmöglichkeiten (Auswahl, Perspektive, Filterung, Bearbeitung) bestehen, gelten Medienbilder (gegenständliche Bilder) per se als realitätsnah« (Hickethier 2003, 95; Herv. im Org.).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

fällig zu machen« und »hinter der Erzählung zu verschwinden«, lenkt die »graphische Sprache« (Groensteen 1988, 4) des Comics die Aufmerksamkeit der Rezipient_innen stets auf ihren eigenen Herstellungsprozess und damit auch auf den artifiziellen Status ihrer Bilder und deren Inhalte. Denn »[i]n der Zeichnung gibt es notwendigerweise etwas, das Widerstand leistet, das beharrt und der Dimension des Stils angehört« (ebd., 4). So weist auch der amerikanische Comicforscher und Literaturwissenschaftler Rocco Versaci auf den artifiziellen Charakter der Bilder im Medium Comic hin, wenn er bemerkt, dass es für einen Künstler bzw. eine Künstlerin nahezu unmöglich zu sein scheint, »to either hide entirely or to project complete realism because of the mediums’s use of illustrations. That is, the comic book aesthetic projects unreality to some degree because every comic book is a drawn version of the world and, therefore, not ›real‹« (Versaci 2007, 12). Demnach präsentiert der Comic seinen Rezipient_innen nicht nur eine künstlerische Interpretation des Gezeigten, sondern zeichnet sich ebenfalls – abhängig vom dargestellten Abbildungsrealismus bzw. des verwendeten Zeichenstils – durch einen gewissen Grad der selbstbezüglichen, anti-illusionistischen Ästhetik aus, die das Potenzial besitzt, die eigene Medialität zu reflektieren sowie traditionelle Wahrnehmungsmodelle aufzubrechen und »grafische Konventionen« (Schüwer 2008, 350) kritisch zu hinterfragen. So ermöglicht die Repräsentationslogik des Comics beispielsweise sowohl die Kombination verschiedener Zeichenstile als auch die Variation unterschiedlicher ›Realismus‹- und Abstraktionsgrade innerhalb eines Werkes oder sogar eines einzelnen Panels. »In the end, most comics artists incorporate at least a little realism, simplification, exaggeration and symbolism into their styles« (McCloud 2006, 97). Dabei kann die Kombination bzw. der Wechsel von einem Zeichenstil zu einem anderen (und die damit verbundenen Stilbrüche) innerhalb eines Werkes zu einer hypermedialen Störung des unmittelbaren Illusionseffekts führen: »Ein Stilwechsel bringt es stets mit sich, dass der Zeichenstil selbst in den Vordergrund tritt. Eine solche Illusionsstörung wird in der Regel vermieden […]. Tritt ein Stilwechsel aber auf, so wird der Leser – zumindest in dem Moment des Bruchs – auf eine Metaebene versetzt. Er wird veranlasst, die grafische Dimension selbst, wie sie sich auf der zweidimensionalen Bildebene niederschlägt, zu beachten. Die Aufmerksamkeit wird auf den Stoff gelenkt, aus dem die fiktionale Welt gemacht ist« (Schüwer 2008, 374).

Die von Martin Schüwer beschriebene Illusionsstörung muss von den Rezipient_innen allerdings nicht zwingend als negativ empfunden werden. Den Ausführungen von Scott McCloud folgend erlaubt z.B. der als ligne claire berühmt gewordene Zeichenstil des belgischen Comickünstlers Georges Rémi (alias Hergé) – welcher sich u.a. durch die Kombination besonders detailreicher (und

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demnach als ›realitätsnah‹ geltender) Hintergründe sowie cartoonhafter (also abstrakter) Figuren kennzeichnet (vgl. McCloud 1993, 42)36 – eine besonders hohe Identifikation mit dem Gezeigten37. In diesem Zusammenhang spricht McCloud auch von dem so genannten masking effect38, welcher den Rezipient_ innen die Möglichkeit eröffnet, »to mask themselves in a character and safely enter a sensually simulating world« (ebd., 43; Herv. im Org.)39. Insgesamt empfindet McCloud das Konzept des ›Cartoonhaften‹ – sowie das damit einhergehende Prinzip der Abstraktion bzw. Reduktion und Überzeichnung – als besonders gewinnbringend, da es bei dieser Art von Darstellung nicht einfach nur darum geht, bestimmte Details etc. wegzulassen, sondern besondere Aspekte hervorzuheben. Dementsprechend definiert McCloud das Cartoonhafte als amplification through simplification – also als Verstärkung durch Vereinfachung: »When we abstract an image through cartooning, we’re not so much eliminating details as we are focusing on specific details. By stripping down an image to its essential ›meaning‹, an artist can amplify that meaning in a way that realistic art can’t« (ebd., 30; Herv. im Org.).

Obwohl keineswegs von einem einheitlichen oder einzigen, konsequent durchgehaltenen Comicstil die Rede sein kann, betont auch Harry Morgan in seinem Aufsatz Gibt es eine Ästhetik des Comics? die Wichtigkeit des Cartoonhaften für die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics, wenn er darauf hinweist, dass

36 | Natürlich ist auch ein umgekehrter Ansatz möglich, bei dem Comicfiguren nicht etwa vor einem besonders detailreichen, sondern vor einem ›leeren‹ oder stark reduzierten Hintergrund agieren und so bewusst von ihrer Umgebung abgesetzt werden. 37 | Dieser hohe Identifikationsgrad kommt laut Scott McCloud durch die Universalität des Cartoonhaften zustande. »The cartoon is a vacuum into which our identity and awareness are pulled… an empty shell that we inhabit which enables us to travel in another realm. We don’t just observe the cartoon, we become it!« (McCloud 1993, 36; Herv. im Org.). 38 | Neben der ligne claire weist McCloud auch auf den häufigen Gebrauch des masking effects im japanischen Manga hin (vgl. McCloud 1993, 43 f.). 39 | Das Zusammenspiel von Unmittelbarkeit und Hypermedialität kann auch innerhalb eines fotorealistischen Zeichenstils beobachtet werden. So weist z.B. Martin Schüwer in seinen Ausführungen darauf hin, dass in einem fotorealistischen Comic linguistische Symbole die »Synthese zwischen Bild und Sprache« (Schüwer 2008, 348) behindern können, da sie aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades wie Fremdkörper wirken und daher nicht ›nahtlos‹ in eine fotorealistische Umgebung integriert werden können.

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Zeichenstile im Allgemeinen als »Arten der Codierung und Vereinfachung« (Morgan 2011, 138) verstanden werden müssen40. Demnach scheinen »Comics in ihrem Stil leichthin erkennbar zu sein. Vereinfachte Linienführung, grobe Farbwahl, die Tendenz zur Übertreibung werden alle im Englischen unter dem Begriff des ›cartoony‹ und im Französischen unter ›bédé‹ oder ›style bédé‹ subsumiert« (ebd.).

Dabei verdeutlicht der Autor, dass Zeichenstile nicht nur von den verschiedenen Comickünstler_innen, sondern auch durch ihre jeweiligen Produktionsbedingungen geprägt werden. So können bestimmte physische, semiotische, editorische und technische Faktoren auf den Herstellungsprozess einwirken und zu einem reduzierten bzw. skizzenhaften Zeichenstil führen, welcher als typisch für das Cartoonhafte41 angesehen wird (vgl. ebd., 138 f.)42 .

40 | In diesem Zusammenhang bemerkt auch Jakob Dittmar, dass in fast allen Comics »die Reduktion auf das für die Narration wesentliche zu beobachten« (Dittmar 2008, 156) ist. Verschiedene Comicstile lassen sich somit anhand einer »unterschiedlich weit vorangetriebene[n] stilistische[n] Reduktion« (ebd.) voneinander unterscheiden. 41 | Genau wie McCloud versteht auch Harry Morgan das Cartoonhafte bzw. den Cartoon in erster Linie als Zeichenstil. Gleichzeitig weist er in seinen Ausführungen auf die allgemein geläufige Verwendung des Cartoon-Begriffs für die entsprechende Comicgattung bzw. für die Bezeichnung von Zeichentrickfilmen hin (vgl. Morgan 2011, 138). 42 | So zählt u.a. das Comicformat zu den Faktoren oder ›Zwängen‹, die laut Morgan den cartoonhaften Zeichenstil der Comics prägen können. »Cartoons werden in kleinem Format gedruckt, mit vielen Panels auf derselben Seite« (Morgan 2011, 138). Dieser ›Platzmangel‹ (in Kombination mit einer evtl. schlechten Qualität des zur Verfügung stehenden Papiers) führt wiederum zu dem Einsatz einer besonders dicken Umrisslinie, der Verwendung vereinfachter Figuren sowie zu einer ›kleinen‹ detaillosen Ausführung (vgl. ebd., 140). Neben dem Comicformat führt Morgan die »unterschiedlichen Kodes, die Comics leicht verständlich machen« und »faktisch einer Serie an fest gefügten Konventionen« (ebd.) entsprechen, als semiotische Faktoren oder ›Zwänge‹ auf, die den cartoonhaften Zeichenstil der Comics prägen. Im Gegensatz zu physischen und semiotischen Zwängen, die der medialen bzw. der materiellen Beschaffenheit der Comics geschuldet sind, werden editorische Zwänge durch das Zielpublikum definiert. Dabei betont Morgan, dass Comics in der Regel schnell gezeichnet werden (müssen), was dazu führt, »die einfachsten Techniken der Abbildung zu verwenden« (ebd., 138 f.). Zu diesen einfachen Techniken der Abbildung zählt Morgan auch das Verfahren der Autotypie, welches er als »Reproduktion eines handgefertigten Originals« (ebd., 139) definiert. Gemäß Morgan bewahrt die Autotypie – im Gegensatz zur Radierung oder dem Holzdruck – die skizzenhafte Qualität der Druckvorlage und kann somit der Kategorie der technischen Zwänge zugeordnet werden.

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Darüber hinaus stellt das Prinzip der Übercodierung eine weitere bezeichnende Eigenheit des Cartoonhaften dar (vgl. ebd., 143). Laut Morgan bezieht sich dieses vornehmlich auf die Darstellung von Comiccharakteren. Mit dem Ziel, eine maximale Wirkung zu erreichen, werden Figuren im Comic auf ihre wesentlichen (meist runden) Züge reduziert – und gleichzeitig überzeichnet –, so dass sie jederzeit von den Rezipient_innen identifiziert und wiedererkannt werden können (vgl. ebd., 142 f.). In diesem Sinne kann das Prinzip der Übercodierung auch als Form der visuellen Stereotypisierung verstanden werden, mit deren Hilfe z.B. der Charakter einer Figur zum Ausdruck gebracht wird. Innerhalb der Medienwissenschaften bezeichnet der Begriff des Stereotyps eine durch ständige Wiederholung erreichte Standardisierung komplexitätsreduzierter Muster (vgl. Schweinitz 2006, X). Da Künstler_innen im Medium Comic – im Vergleich zu anderen medialen Formen, wie z.B. dem Film – nur wenig Zeit und Raum zur Verfügung stehen (vgl. Eisner 2008, 12), greifen diese in der Regel auf die Gestaltungsmittel der Reduktion und Überzeichnung zurück, um mit Hilfe relativ weniger Zeichenstriche eine möglichst eindeutige Aussage treffen zu können. Dietrich Grünewald spricht in diesem Zusammenhang auch von der so genannten ›visuellen Typisierung‹: »Die visuelle Typisierung findet ihre Quelle nicht nur in der Typen-Maske, der ›persona‹ des antiken Theaters, sondern auch in den Bildern der bildenden Kunst. So zeigt die christliche Kunst vielfach die Positiv-Figuren idealisiert, die Negativ-Figuren fratzenhaft hässlich […]. Die Karikatur, eine wesentliche Quelle für die Comics, übertreibt diese Merkmale noch, zeigt in der Hässlichkeit der Kritisierten metaphorisch ihr hässlichnegatives Verhalten auf« (Grünewald 2000, 22).

Hierbei ist zu beachten, dass mit dem Einsatz der visuellen Typisierung keine »(Alltags-)Personen, sondern ›Rollen‹ visualisiert werden, die (für das fiktive Spiel) eindeutig identifizierbar erscheinen sollen« (ebd.). Dementsprechend zeichnen sich die meisten Comiccharaktere, die dem Prinzip der unmittelbaren bzw. eindeutigen Wiedererkennbarkeit folgen, durch einen gewissen Grad der flatness aus43: »Viele klassische Figuren aus amerikanischen Zeitungscomics (Popeye, Betty Boop, Mickey Mouse) sind eher ›geschrieben‹ als ›gezeichnet‹, eher wie chinesische Buchstaben. Genau das ist es, was sie ›flat‹ aussehen lässt […]. Mickey Mouse zeigt kein ausgearbeitetes Profil einfach aus dem Grund, dass es nur als bloßer Umriss existiert« (Morgan 2011, 139).

43 | Diese flatness ist nicht nur der »unmittelbaren Wiedererkennbarkeit« (Morgan 2011, 142), sondern auch der »Schnelligkeit der Ausführung« (ebd., 140) geschuldet.

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Genau wie Harry Morgan misst auch Ole Frahm dem Umriss bzw. der Kontur einer Comicfigur besondere Bedeutung bei, da erst die Kontur die Comicfigur von ihrer Umgebung abhebt und sie als solche sichtbar sowie wiedererkennbar macht (vgl. Frahm 2010, 72). Gleichzeitig lässt die Kontur die Comicfigur eindimensional wirken und reduziert sie auf wenige, stereotype Merkmale (vgl. ebd., 273). Eine weitere Form der Übercodierung bzw. Überzeichnung lässt sich im so genannten ›exaltierten Code‹ der Comics ausmachen. Laut Bernd Weidenmann verfolgen »die meisten heutigen Comics ein psychologisches Ziel […], nämlich den Lesern ein intensives Erlebnis zu bescheren« (Weidenmann 1991, 60; Herv. im Org.). Dieses intensive Erlebnis, welches Weidenmann mit intensiven Emotionen gleichsetzt, erzielt der Comic mit Hilfe zwei verschiedener (piktorialer) Code-Typen: Den so genannten Darstellungscodes – welche den Betrachter bzw. die Betrachterin dazu anregen sollen, eine Analogie zur Realität herzustellen – und den Steuerungscodes, deren Hauptfunktion in der Lenkung des Betrachtungsprozesses liegt (vgl. ebd., 62). Obwohl Weidenmann darauf hinweist, dass Comics im Allgemeinen »eine erstaunlich große Vielfalt an Darstellungscodes« (ebd.) aufweisen, geht er in seinen Ausführungen davon aus, dass vor allem exaltierte Darstellungsmittel kennzeichnend für den modernen Comic sind. Zu diesen exaltierten Darstellungs- und Steuerungscodes zählen u.a. die optische Übertreibung von Objektmerkmalen44, die optische Steigerung von Darstellungsmitteln45, der Einsatz ungewöhnlicher Bildausschnitte bzw. Perspektiven46 und unruhiger Bildkompositionen47 sowie der Gebrauch von comictypischen »Spezialzeichen« (ebd., 63; Herv. im Org.) wie z.B. Lautmalereien oder speedlines. 44 | Als optische Übertreibung von Objektmerkmalen bezeichnet Bernd Weidenmann u.a. den Gebrauch des so genannten Kindchenschemas oder die übertriebene Darstellung von Muskeln, Brüsten, Augen etc. (vgl. Weidenmann 1991, 63). 45 | Laut Weidenmann zählen z.B. harte Helligkeits- und Farbkontraste sowie der Einsatz einer expressiven Linienführung zu dem Aspekt der optischen Steigerung von Darstellungsmitteln (vgl. Weidenmann 1991, 63) . 46 | Als ungewöhnliche Bildausschnitte bzw. Perspektiven bezeichnet Weidenmann den Gebrauch extremer Nahaufnahmen, Verkürzungen oder Verlängerungen sowie den exzessiven Einsatz von Frosch- und Vogelperspektiven (vgl. Weidenmann 1991, 63). In diesem Zusammenhang ist auch das Konzept der Dekadrierung zu erwähnen, welches sich u.a. auf »exzentrische Panels« mit »widersinnige[n] Blickwinkel[n]« (Schüwer 2008, 185) bezieht. 47 | Eine unruhige Bildkomposition definiert Weidenmann als »starke Betonung von Diagonalen, Platzierung des dramatischen Mittelpunktes außerhalb des Bildmittelpunktes, extreme Überschneidungen und Verdeckungen, Ablenken der Betrachtungsrichtung von der üblichen Leserichtung« (Weidenmann 1991, 63).

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Während Weidenmann davon ausgeht, dass der exaltierte Code der Comics und die durch ihn ausgelösten »[s]upranormale[n] Reize« (ebd., 63) den Rezeptionsprozess erschweren können, indem sie z.B. ›gewöhnliche‹ Realitätserfahrungen und Sehgewohnheiten überschreiten (vgl. ebd., 64 f.), vertritt Simon Ofenloch die These, dass sowohl »die intensivierenden Darstellungs- als auch Steuerungscodes […] dazu beitragen [können], die Geschichte des jeweiligen Comics eindeutiger zu präsentieren und die Wahrnehmung der Bilder zu erleichtern« (Ofenloch 2007, 41), da sie – ganz im Sinne von Scott McClouds amplification through simplification – dazu beitragen, essenzielle Aspekte der Narration bzw. der Darstellung zu fokussieren48. Darüber hinaus trägt laut Ofenloch der von Weidenmann beschriebene Code der Comics zur Schaffung einer hyperstilisierten Pseudorealität bei, »die sich durch Exaltiertheit und moderate, bisweilen auch exzessive Verfremdung auszeichnet. Comicbilder sind vielmehr ›Sinnbilder‹ als ›Abbilder‹. Die realistisch naturalistische Darstellung tritt zurück zugunsten von mit Bedeutung und Sinnaussagen aufgeladenen beziehungsweise partiell überladenen Darstellungen. Somit konstituiert sich eine eigene ›Comicrealität‹, in der zum Teil irreale Figuren in pseudorealen Umfeldern agieren« (ebd., 42).

Wie auch Rocco Versaci bemerkt, zeichnet gerade diese exaltierte bzw. artifizielle Ästhetik den Comic als eine kritische Form der Repräsentation aus, die durch das (demonstrative) Ausstellen ihrer eigenen Künstlichkeit das Potenzial mit sich bringt, »to call attention creatively and insightfully to how the world is represented in texts of all kind« (Versaci 2007, 13)49. So ist auch Jean-Paul Ga48 | In Bezug auf die Comicrezeption weist Hermann Josef Schnackertz darauf hin, dass der Cartoon – in Anlehnung an Marshall McLuhan – aufgrund seiner reduzierten, karikaturistischen Darstellungsweise den cool media zuzuordnen ist (vgl. Schnackertz 1980, 43). Als cool media definiert McLuhan Medien, die lediglich eine geringe Anzahl an visuellen Informationen vermitteln (low definition) und daher, im Gegensatz zu den so genannten hot media, eine höhere Rezeptionsleistung fordern (vgl. McLuhan 2009, 24 f.). 49 | In seinem Text Form und Funktion des medialen Erzählens weist auch Hermann Josef Schnackertz auf das produktive Potenzial exaltierter Darstellungen bzw. demonstrativ ausgestellter Künstlichkeit im Medium Comic hin: »Wenn Figuren, Situationen und Handlungskulissen aus einem verzerrten Blickwinkel, in karikaturistischer Abweichung oder in bizarrer Farbgebung dargeboten werden, dann scheint der Bereich des visuell Wahrnehmbaren eine Dimension der Fremdheit zugänglich zu machen. Die Beteiligungsmöglichkeiten des Adressaten werden potentiell noch weiter gefördert, indem sich neben der Strukturierung der Bildausschnitte auch noch die Art ihrer Zusammenstellung und räumliche Anordnung abwandeln lässt« (Schnackertz 1980, 49).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

billiet der Meinung, dass die abstrakte bzw. pseudoreale Ästhetik des Comics das Medium von dem Prinzip der ikonischen – oder besser gesagt unmittelbaren Darstellung befreit und somit die Möglichkeit einer karnevalesken50 bzw. subversiven Repräsentation bietet, die außerhalb dominierender hegemonialer sowie monolithischer Diskurse angesiedelt ist (vgl. Gabilliet 2001, o.S.).

2.4 D ifferenz und W iederholung Mit dem Konzept der ›strukturellen Parodie‹ spricht auch Ole Frahm dem Medium Comic ein (inhärentes) kritisches bzw. subversives Potenzial zu. Genauer gesagt vertritt der Autor die These, dass sich Comics im Allgemeinen durch eine performative sowie selbstreflexive parodistische Struktur kennzeichnen (vgl. Frahm 2010, 36 ff.). Um seine These der strukturellen Parodie zu veranschaulichen, greift Frahm u.a. auf das von Martin tom Dieck und Jens Balzer kreierte Comicalbum Salut, Deleuze! (2000)51 zurück. Wie der Titel bereits verrät, steht der französische Theoretiker Gilles Deleuze – oder besser gesagt dessen philosophisches Werk Differenz und Wiederholung (1992) im Fokus des experimentellen Comics (s. Abb. 6). In Anlehnung an die griechische Mythologie muss der französische Philosoph in Salut, Deleuze! gemeinsam mit dem Fährmann Charon den Lethe (den Fluss der Unterwelt) überqueren, um in das Reich der Toten zu gelangen: »In dem 1997 erschienenen Comic-Album […] setzt Charon den 1995 gestorbenen Philosophen der Wiederholung Gilles Deleuze insgesamt fünfmal über den Lethe. Fünfmal wiederholen sich die gleichen Zeichnungen. Fünfmal steht Deleuze vor dem Haus Charons, fünfmal steigt er mit dem Totenschiffer ins Boot, fünfmal tauschen sie die Plätze, und fünfmal landen sie am anderen Ufer. Dort warten weitere tote Philosophen auf ihren 50 | In Anlehnung an die Ausführungen des russischen Literaturwissenschaftlers Michail Bachtin bezeichnet der Begriff des Karnevalesken u.a. die Inversion von Hierarchien (vgl. Cleto 1999, 32). In dem von Bachtin beschriebenen karnevalistischen Weltempfinden manifestieren sich die Prinzipien der Ironie, Parodie und Travestie. Damit verbunden sind somit »der Wechsel von Erhöhung und Erniedrigung, die Umkehr von sozialen Hierarchien, symbolischen Ordnungen und die Ambiguierung von Werten und Bedeutungen. Als Phänomen des Übergangs, der Überschreitung, Vermischung und Verrückung subvertiert das Karnevaleske so auch den Binarismus« (Loster-Schneider 2002, 203). 51 | Das Comicalbum Salut, Deleuze! ist erstmalig 1997 im belgischen Verlag Fréon erschienen. Drei Jahre später erscheint eine deutschsprachige Version des Albums im schweizerischen Arrache Cœur Verlag, auf die im Rahmen der vorliegenden Arbeit als Analysebeispiel zurückgegriffen wird.

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Comic – Film – Gender Freund: Michel Foucault, Jacques Lacan und Roland Barthes. Deleuze verabschiedet sich von Charon, der zurückfährt und auf das Gespräch mit dem Philosophen hin zu lesen beginnt« (Frahm 2010, 49).

Abbildung 6: Differenz und Wiederholung im experimentellen Comic Salut, Deleuze!

Quelle: Martin tom Dieck/Jens Balzer: Salut, Deleuze! Zürich: Arrache Cœur 2000, S. 15.

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Auch wenn die Zeichnungen sich fünfmal wiederholen, so sind es doch – dem philosophischen Ansatz Deleuzes entsprechend – niemals genau dieselben. Diese Differenz (in) der Wiederholung aufgreifend, macht Frahm – neben der bereits erwähnten selbstreferenziellen bzw. verfehlten Wiederholung bildlicher und linguistischer Zeichen – auf verschiedene Arten der Wiederholung »mit einer entscheidenden Distanz« (ebd., 37) aufmerksam, die im Comic vorzufinden sind und zur performativen Konstitution des Mediums beitragen. Dementsprechend lässt sich das Prinzip der Reproduzier- und Wiederholbarkeit sowohl in der (massenmedialen) Vervielfältigung als auch in den diversen seriellen Erscheinungsweisen des Comics, wie z.B. den wöchentlich bzw. monatlich erscheinenden Comicheften oder den täglich publizierten Zeitungsstrips, ausmachen (vgl. ebd., 38). Mit der seriellen Reproduzierbarkeit des Comics geht wiederum eine bestimmte Form des Erzählens einher, welche sich Ende des 19. Jahrhunderts in den frühen amerikanischen Zeitungsstrips entwickelt und im Lauf der Zeit als fester Bestandteil des Mediums etabliert hat (vgl. Kelleter/Stein 2009, 111). So erzählen Comics »in den allermeisten Fällen episodische Geschichten oder Variationen einer sich wiederholenden Grundhandlung« (Stein/Ditschke/Kroucheva 2009, 14)52 . Dabei lenkt das variierende Wechselspiel zwischen Differenz und Wiederholung das Interesse der Rezipient_innen »darauf, wie die vorgegebenen und weithin bekannten Elemente in der jeweils neuen Folge kombiniert und zur Anwendung gebracht werden. Welche Überraschungen – welche Modifikationen, Modulationen, Steigerungen – sind innerhalb des limitierten Formenrahmens nach der zehnten, zwanzigsten, hundertsten Wiederholung noch möglich?« (Kelleter/Stein 2009, 84).

Auf dem Prinzip der Redundanz und Variation sowie der Erneuerung und Überbietung basierend, weist die von Frank Kelleter und Daniel Stein beschriebene serielle Ästhetik des Comics eine interne Dynamik auf, welche nicht nur dazu beiträgt, das Interesse der Rezipient_innen von Folge zu Folge bzw. Ausgabe zu Ausgabe aufrecht zu erhalten, sondern auch die Möglichkeit einer dynamischen Selbstbezüglichkeit eröffnet (vgl. ebd., 90), die als prägend »für die Geschichte der Comics« (ebd., 103) angesehen werden kann. 52 | Auch wenn in diesem Zusammenhang primär auf die Gattung der seriell erscheinenden Comicstrips und Comichefte Bezug genommen wird, weisen die Autor_innen Daniel Stein, Stephan Ditschke und Katerina Kroucheva darauf hin, dass sie »auch für Comics, die an sich nicht seriell sind […] einen seriellen Kontext reklamieren. Denn auch diese Werke erscheinen vor dem Hintergrund serieller Erzähl- und Publikationsformen, die diese Autoren in ihren Werken aufgreifen und die im Rezeptionsakt mitgelesen werden« (Ditschke/Kroucheva/Stein 2009, 14).

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So bemerkt auch Monika Schmitz-Emans, dass es sich beim Comic »um eine Kunst [handelt], die durch ein reiches Repertoire von Selbstbespiegelungsstrategien charakterisiert ist« (Schmitz-Emans 2012, 30)53. Bei diesen Strategien der Selbstreferenzialität – also der gezielten Thematisierung und Wiederholung bzw. Wiederaufführung des eigenen Mediums54 – kann es sich z.B. um die Reflexion des künstlerischen Herstellungsprozesses oder die Darstellung des Comickünstlers bzw. der Comickünstlerin im eigenen Werk handeln (vgl. ebd., 31 ff.)55. Darüber hinaus zeichnet sich die immanente Selbstbezüglichkeit des Comics durch ein selbstreferenzielles bzw. selbstreflexives56 Spiel mit den Möglichkeiten der eigenen Darstellungsmittel aus, welches nicht nur das Aufzeigen, sondern auch das Auf brechen und Erweitern medialer Konventionen mit sich bringt 57. Denn im »Sich-selbst-Wiederholen liegt […] zugleich ein Moment des Selbstverweises, aus dem mit entsprechendem Einfallsreichtum erhebliches ästhetisches Kapital geschlagen werden kann« (ebd., 34). Als prägnantes Beispiel für die Strategie der permanenten Selbstwiederholung führt

53 | Am Beispiel unterschiedlicher Independent-Comics setzt sich auch Jonas Engelmann eindrücklich mit Strategien der Selbstreferenzialität bzw. mit der Frage »wie Comics ihre Ästhetik selbstreflexiv nutzen können« (Engelmann 2013, 12) auseinander. 54 | Bei der selbstreferenziellen Wiederholung des eigenen Mediums handelt es sich natürlich auch um eine Form der Remedialisierung: »Refashioning within the medium is a special case of remediation, and it proceeds from the same ambiguous motives of homage and rivalry […] as do other remediations« (Bolter/Grusin 1999, 49). 55 | Zur Darstellung des Comickünstlers im eigenen Werk siehe ebenfalls Daniel Stein: Was ist ein Comic-Autor? Autoreninszenierung in autobiografischen Comics und Selbstporträts. In: Comics. Zur Geschichte und Theorie eines populärkulturellen Mediums. Hg. v. Stephan Ditschke, Katerina Kroucheva und Daniel Stein. Bielefeld: transcript 2009, S. 201-238. 56 | Im Allgemeinen kann von »Selbstreferentialität (= Selbstbezüglichkeit) der Medien […] gesprochen werden, wenn Medien in Medien thematisiert werden. Diese können dabei in ihrer Funktion gezeigt werden oder bestimmte Inhalte aus Medien können als solche aufgegriffen werden« (Böhn/Seidler 2008, 162; Herv. im Org.). Das Konzept der Selbstreflexivität kann als eine Form der Steigerung von Selbstreferenzialität verstanden werden. »Von Selbstreflexivität kann gesprochen werden, wenn ein Medium seine eigenen Funktionsweisen und Bedingungen, seine Bezüge zu anderen Medien oder zur Gesellschaft thematisiert« (ebd.; Herv. im Org.). 57 | Darüber hinaus erwähnt Monika Schmitz-Emans u.a. auch Rahmungsstrukturen oder Bildzitate als weitere Strategien der Selbstbespiegelung, die sich im Medium Comic ausmachen lassen (vgl. Schmitz-Emans 2012, 35 ff.).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Schmitz-Emans den amerikanischen Zeitungsstrip Krazy Kat58 des Comickünstlers George Herriman auf. Dieser nimmt »in vielfältigen Varianten Bezug auf sich selbst: auf das eigene sehr beschränkte Figurenarsenal, auf die stereotypen Verhaltensweisen dieser Figuren, die sich selbst oft als an die comicimmanenten Regeln gebunden wahrnehmen, auf immer wiederkehrende Handlungsmuster […], aber auch auf die medialen Darstellungsformen des Zeichners, auf Zeitverläufe, Raumdarstellungen, verwendete Materialien und Strategien der Bildregie. Das immer artifiziellere Spiel Herrimans mit den selbsterfundenen Charakteren und Szenarien illustriert zum einen exemplarisch, wie Wiederholung und Variation erfolgsträchtige Wiedererkennungseffekte garantieren und Komik erzeugen, zumal wenn es um Verzerrung und Selbstparodien geht, zum anderen aber auch, in welchem Maße die lustige Bilderzählung zur medienbewussten Meta-Erzählung werden kann« (ebd.).

Als Meta-Erzählung bzw. Meta-Fiktion lassen sich auch die selbstreferenziellen Arbeiten des französischen Comickünstlers Marc Antoine Mathieu bezeichnen. In dem Album L’Origine (1990)59 setzt sich Mathieu sowohl auf inhaltlicher als auch formal-ästhetischer Ebene beispielhaft mit dem Thema der Reproduktion und der damit verbundenen Frage von Kopie und Original auseinander60: 58 | Als eigenständiger Zeitungsstrip erscheint der surrealistische Comic Krazy Kat von 1913 bis 1944 und inszeniert – in unzähligen Variationen derselben Grundhandlung – die Abenteuer der Katze Krazy, der Maus Ignatz und der Bulldogge Pupp (vgl. Knigge 2004, 36 ff.). 59 | Bei dem Album L’Origine, welches 1990 im Delcourt Verlag erscheint, handelt es sich um den ersten Band einer bisher sechsteiligen Serie des Comickünstlers Marc Antoine Mathieu, die sich mit den Abenteuern von Julius Corentin Acquefacques beschäftigt. Zu der Reihe Julius Corentin Acquefacques, prisonier des rêves zählen neben L’Origine auch die Werke La Qu... (1991), Le Processus (1993), Le Début de la fin (1995), La 2,333e Dimension (2004) sowie Le Décalage (2013). Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit den selbstreferenziellen Arbeiten von Mathieu siehe auch Rolf Lohse: Ingenieur der Träume. Medienreflexive Komik bei Marc Antoine Mathieu. Essen: Bachmann 2009. 60 | In Bezug auf die Frage der (medialen) Reproduktion bzw. der damit einhergehenden Frage von Kopie und Original konstatiert Julia Round, dass »[a]lthough original comics art is available, comics themselves exist in no original state. From the written script to the final penciled/ colored pages that exist in various stages (or perhaps just digitally) there is no ›original‹ entire comic book to manually copied and distributed« (Round 2013, 333). In Anlehnung an die Ausführungen von Ole Frahm bemerkt auch Jonas Engelmann, dass »[n]icht das Original, die Zeichnung« das Entscheidende für den Comic ist, »sondern seine Reproduktion« (Engelmann 2013, 16).

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Comic – Film – Gender »The hero, Julius Corentin Acquefacques, encounters the word ›origin‹, scribbled on a page of his own adventures that is sent to him anonymously. When he looks it up in the dictionary, it is missing: the entries go from ›orienter‹ to ›orin‹ […]. He will discover that he is a bande dessinée character whose entire existence is based on the reproduction of images by printing press, and that the concept of an ›origin‹ is inapplicable to his world« (Miller 2007, 129).

Abbildung 7: Mise en abyme in L’Origine von Marc Antoine Mathieu

Quelle: Marc Antoine Mathieu: L’Origine. Paris: Delcourt 1990, S. 33

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Das Motiv der selbstreferenziellen Wiederholung ohne Original wird besonders deutlich, wenn der Protagonist der Erzählung auf Seite 29 der bande dessinée 61 schließlich genau die Seite in den Händen hält, die auch der Leser bzw. die Leserin vor sich hat (s. Abb. 7). Der durch diese mise en abyme 62 erzielte Effekt der endlosen Rekursion (vgl. ebd., 141) parodiert nicht nur den »Anspruch einer ursprünglichen Geschichte« (Frahm 2010, 46), sondern macht gleichzeitig auf die performative Grundstruktur des Mediums aufmerksam63. Abbildung 8: Das dynamische Wechselspiel von Differenz und Wiederholung im populärkulturellen Genrekonzept

Quelle: Robert Hochstaedter: [ohne Titel]. In: cinearte xl. Das Magazin für angewandte Filmkunst. Hg. v. Peter Hartig. Bonn: VG Bild Kunst 2010, S. 70.

Eine weitere Möglichkeit der selbstreferenziellen Auseinandersetzung mit den Darstellungs- und Erzählverfahren des Comics bietet das populärkulturelle Konzept des Genres. Denn genau wie der Comic basiert auch das Genrekonzept auf einem ambivalenten Wechselspiel zwischen »Wiederholung und Veränderung, Alt und Neu, Einlösung und Abweichung« (Seier 2007, 133). Und genau dieses Wechselspiel wird von dem deutschen Comickünstler Robert 61 | In der französischen Delcourt-Ausgabe von L’Origine stimmen die Seitenzahlen des bande dessinée-Albums nicht mit der Paginierung von Mathieus Zeichnungen überein, so dass die Seite 29 hier der Seite 33 entspricht. 62 | Der Begriff mise en abyme stammt ursprünglich aus der Heraldik und bezeichnet »die Abbildung eines Wappens auf einem Segment eines Wappens« (Lohse 2009, 330). Als medienreflexive Strategie liegt eine mise en abyme »dann vor, wenn eine Darstellung sich selbst als Bestandteil des Dargestellten enthält« (Schmitz-Emans 2012, 37) 63 | In diesem Zusammenhang ist auch das Prinzip der ›strukturellen Wiederholung‹ zu erwähnen. Wie Jonas Engelmann in Anlehnung an Ole Frahm bemerkt, »kann die strukturelle Wiederholung als eine werkimmanente strukturgebende Wiederholung von Motiven, aber auch formalen Mitteln des Comics wie Sprechblasen oder Panelbegrenzungen verstanden werden, wobei die Wiederholungen der Zeichen in ihren immer neuen Konstellationen und Materialisierungen auf der Comicseite beachtet werden müssen« (Engelmann 2013, 40).

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Hochstaedter im Rahmen eines für das Filmmagazin cinearte xl kreierten Comicstrips auf den Punkt gebracht (s. Abb. 8)64 . In einer Abfolge von vier gleichgroßen Panels präsentiert der Künstler ein sich wiederholendes und zugleich variierendes Motiv: In jedem der vier Panels stehen sich eine weibliche und eine männliche Figur vor einem identischen Hintergrund gegenüber. Während sich in den einzelnen Panels weder der Bildausschnitt noch die Position der Figuren zu unterscheiden scheinen, verändert sich in jedem der vier Panels die ›Kostümierung‹ und damit nicht nur die Typisierung der Charaktere, sondern auch ihre jeweilige Genrezuweisung. So werden beide Figuren im ersten Panel zunächst nackt dargestellt. Im zweiten Panel werden die Figuren aufgrund ihrer Kleidung (die männliche Figur trägt u.a. einen Cowboyhut) und Haarfarbe (die weibliche Figur ist im Gegensatz zum ersten Panel nicht mehr blond, sondern dunkelhaarig) eindeutig dem Western-Genre zugeordnet. Auch im dritten Panel verändert sich erneut die ›Kostümierung‹ der Figuren (die männliche Figur trägt eine mittelalterliche Rüstung, die weibliche Figur ist wie eine mediävale Maid gekleidet), so dass beide Charaktere nunmehr dem Abenteuer-Genre entsprungen zu sein scheinen. Im vierten Panel wird schließlich auf das Science-Fiction- bzw. Horror-Genre verwiesen, indem die weibliche Figur (als Hommage an Ellen Ripley – die von Sigourney Weaver verkörperte Protagonistin der Alien-Filmreihe65) mit kahlgeschorenem Kopf dargestellt und die männliche Figur durch ein Alien-Monster ersetzt wird. Aber nicht nur die beiden Figuren werden von Panel zu Panel kontinuierlich wiederholt und gleichzeitig modifiziert, sondern auch das für das Medium Comic als typisch empfundene Gestaltungsmittel der Sprechblase. In jedem der vier dargestellten Panels ist es die weibliche Figur, die zu ihrem männlichen Pendant mit Hilfe einer einzelnen Sprechblase spricht. Dabei verändert sich sowohl der Inhalt der Sprechblase von Panel zu Panel (in jeder Sprechblase wird ein anderes Wort bzw. eine andere Abfolge von Wörtern artikuliert) als auch die Typografie (die Buchstaben innerhalb der letzten Sprechblase sind größer als in der vorherigen) und damit ebenfalls die Klangfarbe des Ausgesagten (eine größere Schreibweise weist in diesem Zusammenhang auf eine lautere Aussprache bzw. intensivere Betonung hin). Neben der bildlichen Ebe64 | Im Rahmen eines Wettbewerbs hat das Filmmagazin cinearte xl im Jahr 2010 Comickünstler_innen dazu aufgefordert, sich in Form von kurzen Comicstrips oder ganzseitigen Cartoons mit dem ›Mythos Kino‹ auseinanderzusetzen. Eine Auswahl der Einreichungen wurde in der 16. Ausgabe des Magazins (Juli-September 2010) veröffentlicht. Zu diesen Werken zählt auch der hier erwähnte Comicstrip von Robert Hochstaedter. 65 | Zu der A lien -Filmreihe zählen die Produktionen A lien (USA/GB 1979), A liens (USA/ GB 1986), A lien 3 (USA 1992) und A lien : R esurrection (USA 1997). In allen vier Filmen ist es die Figur der Ellen Ripley (gespielt von Sigourney Weaver), die mit bösartigen Alien-Kreaturen um ihr Überleben kämpfen muss.

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ne ist es somit der im Comicstrip visualisierte Text »Irgendwie ist es immer DAS GLEICHE!«, welcher – entgegen seiner augenscheinlichen Aussage – das dynamische Wechselspiel zwischen Altem und Neuem, zwischen Differenz und Wiederholung ironisch kommentiert und zugleich dessen grundlegende Funktion für das Phänomen Genre im Allgemeinen sowie das Medium Comic im Speziellen unterstreicht66. Den Ausführungen von Andrea Seier folgend, verweist das Genrekonzept damit »nicht nur auf die Wirkungsmächtigkeit medialer Repräsentationen (und kultureller Stereotypisierungen), sondern auch auf deren Umkämpftheit und Unabgeschlossenheit« (Seier 2007, 133 f.). Denn laut Seier sind »Wiederholungen von Genrekonventionen aus performativer Sicht nicht als Endpunkt von Bedeutungsproduktionen zu werten, sondern als produktives ›Scheitern‹, das die ununterbrochene Wiederholung notwendig macht« (ebd., 133)67. Neben performativen Genrestrukturen lässt sich ein gewisser Grad der Unabgeschlossenheit sowie Umkämpftheit ebenfalls in der Rezeption bzw. Lektüre eines Comics ausfindig machen. So weist Ole Frahm darauf hin, dass die materielle Beschaffenheit des Comics seinen Leser_innen die Möglichkeit einer fortwährenden Re-Lektüre bietet, die nie dieselbe und »niemals ganz abgeschlossen sein kann« (Frahm 2010, 53 f.), denn kein »Album [bzw. Comic] ist wie das andere, weil es in ganz unterschiedlichen Konstellationen erscheinen und gelesen werden kann« (ebd., 53). Darüber hinaus können unterschiedliche mediale Präsentationsformen (z.B. Comicalbum, -heft, -strip) oder verschiedene Trägermedien (Zeitung, Buch, Internet etc.) die Rezeptionsbedingungen des Comics beeinflussen und gleichzeitig zu einer wiederholten bzw. veränderten Re-Lektüre eines bereits bekannten Werkes führen. In seinem Aufsatz The Importance of Being ›Published‹. A Comparative Study of Different Comics Formats (2000) verdeutlicht der französische Comicforscher Pascal Levèfre, welchen entscheidenden Einfluss die Erscheinungsform des Mediums auf den Herstellungsprozess sowie die Rezeption des jeweiligen Comics haben kann. Dabei stützt er sich u.a. auf ein Werk des belgischen Comickünstlers André Franquin, welches zunächst für ein Comicheft bzw. Comicmagazin (ca. A4Format) konzipiert und später als Taschenbuchformat (ca. A5) neu herausgebracht worden ist. Mit dem Wechsel vom großzügigen Comicmagazin zum kleinformatigen Taschenbuch verändert sich laut Lefèvre neben der Dramatur-

66 | Darüber hinaus verweist Hochstaedters Comicstrip natürlich auch auf das konstitutive Wechselverhältnis der Kategorien Genre und Gender. So bemerkt Irmela Schneider, dass »Genres […] sich immer auch über Gender-Konstruktionen [konstituieren], und dies betrifft so unterschiedliche Genres wie Western und Melodrama, Thriller und Science Fiction« (Schneider 2004, 16). 67 | Siehe hierzu auch Kapitel 5.1 (S. 206 f.) der vorliegenden Arbeit.

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gie und dem Bildauf bau auch die Wirkung bzw. Aussage (und damit ebenfalls die Rezeption) des Comics: »So, the format will eventually influence the total concept of the comic, not only the style, but also the content. The material aspects of the format will determine the page layout, the choice between monochrome or color, the type of story, the way in which it will be told, etc. […]. When someone buys or reads a certain comic, he can detect from the format […] what he can expect from that particular comic. Different formats even simulate different manners of consuming: a manga magazine is quickly read and thrown away after reading, while a European album will be kept and read several times« (Lefèvre 2000, 98).

Von der materiellen Qualität eines Comics abgesehen, kann natürlich auch die aufwendige bzw. vielschichtige formale Gestaltung sowie narrative Komplexität eines Werkes zu einer »Vielzahl von rekombinierenden Re-Lektüren« (Balzer 1998, 177) führen. So bemerkt Hans-Joachim Backe, dass z.B. Alan Moores und Dave Gibbons bahnbrechender Comic Watchmen (1986) »zu den Texten [gehört], die bei der ersten Lektüre ihr volles Potential nicht entfalten können, weil ein großer Teil ihres Reizes aus dem Nachvollziehen ihrer elaborierten Konstruktion resultiert« (Backe 2010, 17)68. Aber auch ›minimalistische‹ Werke, wie der eingangs erwähnte Comic Salut, Deleuze! oder die Arbeiten des französischen Comickünstlers Lewis Trondheim, können die Rezipient_innen aufgrund ihrer (formalen) Gestaltung zu einer reflektierten Re-Lektüre des Gezeigten auffordern. Das Prinzip der ikonischen Iteration (vgl. Guillot 2008, 92) verfolgend, präsentiert Trondheim seinen Leser_innen in »vielen Comics […] schlicht identische Bilder, die er durch stetige Rekombination und wechselnde Inschriften zu Geschichten verbindet« (Balzer 1998, 176). So besteht z.B. das im Jahr 1990 erschiene Album Moins d’un quart de seconde pour vivre – welches Trondheim gemeinsam mit dem Zeichner Jean-Christophe Menu geschaffen hat – aus lediglich acht unterschiedlichen Einzelbildern, die in immer neuen Variationen zu 100 ver-

68 | Neben der von Hans-Joachim Backe erwähnten elaborierten Konstruktion kann natürlich auch das Format bzw. die Gattung der graphic novel zu einer wiederholten Lektüre des Werkes auffordern, da ehemals wöchentlich oder monatlich erscheinende Episoden zu einem späteren Zeitpunkt als in sich geschlossene Erzählung neu herausgebracht und in diesem Zusammenhang meist auch von den Leser_innen ›neu entdeckt‹ werden. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Konzept der graphic novel siehe u.a. Roger Sabin: Comics, Comix and Graphic Novels. New York: Phaidon Press 2001 sowie Douglas Wolk: Reading Comics: How Graphic Novels Work and What They Mean. Cambridge: Da Capo Press 2008.

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schiedenen Strips kombiniert werden (s. Abb. 9)69. Mit Hilfe der abermaligen Darstellung identischer Formen und Inhalte machen die Comickünstler nicht nur auf die Formelhaftigkeit des Mediums aufmerksam, sondern versuchen dabei gleichzeitig das comicimmanente Strukturprinzip der Wiederholung aufzubrechen und produktiv zu nutzen: »In der Absicht der Autoren soll die monodische Wiederholung hier formreflexiven Charakter gewinnen. Durch die ›äußere‹ Differenz, die sich aus der Wiederholung der Bilder ergibt, wird deren ›innere‹ Differenz angepeilt. Die fortgesetzte Änderung der Inschriften in den Bildern soll demonstrieren, daß sich dabei auch deren visueller Ausdruck radikal verändert – daß es keine ›reine‹ Visualität gibt, wenn in irgendeiner Weise Schrift im Spiel ist« (ebd.).

Mit dieser Aussage betont Jens Balzer – genau wie Ole Frahm – sowohl die Performativität als auch die Heterogenität der Zeichen im Comic. Von zahlreichen Diskontinuitäten und Verschiebungen geprägt (vgl. ebd. 2011, 193 f.), ist der Comic als ein fragmentiertes Medium zu verstehen, welches der permanenten Wiederholung bedarf, um sich selbst und seine Inhalte zu konstituieren. Auch wenn die meisten Werke – ganz im Sinne der Remedialisierungsstrategie der Unmittelbarkeit – darum bemüht sind, ihre »Diskontinuitäten, Ambivalenzen, Heterogenitäten zu verschleiern und unkenntlich zu machen: so als wäre jedes einzelne Panel lediglich der fensterhaft strukturierte Blick auf ein Stückchen Realität, den es in der richtigen Weise zu ergänzen gilt« (ebd., 200), wird die Totalität des betrachtenden Blickes durch die Hypermedialität des Gezeigten immer wieder unterbrochen und erschwert. Aus dem kontrollierenden oder auch panoptischen Blick des Betrachters bzw. der Betrachterin wird somit ein zerstreuter Blick (vgl. Frahm 2010, 26), welcher nicht nur der Heterogenität von Schrift und Bild oder der fragmentierten Abfolge einzelner Comicbilder, sondern auch der durch Wiederholung und Verfehlung charakterisierten Comicfigur geschuldet ist (vgl. ebd., 42). 69 | Das Album Moins d’un quart de seconde pour vivre ist im Verlag L’Association erschienen und im Rahmen der OuBaPo-Bewegung entstanden. Die Abkürzung OuBaPo steht für OUvoir de la BAnde dessinée POtentielle und bezeichnet eine experimentelle Gruppe von Comickünstler_innen, die sich 1992 – nach dem Vorbild der von François Le Lionnais und Raymond Queneau gegründeten Oulipo-Bewegung (also dem Ouvroir de Littérature Potentielle) – mit dem Ziel zusammengeschlossen hat, die formal-ästhetischen Grenzen des Mediums auszuloten. Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit der OuBaPo-Bewegung siehe Thierry Groensteen: Ein erster Blumenstrauß von Zwängen. Die Spielregeln des OuBaPo. In: Schreibheft. Zeitschrift für Literatur Nr. 51. Sprechende Bilder. Blickstörung vom Eigensinn der Comics. Hg. v. Norbert Wehr. Essen: Rigodon 1998, S. 182-203.

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Abbildung 9: Das Prinzip der ikonischen Iteration in Moins d’un quart de seconde pour vivre

Quelle: Jean-Christoffe Menu/Lewis Trondheim: Moins d’un quart de seconde pour vivre. Paris: L’Association 1990, unpag.

Bedingt durch die Serialität sowie Sequenzialität des Mediums müssen Figuren im Comic immer wieder – von Panel zu Panel, Seite zu Seite oder Ausgabe zu Ausgabe – wiederholt und neu geschaffen werden. Um diese permanente Wiederaufführung möglichst effektiv gewährleisten zu können, greifen Comickünstler_innen auf ganz bestimmte Strategien zurück: »So begnügen sich manche Künstler_innen mit einer einzigen Figur oder zumindest einem sehr reduzierten Figurenpersonal oder lassen alle Figuren einander ähneln« (Klar 2011, 223). Aber auch der Rückgriff auf das Darstellungsprinzip der ›überzeichneten Reduktion‹ erleichtert nicht nur die Standardisierung und damit Reproduktion einer Figur, sondern bringt darüber hinaus einen gewissen Grad der Wiedererkennbarbeit mit sich. »So werden charakteristische Merkmale im Aussehen der Figuren hervorgehoben und dieselben simplifiziert. Einzelne Personen unterscheiden sich nur noch durch Haarschnitt oder Kleidung voneinander oder durch andere leicht wiedererkennbare und reproduzierbare Merkmale« (ebd.). Neben der Wiederholung und Standardisierung spielt der Aspekt der Vervielfältigung ebenfalls eine entscheidende Rolle für die Darstellung der Figur im Comic. In diesem Sinne präsentieren bestimmte Werke, wie z.B. die belgische Comicserie Les Schtroumpfs (ab 1958), ihren Leser_innen die regelrechte Multiplikation oder ›Vermehrung‹ einer standardisierten

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

Figur zu einer »Bevölkerungsgruppe an identischen Kreaturen« (Morgan 2011, 141). Eine weitere Möglichkeit, die für das Medium Comic »konstitutive Wiederholung der Figur« (Frahm 2010, 91) zu reflektieren, bietet der Modus der Verdoppelung. Wie Ole Frahm betont, reflektiert dieser durch die Darstellung von Zwillingen, Doppelgängern oder Klonen die »Vervielfältigung der Figuren durch die Bilderreihung wie durch die Serialisierung selbst« (ebd., 68). Für Frahm handelt es sich bei einer Comicfigur demnach zwangsläufig um eine performative Figur 70, da diese sich ausschließlich durch ihre »materialen Wiederholungen« (ebd., 42) von Panel zu Panel und Comic zu Comic konstituiert. Die Wiedererkennung einer Comicfigur erfolgt laut Frahm durch ihre wiederholte Konturierung 71 (vgl. ebd., 72). Dabei begreift er die Konturierung einer Figur als deren Identifizierung, die aufgrund ihrer kontinuierlichen Wiederaufführung bzw. Erneuerung von Panel zu Panel nie identisch und folglich niemals völlig abgeschlossen sein kann: »Die Serie der Zeichen bildet selbst keine Identität, sondern Wiederholungen immer nur ähnlicher Konturierungen, deren Streuung auf eine einzige, mit sich identische Figur – eine Projektion – vereinheitlicht werden kann, aber als Serie konstitutiv offen bleibt« (ebd., 73).

Bei den zahlreichen Wiederholungen bzw. Wiederaufführungen einer Figur im Comic handelt es sich also niemals um deren identische Reproduktion, denn die »Figuren [im Comic] sind dieselben und nicht dieselben zugleich. Das ist das Gesetz der Reproduktion und das Paradox der Serie« (ebd., 80). In der langjährigen autobiografischen Comix-Serie American Splendor (1976-2008) des amerikanischen Underground-Autors Harvey Pekar erhält das von Ole Frahm beschriebene Paradox derselben, aber niemals identischen Figur eine zentrale Bedeutung. Aus Mangel an zeichnerischen Fähigkeiten lässt Pekar die einzelnen Episoden seiner ausschließlich auf persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen basierenden Underground-Serie von unterschiedlichen Comiczeichner_innen gestalten72 . Im Laufe der Zeit sind somit zahlreiche 70 | In Bezug auf die performative Konstitution von Comicfiguren verweist Ole Frahm auf den von Gilles Deleuze geprägten Begriff der Maske, »hinter der sich keine wahre Identität verbirgt, denn die Maske ist die Identität selbst« (Frahm 2010, 42). Erst die Wiederholung konstituiert die Identität, der kein Original vorausgeht bzw. kein Ursprung zugrunde liegt. 71 | Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Konzept der Kontur bzw. Konturierung siehe Ole Frahm: Genealogie des Holocaust. Art Spiegelman’s MAUS – A Survivor’s Tale. München: Fink 2006. 72 | Zu diesen unterschiedlichen Zeichner_innen gehören u.a. Robert Crumb, Gerry Shamray, Susan Cavey, Greg Budgett und Gary Dumm.

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künstlerische Interpretationen von Harveys Skripten entstanden (s. Abb. 10), die dank unterschiedlichster Stilrichtungen ihren Leser_innen verschiedene Visionen bzw. Versionen des Protagonisten Harvey Pekar liefern und damit auf die Unbeständigkeit sowie Brüchigkeit und Fragilität der Comicfigur hinweisen73. Indem die Comicfigur in jeder Wiederholung eine andere ist (vgl. Frahm 2010, 102), bringt sie nicht nur die Vorstellung einer stabilen Identität, sondern auch die Illusion eines Originals, eines natürlichen oder fixen Ursprungs ins Wanken. »Comics zeigen damit den Konflikt der Subjektivierung selbst auf, die immer Unterwerfung unter die Macht, die Anrufung, die Logik der Identität bedeutet und zugleich diesen Akt wiederholen muss, wodurch die Stabilität der Wiederholung unsicher wird« (ebd., 108). Denn jede Wiederholung birgt das Potenzial der Differenz und Verfehlung in sich und bildet somit die Grundlage für die strukturelle bzw. subversive Parodie der Comics. Abbildung 10: Das Paradox derselben, aber niemals identischen Figur in Harvey Pekars American Splendor

Quelle: Harvey Pekar/Robert Crumb/Gerry Shamran (et al.): American Splendor. The Life and Times of Harvey Pekar. New York: Ballantine Books 2003, unpag.

73 | Die Beteiligung unterschiedlicher Comickünstler_innen sowie der Einsatz variierender Stilrichtungen weisen natürlich auch auf die Medialisierung des Gezeigten und den damit verbundenen, künstlerischen Herstellungsprozess hin.

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

2.5 C omics und G ender Im Dezember 2007 erscheint ein Sonderheft des renommierten französischen Kunstmagazins Beaux Arts, welches sich exklusiv mit dem Phänomen der ›Neunten Kunst‹ beschäftigt und dabei eine Antwort auf die Frage zu geben versucht »Qu’est-ce que la Bande Dessinée?« – Was ist die bande dessinée? (bzw. Was ist der Comic?). Auf dem Titelblatt des Heftes ist eine Zeichnung des in Belgrad geborenen und mit neun Jahren nach Frankreich emigrierten Comickünstlers Enki Bilal abgebildet, welche – mit der Bildunterschrift »LA BANDE DESSINÉE« versehen – eine allegorische Darstellung des Mediums präsentiert (s. Abb. 11). Genauer gesagt nimmt der Comic in Bilals Darstellung die Gestalt einer attraktiven jungen Frau an, der verschiedene charakteristische Merkmale des Mediums durch die schöpferische Hand des Künstlers geradezu ›auf den Leib geschrieben‹ werden. Der von Bilal präsentierte »weibliche Bildkörper« (Stauffer/Imlinger 2008, 11) wird so zu einem »Sinnbild der Medialität« (Deuber-Mankowsky 2001, 25) stilisiert und wirft dabei gleichzeitig die Frage auf, wieso der Künstler für diesen Repräsentationsprozess auf eine weibliche und nicht etwa auf eine männliche Figur oder gar auf eine ganz andere Art der Darstellung zurückgreift. Laut Astrid Deuber-Mankowsky – die sich in ihren Ausführungen auf das Cyberphänomen Lara Croft bezieht – liegt die Antwort auf diese Frage »in der besonderen Universalität, die ein universales Medium erfordert: zugleich alles und nichts zu repräsentieren« (ebd., 35). Und genau diese Eigenschaft des zugleich alles und nichts zu repräsentieren lässt sich in der weiblichen Allegorie 74 ausmachen, denn wie Elisabeth Bronfen betont, ist die »Frau […] Repräsentation schlechthin und gleichzeitig der Bereich, der sich vor und jenseits jeglicher Repräsentation befindet« (Bronfen 1995, 412). Im Zuge von Repräsentationsprozessen gilt es daher zwischen »bildlicher Repräsentanz und sozialer Wirklichkeit« (Schade/Wenk 1995, 370) zu unterscheiden. So weist die amerikanische Film- und Literaturwissenschaftlerin Teresa de Lauretis in ihren Ausführungen auf die Diskrepanz zwischen dem fiktiven Konstrukt der imaginierten bzw. idealisierten Frau (woman) und real existierenden Frauen (women) hin. »Woman is then the very ground of representation, both object and support of a desire which, intimately bound up with power and creativity, is the moving force of culture and history« (de Lauretis 1984, 13). Die imaginierte Frau wird somit zur Verkörperung des Weiblichen, zur Repräsentation der Repräsentation (vgl. Deuber-Mankowsky 2007, 110). Oder wie Dagmar von Hoff treffend formuliert:

74 | Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Konzept der (weiblichen) Allegorie siehe u.a. Silke Wenk: Versteinerte Weiblichkeit: Allegorien in der Skulptur der Moderne. Köln: Böhlau 1996.

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Comic – Film – Gender »Die in diesem Diskurs aufgestellte Hypothese von Nichtkoinzidenz von Frauen und Frau hat zur Folge, dass Repräsentationen von der Frau oft als Spiegel und Projektionsfläche für den sie erschaffenden Mann dienen. Als Traumbild, imaginierte Phantasie, Fetisch, Deckerinnerungen bringen diese Repräsentationen seine Macht, seine Kreativität und seine Kulturprodukte stellvertretend zum Ausdruck. Das bedeutet nun aber, als Repräsentationsbild ist die Frau anwesend, als repräsentiertes Subjekt und Produzentin ist sie abwesend« (von Hoff 2005, 171).

Abbildung 11: Allegorie des Comics: Enki Bilals La Bande Dessinée

Quelle: Enki Bilal: La Bande Dessinée. In: Beaux Arts magazine hors-série: ›Qu’est ce que la Bande Dessinée?‹. Boulogne: Beaux Arts editions 2007 [Cover-Zeichnung]. Zit. nach . Letzter Zugriff: 06.01.2015.

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

In diesem Sinne verweist Bilals allegorische Darstellung nicht nur auf die Repräsentationsfunktion ›der Frau‹, sondern auch auf die grundlegende, strukturierende Funktion der Kategorie Gender für die mediale Beschaffenheit des Comics. Denn die geschlechtsspezifische Codierung des Mediums muss als »ein Vorgang der Be-Zeichnung« verstanden werden, »in dem Unterscheidungen getroffen oder allgemeiner gesprochen ›Differenz‹ konstituiert, und dergestalt Bedeutung geschaffen wird« (Stauffer/Imlinger 2008, 10). Indem sich Bilal einer »Metaphorik der Geschlechtlichkeit« (Deuber-Mankowsky 2003, 5) bedient – und Weiblichkeit als Repräsentationsbild, als ein von einem männlichen Schöpfer geschaffenes und von einem voyeuristischen Blick zu betrachtendes Objekt konzipiert –, schreibt er dem Medium Comic nicht nur ein imaginäres Geschlecht zu, sondern reproduziert gleichzeitig auch die symbolische Geschlechterordnung, »laut der Männlichkeit Geistigkeit und Weiblichkeit Leiblichkeit repräsentieren« (von Braun 2006, 19). Im Rahmen dieser binär angeordneten Geschlechtersymbolik erscheinen sowohl das Prinzip des »Zu-Sehen-Geben« (Schade/Wenk 1995, 348) als auch die als analytisch sowie rational angesehene Schriftkultur als rein männlich konnotierte Privilegien (vgl. Becker 2011a, 10), während die bildliche bzw. räumliche Ebene als weiblich, und damit als natürlich codiert wird (vgl. Geiger 2006, 49)75. Darüber hinaus ist der Mythos des genialen rationalen Schöpfers bzw. des privilegierten männlichen Künstlersubjektes (vgl. Schade/Wenk 1995, 346 ff.) und dessen kreative geistige Produktivität (und damit verbundene Autorschaft sowie Originalität), die traditionell der weiblichen Leiblichkeit bzw. Reproduktivität entgegengesetzt werden, auch innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses zur Entstehungsgeschichte des Comics vorzufinden. Denn die Geschichte der Comics befindet sich – wie Ole Frahm in seinem Buch Die Sprache der Comics betont – seit jeher »fest im Griff der Männer« (Frahm 2010, 61). Sei es, dass die ›Erfindung‹ des Mediums innerhalb der europäischen Comicforschung immer wieder auf die Arbeiten des Schweizer Zeichners und Novellisten Rodolphe Töpffer zurückgeführt wird 76 oder aber der amerikanische Comickünstler Richard F. Outcault innerhalb des transatlantischen Forschungsdiskurses zum offiziellen Begründer der Comics ernannt wird77. Ein 75 | Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit der geschlechtsspezifischen Dichotomie von Natur und Kultur siehe u.a. Astrid Deuber-Mankowsky: Natur/Kultur. In: Gender@Wissen. Ein Handbuch der Gender-Theorien. Hg. v. Christina von Braun und Inge Stephan. Köln: Böhlau 2005, S. 200-219. 76 | Neben Rodolphe Töpffer wird innerhalb der europäischen (genauer gesagt innerhalb der deutschen Comicforschung) auch immer wieder Wilhelm Busch als ›Ahnherr‹ der Comics bzw. der Bildgeschichte aufgeführt. 77 | Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit Richard F. Outcault siehe u.a Jens Balzer/Lambert Wiesing: Outcault. Die Erfindung des Comic. Essen: Bachmann 2010.

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weiterer ›Ur-Vater‹ des Mediums lässt sich im asiatischen Raum ausmachen, wo der japanische Comickünstler Osamu Tezuka traditionsgemäß sogar als »Gott der Mangas« (vgl. Knigge 2004, 156) gehandelt wird. Was all diesen ›Vater-Figuren‹ gemeinsam ist, ist der (nachträgliche) Versuch, eine möglichst lineare Entwicklungsgeschichte des Comics nachzuzeichnen sowie die historische Genese des Mediums auf einen bestimmten, fixen (männlichen) Ursprung zurückzuführen (vgl. Grove 2010, 60). Mit Hilfe der symbolischen Geschlechterordnung wird die Geschichte des Mediums zu einem »Stammbaum der Comics« (vgl. Frahm 2010, 62) modelliert, welcher »als Abfolge von Vätern und Söhnen erzählt [wird], in der ein Genie auf das andere folgt, eine Geschichte großer Künstler, die sich gegenseitig befruchten, um ohne Mütter große Werke zu gebären« (ebd.). Aber nicht nur für die Entwicklungsgeschichte, sondern auch für die Produktion und Rezeption des Comics übernimmt die binäre Geschlechterordnung – oder besser gesagt die Geschlechterdifferenz eine strukturierende Funktion. So handelt es sich (rein statistisch betrachtet) bis heute bei den meisten Produzent_innen sowie Konsument_innen von (westlichen) Comics um Männer. Dementsprechend gilt die sequenzielle Kunst im Allgemeinen als ein besonders ›männliches‹ Medium (vgl. Knigge/Schnurrer 1978, 5 sowie Brunner 2010, 7). Darüber hinaus lässt sich ebenso in bestimmten Genrestrukturen und Rezeptionsmustern eine Vergeschlechtlichung des Mediums beobachten. Demnach scheinen gerade die auf eine männliche Leserschaft ausgerichteten Action-Comics durch eine als (stereo-)typisch männlich konnotierte Dynamik und Geradlinigkeit gekennzeichnet zu sein (vgl. Knigge/Schnurrer 1978, 7). In diesem Sinne weist auch Kathleen Martindale auf das genre-spezifische »Gendering visueller Sprachen« (Martindale 2011, 342) im Medium Comic hin: »Jede_r weiß dass [sic!] es girly ist, sentimentale, kommunikationsbasierte Comics zu bevorzugen und dass es macho ist, Action-Comics mit Superheld_innen und Aliens toll zu finden. Im Hinblick auf die visuelle Sprache werden in Comics für Buben bevorzugt Bewegungen dargestellt, während Comics für Mädchen sich auf Gefühle konzentrieren« (ebd.; Herv. im Org.).

Besonders ausgeprägt ist die auf unterschiedlichen Genretypen basierende geschlechtsspezifische Adressierung von Rezipient_innen auf dem asiatischen Comicmarkt. So richten sich beispielsweise die so genannten shônen-Manga an eine vornehmlich junge männliche Leserschaft, während die shôjo-Manga auf ein junges weibliches Publikum abzielen (vgl. Dolle-Weinkauff 2010, 22). Die Einlagerung geschlechtlicher Codierung und Differenz beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Entwicklungs-, Produktions- oder Rezeptionsgeschichte des Comics. Der Gebrauch von Geschlechtercodes lässt sich ebenfalls innerhalb der Comicforschung ausmachen. In diesem Sinne weist z.B. das

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semiotische Werk Système de la bande dessinée (1999) des franko-belgischen Comicforschers und Mitbegründers des Centre Nationale de la Bande Dessinée et de l’Image (kurz C.N.B.D.I.) Thierry Groensteen »eine geschlechtliche Aufladung von Wissensstrukturen« (von Braun 2005, 15) auf. Den Ausführungen von Ole Frahm folgend, kennzeichnet sich diese Aufladung vornehmlich durch den Gebrauch einer geschlechtlichen Metaphorik, die sowohl auf sexuelle als auch biologische Begrifflichkeiten zurückgreift (vgl. Frahm 2010, 18 f.)78. Laut Frahm stellt Groensteens Gebrauch geschlechtlicher Metaphorik den Versuch dar, eine im »phallogozentrischen Denken« (ebd., 20) verankerte, totalitäre Theorie der bande dessinée zu entwerfen, »die den Anspruch auf Ausschließlichkeit« (ebd., 19) bzw. Vollständigkeit erhebt und darum bemüht ist, die Heterogenität des Mediums zugunsten eines als homogen oder auch ›rein‹ empfundenen Medien- bzw. Kunstverständnisses zu negieren 79. In Bezug auf das Konzept der Reinheit bemerken Christina von Braun und Inge Stephan, dass es nur »wenige Begriffe [gibt], die eine solche Macht über das Denken von Individuen und Gemeinschaften ausüben, wie die ›Reinheit‹. Kaum ein Wissensfeld, in dem er nicht eine Schlüsselstellung einnimmt – ob es sich um Religion, Politik, Sexualität, Sprache, Kultur, Psychologie oder eben die Wissenschaften und ihre Rolle für diese verschiedenen Bereiche handelt. Obgleich die ›Reinheit‹ in jedem Wissensfeld eine andere Bedeutung annimmt, ist allen Bedeutungen gemeinsam, dass sie dazu dienen, Abgrenzungen und Ausschlüsse vorzunehmen« (von Braun/Stephan 2005, 10).

78 | Hierbei verweist Ole Frahm auf den ersten Abschnitt von Thierry Groensteens Buch Système de la bande dessinée, in welchem sich ein Unterkapitel mit dem Titel Prégnance de la vignette (zu deutsch: Die Schwangerschaft des Panels) finden lässt. Darüber hinaus stößt der interessierte Leser bzw. die interessierte Leserin im weiteren Verlauf der englischsprachigen Übersetzung auf vielsagende Formulierungen, wie z.B. »the process of creation« (Groensteen 2007, 28) oder »when a mental image is given birth by a cartoonist« (ebd., 43). 79 | Neben Frahms kritischer Reflexion von Groensteens geschlechtlich codiertem Sprachgebrauch, sieht sich der Autor auch an anderer Stelle mit dem Vorwurf des »BD masculinism« (Groensteen 2010, 19) konfrontiert. So berichtet Groensteen im Rahmen seines Aufsatzes Challenges to international comics studies in the context of globalization von der Kritik einer amerikanischen Literaturwissenschaftlerin, die ihm die prinzipielle Vernachlässigung der Kategorie Gender innerhalb seiner comicbezogenen Forschungsarbeit vorwirft (vgl. ebd., 19).

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Infolgedessen ist auch der Comic – als hybride und damit ›unreine‹ Form80, die sich »nicht an die durch legitimes Kunstverständnis vorgegebene eindeutige Trennung von Bild- und Schriftraum« (Becker 2011a, 10) hält 81 – lange Zeit aus dem Kanon82 angesehener Künste ausgeschlossen worden und muss bis heute immer wieder um seinen Status als ernst zu nehmende Erzähl- bzw. Darstellungsform bangen83. Dementsprechend weist auch David Carrier in seinen Ausführungen darauf hin, dass die Marginalisierung des Comics sowohl auf dessen Hybridität als auch Uneindeutigkeit zurückzuführen ist: »What identifies the comic book for many commentators is its deficiency, its failure to be either a real text or just a proper image« (Carrier 2000, 69). Mit dem Stigma der in-betweenness versehen, stellt der Comic eine grenzüberschreitende Form dar, die sich gängigen, auf hierarchischen Strukturen basierenden Klassifizierungen widersetzt, damit aber gleichzeitig auch das (produktive) Potenzial besitzt, als ›natürlich‹ geltende binäre Oppositionen – wie z.B. Natur/Kultur, Leiblichkeit/Geistigkeit oder Weiblichkeit/Männlichkeit – ins Wanken zu bringen. So schreibt Carrier:

80 | In diesem Zusammenhang bemerken Christina von Braun und Inge Stephan, dass ›Reinheit‹ in der Kunst »auf eine Ästhetik verweisen [kann], die sich dem ›reinen Denken‹ oder der ›reinen Form‹ verschrieben hat« (von Braun/Stephan 2005, 11). 81 | Mit Rückgriff auf die Ausführungen von Michel Foucault verdeutlicht der Kulturwissenschaftler Thomas Becker, dass die »eindeutige Trennung zwischen Bild und Schrift […] tief in der Kulturgeschichte des neuzeitlichen Abendlandes und seiner Vorstellung einer Grenze zwischen legitimer und populärer Kultur eingelagert« (Becker 2011a, 10) ist. »In dieser radikalen Disziplinierung des Denkens wurde auch in der legitimen Kunst fortan ein Text nur als Unter- oder Überschrift eines Bildes geduldet. Mit anderen Worten: Bild- und Textraum waren fortan klar getrennt im Namen einer kulturellen Seriosität der Repräsentation« (ebd., 11). 82 | In ihrem Aufsatz Gender, Geschlecht und Geschichte (2006) weist Christina von Braun auf die geschlechtliche Konnotierung des Kanon-Begriffs hin. Während sich der Kanon-Begriff heute »fast ausschließlich auf Texte mit Norm- und Maßstabcharakter« (von Braun 2006, 20) bezieht, wurde er im antiken Griechenland verwendet, um die Proportionen und Maße des ›idealen‹ menschlichen Körpers zu beschreiben. Die Auswirkung dieser Vorstellung »eines ›idealen Körpers‹ lassen sich noch heute in den Glypotheken und Museen antiker griechischer Bildhauerkunst bewundern. Dort wird allerdings auch deutlich, daß sich diese Normierung des Körpers immer auf den männlichen Körper bezog« (ebd.). 83 | Zur Problematik der (kulturellen) Legitimation des Comics siehe z.B. Thierry Groensteen: Why are Comics Still in Search of Cultural Legitimization? In: Comics Culture. Analytical and Theoretical Approaches to Comics. Hg. v. Anne Magnussen und HansChristian Christiansen. Kopenhagen: Museum Tusculanum Press 2000, S. 29-42.

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics »We expect the world to fit our preconceived stable categories, and so what falls in between is easily felt, depending upon our temperament and politics, to be either exciting or menacing. Hence the fascination with, and fear of, cross-dressing, androgyny, people of ›mixed-race‹, comics and other forms of in-betweenness« (ebd., 71).

Ein prominentes Beispiel für die von David Carrier beschriebene morbide Faszination mit der Uneindeutigkeit des Comics stellt das im Jahr 1954 erschienene Buch Seduction of the Innocent des deutschstämmigen Psychologen Fredric Wertham dar. Von der These ausgehend, dass das Lesen von Comics Kinder und Jugendliche nicht nur »zu Verbrechen und Grausamkeit, sondern auch zu sexuellen Perversionen« (Fuchs/Reitberger 1971, 133), allem voran zur Homosexualität verführe, plädiert Wertham wiederholt für ein Verbot oder zumindest eine Zensur des Mediums. Um seine Forderungen durchzusetzen und die These der ›moralisch verwerflichen‹ und ›sexuell perversen‹ Comics zu bekräftigen, macht Wertham seine Leser_innen u.a. auf angebliche homoerotische Tendenzen in der 1939 zum ersten Mal erschienenen Superhelden-Serie Batman aufmerksam: »Just as ordinary crime books contribute to the fixation of violent and hostile patterns by suggesting definite forms for their expression, so the Batman type of story helps to fixate homoerotic tendencies by suggesting the form of an adolescent-with-adult or Ganymede-Zeus type of love-relationship« (Wertham 1954, 190).

Weiterhin heißt es bei Wertham: »It is like a wish dream of two homosexuals living together. Sometimes they [Batman alias Bruce Wayne und Robin alias Dick Grayson] are shown on a couch, Bruce reclining and Dick sitting next to him, jacket off, collar open, and his hand on his friends arm. Like the girls in other stories, Robin is sometimes held captive by the villains and Batman has to give in or ›Robin gets killed‹. Robin is a handsome ephebic boy, usually shown in his uniform with bare legs. He is buoyant with energy and devoted to nothing on earth or in interplanetary space as much as to Bruce Wayne. He often stands with his legs spread, the genital region discreetly evident« (ebd., 190 f.).

Im Zuge der immer stärker werdenden Anti-Comicstimmung gewinnen Werthams polemische Aussagen im Amerika der 50er Jahre zunehmend an Bedeutung, bis sich die Comicindustrie schließlich gezwungen sieht, einen selbstbestimmten Comic Code einzuführen, der nunmehr über den moralischen Inhalt des Mediums wachen soll (vgl. Fuchs/Reitberger 1971, 258 ff.). Doch nicht nur in Amerika sieht sich die Comicindustrie mit Jugendschutz- und Zensurbestimmungen konfrontiert. In Deutschland wird 1953 die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften eingerichtet, die vornehm-

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lich den stetig wachsenden Einfluss ausländischer Comics bekämpfen soll (vgl. Dolle-Weinkauff 2008, 24 f.). Mit dem Ende der deutschen Besatzung Mitte der 1940er Jahre finden in Frankreich immer mehr amerikanische Comicproduktionen ihren Weg in heimische Kinder- und Jugendzeitschriften und lösen damit eine Welle der moralischen Panik aus, welche in der Verabschiedung des Jugendschutzgesetzes vom 16. Juli 1949 kulminiert. Bereits vor Ausbruch des Krieges waren vermehrt kritische Stimmen konservativer Gruppierungen gegen die als moralisch verwerflich geltenden amerikanischen Comicimporte laut geworden. Die verstärkte Rückkehr amerikanischer Produktionen in den Nachkriegsjahren führt sowohl zu einer Wiederbelebung dieser moralischen Bedenken als auch zu aktiven Protesten seitens franko-belgischer Comickünstler_innen, die zunehmend um ihren Arbeitsplatz fürchten. Mit Hilfe kommunistischer und katholischer Gruppierungen wird schließlich die Verabschiedung eines Gesetzes erreicht, welches ausländische Comicimporte so gut wie verbietet und klare Richtlinien bezüglich (moralisch) ›zumutbarer‹ Inhalte festlegt (vgl. Miller 2007, 19). Neben Europa erreicht die Welle der Comickritik in den 1950er Jahren auch Japan, »wo sich die erhitzten Gemüter von Eltern und Pädagogen insbesondere an Manga entzünden, die eigentlich für erwachsene Leser gedacht sind. Mit der Abgrenzung zum Story-Manga durch die Benennung des Genres als gekiga wird Mangahändlern aber eine Möglichkeit eingeräumt, zwischen den Produktionen für ältere und jüngere Leser zu differenzieren und ihr Angebot in den Regalen entsprechend zu ordnen. Auf diese Weise soll der Schutz junger Leser gewährleistet werden« (Brunner 2010, 81 f.).

Mit dem Artikel 175 des japanischen Strafgesetzbuches wird während der amerikanischen Besatzungszeit außerdem ein Gesetz erlassen, welches die Darstellung von Sexualität und Nacktheit regeln soll: »Grundsätzlich stellt der Artikel 175 […] die Darstellung des (erwachsenen) Genitalbereichs und die Abbildung von Schamhaaren unter Strafe […]. Im Mangabereich wird dieser Passus von den Zeichnern [bis heute] trickreich umgangen, indem sie Figuren ein kindliches Äußeres verleihen« (ebd., 82).

In Amerika wird durch den Comic Code der 1950er Jahre ebenfalls ein rigider Vorschriftenkatalog in Kraft gesetzt, welcher klare Richtlinien bezüglich darstellbarer – oder besser: nicht darstellbarer – Inhalte festlegt. Comichefte, die von der Comics Magazine Association of America (kurz C.M.A.A.) freigegeben werden, haben ein bestimmtes Siegel auf dem Cover zu führen, welches mit den Worten »approved by the comics code authority« für moralisch unbedenkliche Inhalte steht. Produktionen, die dieses Siegel nicht erhalten, gelten als

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

jugendgefährdend und werden größtenteils boykottiert (vgl. Knigge 1996, 140 f.). Die Auswirkungen des Comic Codes auf die gesamte Branche sind katastrophal. Es kommt zu einem kommerziellen Einbruch auf dem Comicmarkt und viele (vor allem kleinere) Verlage müssen die Produktion einstellen. Insgesamt werden Comicproduzent_innen und Verleger_innen in ihren Themen und der erlaubten Darstellungsweise massiv eingeschränkt. Experimentierfreudige Produktionen, die sich an ein erwachsenes Publikum richten, werden aufgrund des rigiden Vorschriftenkatalogs nahezu unmöglich gemacht. Darüber hinaus gerät die Comicbranche mit dem Auftauchen des KonkurrenzMediums Fernsehen zunehmend in Bedrängnis. Bei den wenigen Produktionen, die weiterhin auf dem Markt bestehen können, handelt es sich meist um humoristische Serien wie Charles M. Schulz’ Peanuts (1950-2000) oder Walt Disneys lustige Tiergeschichten. Mit der erfolgreichen Einführung neuer Superheld_innen – wie z.B. den Fantastic Four (ab 1961), Uncanny X-Men (ab 1963) oder Spider-Man (ab 1962) – sorgen Comickünstler_innen des Verlagshaus Marvel (u.a. Stan Lee, Jack Kirby und Steve Ditko) zu Beginn der 1960er Jahre zwar für eine temporäre Wiederbelebung des Comicmarktes (dem so genannten silver age of comics)84, die Autorität des Comic Codes wird allerdings – bis auf wenige Ausnahmen – kaum in Frage gestellt (vgl. Knigge 1996, 142 ff.). Erst die alternativen Underground Comix bringen in den späten 1960er Jahren eine direkte Reaktion gegen den als Zensur empfundenen Comic Code hervor (vgl. ebd., 161). Während Publikationen wie Seduction of the Innocent oder die durch den Comic Code eingeführten Zensurbestimmungen primär dazu dienen sollten, den moralischen Anstand in Form (hetero-)normativer Vorstellungen von Sexualität und Geschlecht zu (be-)wahren, verdeutlicht Gareth Schott, dass Werthams Kritik auch als (unwillentliche) queere Leseweise des Comictextes verstanden werden kann (vgl. Schott 2010, 17). In seinen Ausführungen weist Schott darauf hin, dass die Restriktionen des Comic Codes, wie z.B. das Darstellungsverbot romantischer Beziehungen zwischen unverheirateten (heterosexuellen) Paaren, die Leser_innen eher zu einer queeren Interpretation des Gezeigten animiert haben als diese zu unterbinden (ebd., 18). So betonen ebenfalls Isabelle Stauffer und Fabienne Imlinger, dass »Mechanismen des Zeigens und Verbergens« auch immer Leerstellen eröffnen, »welche queere Lesearten von Geschlecht und Begehren« (Stauffer/Imlinger 2008, 14) ermöglichen. Auf die sequenzielle Bildfolge bezogen, sind diese Leerstellen im Comic sowohl im übertragenen als auch im wortwörtlichen Sinne zu verstehen: »[C]omics may cue the reader to a specific reading through their form, but as an elliptic medium they can only represent fragments of events. Comics thus function in a polyse84 | Siehe hierzu auch Kapitel 5.1 (S. 207 f.) der vorliegenden Arbeit.

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Comic – Film – Gender mic fashion, suggesting sequences of events at the same time allowing for ›disparate semantic and syntactic elements‹ […]. In some ways the more suggestive and ambiguous the Comic Code made superheroes the more fans appeared to enjoy engaging with them« (Schott 2010, 20; Herv. im Org.) 85 .

Genau wie Schott spricht auch Ronald Schmitt dem Comic dank seiner (hyper-)medialen Beschaffenheit ein gewisses subversives Potenzial zu. Dabei vertritt der Autor die These, dass es sich beim Comic um ein revolutionäres Medium handelt, welches aufgrund seiner Hybridität und der daraus folgenden Marginalisierung nicht nur in der Lage ist, traditionelle Norm- und Wertvorstellungen zu untergraben, sondern seinen Leser_innen auch die Möglichkeit eröffnet, alternative Weltsichten zu entdecken, die jenseits des gesellschaftlichen Status Quo angesiedelt sind (vgl. Schmitt 1992, 153 ff.). Auf die alternative Underground-Szene der 1960er Jahre verweisend 86, bemerkt Schmitt, dass der Comic als politisches Medium verstanden werden kann, welches sich durch seine radikalen, meist satirischen Inhalte definiert 87: 85 | Eine explizit queere Leseweise der Superhelden-Serie erfolgt vor allem in den 1960er Jahren mit dem Erscheinen der gleichnamigen B atman TV-Serie (USA 19661968). Diese besticht vor allem durch ihre als camp empfundene Ästhetik (vgl. Brooker, 2005, 160). Das maßgeblich von Susan Sontag geprägte Konzept des camp kann als Stilrichtung verstanden werden, »die sich durch exzessive Theatralik, Künstlichkeit und Humor« (Jung 2002, 46) kennzeichnet. In diesem Sinne hebt eine als camp charakterisierte Ästhetik »auf die Äußerlichkeit von Rollen, insbesondere von gender-Rollen, ab, die als Frage des Stils angesehen werden« (ebd.). Oder wie Susan Sontag selbst formuliert: »Camp sees everything in quotation marks. It’s not a lamp, but ›a lamp‹; not a woman, but ›a woman‹. To perceive Camp in objects and persons is to understand Being-as-Playing-a-Role. It is the farthest extension, in sensibility, of the metaphor of life as theatre« (Sontag 199, 56). 86 | In Kombination mit der Underground Comix- sowie der Second-Wave FeminismBewegung entstehen Anfang der 1970er Jahre die so genannten Wimmen’s Comix (oder auch Womyn’s Comix geschrieben), »which enabled a body of work that was explicitly political […], prompting women cartoonists to establish a space specifically for women’s work« (Chute 2010, 20). In den 1980er Jahren kommt es darüber hinaus ebenfalls zur Etablierung der so genannten Gay Comix-Bewegung: »Eine erste Ausdifferenzierung der Womyn’s Comix, deren Blütezeit sich in den USA bis Ende der 1980er-Jahre erstreckt, leitet die erstmals 1980 publizierte Gay Comics-Anthologie mit lesbischen und schwulen Zeichner_innen ein« (Reitsamer/Zobl 2011, 368). 87 | Neben den Underground Comix – die sich als Rebellion gegen die vom Comic Code zensierten Mainstream-Comics der 1950er und 60er Jahre verstehen – entstehen bereits in den 1920er Jahren die so genannten Tijuana Bibles, welche sich – genau wie die Comix – durch ihre radikalen Inhalte von den Mainstream-Comics absetzen. »Die-

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics »By the Third Generation Comics (The Marvel Comics Group, Eroticomics and Underground Comics) the Fall is complete and comics are overtly political, sexual and even radical, insisting on a ›relevance‹ in which even the most escapist comics involve themselves with social issues, often issues which are not ›acceptable‹ to older generations who are used to the more innocent comics of previous years« (ebd., 155).

Eine ähnliche Einschätzung des Mediums lässt sich auch bei Sherrie A. Innes wiederfinden. In ihrem Buch Tough Girls. Women Warriors and Wonder Women in Popular Culture verdeutlicht die Autorin, dass es sich beim Comic um eine »marginalized alternative art form« (Innes 1999, 140) handelt, welche – im Gegensatz zu Mainstream-Medien wie z.B. dem Fernsehen (oder dem Film) – besonders geeignet zu sein scheint, etablierte Normen kritisch zu hinterfragen und neue, innovative Definitionen von Geschlecht hervorzubringen (vgl. ebd., 141)88. Trotz dieser enthusiastischen Sichtweise kommt Innes im Verlauf ihrer Ausführungen allerdings nicht umhin zu konstatieren, dass sich in den diversen Genres und Ausprägungen des Mediums auch weiterhin eine große Anzahl stereotyper Geschlechterrollen ausmachen lassen (ebd., 159)89. So gehört se Comics setzten bekannte Serienfiguren in neue Kontexte, versetzten die bekannten asexuellen Charaktere in pornografische Settings – inhaltlich bildeten sie dabei oftmals die rassistischen oder sexistischen Stereotype ihrer Zeit ab. Auch bezogen sich diese Comics direkt auf politische Entwicklungen« (Engelmann 2013, 17). 88 | Neben seinem Status als marginales bzw. alternatives Medium kann der Comic natürlich auch aufgrund seiner seriellen Struktur sowie seiner – im Gegensatz zu anderen medialen Formen – relativ kostengünstigen Produktionsbedingungen als ein besonders experimentierfreudiges Medium angesehen werden. 89 | In ihrem Werk Bilderfrauen/Frauenbilder (1978) bieten die beiden Autoren Andreas C. Knigge und Achim Schnurrer eine interessante Übersicht über die Repräsentation ›der Frau‹ im Comic. Dabei wird deutlich, dass sich die verschiedensten Comicgenres, wie z.B. die Abenteuer-Comics, Superheld_innen-Comics oder Fantasy-Comics in der Regel bestimmter gender-spezifischer, meist stereotyper Merkmale bedienen, um die Geschlechterdifferenz zu verdeutlichen. Auch in anderen Werken, die sich mit der Geschlechterfrage beschäftigen, wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Repräsentation von Gender im Medium Comic von geschlechtlichen Stereotypen geprägt ist, die sich in den unterschiedlichsten Genres vorfinden lassen (siehe hierzu u.a. Trina Robbins: The Great Women Superheroes. Northampton: Kitchen Sink Press 1996, Maurice Horn: Women in the Comics. Volume 1. Philadelphia: Chelsea House 1980, Maurice Horn: Women in the Comics. Volume 2 und 3. Philadelphia: Chelsea House 2001, Annie Pilloy: Les compagnes des héros de B.D.: des femmes et des bulles. Paris: Éditions L’Harmattan 1994 sowie Jacques Sadoul: L’enfer des bulles. 20 ans après. Paris: Éditions Albin Michel 1990).

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Comic – Film – Gender

z.B. das Bild des besonders hilflosen, passiven, dafür aber umso attraktiveren weiblichen Opfers genauso zum Repertoire des Mediums wie die (Re-)Präsentation eines strahlenden, weißen, heterosexuellen, muskulösen Helden90, dessen Hauptaufgabe darin besteht, die Welt und ihre Bewohner_innen vor unsäglichem Unheil zu bewahren. In diesem Aspekt scheinen sich Comics also nicht unbedingt von anderen (massen-)medialen Formen zu unterscheiden, die im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit eine Tendenz zur Verallgemeinerung und zum Klischee aufweisen (vgl. Knigge/Schnurrer 1978, 5). Dieser Auffassung scheint ebenfalls der Comicforscher Ole Frahm zu sein, wenn er bemerkt, dass das »Gelächter der Comics […] niemals unschuldig [ist]. Es bricht innerhalb rassistischer, antisemitischer und sexistischer Abwertungen und Ausschlüsse hervor und reproduziert diese nicht selten« (Frahm 2010, 335). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die von Frahm erwähnte Reproduktion sexistischer oder ethnischer Stereotype im Comic nicht unbedingt ›kommentarlos‹ stattfinden muss, sondern aufgrund der spezifischen Beschaffenheit des Mediums kritisch reflektiert werden kann. Dem Prinzip der ›überzeichneten Reduktion‹ folgend, eignet sich der Comic z.B. »speziell für eine queere Lektüre […], weil durch den nicht-naturalistischen Darstellungsmodus das ›unnatürliche‹ Potenzial der Figuren auffällig ins Spiel gebracht werden kann« (Rehberg 2011, 384). Dabei verdeutlicht die abstrakte Ästhetik des Comics, dass eine stabile oder gar direkte (mediale) Repräsentation schlichtweg unmöglich ist, da mit dem Prozess der Repräsentation im Allgemeinen stets ein Akt der Auslassung, Entstellung und Reduktion verbunden ist, welcher – wie Elisabeth Bronfen betont – verhindert, dass die Repräsentation mit dem identisch ist, was sie zu repräsentieren (ver-)sucht (vgl. Bronfen 1995, 423). Dieses »Ungenügen, das von dem unausweichlichen Scheitern der Repräsentation hervorgerufen wird, eröffnet auch den Raum des Begehrens, des Aufschubs und der Wiederholung« (ebd., 424). Die amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Comicforscherin Hillary Chute spricht in diesem Zusammenhang von einem Exzess der Repräsentation (vgl. Chute 2010, 9). Dieser Exzess kann als Bedeutungsüberschuss verstanden werden, welcher mit jeder (re-)medialisierten Repräsentation, mit jeder performativen Wiederholung bzw. Wiederaufführung einhergeht und stets über das Gezeigte hinausweist sowie »die Möglichkeit einer (nicht-intentionalen) Umdeutung dessen, was übermittelt werden soll« (Peters 2005, 330), bietet. So verwundert es auch nicht, dass immer mehr Comickünstler_innen 90 | In diesem Sinne erfüllt die Figur des Comichelden eine Art Idealtypus, welcher schon »von seinem Äußeren her als übersteigertes Bild eines ›hundertprozentigen‹ Amerikaners« (Kagelmann 1975, 39) konstruiert wird. Hier wird deutlich, inwiefern neben Gender auch die Kategorien der Klasse und Ethnizität bzw. ›Rasse‹ eine nicht zu unterschätzende Rolle innerhalb der Repräsentationslogik des Mediums spielen.

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

z.B. auf die Form des (auto-)biografischen Comics zurückgreifen, um ihre persönliche und gleichzeitig politisch relevante Geschichte zu erzählen. Denn laut Chute eignet sich die fragmentarische sowie hybride Beschaffenheit des Comics sogar besonders gut dafür, alternative Lebenswege aufzuzeigen und das ›sichtbar‹ zu machen, was sich häufig außerhalb des öffentlichen Diskurses befindet (Chute 2010, 2 f.)91. Dementsprechend spielen Comics also »nicht beliebig mit dem Sinn, sondern reflektieren dessen Entstehung mit ihren Konstellationen von Schrift und Bild. Alle Ausschlüsse, alle Wertungen und Ordnungen sind nicht durch einen Ursprung begründet, sondern werden zwischen den Zeichen lesbar, sichtbar. Das Zuviel der Comics ist deshalb auch ein Zuviel an historischer Materialität, die verdrängt werden muss. Deren komische Reflexion bleibt die Chance der Comics zur Kritik« (Frahm 2010, 342).

In diesem Sinne kann auch die eingangs erwähnte Allegorie des Comics von Enki Bilal als differenzierte Reflexion traditioneller Darstellungsformen sowie geschlechtsspezifischer Norm- und Wertvorstellungen gedeutet werden. Die von Bilal verwendeten Schriftzeichen verschmelzen nämlich nicht ›nahtlos‹ mit dem repräsentierten weiblichen Körper: Bild und Text gehen hier vielmehr eine heterogene Verbindung ein, die den künstlerischen (oder besser gesagt künstlichen) Prozess der Zuschreibung und Be-Zeichnung demonstrativ zur Schau stellt. Eine Tatsache, die durch den Einsatz unterschiedlicher Schrifttypen und -größen sowie durch die als ironisch zu verstehende Beschriftung »NOMBRIL« (Bauchnabel) zusätzlich hervorgehoben wird (s. Abb. 11). Mit einem ›aktiven Blick‹ ausgestattet, scheint die dargestellte Figur überdies den betrachtenden Blick der Rezipient_innen direkt zu erwidern und sich damit bewusst der Rolle des passiven weiblichen Voyeur-Objektes entziehen zu wollen. Schließlich wirkt auch die in die Zeichnung eingeschriebene binäre Trennung von »NOIR/BLANC« (schwarz/weiß) in Anbetracht des gräulich eingefärbten Hintergrunds sowie der zum unteren Bildrand zunehmend verwischenden Konturierung der Figur alles andere als ›natürlich‹. Sowohl der Einsatz unterschiedlicher Grautöne als auch das Aufweichen klarer Umrisse können hier vielmehr als ein Auf brechen rigider Dichotomien verstanden und als Plädoyer für die Darstellung von ›Zwischentönen‹ – von Brüchen, Differenzen und 91 | Mit der Aufarbeitung persönlicher sowie gesellschaftspolitisch relevanter Themen stehen die autobiografischen Comics in enger Tradition mit den alternativen Underground Comix der 1960er Jahre. Darüber hinaus stellen die autobiografischen graphic narratives für Chute ein explizit feministisches Genre dar: »The field of graphic narrative brings certain key constellations to the table: hybridity and autobiography, theorizing trauma in connection to the visual, textuality that takes the body seriously. I claim graphic narratives, as they exhibit these interests, ›feminist‹« (Chute 2010, 3 f.).

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Vielfalt – interpretiert werden. Denn mit seiner hypermedialen Affinität zur Abstraktion, Hybridität und Fragmentierung eignet sich der Comic in besonderer Weise dazu, »die Risse in der Wahrnehmung selbst« (Schüwer 2008, 352) kenntlich zu machen und die Aufmerksamkeit des Betrachters bzw. der Betrachterin auf den künstlichen Status der repräsentierten Bilder und deren geschlechtlich-codierter Inhalte zu lenken.

2.6 Z usammenfassung Wie die Ausführungen des vorliegenden Kapitels verdeutlicht haben, handelt es sich bei dem Phänomen Comic nicht nur um eine eigenständige mediale Form, sondern auch um ein uneindeutiges und zuweilen widerspenstiges92 Medium. Genauer gesagt handelt es sich beim Comic um ein hybrides sowie grenzüberschreitendes Medium, welches aufgrund seiner (hyper-)medialen Beschaffenheit das (subversive) Potenzial besitzt, geschlechtsspezifische Zuschreibungsprozesse nicht einfach nur zu (re-)produzieren, sondern als solche sichtbar zu machen und kritisch zu reflektieren. So bezieht der Comic sein produktives Potenzial etwa aus dem vielschichtigen Zusammenspiel bildlicher und linguistischer Zeichen. Aber auch das Verhältnis von Einzelbild und Bildfolge bzw. die von Leerstellen durchzogene sequenzielle Struktur des Comics ist von einem spannungsgeladenen Wechselspiel der Einheit und Diskonti­ nuität geprägt. Als grafisches Medium bedient sich der Comic zudem einer ganz bestimmten selbstbezüglichen, abstrakten Repräsentationsästhetik, welche als ›überzeichnete Reduktion‹ verstanden werden kann. Diese befreit den Comic nicht nur von dem Prinzip der unmittelbaren bzw. transparenten Darstellung, sondern eröffnet gleichzeitig auch die Möglichkeit, gängige, auf Naturalisierung setzende Ästhetiken als mediale »Konstruktion[en] von Kohärenz« (Lummerding 2011, 335; Herv. im Org.) sichtbar und erfahrbar zu machen. »Problematisiert wird damit die Unmöglichkeit einer (ab-)schließenden, eindeutigen und endgültigen Aussage über Realität« (ebd.). Die Unabgeschlossenheit sowie Uneindeutigkeit des Comics kommt ebenso in dessen performativer Grundstruktur zum Vorschein. Auf dem Prinzip der Differenz und Wiederholung basierend, verfügt der Comic über eine von Ole Frahm als parodistisch bezeichnete selbstreflexive Ästhetik, welche das Gezeigte (bzw. Erzählte) kritisch zu reflektieren vermag. So lässt sich zwar in den verschiedenen Ausprägungen des Mediums immer wieder die (Re-)Produktion sexistischer und/oder ethnischer Stereotype ausmachen. Aufgrund seiner (hyper-)medialen Beschaffenheit verfügt der Comic jedoch über das Po92 | Um das Medium Comic zu beschreiben, greift auch Jonas Engelmann auf das Adjektiv ›widerspenstig‹ zurück (vgl. Engelmann 2013, 7).

Die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics

tenzial – oder besser gesagt über das ›Werkzeug‹ – diskursive Bezeichnungsund Zuschreibungsprozesse als solche kenntlich zu machen und (subversiv) zu unterlaufen. Ob oder wie das (subversive) Werkzeug des Comics zum Einsatz kommt und in welcher Form es auf das ›Illusionsmedium‹ Film übertragen werden kann, gilt es im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit anhand ausgewählter Comic- und Filmbeispiele näher zu beleuchten. Denn wie Judith Butler in Bezug auf eine mögliche Subversion geschlechtlicher Identitäten bemerkt, »gibt [es] nur ein Aufgreifen von Werkzeugen dort, wo sie liegen, wobei dieses Aufgreifen gerade durch das Werkzeug, das dort liegt, ermöglicht wird« (Butler 1991, 213 f.).

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3. S in C it y : Doing Gender in Comic und Film

Im Jahr 2005 sorgte die Leinwandversion von Frank Millers Sin City-Comics1 aufgrund ihrer expliziten Darstellung von Gewalt und dem scheinbar klischeehaften, stereotypen Verhalten der sowohl männlichen als auch weiblichen Figuren weltweit für Empörung. Gleichzeitig wurde und wird Sin City bis heute als ästhetisches Meisterwerk gefeiert, welches durch den innovativen Einsatz digitaler Technik den Anstoß für eine neue Generation von Comicfilmen gegeben hat, die sich nicht mehr als ›simple‹ filmische Adaptionen einer Comicvorlage bezeichnen lassen. Denn im Gegensatz zu bisherigen Leinwandversionen handelt es sich bei Sin City um den erklärten Versuch einer detailgetreuen Übersetzung des grafischen Mediums Comic in das technische Medium Film (vgl. Miller/Rodriguez 2005, 19 f.). Dabei durchbricht Sin City »alle Grenzen von Kinorealismus und -simulation« (Seeßlen 2011, 260). So werden im Falle von Sin City technische Mittel dazu genutzt, das Medium Film dem grafischen Konzept des Comics anzugleichen – und nicht umgekehrt. Dementsprechend werden mit dem medialen ›Transfer‹ vom Comic zum Film charakteristische Eigenschaften der Sin City-Reihe in das Medium Film übertragen. Das Medium Comic geht also nicht einfach in dem ›neuen‹ Medium Film auf – und verschwindet wie dies z.B. bei einem klassischen Medienwechsel der Fall wäre –, sondern Comic und Film generieren bzw. remedialisieren sich vielmehr gegenseitig und schaffen eine neue Form der Korrelation. 1 | Frank Millers Sin City-Comicreihe erscheint zwischen 1991 und 1992 zunächst in Form der dreizehnteiligen Fortsetzungsgeschichte The Hard Goodbye bei dem unabhängigen amerikanischen Comicverlagshaus Dark Horse. Insgesamt erscheinen zwischen 1991 und 2000 sechs verschiedene Fortsetzungsgeschichten (sowie eine Kurzgeschichtensammlung) der Sin City-Reihe. Im Jahr 2005 werden diese im Rahmen der Verfilmung von Frank Millers Sin City in Form von sieben graphic novels mit den englischen Originaltiteln The Hard Goodbye, A Dame to Kill For, The Big Fat Kill, That Yellow Bastard, Family Values, Booze, Broads, & Bullets sowie Hell and Back neu herausgebracht. Innerhalb der vorliegenden Arbeit wird auf die im Jahr 2005 erschienenen graphic novel- bzw. Comicbände als Analysematerial zurückgegriffen.

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Diese Korrelation ist durch eine hypermediale Comicfilm-Ästhetik gekennzeichnet, welche den Akt der (filmischen) Repräsentation zu keinem Zeitpunkt zu verbergen versucht, sondern die Aufmerksamkeit der Zuschauer_innen zugleich bewusst auf die grafischen Möglichkeiten des Comics und die technischen Möglichkeiten des Films lenkt. Verglichen mit den etablierten Darstellungskonventionen des illusionistischen Hollywood-Mainstream-Kinos, macht das Medium Film im Falle von Sin City also explizit auf sich selbst und damit auch auf den künstlichen Status der (re-)präsentierten Bilder und deren Inhalte aufmerksam. Doch nicht nur die Künstlichkeit von Comic und Film wird durch die zur Schau gestellte Medialität von Sin City hervorgehoben. Auch die Konstruiertheit des Diskursproduktes Gender wird durch die hypermediale Ästhetik des Comicfilms unverkennbar zum Vorschein gebracht. In Anlehnung an Judith Butlers Ausführungen zur Performativität des Geschlechts bzw. zur Gender-Parodie soll daher im Folgenden aufgezeigt werden, dass es sich bei den in Sin City (re-)medialisierten Geschlechterentwürfen nicht nur um bloße Repräsentationen oder Reproduktionen gender-spezifischer stereotyper Darstellungskonventionen und Visualisierungsmechanismen handelt. Es soll vielmehr der These nachgegangen werden, dass es sich hier aufgrund ironischer Brechungen sowie übertriebener und abgewandelter Darstellungen um verfehlte Imitationen und subversive Wiederholungen genau dieser Konventionen handelt (vgl. Sina 2009, 70 ff.). Daher ist es notwendig, in einem ersten Schritt (Kapitel 3.1) die von Frank Miller kreierte Comicreihe Sin City einer detaillierten medienwissenschaftlichen sowie gendertheoretischen Analyse zu unterziehen, bevor darauf auf bauend in einem zweiten Schritt (Kapitel 3.2) die hypermediale Beschaffenheit des gleichnamigen Comicfilms herausgarbeitet und schließlich an das performative Zusammenspiel von Gender und Medien zurückgebunden werden kann (Kapitel 3.3).

3.1 G ender Trouble in S in C it y : A bstr ak tion und S ubversion in F r ank M illers C omic N oir Bei Frank Millers Sin City-Comicreihe handelt es sich in erster Linie um eine grafische Remedialisierung diverser Kriminalgeschichten, die sich sowohl auf der stilistischen als auch auf der inhaltlichen Ebene an die Darstellungskonventionen der so genannten hard-boiled school of fiction sowie des (amerikanischen) Film Noir anlehnen. Basierend auf der literarischen Bezeichnung roman noir und Bezug nehmend auf eine Reihe, vom zeitgenössischen Publikum als besonders düster empfundener Kriminalfilme (vgl. Bould 2005, 15 sowie Stigleg-

S in C it y : Doing Gender in Comic und Film

ger 2002, 195)2, benennt der Film Noir-Begriff »zunächst ein stilistisches Phänomen des amerikanischen Films der 40er und 50er Jahre« (Stiglegger 2002, 195). Als Inspiration für dieses ›düstere‹ stilistische Phänomen dienen u.a. Kriminalromane der Autoren Raymond Chandler3 und Dashiell Hammett4, »die zum großen Teil schon in den 1930er Jahren, der Ära der Unsicherheit und wirtschaftlichen Depression, entstanden sind« (ebd.)5 und in den so genannten pulp magazines 6 publiziert werden7. Im Gegensatz zu bis dato bekannten Kriminal- und Detektivgeschichten präsentieren die hard-boiled-Erzählungen der pulp magazines ihren Leser_innen nicht länger durchweg positiv besetzte Helden, sondern zynische Einzelgänger und brutale tough guys, die meist selbst mit dem Gesetz in Konflikt geraten (vgl. Röwekamp 2003, 21). Die harsche gesellschaftliche Realität der 30er Jahre widerspiegelnd, gehören klar definierte, psychologisch stabile Protagonisten in diesen Erzählungen der Vergangenheit an. Die in den hard-boiled-Geschichten vorkommenden Protagonisten haben ihren heldenhaften Status eingebüßt und müssen sich fortan gegen attraktive (weibliche) Killer und korrupte Polizisten behaupten (vgl. Bordwell/Staiger/ Thompson 1994, 76). Mit dem Film Noir der 40er und 50er Jahre erreicht dieser »neue Männlichkeits-Mythos« (Röwekamp 2003, 132) schließlich auch Hollywood und schon bald tummeln sich neben Helden aus »klassischen heroischen Erzählungen« (ebd.) machohafte tough guys und soziale Außenseiter, die sich primär durch ih2 | Zu dieser Reihe ›düsterer‹ amerikanischer Kriminalfilme, die in den USA bereits 1941 bzw. 1944 in die Kinos kommen (in Frankreich aufgrund der deutschen Besetzung während des Zweiten Weltkrieges allerdings nicht aufgeführt werden können), zählen D ouble I ndemnit y (USA 1944), The M altese Falcon (USA 1941), M urder , M y S weet (USA 1944) und L aura (USA 1944) (vgl. Bould 2005, 15). 3 | Raymond Chandler, der in den 1940er Jahren auch als Comictexter tätig ist (vgl. Severo 2006, o.S.), liefert mit seinen literarischen Werken u.a. die Vorlage für M urder , M y S weet und The B ig S leep (USA 1946). 4 | Dashiell Hammett, der Mitte der 1930er Jahre gemeinsam mit Alex Raymond den Comicstrip Secret Agent X-9 (1934-1996) kreiert, liefert mit The Maltese Falcon (1930) die literarische Vorlage für die gleichnamige Verfilmung aus dem Jahr 1941. 5 | Zu den berühmtesten Autoren der hard-boiled school of fiction zählen neben Dashiell Hammett und Raymond Chandler auch James M. Cain, Cornell Woolrich und David Goodis (vgl. Stiglegger 2002, 195). 6 | Bei den pulp magazines handelt es sich um serielle Heftpublikationen »mit trivialen Abenteuerromanen, die ihren Namen der holzartigen Pulpe verdanken, aus denen ihr billiges Papier hergestellt wurde« (Knigge 2009, 16). 7 | Neben der hard-boiled school of fiction dienen auch der französische Realismus, der deutsche Expressionismus sowie der amerikanische Gangsterfilm der 1930er Jahre als stilistische Inspiration für den Film Noir (vgl. Stiglegger 2002, 197).

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ren Status als »unabhängige Einzelgänger […], einem Zustand sozialer Entfremdung und psychischer Desillusionierung« (ebd.) charakterisieren. Der desolate Zustand dieser ›alternativen‹ Helden wird im Film Noir sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der formal-ästhetischen Ebene reflektiert. So wird beispielsweise mit Hilfe von verkanteten Kameraeinstellungen, nächtlichen Aufnahmen und Außenaufnahmen sowie dem Einsatz der so genannten low key- 8 bzw. chiaroscuro-Ausleuchtung9 ein beunruhigender Effekt erzielt, welcher den Zuschauer_innen den desillusionierten Zustand der Protagonisten näherbringen soll (vgl. Bordwell/Staiger/Thompson 1994, 76). Zusätzlich wird der mentalen Verfassung der Protagonisten mit Hilfe einer subjektiven Erzählperspektive, dem Einsatz einer Kommentarstimme (dem so genannten voice over) und der Verwendung von Rückblenden Ausdruck verliehen (vgl. ebd.). Darüber hinaus löst der Film Noir, im Gegensatz zu den bis dato dominierenden eskapistischen Erzählungen des klassischen Hollywood-Kinos, »existenzielle Bedrohungsszenarios nicht länger durch das Versprechen der Wiederherstellung sozialer und familiärer Ordnungsgefüge auf, die dem Individuum Schutz und Sicherheit [bieten]. Vielmehr [beschreiben] seine Geschichten die Beziehung von Individuum und Gesellschaft als äußerst prekär und existenzgefährdend« (Röwekamp 2003, 9).

In diesem Sinne wird im Film Noir weder Wert auf eine hundertprozentige narrative Auflösung des Gezeigten gelegt noch das traditionelle filmische happy ending gewährleistet. Insgesamt scheint das Erscheinungsbild der ›schwarzen Serie‹ von einem Modell der Nichtkonformität (pattern of nonconformity) gekennzeichnet zu sein, welches sich von gängigen Konventionen des klassischen Hollywood-Mainstream-Kinos abhebt (vgl. Bordwell/Staiger/Thompson 1994, 75) und so eine (visuelle wie auch inhaltliche) Alternative »zu den realistischen Entwürfen und filmischen Errettungen einer idealisierten Wirk8 | Die Bezeichnung low key bezieht sich auf ein Verfahren der Lichtsetzung im Film. Bei dieser Lichtsetzung wird auf das so genannte Fülllicht verzichtet, was zu besonders starken Hell-Dunkel-Kontrasten und somit zu einer düsteren Stimmung im Film führen kann (vgl. Monaco 2000, 101). Das low key light steht im direkten Kontrast zu dem so genannten high key light. Hier wird mit besonders viel Führungslicht gearbeitet, um die Kontrastbildung möglichst gering zu halten (vgl. ebd., 80). Im Gegensatz zum Film Noir arbeiten gängige Hollywood-Produktionen in der Regel mit verschiedenen Lichtquellen, um eine möglichst transparente Lichtsetzung im Sinne der so genannten seamless production practices (vgl. Hayward 2000, 236 f.) zu gewährleisten. 9 | Der Begriff chiaroscuro ist aus der Malerei entliehen und bezieht sich auf einen Bildstil, welcher durch seine kontrastreichen Licht- und Schatteneffekte besticht (vgl. Monaco 2000, 34).

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lichkeit [bietet], [die] sich nicht länger mit einer Re-Affirmation einer wie auch immer idealisierten Welt- und Gesellschaftsordnung zufrieden« (Röwekamp 2003, 17) gibt. Zu den von Burkhard Röwekamp erwähnten alternativen Entwürfen idealisierter Wirklichkeit zählt sicherlich auch die Tatsache, dass weibliche Figuren im Film Noir nicht mehr ausschließlich als romantische Partnerinnen innerhalb der Hollywood-typischen double plot structure 10 fungieren, sondern u.a. die Rolle der mysteriösen und gefährlichen femme fatale bekleiden: »Femme fatales repräsentieren weiblich konnotierte sexuelle Macht und Ambitionen und ökonomische Unabhängigkeit. Sie werden zu Repräsentantinnen der Emanzipation der Frau von einer männlichen konnotierten Ordnung und damit zur existentiellen Gefahr für männliche Protagonisten und das erzählte patriarchale System. Femmes fatales wechseln ihre Partner, sind erotisch, attraktiv, intelligent und narzisstisch […]. Die Darstellungskonventionen der femmes fatales im Film noir haben eine bestimmbare Ikonographie und einen spezifischen visuellen Stil hervorgebracht: Sie dominieren optisch den Bildraum, ihre Kleidung (dress code) signalisiert ihre moralische Transformation, sie rauchen und tragen und benutzen Waffen« (ebd., 129).

Die femme fatale stellt für den (Anti-)Helden des Film Noir also eine Art Hindernis bzw. Gefahr oder sogar Rätsel dar, welches es aufzuklären und zu beseitigen gilt (vgl. Borwell/Staiger/Thompson 1994, 76). Innerhalb der filmischen Handlung kommt es daher meist zur Eliminierung oder zur Zähmung der femme fatale, womit »die patriarchalische Ordnung […] zumindest formell wieder eingesetzt [wird]« (Röwekamp 2003, 130). Um einen ausgleichenden Pol zur transgressiven femme fatale zu schaffen, wird ihr die so genannte nurturing woman entgegengesetzt (vgl. Kaufmann 1997, 36). Im Vergleich zur femme fatale zeichnet sich dieses good girl durch ihre mütterlichen Qualitäten und ihre bedingungslose Liebe aus (vgl. ebd., 44).

10 | Das narrative Konzept der double plot structure bezieht sich hier auf zwei parallele Handlungsstränge innerhalb eines Films, wobei es sich meist bei einem der beiden Erzählstränge um eine (hetero-)sexuelle Liebesgeschichte und bei dem anderen Erzählstrang um die eigentliche Arbeit bzw. die Aufgabe handelt, die der (meist männliche) Protagonist zu erfüllen hat (vgl. Bordwell 1995, 156). Innerhalb der als normativ geltenden heterosexuellen Liebesgeschichte besteht die zentrale Motivation der Protagonist_innen darin, »die Liebe des jeweils anderen Geschlechts zu gewinnen« (Kaufmann 1997, 28), wobei die Institution Ehe und das Konzept des happy ending im Film eine wesentliche Rolle spielen, denn »[d]ie romantische Liebe und die desexualisierte Ehe sind im klassischen Hollywood-Kino logisch und untrennbar miteinander verbunden« (ebd., 29).

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Als »tugend- und schamhafte Frauenfigur stellt [sie] einen Versuch dar, die bedrohlichen Aspekte weiblicher Sexualität zu negieren. Aus einer ideologischen Perspektive ist sie als eine ideologiekonforme, idealtypische Frauenfigur zu bewerten, deren präskriptive Funktion ein traditionelles Geschlechterbild propagiert« (ebd., 45).

Allerdings gelingt es der Figur der nurturing woman nicht immer, ein durchweg positiv besetztes Bild traditioneller Geschlechterentwürfe zu etablieren. So scheint beispielsweise die Institution Familie ihren Stellenwert als Ort »sozialer Integration« (Röwekamp 2003, 130) gänzlich verloren zu haben. Denn »[s]ofern Familien im Film noir von Bedeutung sind, degradiert die Inszenierung sie oft zu Karikaturen familiärer Gemeinschaften« (ebd.). Auch wenn die femme fatale oder der Anti-Held bzw. tough guy zunächst eine Abweichung des konventionellen Hollywood-Figurentypus darstellen, so wird der klassische Film Noir – genau wie sein zeitgenössisches Pendant, der so genannte Neo-Noir-Film11 – in der Regel dennoch von einem patriarchalen Diskurs dominiert, welcher das repräsentierte Geschlechterverhältnis zu Ungunsten des weiblichen Subjekts hierarchisiert. Trotz seiner zeitweiligen Aufgeschlossenheit konstituiert der Film Noir also auch weiterhin ein Kino aus dem ›Blickwinkel des Mannes‹, welches sich eines Repertoires stereotyper Geschlechterrollen bedient. Die im Film Noir dargestellten ambivalenten Frauenbilder können somit als Reflexion männlicher Angst- und Lustfantasien sowie als Verhandlung zeitgenössischer (männlicher) Identifikationskonflikte verstanden werden (vgl. Kaufmann 1997, 282 f.). Wie Kai Kaufmann bemerkt, sahen sich »Männer und Frauen […] während des Krieges vor fremde Aufgaben und Situationen gestellt, die sowohl ihr Selbstverständnis als auch ihr Verständnis zueinander beeinflußten« (ebd., 16). Die Verunsicherung bezüglich traditioneller Geschlechterentwürfe drückt sich im Film Noir einerseits in Form von Frauenfeindlichkeit und andererseits durch »Befürchtungen im Hinblick auf eine vermeintliche Maskulinisierung von Frauen und Homosexualität von Männern« (ebd., 24) aus. Demnach kann bzw. darf die männliche Hauptfigur des Film Noir zwar »zynisch, schwach, verwirrt, obsessiv, paranoid, sadistisch oder oberflächlich, aber niemals homosexuell« (Röwekamp

11 | Seit seiner Glanzzeit in den 1940er und 50er Jahren wird der klassische Film Noir regelmäßig von der Filmindustrie neu entdeckt und letztendlich in Form des so genannten Neo-Noir-Films wiederbelebt: »In the United States of the nineties, film noir and its presentday counterpart, neo-noir, are terms now freely employed within the American film industry by both filmmakers and film reviewers to define the style, tone, and content of contemporary film« (Martin 1999, 4).

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2003, 134) sein12 . Und genau wie der Anti-Held ist auch die femme fatale in ihrem transgressiven Potenzial eingeschränkt: So wird ihr zwar ein gewisses Maß an (sexueller) Macht und Freiheit zugesprochen, die dominierende patriarchale Ordnung wird durch sie allerdings nicht dauerhaft unterminiert, sondern im Verlauf der filmischen Handlung restauriert und neu bestärkt13. Auf die Tradition des (klassischen) Film Noir zurückgreifend, übernimmt (und übersteigert) Frank Miller in seiner Sin City-Reihe nicht nur diverse der hier aufgeführten Darstellungskonventionen und Visualisierungsmechanismen, sondern bestückt sein Comic Noir-Universum ebenfalls mit zahlreichen stereotypen sowie genrespezifischen Geschlechterrollen. Dementsprechend handelt es sich bei den männlichen Protagonisten in Sin City vornehmlich um machohafte, unabhängige Helden, die in erster Linie durch ihre physische Stärke und ihre Fähigkeit, Gewalt einsetzen zu können, gekennzeichnet sind. Weibliche Figuren verkörpern dagegen meist extrem attraktive und verführerische Frauen, die sich in einer misslichen Lage befinden und der Rettung bzw. Hilfe eines tough guys bedürfen. Die Geschlechterdifferenz unterstreichend, bedient sich Miller bei der visuellen Darstellung seiner Protagonisten zudem häufig kantiger bzw. eckiger Formen und dynamischer Linien. Weibliche Figuren werden dagegen mit Hilfe auffallend weicher und runder Formen bzw. Linien gezeichnet. Zusätzlich zur klischeehaften Linienführung greift Miller auch auf die Darstellung besonders starker Größenkontraste zurück, um die Differenz zwischen dem vermeintlich ›schwachen‹ weiblichen und ›starken‹ männlichen Geschlecht hervorzuheben. 12 | In Bezug auf die mediale Repräsentation von Gender weist auch der Neo-Noir-Film eine starke Affinität zu seinem Vorläufer, dem klassischen Film Noir der 1940er und 50er Jahre auf. So haben die zeitgenössischen Noir-Helden weiterhin mit den »existentiellen Dilemmas moderner männlicher Identität« (Röwekamp 2003, 141) zu kämpfen. Genau wie im klassischen Film Noir bleibt auch der Aspekt der Homosexualität im Neo-Noir ein Tabu-Thema (vgl. Hirsch 1999, 9). In Anlehnung an den klassischen Film Noir zählen außerdem das Delirium sowie die Selbstdestruktion des Anti-Helden zu den häufigsten Themen des Neo-Noir-Films, wobei »das audiovisuelle Arrangement und die fragmentarische Struktur der Erzählung […] [die] zeitliche, räumliche und logische Desorientierung« (Röwekamp 2003, 139) der Protagonisten reflektieren. 13 | Wie im Film Noir der 1940er und 50er Jahre spiegelt auch die femme fatale des Neo-Noir-Films die Ängste und Wünsche des männlichen Subjekts wider. Im Gegensatz zum klassischen Film Noir wirkt die femme fatale des Neo-Noir allerdings intelligenter, selbst bestimmender, (sexuell) aggressiver und aktiver. Letztendlich scheint aber selbst diese eher fortschrittliche Verkörperung der femme fatale ihr Potenzial zu vergeuden, da sie laut Kate Stables durch den Fokus auf ihre explizit dargestellte Sexualität objektiviert und auf den Status eines sexual performers reduziert wird (vgl. Stables 1998, 173).

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Insgesamt scheint Millers Comicreihe also von der Repräsentation äußerst stereotyper Charaktere gekennzeichnet zu sein. Dem Prinzip der ›überzeichneten Reduktion‹ folgend, werden diese stereotypen Charaktere allerdings nicht kommentarlos aus dem Repertoire medial-diskursiver Realitäten übernommen. Aufgrund der (hyper-)medialen Beschaffenheit der Sin City-Comics werden sie vielmehr in abstrakter, überspitzter Form remedialisiert, d.h. zitiert und neu aufgeführt. Im Sinne von Judith Butlers Theorie der Performativität von Gender geht mit dieser verfehlten medialen Wiederaufführung eine Art Bedeutungsüberschuss oder auch produktive Verschiebung einher, welche den inszenierten Charakter der repräsentierten Gender-Rollen zum Vorschein bringt und so zu einer subversiven Verwirrung der Geschlechter beiträgt. Denn als überzeichnete Kopie ohne Original beziehen sich die in Sin City remedialisierten Gender-Rollen nicht etwa auf einen wie auch immer gearteten ›natürlichen‹ oder außer-medialen Ursprung, sondern verweisen vielmehr auf ihren eigenen performativen Herstellungsprozess. Den Auftakt für Millers Sin City-Comicreihe bildet die dreizehnteilige Fortsetzungsgeschichte The Hard Goodbye. Schauplatz der Erzählung – genau wie aller folgenden Sin City-Comics – ist Basin City, eine nicht näher definierte Metropole, die von Korruption, Macht und Perversion regiert wird und ihren Spitznamen ›Sin City‹ einem bis über die Grenzen der Stadt hinaus bekanntem ›Vergnügungsviertel‹ (Old Town) verdankt. Protagonist und Anti-Held der The Hard Goodbye-Erzählung ist der entstellte tough guy Marv. Dieser verbringt eine intensive, aber durchzechte Liebesnacht mit der geheimnisvollen und wunderschönen Prostituierten Goldie. Am nächsten Morgen wacht Marv nichts ahnend neben Goldies Leiche auf. Von einem kaltblütigen Mord ausgehend, schwört Marv kurzerhand, den Schuldigen für diese schändliche Tat ausfindig zu machen und Goldies Tod brutal zu rächen. Genau wie in The Hard Goodbye präsentiert Miller – der bis dato seine größten Erfolge innerhalb des Markt dominierenden Superheld_innen-Genres feiern konnte und in den 1980er Jahren aufgrund seiner innovativen Revision des Batman-Mythos zu einem der berühmtesten amerikanischen Comickünstler avanciert (vgl. Weiner 2003, 34 sowie Wright 2001, 267) – auch in den folgenden sechs Sin CityComics seinen Leser_innen düstere Geschichten voller Mord, Rache und Verzweiflung, die in den 1990er Jahren zu einer erfolgreichen Wiederbelebung des grafischen Detektiv- und Kriminalgenres führen (vgl. Gravett 2005, 117)14. 14 | Mit Chester Goulds Dick Tracy (1931-1977) und Alex Raymonds bzw. Dashiell Hammetts Secret Agent X-9 hält das Detektiv- und Kriminalgenre bereits zu Beginn der 1930er Jahre Einzug in die amerikanische Comicstrip-Produktion (vgl. Dolle-Weinkauff 1998, 103 sowie Gravett 2005, 116 f.). Mit der zunehmenden Popularität der Superheld_innen-Comics verliert das Genre (bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. Will Eisners The Spirit) in den 1940er Jahren allerdings zunehmend an Bedeutung.

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Für die Darstellung seines Sin City-Universums kombiniert Miller nicht nur charakteristische Merkmale von Pulpgeschichten und Noir-Filmen15, sondern wendet auch stilistische sowie narrative Techniken an, die in der Regel mit dem japanischen Manga in Verbindung gebracht werden (vgl. Sabin 2001, 234)16. Darüber hinaus spiegeln die Sin City-Comics einen für Miller typisch gewordenen Stil wider, der sich auf der narrativen Ebene durch den Einsatz besonders knapper und ironischer Texte manifestiert. So bemerkt Jörn Ahrens, dass Miller in seiner Comicreihe »auf jeden überflüssigen Dialog in direkter Rede verzichtet. Der Großteil der sprachlich vermittelten Informationen wird über eine Art von formal ähnlich stilisierten ›Voice Over‹ kommuniziert, dessen Tonfall sich deutlich an den Film Noir anlehnt […]. Weite Passagen der Comicversion kommen zudem ganz ohne Worte aus oder fokussieren allein auf die Verwendung von Geräuschen« (Ahrens 2011, 82).

Auch bei der Anzahl sowie Anordnung der einzelnen Comicpanels scheint Miller der Devise ›weniger ist mehr‹ zu folgen. Dementsprechend besteht »die Mehrzahl der Seiten in Sin City aus nur drei, unregelmäßig angeordneten Panels, einige Seiten kommen mit noch weniger aus« (ebd.). Für die Anordnung seiner Panels greift Miller zudem häufig auf besonders weite Bildfolgen zurück (s. Abb. 12). Dies bedeutet, dass zwischen den einzelnen Bildern relativ große Zeitsprünge zu verzeichnen sind. Diese bringen zwar ein rasches Fortschreiten der präsentierten Handlung mit sich, fragmentieren diese aber auch gleichzeitig und tragen damit sowohl zu einer Unterbrechung des Leseflusses bzw. Verlangsamung der Lesegeschwindigkeit als auch zu einer »Dekonstruktion der im Comic eigenen Sequentialität« (ebd.) bei. Denn »von wenigen Aus-

15 | Darüber hinaus zählen sowohl Will Eisners The Spirit-Comics (1940-1952) als auch die so genannten EC Comics (Entertaining Comics), die in den 1950er Jahren eine Welle von Horrorgeschichten veröffentlichten, zu den stilistischen Einflüssen von Frank Miller (vgl. Gravett 2005, 117). 16 | Zu den stilistischen und narrativen Techniken, die üblicherweise mit dem japanischen Manga in Verbindung gebracht werden, gehören u.a. eine vornehmlich schwarzweiße Bildgestaltung, eine auffällig hohe Bildfrequenz sowie ein dynamischer Erzählrhythmus, der Einsatz grafischer sowie narrativer Vereinfachungen und die Verwendung reduzierter Bildhintergründe (vgl. Russo 2007, 66), die Darstellung besonders brutaler Gewaltszenen (vgl. Gravett 2004, 155), der häufige Gebrauch textloser Panels sowie die Repräsentation ikonischer Charaktere und die wiederholte Darstellung archetypischer Figuren (vgl. McCloud 2006, 216). Darüber hinaus lassen sich im japanischen Manga häufig ›aufgefächerte‹ Szenen ausmachen, die sich über mehrere Seiten hinweg strecken können (vgl. Gravett 2004, 54).

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nahmen abgesehen, [stellt] jedes einzelne Panel […] eine eigenständige, in sich geschlossene Sequenz dar« (ebd.)17. Abbildung 12: Der Einsatz weiter Bildfolgen bringt in Sin City die Fragmentierung des Gezeigten mit sich

Quelle: Frank Miller: Sin City. The Hard Goodbye. Milwaukie: Dark Horse Books 2005a, S. 42 f.

Neben der Kombination erstaunlich knapper bzw. teilweise fehlender verbaler Gestaltungselemente und besonders weiter Bildfolgen gelingt es Miller mit Hilfe einer auffallend puristischen sowie expressionistischen Repräsentationsästhetik innerhalb seiner Comic Noir-Reihe »einen originären Stil [zu entwickeln], der die grafischen Mittel des Comics zielstrebig radikalisiert und wie eine Art von Erkundung derjenigen Elemente wirkt, die dem Medium seine grafische Signifikanz verleihen« (ebd., 81). So besticht Millers grafisches Konzept u.a. durch den Einsatz einer besonders abstrakten und kontrastreichen Schwarzweiß-Ästhetik (s. Abb. 13), welche fast gänzlich auf die Verwendung von Grautönen, Schattierungen oder Schraffuren verzichtet und die Konstruiertheit der Sin City »Bilderwelt an keiner Stelle durch mimetisch-abbildende Züge zu überspielen versucht« (Dolle-Weinkauff 1998, 108). 17 | Mit der weiten Bildfolge geht in Sin City ebenfalls die häufige Verwendung so genannter jump cuts, also rhythmischer Bild- und Zeitsprünge (vgl. Monaco 2000, 87), einher, welche das Gezeigte zusätzlich fragmentieren.

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Abbildung 13: Kontrastreiche Schwarzweiß-Ästhetik in Frank Millers Sin City

Quelle: Frank Miller: Sin City. The Hard Goodbye. Milwaukie: Dark Horse Books 2005a, S. 10.

Wenn es in der Comicreihe dennoch zu dem Einsatz von Farbe kommt, dann handelt es sich um gezielt eingesetzte monochrome Farbakzente18. In dem Sin City-Comic That Yellow Bastard greift Miller beispielsweise auf die Verwendung eines ›unnatürlich‹ wirkenden, gelben Farbakzentes zurück, um die Monstrosität eines psychopathischen Killers zu unterstreichen. Darüber hinaus werden auch diverse weibliche Charaktere in den verschiedenen Sin City-Comics immer wieder durch den Einsatz monochromer Farbakzente aus ihrem schwarzweißen Umfeld hervorgehoben und demonstrativ überzeichnet bzw. auf einige wenige stereotype Charakterzüge reduziert (s. Abb. 14). Die kaltblütige Profikillerin Delia (aufgrund ihrer strahlend blauen Augen auch Blue Eyes genannt) trägt beispielsweise ausschließlich blaue Kleidung. Die gleichsam gefährliche, aber umso exotischere und heißblütigere Killerin Mariah wird in Hell and Back dagegen mit Hilfe eines warmen Oranges charakterisiert. In der Kurzgeschichte Daddy’s Little Girl (aus dem Band Booze, Broads, 18 | Eine Ausnahme bildet hier eine mehrere Seiten umfassende, farbig dargestellte Episode innerhalb des Sin City-Bandes Hell and Back. Wallace, der Protagonist der Erzählung, wird von seinen Gegenspieler_innen unter Drogen gesetzt und erlebt den daraus resultierenden Rausch als hyperreales Farbspektakel (vgl. Miller 2005g, 184 ff.).

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& Bullets) ist die inzestuöse Lolita-Figur Amy stets in als typisch mädchenhaft konnotierte pinkfarbene Kleidung gehüllt. Und schließlich präsentiert Miller seinen Leser_innen in The Babe Wore Red (einer weiteren Kurzgeschichte aus Booze, Broads, & Bullets) eine in knalligem Rot gekleidete verführerische femme fatale. Abbildung 14: Monochrome Farbakzente

Quelle: Frank Miller: Sin City. That Yellow Bastard. Milwaukie: Dark Horse Books 2005d, S. 94 (Bild links) sowie Frank Miller: The Babe Wore Red. In: Sin City. Booze, Broads, & Bullets. Milwaukie: Dark Horse Books 2005j, S. 134. (Bild rechts)

Wie diese Beispiele verdeutlichen, erfolgt in Sin City mit der farblichen Codierung bestimmter Figuren nicht nur eine visuelle, sondern auch eine gender-stereotype Überzeichnung. Ferner gelingt es Miller mit dem Einsatz monochromer Farbakzente, den abstrakten, expressionistischen Charakter des ansonsten schwarzweißen Sin City-Universums zusätzlich hervorzuheben und damit zu einer betont selbstreflexiven Stilisierung des Gezeigten beizutragen. Laut Bernd Dolle-Weinkauff kann der Einsatz einer reduktionistischen (und bis auf wenige Farbakzente ausgenommen) schwarzweißen Ästhetik außerdem als Werkzeug der »Demontage einer Welt der scheinbaren Ordnung

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und Gewissheiten eines binären Denkens« (ebd., 105) verstanden werden19. Normative Wert- und Weltvorstellungen geraten immer häufiger ins Wanken: ›Gut und Böse‹, ›Recht und Unrecht‹, ›Held und Anti-Held‹ sind nicht länger klar voneinander zu unterscheiden. Dieser von Instabilität, Uneindeutigkeit und Ambivalenz geprägten Welt verleiht Frank Miller Ausdruck, indem er mit Sin City eine »folienhafte Kunstwelt« (ebd., 108) kreiert, deren abstrakter darstellerischer Code in eine »vielfach ›unbestimmte‹ Art der Visualisierung« (ebd., 116) mündet. Abbildung 15: Desorientierung und Entgrenzung

Quelle: Frank Miller: The Customer is Always Right. In: Sin City. Booze, Broads, & Bullets. Milwaukie: Dark Horse Books 2005h, S. 31 (Bild links) sowie Frank Miller: Sin City. The Hard Goodbye. Milwaukie: Dark Horse Books 2005a, S. 11 (Bild rechts).

So führt beispielsweise Millers Gebrauch von negativen Flächen zu einer besonders starken Form der Zweidimensionalität, »die den Betrachter oft dazu zwingt, im zeichnerischen Kampf zwischen Schwarz und Weiß das Dargestellte erst einmal auszumachen« (Vorwerk 2005, o.S.). Vorder- und Hintergründe, schwarze und weiße Silhouetten, männliche und weibliche Charaktere 19 | Wie Bernd Dolle-Weinkauff in seinen Ausführungen verdeutlicht, knüpft Miller mit dem Einsatz einer »bis ins Aggressive gesteigerten Schwarz-Weiß-Graphik« (DolleWeinkauff 1998, 105) nicht nur an die Tradition des klassischen Film Noir, sondern auch an die Werke europäischer Comic-Avantgardisten an, die in den 1970er Jahren zu einer »Neukonstruktion des Comic-Krimis als graphic novel« (ebd.) beigetragen haben. Um den Comic für eine ältere Leserschaft attraktiv zu machen und sich von bereits etablierten, auf Harmonie und Klarheit setzenden Zeichenstilen (wie z.B. Hergés ›semirealistischer‹ ligne claire) zu distanzieren, greifen Comickünstler wie Jacques Tardi oder Guido Crepax in ihren Werken auf eine reduktionistische und gleichzeitig ambivalente Schwarzweiß-Ästhetik zurück.

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scheinen nahtlos ineinander überzugehen und evozieren dabei nicht nur ein Gefühl der Irritation und Desorientierung, sondern auch der Dekomposition und Entgrenzung (s. Abb. 15). Die unbestimmte und gleichsam abstrakte Art der Visualisierung wird zusätzlich durch die Verwendung besonders auffälliger Perspektiven und Einstellungen sowie durch das Fehlen detaillierter Hintergrundzeichnungen bestärkt. Infolgedessen lassen sich in Sin City diverse Szenen ausmachen, in denen Figuren – von ihrer Umgebung völlig losgelöst – vor einer scheinbar leeren, undefinierbaren Kulisse agieren (s. Abb. 16). Doch nicht nur die repräsentierten Räume weisen in Sin City einen gewissen Grad der Abstraktion oder besser gesagt der Deformation auf. Auch Gegenstände und Figuren scheinen in Millers Comic-Universum einen Prozess der ›unnatürlichen‹ Verzerrung zu durchlaufen (vgl. Dolle-Weinkauff 1998, 116). Abbildung 16: Räumliche Abstraktion

Quelle: Frank Miller: Sin City. That Yellow Bastard. Milwaukie: Dark Horse Books 2005d, S. 88 f.

In diesem Sinne stellen weder »bis beinahe zu Unkenntlichkeit in graphische Elemente zerlegte Porträts, mit Figuren und Gegenständen der Handlung zusammenfließende Onomatopöien« noch fragmentarische »Sequenzen von Nah- und Detailaufnahmen« (ebd., 108) in Sin City eine Ausnahme dar (s. Abb. 17). Darüber hinaus zählen »merkwürdig verschobene Körperproportionen«

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(ebd., 114) genauso zum zeichnerischen Repertoire von Frank Millers Sin City wie eine auf ein Minimum reduzierte, cartoonhafte Anatomie der repräsentierten Figuren (vgl. Russo 2007, 76). Chantal Russo bemerkt beispielsweise, dass bei der Figurendarstellung in Sin City oftmals »nur die Silhouetten und Partien der Gesichtszüge in Erscheinung [treten], als wäre nicht mehr als eine einzige Lichtquelle im Raum vorhanden. Auf diese Weise strahlen sie etwas Geheimnisvolles, Undurchsichtiges, zugleich aber auch Verlorenes aus. Die Rundungen der weiblichen Figuren bricht Miller auf wenige, zeichnerisch überhöhte Konturen herunter; die Männer sind muskulöse, breitschultrige Kampfmaschinen« (vgl. ebd.).

Abbildung 17: Der Text wird zum gestalterischen Bildelement

Quelle: Frank Miller: Sin City. The Hard Goodbye. Milwaukie: Dark Horse Books 2005a, S. 74.

Mit dem Akt der (abstrakten) Repräsentation ist in Sin City also stets ein Prozess der Entstellung, der Auslassung und der überzeichneten Reduktion ver-

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bunden, welcher den phantasmatischen Charakter des Gezeigten zur Schau stellt und damit gleichzeitig den Raum für Spekulationen sowie kritische Reflexionen öffnet 20. Denn genau wie die abstrakte, unbestimmte Art der Visualisierung ist auch die in Sin City repräsentierte Figurenwelt von Ambivalenz, Zwiespalt und Uneindeutigkeit geprägt. Abbildung 18: Ambivalente Männlichkeit(en)

Quelle: Frank Miller: Sin City. The Hard Goodbye. Milwaukie: Dark Horse Books 2005a, S. 131 (Bild links) sowie Frank Miller: Sin City. That Yellow Bastard. Milwaukie: Dark Horse Books 2005d, S. 23 (Bild rechts).

Dementsprechend handelt es sich beispielsweise bei Marv um einen hypermaskulinen tough guy, der trotz seiner beeindruckenden körperlichen Präsenz immer wieder mit Selbstzweifeln und Angstzuständen zu kämpfen hat (vgl. Miller 2005a, 83 sowie 131)21. Und auch bei dem alternden Polizisten Harti20 | So bemerkt auch der amerikanische Comicforscher Robert C. Harvey, dass es sich bei Frank Millers Sin City-Comics um »cunningly orchestrated omission« (Harvey 2002, 3) handelt. 21 | Marvs Hypermaskulinität wird ebenfalls durch die Tatsache unterminiert, dass er vor seiner Begegnung mit der Prostituierten Goldie noch nie eine intime Beziehung zu einer Frau hatte. So berichtet er Wendy auf Seite 157 des The Hard Goodbye-Comics: »She [Goldie] was nice to me. She gave me something I didn’t know existed. I wasn’t never even able to buy a woman, the way I look« (Miller 2005a, 157). Darüber hinaus

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gan (dem Protagonisten des Sin City-Comics That Yellow Bastard) handelt es sich um eine zwiespältige Figur, deren toughness im Laufe der Erzählung u.a. durch ein Herzleiden und wiederkehrende Panikattacken unterminiert wird (vgl. ebd. 2005d, 23 sowie 199). In beiden Fällen wird dieser in die Krise geratenen, ambivalenten Männlichkeit durch den Einsatz entsprechender voice overKommentare sowie durch die abstrakte Schwarzweiß-Ästhetik des Comics – genauer gesagt durch ein kontrastreiches Spiel von Licht und Schatten, von Zeigen und Verbergen – Ausdruck verliehen (s. Abb. 18). Ein weiterer Aspekt, welcher die Ambivalenz bzw. Uneindeutigkeit der in Sin City repräsentierten Figuren und der von ihnen verkörperten Geschlechterentwürfe unterstreicht, ist die fragmentarische Anordnung der einzelnen Comicepisoden. Denn in Sin City stehen nicht nur die einzelnen Panels in einem losen, sequenziellen Bezug zueinander, sondern auch die einzelnen Erzählstränge. Auf den ersten Blick ist beispielsweise kein chronologischer Zusammenhang zwischen den jeweiligen Sin City-Comics zu erkennen. Mit insgesamt sieben publizierten Einzelbänden kreiert Miller vielmehr eine aus Versatzstücken bestehende ›zentrifugale‹ und teilweise repetitive Erzählstruktur, welche den Leser bzw. die Leserin immer wieder mit Dissonanzen und irritierenden sowie überschneidenden Momenten konfrontiert (vgl. Dolle-Weinkauff 1998, 110 f.)22 . So taucht etwa der im ersten Sin City-Band (The Hard Goodbye) verstorbene Marv bereits im zweiten Band der Comicreihe (A Dame to Kill For) wieder auf. Und auch die Prostituierte Goldie, deren Leben (genau wie das von Marv) im ersten Teil der Sin City-Reihe ein jähes Ende findet, scheint in A Dame to Kill For wieder von den Toten auferstanden zu sein. Doch nicht nur einzelne Charaktere werden in Sin City auf wundersame Weise wieder zum Leben erweckt und erfahren so eine gewisse Art der (medial-diskursiven) Wiederholung und Vervielfältigung. Auch ganze Szenen werden im Rahmen des Sin City-Universums wiederholt, zitiert und neu aufgeführt. Auf Seite 146 des vierten Sin City-Bandes (That Yellow Bastard) wird beispielsweise eine Szene steht auch Marvs innige Beziehung zu seiner Mutter (vgl. ebd., 45 sowie 195) in einem direkten Kontrast zu der Figur eines souveränen, unabhängigen Helden. 22 | Innerhalb des ansonsten diffusen Sin City-Universums bildet beispielsweise Kadie’s Bar eine Art Knoten- oder auch Treffpunkt, an dem es immer wieder zu irritierenden Überschneidungen zwischen den verschiedenen Charakteren und Erzählsträngen kommt. In diesem Zusammenhang formuliert Frank Miller: »My citizens tend to bump into each other a lot across stories. Some of the characters come up with scenes of their own. Sometimes a scene will call for Shellie to walk in, and other times I’ll have a feeling that a scene I did before should happen in the background of a scene that I’m doing now to give you a sense of how all these characters interconnect. How if you walked into Kadie’s bar on a given day you could walk out at a different time, and into a completely different story« (Miller in Miller/Rodriguez 2005, 16 f.).

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gezeigt, in welcher der alternde Polizist Hartigan nach einem langjährigen Gefängnisaufenthalt auf die attraktive junge Tänzerin Nancy trifft. Die gleiche Szene lässt sich auf Seite 12 der Kurzgeschichte Just Another Saturday Night des Sammelbandes Booze, Broads, & Bullets wiederfinden (s. Abb. 19). Abbildung 19: Medial-diskursive Vervielfältigung

Quelle: Frank Miller: Sin City. That Yellow Bastard. Milwaukie: Dark Horse Books 2005d, S. 146 (Bild links) sowie Frank Miller: Just Another Saturday Night. In: Sin City. Booze, Broads, & Bullets. Milwaukie: Dark Horse Books 2005k, S. 12 (Bild rechts).

Dem performativen Prinzip der Differenz und Wiederholung folgend, wird die Szene hier allerdings in veränderter Form reproduziert sowie neu kontextualisiert: Während die innige Umarmung von Hartigan und Nancy in That Yellow Bastard im Vordergrund des Panels steht, rückt sie in Just Another Saturday Night in den bildlichen Hintergrund und wird von einem erstaunten, die Szene beobachtenden Marv kommentiert 23. Das Motiv der (verfehlten) Wiederholung bzw. Reproduktion wird in Sin City ebenfalls durch die Darstellung der Zwillingsschwestern Goldie und Wendy aufgegriffen (s. Abb. 20). Nachdem Marv zu Beginn der The Hard Goodbye-Erzählung schwört, den Tod seiner geliebten Goldie zu rächen, begegnet ihm eine zweite Frau, die Goldie zum Verwechseln ähnlich sieht. Bei dieser Frau handelt es sich um Wendy, Goldies Zwillingsschwester. Selbst nachdem das Rätsel um die Identität dieser mysteriösen femme fatale gelüftet ist, verwechselt Marv beide Schwestern aufgrund seines labilen psychischen Zustandes immer wieder miteinander und entlarvt ​ 23 | Das Prinzip der Differenz und Wiederholung wird innerhalb der Sin City-Comics ebenfalls durch sich stetig wiederholende und dabei gleichzeitig variierende bzw. neu kontextualisierte Textpassagen aufgegriffen. So wiederholt der alternde Polizist Hartigan im ersten Teil des That Yellow Bastard-Comics beispielsweise mehrmals die Aussage »Nancy Callahan. Age eleven« (Miller 2005d, 16, 31 und 34), um diese im zweiten Teil der Erzählung in veränderter Form – »Nancy Callahan. Age nineteen« (ebd., 136) – wiederzugeben.

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Abbildung 20: Das Motiv der (verfehlten) Wiederholung bzw. Reproduktion

Quelle: Frank Miller: Sin City. A Dame to Kill for. Milwaukie: Dark Horse Books 2005b, S. 142.

sie somit als woman24 – als offensichtliches Wunschprodukt seiner männlichen Fantasie. Indem Marvs Traumfrau sich auf mysteriöse Weise zu vervielfältigen scheint 25, bringt sie nicht nur die Vorstellung einer stabilen (Gender-)Identität,

24 | Zum Konzept der woman siehe auch Kapitel 2.5 (S. 71 ff.) der vorliegenden Arbeit. 25 | Dass es sich bei Goldie bzw. Wendy um ursprungslose, austauschbare Wunschobjekte handelt, wird zudem durch die Tatsache bestärkt, dass Marv beide Frauen wiederholt als angel, goddess oder perfect woman beschreibt (vgl. Miller 2005a, 13 sowie 196). Aber nicht nur der Wortlaut ähnelt bzw. wiederholt sich in diesen Szenen, sondern auch die visuelle Gestaltung der Panels: Aus extremer Vogelperspektive präsentiert Miller seinen Leser_innen die schwarze bzw. weiße Silhouette eines eng umschlungenen Paares, welches vor einem völlig leergefegten Hintergrund zu schweben scheint (vgl. ebd.).

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sondern auch die Illusion eines Originals, eines wie auch immer gearteten natürlichen oder fixen Ursprungs ins Wanken26. Abbildung 21: Idealisierte Vorstellung von Weiblichkeit

Quelle: Frank Miller: Sin City. That Yellow Bastard. Milwaukie: Dark Horse Books 2005d, S. 134 f.

Genau wie bei Wendy bzw. Goldie handelt es sich auch bei der bereits erwähnten Nancy um eine weitere weibliche Figur, welche aufgrund ihrer zahlreichen narrativen sowie visuellen Vervielfältigungen im Rahmen der Sin City-Comics als Traumfigur – also als ursprungslose bzw. imaginierte sowie idealisierte Vorstellung von Weiblichkeit entlarvt wird. Als exotische, leicht bekleidete Tänze26 | Ein weiterer Charakter, welcher sich durch das Motiv der Verdoppelung bzw. (verfehlten) Wiederholung und damit auch durch das Fehlen einer stabilen (Gender-)Identität kennzeichnet, ist Dwight McCarthy. Dieser verändert im Verlauf der Comicreihe nicht nur seine Identität (von einem begabten Fotografen zu einem gesuchten Mörder), sondern erhält dank eines chirurgischen Eingriffs auch eine neue äußere Erscheinung. Ein ähnliches Schicksal widerfährt der Figur des perversen Killers Roark Junior aus dem Sin City-Comic That Yellow Bastard: Nach einer lebensgefährlichen Verletzung (die ihm von Hartigan zugefügt wird) muss sich Roark Junior einer Reihe medizinischer Verfahren unterziehen, welche diverse Nebenwirkungen mit sich bringen und ihn zu dem monströsen Yellow Bastard mutieren lassen.

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rin, welche die faszinierten Blicke der männlichen Besucher in Kadie’s Bar in zahlreichen Sin City-Comics auf sich zieht, scheint es sich bei Nancy zunächst um die perfekte Verkörperung des erotischen, weiblichen Voyeur-Objektes zu handeln (s. Abb. 21). Aufgrund der wiederholten abstrakten Inszenierung der Figur, wird der konstruierte Charakter dieses stereotypen Rollenbildes allerdings offen reflektiert. So wirkt z.B. Nancys Cowgirl-Kostüm, welches sie im Rahmen ihrer Auftritte trägt, wie eine theatralische Verkleidung bzw. Maskerade. Den Ausführungen von Judith Butler folgend, kann die Strategie der Maskerade »als Komödie der sexuellen Positionen« (Butler 1991, 83) verstanden werden, welche mit Hilfe einer übertriebenen Darstellung »die Kennzeichen des eigenen Geschlechts« (ebd., 84) zur Schau stellt. Wie Dagmar von Hoff bemerkt, können geschlechtliche Zuschreibungsprozesse so nicht nur sichtbar gemacht, sondern im Rahmen einer performativen Aufführung auch kritisch in Frage gestellt werden (vgl. von Hoff 2005, 173). In diesem Sinne kann »[j]edwede Geschlechtsidentität […] grundsätzlich als Maskerade, als Verkleidungsspiel und damit als permanente Nachahmung eines nicht vorhandenen Originals gelten – wobei der Zusammenhang von Geschlecht und Maskerade in unterschiedlichen Kulturkreisen zwischen kulturellen Inszenierungspraktiken und verschiedenen Formen der theatralen Repräsentation angesiedelt ist. Das Spiel mit dem Fetisch erweist sich als Spiel mit Rollenstereotypen und macht deutlich, dass ›Geschlecht‹ letztlich bloß eine teils schrille, teils subtile Maskerade ist« (ebd.).

Neben Nancys theatralischer Maskerade trägt auch Millers abstraktes Schwarzweiß-Konzept zu einer subversiven Reflexion repräsentierter Geschlechterrollen bei. Indem der Comickünstler der Darstellung seiner Figur häufig seitengroße Panels (manchmal sogar ganze Doppelseiten) widmet, scheint Miller den Leser bzw. die Leserin zu einer anhaltenden, voyeuristischen Betrachtung von Nancys tanzendem Körper geradezu aufzufordern27. Ironischerweise bleibt den Rezipient_innen jedoch genau dieser voyeuristische Blick aufgrund der reduktionistischen Schwarzweiß-Ästhetik – welche Nancys Körper immer wieder in tiefe Schatten (oder grelles Licht) hüllt – verwehrt (s. Abb. 22)28. Aber nicht nur Nancys Körper, auch ihr Gesicht bleibt dem Blick des Lesers bzw. der Leserin in Millers Darstellungen oftmals verborgen. Zudem wird Nancy im Verlauf der verschiedenen Sin City-Erzählstränge zwar als besonders begehrenswert, gleichzeitig aber auch als unnahbar beschrieben. Genau wie Goldie 27 | Durch die Größe und Anordnung der Panels wird die Lesegeschwindigkeit verlangsamt und der Lesefluss unterbrochen, da der Rezipient bzw. die Rezipientin gezwungen wird, einen Augenblick innezuhalten und auf der jeweiligen Seite zu verweilen. 28 | Die Abstraktion dieser Szene wird zudem durch die Tatsache bestärkt, dass Nancy hier vor einem scheinbar völlig leeren, schwarzen Hintergrund zu schweben scheint.

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und Wendy wird also auch die attraktive Tänzerin Nancy in Sin City zu einer idealisierten Frau (woman), zu einem diskursiven Fantasieprodukt ohne Referenz an eine wie auch immer geartete außer-mediale Wirklichkeit stilisiert. Abbildung 22: Verwehrung des voyeuristischen Blicks

Quelle: Frank Miller: Sin City. The Hard Goodbye. Milwaukie: Dark Horse Books 2005a, S. 52.

Die Referenzlosigkeit bzw. Selbstbezüglichkeit der in Sin City verwendeten Zeichen und repräsentierten Figuren wird im Rahmen der einzelnen Comics auch durch den Einsatz zahlreicher parodistischer Verweise und ironischer Anspielungen verdeutlicht. So trägt etwa der psychopathische Killer Kevin in The Hard Goodbye einen Pullover, dessen gezacktes Linienmotiv an Charlie Brown, der berühmten Figur aus Charles M. Schulz’ humoristischen Peanuts-Comics (1950-2000), erinnert (vgl. Gravett 2005, 122). Mit dem Einsatz leuchtend gelber Farbe und der Präsentation einer bis ins Groteske gesteigerten kahlköpfi-

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gen Figur mit Segelohren schafft Miller in That Yellow Bastard zudem einen ironisch-selbstreferenziellen Verweis auf Richard F. Outcaults berühmte Yellow Kid-Figur29 und damit ebenso auf das Medium Comic und dessen Entwicklungsgeschichte30. Aber auch Millers eigene Werke finden Einzug in das betont medial-diskursive Universum der Sin City-Comics. In The Hard Goodbye muss sich Marv beispielsweise mit Weevil, einem heruntergekommenen Wolverine look a like, herumschlagen (vgl. Miller 2005a, 54)31. Einen ironischen Verweis auf Millers The Dark Night Returns-Comic bietet dagegen die Darstellung einer Batman-Tätowierung in A Dame to Kill For (vgl. ebd 2005b, 133). In Hell and Back, dem letzten Band der Sin City-Reihe, erfolgt sogar ein noch expliziterer Rückgriff auf Millers Figurenrepertoire: Im Drogenrausch erscheint dem Protagonisten Wallace nicht nur Martha Washington32, sondern auch Itto Ogami, die Hauptfigur aus Lone Wolf and Cub (1970-1976), einer Manga-Reihe, für die Miller Ende der 1980er Jahre verschiedene Cover-Zeichnungen anfertigt33. Wie bereits an anderer Stelle verdeutlicht wurde34, wird mit dieser vielschichtigen und zumeist ironischen Wiederholung bzw. Wiederaufführung des eigenen Mediums nicht nur auf die grundlegende performative Struktur des Comics aufmerksam gemacht, sondern gleichzeitig auch »der Anspruch 29 | Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit Richard F. Outcaults Yellow Kid-Figur siehe u.a. Jens Balzer/Lambert Wiesing: Outcault. Die Erfindung des Comic. Essen: Bachmann 2010. 30 | Ein weiterer selbstreferenzieller Verweis auf das Medium Comic und dessen Entwicklungsgeschichte findet sich zu Beginn des Sin City-Comics Hell and Back. Hier taucht ein zwielichtiger Arzt auf, welcher den bedeutungsschweren Namen Doctor Fredric trägt (vgl. Miller 2005g, 26). Dieser kann als Anspielung auf den deutschstämmigen Psychologen und polemischen Comickritiker Fredric Wertham verstanden werden. 31 | Bevor Miller 1990 zu dem unabhängigen Verlagshaus Dark Horse wechselt – wo er, im Vergleich zu den meisten seiner vorherigen Arbeiten, ein hohes Maß an künstlerischer Freiheit genießt (vgl. Platthaus 2005a, o.S.) –, arbeitet er bereits in den späten 1970er Jahren für die Verlagshäuser DC und Marvel. Für Marvel kreiert er u.a. (gemeinsam mit Chris Claremont) die nach ihrem Titelheld benannte Miniserie Wolverine (1982). 32 | 1990 veröffentlicht Dark Horse zum ersten Mal eine Arbeit von Frank Miller, und zwar ein gemeinsames Werk von Miller und Dave Gibbons mit dem Titel Martha Washington: Give me Liberty (vgl. http://www.darkhorse.com/company/timeline.php). 33 | Die innerhalb der Drogenrausch-Szene präsentierten Comic- und populärkulturellen Referenzen beschränken sich nicht nur auf Martha Washington und Itto Ogami. Miller präsentiert seinen Leser_innen hier u.a. auch einen expliziten Verweis auf seine 300-Comicserie (1998), auf die berühmte Superhelden-Figur Captain America, sowie auf die Actionfilme R obocop 2 (USA 1990) und R obocop 3 (USA 1993), für die Miller als Drehbuchautor fungiert (vgl. Miller 2005g, 184 ff.). 34 | Siehe hierzu auch Kapitel 2.4 (S. 60 ff.) der vorliegenden Arbeit.

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einer ursprünglichen Geschichte parodiert« (Frahm 2010, 46). Indem das Medium sich selbst als solches widerspiegelt, wird die Künstlichkeit, das ›Gemacht-Sein‹ des Gezeigten nicht verdeckt, sondern reflektiert und gezielt hervorgehoben. Infolgedessen erhebt auch die Repräsentation der dargestellten Figuren sowie der Welt, in der sie sich bewegen, keinerlei Anspruch mehr auf Authentizität oder Realitätsnähe. Die stilisierte, hypermediale Beschaffenheit des Sin City-Universums bringt vielmehr eine verfehlte bzw. deformierte Remedialisierung stereotyper Darstellungskonventionen und Visualisierungsmechanismen mit sich, welche den fiktiven Charakter der repräsentierten Geschlechterrollen thematisiert und dekonstruiert. Mit der filmischen Wiederaufführung von Frank Millers Comic Noir-Universum wird diesem Paradigma der hypermedialen bzw. parodistischen Selbstbezüglichkeit eine weitere Ebene hinzugefügt, die es in Bezug auf die subversive (Re-)Medialisierung von Geschlecht zu analysieren gilt.

3.2 V on C omic und F ilm zum C omicfilm Seit ihrem Erscheinen im Jahr 2005 gilt die Leinwandversion von Frank Millers Sin City-Comics als unübertroffen ›authentische‹ Adaption einer grafischen Vorlage. So bemerkt Jörn Ahrens, dass »der Film dem Comic auf ganz erstaunliche Weise [ähnelt], ganz so als sei er dessen Blaupause« (Ahrens 2011, 85). Und auch Frank Plowright weist darauf hin, dass eine Comicverfilmung selten ihrer Vorlage so sehr entsprochen hat, wie Sin City (vgl. Plowright 2011, 596). Für den Autor und Filmkritiker Georg Seeßlen handelt es sich bei Sin City sogar um »eine Fortsetzung des Comics mit Mitteln des digitalen Films« (Seeßlen 2005a, o.S.). Daher verwundert es auch nicht, dass Robert Rodriguez – der Regisseur des Films – erklärt, er habe mit Sin City mehr als eine bloße Verfilmung der Comicvorlage schaffen wollen: »Now, knowing what I know about effects and lighting, I started looking at it differently. Instead of trying to turn it [Millers Sin City] into a movie that would be terrible, let’s take cinema and try to make it into this book. […] Using the technology that I know how to use – technology, and lighting, and effects – we can make it look and feel like the original comics. Instead of adapting the comic to cinema, we can turn it around, and bring the comic to life, and really just translate it to the screen« (Rodriguez in Miller/ Rodriguez 2005, 19).

Im Vergleich zu anderen Produktionen handelt es sich bei Sin City also nicht um eine klassische filmische Adaption, sondern vielmehr um den Versuch einer detailgetreuen Übersetzung der grafischen Vorlage in das Medium Film. Die Voraussetzung für diese intermediale Übersetzung bilden technische

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Rahmenbedingungen, wie etwa Entwicklungen im Bereich der digitalen Filmtechnik oder Computeranimation, welche den Transfer formal-ästhetischer Aspekte von einem Medium zum anderen – in diesem Fall vom Medium Comic zum Medium Film – erst möglich machen und so die bereits bestehenden Repräsentationsmöglichkeiten des Films erweitern. Bei der filmischen Übersetzung von Frank Millers Sin City-Universum werden technische Mittel also dazu genutzt, das Medium Film dem grafischen Konzept des Mediums Comic anzugleichen – und nicht umgekehrt. Mit Hilfe digitaler Bearbeitungsmittel gelingt es dem Film, die Bildsprache des Comics anzunehmen: »All dessen Ausdrucksmittel – gekippte Perspektiven, übertriebene Beleuchtung und unmotivierte Schatten, verschwimmende Hintergründe – gelangen zur Anwendung« (Rodek 2005, o.S.). Genauer gesagt bringt der innovative Einsatz digitaler Technik im Falle von Sin City eine nahezu beliebige Manipulierbarkeit des filmischen Materials mit sich. In diesem Sinne stellt die Digitalisierung der einzelnen Produktionsabläufe für das Medium Film »einen Befreiungsschlag ungeheuren Ausmaßes dar, […] sie hebt jeglichen Bezug zur Realität auf und ermöglicht es, Bilder zu erschaffen, die nur noch von der Vorstellungskraft des Filmemachers begrenzt werden« (Gierke 2000, 67). Was zuvor lediglich im grafischen Medium Comic möglich war, ist nun auch im technischen Medium Film darstellbar. Neben dem innovativen Einsatz digitaler Filmtechnik spielt auch die enge Zusammenarbeit zwischen Robert Rodriguez und Frank Miller eine zentrale Rolle für die authentische filmische Übersetzung der grafischen Vorlage35. Mit seinen Sin City-Comics liefert Miller nicht nur die inhaltliche sowie formalästhetische Grundlage für die Produktion, sondern übernimmt auch gleichzeitig die Rolle des Co-Regisseurs36. Darüber hinaus wird bei der Produktion des Films bewusst auf eine Drehbuchadaption der Sin City-Comics verzichtet. Stattdessen dienen Millers Zeichnungen, die wie ein Storyboard genutzt wer35 | Neben The Hard Goodbye, That Yellow Bastard und The Big Fat Kill dient auch die Kurzgeschichte The Customer is Always Right aus dem Sin City-Band Booze, Broads, & Bullets als Grundlage für die filmische ›Übersetzung‹ von Frank Millers Sin City. Zudem fertigt Miller im Rahmen der Dreharbeiten eine grafische ›Vorlage‹ für den Epilog des Films sowie für einzelne Bildübergänge an (vgl. Rauscher 2009a, 38 sowie Russo 2007, 79). 36  |  Millers Verpflichtung als Co-Regisseur verläuft nicht ganz problemlos. Die Director’s Guild of America (DGA) weigert sich, Miller als gleichberechtigten Regisseur neben Rodriguez anzuerkennen, woraufhin Letzterer beschließt, die DGA zu verlassen. Darüber hinaus verpflichtet Rodriguez noch einen weiteren Regisseur für die Produktion von S in C it y. Bei diesem special guest director handelt es sich um Quentin Tarantino, welcher aufgrund diverser gemeinsamer Produktionen als alter Bekannter von Robert Rodriguez gilt (vgl. Miller/Rodriguez 2005, 146).

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den, als ›Original‹-Drehbuch für die Filmversion (vgl. Booker 2007, 159)37. Um eine möglichst ›werktreue‹ Übersetzung des außergewöhnlichen grafischen Konzeptes von Frank Millers Sin City-Comics gewährleisten zu können, werden die filmischen Aufnahmen im Rahmen der Post-Produktion mit Hilfe einer speziellen Kamera direkt auf die jeweiligen Zeichnungen übergeblendet und dementsprechend digital aufgearbeitet (s. Abb. 23). Darüber hinaus wird der gesamte Film mit Hilfe des so genannten green screen-Verfahrens digital gefilmt. Im Rahmen dieses Verfahrens agieren die Schauspieler_innen eines Films nicht mehr länger an realen Schauplätzen, sondern in digital generierten Kulissen. Genauer gesagt »agieren die Schauspieler vor einem einfarbigen Hintergrund, der in der Nachbearbeitung durch die Kulisse ersetzt wird. Als Hintergrund dient eine der additiven Grundfarben: Je nach Farbe unterscheidet man die Blue Screen (auch Blue Box) und die Green Screen« (Gierke 200, 115-116).

Betrachtet man den Film in seiner All Green Screen Version, die als specialfeature auf der Sin City-Blu-Ray Disc (vgl. Sin City. Blu-Ray Recut XXL-Edition, 2009) vorzufinden ist, ist festzustellen, dass für die Produktion des Films tatsächlich nur zwei real existierende Kulissen verwendet werden38. Dabei handelt es sich zum einen um Kadie’s Bar39, welche speziell für den Dreh des Films nachgebaut wurde, und zum anderen um ein Krankenhaus, welches den Schauplatz für den Epilog des Films liefert. Bei den restlichen Kulissen handelt

37 | Im Gegensatz zu anderen Verfilmungen – wie z.B. Daredevil (USA 2003) oder E lektra (USA 2005) –, die ebenfalls auf Millers Arbeiten beruhen, wird die tragende Rolle des Comickünstlers für die Produktion mit Hilfe des Filmvorspanns betont, da hier nicht nur der in roten Lettern gehaltene Schriftzug »Sin City« den Titel des Films konstituiert, sondern auch der explizite Zusatz, dass es sich bei der Filmversion – genau wie bei der zugrunde liegenden Comicreihe – um »Frank Miller’s Sin City« handelt. 38 | Ein weiterer Aspekt, der durch die A ll G reen S creen V ersion des Films zum Vorschein kommt, ist die Tatsache, dass sich die meisten Schauspieler_innen während der Dreharbeiten zu S in C it y gar nicht persönlich begegnen, sondern ihre gemeinsamen Szenen erst in der filmischen Nachbearbeitung digital zusammengefügt werden. 39 | Genau wie im Comic handelt es sich auch bei dem filmischen Pendant von Kadie’s Bar um einen Knoten- bzw. Treffpunkt, an dem sich die drei Haupterzählstränge von S in C it y für kurze Zeit kreuzen. Neben der Bar bilden die Kellnerin Shellie (Brittany Murphy) und die exotische Tänzerin Nancy (Jessica Alba) bzw. ihre medial-diskursiven Vervielfältigungen einen zusätzlichen Schnittpunkt zwischen den ansonsten verbindungslosen Protagonist_innen bzw. Erzählsträngen.

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Abbildung 23: Einsatz digitaler Bearbeitungsmittel

Quelle: Filmstills aus R obert R odriguez 15 M inute F lic S chool . In: S in C it y. B lu -R ay R ecut XXL-E dition . Walt Disney Studios Home Entertainment 2009.

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es sich um digital generierte Schauplätze, die – genau wie die übrige filmische Ausstattung40 – mit ihrer betonten Künstlichkeit bzw. ihrem offensichtlichen ›Gemacht-Sein‹ maßgeblich zu der hyperrealen Comicästhetik des Sin CityUniversums beitragen41. Wie die meisten Aspekte der Ausstattung bzw. des Produktionsdesigns 42 wird auch die kontrastreiche Schwarzweiß-Ästhetik von Sin City sowie die expressive Ausleuchtung des Films erst nachträglich, d.h. im Rahmen der PostProduktion digital generiert: »Sin City was all shot in color. […] Once we got the plates in, the team started doing rough composites; turning them black and white, getting the contrast levels right […]. Then it was just a matter of getting the actors integrated with the CG [Computer Graphic] backgrounds we were designing« (Miller/Rodriguez 2005, 24).

Obwohl der Film im Vergleich zum Comic über mehr Grautöne und Schattierungen verfügt43, gelingt es dem Produktionsteam dennoch mit Hilfe digitaler Nachbearbeitung extrem ungewöhnliche Lichtverhältnisse und Hell-DunkelKontraste zu kreieren, welche die abstrakte Bildsprache von Frank Millers 40 | Bei der filmischen Ausstattung handelt es sich um einen Sammelbegriff, welcher »die für die Filmaufnahme notwendigen, zusammengetragenen oder angefertigten Bauten, Dekorationen, Kostüme und Requisiten zusammenfaßt« (Ofenloch 2007, 75). 41 | In seinem Buch Film Noir. From Berlin to Sin City weist Mark Bould darauf hin, dass die betont künstlich wirkende Ästhetik von S in C it y nicht ausschließlich aus der hypermedialen Wiederaufführung comicspezifischer Charakteristika resultiert, sondern auch aus der Tatsache, dass innerhalb der filmischen Inszenierung analoge Effekte mit Hilfe digitaler Technik remedialisiert werden: »In many spectacle-driven movies, computergenerated imagery (CGI) is utilised to show everything, to render entire worlds visible […]. But this impulse is frequently denied in Sin City as it uses digital technology to recreate analogue effects. For example, in the opening vignette, which is set on a roof terrace high over the city, the background is often out of focus behind the sharp foreground images of the actors. Similarly, when Hartigan drives to the waterfront to rescue young Nancy, he does so in front of a digitally created backdrop which looks like an oldfashioned back-projection« (Bould 2005, 113). 42 | Unter der Bezeichnung Produktionsdesign wird in der Regel »das visuelle Konzept, welches in der Ausstattung des jeweiligen Films aufgeht beziehungsweise sich in ihm widerspiegelt« (Ofenloch 2007, 75) zusammengefasst. 43 | Wenngleich in S in C it y laut Robert Rodriguez (und im Vergleich zu herkömmlichen Schwarzweiß-Produktionen) ›mehr Schwarz‹ verwendet wird, muss der Film, im Gegensatz zu der im Comic präsentierten kontrastreichen Schwarzweiß-Ästhetik, auf unterschiedliche Grautöne und Schattierungen zurückgreifen, um ein dem Medium Film entsprechendes plastischeres Bild zu erhalten (vgl. Miller/Rodriguez 2005, 24).

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Zeichnungen aufgreifen und so zu einer stilistischen Überhöhung des Gezeigten beitragen. Höhepunkt dieser stilistischen tour de force stellt sicherlich die filmische Imitation der so genannten weißen Silhouette dar (s. Abb. 24) – einer digital generierten Umkehrung des filmischen Bildes vom Positiv ins Negativ (vgl. Platthaus 2005a, o.S.). Abbildung 24: Digitale Umkehrung des filmischen Bildes vom Positiv ins Negativ

Quelle: Filmstill aus S in C it y. B lu -R ay R ecut XXL-E dition . Walt Disney Studios Home Entertainment 2009.

Ein weiteres formal-ästhetisches Charakteristikum der Sin City-Comics, welches mit digitalen Bearbeitungsmitteln auf die Kinoleinwand transportiert wird, ist der gezielte Einsatz monochromer Farbeffekte. Mit Hilfe der so genannten colorkey-Technik44 werden verschiedene Elemente, wie z.B. Kleidungsstücke, Blut oder einzelne Körperteile (Augen oder Lippen) leuchtend eingefärbt (s. Abb. 25). Diese punktuelle Farbmanipulation – welche im Film deutlich häufiger vorkommt als im Comic – führt in der ansonsten schwarzweißen Ästhetik von Sin City zu einer selbstreflexiven Stilisierung des Gezeigten, da den Zuschauer_innen durch die gezielte Nachkolorierung einzelner Elemente das abstrakte sowie künstliche SchwarzweißSein des Filmmaterials immer wieder vor Augen geführt wird. Die betonte Stilisierung des Gezeigten erfolgt in Sin City ebenfalls durch den Einsatz 44 | Bei dem colorkey-Verfahren handelt es sich um ein digitales Bildbearbeitungsverfahren. »Der Colorkey-Effekt ist ein beliebtes Stilmittel, um bestimmte Objekte im Bild herauszustellen. Hierbei werden alle Pixel, bis auf einen bestimmten Farbbereich, in Graustufen umgerechnet« (Wulf 2008, 8).

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reduzierter Kamerabewegung. Denn obwohl mit der filmischen Übersetzung der statischen Comicbilder zwangsläufig eine Dynamisierung des präsentierten Materials einhergeht, weist Sin City im Vergleich zu anderen Produktionen eine vergleichsweise statische Qualität auf, welche die visuelle Referenz des Films auf das Medium Comic zusätzlich verstärkt (vgl. Würbel 2008, 53). Die Nähe zum statischen Bild des Comics wird ebenfalls durch die Präsentation reduzierter bzw. verlangsamter Figurenbewegung unterstrichen. Dementsprechend lassen sich innerhalb der filmischen Inszenierung immer wieder Szenen ausmachen, in denen einzelne Bewegungsabläufe wie in Zeitlupe dargestellt werden45. Abbildung 25: Gezielter Einsatz monochromer Farbeffekte

Quelle: Filmstill aus S in C it y. B lu -R ay R ecut XXL-E dition . Walt Disney Studios Home Entertainment 2009.

Aber nicht nur die Figuren und ihre Bewegungen erscheinen – einer überzeichneten Pose gleich – in Sin City seltsam eingefroren. Auch die einzelnen Kulissen und settings wirken innerhalb des Sin City-Universums oftmals wie erstarrt. Dabei wird die statische Qualität des filmischen Bildes durch die Verwendung unnatürlich anmutender Windeffekte zusätzlich bestärkt. So sorgt beispielsweise der permanente Einsatz von Ventilatoren (selbst in geschlosse45 | Zu Beginn des The H ard G oodbye-Erzählstrangs werden beispielsweise die Bewegungen des schwimmenden Marv extrem verlangsamt dargestellt. Ein weiteres Beispiel für die statische Qualität des filmischen Bildes lässt sich in That Yellow B astard ausmachen, wenn die Figur der jungen Nancy wie in Zeitlupe an Hartigan vorbeizuziehen scheint.

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nen Räumen) für stetig wehende Haare und Kleidungsstücke. Diese weisen die Zuschauer_innen nicht nur auf die reduzierte Dynamik der repräsentierten Bilder hin, sondern tragen auch dazu bei, die jeweiligen Figuren von ihrer leblosen, statischen Umgebung abzugrenzen. Ein weiterer Aspekt, der zur Abgrenzung bzw. Isolierung der einzelnen Figuren in Sin City beiträgt, ist die Darstellung stilisierter Schlagschatten und besonders scharfer Umrisse (s. Abb. 26). Wie bereits an anderer Stelle beschrieben wurde46, stellt der Umriss bzw. die Kontur ein wesentliches Kennzeichen der Figur im Comic dar. Durch die Kontur wird die Comicfigur von ihrer Umgebung abgehoben und für den Rezipienten bzw. die Rezipientin als eigenständige Figur erkennbar. Gleichzeitig lässt eine klar definierte Kontur die Comicfigur eindimensional und besonders flach wirken. Dasselbe Phänomen ist auch in Sin City zu beobachten. Hier sind es allerdings nicht die von realen Schauspieler_innen verkörperten Figuren, sondern ihre digital generierten Schatten, welche eine bemerkenswert scharfe Konturierung aufweisen und die entsprechenden Figuren als überzeichnete (bzw. reduzierte), comichafte Charaktere kenntlich machen. Abbildung 26: Scharfe Konturierung comihafter Charaktere

Quelle: Filmstill aus S in C it y. B lu -R ay R ecut XXL-E dition . Walt Disney Studios Home Entertainment 2009.

Die Tatsache, dass es sich bei den in Sin City repräsentierten Figuren nicht etwa um vermeintlich ›reale‹ Menschen, sondern vielmehr um maskenhafte Charaktere handelt, die als Referenz auf (medial etablierte) stereotype Muster lesbar sind, wird ebenso durch den Vorspann des Films betont, da hier die 46 | Siehe hierzu Kapitel 2.3 (S. 55) der vorliegenden Arbeit.

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Namen der mitwirkenden Schauspieler_innen parallel zu den jeweiligen Comicporträt-Zeichnungen ihrer entsprechenden Leinwandfiguren erscheinen. Insgesamt wird bei der Besetzung von Sin City streng darauf geachtet, dass die Physiognomien der ausgewählten Schauspieler_innen den von Frank Miller entworfenen Comicfiguren entsprechen. Abweichungen im Erscheinungsbild zwischen Comic- und Filmfigur werden mit aufwendigem Make-up bzw. Masken und digital generierten Effekten ausgeglichen: »[T]he actors of Sin City – virtually the only ›real‹ things in the film – are themselves processed through a panoply of extreme makeup, outrageous prostheses, over-thetop costumes, and after-the-fact digital enhancements before they appear in the Film« (Booker 2007, 162).

Als psychopathischer Killer Kevin erhält beispielsweise Elijah Wood eine auffällig markante, digital generierte Kinnpartie. Und auch das Aussehen von Mickey Rourke (alias Marv) und Nick Stahl (alias Yellow Bastard) muss mit Hilfe verschiedener Prothesen und digitaler Verfremdung an das exaltierte Erscheinungsbild ihrer Comicäquivalente angepasst werden (vgl. Miller/Rodriguez 2005, 103 ff.). Genau wie die visuelle Verfremdung spielt auch die auditive Ebene eine wesentliche Rolle für die exaltierte Darstellung der einzelnen Charaktere. Denn Sin City übernimmt nicht nur das abstrakte grafische Konzept, sondern auch die bis ins Extrem überhöhten hard-boiled-Texte der Comicvorlage (vgl. Booker 2007, 163). Den Darstellungskonventionen des Film Noir folgend, werden die besonders knappen, monotonen Texte der Sin City-Reihe u.a. in Form auffällig klischeehafter und oftmals redundant wirkender voice over-Kommentare remedialisiert (vgl. Pizzino 2008, 118). Als redundant lässt sich auch die narrative Struktur von Sin City beschreiben. Die ›zentrifugale‹ Erzählstruktur der​Comicreihe aufgreifend, präsentiert Sin City seinen Zuschauer_innen eine aus mehreren individuellen Handlungssträngen bestehende episodische und teilweise repetitive bzw. zirkuläre narrative Struktur. Dabei scheint das performative Prinzip der Rekursion und Wiederholung, genauer gesagt das Phänomen des loops, eine entscheidende Rolle zu spielen. Laut Jared Gardner handelt es sich bei den einzelnen Episoden bzw. Erzählsträngen des Films schlichtweg um Variationen einer sich stetig wiederholenden Grundhandlung: »Rodriguez and Miller make no attempt to hide the fact that each version of the story they tell is essentially the same story: frame-up, chivalry, revenge, rebirth, martyrdom« (Gardner 2012, 186)47. Demgemäß scheint nicht nur der Epilog eine 47 | Laut Jared Gardner wird die episodische und teilweise repetitive narrative Struktur des S in C it y -Universums durch die DVD-Version des Films zusätzlich bestärkt (vgl. Gardner 2012, 190 f.). Dank der DVD kann der Film – völlig unabhängig von dessen Vor-

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veränderte Wiederaufführung des Prologs zu sein48, auch die beiden Teile des That Yellow Bastard-Erzählstrangs49 wirken wie zwei Variationen derselben Handlung. Während es im ersten Teil der Erzählung die erst elfjährige Nancy (Makenzie Vega) ist, die von dem alternden Polizisten Hartigan (Bruce Willis) aus den Fängen des pädophilen Killers Roark Junior (Nick Stahl) befreit werden muss, ist es im zweiten Teil der Handlung ihr neunzehnjähriges Alter Ego, welches dem perversen Yellow Bastard zum Opfer fällt und erneut Hartigans Rettung bedarf50. Mit der zirkulären Wiederaufführung sich wiederholender (basaler) Versatzstücke in differenter Kombination greift Sin City nicht nur bewusst die serielle Ästhetik sowie performative Grundstruktur des Comics auf, sondern distanziert sich gleichzeitig auch von der als normativ geltenden linearen Erzählweise des traditionellen Hollywood-Mainstream-Kinos51. Darüber hinaus entsagen die in Sin City remedialisierten Geschichten nicht nur dem Hollywood typischen happy ending, sondern verzichten teilweise sogar ganz auf jegliche Art der narrativen Auflösung. So endet der Prolog des Films, der wie eine romantische Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonist_innen führung im Kinosaal – fortwährend rezipiert bzw. reproduziert werden. Darüber hinaus erhält der Zuschauer bzw. die Zuschauerin die Möglichkeit, den Film jederzeit stoppen bzw. unterbrechen zu können: »[The] individual frames can be frozen and zoomed for infinite dissections; films can be broken down for frame-by-frame analyses; movies can be ripped, reedited, watched out of order, remixed and (most terrifying for all the film industry) recirculated« (ebd., 182). Mit dieser neuen Art der repetitiven und gleichsam fragmentierten Rezeptionsweise nähert sich der Film der auf dem Prinzip der Differenz und Wiederholung basierenden rekombinierenden Re-Lektüre des Comics an (vgl. Kapitel 2.4 (S. 65 ff.) der vorliegenden Arbeit). 48 | Im Prolog des Films wird die von Mary Shelton verkörperte Kundin von einem anonymen Killer (Josh Hartnett) erschossen. Im Epilog des Films taucht die Figur des anonymen Killers wieder auf und lauert der Prostituierten Becky (Alexis Bledel) auf. 49 | Im Film wird der auf dem vierten Sin City-Band (That Yellow Bastard) basierende Erzählstrang nicht durchgängig wiedergegeben, sondern von den zwei weiteren Erzählsträngen des Hauptteils (The H ard G oodbye und The B ig Fat K ill) unterbrochen. 50 | Genau wie im Comic wird der déjà-vu-Effekt dieser narrativen Doppelung zusätzlich durch die sich wiederholenden voice over-Kommentare des alternden Polizisten Hartigan sowie durch die Doppelung des perversen Killers Roark Junior (alias Yellow Bastard) bestärkt. 51 | In diesem Zusammenhang kann von einer »ästhetischen Norm [des] linearen Erzählens« (Röwekamp 2003, 26) im Hollywood-Mainstream-Kino gesprochen werden. In der Regel ist also eine klare, lineare und chronologische double plot structure innerhalb des narrativen Hollywood-Kinos zu beobachten, welche in Form einer Ursache-WirkungKette angeordnet ist (vgl. Bordwell 1995, 156).

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beginnt, mit der Ermordung der so genannten ›Kundin‹ (Marley Shelton). Dagegen deutet der Epilog des Films die kommenden Ereignisse nur noch an und lässt die verstörten Zuschauer_innen mit einem abrupten offenen Ende im Kino zurück. Die beiden Erzählstränge, die auf den Sin City-Comics That Yellow Bastard und The Hard Goodbye basieren, enden sogar mit dem Tod der jeweiligen (männlichen) Protagonisten. Bei dem dritten Erzählstrang (welcher auf den Comic The Big Fat Kill zurückgeht) scheint ein happy ending zumindest möglich zu sein, allerdings endet auch diese Geschichte, ohne den Zuschauer_innen eine hundertprozentige narrative Auflösung zu präsentieren. Genauso rätselhaft wie das Ende der jeweiligen Erzählstränge gestaltet sich auch deren Anfang und strukturelle Anordnung. Wie Chantal Russo bemerkt, läuft der narrative Spannungsbogen der präsentierten Erzählungen »jenem traditioneller Filmplots entgegen« (Russo 2007, 80). Dementsprechend stehen die einzelnen Episoden nicht nur in einem losen Kontext zueinander, sondern sie verfügen auch über keinerlei Exposition oder Einführung. Darüber hinaus ist der Film – genau wie der Comic – von zahlreichen Ungereimtheiten, Überschneidungen und konfusen Momenten durchzogen, welche den Zuschauer bzw. die Zuschauerin irritiert im Kinosaal zurücklassen. Innerhalb der einzelnen Erzählstränge werden beispielsweise nur wenig bis keinerlei Hintergrundinformationen zu den einzelnen Charakteren vermittelt. Der Prolog des Films geht sogar soweit, den Zuschauer_innen völlig anonyme, namenlose Figuren zu präsentieren. In den seltenen Fällen, in denen zusätzliche Informationen zu den einzelnen Charakteren etc. preisgegeben werden, sind diese meist so lückenhaft, dass es nahezu unmöglich scheint, ein kohärentes Ganzes aus den »puzzle pieces and fragments« (Gardner 2012, 186) der Narration zu formen52 . Mit der bereits erwähnten statischen Qualität des Filmbildes, dem gelegentlichen Einfügen eines Schwarzbildes sowie der Verwendung zahlreicher harter Anschlüsse, die »wie gegeneinander gesetzte Bilder« (Schwebel 2010, 125) wirken, findet die Unbeständigkeit bzw. Diskontinuität der Narration auch auf der visuellen Ebene des Films ihre Entsprechung. Indem den Zuschauer_innen das Gefühl vermittelt wird, »von einem Bild auf ein anderes 52 | Laut Keith Booker wird die fragmentarische, non-lineare Struktur der S in C it y -Erzählungen ebenfalls durch die special features der DVD-Filmversion betont: »The twodisk ›extended‹ edition of Sin City on DVD acknowledges the flagrant lack of regard for chronological sequence in the film by providing, on the second disk, recut and extended versions of each of the film’s three main story lines (plus the prologue), each of which is accessible – intact without interruptions from the other plot lines – from a central menu. Viewers can thus watch any one of the plot lines all the way through, but these plots still seem fragmented and almost arbitrary. Moreover, the fact that the different plot lines can be viewed in any order further emphasizes the lack of any real narrative coherence« (Booker 2007, 162 f.).

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zu schauen« (Würbel 2008, 53), wird hier nicht nur die Rezeptionsweise des Comics remedialisiert, sondern auch dessen sequenzielle Struktur. Oder wie Jared Gardner treffend formuliert: »The dedication to Miller’s framing becomes for Rodriguez an excuse to move away from the kinetic drive from frame to frame (whose force is to erase the frame), focusing on the static image, the graphic. For all its kinetic energy and ultraviolent action, the film comes as close as any other to translating onto the screen the effect of the gutter, the frame, of the plastic icon« (Gardner 2012, 186).

Die Nähe zum strukturellen bzw. formalen Gitter ( formal gutter) des Comics wird in Sin City auch durch die wiederholte Darstellung zahlreicher Rahmenund Rasterstrukturen reflektiert. In diesem Sinne weist nicht nur der Hemdkragen des psychopathischen Killers Kevin (im Gegensatz zum Comic) ein prägnantes Karomuster auf, auch sämtliche Wände, Böden und sogar Fenster scheinen in Sin City durch die räumliche Anordnung verschiedenster Qua­ drate und Rechtecke gekennzeichnet zu sein (s. Abb. 27) und so auf die mediale Beschaffenheit – genauer gesagt auf den durch die Panelstruktur fragmentierten Raum des Comics zu verweisen53. Im Falle von Sin City geht das grafische Medium Comic also nicht einfach in dem (neuen) technischen Medium Film auf, sondern beide Medien generieren bzw. remedialisieren sich vielmehr gegenseitig und schaffen etwas Neues. Dieses Neue ist zugleich mehr als ›nur‹ Comic und mehr als ›nur‹ Film. Wie Andrea Seier mit Bezug auf die Ausführungen von Jay David Bolter und Richard Grusin betont, ist mit dem Konzept der Remedialisierung stets »ein Prozess des ›Refashioning‹, d.h. der Remodellierung anderer Medien oder des eigenen Mediums« (Seier 2007, 71) verbunden. Der Prozess der Remedialisierung ist folglich »nicht nur als Nachahmung, sondern zugleich als Akt der Überbietung zu verstehen« (ebd., 75). Demnach möchte das »eine Medium […] eben das bieten, was das andere nicht kann« (Seeßlen 2012, 152). So bietet Sin City seinen Zuschauer_innen – im Gegensatz zum Comic – neben der bewegten Bildfolge auch den Ton54. Und obwohl der Comic durchaus in der Lage

53 | Ein recht expliziter Verweis auf das strukturelle Gitter des Comics lässt sich zudem in der filmischen Darstellung zahlreicher Gefängniszellen, Fenster- und Türgitter ausmachen. Eine weitere Reminiszenz an das strukturelle Gitter bzw. die sequenzielle, starre Bildfolge des Comics stellt eine Montage-Sequenz innerhalb des The H ard G oodbye-Handlungsstrangs dar, welche ihren Zuschauer_innen eine Aneinanderreihung unanimierter Gegenstände in Großaufnahme präsentiert. 54 | Mit ›Ton‹ ist hier die akustische Ebene des Films gemeint, welche neben dem Dialog auch Geräusche und Musik umfasst.

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Abbildung 27: Rahmen- und Rasterstrukturen evozieren die Nähe zum formalen Gitter des Comics

Quelle: Filmstills aus S in C it y. B lu -R ay R ecut XXL-E dition . Walt Disney Studios Home Entertainment 2009.

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ist, seinen Leser_innen eine breite Palette an verschiedensten Akteur_innen und Charakteren zu präsentieren, bleibt der Einsatz realer Schauspieler_innen eine Besonderheit des Mediums Film. Die Übernahme comicspezifischer Gestaltungsmittel und Charakteristika trägt im Falle von Sin City also einerseits dazu bei, die filmische Darstellbarkeit zu erweitern. Mit dem Versuch, das Medium Comic in das Medium Film zu übersetzen, ist es andererseits der Film, welcher den Comic transformiert und etwas Neues (Ton, Bewegung, Schauspieler_innen etc.) hinzufügt. Denn der Film Sin City möchte nicht nur wie der Comic sein, er möchte besser als der Comic sein. In diesem Sinne präsentiert Sin City seinen Zuschauer_innen eine »neue entgrenzte Erzählweise« (Seeßlen 2011, 159), die als Verschmelzung von Comic und Film, genauer gesagt als Comicfilm bezeichnet werden kann. Mit der hypermedialen Übernahme sowie Überbietung comicspezifischer Ausdrucksmittel wird der Comicfilm Sin City zu einer Art zeitgenössischem Kino der Attraktionen stilisiert (vgl. Gardner 2012, 184), welches die Form über den Inhalt zu stellen scheint und die Aufmerksamkeit der Zuschauer_innen bewusst auf die grafischen Möglichkeiten des Comics und die technischen Mittel des Films lenkt: »The Sin City film uses digital tools to give its viewers the immediacy of the comic book image […]. As the digital film remediates the comic book, the immediacy on offer is the product of hypermediation. By ›recreating‹ Miller’s simple illustrations […] the medium draws attention to, rather than effaces, itself« (Bould 2005, 112).

Im Gegensatz zu den etablierten Konventionen des illusionistischen Hollywood-Kinos verweist der Film im Falle von Sin City durch den innovativen Gebrauch digitaler Technik auf seine eigene (hyper-)mediale Beschaffenheit. Dabei bleibt auch der filmische Akt der Repräsentation nicht länger verborgen: Indem die digital generierte, hypermediale Ästhetik des Comicfilms in den Vordergrund rückt, wird der Zuschauer bzw. die Zuschauerin nicht nur auf das filmische Gesamtprodukt (und dessen Konstruktion), sondern auch auf den Prozess des Sehens selbst hingewiesen. Genau wie bei der grafischen ›Vorlage‹ handelt es sich also auch bei der filmischen Remedialisierung der Sin City-Comics um eine ausnehmend abstrakte bzw. hypermediale Form der Repräsentation, welche ihren Zuschauer_innen mit Hilfe diverser stilistischer und formal-ästhetischer Mittel eine besonders comichaft bzw. artifiziell anmutende Filmwelt präsentiert: »[I]n the case of Sin City, the seemingly artificial technology of the film is well matched with the material at hand, which is already artificial, divorced from reality, with which it comes into only the most distant of contact, mediated through Miller’s graphic novels, which are already mediated through the entire noir tradition. Miller’s novels represent

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Comic – Film – Gender not reality, but noir representations of reality, and Rodriguez’s film is a representation of Miller’s representations« (Booker 2007, 161).

Als Film, »der auf einem Comic beruht, der auf Filmen beruht, die aus Büchern hervorgingen« (von Törne 2005, o.S.), präsentiert Sin City seinen Zuschauer_innen eine nicht enden wollende Kette sich stetig wiederholender Remedialisierungen. Dementsprechend stellt Sin City ein wahres »Sammelbecken inhaltlicher, narrativer und formalästhetischer populärkultureller Elemente« (Heller 2005, o.S.) dar. In diesem Sinne lassen sich sowohl im Film als auch im außerfilmischen Diskurs (z.B. in Berichten über die Produktionsgeschichte von Sin City) immer wieder verschiedenste Anspielungen und Verweise ausmachen, die auf den selbstreferenziellen bzw. diskursiven Charakter des Sin City-Universums aufmerksam machen. So bedient sich der Film beispielsweise auf besetzungstechnischer Ebene eines ironischen Spiels mit dem so genannten ›Star Phänomen‹. Laut Franziska Heller erweitern die »durch das ›Stardom‹ immer mitklingenden Personae der Starbesetztungen […] das filmhistorische Verweispotential auf die aktuelle Film- und Starlandschaft Hollywoods: Elijah Wood kodiert sein Hobbit-Grinsen zum psychopathischen Sadismus um, das sonst so jungfräuliche Gilmore Girl Alexis Bledel spielt eine opportunistische Nutte, Clive Owen wird augenzwinkernd als ›Lancelot‹ von Sin City bezeichnet, und Gastregisseur Tarantino gehört fast untrennbar zum Marketingkonzept des Films« (ebd.).

Aber auch der kurze schauspielerische Gastauftritt von Frank Miller als unmoralischer Priester oder die wiederholte filmische Remedialisierung der Cover-Zeichnung des 1998 im Dark Horse Verlag erschienenen Sin City-Bandes Booze, Broads, and Bullets können als selbstironisches Spiel innerhalb des betont medial-diskursiven Sin City-Universums verstanden werden (vgl. Floquet 2011, 2)55.

55 | Ein weiteres Beispiel für die selbstreferenzielle Qualität von S in C it y stellt die Tatsache dar, dass es sich bei den von der Figur Miho (Devon Aoki) benutzten Waffen um Samuraischwerter handelt, die bereits bei der Produktion von Quentin Tarantinos K ill B ill : Vol .1 (USA 2003) verwendet wurden (vgl. Miller/Rodriguez 2005, 143). Und genau wie sein Comicäquivalent trägt auch der von Elijah Wood verkörperte psychopathische Killer Kevin einen Pullover, dessen gezacktes Linienmotiv als Reminiszenz an die berühmte Comicfigur Charlie Brown zu verstehen ist.

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3.3 (D e -)K onstruk tion von G ender in S in C it y Die vorangehenden Beobachtungen haben verdeutlicht, dass es sich bei Sin City um einen hypermedialen Comicfilm handelt, welcher durch die demonstrative Zurschaustellung seiner eigenen Medialität gekennzeichnet ist und dessen offensichtlicher sowie innovativer Gebrauch digitaler Filmtechnik sowohl die grafischen Möglichkeiten des Comics als auch die technischen Mittel des Films offen reflektiert. Als hypermediale Remedialisierung von Frank Millers abstrakter Comicreihe stellt Sin City einen direkten Kontrast zu traditionellen narrativen Hollywood-Mainstream-Produktionen dar, deren primäres Ziel darin besteht, die Mechanismen ihrer eigenen Konstruiertheit zu verschleiern, um eine möglichst glaubwürdige sowie kohärente bzw. transparente filmische Illusionswelt zu schaffen. Ganz wie bei der grafischen ›Vorlage‹ handelt es sich also auch bei der Filmversion von Sin City um eine besonders abstrakte Form der Repräsentation, welche ihren Zuschauer_innen mit Hilfe diverser stilistischer und formal-ästhetischer Mittel eine comichaft bzw. artifiziell anmutende, selbstreferenzielle Filmwelt präsentiert. Diese macht es den Zuschauer_innen von Sin City nahezu unmöglich zu vergessen, dass es sich bei den gezeigten Bildern und repräsentierten Figuren um hypermediale Konstrukte handelt. Infolgedessen erweisen sich auch die in Sin City repräsentierten Geschlechterrollen als leeres Zeichenspiel, als ursprungslose Fiktion ohne Referenz an eine wie auch immer geartete außer-mediale Wirklichkeit. Der grafischen ›Vorlage‹ entsprechend, zeichnen sich die in Sin City (re-)medialisierten Geschlechterkonstellationen zunächst durch die Darstellung gewaltbereiter männlicher Helden, besonders brutaler männlicher Mörder und extrem attraktiver weiblicher Opfer aus. Dementsprechend bemerkt Manohla Dargis, dass Sin City seinen Zuschauer_innen ein zwielichtiges Schattenreich präsentiert »[where] the men wear trench coats and chips on their shoulders, while the women wear next to nothing at all« (Dargis 2005, o.S.). Auch Rob Blackwelder weist in seiner Rezension darauf hin, dass es sich bei den in Sin City vorzufindenden weiblichen Charakteren offensichtlich um »largely underdeveloped sex objects« (Blackwelder 2005, o.S.) handelt. Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehung der Performativität von Gender sowie der Medialität des Performativen soll im Folgenden allerdings aufgezeigt werden, dass es sich bei den in Sin City (re-)medialisierten Geschlechterrollen nicht um schlichte Repräsentationen bereits erwähnter gender-spezifischer stereotyper Darstellungskonventionen und Visualisierungsmechanismen handelt. Es soll vielmehr veranschaulicht werden, dass im konkreten Fall von Sin City die Performativität der repräsentierten GenderRollen durch eine demonstrativ zur Schau gestellte Medialität unterstrichen wird. Durch die hypermediale Art der Verfilmung wird nicht nur die Künstlichkeit von Comic und Film hervorgehoben, sondern auch die ›Ursprungslo-

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sigkeit‹ des Diskursproduktes Gender zum Vorschein gebracht. Dieser These folgend, stellt Sin City eine subversive Repräsentationsform dar, welche den konstruierten Charakter der Kategorie Gender mit Hilfe eines parodistischen Spiels exzessiver sowie überspitzter und gleichsam verfehlter (Re-)Medialisierungen heteronormativer Geschlechterrollen verdeutlicht. Abbildung 28: Karikaturhafte Maske

Quelle: Filmstill aus S in C it y. B lu -R ay R ecut XXL-E dition . Walt Disney Studios Home Entertainment 2009.

So handelt es sich beispielsweise bei Marv – dem Protagonisten des Handlungsstrangs The Hard Goodbye56 – um einen »conan in trench coat« (Miller/ Rodriguez 2005, 34), also um einen aggressiven, wilden, urbanen Barbaren, der (sowohl im Comic als auch im Film) das genaue Gegenbild einer typisch attraktiven und strahlenden Heldenfigur verkörpert. Tatsächlich ist Marv in erster Linie durch seine entstellte, unattraktive äußere Erscheinung charakterisiert. Er selbst bezeichnet sich als so hässlich und furchteinflößend, dass keine Frau (noch nicht einmal eine bezahlte Prostituierte) ihn jemals an sich heranlassen würde. Dabei wirken die zahlreichen Narben und künstlich leuchtenden Pflaster, die Marv in seinem Gesicht trägt (und die entscheidend zu seiner entstellten Erscheinung beitragen), wie eine grotesk überzogene, karikaturhafte Maske (s. Abb. 28). Sowohl seine Art sich zu bewegen (welche sich durch einen digital verfremdeten, übertrieben steifen sowie aufrechten 56 | Genau wie im Comic dreht sich auch die Handlung der The H ard G oodbye-Filmepisode um den tough guy Marv und dessen Versuch, den Tod seiner Geliebten Goldie (Jamie King) zu rächen.

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›männlichen‹ Gang auszeichnet) als auch seine Art zu sprechen (Marvs Stimme ist im Film extrem tief und rau) wirken zu keinem Zeitpunkt besonders ›natürlich‹, sondern vielmehr wie eine überzeichnete »over-performance of heterosexual masculinity« (Bould 2005, 113)57. In Zeiten, in denen das Konzept des so genannten new man58 (vgl. Nixon 1997, 305) bzw. das Phänomen der Metrosexualität 59 immer mehr an Bedeutung gewinnen, wirkt der von Mickey Rourke gespielte tough guy, welcher sich durch eine ins Extrem gesteigerte rohe, aggressive Männlichkeit kennzeichnet60, wie ein ›Gender-Relikt‹ aus längst vergangenen Tagen61. Seiner Comicvorlage entsprechend, scheint Marv zudem über übermenschliche bzw. unnatürliche physische Kräfte zu verfügen (vgl. Miller/Rodriguez 2005, 126), was die von ihm verkörperte Hypermaskulinität im Verlauf des Films immer wieder ins Absurde driften lässt62 . Absurd wirkt auch die Tatsache, dass Marv – trotz seiner Stärke und Aggressivität – in diversen Situationen eine relativ passive Position einnimmt. Dementsprechend ist es beispielsweise Goldie, die zu Beginn des The Hard 57 | Auf der auditiven Ebene des Films wird Marvs over-performance zusätzlich durch die Übernahme von Millers bis ins Extrem überhöhter, häufig redundant wirkender hardboiled-Texte bestärkt. 58 | Laut Sean Nixon zeichnet sich das Männlichkeitsbild des new man dadurch aus, dass es nicht nur ›harte‹, sondern auch ›weiche‹ Aspekte der Männlichkeit zulässt (vgl. Nixon 1997, 305). 59 | Als metrosexuell werden in der Regel Männer bezeichnet, die sowohl die feminine als auch maskuline Seite ihrer Persönlichkeit ausleben, ohne dabei als homosexuell zu gelten. Der britische Fußballstar David Beckham gilt hierfür als bekanntestes Beispiel. 60 | Im Comic wie im Film besticht die Figur des gesetzlosen, rauchenden und Alkohol trinkenden Marv durch den Einsatz besonders brutaler und exzessiver Gewalt. 61 | An einer bestimmten Stelle im Film wird Marv von Dwight McCarthy (Clive Owen) sogar als Gladiator charakterisiert, welcher im falschen Jahrhundert zur Welt gekommen ist. 62 | Neben Marv besticht noch eine weitere Figur in S in C it y durch ihre überzeichnete Hypermaskulinität. Dabei handelt es sich um die Figur des afro-amerikanischen Manute (Michael Clarke Duncan), einem Handlanger der Mafia aus dem The B ig Fat K ill-Erzählstrang. Genau wie bei Marv handelt es sich auch bei Manute um eine hoch stilisierte Figur, welche vor allem durch eine übertriebene, übermenschlich wirkende – und somit gänzlich unglaubwürdige – körperliche Präsenz bzw. Stärke definiert wird. In Bezug auf die stereotype Repräsentation schwarzer männlicher Figuren bemerkt Stuart Hall, dass diese sich in der Regel durch einen Trend zur Hypermaskulinisierung bzw. Hypersexualisierung, also durch eine Reduktion auf den Körper, auszeichnet (vgl. Hall 1997, 263). Im konkreten Fall von Manute wirkt sich die hypermediale Ästhetik bzw. die überspitzte Darstellung des Gezeigten also nicht nur auf die Repräsentation der Kategorie Gender aus, sondern auch auf die Repräsentation ethnischer Differenz.

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Goodbye-Erzählstrangs die Rolle der aktiven Verführerin übernimmt. Im weiteren Verlauf der filmischen Handlung sind es überdies immer wieder weibliche Charaktere, wie etwa die Bewährungshelferin Lucille (Carla Gugino) oder die exotische Tänzerin Nancy (Jessica Alba), deren Hilfe Marv in Anspruch nehmen muss, um seine Ziele zu erreichen. Aber auch in Situationen, in denen Marv selbst die Rolle des aktiven Protagonisten übernimmt, wird seine Position als dominierender Held immer wieder untergraben. So verliert Marv z.B. während seines ersten Kampfes mit dem psychopathischen Killer Kevin aufgrund einer Verletzung die physische Fähigkeit zu sehen und damit auch (im übertragenden Sinne) die Fähigkeit, den filmischen Raum aktiv zu dominieren63. Marvs souveräne Männlichkeit wird auf der visuellen Ebene des Films zusätzlich durch die Tatsache unterminiert, dass sein Blut innerhalb des The Hard Goodbye-Erzählstrangs mit Hilfe monochromer Farbeffekte in einem (bereits im Prolog des Films) als explizit weiblich konnotierten künstlich leuchtenden Rot erscheint64 . Die Konnotation des tough guys als verweiblichten, passiven Helden wird auch im weiteren Verlauf des Films vorangetrieben und erfährt dabei gleichzeitig – dank des ironischen Rückgriffs auf das so genannte Fesslungsthema – eine produktive Verschiebung. Den Ausführungen von Knigge und Schnurrer folgend, spielt das Fesslungsthema eine wichtige Rolle für die (stereotype) Repräsentation der Geschlechterdifferenz im Medium Comic, da durch die Darstellung der Frau in einer gefesselten und somit wehrlosen bzw. hilfsbedürftigen Position »die Unterdrückung, die Unfreiheit, die Gefangenschaft, die Gebundenheit an die Potenz des Mannes« (Knigge/Schnurrer 1978, 62) symbolisiert wird. In The Hard Goodbye ist es allerdings keine wehrlose Frau, sondern Marv, welcher von der Prostituierten Gail (Rosario Dawson) an einen Stuhl gefesselt und zum passiven Opfer degradiert wird. Marv wird in dieser Situation von Goldies Zwillingsschwester Wendy (Jaime King), die ihn immer wieder mit ihrer Waffe ins Gesicht schlägt, brutal verhört. Wie zuvor Goldie übernimmt nun Wendy hier die Rolle der aktiven phallischen Frau. Als deutlich wird, dass Marv diese Tortur mehr oder weniger freiwillig erduldet,

63 | Direkt nach Goldies Tod liefert sich Marv zudem einen ersten Kampf mit der Polizei. Die Wunden, die er sich bei diesem Kampf zuzieht, bandagiert er sich später bei seiner Bewährungshelferin Lucille mit einer Reihe weiß leuchtender Pflaster. Ab diesem Zeitpunkt wird auch sein linkes Auge von einem Pflaster verdeckt, womit seine Fähigkeit sehen zu können sowohl physisch als auch symbolisch bereits zu Beginn der Erzählung beeinträchtigt wird. 64 | Indem Marv seiner Pistole den Frauennamen Gladys gibt, wird seine phallische Macht auch im weiteren Verlauf des Films als weiblich konnotiert.

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da er seine Fesseln jederzeit hätte lösen können65, erhält die Szene sowohl eine parodistische als auch sado-masochistische Note. Der Tradition des klassischen Anti-Helden des Film Noir bzw. der hardboiled school of fiction folgend, wird Marv – sowohl im Comic als auch im Film – durch eine Art geistige Labilität charakterisiert, welche u.a. durch seinen starken Alkoholkonsum gefördert und auf der visuellen Ebene durch den Gebrauch verstörend wirkender Kameraeinstellungen (wie z.B. extremer Vogelperspektiven) oder durch den gezielten Einsatz starker Hell-Dunkel-Kontraste unterstrichen wird. Aufgrund dieses nicht näher definierten psychischen Leidens gelingt es Marv nicht immer, die Realität von seinen eigenen Wahnvorstellungen zu unterscheiden. Folglich fällt es ihm auch schwer, klar und rational zu denken. Der gängigen »Analogisierung von Weiblichkeit und Wahnsinn« (Schlichter 2000, 14) folgend, stellt Marvs psychische Labilität einen direkten Kontrast zu einem als (stereo-)typisch männlich geltenden rationalen Verhalten dar. Da der Protagonist des The Hard Goodbye-Erzählstrangs weder ein rationales noch ein glaubwürdiges männliches erschaffendes Subjekt verkörpert, werden sowohl die Glaubhaftigkeit als auch die Autorität des (männlichen) Erzählers im Verlauf der Narration zunehmend in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang ist auch die Repräsentation der Prostituierten Goldie als ›perfekte Frau‹ zu bewerten. Für Marv repräsentiert Goldie keine ›echte‹, sondern vielmehr eine idealisierte sowie imaginierte Verkörperung von Weiblichkeit. Sowohl im Comic als auch im Film wird Goldie dementsprechend als makellose Göttin bzw. Engel bezeichnet (vgl. Miller 2005a, 13). Indem Goldie eine unvergleichliche Figur darstellt, die »einzig […] statt einzeln« (DeuberMankowsky 2001, 36; Herv. im Org.) zu sein scheint, fungiert sie als woman, als idealisierte Verkörperung der perfekten, von Marv begehrten Traumfrau. Die Tatsache, dass es sich bei Goldie nicht um eine real existierende Frau, sondern um eine imaginierte Fantasie, genauer gesagt um das erträumte Objekt männlicher Begierde handelt, wird in Comic und Film durch den Einsatz verschiedener (hypermedialer) Inszenierungsstrategien unterstrichen. So besitzt Goldie zwar einen identitätsstiftenden Namen, dieser wirkt jedoch – genau wie die Eigenschaften, mit denen Marv sie in seinem voice over charakterisiert – alles andere als individuell. Der Name Goldie übernimmt hier vielmehr die Funktion eines telling names, welcher die bezeichnete Figur auf ganz bestimmte universelle Eigenschaften (ihre goldenen Haare) reduziert und sie damit gleichzeitig als besonders flachen, eindimensionalen Charakter kennzeichnet. Der Status eines (komplexen) Individuums wird Goldie zudem 65 | Sowohl im Film als auch im Comic begründet Marv seine Passivität in dieser Situation damit, dass es ihm prinzipiell zuwider ist, Frauen zu schlagen. Ironischerweise wird genau dieser heldenhafte Ehrencodex von Marv zu einem späteren Zeitpunkt gebrochen, da er Wendy im weiteren Verlauf der Erzählung bewusstlos schlägt.

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durch die Wahl der gezeigten Bildausschnitte verwehrt, da in der hochgradig stilisierten Liebesszene zwischen Marv und seiner Traumfrau vornehmlich Kameraeinstellungen dominieren, die Goldie von hinten zeigen oder in denen ihr Gesicht durch ihre langen Haare sowie dunkle Schatten verdeckt bleibt66. Aber auch die künstlich anmutenden Farbakzente – Goldie hat im Gegensatz zum Comic goldene Haare, rote Lippen und ist von leuchtend roter Bettwäsche umhüllt bzw. trägt einen roten Mantel – tragen in dieser Szene dazu bei, Marvs ›perfekte Frau‹ gezielt von ihrer schwarzweißen Umgebung abzuheben und ihren Status als konstruiertes Fantasieprodukt zu unterstreichen (s. Abb. 29)67. Abbildung 29: Konstruiertes Fantasieprodukt

Quelle: Filmstill aus S in C it y. B lu -R ay R ecut XXL-E dition . Walt Disney Studios Home Entertainment 2009.

Die ›Natürlichkeit‹ der Kategorie Frau bzw. die ›Originalität‹ von Marvs Traumfrau wird im Verlauf des The Hard Goodbye-Erzählstrangs zusätzlich durch das plötzliche Auftauchen von Goldies Zwillingsschwester Wendy in Frage gestellt. Wie bereits an anderer Stelle beschrieben wurde68, sehen sich Goldie

66 | Im The Hard Goodbye-Comic wird den Leser_innen Goldies Gesicht sogar erst nach ihrem Tod in detaillierter Form präsentiert (vgl. Miller 2005a, 14 ff.). 67 | Die Tatsache, dass es sich bei der Figur der Goldie bzw. Wendy in S in C it y um eine imaginierte Fantasie handelt, wird auf der akustischen Ebene des Films durch den Einsatz einer mystischen Hintergrundmusik, die als »haunting female vocal motif« (Anderson 2008, o.S.) beschrieben werden kann, zusätzlich unterstrichen. 68 | Siehe hierzu Kapitel 3.1 (S. 104 f.) der vorliegenden Arbeit.

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und Wendy zum Verwechseln ähnlich69. Diese Ähnlichkeit führt innerhalb des Handlungsverlaufs zu einiger Verwirrung. So ist Marv – aufgrund seines labilen Geisteszustands – bei seiner ersten Begegnung mit Wendy davon überzeugt, seine kürzlich verstorbene Geliebte vor sich zu sehen. Selbst als ihm einige Zeit später bewusst wird, dass es sich bei der vermeintlich identischen Kopie seiner toten Traumfrau nicht um Goldie, sondern um deren Zwillingsschwester Wendy handelt, gelingt es Marv nicht immer, die beiden Doppelgängerinnen problemlos voneinander zu unterscheiden. Dementsprechend nennt Marv Wendy im Verlauf des Films auch immer wieder Goldie. Und obwohl ihn Wendy mehrmals darauf hinweist, dass sie nicht Goldie, sondern Wendy heißt, erlaubt sie ihm am Ende des The Hard Goodbye-Erzählstrangs, sie dennoch Goldie zu nennen. Konsequenterweise erscheint Wendy zu diesem Zeitpunkt im Film auch zum ersten Mal mit denselben leuchtend goldenen Haaren, die zuvor das Aussehen ihrer toten Zwillingsschwester Goldie maßgeblich bestimmt haben70. Diese betont artifiziell wirkende visuelle Annäherung beider Charaktere bestärkt die Vermutung, dass es sich bei Wendy und Goldie nicht um real existierende Frauen (women), sondern vielmehr um imaginierte Verkörperungen des Weiblichen (woman), um Repräsentationen der Repräsentation handelt 71. Neben Goldie und Wendy taucht bereits im Prolog des Films eine weitere (Re-)Medialisierung der ›perfekten Frau‹ auf. Bei dieser Traumfrau handelt es sich um die so genannte Kundin, welche von einem anonymen Auftragskiller erschossen wird 72 . Genau wie Goldie (bzw. Wendy) wird auch sie im Verlauf des Prologs aufgrund ihrer makellosen und attraktiven äußeren Erscheinung 69 | Die Ähnlichkeit von Goldie und Wendy wird im Film durch die Tatsache bekräftigt, dass beide Figuren von der Schauspielerin Jamie King verkörpert werden. 70 | In dieser Szene ist noch ein weiterer Moment der Redundanz und Wiederholung auszumachen. So wiederholt Marv in seinem aus dem off ertönenden Kommentar für die Beschreibung von Wendy (»She smells like angels ought to smell. The perfect woman. The Goddess. Goldie. She says her name is Goldie«) dieselben Worte, die er bereits zu Beginn des Handlungsstrangs benutzt hat, um Goldie zu charakterisieren. 71 | In diesem Zusammenhang ist außerdem zu bemerken, dass es sich bei Goldie um mehr als eine passive, imaginierte Repräsentation handelt. Denn indem der Protagonist des Erzählstrangs schwört, Goldies Tod zu rächen, wird sie selbst zu einer Art Medium, welches den Beweggrund für Marvs Verhalten darstellt und folglich die Narration (indirekt) vorantreibt. Der Tradition des Film Noir folgend, repräsentiert Goldie (genau wie ihre Zwillingsschwester Wendy) zudem ein Rätsel, welches im Verlauf des Films von dem Protagonisten gelöst werden muss. 72 | Interessanterweise bleibt in diesem Handlungsstrang nicht nur der mysteriösen weiblichen Figur – der Kundin – ein identitätsstiftender Name verwehrt. Auch der Auftragskiller, welcher das einzige männliche Subjekt in diesem Erzählstrang darstellt, be-

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als woman, genauer gesagt als »everything a man could ever want« charakterisiert. Dabei wird auch sie im Film mit Hilfe gezielt eingesetzter monochromer Farbakzente – speziell mit der als weiblich konnotierten Farbe Rot 73 – von ihrer Umwelt künstlich abgehoben 74. Aber nicht nur der Einsatz artifiziell wirkender Farbmanipulation trägt in dieser Szene zu einer hypermedialen Stilisierung des Gezeigten bei. Zunächst als kurzer Probe- bzw. Werbefilm gedacht, welcher Frank Miller davon überzeugen sollte, einer filmischen ›Übersetzung‹ von Sin City zuzustimmen (vgl. Miller/Rodriguez 2005, 22), bedient sich der Prolog zahlreicher digitaler Effekte – wie z.B. extremer Kamerafahrten und Perspektiven oder der bereits erwähnten weißen Silhouette –, um den comichaften bzw. künstlich anmutenden look des Films zu etablieren. Als Remedialisierung der dreiseitigen Kurzgeschichte The Customer is Always Right präsentiert der Prolog seinen Zuschauer_innen außerdem eine scheinbar ›klassische‹ Film Noir-Liebesgeschichte zwischen einem gutaussehenden Mann und einer attraktiven, mysteriösen femme fatale 75. Im Verlauf dieser Liebesgeschichte werden die Zuschauer_innen allerdings mit der plötzlichen und scheinbar grundlosen Ermordung der ›perfekten‹ Kundin bzw. Frau konfrontiert. Sowohl dieser Schockmoment als auch der zynische, aus dem off kommende Kommentar des Protagonisten (»I’ll cash her check in the morning«), versehen den Prolog mit einem gewissen schwarzen Humor, welcher es den Zuschauer_innen ermöglicht, eine ironische sowie kritische Distanz zu dem Gezeigten aufzubauen und diese vermeintlich dramatische Situation als parodistisches Zeichenspiel zu demaskieren. In seiner Darstellung des Killers als attraktiven, galanten und elegant gekleideten Gentleman greift der hypermediale Prolog des Films zudem auf das Zeichenrepertoire diverser Hollywood-Produktionen, wie z.B. den besonders erfolgreichen James Bond-Verfilmungen zurück, die sich in der Regel durch Bonds Qualitäten als Retter und Verführer, und nicht durch seine Darstellung als sitzt keinen Namen und bleibt somit bis zum Ende des Films für die Rezipient_innen anonym. 73 | Indem die Kundin bereits im Prolog des Films mit roten Lippen versehen wird und ein rotes Kleid trägt, erhält die Farbe Rot hier ihre ›weibliche‹ Konnotation. Genauer gesagt wird die Farbe Rot in S in C it y bereits zu Beginn des Films nicht nur mit Weiblichkeit, sondern auch mit dem Aspekt der Sünde konnotiert, da neben der Figur der Kundin auch der Schriftzug »Sin City« (also die Stadt der Sünde) im Vorspann bzw. Prolog des Films in leuchtend roter Farbe erscheint. 74 | Für einen kurzen Moment leuchten auch die Augen der Kundin in einem künstlich wirkenden Grün-Ton auf. 75 | An dieser Stelle des Films erinnert nicht nur der Einsatz visueller Mittel, sondern auch der Gebrauch einer ›jazzigen‹ Nachtclub-Hintergrundmusik an die Darstellungskonventionen des klassischen Film Noir der 1940er und 50er Jahre.

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kaltblütigen Mörder, auszeichnen. In diesem Sinne ist auch hier ein ironischselbstreferenzielles Spiel mit bereits bekannten Darstellungskonventionen zu beobachten, welches die (re-)medialisierten Gender-Rollen als künstliche Diskursprodukte enttarnt. Im Gegensatz zu dem äußerst unattraktiven, aber gutherzigen Anti-Helden des The Hard Goodbye-Erzählstrangs handelt es sich ironischerweise bei der Figur des anonymen Killers in The Customer is Always Right nicht nur um einen ›bösen‹, sondern auch um einen besonders gutaussehenden und jüngeren Protagonisten. Dementsprechend bemerkt Thomas Vorwerk, »daß die drei männlichen Hauptfiguren [in S in C it y] allesamt schon etwas älter sind […]. Bei den Bösewichten gibt es neben den üblichen Gaunervisagen […] hingegen vor allem die gutaussehenden jungen Darsteller wie Elijah Wood und Josh Hartnett zu sehen« (Vorwerk 2005, o.S.).

Neben diesem (für Hollywood-Verhältnisse) untypischen Einsatz älterer ›positiver‹ Protagonisten führt auch die Wahl der einzelnen Schauspieler_innen in Sin City immer wieder zu einer Hervorhebung der Konstruiertheit des Gezeigten. Denn nicht nur Josh Hartnett ist hier in einer für ihn untypischen Rolle zu sehen. Dem selbstreferenziellen Prinzip des so genannten casting against type (vgl. Dyer 1998, 48) folgend, übernimmt auch der bereits erwähnte Schauspieler Elijah Wood (welcher vor allem mit der Verkörperung des selbstlosen, gutmütigen und heldenhaften Hobbit Frodo in der Lord of the Rings-Trilogie 76 in Verbindung gebracht werden kann) in Sin City eine Rolle, die nicht seiner bis dato bekannten Star Persona entspricht. Bei dieser Rolle handelt es sich um den stummen, äußerst skrupellosen und perversen Killer Kevin, welcher – innerhalb des The Hard Goodbye-Erzählstrangs – seine Opfer (junge Prostituierte) nicht nur brutal ermordet, sondern sie vor ihrem Tod stückchenweise verspeist und sie währenddessen dabei zusehen lässt. Unterstützt wird Kevin von Kardinal Roark (Rudger Hauer), einem besonders mächtigen, wohlhabenden, aber auch perversen Geistlichen, der in Kevin eine Art missverstandenen Schützling bzw. Sohn sieht und der sich, genau wie Kevin, durch das Verspeisen der Opfer eine Form der göttlichen Erleuchtung erhofft. Aufgrund dieser grotesken Darstellung von Gewalt stellt die Repräsentation des Frauenmörders Kevin eine übersteigerte – und folglich nicht mehr ernst zu nehmende – verfehlte Remedialisierung der Gestalt des psychopathischen

76 | Zu der L ord of the R ings -Trilogie zählen die Filme The F ellowship of the R ing (USA 2001), The Two Towers (USA 2002) und The R eturn of the K ing (USA 2003).

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Killers dar, welche innerhalb des so genannten stalker- bzw. slasher-Films (einem Subgenre des Horrorfilms)77 zu einer archetypischen Figur avanciert ist. Laut Carol Clover zeichnet sich die archetypische Figur des männlichen Psychokillers in der Regel durch eine sexuelle Verhaltensstörung und/oder eine Art gender distress (vgl. Clover 1992, 27 f.) aus. Diese sexuelle Verwirrung bzw. Desorientierung kann als eine Form der symbolischen Kastration verstanden werden78. In Sin City manifestiert sich eine solche symbolische Kastration bzw. deren Kompensation beispielsweise in der Darstellung der Figur des Kevin als stummen Kannibalen: Den Konventionen des Film Noir bzw. der hard-boiled school of fiction folgend, spielt der Aspekt der Sprache innerhalb des Sin City-Universums eine wichtige Rolle, da hier der selbstsichere und toughe Gebrauch von Sprache traditionell mit der Kompetenz bzw. Manneskraft der verschiedenen männlichen Charaktere gleichgesetzt wird (vgl. Krutnik 1991, 43). Mit dem Verlust der Sprache wird Kevin genau dieser phallischen Macht beraubt und muss sich fortan außerhalb der symbolischen patriarchalen Ordnung bewegen. Der Verlust der phallischen Macht wird zudem durch die Tatsache bekräftigt, dass Kevin – im Film wie im Comic – mit einer Reihe weiblich konnotierter Eigenschaften und Merkmale versehen wird. So besitzt er z.B. eine relativ zierliche Gestalt, er hat außergewöhnlich lange Fingernägel (mit denen er seine Gegner_innen kratzen kann) und er verfügt über eine besonders grazile Art sich fortzubewegen. Dem Konzept der so genannten ›hegemonialen Männlichkeit‹ 79 folgend, müssten diese weiblich konnotierten Merkmale nicht nur zu einer oppositionellen Darstellung von ›negativer‹ fe77 | Laut Carol Clover präsentiert der stalker-Film seinen Zuschauer_innen in der Regel einen männlichen Psychokiller, welcher mit Vorliebe weibliche Opfer systematisch abschlachtet, bis er selbst von dem so genannten final girl (der letzten Überlebenden) besiegt oder getötet wird (vgl. Clover 1992, 21). Das Subgenre des stalker- bzw. slasherFilms wurde 1974 durch den Film The Texas C hain S aw M assacre (USA) ins Leben gerufen und erlangte 1978 durch John Carpenters H alloween (USA) und der Figur des psychopathischen Michael Meyers (Tony Moran) einen ersten internationalen Höhepunkt. Den Vorreiter des psychopathischen, sexuell-verwirrten Frauenmörders lieferte allerdings bereits 1960 die Figur des Norman Bates (Anthony Perkins) in Alfred Hitchcocks P sycho (USA) (vgl. ebd., 23 f.). 78 | Da der Psychokiller nicht fähig ist seine Sexualität auf ›natürliche‹ Weise auszuleben, ist er auch nicht im Besitz der phallischen Macht. Dieser Verlust wird in der Regel durch den Gebrauch von Waffen und der Ausübung exzessiver Gewalt (meist gegen Frauen) kompensiert. Dies führt dazu, dass Sex im Horrorfilm für gewöhnlich mit Gewalt gleichgesetzt wird. 79 | Das Konzept der hegemonialen Männlichkeit basiert auf der Annahme, dass es innerhalb einer Gesellschaft bzw. Kultur verschiedene Arten von Männlichkeiten gibt und diese in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen (vgl. Hißnauer/Klein 2002,

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mininer Männlichkeit und ›positiver‹ maskuliner Männlichkeit beitragen, sondern auch die von Marv verkörperte Hypermaskulinität als dominantes sowie erstrebenswertes Männlichkeitsbild hervorheben. Allerdings präsentiert Sin City auch hier einen Bruch mit gängigen Konventionen, da sowohl die in Sin City vorzufindende hypermediale Comicfilm-Ästhetik als auch die damit einhergehende subversive bzw. parodistische Repräsentation heteronormativer Geschlechterrollen das von Marv verkörperte Männlichkeitsbild als ein grotesk überzeichnetes Spektakel entlarvt. Anders ausgedrückt überzeichnet sich das »heterosexuelle Projekt« hier selbst »und gesteht so seinen Mangel an Originalität und Natur ein« (Herwig 2010, 64 f.). Innerhalb des Sin City-Universums wird die Performativität heteronormativer Geschlechterrollen ebenfalls durch die Repräsentation der attraktiven Bewährungshelferin Lucille zum Vorschein gebracht. Wenngleich auch sie Kevins perversem Kannibalismus zum Opfer fällt, präsentiert sich ihre Figur innerhalb der The Hard Goodbye-Erzählung als besonders toughe und starke Frau. Lucille stellt damit einen direkten Kontrast zu dem gängigen Klischee eines passiven, hysterischen weiblichen Opfers dar. Hierbei spielt die Szene, in der Marv und Lucille gemeinsam in dem Keller der Roark Farm eingeschlossen sind, eine ausschlaggebende Rolle: Während Lucille Marv von ihrem schrecklichen Erlebnis berichtet (ihre rechte Hand wurde vor ihren Augen von Kevin verspeist) scheint sie sich zunächst in einen hysterischen Zustand zu steigern, um dann ganz plötzlich wieder völlig ruhig zu werden und Marv nonchalant um eine Zigarette zu bitten. Dieses Verhalten wird von Marv wie folgt kommentiert: »Dames, sometimes all they got to do is let it out and few buckets later there’s no way you’d ever know«. Dadurch, dass Lucilles Verhalten in dieser Szene problemlos von einer als (stereo-)typisch weiblich konnotierten Hysterie zu einer rationalen coolness wechselt, wird Weiblichkeit – und die damit verbundenen gender-spezifischen Verhaltensweisen – als performative Maskerade, genauer gesagt als doing gender offenbart, dem kein, wie auch immer geartetes naturgegebenes Original zugrunde liegt. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass es sich bei Lucille nicht nur um eine besonders attraktive und toughe Bewährungshelferin, sondern auch um eine lesbische Figur handelt. Aufgrund ihrer Attraktivität, welche sowohl in der Sin City-Comicreihe als auch in ihrer filmischen Remedialisierung immer wieder von Marv betont wird, stellt Lucille das genaue Gegenteil der gängigen heteronormativen Vorstellung des lesbischen Körpers als maskulin und monströs dar (vgl. Tasker 1998, 72). Die Repräsentation einer extrem attraktiven lesbischen Frau in Sin City (welche zudem die meiste Zeit nahezu nackt dargestellt wird) kann folglich als ein parodistisches Spiel mit der von Judith 28 f.). Zum Konzept der hegemonialen Männlichkeit siehe auch Kapitel 5.3 (S. 254 ff.) der vorliegenden Arbeit.

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Butler kritisierten Zwangsheterosexualität – welche sich im Rahmen des ZweiGeschlechter-Modells »als das Original, das Wahre, das Authentische« (Butler 2003, 155) inszeniert – verstanden werden. Diese Parodie der Geschlechter erfolgt in erster Linie auf der auditiven Ebene des Films, und zwar durch einen von Marv gesprochenen voice over-Kommentar. Dieser kann nicht verstehen, warum ausgerechnet jemand wie Lucille, die mit ihrem perfekten Körper jeden Mann haben könnte, beschlossen hat, lesbisch zu sein. An dieser Stelle erfolgt die ironische Dekonstruktion der stereotyp heteronormativen Annahme, dass lesbische Frauen als ›asexuell‹ gelten und sich ausschließlich als Folge eines »suffering from a ›disappointment‹ in heterosexual love« (Holmlund 1993, 217) ihrer homosexuellen Neigung ›hingeben‹ und nicht etwa aufgrund eines persönlichen Begehrens nach »Auto- oder Homosexualität« (de Lauretis 2003, 81). Neben den bereits erwähnten Charakteren spielen noch zwei weitere AntiHelden, bzw. tough guys, eine wichtige Rolle für die subversive Dekonstruktion von Gender in Sin City. Dabei handelt es sich zum einen um den alternden Polizisten Hartigan aus dem Erzählstrang That Yellow Bastard80 und zum anderen um den rätselhaften Dwight McCarthy aus The Big Fat Kill 81. Genau wie Marv entsprechen auch diese tough guys aufgrund ihrer körperlichen Entstellung bzw. Deformation nicht dem (hetero-)normativen Bild eines attraktiven, strahlenden Helden. Und genau wie bei Marv wird auch die von ihnen verkörperte, betont überzeichnete Aufführung heterosexueller Männlichkeit durch eine explizit zur Schau gestellte Medialität zusätzlich unterstrichen.

80 | In That Yellow B astard rettet der alternde Polizist Hartigan die elfjährige Nancy Callahan vor dem perversen Kinderschänder und Mörder Roark Junior. Da es sich bei Roark Junior um den Sohn des mächtigen Senators Roark (Powers Boothe) handelt, wird Hartigan von seinem Partner Bob (Michael Madsen) verraten und fälschlicherweise für die von Roark Junior begangenen Verbrechen ins Gefängnis gesteckt. Nach acht Jahren wird Hartigan aus der Haft entlassen und muss feststellen, dass sich Nancy erneut in Gefahr befindet. Dieses Mal muss er sie aus den Fängen des psychopathischen Yellow Bastard befreien. Wie sich im weiteren Verlauf der Narration herausstellt, handelt es sich bei dem Yellow Bastard um den entstellten Roark Junior. 81 | Nachdem Dwight McCarthy zu Beginn des The B ig Fat K ill-Erzählstrangs die Kellnerin Shellie vor den gewalttätigen Ausbrüchen ihres ehemaligen Liebhabers Jackie Boy (Benicio del Toro) bewahrt, beschließt er, ihm und seinen Kumpels zu folgen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Dabei landen alle Beteiligten in Old Town, dem Prostituierten-Viertel von Basin City. Dort trifft Dwight auf seine ehemalige Freundin Gail und die äußerst gefährliche Miho. Nachdem Miho Jackie Boy und seine Freunde umgebracht hat, stellt sich heraus, dass Jackie Boy ein Polizist war. Nun muss Dwight die Leichen verschwinden lassen, um Old Town vor der Rache der Polizei und den Machenschaften der Mafia zu bewahren.

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So wurde z.B. die mysteriöse Figur des Dwight McCarthy nach einem chirurgischen Eingriff mit einem neuen maskenhaften Gesicht ausgestattet. Dagegen ist die Figur des Polizisten Hartigan auf der visuellen Ebene durch eine auffällige, leuchtende, sternförmige Narbe auf der Stirn gekennzeichnet. Als Folge einer schlecht verheilten Angina ist Hartigan außerdem an einem Herzleiden erkrankt. Diese Erkrankung stellt einen direkten Angriff auf Hartigans heldenhafte Männlichkeit dar, da sie ihn innerhalb der filmischen Narration immer wieder einholt und ihn um ein Haar daran hindert, seine Rolle als aktiver Retter bzw. Beschützter der entführten Nancy zu erfüllen. So droht Hartigan wiederholt die Kontrolle über seine (im Rahmen zweideutiger verbaler Anspielungen), als phallisches Machtsymbol stilisierte Waffe zu verlieren. Darüber hinaus wird Hartigans heldenhafte Rolle im weiteren Verlauf des Films unterminiert, wenn dieser von dem so genannten Yellow Bastard beinahe bewusstlos geschlagen und nackt in einem Motelzimmer aufgehängt wird. Sowohl Hartigans Nacktheit als auch dessen angeschlagene Gesundheit spielen hier einen gewissen Grad der Verwundbarkeit sowie Verletzlichkeit wider. Hartigan befindet sich in dieser Szene eindeutig in der Rolle des passiven Opfers bzw. Voyeur-Objektes (er ist nicht nur nackt, sondern auch gefesselt und somit bewegungsunfähig), welches sowohl die Blicke des Yellow Bastard als auch die Blicke von Nancy auf sich zieht. Die einzige Person, die sich wie Hartigan in einer hilflosen Position befindet, ist Nancy (im Gegensatz zu Hartigan ist sie allerdings nicht nackt). Abgesehen von seinem schlechten körperlichen Zustand wird innerhalb des Handlungsstrangs immer wieder erwähnt, dass es sich bei Hartigan um einen ›alten Mann‹ handelt, der gegen seinen Willen in eine frühzeitige Pensionierung geschickt wurde. Dabei ist zu beachten, dass der Schauspieler Bruce Willis hier die Rolle einer Figur übernimmt, die im Film zwischen zehn und 20 Jahre älter ist als er selbst 82 . Wie bereits bei Josh Hartnett und Elijah Wood lässt sich auch in diesem Fall eine ironische Brechung mit der Star Persona von Bruce Willis ausmachen, da dieser im Allgemeinen den Ruf eines gutaussehenden Frauenhelden genießt, welcher im Laufe seiner Karriere vor allem durch die Verkörperung muskulöser und agiler Actionhelden, wie z.B. in Die Hard (USA 1988), berühmt geworden ist. Dass nun ausgerechnet Bruce Willis, der laut Stefan Brandt seit den 1980er Jahren als Vorreiter für die Wiederbelebung archetypischer Heldenfiguren innerhalb des Actionfilm-Genres gilt und den Trend zu einer Art Re-Maskulinisierung in der amerikanischen 82 | Der Film S in C it y kommt im Jahr 2005 in die Kinos. Zu diesem Zeitpunkt ist der 1955 in Idar-Oberstein geborene Bruce Willis 50 Jahre alt. Im ersten Teil des Erzählstrangs That Yellow B astard ist die von Bruce Willis verkörperte Figur des Hartigan 60 Jahre alt. Im zweiten Teil der Erzählung sind acht Jahre vergangen, womit Hartigan zu diesem Zeitpunkt 68 Jahre alt ist.

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Kultur angestoßen haben soll (vgl. Brandt 2002, 92 f.), die Rolle eines alten und gebrechlichen Polizisten verkörpert, scheint auch hier kein Zufall zu sein. Dem selbstreferenziellen Prinzip des casting against type folgend, wird vielmehr bewusst auf die Konstruiertheit der Star Persona von Bruce Willis und dem damit verbundenen heteronormativen Männlichkeitsbild hingewiesen. In That Yellow Bastard wird dem alternden Polizisten Hartigan die Figur der jungen Nancy Callahan zur Seite gestellt. Die elfjährige Nancy, welche im ersten Teil des Erzählstranges von Hartigan aus den Händen des perversen Kinderschänders und Mörders Roark Junior gerettet wird 83, entwickelt im Lauf der Narration romantische Gefühle für den alternden tough guy. Nachdem Hartigan fälschlicherweise acht Jahre im Gefängnis verbringen musste, kommt es in Kadie’s Bar zu einem Wiedersehen der beiden Figuren. Die kleine, unschuldige, dünne Nancy hat sich mittlerweile zu einer verführerischen exotischen Tänzerin entwickelt, die sämtliche Männerblicke auf sich zieht 84 und im weiteren Verlauf der filmischen Narration erneut in die Fänge des pädophilen Vergewaltigers und Mörders Roark Junior (alias der Yellow Bastard) gerät. Damit scheint Nancy nicht nur eine stereotype Lolita-Figur, sondern auch die Rolle des passiven weiblichen Opfers, genauer gesagt der so genannten scream 83 | Genau wie die Darstellung des Frauenmörders Kevin aus dem The H ard G oodbyeErzählstrang kann auch die Repräsentation des Yellow Bastard (alias Roark Junior) als eine übersteigerte sowie verfehlte – und folglich nicht mehr ernst zu nehmende – Imitation der archetypischen Gestalt des psychopathischen Killers verstanden werden. In diesem Zusammenhang wird der überaus monströs und grotesk wirkende psychopathische Killer in That Yellow B astard nicht nur symbolisch, sondern auch buchstäblich kastriert. Außerdem wird die Künstlichkeit der Yellow Bastard-Figur sowohl im Comic als auch im Film durch den Einsatz eines unnatürlich wirkenden, gelben Farbakzentes gezielt hervorgehoben. 84 | Wie bereits in Kapitel 3.1 (S. 106 ff.) der vorliegenden Arbeit beschrieben, handelt es sich bei dieser Szene um eine Schlüsselszene, welche aufgrund ihrer hochgradig stilisierten Inszenierung dazu beiträgt, die Figur der attraktiven Tänzerin Nancy als idealisierte Frau (woman), als diskursives Fantasieprodukt kenntlich zu machen. Laut Chantal Russo gelingt es der filmischen Remedialisierung u.a. »durch die Wahl von Einstellung und Einstellungslänge, die Technik der visuellen Schlüsselszene, derer sich Miller bedient, zu übernehmen« (Russo 2007, 90). Denn genau wie im Comic steht auch in der filmischen Wiederaufführung »die tanzende Nancy, deren Bewegungen Miller durch den Einsatz vieler ganzseitiger Panels und zahlreicher Perspektivwechsel auf die Figur gekonnt inszeniert« (ebd., 89), im Mittelpunkt der Szene. Dabei werden die »wechselnden Einstellungsgrößen, die bei Miller dem langsamen Spannungsaufbau dienen, […] im Film aufgegriffen […]. Durch die Wahl der Bildausschnitte reproduziert die Verfilmung hier originalgetreu die formalen Illustrationsweisen und die Optik der Comic-Geschichte« (ebd., 89 f.).

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queen 85 zu übernehmen. Denn sowohl Roark Junior als auch dessen groteskes Alter Ego, der Yellow Bastard, hören ihre Opfer am liebsten laut schreien. Innerhalb des Horrorfilm-Genres hat sich die scream queen, oder auch victimised woman, zu einem konventionalisierten Filmklischee entwickelt. Dementsprechend bemerkt Linda Williams, dass innerhalb des Horrorfilms sowohl »the display of sexual arousal« als auch »the display of fear« (Williams 1995, 167) weiblich kodiert sind. Aufgrund ironischer sowie überspitzter Darstellungen kommt es allerdings auch bei diesen vermeintlich stereotypen Darstellungen von Geschlecht in Sin City zu einer selbstreflexiven Dekonstruktion des Gezeigten. So wird der Eindruck einer klassischen Lolita-Geschichte zunächst durch das Wissen um Bruce Willis’ Star Image als womanizer und Verführer jüngerer Frauen gefördert. Indem sich die Figur des Hartigan im Verlauf der Narration weigert, eine sexuelle Beziehung mit der jungen Nancy einzugehen und diese vielmehr als seine Tochter und nicht als seine potenzielle Geliebte ansieht, unterläuft die filmische Inszenierung auch hier die Erwartungshaltung des Publikums. Die Erwartungshaltung des Publikums wird ebenfalls im Hinblick auf Nancys Rolle als angsterfülltes Opfer unterlaufen. Denn diese zeigt während ihrer Entführung und Misshandlung durch Roark Junior (alias Yellow Bastard) keinerlei Angst und weigert sich zudem bewusst, zu schreien. Damit widersetzt sich Nancy – genau wie zuvor Lucille in The Hard Goodbye – dem stereotypen Gender-Klischee der hysterischen scream queen. Sin City zeichnet sich also auch hier nicht nur durch das einfache Zurückgreifen auf bereits etablierte Gender-Rollen aus, sondern präsentiert seinen Zuschauer_innen vielmehr eine absichtlich verfehlte Wiederaufführung genau dieser stereotypen Geschlechterentwürfe. In diesem Sinne stellt ebenfalls die Repräsentation der Prostituierten Gail in The Big Fat Kill eine interessante Abweichung des gängigen passiven weiblichen Objektes bzw. Opfers dar. Bei Gail handelt es sich um die Anführerin einer Gruppe von weiblichen Prostituierten, welche in dem so genannten Old Town-Viertel, dem Rotlichtbezirk von Basin City leben und arbeiten. Hierbei ist zu beachten, dass die patriarchale Ordnung von Sin City in Old Town aufgehoben wird, denn hier sind die Frauen das Gesetz86. 85 | Zum Konzept der scream queen siehe u.a. Rhona J. Bernstein: Attack of the Leading Ladies. Gender, Sexuality, and Spectatorship in Classic Horror Cinema. New York: Columbia Univ. Press 1996. 86 | In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die in Old Town arbeitenden und lebenden Prostituierten eine funktionierende Gemeinschaft repräsentieren, während die restliche Gesellschaft innerhalb des S in C it y -Universums eine verkommene patriarchale Gesellschaft reflektiert, in der ehemals wichtige und positive Werte wie Freundschaft oder Loyalität durch Verrat, Korruption und Perversion ersetzt werden. Dieser Verfall der S in C it y - bzw. der patriarchalen Gesellschaft wird in The B ig Fat K ill beispiel-

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Die Tatsache, dass die Frauen in Old Town ihre ›eigene Exekutive‹ bilden, wird auf der visuellen Ebene des Films durch ihre phallischen Waffen signalisiert, da – wie Yvonne Tasker verdeutlicht – der Besitz der (Schuss-)Waffe innerhalb des Hollywood-Symbolsystems als ›potentes‹ Machtzeichen zu verstehen ist (vgl. Tasker 1993, 26). Darüber hinaus handelt es sich bei Gail um eine äußerst aggressive und unabhängige femme fatale. Im Gegensatz zu ihren stereotypen Vorgängerinnen bewegt sich die von Rosario Dawson verkörperte phallische Figur genüsslich und freiwillig am Rande der Gesellschaft und wird innerhalb der filmischen Narration für ihr normabweichendes Verhalten weder bestraft noch eliminiert. Diese aktive sowie unabhängige (sexuelle) Aggressivität wird zusätzlich auf der visuellen Ebene des Films durch Gails sado-masochistische Kleidung unterstrichen. Genau wie im Comic trägt auch die Figur im Film extrem freizügige und gleichsam theatralische Kleidung, welche vornehmlich aus Ledergürteln, Schnallen und Riemen besteht und damit an das Kostüm einer Domina erinnert 87. Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass Gails ›Spezialität‹ als Old Town-Prostituierte darin besteht, ihre Kunden zu fesseln und zu passiven Objekten zu degradieren. Trotz ihrer äußerst erotischen Erscheinung entzieht sich die hier repräsentierte Domina-Figur der Rolle des passiven weiblichen Lustobjektes bzw. der Rolle der »fetishistic figure of fantasy derived from comic books and soft pornography« (Tasker 1998, 69), da es sich bei Gail um eine positiv besetzte warrior woman handelt, welche sowohl männlich als auch weiblich konnotierte Eigenschaften miteinander kombiniert 88. Aufgrund haft durch die Figur des Polizisten Jackie Boy verkörpert, welcher offiziell in Basin City als hero cop gefeiert wird, im Verlauf des The B ig Fat K ill-Erzählstrangs allerdings vor allem durch den Einsatz unkontrollierter und unberechenbarer Gewalt gegenüber Frauen besticht. 87 | Insgesamt besteht die ›Arbeitskleidung‹ der Old Town-Prostituierten aus aufreizenden Kostümen, die wie eine Verkleidung bzw. Maskerade wirken. Mit dieser übertriebenen Darstellung geschlechtlicher Kennzeichen (vgl. Butler 1991, 84), bzw. verschiedener Ethnien, wird der konstruierte Charakter stereotyper Gender-Rollen in The B ig Fat K ill zur Schau gestellt. Während Gail beispielsweise die Rolle der aggressiven schwarzen Domina übernimmt, verkörpert Miho die Rolle der exotischen Asiatin und Dallas (Patricia Vonne) die Rolle des temperamentvollen texanischen Cowgirls. Darüber hinaus lässt sich in einer kurzen Einstellung des The H ard G oodbye-Erzählstrangs eine Prostituierte ausmachen, deren ›Arbeitskleidung‹ (kurzes, schulterfreies Oberteil, lange weiße Handschuhe sowie eine kurze blaue Hose mit weißen Sternen) einen selbstreferenziellen Verweis an das Superheldinnen-Kostüm der berühmten Wonder Woman-Figur darstellt. 88 | Zum Konzept der warrior women im amerikanischen Action-Kino siehe u.a. Yvonne Tasker: Spectacular Bodies. Gender, genre and the action cinema. London: Routledge 1993.

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ihrer erotischen toughness gelingt es Gail nicht nur, die voyeuristischen Blicke des männlichen Subjektes herauszufordern, sondern diese auch bewusst zu erwidern und somit eine aktive Subjektposition innerhalb der Narration einzunehmen. Dementsprechend ist Gail während ihres ersten Zusammentreffens mit Dwight in der Lage, den Blick des männlichen Protagonisten herauszufordern und zugleich zu lenken. Folglich kann die von Gail verkörperte warrior woman nicht nur als eine ›unzensierte‹ Wiederaufführung der typischen Comic-Superheldin à la Wonder Woman89, sondern auch als eine innovative Version der klassischen femme fatale verstanden werden, welche zwar durch ihre erotische Erscheinung sowie sexuelle Freizügigkeit gekennzeichnet ist, diese aber selbstsicher und kontrolliert einzusetzen vermag. Neben Gail spielt in The Big Fat Kill noch eine weitere weibliche Figur eine nicht zu unterschätzende Rolle. Hierbei handelt es sich um »die stets kampf bereite Miho […], die, wie die Samurai-Kämpfer japanischer Mangas, kein Wort sagt, aber effektiv töten kann« (Russo 2007, 71). Ironischerweise stellt gerade diese, von Devon Aoki gespielte zierliche Gestalt die tödlichste und gefährlichste Figur in The Big Fat Kill – genauer gesagt im gesamten Sin City-Universum dar. Laut Frank Miller handelt es sich bei Miho sogar um eine magische Figur: »She’s a character of magic much more than the others are […]. And she is also a character of mystery. In Sin City everybody talks a lot. Miho never says a word, and she’s completely and literally lethal« (Miller in Miller/Rodriguez 2005, 136)90. Obwohl Miho eine stumme Figur verkörpert, widerspricht ihre Darstellung als aktive und tödliche Kämpferin ebenfalls dem gängigen Klischee des passiven, unterwürfigen weiblichen Opfers. Darüber hinaus ist es Miho, die den Protagonisten Dwight McCarthy im Verlauf des The Big Fat Kill-Erzählstrangs vor einer Gruppe von irischen Söldner_innen

89 | Zur Figur der Wonder Woman siehe Kapitel 5.1 (S. 204 ff.) der vorliegenden Arbeit. 90 | Als überzeichnete, magische Figur weist Miho eine deutliche Ähnlichkeit zu dem psychopathischen Killer Kevin auf (vgl. http://sincity.wikia.com/wiki/Miho). Genau wie bei Kevin handelt es sich auch bei Miho um eine remedialisierte Figur, die sich aus einer langen Kette von Vorläufer_innen (wie. z.B. Frank Millers Elektra-Figur) speist. So bemerkt beispielsweise Bernd Dolle-Weinkauff, dass es sich bei Miho um eine Figur handelt, »die Todesengel, Superheldin und exotische Beigabe in einem ist« (Dolle-Weinkauff 1998, 117). Darüber hinaus kann Miho als Verweis auf Millers Affinität zum japanischen Manga verstanden werden. »Frank Miller had long been interested in manga, and had provided covers for Lone Wolf and Cub, as well as producing a series for DC about a samurai (Ronin, 1993). Now his art technique became more directly influenced, and by the time of his black-and-white epic Sin City in 1993, the Japanese-style speedlines and dynamic page layouts were clearly in evidence« (Sabin 2001, 234).

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bzw. Terrorist_innen91 rettet und die Rolle der äußerst effektiven Beschützerin innerhalb der Old Town-Lebensgemeinschaft übernimmt. In The Big Fat Kill sind es also nicht die hartgesottenen, unerschrockenen tough guys, sondern die hübschen gnadenlosen ladies, die für Recht und Ordnung sorgen. Dementsprechend ist auch die Repräsentation des Protagonisten Dwight McCarthy in The Big Fat Kill durch eine ironische Uminterpretation der archetypischen Figur des heldenhaften Retters gekennzeichnet. Im Vergleich zu Marv und Hartigan verkörpert Clive Owen in der Rolle des Dwight McCarthy zunächst den mit Abstand jüngsten und attraktivsten Protagonisten in Sin City. Darüber hinaus scheint es sich bei Dwight um einen gewissenhaften Helden zu handeln, welcher seine Rolle als Beschützer des weiblichen Geschlechts besonders ernst nimmt. Allerdings wird auch Dwight, genau wie zuvor Marv, aufgrund seiner kolorierten Schuhe bereits zu Beginn der Erzählung auf der visuellen Ebene des Films mit der als weiblich konnotierten Farbe Rot in Verbindung gebracht. Und genau wie bei Marv scheint es sich auch bei Dwight um ein irrationales männliches Subjekt zu handeln, welches Wirklichkeit und Wahnsinn nicht immer voneinander zu unterscheiden vermag. So bildet sich Dwight beispielsweise ein, ein Gespräch mit dem toten Polizisten Jackie Boy zu führen. Die Irrationalität dieser Situation wird im Film sowohl durch die hypermediale Inszenierung der Szene als auch durch Dwights voice over-Kommentar bestärkt. Bei dem voice over-Verfahren handelt es sich um »eine für die klassische Filmerzählung entwickelte Technik, die auf der akustischen Ebene einen Erzähler einführt, der auf der Bildebene gezeigtes Geschehen beschreibt oder kommentiert oder zusätzliche, nicht gezeigte Informationen zur Verfügung stellt […]. Im klassischen Erzählfilm dient voice over zur Bestätigung des Gesehenen, also der kausalen, räumlichen und zeitlichen Logik der Geschichte, und trägt auf diese Weise zu deren ›realistischen‹ Effekt bei. Film noir hat sich voice over zu Nutze gemacht, um damit das Geschehen als subjektive Erzählung zu demaskieren« (Röwekamp 2003, 102).

In The Big Fat Kill nutzt Dwight das narrative Verfahren des voice overs allerdings nicht nur, um seine (subjektive) Geschichte zu erzählen, sondern auch um die imaginäre vierte Wand zu durchbrechen, mit den Zuschauer_innen zu interagieren und damit jeglichen Illusionseffekt zu unterbinden92 . Dementspre91 | Diese Gruppe von irischen Söldner_innn bzw. Terrorist_innen kann als Zeichen für den in S in C it y präsentierten moralischen Werteverfall gesehen werden, da hier eine Gruppe von Menschen bereit ist, ihre Mitmenschen gegen Bezahlung zu töten. 92 | Wie Andrea Braidt treffend formuliert, konstituieren das Durchbrechen der vierten Wand und die damit verbundene Ansprache des Publikums (z.B. in Form eines direkten Blickes des Protagonisten bzw. der Protagonistin in die Kamera) das effektivste »Zur-

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chend ertönt die Kommentarstimme des Protagonisten auch nicht ausschließlich aus dem off, sondern wird direkt von der auf der Leinwand agierenden Figur in Form eines ironischen ›Zwiegesprächs‹ präsentiert. Neben mangelnder Rationalität scheint es der Figur des Dwight McCarthy ebenfalls an Souveränität und Eigenständigkeit zu fehlen. So wird Dwight – welcher sich im Gegensatz zu den beiden Protagonisten des The Hard Goodbye- oder That Yellow Bastard-Erzählstrangs nicht nur durch den Einsatz brachialer Gewalt, sondern auch durch eine als weiblich assoziierte, instinktive Intuition kennzeichnet – zunehmend von Selbstzweifeln geplagt. Er verliert im Verlauf der Erzählung immer wieder die Kontrolle über die Geschehnisse und manövriert sich selbst wiederholt in scheinbar ausweglose Situationen (er wird z.B. von der Polizei verfolgt und angehalten, das Benzin geht ihm aus und er wird sogar angeschossen). Daher ist es (zunächst) auch nicht Dwight, der die Prostituierten von Old Town schützt, sondern Miho. Sie ist es zudem, die Dwight zur Seite steht und ihn abermals aus verschiedenen misslichen Lagen befreit (Miho rettet Dwight u.a. vor dem Ertrinken in einer Teergrube). Schließlich scheint der Protagonist des The Big Fat Kill-Handlungsstrangs auch keinerlei Kontrolle über seine Liebesbeziehung zu Gail zu besitzen. Bei ihrer ersten Begegnung ist es die warrior woman, die die aktive Rolle übernimmt und Dwight stürmisch küsst. Mit seinem voice over-Kommentar verdeutlicht Dwight überdies, dass er durch Gails Anwesenheit völlig abgelenkt ist und Mühe hat, klar zu denken. Am Ende des The Big Fat Kill-Erzählstrangs wird dieser offensichtliche Kontrollverlust nochmals durch Dwights voice over-Kommentar unterstrichen, da dieser zugeben muss, dass Gail (die Dwight hier explizit als warrior woman bezeichnet) ihm einerseits immer und andererseits niemals gehören wird. Der Tradition des Film Noir folgend, stellt dieses vage und offene Ende eine Gefährdung der als normativ geltenden heterosexuellen Liebesgeschichte dar. Insgesamt scheinen die in Sin City repräsentierten heterosexuellen Partnerschaften zum Scheitern verurteilt zu sein. Während Gail und Dwight eine wilde, aber zerstörerische Leidenschaft verbindet, muss Marv aus The Hard Goodbye seine Liebe zu Goldie mit dem Leben bezahlen. Dasselbe gilt auch für die Figur des alternden Polizisten Hartigan. Während er zu Beginn der That Yellow Bastard-Erzählung noch von seiner liebenden Frau Eileen träumt, wird er im Verlauf der Narration von genau dieser archetypischen nurturing woman verlassen. Auch er muss am Ende der Erzählung mit seinem Leben bezahlen, um die junge Nancy Callahan zu beschützen. Schließlich bleibt zu Schau-Stellen des Realismus vortäuschenden Apparates [….]. Dadurch wird jenes Verhältnis sichtbar gemacht, das traditionellerweise der Illusion wegen verborgen bleiben muss: das Verhältnis zwischen ZuschauerInnen und filmischer Konstruktion« (Braidt 2004, 62).

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bemerken, dass die schlimmsten Gräueltaten in Sin City (seien es die brutalen Prostituierten-Morde in The Hard Goodbye oder die Geiselnahme von Nancy in That Yellow Bastard) außerhalb der Stadt auf einer Farm stattfinden. Von diesem Anwesen ist außer ihrem Besitzer – der Roark Familie – nichts weiter bekannt. Mit der Tatsache, dass es sich bei der Roark Farm um einen ländlichen Ort handelt, an dem furchtbare Dinge geschehen, greift Sin City auf eine für das Genre des Horrorfilms typische Dichotomie zwischen Stadt und Land zurück. Laut Carol Clover geht mit dieser binären Opposition eine deutliche Hierarchisierung bzw. Wertung einher, welche sich auch auf die Repräsentation familiärer Strukturen im Film auswirken kann: »When we do see country families, something is always terribly wrong with them. One standard problem is a weak or missing father and a correspondingly too-powerful mother […]. More commonly, however, the problem is patriarchy run amok« (Clover 1992, 125). Im konkreten Fall von Sin City wird die von Clover beschriebene perverse familiäre Struktur von der gesamten Roark Familie93 repräsentiert. Folglich stellt diese nicht nur eine besonders reiche, mächtige und einflussreiche Familie dar, sondern vor allem eine extrem kriminelle sowie pervertierte. Darüber hinaus repräsentiert die Roark Familie das dominante Beispiel der ›traditionellen‹ biologischen Familie in Sin City. Mit dieser Repräsentation wird die Instanz der patriarchalen Familie bzw. das Konzept der heterosexuellen Partnerschaft in Sin City in erster Linie mit Tod, Perversion oder sogar Inzest in Verbindung gebracht94 . Im Vergleich dazu handelt es sich bei den in Old Town lebenden und arbeitenden Prostituierten offensichtlich um die einzige funktionierende Lebensgemeinschaft in Sin City95. In diesem Zusammen93 | Zu der Roark Familie gehören neben Kardinal Roark noch sein Bruder Senator Roark sowie dessen Sohn Roark Junior, welcher sich im Verlauf des Erzählstrangs That Yellow B astard als perverser, psychopathischer Kinderschänder und Mörder entpuppt. Da es sich bei Kardinal Roark um »the most powerful man in the state« (Miller 2005a, 135) handelt, wird die Roark Familie nicht nur mit der ländlichen Farm in Verbindung gebracht, sondern auch mit der Elite bzw. Oberschicht von S in C it y. 94 | Die bereits erwähnte Beziehung zwischen dem alternden Polizisten Hartigan und der jungen Nancy aus That Yellow B astard weist in diesem Zusammenhang einen expliziten inzestuösen Charakter auf, da Nancy romantische Gefühle für Hartigan hegt, dieser Nancy allerdings als die Tochter betrachtet, die er selbst niemals hatte. 95 | Eine Ausnahme bildet hierbei die Figur der jungen Prostituierten Becky. Im Lauf der Narration entpuppt sich diese als verräterisches Mitglied der Gemeinschaft, da sie gegen Bezahlung vertrauliche Informationen an die Mafia weitergibt. Zudem hat Becky Angst davor, dass ihre Mutter erfahren könnte, dass sie eine Old Town-Prostituierte ist. Infolgedessen handelt es sich bei Becky um eine beispielhafte negative Figur, welche die biologische Familie (symbolisiert durch ihre Mutter) der ›künstlichen‹ Lebensge-

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hang scheint auch die Figur des männlichen Protagonisten Dwight, den Prostituierten von Old Town primär als Freund und Gemeinschaftsmitglied und nicht als Liebhaber verpflichtet zu sein. Infolgedessen präsentiert Sin City seinen Zuschauer_innen nicht nur eine subversive Dekonstruktion stereotyper Geschlechterrollen, sondern auch eine »kulturelle, neue Ausarbeitung von Verwandtschaft« (Butler 1997a, 193), welche dem traditionellen Bild der biologischen Familie bzw. heterosexuellen Partnerschaft entsagt und somit keinerlei ›natürlicher‹/biologischer Familienbande mehr bedarf, um eine funktionierende Lebensgemeinschaft zu konstituieren96.

3.4 Z usammenfassung Turn the right corner in Sin City and you can find anything. Anything... (S in C it y, USA 2005)

Dieses Zitat entstammt einem der zahlreichen voice over-Kommentare in Sin City. Genauer gesagt sind es die letzten Worte, die im Epilog des Films von der Figur des anonymen Killers aus dem off gesprochen werden. Die in diesem Kapitel dargebotenen kritisch-reflexiven Überlegungen haben verdeutlicht, dass in Frank Millers Sin City-Universum tatsächlich anything zu finden ist – sogar die subversive Dekonstruktion von Gender. Aufgrund der besonderen Korrelation von Comic und Film ist Sin City durch eine extrem künstlich anmutende Ästhetik gekennzeichnet, welche die Konstruiertheit des Gezeigten zu keinem Zeitpunkt zu verbergen sucht, sondern diese aufgrund technischer Spielereien ausdrücklich thematisiert. Dabei ist zu beachten, dass der Aspekt der demonstrativen Künstlichkeit in Sin City nicht nur zu einem gezielten Aufdecken bzw. Auf brechen etablierter filmischer Konventionen führt. Die Analyse des Comic- und Filmmaterials hat gezeigt, dass die offensichtliche Zurschaustellung der eigenen Medialität im Falle von Sin City auch das Sichtbarmachen des konstruierten Charakters (hetero-)normativer Gender-Rollen mit sich bringt. Wenngleich Comic und Film auf eine ganze Reihe etablierter, stereomeinschaft vorzieht. Dieses Verhalten bleibt allerdings nicht ohne Konsequenzen, da Becky im Epilog des Films auf die geheimnisvolle Figur des Killers aus The C ustomer is A lways R ight trifft. Obwohl der Film auch hier keine narrative Auflösung präsentiert, ist davon auszugehen, dass Becky für ihren Verrat an der Old Town-Gemeinschaft mit dem Leben bezahlen wird. 96 | Diese neue Art des Verwandtschaftssystems wird ebenfalls durch die Produktionsgemeinschaft von S in C it y widergespiegelt, da auch hier aufgrund der beständigen Zusammenarbeit von Regisseuren und Schauspieler_innen eine Art ›künstliche‹ Lebensgemeinschaft geschaffen wird.

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typer Geschlechterrollen und Figuren zurückgreifen, so erweisen sich diese durch ihre überspitzte sowie exzessive Repräsentation als leeres Zeichenspiel, als hypermediale Konstrukte ohne Referenz an eine wie auch immer geartete außer-mediale Wirklichkeit. Judith Butlers Konzept der Performativität des Geschlechts bzw. der Gender-Parodie folgend, werden die etablierten GenderRollen innerhalb des Sin City-Universums nicht einfach nur übernommen, sondern in überzeichneter und verfehlter Form remedialisiert, d.h. zitiert und neu aufgeführt. Bei dem Comicfilm Sin City handelt es sich demnach um eine subversive Repräsentationsform, welche den Akt der Repräsentation selbst thematisiert und ihren Zuschauer_innen mit Hilfe ironischer Brechungen sowie übertriebener bzw. abgewandelter Darstellungen heteronormativer Geschlechterrollen die (De-)Konstruktion des Diskursproduktes Gender präsentiert.

4. Unsterblich zu Lebzeiten: Die mediale (Re-)Produktion von Geschlecht in I mmortel

Mit Immortel (ad vitam)1 hat der in Belgrad geborene und mit neun Jahren nach Frankreich emigrierte Regisseur und Comickünstler Enki Bilal ein postmodernes Science-Fiction-Spektakel geschaffen, welches durch künstliche Bilder besticht und seine Zuschauer_innen in eine hybride Welt voller seltsam anmutender Wesen entführt. Als ›freie‹ bzw. ›lose‹ Adaption von Bilals Comicreihe La Trilogie Nikopol2 konzipiert, inszeniert der von Georg Seeßlen als surreal bezeichnete Comicfilm (vgl. Seeßlen 2005b, o.S.) die Geschichte von Jill Bioskop (Linda Hardy), einer attraktiven jungen Mutantin mit blauen Haaren und weißer Haut, welche eine außergewöhnliche Macht besitzt – die Macht, den Göttern Nachkommen zu schenken. Auf neueste filmtechnische Mittel zurückgreifend, besticht die Produktion durch einen digital generierten sowie künstlich stilisierten Hyperrealismus, welcher keinerlei Anspruch auf ›Plausibilität‹ oder ›Realitätsnähe‹ erhebt. Bedingt durch die Remedialisierung comicspezifischer Gestaltungsmittel und die offenkundige Kombination realer so1 | Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der französische ›Originaltitel‹ des Films I mmortel (ad vitam) bzw. der Kurztitel I mmortel verwendet. Da es sich hier um eine europäische Koproduktion handelt, wurde der Film allerdings nicht in französischer, sondern in englischer Sprache gedreht. Der englische bzw. internationale Filmtitel lautet I mmortal (A d V itam). Die deutsche Version (die im Jahr 2005 in die Kinos kommt) trägt den Titel I mmortal – N ew York , 2095: D ie R ückkehr der G öt ter . 2 | Die Comicreihe La Trilogie Nikopol erscheint zunächst in Frankreich bzw. in französischer Sprache und besteht aus den Bänden La Foire aux Immortels (1980), La Femme Piège (1986) und Froid Équateur (1992). Während die ersten beiden Bände im Verlag Dargaud erschienen sind, wurde der dritte Teil der Trilogie im Verlag Les Humanoïdes Associés herausgebracht. Dieser publizierte 1995 auch die erste Gesamtausgabe der Trilogie. Zehn Jahre später erscheint eine weitere Auflage der Gesamtausgabe im Casterman Verlag, auf die im Rahmen der vorliegenden Arbeit als Analysequelle zurückgegriffen wird.

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wie digital generierter Elemente (Figuren, Kulissen etc.) präsentiert Immortel seinen Zuschauer_innen eine hybride Bildästhetik, welche durch eine Vielzahl von Brüchen und Uneindeutigkeiten gekennzeichnet ist und gar nicht erst den Versuch unternimmt, kohärentes Illusionskino zu sein (vgl. Sina 2012a, 197 ff.). Entgegen des illusionären »›Realitätsgebots‹ des Hollywoodkinos« (Rausch 2004, 241) werden weder die filmischen Produktionsverfahren noch der performative Inszenierungscharakter der (re-)medialisierten Geschlechterpositionen in Immortel kaschiert oder als ›natürlich‹ konzipiert. Durch die hybride, hypermediale Ästhetik des experimentellen Comicfilms erweist sich nicht nur die filmische Diegese, sondern auch die vermeintliche Kontinuität sowie ›Realität‹ der binären Geschlechterdifferenz in Immortel als brüchig, prozesshaft und inkohärent. ›Mensch-‹ bzw. ›Mann- und Frau-Sein‹ werden so als diskursives Produkt einer heteronormativen Ordnung erkennbar, welche fremdartige, non-konforme Aspekte geschlechtlicher Identitäten zu disziplinieren und (gewaltsam) zu normieren sucht.

4.1 P oésie G raphique – E nki B il als hybride C omicwelt Paris im Jahr 2023 – Dies ist der Schauplatz von La Foire aux Immortels, dem ersten Teil der von Enki Bilal kreierten Comicreihe La Trilogie Nikopol. Als »düstere Zukunftsprojektion einer spätkapitalistischen Gesellschaft, in der sich der Verlust der politischen Ideale im kalten Neon-Look der 1980er Jahre spiegelt« (Knigge 2004, 225), präsentiert die bande dessinée auf insgesamt 66 farbig gedruckten DIN-A4-Seiten die Geschichte des Dissidenten Alcide Nikopol. Dieser kehrt nach einem dreißigjährigen kosmischen Kälteschlaf unverhofft auf die Erde zurück und trifft dort auf Horus, eine mythische Gestalt – halb Mensch, halb Falke –, die (gemeinsam mit ihren altägyptischen Artgenossen) aufgrund von Treibstoffmangel in der französischen Hauptstadt gestrandet ist. Auf der Suche nach neuem Treibstoff für ihr pyramidenförmiges Raumschiff bitten die Götter den amtierenden faschistischen Gouverneur von Paris – Jean-Ferdinand Choublanc – um Hilfe. Im Gegensatz zu seinen Artgenossen hat Horus allerdings nicht vor, die Erde zu verlassen. Mit dem Ziel, ihre Bemühungen um Treibstoff zu vereiteln, macht sich Horus auf die Suche nach einem menschlichen Wirt (den er in Alcide Nikopol findet), mit dessen Hilfe er Gouverneur Choublanc stürzen und die Macht ergreifen möchte, bevor dieser den Forderungen der Gottheiten nach Treibstoff Folge leisten kann. Choublanc bietet den Gottheiten indes einen Handel an: Treibstoff im Tausch gegen die göttliche Unsterblichkeit. Aus moralischen und ethischen Gründen lehnen die Gottheiten dieses Angebot jedoch ab und unternehmen nun selbst den Versuch, den machtbesessenen Gouverneur aus dem Amt zu heben. Aber Horus kommt ihnen zuvor und setzt

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Nikopol als neuen Gouverneur von Paris ein. Dieser fällt wenig später einem Attentat zum Opfer und stirbt. Die ägyptischen Gottheiten beschließen, Nikopol wieder zum Leben zu erwecken und bestrafen Horus für dessen Verrat. Abbildung 30: Collagen-artiges Comictableau

Quelle: Enki Bilal: La Foire aux Immortels. In: La Trilogie Nikopol. Paris: Casterman 2005, S. 5.

Wie diese kurze (und keineswegs vollständige) inhaltliche Zusammenfassung verdeutlicht, handelt es sich bei La Foire aux Immortels um ein vielschichtiges Werk, welches auf komplexe und oftmals diffuse Art und Weise verschiedenste Themen (identitätspolitische, soziokulturelle, ethisch-moralische etc.) miteinander kombiniert. Die Diffusität der Erzählung – welche die Rezipient_innen zu einer wiederholten Re-Lektüre animiert – spiegelt sich auch auf der formalästhetischen Ebene des Albums wider. So präsentiert Bilal seinen Leser_innen bereits zu Beginn der bande dessinée ein Comictableau, welches sich aus vermeintlich willkürlich aneinandergereihten Panels zusammensetzt (s. Abb. 30). Erst eine genauere Betrachtung des Albums verdeutlicht, dass es sich bei den hier präsentierten Panels um re- oder besser gesagt premedialisierte3 Bilder 3 | Das Konzept der Premedialisierung (premediation) versteht sich als Pendant (counterpart) zu dem von Jay David Bolter und Richard Grusin entwickelten Konzept der Remedialisierung (remediation). Im Gegensatz zum Konzept der Remedialisierung, also

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handelt, die aus dem (narrativen) Zusammenhang der folgenden Erzählung gelöst und auf der ersten Seite der bande dessinée in veränderter Form (variierende Bildausschnitte etc.) reproduziert werden (vgl. Bilal 2005, 11 sowie 14 f.). Der collagen-artige Effekt4 dieser Seite wird zusätzlich durch den Einsatz eines relativ langen Kommentartextes verstärkt, welcher scheinbar keinen konkreten Bezug zur Bildebene aufweist und so zur Hybridisierung bzw. Fragmentierung des Gezeigten beiträgt 5. Auch im weiteren Verlauf des Comicalbums wird die Hybridität von Bilals poésie graphique (Blanchet 2008, 146) durch ein hypermediales Wechselspiel verbaler und piktorialer Elemente unterstrichen. Insgesamt handelt es sich bei La Foire aux Immortels um ein Werk, welches durch einen vergleichsweise hohen Textanteil gekennzeichnet ist. So lassen sich im Rahmen der Erzählung nur selten textlose Panels ausmachen. Wortreiche Sprech- und Gedankenblasen zählen dagegen vornehmlich zu dem gestalterischen Repertoire der bande dessinée. Diese übernehmen nicht nur die Funktion der ›verbalen‹ Informationsvermittlung, sondern machen die Rezipient_innen auch auf das permanente Spannungsverhältnis von Bild und Text im Comic aufmerksam. »[W]hile constantly linking text and image together, the comic book points to the problem of translatability between sign systems« (Mikkonen 2006, 103). Darüber hinaus trägt der hohe Textanteil in La Foire aux Immortels zu einer verminderten Rezeptionsgeschwindigkeit bzw. zu einem verlangsamten Erzählrhythmus bei, da mit dem Lesen umfangreicher und elaborierter Texte (im Vergleich zur Rezeption textloser Panels) in der Regel ein erhöhter Zeitaufwand verbunden ist.

der performativen Wiederaufführung von Medien durch Medien, bezieht sich das Konzept der Premedialisierung auf eine Form der medialen Vorwegnahme (vgl. Grusin 2010, 1 f.). 4 | Für Bolter und Grusin stellt die Collage (bzw. die mit ihr verbundenen Aspekte der Fragmentierung, Rekombination und Neuanordnung) ein wesentliches Kennzeichen der Remedialisierungsstrategie der Hypermedialität dar (vgl. Bolter/Grusin 1999, 38 f.). 5 | Eine weitere Form der hypermedialen Collage lässt sich auf Seite 21 der bande dessinée ausmachen: Horus und Nikopol befinden sich in einer alten Metro-Station. An den Wänden der Station hängen Werbeplakate, die sich aus einer Mischung unterschiedlicher Darstellungsmodi – genauer gesagt aus einer Mischung von Zeichnung und Fotomontage zusammensetzen.

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Abbildung 31: Remedialisierte Presseberichte

Quelle: Enki Bilal: La Foire aux Immortels. In: La Trilogie Nikopol. Paris: Casterman 2005, S. 42.

Der Lesefluss der Rezipient_innen wird jedoch nicht nur durch den Einsatz besonders textreicher Sprech- und Gedankenblasen verlangsamt, sondern ebenso durch den wiederholten Einschub remedialisierter Presseberichte (revues de presse) unterbrochen (s. Abb. 31). Ein solcher Pressebericht lässt sich beispielsweise auf Seite 42 der bande dessinée ausmachen: Unter der Überschrift »Revue de presse – Paris 4 Mars 2023« präsentiert Bilal seinen Leser_innen eine in schwarzweiß gehaltene Ansammlung von fiktiven Zeitungsüberschriften und Artikelauszügen. Aufgrund der schwarzweißen Darstellung stellt diese, für Bilals Werke typische para-narrative Rahmung (vgl. Knörer 2005, 115), einen offenkundigen Stilwechsel und somit einen deutlichen Kontrast zum restlichen Comic dar. Durch diesen hypermedialen Stilbruch entzieht sich das Gezeigte einer unmittelbaren, transparenten Darstellung und macht dabei gleichzeitig den Prozess der medialen Repräsentation als solchen erkennbar6. Die hypermediale Störung des unmittelbaren Illusionseffekts wird außerdem durch die 6 | Das Zitieren, Imitieren und Wiederaufführen des Printmediums Zeitung kann natürlich auch als Hommage an die Entwicklungsgeschichte des Comics verstanden werden, welche – unabhängig von ihrer nationalen Ausrichtung – bis heute in enger Beziehung zu gedruckten Medien steht.

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Tatsache bestärkt, dass die verschiedenen Presseberichte, die im Verlauf der bande dessinée immer wieder auftauchen7, mit handschriftlichen Meta-Kommentaren versehen werden, welche die Leser_innen in leuchtend roten Lettern mit zusätzlichen Informationen (wie etwa dem Namen der ​Zeitung, aus dem der vermeintliche Artikel stammt, oder der Auflagenhöhe der jeweiligen Publikation) versorgen (vgl. Bilal 2005, 42, 52 oder 62 f.)8. Abbildung 32: Verdoppelung von Vater (Nikopol) und Sohn (Niko)

Quelle: Enki Bilal: La Foire aux Immortels. In: La Trilogie Nikopol. Paris: Casterman 2005, S. 65.

Neben diversen Presseberichten und Meta-Kommentaren wird in La Foire aux Immortels noch eine weitere (hyper-)mediale Form zitiert, imitiert und neu aufgeführt. Hierbei handelt es sich um verschiedene Gedichte des französischen Lyrikers Charles Baudelaire. Laut Kai Mikkonen tragen die lyrischen Intertexte zu einer Poetisierung der Comicform, d.h. zu einer verbalen sowie temporalen Desorientierung und damit gleichzeitig zu der Diffusität des Gezeigten bzw. 7 | Die Integration von Presseberichten setzt sich auch im dritten Teil der Comicreihe fort (vgl. Bilal 2005, 155 f. sowie 171). 8 | Zusätzlich zu diesen in leuchtendroten Lettern gehaltenen Meta-Kommentaren weist die revue de presse auf Seite 42 ebenfalls eine Fußnote des ›Autors‹ auf, welche weitere Informationen zu den remedialisierten Zeitungsausschnitten bzw. Zeitungen beinhaltet.

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Erzählten bei (vgl. Mikkonen 1006, 103). Rezitiert werden die Gedichte – welche allesamt aus Baudelaires Werk Les Fleurs du Mal (1857) stammen – von Alcide Nikopol. Aufgrund der wiederholten Inbesitznahme seines Körpers durch Horus leidet der Protagonist der bande dessinée an immer stärker werdenden Kopfschmerzen und entwickelt im Verlauf der Handlung eine Persönlichkeitsstörung, welche sich u.a. durch das wiederholte und scheinbar arbiträre Aufsagen von Baudelaires Lyrik ausdrückt (vgl. Bilal 2005, 47 f. sowie 64). Den Höhepunkt seines labilen mentalen Zustandes erreicht Nikopol, als er von seinen politischen Widersachern ermordet und von Horus’ Artgenossen wieder zum Leben erweckt wird: Trotz seiner neu gewonnenen körperlichen Gesundheit ist er nicht mehr in der Lage, auf herkömmliche Weise zu kommunizieren und verliert sich scheinbar gänzlich in der Rezitation von Baudelaires Werken (vgl. ebd., 66)9. Als labiler, schizoider Held wird Nikopol am Ende der Erzählung sogar in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und in seiner Funktion als amtierender Gouverneur von Paris durch ein Double – genauer gesagt durch seinen ihm zum Verwechseln ähnlich sehenden Sohn Niko (kurz für Nikopol) ersetzt (s. Abb. 32). »The men have the same name, Alcide Nikopol, and are of the same age. The paradox is first made possible by the fact that father Nikopol’s body is restored to life after a generation spent in a state of deep-freeze« (Mikkonen 2006, 105). Die buchstäbliche Verdoppelung von Vater und Sohn wird ebenso im dritten Teil der Comicreihe Froid Équateur fortgeführt und trägt auch hier zu einer Reihe von aberwitzigen Verwechselungen bei10. So nimmt nicht nur

9 | Interessanterweise wird Nikopols gebrochener, schizoider Zustand von einem Arzt attestiert, dessen äußere Erscheinung die Leser_innen an den berühmten Psychoanalytiker Sigmund Freud erinnert (s. Abb. 32 sowie Bilal 2005, 64). 10 | Niko, der sein Amt als Gouverneur von Paris niederlegen musste, macht sich im Jahr 2034 auf die Suche nach seinem Vater. Im Rahmen seiner Reise – die ihn quer durch Afrika führt – trifft er auf Yéléna, eine attraktive Genforscherin, die sich auf vererbbare Fehlbildungen spezialisiert hat und auf der Suche nach einem abnormen Schwangerschaftsfall ist. Auch Nikopol und Horus, die sich auf der Flucht vor dem altägyptischen Pyramiden-Raumschiff befinden, halten sich in Afrika – genauer gesagt in Équateur-City auf. Nikopol, dessen geistiger Zustand sich zunehmend verschlechtert, geht mit Horus einen Handel ein: Horus nimmt ein letztes Mal von Nikopols Körper Besitz, um mit dessen Hilfe die Weltmeisterschaft im Schach-Boxen (chess-boxing) zu gewinnen. Danach soll Horus Nikopols Gedächtnis löschen und ihm nicht nur die Freiheit, sondern auch die Unsterblichkeit schenken. In der Zwischenzeit wird Niko aufgrund einer Verwechslung anstelle seines Vaters in einen Kälteschlaf versetzt. Von Horus befreit und ohne Erinnerungen beschließt Nikopol sich ›neu zu konstruieren‹. Dabei trifft er auf Yéléna, die ihn fälschlicherweise für Niko hält und eine romantische Beziehung mit ihm eingeht.

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Niko den Platz seines Vaters ein, sondern auch Nikopol wird im Verlauf der bande dessinée wiederholt für seinen Sohn gehalten: »In the last part of the trilogy, son and father switch places and thus literalize the metaphor of their double and the notion of ›full‹ correspondence or equivalence. Further, while the Nikopols are in a sense replicated by each other, Nikopol the elder is also split from within, since he shares his body with the Egyptian god Horus« (ebd.).

Bei Alcide Nikopol handelt es sich also um eine gespaltene, hybride Figur, welche u.a. durch Horus’ wiederholte (körperliche) Inbesitznahme zunehmend an Souveränität und Autorität verliert (vgl. Ueckmann 2005, 310)11. Die Hybridität dieser Figur wird zusätzlich durch die Tatsache unterstrichen, dass Nikopol bei seiner Rückkehr auf die Erde ein Bein verliert, welches von Horus – selbst eine hybride Figur, bestehend aus einem menschlichen Körper und einem tierischen Falkenkopf – durch eine künstliche, eiserne Prothese ersetzt wird. Dementsprechend stellt Nikopol – sowohl physisch als auch psychisch – eine uneindeutige Kreatur dar, die gängige Konventionen sowie Kategorisierungen durchbricht und die mit ihnen verbundenen Vorstellungen von Identität und (Geschlechts-)Körper nicht nur als soziokulturelle Konstrukte entlarvt, sondern gleichzeitig auch für eine stetige Verhandlung öffnet. So handelt es sich beispielsweise bei Nikopols mehrfacher Wiederauferstehung (aus seinem kosmischen Kälteschlaf oder nach der Ermordung durch seine politischen Gegner) um eine »›kategoriale Verunreinigung‹« (Spiegel 2007, 237)12 von Leben und Tod. Mit seiner künstlichen Beinprothese kann Nikopol zudem als CyborgFigur, als Hybrid aus Mensch und Maschine angesehen werden. Laut Donna Haraway handelt es sich bei der Cyborg-Figur um eine Fiktion, »an der sich die Beschaffenheit unserer heutigen gesellschaftlichen und körperlichen Realität ablesen lässt« (Haraway 1995, 34). Natur und Kultur werden durch das CyborgKonzept neu definiert: »Die eine stellt nicht mehr die Ressource für die Aneignung und Einverleibung durch die andere dar. Die Verhältnisse, auf denen die Integration von Teilen in ein Ganzes beruht,

11 | Während Horus von Nikopol Besitz ergreift, übernimmt er nicht nur die Kontrolle über dessen Körper, sondern er ist auch in der Lage, den Protagonisten – oder besser gesagt seinen Geist komplett auszuschalten (vgl. Bilal 2005, 37). 12 | In Anlehnung an die Ausführungen von Noël Carroll bemerkt Simon Spiegel, dass eine kategoriale Verunreinigung im Science-Fiction- sowie Horror-Genre in der Regel »eine Form diegetischer Verfremdung« darstellt. »[Z]wei Elemente, die normalerweise unvereinbar sind, werden zusammengebracht« (Spiegel 2007, 237).

Unsterblich zu Lebzeiten: Die mediale (Re-)Produktion von Geschlecht in I mmor t el einschließlich solcher der Polarität und hierarchischen Herrschaft, sind im Cyborguniversum in Frage gestellt« (ebd., 35 f.).

Als kontingente Figur hinterfragt der Cyborg nicht nur die etablierten Trennlinien zwischen Natur/Kultur, rein/unrein oder menschlich/künstlich, sondern bringt auch die Vorstellung einer fixen Subjektivität ins Wanken. Genauer gesagt hat sich »seit den 1980er Jahren mit dem Cyborg eine Figur in der ScienceFiction etabliert, die die Nichtentscheidbarkeit und Unabschließbarkeit der Frage nach der eigenen Identität in den Mittelpunkt« (Westermann 2012, 162) stellt. So befindet sich auch Alcide Nikopol in einem kontinuierlichen Prozess der Identitäts(re-)konstruktion. Besonders deutlich wird dies im dritten Teil der Comicreihe: Nikopol, der sich erneut mit Horus zusammengetan hat, leidet auch weiterhin an einer ominösen Sprachstörung, die ihn nunmehr dazu bringt, verschiedene Buchstaben (z.B. D und P oder S und Z) miteinander zu vertauschen (vgl. Bilal 2005, 160): »One can suggest that […] Nikopol’s language is the logical result of the principle of similarity, in that in his speech letters have become so similar to each other that they have actually replaced each other. The old letters can no longer be used in their places even though their order is preserved as a kind of structuring trace behind the new arrangement of units« (Mikkonen 2006, 106).

Neben Buchstaben und Zeichen scheinen auch Identitäten in Froid Équateur flexibel und austauschbar zu sein (vgl. ebd., 105). Daher tauschen nicht nur Vater und Sohn wiederholt ihre Rollen, sondern Nikopol, der sich gemeinsam mit Horus auf der Flucht vor dem altägyptischen Pyramiden-Raumschiff befindet, eignet sich als Profisportler Loopkin noch eine weitere (alternative) Identität an (vgl. Bilal 2005, 160 ff.). Parallel zu der Neupositionierung der Buchstaben in Form eines Anagramms (Nikopol → Loopkin) wird also auch die Identität des Namensträgers innerhalb der Narration neu bzw. re-konstruiert. In diesem Zusammenhang ist der Name Loopkin natürlich ebenfalls als ein Verweis auf das auf dem Prinzip der Wiederholung basierende Phänomen des loops 13 zu verstehen. Insgesamt ist die Trilogie – sowohl auf der inhaltlichen als auch gestalterischen Ebene – von zahlreichen Motiven der Wiederholung und Verdoppelung gekennzeichnet, welche auf die performative Konstitution des Mediums hinweisen und dabei gleichzeitig die Frage nach Original und Kopie, nach Analogie und Differenz aufwerfen (vgl. Stacey 2008, 230). So kommt beispielsweise 13 | Der Begriff des loops bezieht sich hier auf verschiedene Formen der (medialen) Rekursion und Wiederholung. Zum Phänomen des loops siehe auch Kapitel 3.2 (S. 118 f.) der vorliegenden Arbeit.

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dem Spiegel – als Motiv bzw. Medium der Reflexion – innerhalb der bande dessinée eine besondere Bedeutung zu14. Darüber hinaus weisen viele der von Enki Bilal kreierten Charaktere eine frappierende Ähnlichkeit auf15. Aber auch so genannte mise en abyme-Strategien, wie z.B. das Medium im Medium, die Rahmung im Rahmen (vgl. Geoffroy-Menoux 2007, 279) oder die Sprache in der Sprache (vgl. Mikkonen 2006, 107), spielen in La Trilogie Nikopol eine zentrale Rolle. Das wohl prägnanteste Motiv der Wiederholung und Verdoppelung in Enki Bilals hybrider Comicwelt stellt allerdings die Figur des Doppelgängers dar. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt wurde, reflektiert die Darstellung von Doppelgängern (oder auch Zwillingen und Klonen) im Medium Comic die »Vervielfältigung der Figuren durch die Bilderreihung wie durch die Serialisierung selbst« (Frahm 2010, 68)16. Eine weitere Funktion des Doppelgängers liegt in dessen Rolle als Denkfigur bzw. Fantasie der Reproduktion (vgl. Bergermann/Breger/Nusser 2002, 8 f.). Genau wie beim Cyborg (oder dem Klon) handelt es sich auch beim Doppelgänger um eine Figur, die »außerhalb jeglicher Familiengenealogie« (Peters 2002, 8) angesiedelt ist17. Indem Original und Kopie nicht länger voneinander unterschieden werden können, evozieren Doppelgänger den »Horror des Gleichen« (Bergermann 2002, 153) und irritieren dabei »die zeitliche Linearität und Hierarchie von Generationen ebenso […] wie die bekannten Geschlechterrollen« (ebd.). In La Trilogie Nikopol sind es die visuelle sowie narrative Verdopplung von Nikopol – von Vater und Sohn –, welche konventionelle Vorstellungen von heterosexueller Reproduktion, Verwandtschaft und Linearität ins Wanken bringen: »The relationship between son and father cannot be understood according to the traditional narrative model of family history, parenthood or the order of inheritance. Their

14 | Innerhalb der Trilogie sind immer wieder Szenen auszumachen, in denen Spiegel auftauchen bzw. in denen die verschiedenen Figuren ihr Spiegelbild betrachten (vgl. u.a. Bilal 2005, 9 sowie 47 oder 77). 15 | Die Ähnlichkeit der Charaktere wird im ersten Teil der Trilogie zusätzlich durch die vereinheitlichten Modetrends (Make-up und Kleidung) verstärkt, welche von der faschistischen Choublanc-Diktatur vorgegeben werden. 16 | Siehe hierzu auch Kapitel 2.4 (S. 68 f.) der vorliegenden Arbeit. 17 | Genau wie der Doppelgänger evozieren auch Klone den Horror des Gleichen. Darüber hinaus »löst [das Prinzip des Klonens] die biologische von der sozialen Mutterschaft, evoziert Fließbandproduktion und technologischen Machbarkeitswahn« (vgl. Bergermann 2002, 152 f.). Mit ihrer hybriden Beschaffenheit ermöglicht die Figur der/ des Cyborg wiederum, »die Ursprungserzählungen und Mythen des Humanismus zu durchkreuzen und durch den Mythos der Cyborg […] zu ersetzen« (Peters 2002, 9).

Unsterblich zu Lebzeiten: Die mediale (Re-)Produktion von Geschlecht in I mmor t el relationship is, instead characterized by the figures of the quiproquo18 and the double, the mistake and the superposition of identities. The double, furthermore, is a model for a kind of metaphoric ordering of discourse, structured around the replacement of things rather than their succession« (Mikkonen 2006, 107).

Indem das Motiv des Doppelgängers in La Trilogie Nikopol eng verbunden wird mit der Suche nach der eigenen Identität, werden die lineare Ahnenfolge, die Bedeutung von Vaterschaft, Schöpfertum und männlicher Souveränität genauso in Frage gestellt wie die essentialistische Vorstellung eines natürlichen Ursprungs und die damit verbundene Idee einer ›wahren‹, unumstößlichen (Gender-)Identität19. In diesem Sinne befinden sich Nikopol und Niko nicht nur in einem stetigen Rollen- bzw. Wechselspiel miteinander, sondern auch in einem anhaltenden Prozess des Werdens – oder genauer gesagt der (Re-)Konstruktion (vgl. Bilal 2005, 175). Ihre Identitätsbildung ist also weder abgeschlossen – und damit eindeutig oder unveränderlich – noch in sich kohärent. Dieser Unbeständigkeit und Brüchigkeit der Figuren wird innerhalb der bande dessinée auf unterschiedlichste Weise Ausdruck verliehen20. So ist – wie bereits erwähnt wurde – die Trilogie durch eine äußerst komplexe und fragmentarische Erzählweise gekennzeichnet, welche nicht nur verschiedene (meist abrupte) Zeitsprünge und Ortswechsel aufweist, sondern den Leser_innen auch unterschiedliche Erzählstimmen präsentiert. Darüber hinaus weist auch der narrative Zusammenhang zwischen den einzelnen Teilen der Trilogie einige Lücken und Ungereimtheiten auf. Insgesamt präsentiert Bilal seinen Leser_innen eine inkohärente Comicwelt, welche sich aus der Mischung unterschiedlicher Zeichensysteme, Genres und intermedialer Verweise speist. Insofern treffen in 18 | Unter Quiproquo versteht man im Allgemeinen die Verwechslung einer Person mit einer anderen. 19 | Eine These, die ebenfalls durch die Ausführungen von Ole Frahm bekräftigt wird, wenn dieser (u.a.) auf die comicimmanente »Traumlogik geschlechtsloser Vermehrung« (Frahm 2010, 70) hinweist. Indem sich Figuren im Comic scheinbar ›grundlos‹ verdoppeln bzw. vervielfältigen, wird eine Alternative zu der als normativ geltenden Vorstellung ›natürlicher‹ Verwandtschaftsverhältnisse präsentiert (vgl. ebd., 64 ff.). Als Sinnbild der »geschlechtslose[n] Vermehrung« (ebd., 70) wird die Figur des Doppelgängers so zu einem »Gegenentwurf der Comics zur Vorstellung von Vaterschaft, denn der Versuch, die Comics auf einen Vater zurückzuführen, ist immer auch eine Ablehnung der Vervielfältigung der Figur selbst – des Unheimlichen, des Doppelgängers also, der die Comics notwendigerweise heimsucht« (ebd., 68). 20 | Laut Natascha Ueckmann stellt Nikopols permanente »Kleidungsmaskerade« (Ueckmann 2005, 315) in La Trilogie Nikopol ein weiteres Indiz für die instabile, fragmentierte Identität des Protagonisten dar.

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La Trilogie Nikopol nicht nur Bild und Text, sondern auch verschiedene Schriftund Textarten aufeinander. In La Femme Piège wird beispielsweise der Kommentar der Protagonistin Jill Bioskop – der als ein die Handlung begleitendes voice over verstanden werden kann – zunächst in einer nüchternen Schriftart präsentiert, die der Typografie einer klassischen Schreibmaschine entspricht (vgl. ebd., 75). Im Verlauf der bande dessinée wird diese nüchterne Typografie durch eine Schriftart ersetzt, welche einer persönlichen Handschrift ähnelt. Und auch die Gestaltung der Kommentarkästen selbst verändert sich: Während Jills voice over zunächst in weißer Schreibmaschinenschrift auf schwarzem Grund präsentiert wird, erscheint ihr handschriftlicher, Tagebuch-ähnlicher Kommentar auf den letzten Seiten des Comicalbums auf einem sanften, blassgrauen Hintergrund (vgl. ebd., 122). Darüber hinaus lassen sich in La Trilogie Nikopol genauso Referenzen und Anleihen auf die Werke von H.P. Lovecraft, Magritte oder Moebius ausmachen wie auf die Arbeiten der Regisseure Andrei Tarkowsky und Wim Wenders21 oder des Modeschöpfers Jean-Paul Gaultier (vgl. Gravett 2006, o.S. sowie Geoffroy-Menoux 2007, 273 f.)22 . Die Heterogenität von Bilals Comicwelt spiegelt sich ebenfalls in der Präsentation hybrider Sportarten wider, wie dem chess-boxing, oder der Kreation redundanter Namen wie z.B. John-Elvis Johnelvisson (vgl. Bilal 2005, 165). Aber auch das setting der Trilogie weist eine gewisse Affinität zur Hybridität auf. In Froid Équateur23 treffen beispielsweise nicht nur Mensch, Gott 21 | In Bilals Werk weist die Figur des Alcide Nikopol nicht nur eine frappierende Ähnlichkeit zu Bruno Ganz, dem Hauptdarsteller des von Wenders inszenierten Films D er A merikanische F reund (D/F 1977) auf (vgl. Knigge 2004, 223). Auch ein Plakat des besagten Films lässt sich in Bilals Comictrilogie, genauer gesagt auf Seite 47 des Albums La Femme Piège (bzw. Seite 117 in der Gesamtausgabe) ausmachen. 22 | In Bezug auf die verschiedenen Referenzen und intermedialen Verweise, die in La Trilogie Nikopol vorzufinden sind, bemerkt Sophie Geoffroy-Meoux, dass »[t]he general atmosphere and ideology of the work are redolent of H.P. Lovecraft’s Chthulhu mythos, style and prejudices. Furthermore the name of the telepathic cat Gogol Algol is a knowing wink at the Russian author Gogol and at Julien Green’s Château d’Algol. Other iconic linguistic codes are superimposed on Bilal’s visual and intertextual codes. Pictorial modes, especially Dali and Magritte, and, more generally speaking, Surrealism are imitated. References to cartoons, like Roland Topor’s La Planète Sauvage, and applied arts like fashion design, through references to Jean-Paul Gaultier or Philippe Découfflé, are also present« (Geoffroy-Menoux 2007, 273 f.). 23 | Bereits der Titel Froid Équateur (Äquatorkälte) drückt ein gewisses Paradoxon bzw. das Aufeinandertreffen gegensätzlicher Elemente aus. So verwandelt sich die am Äquator liegende Metropole Équateur-City in Bilals surrealer Comicwelt in eine ›unnatürliche‹ Kältezone. Auf Seite 14 des Comicalbums (bzw. Seite 144 der Gesamtausgabe) heißt es dementsprechend: »Cas unique dans l’histoire de la climatologie. Depuis 2021, la tem-

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und Tier aufeinander, sondern auch altägyptische Symbolik, futuristische Städte und afrikanische Wüstenlandschaften (vgl. Geoffroy-Menoux 2007, 279). Ein weiteres Beispiel für die fragmentarische Beschaffenheit der bande dessinée stellt die (De-)Komposition der einzelnen Bildfolgen und Comicseiten dar. Wie Sophie Geoffroy-Menoux betont, bedient sich Bilal in La Trilogie Nikopol einer besonders expressiven, non-linearen Montage-Technik, die sich u.a. durch das Gegenüberstellen divergenter Perspektiven und Kameraeinstellungen ausdrückt (vgl. ebd., 278). In der wiederholten Darstellung fragmentierter Körper sieht Geoffroy-Menoux ein weiteres Indiz für die Unbeständigkeit sowie Brüchigkeit von Bilals Comicfiguren und der sie umgebenen Welt. »Images of torn-up bodies, of limbs torn apart, of dismembered bodies are the apt symptoms and representations of the motive of split identities« (ebd., 280). Aber auch das bereits erwähnte Spiegel-Motiv trägt laut Geoffroy-Menoux zu der Repräsentation hybrider Identitäten in La Trilogie Nikopol bei. Abbildung 33: Repräsentation hybrider Identität(en)

Quelle: Enki Bilal: Froid Équateur. In: La Trilogie Nikopol. Paris: Casterman 2005, S. 165.

In Forid Équateur ist es beispielsweise Niko, der sein von Rissen durchzogenes Spiegelbild betrachtet (s. Abb. 33): »[T]he camera moves closer and closer to his reflection, so that the vertical crack in the mirror now looks like a scar across pérature du centre-ville et de sa périphérie immédiate est bloquée en permanence à -21°« (Bilal 2005, 144). Übersetzung der Verfasserin: »Einmaliger Fall in der Geschichte der Klimatologie. Seit 2021 beträgt die Temperatur in der Innenstadt und ihrer unmittelbaren Umgebung unveränderliche -21°«.

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his face: an appropriate symbol of his split identity« (ebd., 279). Die symbolische Aussagekraft dieser Szene wird zusätzlich durch den Gebrauch einer Tiermetaphorik unterstrichen. Denn während Niko sich im Spiegel betrachtet, läuft eine Eidechse über dessen Reflexion. Als regeneratives Tier steht die Eidechse nicht nur symbolisch für die Risse und Brüche in Nikos Persönlichkeit, sondern auch für die Fähigkeit bzw. Möglichkeit sich neu zu erschaffen und damit ebenfalls für den performativen Prozess der Identitätskonstitution24.​ Mit Jill Bioskop taucht im zweiten Teil der Trilogie – welcher den vielsagenden Titel La Femme Piège 25 trägt – eine weitere uneindeutige Figur auf, die sich in einem anhaltenden Prozess der (Re-)Konstruktion befindet. Ihren ersten Auftritt hat Jill Bioskop auf der dritten Seite des Comicalbums La Femme Piège (bzw. auf Seite 73 der Gesamtausgabe): Hier wird sie den Leser_innen als Journalistin präsentiert, welche mit Hilfe ihrer Schreibmaschine, der so genannten Script-Walker, Artikel und Nachrichten aus dem Jahr 2025 direkt in das Jahr 1993, genauer gesagt an die Redaktion der französischen Zeitung Libération übermittelt (vgl. Bilal 2005, 73). Als fantastische Form der Premedialisierung erscheinen Jills Berichte in einer entsprechenden zweiseitigen Sonderausgabe der Zeitung, die wiederum dem Comicalbum als fingierte Ausgabe beigefügt ist. Genau wie bei der bande dessinée selbst, handelt es sich auch bei Jills Berichten, welche eine Kombination aus Fotografie, Reportage und Tagebucheinträgen darstellen, um ein hybrides Konstrukt, welches durch eine Überlagerung (superimposition) verschiedener künstlerischer bzw. medialer Formen und Zeitrahmen das Potenzial interpretativer Störungen (interpretative interruptions) mit sich bringt (vgl. Mikkonen 2006, 103). »The reader of the trilogy must for example think of a narrative situation in which different time frames can merge so that the future can return to the past« (ebd.). Neben der Überlagerung verschiedener medialer Formen und Zeitrahmen lassen sich in La Femme Piège noch weitere potenzielle Quellen der interpretative interruptions ausmachen. Denn genau wie bei Niko und Nikopol handelt es sich auch bei Jill Bioskop um eine zwiespältige bzw. ambiva24 | Sophie Geoffroy-Menoux weist in ihren Ausführungen auch auf das Wortspiel hin, welches im Zusammenhang mit der Darstellung einer Eidechse, der französischen Bezeichnung für dieselbe (lézard) und dem französischen Verb (se) lézarder entsteht: »The symbolic significance of such an image is supplemented by the wordplay, in French on lézard (gecko, lizard) and (se) lézarder (to be cracked, to crack up). Thus, the apparently disconnected item (the gecko) is an apt example of Bilal’s surrealistically meaningful cuts-away« (Geoffroy-Menoux 2007, 279). 25 | Der deutsche Verlagstitel lautet Die Frau in der Zukunft. Eine wörtliche bzw. sinngemäße Übersetzung des Titels müsste allerdings – in Anlehnung an die Figur der femme fatale – ›die weibliche Falle‹ lauten. Zum Konzept der femme fatale siehe Kapitel 3.1 (S. 91 ff.) der vorliegenden Arbeit.

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lente Figur, die mit einem äußerst labilen Geisteszustand zu kämpfen hat. Im Verlauf der bande dessinée wird Jill beispielsweise mehrmals von grauenhaften Ereignissen heimgesucht, die sich im Nachhinein allerdings als imaginäre Wahnvorstellungen entpuppen26. Um diesen Wahnvorstellungen – die sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs treiben – zu entfliehen, schluckt Jill wiederholt mysteriöse Pillen, die sie zuvor von ihrem außerirdischen Geliebten John erhalten hat und die ihr dabei helfen sollen zu vergessen – d.h. ihre Erinnerungen zu löschen und sich schließlich (im dritten Teil der Comicreihe) neu zu konstruieren (vgl. Bilal 2005, 172 sowie 183). Im Rahmen der bande dessinée erweist sich jedoch nicht nur Jills Gemütszustand als ambivalent und unbeständig, sondern ebenso die von ihr verkörperte Vorstellung von Geschlecht und Weiblichkeit. Infolgedessen changiert Jill im Verlauf der bande dessinée beispielsweise mühelos zwischen den (stereotypen) Rollen der gefährlichen femme fatale und des hilflosen Opfers. Insgesamt scheint die Darstellung der Protagonistin in La Femme Piège einige durchaus stereotype Aspekte aufzuweisen. Jills Darstellung als schlanke, attraktive, junge Frau entspricht etwa einem gängigen (weiblichen) Schönheitsideal (vgl. Le Duc 2005, 153). Wie die französische Autorin Dominique Le Duc konstatiert, ist Jills Repräsentation zudem von zahlreichen erotischen Zügen gekennzeichnet: »La représentation textuelle et graphique de l’héroïne se double d’une représentation érotique dans cette bande, qui fait écho aux stéréotypes classiques de la fiction populaire. La juxtaposition explicite dès la deuxième page [Bilal 2005, 72], des mots ›Hérotica‹ et ›women‹ sur une enseigne qui se détache au premier plan de la case supérieure corrobore le lien, qu’il nous reste à découvrir entre érotisme et femme, dès la phase initiale du récit« (ebd., 154)27.

Le Duc untermauert ihre Aussage, indem sie bemerkt, dass Jill in La Femme Piège in neun von insgesamt 48 Panels halbnackt und in zehn Panels sogar völlig nackt dargestellt wird (vgl. ebd., 154). Auch die Auswahl der Bildausschnitte 26 | In La Femme Piège ist Jill davon überzeugt, dass sie jeden Mann, der ihr (unerwünschte) sexuelle Avancen macht, brutal ermordet. Dementsprechend sieht Jill das (imaginäre) Blut ihrer vermeintlichen Opfer sprichwörtlich an ihren Händen kleben. 27 | Übersetzung der Verfasserin: »Die textuelle und grafische Repräsentation der Heldin doppelt sich mit einer erotischen Repräsentation in dieser bande dessinée, welche die klassischen Stereotype der populären Fiktion widerspiegelt. Die explizite Gegenüberstellung der Wörter ›Hérotica‹ und ›women‹ auf einem Anzeigenschild, welches im oberen Panel der zweiten Seite [Bilal 2005, 72] in den Vordergrund gerückt wird, bekräftigt bereits zu Beginn der Erzählung die Verbindung zwischen Erotik und Frau, die wir im weiteren Verlauf noch enthüllen müssen«.

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und die verschiedenen intimen Situationen, in denen Jill gezeigt – man könnte auch sagen ertappt wird (s. Abb. 34), scheinen ihren Status als vermeintlich voyeuristisches Objekt zu festigen und lassen sie im Rahmen der bande dessinée sowohl verwundbar als auch hilflos wirken (vgl. ebd., 154 f.)28. Abbildung 34: Nacktheit und Initimität in La Femme Piège

Quelle: Enki Bilal: La Femme Piège. In: La Trilogie Nikopol. Paris: Casterman 2005, S. 77.

Aufgrund der hypermedialen Beschaffenheit der bande dessinée werden diese klassischen (Gender-)Stereotype der populären Fiktion allerdings nicht völlig kommentar- oder gar nahtlos in Enki Bilals hybride Comicwelt übernommen. Der Ambivalenz und Uneindeutigkeit von Bilals grafischer Poesie entsprechend, lassen sich einige Aspekte im Comic ausmachen, welche die mediale (Re-)Produktion stereotyper Geschlechterentwürfe als solche sichtbar machen und kritisch hinterfragen. So entspricht Jill zwar gängigen Schönheitsidealen, aber mit ihrer weißen Haut und den blauen Haaren hebt sie sich gleichzeitig deutlich von herkömmlichen weiblichen Comicfiguren ab (vgl. ebd.,153). Jill distanziert sich jedoch nicht nur durch ihre Haut- und Haarfarbe von traditionellen (stereo-)typischen Repräsentationen weiblicher Figuren im Comic, sondern auch durch die (in der Regel als männlich konnotierte) kantige Linienführung, die der Künstler für die Darstellung seiner Figur einsetzt. Alles in

28 | Genau wie in La Femme Piège lassen sich auch in Froid Équteur eine Reihe von Panels ausmachen, die Jill unbekleidet in intimen, wehrlosen Positionen zeigen.

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allem präsentiert Bilal seinen Leser_innen mit Jill Bioskop eine statuenhafte, artifizielle Figur, die nicht von dieser Welt zu sein scheint 29. Dieser Eindruck wird auf der bildlichen Ebene der bande dessinée durch den Einsatz vergleichsweise großflächiger und statisch wirkender Comicpanels verstärkt: »Bilal opte, dans La Femme Piège, pour des grandes cases qui, par leur aspect pictural, tiennent plus du tableau que de la bande dessinée. Ces images belles et statiques ne comportent parfois pas la moindre bulle 30, et leur attrait tient dans l’originalité du dessin et dans ›l’effet matière‹ produit par la couleur« (François 2005, 72) 31.

Um den von Virginie François erwähnten Effekt der farblichen Stofflichkeit (oder auch Plastizität) zu erzielen, greift Bilal für die Kolorierung seiner Comicreihe auf die Technik der so genannten couleur directe (Direktkolorierung) zurück. Bei der couleur directe trägt der Künstler bzw. die Künstlerin die Farbe direkt auf die zuvor entworfenen Bleistiftzeichnungen auf (vgl. Knigge 2004, 264). Die Zeichnungen erhalten so mehr Tiefe und die Kolorierung kann »selbst zur Form werden, anstatt Formen lediglich auszufüllen« (ebd., 225). Darüber hinaus wird bei der Technik der Direktkolorierung meist ein entscheidender Schritt des (traditionellen) Zeichenprozesses ausgelassen bzw. übersprungen. Dabei handelt es sich um das Tuschen oder Inken, also um das Nachziehen bzw. Konturieren der Bleistiftzeichnungen mit schwarzer Tinte. Im Gegensatz zu einem klassischen (franko-belgischen) Zeichenstil wie etwa der ligne claire spielt die klare Konturierung des Gezeigten bei der couleur directe also lediglich eine untergeordnete Rolle. Denn während die Kontur ein wesentliches Charakteristikum des von Hergé etablierten Zeichenstils

29 | Dementsprechend bezeichnet Virginie François die Protagonistin von La Femme Piège als die wohl hübscheste, aber auch wundersamste (étrange) Comicheldin, die aus Bilals Feder stammt. Mit ihrer weißen Haut und den blauen Haaren kann die Figur der Jill Bioskop zudem als Verkörperung des bleu Bilal (der für Bilal typischen, bläulichen Farbgebung) angesehen werden (vgl. François 2005, 71). 30 | Während Sprech- und Gedankenblasen das gestalterische Repertoire der ersten beiden Comicbände dominieren, kommen in La Femme Piège vornehmlich Text- und Kommentarboxen zum Einsatz. Diese tragen – durch die fehlende Integration von Bild und Text – zusätzlich zur Hybridisierung sowie Fragmentierung des Mediums bei. 31 | Übersetzung der Verfasserin: »Bilal entscheidet sich in La Femme Piège für große Panels, welche, aufgrund ihres bildlichen Aspektes, mehr von einem Gemälde als von einem Comic haben. Diese schönen und statischen Bilder weisen zuweilen keine einzige Sprechblase auf und ihr Reiz liegt in der Originalität der Zeichnung und im ›Effekt der Stofflichkeit‹, welcher durch die Farbgebung erzielt wird«.

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darstellt32, zeichnen sich Werke (wie z.B. Bilals Trilogie Nikopol), die mit Hilfe der couleur directe-Technik entstehen, durch eine Vielzahl von Schraffuren, Schattierungen und Farbverläufen aus, welche die (klare) Konturierung des Gezeigten zum Verwischen bringt. Oder wie der Comickünstler Enki Bilal selbst formuliert: »Die Schule der klaren Linie, die von Hergé und seinen Anhängern vertreten wurde, interessierte mich künstlerisch nicht, denn ich entdeckte bald, dass es etwas gab, das zwischen den Linien existiert. Die Felder versuchte ich zunächst mit Linienwerk und Kreuzschraffuren auszugestalten, um ihre Oberfläche zu strukturieren oder ihnen Volumen zu verleihen. Doch das war sehr mühsam und zeitaufwendig, und so kam ich auf die Idee, es mit Farben zu versuchen« (Bilal zit. n. Knigge 2004, 222; Herv. d. Verf.).

Abbildung 35: Aufweichen klarer Konturierung

Quelle: Enki Bilal: La Femme Piège. In: La Trilogie Nikopol. Paris: Casterman 2005, S. 73. 32 | Um klare Konturen zu schaffen, nutzt Hergé die monochrome, flächige Kolorierung seiner Zeichnungen und verzichtet weitestgehend auf Schatten, Schraffuren oder Farbverläufe. Und genau wie sein Zeichenstil, ist auch Hergés Erzählweise besonders geradlinig und zielgerichtet. So formuliert der Comickünstler selbst: »Die ligne claire hat nicht nur etwas mit der Zeichnung zu tun. Natürlich ist die Zeichnung ein Teil davon; man versucht, in ihr all das zeichnerische Beiwerk wegzulassen und möglichst weitgehend zu stilisieren und diejenige Linie zu finden, die am ›klarsten‹ ist. Das bezieht sich auf das Drehbuch und die Erzähltechnik« (Hergé zit. n. Knigge 2004, 43).

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Wie die Aussage von Bilal verdeutlicht, können durch die Farbgestaltung verborgene Zwischenräume und -töne im Comic sichtbar gemacht werden. Aber auch rigide Grenzen und Dichotomien können mit Hilfe einer entsprechenden Technik – wie z.B. der couleur directe – aufgelöst und in Bewegung gesetzt werden33. Denn obwohl die Figuren im Comic von der Kontur definiert werden, können sich ihre Umrisse auch jederzeit entgrenzen und als Zeichen ihrer Unabgeschlossenheit sowie Instabilität auflösen (vgl. Klar 2011, 222). In diesem Sinne handelt es sich auch bei Jill Bioskop um eine ›unabgeschlossene‹ sowie grenzüberschreitende Figur, deren klare (farbliche) Konturierung im Verlauf der bande dessinée immer wieder aufzuweichen scheint (s. Abb. 35). Das grenzüberschreitende Potenzial der Protagonistin beschränkt sich jedoch nicht nur auf ihre visuelle Repräsentation. Auch mediale Grenzen – genauer gesagt die Grenzen zwischen Comic und Film – geraten durch Jill Bioskop ins Wanken. Auf Seite 99 der bande dessinée wird Jill etwa von dem Journalisten Ivan Vabek 34 darauf hingewiesen, dass ihr Nachname in seiner (serbischen) Muttersprache ›Kino‹ bedeutet. Der Name Bioskop bezeichnet zudem »ein Projektionsgerät aus den Anfangstagen des Films, entwickelt von dem deutschen Brüderpaar Skladanowsky. Es bestand aus einem Projektor mit zwei Filmen, deren Objektive mittels einer vorgelagerten Flügelblende abwechselnd verdeckt und freigegeben wurden. Dadurch konnte trotz der langsamen Filmtransportgeschwindigkeit des jeweils einzelnen Films von ungefähr 8 Bildern/Sekunde eine relativ flüssige Bildwiedergabe erzielt werden« (Bender o.J., o.S.).

Dank ihres Nachnamens wird Jill also nicht nur mit dem Medium Film per se in Verbindung gebracht, sondern auch mit der intermedialen Entwicklung vom starren Comicbild zum bewegten Filmbild35. Die beiden Autoren Paolo Caneppele und Günter Krenn sehen in Jill Bioskop sogar eine »nominelle Personifikation« der engen »Verbundenheit zwischen Comic und Film« (Caneppele/Krenn 1999, 29). Daher verwundert es auch nicht, dass dem Kino bzw. dem Medium Film im dritten Teil der Trilogie Nikopol eine besondere Rolle zukommt: Die Rahmen33 | Vgl. hierzu die Analyse von Bilals Zeichnung La Bande Dessinée in Kapitel 2.5 (S. 71 ff.) der vorliegenden Arbeit. 34 | Interessanterweise weisen die Züge des serbischen Journalisten Ivan Vabek eine gewisse Ähnlichkeit mit Enki Bilal auf (vgl. Mietz 1989, 18 f.). Diese Ähnlichkeit weicht nicht nur die Grenzen zwischen der fiktiven und außermedialen Welt auf, sondern trägt ebenfalls dazu bei, Bilals Affinität zum Medium Film zu betonen. 35 | Eine Assoziation, welche mit I mmortel , der (tatsächlichen) filmischen Adaptation der bande dessinée, eine völlig neue Gewichtung gewinnt.

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handlung der Erzählung bildend, soll in Froid Équateur die Liebesgeschichte, oder besser gesagt die Ereignisse, die sich in La Femme Piège zugetragen haben, verfilmt werden. Dementsprechend präsentiert Bilal seinen Leser_innen auf den ersten Seiten des Comicalbums eine Abfolge großflächiger Panels, die eine Remedialisierung dieser fiktiven Verfilmung darstellen (s. Abb. 36): »The initial sequence of the book shows Niko watching the image-by-image reel: the comic panels read like the film’s actual storyboard. The fictional film is thus represented as a series of almost identical snapshots cut from the intended film, with the intradiegetic spectators’ comments superimposed in squares pasted above the images« (Geoffroy-Menoux 2007, 275).

Abbildung 36: Die Remedialisierung der fiktiven Verfilmung Amour, Amore

Quelle: Enki Bilal: Froid Équateur. In: La Trilogie Nikopol. Paris: Casterman 2005, S. 131.

Neben der intermedialen Wiederaufführung des (fiktiven) filmischen Bildes wird auch das Filmmaterial selbst in Froid Equatuer thematisiert, zitiert und imitiert. Während die ersten Bilder der ›filmischen‹ Eingangssequenz zunächst farbige Großaufnahmen von Nikopol und Jill zeigen, wechselt die Darstellung auf der dritten Seite der bande dessinée plötzlich zu Schwarzweiß. Kommentiert wird dieser abrupte, hypermediale Darstellungswechsel von Gian Carlo Donadoni – dem Regisseur des Films. Dieser weist Nikopol – und

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damit auch die Leser_innen – darauf hin, dass ihm bei den Dreharbeiten zu Amour, Amore36 der Farbfilm ausgegangen sei und er daher gezwungen war, den Film in Schwarzweiß weiter zu drehen (s. Abb. 37)37. Abbildung 37: Hypermedialer Darstellungswechsel

Quelle: Enki Bilal: Froid Équateur. In: La Trilogie Nikopol. Paris: Casterman 2005, S. 133.

Eine weitere Remedialisierung filmischen Materials erfolgt auf Seite 144 der bande dessinée38: Hier präsentiert Bilal seinen Leser_innen eine Panelsequenz, deren Anordnung und Gestaltung der eines Filmstreifens ähnelt (s. Abb. 38). Indem Bilal den Comicstreifen (comic strip) zum hypermedialen Filmstreifen 36 | Der ›doppelte‹ Filmtitel A mour , A more kann natürlich auch als weiterer Verweis auf die mise-en-abyme-Strategie des Mediums im Medium verstanden werden. 37 | Auf der fünften Seite des Albums (bzw. Seite 135 der Gesamtausgabe) erscheint das ›filmische‹ Comicbild schließlich auf einer Kinoleinwand, was den hier präsentierten selbstreferenziellen mise en abyme-Effekt (das Medium im Medium) noch zusätzlich verstärkt. 38 | Weitere Remedialisierungen eines hypermedialen Filmstreifens lassen sich ebenfalls auf Seite 154 und 172 der Trilogie Nikopol (2005) ausmachen.

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( film strip) werden lässt, wird nicht nur die formal-ästhetische Nähe und wechselseitige Beziehung der Medien Comic und Film betont. Auch der Akt der medialen Repräsentation – genauer gesagt der medialen Reproduktion und Bildherstellung wird so in den Vordergrund gerückt. Hier wird also all das sichtbar gemacht, was gewöhnlich im Rahmen einer transparenten (filmischen) Repräsentation verborgen bleiben soll. Dazu zählt das filmische Material genauso wie der filmische (Re-)Produktionsprozess oder die filmische Vorführapparatur. In ihrem Aufsatz Latenz und Bewegung im Feld der Kultur. Rahmungen einer performativen Theorie des Films weist die Medienwissenschaftlerin Gertrud Koch darauf hin, dass der Film als solcher »auf einigen technischen Voraussetzungen [basiert], die dazu führen, dass es einer Aufführung bedarf, um Filme überhaupt als Filme sehen zu können und nicht bloß als ein Band mit einzelnen Fotos [oder Bildern]. Erst in der ablaufenden Zeit entsteht während der Projektion von (mehr oder weniger) 24 Bildern pro Sekunde der Eindruck von Bewegung, die wir als kontinuierliche zwischen den Bildern wahrnehmen« (Koch 2004, 164) 39.

Abbildung 38: Der Comicstreifen (comic strip) wird zum hypermedialen Filmstreifen (film strip)

Quelle: Enki Bilal: Froid Équateur. In: La Trilogie Nikopol. Paris: Casterman 2005, S. 144.

Indem der Comic den Film remedialisiert, kommt in Froid Equatuer sowohl der Filmstreifen selbst zum Vorschein als auch die Diskontinuitäten zwischen den einzelnen Bildern des Films, die (normalerweise) erst im Moment der Störung als solche erkennbar werden (vgl. Bergermann 2002, 158). Anders ausgedrückt überträgt sich hier das strukturelle Gitter ( formal gutter) des Comics auf den 39 | Wie Andrea Seier in Bezug auf das hier aufgeführte Zitat von Gertrud Koch ergänzend bemerkt, »ist ›Film‹ technisch abhängig von seiner Aufführung und geht dieser nicht einfach voraus. Die Flüchtigkeit (im Sinne des Vorbeiziehens) der Einzelbilder wird erzeugt auf der technischen Basis ihrer Reproduktion« (Seier 2007, 82).

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Film. Durch diese formal-ästhetische Übernahme comicspezifischer Beschaffenheit werden die Leser_innen – ganz im Sinne der Remedialisierungsstrategie der Hypermedialität – gleichzeitig auf die Konventionalität des Mediums wie auf die Diskontinuität filmischer bzw. medialer Konstitutionsprozesse aufmerksam gemacht (vgl. Seier 2007, 111)40.

4.2 I mmortel : H ypermediale Tr ansposition der Trilogie N ikopol Bilals Affinität zum Kino bzw. Medium Film zeigt sich bereits in den frühen 1980er Jahren, als der Comickünstler die Bekanntschaft mit dem renommierten französischen Nouvelle Vague-Regisseur Alain Resnais macht41. Dieser bittet Bilal die Plakate für seine beiden Filme Mon Oncle d’Amerique (F 1980) und La vie est un roman (F 1983) zu gestalten. Für letzteren Film entwirft Bilal außerdem einen Teil der Kostüme und des Dekors (vgl. Mietz 1989, 24). 40 | Die Diskontinuität filmischer Konstitutionsprozesse reflektierend, sind auch die (fiktiven) Dreharbeiten zu A mour , A more von Brüchen und Störungen gekennzeichnet. So werden die Dreharbeiten durch den plötzlichen Tod des Regisseurs unterbrochen. Ihrem Namen alle Ehre machend, ist es am Ende Jill, die beschließt, die Rolle der Regisseurin zu übernehmen und den Film zu vollenden (vgl. Bilal 2005, 182). 41 | Im Rahmen der Nouvelle Vague-Bewegung stellt die Verbindung zwischen dem Comickünstler Enki Bilal und dem Filmregisseur Alain Resnais keinen Einzelfall dar. Insgesamt weist die filmische Nouvelle Vague eine starke Affinität zum Medium Comic auf. So lassen sich u.a. mit P ierrot le F ou (F/I 1965) von Jean-Luc Godard oder Fahrenheit 451 (GB 1968) von François Truffot Filme ausmachen, die sich »ganz ausdrücklich auf das gezeichnete Medium beziehen« (Moscati 1988, 166). In diesen Produktionen wird die Ästhetik des Comics beispielsweise »als Bereicherung für die Sprache des Films genutzt, als kulturelles Phänomen für die Charakterisierung der Helden verwendet oder taucht als neurotische oder regressive Idee auf« (ebd.). Gleichzeitig drängt es aber auch »[e]ine Reihe von Vertretern der ›Nouvelle Vague‹ der französischen Comics […] zum Film: Moebius alias Jean Giraud schaffte es bis nach Hollywood, Jacques Tardi arbeitete für Federico Fellini, Georges Lauzier übertrug seine Gestalt des ›P’tit‹ Con selbst in einen Realfilm. Umgekehrt übernahmen die Zeichner aber immer mehr filmische Motive und Techniken – sogar die Stars« (Seeßlen 2005b, o.S.). Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Wechselbeziehung zwischen Comic und filmischer Nouvelle Vague siehe außerdem: Thomas Becker: Comiclibido der Nouvelle Vague und die Folgen. Zur Ästhetik der oszillierenden Übertreibung im Autorenfilm (Godard) und Autorencomic (Moebius). In: Comic. Intermedialität und Legitimität eines popkulturellen Mediums. Essen: Bachmann 2011b, S. 63-76.

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Darüber hinaus bemalt Bilal für das set design von La vie est un roman verschiedene Glasflächen: »Die Glasmalereien waren eine bis dahin nicht verwendete Methode im Film, Hinterund Vordergründe darzustellen. Zu diesem Zweck trug Bilal auf große Glasflächen seine phantastischen Landschaften auf, ließ in der Mitte aber eine Fläche frei, durch die die Kamera auf die im Mittelpunkt agierenden Schauspieler durchzoomte. Dieser Mittelgrund, von Bilal wie eine Bühnendekoration gestaltet, stand vor dem wiederum von Bilal bemalten Hintergrund. Durch die perspektivische Verkürzung des Kameraobjektives entstand so ein räumlicher Effekt, der Vorder- und Mittelgrund zu einer Einheit integrierte, in der die Landschaft die eigentliche Hauptrolle spielte« (ebd.).

Für die künstlerische Gestaltung ihrer Filmproduktionen greifen neben Resnais auch die Regisseure Michael Mann und Werner Herzog auf das Talent des Comiczeichners zurück. Während Bilal am Figurendesign für Manns The Keep (GB 1983) beteiligt ist, entwirft er für Herzogs Wo die grünen Ameisen träumen (D/A 1984) das offizielle französische Filmplakat (vgl. ebd., 25). Ende der 1980er Jahre übernimmt Bilal schließlich zum ersten Mal selbst die Rolle des Filmregisseurs und inszeniert den post-apokalyptischen Streifen Bunker Palace Hôtel (F 1989). Mit der europäischen Koproduktion Tykho Moon (F/D/GB 1996) folgt Mitte der 1990er Jahre Bilals zweite Regiearbeit. Obwohl weder Bunker Palace Hôtel noch Tykho Moon offiziell auf einer konkreten Vorlage des Comickünstlers beruhen, greift Bilal in beiden Filmen wiederholt Themen und Motive auf – wie z.B. die Figur des Doppelgängers oder die Präsentation gebrochener Protagonisten (vgl. Ballhausen 2012, o.S.) und mysteriöser weiblicher Charaktere –, die sich auch in seinen bande dessinées wiederfinden lassen. Überdies schafft es Bilal, in beiden Produktionen eine Filmästhetik zu kreieren, deren surreale und oftmals befremdlich wirkende Gestaltung an die hypermediale Bildsprache seiner Comics angelehnt ist. Eine detaillierte filmische Umsetzung seiner poésie graphique soll dem Comickünstler jedoch erst einige Jahre später mit Immortel (ad vitam) – seiner dritten und bisher letzten Regiearbeit – gelingen. Dank neuster Entwicklungen im Bereich der digitalen Filmtechnik und Computeranimation ist Bilal – im Gegensatz zu den Dreharbeiten zu Bunker Palace Hôtel und Tykho Moon – nicht länger auf den vornehmlichen Gebrauch analoger Tricktechnik angewiesen. Bei der Produktion von Immortel kann er vielmehr auf ein ganzes Repertoire digitaler Visualisierungstechniken zurückgreifen. Für Dominique Brunner – den Produzenten des Films – stellt die vom französischen Animationsstudio Duran bereitgestellte 3D-Technologie sogar die Grundvoraussetzung für die filmische Transposition von Bilals poésie graphique dar:

Unsterblich zu Lebzeiten: Die mediale (Re-)Produktion von Geschlecht in I mmor t el »[A] l’origine du projet c’est la rencontre avec le Laboratoire Duran qui m’a proposé une façon de travailler un peu différente en 3D et dans le numérique […]. Et tout un coup j’ai vu l’intérêt justement pour Enki de enfin pouvoir présenter au grand publique son œuvre, aidé par justement tous ces paramètres que représente aujourd’hui la 3D et comment on peut la traiter« (Dominique Brunner in M aking O f, 2005) 42.

Mit Hilfe von rund 1.400 Trickaufnahmen wird fast das gesamte Universum des hypermedialen Comicfilms am Computer generiert. Hierfür zeichnet Bilal zunächst ein zweidimensionales Storyboard, welches dann anschließend am Computer digitalisiert und zu einem animierten, dreidimensionalen Storyboard umgewandelt wird. Dieses bildet wiederum die Grundlage für den eigentlichen Filmdreh, bei dem reale Schauspieler_innen vor einer blue- bzw. greenscreen Kulisse agieren. Der Einsatz des so genannten digital compositingVerfahrens43 ermöglicht im Rahmen der Post-Produktion schließlich die Kombination der analogen (auf 35mm-Film gedrehten) Aufnahmen mit den digital generierten Filmbildern (s. Abb. 39). Innerhalb des traditionellen narrativen Hollywood-Mainstream-Kinos dient das Verfahren des digital compositing in der Regel dazu, aus unterschiedlichen Einzelteilen und Fragmenten ein möglichst einheitliches bzw. kohärentes Ganzes zu schaffen: »Digital compositing in Hollywood film often has as its goal to smooth over the raptures in the raw footage by removing stunt wires and other visible traces of special effects or unwanted artifacts. When compositing restores the unbroken surface so that film can be transparent to the viewer, it is working in the service of immediacy« (Bolter/Grusin 1999, 154).

Die Filmwissenschaftlerin Barbara Flückiger spricht in diesem Zusammenhang auch von der so genannten »[ä]sthetische[n] Kohärenz« (Flückiger 2008, 256). Denn »[o]b aus den vielen Fragmenten am Ende ein Bild wird, das man als Ganzes wahrnimmt, entscheidet sich auf der ästhetischen Ebene« (ebd.). Genau wie Bolter und Grusin verdeutlicht die Autorin, dass dem (Hollywood-) 42 | Übersetzung der Verfasserin: »Zu Beginn des Projektes steht die Begegnung mit dem Animationsstudio Duran, welches mir eine etwas andere Art des Arbeitens mit 3Dund digitaler Technik vorgeschlagen hat. Und ganz plötzlich habe ich eben für Enki das Interesse gesehen, sein Werk eben mit Hilfe all der Parameter, die die 3D-Technik und die Möglichkeiten ihres Einsatzes heutzutage mit sich bringen, einem großen Publikum zu präsentieren«. 43 | Unter compositing wird im Allgemeinen die »Kombination von mehreren Bildteilen zu einem Ganzen oder zu heterogen zusammengesetzten Bildern ähnlich der Collage oder Fotomontage« (Flückiger 2008, 505) verstanden.

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Abbildung 39: Einsatz des digital compositing-Verfahrens in Immortel

Quelle: Filmstills aus m Aking o F. In: i mmoRtel (AD vitAm) (i mmoRtAl – n ew yoRk , 2095: D ie R ückkehR DeR g öt teR). Special Edition DVD-Set. Sunfilm Entertainment 2005.

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Film als »Medium der Illusion« (ebd., 257) stets daran gelegen ist, seinen Status als Artefakt, sprich sein eigenes ›Gemacht-Sein‹ zu verbergen und seinen Zuschauer_innen ein transparentes, in sich stimmiges Bild zu präsentieren (vgl. ebd., 256 f.). Kommt es dennoch innerhalb der filmischen Inszenierung zu Unstimmigkeiten und Dissonanzen, so führen diese meist zu einem »Kippen« (ebd., 256) der ästhetischen Kohärenz. Hierbei weichen Unmittelbarkeit und Transparenz des filmischen Bildes der Zurschaustellung und Selbstthematisierung des Mediums. Als hypermedialer Comicfilm stellt Immortel ein solches Kippen der ästhetischen Kohärenz dar. Genauer gesagt handelt es sich bei Immortel um einen Film, der – ganz im Gegensatz zur Remedialisierungsstrategie der Unmittelbarkeit – keinerlei Anspruch auf Transparenz oder Kontinuität erhebt. Ohne Weiteres kombiniert Bilal »Schauspiel mit Comic und digitaler Tricktechnik. Dieser Mix lässt die Frage nach guten Special Effects, die ›wie echt‹ wirken, erst gar nicht aufkommen, denn die Comicsequenzen sind bewusst als solche eingefügt und stehen gleichberechtigt neben den Spielfilmszenen« (Zimmermann 2005, o.S.).

Durch die offensichtliche Kombination realer Schauspieler_innen mit (zum Teil) künstlich animierten Figuren, synthetischen Comicbildern und größtenteils 3D-generierten Kulissen44 wird in Immortel eine sowohl artifizielle wie hybride Bildästhetik geschaffen, welche durch eine Vielzahl von Brüchen und Uneindeutigkeiten gekennzeichnet ist und gar nicht erst den Versuch unternimmt, kohärentes Illusionskino zu sein. Indem der Kontrast zwischen realen und digital generierten Elementen stets sichtbar bleibt, tritt »der Realitätseindruck traditioneller Filme zugunsten besonderer Bilder und Effekte in den Hintergrund […]. Ergebnis ist eine getreue Reproduktion der ›Idee‹ der zugrunde liegenden Comic-Welt[en] Bilals« (Russo 2007, 103). Demnach handelt es sich bei Immortel um einen Comicfilm, welcher – trotz diverser narrativer sowie thematischer Verschiebungen – ästhetisch ganz und gar in der hybriden, surrealen Bilderwelt seiner grafischen ›Vorlage‹ verankert ist. Das ›Ausgangsmedium‹ Comic geht also auch hier nicht einfach in dem neuen Medium Film auf. Durch das performative Konzept der​ 44 | Wie im M aking O f des Films betont wird, lassen sich in I mmortel verschiedene Arten von Kulissen unterscheiden. Dabei handelt es sich um komplett digital generierte Kulissen (welche den Großteil der verwendeten Kulissen im Film darstellen) oder solche, die zum Teil nachgebaut und zum Teil digital generiert werden (wie z.B. die Metro-Station, in der Horus dem verletzten Nikopol ein eisernes Bein schmiedet), und Kulissen, die extra für den Film gebaut werden, wie etwa Jills Hotel- und Badezimmer oder die Tycho Brahé Bar, in der sich Jill und Nikopol zum ersten Mal begegnen (vgl. M aking of, 2005).

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Remedialisierung wird vielmehr ein produktiver Prozess der Transposition und (Re-)Produktion in Gang gesetzt, in dessen Rahmen charakteristische Eigenschaften von einem Medium in das andere übertragen bzw. neu miteinander kombiniert werden können. Infolgedessen gelingt es Bilal z.B. mit Hilfe rot leuchtender holografischer Schriftzüge das comictypische Wechselspiel bildlicher und linguistischer Zeichen in das Medium Film zu transferieren (s. Abb. 40). Aber auch die übrige formal-ästhetische Gestaltung des Films erinnert die Zuschauer_innen gezielt an die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics. So zitiert die digital generierte Bildgestaltung in Immortel z.B. wiederholt »die Kadrierung von Comic-Panels, in denen Bewegung mit Hilfe von Strichen und Linien statisch vermittelt wird. Die Kamerafahrten […] wirken bewusst reduziert und an das Comicformat angepasst. Wenn […] in Immortal während einer Verfolgungsjagd ein Auto im Bildhintergrund explodiert oder Thomas Kretschmann in die Straßenschluchten stürzt, folgt die Inszenierung nicht den konventionellen Strategien zur Akzentuierung von Schauwerten, sondern den an Tableaus erinnernden Ordnungsmustern der Comicvorlagen« (Rauscher 2007, 329).

Abbildung 40: Integration von Bild und Text

Quelle: Filmstill aus I mmortel (ad vitam) (I mmortal – N ew York , 2095: D ie R ückkehr der G öt ter). Special Edition DVD-Set. Sunfilm Entertainment 2005.

Parallel zu der von Andreas Rauscher beschriebenen reduzierten Kamerabewegung weist auch die Figurenbewegung in Immortel eine gewisse statische Qualität auf. Diese bringt nicht nur eine Verminderung der filmischen Bilddynamik mit sich, sondern trägt – mit ihren teils unbeholfen, teils stockend

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und träge wirkenden Bewegungsabläufen – auch maßgeblich zu der Schaffung einer surrealen Comicfilm-Ästhetik bei (vgl. Geoffroy-Menoux 2007, 281)45. Ein weiterer Aspekt, welcher den surrealen Charakter von Bilals hypermedialem Comicfilm hervorhebt, lässt sich in der Verwendung ungewöhnlicher Bildausschnitte und auffälliger Perspektiven – wie dem wiederholten Einsatz extremer Aufsichten – ausmachen. Doch auch Bilals filmische Farbgestaltung weist einige surreale Züge auf. In Immortel verzichtet der Comickünstler und Regisseur fast gänzlich auf die Verwendung markanter Signalfarben (vgl. Rauscher 2007, 325)46 und präsentiert seinen Zuschauer_innen eine auf Grau- und Blautönen basierende digital generierte monochrome Farbgestaltung. Mit ihrem ›malerischen‹ Effekt ist diese nicht nur als Reminiszenz an Bilals »gemäldeartige« (Russo 2007, 104) Comicbilder, sondern auch an die von ihm verwendete Gestaltungstechnik der couleur directe zu verstehen. Dementsprechend sind innerhalb der filmischen Inszenierung mehrfach Szenen auszumachen, deren hochgradig stilisierte Farb- und Lichtgestaltung zu einer zunehmenden Auflösung klarer Konturierungen und damit gleichzeitig zu einer visuellen Verzerrung bzw. Verfremdung des Gezeigten beitragen (s. Abb. 41). Insgesamt spielt der Aspekt der Verfremdung in Enki Bilals hyperrealem Comicfilm-Universum eine zentrale Rolle. Eine Eigenheit des Science-FictionGenres aufgreifend, werden in Immortel »scheinbar bekannte und gewöhnliche Dinge auf ungewohnte Weise« (Spiegel 2007, 234) dargestellt. Infolgedessen werden die Zuschauer_innen in Immortel u.a. mit der De-Platzierung und Re-Kontextualisierung bekannter Wahrzeichen und Monumente konfrontiert. So taucht nicht nur eine fliegende Pyramide über den Dächern von New York auf. Auch der Eiffelturm – bekanntermaßen das Wahrzeichen der französischen Hauptstadt – erscheint plötzlich als Teil des utopischen Stadtbildes der amerikanischen Metropole. Eine befremdlich anmutende Mischung aus Bekanntem und Unbekanntem bzw. Altem und Neuen stellen ebenfalls die

45 | Mit der Darbietung hölzerner Dialoge und monotoner Stimmen trägt auch die akustische Ebene von I mmortel zu der Schaffung einer betont surrealen Comicfilm-Ästhetik bei: »An example of Bilal’s transposition of speech balloons into a compelling sound track is the actor’s voices: disquietingly, embarrassingly telltale, they echo the comic book character’s impersonal, flat tones suggested by typography and style« (GeoffroyMenoux 2007, 276). 46 | Bei einer der wenigen markanten Signalfarben, die in I mmortel zum Einsatz kommen, handelt es sich um ein leuchtendes Rot, welches nicht nur für die Darstellung von menschlichem Blut, sondern auch für die Inszenierung der Figur des monströsen Dyak (Paul Bandey) verwendet wird.

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speziell für den Film entworfenen, digital generierten Gebäudekulissen dar47: Bei dem Western Hysteria Hotel – welches die Protagonistin Jill bewohnt – handelt es sich beispielsweise um einen architektonischen Mix aus real existierenden Hochhäusern des frühen 20. Jahrhunderts und Enki Bilals eigenen Entwürfen. Abbildung 41: Visuelle Verfremdung

Quelle: Filmstill aus I mmortel (ad vitam) (I mmortal – N ew York , 2095: D ie R ückkehr der G öt ter). Special Edition DVD-Set. Sunfilm Entertainment 2005.

Bilals grafischem Stil entsprechend, weist das gestalterische Konzept des Gebäudes zwar eine klare futuristische Note auf. Dieser wird jedoch eine Atmosphäre des allgemeinen Verfalls und vorzeitigen Alterns entgegengestellt. Jills Quartier ist beispielsweise alles andere als modern oder luxuriös eingerichtet: In ihrem Hotelzimmer bröckelt der Putz von den Wänden und auch das von Abnutzung und Schmutz gezeichnete Mobiliar des Badezimmers scheint schon bessere Zeiten erlebt zu haben. Fortschritt und Verfall treffen ebenfalls im Design der restlichen Filmausstattung aufeinander. So stellen etwa moderne Fortbewegungsmittel wie fliegende Autos keine Seltenheit in Enki Bilals Zukunftsprojektion dar. Mit ihrem nostalgischen, von Rost zerfressenen​

47 | Alle im Film verwendeten Außenkulissen sind komplett digital generiert. Insgesamt werden so über 50 verschiedene Gebäude für die Produktion des Films am Computer entworfen (vgl. M aking of S pecials , 2005).

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›Retro-Look‹48 sind diese fliegenden Vehikel allerdings nicht als visionäre Symbole technischen Fortschritts zu verstehen, sondern stellen vielmehr ein weiteres Beispiel für die befremdlich wirkende Kombination alter und neuer bzw. bekannter und unbekannter Elemente in Immortel dar. Ein »Zusammenprallen widersprüchlicher Elemente« (Spiegel 2007, 206) lässt sich ebenfalls in der Darstellung der verschiedenen Charaktere in Immortel ausmachen. Denn in Enki Bilals surrealem Comicfilm-Universum machen Aliens, Mutanten und Cyborgs den Großteil der städtischen Bevölkerung aus49. Um den verschiedenen, von Bilal entworfenen hybriden (Misch-)Wesen das gewünschte Aussehen zu verleihen, wird bei der Produktion des Films auf unterschiedliche Techniken der digitalen Bildbearbeitung – wie z.B. dem motion capture-50 oder dem Rotoskopie-Verfahren51 – zurückgegriffen. Diese erlauben es den Animationskünstler_innen echte Schauspieler_innen komplett digital zu ›übermalen‹ oder sie mit einzelnen digital generierten Körperteilen, Prothesen und/oder Transplantaten zu versehen (vgl. Rauscher 2007, 327 sowie 338). Dank digitaler Tricktechnik können so ›unmögliche‹, synthetische Wesen kreiert werden, die sich aus unterschiedlichen Einzelteilen und strukturellen Elementen zusammensetzen. Für die Kreation bestimmter Alien- und Mutanten-Köpfe greifen die Animationskünstler_innen des Studios Duran beispielsweise auf die Kombination menschlicher und tierischer Hautstruk-

48 | Für die Gestaltung der fliegenden Vehikel lässt sich Bilal vornehmlich von dem Design amerikanischer Autos aus den 1950er Jahren inspirieren (vgl. M aking of S pecials , 2005). 49 | In Bilals düsterer Zukunftsvision leben die Einwohner_innen New Yorks auf verschiedenen Ebenen, die ihren biologischen und sozialen Status, klassifiziert nach Mensch, Alien und/oder Mutant, widerspiegeln. Dabei gehören ›intakte‹ Menschen zur anerkannten gesellschaftlichen Oberschicht. Nicht-menschliche Wesen, wie z.B. Mutanten, werden dagegen als Außenseiter und gern gesehene Versuchsobjekte betrachtet. 50 | Als motion-capture wird die »Aufzeichnung von Bewegungsdaten eines Darstellers zur Übertragung auf eine digitale Figur [verstanden]. Dazu werden entweder optische oder aber magnetische Marker auf einem Anzug befestigt, deren Bewegungspfade im Raum von einer Reihe Kameras aufgezeichnet und an einen Computer weitergeleitet werden« (Flückiger 2008, 513). 51 | Der Begriff der Rotoskopie bezeichnet die »manuelle oder computergestützte Extraktion von […] Wandermasken« (Flückiger 2008, 517). Das Verfahren ist »nach dem von Max Fleischer 1917 patentierten Rotoskop [benannt], das ursprünglich dazu diente, gefilmte Personen einzelbildweise zeichnerisch nachzubilden und damit natürliche Bewegungen auf eine gezeichnete Figur zu übertragen« (ebd.)

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turen zurück 52 . Dabei bleiben die narbenartigen Übergänge zwischen den verschiedenen Oberflächentexturen stets sichtbar und tragen somit zu dem heterogenen, uneindeutigen Aussehen der fremdartigen Geschöpfe bei. Aber auch die wenigen, von realen Schauspieler_innen verkörperten, genetisch nicht manipulierten Wesen weisen in Immortel einen gewissen Grad der Verfremdung und/oder Hybridisierung auf. Als Dr. Elma Turner trägt Charlotte Rampling etwa eine Perücke, welche ihre ›menschlichen‹ Haare besonders synthetisch erscheinen lässt. Um das Erscheinungsbild Linda Hardys der exotischen Physiognomie der hybriden Mutantin Jill Bioskop anzupassen, wird die Haut der Schauspielerin weiß geschminkt und ihre ›natürlichen‹ Haare verschwinden innerhalb der filmischen Inszenierung unter diversen aufwendig gestalteten Perücken. Mit seinem künstlichen, metallischen Bein handelt es sich schließlich auch bei Nikopol (Thomas Kretschmann) um ein hybrides Mischwesen, welches scheinbar unvereinbare Elemente wie Mensch/Maschine oder Natur/Technik miteinander verbindet und damit zu der formalen Zersplitterung (vgl. Ballhausen 2012, o.S.) von Enki Bilals hybridem ComicfilmUniversum beiträgt. Der Hang zur formalen Zersplitterung beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Präsentation hybrider Mischwesen. Die Diffusität der grafischen ›Vorlage‹ widerspiegelnd, lehnt sich die Inszenierung von Bilals hybridem Werk an zahlreiche Film- und populärkulturelle Vorgänger an. Dementsprechend mischt das »von Bilal entworfene Stadtbild […] die düsteren Seitenstraßen und Neon-Bars aus Ridley Scotts Future-Noir-Klassiker Blade Runner (1982) mit den detailverliebten, vom französischen Comiczeichner Moebius inspirierten Straßenschluchten aus Luc Bessons Das fünfte Element (1997)« (Rauscher 2007, 324) 53 .

52 | Die Animation des komplett am Computer entworfenen altägyptischen Gottes Horus (Thomas M. Pollard) geht sogar noch einen Schritt weiter: Hier werden nicht nur unterschiedliche Oberflächentexturen, sondern auch menschliche und tierische Körperteile – genauer gesagt ein menschlicher Körper und ein Falkenkopf – zusammengefügt. 53 | Innerhalb von I mmortel lassen sich auch Verweise auf Enki Bilals eigene Werke bzw. auf dessen Tätigkeit als Comickünstler ausmachen. Während z.B. eine digital generierte Nebenfigur ein Oberteil trägt, welches mit Bilals Comicfiguren bedruckt ist (vgl. Platthaus 2005b, o.S.), ist Jills Hotelzimmer mit einem Gemälde geschmückt, welches unverkennbar aus der Feder des Comickünstlers stammt. Diese Referenzen und selbstbezüglichen Verweise tragen zusätzlich dazu bei, die Künstlichkeit des von Enki Bilal inszenierten Comicfilms zu unterstreichen und ihn als Teil einer langwierigen sowie umfangreichen Comic- bzw. Filmtradition zu kennzeichnen (vgl. Spiegel 2007, 241).

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Darüber hinaus präsentiert Bilal seinen Zuschauer_innen in Immortel eine komplexe Ansammlung unterschiedlichster generischer und narrativer Fragmente. Daher kann Immortel aufgrund des futuristischen Szenarios zwar primär dem Science-Fiction-Genre zugeschrieben werden54. Innerhalb der filmischen Inszenierung lassen sich allerdings auch Elemente aus anderen Genres und Gattungen, wie z.B. dem romantischen Liebesfilm oder dem Kriminalfilm55 ausmachen. »As a result, it is difficult to define the generic and ontological status of Bilal’s Film. Is it a poetic, surrealistic, fantasmatic, and oniric mixture of fable and SF […]? A science-fiction movie? A fantastic film?« (Geoffroy-Menoux 2007, 280). Genau wie die Genrezugehörigkeit ist auch die Konstruktion der filmischen Handlung von zahlreichen Uneindeutigkeiten gekennzeichnet. Entgegen der etablierten Konventionen des populären narrativen Mainstream-Kinos verfügt Immortel über keinen kohärenten, in sich geschlossenen Filmplot. Indem Bilal verschiedene Aspekte seiner Comictrilogie – wie z.B. das Motiv der fliegenden Pyramide, die Inbesitznahme Nikopols durch den altägyptischen Gott Horus oder die Liebesbeziehung zwischen Jill und Nikopol – aufgreift und in veränderter Form remedialisiert bzw. mit neuen Elementen kombiniert 56, konfrontiert er sein Publikum mit einer diffusen filmischen Erzählung,

54 | Hierbei ist zu bemerken, dass das Science-Fiction-Genre selbst eine hybride Form darstellt, da es »immer aus einem Mix von populären, Wissenschafts- und […] antiken Mythen besteht« (Warnecke 2005, o.S.). Laut Jean-Paul Gabilliet ist es genau diese Hybridität, dieses ›Dazwischen-Sein‹ (l’entre-deux), welches den Comic mit dem Science-Fiction-Genre bzw. mit dem Genre des Fantastischen verbindet (vgl. Gabilliet 2001, o.S.). Zur Verbindung von Comic und Science-Fiction siehe ebenfalls Paul Gravett: Graphic Novels. Stories to Change Your Life. London: Aurum Press 2005 sowie Mark Bould/Andrew M. Butler/Adam Roberts (Hg. et al.): The Routledge Companion to Science Fiction. London: Routledge 2009. 55 | In diesem Zusammenhang ist die Figur des Inspektor Froebe (Yann Collette) zu erwähnen. »Absent from the comic books, the characters of Inspector Froebe and his crew turn the film into a political thriller« (Geoffroy-Menoux 2007, 272). 56 | So ist die filmische Handlung beispielsweise nicht länger in einem futuristischen Europa, sondern in Amerika, genauer gesagt im New York des Jahres 2095 angesiedelt. Auch der narrative Fokus der filmischen Handlung verändert sich im Vergleich zur grafischen ›Vorlage‹. Während die Figur der Jill Bioskop in der bande dessinée nur in einem von insgesamt drei Bänden eine Hauptrolle spielt, konzentriert sich der gesamte Comicfilm auf das Schicksal der jungen Mutantin.

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deren fragmentarische57, auf Auslassung basierende Struktur58 – einem narrativen Puzzle gleich – von den Zuschauer_innen mühevoll zusammengesetzt werden muss. Die so präsentierte konfuse und höchst verwirrende narrative Filmstruktur macht es »für den unvorbereiteten Zuschauer recht schwierig,​ der Logik der Handlung zu folgen und den Überblick über die verschiedenen Erzählstränge zu behalten« (Russo 2007, 102)59. Mit ihrer kontingenten Inszenierung distanziert sich Bilals hypermediale Transposition der Trilogie Nikopol nicht nur deutlich von »herkömmlichen Erzähl- und Kompositionsformen« (Seeßlen 2005b, o.S.) des populären Mainstreams60. Die Hypermedialität der filmischen Remedialisierung betont auch gleichzeitig die Nähe des Werkes zum (europäischen) Experimental- bzw. Avantgardefilm (vgl. Russo 2007, 104). Denn als Teil der französischen ComicNouvelle Vague (vgl. Seeßlen 2005b, o.S.)61 und artiste multimédia (vgl. Blan57 | Der narrative Fluss der filmischen Handlung wird beispielsweise wiederholt durch das Einfügen von fremdsprachigen Sequenzen unterbrochen, welche die Karten bzw. Monopoly spielenden Gottheiten Bastet (Vanessa Hope) und Anubis (Shush Tenin) zeigen und in keinerlei direktem Zusammenhang zu der restlichen filmischen Handlung zu stehen scheinen. 58 | Im Verlauf der filmischen Handlung wird beispielsweise weder näher auf die Figur des mysteriösen Außerirdischen John (Frédéric Pierrot) noch auf die (angeblich) von Nikopol initiierte Rebellenbewegung The Spirit of Nikopol eingegangen. Und auch die Machenschaften des pharmazeutischen Konzerns Eugenics bzw. des korrupten Senators Allgood (Joe Sheridan) – dem filmischen Pendant des faschistischen Gouverneurs Choublanc – und seiner rechten Hand Lily Liang (Corinne Jaber) werden im Film nicht weiter erläutert. 59 | In einem Gespräch mit Serge Lehmann, dem Co-Autor des Films, bemerkt Enki Bilal, dass es sich bei I mmortel um ein Werk handelt, dessen diffuse narrative Struktur eine Reihe störender Elemente (éléments perturbants) enthält und die Zuschauer_innen dementsprechend zu einer wiederholten Re-Lektüre bzw. einem wiederholten Ansehen auffordert (vgl. G espräch mit C o -A utor S erge L ehmann , 2005). 60 | Dieser Punkt wird von Enki Bilal und Serge Lehmann verdeutlicht, wenn diese in einem Gespräch feststellen, dass es sich bei I mmortel um einen Autorenfilm handelt, welcher sich u.a. durch seine hybride, surreale Ästhetik von herkömmlichen (Hollywood-) Mainstream-Produktionen wie z.B. The  F if th E lement (F 1997) abhebt (vgl. G espräch mit C o -A utor S erge L ehmann , 2005). 61 | In den 1960er und 70er Jahren entsteht in Frankreich eine neue Welle der »ComicRevolution« (Seeßlen 2005b, o.S.), welche nicht nur ästhetische Neuerungen, sondern auch die Gründung alternativer Verlage und Magazine mit sich bringt. Im Rahmen dieser Comic-Nouvelle Vague publiziert Enki Bilal seine experimentierfreudigen Arbeiten zunächst in dem ideologisch ungebundenen Magazin Pilote (1959-1989). Einige Zeit später verlässt er dieses jedoch wieder, um sich Mitte der 1970er Jahre mit einer Reihe

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chet 2008, 146) ist Enki Bilal nicht nur bestrebt, seine Werke vom etablierten Mainstream abzuheben und traditionelle Darstellungskonventionen zu durchbrechen (vgl. Knigge 1996, 264), sondern auch darum bemüht, die Ausdrucksmöglichkeiten von Comic und Film zu erweitern, indem er beide medialen Formen miteinander konfrontiert bzw. kombiniert (vgl. François 2005, 75). Resultat dieser ›intermedialen Konfrontation‹ ist ein hybrider Comicfilm, dessen stilisierte, surreale Ästhetik jeglicher Naturalisierungstendenz entgegenläuft und den phantasmatischen Charakter der (re-)medialisierten Bilder deutlich zum Vorschein bringt62 .

4.3 (R e -)M edialisierte G eschlechter Trotz der formal-ästhetischen Nähe des Comicfilms zu dessen grafischer ›Vorlage‹ handelt es sich bei Immortel (ad vitam) – ganz im Gegensatz zu Sin City – nicht um den Versuch einer detailgetreuen filmischen ›Übersetzung‹ der bande dessinée. Wie der Comickünstler und Regisseur Enki Bilal im Making Of des Films betont, stellt Immortel vielmehr eine ›lose‹ bzw. ›freie‹ Adaption der Trilogie Nikopol dar63:

aufstrebender junger Künstler – wie Philippe Druillet und Jean Giraud (alias Moebius) – zusammenzutun und das alternative – auf Science-Fiction-Comics spezialisierte – Magazin Métal Hurlant (1975-1987 sowie 2002-2006) zu gründen (vgl. M oebius R edux , 2007). 62 | Hierbei ist zu beachten, dass die Präsentation einer hybriden und betont künstlich wirkenden Filmästhetik als klarer Bruch mit den Konventionen des populären ScienceFiction-Genres zu verstehen ist. In seinem Buch Die Konstitution des Wunderbaren. Zu einer Poetik des Science-Fiction-Films weist Simon Spiegel darauf hin, dass Werke, die dem Science-Fiction-Genre zugeordnet werden können – also Werke, welche »unwahre Geschichten« in einer »offensichtlich inexistenten Welt« (Spiegel 2007, 198) präsentieren – in der Regel darum bemüht sind, besonders ›realistisch‹ zu sein, um so »zumindest oberflächlich von ihrem wunderbaren Charakter abzulenken« (ebd.) und ›unmögliche‹ Welten als möglich darzustellen. »Die SF [Science-Fiction] trägt ihren wunderbaren Charakter somit einerseits offen zur Schau, betreibt aber gleichzeitig eine Entzauberung, indem sie die Nova mittels einer pseudorealistischen Ästhetik naturalisiert« (ebd., 199; Herv. im Org.). 63 | Dementsprechend erscheint im Abspann der Verweis, dass es sich bei I mmortel um eine ›lose‹ Adaption der Comicalben La Foire aux Immortels und La Femme Piège handelt. Auch wenn der dritte Band der Comicreihe hier nicht als ›Vorlage‹ erwähnt wird, lassen sich im Film dennoch Themen und Motive – wie z.B. die verschneite verbotene Zone – wiederfinden, die bereits in Froid Équateur auszumachen sind.

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Wie das Zitat von Bilal verdeutlicht, geht mit der filmischen Wiederaufführung der Trilogie Nikopol nicht nur ein (inter-)medialer Transfer vom Comic zum Film einher, sondern auch ein (performativer) Prozess der Transformation bzw. Transposition. Genauer gesagt lässt sich im Falle von Immortel eine hypermediale Dekonstruktion und Re-Signifikation der bande dessinée beobachten: »A technical tour de force, the film results from Bilal’s deconstruction/transposition of his own comic books, which themselves are very filmic in style. It offers an interpretative synthesis and selection of the basic elements of the comic book trilogy […]. Thus, not only does the reconstruction entail a transposition into a different, emphatically hybrid medium (film, video, cartoon, virtual images, animation film), but also brings about a shift in the work’s genre, and therefore a shift in its intended reception« (GeoffroyMenoux 2007, 269).

Im Gegensatz zur bande dessinée liegt der Fokus der filmischen Handlung nicht länger auf den Abenteuern des Protagonisten und Namensgebers der Comictrilogie Alcide Nikopol (oder dessen Sohn Niko), sondern konzentriert sich fast ausschließlich auf das Schicksal der jungen Mutantin Jill Bioskop 65. Diese soll dem altägyptischen Gott Horus dabei helfen, sich fortzupflanzen und damit seine (göttliche) Unsterblichkeit zu gewährleisten66. »The film thus hinges on the triangular love story (Nikopol-Horus-Jill), but the perspective has changed, warding off the simplifying effects of such dramatic tightening up. 64 | Übersetzung der Verfasserin: »Es ist ein wenig so, als wenn man die Geschichte von einer Frau mit blauen Haaren erzählt hätte, die gemeinsam mit einem Gott Horus und Nikopol auf die Erde kommt und nach der x-ten Wiederholung dieser Erzählung erhält man eine Geschichte, die ganz anders ist. Es ist diese Idee, die mir gefiel«. 65 | Tatsächlich kommt Nikopols ›Zwillingssohn‹ Niko im Rahmen der filmischen Inszenierung überhaupt nicht mehr vor. »[T]he film chooses not to duplicate the treatment of the theme of dual personalities beyond the couples Horus/Nikopol and Jill-before/Jillafter« (Geoffroy-Menoux 2007, 272). Der Fokus der filmischen Handlung verschiebt sich somit deutlich auf Jill bzw. auf die abstruse Beziehung zwischen Jill, Nikopol und Horus. 66 | Aufgrund einer Revolte gegen seine Artgenossen wird Horus zum Tode verurteilt. Allerdings werden ihm noch sieben Tage auf der Erde gewährt, bevor das Urteil vollstreckt wird.

Unsterblich zu Lebzeiten: Die mediale (Re-)Produktion von Geschlecht in I mmor t el Counterbalancing Nikopol and Horus’s male ›heroism‹, Jill here becomes the film’s poignant ›center of consciousness‹. The film focuses on her alienness, her feelings of displacement, of not belonging, and her painful transformation into a human woman« (ebd., 271).

Abbildung 42: Filmposter: Immortel (ad vitam)

Quelle: . Letzter Zugriff: 20.08.2013.

Aber nicht nur die ›neue‹ weibliche Hauptfigur – deren Prominenz durch das Filmposter deutlich in den Vordergrund gerückt wird (s. Abb. 42) – verweist auf die durch die filmische Remedialisierung bedingte re-signifizierende réécriture (vgl. Lefèvre 2007, 4) der bande dessinée. Bereits der Titel des Films Immortel ad vitam (auf Deutsch: unsterblich zu Lebzeiten) suggeriert einen neuen thematischen Schwerpunkt – nämlich den Fokus auf die grundlegende Frage nach der Unsterblichkeit und der damit verbundenen (biologischen) Reproduktion bzw. Fortpflanzung67. Dabei wird die (mediale) Reproduzierbarkeit 67 | In der bande dessinée wird die Thematik der Unsterblichkeit im Gegensatz zur filmischen Version nicht vorrangig mit der Fähigkeit zur biologischen Reproduktion bzw. Fortpflanzung in Verbindung gebracht, sondern mit der allzu menschlichen Angst vor dem Älterwerden und dem Wunsch nach der ewigen Jugend.

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von Geschlecht sowohl auf der inhaltlichen als auch audio-visuellen Ebene des Films thematisiert. Dementsprechend erscheint der Titel Immortel (bzw. Immortal) ad vitam im Vorspann des Films vor dem Hintergrund molekularmikroskopischer Bilder, welche als Referenz an die biologische Zellteilung und damit gleichzeitig an die geschlechtliche Fortpflanzung zu verstehen sind. Die Thematik der (geschlechtlichen) Fortpflanzung bzw. Reproduktion wird ebenfalls durch den offiziellen Trailer des Films aufgegriffen, welcher einen deutlichen Fokus auf die Protagonistin legt und dabei ihre außergewöhnliche Macht betont – die Fähigkeit, den Göttern Nachkommen zu schenken: »Young women like her [Jill] are rare – extremely rare. There are only a few of them in the entire universe. They don’t even know who they are themselves or the power they have […]. The greatest power of all: The power to procreate with gods« (O riginaltrailer I mmortel (ad vitam), 2005) 68 .

Wie bereits in der bande dessinée zeichnen sich auch Jills filmische Charakterisierung sowie die von ihr verkörperte Vorstellung von Geschlecht und Weiblichkeit durch einen gewissen Grad der Ambivalenz und Uneindeutigkeit aus. Dementsprechend wird Jill (u.a.) im Filmtrailer als einzigartiges, machtvolles Wesen beschrieben – eine Macht, die durch ihre übermenschliche Fähigkeiten (Jill kann Gedanken lesen und ist in der Lage mit bloßen Händen tödliche Energiestöße zu versetzen) sowie ihre ungewöhnliche Erscheinung69 unterstrichen wird. Dieser Macht wird allerdings Jills Unwissenheit, ihr wiederholter (traumatisierender) Gedächtnisverlust sowie ihre ›jungfräuliche‹ Unschuld bzw. Verletzlichkeit 70 entgegengesetzt. Ferner verdeutlicht der Filmtrailer, dass es sich bei der von Linda Hardy gespielten Jill Bioskop um ein wahres ›Wunder der Natur‹ handelt, um eine seltene Art von Frau, welche sich vor allem durch ihre Reproduktionsfähigkeit auszeichnet. Oder wie Anne Balsamo es in ihrem Text Technologies of the Gendered Self – Reading Cyborg Women ausdrückt: Der hier repräsentierte weibliche Körper wird als »cultural sign of the ›natural‹, the ›sexual‹, and the ›reproductive‹« (Balsamo 1999, 9) kodiert.

68 | Das Zitat kommt in leicht abgewandelter Form auch im Film selbst vor, wenn Horus Nikopol erklärt, was Jill als besonderes Wesen auszeichnet. 69 | Jills äußere Erscheinung ist im Film – genau wie im Comic – von blauen Haaren und weißer Haut gekennzeichnet. 70 | Genau wie in der bande dessinée wird Jill in verschiedenen Szenen nackt und in intimen Situationen gezeigt. Außerdem muss sie u.a. von John und von Horus wiederholt aus gefährlichen Situationen gerettet werden.

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Darüber hinaus durchläuft Jill im Verlauf der filmischen Handlung eine traumatische Verwandlung zur menschlichen Frau. Dieser »MenschenfrauWerdungsprozess« (Sennewald 2007, 140) ist eng verbunden mit einer Geschlechtertransformation, welche, laut den Untersuchungen von Nadja Sennewald, als typisch für das Science-Fiction-Genre bezeichnet werden kann: »Unter dem Begriff der Geschlechtertransformationen lassen sich zwei gegenläufige Prozesse fassen: Einerseits die Geschlechtswerdung von Figuren, deren Ausgangszustand als sozial ›unzureichend‹ betrachtet wird, d.h. die ›Frau‹-Sein bzw. ›Mann‹-Sein erst erlernen müssen, und andererseits der Geschlechterwechsel, in dem das Geschlecht zu Beginn der Handlung ein anderes ist, als während oder am Ende der Handlung« (ebd., 139).

Genau genommen handelt es sich bei Jills Geschlechtertransformation um eine Mischung aus beiden hier aufgeführten Prozessen. Denn sowohl Jills vermeintlich ›biologisches‹ Geschlecht (Sex) als auch ihr soziokulturelles Geschlecht (Gender) sind von dieser normativierenden Transformation betroffen. So wirkt Jill aufgrund ihres Gedächtnisverlustes wie eine leere weiße Leinwand, die erst mit den soziokulturellen Erwartungen und Bestimmungen dessen, was es heißt eine menschliche Frau zu sein, gefüllt werden muss. Hierbei scheint die wichtigste Lektion, die Jill im Verlauf des Films zu lernen hat, die menschliche Liebe zu sein bzw. die Bereitschaft, eine romantische Beziehung mit einem heterosexuellen Mann (Nikopol) einzugehen. Dieses ›Frau-Sein‹ ist wiederum gekoppelt an eine körperliche Transformation, welche sich zunächst in Jills äußerer Veränderung manifestiert. Nach einer Art Häutungsprozess verwandelt sich Jills schuppenartige Kopf bedeckung in (menschliche) blaue Haare. Diese Verwandlung bringt Jill dem »Idealbild menschlicher Weiblichkeit« (ebd., 142) und dem damit verbundenen Schönheitsideal einen Schritt näher 71. Parallel zu Jills äußerer Verwandlung ordnen sich ihre inneren Organe der gängigen ›menschlichen Norm‹ entsprechend neu an. Ihren Höhepunkt erfährt Jills Metamorphose allerdings erst durch den (wiederholten) sexuellen Verkehr mit Nikopol/Horus und der daraus resultierenden Schwangerschaft. ›Frau-Sein‹ scheint in Immortel somit hauptsächlich mit (Hetero-)Sexualität und der Fähigkeit zur sexuellen Reproduktion gleichgesetzt zu werden. Sowohl auf der inhaltlichen wie auch formal-ästhetischen Gestaltungsebene des Films lassen sich jedoch eine Reihe von Aspekten ausmachen, die im Widerspruch zu dieser Annahme stehen. Denn auch wenn Jill im Verlauf des Films als wahres Wunder der Natur bzw. als »greatest mystery in nature« bezeichnet 71 | Was das in I mmortel repräsentierte weibliche Idealbild bzw. Schönheitsideal betrifft, ist außerdem zu bemerken, dass die Figur der Jill Bioskop im Film von der ehemaligen Miss France Linda Hardy verkörpert wird.

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wird, wirkt ihre physische sowie psychische Transformation zur menschlichen Frau alles andere als ›natürlich‹. Das vermeintlich ›Natürliche‹ wird hier vielmehr als regulierende Setzung kultureller Norm- und Wertvorstellungen vorgeführt. Jills ›natürlicher‹/›ursprünglicher‹ Zustand ist der einer Mutantin bzw. eines uneindeutigen, hybriden Mischwesens rätselhafter Herkunft, welches sich jeglicher bekannten Kategorisierung entzieht. Sie ist eine »organic Cyborg […] a monster of multiple species« (González 1995, 268), die als ein von außen kommender ›Fremdkörper‹ durch ihr Anderssein die bestehende (heteronormative) Ordnung gefährdet. Dieses Anderssein bzw. diese Fremdartigkeit 72 zieht bereits zu Beginn des Films sowohl das Interesse des pharmazeutischen Konzerns Eugenics73 als auch das Interesse von Dr. Elma Turner auf sich, welche Jill als medizinische Versuchsperson engagiert, um sie einer Reihe wissenschaftlicher Tests zu unterziehen. Durch die Verknüpfung des Geschlechterdiskurses mit dem medizinischen Diskurs wird Jills Anderssein im Verlauf des Films als eine Art Krankheit inszeniert, welche wissenschaftlicher Untersuchung und medizinischer Kontrolle bedarf (vgl. Sennewald 2007, 141)74. In diesem Zusammenhang verweist der Name Bioskop – neben der bereits erwähnten Analogie zum Kino bzw. Medium Film 75 – auf ein weiteres interessantes Themenfeld, und zwar auf das der Biopolitik bzw. der Biomacht. Im kulturwissenschaftlichen Kontext sind die Begriffe der Biopolitik und Biomacht maßgeblich von den Arbeiten des französischen Theoretikers Michael Foucault geprägt worden. Nach Astrid Deuber-Mankowsky und Christoph F. E. Holzhey bezieht sich Foucaults Begriff der Biopolitik auf eine Machttechnologie, »die im 18. Jahrhundert im Verein mit den Wissenschaften vom Leben 72 | Die Tatsache, dass es sich bei Jill um ein fremdartiges Wesen handelt, wird auf der akustischen Ebene des Films durch den Einsatz einer befremdlich klingenden Musik – genauer gesagt durch das Lied Hjartao Hamast der isländischen Band Sigur Ros – unterstrichen. 73 | In I mmortel übt der pharmazeutische Großkonzern Eugenics mit Hilfe von Genmanipulation, Transplantations- und Reproduktionsmedizin eine biopolitische Diktatur (medical dictatorship) aus, welche von dem korrupten Senator Allgood protegiert wird. 74 | Die Verknüpfung des medizinischen Diskurses mit dem Geschlechterdiskurs wird in I mmortel durch die Gestaltung des Eugenics-Gebäudes zusätzlich verdeutlicht: Der Eingang des imposanten Hochhauses wird von zwei riesigen Statuen gesäumt, welche das Abbild eines nackten weiblichen bzw. nackten männlichen Körpers darstellen. 75 | Die Verbindung zwischen der »Bild- und Bewegungstechnologie […] Kino« (Kelty/ Landecker 2002, 22) sowie den Wissenschaften vom Leben (wie z.B. der Biologie), wird u.a. durch die Bezeichnung Bioskop verdeutlicht. »In England the movie theater was originally called ›The Bioscope‹, because of its visual presentation of the actual movements of the forms of life (from Greek bios, way of life)« (McLuhan 2009, 310).

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entstanden ist« (Deuber-Mankowsky/Holzhey 2009, 20)76. Genauer gesagt bezeichnet das Konzept der Biopolitik laut Deuber-Mankowsky »die Gesamtheit der Maßnahmen und regulierenden Kontrollen, mit denen Bevölkerung optimiert, aber eben zugleich auch erst als eine neue Realität konstituiert wird« (Deuber-Mankowsky 2009, 27). Unter der Bezeichnung Biomacht versteht Foucault »jene Technologie, die sich auf der einen Seite auf die Disziplinierung der Körper und auf der anderen Seite auf die Regierung dieser neuen, durch spezifische Regulierungs- und Wissensverfahren konstituierten Größe der Bevölkerung bezieht« (ebd.). Damit stützt sich sowohl das Konzept der Biopolitik als auch das der Biomacht nach Foucault »auf techniktheoretische Begriffe wie Rationalisierung, Regulierung, Disziplinierung, Steuerung, Normierung, Apparat und Homöostase« (ebd.), wie Deuber-Mankowsky verdeutlicht. In Immortel ist es Jill, oder besser gesagt ihr von der Norm abweichender, uneindeutiger (weiblicher) Körper, welcher durch Dr. Elma Turner und der von ihr repräsentierten biopolitischen Macht analysiert, diszipliniert und normiert werden soll77. Diese (bio-)medizinische Kontrolle bleibt Dr. Turner allerdings verwehrt, da sie trotz verschiedenster wissenschaftlicher Tests nicht in der Lage ist, das Rätsel um Jills Herkunft oder ihre ungewöhnliche Anatomie zu lösen. Der einzige, der mehr über Jill zu wissen scheint, ist John: Ein mysteriöser Außerirdischer, dessen Hauptaufgabe darin besteht, sich um ›deplazierte‹ Lebewesen (misplaced persons) wie Jill zu kümmern und ihnen ihren Platz im Universum zuzuweisen78. Er ist es, der die ›verirrte‹ Jill in der verbotenen Zone 79 findet und sie mit diversen Pillen versorgt, welche ihr Gedächtnis löschen und dafür sorgen sollen, dass die Gegenwart besser auf sie einwir76 | An dieser Stelle ist zu bemerken, dass das Kino »durch seine Entstehungsgeschichte als eine Technik der visuellen Reproduktion und damit als eine neue wissenschaftliche Visualisierungstechnik in einem unmittelbaren Bezug zur Geschichte der Wissenschaften vom Leben« (Deuber-Mankowsky/Holzhey 2009, 21) steht. 77 | Die Behandlung biopolitischer Themen spielt ebenfalls in der bande dessinée eine wichtige Rolle. So versucht die faschistische Regierung des Gouverneurs Choublanc in La Foire aux Immortels beispielsweise mit Hilfe von Genmanipulation und Geburtenkontrolle eine purté raciale, eine genetisch ›reine Rasse‹ zu erschaffen (vgl. Bilal 2005, 11 sowie 31). 78 | Neben Nikopol, Jill und Elma Turner gehört John zu den wenigen (Haupt-)Figuren, welche in I mmortel von einem realen Schauspieler verkörpert werden. Allerdings ist auch seine äußere Erscheinung durch eine schwarze Maskierung stark verfremdet. Diese Verfremdung trägt maßgeblich zu dem artifiziellen Charakter seiner ›Schöpfer-Figur‹ bei. 79 | Bei der verbotenen Zone handelt es sich um den New Yorker Central Park, welcher aus unbekannten Gründen Schauplatz eines drastischen Klimawandels, genauer gesagt eines drastischen Temperaturabfalls wird und infolgedessen von der Regierung als intrusion deklariert wird.

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ken kann. Durch diese Pillen scheint auch Jills Menschfrau-Werdungsprozess künstlich initiiert oder zumindest beschleunigt zu werden. Eine Annahme, die durch Johns Aussage, Jill sei sein Werk, seine bisher beste und schönste intrusion (Eingriff), bekräftigt wird 80. Neben Jills Menschfrau-Werdungsprozess erweist sich auch ihre Geschlechtsidentität und das damit verbundene gender-spezifische Begehren bzw. ihre heterosexuelle Orientierung im Verlauf des Films als eine künstliche, ihr aufgezwungene kulturelle Bestimmung. Jill, die sich nicht daran erinnern kann, jemals sexuellen Verkehr gehabt zu haben, wird im Verlauf der filmischen Handlung wiederholt von Nikopol/Horus vergewaltigt, bevor sie lernt, dass es für eine menschliche Frau ›normal‹ ist, (hetero-)sexuelle Kontakte zu pflegen. Die Kategorie der ›biologischen‹ Frau erscheint somit in Immortel als ein durch soziokulturelle Normierung und gewaltsame Disziplinierung erschaffenes Konstrukt ohne fixen Ursprung oder ›natürlichen‹ Ausgangspunkt. Darüber hinaus verdeutlicht der gewaltsame Normalisierungs- bzw. Naturalisierungsprozess, den Jill im Verlauf der filmischen Inszenierung durchläuft, Butlers These, dass es sich bei dem ›Projekt‹ Gender um eine regelrechte »Überlebensstrategie« (Butler 1991, 205) handelt: »[T]o be a woman is to have become a woman, to compel the body to conform to an historical idea of ›woman‹, to induce the body to become a cultural sign, to materialize oneself in obedience to an historically delimited possibility, and to do this as a sustained and repeated corporal project. The notion of a ›project‹, however, suggests the originating force of a radical will, and because gender is a project which has cultural survival as its end, the term strategy better suggests the situation of duress under which gender performance always and variously occurs« (ebd. 1990, 273; Herv. im Org.).

Wie Butler weiterhin bemerkt, werden im Rahmen der von ihr beschriebenen Zwangsordnung des Geschlechts nur diejenigen als legitim und damit als ›menschlich‹ anerkannt, die über eine eindeutige, heteronormative Geschlechtsidentität verfügen. Uneindeutige, non-konforme Geschlechtsidentitäten werden dagegen bestraft und aus der heterosexuellen Matrix ausgeschlossen (vgl. ebd.). Mit dem offensichtlichen Gebrauch synthetischer Bilder wird dieser performative Zwangscharakter der heteronormativen Geschlechterordnung in Immortel weder verschleiert noch als ›natürlich‹ konzipiert. Die hypermediale Ästhetik des Comicfilms führt vielmehr zu einer Ausstellung und 80 | Die ›Un-Natürlichkeit‹ von Johns intrusion – und des von ihm verkörperten männlichen Schöpfungsmythos – wird durch den höchst surrealen Charakter dieser Szene unterstrichen: In einen altmodischen Astronautenanzug gekleidet, trifft Jill in einem Hinterzimmer der Tycho Brahé Bar auf John, der in einem Sessel sitzend schwerelos vor einem kosmischen schwarzen Hintergrund schwebt.

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Thematisierung der performativen Inszenierung und gewaltsamen Konstituierung heteronormativer Geschlechterrollen. Verunsichert von ihrer bevorstehenden Transformation zur menschlichen Frau, betrachtet Jill im Verlauf der filmischen Handlung beispielsweise wiederholt die Reflexion ihres digital verfremdeten, hypermedialen Spiegelbildes. Laut Daniel Winter geht »[d]as Bild der Frau, die sich im Spiegel betrachtet, […] auf eine lange Tradition zurück und ist verbunden mit Diskursen über ​Schönheit und Selbsterkenntnis« (Winter 2007, 30). Für Jill offenbart der (hypermediale) Blick in den Spiegel ein verzerrtes, konturloses Abbild – eine entgrenzte und »unnatürliche Verdopplung« (Herget 2009, 73) ihrer Selbst. Diese kann nicht nur als Verweis auf die performative Konstitution ihrer instabilen bzw. uneindeutigen Geschlechtsidentität verstanden werden81, sondern wirft ebenfalls die Frage nach der Wahrnehmung selbst, also nach der (vermeintlichen) Authentizität und Glaubhaftigkeit der reflektierten bzw. (re-)medialisierten Bilder auf. Das Prinzip der hypermedialen Wahrnehmung bzw. Wahrnehmungsstörung wird innerhalb der visuellen Inszenierung ebenfalls durch den Einsatz der so genannten subjektiven Kamera82 aufgegriffen. »[T]he subjective camera offers a distorted view that makes us aware of the film as medium and often incorporates or refers to other media« (Bolter/Grusin 1999, 152). Im Falle von Immortel ist es Jills persönliche Sicht auf die sie umgebenden Dinge bzw. Personen, die mit Hilfe der subjektiven Kamera als verzerrt und verschwommen dargestellt wird. Diese verzerrte Sicht bringt nicht nur die Medialität des Films bzw. dessen Nähe zur hypermedialen Beschaffenheit des Comics zum Vorschein83, sondern unterstreicht auch gleichzeitig die Unbeständigkeit und Konstruiertheit der repräsentierten Geschlechterrollen. Denn wie bereits an anderer

81 | Genau wie im Comic wird die Unbeständigkeit bzw. Uneindeutigkeit von Jills (Geschlechts-)Identität im Film mit Hilfe tierischer Symbolik unterstrichen: In einer Szene, welche durch ihre hochgradig stilisierte und digital verfremdete bzw. verzerrte Optik besticht, balanciert Jill auf einem balkenförmigen Gebilde über den Dächern von New York (s. Abb. 41). Unter ihren Füßen taucht plötzlich eine blaue Eidechse auf. Wie bereits in Kapitel 4.1 (S. 160) der vorliegenden Arbeit verdeutlicht wurde, kann die Darstellung der regenerativen Eidechse als Hinweis auf die Fähigkeit bzw. Möglichkeit der Neuerschaffung und damit ebenfalls als Verweis auf die instabile bzw. performative Konstitution der Geschlechter verstanden werden. 82 | Die »Subjektive Kameraführung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die Sicht eines Protagonisten einnimmt. Der Kamerastandort ist der Standort einer Figur in der Szene, deren ›Blick‹ das Bild wiederzugeben scheint« (Juhnke o.J., o.S.). 83 | Das Verschwimmen der Konturen kann hier natürlich auch als Verweis auf die Gestaltungstechnik der couleur directe verstanden werden.

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Stelle verdeutlicht wurde84, werden in Immortel special effects und digitale Tricktechnik nicht etwa dazu genutzt, eine möglichst glaubwürdige oder kohärente Illusionswelt zu schaffen. Der in Immortel präsentierte künstlich stilisierte Hyperrealismus konfrontiert den Betrachter bzw. die Betrachterin vielmehr mit einer hypermedialen Bildästhetik, welche durch eine Vielzahl an Brüchen, Störungen und Uneindeutigkeiten gekennzeichnet ist. Diese stellen nicht nur die Künstlichkeit des Mediums selbst, sondern auch die Konstruiertheit der (re-)medialisierten Geschlechterpositionen zur Schau: »Es ist geradezu eine Bestimmung von Medialität, dass diese sich nicht im Funktionieren, sondern erst in der Störung offenbart; vergleichbar der Geschlechterdifferenz, deren regulierende und formierende Bedeutung sich erst zeigt, wenn etwas oder jemand nicht passt« (Peters 2005, 331; Herv. im Org.).

In Immortel ist es die Figur der Jill Bioskop, die ›nicht passt‹ und erst (gewaltsam) zur menschlichen (heterosexuellen) Frau gemacht werden muss. Dieses ›Nichtpassen‹ wird u.a. durch die Tatsache unterstrichen, dass es sich bei der Protagonistin um eine der wenigen Figuren handelt, die nicht digital generiert oder teilanimiert ist, sondern von einer realen Schauspielerin verkörpert wird. In diesem Zusammenhang »sind es nicht mehr die am Computer generierten Bilder, sondern die real gefilmten Schauspieler, die zum eigentlichen Effekt [des Films] geworden sind« (Richter 2008, 21). Genau wie der Comicfilm selbst, stellt also auch Jill eine hybride Mischform dar, welche aufgrund ihres undefinierbaren bzw. unbeständigen Zustandes binäre Oppositionen, wie Mensch/Mutant, rein/unrein, echt/unecht oder natürlich/künstlich, in Frage stellt und somit etablierte Konventionen und dominierende Diskurse subversiv durchbricht. Neben Jill erhält mit Alcide Nikopol noch eine weitere ambivalente Comicfigur Einzug in Enki Bilals surreales Film-Universum. Seinem grafischen ›Vorbild‹ entsprechend, wird Nikopol den Zuschauer_innen von Immortel als politischer Gefangener präsentiert, der nach dreißigjähriger Gefangenschaft in einer Kälteschlaf-Weltraumkapsel unverhofft auf die Erde stürzt und dabei ein Bein verliert. Trotz dieses Makels zieht Nikopols genetisch ›gesunder‹ Körper die Aufmerksamkeit des altägyptischen Gottes Horus auf sich. Um den geplanten Akt der biologischen Fortpflanzung vollziehen zu können, ist dieser auf der Suche nach einem geeigneten, hundertprozentig menschlichen Wirtskörper85. Denn als Gott verfügt Horus zwar über besondere Fähigkeiten und 84 | Siehe hierzu Kapitel 4.2 (S. 173 f.) der vorliegenden Arbeit. 85 | Die Suche nach einem gesunden und hundertprozentig menschlichen Wirt gestaltet sich für Horus indes schwieriger als erwartet. Seit seinem letzten Aufenthalt auf der Erde hat sich die ›menschliche Natur‹ aufgrund medizinischer und wissenschaftlicher

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übermenschliche Kräfte, jedoch mangelt es ihm an Körperlichkeit bzw. Geschlechtlichkeit, da – im Vergleich zur bande dessinée – die digital generierte göttliche Filmfigur über keine sichtbaren sekundären Geschlechtsmerkmale verfügt. Daher benötigt er einen männlichen Wirt – genauer gesagt Nikopol, dessen vom Kälteschlaf konservierter und genetisch nicht manipulierter Körper auch im Jahr 2095 immer noch in der Lage ist, sich auf ›herkömmliche‹ biologische Weise fortzupflanzen. Doch bevor sich Horus und Nikopol auf die Suche nach Jill machen können, um diese (gegen ihren Willen) zu schwängern, schmiedet der altägyptische Gott dem stark blutenden und vom Absturz noch völlig verwirrten, Baudelaire rezitierenden Nikopol eine eiserne Beinprothese. Aufgrund ihrer metallischen Beschaffenheit ist diese allerdings so schwer, dass Nikopol nicht in der Lage ist, sein Bein – und damit auch sich selbst – ohne Horus’ Hilfe zu bewegen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Cyborg-Figuren erfährt Nikopols menschlicher Körper durch den Einsatz einer technischen bzw. metallischen Prothese also weder eine Form der Funktionserweiterung noch der -optimierung (vgl. Westermann 2012, 170). Nikopols Handlungs- und Bewegungsfreiheit werden durch sein metallisches Bein vielmehr drastisch eingeschränkt. Von nun an auf das Wohlwollen und die Präsenz des altägyptischen Gottes angewiesen, ist Nikopol gezwungen, sowohl die Kontrolle seines Geistes als auch die Inbesitznahme – oder besser gesagt die Penetration seines ›beschädigten‹ Körpers durch Horus zu akzeptieren. Seiner körperlichen und geistigen Autonomität beraubt, wird Nikopol bereits zu Beginn der filmischen Handlung zu einem passiven, machtlosen Helden degradiert. Auf der auditiven Ebene des Films wird diese Macht- bzw. Hilflosigkeit durch den Einsatz bestimmter Soundeffekte unterstrichen, welche eine direkte Verbindung zwischen Nikopols unfreiwilliger Penetration und Jills wiederholten Vergewaltigungen herstellen: »The sound effects that accompany Horus’s penetration of Nikopol’s body remind one of a rape, especially as they are similar to those accompanying Horus-Nikopol’s repeated rapes of Jill« (Geoffroy-Menoux 2007, 276). Innerhalb der filmischen Inszenierung wird die Souveränität des männlichen Subjektes zusätzlich durch die Tatsache unterminiert, dass es sich bei Nikopol zwar um den angeblichen Initiator der nach ihm benannten Rebellenbewegung The Spirit of Nikopol handelt, dieser sich jedoch an keinerlei vergangene politische Aktivitäten zu erinnern scheint. Insgesamt scheint es sich bei Nikopol um einen relativ ambitions- und erfolglosen Entwicklungen – vorangetrieben durch die Experimente des pharmazeutischen Großkonzerns Eugenics – drastisch verändert. Gesunde, genetisch nicht manipulierte Menschen sind rar geworden. Das gesellschaftliche Bild ist geprägt von hybriden Wesen, die ihre defekten Körperteile und Organe gegen künstlich generierte Ersatzteile eingetauscht haben.

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›Helden‹ zu handeln. So entwickelt sich nicht nur der Großteil der filmischen Handlung ohne sein aktives Zutun86. Als ›einfacher‹ Mensch ist er auch nicht in der Lage, Jill (die ihm aufgrund ihrer übermenschlichen Fähigkeiten deutlich überlegen ist) oder sich selbst aus verschiedenen gefährlichen Situationen zu retten87. Darüber hinaus bleiben auch seine diversen romantischen und sexuellen Avancen von Jill unerwidert. Erst durch das Einschreiten von Horus bzw. durch dessen manipulative Kräfte gelingt es Nikopol (gezwungene) intime Momente mit der jungen Mutantin zu verbringen. Abbildung 43: Hypermediale Maske

Quelle: Filmstill aus I mmortel (ad vitam) (I mmortal – N ew York , 2095: D ie R ückkehr der G öt ter). Special Edition DVD-Set. Sunfilm Entertainment 2005.

Besonders deutlich wird dies, als sich die beiden Protagonist_innen in der Tycho Brahé Bar zum ersten Mal begegnen. Nikopol, der sich vom ersten Augenblick an zu Jill hingezogen fühlt 88, versucht die attraktive Mutantin zunächst auf recht plumpe und unbeholfene Art in ein Gespräch zu verwickeln. Als 86 | Dass es sich bei Nikopol um einen passiven Beobachter und nicht um einen aktiven Handlungsträger handelt, wird im Film durch die Tatsache bestärkt, dass der Protagonist im Verlauf der filmischen Inszenierung damit beginnt, die präsentierten Ereignisse aufzuschreiben und somit die Rolle des (passiven) Chronisten übernimmt. 87 | Im Verlauf der filmischen Handlung werden sowohl Jill als auch Nikopol wiederholt von Horus und John aus gefährlichen Situationen, wie z.B. dem Angriff des monströsen Dyak, gerettet. 88 | Indem Nikopol sich nicht nur auf den ersten Blick zu Jill hingezogen fühlt, sondern auch recht schnell Gefühle für die Protagonistin entwickelt, erfüllt er im Rahmen ihrer

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sich Jill von Nikopols Avancen unbeeindruckt zeigt und ihm sogar eine deutliche Abfuhr erteilt, schaltet sich Horus in die Szenerie ein, indem er einmal mehr die Kontrolle über Nikopols Körper und damit auch über dessen Tun und Handeln übernimmt. Durch das Einwirken von Horus nimmt Nikopols passives, unbeholfenes Verhalten plötzlich herrische und selbstsichere Züge an. Der theatralische bzw. inszenatorische und keineswegs ›natürliche‹ Charakter dieser Verwandlung wird auf der auditiven Ebene durch Nikopols verzerrte Stimme (er spricht nicht mehr ausschließlich mit seiner eigenen, sondern auch mit der besonders tief klingenden Stimme von Horus) bestärkt. Auf der visuellen Ebene wird die Anwesenheit des altägyptischen Gottes bzw. dessen Kontrollübernahme durch die digital generierte Silhouette eines Falkenkopfes gekennzeichnet, welche sich wie ein Schatten, oder besser gesagt wie eine aufgesetzte (hypermediale) Maske, über Nikopol legt (s. Abb. 43). Diese Maske entlarvt Nikopols schlagartige Verhaltensänderung als doing masculinity 89 – als performative Aufführung heterosexueller Männlichkeit90. Die ›Natürlichkeit‹ der (re-)medialisierten Geschlechterrollen wird auch in der nachfolgenden Szene unterlaufen, als Jill und Nikopol (alias Horus) die Bar verlassen und sich in einem fliegenden Auto auf den Weg zum Western Hysteria Hotel machen, wo es kurze Zeit später zum ersten (gezwungenen) sexuellen Kontakt zwischen den beiden Protagonist_innen kommt. Eine klassische Liebespaar-Szene (ironisch) imitierend, in der der Mann die Frau nach einem romantischen Rendezvous nach Hause fährt, sitzt die von Horus’ göttlicher Macht manipulierte Jill passiv und völlig regungslos auf dem Beifahrersitz, während Nikopol am Steuer des fliegenden Vehikels Platz nimmt. Die musikalische Untermalung dieser überzeichneten Szene liefert u.a. It’s June in January – ein nostalgisches Liebeslied aus den 1950er Jahren, welches aus dem off bzw. dem Autoradio ertönt91. Anstatt die vermeintlich romantische Note des Gezeigten zu unterstreichen, wirkt das von Julie London interpretierte Lieheterosexuellen Beziehung die traditionell als weiblich konnotierte Rolle des emotional involvierten Partners. 89 | Zum Konzept der ›Männlichkeit als Performanz‹ bzw. des doing masculinity siehe u.a. Inge Stephan: Im toten Winkel. Die Neuentdeckung des ›ersten Geschlechts‹ durch men’s studies und Männlichkeitsforschung. In: Männlichkeit als Maskerade. Kulturelle Inszenierungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Hg. v. Claudia Benthien und Inge Stephan. Köln: Böhlau 2003, S. 11-35. 90 | Der performative Charakter dieser Szene wird ebenfalls durch die Tatsache unterstrichen, dass das Aufeinandertreffen von Jill und Nikopol in der Tycho Brahé Bar von einem Cyborg-Polizisten mit einer Kamera aufgenommen und im Verlauf des Films mehrmals abgespielt bzw. wiederaufgeführt wird. 91 | Neben It’s June in January ertönt innerhalb dieser Szene noch ein weiterer PopSong, und zwar das Lied Nights in White Satin von Alain Bashung. Genau wie It’s June

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beslied in dem von Enki Bilal inszenierten futuristischen Szenario besonders befremdlich und trägt so nicht nur zu einer ironischen Unterwanderung des filmischen Bildes, sondern auch zu der Denaturalisierung der repräsentierten heteronormativen Geschlechterrollen bei92 . Es lässt sich also festhalten, dass über die Künstlichkeit bzw. Hypermedialität des Mediums in Immortel eine Fiktion heterosexueller Geschlechtlichkeit hergestellt wird, welche über keinen wie auch immer gearteten ›natürlichen‹ oder unvermittelten ›Ursprung‹ verfügt. Die vergebliche Suche nach einem fixen, in sich beständigen ›Ursprungs-‹ bzw. Geschlechtskörper, welcher von Natur aus vorhanden ist, wird besonders deutlich, wenn sich Jill – kurz vor Vollendung ihrer Verwandlung zur menschlichen Frau – im so genannten Menschen Museum (human museum) auf die Suche nach den Ursprüngen der menschlichen bzw. geschlechtlichen ›Natur‹ macht. In der Hoffnung, eine Antwort auf die Frage zu bekommen, was einen Menschen zu einem Menschen macht bzw. was es bedeutet eine menschliche Frau zu sein, wird Jill im Museum – dessen architektonische Gestaltung an die Räumlichkeiten des Pariser Musée Nationale d’Histoire Naturelle (dem nationalen französischen Naturkundemuseum) erinnert93 – mit einer Reihe technisch hergestellter und künstlich projizierter Bilder konfrontiert, welche den vermeintlich ›natürlichen‹ menschlichen (Geschlechts-)Körper sowohl »als Wissensobjekt« als auch als »Instrument der Wissensvermittlung« (Bellanger 2008, 99) konzipieren. Bei diesen hypermedialen Bildern menschlicher Körperlichkeit handelt es sich zum einen um in der Luft schwebende holografische Abbildungen des nackten weiblichen und männlichen Körpers. Zum anderen trifft Jill im Menschen Museum auf eine interaktive Röntgenapparatur, welche sie sprichwörtlich dazu auffordert, einen Blick in ihren Körper zu werfen (»see inside your body«) und so das verborgene Innere – oder besser gesagt den vermeintlichen ›Kern‹ ihrer (menschlichen) ›Natur‹ mit Hilfe digital generierter94 bzw. medial in January führt auch der Einsatz dieses Liedes zu einer hypermedialen Unterbrechung des Filmes. 92 | Der ironische Unterton dieser Szene kommt ebenfalls zum Vorschein, wenn Nikopol (in seiner überzeichneten Rolle als selbstsicherer Frauenheld) der manipulierten, willenlosen Jill ›galant‹ aus dem Auto hilft und ihr mit den Worten »ladies first« den Vortritt in das Western Hysteria Hotel überlässt. 93 | Bei dem Menschen Museum handelt es sich um eine der wenigen realen Kulissen, die in I mmortel zum Einsatz kommen. Ob es sich hier tatsächlich um die Räumlichkeiten des Pariser Musée Nationale d’Histoire Naturelle handelt, konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit leider nicht eindeutig geklärt werden. 94 | Wie Kathrin Peters bemerkt, trifft die Vorstellung mit Hilfe von digital generierten »wissenschaftlichen Bildern« etwas »›Unsichtbares sichtbar‹« zu machen, keineswegs

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vermittelter Bilder sichtbar zu machen95. Darüber hinaus wird das als ›natürlich‹ geltende Verhalten heterosexueller Männer und Frauen anhand filmischer Bilder – genauer gesagt anhand der Repräsentation eines sich leidenschaftlich küssenden heterosexuellen Paares sowie der Darstellung einer traditionellen ›Mutter-Vater-Kind‹-Konstellation – exemplarisch verdeutlicht. Diese Bilder, welche dem frühen Film entsprungen zu sein scheinen96, machen durch ihre flackernde Projektion nicht nur auf sich selbst als (re-)medialisierte Bilder aufmerksam97, sondern tragen ebenfalls dazu bei, Geschlechtlichkeit, (mediale) Reproduktion und (Un-)Sterblichkeit untrennbar miteinander zu verbinden (s. Abb. 44)98. Laut Bettina Mathes bezeichnet der Begriff der Reproduktion »die Herstellung einer ›Wiederholung‹ von etwas, das man durch ›Abziehen‹ von etwas anderem gewinnt bzw. das Produkt dieses Prozesses« (Mathes 2005, 81). »das Verhältnis von Körper und Visualisierung« (Peters 2005, 339). Denn »[g]erade digitalen Visualisierungstechniken kann eine Referenz auf ein im Bild repräsentiertes ›natürliches Objekt‹ gar nicht mehr unterstellt werden« (ebd.). 95 | Laut Sigrid Schade und Silke Wenk handelt es sich bei Museen prinzipiell um Institutionen, »die etwas zeigen und in besonderer Weise zum Sehen auffordern« (Schade/ Wenk 2011, 144). Museen lassen sich somit »als spezifische Systeme der Repräsentation analysieren, die den je gezeigten Dingen Bedeutungen und Wert verleihen« (ebd.). In I mmortel ist es das Menschen Museum, welches als Ort der Bedeutungs- und Wissensproduktion – genauer gesagt als ein gendered space stilisiert wird. In diesem gendered space werden Prozesse der (Re-)Medialisierung sowie der »Materialisierung von soziokulturellen Wert- und Ordnungsmustern« (Bellanger 2008, 91) nicht etwa verborgen, sondern vielmehr demonstrativ zur Schau gestellt. 96 | Als Quelle für die von Bilal verwendeten ›filmischen Bilder‹ taucht im Abspann von I mmortel ein Verweis auf die Arbeiten von Edward Muybridge auf. Dementsprechend handelt es sich bei den im Menschen Museum präsentierten Bildern um animierte Versionen von Muybridges Chronofotografie. 97 | Durch die Unterbrechung des filmischen Bildflusses stellt die flackernde Projektion an dieser Stelle natürlich ebenfalls einen selbstreflexiven Verweis auf den für eine Comicverfilmung bzw. einen Comicfilm essentiellen Transfer vom starren Comicbild zum bewegten Filmbild dar. 98 | Wie Christina von Braun bemerkt, »[i]st in der sexuellen Differenz auch das Gesetz menschlicher ›Unvollständigkeit‹ oder Sterblichkeit festgeschrieben, so erscheinen Fortpflanzung und Sexualität zugleich wie ein ›Trost‹ für die Vergänglichkeit des Menschen« (von Braun 2006, 10). Als Bewegungs- und Reproduktionstechnologie (vgl. Kelty/Landecker 2002, 22 sowie Klippel 2002, 84) dient allerdings auch der Film bzw. das Kino seinen Zuschauer_innen als ›Trost‹ für die menschliche Vergänglichkeit bzw. Sterblichkeit. So bezeichnet Gertrud Koch den Film als »eine Kunst der Zeit, die den Körper entkörperlicht und gleichzeitig verewigt« (Koch 2009, 61).

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Reproduktion bedeutet also Abstraktion und Veränderung, aber ebenso Wiederholung, Verdoppelung und Vervielfältigung (vgl. Bergermann/Breger/ Nusser 2002, 7). Der Prozess der Reproduktion gehört damit »zu den Grundprinzipien biologischer wie technischer Vorgänge« (ebd.). Denn genau wie die biologische Fortpflanzung als Reproduktion und Vervielfältigung von Erbgut verstanden werden kann, weist auch jede Abbildung bzw. Darstellungstechnik einen auf dem Prinzip der Differenz und Wiederholung basierenden reproduktiven Moment auf: »Wie man glaubt, bilden Bilder ab, sie wiederholen die optische Verfaßtheit eines Objektes in transformierender Weise. Das reproduktive Moment, das jeder Abbildung inhärent ist, wird bei Fotografie und Film evident, die quasi automatisch viele positive ›Klone‹ vom Originalnegativ hervorbringen« (Bergermann 2002, 157; Herv. im Org.).

Abbildung 44: (Re-)Medialisierte Bilder der (Zwei-)Geschlechtlichkeit

Quelle: Filmstill aus I mmortel (ad vitam) (I mmortal – N ew York , 2095: D ie R ückkehr der G öt ter). Special Edition DVD-Set. Sunfilm Entertainment 2005.

Während die reproduktive Qualität des bewegten filmischen Bildes in der Regel auf der vermeintlich unmittelbaren und damit möglichst unsichtbaren Imitation des Sichtbaren beruht (vgl. ebd. sowie Seier 2007, 73), rückt die hypermediale Remedialisierung des flackernden Filmbildes im Menschen Museum den Prozess der medialen Bild(re-)produktion selbst in den Vordergrund. Menschliche Geschlechtsidentität (bzw. ›Frau-Sein‹) wird hier also nicht »als Folge der körperlichen Existenz anatomischer Merkmale« (Bublitz 2002, 57), sondern als Folge (re-)medialisierter Bilder der (Zwei-)Geschlechtlichkeit konzipiert.

Unsterblich zu Lebzeiten: Die mediale (Re-)Produktion von Geschlecht in I mmor t el

Darüber hinaus wird die Künstlichkeit bzw. Unbeständigkeit heteronormativer Geschlechtsidentität auch durch das offene bzw. uneindeutige Ende des Films betont: Ein Jahr nach den präsentierten Ereignissen treffen sich Jill und Nikopol in Paris wieder. Jill, deren Gedächtnis einmal mehr gelöscht wurde, kann sich weder an Nikopol noch an ihre gemeinsamen Erlebnisse erinnern. Genau wie zu Beginn des Comicfilms wird die Protagonistin also auch hier als leere weiße Leinwand konzipiert, welche erneut mit soziokulturellen Gender-Konventionen und Normvorstellungen gefüllt und erst durch äußere, disziplinierende Einflüsse zur menschlichen (heterosexuellen) Frau gemacht werden muss. Dementsprechend lässt sich auch im Epilog des Films nicht viel ›Natürliches‹ in Jills neu gewonnener Mutterrolle ausmachen99. Die digital generierten, leuchtend blauen Haare ihres Kindes weisen die Zuschauer_innen des Comicfilms vielmehr darauf hin, dass es sich bei diesem ›göttlichen‹ Nachwuchs – genau wie bei dessen Eltern – um ein hybrides norm-abweichendes und grenzüberschreitendes Wesen handelt, welches sich gängigen Kategorisierungen entzieht und durch sein Anderssein bestehende Vorstellungen von ›Normalität‹ und ›Natürlichkeit‹ in Frage stellt100. So ist es am Ende des Films auch die durch ihren (wiederholten) Gedächtnisverlust traumatisierte Jill, welche eine Ausgabe von Baudelaires Les Fleurs Du Mal in den Händen hält und mit der Rezitation eines Gedichtes des französischen Lyrikers den anhaltenden Prozess ihrer performativen Identitätskonstruktion abschließend unterstreicht101.

4.4 Z usammenfassung Als ›lose‹ bzw. ›freie‹ Adaption der Comicreihe La Trilogie Nikopol konzipiert, stellt der von Enki Bilal inszenierte surreale Comicfilm Immortel (ad vitam) sowohl eine performative Transposition als auch eine hypermediale Dekonstruktion des zugrunde liegenden grafischen Materials dar. Mit Hilfe neuester Entwicklungen im Bereich der digitalen Filmtechnik und Computeranimation 99 | Jill hat in der Zwischenzeit das Kind geboren, welches im Rahmen ihrer gewaltsamen ›Liebesbeziehung‹ mit Nikopol/Horus gezeugt wurde. 100 | An dieser Stelle ist zu bemerken, dass bereits Jills Schwangerschaft bzw. die Geburt ihres Kindes in Froid Équateur norm-abweichende und grenzüberschreitende Züge aufweist (vgl. Bilal 2005, 159). 101  |  Die ›Künstlichkeit‹ von Jills Geschlechtsidentität, bzw. der in I mmortel (re-)medialisierten Geschlechterrollen, wird in dieser Szene zusätzlich durch den Einsatz des Liedes Beautiful Days von der Gruppe Venus betont. In dem Liedtext heißt es u.a. »I wish I was made Rebuilt-up and fake, I wish I could lie, And never could fail« (http://www.lyricsmania.com/ beautiful _days_lyrics_venus.html).

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gelingt es Bilal, die hybride Bildsprache seiner bande dessinée in das Medium Film zu übertragen. Resultat dieser filmischen Remedialisierung comicspezifischer Gestaltungsmittel ist ein künstlich stilisierter Hyperrealismus, dessen Hybridität und Diskontinuität jeglicher Naturalisierungstendenz entgegenläuft und die Konstruiertheit des Gezeigten zum Vorschein bringt. Dieser formal-ästhetischen Nähe zur grafischen ›Vorlage‹ setzt Bilal eine réécriture – genauer gesagt einen produktiven Prozess der inhaltlichen sowie thematischen Re-Signifikation entgegen, welcher in einem direkten Bezug zur medialen Konstruktion von Gender steht. Indem Immortel den (narrativen) Fokus auf die ›neue‹ weibliche Hauptfigur Jill Bioskop legt, verschiebt sich der thematische Schwerpunkt des Comicfilms auf die grundlegende Frage nach der Unsterblichkeit und der damit verbundenen (biologischen) Reproduktion bzw. sexuellen Fortpflanzung. Anders ausgedrückt gehen in Immortel Geschlechtlichkeit, (mediale) Reproduktion und (Un-)Sterblichkeit eine untrennbare Verbindung ein. Durch die hybride, inkohärente Bildästhetik des hypermedialen Comicfilms wird jedoch nicht nur die Medialität des Films, bzw. der Akt der medialen Bild(re-)produktion selbst, in den Vordergrund gerückt, sondern auch der performative Zwangscharakter der (re-)medialisierten Geschlechterrollen inszeniert und dabei gleichzeitig denaturalisiert.

5. K ick-A ss : (Hetero-)Normativität eines Superhelden

Why do people want to be Paris Hilton and nobody wants to be Spider-Man? (K ick-A ss USA/GB 2010)

Diese Frage stellt sich der sechzehnjährige Dave Lizewski (Aaron Johnson), Protagonist des im Jahr 2010 erschienenen und von Matthew Vaughn inszenierten Comicfilms Kick-Ass. Genau wie die gleichnamige, parallel entstehende Comicserie1 des schottischen Autors Mark Millar und des amerikanischen Zeichners John Romita Jr.2 präsentiert Kick-Ass seinem Publikum einen ›durchschnittlichen‹ Teenager ohne besondere Fähigkeiten, welcher, gelangweilt von seinem ereignislosen Leben, eines Tages beschließt, in die Rolle eines ›wahren‹ Superhelden zu schlüpfen. Um dies bewerkstelligen zu können, bestellt sich Dave kurzerhand übers Internet einen grünen Taucheranzug und begibt sich – mit zwei Schlagstöcken bewaffnet – als Kick-Ass verkleidet in den Straßen von New York auf Verbrecherjagd. Doch schon bald muss Dave feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, im wahren Leben ein Superheld zu sein: Denn im ›wahren‹ Leben gibt es auch ›echte‹ Gefahren und körperliche 1 | Im Gegensatz zu anderen Produktionen liegt dem Comicfilm K ick-A ss keine fertige Comicvorlage zugrunde. Wie sowohl Mathew Vaughn als auch Mark Millar im M aking of des Films betonen, werden Comic und Film im Falle von K ick -A ss vielmehr parallel entwickelt. So liegen zum Produktionsbeginn des Films lediglich die fertigen Skripte der ersten vier (von insgesamt acht) Kick-Ass-Ausgaben vor. Die entsprechenden Zeichnungen sowie die restlichen vier Comicskripte werden von Zeichner John Romita Jr. und Autor Mark Millar erst angefertigt, als die Produktion des Films bereits im vollen Gange ist (vgl. A N ew K ind of S uperhero: The M aking O f K ick-A ss , 2010). 2 | Die achtteilige Comicserie Kick-Ass ist von April 2008 bis März 2010 im Marvel Icon Verlag erschienen. In Deutschland wurde die Serie von Panini Comics publiziert (vgl. http://comicbookdb.com/title.php?ID=17176). Innerhalb der vorliegenden Arbeit wird auf die im Jahr 2010 bei Titan Books erschienene englischsprachige graphic novelAusgabe als Analysematerial zurückgegriffen.

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Auseinandersetzungen bringen schmerzhafte Konsequenzen mit sich. So wird Dave im Verlauf des Films immer wieder von seinen Mitbürger_innen und Kontrahent_innen ausgelacht, beschimpft und brutal zusammengeschlagen. Erst als er auf Hit-Girl (Chloë Grace Moretz) und Big Daddy (Nicolas Cage) – einem tödlichen Vater-Tochter-Gespann – trifft, gelingt es Dave, ›seinen Mann zu stehen‹, den Widrigkeiten des maskierten Vigilantentums zu trotzen und (erfolgreich) die Rolle des Superhelden einzunehmen. Wie die hier beschriebene Thematik des ›realen‹ Superhelden ohne Superkräfte verdeutlicht3, handelt es sich bei Kick-Ass um einen selbstreferenziellen bzw. selbstreflexiven Comicfilm, welcher sowohl auf inhaltlicher als auch gestalterischer Ebene auf eine lange Reihe populärer Superheld_innen-Comics und deren Verfilmungen zurückgreift. Von seinen Machern als ›NeuInterpretation‹ bezeichnet (vgl. A New Kind of Superhero: The Making Of Kick-Ass, 2010), präsentiert Kick-Ass seinen Zuschauer_innen jedoch nicht nur die filmische Remedialisierung bereits etablierter Darstellungskonventionen und Inszenierungsstrategien des ›comicgenuinen‹ Superheld_innenGenres. Der Film unternimmt vielmehr den Versuch, diese Genrekonventionen und Inszenierungsstrategien in ironischer, veränderter Form zu zitieren, zu imitieren und neu aufzuführen. Unter der Berücksichtigung des konstitutiven Wechselverhältnisses von Gender und Genre (vgl. Schneider 2004, 16) sowie des von Judith Butler entwickelten Konzepts der Gender-Parodie soll im Rahmen des vorliegenden Kapitels untersucht werden, inwieweit mit der (angekündigten) ›Neu-Interpretation‹ und damit verbundenen Transformation bzw. Verschiebung medien- und genrespezifischer Konventionen im Falle von Kick-Ass – sowie dessen im Jahr 2013 erschienenen Sequels Kick-Ass 2 – auch ein subversives Spiel mit den in Comic und Film eingelassenen Geschlechterpositionen zu beobachten ist. Geht in Kick-Ass bzw. Kick-Ass 2 tatsächlich die Gender-Performativität in der medialen Performativität auf? Unterlaufen die durch die Remedialisierungsstrategie der Unmittelbarkeit gekennzeichneten Comicfilme tradierte, (hetero-)normative Vorstellungen von Geschlecht oder handelt es sich bei den hier präsentierten performativen Wiederaufführungen von Gender und Genre vielleicht lediglich um ›gezähmte‹ Wiederholungen, die laut Butler als »Instrumente der kulturellen Hegemonie in Umlauf gebracht werden« (Butler 1991, 204), um die Naturalisierung der heteronormativen Geschlechterordnung nicht etwa kritisch zu hinterfragen, sondern vielmehr zu stabilisieren und zu (re-)affirmieren (vgl. Sina 2012b, 109 ff.).

3 | Neben K ick-A ss haben in den vergangenen Jahren auch andere Produktionen, wie z.B. D efendor (2009 CAN/GB/USA) oder S uper (2010 USA), die Thematik des ›realen‹ Superhelden ohne besondere Superkräfte aufgegriffen.

K ick -A ss : (Hetero-)Normativität eines Superhelden

5.1 Wonder Women und S uper M en : D as performative W echselspiel von G ender , G enre und M edium im P op -C omic K ick -A ss Wenn es ein Genre gibt, welches gemeinhin mit dem Medium Comic in Verbindung gebracht wird, dann ist es wohl das Genre der Superheld_innen. Der internationale Siegeszug des Genres beginnt im Juni 1938 mit dem Erscheinen der ersten Ausgabe der DC-Reihe Action Comics. Das Titelbild des in leuchtenden Farben gedruckten Comicheftes ziert die Figur des kostümierten Superman, dessen übermenschliche Fähigkeiten so groß zu sein scheinen, dass er in der Lage ist, mit bloßen Händen ein Fahrzeug über seinen Kopf zu heben. Bereits die vierte Ausgabe der Action Comics ist restlos ausverkauft. Dank der stetig wachsenden Popularität der Figur erhält Superman schon bald, genauer gesagt im Jahr 1939, sein eigenes Comicheft. Damit erscheint auf dem hart umkämpften Comicmarkt auch die erste Heftpublikation, die ihren Leser_innen ausschließlich die Abenteuer einer einzelnen Comicfigur präsentiert (vgl. Wright 2001, 9). Aufgrund des kommerziellen Erfolgs der Serie4 lässt die Kreation weiterer Superhelden nicht lange auf sich warten: Im Mai 1939 erscheint in der Comicreihe Detective Comics (ebenfalls bei DC) die Figur des ›dunklen Rächers‹ Batman. Der Comicheftreihe Batman (ab 1940) folgen weitere Publikationen wie The Hawkman (ab 1940 im DC Verlag), The Flash (ab 1940 bei National Periodical Publications), Captain America (ab 1941 bei Marvel Comics) oder Captain Marvel (ab 1940 bei The Fawcett Company) (vgl. Robbins 1996, 2). Mit Wonder Woman bringt der DC-Verlag im Dezember 1941 schließlich die erste weibliche Superhelden-Figur heraus, welche sich bis heute großer Beliebtheit erfreut. Wie die Comicforscherin Mila Bongco betont, legen die Superheld_innen der späten 1930er und frühen 40er Jahre (insbesondere die Figur des allmächtigen Superman) den Grundstein »for the transformation and growth of the largest and most successful comicbook genre that would assure the future of comicbooks« (Bongco 2000, 95). Darüber hinaus bilden sich im so genannten golden age der amerikanischen Superheld_innen-Comics5 eine Reihe typischer 4 | Zu dem kommerziellen Erfolg der Superman-Comicserie bemerkt der amerikanische Comicforscher Bradford W. Wright: »At a time when most comic book titles sold between 200,000 and 400,00 copies per issue, each issue of Action Comics (featuring one Superman story each) regularly sold about 900,000 copies per month. Each bimonthly issue of the Superman title, devoted entirely to the character, sold an average of 1,300,000 copies« (Wright 2001, 13). 5 | Das golden age der amerikanischen Superheld_innen-Comics umfasst in der Regel die Zeitspanne zwischen Ende der 1930er und Mitte der 1950er Jahre (vgl. Ditschke/

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Merkmale und Konventionen heraus, welche bis heute untrennbar mit dem Genre assoziiert werden. Zu diesen Konventionen zählen u.a. »a hero with superpowers, a villain, a confrontation, and a conclusion where the hero wins« (ebd., 89). Aber auch das Tragen eines Kostüms, welches meist ikonisch auf die Fähigkeiten des Superhelden bzw. der Superheldin verweist, ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit, die Doppelidentität sowie das heldenhafte, sprich selbstlose Handeln der Protagonist_innen, gehören zu den wesentlichen Charakteristika des Genres, die bis heute eine gewisse Erwartungshaltung bei ihrem Zielpublikum hervorrufen (vgl. Ditschke/Anhut 2009, 135 ff.). Neben diesen grundlegenden Strukturen spielt natürlich auch die Kategorie Gender eine zentrale Rolle für die Konstitution des Superheld_innen-Genres, da – wie Claudia Liebrand und Ines Steiner bemerken – Genres im Allgemeinen »auf kulturelle Gender-Narrative und Gender-Inszenierungen« (Liebrand/ Steiner 2004, 7) rekurrieren. Die Wahrnehmung eines (bestimmten) Genres als solches erfolgt demnach (auch) über spezifische Gender-Konstellationen. Genauer gesagt stehen Gender und Genre in einem konstitutiven Wechselverhältnis zueinander: »GenderKonfigurationen werden von Genres modelliert; und Gender-Konfigurationen konstituieren Genres« (ebd.). Dementsprechend definiert sich ein klassischer Superheld in der Regel durch die Inszenierung eines ganz bestimmten Männlichkeitsbildes, welches nicht nur den Besitz besonderer Superkräfte, sondern auch einen gestählten, vor Kraft strotzenden muskulösen Körper sowie besondere mentale Fähigkeiten umfasst: »Being male and masculine manifests itself […] in how effectively a superhero uses mind and/or muscle to resolve various power struggles, thereby displaying authority and self-sufficiency, and gaining public recognition. Superheroes share three traits: scruples, extra-ordinary strength, and financial self-sufficiency. They are also endowed with varied abilities that allow them to excel and assume authority as a masculine force: physical or mechanical power, planning and leadership, cunning and advanced or specialised knowledge« (Bongco 2000, 115). Anhut 2009, 163). Dank Superman, Batman und Co. entwickelt sich die ComicheftBranche in den 1940er Jahren zu einer regelrechten Industrie. Der Boom dieser Industrie wird massiv durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gefördert: Patriotische Comicheld_innen – die meist aus der Feder jüdischer Comickünstler_innen stammen – erhalten die Chance, ihre Superkräfte gegen eine realistische Bedrohung einzusetzen. Sie ziehen erfolgreich gegen Nazi-Schurk_innen oder – wie auf dem Cover der ersten, im März 1941 erschienenen Captain America-Ausgabe zu sehen ist – sogar gegen Hitler selbst in den Krieg. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs endet jedoch zunächst auch die Faszination der Superheld_innen und damit ebenso das golden age des amerikanischen Comics.

K ick -A ss : (Hetero-)Normativität eines Superhelden

Weitere definierende Eigenschaften eines klassischen Superhelden lassen sich in dessen Tugendhaftigkeit sowie in seiner Charakterisierung als hundertprozentiger Amerikaner (vgl. Kagelmann 1975, 39) ausmachen. Mit dem Ausdruck ›hundertprozentiger Amerikaner‹ ist an dieser Stelle der so genannte WASP, also der white, anglo-saxon, protestant male gemeint. So bemerkt auch Mila Bongco, dass »a non-white person, even if male, is too marginal to be THE superhero for the mainstream comicbook consumers« (Bongco 2000, 118; Herv. im Org.). Komplettiert wird das hegemoniale Männlichkeitsbild des klassischen Superhelden durch dessen normative Heterosexualität. Auch wenn die D ​ arstellung von Sexualität im Allgemeinen in den Reihen klassischer SuperheldenComics ein absolutes Tabu-Thema darstellt6, handelt es sich bei der (keuschen) Liebesbeziehung zwischen dem agilen Superhelden und seinem attraktiven weiblichen love-interest um ein wichtiges antreibendes Element der Narration. Infolgedessen muss z.B. Lois Lane im Verlauf der Superman-Comicreihe immer wieder von dem strahlenden Protagonisten aus brenzligen Situationen befreit werden. Die binäre Geschlechterdifferenz zwischen vermeintlich ›aktiver‹ Männlichkeit und ›passiver‹ Weiblichkeit unterstreichend, dient das weibliche Objekt der Begierde innerhalb des Genres also zunächst vornehmlich dazu, Handlungsmuster für die männlichen Akteure zu liefern. »[D]urch sie wird der Held permanent in die Lage versetzt kämpfen zu müssen/zu dürfen« (Knigge/ Schnurrer 1980, 75). Darüber hinaus wird der scheinbar allmächtige, unnahbare Superheld durch sein heterosexuelles Begehren nicht nur verwundbar(er) gemacht, sondern er erhält auch ›menschlichere‹ und ›persönlichere‹ Charakterzüge (vgl. Bongco 2000, 118)7. 6 | Wie Reinhold C. Reitberger und Wolfgang J. Fuchs bemerken, ist die sexuelle Abstinenz der klassischen Superhelden u.a. auf den rigiden Vorschriftenkatalog des Comic Codes zurückzuführen: »Durch die Selbstverweigerung auf sexuellem Gebiet zeigen die Superhelden einen deutlichen Masochismus, der in einem Zusammenhang mit ihrer hochentwickelten Kampfmoral stehen mag. Ihr keusches, bestenfalls monogames Verhalten steht in krassem Gegensatz zu ihren potentiellen Fähigkeiten in punkto Virilität und Potenz. Welches Paradox, daß gerade die Superhelden sich Frauen gegenüber noch schüchterner als normale Männer verhalten müssen. Gerade die vordringlichsten ihrer geheimen Wünsche müssen sie unterdrücken. Als Identifikationsgestalten sind die Superhelden so auf einem Teilgebiet völlig unvollkommen« (Fuchs/Reitberger 1971, 120). 7 | Darüber hinaus bemerkt Mila Bongco, dass die Zurückweisung des weiblichen love interest bzw. die Nicht-Erfüllung der Liebesbeziehung zwischen dem Superhelden und dem Objekt seiner Begierde ein wichtiges Element der narrativen Auflösung im Superheld_innen-Genre darstellt. »Often, love and intimacy demand a choice of conflict between their super-powers or possessing the woman they really love, as is the case also with Superman, the Hulk, The Mighty Thor, to name a few. To enjoy intimacy would entail

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Wie bereits erwähnt beschränken sich die Superheld_innen-Comics des golden age jedoch nicht ausschließlich auf die Repräsentation männlicher Protagonisten und weiblicher Nebenfiguren. Mit Wonder Woman hält bereits zu Beginn der 1940er Jahre die erste weibliche Superhelden-Figur Einzug in die stetig wachsende Comicheft-Industrie8. Und genau wie die Charakterisierung ihrer männlichen Pendants ist auch die Repräsentation der kostümierten Superheldin durch die Inszenierung eines ganz bestimmten Weiblichkeitsbildes geprägt. So besitzt Wonder Woman, welche im Rahmen ihres ersten Auftrittes in All Star Comics No. 8 als schön wie Aphrodite, weise wie Athena, schnell wie Merkur und stark wie Herkules beschrieben wird, einen athletischen Körper und herausragende Kräfte. Im Verlauf der Comicserie wird ihrer als männlich konnotierten (und damit potenziell bedrohlich wirkenden) Stärke jedoch eine Reihe stereotyper weiblicher Eigenschaften, wie beispielsweise Milde, Gutmütigkeit oder Emotionalität, entgegengesetzt9. Dementsprechend gelingt es Wonder Woman, ihre Gegenspielerinnen (vornehmlich attraktive weibliche Schurken) nicht etwa durch aggressives Verhalten, sondern mit Hilfe von Empathie und einer Botschaft der Liebe und des Humanismus wieder auf den rechten Weg zu bringen (vgl. Robbins 1996, 8). Auch die Tatsache, dass es sich disclosure of their super-identity which would open the superheroes to some vulnerability, and somehow transfer power and control over to the women« (Bongco 2000, 112 f.). Weiterhin heißt es bei Bongco: »The subtle rejection of women is presented as a necessary element of the plot in most superhero texts. Women are perceived as threats to male independence and masculinity. Sentiment and emotions among superheroes is presented as weakness that would detract from the masculine business of adventure and power. Women’s concerns and their desire for intimacy are the repressed aspects of masculinity that must thus suffer reiterated narrative rejection« (ebd., 113). 8 | Tatsächlich erscheint bereits 1940 die erste Superheldin, mit dem Namen Women in Red, in Form der kostümierten Undercover-Polizistin Peggy Allen. Allerdings erfreut sich diese Figur bei den Leser_innen keiner großen Beliebtheit und verschwindet nach fünf Jahren wieder (vgl. Robbins 1996, 3 f.). 9 | Zum (vermeintlich) bedrohlichen Potenzial der Wonder Woman-Figur siehe u.a. Fredric Wertham: Seduction of the Innocent. New York: Rinehart 1954. Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Figur der Wonder Woman siehe u.a. Les Daniels: Wonder Woman: The Complete History. San Francisco: Chronicle Books 2004 sowie Marc Edward DiPaolo: Wonder Woman as World War II Veteran, Camp Feminist Icon, and Male Sex Fantasy. In: The Amazing Transforming Superhero! Essays on the Revision of Characters in Comic Books, Film and Television. Hg. v. Terrence R. Wandtke. Jefferson: McFarland 2007, S. 151-173. Für eine Übersicht weiterer weiblicher Superhelden-Figuren in Comic und Film siehe u.a. Barbara Kainz: Ansichten und Entwürfe über HeldinnenFiguren in Comicverfilmungen. In: Comic. Film. Helden. Heldenkonzepte und medienwissenschaftliche Analysen. Hg. v. Barbara Kainz. Wien: Löcker 2009, S. 93-124.

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bei Wonder Woman um eine äußerst attraktive, körperbetonte Figur handelt, deren primäre Motivation in ihrer Liebe zu dem gestrandeten Piloten Steve Trevor zu finden ist, sowie der Rückgriff auf eine Ikonografie der »whips and chains« (Bongco 2000, 107), welche in den 1940er Jahren zur Begründung des so genannten Good Girl-Subgenres führt10, tragen zusätzlich zu der stereotypen Repräsentation der archetypischen Superheldin bei. Kreiert wird die Figur der Wonder Woman von dem amerikanischen Psychologen William Moulton Marston11. Dieser greift – unterstützt von seinen Lebensgefährtinnen12 – für den Entwurf der Superheldin nicht nur auf sein psychologisches Wissen sowie seine Kenntnis diverser Märchengeschichten zurück, sondern auch auf den griechischen Mythos der Amazonen (vgl. Robbins 1996, 7). »[A] race of proud women warriors from ancient Turkey who were subdued by Hercules and whose queen, Hippolyta, was ruined by her love for men. Marston crafted Wonder Woman to be the greatest member of that warrior race« (DiPaolo 2007, 153). Ein ähnlicher Rückgriff auf mythische und/oder religiöse Elemente lässt sich auch bei anderen Superheld_innen-Figuren, wie z.B. Superman ausmachen, dessen (Comic-)Geschichten im Allgemeinen als »secularized retelling of the Moses and Jesus stories« (ebd.) gelten. Dementsprechend wird die Figur des Superman gerne als göttlicher Heilbringer gelesen, dessen Geburtsname Kal-El ein »Homonym für einen der hebräischen Namen Gottes« darstellt (Engelmann 2011, 319)13. Im Falle der SuperheldenFigur Batman lassen sich zwar keine biblischen oder mosaischen Bezüge ausmachen, dafür lassen sich Bob Kane und Bill Finger bei der Konzeption ihres

10 | Die Protagonistinnen des Good Girl-Subgenres beschreibt der amerikanische Comicforscher Richard Reynolds als »superheroines as exciting for their looks as for their villain-bashing exploits« (Reynolds 1992, 34). Weiterhin heißt es bei Reynolds: »Good Girl superheroines of the 1940s operated in the wider context of the Vargas pin-up girls, the Just Jane cartoons and sweethearts of the forces such as Betty Grable and Rita Hayworth. Good Girl art takes the signs of pornographic discourse (whips, chains, spikes heels, beautiful but blank faces) and integrates them into the context of nonpornographic story structures« (ebd.). 11 | Seine Arbeiten als Comicautor veröffentlicht William Moulton Marston unter dem Pseudonym Charles Moulton (vgl. Robbins 1996, 7). 12 | Entgegen gesellschaftlicher Konventionen führt Marston eine Dreiecksbeziehung mit zwei Frauen – Elizabeth Marston und Olive Richard. Beide geben an, Marston bei der Kreierung der Wonder Woman-Figur beeinflusst bzw. inspiriert zu haben (vgl. Daniels 2004, 28 ff.). 13 | Zur jüdischen Tradition der Superman-Figur siehe u.a. Margret KampmeyerKäding/Cilly Kugelmann (Hg.): Helden, Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics. Berlin: Stiftung Jüdisches Museum Berlin 2010.

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Protagonisten von den pulp magazines14 , allem voran von den Abenteuern des maskierten Helden Zorro inspirieren (vgl. Klock 2002, 32 sowie Knigge 2004, 97 f.)15. Abgesehen von Batman lassen sich noch zahlreiche weitere SuperheldenComics von den populären pulp magazines und den in ihnen vertretenen Charakteren sowie multiplen Genres beeinflussen: »Characters like the Shadow, Doc Savage, Dr. Mystic, and the Spider were all popular pulp-magazine characters with secret identities, costumes and super physical powers. Since many comicbook creators were also writers of pulp adventure stories, and many comicbook publishers originally published pulp hero magazines, the similarities were not coincidences« (Bongco 2000, 96).

Neben den literarischen pulp magazines weisen die Superheld_innen-Comics des golden age auch enge Bezüge zu dem Medium Film, insbesondere zum zeitgenössischen Kino auf. In diesem Zusammenhang macht Georg Seeßlen beispielsweise auf die Vorbildfunktion des amerikanischen Schauspielers Douglas Fairbanks für die von Jerry Siegel und Joe Shuster kreierte SupermanFigur aufmerksam. Zudem bemerkt Seeßlen, dass Supermans Alter Ego Clark Kent nachhaltig von Harold Lloyd und dessen naiven Optimismus beeinflusst zu sein scheint (vgl. Seeßlen 2012, 153). Das vermeintlich ›comicgenuine‹ Genre der Superheld_innen erweist sich somit als Remedialisierung benachbarter Genres (wie z.B. des Science-Fiction-, Western- oder Horror-Genres) bzw. einzelner Genreversatzstücke und medialer Formen. Diese werden im Rahmen des Superheld_innen-Genres nicht nur absorbiert, sondern ebenfalls neu aufgeführt und re-kontextualisiert (vgl. Jenkins 2009, 18 sowie 29). Als »stereotype Formen des Erzählens, Darstellens und/oder Gestaltens« (Kuhn/Scheidgen/Weber 2013, 2) beinhalten Genres also einerseits »wiederkehrende Handlungsmotive, eine bestimmte Dramaturgie, Standardsituationen und/oder häufig einen [audio]visuellen Stil. Jenseits all dieser werkspezifischen Merkmale haben Genres aber auch eine historische, eine mediale und eine kulturelle […] Dimension« (ebd.).

Genau wie bei der Kategorie Gender handelt es sich also auch bei Genres im Allgemeinen sowie dem Superheld_innen-Genre im Speziellen nicht um fixe, 14 | Zum Konzept der pulp magazines siehe Kapitel 3.1 (S. 89) der vorliegenden Arbeit. 15 | Neben der Figur des Zorro sowie diversen Pulpheften, die bereits mit verschiedenen Geschichten über einen als Fledermaus kostümierten Helden aufwarten, dient auch der Stummfilm The B at (USA 1928) als Vorlage für den »bird-like man who tries to fly like a bat« (Knigge 2004, 97).

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in sich geschlossene ontologische Größen, die auf einen bestimmten ›Ursprung‹ oder Ausgangspunkt zurückzuführen sind und aus sich selbst heraus bestehen (vgl. ebd.), sondern um dynamische und komplexe Konzepte, die sich erst in vielfältigen, performativen Prozessen des Zitierens, Imitierens und Wiederholens konventionalisierter Strukturen konstituieren. In diesem Sinne ist – wie bereits an anderer Stelle gezeigt wurde16 – »für Genres die Ambivalenz von Wiederholung und Veränderung, Alt und Neu, Einlösung und Abweichung konstitutiv« (Seier 2007, 133). Denn »insofern Genrekonventionen immer zugleich wiederholt und variiert werden, sind die Wiederholungen von Genrekonventionen aus performativer Sicht nicht als Endpunkt von Bedeutungsproduktionen zu werten, sondern als produktives ›Scheitern‹, das die ununterbrochene Wiederholung notwendig macht […]. Genres verweisen in diesem Sinne nicht nur auf die Wirkungsmächtigkeit medialer Repräsentationen (und kultureller Stereotypisierungen), sondern auch auf deren Umkämpftheit und Unabgeschlossenheit« (ebd., 133 f.).

Dementsprechend verwundert es nicht, dass auch im Genre der Superheld_innen ein gewisser Grad der Unabgeschlossenheit sowie Umkämpftheit medialer Repräsentationen und kultureller Stereotypisierungen vorzufinden ist. Wie Henry Jenkins bemerkt, befindet sich das Genre in einem kontinuierlichen Prozess der Re-Strukturierung und Revision (vgl. Jenkins 2009, 26 ff.). Besonders deutlich wird dies im so genannten silver age of comic books. Als silver age wird in der Regel die Zeitspanne zwischen Mitte der 1950er und Anfang der 1970er Jahre bezeichnet (vgl. Ditschke/Anhut 2009, 163)17. Während der Boom der Comicindustrie in den 1940er Jahren massiv durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gefördert wird, ebbt die Faszination mit den patriotischen Superheld_innen ab 1945 deutlich ab. Neben dem Ende des Zweiten Weltkrieges tragen auch der selbstbestimmte Comic Code und die mit ihm einhergehende Welle der ›moralischen Panik‹ dazu bei, die Comicbranche während der McCarthy-Ära in ihre erste existenzielle und zugleich bedrohliche ökonomische Krise zu stürzen (vgl. ebd., 167). Eine (temporäre) Wiederbelebung des Comicmarktes (sowie des Superheld_innen-Genres) erfolgt schließ16 | Siehe hierzu Kapitel 2.4 (S. 65) der vorliegenden Arbeit. 17 | Laut dem amerikanischen Comicforscher Peter Coogan lassen sich neben dem golden und silver age noch weitere ›Zeitalter‹ der Entwicklung der Superheld_innenComics bestimmen. So folgt dem silver age das so genannte bronze age (Anfang der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre). Nach dem bronze age kommt das iron age (Anfang der 1980er bis Anfang der 1990er Jahre) und schließlich das renaissance age (Anfang der 1990er Jahre bis nach der Jahrtausendwende) (vgl. Coogan 2006, 193 ff. sowie Ditschke/Anhut 2009, 163).

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lich Anfang der 1960er Jahre, als die Comickünstler_innen des Verlagshauses Marvel mit The Thing (alias Ben Grimm) und Spider-Man (alias Peter Parker) die Figur des »zweifelnden Superhelden« (ebd.) einführen und damit das bis dato etablierte Standardschema klassischer Superhelden_innen-Comics entscheidend erweitern. Genauer gesagt tritt mit der Figur des Peter Parker alias Spider-Man im August 1962 zum ersten Mal eine Superhelden-Figur auf, bei der es sich nicht um einen erwachsenen Mann, sondern um einen Teenager mit ganz alltäglichen Problemen handelt, der darum bemüht ist, seinen Platz in der (patriarchalen) Gesellschaft zu finden. Die im Rahmen des golden age etablierten Konventionen des Superheld_innen-Genres erfahren im silver age also nicht nur eine Wiederholung, sondern auch eine markante Veränderung. Den unnahbaren, allmächtigen Superheld_innen des bisherigen Marktführers DC wird nun eine neue Generation von Marvel-Superheld_innen gegenübergestellt, die sich durch ihre Menschlichkeit, ihre Fehlbarkeit und ihre moralischen Zweifel definiert (vgl. Bainbridge 2009, 67 ff.). Einen weiteren einschneidenden Moment der Revision erfährt das Superheld_innen-Genre Mitte der 1980er Jahre, im so genannten iron age (vgl. Ditschke/Anhut 2009, 169). Hier wird die Transformation bzw. Re-Interpretation des Genres noch einen Schritt weiter geführt. Von Geoff Klock als revisionary superhero narratives bezeichnet (vgl. Klock 2002, 3), präsentieren Comicreihen, wie etwa Alan Moores und Dave Gibbons Watchmen (1986) oder Frank Millers Batman: The Dark Knight Returns (1986), ihren Leser_innen nicht nur einen wiederholten Rückgriff auf »archetypical comic book signifiers« (ebd., 66), sondern auch eine explizit zur Schau gestellte Selbstbezüglichkeit sowie eine kontinuierliche Umgestaltung und Überarbeitung des eigenen Genres18. In diesem Zusammenhang bemerkt etwa Hans-Joachim Backe, dass bereits bei der ersten Lektüre von Watchmen »einige ungewöhnliche, häufig entfremdend wirkende Stilmittel« (Backe 2010, 17) auffallen: »Zunächst sind da die Inhalte, denn zynische, vergewaltigende, folternde Superhelden sind ein markierter Traditionsbruch, der ganz unmittelbar signalisiert, dass es sich hier nicht um einen konventionellen Vertreter des Genres handelt. Doch auch auf formaler Ebene bricht der Text mit etablierten Mustern. Neben den ungewöhnlichen Farben und der überwältigenden Menge teils sehr anspruchsvoller Dialoge ist die ausführliche Abbildung eines Comics im Comic etwas, das den Rahmen des Superheldencomics sprengt. Solche Markierungen weisen den Leser darauf hin, dass er gut daran täte, sich seine Lesestrategien bewusst zu machen« (ebd.).

18 | Darüber hinaus bemerkt Geoff Klock, dass es sich bei dem Phänomen der revisionary superhero narratives um Comics handelt, deren Bedeutung (meaning) in ihrer Beziehung zu anderen Comics zu finden ist (vgl. Klock 2002, 25).

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Genau wie in Watchmen lässt sich auch in The Dark Knight Returns die selbstreflexive Infragestellung und Revision etablierter Darstellungs-, Erzähl- und Rezeptionsmuster beobachten. Wichtige Aspekte dieser selbstbezüglichen Genrerevision stellen u.a. die Problematisierung des Heldenstatus bzw. der (Super-)Heldenfigur (vgl. Ditschke/Anhut 2009, 169) sowie die Präsentation eines »intense level of realism« (Klock 2002, 29) dar19. Folglich handelt es sich bei Frank Millers Revision der Batman-Figur nicht länger um einen ewig junggebliebenen, agilen und strahlenden Superhelden, sondern um einen in die Jahre gekommenen, desillusionierten und zynischen Protagonisten. Neben einem alternden Superhelden trägt ebenfalls die Darstellung besonders brutaler Gewaltszenen zu Millers revisionary reality principle bei (vgl. ebd., 26 sowie 40). Eine weitere Revision des Batman-Mythos lässt sich in Millers ›Neubesetzung‹ wesentlicher Nebenrollen ausmachen: So wird im Verlauf der Erzählung die Figur des Commissioner Jim Gordon durch eine junge Frau (Captain Ellen Yindel) ersetzt. Darüber hinaus verwandelt sich auch Batmans sidekick Robin (alias The Boy Wonder) in The Dark Knight Returns ironischerweise in ein dreizehnjähriges Mädchen20. Wie die hier aufgeführten Beispiele verdeutlichen, geht mit der selbstreflexiven Revision und Umgestaltung etablierter Genrekonventionen nicht nur die Möglichkeit einer produktiven Transformation und Erweiterung bestehender Darstellungs- und Erzählstrategien einher, sondern ebenso eine Verschiebung genrespezifischer Geschlechterkonstellationen. Als performative Konzepte werden Gender und Genre so in ihrer wechselseitigen Beeinflussung und Hervorbringung erfahrbar, historisierbar und veränderbar (vgl. Mädler 2008, 18). Möchte man nun die wechselseitige Konstitution von Gender und Genre im Medium Comic – oder genauer gesagt in Superheld_innen-Comics – untersuchen, gilt es (neben der Performativität von Gender und Genre) noch eine weitere Ebene des Performativen in den Blick zu nehmen – und zwar die Ebene der medialen Performativität: »So lässt sich nicht nur analysieren, wie Geschlechterinszenierungen performativ hergestellt werden, sondern es lässt sich zeigen, wie verschiedene performative Prozesse […] ineinandergreifen und sich gegenseitig hervorbringen« (Lünenborg/Maier 2013, 117).

19 | Ein weiterer wichtiger Aspekt, welcher das Phänomen der revisionary superhero narratives kennzeichnet und damit auf die performative, ›ursprungslose‹ Konstitution von Genrestrukturen hinweist, ist die Re-Imagination (re-imagining) so genannter origin stories (vgl. Klock 2002, 50). 20 | Laut Geoff Klock kann Millers Revision bzw. Neubesetzung des Boy Wonder durch ein dreizehnjähriges Mädchen als Antwort auf Fredric Werthams These der ›moralisch verwerflichen‹ und ›sexuell perversen‹ (homoerotischen) Batman-Comics verstanden werden (vgl. Klock 2002, 32 ff. sowie Kapitel 2.5 (S. 77) der vorliegenden Arbeit).

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Im Folgenden soll daher der Superhelden-Comic Kick-Ass im Hinblick auf das performative Wechselspiel von Gender, Genre und Medium untersucht werden. Von dem Comicautor Mark Millar als »love letter to the superhero genre« (Millar 2010, 10) bezeichnet, steht das höchst selbstreferenzielle Werk in der Tradition der revisionary superhero narratives. Genauer gesagt handelt es sich bei Kick-Ass um einen so genannten Pop-Comic (pop comic). Diese Unterkategorie der revisionary narratives bildet sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts heraus und ist – laut Geoff Klock – durch folgende charakteristische Merkmale gekennzeichnet: »Though many superheroes have been quite popular in their fictional continuities before now, this new trend is the cathexis of several strands of intra- and extratextual material. The modern incarnation began with The Authority, which, while raising the bar on high levels of violence and so called wide-screen storytelling, also accessed the strain of attention and popularity that is a subset of the superhero as adolescent male fantasy. The superhero becomes a kind of sexy pop icon. What separates this emerging trend from its predecessors is the conscious intention on the part of the creators themselves […] to make comic books a kind of sexy, popular medium« (Klock 2002, 172).

Zu den bekanntesten Vertreter_innen des Pop-Comic-Trends21 zählen u.a. Grant Morrison, Warren Ellis, Peter Milligan und Mark Millar22 . Erklärtes Ziel dieser Künstler ist es, das Genre der Superheld_innen-Comics neu zu definieren bzw. zu re-interpretieren und dabei zugleich einer breiten MainstreamLeserschaft zugänglich zu machen (vgl. ebd., 172). Um dies zu erreichen, greifen die Comickünstler auf ein ganz bestimmtes Repertoire gestalterischer Mittel zurück, wie z.B. einer auffallend leuchtenden 21 | Im Falle des hier beschriebenen Pop-Comic-Trends wird Pop »mit Konsum, Party, Profit, Unterhaltung, Lifestyle, Mainstream assoziiert und als Marken- bzw. Warenartikel deklariert. Pop wird in diesem Verständnis als Affirmation aufgefasst« (Kleiner 2013, 24 f.). Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Pop- bzw. Populärkultur siehe u.a. Marcus S. Kleiner und Thomas Wilke (Hg.): Performativität und Medialität Populärer Kulturen. Theorien, Ästhetiken, Praktiken. Wiesbaden: Springer 2013 sowie Paula-Irene Villa, Julia Jäckel und Zara S. Pfeiffer (Hg. et al.): Banale Kämpfe? Perspektiven auf Populärkultur und Geschlecht. Wiesbaden: Springer 2012. 22 | Interessanterweise handelt es sich bei den hier aufgeführten Vertretern des PopComic-Trends um vornehmlich britische Comickünstler. Wie Julia Round mit Bezug auf Chris Murray bemerkt, wird das Genre der amerikanischen Superheld_innen immer wieder von britischen Künstlern reinterpretiert: »Chris Murray identifies a first and a second wave of British writers who, spearheaded by Alan Moore, have brought a literary sensibility to American comics through their reinterpretations of superhero titles over the last thirty years« (Round 2013, 326).

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Farbgestaltung23 oder den Einsatz des bereits erwähnten wide-screen storytellings, welches den Superheld_innen-Pop-Comics einen gewissen HochglanzLook (glossy look) verleiht, der wiederum als besonders filmisch und damit gleichzeitig als besonders mainstream-tauglich gilt (vgl. ebd., 173 ff.). Im Falle der Pop-Comics wird also mit Hilfe gestalterischer Mittel die hypermediale Beschaffenheit des Comics minimiert bzw. die als unmittelbar geltende Ästhetik des ›Illusionsmediums‹ Film imitiert 24. Inwieweit mit der grafischen Imitation der filmischen ›Illusionsästhetik‹ bzw. mit der formalen ›Negation‹ der hypermedialen Comicästhetik auch ein Verlust des (subversiven) Comicpotenzials einhergeht, geschlechtsspezifische Zuschreibungsprozesse nicht einfach nur zu (re-)produzieren, sondern als solche sichtbar zu machen und kritisch zu reflektieren, soll im Folgenden anhand einer beispielhaften Analyse des Superhelden-Pop-Comics Kick-Ass näher beleuchtet werden. Von Mark Millars eigener Erfahrung als teenage comicfan geprägt 25, ist die achtteilige Comicserie sowohl mit einer ganzen Reihe inter- bzw. intramedialer Verweise bestückt 26 als auch mit zahlreichen ironischen Übernahmen und Verschiebungen bekannter Gender- und Genrekonventionen versehen. Als 23 | Wie Laurence Grove am Beispiel von James Bond-Comicalben bemerkt, soll mit einer leuchtenden Farbgestaltung in der Regel die Aufmerksamkeit eines breiten Massenpublikums geweckt werden (vgl. Grove 2010, 253). 24 | Das Konzept des narrativen (Hollywood-)Mainstream-Kinos ist stellvertretend für eine spezifische Form filmischer Repräsentation zu verstehen. Mit Hilfe eines dominierenden narrativen Verfahrens soll innerhalb des Hollywood-Kinos ein illusionistischer Realismus erzeugt werden (vgl. Röwekamp 2003, 28). Im narrativen (Hollywood-) Mainstream-Kino geht es also nicht nur darum eine Geschichte zu erzählen. Es geht vor allem darum, diese Geschichte mit Hilfe eines dominierenden, auf Unmittelbarkeit setzenden Produktionsverfahrens (im Englischen seamless production practices genannt) möglichst ›realistisch‹ bzw. ›illusionistisch‹ zu erzählen. »This […] illusion conceals the work that goes into the production of meaning and in so doing presents as natural what in fact is an ideological construction, that is, an idealistic reality« (Hayward 2000, 15). 25 | So bemerkt Millar beispielsweise, dass der ›realistische‹ Ansatz von Kick-Ass maßgeblich von seiner Vorliebe für Frank Millers Batman-Comic Year One (1986) sowie Alan Moores (und Dave Gibbons) Watchmen beeinflusst ist (vgl. Millar 2010, 11). Für Mila Bongco stellt die Entwicklung vom comicfan zum comicartist einen aktuellen Trend innerhalb der Comicbranche dar: »In fact, most of the well-known leading artists connected with the medium at present admit having been fans themselves, to having grown up with their favourite superheroes and to having ›been there‹, allowing them to develop a shrewd grasp of superhero fans’ wishes and expectations« (Bongco 2000, 128). 26 | Bereits auf der ersten Seite der Comicreihe findet sich ein Verweis auf »all those comic book movies and television shows« (Millar/Romita Jr. 2010, unpag.). Einige Seiten später beschreibt Dave Lizewski sich selbst als Fan von »Scrubs, Stereophonics, the

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»John Rambo meets Polly Pocket« (Millar/Romita Jr. 2010, unpag.) charakterisiert (s. Abb. 45), stellt beispielsweise die Figur der äußerst brutalen, ​w ild fluchenden zehnjährigen27 Killerin Hit-Girl (alias Mindy McCready) eine deutliche Abweichung der traditionellen Superheld_innen sowie der klassischen, passiven weiblichen Nebenfigur dar, die als Verkörperung der damsel in distress bzw. des so genannten ankle clinger – also ein Wesen, welches sich an die Fersen des Helden klammert (vgl. Furchs/Reitberger 1978, 139) – regelmäßig aus lebensbedrohlichen Situationen befreit werden muss. Eine weitere Revision etablierter Gender- und Genremuster lässt sich in der Figur des Kick-Ass (alias Dave Lizewski) bzw. in der Präsentation eines ganz ›normalen‹ Superhelden ohne besondere Superkräfte ausmachen. Oder wie Mark Millar formuliert: »Kick-Ass is about a wee guy in the real world, our world, who doesn’t have powers from the planet Krypton, he hasn’t been bitten by a radioactive spider, he doesn’t have all the trappings of a comic book superhero, he’s just a guy like you or me who decides that his life is so dull, with school and television and DVD box sets and computer games, that he wants to live the life of a superhero« (Millar 2010, 10; Herv. d. Verf.).

Abbildung 45: Hit-Girl

Quelle: Mark Millar/John Romita Jr.: Kick-Ass. The Graphic Novel. London: Titan Books 2010, unpag.

Goo Goo Dolls and Entourage. Snow Patrol, Heroes and the movies of Ryan Reynolds« (ebd.). 27 | Während die Figur der Hit-Girl im Comic zehn Jahre alt ist, ist sie im Film ein Jahr älter.

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Von der Tatsache abgesehen, dass es sich bei Kick-Ass bzw. Dave Lizewski um einen ganz ›gewöhnlichen‹ Jugendlichen handelt, welcher im ›echten‹ Leben (»in the real world«) in die Rolle eines maskierten Superhelden ohne spezielle Superkräfte schlüpft, wird die von Millar beschriebene ›Normalität‹ des Protagonisten sowie die vermeintliche ›Realitätsnähe‹ und ›Glaubhaftigkeit‹ der Comicreihe zusätzlich dadurch unterstrichen28, dass es sich bei dem setting von Kick-Ass um eine reale Stadt, genauer gesagt um New York City handelt 29. Die ›Normalität‹ bzw. ›Glaubhaftigkeit‹ des Protagonisten wird außerdem durch den häufigen Einsatz popkultureller Verweise30 sowie durch die Tatsache hervorgehoben, dass die Figur des Dave Lizewski nach einem real existierenden Comicfan benannt ist (vgl. ebd., 40)31. 28 | Der Realitätsanspruch der Comicreihe wird ebenfalls durch den Einsatz einer spezifischen Marketingstrategie bestärkt, in deren Rahmen ein virales Video online gestellt wird, welches den vermeintlich ›realen‹ Superhelden Kick-Ass in Aktion zeigt: »Prior to the series, a viral campaign featuring a short video of Kick-Ass, the main character of the comic, being ›caught on tape‹ performing a heroic act was uploaded to YouTube and spread around the Internet. Later, a real-life Myspace page was created, supposedly maintained by the character, where it was written that ›Mark Millar [...] is doing a comic-book about me with [...] John Romita Jr.‹« (http://en.wikipedia.org/wiki/ Kick-Ass_%28comics%29). 29 | Der Rückgriff auf ein ›reales‹ setting, um die ›Normalität‹ bzw. ›Glaubhaftigkeit‹ der präsentierten Charaktere zu unterstreichen, ist eine Tradition, die sich – wie Jason Bainbridge verdeutlicht – vornehmlich in den Publikationen des Verlagshauses Marvel etabliert hat: »In keeping with their portrayal of real people as superheroes, Marvel’s heroes are very much based in the real world. New York is home to Spider-Man and the Fantastic Four, to the Avengers and Captain America, Daredevil watches over Hell’s Kitchen. Dr. Strange lives in Greenwich Village. The Hulk briefly took over one of the Florida keys. They are part of the real world rather than the world being based around them. They do not have secret headquaters […] and therefore do not maintain a distance between themselves and their universe« (Bainbridge 2009, 75). 30 | Wie Björn Wederhake betont, lassen sich in Kick-Ass überdurchschnittlich viele »Comic-Metareferenzen« (Wederhake 2010, o.S) und popkulturelle Verweise ausmachen. Diese tragen zu der Glaubhaftigkeit der Comicreihe bei, indem sie die Leser_innen permanent darauf aufmerksam machen, dass es sich bei der hier präsentierten Welt um »unsere Welt, unsere echte Welt« (ebd.; Herv. im Org.) handelt. 31 | Dave Lizewskis Namensgebung erläutert Mark Millar in Kick-Ass. Creating the Comic, Making the Movie wie folgt: »Occasionally we’ll have charity auctions on my website, and to raise money for one particular cause we ended up putting a competition out there. This was before the comic even came out, so we’d nothing really to go on, and it was a leap of faith for anybody that was bidding, but I said, ›Listen, we’ve got a book coming out called Kick-Ass. I haven’t come up with a name for the titular character yet,

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Und genau wie seine Namensgebung weist auch das Kostüm des Protagonisten einen deutlichen Hang zum ›Alltäglichen‹ auf. Denn als real-life superhero hüllt sich Kick-Ass nicht etwa in ein extravagantes, eigens entworfenes oder ausgefallenes Superheldenkostüm, sondern in einen, bei der Online-Auktionsplattform eBay ersteigerten, grünen Taucheranzug32 . Interessanterweise stammt die Idee, für die Kostümierung von Kick-Ass auf einen einfachen Taucheranzug zurückzugreifen, weder von Mark Millar noch von John Romita Jr., sondern von dem Regisseur Matthew Vaughn, der bereits vor der Veröffentlichung der ersten Kick-Ass-Ausgabe einer Verfilmung der Comicreihe zustimmt: »I’d written four issues of the comic before Johnny had started drawing anything, and Matthew agreed he wanted to make the movie before he saw a page of art, so we knew a film was getting made. I wanted to make sure that what we did would translate well into a movie visually […], because I wanted it to look good on camera. You know how sometimes, when they make an adaptation, they change the visual and it pisses off the fans? I just wanted to make sure that didn’t happen, that Matthew was happy with the visuals. So Matthew came up with the idea of making it a wetsuit that he bought on eBay, and the first drawing Johnny sent of that we loved and just went with« (ebd., 54).

Wie das hier aufgeführte Zitat von Mark Millar verdeutlicht, ist sowohl der Entstehungsprozess von Kick-Ass als auch der mit der Comicserie verbundene Normalitäts- bzw. Realitätsanspruch eng mit dem parallel entstehenden, gleichnamigen Comicfilm verbunden. Genauer gesagt handelt es sich bei Kick-Ass um ein Comicprojekt, welches Millar (nach eigenen Angaben) stets im Hinblick auf dessen Verfilmung konzipiert (vgl. ebd., 55). Infolgedessen kommt es im Rahmen der Comic- und Filmproduktion immer wieder zu einem wechselseitigen Austausch zwischen Autor und Regisseur bzw. zwischen Comic und Film. Oder wie Matthew Vaughn in einem Interview konstatiert: »We wrote the [film] script and the comic at the same time so it was a very sort of collabohis secret identity. If you want to be this guy, you could be the next Peter Parker or John McClane if you start bidding.‹ So for about three thousand dollars this guy Dave Lizewski got to name the character after himself« (Millar 2010, 40). 32 | Wie Richard Reynolds betont, stellt die Wahl des Kostüms einen wichtigen Aspekt der so genannten origin story, also der Entstehungsgeschichte des Superhelden bzw. der Superheldin dar: »Origin and costume are thus closely linked in character development. Generally speaking, a hero’s costume (the sign of superpowers) is linked in some (permanently visible) way with his origin. Superman’s costume is woven from the blanket which swaddled him on his journey from Krypton to Earth. Tony Stark’s Iron Man costume began as an extension of the chest plate needed to aid his diseased heart. Spider-Man’s costume portrays and externalizes Peter Parker’s spider-like and spiderderived powers« (Reynolds 1992, 49).

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rative, organic process« (Vaughn zit. n. http://www.comicbookresources.com/ ?page=article&id=22657). Binnen dieses kollaborativen, ›organischen‹ Prozesses dient sowohl der Comic als ›Vorlage‹ für den Film als auch umgekehrt der Film als Inspirationsquelle für den Comic. Dementsprechend integriert Millar immer wieder Aspekte aus dem Drehbuch in seine Comicskripte (vgl. Millar 2010, 26). So sollte es sich z.B. bei der Comicfigur des Red Mist zunächst um einen Profikiller handeln, welcher von der Mafia dafür bezahlt wird, Kick-Ass und seine Weggefährt_innen aus dem Weg zu räumen. Im Rahmen des (filmischen) Produktionsprozesses besteht Matthew Vaughn allerdings darauf, dass es sich bei Red Mist (Christopher Mintz-Plasse) nicht um einen professionellen Kriminellen, sondern vielmehr um den Sohn des Mafiabosses Frank D’Amico (Mark Strong)33 handeln soll. Vaughns Interpretation der Comicfigur wird prompt von Millar übernommen und wie folgt von dem Autor kommentiert: »[S]o we made Red Mist the son of the gangster. So that was an idea that we took from the movie and incorporated into the comic. It didn’t really mean much rewriting or anything in the comic, it just meant a couple of subtle changes, but that’s quite a big dynamic that’s different because of the movie« (ebd., 130).

Neben inhaltlichen Aspekten nähert sich die Comicreihe auch auf formalästhetischer Ebene ihrem filmischen Pendant an. Infolgedessen ist die Gestaltung der einzelnen Comicseiten bzw. Bildfolgen durch den häufigen Einsatz besonders schneller ›Schnitte‹, dynamischer Bildübergänge34, filmischer ›Kameraeinstellungen‹ und konventionalisierter Montagesequenzen gekennzeichnet (s. Abb. 46)35. Doch auch die Wahl eines farbig bedruckten Hoch33 | Im Comic trägt die Figur des Mafiabosses Frank D’Amico einen anderen Namen, nämlich Johnny G (sic!) bzw. John Genovese. 34 | Die schnelle und dynamische Rezeption von Kick-Ass wird ebenfalls durch den relativ geringen Textanteil der Comicreihe bestärkt. 35 | In Kick-Ass ist beispielsweise ein stereotyper Erzählstil bzw. Bildaufbau zu beobachten, welcher sich an die Darstellungskonventionen des narrativen (Hollywood-) Mainstream-Kinos orientiert. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt wurde, werden im narrativen (Hollywood-)Mainstream-Kino auf Unmittelbarkeit setzende Produktionsverfahren eingesetzt, um eine möglichst ›realistische‹ bzw. ›illusionistische‹ Erzählung zu generieren. Zu diesen konventionalisierten seamless production practices zählt auch der Erzählstil der so genannten découpage classique, welcher stets mit einer Einführungseinstellung beginnt, »um sich dann vom Allgemeinen auf das Detail zu konzen­ trieren« (Dittmar 2008, 119). Diese Erzähl- bzw. Darstellungstechnik ist auch auf der ersten Seite der Kick-Ass-Comicreihe vorzufinden, welche mit einem klassischen establishing-shot beginnt und dann mit Hilfe eines medium-shots bzw. close-ups an das Geschehen ›heranfährt‹.

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glanzpapiers, die größtenteils lineare Erzählweise sowie der als vergleichsweise ›fotorealistisch‹36 zu bezeichnende Zeichenstil von John Romita Jr. unterstreichen in Kick-Ass den Effekt der ›filmischen‹ Unmittelbarkeit und tragen dabei gleichzeitig zu einer vermehrten Mainstream-Tauglichkeit des Pop-Comics bei. Eine Beobachtung, die durch folgendes Zitat von Mark Millar zusätzlich bekräftigt wird: »Johnny’s one of the best artists the industry’s ever seen, and what he brought to Kick-Ass was that verisimilitude: it didn’t look like a regular comic book, it looked like something a mainstream reader could pick up and understand« (ebd., 21). Ein weiterer Aspekt, welcher in Kick-Ass zu der grafischen Imitation einer filmisch anmutenden, nahtlosen bzw. unmittelbaren ›Illusionsästhetik‹ beiträgt, lässt sich in der Gestaltung der Panelzwischenräume ausmachen. So füllt John Romita Jr. die Leerstellen zwischen den einzelnen Panels mit Hilfe eines relativ schmalen, in schwarz gehaltenen Gitters, welches die comictypische Fragmentierung von Raum und Zeit scheinbar zu verbergen sucht. Den Fokus auf (nahtlose) Einheit, Kontinuität und closure37 legend, wird die sequenzielle Struktur des Comics sowie die mit ihr einhergehende Ansammlung von Leerräumen zwischen den einzelnen Panels in Kick-Ass ebenfalls durch den häufigen Gebrauch von wide-screen panels – also von Panels, die sich über die gesamte Breite der Comicseite erstrecken und somit als Remedialisierung des filmischen Breitwandformats angesehen werden können – auf ein Minimum reduziert (s. Abb. 47). Darüber hinaus führen die wiederholte Darstellung so genannter splash pages38 oder der Rückgriff auf ein Rahmengitter, welches sich aus lediglich drei bis höchstens vier Panelreihen mit wiederum je maximal drei aufeinanderfolgenden Einzelbildern pro Seite zusammensetzt, in Kick-Ass zu einer sichtlichen Reduktion des strukturellen Comicgitters und damit zu einem formal-ästhetischen Ausblenden des von Ole Frahm als Störung bezeichneten Panelzwischenraums (vgl. Frahm 2010, 156). Einem Raum, in dem »Inhalt wie Ästhetik des Mediums hinterfragt werden« (Engelmann 36 | Wie in Kapitel 2.3 (S. 52 f.) der vorliegenden Arbeit verdeutlicht wurde, spielt das Cartoonhafte bzw. die ›überzeichnete Reduktion‹ des Gezeigten stets eine wichtige Rolle für die (hyper-)mediale Beschaffenheit des Comics. So weist natürlich auch der vermeintlich ›fotorealistische‹ Zeichenstil in Kick-Ass einen gewissen Grad der grafischen Abstraktion auf. Dem Konzept der Remedialisierung folgend, greift der Zeichenstil von John Romita Jr. aber ebenso auf »vertraute mediale Strategien der Erzeugung von Unmittelbarkeit« (Seier 2007, 74) bzw. ›Realitätsnähe‹ zurück, die durch das Medium Film (und Fotografie) etabliert und konventionalisiert worden sind. 37 | Zu dem von Scott McCloud eingeführten closure-Begriff siehe auch Kapitel 2.2 (S. 43) der vorliegenden Arbeit. 38 | Als splash page (oder auch splash panel) wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein Panel bezeichnet, welches sich über die gesamte Größe einer Comicseite erstreckt.

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2013, 10) können. Denn als Ort der hypermedialen Fragmentierung und des ›Nicht-Gezeigten‹ ist es – wie bereits an anderer Stelle verdeutlicht wurde39 – der Panelzwischenraum, welcher einer endgültigen, in sich geschlossenen ›Wahrheit‹ entsagen und die vermeintliche ›Realität‹ der (re-)medialisierten Bilder kritisch zu reflektieren vermag. Mit der formal-ästhetischen ›Negation‹ des strukturellen Comicgitters geht in Kick-Ass jedoch genau dieser Ort der (potenziellen) kritischen Reflexion und subversiven Repräsentation verloren. Genauer gesagt geht in Kick-Ass mit dem auf Unmittelbarkeit und Transparenz setzenden Ausblenden der hypermedialen Comicästhetik eine Naturalisierung des Gezeigten (bzw. Erzählten) einher, welche eine Bestätigung hegemonialer sowie heteronormativer Geschlechterdiskurse mit sich bringt. Abbildung 46: Schnelle ›Schnitte ‹, dynamische Bildübergänge und konventionalisierte Montagesequenzen in Kick-Ass

Quelle: Mark Millar/John Romita Jr.: Kick-Ass. The Graphic Novel. London: Titan Books 2010, unpag.

39 | Siehe hierzu Kapitel 2.2 (S. 46 ff.) der vorliegenden Arbeit.

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Abbildung 47: Beispielhafter Einsatz von wide-screen panels

Quelle: Mark Millar/John Romita Jr.: Kick-Ass. The Graphic Novel. London: Titan Books 2010, unpag.

Obwohl die Comicreihe auf den ersten Blick wie eine parodistische Darstellung etablierter Gender- und Genrekonstellationen wirken mag40, lässt sich in Kick-Ass keine dauerhafte Dekonstruktion bzw. Subversion hierarchischer oder normalisierender Strukturen ausmachen. Vielmehr wird – unter dem Deckmantel der Ironisierung – eine konservative Weltanschauung propagiert, welche auf Ausschlussmechanismen und binären Oppositionsbildungen basiert und darum bemüht ist, non-konforme Aspekte geschlechtlicher, sexueller sowie ethnischer Differenz(en) auszublenden und auszugrenzen. Eine solche Ausblendung bzw. Ausgrenzung lässt sich bereits auf den ersten drei Seiten der Comicreihe ausmachen: Hier wird den Leser_innen ein vermeintlicher Superheld präsentiert, welcher sich – in der Annahme, er könne mit Hilfe seines Superheldenkostüms fliegen – mitten in New York City vom Dach eines Hochhauses in den sicheren Tod stürzt. Begleitet wird diese Szenerie von einem voice over-Kommentar in Ich-Perspektive, welcher zunächst sugge40 | Für den Versuch einer subversiven Leseweise der Kick-Ass-Comicreihe siehe Uli Hahn: Blood in the Panel: Aestheticization of Violence in Mark Millar’s Kickass (2010). Bayreuth: unveröffentlichte M.A.-Arbeit 2012.

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riert, es handle sich bei dem dargestellten Superhelden um den Protagonisten der Erzählung. Dieses ›Missverständnis‹ wird schließlich im letzten Panel der dritten Seite durch den Kommentartext »That wasn’t me by the way« (Millar/ Romita Jr. 2010, unpag.) aufgeklärt (s. Abb. 48). Darüber hinaus wird die Tatsache, dass es sich bei dem hier präsentierten ›unechten‹ Superhelden nicht etwa um den ›wahren‹ Protagonisten der Comicreihe, sondern vielmehr um einen geistig verwirrten Nachahmer handelt, im selben Panel durch einen zweiten Kommentartext verdeutlicht: »That was just some Armenian guy with a history of mental health problems who read about me in the New York Post« (ebd.). Mit dem Marker der ethnischen Differenz versehen (»some Armenian guy«) wird die Figur des ›verrückten‹, ausländischen Superhelden in dieser Szene von dem ›wahren‹ Protagonisten der Comicreihe verworfen (»that wasn’t me«) und gleichzeitig zu einer Art Negativfolie stilisiert, anhand derer sich die vermeintliche ›Normalität‹ bzw. ›Echtheit‹ des ›realen‹, weißen Superhelden KickAss ablesen lässt. Abbildung 48: Auftakt der Kick-Ass-Comicreihe

Quelle: Mark Millar/John Romita Jr.: Kick-Ass. The Graphic Novel. London: Titan Books 2010, unpag.

Das konstitutive Zusammenspiel von Weiß-Sein und (erstrebenswerter) heroischer bzw. hegemonialer Männlichkeit ist auch im weiteren Verlauf der

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Comicreihe von zentraler Bedeutung, da es sich bei sämtlichen Gegenspieler_innen von Kick-Ass entweder um Figuren mit dunkler Hautfarbe oder aber um Charaktere wie den italienischen Mafiaboss Johnny G (sic!) bzw. dessen Sohn Chris Genovese (alias Red Mist) handelt, die durch ihren ausländischen, sprich nicht anglo-amerikanischen Hintergrund gekennzeichnet sind41. Mit Hilfe sich wechselseitig ausgrenzender, hierarchischer Gegensatzpaare – wie echt/unecht, normal/verrückt, gut/schlecht, weiß/schwarz oder Amerikaner/ Ausländer – wird in Kick-Ass also ein auf Ausschlussmechanismen basierendes Spannungsverhältnis generiert, welches nicht nur zu der Etablierung und Stabilisierung weißer, westlicher Subjektivität(en) beiträgt, sondern auch gleichzeitig die Unterminierung sowie Degradierung nicht hegemonialer Identitätsentwürfe mit sich bringt (vgl. Brill 2012,30)42 . Bei dem hierarchischen Gegensatzpaar der Hetero- und Homosexualität handelt es sich um einen weiteren zentralen Aspekt, welcher im Verlauf der Comicreihe zu der Konstruktion dominanter bzw. hegemonialer männlicher Subjektivität(en) – oder besser gesagt zu der Ablehnung und Verwerfung vermeintlich devianter Männlichkeit(en) beiträgt43. 41 | In diesem Zusammenhang bemerkt Björn Wederhake: »Die Kriminellen, mit denen Kick-Ass es aufnimmt, sind durchweg ›die anderen‹: Eine Gruppe Puerto-Ricaner, eine Gang schwarzer Drogendealer (die jedes Hip-Hop-Klischee erfüllen), eine Gruppe schwarzer Sprayer und die sizilianische Genovese-Mafiafamilie. Und die beiden Bullies, die am Ende der letzten Ausgabe Hit-Girl das Pausengeld wegnehmen möchten? Beide schwarz. Natürlich. Das Problem dabei ist nicht, dass diese Gruppen den ›anderen‹ zugeordnet werden können, das Problem ist, dass unter den Gefahren für Kick-Ass und die Gesellschaft nicht eine Person ist, die der Gruppe der WASPs zugeordnet werden könnte. Es [Kick-Ass] ist ein Comic, in dem weiße, amerikanische Kinder kriminelle Ausländer ermorden« (Wederhake 2010, o.S.). Weiterhin heißt es bei Wederhake: »In KickAss kommen die ›anderen‹ auch dann nicht gut weg, wenn sie keine Kriminellen sind. Sie fallen dann entweder in die Kategorie ›Bedrohung‹ oder ›Witzfigur‹« (ebd.). 42 | In ihren Ausführungen untersucht Dunja Brill die Verschränkung von Weiß-Sein und hegemonialer Männlichkeit am Beispiel der Industrial- und Extreme-Metal-Subkultur. Dabei verdeutlicht sie, dass »die Übereinanderlagerung hierarischer binärer Gegensätze (männich/weiblich, weiß/schwarz)« eine »Stabilisierung hegemonialer westlicher Identität[en]« bewirkt, welche »über die Betonung sozialer [sowie ethnischer] Ungleichheit und Überlegenheit die Konstruktion dominanter Subjektivität[en] ermöglicht« (Brill 2012, 30). 43 | In seinem Beitrag Mostly Harmless? Mark Millars ›Kick-Ass‹: kein Genistreich, sondern pubertäre Machtphantasie bemerkt Björn Wederhake, dass es in der Comicreihe Kick-Ass zwar »keine offene Homosexualität und keine homosexuelle Figur« gibt, Homosexualität aber »dennoch […] das bestimmende Thema des Comics« (Wederhake 2010, o.S.; Herv. im Org.) sei. Darüber hinaus betont der Autor, dass »[s]o ziemlich jeder in

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Wie Paula-Irene Villa betont, sind innerhalb der von Judith Butler als heterosexuelle Matrix beschriebenen Zwangsordnung des Geschlechts »Homosexualität und Heterosexualität […] genauso zirkulär durcheinander definiert, wie es Original und Kopie sind« (Villa 2003, 34). D.h. ohne Homosexualität gibt es auch keine Heterosexualität. Denn aufgrund ihrer performativen Konstitution ist die heterosexuelle Matrix darauf angewiesen, permanent »›unechte‹ Varianten von Geschlecht [zu produzieren], die abgewertet und mit dem sozialen Tod bestraft werden« (von Redecker 2011, 57). Dementsprechend geht mit der binären Geschlechterordnung stets eine heteronormative Einteilung in intelligible und nicht intelligible – also in verständliche bzw. eindeutige und nicht verständliche bzw. uneindeutige – Geschlechter einher (vgl. ebd., 58). Während Heterosexualität im Rahmen dieses binären Zwei-Geschlechtermodells als hegemoniale Norm und damit als dominantes, erstrebenswertes Ideal gilt, wird Homosexualität als »eine beschädigte, verfehlte oder sonstwie [sic!] verwerflich soziale Geschlechtsidentität« (Butler 1997a, 326) konzipiert. Infolgedessen stellt »Homosexualität, vom hegemonialen Standpunkt aus betrachtet, einen Ort der Gefährdung und Verunreinigung dar« (ebd. 1991, 195), den es durch anhaltende Prozesse der Verbannung, Verwerfung und Bestrafung zu bekämpfen gilt. Denn als »Überlebensstrategie« im System der Zwangsheterosexualität »ist die Geschlechtsidentität eine Performanz, die eindeutig mit Strafmaßnahmen verbunden ist. Die diskreten Geschlechtsidentitäten sind Teil dessen, was die Individuen in der gegenwärtigen Kultur ›zu Menschen macht‹ (humanize); wir strafen regelmäßig diejenigen, die ihre Geschlechtsidentität nicht ordnungsgemäß in Szene setzen« (ebd., 205).

Im Pop-Comic Kick-Ass lässt sich der von Judith Butler beschriebene Prozess der Bestrafung und Verwerfung nicht intelligibler Geschlechtsidentitäten in doppelter Weise – nämlich in Form physischer und verbaler Gewaltakte – ausmachen. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei Kick-Ass um einen Superhelden, welcher aufgrund seiner ›Mittelmäßigkeit‹ und ›Alltäglichkeit‹ mit den Gender- und Genrekonstellationen klassischer Superhelden-Figuren bricht. So verfügt die Figur des Kick-Ass weder über eine sonderlich originelle Entstehungsgeschichte (origin story) noch ist sein ›heldenhaftes‹ Handeln von Uneigennützigkeit oder Selbstlosigkeit geprägt44. Vielmehr schlüpft Dave Lizewski Kick-Ass […] Begriffe wie ›homo‹, ›faggot‹ und ›gay‹ konstant in einem derogativen Sinn« (ebd.) benutzt. 44 | Laut Peter Coogan stellt selbstloses Handeln ein grundlegendes Merkmal der Superheld_innen-Mission und damit des Superheld_innen-Genres dar: »The superhero’s

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zunächst aus schierer Langeweile und Verzweiflung in seinen grünen Taucheranzug. Darüber hinaus besitzt Kick-Ass – ganz im Gegensatz zu traditionellen Superhelden-Figuren wie Batman, Superman oder Spider-Man – weder besondere mentale noch herausragende körperliche Fähigkeiten. Auch seine Kampftechniken, sein Equipment45 sowie sein technisches Wissen lassen im Vergleich zu seinen Vorgängern deutlich zu wünschen übrig. Daher ist es im Verlauf der achtteiligen Serie auch nicht Kick-Ass, der seinen Gegenspieler_innen das Fürchten lehrt, sondern es ist vielmehr der Protagonist der Comicreihe, welcher in verschiedenen Situationen immer wieder von seinen Widersacher_innen gedemütigt und brutal zusammengeschlagen wird. So auch bei Dave Lizewskis erstem Auftritt als maskierter ›Superheld‹: In einem Hinterhof beobachtet dieser, wie drei farbige Jugendliche eine Mauer besprühen. Noch bevor Dave in Aktion treten kann, wird er von den jugendlichen Kleinkriminellen entdeckt und als »asshole« (Millar/Romita Jr. 2010, unpag.) beschimpft. Von seiner Kostümierung als Superheld beflügelt, beschließt Dave, all seinen Mut zusammenzunehmen und die drei Sprayer seinerseits als »three homos making a mess« (ebd.) zu beleidigen, was wiederum im Comic mit dem Satz »I don’t know if it was the mask that gave me my balls, but the words just came tumbling out…« (ebd.) kommentiert wird (s. Abb. 49). Während Daves Gegenspieler in dieser Szene als homosexuell beschimpft und damit als deviant markiert werden, wird – durch den Einsatz sexueller Metaphorik (»my balls«) – das plötzliche Selbstbewusstsein des Protagonisten mit positiv besetzter, potenter heterosexueller Manneskraft in Verbindung gebracht. Insofern gelingt es Dave zunächst auch, einige schmerzhafte Schläge auszuteilen, bevor er durch einen Tritt in die Weichteile von seinen Widersachern zu Boden gezwungen und verprügelt wird. Einer (symbolischen) Kastration gleichkommend, wird Dave in dieser Szene nicht nur seiner neu gewonnenen Manneskraft wieder beraubt und so zu einem Opfer körperlicher Gewalt degradiert46. Von seinen Angreifern als »fucking prick« (ebd.) und »fucking faggot« (ebd.) beschimpft, wird Dave hier außerdem zum Zielobjekt diffamiemission is prosocial and selfless […]. The mission convention is essential to the superhero genre because someone who does not act selflessly to aid others in times of need is not heroic and therefore not a hero« (Coogan 2006, 31). 45 | Im Gegensatz zu Batman oder Iron Man verfügt Dave (alias Kick-Ass) auch nicht über ein großzügiges Budget, welches er in elaborierte Waffen oder ausgefallene Kampfanzüge etc. investieren könnte. Dementsprechend handelt es sich bei Daves Bewaffnung lediglich um zwei Metallstangen, die dieser zu Schlagstöcken umfunktioniert. 46 | Die Ent-Männlichung bzw. Opferrolle des Protagonisten wird bereits im Rahmen von Daves bzw. Kick-Ass’ erstem Auftritt deutlich: An einen Stuhl gefesselt wird der Protagonist von Johnny G’s Anhängern gefoltert, indem ihm mit Hilfe von Elektroden Stromstöße verabreicht werden, die an seinem Genitalbereich befestigt sind.

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render, homophober und damit verletzender Rede. Laut Judith Butler ist »die sprachliche Verletzung […] nicht nur ein Effekt der Wörter, mit denen jemand angesprochen wird, sondern ist der Modus der Anrede selbst, ein Modus – eine Disposition oder eine konventionelle Handlung –, der das Subjekt anruft und konstituiert« (Butler 2006, 10). Indem Sprache das Subjekt konstituiert, birgt sie also ebenfalls die Macht in sich, dieses zu verletzen und es – wie es bei Butler heißt – auf seinen/ihren Platz zu verweisen, »der aber möglicherweise gar keiner ist« (ebd., 13), da er außerhalb der heteronormativen Ordnung angesiedelt ist. In diesem Sinne bedeutet »durch das Sprechen verletzt zu werden […], daß man Kontext verliert, also buchstäblich nicht weiß, wo man ist« (ebd.). Anders ausgedrückt wird im Moment der verletzenden Rede »der Adressat […] seiner Selbstkontrolle beraubt« (ebd.). In der verletzenden Rede (hate speech) wird somit die normierende Kraft der heterosexuellen Matrix deutlich. Denn »[d]urch den Namen, den man erhält, wird man nicht einfach nur festgelegt. Insofern dieser Name verletzend ist, wird man zugleich herabgesetzt und erniedrigt« (ebd., 10)47. Abbildung 49: Daves erster Auftritt als maskierter Superheld

Quelle: Mark Millar/John Romita Jr.: Kick-Ass. The Graphic Novel. London: Titan Books 2010, unpag.

47 | Nachdem Dave zu Boden gezwungen und verprügelt wird, wird der Protagonist von seinen Angreifern bezeichnenderweise nach seinem Namen gefragt: »Who the hell are you, huh? What the fuck is your name?« (Millar/Romita Jr. 2010, unpag.; Herv. im Org.). Dave, der sich noch gar keine Gedanken über seinen Superhelden-Namen gemacht hat, antwortet auf diese Frage »I don’t know« (ebd.), woraufhin ihm einer der Widersacher mit dem Satz »Well, fucko. You just got your ass kicked….« (ebd.; Herv. im Org.) seinen (vermeintlich selbst gewählten) zukünftigen Namen ›zuweist‹.

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Als diskursiv formierte Konzepte sind Körper und Subjekt somit stets von ihrer Benennung und damit gleichzeitig von ihrer soziokulturellen Anerkennung abhängig (vgl. von Redecker 2011, 76). Oder wie Judith Butler selbst formuliert: »Sprache erhält den Körper nicht, indem sie ihn im wörtlichen Sinn ins Dasein bringt oder ernährt. Vielmehr wird eine bestimmte gesellschaftliche Existenz des Körpers erst dadurch möglich, daß er sprachlich angerufen wird. Um das zu verstehen, muß man sich eine unmögliche Szene vorstellen, nämlich einen Körper, dem noch keine gesellschaftliche Definition verliehen wurde, der uns also strenggenommen zunächst unzugänglich ist, aber im Ereignis einer Anrede, eines benennenden Rufs, einer Anrufung, die ihn nicht bloß ›entdeckt‹, sondern allererst konstituiert, zugänglich wird […]. Die Anrede selbst konstituiert das Subjekt innerhalb des möglichen Kreislaufs der Anerkennung oder umgekehrt, außerhalb dieses Kreislaufs, in der Verworfenheit« (Butler 2006, 15).

In diesem Zusammenhang muss die wiederholte Darstellung physischer sowie verbaler Gewaltakte, welche Dave (bzw. Kick-Ass) im Verlauf der Comicreihe zu einem hilflosen Opfer stilisieren, als Form der Ausgrenzung und Sanktionierung verstanden werden. Denn als Superheld ohne besondere Superkräfte stellt Dave eben auch eine unkonventionelle Figur dar, die durch ihre negativ konnotierte Schwäche und Inkompetenz charakterisiert ist. So ist Dave aufgrund seiner mangelnden Fähigkeiten und körperlichen Unzulänglichkeit nicht in der Lage, das hegemoniale sowie heteronormative Männlichkeitsbild des strahlenden, agilen Superhelden zu erfüllen. Diese Unzulänglichkeit wird im Rahmen der Comicreihe als homosexuell und damit gleichzeitig als pervers, verweiblicht sowie deviant markiert und mit Ablehnung bestraft. Infolgedessen wird ihm der Status eines positiv besetzten, heldenhaften Protagonisten dauerhaft verwehrt. Dementsprechend gelingt es Dave (alias Kick-Ass) beispielsweise auch nicht, seine große Liebe Katie Deauxma im Verlauf der Serie für sich zu gewinnen48. Während Katie zu Beginn der Comicreihe lediglich Abscheu und Verachtung für den Protagonisten empfindet, geht sie nach Daves wiederholten, missglückten Auftritten als Kick-Ass fälschlicherweise davon aus, dass dieser aufgrund seiner vermeintlichen Homosexualität Opfer von Gewaltverbrechen geworden ist. Anstatt diese stereotype Annahme zu widerlegen, beschließt Dave willentlich die Rolle des »sexually non-threatening male companion« (Millar/Romita Jr. 2010, unpag.) zu übernehmen. Als Katie im letzten Teil der Comicreihe schließlich erfährt, dass Dave die Rolle des homosexuellen Gewaltopfers bzw. die Rolle des gay best friend lediglich gespielt hat, beschimpft sie den Protagonisten als »manipulative little prick« (ebd.) und 48 | Das Motiv der sexuellen Frustration wird ebenfalls aufgegriffen, wenn im Rahmen der Comicreihe erwähnt wird, dass Dave wahlweise bei dem Gedanken an seine Biologielehrerin Mrs. Zane oder an die für ihn unerreichbare Katie Deauxma masturbiert.

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lässt ihn von ihrem neuen ›potenten‹ schwarzen Freund verprügeln49 und damit erneut auf seinen ›Platz verweisen‹. Abbildung 50: Mindys Rückkehr in die bürgerliche Kernfamilie

Quelle: Mark Millar/John Romita Jr.: Kick-Ass. The Graphic Novel. London: Titan Books 2010, unpag.

Aber nicht nur Dave alias Kick-Ass, sondern auch die unkonventionelle Figur der Hit-Girl wird im letzten Teil der Comicserie (sprichwörtlich) auf ihren Platz verwiesen. Von ihrem Vater (Big Daddy) zu einer tödlichen Kampfmaschine ausgebildet, obliegt es dem furcht- sowie skrupellosen zehnjährigen Mädchen den Protagonisten der Comicreihe wiederholt aus lebensbedrohlichen Situationen zu befreien. Daher ist es am Ende auch Hit-Girl und nicht Kick-Ass, die dem Mafiaboss Johnny G in einer blutrünstigen Szene mit einer phallischen Waffe den Kopf spaltet und im nächsten Moment dessen gesamte Anhängerschaft zu Boden streckt 50. Indem die brutale, todbringende Hit-Girl all das ver49 | Indem Katies neuer Verehrer von Dave als »enormous African-American kid« (Millar/Romita Jr. 2010, unpag.) bezeichnet wird, wird in dieser Szene auch das rassistische Stereotyp des hypersexuellen sowie hypermaskulinen schwarzen Mannes bedient (vgl. Hall 1997, 263), welcher die Souveränität des weißen Protagonisten gefährdet, indem er ihm nicht nur körperlichen Schaden zufügt, sondern ihn ebenfalls seiner weißen Freundin beraubt. 50 | Bevor Hit-Girl Johnny G’s Schädel spaltet, ist es zwar Kick-Ass, der den Mafiaboss ›entmannt‹, indem er ihm in den Schritt schießt. Die Ent-Mannung des Mafiabosses führt jedoch nicht zu einer erfolgreichen, dauerhaften Mann-Werdung von Kick-Ass (bzw. Dave), da dieser bereits im letzten Panel der übernächsten Seite wieder ängstlich und Schutz suchend auf dem Boden kauernd dargestellt wird .

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körpert, was Kick-Ass nicht ist, nimmt sie im Verlauf der Comicreihe nicht nur die Rolle der positiv besetzten ›wahren‹ Superheldin ein. Ihr non-konformes Verhalten scheint – ganz im Butler’schen Sinne – ebenfalls für eine parodistische Verwirrung der Geschlechter zu sorgen und bestehende Repräsentationsdiskurse subversiv zu durchqueren. Hit-Girl bleibt jedoch – genau wie Kick-Ass – ein von der Norm abweichendes happy ending im Rahmen der Comicreihe verwehrt: Nach dem Tod ihres Vaters und der Vollendung ihrer Mission empfindet sie keinerlei Ambitionen, das Leben einer erfolgreichen Superheldin weiterzuführen. Vielmehr kehrt Hit-Girl als Mindy McCready am Ende der Comicreihe in ein ›normales‹ familiäres Leben zurück. In der bürgerlichen Kernfamilie findet (die nunmehr in einem mädchenhaften Rosa gekleidete) Mindy schließlich den ihr von der Gesellschaft zugewiesenen Platz, welcher es ihr letztendlich ermöglicht »to do all the things little girls are supposed to do« (Millar/Romita Jr. 2010, unpag.; Herv. im Org.) – wie es im begleitenden Kommentartext heißt (s. Abb. 50)51.

5.2 I t ’s time to be a hero : V om S cheitern der G ender -Parodie im C omicfilm K ick -A ss Im Gegensatz zu den hypermedialen Produktionen Sin City und Immortel (ad vitam) handelt es sich bei Kick-Ass um einen Comicfilm, welcher primär durch die Remedialisierungsstrategie der Unmittelbarkeit gekennzeichnet ist 52 . Genauer gesagt handelt es sich bei Kick-Ass um einen Film, welcher das Konzept der (hypermedialen) Selbstreflexivität bzw. Selbstreferenzialität als Strategie der Authentifizierung einsetzt. Ziel dieser Produktion scheint es zu sein, filmtechnische Errungenschaften dazu zu nutzen, eine vornehmlich ›glaubhafte‹ – oder besser gesagt, ›realitätsnahe‹ filmische Illusionswelt zu schaffen und die fantastische Welt der Comic-Superheld_innen besonders 51 | Dass es sich bei Mindy letzten Endes um ein ganz ›normales‹ Mädchen handelt, welches sich wünscht, Teil einer ›gewöhnlichen‹ Familie zu sein, wird außerdem deutlich, wenn das zehnjährige Mädchen ihren Vater im Rahmen eines in Tagebuchform präsentierten flashbacks mit der Frage konfrontiert, ob sie – nachdem sie all die ›bösen Jungs‹ (»the bad guys«) getötet und den vermeintlichen Tod ihrer Mutter gerächt haben – endlich wieder eine ›normale‹ Familie sein werden: »Is that when we become a regular family again?« (Millar/Romita Jr. 2010, unpag.; Herv. im Org.). 52 | Mit der Remedialisierungsstrategie der Unmittelbarkeit ist hier nicht nur »[d]as Ausblenden der Vermittlungsinstanz« (Seier 2007, 75) gemeint, sondern auch die Annahme, »dass Unmittelbarkeit innerhalb eines Mediums durch die Wieder-Aufführung eines anderen Mediums suggeriert wird« (ebd., 74).

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›authentisch‹ wirken zu lassen. Dank seines stilisierten glossy looks53 handelt es sich bei Kick-Ass – genau wie bei dem gleichnamigen, parallel zum Film entstehenden Pop-Comic – um ein mainstream-taugliches Werk, welches darum bemüht ist, narratives Hollywood-Kino zu sein und ein möglichst breites Zielpublikum zu erreichen (vgl. Millar 2010, 55 sowie A New Kind of Superhero: The Making Of Kick-Ass, 2010). Als Film »that wants to be a big American movie« (A New Kind of Superhero: The Making Of Kick-Ass, 2010) fügt sich Kick-Ass – trotz seiner unabhängigen Finanzierung54 und eines relativ geringen Produktionsbudgets von geschätzten 24,3 Millionen Euro (vgl. Unterholzner o.J., 15) – mühelos in eine lange Liste erfolgreicher Hollywood-Blockbuster-Produktionen ein. Dabei wird die Tatsache, dass sich Kick-Ass sowohl auf inhaltlicher wie auch gestalterischer Ebene von zahlreichen populären Superheld_innen-Comics und deren Verfilmungen inspirieren lässt, im Rahmen der filmischen Inszenierung immer wieder reflektiert. So stellt bereits die Kamerafahrt der filmischen Eröffnungssequenz – die einen Flug durch die Wolken simuliert – eine Anspielung auf Richard Donners Superman-Verfilmung aus dem Jahr 1978 dar. Aber auch die musikalische Untermalung der Sequenz kann als Reminiszenz an die berühmte Verfilmung des wohl bekanntesten Superhelden verstanden werden55. Darüber hinaus weist die auditive Ebene mit Hilfe einer Ansammlung von diversen (aus dem off ertönenden) medialen Zitaten auf die verschiedenen Vorläufer des Superheld_innen-Genres hin und verdeutlicht dabei gleichzeitig, dass der hier präsentierte Comicfilm – genau wie jeder andere Film – Teil eines über ihn hinausweisenden diskursiven »Netz[es] von Signifikationspraktiken« (Seier 2007, 40) ist, welches ihn konstituiert und reglementiert. Alles in allem scheinen die ersten Minuten des Films die Zuschauer_innen auf die Inszenierung einer heroischen Geschichte einzustimmen. Jedoch spätestens mit der Präsentation einer in leuchtenden Farben kostümierten Figur, die unter dem Beifall 53 | Wie im M aking O f des Films betont wird, handelt es sich bei K ick-A ss um einen glossy superhero movie, dessen look u.a. durch eine hohe Farbsättigung, der Verwendung von high key light sowie dem Verzicht auf eine grobkörnige Optik gekennzeichnet ist (vgl. A N ew K ind of S uperhero: The M aking O f K ick-A ss , 2010). 54 | Aufgrund des hohen Gewaltlevels sowie der Präsentation einer brutalen, elfjährigen Killerin stößt die Filmproduktion bei potenziellen Geldgeber_innen zunächst auf Ablehnung: »Eine der Forderungen der Produktionsfirmen war, ›Hit-Girl‹ älter zu machen. Anstatt sich an die Forderungen der Produktionsfirmen anzupassen, hat Vaughn den Film unabhängig produziert« (Unterholzner o.J., 15). 55 | Insgesamt wird die eigens für K ick-A ss komponierte Filmmusik als Hommage an die großen Klassiker des Superheld_innen-Genres konzipiert. Als Inspiration dient hier vor allem der von John Williams kreierte S uperman -Titelsong Superman March (vgl. A N ew K ind of S uperhero: The M aking O f K ick-A ss , 2010).

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der begeisterten Menge den mutigen Sprung von einem Hochhaus wagt, wird klar, dass wir es hier mit einer Superheld_innen-Verfilmung zu tun haben. Mit dem plötzlichen tödlichen Absturz des vermeintlichen Superhelden wird diese Erwartungshaltung allerdings genauso schnell wieder zunichtegemacht. Ein solch ironischer Umgang mit etablierten Inszenierungsstrategien des Superheld_innen-Genres ist auch im weiteren Verlauf der Handlung zu beobachten. Als »homage to comic books and the superhero genre« (A New Kind of Superhero: The Making Of Kick-Ass, 2010) konzipiert, präsentiert Kick-Ass seinen Zuschauer_innen die gezielte Verschiebung bzw. ›Re-Positionierung‹ bekannter Genreversatzstücke. Innerhalb dieses medien- bzw. genrereflexiven Spiels kommt Sam Raimis populärer Spider-Man-Verfilmung aus dem Jahr 2002 eine besondere Rolle zu. So liefert Spider-Man (USA) nicht nur die ästhetische Vorlage für den (an Hollywood-Blockbuster-Produktionen orientierten) glossy look des Comicfilms (vgl. ebd.). Wie Justin S. Schumaker verdeutlicht, lässt sich Kick-Ass auch auf inhaltlicher bzw. thematischer Ebene von Spider-Man beeinflussen. Genauer gesagt kann Kick-Ass sogar als intermediale bzw. intertextuelle Antwort auf Raimis Spider-Man verstanden werden: »Kick-Ass offers a number of direct responses to Spider-Man’s narrative progression, beginning the intertextual discourse but transcending generic, mythic or structural patterns of heroic development in a self-reflexive and metafictive call« (Schumaker 2011, 130).

Im Rahmen dieser »super-intertextual conversation« (ebd.) verkörpern die beiden Protagonisten Dave Lizewski und Peter Parker nicht nur den gleichen Typus des unscheinbaren, netten Jungen von nebenan. Auch das beschauliche Reihenhaus sowie die Straße, in der Dave und sein Vater wohnen, weisen eine beträchtliche Ähnlichkeit mit dem bescheidenen Heim von Peter (Tobey Maguire) und dessen Tante May (Rosemarie Harris) auf. Ein weiterer Aspekt, welcher die intertextuelle Nähe der beiden Figuren verdeutlicht, findet sich in dem vergleichbar laienhaften Erscheinungsbild von Peters erstem Spider-ManKostüm und Daves bzw. Kick-Ass’ grünem Taucheranzug. Daher verwundert es auch nicht, dass Mark Millar in Kick-Ass. Creating the Comic, Making the Movie bemerkt, dass es sich bei dem Comickünstler und ›Spider-Man-Schöpfer‹ Steve Ditko56 um eine wesentliche Inspirationsquelle für die amateurhafte und gleichsam ›realistische‹ Beschaffenheit von Kick-Ass’ Kostümierung handelt (vgl. Millar 2010, 52). Ein gewisser Realitätsanspruch lässt sich auch in der Szene ausmachen, in der Dave – genau wie zuvor Peter Parker in Spider-Man – seine Fertigkeiten 56 | Die Comicfigur Spider-Man entspringt der Zusammenarbeit von Comicautor Stan Lee und –zeichner Steve Ditko.

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als Superheld trainiert: Während Peter dank seiner neu erworbenen Superkräfte mühelos von einer Hausschlucht zur nächsten springt, muss Dave ein solch gewagtes Unterfangen zunächst ganz ›bodenständig‹ üben. Und im Gegensatz zu Peter scheitert Dave schließlich aufgrund seiner Unsicherheit und mangelnden Fertigkeiten an der tatsächlichen Durchführung des Sprunges: »For Dave, the testing sequences require more planning and foresight […]. He does not begin by jumping from rooftop to rooftop, but rather he opts to practice by jumping from the wall on a tire laid out to approximate the distance between rooftops. Within the mise-en-scène, the text zooms out to show the reality of the distance in comparison to the diminutive stature of Dave, reinforcing his inability. This sequence replicates the narrative spirit of Spider-Man, but does so in a way that continues to ground Dave’s lack of abilities« (Schumaker 2011, 134).

Die Tatsache, dass es sich bei der Figur des Spider-Man im Allgemeinen sowie Sam Raimis Spider-Man-Verfilmung im Speziellen um wichtige (intermediale) Bezugsrahmen für Kick-Ass handelt, wird ebenfalls deutlich, wenn zu Beginn des Comicfilms ein aus dem off stammender Kommentar zu hören ist, welcher sowohl die für Peter Parker bzw. Spider-Man existenziell wichtige Frage »Who am I« zitiert 57 als auch die im silver age berühmt gewordene Figur des TeenageSuperhelden aufgreift (vgl. Weltzien/Söll 2003, 298 ff.). Darüber hinaus weist die Remedialisierung dieser bedeutungsschweren Frage die Zuschauer_innen des Comicfilms darauf hin, dass es sich bei der hier präsentierten Geschichte nicht nur um eine männlich-zentrierte origin-, sondern auch um eine so genannte coming-of-age-story handelt. Darin durchläuft der jugendliche Protagonist – auf der Suche nach sich selbst – einen Prozess des Erwachsenwerdens oder besser gesagt der Mann-Werdung, um am Ende seinen Platz als vollwertiges Mitglied der (patriarchalen) Gesellschaft einzunehmen (vgl. Flanagan 2007, 137). Den Konventionen einer klassischen coming-of-age-story folgend, ist der Prozess des Erwachsenwerdens bzw. der Mann-Werdung (im Rahmen des Superheld_innen-Genres) an eine physische 57 | Dieselbe existenziell wichtige bzw. identitätsstiftende Frage wird auch zu Beginn von Sam Raimis S pider -M an gestellt. Laut Jeffrey A. Brown stellt die (durch die Frage und meist darauffolgende Antwort symbolisierte) Fähigkeit »to assert one’s identity authoritatively and conclusively, at least vicariously through the characters« (Brown 2011, 80) ein entscheidendes Charakteristikum des Superheld_innen-Genres dar. »Thus a central cliché in superhero stories is not just the iconic costuming but the opportunity to be identifiable. The importance of empowerment through self-declaration is crystallized in the clichéd use of decisive proclamations used in every superhero movie: ›I’m Batman!‹ ›Who am I? I’m Spider-Man!‹ ›The suit and I are one. I am Iron-Man!‹ ›I’m Kick-Ass!‹« (ebd.).

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Transformation gekoppelt. Dementsprechend verwandelt sich der schmächtige und unscheinbare Außenseiter Peter Parker dank eines (genmanipulierten)58 Spinnenbisses in den muskulösen und mit speziellen (körperlichen) Fähigkeiten ausgestatteten Amazing Spider-Man (vgl. Söll/Weltzien 2003, 299). Unter dem Leitspruch »with great power comes great responsibility« lernt SpiderMan nicht nur seine außergewöhnlichen Kräfte sinnvoll einzusetzen, sondern auch das Wohl der Gesellschaft über seine eigenen Bedürfnisse zu stellen (vgl. Flanagan 2007, 139 sowie 148 f.). Mit ihrer filmischen Wiederaufführung durchläuft diese klassische Superhelden-Geschichte im Falle von Kick-Ass jedoch eine entscheidende Veränderung: Während es sich bei Peter Parkers Metamorphose eindeutig um eine Verbesserung seiner körperlichen Fähigkeiten handelt, zeichnet sich Dave Lizewskis Verwandlungsprozess durch eine wiederholte Beschädigung des männlichen Körpers aus. Denn als Superheld ohne besondere Superkräfte wird Dave (alias Kick-Ass) nicht nur im Comic, sondern auch im Film immer wieder von seinen Kontrahent_innen brutal verprügelt, beschimpft und gedemütigt. Und genau wie in der Comicreihe wird diese Verletzlichkeit und Schwäche auch im Rahmen der filmischen Inszenierung mit einer negativ konnotierten Feminisierung sowie Homosexualisierung des Protagonisten in Verbindung gebracht. Dies wird bereits zu Beginn des Comicfilms deutlich, wenn Dave während seines ersten Auftritts als Kick-Ass zunächst von zwei Kleinkriminellen brutal niedergestochen wird, bevor ihn ein PKW anfährt und er daraufhin schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wird. Auch wenn in dieser Szene – im Gegensatz zum Comic – auf den Gebrauch diskriminierender, homophober Rede verzichtet wird59, wird dennoch deutlich, dass es sich bei dem hier präsentierten schwachen, von der (Super-)Helden-Norm abweichenden Körper um einen unzulänglichen und damit verwerflichen – oder besser gesagt ›verdächtigen‹ Körper handelt, welcher eine potenzielle Gefahr für die hegemoniale heteronormative Geschlechterordnung darstellt und daher einer Sanktionierung bedarf. Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass Dave – aus Angst vor der Reaktion seines Vaters – den Notarzt (welcher ihn nach seinem missglückten 58 | Während in den Marvel Spider-Man-Comics der 1960er Jahre von einer radioaktiven Spinne die Rede ist, handelt es sich in Sam Raimis S pider -M an -Film um eine genmanipulierte Spinne. 59 | Im Gegensatz zum Comic beschimpft Kick-Ass die Kleinkriminellen nicht als »three homos making a mess« (Millar/Romita Jr. 2010, unpag.), sondern als »two cheap shit losers«. Im Film wird Kick-Ass wiederum von seinen Angreifern nicht als »fucking prick« (ebd.) oder »fucking faggot« (ebd.), sondern als »motherfucker« bezeichnet. Und auch im weiteren Verlauf des Films wird – ganz im Gegensatz zum Comic – auf den Gebrauch diskriminierender, homophober Sprache verzichtet.

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Auftritt als Superheld medizinisch versorgt) verzweifelt darum bittet, niemandem etwas von seiner Kostümierung zu erzählen. Aufgrund der stereotypen Analogisierung von (physischer) Schwäche, Homosexualität und Ent-Männlichung führt jedoch gerade die Tatsache, dass Dave nicht nur schwer verletzt, sondern auch nackt ins Krankenhaus gebracht wird, seitens seines Vaters sowie seiner Mitschüler_innen zu der Annahme, der Protagonist sei angesichts seiner vermeintlichen Homosexualität Opfer eines sexuellen Gewaltverbrechens geworden. Anstatt das Klischee des schwachen, effiminierten Homosexuellen zu widerlegen, wird dieses – genau wie im Comic – auch im weiteren Verlauf der filmischen Handlung aufrechterhalten und zusätzlich bekräftigt, wenn Dave – in der Hoffnung, die Zuneigung seiner großen Liebe Katie (Lyndsy Fonseca) zu gewinnen – absichtlich die stereotype Rolle des verweiblichten sexual nonthreatening gay best friend übernimmt. Darüber hinaus versagt Dave – genau wie im Comic – aufgrund seiner mangelnden körperlichen Fähigkeiten auch bei seinen weiteren Auftritten als Kick-Ass und muss wiederholt von Mindy alias Hit-Girl aus gefährlichen Situationen gerettet werden60. Getreu der Comicreihe handelt es sich ebenfalls bei der filmischen Version von Hit-Girl um ein junges Mädchen, welches von ihrem Vater Damon​ Macready61 alias Big Daddy zu einer äußerst brutalen, wild fluchenden und todbringenden Killerin ausgebildet wurde. Dass es sich bei Hit-Girl im Vergleich zu Kick-Ass um eine aktive, kompetente und durchaus heldenhafte Figur handelt, wird besonders deutlich, wenn beide Charaktere in der Wohnung des Drogendealers Rasul (Kofi Natei) zum ersten Mal aufeinandertreffen: Auf der Suche nach einer Möglichkeit, seinen Heldenmut zu beweisen und die Gunst seiner ​A ngebeteten zu gewinnen, beschließt Dave, seine neu gewonnene Popularität62 als New Yorks erster ›realer‹ Superheld zu nutzen und dem Drogendealer in Katies Namen einen Besuch abzustatten, um ihn aufzufor60 | Dave lässt sich von seinem ersten missglückten Auftritt als Kick-Ass nicht abschrecken. Nach einer langwierigen Rehabilitationsphase schlüpft er erneut in seinen grünen Taucheranzug, um auf Verbrecherjagd zu gehen. Dank geschädigter Nervenenden und zahlreicher implantierter Metallplatten ist er nun zumindest mit einer gesteigerten Schmerztoleranzgrenze ausgestattet. 61 | In Comic und Film werden zwei unterschiedliche Schreibweisen des Familiennamens verwendet. Während im Comic ›McCready‹ zu lesen ist, wird im Abspann des Films die Schreibweise ›Macready‹ angegeben. 62 | Bei seinem zweiten Auftritt als Kick-Ass gerät Dave durch Zufall in eine Schlägerei zwischen mehreren Angreifern und ihrem unbewaffneten Opfer. Bei dem Versuch, den Unbekannten vor dessen brutalen Angreifern zu schützen, wird Dave erneut übel zugerichtet. Doch dieses Mal weigert er sich aufzugeben und schafft es – dank seiner Hartnäckigkeit – die Angreifer in die Flucht zu schlagen. Diese ›heldenhafte‹ Tat wird nicht nur von einer gaffenden Menge beobachtet, sondern auch per Handy-Kamera gefilmt

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dern, in Zukunft gefälligst die Finger von ihr zu lassen63. Doch genau wie seine vorherigen Auftritte als Kick-Ass geht auch dieser ›heldenhafte‹ Versuch, Katie zu beschützen, gründlich schief. So erntet Kick-Ass zunächst nur höhnisches Gelächter für seine Superhelden-Verkleidung. Darüber hinaus wird der Protagonist bereits zu Beginn der Auseinandersetzung von Rasul und dessen Drogenring-Mitgliedern mühelos überwältigt, brutal zu Boden geworfen und mit einem Messer bedroht. Als für Kick-Ass alles verloren scheint, taucht plötzlich Hit-Girl aus dem Nichts auf und rettet ihm dank ihrer außergewöhnlichen kämpferischen Fertigkeiten das Leben. Im Gegensatz zu dem unbeholfenen, hilflosen und ängstlich wirkendem Kick-Ass wird die Figur der Tod bringenden Hit-Girl in dieser Szene als ›wahre‹ Superheldin eingeführt. Sie ist es, die trotz ihres Alters und Geschlechts im Besitz der phallischen Waffe ist und damit ihre zahlreichen Gegner_innen demonstrativ penetriert64 . »During the devastation, the text focuses on her [Hit-Girl] and keeps her victims’ corpses in the background; everything within this sequence works towards showcasing Hit Girl’s extraordinary abilities« (Schumaker 2011, 140). Indem Hit-Girls Kampfszene mit einer Punk-Version des Titelliedes einer beliebten Kinder-Fernsehsendung unterlegt wird, wird der hier präsentierte ironische Umgang mit traditionellen Gender-Rollen auf der auditiven Ebene des Films zusätzlich betont: »The aural companion to Hit Girl’s murderous rampage is a cover of the theme song to The Banana Splits Adventure, a 1969 child’s television program featuring actors in animal suits interacting with children, ›The Tra La la Song (One Banana, Two Banana)‹ by The Dickies, an American punk band. The song is remediated to fit the needs of a punk discourse to show how children can be active members of rebellion. The music has no diegetic source in reference to the characters, but serves to influence the ›gender punking‹ that occurs through Hit Girl’s unraveled intertextual code« (ebd., 141).

Neben Hit-Girls Brutalität ruft auch ihr äußerst vulgärer Sprachgebrauch in dieser Szene eine schockierende Wirkung hervor und unterläuft dabei gleichund prompt ins Internet gestellt, wodurch der maskierte Kick-Ass binnen kürzester Zeit an Popularität gewinnt und zum neuesten Medienphänomen avanciert. 63 | Im Film arbeitet Katie als freiwillige Helferin bei einer Drogenberatungsstelle, wo sie mit Rasul in Kontakt kommt. Während ihrer gemeinsamen Beziehung wird sie nicht nur von Rasul bestohlen, sondern auch körperlich misshandelt. 64 | Wie Eva von Redeker mit Bezug auf die Ausführungen von Judith Butler bemerkt, kann die Aneignung oder Inanspruchnahme des Phallus »und somit das Besetzen der symbolischen ›männlichen‹ Position« als eine »Art der Wiederholung in ›verkehrtem‹ Kontext, die subversive Rückwirkungen hat – nämlich die Enteignung eines unzulässigen Monopols« (von Redeker 2011, 82) verstanden werden.

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zeitig die gängige Vorstellung von einem süßen, unschuldigen elfjährigen Mädchen. Doch nicht nur die Vorstellung von klischeehafter ›Mädchenhaftigkeit‹ wird durch Hit-Girl in Frage gestellt65. Die (u.a.) von Tarantinos Gogo Yubari (Chiaki Kuriyama)66 sowie Bessons Mathilda (Natalie Portman)67 inspirierte Figur (vgl. Roebuck 2010, o.S.)68 stellt ebenfalls eine Irritation sowie Revision der (stereotypen) Rolle des jugendlichen sidekicks dar. Wie Nathan G. Tipton am Beispiel der Batman-Serie darlegt, wird die Figur des jugendlichen sidekicks im golden age der amerikanischen Superheld_innen-Comics u.a. mit dem Ziel eingeführt, den Verkauf von Comicheften durch das gezielte Ansprechen jugendlicher Leser_innen zu fördern (vgl. Tipton 2008, 322 f.). Darüber hinaus verdeutlichen Reinhold C. Reitberger und Wolfgang J. Fuchs, dass die Figur des klassischen sidekicks »auf einer alten Tradition der amerikanischen Subliteratur und Serienfiktion [basiert]. Schon im zarten Alter auf sich allein gestellt (beliebt sind Waisenknaben), unerschrocken, ehrlich, geschäftstüchtig, gewitzt, sauber und vor allem ›tough‹, so hat sich der 100% rotblütige Junge als speziell amerikanischer Archetyp herausgebildet« (Fuchs/ Reitberger 1971, 121 f.) 69.

Davon abgesehen, dass die Figur des jugendlichen ›Handlangers‹ in der Regel eine männliche ist, bemerkt Uli Hahn in Bezug auf die Comicreihe, dass sich in Kick-Ass scheinbar keine konsequente oder stabile Besetzung des klassischen sidekicks ausmachen lässt: 65 | Wie bereits an anderer Stelle erwähnt wurde, stellt die Figur der äußerst brutalen, wild fluchenden zehn- bzw. elfjährigen Killerin Hit-Girl ebenfalls eine deutliche Abweichung der klassischen, passiven weiblichen Nebenfigur dar, die als Verkörperung der damsel in distress regelmäßig aus lebensbedrohlichen Situationen befreit werden muss. 66 | Die Figur der jungen, todbringenden Killerin Gogo Yubari tritt sowohl in Quentin Tarantinos K ill B ill : Vol .1 (USA 2003) als auch in K ill B ill : Vol . 2 (USA 2004) auf. 67 | Bei der von Natalie Portman verkörperten Figur der Mathilda handelt es sich um ein zwölfjähriges Mädchen, welches sich in dem von Regisseur Luc Besson inszenierten Actionfilm L éon (F 1994) von einem Auftragsmörder zur Profikillerin ausbilden lässt. 68 | Mit ihrer lila Perücke erinnert Hit-Girl zudem an das Erscheinungsbild diverser Manga- und Animé-Figuren, die durch ihre lebhaft kolorierten Haare gekennzeichnet sind (vgl. Gateward 2002, 272). 69 | Weiterhin heißt es bei Fuchs und Reitberger: »Solche Jungens, das Salz und die Hoffnung Amerikas, wurden natürlich auch sofort zu Comic-Helden verarbeitet, da sie für die jugendlichen Leser noch geeignetere Identifikationsgestalten darstellen als die erwachsenen Helden« (Fuchs/Reitberger 1971, 122).

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Comic – Film – Gender »[T]here is a permanent fluctuation as to who can be called whose sidekick or whether the hero-figures have to fight on their own. Even when Kick-Ass teams up with Red Mist later on in the plot, it is not a superhero team-up as it can be found in the comic book classics of the 1940s or in the Justice League of America which first appeared in 1960 […]. With regard to Hit-Girl the sidekick aspect gains more relevance, as she might be the sidekick to her father. Only when looking closer it becomes evident that actually her father might be the sidekick to her […]. Nobody would doubt Hit-Girl to be the sidekick of Big Daddy, when looking at body size and overall appearance. But Hit-Girl is the one who actually does the dirty work. It is essential for the deconstruction of the traditional gender roles that those questions arise in the text. A child of merely ten years is an uncommon character for violent representations« (Hahn 2012, 6 f.).

Dass es sich bei Hit-Girl alias Mindy Macready um eine ›ungewöhnliche‹ Figur handelt, welche – sowohl im Comic als auch im Film – etablierte Gender- und Genremuster ins Wanken bringt, wird ebenfalls deutlich, wenn Mindy und Damon Macready im Rahmen einer bizarr anmutenden ›Trainingseinheit‹ in die filmische Narration eingeführt werden. Auf einem verlassenen Industriegelände schießt Damon Macready aus nächster Nähe mit einer großkalibrigen Pistole auf seine mit einer kugelsicheren Weste ausgestattete Tochter. Diese Übung soll Mindy dabei helfen, ihre Angst vor einem Treffer zu überwinden und die Wucht eines Kugelaufpralls besser einschätzen zu können. Neben der Tatsache, dass hier ein erwachsener Mann auf ein kleines, unschuldig wirkendes Mädchen schießt, wird die befremdliche Wirkung dieser Szene dadurch bestärkt, dass Vater und Tochter in einem höchst liebevollen Ton miteinander sprechen. Während Mindy ihren Vater darauf hinweist, dass sie Angst davor hat, von ihm angeschossen zu werden (»Daddy, I’m scared«), fordert dieser sie auf, sich wie ein ›großes Mädchen‹ zu verhalten (»honey, be a big girl now«), da es nichts gäbe, wovor sie sich fürchten müsse. Aber nicht nur der liebevolle Umgangston zwischen Vater und Tochter, auch die sanfte, klassische Musik, mit der die Szene unterlegt wird, sowie Mindys mädchenhafte pinke Kleidung stehen in einem direkten Kontrast zu der Brutalität dieser Szene und tragen so zu der Schaffung einer befremdlichen Atmosphäre bei. Nachdem Mindy mit Hilfe ihrer kugelsicheren Weste den Schuss aus der Pistole ihres Vaters sicher aufgefangen hat, geht die (verbale) Ironisierung dieser ›sentimentalen Familienszene‹ sogar noch einen Schritt weiter: Im Rahmen eines von Justin S. Schumaker als »typical father-daughter batering« (Schumaker 2012, 136) bezeichnetem Szenario besteht Damon darauf, Mindy noch zwei weitere Male niederzuschießen. Mindy lässt sich widerwillig darauf ein, besteht ihrerseits aber darauf, als Belohnung für ihre Gehorsamkeit im Anschluss an das ›Training‹ von ihrem Vater zum Eisessen ins Bowlingcenter ausgeführt zu werden. Dort fragt Damon seine Tochter, was diese sich wohl zu

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ihrem anstehenden Geburtstag wünsche. Mindy erlaubt sich einen Streich mit ihrem Vater und erzählt ihm, sie würde sich ein Hundebaby sowie eine Makeup- und Frisierpuppe wünschen. Anstatt sich über die ›alltäglichen‹ Geburtstagswünsche seiner Tochter zu freuen, ist Damon von Mindys Mädchenhaftigkeit sichtlich geschockt. Diese erweist sich jedoch nur wenige Augenblicke später als ›gespielt‹, da Mindy zugibt, ihren Vater an der Nase herumgeführt zu haben und sie ihm gesteht, dass sie sich in Wahrheit eine tödliche Waffe (ein Butterfly-Klappmesser) zum Geburtstag wünsche 70 Abbildung 51: Filmische Remedialisierung eines Ego Shooter-Videospiels

Quelle: Filmstill aus K ick-A ss . Blu-Ray Disc. Universal Pictures Home Entertainment 2010.

Genau wie ihr Comicpendant scheint also auch die filmische Version der HitGirl (sowie die unkonventionelle Beziehung zu ihrem Vater) ganz im Sinne von Judith Butlers Konzept der Gender-Parodie zunächst für eine Verwirrung der Geschlechter zu sorgen und bestehende, als ›natürlich‹ geltende GenderDiskurse in ironischer, verfehlter Form (wieder-)aufzuführen und subversiv zu unterlaufen. So auch in der Szene, in der Kick-Ass und Big Daddy von dem Mafiaboss Frank D’Amico und dessen Sohn Chris alias Red Mist 71 gefangen 70 | Die (vermeintliche) Ironisierung bzw. Pervertierung der Institution Familie wird im Rahmen der filmischen Inszenierung ebenfalls durch die Tatsache unterstrichen, dass das Appartement von Mindy und Damon eher einer Waffenkammer als einem beschaulichen Heim gleicht. 71 | Nachdem Kick-Ass, Hit-Girl und Big Daddy die kriminellen Geschäfte von Frank D’Amico wiederholt gestört haben, beschließt dieser, seinen Rivalen den Garaus zu

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genommen und live im Internet exekutiert werden sollen. In dieser hypermedialen Szene werden die Zuschauer_innen mit Hilfe der filmischen Remedialisierung eines – als stereotypisch männlich konnotierten (vgl. ebd., 141 f.) – Ego Shooter-Videospiels72 in die subjektive first-person-Perspektive von HitGirl versetzt (s. Abb. 51). Mit den ›Augen von Hit-Girl sehend‹, wird das Publikum Zeuge ihres Rachefeldzuges gegen die Peiniger ihres geliebten Vaters und des neu gewonnenen Superhelden-Kollegen Kick-Ass. Aber nicht nur das Videospiel wird in dieser Szene imitiert bzw. neu aufgeführt, sondern auch das Medium Comic. Während die filmische Remedialisierung des grafischen Mediums in Kick-Ass vor allem als Strategie der Unmittelbarkeit bzw. Authentifizierung eingesetzt wird, welche die Homogenität der filmischen Diegese nicht etwa in Gefahr bringt, sondern vielmehr durch die wiederholte Präsentation extradiegetischen Comicmaterials (vgl. Scholz 2010, o.S.) sowie durch die gezielte Verwendung ›comicspezifischer‹ Gestaltungsmittel und Verweise (s. Abb. 52) – wie z.B. dem Einblenden vereinzelter Textboxen oder die Integration verschiedener, von John Romita Jr. angefertigter Comiczeichnungen73 – unterstützt 74, machen. Um seinem Vater bei diesem Vorhaben zu helfen, kreiert Chris die Figur des vermeintlichen Superhelden Red Mist. In dieser Rolle verkleidet gelingt es Chris nicht nur, den Kontakt zu Kick-Ass herzustellen, sondern auch die Widersacher seines Vaters in eine verhängnisvolle Falle zu locken. 72 | Anhand der »Form der visuellen Wahrnehmung des Geschehens« lassen sich Shooter-Videospiele »in zwei Subgenres unterteilen: in First-Person Shooter und ThirdPerson Shooter« (Klein 2013, 356). Im Falle eines First-Person Shooters ›verschmilzt‹ der Spieler bzw. die Spielerin »mit dem unsichtbar bleibendem Avatar. Zu sehen sind nur die Hände oder Arme, die die jeweilige Waffe tragen. In der Third-Person-Perspektive bewegt der Spieler [bzw. die Spielerin] einen meist aus schräger Aufsicht vollständig sichtbaren Avatar durch die Spielwelt« (ebd., 357). 73 | Zudem lassen sich in K ick-A ss wiederholt Bildübergänge beobachten, welche die Nähe zwischen Comic und Film betonen. Ähnlich wie in Sam Raimis S pider -M an 2 (USA 2004) oder Ang Lees H ulk (USA 2003) erfolgen auch hier beispielsweise SchauplatzWechsel »durch die horizontale Verschiebung des Bildes, als würde der Blick von einem Panel zum nächsten schweifen« (Rauscher 2006, 567). 74 | In Bezug auf den Einsatz (inter-)medialer Verweise als Strategie der Authentifizierung in Superheld_innen-Comics und deren Verfilmungen bemerkt Alain Boillat: »Notons enfin qu’il existe, dans des réalisations qui ressortissent à la production dite ›de masse‹, un type de citation filmique véritable […] qui, bien que constituant une greffe dans la bande dessinée, ne met pas en péril l’homogénéité de la diégèse bédéique. On rencontre par exemple ce cas de figure dans les comics de superhéros, dont leurs auteurs, loin de craindre la réflexivité, en usent pour fidéliser leur lectorat en exhibant la complicité qu’ils instaurent avec leur fanship. C’est pourquoi il arrive que des histoires

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Abbildung 52: Beispielhafter Einsatz extradiegetischen Comicmaterials in Kick-Ass

Quelle: Filmstill aus K ick-A ss . Blu-Ray Disc. Universal Pictures Home Entertainment 2010.

werden die Zuschauer_innen des Comicfilms in dieser hypermedialen Szene durch den Einsatz einer auf wechselnden Hell-Dunkel-Phasen basierenden stroboskopischen Beleuchtung sowie einer extremen slow motion mit der demonstrativen Verlangsamung bzw. Unterbrechung des filmischen Bildflusses in sequenzielle Bewegungsphasen konfrontiert. Dabei verweisen sowohl der Aspekt der Verlangsamung als auch die durch den Stroboskopeffekt eingefügten Schwarz-Bilder auf den für eine Comicverfilmung essenziellen Transfer vom starren grafischen Comicbild zum bewegten technischen Filmbild bzw. auf den durch die Panelstruktur fragmentierten Raum des Comics. commercialisées sur différents supports (comic books, TV, radio, cinéma, etc.) opèrent une référence intermédiale à l’intérieur même d’un ensemble discursif entièrement dévolu au même univers diégétique (Boillat 2009, 59; Herv. im Org.). Übersetzung der Verfasserin: »Halten wir abschließend fest, dass in Werken, die aus der so genannten ›Massenproduktion‹ hervorgehen, eine Art der ›veritablen‹ filmischen Zitation existiert, welche, obgleich sie eine Übertragung in den Comic [bande dessinée] darstellt, die Homogenität der Comicdiegese nicht gefährdet. Man begegnet beispielsweise dieser Art von Zitationen in Superhelden-Comics, deren Autoren, weit davon entfernt das Prinzip der Selbstrelfexivität zu fürchten, sich ihrer bedienen, um das Publikum an sich zu binden, indem sie eine Mitwisserschaft vorführen, die sich in ihrem eigenen fanship begründet. Daher kommt es vor, dass auf verschiedenen Medienplattformen (comic books, Fernsehen, Radio, Kino etc.) vermarktete Geschichten eine intermediale Referenz betreiben - innerhalb eines diskursiven Ensembles, welches vollständig dem selben diegetischen Universum zuarbeitet«.

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Abbildung 53: Hit-Girls und Big Daddys origin story

Quelle: Filmstill aus K ick-A ss . Blu-Ray Disc. Universal Pictures Home Entertainment 2010.

Indem diese Momente der stilisierten Hypermedialität direkt mit Hit-Girl in Verbindung gebracht werden, wird die von ihr repräsentierte innovative Figur der toughen elfjährigen Superheldin als (re-)medialisierte ›unechte‹ Konstruktion entlarvt. Die als special effect ausgestellte hypermediale Imitation von Comic und Videospiel75 führt zudem zu einer Beglaubigung der filmischen Realitäts- bzw. Illusionsinstanz bei gleichzeitiger Denaturalisierung alternativer bzw. konkurrierender medialer Repräsentationsmodelle 76. Anders ausgedrückt werden hier – im Unterschied zu einer primär auf Unmittelbarkeit und ›Realitätsnähe‹ setzenden filmischen Ästhetik – unterschiedliche Prozesse der Remedialisierung nicht einfach negiert, sondern vielmehr gezielt ausgestellt und damit in »eine absichtsvolle, ästhetische Inszenierung überführt« (Seier 2007, 112). Ein ähnliches Phänomen ist in der Szene zu beobachten, in der die Hintergrundgeschichte von Hit-Girl und Big Daddy in Form einer 3D-ani75 | Wie Andreas Rauscher bemerkt, »führt im [Medium] Film die Beibehaltung der First-Person-Perspektive schnell zum unfreiwilligen Illusionsbruch« (Rauscher 2009b, 376). 76 | Wie Ulrike Bergermann in Bezug auf die Trickeffekte der A lien -Filmreihe und Autor_innen der »frühen Genrekritik« (Bergermann 2002, 160) ausführt, beruhen »[a]ltmodische Realitätsmodelle […] auf dem Stroboskopischen, und dessen Tricks erscheinen im Zeitalter digitaler Bilder plötzlich echt. Science Fiction stelle einen Effekt als special aus, um die vorigen Techniken zu naturalisieren und damit als Realitätsinstanz zu beglaubigen« (ebd.).

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mierten Comicsequenz in die filmische Handlung eingefügt wird und diese dabei gleichzeitig unterbricht (s. Abb. 53). Auch hier ist es wieder Mindy (alias Hit-Girl) bzw. die Beziehung zu ihrem Vater Damon sowie das Medium Comic, welche explizit mit der Remedialisierungsstrategie der Hypermedialität und der damit einhergehenden Ausstellung des Mediums als Medium in Verbindung gebracht werden. Diese zur Schau gestellte Medialität macht es den Zuschauer_innen nahezu unmöglich zu vergessen, dass es sich bei den hier gezeigten Bildern und repräsentierten Figuren um (re-)medialisierte Kunstprodukte handelt. Aber nicht nur die hypermediale Dekonstruktion der als ›künstlich‹ markierten Superheldin trägt zu der Unterminierung der innovativen Hit-GirlFigur bei. Das Scheitern der (subversiven) Gender-Parodie wird in Kick-Ass ebenfalls durch die Tatsache verdeutlicht, dass es sich trotz ihres toughen Auftretens und ihrer außergewöhnlichen Fertigkeiten bei Mindy (alias Hit-Girl) stets um das ›kleine Mädchen‹ ihres Vaters handelt. So kann Hit-Girl beispielsweise aufgrund ihrer origin story einer langen Reihe von fremdbestimmten Töchtern zugeordnet werden, die ihre kämpferischen Fähigkeiten durch das Training und die Führung einer patriarchalen Figur erlangen 77: »A consistent theme in stories about the female super, or action, hero is that she is reared or mentored by a man rather than a woman. Some of the strongest, most complex, and independent superwomen in modern mythology are raised by a single father, while their mother is almost always physically absent, and at least emotionally unavailable – addicted, mentally ill, or outright clueless« (Stuller 2010, 105).

In diesem Zusammenhang verwundert es auch nicht, dass Big Daddy – trotz seines desolaten Zustands – in der weiter oben beschriebenen Ego Shooter-Sze77 | Trotz einiger ironisierender Momente stellt die patriarchale, von Hollywoodstar Nicolas Cage verkörperte Figur des Big Daddy eine heroische Figur dar: Während es sich bei der Comicversion von Big Daddy um einen ›schlichten‹ Buchhalter und Comicsammler handelt, welcher seine Tochter glauben lässt, ihre Mutter sei von der Mafia getötet worden, wird die Filmversion des Vigilanten für das Kinopublikum mit einem heroischen Hintergrund ausgestattet. Aus der ›Verliererfigur‹ Big Daddy wird im Rahmen des filmischen Produktionsprozesses der ehemalige Polizist Damon Macready, welcher seine Tochter Mindy zu einer todbringenden Killerin ausbildet, damit er gemeinsam mit ihr den Tod seiner Frau rächen kann. Den heroischen sowie autoritären Aspekt der Figur unterstreichend, ist Big Daddy im Film in ein dunkles Superhelden-Kostüm mit gelbem Gürtel gehüllt, welches – laut M aking O f des Films – genauso eine allgemeine Hommage an verschiedene Hollywood-Superhelden-Kostüme (vgl. A N ew K ind of S uperhero: The M aking O f K ick-A ss , 2010) wie einen speziellen Verweis auf den Kampfanzug des berühmten ›dunklen Rächers‹ Batman darstellt.

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ne seiner Tochter (in Anlehnung an die Team-Kommunikation von Multiplayer-Videospielen) verschiedene Anweisungen zuruft, die dazu führen, dass HitGirl ihre zahlreichen Gegner besonders effektiv erledigen kann. Hierbei kann das Zurufen von Anweisungen als eine Art der ›Fremdsteuerung‹ verstanden werden, die sich auch in Hit-Girls hypermedialer Darstellung als ›gesteuerte‹ Ego Shooter-Figur wiederfinden lässt 78. Trotz ihrer vermeintlichen Unabhängigkeit und Stärke erfüllt die Figur der elfjährigen Hit-Girl im Rahmen der filmischen Inszenierung also durchaus die (stereotype) Rolle einer liebenden, gehorsamen Tochter, welche von ihrem Vater angeleitet und beschützt werden muss79. Auch wenn die Beziehung zwischen Hit-Girl und Big Daddy eine Reihe ironisierender sowie verstörender Momente aufweist und es sich bei der hier präsentierten unkonventionellen Familie eindeutig um ein pervertiertes (Familien-) Modell handelt, bleibt das Ideal bzw. der Bezugsrahmen einer traditionellen, funktionierenden Kernfamilie und der mit ihr verbundenen (hetero-)normativen Wertvorstellungen stets bestehen. So wird Big Daddy bzw. Damon Macready erst durch den Verlust seiner Ehefrau, respektive der Zerstörung seiner funktionierenden Familie, zu der Ergreifung ›außergewöhnlicher‹ Erziehungsmethoden getrieben. Darüber hinaus wird Damon – genau wie die Zuschauer_innen – im Verlauf der filmischen Inszenierung von dem Polizisten Marcus Williams (Omari Hardwick) mahnend daran erinnert, dass er seiner Tochter Mindy eine ›normale‹ Kindheit schuldet, da ihr diese aufgrund ihres (Familien-)Lebens als kostümierte Vigilantin bisher versagt geblieben ist. Bezeichnenderweise erhält Mindy die Chance auf ein solches ›normales‹ (Familien-)Leben auch erst nach dem Tod ihres geliebten Vaters80. Anders ausgedrückt muss Big Daddy sein unkonventionelles Leben opfern, damit Hit-Girl wieder zu einem ›normalen‹ Mädchen werden kann. In Big Daddys hypermedialer Sterbeszene geht diese Normalisierung (von Hit-Girl) Hand in Hand mit einem gewissen 78 | Dass es sich bei der Darstellung von Hit-Girl in dieser hypermedialen Szene um eine ›fremdgesteuerte‹ Figur handelt, wird auch anhand ihrer steifen Bewegungsabläufe deutlich. Einer digital generierten Avatar-Figur gleich, zeichnen sich Hit-Girls Bewegungen (welche die Zuschauer_innen im Rahmen der hier präsentierten first-person-Perspektive zu sehen bekommen) durch einen deutlichen Mangel an Fluidität aus. 79 | Bereits zu Beginn des Comicfilms wird Hit-Girl von ihrem Vater beschützt: Nachdem sie im Rahmen ihres ersten Auftritts Kick-Ass vor Rasul und dessen Drogenringmitgliedern gerettet hat, übersieht sie einen Angreifer, der sich hinterrücks an sie heranschleicht. Die tödliche Gefahr wird schließlich von Big Daddy gebannt, welcher seine Tochter vom Dach eines gegenüberliegenden Gebäudes durch ein Zielfernrohr beobachtet und den Angreifer mit einem gezielten Schuss zur Strecke bringt. 80 | Big Daddy wird zunächst gefoltert und dann von seinen Widersachern in Brand gesetzt, was schließlich zum Tod führt.

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Grad der Sentimentalisierung: Kurz bevor Big Daddy den Folgen seiner brutalen Folterung erliegt, ist es ihm noch möglich seiner Tochter in einem höchst emotionalen Moment zu sagen, dass er sehr stolz auf sie sei (»I’m so proud of you, baby doll«) und sie liebe, woraufhin ihm eine zu Tränen gerührte Hit-Girl entgegnet, dass er der netteste Vater der Welt sei (»you’re the kindest Daddy in the world«) und dass auch sie ihn liebe. Trotz ihres hypermedialen Charakters wird in dieser sentimentalen Szene eine Form der filmischen Nähe bzw. Unmittelbarkeit generiert, welche auf der Präsentation vermeintlich ›echter‹ und damit als ›authentisch‹ geltender emotionaler Momente basiert 81. Das Ineinandergreifen von immediacy und hypermediacy lässt sich auch in der filmischen Repräsentation von Dave alias Kick-Ass beobachten, da hier der Effekt der ›Normalität‹ und Unmittelbarkeit – also der vermeintlich unvermittelten Realität – gerade durch den Einsatz von Hypermedialität erzielt wird. So spielen neben dem Medium Comic bzw. dem Phänomen Comicverfilmung auch (digitale) Medien, wie z.B. Feature Phones, digitale Videotechnik und Internetplattformen (wie Myspace und YouTube), eine zentrale Rolle für die Darstellung von Kick-Ass, da dieser allein aufgrund seiner Internetpräsenz zum ›Superhelden‹ avanciert 82, was ihn wiederum zu einem »true Peter Parker for the social networking age« (Oliver 2011, 894) werden lässt. Darüber hinaus tragen auch die zahlreichen popkulturellen Bezugnahmen und interbzw. intramedialen (Comic-)Verweise zu einer Authentifizierung der ›realen‹ Superhelden-Figur Kick-Ass bei, da in diesen Momenten eine ›Verschweißung‹ der filmischen sowie außerfilmischen Welt über das Aufrufen einer Popkultur stattfindet, die gleichzeitig von den diegetischen Figuren und den Zuschauer_innen geteilt wird (vgl. Seier 2007, 124)83. 81 | Mit Bezug auf das von Richard Grusin und Jay David Bolter beschriebene Bedingungsverhältnis von Unmittelbarkeit und Hypermedialität verdeutlicht Andrea Seier, dass sowohl Unmittelbarkeit als auch Hypermedialität »in unterschiedlichen Medien und ihren jeweiligen Bedingungen immer wieder neu definiert« (Seier 2007, 85) werden. »Unmittelbarkeit bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf den Fensterstil (›looking through‹), sondern auch auf die Erzeugung ›authentischer‹ emotionaler Momente, mit denen die ZuschauerInnen an das Medium gebunden werden« (ebd.). 82 | Die Tatsache, dass Kick-Ass mit Hilfe digitaler Medien bzw. aufgrund seiner Internetpräsenz zum Superhelden avanciert, kann natürlich auch als (ironischer) Verweis auf das Medienphänomen Paris Hilton verstanden werden, deren Ruhm und Popularität nicht primär einem besonderen Talent oder speziellen Fähigkeiten, sondern vielmehr ihrem (vererbten) Wohlstand sowie ihrer medialen Inszenierung geschuldet sind (vgl. Fahy 2008, 75 f.). 83 | In ihren Ausfühgrungen beschreibt Andrea Seier die ›Verschweißung‹ der filmischen und außerfilmischen Welt über popkulturelle Verweise anhand von Quentin Tarantinos Jackie B rown (USA 1997). Dabei verdeutlicht sie, dass in Jackie B rown die

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In diesem Sinne handelt es sich also sowohl bei Hit-Girl als auch bei KickAss um remedialisierte Figuren. Während Hit-Girl und die mit ihr verbundene (potenziell) subversive Inszenierung von Gender mit Hilfe der Remedialisierungsstrategie der Hypermedialität im Verlauf des Films als fiktives bzw. ›unechtes‹ Konstrukt entlarvt wird, ist im Falle von Kick-Ass eine Normalisierung der ›echten‹ männlichen Superhelden-Figur zu beobachten. Der Begriff der Normalisierung ist hier in Anlehnung an Butlers Konzept der Heteronormativität bzw. der Zwangsheterosexualität zu verstehen. Das heißt genau wie im Comic wird auch im Rahmen der filmischen Inszenierung »Heterosexualität […] als das Normale, das Richtige, das Natürliche« proklamiert, während »[a]ndere sexuelle Orientierungen […] demgegenüber als abweichend, unnatürlich, anormal bewertet und/oder unsichtbar gemacht« (Villa 2003, 160) werden. Dementsprechend wird Dave alias Kick-Ass im Verlauf des Comicfilms als ganz ›normaler‹ Teenager charakterisiert, der in einer ganz ›normalen‹ – oder besser gesagt in einer unmittelbaren Welt – in die Rolle eines ganz ›normalen‹ Superhelden schlüpfen möchte. Um diese Rolle vollends erfüllen zu können, muss Kick-Ass nicht nur verantwortungsvolles Handeln lernen, sondern auch non-konforme Aspekte seiner männlichen Identität verwerfen und sich dem patriarchalen Wertesystem unterordnen. Im Gegensatz zum Comic zeichnet sich diese »Ökonomie der Verwerfung« (Butler 1997a, 160) und Unterordnung im Film sowohl durch das Einführen einer für das HollywoodKino als normativ geltenden heterosexuellen Liebesgeschichte84 als auch durch die (Re-)Installation familiärer Strukturen aus. Denn wie Sabine Hark treffend formuliert, stellt das »heterosexuelle Paar […] die ultimative Rationale menschlicher Beziehungen [dar], die unteilbare Basis jeglicher Gemeinschaft, die scheinbar unhintergehbare Bedingung der Reproduktion, ohne die, so das kulturelle Selbstverständnis, es überhaupt keine Gesellschaft gäbe« (Hark 2005, 294).

Im Rahmen der filmischen narrativen Auflösung gelingt es Dave alias Kick-Ass schließlich, seine große Liebe Katie für sich zu gewinnen – und damit seine heterosexuelle Männlichkeit zu bestätigen85. Eine Bestätigung, welche – völlig untypisch für das Genre der Superheld_innen – durch zwei explizite Liebes(hyper-)mediale Authentifizierung des Gezeigten (bzw. Erzählten) u.a. durch »das Reden über Musik« (Seier 2007, 124), also durch die Einbettung verschiedener musikalischer Verweise erfolgt. 84 | Siehe hierzu auch Kapitel 3.1 (S. 91) der vorliegenden Arbeit. 85 | Wie Tim Carrigan, Bob Connell und John Lee betonen, stellt Heterosexualität das wichtigste Kriterium hegemonialer Männlichkeit dar (vgl. Carrigan/Connell/Lee 2002, 113).

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szenen zwischen Dave und Katie, also durch den (wiederholten) erfolgreichen Vollzug des heterosexuellen Geschlechts- bzw. Reproduktionsaktes, zelebriert wird 86. Gemäß des auf einem fanart-Poster (s. Abb. 54) proklamierten Mottos »it’s time to be a hero« (vgl. http://andaal.deviantart.com/art/Kick-Ass-MoviePoster-Fan-Art-302786590) gelingt es Dave zudem dank seiner neu gewonnenen Potenz und (heterosexuellen) Mannhaftigkeit im weiteren Verlauf der filmischen Inszenierung, die phallische Waffe an sich zu reißen und damit endgültig die Rolle des passiven, inkompetenten Opfers abzulegen (s. Abb. 55). Abbildung 54: Fanart-Poster zu Kick-Ass

Quelle: . Letzter Zugriff: 26.06.2014.

86 | Der Aspekt der (hetero-)sexuellen Reproduktion wird ebenfalls aufgegriffen, wenn Dave alias Kick-Ass kurz vor seiner drohenden Exekution in einem an die Zuschauer_ innen des Films gerichteten voice over-Kommentar bemerkt, dass er es bereut, nicht mehr miterleben zu können, wie Katies und seine (potenziellen) Kinder wohl aussehen werden.

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Abbildung 55: Kick-Ass reißt die phallische Waffe an sich

Quelle: Filmstill aus K ick-A ss . Blu-Ray Disc. Universal Pictures Home Entertainment 2010.

Während Kick-Ass im Rahmen eines fulminanten showdowns die Rolle des aktiven, heroischen Retters übernimmt, wird die Figur der toughen Hit-Girl weiter unterminiert 87. Obwohl sie nur einige Minuten zuvor in der Lage war, sämtliche Anhänger des Mafiabosses im Alleingang auszuschalten, findet sie in Frank D’Amico – und der von ihm verkörperten patriarchalen Macht 88 – einen überlegenen Gegner. Am Ende ist sie es also, die – ganz im Gegensatz zum Comic – von Kick-Ass gerettet werden muss. Mit den (von Kick-Ass an Hit-Girl gerichteten) Worten »time to go home« wird dabei sowohl der stereotype Rollenwechsel von aktiver männlicher und passiver weiblicher Figur unterstrichen als auch Hit-Girls Rückkehr in eine ›normale‹ Kindheit – sprich in eine glückliche, funktionierende familiäre Struktur impliziert. So legt HitGirl – vor der Kulisse einer untergehenden Sonne stehend – am Ende des Films nicht nur demonstrativ ihre Heldinnenmaske ab. Im Rahmen der narrativen Auflösung nimmt sie vielmehr ihre vermeintlich ›wahre‹ Identität als Mindy Macready an. Infolgedessen wird die verwaiste (Ex-)Superheldin von Marcus, einem Polizisten und besten Freund ihres Vaters, aufgenommen, womit sie 87 | Obwohl sich die ausführenden Akteur_innen innerhalb des Films in einem ständigen Wandel befinden, ist stets eine stereotype Dichotomie von aktiven und passiven Gender-Rollen zu beobachten. 88 | Als Kopf einer verbrecherischen Mafia-Organisation sowie als Oberhaupt einer ›funktionierenden‹ Kernfamilie stellt Frank D’Amico im Film den Inbegriff patriarchaler Macht und heteronormativer Strukturen dar.

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schlussendlich die Möglichkeit erhält, das ihr bis dato verwehrte Leben eines ›ganz normalen‹ elfjährigen Mädchens zu führen. Auch wenn in Kick-Ass durchaus eine phasenhafte Verwirrung der Geschlechter zu beobachten ist, geht mit der hier präsentierten – auf Unmittelbarkeit und ›Realitätsnähe‹ setzenden – filmischen Remedialisierung des Superheld_innen-Genres jedoch keine konsequente Irritation oder Subvertierung etablierter Gender- oder Genremuster einher. Genau wie die gleichnamige Comicreihe scheitert auch im Comicfilm die Veruneindeutigung bzw. Parodie der Geschlechter an der (Re-)Etablierung sowie Naturalisierung heteronormativer Gender-Vorstellungen. Genauer gesagt ist im Falle von Kick-Ass die »normierende Macht« (Klähr 2011, 52) des konservativen Hollywood-Mainstream-Kinos zu beobachten. So bemerkt auch Jana Herwig, dass gerade »im Mainstreamfilm d.h. in kulturellen Artefakten, die auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens ausgelegt sind […] Identifikationspotentiale besonders stark an den ›normalen‹, nicht abweichenden codierten Genderkonfigurationen orientiert« (Herwig 2010, 62) sind. Dementsprechend werden auch in dem an Hollywood-Konventionen orientierten und auf ein breites MainstreamPublikum abzielenden Comicfilm Kick-Ass norm-abweichende Gender-Konstellationen verworfen, während dominante, hegemoniale Geschlechterstrukturen aufrechterhalten und als ›unhinterfragbares‹ Ideal konstituiert werden.

5.3 K ick -A ss 2: (R e -)A ffirmation normativer G eschlechterdiskurse Dank des weltweiten kommerziellen Erfolgs von Kick-Ass89 lässt eine Fortsetzung des mainstream-tauglichen Comicfilms nicht lange auf sich warten: Unter dem Titel Kick-Ass 2 gelangt im August 2013 der zweite Teil der als Trilogie ausgelegten real-life-Superheld_innen-Reihe in die Kinos90. Dem glossy look seines Vorgängers treu bleibend, präsentiert das Sequel seinen Zuschauer_innen die filmische Adaption der siebenteiligen Comicreihe Kick-Ass 2 sowie der fünf89 | Bei einem Produktionsbudget von geschätzten 24,3 Millionen Euro hat K ick-A ss weltweit 78,1 Millionen Euro eingespielt (vgl. Unterholzner o.J., 16). 90 | Wie Jeff Wadlow im M aking O f des Films betont, wird K ick-A ss – genau wie die gleichnamige Comicserie – von ihren Machern von Anfang an als Filmreihe bzw. Trilogie konzipiert (vgl. The M aking O f K ick-A ss 2, 2013). Dementsprechend veröffentlicht »Comic-Autor Mark Millar […] den zweiten Teil seiner geplanten ›Kick-Ass‹-Trilogie […], als nach dem erfolgreichen Start des ersten Films bereits feststand, dass es wohl auch im Kino eine Fortsetzung der Real-Life-Superhelden-Saga geben würde« (Petersen o.J., o.S.).

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teiligen Miniserie Hit-Girl91 . Genauer gesagt beginnt Jeff Wadlow – Autor und Regisseur des Films – bereits mit der Drehbuchumsetzung der Comicreihen, bevor diese von Comicautor Mark Millar und -zeichner John Romita Jr. fertiggestellt werden (vgl. The Making Of Kick-Ass 2, 2013). Bedingt durch den parallelen Entstehungsprozess von Comic und Film zeichnet sich also auch Kick-Ass 2 durch eine besondere Form der intermedialen Korrelation aus, welche – im Vergleich zu anderen Produktionen – den wechselseitigen Austausch beider Medien ermöglicht bzw. zusätzlich begünstigt. In diesem Sinne taucht z.B. im Rahmen der Hit-Girl- bzw. Kick-Ass 2-Comicreihe die Figur des für die Filmversion kreierten Polizisten Marcus Williams auf. Darüber hinaus lassen sich verschiedene ›filmische‹ Seheindrücke und Gestaltungsmittel – wie etwa der Einsatz besonders schneller und dynamischer Bildübergänge, die häufige Verwendung von wide-screen panels oder die Präsentation eines relativ schmalen, in schwarz gehaltenen Comicgitters (s. Abb. 56) – in Kick-Ass 2 bzw. HitGirl ausmachen, die bereits das (vermeintlich) unmittelbare Erscheinungsbild der ersten Kick-Ass-Pop-Comicreihe prägen. Zugleich ist in der filmischen Fortsetzung der Kick-Ass-Comicreihe ein wiederholter Rückgriff auf das grafische Medium zu beobachten. Folglich werden in Kick-Ass 2 nicht nur zahlreiche narrative Elemente aus der grafischen ›Vorlage‹ übernommen, sondern mit der Integration digital generierter Textboxen und Sprechblasen finden auch eine Reihe comicspezifischer (visueller) Ausdrucksmittel ihren Weg in die filmische Diegese. Darüber hinaus zählt die filmische Remedialisierung von Comiczeichnungen (s. Abb. 57) genauso zum gestalterischen Repertoire des Sequels wie die filmische Imitation von Bewegungslinien, den so genannten speedlines. Anstatt die eigene Medialität zu betonen und damit die ›Illusionsästhetik‹ des Films gezielt zu unterlaufen, werden diese hypermedialen Bezugnahmen und Verweise in Kick-Ass 2 nicht dazu genutzt, die Konstruiertheit des Gezeigten (bzw. Erzählten) zum Vorschein zu bringen. In Kombination mit der Einbettung zahlreicher popkultureller Referenzen sowie dem Rückgriff auf etablierte Darstellungskonventionen des narrativen Hollywood-Mainstream-Kinos führt die hypermediale Wiederaufführung des grafischen Mediums (und anderer medialer Formen wie z.B. YouTube, Twitter oder Kurzmitteilungen bzw. Textnachrichten) in Kick-Ass 2 vielmehr zu der Erzeugung eines Unmittelbarkeitseffekts, welcher – genau wie im ersten Teil der Comicfilm-Reihe – sowohl die Nähe zwischen Comic und Film als auch die (Realitäts-)Nähe zwischen der filmischen Illusionswelt und der außerfilmischen Lebenswelt der Zuschauer_innen betont. 91 | Innerhalb der vorliegenden Arbeit wird auf die im Jahr 2012 im Marvel Icon Verlag erschienene englischsprachige graphic novel-Ausgabe Kick-Ass 2 sowie auf die im Jahr 2013 (ebenfalls im Icon Verlag) erschienene graphic novel-Ausgabe Kick-Ass 2 Prelude: Hit-Girl als Analysematerial zurückgegriffen.

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Denn genau wie bereits in Kick-Ass spielen auch in Kick-Ass 2 Strategien der Authentifizierung bzw. Naturalisierung und Normalisierung eine bedeutsame Rolle. Abbildung 56: Beispielhafte Remedialisierung ›filmischer‹ Seheindrücke und Gestaltungsmittel in den Kick-Ass 2- und Hit-Girl-Comics

Quelle: Mark Millar/John Romita Jr.: Kick-Ass 2 Prelude: Hit-Girl. New York: Marvel 2013, unpag. (Bild links) sowie Mark Millar/John Romita Jr.: Kick-Ass 2. New York: Marvel 2012, unpag. (Bild rechts).

So dreht sich auch der zweite Teil der geplanten Filmtrilogie um die zen­trale Frage, was passiert, wenn ganz ›normale‹ Menschen im ›wahren‹ Leben in die Rolle ›echter‹ Superheld_innen schlüpfen. Während Dave Lizewski (Aaron Taylor-Johnson) dieser Frage im ersten Kick-Ass-Film noch mit vollem (Körper-)Einsatz nachgeht, hat der ›durchschnittliche‹ Teenager zu Beginn von Kick-Ass 2 seinen grünen Taucheranzug (aus Angst vor den Gefahren, die das Leben eines ›realen‹ Superhelden mit sich bringt) bereits wieder an den Nagel gehängt. Und auch die im Rahmen der filmischen Adaption zu einem fünfzehnjährigen, pubertierenden Mädchen herangewachsene Mindy

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Macready (Chloë Grace Moretz)92 sieht sich aus Loyalität zu ihrem Ziehvater Marcus (Morris Chestnut) dazu gezwungen, ihrem Superheldinnen-Dasein abzuschwören. Im Gegensatz zu Big Daddy besteht Marcus nämlich darauf, dass Mindy das Leben eines ganz ›normalen‹ Mädchens führt. Dieses ›normale‹ Leben beinhaltet nicht nur den Alltag an einer amerikanischen Highschool sowie ein rosagestrichenes Jugendzimmer, sondern auch Übernachtungen bei Freundinnen und Verabredungen mit ›Jungs‹. Wenngleich sich Mindy zunächst noch schwer damit tut, ihr Alter Ego Hit-Girl hinter sich zu lassen und die gesellschaftlich anerkannten Verhaltensweisen (›angemessene‹ Kleidung und Sprache etc.) einer typischen Fünfzehnjährigen anzunehmen, lernt sie jedoch schon bald, dass auch in ihrer Brust das Herz eines ›echten‹ Mädchens schlägt. Abbildung 57: Filmische Remedialisierung von Comiczeichnungen

Quelle: Filmstill aus K ick-A ss 2. Blu-Ray Disc. Universal Pictures Home Entertainment 2013.

Den Schlüssel zu dieser Erkenntnis liefert Mindys erste Pyjamaparty, welche im Hause ihrer Schulkameradin Brooke (Claudia Lee) stattfindet: Hier wird sie zunächst von den anwesenden Mädchen mit intimen Fragen zu ihrem (bis 92 | Während einige Jahre zwischen der Produktion des ersten K ick-A ss -Films und des Sequels K ick-A ss 2 vergangen sind, finden die Ereignisse im Rahmen der Hit-Girl-Comicreihe (welche als prelude, also als Prequel zu der Serie Kick-Ass 2 zu verstehen ist) bereits sechs Monate nach Kick-Ass statt. Dementsprechend handelt es sich bei der Comicversion von Mindy alias Hit-Girl um ein elfjähriges Mädchen, während ihre Filmversion in der Zwischenzeit zu einer fünfzehnjährigen Teenagerin herangewachsen ist.

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dato noch nicht vorhandenen) Liebesleben konfrontiert93. Als Mindy zugeben muss, dass sie noch keinerlei sexuelle oder romantische Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gesammelt hat und sich auch gar nicht vorstellen kann, was daran erstrebenswert sein soll, wird sie von ihren Mitschülerinnen ausgelacht und als »dyke« beschimpft. Um ihr ihre vermeintlich ›wahre‹ heterosexuelle Natur zu verdeutlichen, führt Brooke Mindy schließlich ein Musikvideo der (real existierenden) britischen Boygroup Union J vor. Während Mindy zunächst noch recht skeptisch wirkt und ironische Bemerkungen von sich gibt, wird auch sie nach kurzer Zeit – genau wie ihre Mitschülerinnen – von der Erotik des Videoclips förmlich in den Bann gezogen. Ihren sprichwörtlichen Höhepunkt erreicht diese Szene, als die Filmkamera – im Rahmen einer klassischen Schuss-Gegenschuss-Montage – immer näher an die verschiedenen Akteur_innen heranfährt und schließlich auf Mindy verweilt, die durch das Betrachten des Videoclips einen Moment des (hetero-)sexuellen Erwachens erlebt94 . Auf Mindys verdutzte Frage »What the fuck was that?« antwortet Brooke völlig gelassen: »That? That is who you are Mindy. You may not dress like us or talk like us, but, when it comes to boys we’re all the same […]. It’s biology bitch. Don’t fight it«. Obwohl Mindys erster Impuls tatsächlich darin besteht, ihre biologische, d.h. heterosexuelle ›Natur‹ zu bekämpfen und die Pyjamaparty frühzeitig zu verlassen, gewinnt ihr Wunsch nach Zugehörigkeit und ›Normalität‹ – oder besser gesagt nach Heteronormativität – am Ende die Oberhand. Im weiteren Verlauf der filmischen Inszenierung führt dieses heteronormative Verlangen u.a. dazu, dass Mindy ihre als Hit-Girl erworbenen Fähigkeiten einsetzt, um in das Schultanzteam aufgenommen zu werden. Dank ihrer Tanz-Performance gewinnt Mindy nicht nur die Anerkennung ihrer Mitschüler_innen, sondern festigt gleichzeitig ihren Status als ›echtes‹ Mädchen95. Ihre neu gewonnene ›Weiblichkeit‹ stellt Mindy einige Zeit später unter Beweis, als sie mit Eifersucht und Ablehnung auf die sexuelle Beziehung zwischen Dave (bzw. Kick-Ass) und 93 | Da Mindy und Dave aufgrund ihrer Aktivitäten als Superheld_innen viel Zeit miteinander verbringen, geht an ihrer Highschool das Gerücht um, die beiden seien ein Liebespaar. Dieses Gerücht führt wiederum zu Beginn der filmischen Inszenierung dazu, dass Katie (Lyndsy Fonseca) ihre Beziehung mit Dave alias Kick-Ass beendet. 94 | Auf der auditiven Ebene wird Mindys sexuelles Erwachen durch einen – vor Begehren – immer schneller werdenden Herzschlag sowie einem abschließenden Stöhnen unterlegt. 95 | Dass es sich bei Mindy alias Hit-Girl um ein ›echtes‹ Mädchen handelt, wird in dieser Szene u.a. dadurch unterstrichen, dass Brooke – die selbst ernannte Schulkönigin (queen bee) – in der Protagonistin eine ernst zu nehmende Rivalin sieht. Diese Rivalität zwischen ›Mädchen‹ führt im weiteren Verlauf der filmischen Handlung dazu, dass Brooke und ihre Anhängerschaft Mindy während ihres ersten Dates bloßstellen.

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Night Bitch (Lindy Booth) reagiert. Darüber hinaus weigert sie sich, weiterhin gemeinsam mit Kick-Ass und dessen frisch gegründetem Superheld_innenTeam auf Patrouille zu gehen. Um Dave von ihrer neuen mädchenhaften Gender-Identität zu überzeugen, willigt sie außerdem ein, mit einem (ihr bis dato unbekannten) Jungen aus dem Highschool-Team auszugehen. Auch wenn ihr erstes Date alles andere als gut verläuft, kommt Mindy dank dieser Erfahrung der Entdeckung ihres ›wahren‹ Ichs noch einen Schritt näher. Denn nachdem Brooke und ihre Anhängerschaft Mindy während ihres Dates bloßgestellt haben, holt sich die zutiefst verletzte und enttäuschte Teenagerin Zuspruch bei ihrem Superhelden-Kollegen Dave (alias Kick-Ass). Dieser rät ihr, zurückzuschlagen und dabei einfach sie selbst zu sein (»just beat them at their own game by being yourself«)96. Mindy beschließt Daves Rat zu folgen, doch anstatt erneut in das Kostüm der Hit-Girl zu schlüpfen, werden die Zuschauer_innen Zeuge, wie Mindy eine andere Identität annimmt – und zwar die Identität einer geschminkten, sexy gekleideten jungen Frau. Während im ersten Teil der Comicfilm-Reihe noch Dave (bzw. KickAss) im Fokus der präsentierten coming-of-age-story steht, ist es nun also Mindy (alias Hit-Girl), die sich mit der existenziell wichtigen Frage »Who am I« konfrontiert sieht97. Und genau wie zuvor Dave muss nun auch Mindy im Rahmen dieses Selbstfindungsprozesses erwachsen werden, den ihr zugewiesenen Platz in der (patriarchalen) Gesellschaft einnehmen und lernen,

96 | Bezeichnenderweise erhält Mindy diesen Rat in Daves Schlafzimmer. Zur Bedeutung des Schlafzimmers in coming-of-age-Narrativen bemerkt Martin Flanagan: »Bedroom scenes in teen cinema are hugely important in setting up the notion of the barriers that postpubertal emotions and sexual development erect between teenagers and their families or guardians; bedrooms are places for cultivating new selves or retreating into comforting old ones« (Flanagan 2007, 156). 97 | Auch wenn sich im zweiten Teil der Comcifilmreihe nun Mindy mit der Frage »Who am I« auseinandersetzen muss, spielt natürlich auch Daves Selbstfindungsprozess in K ick-A ss 2 weiterhin eine wichtige Rolle. Dementsprechend muss Dave lernen, dass sein Handeln als Superheld nicht nur schmerzhafte Konsequenzen für ihn selbst, sondern auch für seine Mitmenschen mit sich bringt. Als Teil eines klassischen ödipalen Konflikts (vgl. Reynolds 1992, 61) wird Dave in K ick-A ss 2 zudem mit dem brutalen Tod von zwei Vaterfiguren konfrontiert (sowohl Daves Vater als auch die patriarchale Figur des Colonel Stars and Stripes werden von Daves Erzfeind The Motherfucker bzw. dessen Handlanger_innen ermordet). Im Rahmen der narrativen Auflösung gelingt es Dave alias Kick-Ass schließlich Rache für den Tod seines Vaters bzw. des Colonels zu nehmen und damit sowohl seine Männlichkeit zu beweisen als auch seinen Status als ›realer‹ Held innerhalb der patriarchalen Gesellschaft zu festigen.

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was es bedeutet, eine ›normale‹ Frau zu sein98. Dabei changiert sie zunächst zwischen den Polen der gehorsamen Tochter Mindy und der todbringenden Killerin Hit-Girl99. Besonders deutlich wird diese Hin- und Her-Gerissenheit als Mindy nach einem Streit mit ihrem Ziehvater Marcus in einen Spiegel schaut und dort ihr Alter Ego Hit-Girl erblickt. Als traditionelles »Objekt der Selbstvergewisserung« (Herget 2009, 75) fungiert der Spiegel in dieser Szene sowohl als Instanz der Identitätskonstruktion als auch der -infragestellung: Denn obwohl Mindy sich selbst weiterhin als Hit-Girl sieht (bzw. sehen möchte), muss sie akzeptieren, dass diese Vorstellung ihrer Selbst nicht länger den Tatsachen entspricht und sie – auf der Suche nach ihrem ›wahren‹ Ich – einen Weg finden muss, ihre ›gespaltene‹ Persönlichkeit zu überwinden und eine eindeutige bzw. stabile heterosexuelle Gender-Identität anzunehmen. Damit wird Heterosexualität für Mindy nicht nur zu einem äußeren gesellschaftlichen Zwang, sondern auch zur »Bedingung der Subjektwerdung« (Villa 2003, 66) selbst. Anders ausgedrückt stellt »die Annahme der Heterosexualität als natürlich gegebene, unhinterfragbare sexuelle Identität« für Mindy bzw. Hit-Girl die Voraussetzung dafür dar, »ein ›Ich‹, ein gesellschaftliches Subjekt zu sein« (ebd.). Judith Butlers Konzept der Performativität von Gender folgend, ist diese Subjekt-Werdung bzw. die von Mindy angestrebte Etablierung einer eindeutigen Geschlechtsidentität auf permanente Prozesse der (verschleierten) Aufführung, Wiederholung und Verwerfung angewiesen. Denn ein ontologisierender Geschlechterdiskurs – wie er sowohl in Kick-Ass als auch in Kick-Ass 2 propagiert wird – geht »von einem homogenen, mit sich identischen, widerspruchsfreien, natürlichen, unveränderlichen und gegebenen Geschlecht« (ebd., 71) aus. So muss auch Mindy bzw. Hit-Girl im Rahmen der auf Transparenz und Unmittelbarkeit setzenden filmischen Inszenierung lernen, uneindeutige Gender-Rollen zu bekämpfen und non-konforme Aspekte ihrer eigenen Geschlechtsidentität zu verwerfen. Zu diesen uneindeutigen GenderRollen, die von Mindy bzw. Hit-Girl bekämpft und verworfen werden müs98 | In diesem Sinne kann die Figur der Hit-Girl auch als Beispiel für die von Yvonne Tasker beschriebene stereotype Figur der tomboy action heroine gesehen werden (vgl. Tasker 1998, 68). »[T]he stereotype of the ›tomboy‹ […] is framed by an Oedipal narrative in which she must ›grow‹ and accept limitations and responsibilities within the terms of heterosexuality« (ebd., 69). 99 | Als todbringende fünfzehnjährige Killerin handelt es sich bei Hit-Girl um die Verkörperung einer von Martin Flanagan als »powerful, uncontrollable teenager« (Flanagan 2007, 150) bezeichneten, genre-übergreifenden Figur, deren Macht und gleichzeitige Unkontrollierbarkeit nicht nur eine potenzielle Gefahr für sie selbst, sondern auch für kulturell etablierte Normen und konservative Wertvorstellungen darstellt (vgl. ebd., 150 f.).

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sen, zählt u.a. die von der Bodybuilderin Olga Kurkulina verkörperte Figur der Mother Russia. Diese stellt nicht nur aufgrund ihrer Charakterisierung als supervillain100, sondern auch aufgrund ihrer russischen Herkunft sowie ihres grotesk anmutenden muskulösen Körperbaus einen direkten Kontrast zu der westlichen, zierlichen Superheldin Hit-Girl dar. Als Personifikation der so genannten butch action heroine (vgl. Tasker 1998, 68 ff.) handelt es sich bei Mother Russia zudem um eine besonders maskuline Frau, deren muskulöser Körper stereotyperweise mit mangelnder Weiblichkeit und gleichgeschlechtlichem Begehren assoziiert wird (vgl. ebd., 71). Indem Mother Russia sowohl weibliche als auch männliche Eigenschaften miteinander kombiniert, stellt die von ihr verkörperte monströse, uneindeutige Weiblichkeit eine grenzüberschreitende Gefahr für das kulturell etablierte Konzept der binären Geschlechterdifferenz bzw. für die vermeintlich stabilen sowie ›natürlichen‹ Kategorien Sex und Gender dar (vgl. ebd., 141 ff.). Diese Gefahr gilt es im Rahmen der filmischen Inszenierung zu bekämpfen. Daher verwundert es auch nicht, dass Hit-Girl und Mother Russia im showdown des Comicfilms aufeinandertreffen. In einem blutigen Zweikampf – dessen Choreografie eine auffällige Affinität zu der brutalen Auseinandersetzung zwischen Hit-Girl und Frank D’Amico am Ende des ersten Kick-Ass-Films aufweist – gelingt es der jugendlichen Superheldin ihre Gegnerin zu bezwingen und damit gleichzeitig das durch sie repräsentierte abnorme Weiblichkeitsbild unschädlich zu machen. Mit dem Sieg über Mother Russia scheint auch Mindys bzw. Hit-Girls Selbstfindungsprozess ein jähes Ende zu finden: Aus der unsicheren, hin und her gerissenen Teenagerin ist in der Schlussszene des Films eine verantwortungsbewusste junge Frau geworden101, welche sich schließlich traut, ihrem ›biologischen‹ heterosexuellen Verlangen zu folgen und dafür mit ihrem ersten Kuss belohnt wird102 . Denn wenn es um ›Jungs‹, 100 | Wie Peter Coogan bemerkt, handelt es sich bei der Figur des bzw. der supervillain um ein wichtiges Kennzeichen des Superheld_innen-Genres: »Just as a hero represents the virtues and values of a society or culture, a villain represents an inversion of those values. But more than that a supervillain has the ability to enact that inversion, to bring the normal activities of a society to a halt and force a hero to arise to defend those virtues« (Coogan 2006, 61). 101 | Im Rahmen der narrativen Auflösung beschließt Mindy (alias Hit-Girl) New York zu verlassen, um ihren Ziehvater Marcus zu schützen. Eine Entscheidung, die verdeutlicht, dass das Schicksal der (verantwortungsbewussten) Protagonistin auch weiterhin von den patriarchalen Figuren bestimmt wird, die sie umgeben. 102 | Im Gegensatz zum Comic küssen sich Mindy und Dave am Ende des Films. Die (zumindest angedeutete) romantische Beziehung zwischen den Protagonist_innen gehört zu den bedeutsamsten narrativen Unterschieden zwischen ›Comicvorlage‹ und Filmversion. Für eine Übersicht der auffälligsten (inhaltlichen) Unterschiede zwischen

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d.h. gender-spezifisches, heterosexuelles Begehren geht – so die ontologisierende Botschaft des Comicfilms –, handelt es sich auch bei der Superheldin Hit-Girl lediglich um ein ganz ›normales‹ Mädchen. Um einen ganz ›normalen‹ Teenager handelt es sich auch bei Dave Lizewski (alias Kick-Ass). Dieser befindet sich mittlerweile in seinem letzten Highschool-Jahr und muss sich mit der Frage auseinandersetzen, was er mit seinem zukünftigen Leben anstellen möchte. Eine Antwort auf diese Frage scheint schnell gefunden zu sein: Dave beschließt aus dem Superhelden-Ruhestand zurückzukehren und sich erneut als Kick-Ass verkleidet in den Straßen von New York auf Verbrecherjagd zu begeben. Auf der Suche nach Unterstützung für sein Vorhaben versucht er, Mindy (alias Hit-Girl) zur Gründung eines Superheld_innen-Teams zu überreden. Auch wenn sich Mindy zunächst noch weigert mit Dave zusammenzuarbeiten, willigt sie dennoch ein ihn zu trainieren, damit aus dem Amateur alsbald ein ›wahrer‹ Superheld werden kann. Während seines Trainings muss Dave (alias Kick-Ass) nicht nur erneut seine Fähigkeiten als maskierter Verbrechensbekämpfer, sondern auch seine (heterosexuelle) Männlichkeit wiederholt unter Beweis stellen. So fordert Mindy im Rahmen ihrer ersten Trainingseinheit Dave beispielsweise auf, sie zu schlagen. Als dieser sich weigert, die Hand gegen ein fünfzehnjähriges Mädchen zu erheben, ist es Mindy, die zuschlägt und Dave mit den Worten »act like a bitch, get slapped like a bitch« zwei schallende Ohrfeigen verpasst. Das hierarchische Verhältnis zwischen der toughen Mindy und dem schwächeren, weiblich konnotierten Dave wird auch im weiteren Verlauf der filmischen Inszenierung deutlich, wenn der Protagonist im Rahmen seines Trainings immer wieder von Mindy verprügelt wird, bevor sich erste Erfolge einstellen und es ihm gelingt, die Anweisungen seiner Trainerin adäquat in die Tat umzusetzen103. Seine neu erworbenen Fertigkeiten soll Dave schließlich in einem Praxistest demonstrieren: Mit dem Ziel, sie zu verprügeln, lockt Dave – als reicher Zuhälter verkleidet – vier Kleinkriminelle in eine schmale Seitengasse. Noch bevor es zu einer kämpferischen Auseinandersetzung zwischen dem ProtagoComic und Film siehe http://kick-ass.wikia.com/wiki/Kick-Ass_2_%28film%29 (letzter Zugriff: 03.07.2014). 103 | Eine weitere Szene, welche das hierarchische Verhältnis zwischen Dave und Mindy verdeutlicht, lässt sich bereits im Rahmen der Anfangssequenz ausmachen: Während den Zuschauer_innen im ersten Teil der Comicfilm-Reihe eine bizarr anmutende ›Trainingseinheit‹ zwischen Mindy und ihrem Vater Damon präsentiert wird, sind es zu Beginn des zweiten Teils nun Mindy und Dave, die sich auf einem verlassenen Industriegelände gegenüberstehen. Im Rahmen dieses hierarchischen role reversals ist es nicht länger Mindy, die von ihrem Trainer niedergeschossen wird, sondern es ist Dave, welcher zu Trainingszwecken von der Protagonistin mit einer großkalibrigen Waffe zu Boden gestreckt wird.

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nisten und seinen Gegnern kommt, wird Dave zum Zielobjekt verletzender, homophober Rede, da er von einem der Kleinkriminellen als »queer bait« bezeichnet wird. Die Tatsache, dass in dieser Szene nicht nur Daves bzw. KickAss’ körperliches Wohlbefinden, sondern auch seine heterosexuelle Männlichkeit einer potenziellen (homosexuellen) Gefahr ausgesetzt ist, wird ebenfalls deutlich, wenn der Protagonist von demselben Kleinkriminellen wenig später als »faggot« beschimpft und mit einem Akt der sexuellen Gewalt bedroht wird (»now give me the bags, faggot, before I make you suck my fat cock«)104 . Auch wenn Dave in der darauffolgenden Schlägerei zunächst der überlegene Gegner zu sein scheint, wird er schon bald von seinen Kontrahenten niedergeschlagen und verprügelt. Bevor jedoch die Situation eskalieren kann, taucht plötzlich Hit-Girl in der Seitengasse auf und bringt die vier Angreifer im Rahmen einer furiosen Kampfszene souverän zur Strecke. Dank ihres kompetenten Auftretens rettet Hit-Girl in dieser Szene nicht nur das Leben des Protagonisten, sondern bewahrt auch dessen heterosexuelle (weiße) Männlichkeit vor einer drohenden Homosexualisierung. Die Verteidigung bzw. Aufrechterhaltung und Festigung von Daves heterosexueller (weißer) Männlichkeit ist auch im weiteren Verlauf des Comicfilms von zentraler Bedeutung. Nachdem Hit-Girl ihr Superheldinnen-Kostüm abgelegt und beschlossen hat, das Leben einer ganz ›normalen‹ Teenagerin zu führen, findet Dave alias Kick-Ass in der Figur des Colonel Stars and Stripes (Jim Carrey)105 einen neuen Mentor. Als erfahrener Kämpfer, wiedergeborener Christ und kompetenter Anführer des selbsternannten Superheld_innenTeams Justice Forever stellt der Colonel sowohl eine Remedialisierung patriotischer Comicfiguren (wie z.B. Captain America) als auch den Inbegriff dominanter (westlicher bzw. weißer amerikanischer) hegemonialer Männlichkeit dar. Wie bereits an anderer Stelle verdeutlicht wurde106, basiert das von Robert Connell entwickelte Konzept der hegemonialen Männlichkeit auf der Annahme, dass es innerhalb einer Gesellschaft bzw. Kultur verschiedene Arten von Männlichkeiten gibt und diese in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt es also immer ein spezifisches gesellschaftlich erstrebenswertes Männlichkeitsbild, welches die anderen Formen der Männlichkeit dominiert (vgl. Hißnauer/Klein ​2002, 28 f.)107. 104 | Im Gegensatz zum ersten Teil der Comicfilm-Reihe ist K ick-A ss 2 von homophoben sowie rassistischen Äußerungen durchzogen, die sich ebenfalls in der grafischen ›Vorlage‹ wiederfinden lassen. 105 | Bei der filmischen Version des Colonel Stars and Stripes handelt es sich um eine ›Zusammenführung‹ der Comicfiguren Colonel Stars und Lieutenant Stripes. 106 | Siehe hierzu Kapitel 3.3 (S. 134) der vorliegenden Arbeit. 107 | In seinem Werk Der gemachte Mann (1999) betont Robert Connell, dass hegemoniale Männlichkeit ein dynamisches Konzept darstellt, welches einen veränderlichen

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Infolgedessen muss Männlichkeit als eine »relationale Kategorie« verstanden werden, »die nicht nur im Verhältnis zu Weiblichkeit ihre Gestalt annimmt, sondern auch im Verhältnis zu anderen Männlichkeiten« (Lünenborg/Maier 2013, 110). Dementsprechend unterscheidet Connell »zwischen der hegemonialen Männlichkeit sowie den untergeordneten Männlichkeiten« (ebd.), wie Margreth Lünenborg und Tanja Maier bemerken. Während »in der heutigen westlichen Gesellschaft« (Connell 1999, 99) die Dominanz heterosexueller Männlichkeiten überwiegt, werden homosexuelle Männlichkeiten in eine untergeordnete Position gedrängt108. »Durch diese Unterdrückung geraten homosexuelle Männlichkeiten an das unterste Ende der männlichen Geschlechterhierarchie. Alles, was die patriarchale Ideologie aus der hegemonialen Männlichkeit ausschließt, wird dem Schwulsein zugeordnet [….]: Deshalb wird aus der Sicht der hegemonialen Männlichkeit Schwulsein leicht mit Weiblichkeit gleichgesetzt« (ebd.).

Weiterhin betont Connell, dass homosexuelle Männlichkeit(en) zwar »die auffallendste, aber nicht die einzige Form untergeordneter Männlichkeit« (ebd., 100) darstellt. So können »[a]uch heterosexuelle Männer und Jungen […] aus dem Kreis der Legitimierten ausgestoßen werden. Begleitet wird dieser Vorgang von einem reichhaltigen Vokabular an Schimpfwörtern: Schwächling, Schlappschwanz, Muttersöhnchen […]. Auch hier ist die symbolische Nähe zum Weiblichen offensichtlich« (ebd.).

Neben der sexuellen Orientierung können auch andere (soziale) Kategorien – wie Klasse oder ethnische Zugehörigkeit – die Grundlage für die gesellschaftliche Ausgrenzung untergeordneter bzw. marginalisierter Männlichkeiten bilden109. Charakter besitzt. Hegemoniale Männlichkeit stellt demnach eine Form von Männlichkeit dar, »die in einer gegebenen Struktur des Geschlechterverhältnisses die bestimmende Position einnimmt, eine Position allerdings, die jederzeit in Frage gestellt werden kann« (Connell 1999, 97). Somit muss auch die Vorherrschaft bzw. Dominanz einer bestimmten Männlichkeit stets verteidigt und neu verhandelt werden. 108 | Untergeordnete Männlichkeiten werden von Connell zudem in marginalisierte, unterdrückte und komplizenhafte Männlichkeiten differenziert (vgl. Lünenborg/Maier 2013, 110). 109 | So bemerkt Connell, dass »die Interaktion des sozialen Geschlechts mit anderen Strukturen wie Klasse oder Rasse […] weitere Beziehungsmuster zwischen verschiedenen Formen von Männlichkeiten« (Connell 1999, 101) schafft. Dementsprechend greift

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Im Rahmen der von Connell beschriebenen geschlechtlichen Macht- und Hierarchiegefüge wird das (hetero-)normative Bild hegemonialer Männlichkeit also stets durch die Abgrenzung dessen definiert, was es nicht ist bzw. nicht sein darf (vgl. Hißnauer/Klein 2002, 28). So erlangt auch das von Colonel Stars and Stripes verkörperte vorbildhafte Männlichkeitsbild seine Dominanz erst in Relation zu anderen, untergeordneten Männlichkeiten. Bei diesen untergeordneten Männlichkeiten handelt es sich u.a. um die Mitglieder des Superheld_innen-Teams Justice Forever. Genauer gesagt fungiert das Justice Forever-Team innerhalb der filmischen Inszenierung als eine Art ›Mikrokosmos‹ hegemonialer Männlichkeit. Während die Figur des Colonel Stars and Stripes innerhalb dieses Mikrokosmos die Rolle des autoritären Anführers sowie väterlichen Lehrers übernimmt110 (und damit eindeutig in die Fußstapfen des im ersten Teil verstorbenen patriarchalen Superhelden Big Daddy tritt), verkörpern die weiteren Team-Mitglieder, wie z.B. die Figur des schwarzen Dr. Gravity (Donald Faison) oder die Figur des homosexuellen Insect Man (Robert Emms), verschiedene Formen gesellschaftlich marginalisierter Männlichkeiten, welche durch ihre Unterordnung bzw. Komplizenschaft zu der (hetero-) normativen Definition weißer Männlichkeit in Kick-Ass 2 beitragen (s. Abb. 58)111. Als neuestes Mitglied des Justice Forever-Teams übernimmt auch Dave alias Kick-Ass zunächst eine komplizenhafte Rolle, die sich der hegemonialen Vorherrschaft des Colonel Stars and Stripes unterordnet. Im Gegensatz zu seinen Team-Kollegen gelingt es Dave bzw. Kick-Ass allerdings im Rahmen der filConnell auf den Begriff der Marginalisierung zurück, »um die Beziehungen zwischen Männlichkeiten dominanter und untergeordneter Klassen oder ethnischer Gruppen zu beschreiben« (ebd., 102). 110 | Dies wird besonders deutlich, wenn die Figur des erfahrenen Colonel Stars and Stripes die restlichen Mitglieder des Justice Forever-Teams trainiert und ihnen neue bzw. effektivere Kampftechnik(en) vermittelt. Darüber hinaus wird die väterliche bzw. autoritäre Rolle des Colonel ebenfalls unterstrichen, wenn dieser seine Team-Mitglieder wiederholt auffordert, auf ihren vulgären Sprachgebrauch zu achten und den Namen des Herrn nicht zu missbrauchen. Zur Bedeutung der Vaterfigur im Superheld_innenGenre siehe u.a. Richard Reynolds: Super Heroes. A Modern Mythology. Jackson: Univ. Press of Mississippi 1992. 111 | Eine weitere Form marginalisierter Männlichkeit, welche durch ihre Unterdrückung und Bestrafung zu der Dominanz hegemonialer (weißer) Männlichkeit im Film beiträgt, lässt sich in der Figur des asiatischen Zuhälters und Gangsters Jimmy Kim (Benedict Wong) ausmachen. Dieser wird (samt seiner Anhängerschaft) von den Mitgliedern des Justice Forever-Teams überfallen und für seine Devianz mit einer blutigen Kastration bestraft. Genauer gesagt wird er von Eisenhower – der von Colonel Stars and Stripes abgerichteten Schäferhündin – in den Genitalbereich gebissen.

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mischen Inszenierung, diese untergeordnete Position zu verlassen und selbst zum Inbegriff dominanter sowie erstrebenswerter (weißer) heterosexueller Männlichkeit zu werden. Dank seines Superhelden-Trainings verbessert Dave beispielsweise nicht nur erfolgreich seine kämpferischen Fähigkeiten, sondern es gelingt ihm auch, sich einen attraktiven, muskulösen (Geschlechts-)Körper anzutrainieren, welcher die begehrenden Blicke der sexuell erwachten Mindy (alias Hit-Girl) auf sich zieht. Ein weiterer Aspekt, welcher zur (Re-)Affirmation von Daves bzw. Kick-Ass’ hegemonialer (weißer) Männlichkeit beiträgt, ist die sexuelle Beziehung, die der Protagonist im Verlauf des Films mit seiner Team-Kollegin Night Bitch eingeht. Denn genau wie im ersten Teil der Comicfilm-Reihe dient auch hier die – im Gegensatz zum Comic – zur Schau gestellte heterosexuelle Potenz des Protagonisten als (Hollywood-typisches) Indiz für dessen Mannhaftigkeit und (kompetente) Heldenhaftigkeit. Oder wie Kerry Mallan treffend formuliert: »[B]ecoming a ›man‹ requires repudiating femininity by showing sexual desire as elaborating the difference between male and female« (Mallan 2009, 168). Abbildung 58: Justice Forever: ein ›Mikrokosmos‹ hegemonialer Männlichkeit

Quelle: Filmstill aus K ick-A ss 2. Blu-Ray Disc. Universal Pictures Home Entertainment 2013.

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Abbildung 59: Wie durch sein Kostüm verdeutlicht wird, handelt es sich bei Todds Superhelden-Identität lediglich um ein minderwertiges Kick-Ass-Derivat

Quelle: Filmstill aus K ick-A ss 2. Blu-Ray Disc. Universal Pictures Home Entertainment 2013.

Neben der erfolgreichen sexuellen ›Eroberung‹ von Night Bitch (und Mindy bzw. Hit-Girl) wird die in Kick-Ass 2 propagierte (Re-)Affirmation heteronormativer Geschlechterdiskurse auch in der filmischen Repräsentation von Daves Schulfreund Todd (Augustus Prew) deutlich. Als dieser erfährt, dass es sich bei dem geheimen Alter Ego von Kick-Ass um Dave handelt, beschließt auch er, sich eine Superhelden-Identität zuzulegen, welche sich jedoch als minderwertiges Kick-Ass-Derivat entpuppt. Dementsprechend handelt es sich – im Gegensatz zum Comic – bei Todds gelbem Kostüm mit grünen Streifen nicht etwa um eine originäre Maskerade, sondern lediglich um das farbliche Gegenstück zu Daves grünem Taucheranzug mit gelben Streifen (s. Abb. 59). Und auch der von Todd gewählte Name Ass-Kicker stellt eine offensichtliche Umkehrung des (vermeintlichen) Kick-Ass-Originals dar. Für seine mangelnde Kreativität wird Todd von seinen Freunden ausgelacht und als »knob gobbler« sowie »ass licker« beschimpft. Während es sich bei Kick-Ass also um eine positiv besetzte Verkörperung heterosexueller Männlichkeit handelt, wird Todd bzw. Ass-Kicker innerhalb der filmischen Inszenierung als lächerliche, homosexuelle und damit negativ konnotierte Figur dargestellt, deren norm-abweichendes Verhalten (bzw. Auftreten) mit Ablehnung und Marginalisierung bestraft wird. So bemerkt auch Kathrin Mädler in Bezug auf die Konstruktion hegemonialer Männlichkeit(en), dass gerade die »Opposition zu Gegenmodellen der Degeneration« bzw. »die Aufrechterhaltung solcher Gegenmodelle die

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repräsentative Norm [stützt], die sich über Ausschluß des ›Anderen‹ definiert« (Mädler 2008, 31). Ein weiteres Gegenmodell der Degeneration lässt sich in der Figur des supervillain Chris D’Amico (Christopher Mintz-Plasse) alias The Motherfucker ausmachen. Nachdem Chris – der im ersten Teil der Comicfilm-Reihe noch als vermeintlicher Superheld Red Mist ein doppeltes Spiel mit Kick-Ass treibt – aus Versehen seine Mutter getötet hat, findet der Antagonist seine ›wahre‹ Bestimmung als erster ›realer‹ Superschurke. Um seiner neu gefundenen Identität Ausdruck zu verleihen, ändert Chris seinen Namen in The Motherfucker um und tauscht überdies – ganz im Gegensatz zum Comic – seinen Red Mist-Anzug gegen ein sado-masochistisches Superschurken-Kostüm, dessen Fetisch-Charakter Assoziationen sexueller Devianz weckt. Genauer gesagt schlüpft Chris zunächst in das Lack- und Leder-Kostüm seiner Mutter, welches er – genau wie die Pistolen seines Vaters – nach ihrem Tod an sich nimmt (s. Abb. 60). Als Mann in Frauenkleidern wird Chris bzw. The Motherfucker in dieser Szene als norm-abweichende Figur eingeführt, welche durch das Überschreiten heterosexueller Konventionen eine potenzielle Gefahr für das Ideal hegemonialer (hetero-)normativer Männlichkeit darstellt. Abbildung 60: Überschreiten heterosexueller Konventionen: Aus Red Mist wird der superviallain The Motherfucker

Quelle: Filmstill aus K ick-A ss 2. Blu-Ray Disc. Universal Pictures Home Entertainment 2013.

Besonders deutlich wird diese Bedrohung gesellschaftlich sanktionierter (Hetero-)Normativität als Chris alias The Motherfucker (aus Rache für den Tod seines Vaters Frank D’Amico) nicht nur Daves Vater, sondern auch die hege-

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moniale Figur des Colonel Stars and Stripes umbringen lässt112 . Die Verwerflichkeit des von Christopher Mintz-Plasse verkörperten supervillain wird ebenfalls deutlich, als dieser den Wohnort und die geheime Identität von Daves bzw. Kick-Ass’ neuer Freundin Night Bitch (alias Miranda Swedlow) ausfindig macht. Gemeinsam mit seinen Handlangern überfällt er die Superheldin in ihrem Haus und versucht sie zu vergewaltigen. Aufgrund einer Erektionsstörung gelingt es The Motherfucker jedoch nicht, den drohenden Akt sexueller Gewalt tatsächlich auszuführen. Für dieses (hetero-)sexuelle Versagen wird der Superschurke von seinem (vermeintlichen) Opfer ausgelacht und mit den verächtlichen Worten »I guess evil dick feels limp« bestraft. Anstatt seinen Status als furchteinflößender Bösewicht zu festigen und seine heterosexuelle Männlichkeit unter Beweis zu stellen, wird Chris (alias The Motherfucker) in dieser Szene als impotenter und damit verweiblichter Schwächling dargestellt, dessen männliche Heterosexualität zur Disposition steht. Genau wie Todd bzw. Ass-Kicker dient also auch die Figur des supervillain The Motherfucker innerhalb der filmischen Inszenierung als ›warnende‹ Versinnbildlichung negativ besetzter norm-abweichender Männlichkeit. Anders ausgedrückt repräsentiert die Figur des marginalisierten Superschurken The Motherfucker all das, was die Figur des hegemonialen Superhelden Kick-Ass nicht ist und nicht sein darf. Daher treffen am Ende des Comicfilms nicht nur die Kontrahentinnen Hit-Girl und Mother Russia in einem finalen Kampf aufeinander. Im Rahmen des Film-showdowns muss auch Kick-Ass ›seinen Mann stehen‹ und seinem Erzrivalen Chris alias The Motherfucker bzw. der von ihm verkörperten devianten Männlichkeit gegenübertreten113. Und genau wie es Hit-Girl schließlich gelingt, ihre neu gewonnene ›Mädchenhaftigkeit‹ 112  |  Trotz seiner neuen Superschurken-Identität mangelt es Chris (alias The Motherfucker) weiterhin an besonderen (körperlichen) Fertigkeiten. Um diese Unzulänglichkeit zu kompensieren, engagiert der frisch gebackene supervillain, dessen einzige Superkraft in seinem immensen Reichtum besteht, kurzerhand eine Armee bezahlter Schläger_innen und Profikiller_innen, die er in Kostüme stecken lässt und mit rassistischen Namen (wie z.B. Mother Russia oder Black Death) versieht. Als Teil dieses supervillain-Teams (welches den bedeutungsschweren Namen The Toxic Mega Cunts trägt) ist es bezeichnenderweise die grenzüberschreitende Mother Russia, die im Verlauf der filmischen Handlung von Chris den Befehl erteilt bekommt, der hegemonialen Figur des Colonel Stars and Stripes den Kopf abzuschlagen. 113 | Dass es sich bei Dave alias Kick-Ass zum Schluss der filmischen Handlung um einen ›echten‹ Mann handelt, wird auf der visuellen Ebene der Inszenierung u.a. durch die Modifikation seines Superhelden-Kostüms unterstrichen. So trägt der Protagonist für die finale Schlacht ein Kostüm, welches eine Kombination aus Big Daddys imposantem Kampfanzug und Daves grünem Taucheranzug darstellt. Nachdem die Schlacht nicht nur geschlagen, sondern auch gewonnen ist, bemerkt Night Bitch zudem, dass der

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zu verteidigen (und damit gleichzeitig zu festigen), indem sie der monströsen, grenzüberschreitenden Weiblichkeit Mother Russias den Garaus macht, so schafft es auch Dave alias Kick-Ass, seinen Widersacher zu bezwingen114 und damit seine Rolle als ›wahrer‹ heteronormativer Superheld zu (re-)affirmieren115.

5.4 Z usammenfassung Kick-Ass may appear to sit somewhere between parody and satire, but at its geeky heart, it is actually an affectionate celebration of the superhero genre. (Oliver 2011, 894)

Wie die beispielhafte Analyse im Rahmen des vorliegenden Kapitels verdeutlicht hat, handelt es sich bei Kick-Ass um einen mainstream-tauglichen Pop-Comic, welcher – in der Tradition der so genannten revisionary narratives stehend – seinen Leser_innen eine selbstreferenzielle Wiederaufführung des Superheld_innen-Genres präsentiert. Obwohl die achtteilige Comicserie auf den ersten Blick durch eine ganze Reihe ironischer Übernahmen und Verschiebungen etablierter Gender- sowie Genrekonventionen gekennzeichnet ist, ist in Kick-Ass keine dauerhafte bzw. konsequente, kritische Hinterfragung oder Dekonstruktion heteronormativer Strukturen zu beobachten. Indem verstorbene Colonel Stars and Stripes stolz auf Kick-Ass und den errungenen Sieg wäre (»he would be proud of you, Dave«). 114  |  Nachdem Kick-Ass und The Motherfucker sich einen erbitterten Zweikampf geliefert haben, stürzt der Antagonist in ein Wasserbecken, wo er von einem Haifisch attackiert wird. Wie eine Szene im Anschluss an den Filmabspann verdeutlicht, hat The Motherfucker die vermeintlich tödliche Attacke jedoch überlebt und liegt nun schwer verletzt im Krankenhaus. Genauer gesagt hat The Motherfucker – ganz im Gegensatz zum Comic – aufgrund der Haifischattacke nicht nur seine Arme und Beine verloren, sondern auch seine äußeren Geschlechtsorgane. Mit dieser sprichwörtlichen Kastration wird nicht nur der supervillain, sondern auch die von ihm verkörperte deviante Männlichkeit endgültig unschädlich gemacht. 115 | Im Rahmen der finalen, achtteiligen Comicreihe Kick-Ass 3, welche von Juli 2013 bis August 2014 im Marvel Icon Verlag erschienen ist und im September 2014 als graphic novel-Ausgabe herausgebracht wurde, ordnet sich schließlich auch die Comicfigur Kick-Ass gänzlich dem patriarchalen Wertesystem unter. So endet der letzte Teil der Comicreihe damit, dass Dave sein Superhelden-Dasein aufgibt, um eine Karriere als New Yorker Polizist zu beginnen. Durch seine Liebesbeziehung mit Valerie erfährt darüber hinaus auch Daves bzw. Kick-Ass’ Heterosexualität in den Kick-Ass 3-Comics ihre endgültige Bestätigung und Festigung (vgl. Millar/Romita Jr. 2014, unpag.).

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Kick-Ass mit Hilfe gestalterischer Mittel eine auf Unmittelbarkeit, Kohärenz sowie Kontinuität setzende filmische ›Illusionsästhetik‹ remedialisiert und dabei gleichzeitig das subversive Potenzial der hypermedialen Comicästhetik minimiert, werden hierarchische sowie normalisierende Vorstellungen von Geschlecht (re-)produziert und als ›natürlich‹ konzipiert. Innerhalb dieses Naturalisierungsprozesses wird auch der auf den Prinzipien der Ausgrenzung, Ablehnung und Sanktionierung basierende gewaltsame Charakter der hegemonialen heteronormativen Geschlechterordnung nicht etwa problematisiert, sondern stabilisiert und authentifiziert. Genau wie die Comicreihe zeichnet sich auch der parallel entstandene Comicfilm Kick-Ass sowie dessen Sequel Kick-Ass 2 durch die (Re-)Affirmation (hetero-)normativer Geschlechterdiskurse aus. So scheitert im ersten Teil der Comicfilm-Reihe die parodistische ›Neu-Interpretation‹ des Superheld_innenGenres sowohl an der hypermedialen Dekonstruktion der innovativen HitGirl-Figur als auch an der unmittelbaren (Re-)Naturalisierung (hetero-)normativer Konzepte von Männlichkeit und Weiblichkeit. Und genau wie Kick-Ass ist auch der zweite Teil der Comicfilm-Reihe durch zahlreiche Strategien der Authentifizierung und Normalisierung gekennzeichnet. Infolgedessen wird das Konzept der heterosexuellen Identität weder in Kick-Ass noch in KickAss 2 als performatives Konstrukt entlarvt. Die im Rahmen der filmischen Inszenierung propagierte Rückkehr zu den etablierten Konventionen – sowohl des (klassischen) Superheld_innen-Genres als auch des narrativen HollywoodMainstream-Kinos – führt vielmehr zu einer Aufrechterhaltung sowie Bestärkung der dominanten heteronormativen Zwangsordnung des Geschlechts und ihrer illusionären Kohärenz.

6. Ausblick: Vom goldenen Zeitalter der Comicfilme

If the late 1930s and 40s were the golden age of comic books, the past decade and the one to come look set to be the golden age of comic-book movies. (Child 2010, o.S.)

Das golden age der Comicadaptionen, welches die aktuelle Kinolandschaft prägt, wäre sicherlich nicht denkbar ohne Richard Donners Superman-Verfilmung aus dem Jahr 1978. Mit Superman (USA) kommt zum ersten Mal eine Comicverfilmung in die Kinos, der es durch den Einsatz technischer Errungenschaften gelingt, die ›unmögliche‹ Welt der Superheld_innen ›glaubhaft‹ auf die Kinoleinwand zu transportieren (vgl. Ofenloch 2007, 25). In diesem Zusammenhang bemerkt Simon Ofenloch, dass für die filmische Umsetzung der Superman-Comics »sämtliche Tricktechniken bemüht [wurden], die zu jener Zeit der Filmproduktion zur Verfügung standen. Miniaturen, Kleinstmodelle, die pyrotechnisch zerstört werden konnten, Matte Paintings zur Montage gemalter Hintergründe, Rück- und Frontprojektionen, die viel bemühte Blue Screen und Retuschearbeiten, um insbesondere die Drähte auf dem Filmbild zu entfernen, an denen der Schauspieler Christopher Reeve ›flog‹, wurden für optische und mechanische Attraktionen genutzt« (ebd., 26).

Der von Ofenloch beschriebene Einsatz filmtechnischer Mittel zahlt sich aus, denn Superman wird zu einem Meilenstein technisch bewegter Comicbilder, der dank seiner finanziellen Rentabilität maßgeblich zum internationalen Durchbruch des Phänomens ›Comicverfilmung‹ beiträgt. Auch knapp 40 Jahre nach Richard Donners Kassenschlager haben Comicadaptionen nichts von ihrer Faszination eingebüßt und stellen bis heute die wohl populärste Form der intermedialen Korrelation von Comic und Film dar. So listet die Internetseite www.boxofficemojo.com rund 100 verschiedene Comicverfilmungen, die seit den späten 1970er Jahren den Weg auf die Kinolein-

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wände dieser Welt gefunden haben1. Und genau wie Superman sind auch zeitgenössische Produktionen, wie etwa Hulk (USA 2003), American Splendor (USA 2003), Watchmen (USA 2009), Scott Pilgrim vs. the World (USA/ GB/CAN/J 2010), The Avengers (USA 2012), Guardians of the Galaxy (USA/GB 2014), Avengers: Age of Ultron (USA 2015) oder die X-Men-Reihe2, in ihrer Umsetzung in hohem Maße von Innovationen im Bereich der (digitalen) Filmtechnik sowie Computeranimation abhängig, die den erfolgreichen Transfer sowohl inhaltlicher als auch formal-ästhetischer Aspekte vom Medium Comic zum Medium Film realisierbar machen. Wie sehr sich der Film im digitalen Zeitalter seinem grafischen Pendant anzunähern vermag und welche Rolle hierbei der Kategorie Gender zugeschrieben werden kann, zeigen die im Rahmen der vorliegenden Arbeit behandelten Comicfilme Sin City, Immortel (ad vitam) und Kick-Ass sowie Kick-Ass 2. Durch die filmische Remedialisierung comicspezifischer Elemente stellen diese Produktionen – so unterschiedlich sie zunächst auch scheinen mögen – eine Mediengrenzen überschreitende Repräsentationsform dar, die als ein (hyper-)mediales Ineinandergreifen von Comic und Film verstanden werden muss. Über die klassische Definition einer traditionellen Comicverfilmung hinausreichend, demonstrieren diese Werke auf eindrückliche Weise das auf anhaltenden Remedialisierungsprozessen basierende Wechselverhältnis beider Medien. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, dieser reziproken Beziehung nachzuspüren und dabei die grundlegende Funktion der Kategorie Gender für die Konstitution von Comic und Film bzw. für das Verständnis des zeitgenössischen Comicfilms herauszuarbeiten. Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehung der Performativität von Gender sowie der Medialität des Performativen wurde verdeutlicht, dass Comic, Film und Gender keine voneinander getrennten Bereiche darstellen, sondern vielmehr diskursiv aufeinander bezogen sind, sich gegenseitig antreiben und hervorbringen. Als konstitutive Größe ist die Kategorie Gender also weder bei einer Definition des Mediums Comic (vgl. Kapitel 2) noch bei einer Bestimmung sowie analytischen Betrachtung des Comicfilms zu vernachlässigen, sondern muss vielmehr konsequent 1 | Allein im Jahr 2014 kamen u.a. folgende Comicadaptionen und Sequels weltweit in die Kinos: Teenage M utant H ero Turtles (USA), X-M en : Days of F uture Past (USA/GB), The A ma zing S pider -M an 2 (USA), C aptain A merica : The W inter S oldier (USA), 300: R ise of an E mpire (USA), G uardians of the G alax y (USA/GB) sowie S in C it y : A Dame to F ill F or (USA). Eine ausführliche Auflistung von Comicadaptionen, die seit 1978 weltweit angelaufen sind (sowie von geplanten Filmprojekten) ist online einzusehen unter http://boxofficemojo.com/ genres/chart/?id=comicbookadaptation.htm (letzter Zugriff: 04.01.2015). 2 | Zu der X-M en -Reihe zählen aktuell die Filme X-M en (USA 2000), X2 (USA/CAN 2003), X-M en : The L ast S tand (USA/GB/CAN 2006), X-M en O rigins: Wolverine (USA/GB 2009), X-M en : F irst C lass (USA/GB 2011) und X-M en : Days of F uture Past (USA/GB 2014).

Ausblick: Vom goldenen Zeitalter

mitgedacht und kritisch reflektiert werden. Folglich wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht nur aufgezeigt, dass der Begriff der Comicverfilmung unzulänglich geworden ist, um zeitgenössische Produktionen, die auf das Medium Comic rekurrieren, zu beschreiben. Anhand der Analyse ausgewählter Comic- und Filmbeispiele wurde ebenfalls veranschaulicht, dass das Verhältnis von Comic, Film und Gender auf komplexen Strukturen beruht, die mit jeder Wiederholung, mit jeder performativen Wiederaufführung neu bestimmt bzw. verhandelt werden und daher einer konkreten, fallspezifischen Untersuchung bedürfen. So handelt es sich bei Sin City (vgl. Kapitel 3) um einen hypermedialen Comicfilm, welcher technische Mittel dazu nutzt, das abstrakte grafische Konzept der zugrunde liegenden Comicreihe möglichst detailgetreu auf die Kinoleinwand zu transferieren. Aber nicht nur die reduktionistische, unbestimmte Repräsentationsästhetik von Frank Millers Comic Noir-Universum wird in Sin City remedialisiert. Auch die bereits in der ›Comicvorlage‹ vorzufindenen überzeichneten und als performativ ausgestellten Geschlechterentwürfe werden zitiert, imitiert und neu aufgeführt. Durch ihre filmische Wiederaufführung erfahren die im Comic eingelassenen Geschlechterrollen sogar noch eine hypermediale Steigerung: Diese bringt nicht nur die reziproke Verschränkung und wechselseitige Beeinflussung von Gender und Medien deutlich zum Vorschein. Die überspitzte sowie verfehlte Darstellung geschlechtlicher Stereotype führt im Falle von Sin City ebenfalls zu einer Verwirrung und Subversion heteronormativer Gender-Konfigurationen. Die subversive (Re-)Medialisierung von Geschlecht ist ebenso in dem hybriden Comicfilm Immortel (ad vitam) zu beobachten (vgl. Kapitel 4). Wie Sin City ist auch das von Enki Bilal inszenierte postmoderne Science-FictionSpektakel durch die filmische Wiederaufführung comicspezifischer Elemente gekennzeichnet. Dabei besticht der surreale Comicfilm durch die Präsentation eines von Brüchen und Uneindeutigkeiten durchzogenen, künstlich stilisierten Hyperrealismus, welcher im direkten Kontrast zu einer auf Illusion und Unmittelbarkeit setzenden Hollywood-Mainstream-Filmästhetik steht. Im Falle von Immortel weisen die Brüchigkeit und Kontingenz der filmischen Inszenierung die Zuschauer_innen nicht nur auf die Künstlichkeit und Diskontinuität medialer Konstitutionsprozesse hin. Genau wie Bilals hybride Comicwelt lässt auch die Heterogenität sowie Hypermedialität des Comicfilms (mediale) Prozesse der Vergeschlechtlichung sichtbar werden. Wie die Analyse des Comic- und Filmmaterials verdeutlicht hat, geht mit der filmischen Remedialisierung der Trilogie Nikopol sowohl ein grenzüberschreitender Transfer vom Comic zum Film einher als auch eine performative Verschiebung sowie ReSignifikation der bande dessinée. Dabei wird die (mediale) Reproduzierbarkeit von Geschlecht genauso thematisiert und in Frage gestellt wie die vermeintli-

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che ›Natürlichkeit‹ der auf Verwerfung und Sanktionierung basierenden binären Zwangsordnung des Geschlechts. Dass der Aspekt der Hypermedialität bzw. der performativen Wiederaufführung jedoch nicht zwangsläufig eine Subversion oder Dekonstruktion heteronormativer Gender-Konstellationen mit sich bringt, hat die beispielhafte Analyse der Comicreihe Kick-Ass sowie der parallel zu ihren grafischen ›Vorlagen‹ entstandenen Comicfilme Kick-Ass und Kick-Ass 2 gezeigt (vgl. Kapitel 5). Wie bereits Sin City und Immortel zeichnen sich auch diese selbstreferenziellen bzw. selbstreflexiven Adaptionen durch eine besondere Form der intermedialen Korrelation von Comic und Film aus. Dementsprechend lässt sich sowohl in Kick-Ass als auch in Kick-Ass 2 der wiederholte filmische Rückgriff auf comictypische Stilmittel – wie etwa das Panelzitat, Sprechblasen, visuelle Soundeffekte (Lautmalereien), speedlines oder Textboxen – ausmachen. Dieser macht nicht nur gezielt auf die verschiedenen Kick-Ass-Comics, sondern auch auf das grafische Medium per se aufmerksam. Durch die parallele Entstehung von Comic und Film ist die Beziehung beider Medien zudem durch einen wechselseitigen Austausch geprägt. Denn genau wie das Medium Comic in beiden Adaptionen remedialisiert und neu aufgeführt wird, wird auch umgekehrt das Medium Film in den diversen Kick-Ass-Comics zitiert und imitiert. Genauer gesagt ist in der Kick-Ass-Comicreihe eine Remedialisierung der auf Kohärenz und Eindeutigkeit setzenden filmischen ›Illusionsästhetik‹ zu beobachten, welche einen Effekt von Unmittelbarkeit erzeugt und dabei gleichzeitig das subversive Potenzial der hypermedialen Comicästhetik auf ein Minimum reduziert. Genau wie bei ihren grafischen Pendants handelt es sich auch bei Kick-Ass und Kick-Ass 2 – trotz wiederholter intermedialer Referenzen auf das Medium Comic – um mainstream-taugliche Produktionen, welche primär durch die Remedialisierungsstrategie der Unmittelbarkeit gekennzeichnet sind. Anstatt die eigene Medialität zu betonen und so die filmische ›Illusionsästhetik‹ zu durchbrechen, dient die hypermediale Wiederaufführung des Comics (und anderer medialer Formen) durch das Medium Film in beiden Fällen als Strategie der Authentifizierung und Naturalisierung. Indem das Gezeigte (bzw. Erzählte) in Kick-Ass sowie Kick-Ass 2 durch die Präsentation einer durch Kohärenz und Kontinuität geprägten (vermeintlich) unmittelbaren Filmästhetik normalisiert und als ›natürlich‹ konzipiert wird, werden auch die geschlechtlich codierten Inhalte weder kritisch reflektiert noch dekonstruiert. Anstelle einer subversiven Auflösung oder Erschütterung essenzialistischer Identitäten und hierarchischer Strukturen ist in beiden Produktionen (genau wie in den Kick-Ass-Comics) vielmehr eine Bestätigung und (Re-)Installation (hetero-) normativer Zuschreibungsprozesse zu beobachten. Im Gegensatz zu Sin City und Immortel wird im Falle von Kick-Ass bzw. Kick-Ass 2 das subversive Potenzial des Comics also weder in der grafischen ›Vorlage‹ noch in der filmi-

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schen Remedialisierung ausgeschöpft. Stattdessen gerät die Möglichkeit einer ›wahrhaftig‹ störend bzw. verstörend wirkenden Parodie der Geschlechter in Anbetracht der hier (re-)produzierten Normalisierungs- und Ausschlussmechanismen an ihre diskursiven Grenzen. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgestellte kritisch-reflexive Analyse der (Re-)Medialisierung von Geschlecht im Phänomen Comicfilm hat verdeutlicht, dass die Berührungspunkte von Gender und Medien nicht nur konstitutiv und vielschichtig sind, sondern auch einem stetigen Wandel unterliegen: Genau wie die Kategorie Gender keinen fixen, ontologischen ›Kern‹ besitzt, handelt es sich auch bei der medialen Konfiguration des Comicfilms um eine dynamische, heterogene Form, die sich in einem anhaltenden, performativen Prozess des ›Werdens‹ sowie der Veränderung befindet. Vor dem Hintergrund aktueller Erscheinungsformen lässt sich beispielsweise sowohl eine zunehmende Demokratisierung des Comics als auch eine wachsende Emanzipation des Films beobachten. Während Produktionen wie Immortel oder die Kick-Ass-Filmreihe als lose bzw. parallel entstehende Comicadaptionen begriffen werden können, scheint das Prinzip einer ›Comicvorlage‹ für Filme wie etwa Sucker Punch (USA/CAN 2011) keine entscheidende Rolle mehr zu spielen3. Ohne (materiellen) Bezug zu einer wie auch immer gearteten grafischen ›Vorlage‹ präsentiert sich das Werk dennoch erfolgreich als hypermedialer Comicfilm, welcher mit Hilfe digitaler Animation verschiedenste narrative Elemente und visuelle Versatzstücke, wie z.B. Motive des japanischen Mangas oder des Science-Fiction-Comicmagazins Heavy Metal (ab 1977)4, in die filmische Diegese remedialisiert und neu miteinander kombiniert (vgl. http://titanmagazines.com/t/clint/features/interviews/zack-attack-interviewzack-snyder/). Resultat dieses hochstilisierten Einsatzes computerbasierter Tricktechnik ist ein von Wiederholung sowie Wiederaufführung geprägter heterogener Comicfilm, welcher die Grenzen zwischen Imagination und vermeintlicher ›Realität‹ unentwegt ins Wanken bringt. Einzig die repräsentierten Geschlechterrollen scheinen in Sucker Punch für die (Wieder-)Herstellung von Stabilität zu sorgen. Denn anstatt das produktive Potenzial der hypermedialen Comicfilm-Ästhetik zu nutzen und seine Zuschauer_innen mit der Dekonstruktion sowie Subversion etablierter Geschlechtermodelle zu konfrontieren, präsentiert der von Regisseur Zack Snyder inszenierte fantastische Film eine auf hegemonialen Macht- und Gender-Strukturen basierende heteronormative Welt, in der attraktive junge Frauen den Befehlen männlicher Figuren Folge 3 | Als weitere Beispiele für diese ›vorlagenfreie‹ Form des Comicfilms sind u.a. L ollipop M onster (D 2011), C hronicle (GB/USA 2012) und B unraku (USA 2010) zu nennen. 4 | Bei Heavy Metal handelt es sich um den amerikanischen Ableger des französischen Comicmagazins Métal Hurlant.

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leisten und leicht bekleidet gegen übergroße Samurai-Kämpfer, Drachen, Orks oder untote Soldaten kämpfen müssen5. Anders ausgedrückt gehen hier geschlechtliche und (hyper-)mediale Performativitäten nicht ineinander auf. Der in Sucker Punch präsentierte ›Rückfall‹ in traditionelle, stereotype GenderEntwürfe kann vielmehr als Vehikel der filmischen Normalisierung verstanden werden: Da die Glaubwürdigkeit des Gezeigten (bzw. Erzählten) durch die ›vorlagenfreie‹ Qualität des artifiziellen Comicfilms permanent in Frage gestellt wird, bedarf es einer konservativen Repräsentation heteronormativer Geschlechterrollen, welche verhindert, dass Sucker Punch sich in seiner eigenen hypermedialen Ästhetik gänzlich verliert. Die binäre Geschlechterdifferenz erweist sich hier also als eine Art Ruhe- oder auch Orientierungspunkt im Trubel der grenzüberschreitenden, hypermedialen Comicfilm-Form. Ein weiteres Beispiel für aktuelle Remedialisierungsstrategien des Comicfilms lässt sich anhand von Sin City: A Dame to Kill For (USA 2014) ausmachen. Ganze neun Jahre nach Sin City präsentiert die lang erwartete Fortsetzung des ersten Teils6 ihren Zuschauer_innen die filmische Remedialisierung von vier weiteren Comic Noir-Episoden, die allesamt aus der Feder des amerikanischen Künstlers Frank Miller stammen. Dabei stellt auch A Dame to Kill For den technik-basierten Versuch einer detailgetreuen Übersetzung der grafischen ›Vorlage‹ in das Medium Film dar. Im Gegensatz zu Sin City handelt es sich jedoch bei zwei der hier remedialisierten Comicepisoden um Geschichten, die Miller eigens für das Sequel kreiert hat und die bis dato in keinem seiner sieben Sin-City-Bände erschienen sind7. Wie in den production notes nachzulesen ist, haben sich Frank Miller und Robert Rodriguez (die sich 5 | Die Tatsache, dass es sich bei S ucker P unch um einen Film handelt, welcher in seiner Geschlechterdarstellung äußerst konservativ ist, findet ebenfalls in verschiedenen Kritiken und Rezensionen ihren Ausdruck. So bezeichnet etwa Jan Hamm die Produktion als »infantil-voyeuristische[n] Hochgenuss« (Hamm o.J., o.S.). Für Martin Schwickert stellt S ucker P unch eine »Männerfantasie ohne Plot« mit »konsequent durchsexualisierten Frauen« dar (Schwickert 2011, o.S.). Und auch David Kleingers von Spiegel Online sieht in den Protagonistinnen des Films lediglich »fremdbestimmte Fetischobjekte« (Kleingers 2011, o.S.). 6 | Genauer gesagt handelt es sich bei A Dame to K ill F or aufgrund der episodischen und teilweise repetitiven bzw. zirkulären narrativen Struktur der Sin City-Handlungsstränge gleichzeitig um das Prequel als auch um das Sequel des ersten Teils. 7 | Neben der titelgebenden Erzählung Sin City. A Dame to Kill For diente die Kurzgeschichte Just Another Saturday Night aus dem Sin City-Band Booze, Broads, & Bullets sowie die beiden extra für das Sequel angefertigten Kurzgeschichten The Long Bad Night und Nancy’s Last Dance als ›Vorlage‹ für die zweite filmische Adaption von Frank Millers Sin City-Universum (vgl. http://www.lgukpublicity.co.uk/data/75/notes/ sin_city2_a_dame_to_kill_for__uk_production_notes_final.pdf).

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ebenfalls im Rahmen der Fortsetzung die Rolle des Regisseurs teilen) dazu entschieden, ›neue‹ Sin City-Geschichten als ›Vorlage‹ für die Inszenierung von A Dame to Kill For zu verwenden, um das Kinopublikum mit bisher unbekanntem Material zu überraschen (vgl. http://www.lgukpublicity.co.uk/ data/75/notes/sin_city2_a_dame_to_kill_for__uk_production_notes_final. pdf)8. Im Vergleich zum ersten Teil wartet das Sequel zudem mit dem Novum digitaler 3D-Technologie auf. Während Sin City noch darum bemüht schien, einen möglichst hohen Grad an (filmischer) Zweidimensionalität zu erzielen, um der Flächigkeit seines grafischen Pendants gerecht zu werden, wird in A Dame to Kill For mit Hilfe filmtechnischer Errungenschaften die Illusion einer räumlichen Dreidimensionalität generiert. Diese soll (laut Rodriguez) einen look erzielen, welcher noch näher an Millers Zeichnungen heranreicht und die Zuschauer_innen des hypermedialen Comicfilms sprichwörtlich in das abstrakte grafische Sin City-Universum hineinzuziehen vermag. Und tatsächlich scheint Rodriguez’ Rechnung aufzugehen: Interessanterweise wirken die in A Dame to Kill For repräsentierten Figuren gerade aufgrund des suggerierten räumlichen Tiefeneffekts wie eindimensionale Abziehbilder, die sich – schablonenhaft und von ihrer Umgebung völlig losgelöst – in einer cartoonhaft überzeichneten Welt bewegen. Wie bereits in Sin City handelt es sich also auch bei den stereotypen Charakteren der Fortsetzung um künstlich stilisierte imaginäre Masken, deren Flächigkeit und Referenzlosigkeit durch den Einsatz neuester 3D-Technik und Computeranimation sogar noch intensiviert wird. Dieser exemplarische Ausblick veranschaulicht wie produktiv die wechselseitigen Remedialisierungsprozesse zwischen Comic und Film auch weiterhin sind und belegt dabei gleichzeitig Ben Childs eingangs erwähnte These des »golden age of comic-book movies« (Child 2010, o.S.). Darüber hinaus verdeutlichen die hier aufgeführten Beispiele auf prägnante Art und Weise die Relevanz des im Rahmen der vorliegenden Arbeit etablierten performativen Comicfilm-Konzeptes, welches nicht nur erlaubt aktuelle Veränderungen innerhalb der Medienlandschaft analytisch zu bestimmen, sondern dabei gleichzeitig auch die konstitutive Verschränkung von Medialität und Geschlecht in den Fokus medientheoretischer Untersuchungen zu rücken.

8 | Wie Frank Miller in einem Gruppeninterview, welches als special-feature auf der S in C it y 2: A Dame to K ill F or -Blu-Ray 3D Disc vorzufinden ist, konstatiert, wurde die Kreation der beiden neuen Sin City-Kurzgeschichten – The Long Bad Night und Nancy’s Last Dance – nicht nur vom ersten S in C it y -Film inspiriert, sondern auch in Kollaboration mit der Filmcrew des Sequels entwickelt (vgl. B ehind the S hadows , 2015).

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Christina Schachtner Das narrative Subjekt – Erzählen im Zeitalter des Internets Mai 2016, ca. 230 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2917-0

Thomas Morsch, Lukas Foerster, Nikolaus Perneczky (Hg.) Post TV – Debatten zum Wandel des Fernsehens Mai 2016, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2933-0

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Edition Medienwissenschaft Dennis Göttel, Florian Krautkrämer (Hg.) Scheiben Medien der Durchsicht und Speicherung Mai 2016, ca. 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3117-3

Beate Ochsner, Robert Stock (Hg.) senseAbility – Mediale Praktiken des Sehens und Hörens Mai 2016, ca. 500 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3064-0

Gundolf S. Freyermuth Games | Game Design | Game Studies Eine Einführung Februar 2015, 280 Seiten, kart., 17,99 €, ISBN 978-3-8376-2982-8

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Edition Medienwissenschaft Gundolf S. Freyermuth, Lisa Gotto (Hg.) Der Televisionär Wolfgang Menges transmediales Werk. Kritische und dokumentarische Perspektiven

Nadja Urbani Medienkonkurrenzen um 2000 Affekte, Finanzkrisen und Geschlechtermythen in Roman, Film und Theater

Mai 2016, ca. 600 Seiten, kart., ca. 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3178-4

Juni 2015, 528 Seiten, kart., zahlr. Abb., 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3047-3

Christer Petersen Terror und Propaganda Prolegomena zu einer Analytischen Medienwissenschaft

Julia Zons Casellis Pantelegraph Geschichte eines vergessenen Mediums

April 2016, ca. 290 Seiten, kart., ca. 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2243-0

Juni 2015, 242 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3116-6

Anne Grüne Formatierte Weltkultur? Zur Theorie und Praxis globalen Unterhaltungsfernsehens März 2016, ca. 490 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 49,99 €, ISBN 978-3-8376-3301-6

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Caroline Roth-Ebner Der effiziente Mensch Zur Dynamik von Raum und Zeit in mediatisierten Arbeitswelten Februar 2015, 366 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2914-9

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Zeitschrif t für Kultur wissenschaf ten Siegfried Mattl, Christian Schulte (Hg.)

Vorstellungskraft Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 2/2014

Dezember 2014, 136 Seiten, kart., 14,99 €, ISBN 978-3-8376-2869-2 E-Book: 12,99 € ISBN 978-3-8394-2869-6 Vorstellungs- oder Einbildungskraft bezeichnet die Fähigkeit zur Erzeugung innerer Bilder, die entweder Wahrnehmungen erinnernd reproduzieren oder produktiv Gegebenheiten überschreiten. Vorstellungen konstruieren imaginativ zukünftige Szenarien oder erzeugen – wie in der Kunst – ästhetische Alterität. Die interdisziplinären Beiträge dieser Ausgabe der ZfK untersuchen Figurationen und Agenturen des Imaginären: von den Todes- und Jenseitsimaginationen der christlichen Kunst, den Denk- und Sehräumen in Kunst und Medizin über Rauminszenierungen der Moderne, dem frühen Amateurfilmdiskurs bis hin zur Techno Security und Big Data. Der Debattenteil befasst sich unter dem Titel »Transparenz und Geheimnis« mit medien- und kulturwissenschaftlichen Zugängen zu Dispositiven der Überwachung.

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